Harald Pechlaner / Margit Raich / Silvia Schön Kurt Matzler (Hrsg.) Change Leadership
GABLER RESEARCH
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Harald Pechlaner / Margit Raich / Silvia Schön Kurt Matzler (Hrsg.) Change Leadership
GABLER RESEARCH
Harald Pechlaner / Margit Raich Silvia Schön / Kurt Matzler (Hrsg.)
Change Leadership Den Wandel antizipieren und aktiv gestalten Mit einem Geleitwort von Wolf von Holzschuher und Christian Wiebel
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Britta Göhrisch-Radmacher Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2325-7
Geleitwort des Förderers CAMAO AG
Change Leadership – das ist eine der großen Herausforderungen an die Unternehmensführung in dieser von dynamisch sich verändernden Wettbewerbsbedingungen geprägten Zeit. Der Anspruch, das Unternehmen wandlungsfähig zu halten und einen Rahmen zu schaffen, der Innovativen fördert und eine hohe Motivation der Mitarbeiter erlaubt, sollte daher über allen Managementansätzen stehen und sich dabei durch alle Branchen ziehen. Die vor dem Hintergrund der Symposiums „Entrepreneurial Leader II“ entstandenen Buchbeiträge innerhalb des thematischen Spannungsfeldes „Change Management“ und „Leadership“ greifen diese aktuellen EntwicklungHQ eindrucksvoll
auf und geben dem Leser die Möglichkeit einer kritischen eigenen Reflexion zu wichtigen theoretischen Konzepten und praktischen Erfahrungswerten. Wir gratulieren den Autoren und Herausgebern zu diesem gelungen Werk und wünschen dem Leser viel Spaß und anregende, neue Perspektiven bei der Lektüre dieses Buches!
München, im März 2010
Wolf von Holzschuher
Christian Wiebel
Vorwort der Herausgeber
Wandel und Veränderung sind wesentliche Konstanten im Unternehmen – diese frühzeitig zu erkennen, pro-aktiv zu handeln und die Entwicklung der Organisation an neue Rahmenbedingungen anzupassen, können als grundlegende Voraussetzungen einer nachhaltig erfolgreichen Unternehmensführung betrachtet werden. In der Literatur wird die Umsetzung von Veränderungsprozessen in Unternehmen innerhalb des breiten Forschungsfelds des „Change Management“ behandelt, worunter Ansätze und Maßnahmen verstanden werden, die eine wesentliche und nachhaltige Veränderung der Organisation zur Folge haben, indem sie beispielsweise neue Strukturen, Strategien, Systeme und/oder Kulturen implementieren bzw. neue Verhaltensweisen der Mitarbeiter fördern. Leadership-Verantwortung ist in diesem Zusammenhang vor allem dann notwendig, wenn es zu einem unfreiwilligen, abrupten Wandel im Unternehmen kommt und völlig neue Herausforderungen bewältigt werden müssen. Führungsverantwortliche müssen die Ursachen von Krisensituationen frühzeitig erkennen und tragbare Zukunftskonzepte entwickeln, die alle mittelbaren und unmittelbaren Beteiligten des Unternehmens einbeziehen. Die Beiträge in diesem Buch sind das Ergebnis des Symposiums Entrepreneurial Leader II, das vom 09.-10. Oktober 2008 in Ingolstadt stattfand und gemeinsam vom Zentrum für Entrepreneursh!p der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und dem Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Leopold-FranzensUniversität Innsbruck veranstaltet wurde. Folgende Fragestellungen wurden dabei diskutiert:
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Vorwort der Herausgeber
Wie lassen sich „strategische Wendepunkte“ in der Unternehmensentwicklung erkennen, die eine substanzielle Veränderung in der strategischen Ausrichtung bedingen?
Liegt der Schlüssel zum Unternehmenserfolg im Management des nachhaltig geplanten Wandels oder in der Fähigkeit der schnellen und flexiblen strategischen Umorientierung? Worin sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren im Management des Wandels zu sehen?
Worin liegen die größten Gefahren und die wesentlichen Potenziale im Management von Unternehmenskrisen?
Welche Leadership-Eigenschaften sind besonders wichtig in Krisensituationen? Welche Leadership-Konzepte eignen sich für die Umsetzung von Turn-Around-Prozessen?
Die Zielsetzung der vorliegenden Publikation besteht darin, unterschiedliche aktuelle Fragestellungen aus den Bereichen „Change Management“ und „Leadership“ aufzugreifen und theoretische Konzepte und Aspekte des unternehmerischen Wandels wiewohl Praxisbeispiele real existierender Change Leadership Projekte sowie deren Akteure unter spezifischen Blickwinkeln (z.B. Finanzierungsfragen, Wissens- und Technologietransfer, Wachstum, kritische Erfolgsfaktoren von Phasen unternehmerischen Wandels etc.) zur Verfügung zu stellen, die den Lesern einen Einblick in Forschungsfelder und Herausforderungen bzw. Spannungsfelder aus der Praxis im Zusammenhang mit aktiver, zukunftsorientierter Gestaltung von Wandlungsprozessen im Unternehmen geben. Prozesse des Wandels bedürfen unter Umständen spezieller Leadership-Fähigkeiten, daher nimmt die Auseinandersetzung mit Management- und Leadership-Fragen in diesem Buch einen besonderen Raum ein. Eine Führung auf der Grundlage von spezifischen Werten kann ein Stabilitätsfaktor für außerordentliche Prozesse des Wandels darstellen. Die Publikation richtet sich an Interessenten aus Wissen-
Vorwort der Herausgeber
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schaft und Praxis, die sich aktiv mit den Themen „Entrepreneurship“ und „Change Leadership“ auseinandersetzen bzw. eine Einführung in Fragen des antizipierten und gestalteten Wandels wünschen.
Eichstätt, Ingolstadt und Innsbruck im März 2010 Harald Pechlaner Margit Raich Silvia Schön Kurt Matzler
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort des Förderers……………………………………………..……...……….V Vorwort der Herausgeber………………………………………..............................VII Inhaltsverzeichnis.......................................................................................................XI
Wolfgang Hinz Aus der Krise zur Spitzenleistung -Quantensprung in Produktivitätssteigerung durch interessenbasierte Führungskultur..............................1
Gerhard Plasonig, Richard John Artley Selection of Successful Entrepreneurial Enterprises – ‘Technology Bridge™’………………………………………………………..........25
Mike Peters, Sabine Müller, Christoph Jurikovszky Unternehmertum in Tirol: Wachstum, Strategie und unternehmerische Stärken und Schwächen................................................................43
Jörg Freiling, Maria-José Estevão Kundenintegrationsbedingte Verwässerung der Strategieumsetzung – Analyse und Gestaltungsaspekte aus Sicht der Entrepreneurship-Theorie…............67
XII
Inhaltsverzeichnis
Dagmar Abfalter, Hans H. Hinterhuber Der Einfluss authentischen Führungsverhaltens auf den wahrgenommenen Erfolg im Kulturbetrieb................................................................95
Christopher Kronenberg, Andreas Strobl Unternehmertum aus genderspezifischer Sicht.........................................................121
Johann Risak Unternehmensqualität – Vision und Realität............................................................151
Anita Zehrer, Claudia Mössenlechner Leadership-Kompetenzen in Krisensituationen........................................................181
Kurt Matzler, Franz Bailom, Katja Hutter Die Rolle von Intuition in strategischen Entscheidungen.........................................211
Kerstin Fink, Christian Ploder Integration von IT-Governance in die Unternehmensstrategie – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung im deutschsprachigen..............229
Christopher Kronenberg, Stefan Ortner, Mike Peters, Carmen Zampol Die Erfassung der Risikowahrnehmung von Unternehmern....................................247
Ludwig Engels Leadership und Ethik – Paradigmenwechsel in dynamischen Zeiten.......................275
Inhaltsverzeichnis
XIII
Harald Pechlaner, Silvia Schön, Monika Bachinger Die Bedeutung von Entrepreneur-Leadership in Kommunen für eine erfolgreiche regionale Entwicklung – Eine empirische Studie in der Region Ingolstadt......................................................................................................287
Julia Müller, Lukas Siller, Julia Hautz Leadership in olyzentrischen Netzwerken – Die Bedeutung von Shared Leadership in einem Bankennetzwerk.........................................................331
Günther Botschen, Christine Kittinger-Rosanelli Markenorientierter Wandel in Organisationen.........................................................368
Claudia Müller, Christian Peham, Margit Raich Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur – Erfolgsfaktoren für Veränderungsprozesse?............................................................397
Die Autoren..............................................................................................................427
Aus der Krise zur Spitzenleistung Quantensprung in Produktivitätssteigerung durch interessenbasierte Führungskultur Wolfgang Hinz
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Einleitung............................................................................................. 2
2
Krisenbewältigung ............................................................................... 2
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Produktivitätsreserven ......................................................................... 5
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Der Weg zum Spitzenunternehmen ..................................................... 8
5
Persönlichkeitsstrukturelle Interessen................................................ 11
6
Die Schlüsselaktivität ........................................................................ 12
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Das Interessendiagramm.................................................................... 13
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Führungsprozess und persönlichkeitsstrukturelle Interessen ............. 17
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Unternehmenskrisen rechtzeitig vorbeugen....................................... 20
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Der Nutzen......................................................................................... 22
Literaturverzeichnis.......................................................................................23
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Wolfgang Hinz
1 Einleitung Als Unternehmer, Aufsichtsrat oder Topmanager ist man je nach Unternehmenssituation mit einer der vier strategischen Fragen der Unternehmensentwicklung konfrontiert:
Wie kommt mein Unternehmen in eine Spitzenposition? Wie bleibt mein Unternehmen an der Spitze? Wie erkenne und vermeide ich rechtzeitig Schieflagen? Wie kommt mein Unternehmen aus der Krise?
Auf diese Fragen gibt die interessenbasierte Führungskultur neue innovative Antworten. Diese haben weniger mit Methoden, Techniken oder Verfahren zu tun, sondern mehr mit Menschen und deren persönlichkeitsstrukturellen Interessen. In HINZ wird vorgestellt, welche Ergebnisse der Produktivitätsverbesserung in der Praxis gerade auch in schwierigen Unternehmenssituationen erzielt werden konnten, wenn die Menschen mit ihren persönlichkeitsstrukturellen Interessen in den Führungsprozess einbezogen werden. Gerade Krisenbewältigung oder besser noch Krisenvermeidung rücken beim derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld wieder stärker in den Brennpunkt. 2 Krisenbewältigung Nachfolgend sind drei Praxisbeispiele für existenzbedrohende Schieflagen dargestellt, welche mit Hilfe der interessenbasierten Führungskultur innerhalb eines Jahres nachhaltig bereinigt werden konnten. Die METALL GmbH ist ein Familienunternehmen mit einem patriarchalischen Inhaber. Mit 500 Mitarbeitern erzielt sie einen Umsatz von 80 Mio. €. Die Kreditlinien von 13 Mio. € sind voll ausgeschöpft. Die drei Hausbanken
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haben sich zu einem Bankenpool zusammengeschlossen und sind nicht bereit, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. Das Ergebnis ist Break-even. Die MASCHINENBAU GmbH ist ein Familienunternehmen mit einem partizipativ eingestellten Eigentümer. Das Unternehmen hat sich gerade vom langjährigen Alleingeschäftsführer getrennt. Es ist im Sondermaschinenbau tätig, Weltmarktführer in seinem hochinnovativen Marktsegment. An der Schwelle zur Markteinführung für ein neues sehr innovatives Produkt schlägt der bekannte Marktzyklus zu: Auf fünf gute Jahre folgen zwei schwache. Der Umsatz halbiert sich schlagartig von einem Jahr auf das folgende, hier sogar von 180 Mio. € auf 80 Mio. €. Das Unternehmen ist führungslos; die Verschuldung ist branchenüblich hoch; die in den vergangenen Zyklen getroffene Vorsorge für die beiden schwachen Jahre wurde diesmal nicht getroffen, sondern die Mittel in einen kostspieligen Verwaltungsneubau gesteckt; die Banken sind hochgradig nervös. Die KUNSTSTOFF GmbH ist das größte Einzelunternehmen einer Unternehmensgruppe, die wiederum in einen Konzern eingebunden ist. Die Holding der Gruppe ist die KUNSTSTOFF AG. Die KUNSTSTOFF GmbH erzielt mit 1400 Mitarbeitern einen Umsatz von 150 Mio. €. Monatlich fällt bei ihr ein Verlust von 2,5 Mio. € an; der Drohverlust für das kommende Geschäftsjahr beträgt 30 Mio. €. Um ein Unternehmen aus einer derartigen Krise zu führen, müssen alle Kräfte auf einige wenige Tätigkeitsfelder konzentriert werden. Aktionismus ist konsequent zu eliminieren. Eine Fokussierung auf
finanz- und betriebswirtschaftliche Aspekte den Führungsprozess Marktbearbeitung und Produktinnovation
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Wolfgang Hinz
hat sich in dieser Kombination als Erfolg versprechend erwiesen. Beim ersten Schwerpunkt steht das Liquiditätsmanagement im Zentrum. Ansonsten sind hier Vorgehen und Instrumente in der Literatur ausführlich beschrieben. Der dritte Schwerpunkt ‚Markt und Produkte’ darf während des Turnaround nicht vernachlässigt werden, kann aber schon aus zeitlichen Aspekten keinen großen Beitrag erbringen. Er spielt eine tragende Rolle in der nachfolgenden Phase, bei der die Nachhaltigkeit des Turnaround sichergestellt wird. Bleibt der Führungsprozess als wichtigstes Gestaltungsmittel für den Turnaround. Qualitätsmängel im Führungsprozess verursachen nicht nur Potenzialverluste bei Produktivität, Cash Flow und Ergebnis, sondern eskalieren auch in Krisensituationen. Daher kommt dem Abstellen von Führungsfehlern eine große Bedeutung bei der Krisenbewältigung zu. Begrenzender Faktor bei der Krisenbewältigung ist immer die Zeit. Ist die Schieflage nicht in 12 Monaten bewältigt, wird der Turnaround immer unwahrscheinlicher. Dennoch ist eine angemessene Beurteilung der Krisenursache unerlässlich. Zumeist befindet sich das Unternehmen in einer Schieflage, wenn es sich in einer der drei folgenden Fallen verstrickt hat:
Überkapazitätenfalle Komplexitätsfalle Managementfalle
Daher gilt es zunächst, die Art der vorliegenden Falle zu erkennen. Danach können dann mit der Bildung eines Krisenteams Sofortmaßnahmen in die Wege geleitet werden, um keine Zeit zu verlieren. Notwendig ist auch ganz
Aus der Krise zur Spitzenleistung
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zu Anfang des Turnaround die Erstellung eines Interessendiagramms, wie es in einem späteren Abschnitt beschrieben wird. Es zeigt an, welche Interessen die Entscheider mit dem Turnaround verbinden und bei wem mit Unterstützung oder Widerstand zu rechnen ist. Die Erarbeitung des Interessendiagramms ganz zu Anfang verhindert das Hineinstolpern in Fettnäpfchen und zeigt an, bei wem von Anfang an Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Danach wird der Entscheidungs- und Umsetzungsprozess des Unternehmens durch die Etablierung eines Führungsteams neu gestaltet. Das Krisenteam geht darin auf. Die Mitglieder des Führungsteams – maximal 10 bis 12 Teilnehmer – werden in der interessenbasierten Führungskultur geschult und werden als Kulturträger verpflichtet. Gleichzeitig wird das Programm Effizienzsteigerung gestartet, welches prozessorientiert die Produktivitätspotenziale in allen Bereichen des Unternehmens nach Prioritäten hebt. Schwachstellen können dabei mittels einer Potenzial- und Schwachstelleninventur ermittelt werden. Das weitere Vorgehen besteht überwiegend in der Abarbeitung, Überzeugungsarbeit und Nachsteuerung. Immer mehr Führungskräfte und Multiplikatoren werden eingebunden und in interessenbasierter Führungskultur geschult. Mit der Umsetzung im Unternehmen werden auch die damit verbundenen Produktivitätspotenziale gehoben und in der Folge der Turnaround sichergestellt. Schauen wir uns dazu die Erfolgsfaktoren genauer an. 3 Produktivitätsreserven Beginnen wir mit einem Blick auf die durchschnittliche Unternehmenssituation in Deutschland, welche den Beteiligten ganz normal erscheint. Zunächst folgen wir der Studie von TOWERS PERRIN aus dem Jahr 2007, für die 86000 Mitarbeiter in 18 Ländern befragt wurden. Demnach ist in Deutsch-
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Wolfgang Hinz
land nur jeder sechste Mitarbeiter, also 17 Prozent, hochengagiert. 36 Prozent haben bereits innerlich gekündigt oder sind auf dem Absprung. Bei diesen Zahlen kann es auch nicht beruhigen, dass die entsprechenden Werte in Frankreich, Italien oder Belgien noch schlechter ausfallen. Nur der Wert für die Schweiz ist etwas besser: 23 Prozent zählen dort zu den hochmotivierten Mitarbeitern. Ein Wert um 20 Prozent wird auch an anderer Stelle bestätigt. KATRIN TERPITZ untersucht in ihrem Artikel ‚Babylon ist überall’ Projekte in Unternehmen. Die erschreckende Nachricht gleich am Anfang: Nur jedes dritte ihrer Projekte halten deutsche Unternehmen für erfolgreich! Als erfolgreich wird ein Projekt dabei bewertet, wenn die Vorgabe aus Kosten, Zeit und Qualität mindestens zu 80 Prozent eingehalten wurde. Schon diese Grenze erscheint von minderem Anspruch, so dass der Prozentsatz wirkungsvoll umgesetzter Projekte wohl eher unter 30 Prozent liegt. Wenn wir hier der Studie ‚Projekte – Wertgewinner oder Wertvernichter?’ von MANFRED GRÖGER folgen, dann kommen wir auf 43 Prozent effektive und 31 Prozent effiziente Projektrealisierungen. Kombiniert zeigen beide Werte, dass nur 13 Prozent der Projekte zur Wertsteigerung des Unternehmens beitragen. GRÖGER schätzt, dass durch nicht erfolgreich umgesetzte Projekte jedes Jahr in Deutschland mehr als 150 Milliarden Euro vernichtet werden. Zu vergleichbaren Werten kommt zehn Jahre früher THE STANDISH GROUP in ihrem Report über Softwareentwicklung in USA. Sie schreibt: „In the United States, we spend more than $250 billion each year on IT application of approximately 175 000 projects…. A great many of these projects will fail. Software development projects are in chaos, and we can no longer imitate the three monkeys – hear no failures, see no failures, speak no failures. The Standish Group research shows a staggering 31,1 % of projects will be canceled before they ever get completed. Further results indicate 52,7 % of projects will cost 189 % of their original estimates. The cost of these failures and overruns are
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just the tip of the proverbial iceberg. The lost opportunity costs are not measurable, but could easily be in the trillions of Dollars…. On the success side, the average is only 16,2 % for software projects that are completed on-time and on-budget. In the larger companies, the news is even worse: only 9 % of their projects come in on-time and on-budget.” PROUDFOOT stellt in einer Studie vor, dass nur 40 Prozent der befragten Verkaufsleiter ihren Verkäufern attestieren, ein Verkaufsgespräch erfolgreich abschliessen zu können. In die Studie sind Befragungen von 800 Führungskräften wie auch die Ergebnisse aus 580 Projekten zur Vertriebseffizienz eingeflossen. Halten wir also fest
weniger als 20 Prozent der Mitarbeiter sind hochmotiviert weniger als 30 Prozent der Projekte werden erfolgreich abgeschlossen nur 40 Prozent der Verkäufer können ein Verkaufsgespräch erfolgreich abschließen
Hier tun sich enorme Produktivitätsreserven auf, die allerdings auch versteckte Produktivitätspotenziale darstellen. Wer sie aktivieren kann, der wird mit einem Quantensprung in Produktivitätssteigerung belohnt. Allerdings sind herkömmliche Manager nicht in der Lage, diese Potenziale zu erkennen, geschweige denn zu heben. Sie suchen an der falschen Stelle, nämlich bei noch ausgefeilteren und ausgeklügelteren Methoden, Techniken und Verfahren. Auch die herkömmlichen Controllingsysteme helfen hier nicht weiter. Oder zeigt das Controlling in Ihrem Unternehmen an, welche Wertschöpfungsver-
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luste durch Qualitätsmängel im Führungsprozess, durch gescheiterte Projekte oder durch abschlussschwache Verkäufer entstehen? 4 Der Weg zum Spitzenunternehmen Bei den gut geführten und erfolgreichen Spitzenunternehmen
sind 60 – 80 % oder mehr der Mitarbeiter hochmotiviert werden 60 – 80 % oder mehr der Projekte erfolgreich umgesetzt können 60 – 80 % oder mehr der Verkäufer ein Verkaufsgespräch erfolgreich abschließen
Der Weg vom normalen zum Spitzenunternehmen führt dabei nicht über noch mehr ausgeklügelte und ausgefeilte Methoden, Techniken und Verfahren, sondern über die Einbindung der persönlichkeitsstrukturellen Interessen in den Führungsprozess, in die Projektumsetzung und in den Verkaufsprozess; denn der Engpass in unseren Unternehmen sind nicht Methoden und Verfahren. Wir brauchen mehr umsetzungsstarke und leistungsfähige Führungskräfte, Projekt-Manager, Verkäufer und Mitarbeiter. Wir brauchen mehr Menschen, die Vorstellungen, Ideen, Konzepte, Aufgaben und Projekte auch tatsächlich erfolgreich realisieren. Das ist der wirkliche Engpass! Dabei gilt: Die Unternehmen sind am erfolgreichsten bei der Erfüllung ihres Unternehmenszwecks und ihrer Unternehmensinteressen, welche die Menschen mit ihren persönlichkeits-strukturellen Interessen bewusst einbinden. JIM COLLINS beschreibt in seinem vielbeachteten Buch ‚Der Weg zu den Besten’ die Level-5-Führungsqualität. Er billigt ihr „eine paradoxe Mischung aus persönlicher Bescheidenheit und professionaler Durchsetzungskraft für nachhaltige Spitzenleistung“ zu. Dann allerdings passt er bei der wichtigen Frage, wie man sich zu einer Level-5-Führungspersönlichkeit entwickeln kann: „Eine Liste mit Tipps zur persönlichen Weiterentwicklung in Richtung
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Level 5 kann ich leider nicht anbieten, weil wir kein entsprechendes Datenmaterial erhoben haben. Sicher ist: Level-5-Qualität ist eine der Schlüsselkomponenten für die Verwandlung von einem guten zu einem Spitzenunternehmen. Wie man sich allerdings zu einer Level-5-Persönlichkeit entwickeln kann, muss für den Augenblick der Spekulation überlassen bleiben.“ Lassen Sie sich angenehm überraschen, welche Antwort die Interessenbasierte Führungskultur auf diese wichtige und bei Jim Collins offen gebliebene Frage bietet. In HINZ wird ein Dreiphasenmodell beschrieben, welches den Weg aus der Krise zur Spitzenleistung markiert. Bei diesen drei Phasen handelt es sich um
Phase 1: Turnaround (ein Jahr) Phase 2: Stabilisierung (zwei Jahre) Phase 3: Entwicklung (drei Jahre)
Die Zeitangaben beziehen sich auf die ungefähre Zeitdauer dieser Phase. Mit der Phase 1 haben wir uns schon auseinandergesetzt. In dieser Phase ist es das Ziel, die Trendumkehr bei einer kritischen Entwicklung zu erreichen und das Unternehmen wieder in eine günstige Richtung zu bewegen. Auch wird das Unternehmen aus einer der drei Verstrickungen Überkapazitätenfalle, Komplexitätsfalle oder Managementfalle befreit. In der Phase 2 muss die Nachhaltigkeit des Turnaround abgesichert werden und das Unternehmen wieder zur Normalität zurückfinden. Ergebnis und Cash Flow sollten wieder im schwarzen Bereich liegen und anzeigen, dass die existenzbedrohende Schieflage überwunden ist. Dabei ist die Aufmerksamkeit auf zwei Schwerpunkte gerichtet: die effektive und effiziente Verbesserung der Außenwirkung und im Inneren die Stabilisierung der interessenbasierten Führungskultur. Zur Außenwirkung gehören Marktbearbeitung
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und Produktinnovation. Funktional geht es um die Bereiche Marketing, Vertrieb und Entwicklung. Zur Stabilisierung der interessenbasierten Führungskultur gehört die Personalentwicklung für Manager, zur weiteren Verbesserung der Produktivität die Modellierung der Geschäftsprozesse. In der Phase 3 kann der vorhandene Schwung genutzt und das Unternehmen zu einer Spitzenposition in der Branche geführt werden. Jetzt wird die interessenbasierte Unternehmenskultur auf Basis der Führungskultur umgesetzt. Dazu wird die gewünschte Unternehmenskultur beschrieben und in Vision, Leitbild und Grundstrategie des Unternehmens verankert. Sodann wird sie in die Personalentwicklungskonzepte der Multiplikatorengruppen eingearbeitet und umgesetzt. In der nachfolgenden Tabelle ist ein Praxisbeispiel für diesen Weg aus der Krise zur Spitzenleistung in Kennzahlen aufgeführt. Es stellt die Unternehmensentwicklung der TECHNIK GmbH über eine Periode von sechs Jahren dar. Die erste Spalte enthält die Messgrößen, die zweite Spalte die Ausgangssituation und die dritte die Entwicklung nach sechs Jahren. Die Zahlen sprechen für sich.
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Messgröße
Die Ausgangslage
Nach 6 Jahren
Umsatz
111 Mio. €
268 Mio. €
Anzahl Mitarbeiter im
858
1150
130 T €
233 T €
Lagerumschlagshäufigkeit
3,7
6,0
Debitorenreichweite
1,44 Monate
1,14 Monate
Marktanteil
9,4 %
12 %
Sach- und Personalauf
38,3 %
32,0 %
0
zweistellige
Jahresdurchschnitt Umsatz pro Mitarbeiter
wand in % vom Umsatz Ergebnis
Umsatzrendite Tabelle 1: Unternehmensentwicklung der TECHNIK GmbH Quelle: eigene Darstellung
5 Persönlichkeitsstrukturelle Interessen Interessen in dem hier verwendeten Sinn sind Beweggründe für unsere Unternehmungen und Unterlassungen. Sie schließen Motive des Handelns ein. Wenn wir bei Google nach dem Wort ‚Interessen’ suchen, dann erhalten wir etwa 20 Millionen Treffer. Dazu gehören Interessen von Staaten, von Unternehmen, von Interessengruppen und die Neigungen von Schülern bei der Berufswahl. All diese Interessen sind für uns nicht relevant.
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Es bleiben die individuellen Interessen von Persönlichkeiten. Auf den ersten Blick gibt es davon aber immer noch 6,5 Milliarden, also so viele, wie es Menschen gibt. Nun kommt aber die gute Nachricht: Diese individuellen Interessen weisen Strukturen auf, welche es uns ermöglichen, in ihnen wie in einer Landkarte zu lesen und uns zu orientieren. Daher der Begriff ‚persönlichkeits-strukturelle Interessen’, der nun allerdings wirklich neu ist. Persönlichkeitsstrukturelle Interessen sind Grundlage für die interessenbasierte Führungskultur. Diese ist in der Lage, die oben vorgestellten Produktivitätspotenziale auch in besonders schwierigen Unternehmenssituationen zu aktivieren, aber auch den Weg zur Spitze zu ermöglichen. Die persönlichkeitsstrukturellen Interessen schließen Motive des Handelns ein. Damit entzaubert der Umgang mit Interessen den Mythos ‚Motivation’ und bindet ihn ein. Im interessenbasierten Führungsprozess ist das Element ‚Motivieren’ vollständig ersetzt durch ‚Interessen verhandeln’. 6 Die Schlüsselaktivität Einstieg in die interessenbasierte Führungskultur bietet ein dreitägiges Intensivseminar ‚Persönlichkeit und interessenbasierte Führungskultur’. Es ist auch für Einzelpersonen und Kleingruppen bis zu 4 Teilnehmern – beispielsweise Vorstand, Geschäftsführung oder Inhaber – verfügbar. Erfolgreiche Manager unterscheiden sich von ihren weniger erfolgreichen Kollegen gerade dadurch, dass sie ihre Ideen und Vorstellungen signifikant häufiger verwirklichen. Die Einbeziehung der persönlichkeitsstrukturellen Interessen gestaltet dabei ganz wesentlich die Umsetzung und erhöht die Umsetzungswahrscheinlichkeit enorm.
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Im Seminar wird zunächst eine individuelle Arbeitshypothese und eine Landkarte der Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster erarbeitet. Als Ordnungssystem dient dabei der analytisch-psychologische Teil des Enneagramms. Dann erfolgt der innovative Schritt: Die Erstellung einer Landkarte der persönlichkeitsstrukturellen Interessen, welche die Wahrnehmungsund Verhaltensmuster hervorrufen und steuern. Weiter wird die Anwendung dieser Landkarte in der betrieblichen Praxis behandelt: Das Interessendiagramm; das berufliche Verhalten als Mitarbeiter, Führungskraft und als Topmanager – hier finden wir die Antwort auf die offene Frage von Jim Collins; das Verhalten in der Zusammenarbeit; die Auswirkungen auf Stelle, Stellenbesetzung, Personalauswahl und Personalentwicklung. Der Nutzen besteht in einer Qualitätssteigerung im Führungsprozess, in der Erhöhung des individuellen Wirkungsgrades, in einem größeren Beitrag zur Wertschöpfung und einer Stärkung der persönlichen Leistungsfähigkeit: Ein klarer Konkurrenzvorteil. Der Aufwand ist verhältnismäßig gering, der potenzielle Nutzen enorm hoch. Jeder Interessierte kann mit dieser Schlüsselaktivität in die interessenbasierte Führungskultur einsteigen und die Wirkung selbst ausprobieren und verifizieren. 7 Das Interessendiagramm „Was macht Projekte erfolgreich?“ Millionen Projektmanager und viele Buchautoren sind weltweit auf der Suche nach Antwort. Wenn dann wieder eine neue Antwort gefunden wird, schlägt das Cobb’sche Paradoxon unbarmherzig zu: „We know why projects fail, we know to prevent their failures – so why do they still fail?“ Woran liegt das? Schlicht und einfach daran,
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dass die falsche Frage gestellt wird. Sie muss lauten: „Wer macht Projekte erfolgreich?“ JOHN KOTTER schreibt: „Bei der Umsetzung unserer Ideen, Vorstellungen, Aufgaben und Projekte sind wir auf die Kooperation und Unterstützung anderer Menschen – seien es nun Mitarbeiter, Kollegen, Vorgesetzte oder Externe – angewiesen. Gelingt es nicht, diese Kooperation und Unterstützung zu gewinnen oder überwiegen sogar die Widerstände, dann scheitert die Umsetzung.“ Das Interessendiagramm wird erstmals in HINZ erwähnt und greift diesen Umstand auf. Es ist eine wichtige Anwendung der persönlichkeitsstrukturellen Interessen und damit auch ein zentraler Baustein der interessenbasierten Führungskultur. Das Interessendiagramm besteht aus den drei Arbeitsmitteln Machtprofil, Interessenprofil und Interessensynopse. Das Arbeitsmittel ‚Machtprofil’ soll Auskunft darüber geben, welche Personen mit welcher Intensität Einfluss auf ein Vorhaben nehmen und ob mit Unterstützung oder Widerständen zu rechnen ist. Bei der Erstellung sind naturgemäß Erfahrungen mit den Entscheidungsabläufen im Unternehmen nützlich. Zunächst wird der Personenkreis ermittelt, der für das Vorhaben relevant im Sinne der Einflussnahme ist. Als nützliche Unterlagen erweisen sich dabei die Geschäftsordnung für die Unternehmensführung und die daraus abgeleitete Vollmachtsordnung. Aus ihnen kann abgelesen werden, wer kraft Amt Einfluss auf das Vorhaben nehmen wird. Aus der Projektorganisation geht üblicherweise die Entscheidungskompetenz für ein Projekt hervor. Auch Personen, welche durch ihre personale Autorität Einfluss nehmen können sowie solche mit Multiplikatorenwirkung sollten nicht vergessen werden.
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Sodann wird im nächsten Schritt nach dieser Selektion je Person eingeschätzt, welche Verbindung diese zum Vorhaben hat und welchen Einfluss sie auf das Vorhaben nehmen wird. Dazu gibt es eine Klassifizierung. Im Fokus stehen zu Beginn die Schlüsselpersonen mit entscheidendem oder mitentscheidendem Einfluss auf das Vorhaben. Mit jeder dieser Schlüsselpersonen ist ein Gespräch zu führen, um ihre Einstellung zu dem Vorhaben besser kennen zu lernen. Dabei ist auch festzustellen, ob von ihnen Unterstützung oder Widerstand für das Vorhaben zu erwarten ist. Dieses gilt es einzuschätzen, da gerade zu erwartende Widerstände in den seltensten Fällen offen kommuniziert werden. Das vollständig ausgefüllte Machtprofil zeigt uns an, bei welchen Personen bereits zu Beginn des Vorhabens intensive Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Das Arbeitsmittel ‚Interessenprofil’ dient dazu, die auf das Vorhaben bezogenen Interessen einer Schlüsselperson zu analysieren und darzustellen. Zur Erstellung eines Interessenprofils ist die Kenntnis der persönlichkeitsstrukturellen Interessen unerlässlich. Im Interessenprofil werden zunächst Name und Funktion einer Schlüsselperson eingetragen. Das Gespräch mit der Schlüsselperson dient auch dazu, das Grundmuster zu ermitteln. Dazu müssen wir lernen, in der Kommunikation den Selbstoffenbarungskanal stärker zu beachten und die musterspezifischen Begriffe, Ausdrücke, Themen und Verhaltensweisen zu erkennen. Auch die vordergründigen Interessen können im Gespräch ermittelt werden. Dazu sind direkte Fragen danach häufig zielführend. Wie bereits angesprochen muss das wichtige Thema ‚Unterstützung/Widerstand’ aus dem Gesprächsverlauf eingeschätzt werden.
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Mit den Informationen aus dem Gespräch sind wir in der Lage, die ‚Tiefere relevante Interessenstruktur’ und den ‚Stressauslöser’ zu ermitteln. Dies können wir im Anschluss an das Gespräch durchführen, indem wir die Interessenstruktur und den Stressauslöser entsprechend unserer Hypothese über das Grundmuster in HINZ nachschlagen und uns dabei den Gesprächsverlauf wieder vergegenwärtigen. Wenn das Grundmuster treffend ermittelt wurde, gibt es im Buch die entsprechenden Hinweise zur Interessenstruktur, die noch mit der aktuellen Situation gespiegelt werden müssen. Es ist aber auch möglich, dass das Nachschlagen und der vergegenwärtigte Gesprächsverlauf zu einer korrigierten Hypothese bezüglich des Grundmusters führt. Dann findet eine Iteration des gerade beschriebenen Vorganges statt. An diesem Ablauf können wir bereits erkennen, dass die Arbeit mit Interessen eine lohnende Vorinvestition für den weiteren Ablauf unseres Vorhabens darstellt. Je mehr Sorgfalt wir auf diese Arbeit verwenden, desto größer ist der spätere Nutzen. Dieser misst sich an der zielgenauen Umsetzung unseres Vorhabens und der Sicherstellung der erwarteten Ergebnisse. Mit dem Arbeitsmittel ‚Interessensynopse’ können wir uns nun einen Gesamtüberblick zu der Interessenlage der Schlüsselpersonen im Kontext unseres Vorhabens verschaffen. Mit diesem Überblick kann auf einen Blick festgestellt werden, welche der Schlüsselpersonen das Vorhaben unterstützen und welche nicht. Dadurch können Beziehungsfallen und Fettnäpfchen bereits im Vorfeld besser erkannt und vorsorglich vermieden werden. Im Sinne der Machbarkeitsüberlegung zeigt sich auch bereits in dieser frühen Phase, ob ein Vorhaben überhaupt in der bestehenden Machtstruktur ausreichende Aussicht auf erfolgreiche Umsetzung haben kann. Insofern muss die Interessensynopse notwendiger Bestandteil von Machbarkeitsüberlegungen sein.
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Im Brennpunkt der Interessensynopse steht das Element mit der Aufgabenbeschreibung des Vorhabens in Kurzform. Darum herum gruppieren sich je Schlüsselperson ein Element, welches als Information den Namen der Schlüsselperson, die Einflussmöglichkeit, das Grundmuster, Unterstützung oder Widerstand und die relevanten Interessen enthält. Diese werden in Stichworten in das Element eingetragen und ergeben sich aus den einzelnen Interessenprofilen. Das Arbeitsmittel ‚Interessensynopse’ ermöglicht es, notwendige Entscheidungen im Laufe des Vorhabens durch eine bessere Entscheidungsvorbereitung unter Einbindung der Entscheider zielgenauer zu treffen und die Umsetzung einschließlich der zu erzielenden Ergebnisse besser abzusichern. Die Interessensynopse zeigt auch die Kommunikationsanforderungen zu den Entscheidern an. Diese können beispielsweise sein: Informieren, einbinden, überzeugen oder fernhalten. Die Anwendung des Interessendiagramms wie hier beschrieben führt zu einem größeren Wirkungsgrad bei Führungskräften und einer verbesserten Qualität im Führungsprozess, zu einer deutlich höheren Quote an erfolgreich umgesetzten Projekten und zu einer gesteigerten Vertriebsleistung. Insgesamt verbessert sich die Leistungsfähigkeit des Anwenders. Auch beim Einsatz dieses Vorgehens zur Bewältigung von existenzbedrohenden Schieflagen, also in besonders kritischen und schwierigen Unternehmenssituationen, konnten signifikant überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt werden. 8 Führungsprozess und persönlichkeitsstrukturelle Interessen Leider gibt es in unseren Unternehmen zumeist keine Dichte an Hochleistungsmanagern. Die traurige Wahrheit ist, dass der herkömmliche Manager dominiert. Er verschleudert einen großen Teil seiner Energie durch Quali-
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tätsmängel im Führungsprozess und erreicht nur einen Wirkungsgrad von gerade mal 30 Prozent. Es könnten aber 60 bis 80 Prozent sein, wobei die fehlenden 30 bis 50 Prozent durchaus als Produktivitätsreserve angesehen werden können. Die Folge ist, dass wir in unseren Unternehmen im Durchschnitt allenfalls um die 20 Prozent hochengagierte Mitarbeiter haben. Hier ist die enorm hohe Produktivitätsreserve zu beachten. Diese wirklich beeindruckenden Zahlen sind die Folge eines Paradoxons. Herkömmliche Manager wollen in ihrem Führungsprozess mit Menschen eigentlich nichts zu tun haben. Mitarbeiter sollen nur mechanistisch funktionieren. Bedauerlicherweise - für unseren herkömmlichen Manager – tun sie das nicht. Mit den oben aufgezeigten fatalen Folgen. Aus diesem Dilemma gibt es für den herkömmlichen Manager nur einen Ausweg: Er muss den Umgang mit Menschen und deren Interessen lernen und in sein Führungsverhalten einbeziehen. Nur so kann er seinen Wirkungsgrad und seine Erfolgsquote bei der Umsetzung seiner Vorhaben tatsächlich verbessern. Im Führungsprozess selbst gibt es dazu eine Reihe von Elementen, die den Umgang mit Interessen erfordern. Greifen wir uns einige heraus. Da ist zunächst ganz direkt das Element ‚Interessen verhandeln’, welches die Fähigkeiten des Umgangs mit Interessen quasi erwartet. Auch bei der Delegation von Aufgaben ist der Umgang mit Interessen zielführend. Hier wird die Forderung erhoben: „Überzeuge deine Mitarbeiter und behandele sie individuell!“. Die individuelle Behandlung erfordert die Kenntnis der persönlichkeitsstrukturellen Interessen. Überzeugen bedeutet Interessenübereinstimmung herstellen. Diese Sichtweise ermöglicht es auch, die Unterstützung von Mit-
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arbeiter, Kollegen, Vorgesetzten und auch von Externen bei der Umsetzung von Ideen, Vorstellungen, Aufgaben und Projekte zu erlangen und damit die eigenen Vorhaben sicherer und erfolgreicher umzusetzen. Auch in der Kommunikation kommt der Manager mit dieser Thematik in Kontakt. Die Ermittlung der Grundmuster setzt ein besseres Beachten des Selbstoffenbarungskanals voraus. Das ist sicher am Anfang ungewohnt und braucht Übung. Dann aber hat sich der Manager eine völlig neuartige Informationsquelle erschlossen. Dieses Vorgehen hat die angenehme Nebenwirkung, dass er sich intensiver für seine Mitmenschen interessiert und ihnen mehr Respekt und Aufmerksamkeit entgegenbringt. Das setzt einen positiven Beziehungskreislauf in Gang, quasi nebenbei und kostenlos. Auch bei der Personalauswahl und Personalentwicklung hilft der Umgang mit Interessen. Die Kenntnis der Stärken und Begrenzungen der Grundmuster ermöglicht es, die Personalauswahl viel zielgenauer auf die Aufgabe zu beziehen und die Anforderungen der Aufgabe mit den Fähigkeiten der Bewerber abzugleichen. Auch die Personalentwicklung kann entsprechend treffsicherer gestaltet werden. Die Einbindung der persönlichkeitsstrukturellen Interessen in den Führungsprozess wie hier beschrieben führt direkt zur interessenbasierten Führungskultur. Diese ist in der Lage, einen Quantensprung in Produktivitätsverbesserung zu bewirken, wie er beispielsweise zur Bewältigung von existenzbedrohenden Schieflagen von Unternehmen dringend benötigt wird. Die Kenntnis von Wahrnehmungs- und Verhaltensmustern und der zugrunde liegenden Interessenstrukturen ermöglicht es erst, die wichtigste Aufgabe als Manager zu erfüllen: Führen!!! Der erste Schritt besteht dabei darin, das De-
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fizit und seine Bedeutung überhaupt zu erkennen und zu akzeptieren. Denn der herkömmliche Manager hält sich natürlich für einen Hochleistungsmanager. Die Investition in die eigene Weiterentwicklung ist nach diesem ersten Schritt verhältnismäßig gering, sowohl zeit- wie kostenmäßig. Eine wirkungsvolle Grundausbildung kann mit Hilfe des Programms ‚Interessenbasiert Führen’ schon mit einem Aufwand von wenigen Tagen erreicht werden. Der potenzielle Nutzen ist dabei für den Manager wie auch für sein Unternehmen enorm hoch. Mit der Kenntnis der persönlichkeitsstrukturellen Interessen ist er in der Lage, Qualitätsmängel im Führungsprozess abzubauen und damit seinen Wirkungsgrad zu erhöhen. Die Gratifikation dafür ist eine höhere Quote an hochengagierten Mitarbeitern mit den entsprechenden Produktivitätszuwächsen in seinem Verantwortungsbereich. Darüber hinaus kann er mit der Anwendung der drei Arbeitsmittel Machtprofil, Interessenprofil und Interessensynopse die Quote seiner erfolgreich umgesetzten Vorhaben drastisch steigern und die daraus resultierenden Produktivitätsverbesserungen direkt verbuchen. Alles in allem ein Quantensprung in Produktivitätsverbesserung. Als willkommener Nebeneffekt steigert er auf diesem Wege seine eigene Leistungsfähigkeit, was zu mehr Selbstsicherheit und mehr Erfolg führt. All dies verschafft ihm den angesprochenen Konkurrenzvorteil. 9 Unternehmenskrisen rechtzeitig vorbeugen Schieflagen in Unternehmen kommen sehr viel häufiger vor, als an die Öffentlichkeit dringt. Diese Diskrepanz liegt einfach an der sehr diskreten Behandlung von Unternehmenskrisen. Sie gelangen nur an die Öffentlichkeit, wenn es sich wirklich nicht vermeiden lässt.
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Nun stellt die Krisenbewältigung die spektakuläre Seite der Behandlung von existenzbedrohenden Schieflagen dar. Die weniger spektakuläre besteht in der frühzeitigen Erkennung und Vermeidung von Schieflagen. Gerade im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld spielt das eine besondere Rolle. Besser warten wir nicht, bis die Krise da ist. Was kann vorbeugend getan werden? Hinweise dazu liefert das Kapitel ‚Krisenbewältigung‘ in HINZ. Dort gibt es zunächst Analyseinstrumente, um sich anbahnende Schieflagen frühzeitig und vorbeugend zu erkennen. Ausführlich sind im Anhang die Potenzial- und Schwachstelleninventur sowie die Ermittlung der innerbetrieblichen Kooperationskraft dargestellt. Im Hauptteil gibt es dazu ein ausführliches Praxisbeispiel. Die Aufmerksamkeit sollte auf ausreichende Liquidität sowie auf die Vermeidung der drei Fallen
Überkapazitätenfalle Komplexitätsfalle Managementfalle
gerichtet sein. Der größte vorbeugende Effekt liegt jedoch in der Einführung der interessenbasierten Führungskultur. Mit ihr können verborgene Produktivitätspotenziale in den Bereichen
Führungsprozess Projektmanagement Verkaufsprozess
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identifiziert und aktiviert werden. Das macht ein Unternehmen weniger anfällig für Schieflagen und Unternehmenskrisen. 10 Der Nutzen Der wichtigste Nutzen bei der Einführung der interessenbasierten Führungskultur besteht in einer erheblich höheren Qualität im Führungsprozess. Führungsfehler sowie die völlig unproduktiven Rechtfertigungs- und Schuldzuweisungsorgien werden vermieden, Schnittstellen besser beherrscht und Mitarbeiter mit ihren persönlichkeitsstrukturellen Interessen besser eingebunden. In der Folge steigen Leistungsniveau und Produktivität signifikant an. Die personale Autorität und die Überzeugungskraft der Führungskräfte nimmt zu. Der größte direkt sichtbare und messbare Nutzen der interessenbasierten Führungskultur besteht in der wesentlich höheren Erfolgsquote in der Umsetzung von Ideen, Vorstellungen, Entscheidungen, Vorhaben und Projekten. Dies gilt insbesondere auch für die Umsetzung von Change Management Projekten. Die Erfolgsquote kann von derzeit unter 30 Prozent auf über 80 Prozent gesteigert werden. Hier sind auch erhebliche volkswirtschaftliche Reserven verborgen, wie wir gesehen haben. In jedem Bereich des Unternehmens können durch interessenbasiertes Handeln Produktivitätspotenziale gehoben werden. Besonders auffällig ist das im Verkaufsprozess. Durch interessenbasiertes Verkaufen werden die Verkaufsgespräche als Interessenverhandlung geführt und nicht wie derzeit häufig als Sachverhandlung. Dadurch kann das Umsatzniveau und die Marge erhöht und der Aufwand gesenkt werden. All dies führt zu einem Quantensprung in Produktivitätssteigerung im Unternehmen. Dieser ist geeignet, ein Unternehmen aus der Krise zu führen,
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eine existenzbedrohende Schieflage zu vermeiden, ein Unternehmen in eine Spitzenposition zu bringen oder an der Spitze zu bleiben. Literaturverzeichnis Berger: Studie ‘Vertriebsperformance in schlechten Zeiten’, München 2003. Collins, Jim: Der Weg zu den Besten, München 2008. Gröger, Manfred:Studie ‚Projektmanagement: Abenteuer Wertvernichtung’. München 2004. Hinz, Wolfgang: Prozessorientiert Führen, München 2007. Kotter, John: Überzeugen und Durchsetzen, Frankfurt a. M. 1989. Towers Perrin: Global Workforce Study 2007. Proudfoot: Studie‚ über 50 % geben ihrem Vertrieb schlechte Noten’, 2007. Terpitz, Katrin: Artikel‚ überall ist Babylon’, Handelsblatt 2007. The Stanish Group: Studie ‚The CHAOS Report (1994)‘, 1995.
Selection of Successful Entrepreneurial Enterprises: ‘Technology Bridge™’ Gerhard Plasonig, Richard John Artley
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Abstract.............................................................................................. 26
2
Introduction: The basic Principles of Investment Selection............... 27
3
Technology Exploitation.................................................................... 28
4
Innovation and Creativity .................................................................. 29
5
Entrepreneurship ................................................................................ 31
6
Technology Bridge™......................................................................... 32
7
Five Simple Questions ....................................................................... 33
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Vehicles and Value Creation ............................................................. 39
9
Summary............................................................................................ 41
Reference.... ................................................................................................. 42
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1 Abstract Strong entrepreneurial skills, good financial management and a willingness to work hard are of little value in an enterprise if the core proposition of the enterprise is itself flawed. This is still true in far too many cases. Very few new companies are successful, even given the increased attention on entrepreneurship training over the past two decades. 50% of start-up companies fail within four years, and 90% within ten years – and most that survive do so ‘under new management’ or ownership. In Europe, 50% of ideas or innovations are not legally cleanly owned by their promoters; a further 30% offer no advantage to customers over alreadyexisting products; and a further 10% create more problems than they solve for users. This implies that only 10% of innovations have a chance to become adopted, and hopefully become profitable for their owners. However the majority of these are then structured and organized in such a way that the market is inadequately addressed – and the enterprises fail. We will show that the selection of successful enterprises can be done, before investment, with proper due diligence, to create a much higher ‘hit-rate’ of investment success. This comes in part from considering the proposition, and in part from considering the people involved. We conclude that all weaknesses in either the proposition or the team are likely to be fatal, and thus recommend that only those ventures which pass rigorous and impersonal scrutiny should be worthy of being pursued.
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2 Introduction: The basic Principles of Investment Selection Early-stage investing, as the value-versus-time graph below illustrates, offers the highest percentage returns potential, as at later stages although the value of the successful enterprise increases, the proportion owned by the originators and original investors drops through dilution. In these early stages, moreover, without the usual measures of financial success and worth (trading profits, free cash flows), the increase in value can be difficult to demonstrate. This increasing value is in fact only real in one place: it exists by removing uncertainty from the minds of potential buyers, and a well-run early-stage entrepreneurial business – and its venture capital backers - will recognize this as its sole goal. As early-stage venture capitalists, particularly operating solely in the European markets, we have consciously developed an investment morality which is very different from many other firms. This can be best summed up as being very hands-on, and in consequence being very rigorous in our pre-investment selection mechanism, now codified as ‘Technology Bridge™’. We operate on a ‘facts not hope’ mentality. As all venture capitalists, we directly invest money, pay all costs, and share income with the originators. Slightly unusually, we insist that the technical team produces prototypes to industry specifications, not to their own desires. Rather more unusually, we directly invest our own skills, taking responsibility for e.g., patenting and executing the commercial deals, where our principals have a strong track record. We are thus interested in growing the business, not ‘the team’ or ‘the company’ for each of our investments. Careful investment choices, precise execution and working towards predetermined exits mean than we succeed 90+% of the time: that is, we exit profitably from our investments within the timing and returns goals we preset.
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By being able to concentrate on such, and not having to ‘sort out’ situations, we are able to use our own skills to best advantage and create superior returns for our investors and investees. Internal
Incubator
Own Premises
ACADEMIC ROLE
Percentage of retained value
100
Public Shareholders
IPO
Remaining Risk
Late VC
80
sale, license or IPO Company founded
60
Early VC sale or license
40
Angel VC
7KH5RXWHWRWKH0RQH\
20 Early-seed
0
Start
0
1
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Years
Figure 1: The Route to the Money Source: own illustration
3 Technology Exploitation “Well, I mean, yes idealism, yes the dignity of pure research, yes the pursuit of truth in all its forms, but…. if it comes to a choice between spending yet another ten million years finding that out, and on the other hand just taking the money and running, then I for one could do with the exercise” Frankie Mouse, `The HitchHikers Guide to the Galaxy`, Douglas Adams
The first thing to recognize about our approach to technology exploitation is that the technology itself, and especially the underlying science, is not the focus. We are unconcerned with the elegance of any science, and unimpressed by the opportunity to invest in such – this is the privilege of universities, governments, and philanthropists. Creating value - making money out of
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technology – occurs when the technology is embodied into an object or service – an innovation - that a lot of people want it and will pay for. This can be something old done in a new way, or something new done in a new way. In either case, people buy the effect, not how you get there – and industry buys the ease of providing the effect to its customers, because this makes money. 4 Innovation and Creativity “You cannot organise people into being more creative, but you can create an environment where creativity is part of the culture” Prof. Gordon Edge, Chairman, The Generics Group AG, interview following 2002 award for ‘most visionary leader of a UK company’
Just as technology is not science, but is science converted into the useful & valuable, combining science and change, so innovation is not creativity. Creativity is just ideas: innovation is useful (and, hopefully, valuable) ideas. The conversion of the one to the other can be optimised through organisation, as we will show: can be enhanced by information and quality; but needs access to science and technology skills (any embodiment has to work), and is modulated by environment and culture (any embodiment has to be right for where it will be sold and used). Technology and innovation are in fact the least understood, and the most vital, corporate assets. Surprisingly to some, they can be managed within a business environment as any other assets (the visible part of this is intellectual property rights, know-how and centres of expertise; but underlying this is the cultural ability of the organization – or not – to assimilate and adapt new ideas, as Prof. Edge notes in the quote given). In particular, the management of innovation is an exercise in optimizing effectiveness – that is, doing the
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right things - not (only) efficiency – that is, doing them in the right way (and within finance and time constraints). The requirements for innovations to precisely fit their intended market niches means that innovations often need ‘polishing’ before they can be launched: application-targeted prototypes have to be developed, and IPR captured. Above all else, value has to be built by reducing the risk in buyers’ minds – whether these are actual buyers in the marketplace or the senior executive of the company contemplating launching such. It follows from the above that ‘innovation’ need not be, as is frequently misunderstood, ‘new science’: on the contrary, it can be very well established science, if the market need has arisen from change. How does this arise? People demand new products, and industrial competitors fight to supply them, and so the markets are in constant, and faster, change. However, the background and ‘the rules’ also keep changing – not just the ‘hard’ issues such as capital supply, raw materials supply, and commercial and employment law, but also the ‘soft’ issues such as the perception of the role of technology as a corporate asset, and the role of government and the universities (it used to be the case that many large companies had ‘corporate laboratories’ to do the basic research they needed: this then faded in favour of sponsoring work at Universities: with the onset of ‘spin-outs’ and ‘technology parks’ the relationship has shifted again). Beyond the above there are the issues of communications, concerns over energy, environmental, regulatory affairs (all much higher than previously encountered), the rising public awareness & fluency in science (and the ‘dark side’ of imperfectly understood rewards and risks through the sensational ‘disaster scenario’ presentations of certain sciences and discoveries), and the now truly
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international and more, interdisciplinary, organisations & cultures. Above all else the rise of easy-to-use information networks – ‘extelligence’ – as exemplified but by no means confined to the Web, has changed the way in which we regard information and its use. 5 Entrepreneurship Entrepreneurship is simply the managed transition of an innovation towards a market. It is, of course, a business, but it can take place inside or outside companies, and most importantly it does not involve ‘taking risks’, but ‘taking risks away’ – that is to say, removing or reducing risks in a planned manner. Gambling is done in the casino, not the market. The entrepreneur recognizes and works on different types of risk:
Technical risk - matching required specification Commercial risk - check markets, players, needs, value, openness Strategic risk - check rivals, pursue patents Management risk Residual risk - can‘t do everything
It may be obvious to say so, but when it comes to making money – especially for the venture capitalists, rather than the enterprise itself - simple and obvious things work best. The trick is making them simple and obvious. We are, as investors, therefore wary of ‘Holy Grails’ – where many have sought but none have found a solution. Such ideas – such as cost-efficiently making fuel cells work, recycling rubber, making biogas from waste, wind farms, clockwork televisions – can be technically interesting, attract lots of publicity, and funding (especially government funding), but that funding is not directly extractable by the company’s backers. Difficult technologies, or the conditions under which they must work, are not the same as ‘constructive constraints’
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(where these encourage a radical solution): we must understand the limits of technology, and what is possible, not yet possible, and impossible. 6 Technology Bridge™ “Transfer of University technology to industry today is not only desirable but necessary to stay competitive in the global marketplace.... This study is a veritable encyclopedia of technology commercialization”. Hans U. D. Wiesendanger, Office of Technology Licensing, Stanford University, review of: “Making Money out of Technology: Best Practice in Technology Exploitation from Academic Sources“, (2003), Artley, Dobrauz, et al., Linde Verlag
‘Technology Bridge™’ embodies our very careful investment selection procedure. We use it because it creates value repeatedly, reliably and in the longterm. At its core is a simple proposition: we ask industry buyers before we invest whether they will buy, how they will buy, and for how much. Of course, being able to obtain this quality of response from the key executives in the market requires not only a great deal of preparation but also a very good network. Very few ideas meet our success criteria – in fact less than 5% of those we are offered. The rest are not actually owned by those presenting them, or are not better than existing products, or have no commercial value, or are not worth developing – or in the final analysis, the idea may be good but a deal cannot be made. We are sourcing most of our deals from the Universities and other centres of research expertise in Europe, and sometimes, e.g., because of questions of local politics, deals prove impossible. The Bridge addresses the three stages of investments:
Choose well and buy well Develop value effectively - easiest if one chooses good material Sell well
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Operating the Bridge requires:
Hard work: it does not guarantee success but a high rate of success – 90-95% Thought: it has been developed for technologically intensive, early stage investments, but is generally applicable Patience. This is not a way of making ‘a quick buck’ Facts. It only works when factual (and demonstrable) evidence is used, not hope or enthusiasm: as ever, financial attractiveness should not be prejudiced by emotional attractiveness
The Bridge, therefore, represents properly conducted due diligence. It asks about the validity of opportunity (not how the opportunity can be presented as valid), and demands complete answers. Its structured approach is designed to reject invalid opportunities with the least effort: this is done by using five simple questions in a sequence where most ideas fail fastest. 7 Five Simple Questions
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Positive ownership – “do you own it?” - 50 % are not cleanly, legally owned1 Positive advantages – “does it provide commercial advantage to cus tomers?” - 30% offer no advantage to extant products Positive potential buyers - “are there interested buyers?” Positive returns - will it cost less than it will make? Positive on deal - can a suitable buying deal be agreed?
This and the other percentages are an artifact of the sources used, and the time in question being European Universities in the period 2000-2008: at the time we began our venture capital activities in Europe, these institutions had little or no history or knowledge about what was or was not a fundable opportunity.
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Figure 2: 5 simple questions Source: own illustration
Q1: Positive ownership: “Do you own it? Intellectual property rights (IPR), such as patents, are tradable only if these are cleanly owned and have freedom of action. Quality, not quantity, is important to underpin value. One must conduct a patent search. According to studies by Pakes and Schankerman (1986) and Harhoff et al. (1999) probably less than 10% of patents create returns for their owners. As venture capitalists, we have a particular emphasis on IPR since this represents the embodiment of what we can and will actually sell to next-stage investors or industrial parties. What we must capture is the pre-existing IP and IPR which support any project which has crossed the ETeCH Technology Bridge – when we can see both a buyer and significant value uplift. The only thing we buy and sell is legal access to technologies, and we will buy or license in IPR from other sources to underpin or enable options.
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We establish a project with the academic source, for instance by creating an ‘ARGE‘ partnership between ourselves and the academic institution, which can under Swiss law hold IPR and negotiate commercial relationships, which the founders then ratify. Therefore any IPR previously created remains owned by the academic institution, but the full commercial rights to exploit are exclusively vested in the partnership. We also help create new IPR – at our expense – which is also owned either by the academic institution or by the partnership, but the commercial rights to exploit are again exclusively vested in the partnership. Q2: Positive advantages: “Does it provide commercial advantage to customers?” To understand this, it is necessary to understand what performance and benefits the customers want – what they want to buy, not what you want to sell. The offering, to be successful, must match minimum criteria, have no ‘turnoffs’, and any advantages must have an acceptable additional cost Profits = Revenues - Costs To establish this we conduct a peer review: do a Web search: and find prior products if they exist. We develop industrial prototypes as demonstrators, and then we licence or sell what the market wants to buy: legal access to a proven technology, riskfree at least technologically, which it can then manufacture and sell. We also do this, as an outcome of the next question, in the way how the market wants to buy - sometimes, exclusives, sometimes, non-exclusives - the market decides. We are looking for determination to succeed rather than a superb ‘paper‘ deal, and so we normally end up as a joint venture or with ongoing roy-
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alty payments than a straight sale (for us, this being paid over time as our customers make money is not a problem). Q3: Positive potential buyers: “Are there interested buyers?” This is the critical question. Who will actually buy this: what do they want to buy, how do they want to buy, and what will they pay? The only way to find out is to ask the potential buyers directly – in commercial terms - and before making any investment. The buyers create the specification to be met, and a target value. In our experience the proposition is only of interest to the market half the time – other considerations (market timing, cost of change, other prospect known to the companies in question but secret from us) may well make a product which was in theory attractive and advantageous not so in practice. Q4: Positive returns: “Will it cost less than it will make?” The buyers provide the specification: the current state gives a starting point. With these in mind, one can now devise a project plan to connect them, from which one can derive a resource-plan (money, materials, skills, time) and budget it: comparing this cost with the final value, derived from the price buyers are willing to pay, and a market survey to ascertain the market size able to be captured, will show whether the proposition is viable or not. In our experience, half are, and half are not - keep it realistic! Q5: Positive on deal: “Can a suitable buying deal be agreed?” Some ~5% of initial offerings make it through to this stage: there is a good proposition, clear benefits and buyers, and an executable project plan, all based on fact, not hope. In theory, this would be a good investment. However some still fail this final hurdle, and the plan cannot be put into action. This is usually because the originating team members (or technology owners) want
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conditions which are inappropriate from the point of view of the venture capitalists looking towards the eventual sell-on of the investment. In particular, there has been a focus on forming ‘start-up’ or ’spin-out’ companies as ‘the way’ to commercialize inventions. This is, in fact, often a route to compromise success. We do not presume ‘a start up’, we do not (as many other less successful venture capitalists do) begin with ‘the team’ and build the project around them; we do question if the originators should run it and if not – we find competent resources elsewhere. The reason most technologies have not been developed further is that the originating team lacks the skills, both technical and commercial, to take the next step – and so these must be sourced elsewhere – and it is sometime difficult to persuade the origination team that we prefer to outsource these skills rather than let them try and develop them. Most start-ups fail because they back an unqualified proposition, especially the willingness of the market to buy, and / or an inappropriate team. A good proposition needs a good team. if you can run it, do: if you can’t run it, find someone who can: if you can’t do that, sell. Most start-ups fail. The chart below shows the pre-dot-com rates for most major territories.
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Survival rate (%)
Survival rates for incorporated registered employers (at least one employee, not sole traders) 1985-1998 (pre dot.com): data from US, UK, European and Australian Small Business statistics bureaux
100 90 80 70 60
Legal failure (bankruptcy, liquidation) and/or discontinuance of the business as an independent entity i.e., deregistration
50 40
Termination of original ownership for adverse business reasons / financial difficulties (not including closure due to personal reasons (death, discord)*
30 20 10 0
0
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3
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5
6
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9
10
Years after foundation * For this only Australian (W illiams, Sava ge & Reynolds) and UK (C hu rchill; Star & Ma ssel; Hill; Storey; Kee ble) data was availa ble
Figure 3: Pre-dot-com rates for most major territories Source: own illustration
It can be shown that the situation is, in many territories, not improving (although some are: for instance in Australia, which now allows a greater hands-on participation – and, in case of crisis, an earlier and cleaner takeover – by investors, closer to our model). Therefore, for long-term wealth creation, creating a start-up is the last thing to do:
after the validity of the proposition has been checked after other ways of creating value have been shown to be less appropriate after customer acceptance has been investigated... and, even then, only if a trustworthy management team can be secured to run it honestly, professionally, and with external focus on its customers
Most start-ups fail not because of poor management, but poor concept selection. Some fail because of poor due diligence – checking the willingness of
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the market to buy – and many are unacceptable vendors - customers require risk-free delivery of products to specification. Even if a start-up would be the optimal route, it needs an experienced team. Companies need to focus externally on markets, customers, and customer satisfaction, not on perfecting technology. Finding experienced managers is difficult in Europe. In the US ‘honest failure’ is accepted – managers have historically (according to comments by NASDAQ) a 25%+ chance of securing backing for a new venture from their former financiers, and up to 90%+ change of securing new financing. In Europe these figures are far lower. 8 Vehicles and Value Creation To make money out of technology, we invest in projects – businesses - not companies. Indeed we often do not need start-up companies, even as a holding device, as it is often not what the market wants to buy, and they create unnecessary issues and expectations in the minds of the originators and their associates: especially ‘job creation’. Most projects of the type we invest in are sold or licensed: this is because they are frequently improvements or components best sold to existing major players who can then leverage them. Such ideas are unsuitable for company foundation, and so rarely do we form a start-up company (and even if we do, exit is unlikely via IPO: we sell or trade the investment privately). Our ambition is to create markets, not companies, and to manage the move of technology to a market, not towards a company. As noted above, we do NOT take risks but take risks away. We like ‘platform‘ technologies – where one idea has many uses (needs developing once, pays back many-fold) – and we like ‘invisible‘ technologies – which everyone buys, but no-one thinks about
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it: things like batteries, light bulbs, food sensors, security tags, clean water... any improvements earn pennies per product, but all the pennies add up to millions. These can generate money quietly, faster and more reliably than more spectacular offerings. ‘Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic‘ Arthur C Clarke ‘Any technology distinguishable from magic is insufficiently advanced´ Gregory Benson ‘Any technology advancable as magic is insufficiently indistinguished‘ Richard John Artley Our team has, of course, extensive experience in business management and an excellent track record in successfully developing new businesses and early stage venture capital. We have wide expertise in spotting early stage winners, and adding insight to innovations. We are also, highly importantly, experienced in commercialisation, very well networked with the industry, and we help the buyers see the benefits and value of what they are buying - often two years before the sale is made – we think the way they think - and they help us see the price they‘ll pay. By providing advance notice and competitive intelligence that allows bigger markets and larger market shares to be created faster and with more certainty – and that is worth paying for. So we help potential buyers look at options in such a way that our offering becomes the expected choice – and so frequently achieve above-average deals. One key feature is that we takes charge of the business deals ourselves, and do not rely on the technical (academic) team for this. We extensively use professional advisors, patent agents, lawyers, etc., and may well bring in specialist technical skills to ‘hands-on’ drive projects towards successful exits.
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9 Summary ’Technology Bridge™’ is a means of properly conducting due diligence and thus allowing selection of viable business opportunities. It is structured and transparent, focused on facts not hope (evidence, not opinion or enthusiasm), and is repeatable, reliable and consistent. It thus allows valuations and planning for developing opportunities which successfully pass it. Operating it requires patience and professionalism, thought and intelligence, hard work and real facts, and direct customer contact (for which there is no substitute), when the focus is on commercial buying criteria, not technical dialogues. It recognizes and identifies that 90% of ideas have no commercial value, and that 90% of good ideas are best licensed or sold. Using it leads to high success rates of 95%+, and exceptional financial returns. For us as for most enterprises, including entrepreneurial ones, value creation is by reducing risks – taking risks away. So our strategy is commercially determined - we have to be the most effective or the most efficient – or both – if we hope to persuade companies and customers to take up technologies - they are under no obligation to do so. We are in this for the long term – so we do things the right way – there is NO substitute for honesty, hard work, thought, professionalism and patience, for repeatable, long-term successes. We seek to listen to customers, to develop an effective entrepreneurial culture – and we remember that every penny we earn comes from our customers. Successful opportunity selection and development takes vision - doing the right thing: it takes skill – doing it in the right way: it takes time, patience, hard work... and it takes experience!
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Reference ETeCH recently published what has been hailed by leading centres worldwide as the definitive textbook on technology exploitation: ‘Making Money out of Technology: Best Practice in Technology Exploitation from Academic Sources’ (Linde Verlag, 2003).
Unternehmertum in Tirol: Wachstum, Strategie und unternehmerische Stärken und Schwächen Mike Peters, Sabine Müller und Christoph Jurikovszky
1
Einführung ......................................................................................... 44
2
Zur Erforschung unternehmerischer Eigenschaften........................... 44
3
Empirische Untersuchung.................................................................. 47
3.1
Forschungsdesign............................................................................... 47
3.2
Samplebeschreibung .......................................................................... 48
3.3
Wachstums- und Unternehmensstrategien......................................... 50
3.4
Motivation der Unternehmer.............................................................. 53
3.5
Unternehmerische Eigenschaften....................................................... 55
4
Implikationen und Handlungsempfehlungen ..................................... 61
Literaturverzeichnis.......................................................................................64
44
Mike Peters / Sabine Müller / Christoph Jurikovszky
1 Einführung Das Ziel dieser Studie ist zu untersuchen, welche Einschätzung UnternehmerInnen in Tirol hinsichtlich der allgemein nötigen unternehmerischen Eigenschaften aber auch hinsichtlich der eigenen Fähigkeiten haben. Im Fokus der Untersuchung stehen die Diskussion und empirische Erfassung der unternehmerischen Motivation und der anvisierten Wachstumsstrategien. Der Beitrag ist folgendermaßen strukturiert: Die Autoren werden zunächst einen kurzen Überblick über die wesentlichen Beiträge zum Thema liefern. Im zweiten Teil wird das Forschungsdesign der empirischen Analyse dargestellt. Die empirische Untersuchung wurde im Jahr 2006 in Tirol durchgeführt. Als Input für die Erarbeitung eines quantitativen Fragebogens (bzw. des Fragebogendesigns) wurden zehn Tiefeninterviews mit Tiroler Unternehmern verschiedener Branchen geführt. Diese Interviews ließen einen ersten Rückschluss auf weitere (neben den in der Literatur bekannten) wesentliche Indikatoren zu, die anschließend in einem quantitativen Fragebogen berücksichtigt wurden. Neben Daten zum jeweiligen Unternehmen, wie Branchenzugehörigkeit, wahrgenommene Wachstumsprobleme, Zufriedenheit und Branchenausblick, wurden vor allem auch Daten zur Person der UnternehmerIn, wie beispielsweise Motivation, erworbene Qualifikationen und Einschätzung der wirtschaftspolitischen Instrumente und Aktionen abgefragt. Ziel war es ein möglichst detailliertes UnternehmerInnenprofil der verschiedenen Branchen zu ermitteln. Des Weiteren sollte eruiert werden, ob ein Zusammenhang zwischen verschiedenen Unternehmertypen und der Wachstumsintensität des Unternehmens existiert. 2 Zur Erforschung unternehmerischer Eigenschaften Die Evaluation unternehmerischer Eigenschaften gehört zu einem der schwierigsten Gebiete der Entrepreneurship-Forschung und soll auch in dieser Arbeit empirisch überprüft werden. Prinzipiell kann bzw. muss diesbe-
Unternehmertum in Tirol
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züglich davon ausgegangen werden, dass die individuellen Eigenschaften von UnternehmerInnen sich von denen der Nicht-UnternehmerInnen unterscheiden. Im Folgenden wird in Anlehnung an Jackson et al. (2001) eine Zeittafel vorgestellt, welche die verschiedenen Ansichten -hinsichtlich der wichtigsten Eigenschaften- der Autoren chronologisch widerspiegelt:
Datum
Autor(en)
(wichtigste) Eigenschaften
1892
Hawley
Risikoträger
1954
Sutton
Wunsch nach Verantwortung
1958
Keynes,
Überlegene (charismatische)
Weber
Führungsperson
1959
Hartmann
Quelle formaler Autorität
1961
McClelland
Bedürfnis nach Leistung bzw. etwas zu erreichen
1963
Davids
Ehrgeiz, Unabhängigkeit, Selbstvertrauen
1964
Pickle
Elan, Menschenkenntnis
1971
Palmer
Risikobereitschaft
1973
Winter
Bedürfnis nach Macht
1974
Liles
Bedürfnis nach Leistung bzw. etwas zu erreichen
1977
Grasse
Orientierung an persönlichen Werten
1978
Timmons
Elan, moderater Risikoträger
1988
Gartner
Nicht die Persönlichkeit sondern das Verhalten ist ausschlaggebend
Tabelle 1: Unternehmerische Eigenschaften aus Sicht verschiedener Forscher im Zeitablauf Quelle: Jackson et al. 2001
46
Mike Peters / Sabine Müller / Christoph Jurikovszky
Neben den viel diskutierten Interpretationen des Unternehmers von Schumpeter (1934) und Kirzner (1978), bestehen weitere interessante Beiträge der Unternehmertumforschung, insbesondere in der Ökonomie (Casson 1982; Knight 1921), Soziologie (z. B. Lipset 2000), Psychologie (z. B. Miner 1997) oder Anthropologie (Greenfield/Strickton 1986). Tatsächlich ist die Unternehmertumforschung vielfältig und höchst interdisziplinär. Eine wesentliche Frage der Erforschung des Unternehmertums ist der Zusammenhang zwischen Umweltvariablen und der Generierung von UnternehmerInnen. Eine Reihe von Theorien leiten Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Unternehmer ab, kategorisieren Unternehmertypen und leiten daraus wirtschaftspolitische Maßnahmen oder Anforderungen an Ausbildungssysteme ab (siehe bspw. Stanworth/Curran 1976). Schumpeters innovativer und initiativer Unternehmer ist im Gegensatz normativer Natur, wobei insbesondere der innovative Charakter des erfolgreichen Unternehmers nachgewiesen werden konnte und Kern unternehmerischen Outputs ist (Stevenson/Jarillo 1990; Morris/Lewis 1995; Verhees/Meulenberg 2004). Die Fülle psychologischer und demographischer Entrepreneurship-Studien ist kaum zu überblicken (Low/MacMillan 1988), doch im Wesentlichen bleiben diese Untersuchungen Stückwerk und liefern nur einen begrenzten Beitrag zur Theorie des Unternehmers, da der Untersuchungsfokus meist sehr eng gezogen ist (Low 2001). Es zeigt sich, dass Fragen, die sich mit Umfeld- und wirtschaftlichen Faktoren beschäftigen, welche auf die verschiedenen Unternehmenslebenszyklen, von Gründung eines Unternehmens, über Wachstum bis hin zur Stagnation, einwirken oder Fragen nach dem UnternehmerInnenprofil, wie Ausbildung, Alter, Geschlecht oder der Selbsteinschätzung unternehmerischer Fähigkeiten in einigen Studien (siehe z. B. Westhead/Wright 1998; Delmar/Davidsson 2000; Faltin 2001; Korunka et al. 2003) zwar partiell, jedoch gemeinsam kaum Beachtung fanden (Low/MacMillan 1988).
Unternehmertum in Tirol
47
Unternehmertypen können durchaus auch über deren Einsatz von spezifischen Strategien definiert werden. Die folgende Untersuchung wird sich dem Wachstum von Unternehmen aus Sicht der UnternehmerInnen widmen, indem man versucht zu eruieren welche strategischen Optionen diese zum Unternehmenswachstum verfolgen. Zum einen können Verbesserungen zu erhöhter Wertschöpfung führen, zum anderen kann rein quantitatives Wachstum angestrebt werden, d. h. Qualitäts- vs. Kostenführerschaft sind zwei extreme Optionen wobei daneben die Fokussierung auf Schwerpunkte besonders für innovative Kleinunternehmen eine Alternative ist. 3 Empirische Untersuchung 3.1 Forschungsdesign Als Input für die Erarbeitung eines quantitativen Fragebogens (bzw. des Fragebogendesigns) wurden zehn qualitative Interviews mit Tiroler UnternehmerInnen verschiedener Branchen geführt. Diese Interviews ließen einen ersten Rückschluss auf wichtige Indikatoren zur Erfassung der Variablen Wachstum, Innovation und Motivation zu. Unter Berücksichtigung der erhobenen Indikatoren und der einschlägigen Literatur wurde ein Fragebogen entwickelt und ein Pretest mit 5 UnternehmerInnen durchgeführt. Im Herbst 2006 erfolgte die Befragung, zum einen postalisch und zum anderen wurde der Fragebogen in einigen Fällen per Email versandt. Im Fragebogen wurden neben Daten zum Unternehmen wie Branchenzugehörigkeit, Wachstumsprobleme, Zufriedenheit und Branchenausblick, vor allem auch Daten zur Person des Unternehmers abgefragt, wie beispielsweise Motivation, wichtige Eigenschaften, erworbene Qualifikationen und Einschätzung der Wirtschaftspolitik. Anhand von Fragen, die sich mit Umfeldund wirtschaftlichen Faktoren beschäftigen, wurde deren Einfluss auf die verschiedenen Unternehmenslebenszyklen – von der Gründung eines Unter-
48
Mike Peters / Sabine Müller / Christoph Jurikovszky
nehmens, über Wachstum bis hin zur Stagnation eruiert. Des Weiteren sollte ein Zusammenhang zwischen verschiedenen Unternehmertypen und der Wachstumsintensität des Unternehmens evaluiert werden. Die Grundgesamtheit der gewählten Stichprobe entsprach der gesamten Mitgliederanzahl der Wirtschaftskammer Tirol und somit 32.902 Unternehmen. Von dieser Grundgesamtheit wurden 1500 Unternehmer per Zufall (einfache Zufallsstichprobe – jedes Unternehmen hatte die gleiche Chance gezogen zu werden) entsprechend dem Anteil jeder Branche ermittelt und per Post angeschrieben. 3.2 Samplebeschreibung Die Brancheneinteilung orientierte sich an der Unterteilung der Mitglieder in die sieben Sektionen der Wirtschaftskammer (Gewerbe & Handwerk, Industrie, Handel, Bank & Versicherung, Transport & Verkehr, Tourismus & Freizeitwirtschaft, Information & Consulting). Die Sektionen Handel, Gewerbe & Handwerk sowie Tourismus & Freizeitwirtschaft stellte mit jeweils ca. 26 % bzw. 23 % den höchsten Anteil an der Studie dar. In der Sparte Banken & Versicherungen wurden mehr Fragebögen zurückgesandt, da man hier intern Subunternehmen beauftragte an der Befragung teilzunehmen.
Unternehmertum in Tirol
Sparte
49
Aussendung
Modell
Rücklauf Fragebogen
Fragebogen
Grundgesamtheit
(Stichprobe)
Anzahl
Prozent
Auswahl-
Anzahl
Rücklauf-%
modus Gewerbe &
398
26,52%
Zufall
55
13,82 %
Industrie
25
1,67 %
Zufall
3
12,00 %
Handel
404
26,92%
Zufall
26
6,44 %
7
0,47 %
Zufall
10
142,86%
Tourismus
357
23,78%
Zufall
42
11,76%
Information
201
13,39%
Zufall
12
5,97 %
109
7,26 %
Zufall
6
5,50 %
---
---
---
2
---
1501
100 %
156
10,4 %
Handwerk
Banken & Versicherungen
& Consulting Transport & Verkehr Land- & Forstwirtschaft Summe:
Tabelle 2: Zusammensetzung der Stichprobe Quelle: eigene Darstellung
Die Altersverteilung der UnternehmerInnen entspricht annähernd einer Normalverteilung. Erwartungsgemäß sind Männer in der Stichprobe mit 78 % weit stärker vertreten als Frauen. Über 2/3 der Unternehmerinnen sind verheiratet und haben 2-3 Kinder. Bezüglich der Qualifikationen zeigt sich, dass die meisten Unternehmer als höchsten Abschlussgrad einen Lehrabschluss besitzen. Auffallend ist jedoch, dass der Anteil der Universitäts- / Fachhochschulabschlüsse kontinuierlich weiter zunimmt. Interessant ist zudem die iso-
Prozentzahlen beziehen sich auf Rücklaufquote der jeweiligen Branche. Bei der Branche „Banken & Versicherungen“ haben einige selbstständige Versicherungsmakler den Fragebogen retourniert, was den hohen Anteil erklärt.
50
Mike Peters / Sabine Müller / Christoph Jurikovszky
lierte Betrachtung der Sparte Tourismus, in der die Quote der Fachhochschul& Universitätsabschlüsse in etwa 38 % beträgt wobei dieser Wert 1991 lt. Mikrozensus noch unter 2 % rangierte (Statistik Austria, 2007). Der Großteil der Unternehmen besteht schon seit über 20 Jahren (38,5%). Weitere 23,7% existieren unter der momentanen Führung seit 4-7, 14,1% seit 8-14 Jahren und 6,4% seit 15-19 Jahren. An den 23,7 % der UnternehmerInnen welche ihr Unternehmen seit 4-7 Jahren leiten, sieht man bereits einen erst kürzlich vollzogenen Generationswechsel, da diese Unternehmer in der Regel auch Ihren Betrieb übernommen und nicht etwa neu gegründet haben. Ähnliche Ergebnisse wurden für die Kategorie 1-3 Jahre festgestellt. 3.3 Wachstums- und Unternehmensstrategien 67,9 % der Befragten streben ein weiteres Unternehmenswachstum an, wogegen 32,1 % keine Wachstumsbestrebungen haben. Betrachtet man diese Absichten in den einzelnen Branchen ist auffallend, dass einzig in der Sparte Verkehr der Großteil der UnternehmerInnen kein Wachstum anstreben. Dies ist auf die allgemein eher schlechtere Wirtschaftslage dieser Branche, aber im Rahmen der Globalisierung auch und vor allem auf die schlechten Erwartungen an die Zukunft zurückzuführen.
Unternehmertum in Tirol
51
Branchen
Kein UnternehmensWachstum angestrebt (in %)
Unternehmenswachstum angestrebt (in %)
Banken & Versicherungen
20
80
Gewerbe & Handwerk
38
62
Information & Consulting
8,3
91,7
Handel
34,6
65,4
Industrie
32,3
66,7
Tourismus & Freizeit
26,2
73,8
Transport & Verkehr
66,6
33,3
Tabelle 3: Angestrebtes Unternehmenswachstum nach Branche (in %, n=156) Quelle: eigene Darstellung
60 % visieren qualitatives Wachstum im Sinne einer Verbesserung der Produkte und Dienstleistungen an, während nur 33 % ein quantitatives Wachstum im Sinne einer Ausweitung der Kapazitäten anstreben. Dies ist nicht überraschend, da Unternehmen in Österreich/Tirol aufgrund der hohen Produktivität bzw. Produktivitätsdifferenzen zu anderen Volkswirtschaften (wie etwa in neuen EU-Mitgliedsstaaten z. B. Ungarn und Slowakei) und den daraus resultierenden höheren Faktorkosten wenig Chancen haben in BilligSegmenten zu operieren. Jene 32 % der Unternehmer, die weder qualitatives noch quantitatives, sondern gar kein Wachstum anstrebten, wurden nach den Gründen dieser Entscheidung befragt. Die Lebensqualität ist nicht nur ein sehr bedeutender Einflussfaktor für die Zufriedenheit der UnternehmerIn im Allgemeinen, sondern ein (möglicher) Verlust dergleichen ist sogar der hauptsächliche Grund kein weiteres Unternehmenswachstum mehr anzustreben (48% der Nennungen). Ein weiterer Grund waren zu hohe Investitionen bzw. eine ungünstige Betriebsgröße (38%). Unsichere zukünftige Erwartungen spielen vor allem in der Branche „Verkehr“ eine starke Rolle (34%). Ein weiterer Anteil der Per-
52
Mike Peters / Sabine Müller / Christoph Jurikovszky
sonen strebt kein Wachstum an, da sie kurz vor der Pensionierung stehen (8%). Die UnternehmerInnen wurden außerdem befragt welche Strategiealternative (in Anlehnung an Porters (1986) generischen Wettbewerbsstrategien) am ehesten auf ihr Unternehmen zutrifft (siehe Tabelle 4). Die Mehrzahl der UnternehmerInnen will qualitativ der oder die Beste am Markt sein. Ein Mittelwert von 1,60 auf einer 5-teiligen Skala bedeutet, dass der absolute Großteil dieses Merkmal mit „trifft zu“ bewertete. Ein Mittelwert von 4,362 bedeutet genau das andere Extrem. Strategiealternativen
Mittelwert (1 = trifft zu; 5 = trifft nicht zu)
Der qualitative Beste am Markt sein
1,60
Der einzige Marktnischenanbieter sein
2,89
Der Günstigste am Markt sein
4,36
Tabelle 4: Unternehmensstrategie (Mittelwert; 1 = trifft zu; 2 = trifft eher zu; 3 = neutral; 4 = trifft eher nicht zu; 5 = trifft nicht zu; n=156) Quelle: eigene Darstellung
Die größten Hürden des Wachstums in Tirol stellen die im internationalen Vergleich hohen Lohnkosten in Österreich dar, gefolgt vom Steueraufkommen und ungünstigen Entwicklungen in den jeweiligen Branchen (siehe Tabelle 5).
Unternehmertum in Tirol
Hürden des Wachstums
53 Mittelwert (5 = trifft überhaupt nicht zu; 1 = trifft absolut zu)
Neue gesetzliche Verordnungen
3,25
Akquisition von qualifiziertem Personal
3,05
Nachfragerückgang (Konjunkturproblematik)
3,02
Ungünstige Entwicklung der Branche
2,99
Steueraufkommen
2,72
Hohe Lohnnebenkosten
2,54
Tabelle 5: Hürden des Wachstums (Mittelwert; 1 = trifft zu; 2 = trifft eher zu; 3 = neutral; 4 = trifft eher nicht zu; 5 = trifft nicht zu; n=156) Quelle: eigene Darstellung
Die Konjunkturproblematik, Akquisition von qualifiziertem Personal sowie neue gesetzliche Verordnung stellen in der genannten Reihenfolge weitere Wachstumshürden der Tiroler Wirtschaft dar. Auffallend ist, dass die beiden ersten und somit stärksten Wachstumshürden aus dem Bereich der Wirtschaftspolitik stammen, während die Nachfrage-/Konjunkturproblematik, ungünstige Entwicklungen der Branche sowie Akquisition von qualifiziertem Personal eher etwas mit gesellschaftlichen Veränderungen bzw. der Ausdifferenzierung der Märkte zu tun hat. 3.4 Motivation der Unternehmer Mithilfe einer Batterie an Statements konnten die UnternehmerInnen bewerten welche Variablen, ihre Entscheidung unternehmerisch selbständig tätig zu werden, unterstützten. Offensichtlich ist die Liebe zum und Freude am Beruf der häufigste Bestimmungsgrund bezüglich der Entscheidung unternehmerisch tätig zu werden. Die Selbstständigkeit und somit das Streben nach Unabhängigkeit rangiert vor der Verwirklichung einer Idee, flexiblen Arbeitszei-
54
Mike Peters / Sabine Müller / Christoph Jurikovszky
ten und der finanziellen Unabhängigkeit auf Rang zwei. Eine günstige Marktsituation sowie ermutigende Beispiele im Umfeld sind eher selten Gründe für die Entscheidung zu einer unternehmerischen Tätigkeit. Gültig
Anzahl
%
1,59080
149
54
36,24
1,56
1,06818
151
106
70,20
1,52
0,86101
152
100
65,79
2,04
1,25369
151
74
49,01
3,01
1,27507
148
23
15,54
2,70
1,27554
152
31
3,45
1,37680
150
16
Mittel-
Standard-
wert
abweichung
flexible Arbeitszeiten
2,68
Selbstständigkeit Liebe zum und Freude am Beruf Verwirklichung einer Idee Günstige Marktsituation Finanzielle Unabhängigkeit Ermutigende
10,67
Beispiele im Umfeld
Tabelle 6: Motivvergleich zur Selbstständigkeit (1 = trifft zu; 5 = trifft nicht zu) Quelle: eigene Darstellung
Auffallend an dieser Verteilung ist, dass eher ideelle (Liebe zum und Freude am Beruf, Selbstständigkeit, Verwirklichung einer Idee) als rationale Gründe (günstige Marktsituation, finanzielle Unabhängigkeit) die Entscheidungen UnternehmerIn zu werden dominieren. Signifikant mehr als die Hälfte der heutigen Unternehmer waren vor ihrer unternehmerischen Tätigkeit Arbeiter oder Angestellte in einem anderen Unternehmen (59,09%). Mehrfachnennungen waren bezüglich dieser Frage nicht möglich, wodurch jeweils die Tätigkeit genannt wurde, die am längsten aus-
Unternehmertum in Tirol
55
geführt wurde. 22,08 % waren vorher im selben Unternehmen beschäftigt, wobei hier meistens auch jene Unternehmer zu finden sind, die ihren Betrieb von einem Familienmitglied übernommen haben. Ein beachtlicher Anteil von etwa 12 % war in Ausbildung, sowie weitere 5 % arbeitslos. 3.5 Unternehmerische Eigenschaften UnternehmerInnen wurden nach verschiedenen unternehmerischen Eigenschaften befragt: Einerseits nach der Bewertung der Eigenschaften nach ihrer allgemeinen Wichtigkeit, andererseits nach der Bewertung dergleichen bezüglich ihrer persönlichen Stärken und Schwächen. Exakte Fragestellungen waren: „Bitte beurteilen Sie folgende unternehmerische Eigenschaften in Bezug auf die Wichtigkeit für einen Unternehmer im Allgemeinen!“ und „Wo sehen Sie Ihre unternehmerischen Stärken?“ In folgender Tabelle 7 werden nun einerseits die Antworten der UnternehmerInnen als Mittelwert abgebildet: Zunächst zeigt die Spalte Mittelwert Wichtigkeit wie bedeutend die UnternehmerInnen die jeweiligen Eigenschaften allgemein einschätzen. Andererseits zeigt die Spalte Mittelwert Selbsteinschätzung wie diese Items, von den UnternehmerInnen auf sich selbst bezogen, eingeschätzt werden.
Mike Peters / Sabine Müller / Christoph Jurikovszky
56 UnterQehmerische Eigenschaften
Mittelwert Rang Wichtigkeit Wichtigkeit
Unternehmerische Eigenschaften
Mittelwert Rang SelbstSelbsteinschätzung einschätzung 1,281 1. 1,468 2. 1,481 3. 1,604 4. 1,610 5. 1,740 6. 1,758 7.
Zuverlässigkeit Kommunikationsfähigkeit Selbstvertrauen Freude an der Arbeit Freundlichkeit Flexibilität Genauigkeit Motivation von Mitarbeitern für selbständiges Arbeiten Problemlösungskompetenz Marktchancen erkennen und nützen können
1,092 1,302 1,353 1,355 1,372 1,372 1,411
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Zuverlässigkeit Freundlichkeit Freude an der Arbeit Flexibilität Hohe Belastbarkeit Genauigkeit Selbstvertrauen
1,414
8.
Zielstrebigkeit
1,437
9.
Problemlösungskompetenz
1,817
9.
1,447
10.
Kommunikationsfähigkeit
1,844
10.
Hohe Belastbarkeit
1,457
11.
1,870
11.
Zielstrebigkeit Optimismus
1,486 1,516
12. 13.
1,877 1,908
12. 13.
Verhandlungsgeschick
1,536
14.
1,922
14.
Wirtschaftlicher Instinkt Motivation sich ständig zu verbessern Delegieren können Ideenreichtum & Kreativität Beratende Führung der Mitarbeiter Ausgeprägter Realitätssinn
1,581
15.
1,585
16.
1,585
17.
1,588
18.
1,671
19.
1,723
20.
1,765
21.
1,769
22.
1,791 1,835
23. 24.
1,842
25.
1,863
26.
1,895 1,907
Fachliche Kompetenz in allen Bereichen des Unternehmens Optimismus Ausgeprägter Realitätssinn Motivation sich ständig zu verbessern Ideenreichtum & Kreativität Motivation von Mitarbeitern für selbständiges Arbeiten Hohe Urteilsfähigkeit Beratende Führung der Mitarbeiter Soziale Verantwortung für die Mitarbeiter Ausgeglichenheit Autorität bei Mitarbeitern durchsetzten können
1,786
8.
1,922
15.
1,952
16.
1,987
17.
2,000
18.
2,080
19.
2,190
20.
2,235
21.
Teamorientierung
2,247
22.
Wirtschaftlicher Instinkt Delegieren können Marktchancen erkennen und nützen können
2,248 2,309
23. 24.
2,316
25.
Verhandlungsgeschick
2,344
26.
27.
Mut Risiko zu übernehmen
2,359
27.
28.
Visionäres Denken
2,405
28.
1,960
29.
Immer erreichbar sein
2,545
29.
Autorität bei Mitarbeitern durchsetzten können
2,020
30.
2,597
30.
Kooperationen und Netzwerke finden und eingehen
2,225
31.
2,732
31.
Immer erreichbar sein
2,612
32.
2,792
32.
Teamorientierung Fähigkeit "Abschalten" zu können Hohe Urteilsfähigkeit Ausgeglichenheit Soziale Verantwortung für die Mitarbeiter Fachliche Kompetenz in allen Bereichen des Unternehmens Mut Risiko zu übernehmen Visionäres Denken Instinkt für neue gesellschaftliche Entwicklungen
Instinkt für neue gesellschaftliche Entwicklungen Kooperationen und Netzwerke finden und eingehen Fähigkeit "Abschalten" zu können
Tabelle 7: Unternehmerische Eigenschaften und Selbsteinschätzung gereiht nach Wichtigkeit (Mittelwert; 1 = sehr wichtig; 2 = wichtig; 3 = neutral; 4 = weniger wichtig; 5 = unwichtig; n=147-156)
Quelle: eigene Darstellung
Unternehmertum in Tirol
57
Aus dieser Matrix lässt sich nun ein Stärken-Schwächen-Profil ableiten. Dies kann vor allem in Hinsicht auf bildungspolitische Maßnahmen hilfreich sein, da man hier erkennen kann, wo UnternehmerInnen selbst ihre Stärken sehen und vor allem auch, wo sie ihre Defizite orten. Tabelle 8 gibt einen Überblick über diese Stärken und Schwächen nach deren Wichtigkeit:
Stärken:
Schwächen:
Zuverlässigkeit
Fähigkeit "Abschalten" zu können
Freundlichkeit
Kooperationen und Netzwerke
Freude an der Arbeit
finden und eingehen
Flexibilität
Instinkt für neue gesellschaftliche
Hohe Belastbarkeit
Entwicklungen
Genauigkeit
Immer erreichbar sein
Selbstvertrauen
Visionäres Denken
Zielstrebigkeit
Mut Risiko zu übernehmen
Problemlösungskompetenz
Verhandlungsgeschick
Kommunikationsfähigkeit
Marktchancen erkennen und
Fachliche Kompetenz in
nützen können
Allen Bereichen des Unternehmens
Delegieren können
Tabelle 8: Stärken-Schwächen-Profil der Tiroler Unternehmer Quelle: eigene Darstellung
Die meisten UnternehmerInnen sehen in der Eigenschaft Zuverlässigkeit ihre Stärke. Gleichzeitig wird diese unternehmerische Eigenschaft auch eindeutig als die wichtigste eingestuft. Ähnliches gilt für die Eigenschaften: Freundlichkeit, Freude an der Arbeit, Flexibilität, Genauigkeit, Selbstvertrauen, hohe Belastbarkeit. Der Eigenschaft Marktchancen erkennen und nutzen kön-
58
Mike Peters / Sabine Müller / Christoph Jurikovszky
nen wird offensichtlich eine hohe Bedeutung beigemessen, jedoch orten die meisten Unternehmer diesbezüglich ein Defizit. Ähnliches gilt für die Eigenschaften: Verhandlungsgeschick, wirtschaftlicher Instinkt, Delegieren können, Motivation von Mitarbeitern. Kooperationen und Netzwerke finden und eingehen ist aus Sicht der meisten Unternehmer eine weniger wichtige Eigenschaft in Relation zu den anderen. In einem nächsten Schritt wurden die Rangdifferenzen zwischen den in Tabelle 7 dargestellten Rängen der Wichtigkeit von den Rängen der Selbsteinschätzung der unternehmerischen Eigenschaften subtrahiert. Die RangDifferenz (rd) ist dabei folgendermaßen zu interpretieren: rd < 0 Unternehmer schätzen sich schlechter ein als sie den gleichen Eigenschaften Wichtigkeit beimessen. rd > 0 Unternehmer schätzen sich besser ein als sie den gleichen Eigenschaften Wichtigkeit beimessen (siehe Tabelle 9). Rang: Selbstein- Rang: Wichschätzung tigkeit 25 10 26 14 32 22 10 2 16
8
23 24 7 22
15 17 3 21
30
29
1 9 27 28
1 9 27 28
31
31
3
4
unternehmerische Eigenschaften Marktchancen erkennen und nützen können Verhandlungsgeschick Fähigkeit "Abschalten" zu können Kommunikationsfähigkeit Motivation von Mitarbeitern für selbständiges Arbeiten Wirtschaftlicher Instinkt Delegieren können Selbstvertrauen Teamorientierung Instinkt für neue gesellschaftliche Entwicklungen Zuverlässigkeit Problemlösungskompetenz Mut Risiko zu übernehmen Visionäres Denken Kooperationen und Netzwerke finden und eingehen Freude an der Arbeit
RangDifferenz -15 -12 -10 -8 -8 -8 -7 -4 -1 -1 0 0 0 0 0 1
Unternehmertum in Tirol Rang: Selbstein- Rang: Wichschätzung tigkeit 6 7 12 13 18 19 4 6 14 16 2 5 15 18 29 32 8 12 20 24 5 11 17 23 19 25 13 20 21
30
11
26
59 unternehmerische Eigenschaften Genauigkeit Optimismus Beratende Führung der Mitarbeiter Flexibilität Motivation sich ständig zu verbessern Freundlichkeit Ideenreichtum & Kreativität Immer erreichbar sein Zielstrebigkeit Ausgeglichenheit Hohe Belastbarkeit Hohe Urteilsfähigkeit Soziale Verantwortung für die Mitarbeiter Ausgeprägter Realitätssinn Autorität bei Mitarbeitern durchsetzten können Fachliche Kompetenz in allen Bereichen des Unternehmens
RangDifferenz 1 1 1 2 2 3 3 3 4 4 6 6 6 7 9 15
Tabelle 9: Unternehmerische Eigenschaften: Selbsteinschätzung – Wichtigkeit (Mittelwert; 1 = sehr wichtig; 2 = wichtig; 3 = neutral; 4 = weniger wichtig; 5 = unwichtig; n=156) Quelle: eigene Darstellung
Die Ergebnisse der vorhergehenden Rang-Matrix können nun in einer „Eigenschafts-Matrix“ (siehe Abb. 1) dargestellt werden. Die nach dem arithmetischen Mittel abgeleiteten Ränge der Eigenschaften, jeweils nach Wichtigkeit und Selbsteinschätzung abgebildet, werden in ein Koordinatensystem übertragen in welchem sich die x- und y-Achsen bei 16 schneiden, da es 32 Eigenschaften gibt. Dies impliziert die Annahme, dass sich irgendwo im Bereich des Ranges 16 die Zuordnung stetig von stark zu schwach bzw. von wichtig zu unwichtig umdreht.
60
Mike Peters / Sabine Müller / Christoph Jurikovszky
Abbildung 1: Stärken-Wichtigkeits-Matrix (n = 156 Unternehmer in Tirol) Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 1 ist wie folgt zu interpretieren: Die Eigenschaften, die sich im Quadrant I wichtig/schwach finden, stellen ein den UnternehmerInnen bewußtes Defizit dar (z. B. Marktchancen erkennen und nützen können). Im Quadranten II unwichtig/schwach finden sich Eigenschaften wie Visionäres Denken, Mut zum Risiko oder Instinkt für gesellschaftliche Entwicklungen. Hier sehen die UnternehmerInnen keine besondere Wichtigkeit und schätzen sich selbst schwach ein. Im unteren rechten Quadranten IV finden sich Eigenschaften wie Ausgeprägter Realitätssinn oder Ideenreichtum und Kreati-
Unternehmertum in Tirol
61
vität: UnternehmerInnen schätzen sich hier selbst stark ein, glauben aber, dass diese Eigenschaften im Allgemeinen eine nicht allzu hohe Wichtigkeit darstellen. Interessant ist der Quadrant III links unten: Von den UnternehmerInnen als Stärke eingestuft werden diese Eigenschaften auch als sehr wichtig empfunden im Hinblick auf die unternehmerische Funktion: Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, Flexibilität, Selbstvertrauen, Genauigkeit, Problemlösungskompetenz und Freude an der Arbeit fallen beispielhaft in diese Kategorie. 4 Implikationen und Handlungsempfehlungen Die Ergebnisse sollten vorsichtig interpretiert werden: UnternehmerInnen könnten dazu neigen eigene Schwächen auch in deren Wichtigkeit zu reduzieren, bzw. von UnternehmerInnen wahrgenommene Stärken auch dementsprechend als sehr wichtig einzustufen. Dies zeigt auch Abbildung 1. Es finden sich nur wenige Eigenschaften im I und IV Quadranten. Dennoch zeigt diese Untersuchung wie UnternehmerInnen eine Fülle von in der Literatur genannten unternehmerischen Eigenschaften allgemein und weitestgehend wertfrei bestätigen und im nächsten Schritt in Relation zueinander bewerten. Auffallend ist, dass eine Reihe von typischen Leadership-Eigenschaften wie Visionäres Denken, Instinkt für gesellschaftliche Entwicklungen, Kooperationsbereitschaft oder Delegieren können (siehe auch Hinterhuber, 2008) als unwichtig eingestuft werden und zugleich als eigene Schwäche interpretiert werden. Hingegen finden sich folgende Eigenschaften, die als Stärke eingestuft und als wichtig empfunden werden: Selbstvertrauen, Freude an der Arbeit, Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, hohe Belastbarkeit und Kommunikationsfähigkeit. Zudem spielt der Zeitpunkt der Befragung eine grosse Rolle, wenn es um die Einschätzung unternehmerischen Handelns geht. So wären die Ergebnisse zum Beispiel wahrscheinlich anders, hätte man die Befragung nach oder gar während der seit 2008 bestehenden Finanzkrise durchgeführt.
62
Mike Peters / Sabine Müller / Christoph Jurikovszky
Trotz der Tatsache, dass die Probanden das Item Mut Risiko zu übernehmen als relativ unwichtig eingeschätzt haben und ebenfalls als Schwäche in ihren unternehmerischen Eigenschaften angegeben haben, ist doch eine verhältnismäßig hohe Rate an selbständigen UnternehmerInnen in Tirol zu finden. Ein Grossteil der Selbständigen ist im Gewerbe (36%) und Tourismus (27%) wiederzufinden, wobei 55% der befragten UnternehmerInnen das Unternehmen selbst gegründet und 25% die Nachfolge in einem Familienbetrieb angetreten haben. Viele der befragten UnternehmerInnen (12%) sind über 58 Jahre alt. Somit stehen in vielen der untersuchten Unternehmen eine Firmenübergabe an. Nachfolgeregelung und Übergabe der Führung in KMUs sollte ein langfristig, sorgfältig geplanter Prozess sein, um das Überleben der Unternehmung zu gewährleisten. Es sollten neue Möglichkeiten geschaffen oder bestehende Initiativen gefördert werden, die Unternehmen helfen, durch das Bereitstellen von Informationen oder Beratern, den Generationswechsel erfolgreich zu vollziehen. Ein erfreuliches Ergebnis der Studie war, dass zum einen bei vielen UnternehmerInnen Wachstumsbestrebungen zu erkennen sind (67,9%), zum anderen, dass von diesen UnternehmerInnen 60% erkannt haben, dass Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen, im Sinne eines qualitativen Wachstums, eine gute Möglichkeit ist, das Unternehmen in der Entwicklung voranzutreiben. Dies deutet darauf hin, dass sich Tirol auch weiterhin zu einem qualitativ hochwertigen Wirtschaftsstandort entwickeln wird. Nur 33% der Unternehmen streben ein quantitatives Wachstum an. Da die UnternehmerInnen qualitatives Wachstum anstreben, sollte dieses auch durch die Wirtschaftspolitik unterstützt werden (z.B. durch Förderung von Forschung- und Entwicklungsprojekten, Innovationspreise). Der Hauptgrund warum UnternehmerInnen keinerlei weitere Wachstumsbestrebungen haben, war der mög-
Unternehmertum in Tirol
63
liche Verlust der Lebensqualität. Hohe Lohnkosten und hohe Steuerbelastungen wurden als Wachstumshürden identifiziert. Ein interessanter Aspekt ist auch die starke intrinsische Motivation der UnternehmerInnen: Die Selbstverwirklichung, Liebe zum Beruf, Selbständigkeit und die Möglichkeit eine Idee zu verwirklichen sind wichtige Gründe unternehmerisch tätig zu werden. Extrinsische Gründe wie finanzielle Unabhängigkeit oder Ausnutzung günstiger Marktsituationen spielen eine weniger wichtige Rolle. Die Studie ist ein erster Schritt zur Erfassung der Selbsteinschätzung und Wachstumsmotivation der UnternehmerInnen, dennoch bleibt der Mangel der Selbsteinschätzung und die schwer objektivierbare Darstellung unternehmerischer Eigenschaften und Stärken Tiroler UnternehmerInnen. Weitere interessante Forschungsfragen, die jedoch offen bleiben, sind:
Wie unterscheiden sich unternehmerische Motivationen zwischen Branchen und verschiedenen Organisationsformen (in Bezug auf Größe, Governance etc.)? Gibt es unterschiedliche Motivationsstrukturen bei Unternehmern und Unternehmerinnen? Welchen Stellenwert haben Lifestyle-orientierte Motive (bspw. der Verlust von Lebensqualität) bzw. ökonomische Motive der UnternehmerInnen (bspw. Gewinnmaximierung) wenn es um Unternehrmensentwicklung und -wachstum geht?
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Mike Peters / Sabine Müller / Christoph Jurikovszky
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Danksagung: Wir danken der Wirtschaftskammer Tirol für die Bereitstellung wichtiger Daten zur Durchführung dieser Studie.
Kundenintegrationsbedingte Verwässerung der Strategieumsetzung – Analyse und Gestaltungsaspekte aus Sicht der Entrepreneurship-Theorie Jörg Freiling, Maria-José Estevão 1
Problemstellung und Vorgehensweise ............................................... 68
2
Kundenintegration, emergente Prozesse und Profilverwässerung ..... 69
2.1
Grundlagen der Kundenintegration als Treiber von Emergenz.......... 69
2.2
Strategische Gefahren von Kundenintegration .................................. 71
2.3
Kundenintegration als unternehmerische Herausforderung ............... 75
3
Die Entrepreneurship-Theorie als Bezugsrahmen integrationsbedingter Proliferation ....................................................................... 76
3.1
Überblick über die Entrepreneurship-Theorie ................................... 76
3.2
Die Lehre von den Unternehmerfunktionen im Proliferationskontext ............................................................................................... 77
3.3
Kundenintegration als wechselseitige Ausübung von Unternehmerfunktionen ..................................................................... 83
4
Unternehmerische Schwerpunkte im Management der personellen Kundenintegration .......................................................... 87
5
Fazit ................................................................................................... 90
Literaturverzeichnis.......................................................................................91
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Jörg Freiling / Maria-José Estevão
1 Problemstellung und Vorgehensweise Der Strategieprozess ist nicht zu Unrecht in den vergangenen Jahren in den Mittelpunkt der Managementforschung gerückt. So hat z. B. die Forschungsgruppe um Mintzberg bereits frühzeitig betont, welche Einflüsse im Rahmen der Implementierung eines bestimmten Strategy Content auftreten können (z. B. Mintzberg/Waters 1985). So sind vor allem emergente Phänomene zu beachten, die zu deutlichen Abweichungen zwischen geplanter und schließlich implementierter Strategie führen. Diese emergenten Erscheinungen sind unterschiedlichster Art und stellen generell eine unternehmerische Herausforderung dar, da sie sich sowohl förderlich als auch schädlich auf den Strategieprozess auswirken können. Es ist Ziel des vorliegenden Beitrags, diese Emergenzprozesse einer ausführlicheren Betrachtung zu unterziehen. Hierbei ist es mit Blick auf deren Vielfalt zweckmäßig, bestimmte Emergenztreiber zu fokussieren. In diesem Zusammenhang sollen die Emergenzphänomene in den Mittelpunkt gerückt werden, die mit einer Integration des Kunden in den eigenen Wertschöpfungsprozess (Integration sog. „externer Faktoren“) verbunden sind. Auf den ersten Blick sind davon vor allem Dienstleistungen betroffen, da in diesem Bereich die Integration des Kunden besonders stark ausgeprägt ist. Allerdings haben bereits Engelhardt et al. (1993) nachgewiesen, dass Kundenintegration – ungeachtet des faktischen Ausmaßes – ein dienstleistungsübergreifendes Phänomen darstellt, von dem jeder Anbieter in jeder Transaktion zumindest minimal betroffen ist. Dann aber ist auch eine mit Kundenintegration verbundene Proliferation eine unternehmerische Herausforderung, die Anbieter aller Wirtschaftsbereiche betrifft und damit von genereller Bedeutung ist. Der vorliegende Beitrag verfolgt folgende Ziele:
Es soll das grundsätzliche Phänomen erfasst und erklärt werden. Es sind die Auswirkungen integrationsbedingter Proliferation zu klären. Die Vorstellung von Implikationen zum Umgang mit dem genannten Phänomen ist beabsichtigt.
Kundenintegrationsbedingte Verwässerung der Strategieumsetzung
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Zu diesem Zweck wird eine theoriebasierte Vorgehensweise gewählt, die – den dispositiven Herausforderungen des Themas entsprechend – das Potenzial der Entrepreneurship-Theorie zu erweitern und zu nutzen versucht. Daraus ergibt sich folgende Vorgehensweise: In einem ersten Schritt (Kapitel 2) werden die Grundlagen der Diskussion um Kundenintegration gelegt. Dies schließt eine Betrachtung des Strategie verwässernden Effekts ein. Anschließend wird in Kapitel 3 die Entrepreneurship-Theorie für die Zwecke des vorliegenden Beitrags erschlossen, wobei die Lehre von den Unternehmerfunktionen als Referenzrahmen fungiert. Dieser Arbeitsschritt ist primär analytisch angelegt. Kapitel 4 baut darauf auf und widmet sich den Management-Implikationen der vorliegenden Problematik. Ein kurzes Fazit (Kapitel 5) beschließt den Beitrag. 2 Kundenintegration, emergente Prozesse und Profilverwässerung 2.1 Grundlagen der Kundenintegration als Treiber von Emergenz Die Auseinandersetzung um Kundenintegration (auch Integrativität) stammt aus dem Bereich der Dienstleistungsforschung, und zwar speziell des Dienstleistungs-Marketings. Unter Integrativität wird die Einbringung externer Faktoren in den Wertschöpfungsbereich des Anbieters verstanden (Meyer 1983; Engelhardt et al. 1993). Als externe Faktoren sind Informationen, Rechte, Objekte oder Personen der Kundenseite zu verstehen (Kleinaltenkamp 2005). Insbesondere die personelle Integration ist für das Management von besonderem Interesse, da sie – anders als bei der Integration „passiver“ externer Faktoren – mit einer hohen Interaktionsintensität (Meffert 1994) und erheblichen Managementherausforderungen einhergeht. So ist im Integrationsprozess mit einer wechselseitigen, tiefgreifenden und nicht vorhersagbaren Beeinflussung der internen Prozesse des betreffenden Anbieters zu rechnen. Die personelle Integration des Kunden in die Prozesse des Anbieters geht dabei immer mit dem Austausch von Informationen unterschiedlicher Art zwischen
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Anbieter und Nachfrager einher. Aus Sicht der Kundenintegration wird in diesem Zusammenhang der faktische Einfluss des Kunden auf den jeweiligen Verfügungsbereich des Geschäftspartners in den Vordergrund gerückt: Kunden können unmittelbaren Einfluss auf unternehmerische Prozesse ausüben. Neben der Integration in die eigentliche Leistungserstellungsphase (Co-Produzent) werden Kunden als Co-Designer (Meyer et al. 1999) bereits in frühe Phasen der Leistungsentwicklung einbezogen. Beispielsweise ist dies im Falle der Innenraumgestaltung des Airbus A 380 geschehen: Jeder Kunde hat „freie Hand“ bei der Gestaltung des Innenraums des Flugzeugs. Gemeinsam mit den AirbusIngenieuren werden individuelle Innenräume für die bestellten Exemplare des A 380 von den Airlines entworfen und im Hamburger Standort installiert (o.V. 2007). Individuelle Dienste können die Bedürfnisse der Kunden unter Umständen gezielter befriedigen, erfordern aber in höherem Maße die Beteiligung des Kunden am Leistungserstellungsprozess. Eine starke Integration eröffnet dem Kunden die Möglichkeit, ein individuelles Leistungsergebnis zu erhalten, dem allerdings anbieterseitige Herausforderungen bezüglich der Bereitstellung adäquater Potenziale und des Ablaufs entsprechender Prozesse gegenüberstehen. Die Freiheitsgrade im operativen Handlungsspielraum, die sich in der Divergenz der einzubringenden Faktoren (Shostack 1987) niederschlagen, nehmen mit der Anpassung von Potenzialen und Prozessen ab und können im Nachgang die Breite des „strategischen Korridors“ beeinflussen. Sie sind somit unmittelbar flexibilitätsrelevant. Den Marktchancen einer stärkeren integrationsbedingten Individualisierung des Leistungsergebnisses stehen Risiken einer Komplexitätsbewältigung entgegen (Woratschek 1996). Sydow und Windeler (2005) verweisen auf die organisatorischen Aufgaben im Kontext der Koordinationsstruktur, die eine Zunahme der Komplexität der Leistungserstellungsprozesse bewirken. Auch die o. g. Divergenz externer Faktoren (Shostack 1987), der anbieterseitig zu entsprechen ist,
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steigert den Koordinationsbedarf. Speziell besteht die Gefahr, dass sich Entwicklungen einstellen, die anbieterseitig nicht geplant waren. Das korrespondiert mit dem Phänomen der Emergenz. 2.2 Strategische Gefahren von Kundenintegration Die oben beschriebenen unternehmerischen Herausforderungen sind ohne Zweifel zumindest von operativer Relevanz. Es stellt sich indes die Frage, wie weit sie auch von strategischem Rang sein können. Dies ist nachfolgend zu untersuchen. Dabei wird insbesondere auf das oben beschriebene Emergenzphänomen abzustellen sein. Ergebnisse aus der Emergenzforschung wurden in der Managementforschung bislang nur spärlich aufgegriffen (Estevão/Freiling 2008). Viele Leistungen, allen voran Dienstleistungen, weisen ihrem Charakter nach zahlreiche Merkmale auf, die das Auftreten von Emergenz stark begünstigen – so vor allem die Kundenintegration. Dabei stehen der vermutete positive Zusammenhang von Integrations- und Interaktionsintensität einerseits und Emergenzpotenzial andererseits im Vordergrund, da Interaktion als Voraussetzung für die Entstehung von Emergenz anzusehen ist (Hejl 1992). Emergenzphänomene werden im Rahmen sog. systemischer Analysen betrachtet. Ein System besteht aus Elementen, die zueinander in Beziehung stehen und einen gemeinsamen Zweck erfüllen (Müller 2000). Es ist offen, sofern es über seine Systemelemente mit anderen Systemen interagieren kann. Vereinfacht kann eine Unternehmung als offenes System betrachtet werden, innerhalb derer Akteure (Individuen) zueinander in einer Beziehung stehen und mit Akteuren anderer Unternehmungen interagieren, wobei sie bestimmten betrieblichen Zielen folgen, die den gemeinsamen Zweck darstellen. Emergenz entsteht durch die Interaktion von Systemelementen (Hejl 1992) – analog zur Kundenintegration
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Jörg Freiling / Maria-José Estevão
durch die Interaktion von Akteuren der Anbieterseite mit dem einzelnen Kunden. Insofern kann die Kundenintegration in besonderem Maße als Emergenztreiber einer Unternehmung aufgefasst werden. Der Emergenz werden grundsätzlich zwei Eigenschaften zugeschrieben: a) Nicht-Antizipierbarkeit
und
b)
Irreduzibilität.
Während
die
Nicht-
Antizipierbarkeit die Ex-ante-Perspektive betrifft und im Wesentlichen aussagt, dass die Entstehung emergenter Prozesse nicht exakt vorausgesagt werden kann, ist die Irreduzibilität eine ex post zu beobachtende Eigenschaft. Als nicht reduzibel gelten diejenigen Eigenschaften, die nach Entdeckung keinem Element einer Ordnung zugeschrieben werden können – also derartige Eigenschaften, deren Entstehung selbst nach ihrem Auftreten nicht abschließend nachvollzogen werden kann. Die Bedeutung von Emergenz im Kontext des Dienstleistungsmanagements kann neben einer systemtheoretischen Annäherung (Herrmann-Pillath 2002) auch durch die Managementforschung erfasst werden. Emergenz ist in besonderer Weise in der Untersuchung des Strategieprozesses berücksichtigt worden. Hier spricht v. a. Mintzberg von emergenten Strategien (Mintzberg/Waters 1985). Die Arbeiten stellen – anders als die Systemtheorie – auf die Perspektive der Unternehmensleitung ab. Emergente Strategien sind dabei weder vor ihrer Entstehung antizipierbar, noch nach ihrem Auftreten exakt zurückverfolgbar. Emergenz wird in Anlehnung daran im Folgenden als eine unvorhersehbare und von der Unternehmung unbemerkte Entwicklung unternehmensinterner Prozesse mit unsicherem Ergebnis verstanden werden. Hiervon ist auch die – vor allem personelle – Kundenintegration betroffen. In der Managementforschung werden die Auswirkungen von Kundenintegration auf das Leistungsergebnis an unterschiedlicher Stelle thematisiert (u. a. Wohl-
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gemuth 1989). Die Einflussnahme des Kunden auf die Leistungserstellung des Anbieters wird dabei häufig als ein Indikator für die später zu beurteilende Qualität der Leistung angesehen (Meyer et al. 1999). Ohne die Bedeutung dieses Realphänomens in Frage zu stellen, gilt es in diesem Beitrag aber, den Blick für weitere und vor allem weiter reichende Konsequenzen der Kundenintegration zu öffnen. Die Integration des Kunden in die eigenen betrieblichen Abläufe kann auf sämtliche Unternehmensbereiche ausstrahlen, so dass eine Fokussierung auf das Leistungsergebnis zu eng wäre. Ein Kunde kann im Rahmen der Integration zur Erstellung einer vereinbarten Leistung Einfluss auf die anbietereigene Forschung & Entwicklung, die Auswahl der Netzwerkpartner, die Personalpolitik oder auf die Produktionsprozesse ausüben (Estevão/Freiling 2008, Freiling/Reckenfelderbäumer 1996). Emergente Prozesse sind strategisch relevant, weil sie die Erreichung strategischer Ziele fördern, aber auch behindern können (Estevão/Freiling 2008), was häufig auch der Fall ist – bemerkt oder unbemerkt. Die Beeinträchtigung der Erreichung strategischer Ziele stellt den Fall sog. „strategischer Proliferation“ dar. Hier führen integrativitätsbezogene Eingriffe des Kunden in den Anbieterbereich zu erkennbaren Abweichungen von der „strategischen Linie“, was sich z. B. in einem überbordenden Anbietersortiment niederschlägt. Aufgrund strategischer Proliferation sieht sich der Anbieter genötigt, zur Bedienung des Kunden andere Leistungen zu erbringen als diejenigen, die zu seinem Basissortiment gehören. Auch sind Prozesse denkbar, die speziell auf den Kundeneingriff zielen, neuartig für den Anbieter sind sowie dessen Zeit und Kapazität übermäßig binden. Die Bedienung anderer wichtiger Kunden kann dadurch Einschränkungen unterliegen. Diese strategische Proliferation steht nachfolgend im Vordergrund – ungeachtet der faktischen Bedeutung positiver Begleiterscheinungen von Emergenz. Grundlegend sind Ursachen und Wirkungen von Emergenz auf zwei Ebenen zu verorten (vgl. Coleman 1990). Während Emergenz auf einer Mikroebene statt-
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Jörg Freiling / Maria-José Estevão
findet, schlagen sich ihre Effekte unter anderem auch auf der Makroebene nieder. Die Mikroebene betrifft den Handlungsbereich der Akteure einschließlich der mit ihnen verbundenen Beziehungen und Interaktionsprozesse. Die Makroebene bezieht sich hingegen auf die kollektive Ebene – hier die Unternehmung. Proliferationseffekte im Leistungsportfolio sind auf dieser Ebene anzusiedeln, weil sie die Unternehmung als Organisation betreffen. Die Ebenen sind – wie
2UJDQLVDWLRQDOH (EHQH 3UROLIHUDWLRQ
2UJDQLVDWLRQ
(PHUJHQ] ERWWRPXS
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(PHUJHQ]
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Gestaltungsebene
2UJDQLVDWLRQ
Wirkungsebene
Abbildung 1 veranschaulicht – eng miteinander verbunden.
Abbildung 1: Das Organisation-Individuen-Organisation-Modell Quelle: eigene Darstellung
Das in Abbildung 1 ersichtliche Wechselspiel zwischen individueller und organisationaler Ebene gilt grundsätzlich im integrativitätsübergreifenden Kontext. Mit Blick auf die Kundenintegration ergeben sich aber Besonderheiten, auf die nachfolgend kurz einzugehen ist.
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2.3 Kundenintegration als unternehmerische Herausforderung Hervorzuheben ist im vorliegenden Zusammenhang, dass bedingt durch die Kundenintegration zwischen zwei Individualebenen zu unterscheiden ist. Die eine Individualebene betrifft mit den Mitarbeitern die organisationsinterne Seite. Sie ist in Abbildung 1 erfasst. Die andere Individualebene bezieht sich hingegen auf den Kunden selbst. Von dem Kunden können somit Proliferationswirkungen ausgehen, die direkt die organisationale Ebene betreffen. Dagegen kann die Proliferation auch indirekt über die Mitarbeiter des Anbieters zum Tragen kommen. Die Differenzierung kann deswegen relevant sein, weil zu vermuten ist, dass sich aus Sicht der Unternehmensführung die Evidenz der Proliferation je nach direktem oder indirektem Weg unterscheidet. Vollzieht sich die Proliferation auf indirektem Wege, so besteht die Möglichkeit, dass das Kontaktpersonal des Anbieters auf dezentraler Ebene die Anzeichen einer Abweichung vom Strategiepfad frühzeitiger bemerken. Ihre Nähe zum Geschäft und das damit verbundene Wissen kann sie jedenfalls dazu in die Lage versetzen. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Möglichkeiten auch immer genutzt werden. So kann mitarbeiterseitig der Fall auftreten, dass eingefahrene Wahrnehmungs- und Interpretationsmuster die Wahrnehmungsschwelle heraufsetzen. Auch kann sog. „Creeping Commitment“ im Zuge längerer Interaktion mit dem Kunden und damit verbundener Anpassungsprozesse durchaus dazu führen, dass Proliferationseffekte hingenommen bzw. nicht als problematisch eingestuft werden. Daneben besteht die Möglichkeit, dass Mitarbeiter aus ihrer Mikroperspektive zu einer anderen Bewertung der Emergenz gelangen: Was sich auf der Makroebene der Organisation als problematisch herausstellt, ist aus Mikroperspektive möglicherweise wünschenswert. Insgesamt ist festzustellen, dass vom Kunden Emergenzprozesse auf den Anbieter ausgehen, die sich im negativen Fall proliferierend auswirken, den Strategieprozess betreffen und nicht unmittelbar erkennbar sind. Letzteres ist darauf zu-
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Jörg Freiling / Maria-José Estevão
rückzuführen, dass sich bestimmte Emergenzprozesse erst festigen müssen, um auf organisationaler Ebene Wirkung zu zeigen. Somit treten zum Teil beträchtliche Wirkungsverzögerungen auf. Auf organisationaler Ebene ergibt sich daraus eine dispositive Herausforderung bezüglich der Erkennung von Proliferationswirkungen einschließlich der Planung und Umsetzung geeigneter Gegenmaßnahmen: Die Kundenintegration wird somit zu einer unternehmerischen Herausforderung, die auch theoretisch geeignet erfasst werden muss. 3 Die Entrepreneurship-Theorie als Bezugsrahmen integrationsbedingter Proliferation 3.1 Überblick über die Entrepreneurship-Theorie Aus Sicht der Managementforschung stellt sich die Frage, mit welchem Theorierahmen Proliferationseffekte geeignet erfasst werden können. Einen in der Managementforschung bislang kaum zum Einsatz gelangten, gleichwohl die Thematik abdeckenden Ansatz bietet das Theoriegebäude der EntrepreneurshipTheorie. Die Entrepreneurship-Theorie stellt kein homogenes Theoriegebäude dar (Fallgatter 2002). Man kann unter anderem die institutionelle von der funktionalen Entrepreneurship-Theorie trennen. Erstere beschäftigt sich mit Theorien, welche die Entstehung neuer Unternehmen erklären, während der letztgenannte Zweig Funktionen zu identifizieren versucht, deren Ausübung die Grundlage unternehmerischen Handelns darstellt und auf diesem Wege die Erreichung organisationaler Zielgrößen zu erklären hilft. Mit Blick auf die o. g. dispositive Herausforderung der Proliferation liegt es nahe, den funktionalen Zweig näher zu untersuchen. Dieser Eindruck wird auch durch den evolutorischen Charakter dieser auf Unternehmerfunktionen abstellenden Entrepreneurship-Theorie unterstützt: Es ist erforderlich, mit einer Theorie zu arbeiten, die zeitliche Zusammenhänge und damit kumulative Prozesse zu erfassen imstande ist, da ansonsten der grundlegende Charakter der Emergenz
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aus dem Blickfeld geriete. Auch das Phänomen der (personellen) Kundenintegration geht mit koordinativen Begleiterscheinungen einher, die die o. g. Selektion stützen:
Ungeplante und zuweilen unvorhersehbare Integrationskonstellationen fordern den Anbieter heraus, neue Lösungen in seinem Wertschöpfungsund Administrationssystem zu finden. Das verlangt unternehmerisches Handeln. Die Integration des Kunden selbst bewirkt Abstimmungsbedarf mit den autonomen Prozessen des Anbieters. Diese Vorgänge sind ebenfalls nur in Grenzen planbar und können die Koordination bedeutend erschweren (Fließ 1996), was ebenfalls unternehmerisches Handeln erfordert. Im Markt besteht Bedarf, Kunden zu identifizieren, die sich mit der strate gischen Linie des Anbieters in Einklang bringen lassen und somit das Proliferationspotenzial begrenzen. Solche Entscheidungen sind unternehmerischer Art. Insgesamt ist die integrative Leistungserstellung mit Unwägbarkeiten unterschiedlicher Art verbunden, was sowohl den Bereich der exogenen Risiken als auch den der Verhaltensrisiken betrifft. Es ist daher erforderlich, die Integrations- und Interaktionsprozesse gesondert abzusichern, um einen stabilen Koordinationshintergrund für die Zusammenarbeit zu schaffen.
3.2 Die Lehre von den Unternehmerfunktionen im Proliferationskontext Die Lehre von den Unternehmerfunktionen stellt einen Bezugsrahmen dar, der die oben genannten Rahmenbedingungen berücksichtigt und vor allem von seiner Grundausrichtung die Notwendigkeit einer aktiven Gestaltung der Marktverhältnisse betont. Die Schaffung von Lösungen ist somit weitaus mehr als eine Aufgabe der Anpassung an den „gegebenen“ Handlungsrahmen. Eine solche Grundausrichtung ist für die Managementforschung in hohem Maße relevant, hat aber gleichwohl bislang wenig Beachtung gefunden. Der betriebswirtschaftliche Zweig der Lehre von den Unternehmerfunktionen wurde maßgeblich von Schneider (1997) geprägt. Schneider hat ein Unternehmerfunktionensystem mit drei Funktionen konzipiert, mit dem er die Genese und Veränderung von Unter-
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nehmungen zu erklären versucht. Die Funktion der Übernahme von Einkommensunsicherheiten Dritter wird als institutionenbegründende Funktion verstanden. Nach außen wird die Unternehmung durch die Ausübung der Arbitragefunktion erhalten. Die Erzielung von Arbitrage- bzw. Spekulationsgewinnen betrifft die auf finanzielle Erfolge ausgerichtete Teilnahme an Marktprozessen und den damit verbundenen Auf- und Ausbau einer Geschäftsbasis. Um die Leistungsbereitschaft überhaupt herzustellen und zu erhalten, führt Schneider die nach innen gerichtete Funktion der Koordination zur Durchsetzung von Änderungen (in wirtschaftlicher Führerschaft) gegenüber Widerstand an, die im Verbund mit der Arbitragefunktion zu den institutionenerhaltenden Funktionen zählt. Um den oben beschriebenen Aufgaben der (personellen) Kundenintegration gerecht zu werden, bietet sich ein jüngerer Ansatz an (Freiling 2006, 2007, 2008). Dieser Ansatz versucht ebenfalls, die institutionelle Entwicklung zu erfassen und zugleich Managementkonsequenzen abzuleiten (Freiling 2008). Er ist in Abbildung 2 in Form einer „Unternehmerfunktionenraute“ aufgeführt, die vier Funktionen umfasst.
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Institutionenerneuerung (explorativ) Innovation
Institutionennutzung (exploitativ)
Arbitrage
Koordination
Risikomanagement Institutionenabsicherung (protektiv)
Abbildung 2: Unternehmerfunktionen-Raute Quelle: Freiling 2006, S. 91
Institutionenbegründend und gleichsam permanent -erneuernd wirkt die Innovationsfunktion, die der Schaffung neuer Handlungsgrundlagen und Opportunitäten dient. Sie betrifft der Sache nach Prozess-, Produkt-, Organisations-, Geschäftsmodell- und Strategieinnovationen, die miteinander kombinierbar sind und – im Sinne von Schumpeter (1911) – die Grundlage von Prozessen kreativer Zerstörung bilden. Bezüglich der Intensität münden die Innovationsformen in das weite Spektrum zwischen Radikal- und Inkrementalinnovationen. Grundsätzlich schließt die Wahrnehmung der Innovationsfunktion die Selektion geeigneter Neuerungen und deren Umsetzung ein. Für den vorliegenden Kontext ist die Innovationsfunktion von Belang, weil sie – wie oben bemerkt – neuartige Konstellationen der personellen Kundenintegration zu beherrschen hilft. Überdies wer-
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den durch die Innovationstätigkeit anbieterseitig Standards gesetzt, die der Untermauerung der eigenen strategischen Linie dienen. Innovative Impulse gehen in besonderer Weise mit Risiken einher. So ist bei allen innovativen Vorstößen unklar, wie die damit verbundenen Änderungen auf externe und interne Bezugsgruppen wirken. Da Innovationen fast ausschließlich auch Auswirkungen auf die Machtverteilung haben, sind somit Widerstände gegen Innovationen kaum vermeidlich. Die Risikomanagementfunktion zielt darauf ab, diese Risiken abzufedern und stellt damit ein Pendant zur Innovationsfunktion dar. So ist es denkbar, dass aufgrund spezifischer Risiken Neuerungen verhindert werden müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Hier wird die Korrektivfunktion des Risikomanagements mit Blick auf innovative Vorstöße erkennbar. Darüber hinaus geht die institutionenabsichernde Funktion des Risikomanagements über den innovationsbezogenen Kontext weit hinaus, weil sie auch Risiken des Tagesgeschäfts abdecken muss, was auch die beiden weiter unten zu behandelnden Funktionen betrifft. Im Kontext der integrativitätsbedingten Proliferation ist sie deswegen von herausragender Bedeutung, weil die Kundenintegration mit besonderen exogenen und vor allem Verhaltensrisiken einhergeht, die einer gesonderten Behandlung im Management bedürfen. So kann durch die Ausübung der Risikomanagementfunktion eine Kanalisierung gefährlicher emergenter Prozesse auf dem Wege der Früherkennung erfolgen. Die Arbitragefunktion ist eine von zwei institutionenerhaltenden Funktionen. Sie betrifft die Schnittstelle zu Märkten und zum Umfeld der Unternehmung (Institutionenerhaltung im Außenverhältnis). Die Arbitragefunktion dient der Erkennung marktlicher Chancen und dem „kreativen Brückenschlag“ im Sinne von Kirzner (1978) zwischen Angebot und Nachfrage zum Zwecke des Abschlusses erfolgreicher Transaktionen. Die unternehmerische Fähigkeit, neue oder latente Bedarfe der Nachfrager zu aktivieren, ist ein zentraler Bestandteil dieser Funktion und
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zeigt, dass vor allem das Ineinandergreifen der Unternehmerfunktionen (hier: Innovation und Arbitrage) zu einer Verbesserung der Erfolgsaussichten führt. Für den vorliegenden Kontext dient die Arbitragefunktion der Vermeidung von Proliferation durch Identifikation und Akquisition geeigneter Kunden sowie der Lenkung der Transaktionsprozesse in eine Richtung, die ungewollte Abweichungen vom strategischen Pfad zu vermeiden hilft. Die (interne) Koordinationsfunktion ist die zweite institutionenerhaltende Funktion. Sie betrifft – spiegelbildlich zur Arbitragefunktion – die Innenverhältnisse der Unternehmung. Sie fokussiert erstens wertschöpfungsbezogene Aufgaben (Freiling 2006, S. 98):
die Errichtung der Leistungsbereitschaft, um Voraussetzungen für Transaktionen am Markt zu schaffen, die Leistungserstellung im engeren Sinne, die auf vorherige (Fall der Auftragsfertigung) oder spätere Transaktionen (Fall der Lagerfertigung) ausgerichtet ist, die Erfüllung eingeräumter Verfügungsrechte – z.B. durch Tätigkeiten wie Verpackung und Zustellung mit Übereignung.
Zweitens muss die Koordinationsfunktion über die Wertschöpfung im engeren Sinne hinaus verstärkt auf die Aktivierung und Motivierung der Humanpotenziale Rücksicht nehmen. Die Notwendigkeit resultiert aus der personellen Kundenintegration, die zu Interaktionen mit der Kundenseite führt und – gerade mit Blick auf die Proliferationsproblematik – besondere Herausforderungen an die Mitarbeiter des Anbieters stellt („Moments of Truth“) (Carlzon 1987, Bruhn/Georgi 2006). Die Betrachtung hat erkennen lassen, dass den eingangs dieses Abschnitts genannten Herausforderungen und Besonderheiten der personellen Kundenintegration im Kontext der Proliferationsproblematik entsprochen werden kann. Die be-
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sondere Eignung der Unternehmerfunktionen-Lehre ergibt sich darüber hinaus aus weiteren Punkten:
der Ansatz betont betont explizit die Notwendigkeit, mit den genannten Herausforderungen proaktiv umzugehen. Das beinhaltet, auch Proliferationsgefahren für die Planung nicht als gegeben hinzunehmen, sondern gezielt auf sie einzuwirken und zu gestalten. Der Ansatz sensibilisiert trotz der Differenzierung in vier Unternehmerfunktionen für eine integrierte Wahrnehmung aller Funktionen. Je nach Ausgangssituation und damit verbundener Proliferationsgefahr ist es erforderlich, die Tätigkeiten in allen vier Bereichen aufeinander abzustimmen, so dass vor allem die explorativen und exploitativen Arbeiten des Unternehmens Hand in Hand gehen. Insofern verlangt der Ansatz nicht nur eine situationsadäquate Aktivierung einzelner Unternehmerfunktionen, sondern vor allem eine interne und externe Adaption (Freiling 2008). Es wird argumentiert, dass auf diesem Wege die Wettbewerbsfähigkeit als Erfolgsindikator verstärkt wird und somit auch Proliferationsprobleme umfassender gelöst werden können. Dies kann beinhalten, Proliferationseffekte entweder zu neutralisieren oder aber sogar in Richtung auf die Erreichung eigener strategischer Ziele umzulenken. Hervorzuheben ist, dass – entgegen der Kennzeichnung – die Wahrnehmung von Unternehmerfunktionen bei weitem nicht auf diejenigen Personen beschränkt ist, die formal als Eigentümer-Unternehmer fungieren (Schneider 1997; Freiling 2008). Vielmehr betont der Ansatz, dass es innerhalb der Unternehmung insgesamt gelingen muss, die Funktionen wahrzunehmen. Das führt zu zwei wichtigen Erkenntnissen: Erstens können die eigenen Mitarbeiter in nennenswertem Umfang unternehmerisch tätig werden, was sich in der Management- und Entrepren neurship-Forschung z. B. in der Auseinandersetzung um Intrapreneurship äußert (Freiling 2006). Zweitens besteht die interessante Möglichkeit, den Kunden – gerade im Wege der personellen Kundenintegration – in die Ausübung von Unternehmerfunktionen einzubeziehen. Durch sein – zumeist transaktionsbezogenes – Mitwirken werden nicht nur Erneuerungsimpulse generiert. Es wird z. B. auch die Koordination erleichtert sowie die Akquisition unterstützt. Letzteres betrifft etwa den Fall, dass durch die Zusammenarbeit mit Kunden Lösungen geschaffen werden, die auch für andere Kunden interessant sind und Folgegeschäfte durch die Nutzung von Referenzen des in die Leistungserstellung integrierten Kunden erleichtert werden.
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Bereits hingewiesen wurde auf die Notwendigkeit, die Unternehmerfunktionen nicht nur isoliert wahrzunehmen, sondern auch untereinander abzu stimmen, um dadurch eine größere Wirksamkeit zu erzielen (Freiling 2008).
3.3 Kundenintegration als wechselseitige Ausübung von Unternehmerfunktionen Die Kundenintegration führt deutlich vor Augen, dass die Ausübung von Unternehmerfunktionen bei weitem nicht als ein unternehmungsinterner Aufgabenkomplex zu verstehen ist. Während die Rolle Externer z. B. bei der Beteiligung von Unternehmensberatungen am Strategiefindungs- und ggfs. auch Strategieimplementierungsprozess noch recht auffälliger Natur ist, ist der Einfluss bei „herkömmlichen“ Transaktionen weitaus weniger gut erkennbar. Entsprechend sind die Proliferationsprobleme in den beiden genannten Fällen auch recht unterschiedlich gelagert. Während bei der gezielten externen Beratung es oftmals offensichtlich ist, dass die ursprünglich geplante strategische Entwicklungsrichtung verlassen wird und dies auch gewollt ist, können sich bei der Integration von Wertschöpfungspartnern wie Kunden (lange Zeit) unbemerkte Proliferationseffekte ergeben. Das Konstrukt der personellen Kundenintegration sensibilisiert für diese Effekte und richtet den Blick verstärkt auf die Interaktion zwischen dem Anbieter und dem Kunden, der – teils schleichend, teils bewusst – in die Wahrnehmung von Unternehmerfunktionen einbezogen wird. Die fehlende Bewusstwerdung dieser Rolle kann sowohl die Anbieter- als auch die Nachfragerseite betreffen. Wenngleich sich dadurch ein schwer bemerkbares Fehlsteuerungspotenzial auf Anbieterseite ergibt, so darf dennoch nicht übersehen werden, dass die integrativitätsbedingte Wahrnehmung von Unternehmerfunktionen auch mit beträchtlichen Chancen für den Anbieter einhergeht. Dies lässt sich beispielsweise am Beispiel der Externalisierung von Teilaufgaben (Corsten 1995) nachvollziehen, die z. B. im Rahmen von Self-Service-Konzepten praktiziert wird und vornehmlich die Koordinationsfunktion betrifft. Dann aber ist es erforderlich, die
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mögliche integrativitätsbedingte Mitwirkung des Kunden an der Wahrnehmung von Unternehmerfunktionen gründlicher entlang der einzelnen Funktionsbereiche zu untersuchen. Der Kunde kann die Ausübung der Innovationsfunktion beeinflussen, indem er an Innovationsprozessen mitwirkt. Beispielsweise werden prototypartige Leistungsbestandteile getestet und das Feedback des Kunden für die weitere Leistungsentwicklung aufgegriffen. Noch intensiver sind Konzepte kundeninitiierter oder kundengetriebener Innovationsprojekte, die z. B. von Hippel (1986) im Rahmen des „Customer-active Paradigm“ der Produktentwicklung beschreibt. Hier übernehmen einzelne Pilotkunden („Lead User“) Richtung weisende Aufgaben im Innovationsmanagement. Schleichender vollzieht sich die kundenseitige Wahrnehmung der Innovationsfunktion, wenn der Kunde in der Interaktion mit dem Anbieter neuartige Leistungsbestandteile fordert und deren Entwicklung mit vorantreibt. So können z. B. Logistikanbieter die Verschiffung von so genanntem Stückgut (Güter, die in kleiner Menge stückweise befördert werden, z. B. Spezial-Traktoren) nur so weit garantieren, wie sie über Transportpotenziale verfügt. Für besondere Verschiffungen sind Potenzialanpassungen erforderlich. Dabei treten oftmals Fälle auf, dass z. B. keine spezifischen Investitionen in einen neuen Fuhrpark notwendig sind, wohl aber Anpassungen kleinerer Art. Diese schrittweisen Anpassungen können über die Zeit jedoch kumulieren und neue Pfade bei der Bedienung von einzelnen Kunden oder auch Teilmärkten eröffnen, die in der strategischen Planung so nicht vorgesehen waren. Dann ergeben sich schleichende Proliferationseffekte, so dass im Beispielfall durch wiederholte Anpassungen bei der Beförderung von Stückgut ungeplante Kostenerhöhungen auftreten und die Wirtschaftlichkeit bedrohen. Auch über eine sprunghafte Emergenz, beispielsweise durch eine auftragsspezifische Investition in eine Hebebühne, können strategisch relevante Emergenzeffekte entstehen, wenn sich die spezifische Investition mangels Folgeaufträgen nicht amortisiert.
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Die Ausübung der Arbitragefunktion geht bei personeller Kundenintegration mit einer engen Einbindung des Kunden in die Transaktion einher. Die Leistungsvereinbarung erfolgt bei individueller Leistungserbringung in enger Kooperation mit dem Kunden. Eine hohe Interaktionsintensität begünstigt die Entstehung emergenter Prozesse, da Spielraum zur Äußerung von Kundenwünschen oder zur Verhandlung von Leistungsspezifika besteht. Durch die Interaktion zwischen Anbieter und Kunde ist der Transaktionsvorgang mit Abschluss einer Vereinbarung über die zu erstellende Leistung jedoch nicht zwangsläufig abgeschlossen. So besteht die Möglichkeit bei interaktionsintensiven Leistungen (z. B. Privatunterricht), auch während der Leistungserstellung weitere Leistungsbestandteile abzufragen. Ein Schüler, der privaten Nachhilfeunterricht für naturwissenschaftliche Fächer erhält, aber grundlegende Mathematik-Schwächen hat, wird während des Unterrichts immer wieder mathematische Unterstützung benötigen und abverlangen, um die naturwissenschaftlichen Aufgabenstellungen begreifen und bewältigen zu können. Der Nachhilfelehrer wird dann aber ständig „fachfremde“ Unterrichtsbestandteile einbauen müssen, was die Frage aufwirft, ob er einen derartigen Auftrag „proliferationsbedingt“ überhaupt abarbeiten kann bzw. möchte. Durch die Kundenintegration und die damit verbundene Interaktion können sich demnach zu unterschiedlichen Zeitpunkten Proliferationseffekte ergeben, die oft erst durch Kumulationseffekte ein problematisches Ausmaß erreichen, dann aber kaum noch reversibel sind. Die oben bereits kurz angesprochene Ausübung der Koordinationsfunktion betrifft die Innenverhältnisse der Unternehmung. Bei integrativer Leistungserstellung ergibt sich die Besonderheit, dass externe Faktoren in diese Innenverhältnisse Eingang finden. Eine interaktionsintensive Leistungserstellung wird oftmals in enger räumlicher wie zeitlicher Nähe zum Kunden vollbracht. Die Eingriffsmöglichkeiten sind daher nicht zuletzt im Sinne der o. g. Externalisierung von Aufgaben gegeben. Dies lässt sich beispielsweise anhand der Flugzeugin-
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nenraumentwicklung beim Airbus A 380 nachvolllziehen, die in enger Abstimmung mit dem Kunden stattfindet. Nach erfolgtem Absatz werden die Abstimmungen für die Innenraumgestaltung zwischen Kunde und Flugzeugbauer im Detail getroffen (Stolzke 2006), so dass für jeden Airbus und für jedes Leistungsmerkmal, wie beispielsweise die DVD-Ausstattung in der Rückenlehne der Sitze, eine partielle Übernahme der Koordinationsfunktion durch den Kunden erfolgt. Diese teilweise Übernahme der Koordinationsfunktion durch den Kunden begünstigt die Entstehung neuer Prozesse – z. B. dadurch, dass jeder Airbus eine individuelle Ausstattung bezüglich der sanitären Anlagen erhält. Die Anordnung und Ausprägung ist in ihrer Vielfalt im A 380 nahezu unbegrenzt. Die dadurch entstehenden Verkabelungsprobleme sind für die strategisch relevanten Verzögerungen der Auslieferungstermine maßgeblich verantwortlich (Stolzke 2006). Darüber hinaus ist in Fällen zeitlicher Parallelität von Leistungserstellung und Leistungsinanspruchnahme ein Prozesscontrolling kaum möglich, was die unbemerkte Entstehung emergenter Prozesse begünstigt. Abschließend ist mit Blick auf die Risikomanagementfunktion festzustellen, dass die Kundenintegration hier tendenziell Risiken begründet, die einer entsprechenden Absicherung bedürfen. Allerdings ist dieser Pauschaleindruck dahingehend zu präzisieren, dass die Kundenintegration durchaus auch mit partiellen risikosenkenden Effekten einhergehen kann. Das ist z. B. der Fall, wenn im Rahmen des Co-Developments von Leistungen die Marktfähigkeit erhöht und somit FlopGefahren reduziert werden. Generell ergibt sich aus der Kundenintegration jedoch eher ein anbieterseitiger Bedarf, die Risikomanagementfunktion mit besonderer Vorsicht eigenständig wahrzunehmen. Dieser Punkt wird im nachfolgenden Kapitel erneut aufzugreifen sein.
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4 Unternehmerische Schwerpunkte im Management der personellen Kundenintegration Während die bisherigen Ausführungen primär im deskriptiven und analytischen Bereich angesetzt haben, stehen nunmehr Gestaltungsüberlegungen im Vordergrund. Auf übergreifender Ebene ist zu fragen, welche Schwerpunkte in der Wahrnehmung der Unternehmerfunktionen zu setzen sind, um Proliferationsproblemen von Anbietern zu begegnen. Die personelle Kundenintegration und die daraus resultierende Interaktion lassen erkennen, wie wichtig es für Anbieter ist, im Bereich der Koordinationsfunktion anzusetzen und vor allem die Sinn stiftenden Handlungspotenziale zu entwickeln. In diesem Bereich tritt vor allem die Unternehmenskultur in den Vordergrund. Durch sie wird in zwar impliziter, aber dennoch von den Mitarbeitern erfassbarer Weise umrissen, wofür der Anbieter (leistungs- und wertebezogen) steht. Dadurch lässt sich den Mitarbeitern auch ein Gefühl dafür vermitteln, wo Proliferationsfragen auftreten und ein Problem darstellen können. Während Maßnahmen dieses Bereichs auf tief verankerte Strukturen im Unternehmen zurückgreifen, ist unter Koordinationsgesichtspunkten zugleich dafür Sorge zu tragen, dass bestimmte Abläufe bei der Bearbeitung von Aufträgen erledigt werden. Hierzu bietet es sich an, auf Prozessplanungs- und -steuerungstechniken zurückzugreifen, welche die Kundenintegration zu erfassen imstande sind. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die Technik des Blueprintings zu verweisen (Shostack 1987; Fließ 2006, S. 64ff.). Das Blueprinting unterscheidet unterschiedliche Eindringstufen des Kunden in die betrieblichen Prozesse und hilft, die Einbeziehung des Kunden zu planen und zu steuern. Derartige Blueprints lenken das Mitarbeiterverhalten ebenso wie die Kundenintegration in bestimmter, an die Ziele und Leistungsprogramme angelehnter Weise. Im Regelfall verbunden mit den strategischen Zielen, lenken sie die integrative Leistungserstellung innerhalb des strategischen Zielkorridors. Je stärker Mitarbeitern diese Prozessmuster bekannt sind, desto besser sind sie in der Lage, die Leistungserstellung auch bei intensiver Kundenintegration zielori-
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entiert zu steuern bzw. Abweichungen von den Soll-Blueprints gezielt dahingehend zu überprüfen, ob sie zielfördernd sind. Proliferationseffekte treten vor allem auf, wenn anbieterseitig keine Prozessregelungen vorliegen und entsprechende Improvisationsmaßnahmen einzuleiten sind. Im Sinne des Blueprintings werden entsprechend geschulte Mitarbeiter diese aber bemerken und bereits frühzeitig nach geeigneten Prozessregelungen Ausschau halten. Der Vorteil des Blueprintings ist, dass es mit dem Controlling-System verbunden werden kann und somit prozessbezogene Abweichungen zwischen dem Soll- und Ist-Zustand in mehrfacher Weise erfassbar sind. Üblicherweise lassen sich Qualitäts-, Zeit- und Kostengrößen der Prozessgestaltung durch das Controlling erfassen, so dass Abweichungen mehrdimensional und recht frühzeitig erfasst werden können. Es wird ersichtlich, dass gerade im Bereich der Koordinationsfunktion zentrale Vorkehrungen gegen Proliferation getroffen werden können. Damit ist zugleich die Schnittstelle zur Wahrnehmung der Risikomanagementfunktion beschrieben. Im Verbund mit der Koordinationsfunktion soll durch die Ausübung der Risikomanagementfunktion für die Unternehmung ein strategischer Korridor im Sinne von Abbildung 3 definiert werden, der den beabsichtigten Entwicklungspfad des Anbieters innerhalb gewisser Bandbreiten zu steuern hilft. Aufgabe des Risikomanagements ist es, interne Systeme der Früherkennung starker Abweichungen von der strategisch intendierten Linie aufzubauen und weiterzuentwickeln. Demzufolge liegt im Sinne der Proliferationsvermeidung die maßgebliche Aufgabe bei der Wahrnehmung der Risikomanagementfunktion zunächst darin, auf Basis vorgegebener strategischer Ziele einen strategischen Korridor zu formulieren. Durch die mögliche Früherkennung strategisch relevanter Abweichungen in Potenzialbildungs- oder Leistungserstellungsprozessen kann die Unternehmensleitung bewusst eine Entscheidung treffen, wie stark in sich aufbauende Proliferationsprozesse eingegriffen werden soll. Beispielsweise könnte bei ausgeprägter Risikoaffinität die Geschäftsleitung
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vermutlich positive Emergenzprozesse zulassen oder sogar fördern, während man lediglich bei klar ersichtlichen negativen Auswirkungen von Emergenz umlenkt. 6WUDWHJLVFKHU .RUULGRU .XQGHQLQWHUDNWLRQVSXQNWH GLH]XHPHUJHQWHQ 3UR]HVVHQIKUHQ
6WUDWHJLHI|UGHUQGH (PHUJHQ]
3UROLIHUDWLRQ =HLW
Abbildung 3: Strategischer Korridor im Kontext emergenter Entwicklungen? Quelle: eigene Darstellung
Ein anderer Schwerpunkt zur Vermeidung von Proliferation stellt das Signaling der unternehmungsbezogenen Leistungsbereitschaft im Markt dar. Es ist davon auszugehen, dass manche Proliferationsprobleme gar nicht erst auftreten, wenn die Kunden eine klare Vorstellung davon haben, was genau das Leistungsspektrum eines Anbieters ist. Auf diesem Wege besteht zudem die Möglichkeit, die Kunden anzusprechen, die zur Zielkundschaft i. e. S. zu zählen sind. Eine derartige Signaling-Tätigkeit im Marktprozess betrifft die Wahrnehmung der Arbitragefunktion. Auf Basis der Auslegung der Arbitragetätigkeit im Sinne Kirzners (1978) ist die Signaling-Tätigkeit um eine dazu spiegelbildliche Screening-Tätigkeit zu ergän-
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zen, die darauf ausgerichtet ist, ein vollständigeres Bild von den Möglichkeiten zu erhalten, die die Beschaffungsmärkte bieten. So kann die Annahme bestimmter Kundenaufträge unter Proliferationsgesichtspunkten in der Tat problematisch sein, wenn man nur die eigenen Möglichkeiten eines Anbieters zu Grunde legt. Die Situation ändert sich aber, wenn im Zuge von Kooperationen Partner gefunden werden, die so spezialisiert sind, dass mit ihnen bestimmte Aufgaben außerhalb des eigenen Leistungsspektrums kompetent wahrgenommen werden können. Dies setzt allerdings nicht nur eine gute Orientierung im Beschaffungsmarkt voraus, sondern vor allem eine grundsätzliche Kooperationsbereitschaft etwaiger Partner, was möglicherweise bereits im Vorfeld zu klären ist. Hier kommt die weitsichtige Betrachtung von Absatz- und Beschaffungsmärkten zum Tragen, die gerade im Kontext von Unternehmerfunktionen hier speziell in der Wahrnehmung der Arbitragefunktion sichtbar wird. Mit Blick auf die Innovationsfunktion ist abschließend unter dem Gesichtspunkt eines proaktiven, unternehmerisch ausgerichteten Managements eine besonders sorgfältige Selektion von Neuerungen erforderlich. In diesem Zusammenhang gilt es im Innovationsmanagement, unter Rückgriff auf vorhandene Informationen sich ein Bild vom Verlauf von Innovationspfaden zu verschaffen. Die Abschätzung innovationsbezogener Konsequenzen erfolgt zwar zumeist mit hoher Ambiguität, so dass Emergenz als Phänomen zwar mitunter erkennbar ist, nicht aber die Bewertung als positiv oder schädlich. Hier gilt es, im Innovationsprozess der Ausdeutung derartiger Entwicklungen Zeit zu widmen, um Grundsatzentscheidungen in Richtung auf die Gestaltung des Wertschöpfungssystems treffen zu können. 5 Fazit Proliferation als eine Konsequenz emergenter Prozesse ist ein bislang kaum behandeltes, gleichwohl relevantes Problem. Entlang der vier Unternehmerfunktio-
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nen der Innovation, Arbitrage, Koordination und des Risikomanagements lassen sich auf theoretisch fundierte Weise nicht nur Probleme erfassen, sondern auch in Verbindung mit den Unternehmerfunktionen Gestaltungsansätze entwickeln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass damit verbundenes unternehmerisches Handeln nicht „undosiert“ betrieben werden darf. Je stärker sich unternehmerisches Handeln einzelner Unternehmungen im Wettbewerb auswirkt, desto eher ist mit Reaktionen von Wettbewerbern zu rechnen. Insofern ist die herausgestellte Wahrnehmung von Unternehmerfunktionen nicht nur intern aufeinander abzustimmen. Vielmehr ist darauf zu achten, dass die Wahrnehmung der Funktionen auch die externen Rahmenbedingungen mit in die Betrachtung aufnimmt, um der Unternehmung selbst eine bessere Position zu ermöglichen.
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Der Einfluss authentischen Führungsverhaltens auf den wahrgenommenen Erfolg im Kulturbetrieb Dagmar Abfalter, Hans H. Hinterhuber
1
Einführung ......................................................................................... 96
2
Die Erfolgswahrnehmung als multifaktorielles Konstrukt................. 97
3
Besonderheiten der Führung im Theater............................................ 99
3.1
Führung von ExpertInnen ................................................................ 100
3.2
Projektorganisation .......................................................................... 101
3.3
Der/die IntendantIn als Schlüsselperson der Institution................... 102
3.4
Der/die DirigentIn als Schlüsselperson der Aufführung .................. 103
4
Effektives Führungsverhalten im Kulturbetrieb Theater ................. 105
4.1
Zwischen Charisma und fachlicher Autorität .................................. 106
4.2
Authentisches Führungsverhalten .................................................... 108
4.3
Narzisstisches Führungsverhalten.................................................... 109
5
Empirische Studie ............................................................................ 110
6
Ergebnisse........................................................................................ 112
7
Diskussion........................................................................................ 115
Literaturverzeichnis.....................................................................................117
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Dagmar Abfalter / Hans H. Hinterhuber
1 Einführung Das Theater als Metapher für unsere Arbeits- und Lebenswelten, für die Organisation von Prozessen und Handlungsmustern ist hinlänglich bekannt (Goffman 1959; Pine/Gilmore 1999). Während die Unterschiede zu klassischen Unternehmen so eklatant sind, dass sich das Kulturmanagement bzw. eine Kulturbetriebslehre als eigenständige Disziplin der Wirtschaftswissenschaften etabliert hat (und die Metapher als Metapher Sinn macht), erlaubt die spezielle Organisation Theater spannende Einblicke in die Führungsforschung auch jenseits des künstlerischen Bereichs. Insbesondere die hohe Konzentration auf Ziele und Werte und ein Erfolgsbegriff jenseits reinen Profitdenkens machen den Kulturbetrieb zu einer– entgegen vieler anderer Eigenschaften – wiederum sehr zeitgemäßen Organisationsform. Um eine stärkere Fokussierung auf einige Bereiche zu ermöglichen konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf den Bereich des Musiktheaters, sind jedoch in weitesten Teilen für die meisten Kulturbetriebe gültig. Was ist im Kulturbereich anders? Zunächst befindet sich der Kulturbereich seit längerem – um nicht zu sagen seit jeher – in einem turbulenten Wettbewerbsumfeld, das von einer Vielzahl divergenter Stakeholderinteressen gestaltet wird. Tief gehende Veränderungen wie Verschiebungen der Besucherstrukturen, Kürzungen öffentlicher Zuwendungen und der Wandel von öffentlichen Institutionen hin zu privatrechtlich geführten Organisationen gehören zu den kulturpolitischen Herausforderungen der letzten Jahrzehnte. Die entstehenden Spannungsfelder um konfligierende Ziele und Werte, mächtige Stakeholder mit so konträren Zielsetzungen wie der staatliche Wunsch nach Kultur für alle bei höchster künstlerischer Qualität oder die Interessen verschiedenster Besuchergruppen bei gleichzeitiger Überzeugung, innovatives, aufrüttelndes, provokantes Theater produzieren zu müssen, sind häufig nur schwer zu vereinbaren. Das Theater ist eine Projektorganisation, in welcher verschiedene Projekte das Programm der jeweiligen Spielzeit konstituieren ebenso wie ein klassisches Beispiel einer Expertenorgani-
Der Einfluss authentischen Führungsverhaltens
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sation. Auf diese Besonderheiten wird später im Beitrag noch eingegangen. Schließlich jedoch ist das Theater Nährboden der Umsetzung einer künstlerischen Vision und Tummelplatz narzisstischer, authentischer und sonstiger Führungskräfte und Individuen… 2 Die Erfolgswahrnehmung als multifaktorielles Konstrukt Das Streben nach Erfolg steht im Zentrum menschlichen und damit auch unternehmerischen
Handelns.
Erfolg
bzw.
-
aus
einer
konstruktivistisch-
phänomenologischen Perspektive – die Wahrnehmung von Erfolg birgt eine immense motivatorische Kraft mit dem Potenzial weiteren Erfolg zu generieren. Die Möglichkeit, Erfolg zu kreieren und zu beeinflussen, ist den Konzepten und der Literatur des Managements inhärent und Grundlage der Suche nach allgemeingültigen Erfolgsfaktoren. Während Erfolg in Unternehmen in der Regel an materialistischen oder physischen Größen wie Gewinn, Umsatz, Marktanteilen oder Besucherzahlen, aber auch an Manifestationen wie Statussymbolen oder Medienberichten festgemacht wird, ist das Erfolgskonzept im Theater als eher metaphysisches Konzept zu verstehen: Es findet auf einer emotionalen Ebene und aufgrund einer persönlichen Interpretation von Ergebnissen statt, auch wenn sich Kulturbetriebe vor den Erfordernissen von Effizienz und Transparenz immer weniger verschließen können. Im Theater bleibt alles anders. Bilder von umjubelten Prime donne und Primi uomini – das Sinnbild für Erfolg schlechthin – werden abgelöst von Theaterkrisen, der Kürzung staatlicher Zuwendungen und der Forderung nach erhöhter organisatorischer Effizienz bei zumindest gleichbleibender künstlerischer Qualität. Versuche, Erfolg für Kulturbetriebe abzubilden, zu messen oder zu modellieren, sind jedoch selten. Multikausalität und Multidimensionalität werden der Erfolgswahrnehmung zwar generell unterstellt, Studien untersuchen jedoch hauptsächlich monokausale Beziehungen einzelner Faktoren auf Erfolg. Eine Zusam-
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menstellung verschiedener Einflussbeziehungen aus der Literatur um die Erfolgsmessung in Kulturbetrieben in ein komplexes Modell findet sich in Abbildung 1. Es postuliert sowohl externe als auch interne Einflussfaktoren auf den wahrgenommenen Erfolg seitens der MitarbeiterInnen eines Theaterbetriebs. Dabei sind externe Faktoren zumeist Konstrukte davon, wie Außenstehende die Institution, ihre Akteure und Produkte betrachten, während interne Faktoren innerhalb der Institution generiert werden (Abfalter 2008).
Abbildung 1: Einflussmodell auf den wahrgenommenen Erfolg der MitarbeiterInnen Quelle: Abfalter 2008
Die Erfolgswahrnehmung kann einerseits durch die Reputation, den guten (oder schlechten) Ruf der Institution, des künstlerischen Direktors oder der eigenen Person beeinflusst werden. Medienkritiken sind eine weitere Manifestation der Reputation. Das Publikum stellt eine wichtige Zielgruppe des künstlerischen Schaffens dar, es will erreicht werden und gibt unmittelbares Feedback in Form
Der Einfluss authentischen Führungsverhaltens
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von Besucherzufriedenheit ebenso wie längerfristig in Form von Besucherloyalität. Die wirtschaftliche Situation der Institution sowie die Auslastung sind ökonomische Faktoren, welche eine Erfolgswahrnehmung beeinflussen können. Auf Produktebene beeinflusst sowohl der Innovationsgrad, die Programm- bzw. Repertoirediversität sowie die künstlerische Qualität des Dargebotenen die Erfolgswahrnehmung. Der Einflussfaktor MitarbeiterInnen äußert sich in der Zufriedenheit, der Kompensation sowie den Karrieremöglichkeiten der MitarbeiterInnen der Institution. Schließlich sind das Betriebsklima und die Effizienz der Organisation erfolgsrelevant. 3 Besonderheiten der Führung im Theater Die Multikausalität der Erfolgswahrnehmung stellt die Führung einer Theaterorganisation vor entsprechende Herausforderungen. Sie betont die Aufgabe der Intendanz, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, die Ziele des Theaterträgers zu einer künstlerischen Gesamtkonzeption für Publikum und Theater umzusetzen. Führung im Theater ist ein komplexer Prozess, eine Gratwanderung zwischen der künstlerischen Vision und wirtschaftlichen Zwängen, zwischen einzelnen Produktionen und einer organisationalen Identität. Leadership kann selbst als Darstellende Kunst betrachtet werden, in welcher der/die Führende sich selbst seinem Publikum „verkaufen“ muss (Bennis/Thomas 2002). Kompetente Führung kann es einer – gesunden – Organisation auch im Kulturbereich signifikant erleichtern, sich exogenen Schocks anzupassen (Allmendinger/Hackman 1996). Die künstlerische Führungsperson „IntendantIn“ rückt dabei als primäre Bezugsperson, ImpulsgeberIn und Vorbild in den Mittelpunkt. Es geht darum, MitarbeiterInnen zu begeistern, Freude an der Arbeit zu generieren und sich in einem Prozess des Wandels mit Mut zum Risiko zu engagieren. Leadership wird hier als der Prozess
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„of influencing others to understand and agree about what needs to be done and how to do it, and the process of facilitating individual and collective efforts to accomplish shared objectives“ (Yukl 2006)
verstanden. Dieser Beitrag legt den Fokus absichtlich auf die künstlerische Leitung, die sich durch ästhetische Kompetenz und umfassende Kenntnis der jeweiligen Kunstsparte sowie der historischen und sozialen Rahmenbedingungen auszeichnen muss, sowie durch die Fähigkeit, eine ästhetische Beziehung mit dem Publikum einzugehen. Die Intendanz hat eine Schlüsselposition im Kampf um die Vermittlung aber auch den Erhalt von „Hochkultur“ in Zeiten öffentlicher Finanznöte und einer deutlich gestiegenen Vielfalt an Freizeitangeboten inne. Trotz konstatierter Schwierigkeiten von Non-Profit-Organisationen im Allgemeinen bzw. Kulturorganisationen im Speziellen ihre Strategie klar zu definieren (Kaplan 2001), ist es ihre Aufgabe anhand der Vision Strategien zu entwickeln, um die Organisation erfolgreich durch widrige Umweltbedingungen zu führen. 3.1 Führung von ExpertInnen Expertenorganisationen zeichnen sich durch einen hohen Ausbildungs- und Spezialisierungsgrad sowie einen eigenständigen Umgang mit Ressourcen (insbesondere Wissen) ihrer Angehörigen aus. Sie produzieren komplexe, nicht-triviale Produkte, welche sowohl funktionale als auch symbolische Anforderungen erfüllen (Sicca 2001). Um ihre Expertise richtig einsetzen zu können, benötigen sie einen hohen Grad an Autonomie. Sie bedürfen zwar eines organisationalen Rahmens für ihr Schaffen, sind jedoch weitestgehend von der Organisation selbst unabhängig und – nicht zuletzt auch aus karrieretechnischen Gründen – hochgradig mobil (Drucker 1992). Die Privatisierung und Mikroökonomisierung von Institutionen wie Museen, Theatern oder auch Hochschulen stößt hinsichtlich deren Steuerung an ihre Grenzen. Bürokratisierungs- und Steuerungstendenzen treffen häufig auf eine institutionalisierte und organisationskulturell eingebettete Gegenwehr. Im Falle eines Orchesters oder Opernensembles kann es bis zu 100
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verschiedene Meinungen über subtile und mehrdeutige Aspekte der Interpretation eines Werkes geben, wenn jede/r MusikerIn seine/ihre Erfahrungen und Perspektiven einbringt. Kooperation bzw. das exakte Zusammenspiel zwischen den KünstlerInnen ist jedoch eine entscheidende Bedingung künstlerischer Qualität. Hier ist es Aufgabe der Führungskräfte – in einem permanenten Verhandlungsprozess zwischen der eigenen künstlerischen Vision und jenen der MusikerInnen – diese verschiedenen Sichtweisen in eine einzige und kohärente Interpretation für das gesamte Orchester umzuwandeln. Dabei entfalten neben der motivatorischen Wirkung der künstlerischen Aufgabe an sich, kontextuelle Faktoren wie der Druck einer nahenden Aufführung oder die Anwesenheit des Publikums motivatorische und leistungssteigernde Wirkung (Marotto et al. 2007). Um strukturund prozessinhärente Konflikte und Spannungen handhaben zu können, reduzieren IntendantInnen das Personalmanagement der KünstlerInnen hauptsächlich auf Rekrutierung, Vertragsverhandlungen und Besetzungsentscheidungen. Zumeist wird hier auf einer persönlichen (one-to-one) Basis kommuniziert (Haunschild 2003). 3.2 Projektorganisation Die künstlerische Arbeit am Theater ist projektorientiert: Das Projekt „Theaterstück“ beginnt mit der Stückauswahl, geht über in Proben, die Premiere, weitere Aufführungen, eventuell eine Wiederaufnahme in der nächsten Saison und wird schließlich abgeschlossen (Haunschild 2002). Dabei dauern die Proben meist zwischen vier und acht Wochen (Deutscher Bühnenverein (DBV) 2002). Als Projektorganisationen können Theater auf die spezifischen Anforderungen künstlerischer Produktionen flexibler reagieren. Ein großer Pool an KünstlerInnen und Personal steht zur Bildung effizienter und gut zusammen passender Teams zur Verfügung. Dadurch können die ArbeitgeberInnen einerseits einen Nutzen aus der Vielfalt an Talenten und Fähigkeiten ziehen, auf der anderen Seite aber auch ihre Fixkosten reduzieren (Menger 1999). Die Attraktivität auf die besten Mitar-
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beiterInnen wird durch Beziehungen mit der künstlerischen Community und den BesucherInnen, den Innovationsgrad hinsichtlich Repertoire und Inszenierung sowie die Reputation des Theaters beeinflusst. 3.3 Der/die IntendantIn als Schlüsselperson der Institution Aufgabe der IntendantInnen ist es, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln die Ziele des Theaterträgers zu einer künstlerischen Gesamtkonzeption für Publikum und Theater umzusetzen. Dazu gehören im künstlerischen Bereich u. a. Entscheidungen über die Gestaltung des Spielplanes, das Engagement der entsprechenden und notwendigen KünstlerInnen, Vertragsverlängerungen mit den KünstlerInnen, den effizienten Einsatz der KünstlerInnen sowie die Vertretung des Theaters in der Öffentlichkeit und die Kooperation mit den Medien. Im wirtschaftlich-administrativen Bereich gehören die organisatorische, finanzielle, personalwirtschaftliche und rechtliche Steuerung des Theaterbetriebs sowie die regelmäßige Information des Theaterträgers zu den Aufgaben der Intendanz (Deutscher Bühnenverein (DBV) 2002). In der künstlerischen Arbeit werden IntendantInnen von künstlerischen und technischen Bühnenvorständen unterstützt. In Verwaltungs-, Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten werden IntendantInnen in der Regel von einer/m VerwaltungsdirektorIn unterstützt, sodass die reine Intendantenführung im deutschsprachigen Raum eher selten ist und dem dualen Führungssystem der „eingeschränkten Intendantenführung“ den Vortritt lässt. So sind IntendantInnen im Außenverhältnis zumeist alleinverantwortliche LeiterInnen des Theaters, im Innenverhältnis sind ihre Kompetenzen jedoch eingeschränkt. Ziel ist es, den IntendantInnen die Möglichkeit zu geben, ein künstleri-
Die Position des „Intendanten“ wurde in Frankreich von Ludwig XIV Mitte des 17. Jahrhunderts geschaffen und bezeichnete den obersten Verwaltungsbeamten einer Provinz. Vor 1919 war dieser Titel lediglich Leitern der Hoftheater vorbehalten. Die Bezeichnung Generalintendant steht für den Leiter eines staatlichen oder städtischen Theaters das mehrere Sparten (Oper, Schauspiel, Ballett) und Häuser umfasst. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet der „Intendant“ den obersten Leiter eines Theaters, eines Rundfunk- oder Fernsehsenders.
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sches Konzept zu verwirklichen, ohne von Dritten behindert zu werden. Sie tragen jedoch auch große Verantwortung: Große Drei-Sparten-Häuser beschäftigen bis zu 1.000 MitarbeiterInnen, haben einen Jahresetat von bis zu 65 Mio. Euro und ziehen pro Jahr an die 500.000 BesucherInnen an (DBV 2002). Eine entscheidende Aufgabe der Intendanz ist es, eine Balance zwischen der eigenen Wahrnehmung der institutionalen Identität, der Interpretation des eigenen Verhaltens im Kontext dieser Identität sowie der angenommenen Wahrnehmung dieser Identität durch signifikante Stakeholder zu finden (Bennett/Kottasz 2001). Hirschman unterscheidet in ihrem Beitrag aus dem Jahr 1983 zwischen IntendantInnen als „Künstler“ (artist) oder “Ideologen“ (ideologist) (Hirschman 1983). Der künstlerischen Direktion wird neben ihrer Funktion als kreative Triebkraft eine zentrale strategische Rolle zugeschrieben (Conway/Whitelock 2007). Dadurch müssen IntendantInnen trotz ihres – wahrscheinlich romantisch verklärten aber verbreiteten – Images von wütender Brillanz, exzentrischer Kunstfertigkeit oder tyrannischer Persönlichkeit, ein komplexes Set an Leadershipverhalten und -fähigkeiten aufbringen (Hunt et al. 2004). Erfolgreiche professionelle MusikerInnen sind vielfach hoch gebildete und ausgebildete Individuen, die über Einblicke bzw. Einsichten und Fähigkeiten verfügen, die sie zu exzellenten Problemlösern und kreativen Denkern machen (Allmendinger/Hackman 1996; Hunt et al. 2004). Die Disziplin ständigen Übens, der Genuss individueller Aufmerksamkeit und die Erfordernis einer nahezu unmittelbaren Effektivität auf der Bühne macht sie zu seltenen MitarbeiterInnen und Führungskräften. Dazu kommen eine berufsbedingte Internationalität und Wettbewerbsfähigkeit. 3.4 Der/die DirigentIn als Schlüsselperson der Aufführung Der/die DirigentIn erarbeitet mit dem Orchester die Aufführung eines Musikwerkes mit Hauptaugenmerk auf der Interpretation des Werkes. Durch die Dirigierenden können SolistInnen und OrchestermusikerInnen kontrolliert und ihre
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individuellen Einzelleistungen zu einem musikalischen Gesamtwerk zusammengeführt werden. Je nach Größe der Institution sind mehrere DirigentInnen beschäftigt, der oder die Ranghöchste unter ihnen hat die Rolle des (General)Musikdirektors bzw. die künstlerische Leitung des Orchesters inne und dirigiert die Hauptwerke des jeweiligen Spielplanes. Das Berufsbild DirigentIn zeichnet sich neben einschlägigen musikalischen Fähigkeiten durch pädagogische und führungsspezifische Fertigkeiten sowie eine umfassende kulturhistorische Bildung aus. Dazu kommt der physische Aspekt starker körperlicher Belastung und die Erwartung persönlicher Ausstrahlung (DBV 2002). Der „Orchesterdirigent“ als zentrale und sichtbare Führungsrolle bei der Koordination des Orchesters ist eine beliebte Metapher der Führungsforschung (Mintzberg 1975; Bradford/Cohen 1984; Drucker 1993; Atik 1994; Mintzberg 1998; Glynn 2000; Sicca 2002; Koivunen 2003; Hunt et al. 2004; Abfalter/Hinterhuber 2006). Die leichte Bewegung des Dirigentenstabes, eine kleine aber präzis ausgerichtete Geste, ein kurzes Klopfen und der Dirigent hat die gesammelte Aufmerksamkeit des gesamten Orchesters für sich. Das Orchester ist im Sinne der Wissensgesellschaft vergleichbar mit einer professionellen Organisation, welche um die Arbeit hoch qualifizierter MitarbeiterInnen organisiert ist, die wissen was sie zu tun haben und dieses einfach umsetzen (Mintzberg 1998). „[W]hile the classic impression of a maestro is one of fiery brilliance, eccentric artistry, and tyrannical personality, the successful modern professional conductor must master a complex set of leadership behaviors and skills.“ (Hunt et al. 2004).
Dabei ist es die Vision, die Orchester-Leader von Orchester-ManagerInnen unterscheidet (Wis 2002). OrchesterdirigentInnen folgen in der Vorbereitung eines Werkes komplexen, getrennten Musiksträngen und verweben diese in eine ganze koordinierte Auffüh-
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rung (Bradford/Cohen 1984). Der korrespondierende Führungsstil des „Orchesterdirigenten“ (Manager-as-Conductor) ist dann angebracht, wenn die Führungskraft sich in einem stabilen Umfeld wiederfindet und für den unternehmerischen Erfolg nicht auf das Commitment der MitarbeiterInnen angewiesen ist, diese komplexe Aufgaben erfüllen und ein beträchtliches Ausmaß an Koordination benötigen und ihr technisches Wissen im Vergleich zur Führungskraft niedrig ist (Bradford/Cohen 1984). In einer Untersuchung deutscher OrchestermusikerInnen finden Boerner und Krause die hohe Bedeutung einer Führung durch unbestrittene fachliche Autorität im Orchester bestätigt. Diese fachliche Autorität gründet wiederum in wahrgenommener Macht, Fachkompetenz, Sicherheit in Bezug auf die „Richtigkeit“ der Konzeption, Zuverlässigkeit und Charisma der Dirigierenden (Boerner/Krause 2002). Sein/Ihr Einfluss auf die Leistung eines Orchesters und die Fähigkeit, Spitzenleistungen (peak performances) zu erzielen, wird vielfach einem autoritärcharismatischen bzw. transformativen Führungsstil zugeschrieben, der Elemente wie Zuversicht (confidence), Eloquenz und emotionale Ausdrucksfähigkeit zeigt (u. a. Shamir et al. 1993; Armstrong/Armstrong 1996; Wis 2002; Marotto et al. 2007). 4 Effektives Führungsverhalten im Kulturbetrieb Theater Doch was ist der geeignete Führungsstil in einem künstlerischen Setting? Während in komplexen dynamischen Umfeldern mit einem Fokus auf Kreativität dezentrale Leadership als effektiver gilt als eine hierarchisch orientierte Führung (Lakomski 2005), trägt die Führung im Theater häufig Züge direktiver Führung (Boerner 2002). Den KünstlerInnen soll gleichzeitig ein Gefühl selbstständigen, kreativen und kritischen Arbeitens vermittelt werden, während viele Entscheidungen bedingungslos akzeptiert und ausgeführt werden müssen: “The basic schizophrenia in theatre is that you ask your actors to understand themselves as independently acting, creative and critical partners, while at the same time you expect them to dispose of their independence on spot and at your discretion, when-
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ever decisions simply have to be accepted as orders and have to be carried out.” (Eikhof/Haunschild 2007).
Hier zeigt sich Leadership als zentrale Kompetenz einer Organisation (Hinterhuber/Raich 2006). Eine hohe Aufgabenorientierung und hohe Anforderungen erschweren die extrinsische Motivation, so dass allgemein symbolische Führungsstile, welche visionäre, inspirationale, intellektuell stimulierende und ideologische Elemente betonen (Shamir et al. 1993), empfohlen werden. Eine Gemeinsamkeit dieser Modelle ist ein Fokus auf der Vision, auf einer in die Zukunft gerichteten, wünschenswerten und motivierenden Zielvorstellung. Dazu zählen charismatische, transformationale und authentische Führungsmodelle, die zudem die ästhetische Führungskomponente betonen (Hansen et al. 2007). 4.1 Zwischen Charisma und fachlicher Autorität Theorien charismatischer Führung betonen Effekte wie eine emotionale Bindung zur Führungskraft seitens der Geführten, emotionale und motivationale Erregung der Geführten, Verstärkung der Wertigkeiten der Geführten in Bezug auf die von der Führungskraft formulierte Vision, Selbstwertschätzung der Geführten sowie Vertrauen in die Führungskraft, intrinsische Motivation und Werte der Geführten (Shamir et al. 1993), aber auch das Erzielen von Grenzleistungen (House 1977; Burns 1978; Bass 1985). Die Rolle von führenden Persönlichkeiten in diesen Gruppen, von verbindenden Individualisten (connective individualists), beschreiben Leavitt und Lipman-Blumen unter als „Conductors“, DirigentInnen, die mit ihrem Charisma die besten Teammitglieder anzuziehen und zu begeistern wissen, „Patrons“, die als Katalysatoren die Gruppe beschützen und pflegen (durch Zuhören, Coaching, Vorschläge etc.) sowie „Keepers of the flame“, die das „Feuer“ in der Gruppe kontinuierlich durch neue Ideen, Lösungen oder Personen „am Lodern halten“ (Leavitt/Lipman-Blumen 1995). Charisma ist eine „außeralltäglich [...] geltende Qualität einer Persönlichkeit […], um derentwillen sie als mit übernatürlichen oder übermenschlichen oder mindestens spezifisch
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außeralltäglichen, nicht jedem anderen zugänglichen Kräften oder Eigenschaften begabt oder als gottgesandt oder als vorbildlich und deshalb als ‚Führer’ gewertet wird” (Weber 1980 [1922]). Die Beibehaltung „kindlicher“ Merkmale (Neotenie) wie Neugier oder Begeisterung sprechen Menschen emotional positiv an und bewirken eine charismatische Wirkung und emotionale Bindung, welche das Schlüsselelement der charismatischen Führungsbeziehung darstellt (Bennis/Thomas 2002). Insbesondere im Theater kann charismatische Führung die intrinsische Motivation der MitarbeiterInnen ebenso wie die Entwicklung außergewöhnlicher und inspirierender Gruppenprozesse beeinflussen. Für einen Führungserfolg im Bereich der darstellenden Kunst ist künstlerische Exzellenz alleine nicht ausreichend: „While competence in music is naturally of major importance to a conductor, even extraordinary ability as a performing artist is no guarantee of success as a symphony orchestra leader. In fact, men of average musical talent have succeeded in holding conducting posts of fine orchestras through various non-musical means.“ (Woodbury 1955).
Insbesondere bei Symphonieorchestern wird eine hohe Relevanz transformationaler Führung für Erfolg und künstlerische Qualität vermutet (Boerner 2002; Boerner/Krause 2002). Transformationale Führung zielt auf die Erreichung einer Leistung jenseits des Erwarteten durch Inspiration, Motivation und Empowerment sowie die Vermittlung einer gemeinsamen Vision ab (Burns 1978; Bass 1985; Bass/Avolio 1993; Hansen et al. 2007). „Im Gegensatz zu einem nur direktiv Führenden gibt der transformational führende Dirigent seine künstlerische Konzeption nicht einfach im Sinne eines Diktates vor, sondern vermittelt sie als eine Vision, die die geführten Orchestermusiker als intellektuelle Stimulierung und inspirierende Motivation erleben.“ (Boerner/von Streit 2006). Obwohl durch Führung durch Autorität die Freiheitsgrade der MusikerInnen eingeschränkt werden, kann diese Einschränkung charismatisch und fachlich legitimiert und dadurch von den MitarbeiterInnen akzeptiert werden. Eine Kombination aus Ex-
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pertise und Identifikationsmacht verstärkt die Wirksamkeit einer autoritärcharismatischen Führung im Orchester, während Informations- und Positionsmacht lediglich einen geringen Einfluss aufweist. Gänzlich unwirksam auf den künstlerischen Erfolg zeigten sich immaterielle und materielle Belohnung oder Bestrafung (Krause/Boerner 2006). “Genuine respect on the part of the players for a conductor's musical mentality and temperament, however, is basic to authentic leadership of a symphony orchestra.“ (Woodbury 1955). Der positive Effekt transformationaler Führung ist allerdings situativ bedingt und setzt eine positive Stimmung unter den MitarbeiterInnen (group mood) ebenso wie einen hohen Grad an Qualifikation und intrinsischer Motivation voraus (Krause/Boerner 2006). „Emotionaler Gleichklang und wechselseitiges Verständnis erleichtern insbesondere die nonverbale Kommunikation der Musiker untereinander. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass ein virtuos spielender, transformational führender Dirigent seine künstlerischen Vorstellungen ohne Abstriche realisieren kann.“ (Boerner/von Streit 2006).
4.2 Authentisches Führungsverhalten Eine Führungsperson wird als authentisch wahrgenommen, wenn sie sich ihrer Stärken, Werte und Moralvorstellungen und ihres Wissens im aktuellen Kontext bewusst ist. Engagement, Motivation, Commitment, Zufriedenheit und Involvierung der Geführten können durch persönliche und organisationale Identifikation aber auch das Schaffen positiver Emotionen und einer optimistischen Stimmung erhöht und bessere Leistungen erzielt werden (Avolio et al. 2004). Authentische Leadership inkludiert das organisationale Klima als gestaltendes Element der Führungsbeziehung und kann Vertrauen, Engagement, Wohlbefinden am Arbeitsplatz und das Betriebsklima positiv gestalten (Avolio/Gardner 2005). Der Fokus liegt jedoch auf der authentischen Führungsperson: Sie ist im Besitz ihrer persönlichen Erfahrungen in Form von Gedanken, Emotionen, Bedürfnis-
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sen und Wünschen – sie „kennt sich selbst“ und handelt gemäß ihres „wahren Ichs“ in Einklang mit ihren persönlichen Gedanken und Gefühlen (Harter 2002). Meinungen und Einflüsse von anderen werden nicht explizit berücksichtigt. Wichtig ist die Wahrnehmung einer Führungsperson als authentisch insofern, als sie sich ihrer Stärken, Werte und Moralvorstellungen und ihres Wissens im aktuellen Kontext bewusst ist. Die Wahrnehmung von Authentizität kann sich an Kohärenz und Glaubwürdigkeit der Lebensgeschichte der Führungsperson orientieren, aber auch an deren „authenticity markers“, welche die Führungsperson als Prototyp der Gruppe legitimierten, vgl. (Shamir/Eilam 2005). SelbstBewusstsein (self-awareness) und Selbst-Regulierung (self-regulation) sind sowohl auf Führungs- als auch auf Geführten-Seite zentrale Komponenten der authentischen Führungsbeziehung (Gardner et al. 2005). Charisma ist keine Voraussetzung für authentische Führung – im Vordergrund stehen nachhaltige Beziehungen und harte Arbeit mit Fokus auf persönlichen Zielen, Meinungen und Werten. Der Einfluss des authentischen Leaders erfolgt über die persönliche moralische und wertorientierte Wahrnehmung der Geführten durch beispielhaftes Verhalten, Charakter und persönlichen Einsatz, nicht über inspirierende Anziehungskraft oder dramatische Präsentationen. Während transformationale Leader authentisch sein müssen, sind authentische Führungspersönlichkeiten nicht zwingend transformational (Jorstad 1996; Maccoby 2000; Chatterjee/Hambrick 2007). 4.3 Narzisstisches Führungsverhalten Auf eine weitere Variante der Führung, die „selbstverliebte“ oder narzisstische Leadership sei abschließend hingewiesen. Die narzisstische Führungspersönlichkeit ist auf die eigene Person und deren Inszenierung fokussiert. Sie besteht auf dem ihr gebührenden Respekt, will im Mittelpunkt stehen und bewundert werden, fühlt sich anderen überlegen und möchte zeigen, wie außergewöhnlich sie ist (Gardner/Avolio 1998; Avolio/Gardner 2005). Auf der einen Seite können
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narzisstische Führungspersonen das Unternehmen dynamisch und erfolgreich in die Zukunft führen (Chatterjee/Hambrick 2007). „Why do we go along for the ride with narcisstic leaders? Because the upside is enormous.“ (Maccoby 2003). Andererseits kann ein hoher Grad an narzisstischem Verhalten durch die starke irrationale Beeinflussung von Entscheidungen und Selbstüberschätzung eine Gefahr für die Organisation darstellen (Campbell et al. 2004). 5 Empirische Studie Im Zentrum der empirischen Studie steht ein österreichisches Drei-SpartenTheater (Musik-, Sprech- und Tanztheater), dessen MitarbeiterInnen nach Einflussfaktoren auf den wahrgenommenen Erfolg des Theaters und ihren persönlichen Erfolg befragt wurden. Die Betonung der Schlüsselrolle der Intendanz hinsichtlich der Erfolgswahrnehmung nach außen und innen aber auch bezüglich der Motivation, Spitzenleistungen zu erbringen, war Anlass für diesen Beitrag. Das Theater kann auf eine vierhundertjährige turbulente Geschichte verweisen, in deren Verlauf sich das Theater vom „Comedihaus“ über ein Hoftheater bis zur aktuellen Rechtsform der Theater-GmbH mit integriertem Symphonieorchester entwickelt hat. Auf zwei Spielstätten mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 1.000 Sitzplätzen schlugen für die Spielzeit 2005/06 383 Aufführungen mit ca. 150.000 BesucherInnen zu Buche. In dieser Spielzeit gelangten 39 Produktionen bei einer Sitzplatzauslastung von 83 Prozent zur Aufführung. Mit 384 MitarbeiterInnen, darunter 42 SolistInnen (Gesang und Schauspiel) und 15 TänzerInnen, ist die Organisation (zumindest was die Beschäftigtenzahl betrifft) einem Großunternehmen gleichzusetzen. Die Betriebseinnahmen betrugen ohne öffentliche Zuwendungen rund 3,6 Millionen Euro, bei Ausgaben in der Höhe von 21 Millionen Euro und einem Eigenfinanzierungsanteil von 17 Prozent (Deutscher Bühnenverein (DBV) 2007; Statistik Austria 2008).
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Die Führung des Theaters ist durch Kontinuität mit Intendantenzeiten zwischen acht und 25 Jahren gekennzeichnet, der Bereich der Musikdirektion hingegen ist hoher Fluktuation unterworfen. Das Haus findet sowohl von Seiten der KünstlerInnen als auch der Medien regionale und überregionale Beachtung. Die Überführung in die privatrechtliche Betriebsform der Theater-GmbH im Jahr 2005 und die Integration des Symphonieorchesters in die Theaterstrukturen war nicht ohne Ängste bezüglich der finanziellen Deckung durch die öffentliche Hand und der Sicherheit der Arbeitsverhältnisse durchgeführt worden. Wenngleich die Privatisierung ohne nennenswerte Vorkommnisse durchgeführt wurde, werden die lediglich jährlich zugesagten Budgetmittel sowie die kulturpolitischen Entwicklungen im Land kritisch beobachtet. Geschäftsführende nach dem Vieraugenprinzip sind die künstlerische IntendantIn sowie der kaufmännische Direktor. Mit elf Mitgliedern – Führungskräften und SolistInnen im Bereich Musiktheater – wurden offene Interviews durchgeführt, die mit GABEK®-WinRelan® ausgewertet wurden. In der Befragung wurde nicht direkt nach der Person gefragt, sondern nach Einflussfaktoren (a) für eine persönliche Erfolgswahrnehmung bzw. (b) für eine externe Erfolgswahrnehmung, (c) auf die persönliche Motivation. Die Befragten wurden gebeten, ihre Antworten jeweils mit Beispielen oder kurzen Anekdoten zu hinterlegen. Auffallend war die häufige Nennung des/r IntendantIn in Zusammenhang mit interner und externer Erfolgswahrnehmung ebenso mit persönlicher Motivation. So erhält man durch die Befragung auch ein eher ganzheitliches Bild der IntendantIn, während über DirigentInnen hauptsächlich in Zusammenhang mit einzelnen – häufig negativen Episoden – berichtet wird. Dies liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit daran, dass IntendantInnen als Personen für die jeweiligen Theater- und Operinstitutionen stehen, jedes Haus in der Regel aber mehrere DirigentInnen beschäftigt, so dass ihr Einfluss sich stärker auf einzelne Produktionen und/oder Aufführungen auswirkt.
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Die Interviews wurden mit Gabek®-WinRelan® ausgewertet. In verschiedenen Auswertungsschritten wird hierbei das diffuse sprachliche Wissen ausgewählt, verarbeitet und strukturiert. Die Methode ermöglicht die Sichtbarmachung unterschwelliger Gefühle, Werte, Einstellungen und ihrer wechselseitigen Beziehungen in sozialen Organisationen. Die persönlichen Ansichten der befragten Personen werden durch GABEK® vernetzt, geordnet und zu einem transparenten Meinungsnetz verdichtet. Durch diese Transparenz der Tiefenstruktur können Zusammenhänge verstanden, Optionen bewertet, Ziele bestimmt und trendhafte Entwicklungen frühzeitig erkannt werden (Zelger/Oberprantacher 2002). 6 Ergebnisse Die Kausalgraphik in Abbildung 2 zeigt ein assoziatives Wirkungsgefüge rund um den Begriff „IntendantIn“. Man sieht deutlich, dass der/die IntendantIn sowohl die interne als auch die externe Erfolgswahrnehmung beeinflusst. Wie im Modell postuliert, wirkt die Reputation der obersten Führungskraft eines Theaters auf die öffentliche Meinung. Durch die gemeinsame Arbeit mit dem/der IntendantIn, das Gefühl eines funktionierenden Arbeitsablaufes, in welchem sich die Mitglieder ergänzen können, wirkt sie auch auf die individuelle Erfolgswahrnehmung der Befragten.
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Abbildung 2: Kausalgraphik „IntendantIn“ Nennungen 2 Quelle: eigene Darstellung
Im vorliegenden Sample stechen die Bedeutung und teilweise Bewunderung, die dem/der IntendantIn bzw. künstlerischen DirektorIn entgegengebracht werden, ins Auge. Betont werden die Offenheit, die den MitarbeiterInnen entgegengebracht wird und auf das Arbeitsklima wirkt, sowie eine hohe Anerkennung ihrer künstlerischen Leistungen: „Die Leute, die Chefin, ist auch ganz Ohr und man kann gut mit ihr reden. Man wird nicht niedergedrückt oder schlecht oder klein gemacht, auch die musikalischen Leistungen sind ganz super. Also es ist wirklich ein tolles Haus …“ [A64]
Die Pfeile zeigen die Richtung der Kausalbeziehung an, ein grauer Pfeil steht hierbei für einen verstärkenden Effekt.
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Insbesondere die Förderung junger KünstlerInnen und die Möglichkeit, sich als KünstlerIn weiterzuentwickeln werden geschätzt: „Ach, die ist super (enthusiastisch). Das ist unglaublich, also ich muss sagen, wo die Intendantin ihre Energie herkriegt, möchte ich einmal wissen. Sie nimmt sich so viel Zeit für junge Leute, also auch für ältere Menschen…Es ist schon unglaublich, wie willig und offen sie ist zu helfen, trotz ihrer Tätigkeiten als Intendantin. Sie ist irrsinnig beschäftigt…“ [A67].
Wenngleich die Hierarchie am Theater als sehr strikt und viele Führungssituationen auch als autoritär beschrieben wurden, herrscht bei den künstlerisch Führenden entsprechender – und motivierender – Entscheidungsspielraum. „Ich kann unglaublich viel selber entscheiden, ihr dadurch etwas abnehmen und andererseits aber einfach auch selber ein bißchen ausprobieren, das findet eigentlich nur materielle Beschränkung. Wenn es etwas kostet, dann wird es schwieriger. Solange es nichts kostet, geht sowieso alles. (lacht)“[E36] Unter der Führung der Intendantin werden die Ziele Dialog, Leistung und Vertrauen als Einflussfaktoren auf die Motivation beschrieben. Hier wird auch die motivatorische Wirkung von Erfolg wieder deutlich. Ein persönliches Erfolgsgefühl entsteht durch die entgegengebrachte Anerkennung ebenso wie die gemeinsame Arbeit, in der sich Personen ergänzen und gemeinsam „funktionieren“. Es zeigt sich klar, dass der/die IntendantIn im befragten Theater eine zentrale Rolle spielt. Der Einfluss auf die externe Erfolgswahrnehmung erfolgt durch die Wirkung auf die öffentliche Meinung ebenso wie die dargebotene künstlerische Leistung. Zentral ist jedoch die wahrgenommene Führungsrolle, die die zentralen Werte des „Wohlfühlens“ und einer „künstlerischen Freiheit“ fördert. Hingegen wird das Führungsverhalten vieler DirigentInnen als eher narzisstisch wahrgenommen. Hier ist allerdings einschränkend zu bemerken, dass keine Or-
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chestermusikerInnen befragt wurden, sondern Führungspersonen sowie KünstlerInnen aus dem solistischen Bereich, die in der aktuellen Konstellation enger mit der Intendanz als mit den DirigentInnen zusammenarbeiten. Ein immer wiederkehrender Vorwurf an die DirigentInnen seitens der SolistInnen war eine Vernachlässigung ihrer Bedürfnisse bzw. eine vollkommene Konzentration auf den orchestralen Teil einer Produktion: „Bei der Premiere. [Der Musikdirektor] hat mich an einer wichtigen Stelle im Finale hängen lassen und ging darauf hinterher nicht mehr ein. [X24] Es fiel dem Publikum nicht auf, weil irgendwie wachte er dann auch wieder auf und hat ein Achtung-Zeichen gegeben und dann hab ich diesen Ton der da gerade war so lange gehalten, bis ich wieder beim Orchester war, aber drei Takte davor fand er für mich nicht statt. So. Das fand ich nicht schön. […]wir haben das irgendwann mal abends besprochen, obwohl das so eine Piano-Stelle ist, muss er sich die Arme auskugeln, damit man am Monitor ein bisschen was erkennt. Ich hab nichts, überhaupt nichts gesehen. So. Und dann hab ich mir hinterher von Kollegen erklären lassen, die ihn beobachtet haben, dass er wirklich bei dieser wichtigen Stelle nur dagestanden und so gemacht hat (kleine Gesten). Und das ist nicht schön. Aber natürlich als Generaldirektor […]“[X25]
Auch die Schaffung eines positiven Arbeitsklimas steht vielfach nicht im Mittelpunkt: „Das war ein Konzert, und der Dirigent hat das Orchester bei der Probe wirklich nur geschimpft, hat nur die Stimme gehoben. Also das war eine sehr komische Stimmung, da wollte man auch gar nicht singen, da wollte man gar nicht Musik machen, wenn er uns schon so aggressiv gegenübertrat. Ich habe mir gedacht, mit dem mache ich das nie wieder.“ [S22]
7 Diskussion In der beschriebenen Befragung zeigte sich sehr deutlich eine unterschiedliche Bedeutung der Rollen „IntendantIn“ und „DirigentIn“. Während DirigentInnen einen entscheidenden Einfluss auf die einzelnen Produktionen bzw. Aufführungen (ad hoc) haben, sind IntendantInnen HaupteinflussgeberInnen für die gesamte Organisation – nach innen und außen. Man könnte diese Funktion auch mit ei-
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ner Projektleitung einerseits mit Fokus auf „kurzfristigen Projekterfolg“ und einer langfristigen Führungsposition andererseits, die einen stärkeren Fokus auf die MitarbeiterInnen und das Funktionieren der Organisation legt, vergleichen. Während in der Beziehung zu DirigentInnen punktuelle Hochgefühle (Flow) aber auch als sehr unangenehm empfundene Momente entstehen können, die von den Befragten als singuläre Erlebnisse perzipiert und wiedergegeben wurden, spielt sich die Beziehung zum/r IntendantIn auf einer ganzheitlicheren Ebene ab. Die angesprochenen Beziehungselemente sind auf einer persönlichen, organisationalen sowie künstlerisch-ideologischen Ebene angesiedelt. Interessant ist dieses Spannungsfeld zwischen autoritären Entscheidungen, die häufig als negativ empfunden werden, auf der einen Seite und transformationalen Führungselementen auf der anderen Seite, das jedoch in Summe ein positives Führungsbild ergibt. Dies lässt auf einen hohen Grad authentischen Führungsverhaltens seitens des/r IntendantIn schließen.
Abbildung 3: Narzisstische, Authentische und Transformationale Leadership Quelle: eigene Darstellung
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Zu den Ergebnissen ist einschränkend zu bemerken, dass es sich um eine singuläre Fallstudie handelt, und die Strukturen und Kulturen an anderen Häusern auch zu entsprechend veränderten Ergebnissen führen können – bspw. in einem Haus, das einem häufigen Führungswechsel unterworfen ist. Allerdings verfügte der Großteil der Befragten über internationale Erfahrung an verschiedenen Häusern und ließ diese auch in die Interviews einfließen. Für den Theaterbetrieb scheint die authentische Führung mit einem Fokus auf MitarbeiterInnen bei gleichzeitiger Berücksichtigung künstlerischer Zielsetzungen und persönlicher Identität als zielführend. Wenngleich narzisstische Führung gerade im Kulturbereich sehr wohl kurzfristige Erfolge erzielen kann, so kann dies nur auf Grundlage eines hohen Grades akzeptierter Fachautorität erfolgen. Ob dieser Führungsstil langfristig erfolgreich sein kann, erscheint fraglich. Die fehlende Berücksichtigung einer persönlichen Beziehung bzw. gleichberechtigter Zusammenarbeit kann weder die Grundlage für ein gesundes Arbeitsklima noch eine Bindung an die Institution schaffen. Wenngleich Konflikte insbesondere im künstlerischen Bereich einen fruchtbaren Nährboden darstellen können, so sind es doch die gemeinsamen Ziele, welche eine Organisation in die Zukunft führen.
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Unternehmertum aus genderspezifischer Sicht Christopher Kronenberg, Andreas Strobl
1
Einleitung......................................................................................... 122
2
Berufliche Selbstständigkeit der Frauen in Österreich..................... 122
3
Modellierung.................................................................................... 126
3.1
Persönlicher Hintergrund, Eigenschaften und Fähigkeiten.............. 128
3.2
Einfluss des sozialen und gesellschaftlichen Umfeldes (Umweltfaktoren) ............................................................ 133
4
Empirische Studie ............................................................................ 137
5
Implikationen und Resümee ............................................................ 142
Literaturverzeichnis.....................................................................................145
122
Christopher Kronenberg / Andreas Strobl
1 Einleitung Immer wieder werden heute die geänderten Bedingungen am Arbeitsmarkt, welche vor allem mit der erhöhten Frauenerwerbsquote zusammenhängen, diskutiert. Auffallend ist aber, dass der Frauenanteil bei den Unternehmerinnen bzw. weiblichen Führungskräften im Vergleich dazu nach wie vor niedrig ist (Jungbauer-Gans 1993). Mittlerweile ist jedoch die Qualität der abgeschlossenen Berufsausbildung von jungen Frauen im Durchschnitt besser als jene von jungen Männern. Diese Tatsache könnte zukünftig ein Steigen der Frauenquote auch in Top-Positionen wahrscheinlicher machen (Buchmayr et al. 2003). Zudem hat sich in den letzten Jahren vor allem auch der Anteil der Frauen im unteren und mittleren Management deutlich erhöht, was den Aufstieg ins Top-Management eher ermöglichen könnte (Neuberger 2002). Das vorliegende Paper geht der Frage nach, inwieweit es genderspezifische Unterschiede im unternehmerischen Bewusstsein und ob es unterschiedliche Ausprägungen in Bezug auf die Absicht sich selbstständig zu machen gibt. Zu diesem Zweck wurde im Jahre 2004 eine Umfrage unter StudentInnen der Universität Innsbruck zum Thema „Image des selbständigen Unternehmertums“ durchgeführt. Ziel der Studie war die Messung des unternehmerischen Potenzials, die Evaluierung möglicher und wahrgenommener Hürden, die einer eventuellen Selbstständigkeit im Wege stehen könnten, sowie die genderspezifische Auswertung der Daten. 2 Berufliche Selbstständigkeit der Frauen in Österreich Die Gründungs- und Unternehmerinnenforschung aus frauenspezifischer Sicht ist ein vergleichsweise junges Forschungsfeld. Während sich Forschungsarbeiten im englischsprachigen Raum relativ früh mit dem Thema ‚Unternehmerin’ wissenschaftlich auseinander setzten, lagen im deutschsprachigen Raum bis Ende der 1980er Jahre kaum aussagekräftige Informationen
Unternehmertum aus genderspezifischer Sicht
123
und empirisch gesichertes Wissen über den Prozess der Unternehmensgründung und über Ressourcen vor, welche Frauen in die Gründung einbringen können, und wie Gründungsressourcen in Erfolgspotenziale transformiert wurden (KMU Forschung Austria 2005). In Österreich gibt es bislang kaum Untersuchungen zur frauenspezifischen Gründungs- und Unternehmensforschung. Wanzenböck (1998) lieferte mit ihren Untersuchungen wesentliche Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Gründungsgeschehen in Österreich und wertete die Ergebnisse teilweise auch genderspezifisch aus. Frank et al erforschten fordernde und hemmende Faktoren im Gründungsprozess (1999) bzw. Entwicklungsabläufe österreichischer Gründungen. Im Rahmen dieser Studie wurde aber eine geschlechtsspezifische Begutachtung nur in geringem Maße durchgeführt. Die Studie von Korunka et al (2000) analysierte die Auswirkung von typenbildenden Merkmalen wie Alter, Geschlecht und beruflichem Status auf die Unternehmensgründung. Die Entscheidung Unternehmerin zu werden kann als Berufsentscheidungsprozess gesehen werden. In die Berufsentscheidung, die unter nutzenmaximierenden Gesichtspunkten getroffen wird, fließen die durch Sozialisation entstandenen Lernerfahrungen und Wertesysteme ein. Die letzen Endes bewusste Entscheidung kann nur bedingt als solche gesehen werden, wurde sie doch durch den vorangegangenen Prozess genau geprägt (Härtel 1995, Holling et al. 2000; Pfanner 1999, Welte 1999). Individuelle Interessen, Eigenschaften und Fähigkeiten, Information, Wissen und Erfahrung, Arbeitsmarkt und Beschäftigungschancen, Flexibilität und Mobilität, Familie, Freunde und Bekanntenkreis, Einfluss von Schule und Universität, Berufsberatung, Beeinflussung durch die Medien, persönliche
124
Christopher Kronenberg / Andreas Strobl
Ziele, gesellschaftliche Wertehaltungen und Lebensmuster, wahrgenommene Hilfen und Hindernisse sind potenzielle Faktoren mit Einfluss auf die Berufsentscheidung (siehe Audet 2004, Härtel 1995, Kolvereid 1996, Korunka et al. 2003, Peterman/Kennedy 2003, Pfanner 1999, Ussman 1998, Welte 1999). Das „Image eines Berufes“ spiegelt sich in der Ausgestaltung dieser Faktoren wieder, die die Einstellungen und Absichten gegenüber einer unternehmerischen Tätigkeit bestimmen. Weitere Einflussfaktoren auf die Einstellung gegenüber Selbstständigkeit und unternehmerische Absicht sind zum Beispiel Risikobereitschaft, Umfeldeinfluss, wahrgenommene Hilfen und Hindernisse, Innovativgeist und dergleichen (Ajzen 1991,Autio et al. 2001, Franke/Lüthje 2002, Krueger 2000, Lüthje/Franke 2003,Shapero 1985,Shapero/Sokol 1982,Tietz 1995). Laut Shapero (1985) bestimmen Erwünschtheit (desirability), Machbarkeit (feasibility) und die Neigung zu handeln (propensity to act) die unternehmerischen Absichten. Zusätzlich ist es eine Frage möglicher Alternativen und deren Glaubwürdigkeit. Auch frühere Erfahrungen mit Entrepreneurship (Berufs- oder Praktikumserfahrung, bekannte Unternehmer, bekannte gescheiterte Unternehmer) sind in dieser Hinsicht zu beachten. Die wahrgenommene Fähigkeit eine bewusste Handlung auszuführen, wird von Shapero (1985) als self-efficacy bezeichnet. Sie beeinflusst die subjektive Machbarkeit und wird ihrerseits durch Erfahrung und soziale Einflüsse determiniert (Shapero 1985; Shapero/Sokol 1982). Jede Handlung, die ein gewisses Maß an Planung erfordert, wird durch die Absicht jene Handlung auszuführen bestimmt (Ajzen 1991). Ajzen (1991) sieht die Einstellung des Individuums gegenüber einer Handlung (attitudetowardbehavior), den Einfluss des sozialen Umfelds (subjective norm) und die
Unternehmertum aus genderspezifischer Sicht
125
wahrgenommene Kontrolle, die man glaubt zu haben (perceivedbehavioralcontrol), als bestimmende Faktoren der Absicht. Es geht hier also um die Eignung, persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten in Bezug auf eine Handlung. In der folgenden Tabelle werden die Ergebnisse aus jüngeren Studien tabellarisch zusammengefasst, die speziell Motive von weiblichen Unternehmern untersuchten. Zu den am häufigsten identifizierten Hauptfaktoren zählen Vereinbarung von Beruf und Familie (Lundstrom 1999; Caputo/Dolinsky 1998; Marlow/Strange 1994; Birley 1989), Unabhängigkeit (Sacirbey 1998), Autonomie (Kleinman 1998), Überwindung von Unzufriedenheit mit der Arbeit (Babaeva/Chirikova 1997; Oeltjen, 1992) und Verlust des Arbeitsplatzes (Omar 1998, Sacirbey 1998; Babaeva/Chirikova 1997).
Quelle
Motivatoren selbständig arbeiten eigene Ideen umsetzen
KMU Forschung Austria
flexiblere Zeiteinteilung
(2005):
Beruf und Familie vereinbaren
Unternehmerinnen in
Einkommen steigern
Österreich –
Familientradition fortsetzen
Aktuelle Situationen und
Unzufriedenheit mit der damaligen
Entwicklungsmöglichkeiten.
Berufstätigkeit Sonstiges (drohende) Arbeitslosigkeit beenden persönliches Weiterkommen
Moore, D. P./Buttner, E. H. (1997):
angenehmeres Arbeitsklima
Women entrepreneurs –
Spaß an der Arbeit
moving beyond the glass ceiling.
Vereinbarung von Beruf und Familie
schaffen Unabhängigkeit
Unternehmer zu werden
126
Christopher Kronenberg / Andreas Strobl Herausforderung neuer Aufgaben Leistungssteigerung Lee, J. (1997):
Zusammenarbeit mit anderen
The motivation of women
mehr Verantwortung übernehmen
entrepreneurs in Singapore.
Personal führen sein eigener Chef sein Risiko übernehmen
Tabelle 1: Übersicht über jüngste Studien zum Thema “Unternehmerinnen” Quelle: eigene Darstellung
In den zahlreichen weiteren Studien zur unternehmerischen Motivation wurden zumeist sowohl weibliche als auch männliche Unternehmer hinsichtlich ihrer Beweggründe für die berufliche Selbständigkeit untersucht. Lediglich eine sehr geringe Anzahl konzentrierte sich dabei spezifisch auf Unternehmerinnen. 3 Modellierung Im vorliegenden Paper geht es um die Einstellung zur unternehmerischen Tätigkeit von jungen Frauen. Zu diesem Zweck wurden Studentinnen der Universität Innsbruck befragt. Die Modellierung orientiert sich an den Studien von Sigl und Strobl (2004) sowie Peters et al. (2006). Die Einstellung der Studentinnen gegenüber Selbssttändigkeit und ihre unternehmerische Absicht werden durch zwei Gruppen von Variablen, dem persönlichen Hintergrund und Umfeldfaktoren, beeinflusst. Die Einstellung einer Person beeinflusst deren Absicht selbstständig zu werden. Auch der umgekehrte Fall, nämlich dass die Intentionen auf die Einstellung zurückwirken, wird angenommen (vgl. Sigl/Strobl 2004). Dieses Zusammenspiel von unternehmerischer Absicht und Einstellung zur Selbstständigkeit wird in der Folge als „Image der Selbstständigkeit“ be-
Unternehmertum aus genderspezifischer Sicht
127
zeichnet. Es handelt sich um eine Art Einstellung mit Handlungskomponente (unternehmerische Absicht) (vgl. Allport 1935; Antonoff 1975; Boulding 1968; Sigl/Strobl 2004; Wolf 1981). Der Image-Begriff wird aus den konkret erhobenen Variablen Einstellung zu Selbstständigkeit und unternehmerische Absicht rein interpretativ gewonnen. Ein positives Image wird demnach dann erreicht, wenn die Bereitschaft besteht, die als wünschenswert und machbar empfundene unternehmerische Tätigkeit, falls sich eine entsprechende Möglichkeit bietet, aufzunehmen. Da die unternehmerische Absicht ein aktives Konstrukt darstellt, wird weiters erwartet, dass das Individuum ebenfalls aktiv nach dieser Gelegenheit sucht und nicht passiv auf sie wartet.
Abbildung 1: Das GI – Modell Quelle: Peters et al. 2006
Man unterscheidet zwischen allgemeinen und spezifischen Einstellungen, wobei sich letztere direkt auf die Selbstständigkeit beziehen. Die Variable Einstellung gegenüber Selbstständigkeit setzt sich aus diesem Grund aus Einzelfragen, diese allgemeinen und spezifischen Einstellungen betreffend, zusammen. Auch die Einflussvariablen Innovativgeist, Risikobereitschaft, Wis-
128
Christopher Kronenberg / Andreas Strobl
sen und Wissensdurst, Arbeitseinstellung, Unabhängigkeitsstreben, Organisations- und Planungsfähigkeit, Wahrgenommenen Einfluss des Umfeldes, Wahrgenommene Hindernisse, Wahrgenommene Hilfen bestehen aus Einzelfragen. Auch hier fand eine Unterteilung in spezifische und allgemeine Kriterien statt, um die jeweiligen Konstrukte ganzheitlich abzudecken. (vgl. Davidsson1995). Aus den Antwortwerten (von 5 für „trifft zu“ bis 1 für „trifft nicht zu“) wurden Kennzahlen ermittelt, indem die Werte summiert und durch die Anzahl der Fragen dividiert wurden. Die Skalierung wurde so gewählt, dass hohe Werte der Kennzahlen (Werte, die gegen 5 tendieren) positiv im Hinblick auf eine anstehende Selbstständigkeit wirken und niedrige Werte (Werte gegen 1 tendierend) negativ. 3.1 Persönlicher Hintergrund, Eigenschaften und Fähigkeiten 3.1.1 Allgemeine Daten 3.1.1.1 Fakultät und Studium Autio et al. (2001) sowie Lüthje und Franke (2002) untersuchten als einzige unter den in dieser Arbeit beschriebenen Vergleichsstudien die Einstellung zu Selbstständigkeit sowie unternehmerische Absichten an Hochschulen. Sie beschränkten sich jedoch in erster Linie auf Technik- oder Wirtschaftsstudenten, während in der vorliegenden Studie versucht wurde, alle Fakultäten abzudecken, da es ja wünschenswert wäre, wenn Entrepreneure aus allen Bereichen kommen würden. Zu diesem Zweck wurde nach der Fakultät und dem dort belegten Studium gefragt und der Zusammenhang dieser Variablen (vor allem ersterer) mit Einstellung und Gründungsintentionen eruiert. 3.1.1.2 Alter und Semesterzahl Man kann davon ausgehen, dass Studentinnen sich mehr Gedanken über ihre Berufsentscheidung machen, je näher sie dem Ende ihres Studiums kommen, was mit der schon studierten Semesterzahl und dem Alter zusammenhängt
Unternehmertum aus genderspezifischer Sicht
129
(Davidsson 1995). Vorstellungen und Pläne werden konkreter, man hat sich schon bestimmte Lebensziele gesteckt und eventuell auch schon eine Karrierewahl getroffen. Es ist natürlich mehr als fragwürdig, ob höhere Semesterzahl und Alter bedeuten, dass die Einstellung gegenüber Selbstständigkeit und die Intentionen diesen Weg zu beschreiten besser bzw. größer sind. 3.1.1.3 Schulweg vor dem Studium Hierbei kristallisierte sich heraus, dass die endgültige Karrierewahl schon durch die schulische Laufbahn determiniert wird, da, abhängig von der besuchten Schulform, verschiedene prägende Werte und Vorstellungen geschaffen werden, die Einfluss auf das Weltbild und daher auf die Präferenzen des Individuums ausüben. 3.1.1.4 Berufserfahrung Schon während der Schulzeit arbeiten viele über den Sommer, um Geld dazu zu verdienen. An der Universität verhält es sich ebenso; zahlreiche Studenten gehen während des Semesters oder der Ferien beruflichen Tätigkeiten nach, sei es im geringfügigen Bereich oder schon als selbstständige oder unselbstständige Erwerbsperson. Hier werden Erfahrungen gesammelt, die nicht nur die Wertvorstellungen der Individuen verändern, sondern auch ganz speziell auf ihre spätere Berufsentscheidung einwirken, da man einerseits schon Kontakte knüpfen kann, und man andererseits kennen lernt, welche Art von Arbeit einem zusagt und welche eher nicht (Davidsson 1995). In einer Studie von Peterman und Kennedy (2003) unter Schülern in Queensland wurde der Einfluss von früherem Kontakt auf Entrepreneurship untersucht, und man unterschied dabei zwischen positiven und negativen früheren Erfahrungen. Jene mit positiven Erfahrungen wollten zu einem höheren Grad selbstständig werden und empfanden diesen Weg auch eher als machbar.
130
Christopher Kronenberg / Andreas Strobl
Zum selben Ergebnis kamen auch Drnovsek und Glas (2002), die Studenten und Innovateure in Slowenien und Tschechien befragten. Außerdem argumentieren Eiser und van der Pligt (1998), dass die Einstellungen, die wir haben, sowie der Einfluss, den unser Umfeld auf uns ausüben kann, von vergangenen Erfahrungen und Erlebnissen abhängen, die uns nachhaltig prägten. Wir wollten nunmehr eruieren, inwieweit die Studenten vor oder während des Studiums schon Berufserfahrung sammeln (konnten). Dabei betrachten wir den unterschiedlichen Einfluss auf Einstellung und Intent, der sich ergibt, falls sie entweder selbstständig, unselbstständig, geringfügig oder gar nicht beschäftigt sind bzw. waren. Ob sie damit positive oder negative Gedanken assoziieren wird von uns vernachlässigt. 3.1.2 Wahrgenommene Eigenschaften und Fähigkeiten 3.1.2.1 Innovativgeist Innovation und Kreativität werden oft als wichtigste Faktoren bezeichnet, wenn es um Entrepreneurship geht. Zahlreiche Studien und theoretische Abhandlungen inkludieren diese Variable in die persönlichen Eigenschaften, die ein erfolgreicher Unternehmer besitzen sollte (Robinson et al. 1991; Ussman, 1998). Innovativgeist hilft dem Individuum nicht nur dabei rentable Ideen zu haben oder eine Gelegenheit zu erkennen; weiters umfasst der Begriff die Fähigkeit jene „Chancen“ in die Tat umzusetzen. Der Drang etwas zu verändern liegt dem ganzen Konzept zugrunde. Die im Modell verwendete Variable „Innovativgeist“ beinhaltet also auch eine gewisse Entschlossenheit seine Ideen zu verfolgen. 3.1.2.2 Risikobereitschaft Die Gründung eines Unternehmens bringt unausweichlich Risiken mit sich, die zum Beispiel finanzieller, emotionaler oder reputationsbezogener Natur sein können. Low und MacMillan (1998, S. 142) meinten zum Beispiel: „The
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list of potential pitfalls associated with starting a new venture appears to be limitless“. Das Bewältigen der sich ergebenden Gefahren muss für den angehenden Entrepreneur eine machbare und nicht abschreckende Aufgabe sein, was die einschlägige Literatur theoretisch und praktisch eindeutig bestätigen kann (Lüthje/Franke2003; Korunka et al. 2003; Uusitalo 2001). Ist man weniger risikoavers, dann bewertet man Gelegenheiten positiver und ist leichter dazu bereit etwas Neues zu versuchen. 3.1.2.3 Wissen und Wissensdurst Eben noch wurde davon gesprochen, wie risikoreich Neugründungen eigentlich sind. So waren zum Beispiel auch Aldrich und Martinez (2001) der Ansicht, dass die einzige universell gültige Konstante im Zusammenhang mit Entrepreneurship jene wäre, dass die meisten Neugründungen scheitern würden. Laut Drucker (1985) ist Entrepreneurship deshalb risikoreich, weil so wenige wissen, was sie tun. Ohne Zweifel besteht die beste Absicherung gegen Risiko also darin, sich ausgiebig über alle lauernden Gefahren zu informieren. Weiters ist es sicher von großem Vorteil zu wissen, welche Förderungen einem zustehen, welche Hindernisse zu überwinden sind und wie man einen fundierten Business-Plan aufstellt, um sich den Vorgang einer Gründung noch einmal zu verdeutlichen. Eines ist klar: Man kann nicht alles wissen. Wichtig ist, dass der potentielle Gründer weiß, an wen er sich wenden kann, um für ihn nötige Informationen zu erhalten, und dass er sich nicht zu schade ist zu fragen – mehr noch: dass er den Drang verspürt den Zustand des Nichtwissens zu beseitigen. 3.1.2.4 Arbeitseinstellung Selbstständigkeit ist ohne Zweifel im Allgemeinen mit einem höheren Arbeitsaufwand verbunden als Unselbstständigkeit. So fand Uusitalo (2001) in einer Untersuchung in Finnland im Jahre 1997 heraus, dass Selbstständige
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pro Woche durchschnittlich 47,8 Stunden arbeiten, während Beschäftigte „nur“ auf 37,7 kommen würden. Dieser Mehraufwand ist sicherlich ein die Berufswahl beeinflussender Faktor. Eine von Kolvereid (1996) durchgeführte Studie unter 372 Absolventen eines Master of Science in Business Administration in Norwegen versuchte zu erklären, warum sich Menschen für bzw. gegen den Gang in die Selbstständigkeit entschieden haben. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass 39 Personen den Arbeitsumfang als Grund für ihre Entscheidung angaben, wobei 38 davon aufgrund der zu erwartenden „workload“ einen unselbstständigen Beruf wählten. Nun muss ein angehender Unternehmer nicht nur damit rechnen, mehr Arbeitsaufwand als ein Angestellter zu betreiben, es trifft zusätzlich oft zu, dass er zu unregelmäßigen Zeiten seinem Beruf nachgehen muss, da ihn Nachfrageschwankungen oft stärker treffen. Um also den Anforderungen gerecht zu werden, soll es einem potentiellen Gründer nichts ausmachen hart zu arbeiten. Zusätzlich muss er in der Lage sein mit Hektik und Stress ebenso wie mit Leerzeiten umzugehen – Flexibilität heißt hier das Schlagwort. 3.1.2.5 Unabhängigkeitsstreben Entrepreneure sind innovativ – sie wollen also ihren Weg gehen, um dabei ihre Ideen nach eigenem Ermessen umsetzen zu können. Sie trachten danach die dazu nötigen Handlungen auch zu kontrollieren. Dieses Unabhängigkeitsstreben wird von zahlreichen Autoren in theoretischen Abhandlungen wie auch in praktischen Studien als eine der wichtigsten Eigenschaften potentieller Gründer und als einflussreiche Determinante von unternehmerischer Absicht und Einstellung zu Selbständigkeit gesehen (Shaver et al. 2001; Korunka et al. 2003; Franke/Lüthje2002; Kolvereid1996).
Unternehmertum aus genderspezifischer Sicht
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3.1.2.6 Organisations- und Planungsfähigkeit Das Gründen eines Unternehmens umfasst ein breites Spektrum an Tätigkeiten, die alle kontrolliert durchgeführt werden müssen. Man muss sich um die Finanzierung seiner Idee kümmern, es empfiehlt sich den Markt zu analysieren, Räumlichkeiten werden gebraucht, Formulare warten darauf ausgefüllt und eingereicht zu werden – die Liste ließe sich noch beliebig lange fortsetzen. Deshalb ist es ganz einfach wichtig, dass ein angehender Entrepreneur in der Lage ist einen Plan seiner Handlungen zu erstellen, um nichts zu vergessen und die Dinge der Reihe nach und zur Zufriedenheit aller erledigen zu können (Korunka et al. 2003; Greve/Salaff2003). Außerdem unterliegt ihm die Organisation und Kontrolle seiner jungen Unternehmung, er trägt die Verantwortung für alles, was von ihm koordiniert und in die Wege geleitet wird. Zusammen mit ausreichendem Wissen zum Thema hilft eine solide und realistische Planung der Gründung, das Risiko derselben deutlich zu reduzieren. 3.2 Einfluss des sozialen und gesellschaftlichen Umfeldes (Umweltfaktoren) Im Gegensatz zu Ajzen (1991) ist in unserem Modell der Einfluss des Umfeldes nicht nur als direkte Einflussvariable auf den Intent zu sehen, sondern fließt in die Einstellung ein, welche ihrerseits die unternehmerische Absicht determiniert. Umfeldeinfluss wird durch mehrere Variablen zum Ausdruck gebracht: Da wären einerseits wahrgenommene Hilfen, Hindernisse und die Beschaffenheit bestimmter ökonomischer Faktoren und andererseits eventuell vorhandene Vorbilder sowie die Feststellung der Befragten, ob sie sich ihrer Meinung nach überhaupt von ihrem Umfeld beeinflussen lassen (wollen).
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Christopher Kronenberg / Andreas Strobl
3.2.1.1 Wahrgenommener Einfluss des Umfeldes Ein Großteil unseres Lebens besteht aus Interaktion mit unserem Umfeld. Ein Umstand, der unser Bild der Welt prägt sowie uns und unser Verhalten beeinflusst. Als besonders wichtig gestaltet sich in diesem Zusammenhang der Kontakt mit unserer sozialen Umgebung, da dieser der intensivste und daher wirkungsvollste ist. Die Sozialisation spielt eine enorme Rolle im Kontext der Berufsentscheidung – unser Umfeld (Freunde, Familie, Bekannte, etc.) hat einen enormen Effekt auf diese Wahl. Auch in der theoretischen und praktischen Literatur lassen sich einige Beweise für die Wichtigkeit dieser Variable finden, wobei vor allem Ajzen (1991) und seine „subjectivenorms“ zu nennen wären, welche den Einfluss darstellen, den das Umfeld dadurch auf uns ausübt, indem es unsere Handlungen goutiert, fördert oder ablehnt. 3.2.1.2 Wahrgenommene Hindernisse Angehende Entrepreneure sehen sich mit einer Vielzahl an Hindernissen konfrontiert, seien sie bürokratischer, finanzieller, geografischer oder sozialer Natur. In der Studie soll nunmehr untersucht werden, inwieweit diese die Einstellung zu Selbstständigkeit und die unternehmerische Absicht beeinflussen. Lüthje und Franke haben dies in zwei Arbeiten (2002, 2003) schon versucht, wobei sie teilweise einen signifikanten – wenn auch eher kleinen – Einfluss erkennen konnten. Wahrgenommene Hindernisse scheinen auch in anderen praktischen Abhandlungen auf, und zwar indirekt unter dem Deckmantel der „perceivedfeasibility“. Es klingt einleuchtend zu behaupten, dass Individuen, wenn sie der Meinung sind, eine beabsichtigte Handlung wird von Hürden erschwert, dieser Handlung gegenüber eine relativ schlechtere Einstellung entwickeln und ihre Intentionen zurückschrauben. Kouriloff (2000) merkte an, dass Hindernisse von jedem anders wahrgenommen würden. Außerdem sei zwischen der Art, der Intensität, der Reihung und der Kombination verschiedener Hindernisse zu unterscheiden. Er führte eine
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Studie unter 183 Entrepreneuren durch und fand dabei heraus, dass diese „Geschäftsrisiko“, „Zeit für die Familie“, „Auftreiben von Kapital“, „Angst vor Scheitern“, „Steuern und Regulierungen“, sowie „wirtschaftliche Lage“ als die einflussreichsten erachteten. 3.2.1.3 Wahrgenommene Hilfen In den vorangegangenen Absätzen wurde unter anderem auch gezeigt, dass angehende Unternehmensgründer zu kämpfen haben mit Risiken und Hindernissen, welche zu überwinden sie auf sich allein gestellt oft nicht in der Lage sind und daher gewisse Hilfen benötigen. Unterstützung kann in vielerlei Form kommen – finanziell, emotional, durch Vermittlung von Wissen oder einfach durch Motivation. Nehmen wir als Beispiel nur einmal unsere Familie und Freunde: Sie können uns ihr offenes Ohr leihen und Feedback geben (Greve/Salaff 2003), oder in Zeiten für uns da sein, in denen es nicht läuft wie erhofft. Banken würden uns unter Umständen Kapital zu Verfügung stellen, und es gibt zahlreiche Institutionen (z. B. die Wirtschaftskammer), welche potentiellen Gründern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Lüthje und Franke maßen in ihren Studien (2002, 2003) auch den Einfluss von wahrgenommenen Hilfen und kamen zu dem Schluss, dass diese unternehmerische Absichten signifikant bedingten. 3.2.1.4 Selbstständige Vorbilder Dass wir von unserem Umfeld maßgeblich beeinflusst werden, haben wir nun zur Genüge erfahren. Oftmals werden Individuen aber nicht nur indirekt durch ihre soziale Umgebung geprägt, sondern versuchen aktiv diese zu imitieren. Gibt es also – um beim Thema zu bleiben – Personen, die mit Unternehmensgründungen Erfolg hatten, und die man als Vorbilder sehen kann, ist man versucht diesen nachzueifern (Shaver et al. 2001). Auch Davidsson (1995) spricht im Zusammenhang mit seinem Modell davon, dass erfolgrei-
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che Vorbilder einen positiven Einfluss auf die unternehmerische Einstellung haben, was von Autio et al (2001) bestätigt wird. Gelungene Gründungen in unserem Umfeld lassen uns ein derartiges Unterfangen machbarer und wünschenswerter erscheinen (Bygrave/Minniti 2000), wobei man natürlich im gleichen Atemzug sagen muss, dass gescheiterte Versuche uns eher davon abhalten werden. 3.2.1.5 Makro- und mikroökonomische Faktoren Zusätzlich zu den modellbezogenen Fragen wurde auch noch eine GAPAnalyse durchgeführt, welche Diskrepanzen zwischen der wahrgenommenen Wichtigkeit von Faktoren wie Wirtschaftslage, Förderungen, Gründungskultur, Ausbildungsangebot sowie Gründungsberatung und der momentanen Beschaffenheit derselben in Österreich aufzeigen sollte. Die wahrgenommene Beschaffenheit dieser mikroökonomischen Faktoren wurde in unser Modell implementiert, indem wir den Einfluss jener Indikatoren auf die Einstellung zu Selbständigkeit und auf unternehmerische Absicht maßen. 3.2.1.6 Einstellung zu Selbstständigkeit Die Einstellung zu einem Thema hilft dabei, für uns wichtige und nützliche Dinge positiv zu betrachten, schützt uns vor Fehlern, vereinfacht die Entscheidung in unsicheren und komplexen Situationen, stärkt unsere Identität und erweitert unser Wissen. Außerdem ist sie eine – wenn nicht die – entscheidende Determinante zahlreicher geplanter (sprich nicht im Affekt ausgeführter) Handlungen, was in der Theorie und in der Praxis untermauert wird, egal, ob sie als „attitudetowardbehavior“ (Ajzen 1991) oder „perceiveddesirability“ (Krueger/Brazeal1994) bezeichnet wird.
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3.2.1.7 Unternehmerische Absicht Das Messen von Intentionen ist wahrscheinlich das beste zur Verfügung stehende Instrument, um potentielles Verhalten zu prognostizieren. Audet (2004) behauptet zum Bespiel, dass Intent einen signifikanten Einfluss auf das Verhalten hat. Intentionen verändern sich mit der Zeit, sie sind dynamisch und daher nicht so leicht zu messen. Bezogen auf unternehmerische Absichten wird in der Literatur oftmals zwischen kurzfristigen und langfristigen unterschieden, wobei natürlich erstere den imminenteren Effekt auf das Verhalten haben. Davidsson (1995) wie auch Autio et al. (2001) stellten zum Beispiel die Frage, wie wahrscheinlich eine Gründung in einem bzw. in fünf Jahren wäre, deckten also eine längere Zeitspanne ab. Lüthje und Franke wiederum untersuchten in beiden ihrer Studien (2002, 2003), wie wahrscheinlich eine Gründung in absehbarer Zukunft sei. 4 Empirische Studie Die Befragung erfolgte im Januar 2004, insgesamt wurden 217 gültige Fragebögen erhoben. Ausgeschlossene Fragebögen waren entweder unvollständig ausgefüllt oder die Studentinnen befanden sich noch ganz am Beginn ihrer Studien. Aufgrund konkreterer Berufsaussichten wurde nämlich beschlossen nur Studentinnen in die Studie aufzunehmen, die bereits im 3. Semester waren. Zu Beginn des Fragebogens wurde der persönliche Hintergrund der Probandinnen eruiert. Hierauf folgte der Hauptteil der Befragung. Die Persönlichkeitsmerkmale, die Einstellung gegenüber Selbstständigkeit sowie die unternehmerischen Absichten wurden mittels Selbsteinschätzung ermittelt. Zusätzlich wurden die Antworten durch Kontrollfragen nochmals überprüft. Den Abschluss bildete die „GAP-Analyse“. Die Stichprobe verteilte zu 14,3 % auf die medizinische, zu 24,0 % naturwissenschaftliche, zu 29,5 % auf die geisteswissenschaftliche, zu 22,6 % auf die
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sozialwissenschaftliche, zu 7,4 % auf die juridische und zu 2,36 % auf die bautechnische Fakultäten, so dass eine sehr realitätsnahe Verteilung vorlag. Die befragten Studentinnen waren im Durchschnitt 23,6 Jahre alt. Zunächst wurde eruiert, ob Faktoren wie unterschiedliche Semesteranzahlen, Fakultätszugehörigkeit und Berufserfahrung vor und während des Studiums unterschiedliche Bewertungen nach sich ziehen. Es ergaben sich einige wenige signifikante Unterschiede. So zeigt sich, dass die unterschiedliche Berufserfahrung vor dem Studium Einfluss auf die Absicht unternehmerisch tätig zu werden hat. Risikobereitschaft, Arbeitseinstellung, wahrgenommene Hindernisse, die Einstellung gegenüber Selbstständigkeit und die unternehmerische Absicht werden positiv beeinflusst durch die geleistete berufliche Tätigkeit während des Studiums (für alle p>0,05). Die deskriptive Auswertung der Daten brachte vor allem die Bedeutung wahrgenommener Hürden gegenüber der Selbstständigkeit zu Tage. 52.5% der befragten Studentinnen empfinden mangelnde Erfahrung und unzureichende Kontakte zumindest eher als ein Hindernis hinsichtlich einer unternehmerischen Tätigkeit. Auch Zukunftsziele der Studentinnen wurden erhoben. Es zeigt sich, dass 64,1 % Selbstverwirklichung als Hauptziel für ihre individuelle Zukunft sehen. Auf den Plätzen zwei und drei liegen die Ziele Sicherheit (15,7%) und die Gründung einer Familie (12,9 %). Nur 3,2 % sehen eine Karriere als erstrebenswertes Hauptziel. Letzteres steht einer unternehmerischen Tätigkeit ein wenig entgegenwirkend gegenüber. Allerdings spricht die Selbstverwirklichung wiederum für eine unternehmerische Tätigkeit. In diesem Zusammenhang muss zudem beachtet werden, dass den Studentinnen nur eine Antwortmöglichkeit gestattet war.
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In einem weiteren Schritt wurden Zusammenhänge zwischen einzelnen Variablen gesucht. Die Korrelation zwischen der Einstellung zu Selbsständigkeit und der unternehmerischen Absicht von 0,572 (RSpearman) bei einem Signifikanzwert von 0,000 bestätigt die zuvor getätigte Annahme, dass sich die Einstellung und die Absicht gegenseitig beeinflussen. Diese Zahl ist vergleichbar mit den Beta-Werten, die Peters et al. (2006) (0,531), Lüthje und Franke(2003) (0,508) oder Autio et al. (2001) (0,469) für ihre Modelle erhielten. Man kann somit davon ausgehen, dass die unternehmerische Absicht umso konkreter ist, je positiver die Einstellung zur Selbstständigkeit ausfällt. Aufgrund der direkten Vergleichbarkeit mit der Studie von Peters et al. (2006) lässt sich feststellen, dass dieser Zusammenhang für Frauen ein wenig stärker ausgestaltet ist als dies für Männer der Fall ist. Mit Ausnahme der organisatorischen Fähigkeiten weisen alle Kennzahlen eine hoch signifikante positive Korrelation zur unternehmerischen Absicht auf. Daher gilt, je überwindbarer Studentinnen Hürden auf dem Weg in eine Selbstständigkeit wahrnehmen und je mehr Unterstützung sie auf diesem Weg erwarten können, desto konkreter sind ihre Absichten unternehmerisch tätig zu werden. Zusätzlich wirken sich Innovativgeist, Wissen und Wissensdurst, Risikobereitschaft, Unabhängigkeitsstreben und Arbeitseinstellung positiv auf die unternehmerischen Absichten aus. Ähnliches findet man auch zwischen den Kennzahlen und der Einstellung gegenüber Selbstständigkeit vor. Bis auf die Risikobereitschaft und die Organisations- und Planungsfähigkeit weisen alle Kennzahlen einen positiven Zusammenhang mit der Einstellung zur Selbstständigkeit auf, wobei wahrgenommene Hilfen (RPearson= 0,375), Arbeitseinstellung (RPearson= 0,295), wahrgenommene Hürden (RPearson= 0,282) und Unabhängigkeitsstreben (RPearson= 0,280) herausragen.
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Zur Überprüfung des Modells wurde schließlich eine lineare Regression sämtlicher Variablen auf die Einstellung zur Selbständigkeit (EzS) berechnet. Die Enter-Methode (R²= 0,427) ergab, dass die Variablen Beschaffenheit der Wirtschaftslage (BW), Unabhängigkeitsstreben (Us), wahrgenommene Hilfen (WHil) und unternehmerische Absicht (UA) die Einstellung signifikant beeinflussen. EzS = -0,125*BW + 0,279*Us + 0,219*WHil + 0,310*UA – 0,545
Mithilfe der Stepwise-Methode wurden nun Korrelationen der Variablen untereinander berücksichtigt. Hier fanden unternehmerische Absicht (UA), wahrgenommene Hilfen (WHil), Unabhängigkeitsstreben (Us), Beschaffenheit der Gründungsberatung (BGb) und die Arbeitseinstellung (AE) Aufnahme. Für das Gesamtmodell mit den nunmehr fünf unabhängigen Variablen ergibt sich ein R² von 0,374. Es können also beinahe 40% der Varianz der Einstellung gegenüber Selbstständigkeit erklärt werden. Zusätzlich interessierte die Regression sämtlicher Variablen auf die unternehmerische Absicht. Wie sich hier zeigt bestätigte sich die Annahme der Rolle einer Moderatorvariablen für die Einstellung gegenüber Selbstständigkeit. Die Einstellung bündelt Effekte einzelner Faktoren und wirkt auf die unternehmerischen Intentionen ein. Für die Regression (Stepwise) aller Variablen auf den Intent ergibt sich ein R² von 0,312, wobei sich hier lediglich die Variablen Einstellung zur Selbstständigkeit (Beta-Wert von 0,466) und wahrgenommene Hindernisse (Beta-Wert von 0,263) als signifikant erwiesen. Der Beta-Wert von 0,466 ist vergleichbar mit jenen, die in den schon bekannten Modellen (Ajzen 1991; Autio et al. 2001; Davidsson 1995; Franke/Lüthje 2002; Ingram et al. 2000; Krueger/Brazeal 1994, Krueger 2000; Lüthje/Franke 2003; Peters et al. 2006; Shapero 1985) vorkommen. Eine Beson-
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derheit des Modells ist die Tatsache, dass nur fünf der zehn Kennzahlen ihren Weg in das Modell fanden. Die Risikobereitschaft, Wissen und Wissensdurst, Organisations- und Planungsfähigkeit sowie der Einfluss des Umfelds wurden in Stepwise-Methoden der Regressionen auf die Einstellung und den Intent jeweils nicht berücksichtigt, was auf Co-Korrelationen mit anderen unabhängigen Variablen zurückzuführen ist. Abbildung 2 veranschaulicht im Folgenden relevante Zusammenhänge, die das Image des selbstständigen Unternehmertums beeinflussen.
Abbildung 2: Gesamtmodell Quelle: eigene Darstellung
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Außerdem fällt auf, dass die wahrgenommenen Hindernisse die Absichten signifikant bedingen in Zukunft unternehmerisch tätig zu werden, während wahrgenommene Hilfen den größeren Einfluss auf die Einstellung zur Selbstständigkeit haben. Je überwindbarer Hindernisse wahrgenommen werden, desto konkreter sind die unternehmerischen Absichten. Von besonderer Bedeutung für die Einstellung zur Selbstständigkeit sind somit das Unabhängigkeitsstreben und die Arbeitseinstellung der Studentinnen – je stärker diese beiden Variablen ausgeprägt sind, desto positiver ist die Einstellung zur Selbstständigkeit. Der Weg von Frauen in eine unternehmerische Selbstständigkeit wird somit durch ihr Streben nach Unabhängigkeit und durch ihre Einstellung gegenüber Arbeit determiniert. Hilfen, zu denen auch eine kompetente Gründungsberatung gehört, können diese positiv beeinflussen. Hürden wirken sich dann auf die Absichten in Bezug auf eine Selbstständigkeit aus. Desto überwindbarer diese erscheinen, umso stärker präsentieren sich die unternehmerischen Absichten. 5 Implikationen und Resümee Einstellung gegenüber Selbstständigkeit und die unternehmerische Absicht definieren das Image des Unternehmertums als Berufsoption. Auffallend in der Analyse dabei ist, dass weibliche Studenten sehr wohl eine recht positive Einstellung in Bezug auf Entrepreneurship (Mittelwert = 3,58, bei 5 = hohe positive Einstellung) haben, jedoch sehr niedrige unternehmerische Absichten (Mittelwert = 2). Wie sich in den Berechnungen herausstellte, bedingen sich die beiden Variablen sehr stark gegenseitig. Wobei die Einstellung ihrerseits durch die Faktoren Unabhängigkeitsstreben, Arbeitseinstellung, Gründungsberatung und wahrgenommene Hilfen bedingt wird. Auch diese Variablen wurden durchwegs positiv beurteilt. Lediglich die Gründungsberatung hat mit 2,9 einen Mittelwert unter 3. Die Beschaffenheit der Gründungsbera-
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tung scheint also ein Ansatzpunkt zur weiteren Steigerung der Einstellung im Hinblick auf eine unternehmerische Tätigkeit zu sein. Weitere Studien die Qualität und Ausgestaltung der Gründungsberatung betreffend sind hier allerdings angebracht, um konkrete Handlungsempfehlungen formulieren zu können. Arbeitseinstellung (3,96), Unabhängigkeitsstreben (4,13) und wahrgenommene Hilfen (3,46) liegen deutlich über einem Mittelwert von 3 und zeigen somit, dass die Variablen, die die Einstellung gegenüber Selbstständigkeit bedingen, unter den Befragten an der Universität durchwegs positiv sind. Es zeigt sich aber aus diesem Grund auch, dass die Einstellung der Studentinnen äußerst positiv sein muss, um entsprechende unternehmerische Absichten zu entwickeln. Die Werte für Unabhängigkeitsstreben und Arbeitseinstellung decken sich mit der Entdeckung der Selbstverwirklichung als Hauptziel für die Zukunft der Studentinnen. Frau ist also bereit, hart zu arbeiten, um ihre persönlichen Ziele unabhängig von anderen zu erreichen. Dies deckt sich auch mit gesellschaftlichen Beobachtungen, wie der durchschnittlich besseren Qualifizierungen von Frauen gegenüber Männern (Buchmayr et al. 2003). Zusätzlich werden die Absichten durch die wahrgenommenen Hindernisse beeinflusst, sodass die unternehmerische Absicht umso konkreter ausgestaltet ist, je überwindbarer diese Hindernisse erscheinen. Für die Studentinnen der Universität Innsbruck scheinen die wahrgenommenen Hindernisse (Mittelwert = 2,89) doch eher hinderlich, sodass hier ein Faktor identifiziert werden kann, der als Ansatz zur Steigerung des weiblichen unternehmerischen Potentials unter den Studenten gesehen werden kann. 27,6 % der Befragten sehen sich durch bürokratische Hürden an einer unternehmerischen Tätigkeit gehindert oder eher gehindert, 42,9 % scheuen das finanzielle Risiko, 52,5 % sehen mangelnde Erfahrung und Kontakte als eher hinderlich und 45,2 % schreckt die Konkurrenz zumindest eher ab. Die Studentinnen weisen der Be-
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rufserfahrung und Ausbildung (Mittelwert = 4,22) einen hohen Einfluss in Bezug auf die Berufswahl zu, sodass dem Bildungssystem hier große Bedeutung in der Steigerung des weiblichen akademischen unternehmerischen Potentials zukommt. Die Kombination mit der Berufserfahrung zeigt, dass bereits in der Ausbildung auf einen solchen Erfahrungsschatz hingearbeitet werden sollte. Auch das Hindernis ‚mangelnder Kontakte’ sollte bereits in der Ausbildung aufgegriffen werden. Hier gilt es zum Einen nötige, soziale Kompetenzen zu vermitteln, um Studentinnen künftig effektives und effizientes Netzwerken zu ermöglichen und zum Anderen sollte hier auch der Grundstein für disziplinenübergreifendes Zusammenarbeiten und die entsprechende Vernetzung gelegt werden. Die Vermittlung von sogenannten „Soft Skills“ zur Verbesserung der Persönlichkeitsentwicklung werden in diesem Zusammenhang des Öfteren gefordert. Hierunter fallen auch Beharrlichkeit und Selbstvertrauen, die durch Bildung vermittelt werden sollten (Faltin et al. 1998). Ob die Fachhochschulen mit ihrer praxisbezogenen Ausbildung und den verpflichtenden Praktika hier einen erfolgversprechenden Weg eingeschlagen haben, sollte in diesem Zusammenhang untersucht werden. Das vorliegende Modell konnte beeinflussende Elemente der weiblichen Einstellungen und Absichten gegenüber Unternehmertum unter der Berücksichtigung einer breiten Palette persönlicher Eigenschaften und Fähigkeiten sowie allgemeiner Umweltfaktoren feststellen und Erkenntnisse zur Konstituierung des Images von Entrepreneurship als Berufsbild liefern. Der größte Kritikpunkt des Modells liegt mit Sicherheit in der Selbsteinschätzung der Studentinnen in Bezug auf ihre Persönlichkeitsmerkmale, da ein „Bias“ zur persönlichen Selbstüberschätzung nicht ausgeschlossen werden kann.
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Künftig sollten weitere Forschungsprojekte, das weibliche unternehmerische Potential betreffend, durchgeführt werden. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die Einstellung in Hinblick auf Entrepreneurship, so stellt man fest, dass diese durchaus positiv vorhanden ist. Hier sollte die Entwicklung und Ausschöpfung des weiblichen Entrepreneurshippotentials über eine längere Periode beobachtet werden, um konkrete Ergebnisse hinsichtlich fördernder und hinderlicher Faktoren zu erhalten und konkrete Handlungsvorschläge erarbeiten zu können. Longitudinale Studien wären daher von großer Bedeutung.
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Unternehmensqualität – Vision und Realität Johann Risak
1
Vorbemerkungen ............................................................................. 152
2
Gute Unternehmensqualität – die ultimative Vision ........................ 153
3
Konfrontation der anzustrebenden Vision mit der Realität.............. 154
4
Modell der Energiezonen................................................................. 157
5
Dynamik der Besetzung der Energiezonen ...................................... 159
6
Ausgewählte Inhalte der Energiezonen............................................ 161
6.1
Die breite Mitte – Aggressions- und Komfortzonen........................ 162
6.2
Leidenschaftszone............................................................................ 167
6.3
Resignationszone ............................................................................. 168
7
Spitzenunternehmen innerhalb der Leidenschaftszone .................... 168
8
Triangel der Leadership zur Gestaltung der Unternehmensqualität ...................................................................... 171
9
Zusammenfassung und Handlungsempfehlung ............................... 176
152
Johann Risak
1 Vorbemerkungen Der Themenstellung liegen zwei Motive zu Grunde. Einerseits arbeitet der Autor seit drei Jahren an dem Forschungsprojekt „Initiativen und Umsetzungsorientiert Führen“. In Rahmen dieses Projekts wird versucht, mit Hilfe eines multiperspektivischen Ansatzes empirisch gestützt herauszufinden, mit welchen Gestaltungshebeln Führungskräfte einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Performance von Unternehmen ausüben. Andererseits ist der Autor Mitglied der Jury für die Verleihung des österreichischen Staatspreises „Qualität“, der von dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend jährlich ausgelobt wird. Für die Bestimmung der Preiswürdigkeit der Kandidaten wird schon seit Jahren das „EFQM Excellence Modell“2 herangezogen. Der „Staatspreis Qualität“ wurde 2008, mit Wirkung ab 2009, in den „Staatspreis Unternehmensqualität“ umbenannt, um die dahinter stehende Grundidee – Exzellenz umfassend und nachhaltig in Unternehmen zu verankern – besser zum Ausdruck bringen zu können. In diesem Beitrag wird die Realisierung eines möglichst hohen Grades der Unternehmensqualität als ultimative Vision angesehen. Diese Vision wird, empirisch gestützt, mit dem Stand der Fortschrittsfähigkeit von großen Un ternehmen (> 500 Mitarbeiter) in Österreich und deren Dynamik konfrontiert. Aus den Ergebnissen dieser Konfrontation wird anschließend ein Triangel für das Management der Unternehmensqualität herausgeschält. Für die drei Gestaltungsfelder dieses Triangels werden dann drei differenzierte Leadership Mandate vorgestellt. Abschließend werden die Ergebnisse der Be-
Vgl. www.wu-wien.ac.at/network/ifudialog/iuf Vgl. www.qualityaustria.com/index.php gl. Kern, A. (2007): Entwicklungspfade 2007 – Eine empirische Untersuchung der Fortschrittsfähigkeit von großen Unternehmen in Österreich, Diplomarbeit am Institut für Unternehmensführung an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Unternehmensqualität
153
trachtung zusammengefasst und eine Empfehlung für eine bessere Gestaltung der Unternehmensqualität abgegeben. 2 Gute Unternehmensqualität – die ultimative Vision Unternehmensqualität stellt sich in den Fähigkeiten von Unternehmen, den jeweiligen Anforderungen entsprechen zu können, dar. Es geht also um die möglichst gute dynamische Übereinstimmung der Fähigkeiten von Unternehmen und der Anforderungen, welche die verschiedenen Anspruchsgruppen (z. B. Eigentümer, Kunden, Führungskräfte, Mitarbeiter, Kreditinstitute, Lieferanten, Gesellschaft) an sie stellen und voraussichtlich stellen werden. Kann diese Übereinstimmung weitgehend realisiert werden, und ist auch zu erwarten, dass sie in überschaubarer Zukunft auf einem ähnlichen Niveau erfüllt werden kann, dann nähert sich das Unternehmen der ultimativen Vision
„Gute Unternehmensqualität“
an. Dahinter steht das Streben nach Exzellenz. Jedoch wird zur Kenntnis genommen, dass die ultimative Vision nie vollständig erreicht werden kann, da Unternehmen nur eine begrenzte Anpassungsfähigkeit an die sich im Laufe der Zeit verändernden Anforderungen aufweisen können. Die These ist nun, dass bei Abwesenheit eines wirkungsvollen Strebens nach Exzellenz und bei einer geringen Umsetzungskraft des Gewollten das Unternehmen an
Vgl. Crosby, P. B. (1979): Quality is free, New York and Scarborough/Ontario. Vgl. Risak, J. (1981): Einführung und Entwicklung der Personalplanung – Mit Ansätzen zu einer Erklärung der beschränkten Fortschrittsfähigkeit der Unternehmen, Wien, insbesondere S. 364 ff.
154
Johann Risak Intensität des Energieflusses, Selbstgestaltungsraum und Ausrichtung
verliert und damit an Agilität einbüßt. Die drei Führungsaufgaben,
Energieversorgung sicherstellen, Selbstgestaltungsräume schaffen und aufrechterhalten und Richtung vorgeben
werden unzureichend erfüllt. Die anzustrebende Vision ist also, dass Führungskräfte gemäß der jeweiligen Situation und ihres Leadership Mandats, den jeweiligen Anforderungen entsprechend handeln. Im nächsten Punkt soll diese anzustrebende Vision mit der Realität konfrontiert werden. 3 Konfrontation der anzustrebenden Vision mit der Realität Der Autor (1976), Andrea Iro (2002) und Alexander Kern (2007)1 haben bei den großen Unternehmen (> 500 MA) in Österreich den Grad der Fortschrittsfähigkeit von Unternehmen erkundet. Bei diesen handelt es sich fast ausschließlich um schon länger am Markt agierende Unternehmen. Für diesen Beitrag werden aus Aktualitätsgründen die Erhebungsergebnisse von Alexander Kern verwendet. Die Grundgesamtheit in dieser Fragebogenerhebung stellen 580 große Unternehmen dar. Der Rücklauf betrug 178 (rd.
Wagner, A.: (2003): Agilitätsmanagement, in: Risak, J. (2003): Der Impact Manager, Wien, S. 70 f. Vgl. Risak, J. (1978a): Personalplanung, Organisation und Unternehmensplanung Dokumentation einer Erhebung in Österreich, Wien. Vgl. Risak, J.: (1978b): Checkliste zu Personalplanung und Unternehmensplanung Ein Behelf zur Gewinnung von Basisinformationen zur Gestaltung von Unternehmensplanung, Organisation und Personalwesen, Wien. Iro, A. (2002): Veränderungsmanagement – bei beschränkter Fortschrittsfähigkeit, Diplomarbeit am Institut für Unternehmensführung an der Wirtschaftsuniversität Wien. 1 Vgl. Kern, A. (2007).
Unternehmensqualität
155
30 Prozent). Rd. 70,8 Prozent der Antworten stammen von Mitgliedern aus Vorständen und Geschäftsführungen. Die gewonnenen Daten stellen daher in einem weitaus überwiegenden Ausmaß Einschätzungen der Letztentscheider in Unternehmen dar. Mit Hilfe einer Clusteranalyse wurden vier sich gut unterscheidende Cluster gewonnen. Sie wurden, abgeleitet von den sie am stärksten differenzierenden Inhalten, mit charakteristischen Namen versehen. Nachstehende Abbildung stellt diese Namen vor und gibt die relativen Anteile der vier Typen an der Gesamtheit der antwortenden Unternehmen an.
24% Erneuerer (A) 32% Optimierer (B)
35% Absteiger / Kämpfer (C) 9% Abstürzer / Geretteter (D) Abbildung 1: Typologie von Unternehmen. Fortschrittsfähigkeit großer österreichischer Unternehmen Quelle: Nach Alexander Kern (2007), S. 79
Die Relation der Erneuerer und Optimierer zu Absteiger/Kämpfer und Abstürzender/Geretteter ist ähnlich wie jene in den Jahren 1976 und 2002. Vereinfachend argumentiert befanden sich rd. 50 % der großen Unternehmen in
Mit den Begriffen Kämpfer und Geretteter werden Unternehmen benannt, die sich nach einer Wende (Turnaround oder Sanierung) wieder nach oben bewegen. Mit einem dynamischen Modell wird im Rahmen des oben genannten Forschungsprojekts angestrebt, eine Trennung zwischen Absteiger und Kämpfer und Abstürzender/Geretteter zustande zu bringen.
156
Johann Risak
einer erstrebenswerten und die anderen rd. 50 % in einer wenig oder nicht erstrebenswerten Position. Unter Berücksichtigung der 2008 eingetretenen und 2009 wesentlich stärker eintretenden Verschlechterungen der wirtschaftlichen Lage scheint diese Aussage noch zutreffender zu werden. Das ist die Realität. Vergleichen wir diese mit der im Punkt 2. vorgestellten Vision, dann ist unschwer zu erkennen, dass ein großer Teil der Unternehmen ein wesentliches Problem mit der Realisierung einer guten Unternehmensqualität hat. Die von dem Gedanken der Fortschrittsfähigkeit getriebene Differenzierung in die vier Typen Erneuerer, Optimierer, Absteiger/Kämpfer und Abstürzer/Geretteter reicht für das Sichtbarmachen des Problems bei der Realisierung guter Unternehmensqualität aus. Für die lösungsorientierte Vertiefung jedoch nicht. Für eine solche Vertiefung wird auf das bei der Formulierung der These über den Zusammenhang von Unternehmensqualität und Agilität am Beginn des Beitrages bereits angesprochene Dreihebelkonzept des Agilitätsmanagements von Albrecht Wagner1 zurückgegriffen. Von zentraler Bedeutung ist darin der Hebel Energetisieren von Personen, Organisationen und Unternehmen. Es geht um den Energiefluss. Im nächsten Punkt wird das für das Sichtbarmachen der Energieflüsse und deren Operationalisierung verwendete Modell der Energiezonen von Heike Bruch und Sumantra Ghoshal1 kurz vorgestellt und erklärt.
Vgl. Punkt 2. Vgl. Bruch, H./Ghoshal, S. (2003): Unleashing Organizational Energy, in: MIT Sloan Management Review, Fall, S. 45-51.
Unternehmensqualität
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4 Modell der Energiezonen Nachstehende Abbildung zeigt das Grundschema.
Abbildung 2: Energiezonen und Bewegung Quelle: Heike Bruch und Sumantra Ghoshal (2003), S. 49
„Auf den Achsen sind horizontal die Qualität und vertikal die Intensität des Energieflusses zu ersehen. Beide Größen verbinden sich in den vier Zonen zu arteigenen Ausprägungen. Anzustreben ist ein möglichst langes Verbleiben in der Leidenschaftszone. Aber auch das leidenschaftliche Streben hat ein
Zum Thema Leidenschaft vgl. Linder, J. C. (2008): Spiral Up … and other management secrets behind wildly successful initiatives, New York u. a.
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Ablaufdatum und das Feuer der Leidenschaft muss immer wieder direkt oder indirekt angefacht werden. Ist die „Prinzessin“ gewonnen, also ein (Etappen-) Ziel erreicht, beginnen schon die Mühen der Ebene. Unbemerkt vermindern sich zuerst die Leidenschaft und gleich darauf auch die Bereitschaft etwas zu verändern und Neues zuzulassen. Man befindet sich bereits im unteren Bereich der Leidenschaftszone, und der Eintritt in die Komfortzone ist, vorausgesetzt es wird nicht intensiv gegengesteuert, nur mehr eine Frage der Zeit. In der Komfortzone, in welcher Unternehmen zunehmend schwieriger zu führen sind, reduziert sich die Bereitschaft weiter. Ist diese Bereitschaft zum Verändern und Zulassen von Neuem schon stark vermindert, beginnen, sofern die Wende nach oben nicht erfolgreich realisiert werden konnte, auch die dazu notwendigen Fähigkeiten zu schwinden – der Rückgang des Know-how folgt dem Rückgang der Bereitschaft. Vor einem weiteren Abstieg bewahrt dann meist nur noch eine kriseninduzierte Zufuhr der Energie von außen. Ist diese stark genug für die Wandlung von bisherigen Krisenverweigerern in Krisennutzer, dann folgt entweder ein Wiederaufstieg in Richtung Leidenschaftszone oder eine Vertreibung aus dem „Paradies“ in die Aggressionszone. Entscheidend dabei ist, ob die Qualität der Energie positiv gehalten werden kann oder in eine aggressive (negative) umschlägt. In der Aggressionszone ist der Energiefluss intensiv ausgeprägt. Dieser wird jedoch, zumindest am Beginn, negativ empfunden. Ein langes Verweilen in dieser Zone ist kaum möglich, da das Unternehmen sonst verglüht. Die Krisenenergie sorgt dafür, dass bisher Unbewegliches beweglich wird. Unternehmen können von Altlasten befreit und der Grad der Beweglichkeit kann erhöht werden, es entstehen neue, bessere Strukturen. Entweder wechselt dann das Unternehmen direkt in die Leidenschaftszone bzw. in einen höheren Bereich der Komfortzone, oder es stürzt in die Resignationszone ab.
Unternehmensqualität
159
In der Resignationszone befinden sich Unternehmen, die durch ein zu langes Verweilen in der Komfortzone oder in der Aggressionszone resignieren bzw. abstürzen. Aus der Resignationszone herauszukommen ist aus eigener Kraft nur in sehr seltenen Fällen möglich.“ Nach der Vorstellung des Modells der Energiezonen wird im nächsten Punkt auf die Dynamik der Veränderung der Populationen von Unternehmen in den einzelnen Energiezonen eingegangen 5 Dynamik der Besetzung der Energiezonen Um diese Dynamik zu erfassen, wurde im Rahmen des bereits erwähnten Forschungsprojekts nicht nur der Zustand heute, sondern auch jener, der vor drei Jahren gegeben war und in drei Jahren erwartet wird, erhoben. Diese Vorgangsweise wird WAR-IST-WIRD-Analyse genannt. Deren Ergebnisse werden unter Zuhilfenahme des Energiezonenmodells vorgestellt und diskutiert. Die Daten dafür stammen aus den Testergebnissen betreffend das Gestaltungskonzept „Personalorientierte Führung und Performance“, des bereits genannten Forschungskonzepts. Es liegen dazu 115 vollständige Datensätze von Unternehmen mit 18 Variablen für die bereits erwähnten vier Energiezonen vor. Die Daten wurden im Zeitraum 2006 – 2007 erhoben. Zur Kennzeichnung der Dynamik werden die Veränderungen der relativen Anteile der Besetzungen der einzelnen Energiezonen an der Gesamtpopulation der Unternehmen in der nachfolgenden Abbildung verwendet.
Risak, J. (2009): Was die besten und durchschnittlichen Unternehmen unterscheidet, in: ReportPlus, Heft 13-01, S. 116-121. Vgl. www.wu-wien.ac.at/ifu/network/ifudialog/imc/handbuch_im
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Abbildung 3: Dynamik der Besetzung der Energiezonen Quelle: eigene Abbildung
Die Abbildung zeigt klar auf, dass sich die Unternehmen sehr deutlich aus der Komfortzone hinausbewegten und erwartet wird, dass sie sich weiter hinaus bewegen werden. Die sich in der öffentlichen Wahrnehmung 2008 zuerst als Finanzkrise und nun als globale Wirtschaftskrise darstellende Entwicklung vertieft sich 2009 progressiv. Dies zeigt, wie rasch sich Auffassungen, Annahmen und Erwartungen, auf welchen Entscheidungen beruhen, verändern können. Es kann durchaus eintreten, dass sich die Anteile von Unternehmen in den Aggressions- und Resignationszonen im WIRD wesentlich erhöhen werden. Um den sich daraus ableitenden Veränderungen in den Anforderungen entsprechen zu können, haben sich Unternehmen intensiv um ihre Agilität zu kümmern und Wesentliches in die Anpassung der Fähigkeiten zur
Unternehmensqualität
161
Aufbringung bzw. Umpolung des erforderlichen Energieflusses, Schaffung und Bewahrung von Selbstgestaltungsräumen, Trennung (Abschaffung) von Überholtem und Neuausrichtung bzw. Richtunghalten
zu investieren. Wer diesen Bedarf an Kümmern und Investieren als wenig dringlich einschätzt, der verliert an Agilität und damit an Unternehmensqualität. Unternehmen gehen oder treiben einer „bewegten“ Zukunft entgegen, bzw. werden in eine solche hinein getrieben. Diese Zukunft stellt hohe Ansprüche an die Leadership und die sie verkörpernden Personen und Systeme. Um diese Gedankenführung zu untermauern, werden im nächsten Punkt ausgewählte Inhalte der vier Energiezonen betrachtet. 6 Ausgewählte Inhalte der Energiezonen Die Größe der Differenzen in den Mittelwerten zwischen den jeweils angrenzenden Variablen war ausschlaggebend für die Auswahl. In der nachfolgenden Abbildung werden die Mittelwerte der ausgewählten Variablen und der Mittelwert der sieben Variablen je Energiezone dargestellt.
Leadership wird als Plural im Langenscheidt Handwörterbuch Englisch Teil I, Englisch Deutsch, Berlin u.a. 1988, S. 372 mit Führungsqualitäten übersetzt. In der ersten Bedeutung wird in der Übersetzung Führung, Leitung genannt. Das Wort wir in diesem Beitrag mit bei den Bedeutungen verwendet.
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Johann Risak Ausgewählte Inhalte
MW* MW* Leidenschaftszone Aggressionszone Energetisieren 2,00 3,08 Freiwillige Zusatzleistungen 1,81 2,98 Innovationen 1,93 2,75 Trennen von Personal 3,07 3,18 Strategie 1,63 2,75 Leadership 2,00 2,90 Attraktivität für Personal 2,11 2,73 Mittelwerte 2,11 2,91 Variablen
MW* Komfortzone 2,97 2,59 2,62 4,59 2,28 3,00 2,72 2,97
MW* Resignationszone 4,16 4,05 3,63 4,26 3,11 3,89 3,95 3,86
Abbildung 4: Ausgewählte Inhalte der Energiezonen Quelle: eigene Darstellung
Ein Blick auf die Mittelwerte der Mittelwerte der einzelnen Energiezonen zeigt, dass sich die Unternehmen in
der Leidenschaftszone mit gut, den Energiezonen Aggression und Komfort (zusammen 60%) mit mittelmäßig und der Resignationszone mit schlecht qualifizieren.
Auf Grund des kaum vorhandenen Unterschieds der Mittelwerte der Mittelwerte der Variablen der Aggressions- und Komfortzone werden sie zusammen vergleichend abgehandelt. Wegen ihres hohen Anteils wird mit diesen beiden Energiezonen begonnen. 6.1 Die breite Mitte – Aggressions- und Komfortzonen Das enge Zusammenliegen der Mittelwerte der Mittelwerte der Aggressionsund Komfortzone (2,91 bzw. 2,97 = mittelmäßig), die sich in etwa auf dem Niveau der Variablen Attraktivität für Personal (2,73 bzw. 2,72 = mittelmäßig) und Leadership (2,90 bzw. 3,00 = mittelmäßig) bewegen, weist auf die
Unternehmensqualität
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Problematik von Gesamtbetrachtungen hin. Diese glätten die Unterschiede bei den einzelnen Ausprägungen der Variablen so weit ein, dass notwendige Korrekturmaßnahmen unterbleiben und, wenn sie ergriffen werden, nur wenig präzise gesetzt werden können. Die breite Mitte qualifiziert ihre Leadership als mittelmäßig und die Attraktivität des Unternehmens für das Personal etwas besser. 6.1.1 Zusammenhang von Mittelmäßigkeit der Leadership und Attraktivität für Personal Die Mittelmäßigkeit der Leadership bewirkt, dass Unternehmen an Attraktivität für das vorhandene Personal verlieren und auch extern dominant nur mittelmäßiges Personal angezogen werden kann. Noch vorhandenes gutes Personal findet nur mittelmäßige Ergänzung und verliert daher an Wirkungsund Unterstützungskraft. Wird davon ausgegangen, dass wesentliche Veränderungen in fast allen Fällen von Personen bewirkt werden, dann überrascht es nicht, dass solche Unternehmen laufend, wenn sie die negative Entwicklung nicht umdrehen, an Agilität und Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Oft üben sich Unternehmen lange Zeit in der Komfortzone in der Krisenverweigerung und häufen Altlasten wegen der Trennungsunfähigkeit und den daraus entstehenden Folgeschäden progressiv auf. 6.1.2 Trennungsfähigkeit und Trennungswilligkeit bei Personal: ein Problem für alle Wer die wichtige Frage nach dem Trennen nicht stellt und handlungsorientiert daher auch nicht beantwortet, gefährdet den Unternehmensbestand oder verhindert den Wiederaufstieg und die Weiterentwicklung von Unternehmen. Aber auch Unternehmen in der Leidenschafts- und Aggressionszone
Vgl. Grün, O./Risak, J. (1985): Der Weg aufwärts! Abschaffen, in: DBW Die Betriebswirt schaft, Heft 6, S. 646-656.
164
Johann Risak
tun sich bereits mit dem Trennen schwer (3,07 bzw. 3,18 = mittelmäßig). Der Wert für Trennen liegt in der Komfortzone bei durchschnittlich 4,59 (fast sehr schlecht). In der Aggressionszone beträgt dieser Wert 3,18. Er ist also wesentlich besser (Verbesserung 1,41 Punkte), wenn auch nur annähernd mittelmäßig. Ausgenommen bei der Fähigkeit und/oder Willigkeit zum Trennen von Personal sind die Unternehmen in der Aggressions- und Komfortzone wesentlich anders ausgeprägt als jene in der Leidenschafts- und der Resignationszone. Diese in allen Energiezonen nur mittelmäßig vorhandene Fähigkeit und Willigkeit zum Trennen ist ein generelles Problem in Unternehmen. Führungskräfte sind besser im Hinzufügen und Bewahren als im Trennen (Beenden), Loslassen und Abschaffen. Es herrscht oft ein starkes Ungleichgewicht von
Trennen und Zusammenführen, Loslassen und Binden und Abschaffen und Hinzufügen.
Diese Ungleichgewichte führen zu Blockaden und reduzieren die Durchlässigkeit für Ideen und Informationen (Verstopfungen). Weitere Folgen sind negativ angelegte Konflikte und Abkapselungen (Siloorganisation). Dies hat aber erkennbare Ursachen. Zusammenführen, Binden und Hinzufügen sind Tätigkeiten, die sich mit Wachstum verbinden, Teile der üblichen Planungen sind und auf welche sich primär die Ausbildungen der Führungskräfte beziehen. Sie fördern das Hineingehen in die Falle des „additiven Wandels“. „Beim Aufstieg (Wachstum, erg. d. d. Verf.) wird nicht an den meist unvermeidlich folgenden Abstieg gedacht. … Die Folgen sind zahlreiche Abstürze, die bei einem vorausschauenden Denken und Handeln weitgehend vermeid-
Unternehmensqualität
165
bar gewesen wären.“ Der vermehrte Erwerb der Fähigkeiten des Trennens, Loslassens und Abschaffens, die leider nur wenig ausgeprägt vorhanden sind, könnte einen sehr wesentlichen Beitrag zum Hinausschieben und Vermindern der negativen Auswirkungen von Abstiegen und Abstürzen leisten. Vermeidbar sind auf lange Sicht beide jedoch nicht, denn der Mensch ist nicht allwissend und allmächtig. 6.1.3 Wechsel in die Aggressionszone Unternehmen oder Teile von Unternehmen aus allen Energiezonen wechseln von Zeit zu Zeit zur Behebung von Erfolgs- und Misserfolgsschäden in die Aggressionszone. Dieser Wechsel erfolgt zum Teil auf Grund von autonomen Entscheidungen des Managements und zum anderen Teil ausgelöst durch einen starken Druck von außen. In der Aggressionszone vordringlich zu treffende Maßnahmen sind der Abbau von Altlasten und die Verbesserung der Beweglichkeit. Auf Grund des hohen Drucks dominieren negative Gefühle. Tempo, rasche Diagnosenotwendigkeit und Entscheidungen bei einer meist schlechten Datenlage kennzeichnen die Anforderungen an das Management in der Aggressionszone weiter. Dass dabei freiwillige durch erzwungene Zusatzleistungen in einem wesentlichen Ausmaß substituiert werden müssen, ist augenscheinlich. Für Personen, die immer schon mehr leisten wollten, aber bisher blockiert wurden, ist die Zeit für die Erbringung von freiwilligen Zusatzleistungen gekommen, da sie nunmehr mehr leisten dürfen, als sie müssen. Insgesamt liegt der Wert für freiwillige Zusatzleistungen in der Aggressions- gegenüber der Komfortzone um 0,39 Punkte niedriger. Ähnlich kann für die Variable Strategie argumentiert werden. Die Differenz von deren Ausprägungen in der Komfort- und Aggressionszone beträgt zu
Risak, J. (2003a): Gedanken zur Endlichkeit, in: Risak, J. (2003), S. 81.
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Gunsten der Komfortzone 0,47 Punkte. Die Dringlichkeit zur Lösung von akuten Problemen erlangt in der Aggressionszone eine besondere Bedeutung. Die Gelassenheit für eine Strategiearbeit mit Tiefgang fehlt in der Aggressionszone weitgehend. Erst mit der Lösung der akuten Probleme können die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Es geht in der Aggressionszone um plausible und weniger um stark datenfundierte klare Ausrichtungen. Diese sind mit dem Leitstern Hoffnung zu verbinden, um damit, in Kombination mit sichtbaren operativen Erfolgen, das Vertrauen der wesentlichen Anspruchsgruppen, das schon weitgehend verloren gegangen ist, wieder aufbauen zu können. 6.1.4 Innovation Auffällig ist, dass die Werte für die Gestaltungsvariable Innovation trotz der wesentlichen Unterschiede bei den freiwilligen Zusatzleistungen und der Strategie nur eine geringe Differenz von 0,13 Punkten aufweisen. Bewirkt wird dies wahrscheinlich durch eine annähernd gleich bewertete autonome Energetisierung, bessere Trennungsfähigkeit und -willigkeit in der Aggressionszone, durch welche die geringeren Bewertungen bei den freiwilligen Zusatzleistungen und der Strategie kompensiert werden. Werden die autonome und durch Druck von außen stammende negative Energetisierung zusammen berücksichtigt, dann bewegt sich in der Aggressionszone mehr als in der Komfortzone. Aus dieser Betrachtung erscheinen Unternehmen in der Komfortzone zwar aktuell pekuniär erfolgreicher als in der Aggressionszone, in Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen passiert aber in der Aggressionszone mehr. In dieser wird an der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen aktiv gearbeitet, während es in der Komfortzone in der breiten Mitte viele Krisenverweigerer gibt, welche weiter Alt-
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lasten produzieren und damit die Beweglichkeit von Unternehmen weiter, oft ungestört, einschränken. Nach der Besprechung der breiten Mitte wendet sich die Aufmerksamkeit im nächsten Punkt der Leidenschaftszone zu. 6.2 Leidenschaftszone Der Mittelwert im Bereich Trennen von Personal weist kaum Unterschiede zu jenem in der Aggressionszone auf (3,07 vs. 3,18 = mittelmäßig). Der diesbezügliche Wert stürzt in der Komfortzone auf 4,59 (schlecht) ab. Dieser ist charakteristisch für die Komfortzone. Bei allen anderen Gestaltungsvariablen sind die Mittelwerte in der Leidenschafts- wesentlich besser als in der Aggressions- und Komfortzone. Diese Unterschiede berechtigen zu der Feststellung, dass die Unternehmen in der Leidenschaftszone anders agieren als in der Aggressions- und Komfortzone. Dieses Anderssein drückt sich in der Bewertung der Leadership mit 2,0 (gut) in der Leidenschaftszone und 2,90 in der Aggressions- und 3,0 (mittelmäßig) in der Komfortzone sehr deutlich aus. Dieser Unterschied spiegelt sich besonders in der Bewertung der Variablen Energetisieren (2,0 (gut) vs. 3,08 bzw. 2,97 (mittelmäßig)) und freiwilligen Zusatzleistungen (1,81 (gut) vs. 2,98 bzw. 2,59 (mittelmäßig)) wider. Der Mix von Stimmung und Energiefluss ist ein anderer. Dieser macht die Unternehmen in der Leidenschaftszone sowohl intern als auch extern so attraktiv. Es gelingt diesen sich mit der Qualität und der Leistungswilligkeit des Personals von den anderen drei Energiezonen deutlich zu differenzieren. Diese Differenzierung ist nur schwer und dann nur über längere Zeiträume einholbar (komplexer Wettbewerbsvorteil).
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6.3 Resignationszone In dem Mittelwert der Mittelwerte ihrer Gestaltungsvariablen unterscheidet sich die Resignationszone gleich deutlich, wenn auch nach unten, wie die Leidenschaftszone von jenen der Aggressions- und Komfortzonen nach oben:
Leidenschaftszone gut (2,11), Aggressions- und Komfortzone mittelmäßig (2,91 bzw. 2,97) und Resignationszone schlecht (3,86).
Bei den freiwilligen Zusatzleistungen stürzt die Bewertung auf 4,05 (schlecht) um 1,46 Punkte gegenüber der Komfortzone ab. Dieser Absturz, wenn auch weniger deutlich ausgeprägt, erfolgt bei dem Energetisieren (-1,19) und der Attraktivität für Personal (-1,23). Der Hauptfaktor für positive Veränderungen, das Personal, findet kaum mehr Voraussetzungen vor, um sich für problemlösende Leistungen zu motivieren. Die Verantwortlichen für die Schaffung der Voraussetzungen, die Vertreter des Managements, werden mit schlecht (3,89) bewertet. Die Feststellung, dass aus dieser Zone, wenn überhaupt, nur sehr schwer mehr herauszukommen ist, wird daher kaum überraschen. 7 Spitzenunternehmen innerhalb der Leidenschaftszone Bei der Suche nach Spitzenunternehmen wurde der Cluster Leidenschaftszone in zwei Cluster, ebenfalls wieder mit der gleichen Clustermethode aufgeteilt. Die nachfolgende Abbildung zeigt das Ergebnis der Aufteilung.
Unternehmensqualität
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Teilung der Leidenschaftszone in zwei Cluster Variablen
MW* Cluster 1
MW* Cluster 2
Energetisieren Freiwillige Zusatzleistungen Innovationen Trennen von Personal Strategie Leadership Attraktivität für Personal Anteile an 115 Datensätzen
2,00
2,00
1,74
2,00
2,00
1,75
3,74
1,50
1,68
1,50
2,00
2,00
1,95
2,50
19,1%
4,4%
Abbildung 5: Aufteilung der Leidenschaftszone in zwei Cluster Quelle: eigene Darstellung
Die Unternehmen im Cluster 2 haben einen Anteil an der Gesamtheit der untersuchten Unternehmen von 4,4 Prozent und jene des Clusters 1 von 19,1 Prozent. Von den 115 betrachteten Unternehmen konnten auf Grund der Ergebnisse der Clusteranalysen nur 5 als Spitzenunternehmen herausgefiltert werden. Was macht nun den großen Unterschied zwischen den beiden Clustern aus? Auf den ersten Blick ist jene Variable zu erkennen, welche den markantesten
Unterschied bei den Mittelwerten zwischen den beiden Clustern aufweist. Es ist die Variable Trennen von Personal, die schon bei der Betrachtung der Unterschiede zwischen der Komfort- und Aggressionszone aufgefallen ist. Der
Unterschied beträgt 2,24 Punkte. Daraus ist zu ersehen, dass Unternehmen schon in der Leidenschaftszone gravierende Defizite im Personalflussmana-
170
Johann Risak
gement aufweisen, die deren Entwicklung behindern und starke Abwanderungen der Unternehmen in die Komfort- und Aggressionszone verursachen. So gesehen wurde mit der Auftrennung ein Schlüsselindikator für die Gestaltung und Bestimmung des Annäherungsgrades an die gute Unternehmens-
qualität erkannt. Außer bei der Variablen Attraktivität für Personal ist keine wesentliche Abweichung zwischen den beiden Clustern zu erkennen. Die höhere Attraktivi-
tät für Personal im Cluster 1 gegenüber dem Cluster 2 in dem Ausmaß von 0,45 Punkten kann zu Enttäuschungen der Angezogenen führen, da sie beachtliche Entwicklungsblockaden vorfinden werden. Dies führt in überge-
ordneter Betrachtung zu Fehlallokationen von Personal zu Unternehmen. Dieses Problemfeld wird vom Autor im eingangs erwähnten Forschungsprojekt vertiefend untersucht. Nach der
Konfrontation der angestrebten Vision (gute Unternehmensqualität) mit der Realität Vorstellung des Modells der Energiezonen Erkundung der Dynamik der Besetzung der Energiezonen durch Unternehmen Diskussion von ausgewählten Inhalten der Energiezonen und der Differenzierung der Inhalte der Leidenschaftszone
wird aufbauend auf die bei dieser Erarbeitung gewonnenen Ein- und Durchblicke auf die schon in den Vorbemerkungen erwähnten Triangel für das Management der Unternehmensqualität eingegangen.
Vgl. Rachbauer, S./Scherr, M./Risak, J. (2003): Personalflussmanagement, in: Risak, J.: Der Impact Manager, Wien, S.231-245.
Unternehmensqualität
171
8 Triangel der Leadership zur Gestaltung der Unternehmensqualität Wir wollen die Überlegungen in diesem Punkt auf die Bewegungen zwischen den Energiezonen Leidenschaft, Aggression und Komfort einengen. Damit wird der Bereich Sanierungen (Resignationszone) vorerst ausgeklammert und späteren Überlegungen im eingangs erwähnten Forschungskonzept vorbehalten. Nachstehende Abbildung kennzeichnet den Überlegungsbereich und die Bewegungen zwischen den Energiezonen.
Abbildung 6: Triangel der Energiezonen Quelle: eigene Darstellung
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Johann Risak
Der der Abbildung zu Grunde liegende Gedanke ist, dass die Bewegung im
Bereich des hoch intensiven Energieflusses auf der Betrachtungsebene Unternehmen als anstrebenswert anzusehen ist und dass sich Unternehmen möglichst wenig im Bereich des wenig intensiven Energieflusses bewegen sollen. Das heißt, dass Unternehmen sich dominant mit interner Energieaufbringung, also durch Zug (Sog) agieren und weiterentwickeln sollen. Da Unternehmen und deren Führungskräfte nicht allwissend und allmächtig sind, ist es notwendig, auch die Fähigkeit zur Energieaufbringung durch inneren oder äußeren Druck ergänzend zu entwickeln und zur Wirkung zu bringen. Beide Aufbringungen sind als Potential einsatzbereit vorzuhalten, weiterzuentwi-
ckeln und den jeweiligen Anforderungen entsprechend gewichtet einzusetzen. Die Stärke der Pfeile in der Abbildung drückt die Intensität der Bewegungen zwischen den Energiezonen aus, die auf Grund der bisher erarbeiteten Ergebnisse als anstrebenswert angesehen wird. Die starken wechselseitigen Bewe-
gungen zwischen der Leidenschafts- und Aggressionszone weisen auf die starke Notwendigkeit der Befreiung von Altlasten und der Wiederherstellung der Beweglichkeit, die immer wieder gegeben ist, hin. Ursachen dafür gibt es viele, wie z. B.: Unachtsamkeit, Übermut, Mangel an Disziplin, abnehmende Beweglichkeit, Fehlannahmen, abnehmende Attraktivität, Verlust von Begeisterung, Unstimmigkeiten von Leistung und Gegenleistung usw. Erfolgt nicht rechtzeitig ein Wechsel zum Abbau von Altlasten und der Wie-
derherstellung der Beweglichkeit in die Aggressionszone, dann bewegt sich das Unternehmen vorerst durch unerkannten Abbau der Leidenschaft, dann durch erkannten Abbau der Leidenschaft, verbunden mit oft wenig wirkungsvollen Versuchen der Rückkehr zur Leidenschaft, schließlich in die Komfortzone hinein. Diese vermittelt am Beginn noch immer ein Sicherheits- und Annehmlichkeitsgefühl. Je nach dem schon erreichten Grad des Abstiegs
Unternehmensqualität
173
kann durch Offenlegung der sich unerfreulichen Entwicklung im Unternehmen eine Bewegung Richtung Leidenschaftszone erfolgreich erfolgen oder es wird eine rücksichtsarme Offenlegung der Situation und Bewegung durch internen Druck in die Aggressionszone erforderlich. Reicht dieser interne Druck nicht dazu aus, dann ist ein externer Krisendruck zusätzlich für einen Wechsel in die Aggressionszone, verbunden mit einer noch rücksichtsärmeren Offenlegung der Situation, erforderlich. In der Aggressionszone wird es jedoch nicht immer gelingen, die von der Leidenschaftszone bzw. Komfortzone kommenden Unternehmen wieder nach einer Altlastenreduktion und Wiederherstellung der Beweglichkeit in die Leidenschaftszone zu bewegen. Gelingt dies nicht, dann wechseln sie, sieht man von dem Weg (siehe vorher) in die Resignationszone ab, in einen höheren Bereich der Komfortzone über. Aus diesen Beschreibungen lässt sich ein Triangel der Leadership-Mandate zur Gestaltung der Unternehmensqualität unter Einbeziehung von zwei Literaturstellen herausarbeiten. Nachfolgende Abbildung zeigt den Triangel für die Leadership zur Gestaltung der Unternehmensqualität.
174
Johann Risak
Abbildung 7: Triangel der Leadership zur Gestaltung der Unternehmensqualität Quellen: Lawrence J. Stybel und Maryanne Peabody (2007) und Johann Risak und Andrea Iro (2007))
Lawrence J. Stybel und Maryanne Peadbody beschreiben diese Mandate wie folgt:
“A Good to great mandate is essentially this: We´ve been doing fine, but we can – and need to – do even better.” “Continuity means business as usual: carrying on policies, procedures and strategies.” “Turnaround means dramatic changes are necessary: No business process, job or strategy is sacred.”
Stybel, L. J./Peabody, M. (2006): Beware the Stealth Mandate, in: MIT Sloan Management Review, Spring, S. 11-14.
Vgl. Risak, J./Iro, A. (2007): Dynamischer Mix der Archetypen Entrepreneur, Manager und Leader ein Erfordernis der Zeit, in: Raich, M./Pechlaner, H./Hinterhuber, H. H.: Entrepre neurial Leadership, Wiesbaden, S. 3-20.
Stybel, L. J./Peabody, M. (2006), S. 11.
Unternehmensqualität
175
Diese Beschreibungen weisen eine große Nähe zu den Energiezonen Leidenschaft, Aggression und Komfortzone und den Entwicklungspfaden Erneuerer, Optimierer und Absteiger
auf. Wenn sich die Anforderungen wesentlich verändern, ist für ein wirkungsvolles Gestalten der Unternehmensqualität das Leadership-Mandat neu zu begründen und auszuformulieren. Hier zeigt sich, dass es immer wieder notwendig ist, sich auf den Kern des Qualitätsbegriffes – den jeweiligen Anforderungen entsprechend – zu besinnen. Geschieht das nicht, dann ergeben sich
Wirkungsabschwächungen in den Bereichen der Gestaltungshebel Energetisieren, Selbstgestaltungsraum halten und erweitern und Ausrichten. Mit dem Verlust an Klarheit in der Ausrichtung kommt es auch zu einem Abbau der
Konsequenz des Tuns, da für die Erfüllung der Aufgabe Konsequenz eine beharrliche und folgerichtige Annäherung an definierte Ziele erforderlich ist. Aus den bisher angestellten Überlegungen wissen wir, dass ein Fortsetzen nur für kürzere Zeiträume, meist in Übergangszeiten, sinnvoll scheint. Dahinter verbirgt sich nämlich die Zielsetzung „Gut genug“, die schon über mittlere Zeiträume zu einem „Nicht gut genug“ und damit zu einer Rückentwicklung mit all den damit verbundenen negativen Folgen führt. Für den Erfolg über längere Zeiträume ist ein Streben nach Exzellenz, wir nennen es hier gute Unternehmensqualität, erforderlich. Im bereits mehrfach angesprochenen Forschungsprojekt wird die Perspektive Qualität als eine der neun Schlüsselperspektiven untersucht.
Vgl. Risak, J. (2007), S. 15. Vgl. www.qualityaustria.co/index.php
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Mit diesem Punkt wurde der Kreis der Betrachtungen geschlossen und es verbleibt noch die den Beitrag abschließende Zusammenfassung, verbunden mit ersten Handlungsempfehlungen.
9 Zusammenfassung und Handlungsempfehlung Dem Beitrag liegt die These zu Grunde, dass gute Unternehmensqualität die
ultimative Vision für Unternehmen darstellt. Diese umfassende und sehr anspruchsvolle Sicht will in der Umsetzung der Vision Voraussetzungen schaffen, damit sich Unternehmen konsequent dieser guten Qualität annähern können und auch annähern, bzw. nach Rückfällen diese immer wieder konsequent anstreben. Eine Konfrontation dieser ultimativen Vision mit der Realität zeigte aber, dass noch eine sehr große Kluft zwischen der anzustrebenden und der vorgefundenen Qualität besteht. Rund 45 Prozent der großen österreichischen Unternehmen befinden sich in einer wenig oder nicht erstre-
benswerten Position. Könnte es gelingen diesen Prozentsatz wesentlich zu reduzieren, dann könnte dies die Wettbewerbsfähigkeit der großen Unternehmen wesentlich erhöhen und das Bild der Unternehmenslandschaft Österreichs wesentlich verbessern. Positiv betrachtet wurde in diesem Beitrag das Chancenfeld gute Unterneh-
mensqualität von der Größenordnung als hoch interessant erkannt, als Quell für die Steigerung der Performance qualifiziert und in einer ersten Annäherung auch quantifiziert. In der österreichischen Unternehmenslandschaft wurde eine starke Zunahme und weiter zunehmende Intensität des Energie-
flusses und des Wechsels von Positionen festgestellt. Die Unternehmen bewegen sich oder werden aus der Komfortzone hinaus bewegt. Nachlässigkeit,
Vgl. Abb. 1. Vgl. Abb. 3.
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177
Unaufmerksamkeit, Bequemlichkeit, Selbstüberschätzung, Krisenverweigerung usw. werden immer mehr aufgedeckt und pönalisiert werden. Nur wenige Spitzenunternehmen, die nur 4,4 Prozent der betrachteten Unternehmen ausmachen, bewegen sich im Nahbereich der guten Unternehmens-
qualität. Darunter, noch immer in der Leidenschaftszone, machen sich die Unfähigkeit und Unwilligkeit zum Aufbauen eines auf die gute Unternehmensqualität ausgerichteten Personalflussmanagements bereits stark bemerkbar. Die Fähigkeit und Willigkeit zum Trennen von Personal, das den Anforderungen nicht entspricht, nähert sich der Bewertung schlecht (3,74) an. Der Referenzwert bei Trennen von Personal beträgt bei den Spitzenunternehmen (1,50). Nur in den Spitzenunternehmen wird die Leadership als gut bewertet. Diese wird für die Aggressions- und Komfortzone mit mittelmäßig und für die Re-
signationszone mit schlecht eingeschätzt. So wie sich die Leidenschafts- und Resignationszone in der Gesamtbewertung klar von der Aggressions- und Komfortzone im positiven bzw. negativen Sinn unterscheiden, ist dies auch bei der Leadership der Fall. Es darf begründet vermutet werden, dass hier zahlreiche Unklarheiten betreffend der Verantwortlichkeiten bestehen. Jemand ist für etwas verantwortlich, wenn
er weiß, was er tun soll, oder dies begründet vermuten kann, weiß, wo er steht, und die Differenz zwischen dem Soll und Ist beeinflussen kann.
Vgl. Abb. 5. Vgl. Rachbauer, S.(Scherr, M./Risak, J.: Personalflussgestaltung (2003), S. 231 ff.
Vgl. Abb. 4.
Vgl. Abb. 6.
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Die Begründung von klaren Verantwortlichkeiten setzt eine gute Datenlage betreffend des Istzustandes des Unternehmens, Kenntnisse über den anzustrebenden Sollzustand (Leadership-Mandat) und Personen voraus, die in der Lage sind, die Annäherung sowie die Aktualisierung beider voranzutreiben. Zum Vorantreiben der Annäherung des Ist- an den Sollzustand und der Aktualisierung beider sind die Eigentümer, die Aufsichtsräte und die von diesen bestellten Mitglieder von Vorständen und Geschäftsführungen berufen. Die Handlungsempfehlung, die aus diesem Beitrag resultiert, lautet, dafür Sorge zu tragen, dass die zur Führung von Unternehmen Berufenen für sich selbst und für die ihnen direkt verbundenen Führungskräfte die Vorausset-
zungen schaffen, dass sie selbst und ihre Führungskräfte ein verantwortlich agierendes Unternehmen begründen und im Sinne der guten Unternehmensqualität weiterentwickeln. Begonnen werden soll mit einer weitgehend rücksichtslosen Beschreibung des Istzustandes. Meist beginnt dann schon von selbst die Bewegung in Richtung gute Unternehmensqualität, die aber aufmerksam und wirkungsvoll begleitet werden muss, um Rückfälle auf ein Mindestmaß reduzieren zu können. Was bedeutet dies konkret? Die zur Führung berufenen Personen sollten sich immer wieder im Planungszyklus und anlassbezogen vor jeder großen Entscheidung die Verantwortung begründenden Fragen
„was sie tun sollen, wo sie und der ihnen treuhändig zur Gestaltung übertragene Bereich (z. B. Konzern, Unternehmen, Geschäftsbereich, Betrieb, Abteilung) stehen und ob sie in der Lage sind den Erwartungen entsprechend den Ist- an den
Vgl. Abb. 7. Vgl. Risak, J. (2006): Einlassensverantwortung der Eigentümer und Corporate Governance, in: ReportPlus, Heft 6, S. 46.
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Sollzustand wirkungsvoll anzunähern“
stellen, beantworten und dementsprechend handeln. Der „Selbstaufbruch“ mit der Vision gute Unternehmensqualität,
der oft schmerzhaft und mühsam sein wird, aber auf Sicht Freude und Begeisterung aufkommen lassen soll und wird, schiebt Abstiegsbewegungen hinaus, schafft Voraussetzungen für einen Wiederaufstieg und auf längere Sicht einen möglichen Durchbruch zu einem Spitzenunternehmen.
Eine Garantie gibt es dazu nicht, denn auch das Risiko des Absturzes gehört zum Unternehmertum.
Risak, J. (2007): Was ist mein Managementauftrag? in: ReportPlus, Heft 9, S.48. Vgl. McFarland, K. R. (2009): Der Durchbruch Wie Gute Firmen zu Spitzenunternehmen werden, München 2008.
Leadership-Kompetenzen in Krisensituationen Anita Zehrer, Claudia Mössenlechner
1
Einleitung......................................................................................... 182
2
Theoretischer Hintergrund ............................................................... 182
2.1
Krisenmanagement als Führungsaufgabe ........................................ 185
2.2
Leadership-Kompetenz im Krisenmanagement ............................... 187
3
Empirische Studie ............................................................................ 190
3.1
Methode ........................................................................................... 191
3.2
Ergebnisse........................................................................................ 194
4
Limitationen..................................................................................... 207
5
Zusammenfassung und Ausblick ..................................................... 208
Literaturverzeichnis......................................................................................209
182
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
1 Einleitung Der moderne Tourismus ist aufgrund von Strukturveränderungen, politischen und ökonomischen Krisen sowie aufgrund von klimatisch bedingten Veränderungen seit geraumer Zeit im Umbruch. Negative Ereignisse, Krisen und Katastrophen stellen die Tourismuswirtschaft vor große strategische und operative Herausforderungen (vgl. Glaeßer, 2005). Ein wichtiges Ziel im Krisenmanagement ist die Entkoppelung der Wahrnehmung der Krise von der Wahrnehmung des touristischen Produkts. Die im Zeitfenster der Krise notwendigen Entscheidungen und Handlungen setzen bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen der handelnden Führungskraft voraus, wie etwa die Fähigkeit zur überzeugenden und klaren Kommunikation in Verbindung mit einer konsequenten Zielorientierung, Sensibilität und Empathie, sowie das Vermögen der Transparenz und Aufgabendelegation (vgl. Raich, 2005; Hinterhuber, 2003). Die Schnittstelle dieser Kompetenzen für die grundsätzliche, erfolgreiche Bewältigung von Führungs- und Managementaufgaben im Sinne der Erfüllung von Aufgabenstellungen und Funktionen mit komplexem Charakter im Krisenmanagement kann als Leadership-Kompetenz bezeichnet werden. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es Leadership-Kompetenzen als Schnittstelle von Fach- und Methoden-, sozial-kommunikativen, personalen und Aktivitäts- und Handlungskompetenzen für Krisensituationen im Tourismus zu identifizieren und deren Gewichtung in der Wahrnehmung möglicher Beteiligter zu untersuchen.
2 Theoretischer Hintergrund Strukturveränderungen, eine immer größere Konkurrenzdichte touristischer Unternehmen sowie Fusionierungsbestrebungen prägen in den letzten Jahren die Tourismuswirtschaft. Naturkatastrophen, Klimawandel, weltpolitisch und weltwirtschaftlich beeinflusste Ereignisse verschärfen das Klima in einer Branche, der volkswirtschaftlich in vielen Ländern höchste Bedeutung zu-
Leadership-Kompetenzen
183
kommt, zählt sie doch zu den wichtigsten Einkommens- und Devisenquellen in manchen Regionen (vgl. Glaeßer, 2005a). Direkte und indirekte Auswirkungen dieser negativen Ereignisse auf das touristische Unternehmen sind erheblich und erfordern daher eine systematische Betrachtung, der Leadership-Fähigkeiten und Kompetenzen von Führungskräften, stellen diese doch die aktive task-force für künftige unternehmerische Handlungsspielräume dar. Für eine systematischere Betrachtungsweise ist es eingangs notwendig, den Begriff der Krise von dem eines ‚negativen Ereignisses’ und dem der ‚Katastrophe’ abzugrenzen. Dies scheint vor allem vor dem Hintergrund sinnvoll, als dass alle drei Begrifflichkeiten in der Literatur nicht immer einheitlich verwendet werden. Es sei an dieser Stelle vermerkt, dass sich in der Literatur weitere Ausdifferenzierungen für den Krisenbegriff finden, diese aber über ihre einzelnen Merkmale (z. B. ‚potentiell’, ‚latent’, ‚akut’ um nur einige zu nennen) in die im Folgenden aufgeführten Definitionen eingeordnet werden können.
Negative Ereignisse werden üblicherweise als „die Gesamtheit der Vorkommnisse aus dem Umfeld der Organisation bzw. Destination definiert, die in ihrer Art geeignet sind, nachhaltigen Schaden (…) anzurichten“ (Glaeßer, 2005a, S. 32). Unter Krise wird ein „nicht gewollter, außergewöhnlich, häufig plötzlich einsetzender und zeitlich begrenzter Prozess mit ambivalenten Entwicklungsmöglichkeiten“ verstanden, welcher „...eine unmittelbare Entscheidung und Handlung der betroffenen Organisation erfordert...“ (Glaeßer, 2005, S. 30). Zudem hat jede Krise innewohnendes Potential, die internen und externen Strukturen einer Organisation zu schädigen (vgl. Ashcroft, 1997). Die Katastrophe hingegen grenzt sich laut Glaeßer klar von der Krise
184
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
ab, indem sie als „Konsequenz von negativen Ereignissen [zu sehen ist] die im Gegensatz zur Krise einen eindeutig unabwendbaren Ausgang hat“ (Glaeßer, 2005b, S. 19). Es ist wichtig hervorzuheben, dass die hier verwendeten Abgrenzungen des Krisenbegriffes auch immer eine Chance zur kontextbezogenen positiven Handlung beinhaltet, sei es in der Ablauforganisation zur Bewältigung der Krise oder im präventiven Handhaben der Variablen, die eine Krise auslösen können (vgl. Born, 2005; Glaeßer, 2005b). Der Katastrophe hingegen fehlt dieser Aspekt der Entwicklung. Dies scheint besonders für den touristischen Kontext relevant, da es speziell hier oft zu Verquickungen im Sinne eines gleichzeitigen Auftretens von Katastrophe und Krise kommt (vgl. Glaeßer, 2005b). So kann etwa das Auftreten einer Naturkatastrophe gleichzeitig zu einer schweren Krise in den touristischen Unternehmen der betroffenen Destination führen. Dies stellt Führungskräfte auf oberer und mittlerer Führungsebene vor große operative und strategische Herausforderungen. Zum einen müssen sie das Unternehmen aus einer kritischen Phase lenken und Unternehmensziele im Auge behalten, zum anderen aber auch in der akuten Krisenphase so nach außen kommunizieren und agieren, dass das touristische Produkt und die touristische Marke an sich nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Ein wichtiges Ziel des Krisenmanagements im Tourismus ist es demnach, die Wahrnehmung der Krise oder eines negativen Ereignisses von der des Produktes zu ‚entkoppeln’. Dies erfolgt im Wesentlichen durch aktives Krisenmanagement, das sich im besonderen Maße auch mit der Kommunikation nach innen (im Unternehmen) und nach außen (über die Medien) befasst. Zieht man die Unmittelbarkeit und den zeitlichen Druck einer akuten Krisensituation in Betracht, wird schnell klar, dass dies unter betroffenen Führungskräften in kleinen und mitt-
Leadership-Kompetenzen
185
leren touristischen Unternehmen (KMU Betriebe) zu einem enormen Druck führen kann, wohingegen sich große Unternehmen für die aktive Kommunikationsarbeit PR-Agenturen leisten können, die sie bei der Krisenbewältigung nach außen unterstützen.
2.1 Krisenmanagement als Führungsaufgabe Sieht man aktive Kommunikation als wesentlichen Bestandteil des Krisenmanagements und betrachtet man die Wirkung, die z. B. netzbasierte Formen der Kommunikation auch auf die externe, oft fast zeitlich synchrone Wahrnehmung der Krise durch die Medien haben, so wird relativ schnell ersichtlich, dass den an diesem Kommunikationsprozess Beteiligten eine bedeutende Rolle zukommt. Betrachtet man Krisenmanagement als Institution, die sich mit dem funktionalen Management der Krise befasst, so sind es im Speziellen jene Personengruppen, die als aktive ‚task-force’ für die Aktivitäten innerhalb des Krisenmanagements verantwortlich sind, die ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Da es sich bei einer akuten Krise in einem Unternehmen um Ereignisse handelt, die die materiellen und immateriellen Ressourcen des Unternehmens empfindlich beeinflussen können, wird ersichtlich, dass es sich hier um eine
strategische Führungsaufgabe handelt, die zumindest im Kern von der obersten Unternehmensebene gesteuert wird. Die Literatur unterscheidet dabei zwischen ‚präventivem’ und ‚bewältigendem’ Krisenmanagement (vgl. bspw. Pechlaner & Glaeßer, 2005). Born (2005, S. 98) erkennt drei klare Phasen der Kommunikation im Zusammenhang mit der Krisenbewältigung: die Phase
vor, während und nach der Krise (siehe Tabelle 1).
186
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
Kommunikationsphase im Zusammenhang mit Krisenbewältigung Vor der Krise: Vertrauensvolle Basis schaffen für die Zusammenarbeit während der Krise Akute Krisenphase: Sofortige (möglichst unaufgeforderte) Kontaktaufnahme mit der Presse; Weichen für die Meinungsführerschaft werden oft innerhalb der ersten 30 Minuten nach Bekanntwerden der Krise gestellt Versuch, Schadensbegrenzung zu betreiben Horrormeldungen (…) vermeiden Nach der Krise: Schlusspunkt für die Krise setzen z. B. durch abschließende Pressekonferenz Von der passiven PR möglichst schnell wieder in die aktive PR kommen
Tabelle 1: Kommunikationsphasen im Zusammenhang mit Krisenbewältigung Quelle: Born, 2005, S. 98
Auch wenn die oben angeführten Kommunikationsmaßnahmen ein wichtiges Kerngebiet des Krisenmanagements darstellen, muss die Führungskraft sicherstellen, dass das laufende operative Geschäft möglichst unbehelligt bleibt und auch hier operative Handlungsfelder unter Umständen kurzfristig umstrukturieren. Dies erfordert inhaltliches und strategisches Fachwissen, welches letztlich Basisanforderung für erfolgreiches Krisenmanagement ist. Zusammengefasst heißt das, dass die Führungskraft auf mehreren Ebenen des Krisenmanagements schnell und strategisch agieren muss.
Leadership-Kompetenzen
187
2.2 Leadership-Kompetenz im Krisenmanagement Die im Zeitfenster der Krise notwendigen Entscheidungen und Handlungen setzen bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen der zuständigen Personen voraus, wie etwa die Fähigkeit zur überzeugenden und klaren Kommunikation in Verbindung mit einer konsequenten Zielorientierung, Sensibilität und Empathie, sowie das Vermögen der Transparenz und Aufgabendelegation (vgl. Raich, 2005; Hinterhuber, 2003). Der Umgang mit Ungewissheiten und schnellen Veränderungen benötigt die Fähigkeit, selbstorganisiert zu handeln. Kompetenzen lassen sich somit als Dispositionen (Fähigkeiten, Möglichkeiten, Bereitschaften, ...) zu einem solchen selbstorganisierten Handeln definieren, womit sich auch der Unterschied zur Qualifikation ergibt. Diese wird vor allem in vom selbstorganisierten Handeln abgetrennten, normierbaren Situationen sichtbar (vgl. Erpenbeck & von Rosenstiel, 2007). Kompetenzen kennzeichnen die Fähigkeiten eines Menschen, eines Teams, eines Unternehmens oder einer Organisation, in Situationen mit unsicherem Ausgang sicher zu handeln. Grundsätzlich unterscheidet die Literatur folgende Basiskompetenzen (Erpenbeck & von Rosenstiel, 2007, S. 12; Steinmann & Schreyögg, 2000, S. 20f):
Fach- und Methodenkompetenzen: Fähigkeit, arbeitsbezogene Herausforderungen mit fachlichem und methodischem Wissen zu bewältigen. Sozial-kommunikative Kompetenzen: Fähigkeit, sich aus eigenem Antrieb mit anderen zusammen- und auseinander zu setzen, kreativ zu kooperieren und zu kommunizieren. Personale Kompetenzen: Fähigkeit, sich selbst gegenüber reflektiert und kritisch zu sein, produktive Einstellungen, Werthaltungen und Ideale zu entwickeln. Aktivitäts- und Handlungskompetenzen: Fähigkeit, alles Wissen und Können, alle Ergebnisse sozialer Kommunikation, alle persönlichen Werte und Ideale auch willensstark und aktiv umsetzen zu können und dabei alle anderen Kompetenzen zu integrieren.
188
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
Die hier angeführten Basiskompetenzen umreißen Selbstorganisationsdispositionen, die auf Fähigkeiten beruhen. Fähigkeiten sind die „zur Ausführung einer Tätigkeit oder Handlung erforderlichen inneren psychischen Bedingungen und (…) lebensgeschichtlich unter bestimmten Anlagevoraussetzungen erworbene Eigenschaften“ (Erpenbeck & von Rosenstiel, 2007, S. 36). Die Fähigkeit zu Handeln ergibt sich über die jeweilige Basiskompetenz und in Bezug auf den Umgang mit Objekten, mit anderen Personen, mit sich selbst als Person und in der eigenen Handlungsausführung (siehe Tabelle 2).
Dimension / Basiskompetenz
Definition
Beispiele
... den Umgang mit Objekten
Fach- und Methodenkompetenz
... ist die Fähigkeit, arbeitsbezogene Herausforderungen mit fachlichem und methodischem Wissen zu bewältigen.
Aktualisierung und kontinuierliche Weiterentwicklung fachspezifischen und methodischen Knowhows – in Relation zu den Berufsfeldern
... den Umgang mit anderen Personen
sozial-
... ist die Fähigkeit, sich aus eigenem Antrieb mit anderen zusammen- und auseinander zu setzen, kreativ zu kooperieren und zu kommunizieren.
z.B. Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, Beziehungsmanagement
... sich selbst als
personale
Person
Kompetenz
... ist die Fähigkeit, sich selbst gegenüber reflektiert und kritisch zu sein, produktive Einstellungen, Werthaltungen und Ideale zu entwickeln.
z.B. Umgang mit Belastungen / Stress / Hektik; Selbstmanagement / Steuerung der Eigenmotivation / Einsatzbereitschaft, Glaubwürdigkeit, Loyalität; Einstellung und Fähigkeit zum lebenslangen Lernen
Fähigkeit (Disposition) zur Selbstorganisation des Handelns in Bezug auf...
kommunikative Kompetenz
Leadership-Kompetenzen Fähigkeit (Disposition) zur
189
Dimension / Basiskompetenz
Definition
Beispiele
Aktivitäts- und
... ist die Fähigkeit, alles Wissen und Können, alle Ergebnisse sozialer Kommunikation, alle persönlichen Werte und Ideale auch willensstark und aktiv umsetzen zu können und dabei alle anderen Kompetenzen zu integrieren.
z.B. Umsetzungsbereitschaft und -fähigkeit, Innovationsfreude, Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit, Führungskompetenz
Selbstorganisation des Handelns in Bezug auf... ... die eigene Handlungsausführung
Handlungskompetenz
Tabelle 2: Definition der Basiskompetenzen Quelle: eigene Darstellung, Daten entnommen aus Erpenbeck & von Rosenstiel, 2007, S. 12ff
Auch wenn die Literatur in ihrer Auffassung zur Diagnose von Managementkompetenzen gespalten ist und sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden und Ansätze vor allem psychologischer Diagnostik beruft, können die oben angeführten Basiskompetenzen doch über vorhandene Kompetenzen Aufschluss geben, die auch in der Management- und Führungstätigkeit sichtbar werden (vgl. Erpenbeck & von Rosenstiel, 2007). Die Schnittstelle dieser Kompetenzen für die grundsätzliche, erfolgreiche Bewältigung von Führungs- und Managementaufgaben im Sinne der Erfüllung von Aufgabenstellungen und Funktionen mit komplexem Charakter kann als Leadership-Kompetenz bezeichnet werden. Der Schlüssel zu Leadership-Kompetenzen in Krisensituationen liegt dabei u. a. in dem Vermögen und der Kompetenz, den eigenen Arbeits- und Kommunikationsstil zu kennen, um schnell aktiv kommunizieren zu können, Zusammenhänge zu verstehen und zu vernetzen, um allen Beteiligten der Krise Beachtung zu schenken und somit in die Bewältigung mit einzubeziehen, sowie arbeitsbezogene Her-
190
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
ausforderungen in Krisensituationen schnell, flexibel und problemlösungsorientiert zu meistern (siehe Abbildung 1).
Fach- und Methodenkompetenzen
Aktivitätsund Handlungskompetenzen
Soziale und kommunikative Kompetenzen
Personale Kompetenzen
LEADERSHIP KOMPETENZEN
Abbildung 1: Leadership-Kompetenzen als Schnittstelle der Kompetenzfelder Quelle: eigene Darstellung
3 Empirische Studie Hochschulen sind angehalten, Leadership-Kompetenzen und -Fähigkeiten in deren Curricula zu integrieren. Allzu oft erfahren sie dabei jedoch wenig Unterstützung, wie diese Fähigkeiten und Kompetenzen im jeweiligen Wirtschaftssektor identifiziert und sichtbar gemacht werden können. Grundsätzlich stehen dabei zwei Wege zur Identifikation dieser Kompetenzen offen: Entweder werden Fähigkeiten und Kompetenzen von Absolventen aus Arbeitgebersicht, d. h. aus Sicht der Wirtschaft erfragt, oder sie werden aus Arbeitnehmersicht, d. h. aus Sicht der Absolventen erhoben. Die vorliegende Studie hat zum Ziel, die Wahrnehmung der Industrie bezüglich der Leadership-Kompetenzen der Bachelor-Absolventen des Studiengangs „Unterneh-
Leadership-Kompetenzen
191
mensführung in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft“ am Management Center Innsbruck (MCI Tourismus) im Allgemeinen zu ergründen und deren Gewichtung in der Wahrnehmung möglicher Beteiligter zu untersuchen. Das Berufsfeld der Absolventen des Bachelorstudiums umfasst unternehmerische Aufgabenstellungen in Schlüsselbranchen der Tourismus- und Freizeitwirtschaft, u. a. Ferienhotellerie und Gastronomie, Veranstaltungs- und Eventmanagement, Seilbahnwirtschaft, Kongresszentren sowie Sport- und Freizeiteinrichtungen, Incoming-Reiseveranstalter und Tourismusverbände. Absolventen des Studiums sind aufgrund der betriebswirtschaftlichen und unternehmerischen Ausbildung auch für Berufsfelder, welche nur indirekt mit der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Verbindung gebracht werden, von besonderem Interesse. Hierzu zählen beispielsweise der Finanzdienstleistungsbereich, Werbe- und Marketingagenturen oder auch Steuer- und Unternehmensberatungen sowie sonstige Consultingunternehmungen. In allen genannten touristischen bzw. tourismusnahen Bereichen absolvieren Studierende des MCI Tourismus ihr Berufspraktikum und finden auch nach Abschluss des Studiums eine Beschäftigung.
3.1 Methode Als Forschungsmethode findet eine quantitative Befragung mittels standardisiertem online-Fragebogen Anwendung. Das Sample besteht aus (nationalen und internationalen) Anbietern in den Kernbranchen der Tourismus- und Freizeitwirtschaft (n=145), welche
für Studierende des MCI Tourismus
„Unternehmensführung in der Tourismus- & Freizeitwirtschaft” lautet der Titel des 6semestrigen Studiums am MCI Management Center Innsbruck. Der Fokus des Studiums liegt in seiner Orientierung auf unternehmerischem Denken und Handeln in der Tourismusund Freizeitwirtschaft. Das Studium baut inhaltlich auf einer fundierten betriebswirtschaftlichen Ausbildung auf, welche insbesondere in den Bereichen Marketing, Finanzierung, Entrepreneurship und Unternehmensführung vertieft wird. Praxisrelevanz wird insbesondere durch den hohen Anteil an Experten/-innen aus der Wirtschaft in der Lehre, sowie durch die ausgesprochen hohe Projektorientierung des Studiums realisiert“ (MCI, 2008, online).
192
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
Praktikumsplätze für das obligatorische Berufspraktikum anbieten. Dabei steht folgende forschungsleitende Frage im Vordergrund: Welche Leadership-Kompetenzen werden in Krisensituationen am meisten sichtbar und als besonders wichtig erachtet? Der Operationalisierung der Forschungsfrage dienen folgende Annahmen:
A1.
Fach- und Methodenkompetenzen stellen die wichtigsten Kompetenzen für die Wirtschaft in Krisensituationen dar.
A2.
Soziale, kommunikative und personale Kompetenzen werden in Krisensituationen für wichtiger erachtet als aktivitäts- und handlungsorientierte Kompetenzen.
A3.
Tendenziell werden in Krisensituationen alle Kompetenzen wichtiger.
Abbildung 2: Annahmen Quelle: eigene Darstellung
Aufgrund der leichten Zugänglichkeit und intensiven Nutzung des Kommunikationsmediums Internet wird die Umfrage elektronisch via eMail mit einem Link zum online-Fragebogen (im Zeitraum Juli 2008) an die Praktikumsbetriebe des MCI Tourismus versendet. Der Fragebogen wird anhand der Kompetenzcluster von Erpenbeck und von Rosenstiel (2007) in vier Bereiche unterteilt, wobei dabei zunächst die Wichtigkeit der einzelnen Kompetenzen insgesamt und dann die Wichtigkeit der einzelnen Kompetenzen in Krisensituationen abgefragt werden. Die einzelnen Kompetenzen jedes Kompetenzfeldes stammen a) von jenen Kompetenzen, welche im KODEX® von Heyse und Erpenbeck (2007) gelistet sind und (b) von jenen Kernkompetenzen,
welche
im
Zuge
des
Akkreditierungsverfahrens
des
MCI-
Bachelorstudiums „Unternehmensführung in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft“ erarbeitet wurden. Der Fragebogen wurde daher wie folgt strukturiert (siehe Tabelle 3).
Leadership-Kompetenzen
193 Personale Kompetenzen
Aktivitäts- und Handlungskompetenzen • Zielstrebigkeit
Fach- und Methoden- Soziale und komkompetenzen munikative Kompetenzen • Konfliktlösungs• Sprachkompetenz
• Interkulturalität
• Managementgrund-
• Belastbarkeit
(Zielsetzung,
• Emotionale
Zieler-
lagen • Wirtschaftswissenschaftliche Grundla-
fähigkeit • Netzwerkfähigkeit • Teamfähigkeit • Veränderungs-
gen (BWL, VWL, Recht,...)
bereitschaft • Anpassungs-
• Finanzwirtschaftliche Grundlagen (RW,
fähigkeit • Aktiv auf andere
Kostenrechnung, Controlling)
zugehen können • Aktiv zuhören
• IT Fachwissen • Detailwissen zu den
können • Überzeugungs-
Kernbranchen der Tourismus- und Frei-
fähigkeit • Kommunikations
zeitwirtschaft • Schriftliche Ausdrucksfähigkeit • Fähigkeit zur Informationsaufbereitung • Effiziente Textarbeit • Sachliche Argumentationsfähigkeit • Problemlösungsfähigkeit • Konzeptionelle Fähigkeit
Tabelle 3: Fragebogenstruktur Quelle: eigene Darstellung
fähigkeit
Intelligenz • Selbstreflexion • Empathie • Selbstfürung/
reichung) • Innovations freude • Entscheidungs
Selbstmanagement
fähigkeit
• Einsatzbereischaft
• Initiative
• Eigenmotivation/
• Durchset
Lernbereitschaft
Zungsvermögen • Kreativität
194
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
Den Abschluss des Fragebogens bilden sozio-demographische Daten (Branche, Tätigkeitsfeld, Beschäftigungsdauer im Tourismus, Alter, etc.).
3.2 Ergebnisse Nachfolgend werden die Ergebnisse der empirischen Erhebung systematisch dargestellt; die Datenanalyse wurde mittels SPSS bzw. Excel durchgeführt.
Allgemeine Ergebnisse Insgesamt werden von den versendeten 145 Fragebögen 48 Fragebögen retourniert; davon 44 vollständig und 4 teilweise ausgefüllt. Die Rücklaufquote beträgt somit 33,10% (n= 48). 27,91% der befragten Anbieter sind Tourismusorganisationen (national, regional oder lokal), 18,60% Hotel- und Gastronomiebetriebe, 18,60% Event- oder Kongressorganisationen, 11,63% touristische Marketing- und PR-Agenturen, 9,30% Unternehmensberater, 4,65% Reisemittler und 2,33% touristische Transportunternehmen. Was die aktuelle Funktion bzw. Position der Interviewpartner anlangt, so sind derzeit ca. 1/3 in einer Managementposition tätig (32,56%), 25,58% in der Marketingabteilung, 13,95% im Personalwesen, 9,30% in der Beratung, 6,98% im Operations Management, jeweils 4,65% im Event- bzw. Destinationsmanagement und 2,33% im Infrastrukturmanagement. Weiters wird abgefragt, wie lange die jeweiligen Personen bereits im Tourismus beschäftigt sind. Dies deshalb, um die Validität der Antworten gewährleisten zu können. Die Ergebnisse zeigen, dass der Gutteil der Befragten über längere Zeit hinweg im Tourismus beschäftigt war bzw. ist. 37,20% verfügen über 10 bis 20 Jahre Tourismuserfahrung, 16,30% über 20 bis 30 an touristischer Erfahrung und 11,6% sogar über mehr als 30 Jahre an Tourismushintergrund (siehe Tabelle 4).
Leadership-Kompetenzen
195
Wie lange sind Sie bereits in einer tourismusnahen Branche tätig? frequency 15
percent 31,3
valid percent 34,9
cumulative percent 34,9
16 7 5
33,3 14,6 10,4
37,2 16,3 11,6
72,1 88,4 100,0
43 5
89,6 10,4
100,0
missing total
48
100,0
valid
bis zu 10 Jahre zwischen 10 und 20 Jahre zwischen 20 und 30 Jahre mehr als 30 Jahre total
Tabelle 4: Tourismuserfahrung und -hintergrund (n=43) Quelle: eigene Darstellung
46,5% der Befragten sind weiblich, 53,5% männlich. 46,5% der Interviewpartner sind zwischen 30 und 39 Jahre alt, 20,9% zwischen 20 und 29 Jahre, 18,6% zwischen 40 und 49 Jahre, 4,7% sind zwischen 50 und 59 Jahre und 9,3% sind älter als 60 Jahre.
Fach- und Methodenkompetenzen Die erste Frage an die Praktikumspartner des MCI Tourismus umfasst die Fach- und Methodenkompetenzen. Wie bereits im Zuge der Literaturrecherche definiert, sind Fach- und Methodenkompetenzen jene Fähigkeiten, arbeitsbezogene Herausforderungen mit fachlichem und methodischem Wissen zu bewältigen. Die befragten Personen werden gebeten, ihre Einschätzung der Wichtigkeit der Fach- und Methodenkompetenzen a) allgemein (=graue Linie) und b) in touristischen Krisensituationen (=schwarze Linie) abzugeben. Dabei wird eine Likert Skala von 1=sehr wichtig bis 5=völlig unwichtig angewendet (siehe Abbildung 3). Das Bild, welches für die Frage nach notwendigen Fach- und Methodenkompetenzen im Allgemeinen sichtbar wird, ist ein sehr heterogenes. Während einige Kompetenzen tendenziell mit Mittelwerten von 1,25 (Sprach-
196
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
kompetenz), 1,27 (Konzeptionelle Fähigkeiten) sowie 1,29 (Problemlösungsfähigkeit) als sehr wichtig eingeschätzt werden, haben andere Kompetenzen wiederum eher eine Tendenz in Richtung Mitte wie bspw. wirtschaftswissenschaftliche Grundlagen (Mittelwert 2,00), finanzwirtschaftliche Grundlagen (2,10) oder IT Fachwissen (2,23). Die relevanteste Kompetenz in diesem Cluster ist laut MCI Tourismus-Partnerbetrieben eindeutig die Sprachkompetenz (Standardabweichung 0,48), gefolgt von der Problemlösungsfähigkeit (Standardabweichung 0,54) und konzeptionellen Fähigkeiten (Standardabweichung 0,57). Was die Fach- und Methodenkompetenzen in Krisensituationen anlangt, so wird klar ersichtlich, dass einige Kompetenzen an Bedeutung verlieren, u. a. IT Fachwissen (-0,44), Sprachkompetenz (-0,31), schriftliche Ausdrucksfähigkeit (-0,29), einige Kompetenzen aber auch an Bedeutung gewinnen wie bspw. sachliche Argumentationsfähigkeit (+0,23), Problemlösungsfähigkeit (+0,19) und konzeptionelle Fähigkeiten (+0,17). Insgesamt kann daraus geschlossen werden, dass für die Befragten konzeptionelle Fähigkeiten, die Problemlösungsfähigkeit sowie die sachliche Argumentationsfähigkeit zu den wichtigsten Kompetenzen in touristischen Krisensituationen zählen und damit in diesem Kompetenzfeld als Leadership-Fähigkeiten gesehen werden können.
Leadership-Kompetenzen
197
sehr wichtig
neutral
ϭ
Ϯ
Sprachkompetenz
Managementgrundlagen
Wirtschaftswissenschaftl. Grundlagen
Finanzwirtschaftl. Grundlagen
ϯ
IT Fachwissen
Detailwissen zu den Kernbranchen des Tourismus
Schriftl. Ausdrucksfähigkeit
Fähigkeit zur Informationsaufbereitung Effiziente Textarbeit
Sachliche Argumentationsfähigkeit
Problemlösungsfähigkeit Konzeptionelle Fähigkeit
Abbildung 3: Wahrnehmung der Fach- und Methodenkompetenz (n=48) Quelle: eigene Darstellung
völlig unwichtig ϰ
ϱ
198
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
Soziale und kommunikative Kompetenzen Die zweite Frage beschäftigt sich mit den sozialen und kommunikativen Kompetenzen der Absolventen. Soziale und kommunikative Kompetenzen sind Fähigkeiten, sich aus eigenem Antrieb mit anderen zusammen- und auseinanderzusetzen, kreativ zu kooperieren und zu kommunizieren. Hier wird folgendes Ergebnis ersichtlich (siehe Abbildung 4). Das Bild, welches für soziale und kommunikative Kompetenzen im Allgemeinen sichtbar wird, ist ein sehr homogenes, d. h. alle abgefragten Kompetenzen werden für sehr wichtig erachtet und bewegen sich auf der Wichtigkeitsskala bei Werten von 1,21 bis 1,60. Die wohl wichtigste Kompetenz ist laut den Befragten die Kommunikationsfähigkeit (Mittelwert 1,21). Jene Kompetenz, welche von den befragten Praktikumsbetrieben als am wenigsten wichtig eingestuft wird, ist die Überzeugungsfähigkeit (Mittelwert=1,60). Jene Kompetenzen, welche innerhalb dieses Clusters als die für den Tourismus relevanten Kompetenzen gesehen werden, sind die Kommunikationsfähigkeit (Standardabweichung 0,46), aktiv zuhören können (Standardabweichung 0,50) sowie Teamfähigkeiten (Standardabweichung 0,58). Was die sozialen und kommunikativen Kompetenzen in Krisensituationen anlangt, so zeigt sich, dass bis auf die Anpassungsfähigkeit (-0,6) alle Kompetenzen an Bedeutung gewinnen und tendenziell wichtiger werden. Dies gilt in absteigender Reihenfolge für die Überzeugungsfähigkeit (+0,31), die Konfliktlösungsfähigkeit (+0,27) und die Netzwerkfähigkeit (+0,15). Insgesamt lässt sich daher feststellen, dass für die Befragten die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten in Krisensituationen einen eindeutig höheren Stellenwert einnehmen als die Fach- und Methodenkompetenzen; insbesondere zählen Überzeugungsfähigkeit, Konfliktlösungsfähigkeit und Netzwerkfähigkeit zu den top 3 Leadership-Kompetenzen innerhalb dieses Kompetenzfeldes.
Leadership-Kompetenzen
199 sehr wichtig
neutral völlig unwichtig
1
Konfliktlösungsfähigkeit 1,21
Netzwerkfähigkeit
2
3
4
5
1,48
1,42
1,56
1,44
1,46
1,48
1,54
1,58
1,65
Teamfähigkeit Veränderungsbereitschaft Anpassungsfähigkeit
Aktiv auf andere zugehen können 1,35
1,46
Aktiv zuhören können 1,42
Überzeugungsfähigkeit 1,29
Kommunikationsfähigkeit 1,21
1,46
1,60
1,21
Abbildung 4: Wahrnehmung der sozialen und kommunikativen Kompetenzen (n=48) Quelle: eigene Darstellung
Personale Kompetenzen Die dritte Frage beschäftigt sich mit personalen Kompetenzen, wobei diese die Fähigkeiten beinhalten, sich selbst zu reflektieren, selbstkritisch zu sein, und produktive Einstellungen, Werthaltungen und Ideale zu entwickeln (siehe Abbildung 5).
200
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
Die personalen Kompetenzen zeigen wiederum ein differenzierteres Bild. Während einige Kompetenzen tendenziell als sehr wichtig eingeschätzt werden mit Mittelwerten von 1,23 (Eigenmotivation/Lernbereitschaft), 1,27 (Einsatzbereitschaft) sowie 1,39 (Belastbarkeit), tendieren andere Kompetenzen eher in Richtung der zweiten Wichtigkeitsstufe (Mittelwert=2) wie bspw. Interkulturalität (Mittelwert 1,95), Empathie (1,89) und Selbstreflexion (1,89). Die relevanteste Kompetenz in diesem Cluster ist laut den Partnerbetrieben des MCI Tourismus eindeutig die Eigenmotivation/Lernbereitschaft (Standardabweichung 0,45), gefolgt von der Einsatzbereitschaft (Standardabweichung 0,45) und der Belastbarkeit (Standardabweichung 0,54). Was die personalen Kompetenzen in Krisensituationen anlangt, so wird klar ersichtlich, dass einige Kompetenzen an Bedeutung verlieren, u.a. Interkulturalität (-0,16), Selbstreflexion (-0,11) sowie die Eigenmotivation (-0,11), einige Kompetenzen aber auch an Bedeutung gewinnen wie bspw. Selbstführung/Selbstmanagement (+0,34), Belastbarkeit (+0,30) oder die Einsatzbereitschaft (+0,16). Grundsätzlich kann daher festgehalten werden, dass für die Befragten Selbstführung/Selbstmanagement, Belastbarkeit sowie Einsatzbereitschaft zu den wichtigsten Kompetenzen in touristischen Krisensituationen zählen und somit als Leadership-Kompetenzen in diesem Kompetenzfeld identifiziert werden können.
Leadership-Kompetenzen
201
sehr wichtig 1
neutral 2
völlig unwichtig 3
4
5
Interkulturalität 1,95
2,11
Belastbarkeit 1,39
1,09 Emotionale Intelligenz 1,48
1,55
Selbstreflexion 1,89
1,77 Empathie
1,89
1,66 Selbstführung/ Selbstmanagement 1,32
1,66
Einsatzbereitschaft 1,11 Eigenmotivation/ Lernbereitschaft 1,23
1,27
1,34
Abbildung 5: Wahrnehmung der personalen Kompetenzen (n=43) Quelle: eigene Darstellung
Aktivitäts- und Handlungskompetenzen Die vierte Frage beschäftigt sich mit Aktivitäts- und Handlungskompetenzen, also jener Fähigkeit, alles Wissen und Können, alle Ergebnisse sozialer Kommunikation, alle persönlichen Werte und Ideale auch willensstark und
202
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
aktiv umsetzen zu können und dabei alle anderen Kompetenzen zu integrieren. Diese Frage zeigt folgendes Ergebnis (siehe Abbildung 6). Das Bild, welches sich für Aktivitäts- und Handlungskompetenzen im Allgemeinen zeigt, ist ein sehr homogenes, d. h. alle hier aufgeführten Kompetenzen werden als sehr wichtig erachtet und bewegen sich auf der Wichtigkeitsskala von 1,36 bis 1,70. Keine der Kompetenzen wird als wichtig (Mittelwert 2) bzw. neutral (Mittelwert 3) wahrgenommen. Die wohl wichtigste Kompetenz ist laut den Befragten die Entscheidungsfähigkeit (Mittelwert 1,36) sowie die Initiative (1,39). Was die Aktivitäts- und Handlungskompetenzen in Krisensituationen anlangt, so bietet sich ein differenzierteres Bild. Während zwei Kompetenzen als weniger wichtig erachtet werden (Innovationsfreude mit 1,86 sowie Kreativität mit 1,70), gewinnen einige Kompetenzen an Bedeutung wie bspw. Durchsetzungsvermögen (+0,32), Initiative (+0,27) oder die Entscheidungsfähigkeit (+0,25). Insgesamt lässt sich sagen, dass für die Befragten Durchsetzungsvermögen, Entscheidungsfähigkeit sowie Initiative die wohl wichtigsten Aktivitäts- und Handlungskompetenzen in touristischen Krisensituationen darstellen und somit in diesem Kompetenzfeld als LeadershipKompetenzen identifiziert werden können.
Leadership-Kompetenzen
203
sehr wichtig
neutral
1
2
Zielstrebigkeit 1,27
völlig unwichtig 3
4
5
1,45
Innovationsfreude 1,86
1,45 Entscheidungsfähigkeit 1,11
1,36
Initiative 1,39
1,11 Durchsetzungsvermögen 1,23
1,55
Kreativität 1,61
1,70
Abbildung 6: Wahrnehmung der Aktivitäts- und Handlungskompetenzen (n=43) Quelle: eigene Darstellung
Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse Die Fach- und Methodenkompetenzen im Allgemeinen zeigen ein sehr heterogenes Bild; während einige Kompetenzen tendenziell als sehr wichtig eingeschätzt werden (Sprachkompetenz, konzeptionelle Fähigkeiten, Problemlösungsfähigkeit), zeigen einige Kompetenzen eher eine Tendenz in Richtung Mitte (wirtschaftswissenschaftl. Grundlagen, Finanzwirtschaftliche Grundlagen, IT Fachwissen). In Krisensituationen verlieren einige der Fach- und Methodenkompetenzen an Bedeutung (IT Fachwissen, Sprachkompetenz, schriftliche Ausdrucksfähigkeit), andere wiederum gewinnen an Wichtigkeit (sachliche Argumentationsfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit, konzeptionelle Fähigkeiten).
204
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
Im Gegensatz dazu zeigen die sozialen und kommunikativen Kompetenzen im Allgemeinen ein sehr homogenes Bild. Nahezu alle der aufgeführten Kompetenzen werden als sehr wichtig erachtet. Gerade in Krisensituationen zählen die Überzeugungsfähigkeit, die Konfliktlösungsfähigkeit sowie die Netzwerkfähigkeit insgesamt zu den top drei Kompetenzen. Die personalen Kompetenzen zeigen wiederum ein differenzierteres Bild. Während einige Kompetenzen tendenziell als sehr wichtig eingeschätzt werden (Eigenmotivation/Lernbereitschaft, Einsatzbereitschaft, Belastbarkeit), weisen andere Kompetenzen eine geringere Wichtigkeit auf (Interkulturalität, Empathie, Selbstreflexion). In touristischen Krisensituationen gewinnen ähnlich wie bei den Fach- und Methodenkompetenzen manche der abgefragten Kompetenzen an Bedeutung (Selbstführung/Selbstmanagement, Belastbarkeit, Einsatzbereitschaft), andere verlieren an Gewicht (Interkulturalität, Selbstreflexion, Eigenmotivation). Was die Aktivitäts- und Handlungskompetenzen anbelangt, so zeigt sich wiederum ein sehr homogenes Bild, d. h. alle abgefragten Kompetenzen werden als sehr wichtig erachtet. Für die Situation in touristischen Krisen hingegen wird das Bild differenzierter; während zwei Kompetenzen als weniger wichtig erachtet werden (Innovationsfreude, Kreativität), gewinnen andere Kompetenzen (Durchsetzungsvermögen, Initiative, Entscheidungsfähigkeit) an Bedeutung. Vor dem Hintergrund der aufgestellten Annahmen lässt sich zusammenfassend feststellen, dass für die Befragten die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten (1,38), die Aktivitäts- und Handlungskompetenzen (1,38) sowie die personalen Kompetenzen (1,50) in Krisensituationen einen eindeutig höheren Stellenwert einnehmen als die Fach- und Methodenkompetenzen (1,68).
Leadership-Kompetenzen
205
sehr wichtig 1
Fach- und Methodenkompetenzen
1,68
Soziale und kommunikative Kompetenzen 1,38
neutral 2
3
völlig unwichtig 4
5
1,76
1,48
Personale Kompetenzen 1,50
1,59
1,38
1,47
Aktivitäts- und Handlungskompetenzen
Abbildung 7: Gesamtergebnis Quelle: eigene Darstellung
Die Ergebnisse sind insofern von Interesse, als das Hauptaugenmerk sämtlicher Tourismusstudien derzeit auf der fundierten Ausbildung und Vermittlung der Fach- und Methodenkompetenzen liegt. Auch wenn extrafunktionale Kompetenzen zunehmend im Curriculum Beachtung finden, nehmen diese dennoch einen geringeren Stellenwert ein. Die vorliegende empirische Umfrage zeigt jedoch, dass es in Krisensituationen viel mehr darauf ankommt, alles fachliche Wissen und Können mit sozialer Kommunikation und den eigenen persönlichen Werten willensstark und aktiv umsetzen zu können und dabei alle anderen Kompetenzen zu integrieren, als mit technischem Wissen
206
Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
bzw. Faktenwissen aufzuwarten. Die Interpretation der Ergebnisse ergibt daher folgendes Resultat für die eingangs definierten Annahmen (siehe Abbildung 8).
A1.
Fach- und Methodenkompetenzen stellen die wichtigsten Kompetenzen für die
Tourismusindustrie in Krisensituationen dar. Diese Annahme kann eindeutig falsifiziert werden, denn die Fach- und Methodenkompetenzen werden in Krisensituationen als die am wenigsten wichtigen Kompetenzen eingeschätzt (1,68). A2.
Soziale und kommunikative Kompetenzen werden in touristischen Krisensituatio-
nen für wichtiger erachtet als aktivitäts- und handlungsorientierte Kompetenzen. Diese Annahme kann nicht falsifiziert werden; denn die sozialen und kommunikativen Kompetenzen werden gleich wichtig gesehen wie die Aktivitäts- und Handlungskompetenzen (beide zeigen Mittelwerte von 1,38). A3.
Tendenziell werden alle Kompetenzen in Krisensituationen wichtiger.
Diese Annahme kann nicht falsifiziert werden; die Ergebnisse zeigen, dass nicht alle Kompetenzen (insbesondere Fach- und Methodenkompetenzen -0,08) in Krisensituationen wichtiger werden.
Abbildung 8: Beantwortung der getroffenen Annahmen Quelle: eigene Darstellung
Wie bereits im Theorieteil diskutiert, sehen die Autoren LeadershipKompetenzen als Schnittstelle aller definierten Basiskompetenzen nach Erpenbeck und von Rosenstiel (2007). Daher lässt sich die Forschungsfrage nach der Sichtbarkeit der Leadership-Kompetenzen in Krisensituationen wie folgt nach den definierten Clustern zusammenfassen (siehe Tabelle 5).
Leadership-Kompetenzen Fach- und Methodenkompetenzen 1. Konzeptionelle Fähigkeit 2. Problemslösungsfähigkeit 3. Sachliche Argumentationsfähgeit
207
Soziale und kommunikative Kompetenzen
Personale Kompetenzen
Aktivitäts- und Handlungskompetenzen
1. Überzeugungs-
1. Selbstführung/
1. Durch-
fähigkeit 2. KonfliktlösungsFähigkeit 3. Netzwerkfähigkeit
Selbst-
setzungs-
management
vermögen
2. Belastbarkeit
2. Entschei-
3. Einsatzbe-
dungsfähig-
reitschft
keit 3. Initiative
Tabelle 5: Leadership-Kompetenzen in Krisensituationen je Kompetenzcluster Quelle: eigene Darstellung
4 Limitationen Eine Limitation der Studie ist die einseitige Betrachtungsweise seitens der Anbieter touristischer Leistungen. In einem weiteren Schritt wäre es daher sinnvoll Absolventen darüber zu befragen, inwiefern die identifizierten Leadership-Kompetenzen im Zuge Ihrer Aus- und Weiterbildung tatsächlich von der Bildungseinrichtung vermittelt werden. Eine solche Erhebung würde Schlüsse darüber zulassen, ob Diskrepanzen bestehen zwischen jenen Inhalten, Fähigkeiten und Kompetenzen, die vermittelt werden, und jenen Inhalten, Fähigkeiten und Kompetenzen, welche tatsächlich in der Praxis und insbesondere in touristischen Krisensituationen nachgefragt werden. Zudem wird lediglich eine Bildungseinrichtung und deren Praktikumsbetriebe als Anbieter touristischer Leistungen in der Studie befragt. Eine größere Stichprobe an Bildungseinrichtungen würde das Bild klarer darstellen und die Ergebnisse hinsichtlich Schlussfolgerungen und Maßnahmen repräsentativer und valider erscheinen lassen. Weiters machen es unterschiedliche Begriffs-
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Anita Zehrer / Claudia Mössenlechner
rasterungen zu den Fähigkeiten und Kompetenzen, nicht zuletzt auch in der Wahrnehmung der Befragten, schwer, allgemein valide Aussagen treffen zu können. Trotzdem gibt die Studie Aufschluss über die groben Wahrnehmungen von Leadership-Kompetenzen in touristischen Krisensituationen. Eine letzte Limitation liegt in der bescheidenen Stichprobe von 48 Betrieben, welche die Aussagekraft der Ergebnisse schmälert. Ein Grund dafür mag im gewählten Medium (online-Befragung mit einem Link zum Fragebogen) liegen, das trotz leichter Zugänglichkeit und hoher Anwendbarkeit letztlich nicht auf große Resonanz gestoßen ist.
5 Zusammenfassung und Ausblick Die vorliegende Arbeit ist trotz ihrer Limitationen von Bedeutung für die Wissenschaft und die Unternehmenspraxis. Zum einen wird in wissenschaftlicher Hinsicht mittels Literaturrecherche zunächst die Bedeutung von Leadership-Kompetenzen diskutiert, zum anderen wird basierend auf der Befragung der Anbieter in den Kernbranchen der Tourismus- und Freizeitwirtschaft am Beispiel einer Studienrichtung des MCI ein Modell zu LeadershipKompetenzen in Krisensituationen entwickelt. Dabei wird postuliert, dass die Schnittstelle
aller
vier
Kompetenzfelder
letztlich
jene
Leadership-
Kompetenzen darstellen, welche in Krisensituationen am meisten sichtbar sind bzw. wahrgenommen werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die anderen Fähigkeiten und Kompetenzen unwichtig sind, sondern lediglich, dass deren Beherrschung für die befragten touristischen Betriebe in Krisensituationen nicht unmittelbar notwendig sind bzw. sichtbar werden. Die Studie zeigt nicht zuletzt die Wichtigkeit eines Abgleichs von Kompetenzen und Fähigkeiten von Seiten der Wirtschaft und von Seiten der Bildungseinrichtung. Denn nur durch einen Abgleich im Curriculum kann eine
Leadership-Kompetenzen
209
hohe Qualität in der Ausbildung gewährleistet sowie der Verantwortung gegenüber den auszubildenden Studierenden und künftigen Arbeitnehmern Rechnung getragen werden.
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Die Rolle von Intuition in strategischen Entscheidungen Kurt Matzler, Franz Bailom, Katja Hutter
1
Abstract............................................................................................ 212
2
Einführung ....................................................................................... 212
3
Definition von Intuition ................................................................... 213
4
Intuitive Kompetenz in der Praxis ................................................... 218
5
Intuition ist weder die Inspiration von Genies, noch ein „irrationales Hirngespinst“............................................................... 221
6
Intuition und ihre Voraussetzungen ................................................. 223
Literaturverzeichnis.....................................................................................226
212
Kurt Matzler / Franz Bailom / Katja Hutter
1 Abstract Der Gedanke, dass Führungskräfte in ihrer Entscheidungsfindung auf ihre Intuition oder ihre „innere Stimme“ hören, ist in der Managementforschung noch wenig populär. Doch gerade in komplexen, dynamischen und turbulenten Situationen ist es für Führungskräften nicht immer möglich abzuwarten, bis alle relevanten Fakten für die Entscheidung strukturiert, gesammelt und bewertet werden. Wenn bewährte Denkmodelle und Instrumente rationaler Steuerung nicht zum Einsatz kommen, meldet sich oft eine „innere Stimme“ oder das „Bauchgefühl“, welches uns hilft im Chaos der Arbeitswelt handlungsfähig zu bleiben. Dieser Beitrag diskutiert die Rolle der Intuition in Entscheidungen von Führungskräften.
Keywords: Intuition, strategische Entscheidungen, Rationalität 2 Einführung Die Idee, dass Führungskräfte in ihrer Entscheidungsfindung auf ihre Intuition hören, war bisher zwiespältig. Die meisten Forscher waren der Meinung, dass kluge Entscheidungen vor allem eine Frage des Verstandes und der Vernunft sind. Körpergefühle, Empfindungen und Intuition haben hier keinen Platz, sie verwirren bloß. Der Homo oeconomicus galt als Idealperson, eine Gestalt ähnlich wie Commander Spock aus der Sciencefiction-Serie „Raumschiff Enterprise“: einer der denkt, rational handelt und keine Emotionen kennt (Wittershagen, 2007). Diese Annahme setzt jedoch voraus, dass die menschliche Intelligenz einer Rechenmaschine gleicht, was sie aber in Wirklichkeit nicht tut. Das Denkvermögen stößt an die Grenzen der Verarbeitungskapazität. Laut Schätzungen der Hirnforscher (z. B. Markowitsch & Welzer, 2005) verarbeitet das menschliche Bewusstsein, das vor allem in der linken Gehirnhälfte agiert, in jeder Sekunde ungefähr vierzig Informationseinheiten. Das Unbewusste, im Hintergrund der rechten Gehirnhälfte, schafft
Die Rolle von Intuition
213
es in derselben Zeit hingegen auf fünfzehn bis zwanzig Millionen Informationseinheiten. Gerade in komplexen, dynamischen und turbulenten Situationen ist es für Führungskräfte nicht immer möglich abzuwarten, bis alle relevanten Fakten für die Entscheidung strukturiert, gesammelt und bewertet werden. Wenn bewährte Denkmodelle und Instrumente rationaler Steuerung nicht zum Einsatz kommen, meldet sich oft eine „innere Stimme“ oder das „Bauchgefühl“, welches uns hilft im Chaos der Arbeitswelt handlungsfähig zu bleiben (Hänsel & Zeuch, 2003; Hodgkinson & Langan-Fox, 2008; Wittershagen, 2007).
3 Definition von Intuition In der Literatur findet man zahlreiche Definitionen für Intuition. Etymologisch wird der Begriff Intuition vom lateinischen Verb „intueri“ abgeleitet und bedeutet betrachten, ansehen und erkennen. Unterschiedliche Herangehensweisen und Beschreibungen des Begriffs der Intuition findet man in der Philosophie, Psychologie, sowie den Sozial- und Naturwissenschaften. Die unbewusste Informationsverarbeitung (z. B. Bowers, Regehr & Balhazard, 1990; Epstein, 1994; Jung, 1933; Polanyi, 1964), das Erkennen von Heuristiken in der Wahrnehmung (z. B. Denes-Raj & Epstein, 1994; Kahneman, Slovic & Tversky, 1982), sowie die Relevanz von Expertise und Könnerschaft (z. B. Epstein, 1994; Simon, 1996) werden in den unterschiedlichen Bereichen zum Thema Intuition diskutiert. So beschreibt Berne, der Begründer der Transaktionsanalyse, den Begriff der Intuition: „Eine Intuition ist Wissen, das auf Erfahrungen beruht und durch direkten Kontakt mit dem Wahrgenommenen erworben wird, ohne dass der intuitiv Wahrnehmende sich oder anderen genau erklären kann, wie er zu der Schlussfolgerung gekommen ist“ (Berne, 1991, S. 36).
214
Kurt Matzler / Franz Bailom / Katja Hutter
Einen kurzen Überblick unterschiedlicher Definitionen von Intuition gibt Tabelle 1.
Source
Definition
Jung
That psychological function transmitting
(1933, pp. 567-568)
perceptions in an unconscious way. An immediate awareness by the subject, of some
Wild particular entity, without such aid from the senses or (1938, p. 226) from reason as would account for that awareness. Simon Acts of recognition (1996, p. 89) The subjective experience of a mostly nonconscious process – fast, alogical, and Lieberman inaccessible to consciousness – that, depending on (2000, p. 111) exposure to the domain or problem space, is capable of accurately extracting probabilistic contingencies. Thoughts that are reached with little apparent Hogarth effort, and typically without conscious awareness; (2001, p. 14) they involve little or no conscious deliberation. Intuitions are implicity or tacitly informed by Polanyi considerations that are not consciously noticed or (1964, p. 24) appreciated.
Tabelle 1: Definitionen von Intuition Quelle: Dane & Pratt, 2007
Die Rolle von Intuition
215
In der Literatur (z. B. Epstein, 1994; Reber, 1993) wird auch häufig Intuition dem Begriff der Rationalität gegenübergestellt. Tabelle 2 gibt einen kurzen Überblick der beiden Begriffe.
Intuition
Rationalität
schnell und mühelos
langsam und anstrengend
unbeabsichtigter und
beabsichtigter und kontrollierbarer
automatischer Prozess
Prozess
unzugänglicher Prozess; nur bewusst zugänglicher und Ergebnisse erreichen das sichtbarer Prozess Bewusstsein nehmen die begrenzten nehmen keine zusätzliche Ressourcen - Aufmerksamkeit/ Aufmerksamkeit/kognitive kognitive Kapazitäten - in Kapazitäten in Anspruch Anspruch parallele Prozesse
serielle Prozesse
erkennen von Mustern, metaphorische,
analytische Gedanken
ganzheitliche Gedanken einzigartig bei Menschen ab 2 allen Säugetieren üblich
Jahren und eventuell bei manchen sprachtrainierten Menschenaffen
kontextabhängig Tabelle 2: Intuition vs. Rationalität Quelle: Haidt, 2001
kontextunabhänig
216
Kurt Matzler / Franz Bailom / Katja Hutter
Neben der Schwierigkeit eine klare, allgemeingültige Definition von Intuition in der Literatur zu finden, gibt es auch keine trennscharfe Abgrenzung des Begriffs. Die Literatur bietet eine Vielzahl von verwandten Begriffen, welche mit Intuition in Verbindung gebracht werden. Implizites Wissen und Lernen, Instinkt, Erkenntnis und Kreativität finden sich im unmittelbaren Umfeld von Intuition (Hodgkinson & Langan-Fox, 2008).
Implizites Wissen und Lernen: Implizites Wissen ist jenes Wissen, das sich in den Köpfen der Menschen befindet und nicht explizit formuliert, erklärt oder dokumentiert werden kann (Polanyi, 1964). Reber definiert implizites Lernen als „the acquisition of knowledge that takes place largely independent of conscious attempts to learn and largely in the absence of explicit knowledge about what was acquired” (Reber, 1993, S. 5). Das Unbewusste wird hier als zentrales Merkmal beschrieben und daraus ergibt sich auch die Verbindung zu Intuition: „Intuition is a kind of natural judgement process that takes place without conscious thought and generally outside any explicit awareness of the knowledge base that allows for that thought“ (Reber, 1993, S. 159). Instinkt: Carlson (2004) definiert Instinkt als schnelle, reflexionsartige Verhaltensweisen in bedrohlichen Lebenssituationen. Instinkt und Intuition rufen beide bestimmte Körpersignale hervor. Im Vergleich zu Intuition wird bei instinktivem Verhalten nicht auf bereits bestehende Wissensstrukturen und Erfahrungen zurückgegriffen. Einsicht: Ein plötzlicher Moment (ein Aha-Erlebnis), indem das Individuum die bewusste Erkenntnis des Problemlösungsprozesses erhält. Intuition hingegen basiert auf unbewusstem Erkennen oder Erfahren eines Sachverhaltes (Mayer, 1966; Nisbett & Wilson, 1977). Kreativität: Intuition und Kreativität stehen häufig in Verbindung. Intuition und die Nutzung unbewusster Potenziale leiten Individuen zu neuen, kreativen und ungewöhnlichen Ideen und Ergebnissen. Die Intuition erlaubt es, neuen, kreativen Ideen – die vor allem von einem starken positiven Gefühl begleitet werden – in Handlungen umzusetzen (Finke, Ward & Smith, 1992). Die unterschiedlichen Definitionen von Intuition und die Vielzahl an verwandten Begriffen haben eines gemeinsam: Sie rufen bestimmte Körpersig-
Die Rolle von Intuition
217
nale und -gefühle hervor – eine Stimme im Kopf oder ein komisches Gefühl im Bauch meldet sich spontan. Der amerikanische Neurologe Antonio Damasio (1999) spricht hier von sogenannten „somatischen Markern“. Körper, Emotion und Vernunft überschneiden sich und diese engen Verbindungen werden mit dem Begriff somatische Marker zusammengefasst. Haben wir mehrere Wahlmöglichkeiten – einen Entscheidungsbaum vor uns – so laufen parallel zur vernunftorientierten Entscheidung auch somatische Prozesse ab. Hirnforscher haben herausgefunden, dass das menschliche Gehirn alle Erfahrungen, die der Mensch im Laufe seines Lebens erfährt, sammelt und speichert. Zudem kommt noch die Fähigkeit des Gehirns Fehler aufzuspüren und diese in Zukunft zu vermeiden (z. B. Markowitsch & Welzer, 2005). Wenn wir vor einer Wahlmöglichkeit stehen, so sendet der emotionale Erfahrungsspeicher Signale aus, die Entscheidungen vereinfachen können, die sogenannten somatischen Marker (Damasio, 1999). Wird mit einem zukünftigen Ereignis ein negativer somatischer Marker in Verbindung gebracht, so erleben wir ein Stopsignal. Ein positiver somatischer Marker führt hingegen zum Startsignal. Somatische Marker können uns als wichtige Navigationshilfe dienen, indem sie unser Interesse und unsere Aufmerksamkeit in die eine oder andere Richtung lenken. „Auch wenn die Rationalität die erhabensten Unterscheidungen trifft und entsprechend handelt, wird sie wahrscheinlich durch Körpersignale beeinflusst und geprägt“ (Damasio, 1999, S. 272).
Menschen besitzen unterschiedliche Ausprägungen ihrer Körpergefühle. Es gibt Führungskräfte, die schwache Signale erkennen, die andere nicht wahrnehmen (Sadler-Smith & Shefy, 2004), sie erkennen Muster wo andere noch keine Muster sehen (Miller & Ireland, 2005). Sie sind fähig aus einer Vielzahl von mehrdeutigen, widersprüchlichen und häufig trügerischen Informationen, die herauszufiltern, die für strategische Entscheidungen benötigt wer-
218
Kurt Matzler / Franz Bailom / Katja Hutter
den (Hinterhuber & Rothenberger, 2006). Ihre Aufmerksamkeit und ihr Interesse werden ganz unbewusst auf relevante Themen gelenkt und sie haben vor allem die Fähigkeit, intuitiv die richtigen Entscheidungen zu treffen.
4
Intuitive Kompetenz in der Praxis
Im Jahre 1997 gelang es Prof. Zeilinger, einem der international angesehensten Professoren für experimentelle Physik, und seiner Forschergruppe die weltweit erste Quantenteleportation – eine direkte Übertragung des Zustandes eines Lichtteilchens unter Überwindung von Zeit und Raum, ohne die Zurücklegung eines Weges von A nach B. In einem Interview überraschte Herr Prof. Zeilinger mit seiner Aussage, als er darüber reflektierte, nach welchen Kriterien er seine Projekte denn plane: „Am Beginn steht das Gefühl, dass sich etwas lohnt. Dann gibt es Vorexperimente, die alles immer deutlicher zeigen, was zu einem immer konkreter werdenden Zeitplan führt. Dann erfolgt die Durchführung. Ganz generell entscheide ich mich, wenn ich zwei oder mehrere Forschungswege vor mir habe, stets für den radikaleren Weg. Ich nehme sicherlich nicht den, von dem die Mehrheit der Kollegen sagen, ja das ist ordentlich, das machen wir. Da nehme ich grundsätzlich den anderen … Ich habe dabei immer das Glück gehabt, dass die Ziele, die ich mir gesetzt habe, zwar schwierig, aber immer gerade noch erreichbar waren. Mein primäres Motiv, mich für ein gewisses Ziel zu entscheiden, war letztlich immer die eigene Intuition. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man nicht bloß dem eigenen Denken, sondern vor allem dem eigenen Gefühl, der eigenen Intuition vertrauen soll und dann auch entsprechend handeln muss … Über meine Intuition habe ich nicht nachgedacht. Die nehme ich einfach hin. Sie ist ein Teil meiner Person. Die Intuition zeigt mir, gibt mir ein Gefühl, in welcher Richtung ich weitermachen soll. Ob das tatsächlich der richtige Weg ist, kann man nie mit Sicherheit wissen. Zumindest hat er mir Glück gebracht, sowohl in der Wissenschaft als auch in meinem persönlichen Leben. Bisher hat alles funktioniert. Vielleicht geht es einmal schief, ich weiß es nicht …“ (Zeilinger, 2002).
Von einem führenden Physiker im Bereich der Experimentalphysik ist es anzunehmen, diese Haltung einzunehmen, doch wäre eine ähnliche Vorgehensweise im Geschäftsleben nicht zu riskant? Nicht unbedingt, erklärt Ste-
Die Rolle von Intuition
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fan Pierer, CEO von KTM. Pierer gelang die Sanierung des in den Neunzigerjahren in Konkurs schlitternden Unternehmens KTM. Während seiner anfänglichen Zeit bei KTM – dem Marktführer der Off-road Motorräder – und mit seiner neuen Strategie KTM in den neuen Markt der Straßenmotorräder einzugliedern, erklärten ihn viele für verrückt. Trotz der fehlenden Erfahrung von KTM in diesem neuen Marktsegment, hatte Pierer das Gefühl, diese Entscheidung wäre die richtige. Und sie führte zum gewünschten Erfolg. Stefan Pierer gelang es, die Marke KTM nachhaltig im Straßensegment zu positionieren. Pierer sagte in einem Gespräch: „Wenn es zu wirklich schwierigen Entscheidungen kommt, höre ich schlussendlich immer auf meine Intuition. In manchen Fällen sprechen rationale Argumente dafür oder gegen mein Gefühl, aber die Entscheidung lässt mich nicht ruhig. Ich wache dann oft in der Nacht auf und ich habe das Gefühl, dass ich es mich anders entscheiden muss“ (Matzler, Bailom & Mooradian, 2007).
Eines der verständlichsten Beispiele für intuitives Entscheiden beschreibt Simon (1987) in seinem Experiment mit den Schachmeistern. Allgemein wird die Auffassung vertreten, dass ein jeder Spieler systematisch alle Züge und Gegenzüge analysiert und keinen Spielzug ohne intensives Nachdenken absolviert. Dies würde höchste kognitive Fähigkeiten erfordern. Tatsächlich sind Schachspieler in der Lage, mehrere Spiele gleichzeitig zu spielen – auch gegen 50 Teilnehmer – mit geringer kognitiver Aktivierung. In solchen Wettbewerben haben Schachmeister schließlich kaum Zeit – vielleicht nur wenige Minuten oder sogar nur Sekunden – um die Züge zu durchdenken. Auch in Tournieren treffen Schachmeister normalerweise nach ein paar Sekunden die Entscheidung zum Zug. Die restliche Zeit wird damit verbracht, diesen Zug durchzudenken und sich abzusichern, bevor er tatsächlich getätigt wird. (Simon, 1987). Garri Kasparov erklärte in einem Interview für die Harvard Business Review:
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Kurt Matzler / Franz Bailom / Katja Hutter
„Sobald ein Schachspieler nur drei Eröffnungszüge gemacht hat, sind über neun Millionen Positionen möglich … ein großer Schachspieler zeichnet sich vor allem durch Intuition aus. Der Grund liegt darin, dass Schach mathematisch gesehen ein unendliches Spiel ist. Die Menge der möglichen unterschiedlichen Züge in einem einzigen Schachspiel übertrifft die Zahl der Sekunden, die vergangen sind, seit der Urknall das Universum hat entstehen lassen … selbst auf den höchsten Ebenen ist es unmöglich, sehr viele Züge vorauszudenken. Ich schaffe vielleicht 15, und das ist ungefähr das Höchste, was Menschen bisher möglich war“ (Coutu, 2005).
Aber wie ist es dennoch möglich in einem so komplexen Spiel innerhalb von wenigen Sekunden die richtige Entscheidung zu treffen? In einem Experiment erklärt Simon (1987) dieses Phänomen. Die Positionen von 25 Schachfiguren werden einem Nicht-Spieler für wenige Sekunden gezeigt. Danach wird er gebeten, die Schachfiguren wieder richtig aufzustellen. Dem NichtSpieler gelingt es durchschnittlich sechs Schachfiguren richtig zu positionieren. Ein Schachmeister wird hingegen alle Figuren richtig anordnen. Außergewöhnliche Fähigkeiten in der visuellen Informationsaufnahme und speicherung könnten hier eine mögliche Erklärung sein. Doch das Experiment wurde wiederholt und im zweiten Versuch hatte man die Figuren willkürlich – ohne Sinn – auf dem Brett positioniert. Dem Nicht-Spieler gelingt es wieder durchschnittlich sechs Figuren richtig aufzustellen. Im zweiten Versuch hat auch der Schachmeister nur sechs Figuren richtig positioniert. Simon (1987) interpretiert das Ergebnis wie folgt: Nicht die außergewöhnliche Fähigkeit eines photographischen Gedächtnisses, sondern das Erkennen von Mustern, basierend auf der langjährigen Erfahrung, ist hier entscheidend. Der Schachmeister sieht hinter jeder Konstellation ein Muster. Sind die Figuren willkürlich aufgestellt, so kann er kein Muster erkennen. Laut Schätzungen kann ein Schachmeister etwa 50.000 vertraute Muster erkennen. Was als intuitive Entscheidung bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit ein blitzschnelles Erkennen von Mustern, das teilweise unbewusst passiert (Kathri & Ng,
Die Rolle von Intuition
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2000). Prietula und Simon (1989, S. 121) erklären den Unterschied zwischen dem Experten und dem Anfänger folgendermaßen: „In fact, the veteran does not scan the environment and process information any faster than the inexperienced foremen; rather he (or she) has learned to grasp the meaning of certain patterns of operations and activity on the plant floor. In a sense, the foreman does not need to think about this information; he simply reacts to it.”
Experten zeichnen sich dadurch aus, dass sie Muster erkennen und intuitiv die Bedeutung von Mustern dekodieren können (Miller & Ireland, 2005).
5 Intuition ist weder die Inspiration von Genies, noch ein „irrationales Hirngespinst“ Eine Flut von Informationen umgibt uns permanent, sind es visuelle Eindrücke, Geräusche, kinästhetische Informationen von der Außenwelt oder auch Assoziationen, Bilder, Erinnerungen und innere Stimmen unseres Bewusstseins. Gehirnforscher haben herausgefunden, dass unser Gehirn allerdings nicht in der Lage ist diese Fülle an Informationen bewusst wahrzunehmen und zu verarbeiten. Nur ein Bruchteil gelangt ins tägliche Bewusstsein, der Großteil dieser Information bleibt unbewusst. Das menschliche Bewusstsein kann pro Sekunde vierzig Informationseinheiten verarbeiten, das Unbewusste hingegen schafft es in derselben Zeit auf fünfzehn bis zwanzig Millionen Informationseinheiten (Markowitsch & Welzer, 2005). Von dieser Perspektive ist es wohl eine wage Hypothese, dass all unsere Entscheidungen bewusst getroffen werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass unsere
Entscheidungen
durchdrungen sind von unbewussten und irrationalen Anteilen. Gerade in komplexen, dynamischen und turbulenten Situationen ist es für Führungskräfte nicht immer möglich abzuwarten, bis alle relevanten Fakten für die Entscheidung strukturiert, gesammelt und bewertet werden. Wenn bewährte Denkmodelle und Instrumente rationaler Steuerung nicht zum Einsatz kom-
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Kurt Matzler / Franz Bailom / Katja Hutter
men, meldet sich oft eine „innere Stimme“ oder das „Bauchgefühl“, welches uns hilft im Chaos der Arbeitswelt handlungsfähig zu bleiben. Es kommt zu einer Bewertung von Entscheidungsalternativen, obwohl keine klaren Fakten oder Gründe angegeben werden können. Die Entscheidung erfolgt oft in Form eines Gefühls, eines Drängens, Unwohlseins oder auch einer „inneren Stimme“. Der renommierte Hirnforscher, Professor Gerald Hüther, bestätigt, dass nur in sehr trivialen Entscheidungen unser Gehirn wie ein Computer funktioniert, in dem alle Vorteile und Nachteile rational abgewogen werden und darauf basierend die Entscheidungen getroffen werden (Bailom et al., 2006). Bei komplexen Entscheidungen kommt es hingegen zu einem Vernetzen von Wissen, Erfahrung und Emotionen, das zu einer anderen Art von Rationalität führt als bei trivialen Entscheidungen. Hirnforscher Hüther sagte in einem Gespräch, dass es Intuition im landläufigen Sinn so nicht gibt. Vielmehr liegen hinter „gefühlsmäßigen“ Entscheidungen jene vernetzen Abläufe, die unterschiedlichstes Erfahrungswissen und aufgebautes theoretisches Wissen in einer besonderen Art und Weise nutzbar machen. Menschen die durch Neugierde, Offenheit und Chancenorientierung sich ein hohes Maß an Wissen aneignen, sind häufiger in der Lage „intuitive“ Entscheidungen zu treffen, als diejenigen Menschen, die nur über ein relativ geringes Erfahrungswissen verfügen (Bailom et al., 2006). Intuition ist dementsprechend weder ein magischer sechster Sinn, noch ein paranormaler Prozess. Intuition ist weder das Gegenteil von Rationalität noch Entscheiden nach dem Zufallsprinzip. Intuition ist eine hochkomplexe und hoch entwickelte Form des Schlussfolgerns, die auf lange Erfahrung und Lernen beruht und auf Fakten, Muster, Konzepten, Techniken, Abstraktionen
Die Rolle von Intuition
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und allem, was wir als formales Wissen bezeichnen und in unserem Kopf abgespeichert ist, beruht (Prietula & Simon, 1989). Intuition ist unbewusst, sie basiert auf unzähligen gespeicherten Erfahrungen. Sie ist schnell und verarbeitet Jahre von Erfahrungen innerhalb von Sekunden. Intuition ist komplex und verarbeitet Informationen ganzheitlich und nicht nach linearen, rational-analytischen Entscheidungsprozessen. Intuition fußt auf Expertise, die sich in unbewussten Entscheidungsheuristiken niederschlägt und auf Emotionen, die mit einer bestimmten Situation, einem bestimmten Reiz einhergehen (Sadler-Smith & Shefy, 2004).
6 Intuition und ihre Voraussetzungen Die Voraussetzungen für das „Zustandekommen“ von Intuition und deren Nutzen ist in der Managementwissenschaft noch relativ neu und unerforscht (Sinclair & Askhanasy, 2005). Dennoch lassen sich erste Erkenntnisse aus den vorliegenden Untersuchungen ableiten.
Intuition braucht Erfahrung: Intuition hat weder etwas mit Instinkt noch mit Hellseherei zu tun. Intuition ist „automatisierte Expertise“ (Miller & Ireland, 2005). Je vielschichtiger und je umfangreicher die Erfahrung, umso mehr Muster sind dem Entscheider vertraut. Je mehr Muster ihm vertraut sind, umso besser seine Intuition. Erfahrungswissen ist oft als implizites Wissen abgespeichert. Es kann nicht artikuliert werden. Wenn daher eine erfahrene Führungskraft „aus dem Bauch“ entscheidet, weil es ihr intuitiv richtig erscheint, ist es in Wahrheit die Mustererkennung aus der Erfahrung. Wenn diese Führungskraft dann nicht in der Lage ist, klar zu artikulieren, warum sie diese Entscheidung für richtig hält, muss das noch nicht heißen, dass die intuitive Entscheidung schlecht ist. Studien zeigen, dass Führungskräfte auf der obersten Ebene mehr intuitive Entscheidungen treffen, als Führungskräfte auf der
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Kurt Matzler / Franz Bailom / Katja Hutter
mittleren und unteren Ebene und dass Kleinunternehmer etwa gleich viel intuitiv Entscheiden wie die obersten Führungskräfte von Top-Unternehmen (Sadler-Smith & Shefy, 2004).
Führungskräfte brauchen Netzwerke: Sie brauchen Netzwerke um Erfahrungen auszutauschen und um gutes Feedback für ihre Entscheidungen zu bekommen. Nur durch gutes Feedback entsteht ein Lernklima, das den Aufbau von Erfahrungswissen unterstützt. Top-Führungskräfte sollten sich mit Leuten umgeben, die ihnen ebenbürtig sind und mit denen sie ein offenes Gesprächsklima pflegen. In der Führungspraxis passiert oft das Gegenteil: „Viele Manager versammeln Jasager und Kopfnicker um sich. Das ist das Verheerendste, was geschehen kann und endet früher oder später in einem kollektiven Realitätsverlust.“ (Schmid, 2005).
Führungskräfte brauchen emotionale Intelligenz: Intuition geht meist mit Emotion einher (Sadler-Smith & Sparrow, 2007). Der Neurowissenschaftler Joseph LeDoux (1996) hat nachgewiesen, dass die Amygdala – unser emotionales Gedächtnis – in einem „quick and dirty“-Prozess Reize schneller kategorisiert und Verhalten auslöst als kognitive Prozesse. Mit anderen Worten: Emotion geht vor Kognition. Das „Bauchgefühl“ kann uns nicht nur vor falschen Entscheidungen schützen, sondern uns auch auf Chancen aufmerksam machen. Daher meint Goleman auch, dass ein Hören auf die Gefühle zu besseren Entscheidungen führen kann (Goleman, 1996). Goleman fand auch, dass 90% der Unterschiede zwischen Top-Performern und durchschnittlich erfolgreichen Führungskräften auf oberster Ebene durch emotionale Intelligenz zu erklären sind (Goleman, 2004). Und hier ist es vor allem das Bewusstsein und die Kenntnis der eigenen Gefühle, das heißt die Fähigkeit eigene Emotionen zu erkennen, sie zu verstehen und sie richtig zu interpretieren.
Die Rolle von Intuition
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Lernen durch Fehler: Da Intuition Erfahrung braucht, ist eine Umgebung notwendig, in der Erfahrungen – positive wie negative – gemacht werden können. Das erfordert auch ein gewisses Maß an Risikobereitschaft und Fehlertoleranz. Führungskräfte können solche Kulturen dadurch schaffen, dass sie öffentlich und kontinuierlich Führungskräfte unterstützen, die Risiken eingehen und auch Fehler machen, indem sie solchen Führungskräften auch Karrieren ermöglichen (Sitkin, 1992).
Neugierig sein und Chancen statt Risiken sehen. Führungskräfte müssen ihrer Neugierde auch und gerade im oft belastenden Beruf Freiraum geben. Diese Neugierde ist die Voraussetzung, dass man neue Möglichkeiten entdecken kann. Dies kann aber wiederum nur dann gelingen, wenn die gewonnenen Eindrücke „chancenorientiert“ verarbeitet werden und nicht immer und überall nach Gründen für ein „Nichtgelingen“ gesucht wird. Peter Drucker meint in einem Aufsatz in der Harvard Business Review: „Ein guter Manager richtet seinen Blick immer stärker auf Chancen als auf Risiken … Sich nur um Probleme zu kümmern führt nicht wirklich weiter. Sie wenden damit lediglich Schaden vom Unternehmen ab. Positive Ergebnisse können erst entstehen, wenn Führungskräfte konsequent Chancen nutzen.“ (Drucker, 2004). Chancenorientiertes Denken und Handeln ist Voraussetzung dafür, neue Wege zu gehen. Neue Wege zu gehen, ist Voraussetzung dafür, Erfahrungen zu sammeln. Und Intuition braucht Erfahrung.
Der Intuition darf nicht freier Lauf gelassen werden: Keine weise Führungskraft wird Entscheidungen aufgrund von Intuition treffen, die so schwerwiegend sind, dass sie das Unternehmen zerstören können. Eine weise Führungskraft wird vielmehr versuchen, Intuition durch Wissen um Fakten zu ergänzen.
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Kurt Matzler / Franz Bailom / Katja Hutter
Oder wie es Peter Drucker formuliert: „I believe in intuition only if you discipline it. The `hunch` artists, the ones who make a diagnosis but don’t check it out with facts, with what they observe, are the ones … who kill businesses” (Miller & Ireland, 2005).
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Integration von IT-Governance in die Unternehmensstrategie Ergebnisse einer empirischen Untersuchung im deutschsprachigen Raum
Kerstin Fink, Christian Ploder
1
Kurzfassung ..................................................................................... 230
2
Einleitung......................................................................................... 230
3
Ergebnisse der Empirischen Studie.................................................. 235
4
Integrationsmodell ........................................................................... 240
5
Ausblick........................................................................................... 243
Literaturverzeichnis.....................................................................................245
230
Kerstin Fink / Christian Ploder
1 Kurzfassung Eine wesentliche Aufgabe des Managements ist die Ausrichtung des Unternehmens an der Informationsfunktion, um die Geschäftsprozesse zu optimieren. Die Rolle der Informationstechnologie ist nicht eine reine Querschnittsfunktion, sondern kann als eine Steuerungsfunktion betrachtet werden. Informationstechnologien tragen schon heute zum Unternehmenserfolg bei und auch in Zukunft werden Wettbewerbsvorteile sowie Produktivitätssteigerungen erzielt. Somit liegt es in der Verantwortung des Managements nicht nur Corporate Governance Strategien zu entwickeln, sondern die Informationsfunktion in die Unternehmensstrategie und –ziele zu integrieren. Eine in 480 Unternehmen durchgeführte Studie vom Institut für Wirtschaftsinformatik, Produktionswirtschaft und Logistik/Universität Innsbruck bildet die Grundlage für die Entwicklung eines Vorgehensmodells zur Einführung von ITGovernance in Unternehmen.
2 Einleitung Die wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre fordern von Unternehmen den gezielten Einsatz modernster Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zur Unterstützung der täglichen Geschäftsprozesse und -tätigkeiten. Aus diesen Gründen verzeichnet die Informationstechnologie (IT) eine steigende Bedeutung in den Unternehmen (Brun, 2006). „Die systematische Nutzung des in den Geschäftsdaten schlummernden Informationsund Wissenspotentials, die Optimierung der Kostenstrukturen, Geschäftsprozessintegration, Verbesserung des Leitungsangebotes sind Beiträge, welche die IT zur Wertschöpfung im Unternehmen leisten kann“ (Brun, 2006). Durch den Einsatz von IKT können sich die Unternehmen Wettbewerbsvorteile schaffen, denn diese erzeugt nicht nur Kosten, sondern generiert einen Nutzen, indem sie Informationen aus diversen Quellen und Unternehmensbereichen zusammenführt und diese jederzeit abrufbar macht. Deshalb ist es
Integration von IT-Governance
231
für die Unternehmen notwendig, dass ihre IT reibungslos funktioniert, um die erforderlichen Informationen effizient zur Verfügung zu stellen (Weill & Ross, 2004). Diese Verfügbarkeit an Informationen und Wissen (Fink & Ploder, 2009) hat einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg und aus diesem Grund werden Geschäftsprozesse mittels der IT transformiert und optimiert, um die Vorteile dieser Technologien bezüglich Spezialisierungs-, Rationalisierungs- und Anpassungsmöglichkeiten zu nutzen (Meyer, Zarnekow, & Kolbe, 2003; Weill & Ross, 2004). Die verstärkte Anwendung von IT bringt nicht nur Vorteile, sondern stellt aufgrund einer Reihe von Risiken - wie z. B. Ausfall von IT-Systemen und damit verbundene Informations- und Imageverluste, Sicherheitslücken - neue Herausforderungen an die Unternehmensleitung. Deshalb ist es notwendig, dass sich die Führungsebene über die Vorteile und Risiken der eingesetzten IT für die Erreichung der Unternehmensziele bewusst ist (Meyer et al., 2003; Weill & Ross, 2004). Aktuelle gesetzliche Regularien wie der SarbanesOxley-Akt, der Corporate Governance Kodex und Basel II verlangen von der Unternehmensführung, dass sie die IT nicht nur aus rechtlicher und betriebswirtschaftlicher, sondern auch aus technischer Sicht effizient und effektiv steuern und kontrollieren (Min Tjoa & Karagianis, 2005). Die Herausforderung für die Geschäftsleitung und das Top Management ist die Einführung effektiver IT-Prozesse und Organisationsstrukturen, um einen wirtschaftlichen IT-Einsatz unter Berücksichtigung von IT-Risiken zu gewährleisten und damit zum Unternehmenserfolg beizutragen. Erfolgreiche Unternehmen sind sich der Bedeutung und der Risiken der IT bewusst (ITGI, 2006, S. 6ff.). Das Konzept der IT-Governance greift diese Problematik auf und versucht, durch die Klärung von Grundsätzen, die Entwicklung von Verfahren und die Auflistung von Maßnahmen zum richtigen Einsatz von IT,
232
Kerstin Fink / Christian Ploder
Lösungsansätze zu finden (Meyer et al., 2003; Schellhaas, 2005). Damit ITGovernance jedoch zum Unternehmenserfolg beitragen kann, muss sie als Teil der Unternehmensstrategie betrachtet werden, was bedeutet, dass eine Integration von Corporate Governance mit der IT-Governance herbeigeführt werden muss. Der Begriff „Governance“ leitet sich aus „to govern/government“ ab und bezieht sich ursprünglich auf das politische Herrschaftsregime des Staates. Meyer et. al. verstehen unter dem Begriff „Corporate Governance“ die verantwortliche und auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtete Organisation der Unternehmensleitung und -kontrolle. Corporate Governance kann somit als Teilgebiet der Unternehmensführung angesehen werden (…)“ (Meyer et al., 2003). Eine ähnliche Definition des Terminus findet sich bei Tirole (2001): „ (…) as the design of institutions that induce or force management to internalize the welfare of stakeholders. The provision of managerial incentives and the design of a control structure must account for their impact on the utilities of all stakeholders (natural stakeholders and investors) in order to, respectively, induce or force internalization.” Auch die OECD ist sich der Bedeutung von Corporate Governance bewusst und hat im Jahre 2004 eine Neufassung der „OECD - Grundsätze der Corporate Governance“ veröffentlicht (OECD, 2004). Auf nationaler Ebene hat Österreich im Jahr 2002 in der derzeitig aktuellen Fassung von 2006 den „Österreichischen Corporate Governance Kodex“ veröffentlicht. In Deutschland findet sich der „Deutsche Corporate Governance Kodex“ in der Fassung von 2006 und in der Schweiz gibt es Richtlinien aus dem Jahre 2002 zu dem „Schweizer Corporate Governance Kodex“. Basierend auf der internationalen und europäischen Corporate Governance Literatur fokussieren sich die Autoren auf die Bedeutung von ITGovernance (Fink & Ploder, 2008) in Europa, insbesondere im deutschsprachigen Raum (Österreich, Deutschland, Schweiz). Während die Thematik der
Integration von IT-Governance
233
Corporate Governance in unterschiedlichen Forschungsberichten diskutiert wird, hat derzeit die Bedeutung von IT-Governance auf Entscheidungsprozesse in europäischen Unternehmen kaum eine Bedeutung. Aus terminologischer Sicht bedeutet IT-Governance die Anwendung der Prinzipien der Corporate Governance auf die Lenkung und Steuerung der IT (ITGI, 2003). Das IT-Governance Institut definiert, dass IT-Governance in der Verantwortung des Vorstands und des Managements liegt und ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmensführung ist. IT-Governance besteht aus Führung, Organisationsstrukturen und Prozessen, die sicherstellen, dass die IT die Unternehmensstrategie und -ziele unterstützt (ITGI, 2003, S. 11). Für Van Grembergen (2004) kann IT-Governance gesehen werden als: “... is the organizational capacity exercised by the board, executive management and IT management to control the formulation and implementation of IT strategy and in this way ensuring the fusion of business and IT. The three crucial IT governance questions are concerned with effectiveness, efficiency and control of IT.”
234
Kerstin Fink / Christian Ploder
Abbildung 1: Corporate and Key Asset Governance Quelle: Weill & Ross, 2004, S. 5
Weill & Ross schlagen einen Bezugsrahmen vor, welcher die Konzepte der Corporate Governance und der IT-Governance verbindet (Abbildung 1). Die Unternehmensleitung als Vertreter des Vorstandes formulieren einerseits Strategien und andererseits „erstrebenswerte Verhaltensweisen“ (Desirable Behavior), die sich auf das Wertesystem und die Kultur des Unternehmens beziehen. Weill & Ross (2004) definieren sechs Hauptbereiche (Human As-
Integration von IT-Governance
235
sets, Financial Assets, Physical Assets, IP Assets, Information and IT Assets, Relationship Assets), durch welche ein Unternehmen definiert wird, wobei die Mechanismen der IT-Governance einen Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele leisten. Das Ziel der empirischen Studie unter 480 Unternehmen ist die Entwicklung eines Integrationsmodells von Corporate Governance und IT-Governance. Im Folgenden werden der Ablauf der empirischen Studie und die Ergebnisse beschrieben, die das Integrationsmodell vorstellen. Den Abschluss bilden eine Zusammenfassung und ein Ausblick.
3 Ergebnisse der Empirischen Studie Das von Weill & Ross (2004) entwickelte IT-Governance Framework hat zum Ziel, eine möglichst effiziente Integration von IT-Governance in Unternehmen zu ermöglichen, wobei diese eine Unterteilung in die drei folgenden Komponenten vornehmen: (1) der Arbeitsbereich, (2) die Art und Weise der Umsetzung sowie (3) die Mechanismen, welche eine Beschreibung und Analyse der aktuellen Situation ermöglichen. Diese Analyse ermöglicht es einem Unternehmen, die IT Guidelines aus den allgemeinen Unternehmensprinzipien abzuleiten. In dem Framework werden die fünf IT-Governance Entscheidungsfelder skizziert: 1. 2. 3.
4.
die „IT Principle Decisions“ (IT-Grundsatzentscheidungen) definieren die Rolle der IT in einem Unternehmen. Die „IT Architecture Decisions“ (IT-Architektur) beschreiben die Systeme mit deren Schnittstellen und thematisieren einheitliche Standards. Die „IT Infrastructure Decisions“ (Geschäftsanwendungen) legen die unterschiedlichen Services fest, welche von den Applikationen genutzt werden können. Die „Business Applications“ (IT-Infrastruktur) verbinden die IT Applikationen mit den strategischen Vorgaben auf allgemeiner betriebswirtschaftlicher Ebene.
236 5.
Kerstin Fink / Christian Ploder Die „IT Investment and Prioritization Decisions” (IT-Investitionen) definieren, welche IT-Projekte in welchem Umfang zu welcher Zeit umgesetzt werden und berücksichtigen dabei vor allem die Ressourcen und die entsprechenden Budgets.
Diese fünf Entscheidungsfelder sind miteinander verbunden, was somit eine Abstimmung der Felder ermöglicht. Die vereinbarten IT-Prinzipien haben sehr starke Auswirkungen auf die restlichen vier Entscheidungsfelder. Die beiden Felder (2) und (3) leiten aus den Prinzipien die Anforderungen an ITSysteme und deren Architekturen ab, welche schlussendlich auch die entsprechenden Services zur Verfügung stellen. Eine adaptierte Version dieses Frameworks von Weill & Ross (2004) stellt die Grundlage der in diesem Artikel vorgestellten empirischen Arbeit dar (Abbildung 2). In der empirischen Arbeit wurde das Hauptaugenmerk auf die Analyse der Entscheidungsfindungsprozesse und deren Auswirkungen auf diese von IT-Governance gelegt. Die fünf Entscheidungsfelder bilden die Grundlage und wurden auf die spezifischen Gegebenheiten in den deutschsprachigen Ländern adaptiert. Ziel der Studie ist, die Auswirkungen von IT-Governance auf die Entscheidungsprozesse zu analysieren und dadurch Rückschlüsse auf eine IT-GovernanceRelevanz für die Unternehmen festzustellen. Die empirische Studie hat primär einen explorativen Charakter und zeigt die Verbindungen mit der Unternehmensstrategie.
Integration von IT-Governance
237
Abbildung 2: Adaptiertes Framework Quelle: Weill & Ross, 2004
Die von den Autoren durchgeführte Studie wurde in die folgenden drei großen Bereiche gegliedert: (1) Eine Literaturrecherche gibt Aufschluss über die aktuellen Diskussionen aus dem Fachbereich zur untersuchten Thematik. Dabei wurden auch einige publizierte Beschreibungen zu in den entsprechenden Ländern durchgeführten Umsetzungsprojekten herangezogen; (2) in einem zweiten Schritt wurden die Ergebnisse aus den Recherchen mit Experteninterviews ergänzt und vertieft. Das Ziel der 15 Experteninterviews lag auf der Analyse der Zusammenhänge zwischen Unternehmenserfolg und ITGovernance. Die Experteninterviews wurden hauptsächlich mit CIOs (Chief Information Officer) aus allen drei Ländern durchgeführt; (3) diese erhaltenen Daten dienten als Grundlage für die Erstellung eines OnlineFragebogens, welcher an die IT-Verantwortlichen in 480 Großunternehmen im deutschsprachigen Raum gesandt wurden (180 in Österreich, 240 in
238
Kerstin Fink / Christian Ploder
Deutschland und 60 in der Schweiz). Ein Großunternehmen wurde über die Definition der EU (EC, 2000) identifiziert und ab 250 Mitarbeiter als solches eingestuft. Die Stichprobe wurde zufallsverteilt ausgewählt und auf die Länder verteilt. Die Studie wurde über den Zeitraum von Sommer 2006 bis Sommer 2007 (eine Aktualisierung der Daten ist momentan in Arbeit) nach einem Pre-Test im Juni 2006 durchgeführt. An dem Pre-Test nahmen 15 CIOs und IT-Verantwortliche teil. 120 der angeschriebenen Unternehmen beantworteten den Fragebogen, woraus sich eine Rücklaufquote von 25% errechnen lässt. Der Onlinefragebogen war in die folgenden vier Bereiche aufgeteilt: 1. 2. 3. 4.
generelle Aussagen zur IT-Governance die Auswirkungen der Einführung von IT-Governance branchenspezifische Ausprägungen der IT-Governance und generelle Unternehmensinformationen
Aus dem Fragebogenrücklauf können wie folgt die Anzahl teilgenommener Unternehmen auf differenzierte Unternehmensgrößen festgelegt werden: 68,22% der Unternehmen gaben an, zwischen 250 und 1000 Mitarbeiter (MA) zu beschäftigen, 21,5 % haben zwischen 1000 und 5000 MA und 10,28% gaben an mehr als 5000 MA zu beschäftigen. Im Fragebogen wurden zu jedem der fünf Entscheidungsfelder jeweils drei Variablen zugeordnet und über bestimmte „Items“ im Fragebogen auf einer Skala bewertet. Die Likert-Skala folgte dabei folgendem Aufbau: +0 keine Auswirkungen bis +12 sehr hohe Auswirkungen (mit Sprüngen um je 4 Punkte). Tabelle 1 stellt die erhobenen Daten pro Land und Entscheidungsfeld dar, wobei ein Zahlenwert die Punktesumme aus der Bewertung nach der Likert-Skala aufsummiert und die drei Faktoren pro Entscheidungsfeld und Land darstellt.
Integration von IT-Governance
239
Ranking IT-Governance
Deutschland
Österreich
Schweiz
IT-Grundsatzentscheidungen
731
738
743
IT-Architektur
679
693
689
Geschäftsanwendungen
517
517
512
IT-Infrastruktur
890
890
881
IT-Investitionen
653
670
688
Entscheidungsfelder
Tabelle 1: Auswertungen der Daten pro Entscheidungsfeld Quelle: eigene Darstellung
Ein wesentliches Ergebnis aus der Studie war es, Aussagen zu treffen, welche die Auswirkungen von IT-Governance auf die Entscheidungsfindungsprozesse haben. Die dafür verwendeten Faktoren werden im Folgenden aufgezählt: 1.
Wesentliche Elemente der IT-Grundsatzentscheidungen sind laut Studie: a. b. c.
Verbesserung der Kommunikationsstruktur Verbessertes Verständnis der Bedeutung von IT im Bereich des Top-Managements Einführung einer IT-Strategie
2.
Die IT-Architektur sollte durch folgende drei Vorgehensweisen unterstützt werden: a. Akzeptanz von IT-Entscheidungen b. Einbeziehung von IT-Verantwortlichen in Entscheidungsprozesses des Top-Managements c. Verbesserung der Geschäftsprozesse
3.
Die Geschäftsanwendungen führen laut Studie zu einer:
240
Kerstin Fink / Christian Ploder a. b. c.
Nutzenverbesserung der IT für Mitarbeiter Integration der IT-Strategie und Unternehmensstrategie Integration von IT-Investitionen mit Unternehmensinvestitionen
4.
Die IT-Infrastruktur dient primär der: a. Verbesserung der IT-Performance b. ROA (Return on Assets) Verbesserung c. IT-Risikominimierung
5.
Die Beachtung von IT-Investitionen fördern die_ a. Flexibilisierung der IT-Infrastruktur b. Transparenz der IT-Entscheidungen c. Identifikation der kritischen Erfolgsfaktoren
Aufgrund der dargestellten Ergebnisse in Tabelle 1 können keine signifikanten Unterschiede in einem Ländervergleich gezogen werden. Basierend auf den gewonnenen Daten aus der empirischen Studie wird im folgenden Kapitel auf die Erstellung des Integrationsmodells eingegangen, welches eine Verbindung der IT-Governance mit der Corporate Governance herstellt.
4 Integrationsmodell Basierend auf den Ergebnissen der durchgeführten empirischen Studie haben die Autoren ein Integrationsmodell von Corporate Governance und ITGovernance entwickelt. Als Bezugsrahmen für die Corporate- GovernancePerspektive wurde die Grundkonzeption der Strategischen Unternehmensführung von Hinterhuber (2004) herangezogen. Die Modellierung der informationstechnologischen Perspektive erfolgte aufgrund der aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse. Abbildung 3 visualisiert die Kombination sowohl der unternehmerischen als auch der informationstechnologischen Aspekte zu
Integration von IT-Governance
241
einem Integrationsmodell. ,./ D !"#!$
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Abbildung 3: Das Integrationsmodell Quelle: eigene Darstellung
Derzeit sind in den deutschsprachigen Ländern Corporate Governance Kodizes gut implementiert. Allerdings ist anzumerken, dass von Unternehmen die Bedeutung der Informationstechnologie auf strategische Entscheidungsprozesse unterschätzt wird. Bereits eine unternehmerische Vision sollte das Bewusstsein für die Bedeutung von Informationstechnologien beinhalten. Mithilfe einer integrierten Vision „lassen sich das Verhalten und die Performance der Unternehmensleitung einem Controlling unterziehen“ (Hinterhuber, 2004, S. 44).
242
Kerstin Fink / Christian Ploder
Die Unternehmenspolitik als Gesamtheit von Unternehmensgrundsätzen bedarf der Berücksichtigung einer IT-Politik. Ziel dieser ist die Schaffung eines Regelwerkes, welches das Zusammenwirken von Individuen, Gruppen und Organisationen zur Erreichung der zuvor kommunizierten Visionen ermöglicht. Die IT-Politik schafft die Grundlage für ein gemeinsames Verständnis über den Einsatz der Informationstechnologien im Unternehmen. Zur Umsetzung der IT-Politik bedarf es unterschiedlicher Akteure, welche die Prinzipien einer IT-Strategie (McKeen & Smith, 2009) tragen. Die IT-Strategie bestimmt den Handlungsspielraum, in welchem sich die administrativen und operativen Maßnahmen zur Gestaltung der Informationsinfrastruktur vollziehen (Heinrich, Heinzl, & Roithmayr, 2004). Ausgangspunkt der Entwicklung einer IT-Strategie ist die Analyse des strategischen Umfeldes, was die Formulierung von strategischen IT-Zielen ermöglicht, die sich in einem Dokument manifestieren. Anzumerken ist, dass auch die IT-Strategie sich verändernden Umweltbedingungen anpassen muss und aktualisiert werden sollte. Die Realisierung der IT-Strategie erfolgt durch die Modellierung von Geschäftsprozessen (Keller, Nüttgens, & Scheer, 1992). Beinhaltet die ITStrategie auch Ideen des Wissensmanagement so müssen in der Modellierung von Geschäftsprozessen auch wissensintensive Inhalte berücksichtigt werden (Fink & Ploder, 2007). Aus organisatorischer Sicht müssen sowohl beim Corporate-Governance-Kodex als auch bei der Entwicklung eines ITGovernance-Kodex unterschiedliche Stakeholder berücksichtigt werden. Wie die Ergebnisse der Studie darlegen, sind die Einbeziehung von ITVerantwortlichen beziehungsweise IT-Entscheidungsträgern sowie eine verbesserte Kommunikation zwischen den Mitarbeitern wesentliche Kriterien für die Entwicklung eines IT-Governance-Konzeptes. Somit nimmt das Stakeholder Management eine zentrale Bedeutung im Rahmen der ITGovernance-Diskussion ein (Fink, Roithmayr, & Ploder, 2006; Freeman, 1984; Friedman & Miles, 2002). Das Ergebnis des Entscheidungsprozesses
Integration von IT-Governance
243
ist die Definition eines IT-Governance-Kodex, welcher von einem möglichst breiten Spektrum an Stakeholdern getragen wird. Die zukünftige Entwicklung in deutschsprachigen Unternehmen fordert ein allgemein anerkanntes Framework für einen IT-Governance-Kodex, welcher dieselbe Bedeutung hat, wie die aktuell bestehenden Corporate-Governance-Frameworks. Diese Tendenz lässt sich auch aus der empirischen Studie erklären, da ITEntscheidungsträger sich nicht über die Bedeutung und die Auswirkungen einer IT-Governance auf ihre Geschäftsstrategie im Klaren sind. Als Gründe für die Reaktion wurden (1) ein fehlendes Zeitbudget, (2) hohe Investitionskosten und (3) fehlende Zeit für die Implementierung angegeben.
5 Ausblick Das zentrale Ergebnis der empirischen Untersuchung ist, dass IT-Governance ein Erfolgsfaktor von Corporate Governance ist und eine Aufgabe der Unternehmensleitung darstellt. Der aktuelle Bericht 2008 des IT-GovernanceInstituts zeigt, dass eine Integration (Alignment) zwischen Corporate- und IT-Governance aus Sicht der jeweiligen Verantwortungsbereiche nur durchschnittlich umgesetzt wird (Abbildung 5). Während das General Management eine sehr gute Integration mit 39% angibt, so ist aus Sicht von ITVerantwortlichen (IT-Management und CIOs) nur eine durchschnittliche bis gute Umsetzung im Unternehmen vorhanden.
244
Kerstin Fink / Christian Ploder
Abbildung 4: Integration zwischen Corporate- und IT-Governance-Praxis Quelle: ITGI 2008, S. 18
Eine Vernachlässigung der Bedeutung von IT-Risiken kann sich auf das Unternehmensergebnis auswirken. Aus diesem Grund ist es entscheidend, dass die Bedeutung der Informationsfunktion allen Stakeholdern transparent dargelegt wird. Somit können zentrale Ziele einer IT-Governance verfolgt werden:
Integration der Informationstechnologie mit den Unternehmenszielen, Verantwortungsvoller und nachhaltiger Einsatz von IT-Ressourcen, Minimierung der IT-Risiken sowie Verbesserung der Kommunikationsstrategie in Bezug auf die Bedeutung von IT im Unternehmen und für alle Stakeholder
Integration von IT-Governance
245
Zur Realisierung der Ziele ist die Integration in alle Unternehmensbereiche empfehlenswert. Ein Vorgehensmodell unterstützt den Vorgang der Entwicklung eines IT-Governance-Kodex. Eine im Jahr 2006 von PricewaterhouseCoopers (PWC, 2006) durchgeführte Studie unter weltweit agierenden CIOs bestätigt, dass der Reifegrad der Einführung von IT-Governance eher gering eingeschätzt wird. Die Bedeutung von IT-Governance wird zwar attestiert, jedoch eine Abstimmung mit den Unternehmenszielen und der -strategie ist geringfügig vorhanden. Durch das Aufzeigen von Kostentransparenz und Zeitbudgets wird ein Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung geleistet. Aber auch klein- und mittelständische Unternehmen (KMUs) müssen sich mit der Bedeutung der Informationsfunktion auseinandersetzen und diese in die Planung miteinbeziehen. Vorhandene, informell gültige Rahmenbedingen helfen KMUs auf lokaler Ebene eine vereinfachte IT-Governance-Diskussion zu führen.
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Die Erfassung der Risikowahrnehmung von Unternehmern Christopher Kronenberg, Stefan Ortner, Mike Peters und Carmen Zampol 1
Einleitung......................................................................................... 248
2
Literaturanalyse ............................................................................... 249
3
Unternehmensrisiken: die Sicht der Experten.................................. 254
4
Ein Erhebungsinstrument: ein Fragebogenentwurf.......................... 261
5
Diskussion........................................................................................ 265
Literaturverzeichnis.....................................................................................268
248 Christopher Kronenberg / Stefan Ortner / Mike Peters / Carmen Zampol
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Einleitung
Die Risikosituation der Unternehmen ändert sich ständig. Jedes Unternehmen muss versuchen, Risiken präventiv vorzubeugen (Hinterhuber/Ortner, 2005, 195 f). Der Unternehmer hat die Aufgabe in seinem Betrieb Risiken wahrzunehmen, zu identifizieren und zu bewerten. Anschließend muss er entscheiden, ob die Risiken vermieden oder getragen werden (Jungmann/Slovic, 1993a). Das Risikomanagement ist dabei eine nicht delegierbare Aufgabe. Risiken, denen das Unternehmen ausgesetzt sein kann, können sowohl aus betriebsinternen wie auch aus betriebsexternen Faktoren bestehen. Viele Potentiale zur Senkung von Risiken und damit zur Steigerung des Unternehmenswertes bleiben jedoch ungenutzt. Auch die Risikokultur spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Dazu zählen die strategische Ausrichtung der Unternehmung, ihre Einstellung und ihre Vorgangsweise mit Risiken (Gleißner, 2001). In der Literatur findet man eine Reihe unterschiedlicher Definitionen des Begriffes Risiko (Jungermann/Slovic 1993b), jedoch gibt es keinen einheitlichen wissenschaftlichen Risikobegriff. Die vorliegende Arbeit stützt sich auf die anerkannte Definition des Österreichischen Normungsinstitutes, die Risiko als Chance und Schadenspotential sieht (ÖNR 49000, 2004). Jedes Risikomanagement-System ist somit gleichzeitig ein ChancenmanagementSystem. Risiko kann somit sowohl als Chance, wie auch als Gefahr gesehen werden (Brühwiler, 2007, 22). Die vorliegende Arbeit entwickelt ein geeignetes Forschungsdesign zur Erfassung der Risikowahrnehmung. Ziel dieses Beitrages ist die Ausarbeitung des Forschungsablaufs, der als Grundlage weiterer empirischer Analysen
Im Text werden entweder Unternehmer oder Unternehmerinnen angesprochen. Die Autoren schließen jedoch immer beide Geschlechter mit ein.
Die Erfassung der Risikowahrnehmung
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Aufschluß über die Einschätzung endogener und exogener Risiken geben soll. Hierzu wird im ersten Teil des Beitrags ein Überblick über bisherige Studien im Bereich der unternehmerischen Risikowahrnehmung gegeben, um daraus die oben erwähnte Forschungslücke abzuleiten. Es werden vor allem die Variablen der Risikowahrnehmung und die angewandten Instrumente zur Erfassung der unternehmerischen Risikowahrnehmung analysiert. Der zweite Teil des Beitrags schließt eine empirische Untersuchung ein: Sechs Experten im Bereich des Risikomanagements wurden in face-to-face Interviews (ca. 40 Minuten Dauer) befragt: Für die Expertengespräche wurden Personen aus dem Top Management verschiedener Branchen ausgewählt, die Befragungen im Sommer 2007 durchgeführt. Die Fragen des leitfadengestützten Interviews basieren auf der Literaturanalyse. Ziel der Expertengespräche war, zusätzliche Attribute oder Indikatoren der Risikowahrnehmung zu eruieren, die möglicherweise bei bisherigen Studien unbeachtet blieben. Im folgenden dritten Kapitel des Papers wird das auf den theoretischen und empirisch-qualitativen Erkenntnissen basierte Erhebungsinstrument zur Erfassung der Risikowahrnehmung vorgestellt und diskutiert. Das Ergebnis ist somit eine wichtige Vorarbeit für all jene Forscher, die darauf abzielen, die Risikowahrnehmung von Unternehmern zu erfassen.
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Literaturanalyse
Der Begriff Risiko hat für verschiedene Personen unterschiedlichste Bedeutungen. Risiko kann als Konstrukt gesehen werden. Unser Gehirn kreiert ein Konstrukt aus Ahnungen, die sich aus unseren Sinnesorganen sowie unserem „sechsten Sinn“ ergeben (Erben/Romeike, 2006, 37). Es gibt keinen
250 Christopher Kronenberg / Stefan Ortner / Mike Peters / Carmen Zampol einheitlichen wissenschaftlichen Risikobegriff (Jungermann/Slovic 1993, 169). Die vorliegende Arbeit stützt sich auf die anerkannte Definition des Österreichischen Normungsinstitutes, die Risiko als Chance und Schadenspotential sieht (ONR 49000, 2004, 6). Jedes Risikomanagement-System ist somit gleichzeitig ein Chancenmanagement-System (Brühwiler, 2007, 22). Risiko kann somit sowohl als Chance wie auch als Gefahr gesehen werden. Das unternehmensweite proaktive Risikomanagement dient als Führungsinstrument und soll ganzheitlich in das Managementsystem integriert werden. Es stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor für Unternehmen jeder Branche dar. Lediglich erkannte Risiken können vermieden werden. Die Wahrnehmung von Risiken ist der erste und entscheidende Schritt für ein erfolgreiches Risikomanagement. In der Praxis werden zwei Philosophien unterschieden: Die eine schaut in die Vergangenheit und prognostiziert auf dieser Basis künftige Entwicklungen, die andere richtet den Blick nach vorn. Frühindikatoren signalisieren Chancen und Risiken, lange bevor sie von anderen wahrgenommen werden. Das Wissen über Risiken hängt von unserer ganz individuellen und damit höchst unterschiedlichen Risikowahrnehmung ab, und ist somit Vorgang und Ergebnis einer hochkomplizierten Reizverarbeitung (Erben/Romeike, 2006, 32 f). Der Unternehmer wurde seit Schumpeters Frühwerk im Jahre 1912 als einer der wichtigsten Faktoren in der wirtschaftlichen Entwicklung gesehen. Der Aspekt der Risikoübernahme durch den Unternehmer wurde zum ersten Mal im 18. Jahrhundert aufgegriffen und später von einer Reihe von Autoren verfestigt (siehe z. B. Mill, 1848, Liefmann, 1897, Knight, 1921 oder Oberparleiter, 1930). Die unterschiedlichen Charakteristika des Unternehmers, wurden bis dato sehr umfangreich und genau untersucht. Miner (1997) sieht beispielsweise Risikofreude, Innovation und Intuition als charakteristische
Die Erfassung der Risikowahrnehmung
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Eigenschaften eines Unternehmers. Miner unterstreicht in seiner Typologisierung, wie unterschiedlich die Risikoneigung des einzelnen Unternehmers sein kann. Pleitner (1984) beschreibt auch den idealtypischen Unternehmer durch die Merkmalsausprägung der Risikobereitschaft. Zahlreiche Untersuchungen analysieren außerdem die Risikowahrnehmung. Bereits die Studien von Paul Slovic haben das Konzept des „wahrgenommenen Risikos“ in den siebziger Jahren eingeführt. Aus seinen Befragungen geht hervor, dass die Vertrautheit mit dem Risiko, dessen wahrgenommene Kontrollierbarkeit, das Potential für katastrophale Konsequenzen sowie die Unmittelbarkeit der Konsequenzen bedeutenden Einfluss auf die Wahrnehmung haben (Wiedemann/Mertens, 2005, 38). Risiko ist ein Konstrukt und sehr stark vom jeweiligen Blickwinkel abhängig. Zudem existieren Faktoren, die die unternehmerische Kognition beeinflussen, unter anderem müssen hier die individuellen Faktoren genannt werden. Man erinnert sich an bestimmte Inhalte besser, sofern ein persönlich motiviertes Interesse damit verbunden ist. Die Wahrnehmung wird beeinflusst durch die eigenen Werte, die persönliche Biographie sowie das bereits erworbene Wissen. Individuelle Erfahrungen bilden somit sogenannte Wahrnehmungszustände, die mit der Bereitschaft verknüpft sind, bestimmte Informationsinhalte sehr viel bereitwilliger aufzunehmen als andere (Hayes, 1995, 39). Zudem spielt die Risikokultur im Unternehmen eine sehr entscheidende Rolle. Die Kultur im Unternehmen muss vom obersten Management vorgelebt werden. Die Mitarbeiter sollen motiviert werden, auch über den eigenen Verantwortungsbereich hinaus zu sehen, sich weiterzubilden und offen für Neues zu sein. Risiken können jedoch nur dann analysiert werden, wenn sie von den Mitarbeitern oder Führungskräften wahrgenommen werden. Die vorhandenen Informationen werden dann registriert und
252 Christopher Kronenberg / Stefan Ortner / Mike Peters / Carmen Zampol anschließend interpretiert. Das Gehirn dekodiert diese Informationen und schreibt ihnen Bedeutungs- und Sinneszusammenhänge zu. Im Zusammenhang mit der Risikokommunikation ist es außerdem notwendig, die psychologische Ebene innerhalb eines Unternehmens nicht außer Acht zu lassen. Meistens entwickelt sich bei den Führungskräften ein sogenanntes „Bauchgefühl“, das oftmals nicht ausgesprochen wird. Diese „Bauchgefühle“ können mit einem Risikomanagement-Prozess geordnet und strukturiert werden. Dieser Prozess ist dann ein möglicher Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Die Wahrnehmung von Risiken, wie auch das unternehmerische Denken und Handeln selbst, sind Gegenstand zahlreicher Studien, doch in deutlich weniger Fällen berücksichtigt die Forschung beide Aspekte. Es gibt nur wenige Untersuchungen wie ein Entrepreneur das Risiko im Unternehmen wahrnimmt beziehungsweise ob es Unterschiede in der Wahrnehmung von Risiken durch unterschiedliche Unternehmertypen gibt. In der Betriebswirtschaft werden Themen, wie die Bewertung von Risiken, das Finanzrisiko und die Effizienzsteigerung durch ein Risikomanagement ausführlichst behandelt. Es finden sich zudem zahlreiche empirische Studien, die sich mit der Versicherungsbranche auseinandersetzen. Forschungen in den Branchen „Banken und Versicherungen“ leisten einen bedeutenden Beitrag zur Analyse des finanziellen Risikos. Zudem wurden einige Studien in der Tourismus- und Informationsbranche und im Sektor „Gewerbe und Industrie“ durchgeführt. Einzelne Arbeiten versuchten auch eine branchenübergreifende Untersuchung auszuarbeiten. Die weiteren Arbeiten konzentrieren sich hauptsächlich auf den deutschen Raum.
Die Erfassung der Risikowahrnehmung Autor
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Vorgehensweise
Branche
Ort
Die Bewertung des Umweltrisikos von Gewerbe- und Industriebetrieben Eipper (1995)
Nutzenwertanalytische und additiv/mulitplikative Verknüpfung und Aggregation mit dem Resultat vielstufiger Rangzahlen; Betriebsanalyse durch Experteninterview und Fragebogen (n=42)
Gewerbe- und Industrie
Deutschland
Finanzstruktur und Risiken im Unternehmenssektor der Bundesrepublik Deutschland Größl, Stahlecker, Wohlers (1999)
Einfach und multiple Regressionsmodelle mit festen oder stochastischen Parametern. Datenbasis (n=19.217)
Gewerbe (ohne Bau), Handel, Verkehr
Westdeutschland
Industrie, Handel, Dienstleistung, Banken und Versicherungen
Österreich
Risikomanagement in österreichischen Unternehmungen Blassnig (2000)
Postalische Umfrage: Fragebogen mit offenen und dichotomen Fragen. Auswertung durch Kategorisierung; (n=71)
Marktstudie – Rating-Software für Unternehmen Romeike, Wehrspohn (2004)
Evaluation durch formale Kriterien von 15 Ratingtools (Definition was Rating misst, Art der Datenverwendung, Methodik der Kalibrierung, Validation der Trennschärfe und Stabilität, Exaktheit der Ausfallwahrscheinlichkeit)
Banken
Deutschland
Information
Deutschland
Tourismus
Tirol
Wahrnehmung und Steuerung von Risiken im Informationsmanagement Junginger, Krcmar (2004)
Schriftliche (n=40) und Online-Umfrage (n=52), statistische Verfahren, Likert Methode
Urlaub in Alpinen Destinationen – no risk, just fun? Eitzinger (2006)
Interviews basierend auf der Card Sorting Methode von Coxon (n=103), Online-Umfrage – Fragebogenstudie mit psychometrischen Paradigma (n=640)
Branchendiversifikation in der Eurozone: Eine empirische Untersuchung Fischer, Glawischnig (2006)
Capital Asset Pricing Model, Moderne Portfoliotheorie nach Markowitz und Tobin in Supsektoren (n=18)
Unterschiedliche Branchen
Eurozone
Versicherungen
Deutschland
Risikomanagement und Solvency II bei Versicherungsunternehmen Pfeifer, Dorenkamp, Ott (2006)
Online-Fragebogen (n=83); statistische Auswertung mit graphischer Darstellung
Ergebnisse der Expertenstudie „Wert – und Effizienzsteigerung durch ein integriertes Risiko- und Versicherungsmanagement Romeike, Löffler (2007)
Strukturierte Befragung von Experten; Delphi-Methode (n=5)
Unterschiedliche Branchen
Tabelle 1: Auswahl empirischer Beiträge: Unternehmer und Risiko
Deutschland
254 Christopher Kronenberg / Stefan Ortner / Mike Peters / Carmen Zampol Bisher wurden hauptsächlich Fragebogen oder Experteninterviews genutzt, um die jeweiligen Forschungsfragen zu beantworten. Aus praktischen Gründen ist ein Online-Fragebogen öfters herangezogen worden. Da unzureichende Forschung auf dem Gebiet der Risikowahrnehmung von Unternehmern festgestellt wurde, führt die Universität Innsbruck mit Unterstützung durch das alpS – Zentrum für Naturgefahren und Risikomanagement und der Hypo Tirol Bank AG eine Studie zur Erfassung der Risikowahrnehmung von Unternehmern durch. Die vorliegende Arbeit entwickelt ein geeignetes Erhebungsinstrument zur Erfassung der Risikowahrnehmung. Ziel ist die Ausarbeitung eines geeigneten Forschungsdesigns. Hierzu wird zunächst eine qualitative Voruntersuchung durchgeführt.
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Unternehmensrisiken: die Sicht der Experten
Dieses Kapitel zielt darauf ab, in der Praxis relevante Gesichtspunkte bezüglich der Risikowahrnehmung aufzudecken. Im Zuge der Erstellung eines geeigneten Erhebungsinstrumentes wurden neben einer Literaturanalyse Experteninterviews durchgeführt. Ziel dieser Interviews war es, mögliche in der Literatur unbeachtete Aspekte des unternehmerischen Risikomanagements zu erfassen. Für die Expertengespräche sind sechs Personen aus dem mittleren beziehungsweise aus dem Top-Management verschiedener Branchen ausgesucht und im Zeitraum vom 26. Juni bis 4. Juli 2007 befragt worden. Die Interviews haben durchschnittlich 40 Minuten gedauert und wurden mit Einverständnis der Interviewpartner auf Tonband aufgezeichnet und anschließend zur Analyse transkribiert. Jedes Interview gliederte sich in drei Teilbereiche. Im ersten Teil diskutiert der Interviewte den Begriff „Risiko“. Die Befragten sollten den Begriff Ri-
Die Erfassung der Risikowahrnehmung
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siko definieren, ihnen bekannte Arten von Risiken nennen und erläutern, welche Risiken im eigenen Unternehmen vorkommen. Der zweite Teil des Leitfadens deckt den Bereich der Risikowahrnehmung, sowie die Unterschiede in den jeweiligen Branchen ab. Zudem sollten die Interviewten die standortspezifischen Risiken Tirols berücksichtigen. Abschließend wurden die Phasen eines Unternehmenslebenszyklus diskutiert und typische Eigenschaften des Unternehmers abgefragt. Außerdem sollten die Befragten Handlungsempfehlungen zur effizienteren Wahrnehmung von Risiken abgeben. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Experteninterviews dargelegt. Die erste Frage bezieht sich auf die Definition des Begriffs Risiko. Durch die unterschiedlichen Beantwortungen dieser Frage wurden die verschiedenen Interpretationen von Risiko deutlich. Betont wurde die Vielfältigkeit des Begriffs und es wurde deutlich, dass mit dem Risiko auch stets eine Chance verbunden wird. Potentielle Möglichkeiten des Unternehmens, angestrebte Ziele zu erreichen, sind in der Regel mit einem gewissen Risiko verbunden. In jeder Branche und in jedem Bereich wird Risiko unterschiedlich verstanden, zum Beispiel als mathematische und statistische Definition, als Value at Risk oder auch als Varianz einer Standartnormalverteilung. Die Kategorisierung der Risiken orientiert sich vorwiegend an den Zielen des Unternehmens wie auch an der Gesetzgebung. Gegenüber den sogenannten „weichen“ Risiken, werden die Risiken wirtschaftlicher Natur genannt. Als weiche Risiken gelten Verhalten und Fähigkeiten der Mitarbeiter und des Managements. Wirtschaftliche Risiken beziehen sich auf Produkte, Qualität und Kundschaft. Typische Risiken in den jeweiligen Unternehmen sind operationelle Risiken, technische Risiken und finanzielle Risiken. Ein wichtiger Faktor ist das
256 Christopher Kronenberg / Stefan Ortner / Mike Peters / Carmen Zampol Know-how der Mitarbeiter, das durch ständige Weiter- und Fortbildung erlangt wird. Als klassische Risiken gelten allgemein jegliche Naturkräfte, vor allem Lawinen und Überschwemmungen. Ausschlaggebend für ein Unternehmen ist zudem das geschaffene Image, welches bei Schädigung nur schwer wieder aufgebaut werden kann. Banken und Versicherungen haben insbesondere Beratungsrisiken. In der Tourismusbranche finden wir eine beschränkte Anzahl an Fachkräften. Die Industrie weist verständlicherweise besonders Produktionsrisiken wie auch technische Risiken auf. Auf die Frage, welche die zuletzt wahrgenommenen Risiken sind, wurden stets, die für das Unternehmen relevantesten Aspekte angesprochen. Wie vorher bereits erwähnt, für die Sparte der Banken und Versicherungen beispielsweise die Beratungsrisiken, für die Industrie die Produktionsrisiken, für die Branche Information und Consulting eventuelle Risiken durch Großprojekte und Kooperationen. Wird ein Partner zum Konkurrent, so stellt dies ein großes Risiko für das Unternehmen dar. Bei der Feststellung, ob ein Risiko vorliegt oder nicht, können zwei Ansätze unterschieden werden: Einmal können Risiken durch festgelegte Regeln, durch genau definierte Prozesse und durch vorgegebene Zertifikate bestimmt werden, zum anderen durch das Gespür und das Auftreten der Ungewissheit. Welche Vorgehensweise gewählt wird, bestimmt aus Sicht der Interviewpartner nicht, ob der Unternehmer erfolgreich ist oder nicht. An der Identifizierung und Bewertung der Risiken nach ihrer Wichtigkeit ist meistens der Abteilungsleiter beschäftigt, in einigen Fällen wird er durch die Geschäftsleitung unterstützt. In manchen Unternehmen gibt es eigene Risikoabteilungen, die diese Aufgabe übernehmen.
Die Erfassung der Risikowahrnehmung
257
Im Unternehmen kann es vorkommen, dass die Beteiligten sich nicht immer einig sind, ob man von einem Risiko spricht oder nicht. Es hängt vom Bekanntheitsgrad des Risikos und auch von der Interpretation der Situation ab, dabei kommt die Individualität zum Ausdruck. Die jeweilige Einstellung der Person beeinflusst sehr stark die Wahrnehmung, ob ein Risiko befürchtet wird oder nicht. Den Experten zufolge ist die Wahrnehmung von Risiken vorwiegend eine Frage der Unternehmenskultur beziehungsweise der Risikokultur im Unternehmen. Die Risikokultur hängt sehr stark von der Arbeitsweise des TopManagements ab. Einige Unternehmer haben eine ausgeprägtere Kultur als andere. Die Wahrnehmung von Risiken kann nicht von heute auf morgen erlernt werden, sondern verlangt einen mehrjährigen Prozess, der vom Management initiiert werden sollte. Ein hoher Einflussfaktor bei der Risikowahrnehmung ist zudem die Erfahrung, die man erst im Laufe der Zeit erlangt. Es bedarf einer kontinuierlichen und detaillierten Auseinandersetzung mit den möglichen Risiken im Unternehmen, das Auge muss geschult werden. Nicht jede Person nimmt ein Risiko gleich war, es hängt – laut Experten – von der Ausbildung und Professionalität ab. Es muss auch berücksichtigt werden, ob die jeweilige Person im eigenen Kerngeschäft agiert oder nicht. Weiters sind bei der Wahrnehmung noch das Maß an erhaltener Information, die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel und eventuelle rechtliche Bedingungen relevant. Im nächsten Schritt wurde verlangt, zwischen externbedingten und internbedingten Risiken zu unterscheiden. Jeder der Befragten hat versucht für das eigene Unternehmen diese Einteilung vorzunehmen, wobei es Schwierigkeiten gab. Denn jedes Risiko kann extern oder intern bedingt sein, abhängig vom jeweiligen Blickwinkel. Trotzdem können Gemeinsamkeiten festgehal-
258 Christopher Kronenberg / Stefan Ortner / Mike Peters / Carmen Zampol ten werden. Als externe Risiken werden der Markt, der Kunde sowie Naturgefahren gesehen. Die kulturellen Unterschiede wie auch der Staat und dessen Politik zählen auch dazu. Die Globalisierung bringt zahlreiche Risiken mit sich, die nicht vom Unternehmer beeinflusst werden können. Im Vergleich dazu sind folgende Aspekte mit internbedingten Risiken verbunden: die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, die technische Anbindung, das Verhalten der Mitarbeiter und des Managements. Arbeitsbereiche sollen nicht all zu sehr eingeschränkt werden, da so der Mitarbeiter nicht über seinen Bereich hinaus Ausschau nach eventuellen Risiken hält. Nicht zu unterschätzen ist auch das Inkassowesen, wie auch die Kapitalbindung über das Anlagevermögen. Unbewusst sind die Experten detaillierter auf die externen Risiken eingegangen. Es wurden deutlich weniger intern- als externbedingte Risiken genannt. Die Risiken unterscheiden sich auch je nach Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Branchenspezifische Risiken sind bei Banken und Versicherungen das Underwriting- und Zeitrisiko wie auch Risiken aus der Beratung. Im Sektor der Industrie werden technologische Risiken und Risiken zeitlicher Natur als wichtig erachtet. Im Handel sind Risiken mit der Lieferfähigkeit der eigenen Lieferanten von großer Bedeutung. Sozialprestige und Image sind im Tourismus ausschlaggebend. In der Branche Information und Consulting können Kooperationen und Beratungen ein Risiko mit sich bringen. Wichtig, und unabhängig von der Branche, ist das Verständnis des Risikoszenarios. Der Unternehmer muss die Risiken verstehen, Ursachen und Konsequenzen berücksichtigen. Natürlich gibt es auch Risiken, die über alle Branchen hinweg zu finden sind, wie beispielsweise finanzielle Risiken und der Risikofaktor „Mensch“. Auch Naturgefahren können für jede Branche
Die Erfassung der Risikowahrnehmung
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ein Risiko darstellen. Jeder Unternehmer sollte darauf bedacht sein, eine Führungsposition am Markt einzunehmen und diese Vorreiterrolle beizubehalten. Steuerpolitische Aspekte, die Konkurrenten wie auch die Produktentwicklung sind – unabhängig von der Branche – wichtig. Jedoch soll der Fokus immer auf betriebseigene Risiken gelegt werden, um individuell darauf eingehen zu können. Interessant ist auch die Frage, welche Risiken speziell für den Standort Tirol wahrgenommen werden. In Tirol wird die Bindung von Fachkräften mit Risiko verbunden, da nur eine begrenzte Anzahl an Ausgebildeten vorhanden ist. Die besondere logistische Situation in Tirol stellt für viele Unternehmen eine Herausforderung dar. Die Transportwege, sowie die zahlreichen Verkehrsunfälle sind dabei zu berücksichtigen. Zudem werden die Sprache, das Hochwasser und, besonders für Südtirol, die steuerliche Belastung wie auch die politische Instabilität erwähnt. Jedoch konnten nicht alle Experten standortgebundene Risiken erkennen. Jedes Unternehmen durchlebt einen Lebenszyklus, welcher in die Gründungsphase, Wachstumsphase, Reifephase und Stagnations- oder Wendephase eingeteilt werden kann. Die Risiken ändern sich entlang des Lebenszyklus und werden unterschiedlich wahrgenommen. In der Gründungsphase wird eine höhere Risikobereitschaft festgestellt, wobei die Erfahrung und das Know-how noch fehlen. Man ist in dieser ersten Phase bemüht, alle möglichen Risiken wahrzunehmen. Die Wachstumsphase ist geprägt durch den Mut des Unternehmers. Diese dynamische Phase bringt eine Vielzahl an Risiken mit sich und verlangt einen hohen persönlichen Einsatz. Die Reifephase soll als eine Zeit der Reflexion und Auseinandersetzung mit den vorherigen Phasen genutzt werden. Die Zukunftschancen und Risiken werden dabei analysiert und eingeschätzt. Der Unternehmer muss anschließend die
260 Christopher Kronenberg / Stefan Ortner / Mike Peters / Carmen Zampol richtige Entscheidung in der Wendephase treffen, um das Fortbestehen des Unternehmens zu gewährleisten. Die Risiken werden am stärksten in der Wachstumsphase wahrgenommen, wobei es immer vom Unternehmer selbst abhängt. Der Unternehmer weist stets unterschiedliche Eigenschaften auf. Den Experten zufolge, sollte der Unternehmer eine klare Vorstellung haben von dem, was er erreichen will, seine Ziele klar vor Augen haben. Dabei ist es wichtig, sich mit der Umwelt – den Kunden und der Konkurrenz – auseinander zu setzen. Als Querdenker muss er das nötige Fachwissen haben, die Chancen und Risiken sowie die Stärken und Schwächen des Unternehmens kennen. Seine Geschäftsidee sollte durch Originalität und Einzigartigkeit gekennzeichnet und immer offen für Neues sein. Ein Unternehmer muss ein guter Führer sein, Menschen motivieren können, selbst bescheiden sein und eventuelle Niederlagen gut einstecken können. Wichtig ist, bewusst Entscheidungen zu treffen, nachdem ausreichend Informationen eingeholt worden sind. Ein mutiger Unternehmer geht Risiken bewusst ein, spekuliert jedoch nicht. Es kann immer wieder vorkommen, dass Risiken nicht rechtzeitig wahrgenommen werden. Was nicht unterschätzt werden darf, ist die persönliche Situation. Hat der Unternehmer Familie, so wird er nicht unentwegt Risiken eingehen, da er für Lebenspartner und Kinder sorgen muss. Zudem kann es auch sein, dass Kinder beabsichtigen das Unternehmen zu übernehmen. Die Planung wie auch die Strategie des Unternehmers sind somit sicherlich langfristig ausgerichtet. Eine geplante Nachfolge hat großen Einfluss auf die Risikobereitschaft des Unternehmers. Weitere Variablen sind das Alter und die Ausbildung sowie die individuelle Einstellung. Ein Unternehmer sollte weitsichtig sein – Eingrenzungen von Arbeitsbereichen lösen manchmal Eng-
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stirnigkeit aus. Mitarbeiter haben Schwierigkeiten über den eigenen Bereich hinaus zu sehen, sich an Veränderungen anzupassen und in jedem Bereich ein sogenanntes „Basic-Know-how“ anzueignen. Der Mensch soll wissensgierig sein, und nie ausgelernt haben. Risiken werden oftmals nicht wahrgenommen, da die Instrumente der Risikoanalyse nicht richtig eingesetzt werden oder deren Wichtigkeit nicht erkannt wird. Es ist eine Frage der Risikokultur wie auch der Kommunikation. Erfolgsrelevant ist das Vertrauen den Mitarbeitern gegenüber, denen stets die Möglichkeit geboten werden sollte, sich jederzeit zu äußern und Vorschläge zu machen. Ausreichend Informationen und eine ständige Weiterbildung verhelfen zur rechtzeitigen Wahrnehmung eventueller Risiken. Auch Hilfe von Außen wird immer gerne in Anspruch genommen. Spezialisten können dem Unternehmen zeigen, wie in der gesamten Organisation Risikomanagementinstrumente eingesetzt werden können, wie bspw. prozessorientierte und strukturierte Analyseverfahren, Frühwarnsysteme, Monitoring, Szenarioanalysen oder formelle Führungsinstrumente. Auch Kooperationen in derselben Branche erleichtern die Handhabung der Risiken.
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Ein Erhebungsinstrument: ein Fragebogenentwurf
Aus einem erstellten Forschungsdesign wurde ein Fragebogen entwickelt, welcher zur Erfassung der Risikowahrnehmung von Unternehmern dient. Nachdem die notwendigen Variablen definiert wurden, erfolgte anschließend die Operationalisierung. Die folgende Tabelle veranschaulicht wie die einzelnen Variablen gemessen werden. Als erstes wird die Untersuchungsfrage mit den jeweiligen Hinweisen auf die Literatur angeführt. Die Variable wird mit den entsprechenden Indikatoren beschrieben und anschließend wird die Frage für den Fragebogen formuliert. Außerdem wird für jede Frage das verwendete Skalenniveau festgehalten.
Expertengespräche
Welche Risiken werden mit dem Standort Tirol in Verbindung gebracht?
Leitet die gelebte Kultur im Unternehmen die Wahrnehmung von Risiken?
Beeinflusst die Kommunikation im Unternehmen die Risikowahrnehmung? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Struktur und Strategie des Unternehmens und der Wahrnehmung von Risiken?
Romeike (2004) Expertengespräche
Wie schätzen die Unternehmer interne und externe Risiken im eigenen Unternehmen ein?
Kommunikation
Struktur und Strategie
Unternehmenskultur
Brühwiler (2001) Romeike (2004) Hinterhuber (2004b) Expertengespräche
Brühwiler (2007) Hinterhuber/Ortner (2005) Romeike (2005) Erben/Romeike (2006)
Jungermann/Slovic (1993) Hinterhuber (2004) Lück (2000) Witterman (2000)
Standortbezogene Risiken
Persönliche Einschätzung eines Risikos als Chance oder Gefahr
Risikodefinition
Brühwiler (2007) Romeike (2005) Jungermann/Slovic (1993) ONR 49000 (2004)
Wie definieren die Unternehmer den Begriff „Risiko“?
Variable
Brühwiler (2007)
Grundlage Assoziationen mit dem Begriff Risiko
Untersuchungsfrage Was assoziieren die Unternehmer mit dem Begriff „Risiko“?
Indikatoren
Möglichkeit zur Weiter- und Fortbildung, Vorgangsweise bei Neueinstellung des Personals, Verantwortungsbereich, Erfahrung, zu befolgende Regeln, Verhalten und Umgang mit Risiken, Kontrollierbarkeit eines Risikos, Bewusstes Eingehen von Risiken
Ziele, Hierarchie, Vergleich mit der Konkurrenz, Kundenorientierung, Geschäftsplan, Grad der Innovation
Innenkommunikation: Mitarbeiter, Vorgesetzte Außenkommunikation: Kunden, andere Unternehmen, Werbung
Keine Vorgabe von Antwortmöglichkeiten Offene (qualitative) Frage
Risiko als: Verfehlung von Zielen und Nichterfüllung von Erwartungen, Chance, Wahrscheinlichkeit eines Schadens, Veränderung, eine Häufigkeit und Auswirkung von Bedrohungen, Möglichkeit, ein plötzlich eintretendes Schadensereignis. Beschaffungs-, Produktions-, Technologie-, Absatzrisiken, Risiken in F & E, Ausfall-, Liquiditäts-, Marktrisiken, Politische Risiken, Kapitalstruktur-, Organisations-, Personalrisiken
Keine Vorgabe von Antwortmöglichkeiten Offene (qualitative) Frage
Auswertung mit Frage 3 und 4
Frage 7: Wie ist die gelebte Kultur im Unternehmen? Intervall-Skalierung 1-7.
Frage 6: Welche Strategie und Struktur hat das Unternehmen? Intervall-Skalierung: 1-7. Auswertung mit Frage 3 und 4
Frage 3: Stellen folgende interne/externe Risiken eine Chance oder eine Gefahr für Ihr Unternehmen dar? Intervall-Skalierung:1-7 Frage 4: Welche Risiken sind Ihrer Meinung nach typisch für den Raum Tirol? Nominal-Skalierung. Frage 5: Wie ist die Kommunikation des Unternehmens? Intervall-Skalierung: 1-7. Auswertung mit Frage 3 und 4
Frage 2: Wie sehr treffen für Sie folgende Definitionen auf den Begriff „Risiko“ zu? Intervall-Skalierung: 1-7.
Frage/Skalierung Frage 1: Was verbinden Sie mit dem Begriff „Risiko“? Nominal-Skalierung.
26 Christopher Kronenberg / Stefan Ortner / Mike Peters / Carmen Zampol
Brühwiler (2007)
Grundlage Schütz/Peters (2002) Wiedemann/Mertens (2005) Jungermann/Slovic (1993) Erben/Romeike (2006) Brühwiler (2007) Denk/Exner-Merkelt (2005) Romeike (2005)
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den wahrgenommenen Risiken und den Eigenschaften des Unternehmers? Differenzieren sich die wahrgenommenen Risiken je nach Branche des Unternehmens?
Expertengespräche
Heuss (1965) Oesterdiekhoff (1993) Mugler (1998) Oesterdiekhoff (1993) Expertengespräche
Beeinflusst die Lebenszyklusphase des Bleicher (2004) Unternehmens die Expertengespräche Risikowahrnehmung und den Umgang mit Risiken?
Sichert sich das Unternehmen gegen außerordentliche Risiken ab? Besteht ein Zusammenhang mit den in Tirol genannten Risiken?
Wie wird im Unternehmen mit Risiken umgegangen?
Gibt es Faktoren, auf denen die häufigsten Risiken zurückgeführt werden können?
Untersuchungsfrage
Höhe und Entwicklung des Umsatzes, Mitarbeiteranzahl, Größe des Kundenstocks, Führung des Unternehmens durch Geschäftsführer oder Management, Produktpalette. Einschätzung mittels Grafik
Branche
Tourismus und Freizeit, Information und Consulting, Gewerbe und Handwerk, Industrie, Banken und Versicherungen, Transport und Verkehr, Handel
Frage 13: Welcher Branche gehört Ihr Unternehmen an? Nominal-Skalierung: 1-7. Auswertung mit 3 und 4
Frage 12:Wie schätzen Sie sich als Unternehmer ein? Intervall-Skalierung: 1-7. Auswertung mit Frage 3 und 4
Frage 11: In welcher Lebensphase befindet sich das Unternehmen? Intervall-Skalierung: 1-7. Auswertung mit Frage 3, 4 und 9
Muren, Überschwemmungen, Brand, Diebstahl, Lawinen
Frage 9: Wie wird im Unternehmen mit Risiken umgegangen? Intervall-Skalierung: 1-7.
Checklisten, Dokumentation von Risiken, genaue Zuteilung der Verantwortung, Handhabung von Risiken, Bottom-up oder Top-down Ansatz.
Frage 10: Gegen welche außerordentlichen Risiken ist das Unternehmen versichert? Intervall-Skalierung: 1-7. Auswertung mit Frage 4
Frage 8: Auf welche Faktoren können Risiken Ihrer Meinung nach am häufigsten zurückgeführt werden? Intervall-Skalierung: 1-7.
Frage/Skalierung
Faktor Mensch, Technologie, Kommunikation, Einwirken von Außen, Fachwissen, Erfahrung
Indikatoren
Einschätzung der Kreativ, offen für Neues, spontan, persönlichen unabhängig, mutig, konsistent, den Druck von Eigenschaften durch den außen standhaltend, selbständig, kreativ, usw. Unternehmer
Selbsteinschätzung und Zuordnung des Unternehmens in eine Lebenszyklusphase
Risikobewältigung
Implementierung eines Risikomanagements
Ursache eines Risikos
Variable
Die Erfassung der Risikowahrnehmung 263
Untersuchungsfrage Lassen sich Zusammenhänge feststellen zwischen Bezirk in welchem sich das Unternehmen befindet und der Art der wahrgenommenen Risiken? Beeinflusst die Größe des Unternehmens die Handhabung von Risiken bzw. dessen Wahrnehmung? Unterscheiden sich die wahrgenommenen Risiken je nach Rechtsform des Unternehmens? Beeinflusst die Erfahrung des jeweiligen Unternehmers die Art und Anzahl der wahrgenommenen Risiken? Kann ein Zusammenhang festgestellt werden zwischen den Eigenschaften des Unternehmers und den demografischen Daten? Frage 17-20: Position im Unternehmen, Bildungsgrad, Abteilungswechsel, Anzahl der Arbeitsjahre im Unternehmen Nominal-Skalierung.
Berufsgrad, Position im Unternehmen, Abteilungswechsel, Anzahl der Arbeitsjahre im Unternehmen
Alter, Geschlecht, Familienstand, Kinder
Erfahrung
Demografische Daten
Erben/Romeike (2006) Chauvin/Hermand/Mullet (2007) Expertengespräche
Frage 16: Welche Rechtsform besitzt das Unternehmen? Nominal-Skalierung: 1-14. Auswertung mit Frage 3 und 4.
Einzelfirmen, OHG, KG, G.m.b.H., AG, OEG, usw.
Rechtsform
Frage 21: Alter Geschlecht, Familienstand, Kinder Nominal-Skalierung. Auswertung mit Frage 12.
Auswertung mit Frage 9, 3 und 4
Frage 15: Größe des Unternehmens Ordinal-Skalierung: 1-4.
Brühwiler (2007)
Mitarbeiter
Betriebsgröße
Expertengespräche
Frage 14: In welchem Bezirk befindet sich das Unternehmen? Nominal-Skalierung: 1-9. Auswertung mit Frage 3 und 4
Ibk Land, Ibk Stadt, Imst, Reutte, Lienz, Kitzbühl, Kufstein, Landeck Schwaz
Bezirk
Expertengespräche
Frage/Skalierung
Indikatoren
Variable
Grundlage
264 Christopher Kronenberg / Stefan Ortner / Mike Peters / Carmen Zampol
Die Erfassung der Risikowahrnehmung
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Diskussion
In der vorliegenden Arbeit wurde ein Überblick über die bereits durchgeführten Studien zum Thema des Entrepreneurs, des Risikomanagements und der Wahrnehmung gegeben. Die meist verwendeten Erhebungsinstrumente waren dabei der Fragebogen sowie das Führen von Interviews. Deshalb wurde auch für die vorliegende Untersuchung der Fragebogen als geeignetes Instrument gewählt. Vorab wurden Expertengespräche geführt, sodass neben der theoretischen Sichtweise auch der praktische Aspekt berücksichtigt wird. Die leitfadengestützten Interviews haben zu interessanten Ergebnissen geführt, welche bei der Ausarbeitung des Fragebogens mit eingeflossen sind. Die befragten Unternehmer stellen den Risiken eine Chance gegenüber, die je nach Branche variieren. Die Wahrnehmung von Risiken hängt sehr stark von der Unternehmenskultur beziehungsweise der Risikokultur ab. Als Schlüsselmoment gilt das Verständnis des Risikoszenarios. Ursachen und Konsequenzen eines Risikos muss der Unternehmer stets im Auge behalten. Um Risiken rechtzeitig wahrnehmen zu können, empfehlen die Interviewten eine ständige Weiterbildung, gute Zusammenarbeit der Führungskräfte und Mitarbeiter und das Beherrschen der Risikoinstrumente. Für den Fragebogen wurden Variablen und Indikatoren definiert. Die zu untersuchenden Variablen wurden aus der Literaturanalyse wie auch aus den Expertengesprächen abgeleitet. In einem ersten Abschnitt des Fragebogens können die Befragten verschiedene interne wie auch externe Risiken im eigenen Unternehmen einschätzen. Die möglichen Risiken im Unternehmen können in Kategorien zusammengefasst werden (vgl. Romeike, 2004), und zwar wurden die angeführten Aussagen dem leistungswirtschaftlichen Bereich, dem finanzwirtschaftli-
266 Christopher Kronenberg / Stefan Ortner / Mike Peters / Carmen Zampol chen Bereich und dem Bereich Corporate-Governance-Management Bereich zugeordnet. Dabei kann der Befragte entscheiden, ob die Aussagen eine Gefahr oder eine Chance für das eigene Unternehmen mit sich bringen. Laut Literatur steht jedem Risiko eine Chance gegenüber. Es wird sich zeigen, ob die Unternehmer die angeführten Aussagen als Chance oder Gefahr sehen. Dieser erste Teil des Fragebogens erfasst zudem Risiken, die in Verbindung mit dem Raum Tirol gesehen werden. Aus den Expertengesprächen resultiert, dass das Land Tirol tatsächlich eigene Risiken mit sich bringt. Teilweise ist es schwer, geeignete Fachkräfte für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Auch die besondere logistische Situation stellt für zahlreiche Unternehmen eine Herausforderung dar. In Tirol fürchten viele auch Naturkatastrophen wie das Hochwasser oder die unberechenbaren Lawinen. In einem zweiten Schritt werden die verschiedenen Variablen – der Begriff Risiko, die Kultur, die Kommunikation, die Ursache eines Risikos, die Struktur und Strategie, das Risikomanagement und auch demografische Daten – erhoben. Somit könnte der Fragebogen dazu dienen folgende Fragen zu beantworten:
Was assoziieren die Unternehmer mit dem Begriff Risiko beziehungsweise wie definieren sie den Begriff? Wie schätzen die Unternehmer interne und externe Risiken im eigenen Unternehmen ein? Welche Risiken werden mit dem Standort Tirol in Verbindung gebracht? Beeinflusst die Kommunikation im Unternehmen die Wahrnehmung von Risiken? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Struktur und Strategie des Unternehmens und der Risikowahrnehmung? Leitet die gelebte Kultur im Unternehmen das Verhalten der im Unternehmen tätigen und deren Wahrnehmung? Gibt es Faktoren, auf die die häufigsten Risiken zurückgeführt werden können?
Die Erfassung der Risikowahrnehmung
267
Wie wird im Unternehmen mit Risiken umgegangen?
Sichert sich das Unternehmen gegen außerordentliche Risiken ab? Besteht dabei ein Zusammenhang mit den in Tirol genannten Risiken?
Beeinflusst die Lebenszyklusphase des Unternehmens die Risikowahrnehmung von Unternehmern und den Umgang mit Risiken? Gibt es einen Zusammenhang zwischen den wahrgenommenen Risiken und den Eigenschaften des Unternehmers? Unterscheiden sich die wahrgenommenen Risiken je nach Branche des Unternehmens? Lassen sich Zusammenhänge feststellen zwischen Bezirk, in welchem das Unternehmen agiert, und der wahrgenommenen Risikoarten? Beeinflusst die Größe des Unternehmens die Handhabung von Risiken bzw. die Wahrnehmung?
Unterscheiden sich die wahrgenommenen Risiken je nach Rechtsform des Unternehmens? Beeinflusst die Erfahrung des jeweiligen Unternehmers die Art und Anzahl der wahrgenommenen Risiken?
Ziel weiterführender Untersuchungen ist es außerdem, branchenspezifische Risiken zu erforschen. Je nachdem in welcher Branche das Unternehmen agiert, variieren die Anforderungen an das Unternehmen. Unternehmerische Risikowahrnehmung ist sehr umfangreich und bis dato noch unzureichend erforscht. Es besteht die Notwendigkeit das vorliegende Thema detaillierter zu untersuchen.
Folgende Zusammenhänge können Gegenstand zukünftiger Forschung darstellen:
268 Christopher Kronenberg / Stefan Ortner / Mike Peters / Carmen Zampol
Verbessert die Kooperation mit anderen Unternehmen die Wahrnehmung von Risiken? Werden in Familienunternehmen durch die enge interne Zusammenarbeit schneller mögliche Risiken wahrgenommen? Beeinflusst die Nachfolgethematik in Familienbetrieben die Risikobereitschaft der Unternehmer?
Auch die Unternehmensgröße kann ein bedeutender Faktor darstellen. Im vorliegenden Fragebogen wird die Größe des Unternehmens lediglich mit der Mitarbeiteranzahl gemessen. Dieser Zusammenhang kann umfassender erforscht werden.
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Leadership und Ethik Paradigmenwechsel in dynamischen Zeiten
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1
Unternehmer-Handeln braucht Normen! ......................................... 278
2
Die öffentliche Wahrnehmung von Ethik-Krisen hat Folgen! ......... 280
3
Die Globalisierung erzeugt Ethik-Krisen in der Führung von Unternehmen! ........................................................................... 280
4
Großunternehmen sind anfälliger für Ethik-Krisen in der Führung! .......................................................................................... 281
5
Ethik in der Führung braucht Verbündete! ...................................... 283
6
Zusammenfassung ........................................................................... 284
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Die weltwirtschaftlichen Krisen, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 von den Finanzmärkten ausgingen und sich 2009 immer deutlicher in allen Branchen und weltweiten Märkten durchsetzen, sind nicht schicksalhaft herein gebrochen. Entscheidungen von Führungskräften auf verschiedenen Ebenen, vornehmlich in vielen Finanzinstituten, haben Prozesse in Gang gesetzt, deren Abläufe und Konsequenzen nicht mehr verantwortlich kontrolliert werden konnten und können. Die dominierende Motivation, die solchen Entscheidungen zugrunde lag, ist die einseitige Orientierung an kurzfristiger Gewinnmaximierung zugunsten eines nur begrenzten Teilnehmerkreises. Vor diesem Hintergrund steht Leadership in der globalisierten Unternehmenswelt vor neuen Herausforderungen. Ein grundlegender Paradigmenwechsel im unternehmerischen Handeln ist angezeigt. Führungsfähigkeiten und Führungserfolg werden offensichtlich nicht mehr so sehr geprägt vom Wettbewerb unterschiedlicher Wirtschaftsordnungen, sondern zunehmend vom Einfluss einzelner Organisationssysteme. Unternehmer und Unternehmensführungen, die der sozialen Verantwortung und der Nachhaltigkeit verpflichtet sind, stehen im Wettbewerb zu neoliberalen, nachfragegetriebenen Wirtschaften, die oft unter staatlichem Schutz und Einfluss extrem wachsen. Die Sicherung der Rohstoff- und Energiebasis bestimmt die globalen Strategien. Sie beeinflusst die nationalstaatlichen Entscheidungen und zunehmend auch die Unternehmensentscheidungen. Der nahezu ungehinderte Zugang zu Informationen und Technologien gibt dem Wachstum und der ungesteuerten Neuverteilung von 2/12 Reichtum und ökonomischer Macht ständig neue Impulse, kann gleichzeitig aber Ursachen weltweiter Krisen nicht rechtzeitig erkennen. In Europa und in den USA werden Vorgänge beobachtet, welche die Beziehungen von Leadership und Ethik in einem diffusen und zwiespältigen Licht
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erscheinen lassen. Dies wird in der aktuellen Krise besonders deutlich. Die Frage nach einer Ethikkrise in der Führung von Unternehmen ist virulent. Das zeigen einige Beispiele:
In USA gingen Enron und MCJ Worldcom nach Bilanzfälschung in betrügerischen Bankrott. Bei Siemens wurde aus schwarzen Kassen zweifelhafte Verkaufsförderung in Millionenhöhe betrieben. Der britische Rüstungshersteller BAE soll saudiarabische Auftraggeber bestochen haben. Die englische Regierung untersagt eine Untersuchung der Vorgänge. Der New Yorker Generalstaatsanwalt zwingt amerikanische Investmentbanken für viele Mrd. US$ sogenannte Auktionsanleihen zurückzukaufen. Die schweizerische UBS soll US-Kunden geholfen haben, 19 Mrd. US$ an den Steuerbehörden vorbei zu schleusen. Trotz Verluste in Milliardenhöhe bei Banken werden Boni von Hunderten von Millionen gezahlt. Im Mannesmann-Vodafone-Prozess wurde die rechtliche Seite der hohen Abfindungen beleuchtet; die Ethik-Diskussion blieb den Fernsehtalkshows vorbehalten.
Die Anforderungen, einerseits mit dem Globalisierungstempo Schritt zu halten, und andererseits den verschärften gesetzlichen Regelungen, insbesondere in Deutschland, sowie bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC zu folgen, zeigen das Dilemma von wirtschaftlich erfolgreicher Unternehmensführung und Ethik. Fünf Thesen und ihre Erläuterungen stellen eine Annäherung an Antworten dar auf die Frage nach einem Paradigmenwechsel in der ethisch orientierten Unternehmensführung:
2002 wurde in § 299 (3) StGB auch die Bestechung von Angestellten im Ausland unter Strafe gestellt. 2005 wurde durch das Gesetz "Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)" das Klagerecht von Aktionären gegen Aufsichtsratsmitglieder eingeführt (Organhaftung).
278 1. 2. 3. 4. 5.
Ludwig Engels Unternehmerhandeln braucht Normen Die öffentliche Wahrnehmung von Ethik-Krisen hat Folgen Die Globalisierung erzeugt Ethik-Krisen Großunternehmen sind anfälliger für Ethik-Krisen Ethik in der Führung braucht Verbündete
1 Unternehmer-Handeln braucht Normen! Ethik ist die Lehre von der Begründung normativer, d. h. handlungsanleitender Aussagen. Ethische Urteile – und insoweit auch die Frage nach der Krise – beziehen sich auf die Begründbarkeit von moralischen Handlungsanweisungen. Diese Urteile sind verschieden von Individuum zu Individuum von Kultur zu Kultur. Menschen – hier Unternehmer – handeln zweckorientiert unter der sittlichen Norm, nur das zu tun, was sie als gut und geboten einordnen. Das „gut“ und „geboten“ orientiert sich – in Anlehnung an Hans Jonas – an der Grundforderung: Handle so, (Führe dein Unternehmen so,) dass die Wirkungen deiner Entscheidungen und deren Umsetzung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens; d. h. für den Unternehmer: Seine Entscheidungen müssen beitragen zur Schaffung und Stabilisierung des Gleichgewichts der Interessen aller am Unternehmen Beteiligten:
der Eigentümer der Mitarbeiter und ihrer Familien der Kunden und Lieferanten Krise wird hier verstanden als unerwartete und nachhaltige Störung eines gleichgewichtigen Systems, welche die Existenz des Systems bedroht.
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der Banken und des gesellschaftlichen Umfeld
Die notwendige Gesinnungsethik des einzelnen Managers, die durchaus situationsbedingt ausgerichtet sein kann auf die Erfolgsethik einzelner Gruppen, muss eingebettet sein in eine gleichgewichtsstabilisierende Verantwortungsethik. An dieser Komplexität haben sich Unternehmer zu orientieren; sie stellt hohe Anforderungen an ihr tägliches Handeln. Zu beachten sind Normen, die in Gesetzen ihren Ausdruck finden (z. B.):
Der grundgesetzliche Schutz und die Sozialbindung des Eigentums (Eigentümer) Betriebsverfassungsgesetz (Mitarbeiter) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (Kunden) HGB, Insolvenzordnung (Lieferanten, Banken) Steuer- und Sozialgesetze (gesellschaftliches Umfeld)
Das sind nur die Mindestnormen. Verantwortungsethik zeigt sich in den Handlungen, die über das Einhalten dieser Mindeststandards hinausgehen, z.B. durch Orientierung an einer Corporate Social Responsibility , die ihre operationale Ausprägung, z.B. allgemein in der Sozialen Marktwirtschaft oder spezieller in der Katholischen Soziallehre, finden kann. Es muss in einer Gesellschaft, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, Grundkonsens darüber bestehen, dass nicht nur Mindestnormen einzuhalten sind. Wenn gegen diese Forderung nachhaltig und signifikant verstoßen wird, ob von EigentümerUnternehmern oder von angestellten Managern, dann ist die Ethik-Krise evident.
Zur aktuellen Diskussion über Corporate Social Responsibility vgl. auch Habisch, André: "Corporate Citizen" - Akteur der Innovation, in Hrsg. Thomas, Hans; Hattler, Johannes: Ethik im Dienst der Unternehmensführung, Marburg 2008, S. 139 ff.
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2 Die öffentliche Wahrnehmung von Ethik-Krisen hat Folgen! Evident werden Ethik-Krisen durch die öffentliche Berichterstattung und deren breite Wahrnehmung. Das wird am aktuellen Siemens-Fall besonders deutlich. Folgen sind unter anderem die Sensibilisierung der Beteiligten:
Aufstellung des Kodex Corporate Governance (durch die Cromme Kommission) Umfangreiche interne Untersuchungen (bei SIEMENS und ALSTHOM/Frankreich) Ausführliche Diskussion in den Personalausschüssen der Aufsichtsräte Öffentliche Entschuldigungen von Vorständen bei Mitarbeitern Die Überbetonung des Themas Sensations-Journalismus zeichnet in der Öffentlichkeit ein falsches Bild von Unternehmen und stellt Unternehmer unter Generalverdacht. Die steigende Abneigung von Führungskräften, insbesondere von jüngeren, mehr Verantwortung zu übernehmen. 3 Die Globalisierung erzeugt Ethik-Krisen in der Führung von Unternehmen! Globalisierung
macht die Märkte transparenter, führt entwickelte und sich noch entwickelnde Länder enger zusammen, stellt technisch-wissenschaftliches und kaufmännisch-organisatorisches Know-how weltweit zur Verfügung, zwingt nationale Anbieter, den Kunden weltweit zu folgen
Globalisierung verschärft den Wettbewerb auf nahezu allen Märkten und in den meisten Branchen. Dieser hohe internationale Wettbewerbsdruck verleitet oder zwingt sogar Unternehmen zu normabweichendem Verhalten, da in anderen Ländern andere Standards gelten:
fehlende Rechtssysteme (z. B. in China) bestehende Rechtssysteme werden nicht sanktioniert (z. B. in Russland) staatliche Eingriffe (z. B. in Spanien im Fall Eon/Endesa)
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Politische Machtstrukturen, die mit kriegerischen Mitteln verteidigt werden (z. B. für Öl in Nigeria, für Rohstoffe im Kongo)
Aus strategischen Gründen, d. h. zur langfristigen Absicherung der Existenz des Unternehmens, wird eine zeitweilige Störung des Gleichgewichts bewusst in Kauf genommen4. Die Arbeit auf internationalen Märkten macht den einzelnen Unternehmer unsicher in der Einhaltung ethischer Normen. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens bestimmt das Maß der Bereitschaft, Normen zu akzeptieren und einzuhalten. In schwierigen Zeiten ist die Bereitschaft, Normen zu verletzen, größer.
4 Großunternehmen sind anfälliger für Ethik-Krisen in der Führung! In Großunternehmen ist die Anfälligkeit größer wegen
der Notwendigkeit der Delegation von Verantwortung der erschwerten Kontrollen, trotz bestehender ComplianceAbteilungen der ausschließlichen Karrieresteuerung von Managern über den wirtschaftlichen Erfolg.
In mittleren und kleineren Eigentümer-Unternehmen kommen Ethik-Krisen ebenso vor wegen der
oft sehr starken Eigentumsfixierung der Eigentümer-Unternehmer häufigen Abhängigkeit von Großkunden (besonders in der Automobilzulieferindustrie) Verkaufsbereitschaft oder -notwendigkeit bei fehlender Unternehmernachfolge oder bei fehlendem Unternehmergeist in der Familie
Ethik-Krisen lösen Domino-Effekte aus, die das Ansehen, die Wettbewerbsfähigkeit oder sogar die Existenz von Unternehmen gefährden können. Der Fall Siemens macht das besonders deutlich. Solche Krisen können auch an
4
Aus Sicht der Akteure handelt es sich nicht um eine (Ethik-)Krise.
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die Wurzeln einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung gehen. Wenn Korruption als Auslöser oder Gegenstand ethischer Krisen angesprochen wird, stehen Großunternehmen im Mittelpunkt. Korruption ist ein vielschichtiges und schwerwiegendes Problem. Korruption hat menschliche, gesellschaftliche, politische, ökonomische und ethische Aspekte. Korruption kommt in zwei Richtungen vor. Bei der Bestechung liegt die Initiative beim Zahlenden. Bei Vorteilsnahme und Erpressung geht die Initiative vom Empfangenden aus. Begleiterscheinungen von Korruption sind:
Betrug Veruntreuung Hinterziehung Vetternwirtschaft Rechtsmissbrauch
Menschlich erzeugt Korruption Angst und erhöht die Verstrickungen. Gesellschaftlich beeinflusst Korruption die Verteilung von Wohlstand. Politisch verzerrt Korruption die Prozesse der Entscheidungsfindung. Ökonomisch verfälscht Korruption den Wettbewerb und gefährdet letztlich das Wirtschaftssystem. Ethisch verstoßen die Beteiligten gegen die Pflichten ihres Amtes. Die vermeintlichen Vorteile sind eher kurzfristig, wie z. B. der Erhalt einzelner Aufträge.
Vgl. hierzu Angandona, Antonio: Wen oder was korrumpiert Korruption in Unternehmen? Weshalb ist Ethik für Unternehmen wichtig? In: Thomas, Hans; Hettler, Johannes (Hrsg.) a. a. O., S. 33 ff.) Die besondere Problematik bei internationalen Großgeschäften zeigt das Beispiel: Siemens hatte 2001/2002 einen Gasturbinenauftrag von Enel/Italien erhalten und damit einen Gewinn von 103 Mio. € erzielt. Im Bestechungsverfahren wurde Siemens zu folgenden Zahlungen verpflichtet: Rückzahlung von 113 Mio. € an Enel, 500.000 € Geldstrafe, 6 Mio. € Gewinn abschöpfung in Italien. 38 Mio. € Abführung im Rahmen der Strafverfahren gegen die Manager.
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Die allgemeinen Auswirkungen von Korruption sind nachhaltiger Vertrauensverlust in das Wirtschaftssystem und in die führende Klasse. Die Auswirkungen von Korruption auf Unternehmen sind gravierend für die direkten und indirekten Kosten: Die Untersuchung der Vorgänge ist langwierig und verursacht hohe interne und externe Kosten. Für die direkt Beteiligten drohen Geld- und Freiheitsstrafen. Sogar Vorstände und Aufsichtsgremien können haftbar gemacht werden. Der Austausch von Personal kann zu Führungskrisen führen. Die indirekten Auswirkungen bergen ein besonderes Gefährdungspotential. Die Fälschung von Büchern führt zu Intransparenz. Qualität und Innovationen werden vernachlässigt, Fehlstrategien erzeugen Wettbewerbsnachteile. Die Unternehmensführung wird insgesamt unglaubwürdig. Die einbezogenen Mitarbeiter fühlen sich in ihrer Würde und moralischen Integrität verletzt.
5 Ethik in der Führung braucht Verbündete! Der Anreiz, sich gemeinsam an Normen zu orientieren, wird gestärkt durch öffentlich anerkannte Regeln
Kodex Corporate Governance, durch internationale Vereinigungen gegen Korruption Transparency International Initiative Partnering Against Corruption, des Weltwirtschaftsforum Davos durch die privaten Initiativen (z. B.) das Ethik-Management der deutschen Bau-Wirtschaft das Center of Corporate Citizenship (Prof. Habisch, Ingolstadt) Im Fall Siemens belaufen sich die internen Kosten einschließlich der Kosten für Anwälte und Berater bisher auf ca. 1,3 Mrd. €. Zusätzlich akzeptiert Siemens eine Strafzahlung von 600 Mio. € des amerikanischen Bundesgerichts und 395 Mio. € Strafzahlungen in Deutschland. Damit wurden die Verfahren wegen Bestechung in beiden Ländern beendet. Im Beste chungsfall Enel/Italien wurden Siemens Manager wegen Bestechung und Untreue zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
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Ludwig Engels
Sanktionen aus supranationalen Gesetzen (EU-Kartellrecht) oder stark ausstrahlender nationalen Vorschriften (US-Börsenaufsicht) erzwingen durch wirtschaftlichen Druck die Einhaltung von Normen sowie Verhaltens- und Organisationsänderungen. Das Verhalten der Verantwortlichen und konkrete Maßnahmen müssen im Vordergrund stehen:
Vorbildliches persönliches Verhalten auf allen Management-Ebenen stabilisiert den Grundkonsens Der Führungsnachwuchs in den Hochschulen und in den Unternehmen muss sehr früh sensibilisiert werden für Ethik in der Führung Ethik in der Ausprägung von Verantwortungsethik ist keine Privatsache
Unternehmer können sich durch Corporate Social Responsibility nicht freikaufen für einseitige Gruppenethik (Gewinnoptimierung, Börsenkurssteigerung), sie müssen nachhaltig verantwortungsethisch handeln.
Die Ethik-Umsetzung muss professionalisiert werden
6 Zusammenfassung Unternehmerisches Handeln braucht Normen. Corporate Social Responsibility ist mehr als das Einhalten von Gesetzen und Regeln. Ethik braucht Kontrolle. Verstöße gegen Normen und Gesetze müssen öffentlich diskutiert werden. In einer globalisierten Welt werden Unternehmen zunehmend anfälliger für Verstöße. Insbesondere jüngere Führungskräfte müssen für Fragen unternehmerischer Ethik sensibilisiert werden.
In den Vorlesungsverzeichnissen führender deutscher Hochschulen finden sich in den wirt schafts- und ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten keine Hinweise auf Veranstaltungen, die sich mit Fragen der Unternehmensethik befassen.
Leadership und Ethik
285
Der Grundkonsens über ethische Normen in der Unternehmensführung scheint nicht nur in Deutschland teilweise beschädigt zu sein. Er ist aber nicht verloren gegangen. Leadership, die sich an ethischen Normen orientiert, stellt hohe Anforderungen an den einzelnen Unternehmer. Der Paradigmenwechsel, der sich zumindest in Deutschland anzeigt, hat die Chance, in Richtung nachhaltiger Verantwortungsethik in die Unternehmensführung zu gehen.
Die Bedeutung von Entrepreneur-Leadership in Kommunen für eine erfolgreiche regionale Entwicklung Eine empirische Studie in der Region Ingolstadt
Harald Pechlaner, Silvia Schön, Monika Bachinger
1
Theoretische Bezugsgrößen ............................................................. 288
1.1
Change-Prozesse im kommunalen Umfeld...................................... 288
1.2
Veränderungen im Staatsverständnis ............................................... 291
1.3
Bedeutung der Kommune als konstituierende Einheit der Region.............................................................................................. 298
1.4
Management, Entrepreneurship und Leadership in Kommunen ...................................................................................... 300
2
Ergebnisse der empirischen Erhebung ............................................. 314
2.1
Forschungsfragen und Hypothesen.................................................. 314
2.2
Methodisches Vorgehen und Samplebildung................................... 314
2.3
Auswertung der empirischen Erhebung ........................................... 316
3
Zusammenfassung und Ausblick ..................................................... 325
Literaturverzeichnis.....................................................................................327
288
Harald Pechlaner / Silvia Schön / Monika Bachinger
1 Theoretische Bezugsgrößen 1.1 Change-Prozesse im kommunalen Umfeld Die Notwendigkeit, sich an eine immer schneller wandelnde Umwelt anzupassen und dabei häufig parallel laufende Veränderungsprozesse innerhalb und im Umfeld der Organisation bewältigen zu müssen (Lies 2003:14), bezieht sich nicht nur auf Unternehmen. Gerade kommunale Einheiten erleben derzeit einen tiefgreifenden Wandel. Regionen und Gemeinden, die weiterhin attraktive Wirtschaftsstandorte, Wohn- und Erlebnisräume sein wollen, sind gezwungen, ihre gesellschaftliche Funktion, ihre internen Prozesse und Leistungsportfolios vollkommen neu zu definieren. Dabei gibt es mehrere externe Rahmenbedingungen, die ihr Handeln prägen: dies sind Entwicklungen im Bereich der Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft. Aus unternehmerischer Perspektive betrachtet gewinnt der “Markt der Regionen“ immer stärker an Bedeutung. Sinkende Transport- und Informationskosten machen die Zergliederung von Wertschöpfungsketten auf unterschiedliche Standorte möglich. Die einzelnen Elemente werden dort angesiedelt, wo optimale Ressourcenausstattung – vor allem Kapital und hochqualifizierte Arbeit – gegeben sind. Zudem spielen das Wissen und die Kompetenzen, die in einer Region vorhanden sind, bei der Standortwahl eine erhebliche Rolle: Die räumliche Konzentration von miteinander in Bezug stehenden Produktions- und Dienstleistungsbetrieben sowie deren Vernetzung mit regionalen Hochschulen und Forschungseinrichtungen lässt spezifisches netzwerkgebundenes Wissen als Clubgut entstehen. Ein Umstand, der gerade in reifen, stark ausdifferenzierten Volkswirtschaften mit Fokus auf Prozessinnovationen einen bemerkenswerten Vorteil darstellt. Regionen bieten das konkrete Umfeld, in dem über Netzwerke Wissen generiert werden kann, das einen positiven Beitrag zur Transformations- und Lernfähigkeit von Unternehmen leistet. Die Aufgabe von Regionen ist es daher, Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sie selbst ein-
Die Bedeutung von Entrepreneur0Leadership 9 zigartige Standorte für ganz bestimme Teilleistungen eines Wertschöpfungsprozesses werden (Steiner 2003:27). Eine wichtige Rolle spielt dabei der Zugang zu Einrichtungen der Wissensproduktion, der langfristig gesehen sogar Auswirkungen auf die Raumstruktur haben wird (Thierstein 2007:170). Des weiteren muss Regionalentwicklung hochmobile und hochqualifizierte Arbeitskräfte im Auge behalten: Nur wem es gelingt über eine hohe Lebensqualität „Attraktor zu werden im globalen Mobilitätsspiel der Humankapitalmobilität“ (Priddat 2006:256), hat als Standort der Zukunft eine Chance. Aber auch politische Forderungen setzen neue Rahmenbedingungen für regionales Handeln. Die EU-Strukturpolitik zielt auf handlungsfähige Regionen, die nicht nur verwaltungstechnisch definiert sind, sondern sich aus dem Zusammenwirken von Vertretern aus Wirtschaft, Gesellschaft und Staat ergeben. Fördermittel können daher von Regionen, die stark eigendynamisch aufgestellt sind, eher abgerufen werden, als von jenen, die in einer Subventionsmentalität verharren: „der Staat kooperiert nicht mehr…mit den schwachen Initiativen, sondern mit denen, die ihre Eigenständigkeit bereits unabhängig von staatlichen Subventionen unter Beweis gestellt haben…“ (Priddat 2006:251). Regionalentwicklung ist demnach stärker wettbewerbsorientiert und belohnt jene, die innovative Ansätze im Rahmen eines gemeinschaftlich aufgestellten regionalen Entwicklungskonzeptes umsetzen. Auf der anderen Seite profitieren Regionen vom Bedeutungsverlust der Nationalstaaten im globalen Kontext: Politische Entscheidungen von weitreichender Bedeutung werden immer häufiger auf internationaler Ebene getroffen. Dort agieren Staatenbünde (Europäische Union) ebenso wie Wirtschaftsgemeinschaften (OECD, WTO) oder multinationale Unternehmen. Die nationalstaatliche Ebene verliert an Bedeutung. Als darunter angesiedelter kompakter Handlungsraum rücken Regionen in der Folge stärker ins Blickfeld. Dies umso mehr, als dass der Trend zur Verlagerung von staatlichen Aufgaben „top-down“ in einen regionalen Kontext anhält – auch deshalb,
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um vom Staatshandeln Betroffene stärker in die Entscheidungsfindung einbinden zu können. Die „Mobilisierung der Regionen als gesellschaftliche und politische Akteure“ (Kleinfeld 2006:416) hat ihren Höhepunkt vermutlich noch nicht erreicht. Besondern stark sind die Auswirkungen der zusammenbrechenden nationalen Märkte beispielsweise im Zuge der europäischen Einigung an den Grenzen zu ehemalig kommunistischen Staaten Europas zu spüren. Im Rahmen weniger Jahre führte die Integration dieser Staaten in den gemeinsamen europäischen Markt dazu, dass zunächst grenznahe, später auch andere Unternehmen das Lohnkostengefälle nutzten, um durch Verlagerung ihrer Produktionsstandorte, mindestens aber durch Ausweitung ihrer Produktionskapazitäten von der Kostenseite her ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten blieben (zunächst) davon unbetroffen – weil Wissensgenerierung eine kulturelle Komponente hat. Weniger in einem globalen als einem regionalen Kontext werden gesellschaftliche Veränderungen wirksam: Eine alternde Gesellschaft stellt ganz neue Anforderungen an die kommunale Infrastruktur. Der Rückbau von Schulen in ländlichen Gemeinden führt bereits heute zu politischen Friktionen. Auf der anderen Seite wird es um die Anpassung von Sozialeinrichtungen, Pflegeplätzen und altersgerechten Mobilitätskonzepten gehen. Aufgaben, die allesamt mit hohem Investitionsbedarf verbunden sind und nur von jenen Kommunen gestemmt werden können, die auf einen gesunden Bestand an Unternehmen und dort benötigte Arbeitskräfte zurückgreifen können. Ausschlaggebend für die Fähigkeit, diese zu halten, sind in hohem Maße intangible Werte der Kommune. Werte, die aus einem positiven Image oder einer gesunden sozialen Interaktion der Einwohner entstehen. Denn gerade weil sich lokale Bezüge im Leben des Einzelnen in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker aufgelöst haben, scheint die Sehnsucht nach überschaubaren regionalen Räumen, die einen Beitrag zur eigenen Identität leisten können, zu erstarken (Scherer 2006:77/78).
^LH{H2HWQ(YRQ_QWUHSUHQHU0/H2HUVKLS 91 Die Chancen für Regionen erscheinen insgesamt ebenso groß wie die Herausforderungen. Es werden jene Regionen zu den Gewinnern zählen, die sich strategiegeleitet den neuen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stellen und dabei auch ihre internen Strukturen überarbeiten. Nicht allen staatlichen Akteuren wird dies gelingen. Schon seit Jahren leidet der öffentliche Sektor unter einem „Flexibilitäts- und Wandlungsdefizit“ (Thom/Ritz 2006:51). Was Not täte, sind langfristige Strategien des Wandels. Doch Politik ist allzu oft an kurzfristigen Notwendigkeiten orientiert und die Verwaltungen können sich zu selten von deren Einfluss emanzipieren. Eine flexiblere Aufstellung der Verwaltungsstruktur und der eigenverantwortliche Umgang der Verwaltungsspitze mit personellen und finanziellen Mitteln wäre aber grundlegende Voraussetzung dafür, dass der notwendige Freiraum für Innovation und Wandel entsteht. So verhindern starre hierarchische Über- und Unterordnung, einseitige Spezialisierung sowie starke Regelgebundenheit und das daraus resultierende Dienstwegprinzip weiterhin die Entwicklung neuer Strategien zur Lösung drängender Probleme (Thom/Ritz 2006:213). Diese wären umso wichtiger, als dass sich die staatliche Verwaltung mit einem ganz neuen Staatsverständnis konfrontiert sieht.
1.2 Veränderungen im Staatsverständnis Nicht mehr der allumsorgende Wohlfahrtsstaat der Nachkriegszeit hat Gültigkeit, sondern ein Staat, der dienend und das bürgerliche Engagement aktivierend Teil der gesellschaftlichen Selbststeuerung ist (Fürst 2006:39). Damit verbunden ist der Umstand, dass der Staat nicht mehr alle öffentlichen Leistungen selbst erstellen kann (Universalprinzip), sondern diese an Dritte vergibt und nur für die grundsätzliche Bereitstellung Sorge trägt (Gewährleistungsprinzip). Es geht nicht mehr um hierarchisches Verwalten, sondern um Verhandeln, Koordinieren und Kooperieren. Government im Sinne von top-down-Vorgaben
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wird abgelöst von Governance als „sozialer Bund“ der Akteure (Fürst 2006:50). Governance bezieht sich dabei auf das spezifische Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft, „in dem die etablierten Grenzen zwischen beiden verwischen“ (Gualini 2006:64). Staatliches Handeln geschieht nicht mehr unabhängig von gesellschaftlichen Ressourcen, sondern ist in seiner Wirkung auf deren Zusammenarbeit angewiesen (Fürst 2007:175). Governance ist so auch eine Hilfestellung an öffentliche Institutionen „unter veränderten wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Bedingungen weiterhin Übersichtlichkeit, Handlungsfähigkeit und demokratische Legitimität erzeugen“ zu können (Kleinfeld 2006:389). Dass heißt, der früher gültige staatliche Steuerungsmodus der Hierarchie wird ergänzt durch die Steuerungsform der Kooperation. Dies gilt ebenso für die Perspektive der Unternehmen: Hier werden die Marktmechanismen durch kooperative Formen erweitert. Insgesamt erscheint daher die „Funktionslogik“ von Governance ein „Mix aus Wettbewerb und Kooperation“ zu sein (Kleinfeld 2006:392). Gegenstand der Governance können sowohl einzelne, zentrale Orte (Local Governance), touristische Zielgebiete (Destination Governance) als auch Regionen (Regional Governance) sein. Regional Governance bezieht das neue Staatsverständnis auf einen konkreten regionalen Kontext. Sie meint damit die Interaktion von regionalen Interessensvertretern zur Entwicklung des eigenen Raumes. Themen der Wirtschaftsförderung und der Regional- oder Standortentwicklung stehen im Mittelpunkt. Regional Governance versetzt die Region in die Lage „ihre Innovations- und Lernfähigkeit ebenso langfristig zu erhalten wie ihre Steuerungsfähigkeit“ (Scherer 2006:95). Sie leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit von Regionen: Je weniger Reibungsverluste in der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren bestehen, je
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schneller und einvernehmlicher sich diese auf gemeinsame Ziele einigen und je zielgerichteter gemeinsame Ressourcen eingesetzt werden können, umso stärker kann sich eine Region oder ein Standort im Kampf um Investitionen, hochqualifizierte Arbeitnehmer oder Gäste positionieren. Sie befähigt Regionen global zu agieren und von extern auf Wettbewerbsfaktoren zuzugreifen, die regional nicht vorhanden sind. Es startet ein Prozess des „global access by regions“ im Verlauf dessen Regionen „Netzwerkangeln in globale Arenen werfen“ (Priddat 2006:256). Governance-Aufgaben erfordern dabei einen ganz neuen Typus von staatlichem Akteur: weniger Verwalter, mehr Entrepreneur und Netzwerker. Es ist die Fähigkeit gefragt, die gegenseitigen Abhängigkeiten der Handelnden in einem regionalen Kontext zu steuern (Zimmermann 2006:292). Prägendes Merkmal dieser Beziehung zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ist das Netzwerk. Macht wird nicht mehr monopolistisch von staatlichen Organisationen ausgeübt, sondern auf unterschiedliche gesellschaftliche Akteure aufgeteilt. Es gibt kein „souveränes Steuerungszentrum“ (Fürst 2007:175) mehr, sondern entscheidend für die Netzwerksteuerung ist die „Koordinationskompetenz“ der jeweiligen Entscheidungsträger, „die sich dynamisch herausbildet“ (Priddat 2006:253). Je nach Problemstellung und passender Kompetenz kommt der Einfluss unterschiedlicher Netzwerkpartner zum Tragen. Wie offen und dynamisch diese Interaktion funktioniert, hängt im Wesentlichen vom Institutionalisierungsgrad des Netzwerks ab: Im Laufe der Zeit neigen sie dazu, sich zu institutionalisieren – aus informellen Steuerungsstrukturen entstehen formelle Prozesse, die sich auf der einen Seite positiv auf die Stabilität der Kommunikation und Interaktion auswirken, deren Kreativität jedoch einschränken. Es kommt darauf an, den optimalen Formalisierungsgrad zu verwirklichen. Dieser ist individuell von den konkreten regionalen Gegebenheiten festzulegen: Einmal herrschen Strukturen „mit einem größeren Verwaltungsapparat“ vor, einmal eher „virtuelle Einheiten“ (Plamper 2006:376).
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Immer benötigt Regional Governance jedoch einen „organisatorischen Kern“ (Rehm 2007:46), um regionale Interessen nach außen vertreten und ein Mindestmaß an Zuverlässigkeit und Transparenz für die Zusammenarbeit gewährleisten zu können. Governance ist damit eine Führung „die nicht zentralistisch fokussiert ist, sondern relativ selbständige Einheiten so koordiniert, dass deren Ergebnis von allen Beteiligten als angemessene Führung akzeptiert wird“ (Priddat 2006:250). Netzwerke sind dabei zu verstehen als „Gruppe von mehr als zwei Akteuren, die in einer interdependenten Beziehung zueinander stehen und nicht an formale System- oder Organisationsgrenzen gebunden sind….Konstituierendes Merkmal ist die dauerhaft angelegte Interaktion und die lose Koppelung zwischen den einzelnen Akteuren“ (Scherer 2006:57). Ein regionales Netzwerk ist demnach ein langfristig angelegtes Zusammenwirken verschiedener Akteure, z. B. von Unternehmen, Wissenschaftseinrichtungen und kommunalen Organisationen. Ziel dieses Zusammenwirkens ist eine Effizienzsteigerung durch Synergieeffekte, denn jede einzelne Stadt oder Kommune, so einkommensstark und bevölkerungsreich sie auch sein mag, ist als isolierter Akteur im globalen Wettbewerb der Standorte nicht überlebensfähig. Und selbst kommunale Verbünde stoßen angesichts steigender Leistungen und sinkender Ressourcen an ihre Grenzen. Öffentlich-Private Kooperationen, in denen öffentliche Aufgaben in gemeinsamer Trägerschaft ausgeführt werden, sind daher immer häufiger anzutreffen. Für das Entstehen dieser Netzwerke gibt es mehrere Voraussetzungen: Die erste ist die gemeinsame Handlungsmotivation der Akteure, sprich es muss die gemeinsame Erkenntnis herrschen, dass Handlungsbedarf besteht (Fürst 2006:51). Ist diese gegeben, so besteht die Schwierigkeit darin, unterschiedliche Handlungslogiken (Fürst 2006:43) zu einem Ansatz zu integrieren: Politik,
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Wirtschaft und Gesellschaft handeln auf der Grundlage von unterschiedlichen Denkmustern. Sind für Unternehmenslenker Ziele wie Gewinn- oder Rentabilitätsmaximierung ausschlaggebend, streben Politiker nach Machterhalt durch Einwerben von Wählerstimmen. Gesellschaftliche Interessen können von diesen beiden durch die Betonung von sozialen oder ökologischen Zielsetzungen abweichen. Hinzu kommt ein divergierender Raumbezug der Akteure: Denken staatliche Organisationen meist im Rahmen von verwaltungstechnisch abgegrenzten Räumen (z. B. Landkreis, Gemeinde), so herrschen bei unternehmerischen oder gesellschaftlichen Gruppen funktionale Raumbezüge vor. Dass heißt, diese orientieren sich an Räumen, die einen geeigneten Rahmen zur Lösung konkreter Fragestellungen abgeben. Weitere Voraussetzungen für die Netzwerkbildung sind zum einen die Freiwilligkeit bzw. der positive Nutzenüberschuss des Engagements und zum anderen das gegenseitige Vertrauen. Akteure bringen sich in gemeinsame Zielsetzungen ein, wenn ihnen der daraus entstehende Nutzen größer erscheint, als die resultierenden Kosten. Nutzenerwartungen schließen dabei gewöhnlich „Gemeinwohl-Leistungen“ ein, die als „wichtig und notwendig erkannt sind“. (Fürst 2006:51). Auf der anderen Seite bieten Netzwerke Ressourcen (oder im Falle von Synergien Ressourceneinsparungen), auf die nur von Netzwerkpartnern zugegriffen werden kann. Diese Clubgüter aus Netzwerken sind ein weiteres Motiv für Unternehmen und gesellschaftliche Partner sich zu engagieren (Plamper 2006:374). Werden Netzwerke von den meisten Akteuren außerdem als langfristig eingestuft, entsteht Solidarität als „weicher Anreiz“ zu Kooperation (Priddat 2006:250). Da Unternehmen in einem immer schärferen Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte stehen, steigt deren Motivation über die Mitgestaltung von weichen Standortfaktoren die Attraktivität der eigenen Region für diese Zielgruppe zu stärken (Taubken 2006:162). Für staatliche Organisationen wiederum steht die Einbindung nichtstaatlicher Akteure dann im
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Vordergrund, wenn sie aufgrund mangelnder Problemlösungskompetenz oder unzureichender Ressourcen (Geld und Wissen) nicht mehr handlungsfähig sind (Kleinfeld 2006:391). Vertrauen als soziales Kapital von Netzwerken ist wiederum entscheidend für die Stabilisierung der Zusammenarbeit. Damit Vertrauen und Freiwilligkeit gerechtfertig sind bedarf es eines „Mindestmaßes an Regeln“ (Fürst 2006:49), insbesondere Entscheidungsregeln bei widerstreitenden Interessen, Kontroll- und Evaluationsregeln zur Sicherung eines effizienten Mitteleinsatzes. Die Zielsetzung von Governance ist die Vernetzung unterschiedlicher gesellschaftlicher und staatlicher Kompetenzen und Ressourcen, um „gesellschaftliche Ziele mit einem Minimum an Transaktionskosten und Wohlfahrtsverlusten durch externe Effekte“ zu erreichen (Kleinfeld 2006:388). Dies bedeutet in einem schärfer werdenden regionalen Wettbewerb, die Lebensqualität und Attraktivität des eigenen Standorts trotz sinkender staatlicher Einnahmen aufrechtzuerhalten. Der Staat tauscht sein Hierarchiemonopol gegen das Wissen und das Engagement außerstaatlicher Akteure ein, Governance soll dabei dafür sorgen, dass dieses Zusammenwirken transparent, effizient und effektiv läuft und eine Zurechenbarkeit der Wirkung von staatlichem Handeln gewährleistet bleibt (Rehm 2007:45). Gerade hier setzt jedoch die stärkste Kritik an Governance-Konzepten an: Faktisch würden durch das Zusammenspiel von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat außerhalb des demokratisch legitimierten Systems Vorentscheidungsgremien geschaffen, die politische Gremien ihrer Funktion entleerten. Diese wirkten häufig „selektiv und elitär“ und sind „nicht rechenschaftspflichtig“ (Fürst 2006:52). Governance-Systeme neigen dazu, Intransparenz zu erzeugen. Dies kann bei den Netzwerkpartnern zu Machtungleichgewichten (Informations-Assymmetrien) führen und hat direkte Auswirkung auf deren Motivation, eigene Ressourcen ins Netzwerk einzubringen. Aufgrund unterschiedlicher Handlungslogiken und Denkmuster sind überdies
Die Bedeutung von Entrepreneur0Leadership
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hohe Transaktionskosten zu bewältigen, bevor das Netzwerk gemeinsame Aktion ergreifen kann. Die Funktionsweise von Governance als „polyzentrisches soziales System“ (Zimmermann 2006:292) stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten hinsichtlich Kooperations- und Verhandlungsfähigkeiten sowie sozialer Kompetenz. Da Governance-Strukturen außerdem über keine eigenen Einnahmequellen verfügen, bleiben ihre Handlungsmöglichkeiten beschränkt bzw. sind nur dort existent, wo win-win-Lösungen für die Beteiligten erzielt werden können. Entweder-Oder-Entscheidungen und harte Vollzugsaufgaben, die zu Verteilungskämpfen oder Kompetenzkonflikten führen, können hingegen nur selten im Rahmen von Governance-Arrangements gelöst werden (Fürst 2006:50, Kleinfeld 2006:398). Auf der anderen Seite verfügen GovernanceStrukturen jedoch über eine Vielzahl an Stärken: Sie generieren eigene Steuerungsressourcen. Rehm weist in diesem Zusammenhang auf die Entstehung von intellektuellem Kapital als Folge von kooperativ gewonnenem Wissen, von politischem Kapital als Fähigkeit zu kollektivem Handeln und von sozialem Kapital als Folge von wechselseitigen Beziehungen hin (Rehm 2007:44ff). Zusammenfassend kann damit festgehalten werden (Scherer 2006:91): „Governance ist ein neues Modell der systemübergreifenden Zusammenarbeit von Akteuren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die Kooperation erfolg innerhalb von vertikal und horizontal verflochtenen Netzwerken und basiert auf einem System gemeinsam herausgebildeter Normen und Regeln“. Merkmale von Governance-Systemen sind (in Anlehnung an Scherer 2006:100): regionales Interdependenzmanagement als Steuerungsziel, Netzwerkcharakter der Steuerungsstruktur, Kombination von verschiedenen Steuerungsmodi (Kooperation, Markt und Hierarchie), informelle und formelle Strukturen sowie territoriale und funktionale Orientierung der Akteure. Welche besonderen Anforderungen dieses Umfeld an lokale politische Entscheidungsträger stellt, wird im folgenden Absatz diskutiert.
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1.3 Bedeutung der Kommune als konstituierende Einheit der Region Unter einem systemtheoretischen Ansatz betrachtet sind Regionen soziale Systeme, die je nach Interaktion und Aggregationszustand ihrer Elemente ganz unterschiedliche Form annehmen können. Der Systembegriff impliziert etwas „ ,Zusammengesetzes’ “, wobei die Einheit mehr ist als die Summe der Teile (Raich 2006:19). Wesentlich für die Systemdefinition ist außerdem der Bezug zur Umwelt. Systeme konstituieren und erhalten sich durch Abgrenzung zu ihrer Umwelt, sprich zu demjenigen, was nicht mehr Teil des Systems ist. Dennoch unterhalten Systeme Beziehungen zur Außenwelt (Relationen). Ebenso gibt es innerhalb des Systems Beziehungen unter den verschiedenen Elementen. Grundfunktion von Systemen ist die Kommunikation. Beleuchtet man Regionen nun als soziale Systeme, so sind die Kommunen als deren konstituierende Elemente zu identifizieren, die in vielfacher Relation untereinander, aber auch mit der Systemumwelt stehen. Die räumliche Abgrenzung von Regionen kann dabei sehr unterschiedlich vorgenommen werden. Allgemein kann ein strategischer, analytischer, funktionaler und territorialer Zugang zur Regionsabgrenzung unterschieden werden (Marx 2002:22): Erster bezieht sich ungeachtet historischer Gegebenheiten auf eine ökonomische Einheit, der analytische Zugang betont politisch-administrative Grenzen, während der funktionale Zugang aus der Perspektive einer handelnden Person zur Lösung eines Problembestandes definiert wird. Der territoriale Zugang schließlich weist auf Regionsdefinitionen entlang von Wirtschafts- oder Kulturräumen hin. Oft ist der Regionsbegriff aber auch politisch geprägt: Es gibt Metropolregionen oder grenzüberschreitende Regionen, die keinen historischen Kontext aufweisen, sondern eher der Prämisse strukturpolitischer Planungen der Europäischen Union folgen. Für unsere Untersuchungen werden Regionen verstanden als „historisch gewachsene Einheiten, kulturell und wirtschaftlich verflochtene geographische Räume, die sich auch unabhängig von Landes-, Kreis- und Stadtgrenzen herausbilden und Bestand haben“ (Balderjahn 1995:3). Betont wird
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dabei der Aspekt der wirtschaftlichen Verflechtung: Regionen werden definiert über die in ihnen wirkende Wertschöpfungsketten und damit verbundene Netzwerke (Cluster). Die Grenzen einer Region sind demnach dort erreicht, wo eine Kommune keinen Beitrag mehr zum Cluster der Kernregion leisten kann. Kommunen prägen als kleinste konstituierende Einheit die Erscheinungsform von Regionen – und dies umso stärker je größer ihre Unabhängigkeit ist. In Deutschland ist die Eigenständigkeit von Gemeinden, Städten und Märkten und damit ihre Einflussmöglichkeiten auf das Gesamtsystem beträchtlich. Im Art. 28 des Grundgesetzes ist die kommunale Selbstverwaltung der Gemeinden geregelt. Dort heißt es im Absatz 1 „den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. Im Rahmen dieser eigenen Verantwortung handeln die Gemeinden nach eigenem Ermessen und in den Grenzen, die ihnen gesetzliche Vorschriften setzen (Bayerische Gemeindeordnung, Artikel 7). Typische Einflussbereiche der Gemeinden mit hoher Spürbarkeit für den Bürger sind z. B. die kommunale Finanzhoheit mit Festsetzung von Hebesätzen für Gewerbe- und Grundsteuer, das Meldewesen inklusive der Erstellung von Ausweis- und Reisedokumenten sowie die Planungshoheit der Gemeinden, die ihren Ausdruck in Flächennutzungsplänen, Bebauungsplänen und nicht zuletzt auch in der kommunalen Gebührensatzung für Wasserver- und -entsorgung findet. Die Kommune ist das unmittelbare Gelenk der öffentlichen Verwaltung mit dem Bürger und den ansässigen Unternehmen. Auf die Qualität ihrer Dienstleistungen und die Effizienz ihres Mitteleinsatzes kommt es an, ob aufgrund des fehlenden Marktes und damit der fehlenden Wahlmöglichkeit der Bürger Zufriedenheit bei den Einwohnern und Unternehmen einer Region entstehen kann. Selbstverständlich werden die kommunalen Leistungen ergänzt durch solche aus Landkreisen, dem Bezirk oder der Landesregierung – die Unmittelbarkeit der Einflussnahme auf das Lebensumfeld der Einwohner und
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Unternehmen einer Region ist jedoch aufgrund der lokalen Zuständigkeit bei den Gemeinden am größten. So erschließt sich die Bedeutung der Kommunen für die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen: Kommunen sind die Keimzellen regionaler Attraktivität, sie sind Träger kultureller Werte und von regionaler Identität. In ihrer Hand liegt es, ob diejenige größere geographische Einheit, zu deren Fortkommen sie einen positiven Beitrag leisten können, besser aufgestellt ist als regionale Konkurrenten.
1.4 Management, Entrepreneurship und Leadership in Kommunen Grundsätzlich agieren kommunale Entscheidungsträger (hier vor allem Bürgermeister von Städten, Gemeinden und Märkten) in drei Handlungsräumen. Erstens intern in den Kommunalverwaltungen: Hier geht es um den effizienten Einsatz knapper Ressourcen, um die Erfüllung staatlicher Pflichtaufgaben, die Lenkung von öffentlichen Betrieben, aber auch um die Gestaltung freiwilliger kommunaler Aufgaben wie z. B. Wirtschafts- oder Tourismusförderung. Zweitens sind kommunale Entscheidungsträger Moderatoren gemeindlicher und Partner regionaler Entwicklung. Dabei kommt es auf ihre Netzwerkfunktion an, also auf die Fähigkeit örtliche Ressourcen für öffentliche Aufgaben zu akquirieren. Drittens sind sie Mitglied einer Partei und Inhaber eines politischen Mandats mit der Aufgabe der politischen Willensbildung und der Repräsentation des Gemeinwesens. Alle drei Handlungsräume sind starken Veränderungen unterworfen und stellen ganz neue Anforderungen an die Qualifikation, Denkund Handlungsweise kommunaler Akteure. Begriffe wie Entrepreneurship, Leadership und Management halten Einzug in öffentliche Verwaltungen. Im Folgenden soll ihre Bedeutung für kommunales Handeln dargestellt werden. Vorab sei festgehalten: Nicht immer gelingt es, betriebswirtschaftliches Gedankengut nahtlos auf staatliche Organisationen zu übertragen. Aber betrachtet man sie als „soziale Systeme, die nach Mustern wie andere Organisationen funktionieren“, so kann man annehmen, dass auch in der Verwaltung ein nach
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„betriebswirtschaftlicher Rationalität“ funktionierendes Vorgehen möglich sein muss (Schedler 2006:55). Leadership, Unternehmertum (Entrepreneurship) und Management geben damit den konzeptionellen Rahmen vor, in dem sich öffentliche, politische und sozial-gesellschaftliche Aktivitäten von kommunalen Entscheidungsträgern entfalten können. Im Folgenden werden nun alle drei Begriffe umrissen und jeweils auf die Konzepte des Public Management, Social Entrepreneurship und Political Leadership angewandt (siehe Abb.1).
Leader
Entrepreneur
Public Management
Public
Social Entrepreneurship
Social
Political
Manager
Political Leadership
Abbildung 1: Konzeptioneller Rahmen Quelle: eigene Darstellung
Management wird häufig als „technisch-administrative Aufgabe“ (Schneider 2007:27) wahrgenommen: Es geht um Planung Organisation und Ressourcenkontrolle und darum, die gesteckten Ziele möglichst effizient zu erreichen. „Manager versuchen, Probleme innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen zu lösen und werden in geringerem Umfang als Leader und Entrepreneure be-
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reit sein, Risiken für die Erreichung der Ziele einzugehen“ (Pechlaner/Hammann 2007:99). Management in öffentlichen Verwaltungen wird dabei stark in den Kontext des New Public Management (NPM) gesetzt. Prinzip des NPM ist die Übertragung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente (Schedler/Proeller 2006:55) auf die öffentliche Verwaltung. Hintergrund dafür ist eine zunehmende Kritik an den gängigen bürokratischen Verwaltungssystemen. Während diese als „repressive entity, acting against the interests of managers and society“ verstanden werden, gelten wettbewerbliche Systeme als „liberating, enhancing organisational efficiency and managerial creativity“ (Edwards/Jones/Lawton/Llewwellyn 2002:1542). Die Zielsetzungen des Public Management sind daher die Intensivierung des Wettbewerbs und die Beförderung der Marktmechanismen anstelle von Bürokratie. Public Management bzw. noch stärker Public Entrepreneurship kann zusammenfassend verstanden werden als „Unternehmertum, das auf die Schaffung von Allgemeinwohl abzielt“ (Edwards/Jones/Lawton/Llewellyn 2002:1546). Dieses Ziel erreicht der public entrepreneur durch ungewöhnliche und neue Kombinationen von Ressourcen: „the process of creating value for citizens by bringing together unique combinations of public and/or private resources to exploit social opportunities“ (Zerbinati/Souitaris 2005:44). Kennzeichnend für diese neuen Managementsysteme der öffentlichen Verwaltung sind z. B. explizite Leistungsstandards, eine größere Betonung der Output-Steuerung, die Disaggregation von großen Verwaltungseinheiten in kleinere funktional und problemorientiert organisierte Teams sowie ein effizienterer Ressourceneinsatz durch stärkeren Wettbewerb bei der Auftragsvergabe und größere interne Sparsamkeit. Hinzu kommen eine starke Dienstleistungsorientierung und ein wachsender Anteil an informellem Verwaltungshandeln, bei dem die Abstimmung mit den Betroffenen vor Bescheiderlass im Mittelpunkt steht. Insgesamt öffnet sich die Kommune und wird transparenter. Sie wird Teil des gesellschaftlichen Netzwerks und profitiert dabei durch Integration externer Ressourcen: Dies kann interkommunale Zusam-
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menarbeit bedeuten, in der Gemeinden Aufgaben im Verbund bewältigen. Typisch ist hier z. B. die Zusammenarbeit im Bereich der Standesämter oder der EDV-Infrastruktur. Oder aber die Kooperation bezieht sich auf außerstaatliche Akteure, wie z. B. Kirchen, Verbände oder Unternehmen, die Wissen oder finanzielle Ressourcen zur Bewältigung öffentlicher Aufgaben einbringen (vgl. Governance weiter oben). Management in Kommunen öffnet den klassischen Management-Begriff: Es geht nicht nur um Planen, Organisieren und Kontrollieren, sondern vielmehr auch um Netzwerkfunktionen wie Offenheit, Fairness, Transparenz, Fähigkeit zum Zuhören und zur Kommunikation (Kleinfeld 2006:411). Management wird in Netzwerken nicht obsolet, sondern anspruchsvoller: Kommunen sind von Partnern abhängig, die es zu koordinieren gilt. „Networking ist eine äußerst schwierige Art des Managements“ (Plamper 2006:367). Achtung ist jedoch zu legen auf Einhaltung staatlicher Grundprinzipien wie Gleichbehandlung, Rechenschaftspflicht und Redlichkeit bei der öffentlichen Mittelverwaltung. Nicht selten stehen Akteure der neuen Managergeneration in öffentlichen Verwaltungen aber im Spannungsfeld zwischen diesen Erfordernissen und einer unternehmerischen Orientierung, die mehr Risikobereitschaft und beizeiten auch die ungleiche Verteilung unternehmerischer Ressourcen erfordert. Dies zeigt auf, dass es bei erfolgreichem kommunalem Handeln nicht allein um eine betriebswirtschaftliche Orientierung geht. Vielmehr geht es im Kern um die unternehmerischen Qualitäten von kommunalen Entscheidern. Grundsätzlich kennzeichnet Unternehmer ihre Fähigkeit „Unsicherheiten zu übernehmen (Knight), Innovationen am Markt durchzusetzen (Schumpeter), Preisarbitragen zu entdecken (Kirzner) und Ressourcen zu koordinieren (Casson)“ (Ripsas 1997:13). Klassische Unternehmertypen (personal achiever) haben eine starke persönliche Bindung zum Unternehmen. Sie sind getrieben von Neugier, einer hohen Motivation gepaart mit dem starken Wunsch nach Wertschätzung. Aber
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es gibt auch visionäre Querdenker (expert idea generator), die durch Ideenreichtum und der Lust an Ausführung ihrer Ideen gekennzeichnet sind. Oder den kunden- bzw. vertriebsorientierten Unternehmer (empathic supersale entrepreneur), der ein starkes Einfühlungsvermögen gegenüber seinen Kunden aufweist. Nicht zuletzt gibt es auch Unternehmer, die starke Züge des Managers aufweisen: starkes Selbstbewusstsein, hohe Kontroll- und Koordinationsfähigkeit. Charakteristisch erscheint für alle Unternehmertypen jedoch die Bereitschaft, Risiko einzugehen (Wunderer 2007:44), d.h. eigenes oder fremdes Kapital einzusetzen, um daraus unter Verlustgefahr Mehrwert zu schaffen und die Fähigkeiten Innovationen im technischen, organisatorischen oder sozialen Bereich zu generieren, um damit die Attraktivität der eigenen Unternehmung gegenüber verschiedenen Stakeholdergruppen zu steigern. Ihr Erfolg ist nicht zuletzt gekennzeichnet durch eine gute Organisation (Fähigkeit zur Motivation und Menschenführung) und die Fähigkeit, die laufenden Geschäfte zu führen (Schneider 2007:23ff). Dies ist sicherlich auch für kommunale Entscheidungsträger richtig. Was sie allerdings von den klassischen, kommerziellen Unternehmern unterscheidet, ist die Zielsetzung ihres Handelns. Sie sind eher soziale Unternehmer, die nicht nach der Maximierung von Gewinn oder Rendite streben, sondern versuchen, soziale Werte zu schaffen. Es geht um Kernthemen wie Allgemeinwohl, Chancengleichheit, Lebensqualität für sozial schwache Gruppen. Dabei ist es unerheblich, ob sie im nonprofit, staatlichen oder gewerblichen Sektor tätig sind. Ihre Leistung ist es, soziale Problemlagen zu erkennen und durch hohe intrinsische Motivation Lösungskonzepte und die für eine Umsetzung notwendigen Ressourcen zu mobilisieren. Die Tätigkeit von social entrepreneurs ist gekennzeichnet durch hohe Komplexität und eine sehr große Zahl an Anspruchs- und Kundengruppen. Sie sind häufig auf Zuwendungen angewiesen, wenngleich viele soziale Unternehmungen versuchen, über eigene Produkte und Dienstleis-
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tungen kostendeckend zu wirtschaften (vergleiche die Initiative BISS – Bürger in sozialen Schwierigkeiten – in München, www.biss-magazin.de). Beide Fakten (die große Zahl an Kunden und die zumindest teilweise Abhängigkeit von Zuwendungen) finden ihren Niederschlag in der Struktur der Unternehmungen. Meist sind es offene Gesellschaften mit einem hohen Beteiligungsgrad der von den Maßnahmen betroffenen Kunden, den Finanziers und kommunalen Akteuren. Es sind Netzwerkunternehmen, die ihre Gewinne wann immer möglich zum Wohle der Gemeinschaft einsetzen (Shaw/Carter 2007:421). Der Erfolg eines Social Entrepreneurs ist also sein Erfolg im Netzwerk. Dieser hängt in erster Linie ab von seiner Netzwerk-Kompetenz, sprich der Fähigkeit Beziehungen über gegenseitige Nutzengenerierung langfristig am Leben zu halten. Aber es geht auch um persönliche Glaubwürdigkeit und Integrität, vor allem um einen hohen Grad an Übereinstimmung der eigenen Lebensweise mit den propagierten sozialen und gesellschaftlichen Werten (Authentizität) (Roper/Cheney 2005:101; Chell 2008:17; Shaw/Carter 2007:4221; Austin/Stevenson/Wei-Skillern,2006: 13). Hier zeigt sich bereits der Übergang des sozialen Unternehmertums zum Konzept des Leadership. „Unternehmerisch denken und handeln (d.i. Leadership) heißt, neue Möglichkeiten zu erschließen sowie auf andere Menschen einzuwirken, sie zu inspirieren und in die Lage zu versetzen, sich begeistert für Ziele und Veränderungen zu engagieren, die im gemeinsamen Interesse sind“ (Hinterhuber 2003:49). Leader sind Visionäre, die den Kernauftrag der Unternehmung finden und weiterkommunizieren. Sie sind gleichzeitig Vorbilder, die über einen ungeheuren Leistungswillen und persönliche Glaubwürdigkeit verfügen und denen es gelingt, Werte für das Unternehmen und alle relevanten Stakeholder zu schaffen (Hinterhuber 2003; Müller/Renzel et al. 2007:215). Charakteristische Merkmale eines Leaders aus der eigenschaftszentrierten Leadership-Forschung sind demnach: Selbsterkenntnis und ausgewogene Persönlichkeit; Involvement, Bo-
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denhaftung, Kontakt zu Menschen; Vorbild sein, kein „talk-to-gap“, sondern Authentizität (Schneider 2007:33ff). Doch wie funktioniert erfolgreiches Leadership? Neben Persönlichkeitsmerkmalen von Führungskräften scheinen hierbei auch situative (umwelt-, aufgaben-, mitarbeiterbezogene) Komponenten von Bedeutung zu sein. So verunsichert beispielweise eine komplexe Umwelt mit unterschiedlichsten konkurrierenden Wertegerüsten. Führungspersönlichkeiten sind aufgefordert, Unsicherheiten zu beseitigen und eine Atmosphäre von Hoffnung und Freiheit zu schaffen, in der Kreativität entstehen kann (Gebert 2002:182). Grundlegende Voraussetzung dafür, Mitarbeitern einen kreativen Freiraum zu geben, ist gegenseitiges Vertrauen und offene Kommunikation. Leader führen in diesem Kontext durch Charisma, Inspiration und emotionale Nähe zum Geführten. Auf diese Weise gelingt es ihnen überkommene Denkmuster aufzubrechen sowie Sinn und Orientierung zu stiften und damit eine längerfristig gültige Verhaltensänderung bei den Geführten herbei zu führen (Matzler/Schwarz et al. 2007:183, Gebert 2002:201). Die in dieser Weise gekennzeichnete Transformational Leadership hat großes Potenzial Begeisterung zu stiften und über das Normalmaß hinausreichendes Engagement zu generieren: Motivation entsteht nicht mehr über regelbezogene Belohnungssysteme, sondern aus Lust am gemeinsamen Fortschritt (Müller/Renzel et al. 2007:215). Gerade hier zeigt sich eine deutliche Parallele zur kommunalen bzw. politischen Ebene. Die wichtigste Leistung eines kommunalen Entscheidungsträgers ist es doch, den Zusammenhalt zwischen unterschiedlichen Mitgliedern der Gesellschaft herzustellen. Es geht darum, Eigeninteressen mit breiteren gesellschaftlichen Anliegen abzugleichen. Dies kann nur über eine offene und kontroverse Diskussion gelingen, in der es Aufgabe eines politischen Leaders ist, unterschiedliche Meinungen zu einem gemeinsamen Weg zu katalysieren. Er ist verantwortlich für die Generierung notwendiger Unterstützung aus der Ge-
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sellschaft. In diesem Sinne ist Political Leadership geradezu notwendig, um Vorteile aus einem gemeinsamen gesellschaftlichen Handeln überhaupt realisieren zu können: „Leadership may be the only kind of social arrangement capable of achieving the gains available from social action…“ (Calvert 1992:13). Erfolgreiche politische Leadership ist dabei, genauso wie das soziale Unternehmertum, geprägt von bestimmten Grundwerten, die der kommunale Entscheidungsträger in seiner Person verkörpern muss. Parallelen zum Unternehmertum zeigen sich außerdem darin, dass er in der Lage sein sollte, die „richtigen Themen“ und die passende Methode zu finden, um Ressourcen zu mobilisieren – nicht nur zur politischen Aktivität, sondern auch zur Unterstützung der eigenen politischen Organisation (Kretschmer/Meyer 2007:1399). Diese letzte Aussage führt zu sechs Faktoren, die politisches Leadership bestimmen (Peele 2005: 192): Zum einen sind die Eigenschaften des Leaders selbst ausschlaggebend wie z. B. soziale Herkunft, Religion oder Bildung. Darüber hinaus spielen aber auch die Merkmale der Geführten eine Rolle, also deren Wahlverhalten, Mobilisierbarkeit oder ihre Wertesysteme. Dritter Faktor ist der organisatorische oder gesellschaftliche Kontext, wie z. B. der Formalisierungsgrad und die Hierarchieebenen der eigenen Partei. Als nächstes prägen die Aufgaben des Führenden seinen Erfolg. Es geht z. B. um seine Responsiveness und die Fähigkeit zur Ressourcenmaximierung. Führungsstil und die Auswirkungen des Führungsverhaltens sind die letzten beiden prägenden Faktoren. Geht es bei ersterem um das Verhältnis des Leaders zur Macht, um seine Sozialkompetenz und seine Kommunikationsfähigkeit, so beschreibt letzterer, ob ein Leader radikale oder transformative Strategien verfolgt. Für die praktische Anwendung in Kommunen sind Political Leadership, Public Management und Social Entrepreneurship jedoch keine Begriffe, die Entweder-Oder-Entscheidungen begründen. Kommunale Entscheider müssen Eigenschaften aller drei dargestellten Konzepte in sich vereinen. Dies trifft insbeson-
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dere auf die Rolle eines Bürgermeisters als Verwaltungschef zu: Hier stehen Management-, Leadership- und Unternehmertumaufgaben gleichzeitig auf der Agenda. Geht es bei Management in der Verwaltung vor allem um die betriebswirtschaftliche Neukonfiguration der internen staatlichen Leistungsprozesse z. B. durch Einführung leistungsgerechter Lohnbestandteile oder Einführung von E-Government-Strukturen, so kann Unternehmertum z. B. die marktorientiertere Führung kommunaler Eigenbetriebe wie z. B. Schwimmbäder, Krankenhäuser oder Schulen betreffen. Die größte Bedeutung erhält im administrativen Umfeld jedoch die Leadership-Fähigkeit des Bürgermeisters. Verwaltungshandeln hat sich seit dem deutschen Kaiserreich nicht mehr so stark verändert wie heute. Governance zielt darauf ab, dass Wirtschaft und Gesellschaft als „Ko-Produzenten“ (Kleinfeld 2006:393) an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirken. Dies setzt voraus, dass die öffentliche Verwaltung Strukturen und Handlungsweisen an den Tag legt, die eine Partizipation ermöglichen. Verwaltungsangestellte sind gefordert, ihr Selbstverständnis grundlegend neu zu definieren: weg von hoheitlichem Entscheiden, hin zum Dialog und zur Kundenorientierung. Dieser Wandel erschüttert das gegenwärtige Macht- und Kompetenzgefüge innerhalb der Ämter – es kann zur Blockierung des Fortschritts kommen, in der Hoffnung den status quo zu retten (Gebert 2002:177f). Eine auf Planung und Kontrolle fokussierte Führung kommt hier nicht weiter. Es bedarf der Transformational Leadership, die Kopf und Herz anspricht. Bürgermeister müssen als Person durch eine effektive, sensible Kommunikation überzeugen, um ihren Mitarbeitern Brücken über die Brüche ihres Arbeitsalltags zu bauen. Gelingt ihnen dies, so entsteht eine neues Organization Citizenship Behaviour (Gebert 2002:202), im Rahmen dessen sich Verwaltungsangestellte mit den veränderten Anforderungen und ihrer Organisation identifizieren und ihre Aufgaben über das Normalmaß hinaus begeistert erfüllen.
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In der gemeindlichen Arbeit steht die Netzwerkfunktion des Bürgermeisters im Mittelpunkt. Ganz im Sinne der oben umrissenen neuen Form der Governance geht es darum, örtliche Ressourcen außerhalb der Verwaltung für öffentliche Aufgaben zu akquirieren. Dies kann ehrenamtliche Mitarbeit z. B. in Expertengremien der Gemeindeentwicklung, Einbringung von finanziellen Ressourcen z. B. zur Sanierung einer Schule oder sonstige Kompetenzen betreffen. Der Bürgermeister leistet dabei wertvolle Motivations- und Koordinationsarbeit. Er ist als social entreprepreneur (Priddat 2006:251) bzw. als politischer Unternehmer (Kleinfeld 2006:407) gefragt: Dass heißt, sein Erfolg bestimmt sich darüber, wie viele Netzwerkknoten er im sozialen Netz der Gemeinde aktivieren kann. Dafür ist ausschlaggebend wie hoch seine Kooperations- bzw. Netzwerkkompetenz ist. Sie ist gering, wenn nur wenige mit ihm handeln, und wächst umso stärker an, je größer die Zahl seiner Unterstützer ist. Gleichzeitig kann er über seine Verwaltung ein organisatorisches Rückgrat für gemeindliche Entwicklungsprozesse zur Verfügung stellen und über geschickte Verhandlung im Gemeinderat dafür sorgen, dass die richtigen Entscheidungen gefällt und entsprechende Ressourcen freigestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Verwaltung von Kommunen nur begrenzt mit der Führung von Unternehmen zu vergleichen ist, denn der Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Bürgermeister ist stärker begrenzt. Für die gemeindliche Politik zuständig ist zunächst der Gemeinderat. In der Bayerischen Gemeindeordnung heißt es hierzu: „Die Gemeinde wird durch den Gemeinderat verwaltet...“ (Bayerische Gemeindeordnung Artikel 29), d. h., ein Bürgermeister ist an allen grundlegenden Fragen der Gemeindeentwicklung und -verwaltung an den Beschluss des Gemeinderates oder beauftragte Ausschüsse gebunden. Dies betrifft insbesondere auch die Genehmigung des Finanzplans, Beschlüsse zur Haushaltssatzung oder zu anderen gemeindlichen Satzungen und Verordnungen. Insbesondere alle kostenrelevanten Entscheidungen, aber
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auch Entscheidungen mit grundsätzlicher Bedeutung sind daher per Mehrheitsentscheidungen im Gemeinderat zu treffen, die nicht immer frei von parteipolitischen Überlegungen sind. Dennoch billigt die Bayerische Gemeindeordndung auch dem Bürgermeister eine wesentliche Rolle im Gefüge der Gemeindeverwaltung zu, denn er „ führt den Vorsitz im Gemeinderat und vollzieht seine Beschlüsse“ (Bayerisches Gemeindeordnung, Artikel 36). Er ist außerdem in größeren Gemeinden verbeamtet, während Gemeinderatsmitglieder ehrenamtlich bestellt sind, und verfügt als Dienstherr der in der Gemeinde beschäftigten Beamten und öffentlichen Angestellten über personelle Ressourcen, auf die Gemeinderatsmitglieder nicht zugreifen können. Faktisch kommt dem Bürgermeister daher eine bedeutende Rolle bei der Erarbeitung von Zielen für die gemeindliche Entwicklung und deren Umsetzung durch Maßnahmen- und Ressourcenplanung zu. Bürgermeister können Initiativen ergreifen, die Gemeinderatsmitglieder über neue Entwicklungen informieren, Handlungsnotwendigkeiten aufzeigen und für die eigene Kommune maßgeschneiderte Lösungen vorlegen. Insofern weitet sich der von der Bayerischen Gemeindeordnung eng gesetzte Entscheidungsspielraum der Bürgermeister hin zu einer proaktiven, gestaltenden Beratungsrolle in Richtung Mitglieder des Gemeinderats aus. Es darf jedoch nicht um die Aushebelung von demokratischen Mechanismen gehen, vielmehr um deren Bereicherung mit unternehmerischen Elementen – und hierfür ist der Bürgermeister Schlüsselperson im kommunalen Verwaltungssystem. Als solchem fällt ihm die nicht ganz einfache Aufgabe zu, Balance zu halten zwischen visionärem Vorausdenken, Antizipieren von Veränderungen und damit Weichenstellen und gleichzeitig Einbinden von demokratisch gewählten Volksvertretern und Berücksichtigen demokratischer Entscheidungswege. Dass Unternehmertum und Leadership genauso wie in Unternehmen auch in Kommunen möglich sind, wird umso deutlicher, wenn man nicht nur die sogenannten Pflichtaufgaben einer Gemeinde betrachtet (z .B. Schulen, Müllabfuhr,
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Feuerwehr), sondern die freiwilligen Aufgaben und diejenigen Bereiche berücksichtigt, in denen eine Gemeinde als Marktteilnehmer agiert. Freiwillige Aufgaben grenzen sich von den Pflichtaufgaben einer Gemeinde in Bayern durch den Art. 56 der Bayerischen Gemeindeordnung ab: „Im eigenen Wirkungskreis sollen die Gemeinden in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Einrichtungen schaffen und erhalten, die nach den örtlichen Verhältnissen für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl und die Förderung des Gemeinschaftslebens ihrer Einwohner erforderlich sind, insbesondere Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Feuersicherheit, der öffentlichen Reinlichkeit, des öffentlichen Verkehrs, der Gesundheit, der öffentlichen Wohlfahrtspflege einschließlich der Jugendhilfe, des öffentlichen Unterrichts und der Erwachsenenbildung, der Jugendertüchtigung, des Breitensports und der Kultur- und Archivpflege…“. Nicht darunter fallen also Einrichtungen wie Bäder, Theater oder der Unterhalt von städtischen Buslinien. Insbesondere ist freiwillige Aufgabe auch jede Tätigkeit im Bereich des gemeindlichen Marketings, der Wirtschaftsförderung, der Tourismusarbeit oder Gemeindeentwicklung im Sinne einer netzwerkartigen Einbindung von Einwohnern, Unternehmen und übergemeindlichen Akteuren zur Bewältigung wettbewerbsrelevanter Aufgaben. Hierunter fällt auch die Beteiligung in öffentlich-privaten Kooperationen. Wie diese freiwilligen Aufgaben inhaltlich zu gestalten sind, ist der Entscheidung von Bürgermeister und Gemeinderat überlassen – es gibt keine besonderen rechtlichen Zwänge. Auf diesem Feld kann sich somit das unternehmerische Handeln eines Bürgermeisters insbesondere auszahlen. Ebenso wie in dem Falle, in dem eine Gemeinde als Marktteilnehmer, also als Anbieter eines Produktes oder einer Dienstleistung fungiert oder eben jene nachfragt: Eigenbetriebe und Kommunalunternehmen sind laut bayerischer Gemeindeordnung „unter Beachtung betriebswirtschaftlicher Grundsätze“
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(Bayerische Gemeindeordnung, Artikel 95) zu führen, dies impliziert vor allem eine Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der eingesetzten Ressourcen. Es eröffnet jedoch auch unternehmerische Elemente wie die Regruppierung bestehender Fähigkeiten und Kompetenzen zu neuen Produkten und Dienstleistungen. Die Kommune als Nachfrager hingegen stellt einen beträchtlichen Wirtschaftsfaktor in der Gemeinde dar. Es geht um die Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen, Beratungsleistungen, die Abnahme von Dienstfahrzeugen usw. Auch hier sind im Rahmen der Vergabe- und Vertragsordnungen unternehmerische Entscheidungen möglich, z. B. die Nutzung von Synergieeffekten über Größenvorteile beim Zukauf von Wintersalz in einem kommunalen Verbund. Insgesamt stellt sich dem Bürgermeister im Rahmen der Gemeindearbeit damit eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe, denn Veränderung durch Innovation ist hochpolitisch. Auf dem Weg von der Ideengenerierung zur -umsetzung muss entschieden werden, welchen Ansätzen der Vorzug gegeben wird. Eine wesentliche Rolle spielt dabei neben den Fachpromotoren (Entscheidungsvorlagen werden meist in der Verwaltung erarbeitet) der Bürgermeister als Prozesspromotor, der in konfliktären Situationen ausgleichend vermittelt und gemeinsam mit dem Machtpromotor (er selbst oder z. B. der Fraktionsvorsitzende) mehrheitsfähige Entscheidungen herbeiführt (Gebert 2002:192). Für jedes neue Projekt ist jeweils eine neue Mehrheit im Gemeinderat einzuholen – was langen Atem erfordert, denn erfahrungsgemäß einigt man sich schneller auf die Beseitigung eines Mangels, als auf die Ausnutzung einer Chance (Fürst 2006:47). Ingesamt zeigt sich, dass die Governance (Strukturen und Prozesse) gemanagt werden (governance capacity) muss (Plamper 2006:370), was unternehmerisches Denken und Leadership erfordert. Leadership ist notwendig, denn die Identifikation mit einem Gemeinwesen setzt voraus, dass man zunächst bereit ist, sich für den Führenden dieses Kollektivs einzusetzen (Gebert 2002:215).
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Auch als Partner der regionalen Entwicklung haben Bürgermeister eine entscheidende Funktion: Regionen als Zusammenschluss mehrerer Gemeinden oder Landkreise verfügen nicht über eigene territoriale Verwaltungshoheit. Bebauungs- und Flächennutzungspläne werden im Rahmen der übergeordneten Landes- und Raumplanung meist von den Kommunen aufgestellt. Sie sind es auch, die als erste kommunale Kontaktpersonen vor Ort entsprechende Meinungsbildung in der Bevölkerung vorantreiben. Den Bürgermeistern kommt daher eine einflussreiche Position zu: zum einen in der Ausübung ihrer kommunalen Selbstverwaltung und auf der anderen Seite als Meinungsführer aufgrund ihrer herausgehobenen politischen Stellung in der Kommune. Soll regionale Entwicklung erfolgreich angelegt sein, sind betroffene Bürgermeister daher von Anfang an mit ein zu beziehen. Ihre Meinung sollte in einem bottomup-Verfahren in die regionale Zielsetzung mit einfliessen, gleichzeitig sind sie aufgefordert im Sinne eines konstruktiven Mitunternehmertums Verantwortung für die Region zu übernehmen. Mitwissen, Mitdenken, Mitfühlen, Mithandeln und Mitverantworten und sich mit beteiligen sind Schlüsselbegriffe in diesem Prozess (Wunderer 2007:45). Bürgermeistern als Intrapreneure einer Region gelingt es, die eigene kommunale Entwicklung in einer win-win-Situation mit den übergemeindlichen Entwicklungszielen zu verbinden. Dabei denken sie ebenso vernetzt, chancenorientiert und vernunftgeleitet wie als LeaderEntrepreneur der eigenen Gemeinde. Insgesamt lässt sich aus vorausgehenden Ausführungen also festhalten: Die Attraktivität der Kommune ist für die Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtsystems Region entscheidend; dem Bürgermeister kommt als Vorsitzendem des Gemeinderats und als Dienstherrn der Gemeindeverwaltung eine besondere Verantwortung zur Gestaltung gemeindlicher Abläufe zu; im Rahmen bestehender Verordnungen und Gesetze zum kommunalen Handeln verbleiben ihm Spielräume zu unternehmerischem Denken und Handeln. Wie dieser Spielraum von
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kommunalen Verantwortungsträgern genutzt wird, soll Gegenstand unserer Untersuchung sein.
2 Ergebnisse der empirischen Erhebung 2.1 Forschungsfragen und Hypothesen Leadership, Unternehmertum und Management bilden gemeinsam mit den Erkenntnissen zu Netzwerkbildung und der kommunalen Selbstverwaltung die konzeptionelle Grundlage für eine Untersuchung in der Region Ingolstadt, die folgende Hypothesen zum Gegenstand einer empirischen Befragung macht:
Je unternehmerischer die eigene kommunale Aufgabe wahrgenommen wird, desto stärker ist die Position der Kommune im regionalen Netzwerk. Kommunale Entscheidungsträger, die managementorientiert denken, nutzen Herausforderungen in der eigenen Gemeinde und der Region nicht als Chance. Leadership-Fähigkeiten sind entscheidend für die Akquise sozialen Kapitals für kommunale Zwecke.
Die Forschungsfrage lässt sich in Ableitung daraus wie folgt formulieren: Wie ausgeprägt sind unternehmerisches Denken, Management und Leadership in den Kommunen der Region Ingolstadt?
2.2 Methodisches Vorgehen und Samplebildung Gegenstand der Untersuchung ist das Denken und Handeln von Entscheidungsträgern auf der untersten kommunalen Verwaltungsebene, den Gemeinden, Städten und Märkten einer Region. Als Untersuchungsraum dient die Region Ingolstadt, mit den drei Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen, Pfaffenhofen und der kreisfreien Stadt Ingolstadt. Die Initiative Regionalmanagement Region Ingolstadt e.V. unterstützt die Untersuchung als Multiplikator in
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Richtung der zu befragenden Bürgermeister und als Organisation, die mit Hilfe der gewonnen Erkenntnisse, die kommunalen Entscheidungsträger der Region zielgerichteter ansprechen und einbinden kann. Dabei wird es im Wesentlichen um die Anforderung gehen, unterschiedliche Auffassungen von Kooperation, Unternehmertum und Leadership in öffentlichen und privatwirtschaftlichen Einrichtungen miteinander zu koordinieren, um eine gemeinsame Basis der Zusammenarbeit für die Entwicklung der Region zu schaffen. Die Initiative wurde im Frühjahr 2008 mit der Intention gegründet die Region zum „wettbewerbsfähigsten Standort Deutschlands“ zu entwickeln. Dabei werden prioritär Maßnahmen in den vier Handlungsfeldern Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft, Lebensqualität und Wohn- und Erlebnisraum, sowie Wahrnehmung der Region verfolgt. Ziel der Aktivität ist es, in der Region eine
Hohe Innovationsfähigkeit bei F&E Bessere Lebensqualität für die in der Region lebenden Bürgerinnen und Bürger Steigerung der Attraktivität für Gäste, zukünftige Einwohner und hochqualifizierte Arbeitskräfte Ausbau der Beschäftigungsmöglichkeiten in der Region Etablierung als anerkannte Wissenschafts- und Bildungsregion Pflege und Entwicklung der Natur- und Kulturlandschaft (Quelle: Letter of Intent, Initiative Regionalmanagement Region Ingolstadt e.V.)
zu erreichen. Mitglieder des Vereins sind die größten Arbeitgeber der Region, Audi AG, Bauer AG, EADS, Media-Saturn und Edeka sowie die oben genannten drei Landkreise und die Stadt Ingolstadt. Der Verein besitzt eine Geschäftsstelle und kann bei der Durchführung von Maßnahmen auf ein dichtes Netzwerk an regionalen Akteuren zurückgreifen, die in fachlichen Expertengremien organisiert sind.
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In Anlehnung an diese Bemühungen der Initiative Regionalmanagement Region Ingolstadt e.V., einen kohärenten wettbewerbsfähigen Raum rund um die Stadt Ingolstadt zu schaffen, wurden im Zeitraum vom 01. bis 20. September 2008 folgende Personen befragt:
Landkreis Eichstätt: 30 Bürgermeister in 2 Städten, 11 Märkten und 17 Gemeinden Landkreis Neuburg-Schrobenhausen: 18 Bürgermeister in 2 Städten, 2 Märkten und 14 Gemeinden Landkreis Pfaffenhofen: 19 Bürgermeister in 2 Städten, 5 Märkten und 12 Gemeinden Stadt Ingolstadt: 1 Bürgermeister
Insgesamt wurden damit 68 Bürgermeister der Region Ingolstadt in die Befragung mit einbezogen. Die Befragung wurde anhand eines standardisierten Fragebogens schriftlich per Post durchgeführt und mittels SPSS ausgewertet.
2.3 Auswertung der empirischen Erhebung Der Rücklauf lag mit 52 Antworten bei 76%. Besonders viele Teilnehmer stammten aus dem Landkreis Eichstätt (22), der allerdings auch zahlenmäßig die meisten Gemeinden, Städte und Märkte ausweist. Interessant ist festzustellen, dass fast drei Viertel der teilnehmenden kommunalen Entscheidungsträger hauptamtliche Mandate besetzen, obwohl aufgrund des hohen Rücklaufs davon ausgegangen werden kann, dass auch viele kleine oder in Verwaltungsgemeinschaften zusammengefasste Kommunen vertreten sind. Da einige Monate vor der Befragung Kommunalwahlen stattgefunden hatten, wurde die Anzahl der Legislaturperioden gesondert ausgewertet. Fest zu halten ist hierbei, dass nur ein Viertel der Teilnehmer sich in der ersten Legislaturperiode befindet. Der überwiegende Anteil der Antworten stammt also von erfahrenen Bürgermeistern mit zwei oder mehr Amtszeiten. Dasselbe gilt für ihre berufliche Qualifi-
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kation. Die meisten Teilnehmer (zwei Drittel) verfügen über Berufserfahrung außerhalb des öffentlichen Dienstes. Zentraler Anker der empirischen Erhebung ist die Abgrenzung der drei oben dargestellten Funktionen, also dem Leadership, Entrepreneurship und dem Management. Alle drei können durch bestimmte Fähigkeiten bzw. persönliche Qualitäten von kommunalen Entscheidern charakterisiert werden. Geht es bei Management vor allem um fachliche Kompetenz, Organisationsfähigkeit und Erfahrung, so wird Entrepreneurship verbunden mit den Begriffen Problemlösungsfähigkeit, Flexibilität, Kreativität und Durchhaltevermögen. Leadership wiederum kann operationalisiert werden über die Items Überzeugungskraft, gute Selbsteinschätzung, Mitarbeiter -und Werteorientierung (siehe Abb.2). Welche der im Folgenden genannten Eigenschaften treffen auf Sie zu? 1. Erfahrung 2. Fachliche Kompetenz 3. Kaufmännische Fähigkeiten
Management
4. Organisationstalent 5. Kommunikationsfähigkeit 6. Problemlösungsfähigkeit 7. Flexibilität
Entrepreneurship
8. Kreativität 9. Geduld und Durchhaltevermögen 10. Überzeugungskraft 11. Risikobereitschaft 12. Gute Selbsteinschätzung 13. Mitarbeiterorientierung 14. Werteorientierung Abbildung 2: Abgrenzung der drei Konzepte Quelle: adaptiert nach Pechlaner/Hammann 2007, S.105
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Auf Basis dieser Drei-Teilung konnten typische kommunale Fragestellungen in Bezug gesetzt werden zu typischem Verhalten von Managern, Leadern oder Unternehmern. Untersucht wurden die gemeindlichen Aktivitäten zur Verbesserung der Standortattraktivität, die Beteiligung an übergemeindlichen Initiativen, die Zusammenarbeit in der kommunalen Familie, sowie die Rolle der Bürgermeister als Moderator kommunaler und regionaler Entwicklung. Die wesentlichen Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt:
1. Standortattraktivität Im Untersuchungsbereich „Standortattraktivität“ wurde eruiert, welche Standortfaktoren Bürgermeister auf der einen Seite als wichtig einstufen und auf der anderen Seite für selbst beeinflussbar halten. Von unternehmerisch denkenden Akteuren wäre dabei anzunehmen gewesen, dass sie sich selbst einen höheren Einfluss auf die Standortfaktoren zurechnen als Leader und Manager. Im Widerspruch dazu zeigte die Befragung jedoch, dass im Wesentlichen Managertypen ihren Einfluss auf Standortfaktoren als hoch einschätzen. Ein Umstand, der eventuell dadurch erklärt werden kann, dass die befragte Gruppe überwiegend über eine lange Berufserfahrung im Amt verfügt und daher Qualitäten wie Erfahrung und fachliche Kompetenz (Management-Fähigkeiten) überproportional oft genannt wurden. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass die Wichtigkeit einzelner Standortfaktoren von den einzelnen Bürgermeister-Typen unterschiedlich beurteilt wird: Halten Manager vor allem Basisfaktoren eines Standortes wie die Verkehrsanbindung oder die Wohnqualität für wichtig, so beurteilen Unternehmer eher zukunftsorientierte Themen wie die Bevölkerungsentwicklung als ausschlaggebend. Leaderpersönlichkeiten tendieren dagegen dazu, sich auf ihre Pflichtaufgaben zu konzentrieren. Freiwillige Leistungen wie z. B. Sport- oder Kulturangebote versuchen sie, über die Aktivierung passender Netzwerkressourcen zu verwirklichen. In diesem Punkt stimmen die Befragungsergebnisse mit den theoretischen Annahmen überein. Lea-
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der waren dort gekennzeichnet von einer h0ohen Sozialkompetenz, die sie befähigt externe Ressourcen für eigene Ziele zu motivieren. Einschränkend ist jedoch festzuhalten: Insgesamt zeigen nur 5 von 15 abgefragten Standortfaktoren verwertbare Bezüge zu Management-, Leadership- oder Entrepreneurfähigkeiten. Diese sind die Verkehrsanbindung, die Bevölkerungsveränderung, Wohnqualität und das Kultur- und Sportangebot.
2. Übergemeindliche Aktivitäten Das Ziel dieser Frage bestand darin zu klären, inwieweit die Netzwerkkompetenz bei den Bürgermeistern der Region Ingolstadt ausgeprägt ist. Analog zur Kategorisierung der Unternehmer- Manager- und Leaderfähigkeiten war anzunehmen, dass vor allem Unternehmer- Persönlichkeiten sich an überregionalen netzwerkorientierten Aktivitäten beteiligen. Diese Erwartung wurde grundsätzlich bestätigt, denn es konnten erhebliche Unterschiede zwischen Entrepreneuren und Nicht-Entrepreneuren, also solchen Bürgermeistern, die im Wesentlichen Unternehmereigenschaften aufweisen, und jenen, die hauptsächlich Manager- oder Leaderqualitäten für sich als zutreffend gewählt hatten, festgestellt werden. Für Erstere scheint die Mitarbeit an (über-)regionalen Initiativen und Einrichtungen eine Selbstverständlichkeit zu sein. Gerade wenn es sich um fest institutionalisierte Gremien zur Vertretung der eigenen Interessen wie den Gemeinde- und Städtetag handelt, bringen sie sich stark ein. Dies gilt stärker je überregionaler eine Einrichtung aufgestellt ist. Im Umkehrschluss gilt: Je regionaler oder lokaler eine Initiative wirkt, desto geringer fällt das Interesse zur Mitarbeiter aus. Dies könnte erklären, warum Unternehmertypen trotz ihrer Vernetzungsneigung und dem hohem Institutionalisierungsgrad des regionalen Planungsverbandes diesem nur ein mittelmäßiges Engagement entgegenbringen. Dies ist umso erstaunlicher, als dass der Planungsverband für die Gemeinden grundsätzliche Koordinierungsfunktion mit Auswirkungen auf die Regionalplanung übernimmt. Ebenso bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang,
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dass sich Unternehmer-Bürgermeister im regionalen Kontext eher noch in Expertenteams der Landkreise oder übergemeindliche Unternehmungen einbringen. Bringen sich Bürgermeister (über-)regional ein, so konnte nachgewiesen werden, dass die stärksten Korrelationen mit den Unternehmereigenschaften „Problemlösungskompetenz“ und „Kreativität“ bestehen – Fähigkeiten, die sie in die Lage versetzen, die in Netzwerken wichtigen Win-Win-Konstellationen herbeizuführen. Nicht-Entrepreneure weisen ein starkes Engagement demgegenüber nur beim Gemeinde- und Städtetag auf. Alle weiteren (über-) regionalen Aktivitäten, die von Unternehmertypen noch unterstützt werden, sind von ihnen im Durchschnitt mit „schwacher Beteiligung“ bewertet worden, spielen also für die gemeindliche Aufgabenwahrnehmung der Bürgermeister keine Rolle. Am schlechtesten überhaupt bei Entrepreneuren und NichtEntrepreneuren gleichermaßen schnitten übergemeindliche Bürgerinitiativen ab: Hier beteiligt sich fast niemand – sie besitzen für Bürgermeister keine Relevanz. Einschränkend ist festzuhalten: Es konnten verwertbare Korrelationen nur für fünf von acht möglichen überregionalen Aktivitäten festgestellt werden.
3. Betroffene Kooperationsbereiche Interessant ist neben der Frage, ob Kommunen zusammenarbeiten, vor allem auch, welche Aufgabenbereiche von der Kooperation betroffen sind und welche Motive hinter der Zusammenarbeit stecken. Zur Beantwortung dieser Fragestellungen wurden konzeptionell zwei Aufgabentypen in den Kommunen unterschieden. Zum einen die Pflichtaufgaben der Gemeinen, Städte und Märkte als unterste staatliche Ebene; dazu zählen beispielsweise das Pass- und Meldewesen, Standesämter oder die Sicherung des gemeindlichen Straßennetzes. Darüber hinaus gibt es sogenannte freiwillige Aufgaben, die der Gemeinde nicht per Gemeindeordnung vorgeschrieben sind, die der Bürgermeister mit Zustimmung des Gemeinderates jedoch aufgrund unternehmerischer oder wettbewerblicher Gesichtspunkte ausführen lassen kann. Diese Tätigkeiten
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können beispielsweise im Bereich der Tourismus- oder Wirtschaftsförderung angesiedelt sein. Es liegt auf der Hand, dass Pflichtaufgaben anderen Rationalitäten folgen als freiwillige Aufgaben. Sprich, staatliche Pflichtaufgaben müssen erbracht werden – hier geht es hauptsächlich um die Optimierung des Input-Output-Verhältnisses. Freiwillige Aufgaben hingegen folgen unternehmerischen Zielsetzungen wie z. B. Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Kommune, Umsetzung von Innovationen, aber auch persönlichen Neigungen des Bürgermeisters. Es war also anzunehmen, dass bei Pflichtaufgaben Kosten-, Qualitäts- und Effizienzgründe im Vordergrund stehen, während bei freiwilligen Aufgaben Marketing- oder Innovationsgründe bedeutend sind. In der Tat kommt die Auswertung der Ergebnisse diesen Erwartungen nach. Sind Pflichtaufgaben (vor allem genannt waren die gemeindliche Wasser- und Abwasserversorgung sowie der Unterhalt kommunaler Schulen) von der Kooperation betroffen, so sind Kosten- und Qualitätsgründe für die Zusammenarbeit maßgeblich. Den absolut höchsten Anteil der Nennungen vereint jedoch das Motiv „Wissensgenerierung“ auf sich – was damit zu erklären sein könnte, dass alle genannten Aufgaben (Pflicht wie freiwillig) in der Kooperation zu Wissensaustausch führen. Besonders selten wiederum wurde als Grund für Kooperationen das Marketing genannt (36 aus 52 Antworten fehlen). Ein Erklärungsansatz könnte darin bestehen, dass vor allem kleinere Gemeinden keine eigenen Marketinganstrengungen unternehmen bzw. Marketingeffekte aus Tätigkeiten der Wirtschafts- oder Tourismusförderung nicht als solche erkennen. Die genannten Pflichtaufgaben werden meist mit Managementfähigkeiten, vor allem die fachliche Kompetenz und die Erfahrung, in Bezug gesetzt. Betrachtet man dann diese Fähigkeiten in Zusammenschau mit der Altersstruktur der Rückläufe, so ist festzustellen, dass mit zunehmendem Alter Managementqualitäten in den Vordergrund treten. Der Rückschluss ließe sich somit wie folgt formulieren: Bürgermeister die bereits mehrere Amtsperioden bestritten haben, sind
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mehr Managertypen und entfalten damit ihre besondere Leistung bei der Bewältigung von Pflichtaufgaben.
4. Regionales Intrapreneurship In großer Nähe zum Thema „regionale Vernetzung“ von Gemeinden durch die unternehmerische Orientierung ihrer Bürgermeister steht das Thema des regionalen Mitunternehmertums. Grundsätzlich geht es bei Mitunternehmertum um Mitdenken, Mitentscheiden, Mithandeln und Mitverantworten. Das Herstellen von Win-Win-Situationen steht im Mittelpunkt. Über die Beteiligung an und Initiierung von Maßnahmen zur Entwicklung der eigenen Kommune, die in Einklang zu entsprechenden Ansätzen in der Region stehen, sollen positive Wirkungen auf beide kommunale Einheiten erzielt werden. Interessant, wenngleich nach obenstehenden Auswertungen zu erwarten, ist das Ergebnis, dass es hauptsächlich die Unternehmertypen unter den Bürgermeistern sind, die die Chancen eines regionalen Intrapreneur-ships nutzen. Sie sind es, die auf der einen Seite die Stärken und Schwächen der Region kennen und auf der anderen Seite dieses Wissen in konkretes Handeln übersetzen, indem sie einzuleitende Maßnahmen bewusst auf Zielsetzungen der Region abstimmen. Dass heißt, ihnen ist es im Vergleich zu den beiden anderen Bürgermeistertypen (den Managern und den Leadern) stärker möglich, die Chance im gemeinsamen Handeln zu erkennen und mit etwaigen Eigeninteressen zu verbinden. Für sie ist die Region ein Vehikel zur Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, in einem partnerschaftlichen Netzwerk mit Regionsvertretern sehen sie eine zusätzliche Ressource, die es auszubauen, aber auch zu nutzen gilt. Für in dieser Weise unternehmerisch denkende Bürgermeister ist der im Mai 2008 ins Leben gerufene Verein „Initiative Regionalmanagement Region Ingolstadt e.V.“ ein weiterer Partner in diesem regionalen Akteursnetzwerk. Dass heißt, er verstärkt die regionale Entwicklungstätigkeit, was wiederum den Kommunen Triebkraft zur Veränderung geben kann. Unternehmertypen sind daher bereit, den Verein als
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strategischen regionalen Partner zu unterstützen, und glauben im Umkehrschluss auch an dessen Kraft, die Entwicklung der Region erfolgreich vorantreiben zu können.
5. Bedeutung von Maßnahmen des New Public Management Ging es bisher schwerpunktmäßig um die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und jener mit der Region, so schwenkt der Fokus nun auf die internen Verwaltungsaufgaben einer jeden Kommune. Dort treten immer intensiver Bemühungen um Kostenreduzierung, Kunden- und Leistungsorientierung in den Vordergrund. Festzuhalten bleibt, dass die Einführung des New Public Management für alle Bürgermeistertypen ein Thema ist. Allerdings legen sie – je nachdem welche Fähigkeiten sie vor allem in sich vereinen – unterschiedliche Schwerpunkte an den Tag. Bürgermeister mit Managementqualitäten nennen die Umsetzung eines IT-gestützten Wissensmanagements in der kommunalen Verwaltung, die Kundenorientierung und das Führen mit Zielen als wesentliche Schwerpunkte ihrer Implementierung des NPM. Dies erstaunt nicht, ruft man sich in Erinnerung, dass Managertypen vor allem durch Organisationstalent, fachliche Kompetenz, kaufmännische Erfahrung, kaufmännische Fähigkeiten und Kommunikationsfähigkeit charakterisiert wurden. Vor allem Letztere und ihr Fachwissen lassen daher auch besonders hohe Korrelationen zu den genannten Tätigkeitsbereichen des NPM erkennen. Anders ist dies bei Bürgermeistern mit hauptsächlich unternehmerischen Fähigkeiten. Entrepreneure widmen sich vor allem den Themen leistungsorientierte Entlohnung und Neuorganisation der Verwaltung entlang von Aufgaben. Hier tritt wiederum das Moment der Chance und des Schaffens von neuen Möglichkeiten in den Vordergrund. Während der Manager am Gegebenen justiert und im Rahmen dessen maximale Ergebnisse zu erzielen versucht, ist der unternehmerische Bürgermeister eher jener, der spürbare Veränderungen in Kauf nimmt – also umorganisiert oder die Leistung seiner Mitarbeit ins Zentrum von Entlohnungs-
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systemen stellt. Beide risikoreiche, weil weitreichende Veränderungen einer Kommunalverwaltung. Aber der Unternehmertyp geht dieses Risiko ein, und lässt dabei vor allem seine Kreativität und Flexibilität spielen. Beides diejenigen Unternehmereigenschaften, die hauptsächlich mit den genannten Tätigkeitsschwerpunkten der Entrepreneure im NPM positiv korrelierten.
6. Verwaltungschef versus Moderator kommunaler Entwicklung Besonders interessant erwies sich die Fragestellung, ob Bürgermeister je nachdem in welcher Funktion – als Verwaltungschef oder Gemeindeentwickler – sie tätig sind, unterschiedliche Verhaltensweisen zutage legen. Die häufig sehr von einander abweichenden Fragestellungen in beiden Bereichen ließen grundsätzlich schon davon ausgehen, dass Bürgermeister angepasste Strategien verfolgen. Entlang konkreter Fragestellungen wie z.B. „Praktizierte Vorgehensweisen werden stetig überprüft und abgeschafft, wenn sie keinen Beitrag zur Zielerreichung leisten“ oder „Wir richten unsere Arbeit nach einem festgesetzten Leitbild“ wurde in der Befragung untersucht, ob Bürgermeister den Aussagen als Verwaltungschef oder als Moderator kommunaler Entwicklung anders zustimmen (5-teilige Skala von „Stimme voll zu“ bis „Stimme überhaupt nicht zu“). Das Ergebnis ist auf den ersten Blick erstaunlich, denn kommunale Entscheidungsträger machen keine Unterschiede, ob sie Ziele in ihrer Verwaltung oder in der Kommune selbst erreichen möchten. Sie gehen immer gleich vor bzw. stimmen überwiegend den Aussagen in gleicher Weise zu. Auf den zweiten Blick ist dies sicherlich durch die Konsistenz bzw. Authentizität der Persönlichkeiten zu erklären. Viele kommunale Entscheidungen entbehren empirisch abgesicherter Vorgehensweisen. Vieles wird per Mehrheitsentscheid bzw. aufgrund des gesunden Menschenverstandes vorangetrieben. Und genau hier dürfte das Problem zu verorten sein: Durch die Fähigkeit Information zu verarbeiten und zu bewerten, wird eine rationale Entscheidungsfindung möglich. Bei der hohen Komplexität und Vielzahl der Information, die der kommunale
Die Bedeutung von Entrepreneur0Leadership
325
Entscheidungsträger in seinen zwei Rollen zu bewältigen hat, kann vieles nur intuitiv entschieden werden. Diese Intuition bleibt dabei konsistent, je nachdem ob als Verwaltungschef oder Gemeindeentwickler entschieden wird. Die Wirkung dieser Tatsache ist allerdings nicht zu unterschätzen. Einwohner wählen den Bürgermeister hauptsächlich wegen seiner Versprechen bzgl. der Gemeindeentwicklung. Hat er hier Erfolg, so muss er im Rückschluss kein guter Verwaltungschef sein. Es könnte zu der Situation kommen, dass der Geschäftsstellenleiter der Verwaltung diese Rolle übernehmen muss. Auf der anderen Seite können Bürgermeister, die in kommunalen Moderatorenrollen nicht überzeugen, sehr wohl gute Verwaltungschefs sein. Fest steht jedoch: Den Bürgermeistern der Region gelingt es nicht, zwischen dem internen Management einer Behörde und der externen Netzwerktätigkeit flexibel zu wechseln. Eventuell liegt auch hier ein Grund dafür, warum ihnen die regionale Zusammenarbeit schwer von der Hand zu gehen scheint.
3 Zusammenfassung und Ausblick Kommunale Entscheidungsträger stehen aufgrund eines intensiven Wandels im Hinblick auf unternehmerische, politische und gesellschaftliche Gegebenheiten vor großen Herausforderungen. Sie sind aufgerufen als politische Leader, soziale Unternehmer und Manager von Gemeinwesen Beiträge zur Wettbewerbsfähigkeit ihrer Kommune zu leisten. Eine Rahmenbedingung für ihre Aktivität ist dabei immer das sich verändernde Staatsverständnis, in dem Verwaltung, Gesellschaft und Wirtschaft näher zusammenrücken, um immer öfter staatliche Aufgaben gemeinsam zu bewältigen. Welche Rolle unternehmerisches Denken, Leadership und Management in den Kommunen der Region Ingolstadt spielt und welche Auswirkungen dies auf die Entwicklung dieser Region haben könnte, wurde in einer empirischen Erhebung untersucht.
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Zurückkommend auf die zugrundeliegenden Annahmen ist festzuhalten, dass je unternehmerischer die eigene kommunale Aufgabe wahrgenommen wird, desto stärker die Position der Kommune im regionalen Netzwerk ist (Annahme 1). Dies konnte darauf begründet werden, dass die Entrepreneurfähigkeiten entscheidend sind für die übergemeindliche Beteiligung von Bürgermeistern. Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass unternehmerisch denkende Bürgermeister stärker die Chancen der Region kennen und diese auch über ein auf die Region abgestimmtes Handeln für ihre Kommune nutzen. In Annahme 2 war postuliert worden, dass kommunale Entscheidungsträger, die managementorientiert denken, die Herausforderungen in der eigenen Gemeinde und der Region hingegen nicht als Chance erkennen. Auch dies konnte bewiesen werden, indem Managementfähigkeiten hauptsächlich in Bezug zu Pflichtaufgaben von Kommunen gestellt werden konnten und überdies Managertypen unter den Bürgermeistern Basisanforderungen an Standorte besonders wichtig einstuften. Sie sagen von sich selbst, dass sie die Stärken und Schwächen der Region gut kennen, sind aber auf der anderen Seite nicht in der Lage oder nicht willens, diese Erkenntnis in entsprechendes regionales Handeln zu übersetzen – d. h. sie lassen regionale Chancen ungenutzt. Die dritte Annahme, nach der Leadership-Fähigkeiten entscheidend sind für die Akquise von sozialem Kapital für kommunale Aufgaben konnte nicht bewiesen werden, da Leadership in der Orientierung der Bürgermeister der Region Ingolstadt insgesamt keine Rolle spielt. Im Vergleich zu Leadership-Fähigkeiten zwar öfter genannt, aber immer noch unterbewertet, sind die eigenen Unternehmerqualitäten. Management-Fähigkeiten kennzeichnen die Bürgermeister nach dieser Befragung am deutlichsten. Demnach handeln die meisten eher vorsichtig im Rahmen bestehender Normen (Pflichtaufgaben) und suchen nicht die unternehmerische Chance. Aber das was sie tun, wird mit Sorgfalt und einer bestimmten Professionalität (Erfolgsmessung, Qualitätskontrolle) ausgeführt.
Die Bedeutung von Entrepreneur0Leadership 27 Der größte Diskussionsansatz besteht in der Betrachtung der beiden Rollen Verwaltungschef und Moderator kommunaler Entwicklung: Bürgermeister, die eher Management-Fähigkeiten besitzen und nicht flexibel zwischen Verwaltungsaufgaben und Netzwerkfunktion wechseln können, werden kaum in der Lage sein, wie oben dargestellt als „change agents“ neue Ideen zur Befriedigung bestehender sozialer Bedürfnisse zu entwickeln und vorwärts zu treiben. Ebenso verpassen sie durch mangelnde Netzwerkkompetenz die Chance, z. B. vom Nutzen gemeinsamer Aktionen in der Region zu profitieren. Ihnen gelingt es auch nicht, sich authentisch für wichtige soziale und gesellschaftliche Werte in der Kommune einzusetzen und eine Langzeit-Partnerschaft mit für die Umsetzung wichtigen externen Ressourcen (Sponsoren, Ehrenamt) einzugehen. Die Region Ingolstadt könnte daher durch die Sensibilisierung der kommunalen Entscheidungsträger für unternehmerisches Denken und Leadership ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Zur Verdichtung dieser Forschungsergebnisse ist jedoch eine sukzessive Erweiterung des Forschungsrahmens notwendig. Sinnvoll erscheint die Befragung einer ähnlichen Zielgruppe in den Nachbarländern Schweiz und Österreich bzw. in unterschiedlichen deutschen Bundesländern, um eine eventuelle Besonderheit der Region Ingolstadt herausarbeiten zu können.
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Leadership in Polyzentrischen Netzwerken Die Bedeutung von Shared Leadership in einem Bankennetzwerk
Julia Müller, Lukas Siller, Julia Hautz
1
Einleitung......................................................................................... 332
2
Die Netzwerktheorie ........................................................................ 334
2.1
Netzwerktypologien......................................................................... 334
2.2
Chancen und Risiken von Kooperationen........................................ 338
2.3
Herausforderungen an Leadership in Netzwerken ........................... 339
3
Shared Leadership............................................................................ 340
3.1
Voraussetzungen für Shared Leadership.......................................... 343
3.2
Individuelle Eigenschaften und Aufgaben ....................................... 344
3.3
Aufgaben der Netzwerkzentrale....................................................... 345
4
Empirische Studie: Leadership in einem Bankennetzwerk.............. 346
4.1
Das Bankennetzwerk ....................................................................... 346
4.2
Forschungsdesign............................................................................. 348
4.3
Ergebnisse auf Individual- und Netzwerkebene .............................. 350
5
Diskussion der Ergebnisse und Implikationen ................................. 361
Literaturverzeichnis.....................................................................................364
332
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1 Einleitung In Märkten, die durch die Folgen eines Hyperwettbewerbs über neue Gesetzmäßigkeiten verfügen (D'Aveni, 1994), können sich nur jene Unternehmen erfolgreich durchsetzen, die sich den neuen Herausforderungen anpassen. Traditionelle Organisationsformen mit starren hierarchischen Strukturen können diesen Anforderungen nicht gerecht werden (Hinterhuber, 2004). Unternehmen schließen sich daher zu Netzwerken zusammen (vgl. relational view; Dyer/Singh, 1998; Duschek, 2004; Stahl, 2005). Doch aufgrund dieser flexiblen Unternehmensstrukturen von Netzwerkorganisationen in dynamischen, komplexen Unternehmensumfeldern ergeben sich auch neue Herausforderungen für die Rolle ihrer Führungskräfte (Pearce, 2004; Bligh et al., 2006). Traditionelle, vertikale Führungskonzepte können die immer komplexeren Aufgabenstellungen nicht mehr bewältigen (Bligh et al., 2006). Deshalb werden neue Leadership-Theorien und -Ansätze wie Shared Leadership entwickelt. Die Führungsbefugnis wird verteilt, um alle Mitglieder an dem kontinuierlichen interaktiven Führungsprozess zu beteiligen (Pearce, 2004). Die Aufgaben der Führungsebene dienen der Ergänzung und Unterstützung, z. B. Entwicklung von Vision, Zielen und Werten (Hinterhuber, 2007; Müller et al., 2007). Ziel ist somit die Leadership Company, in der von jedem Mitarbeiter Führungsaufgaben und -verantwortung übernommen werden (Hinterhuber / Stadler, 2006). Die Voraussetzungen für eine verteilte Führungsverantwortung sind, dass Unternehmen in der Lage sein müssen, die Interessen der Partner mit den zweckmäßigsten Lösungen für sich zu verbinden. Auch hohes Ansehen, ein guter Ruf und ein größerer Marktanteil sowie größere Marktmacht sind ent-
Leadership in Polyzentrischen Netzwerken
333
scheidend (Hinterhuber/Renzl, 2005). Während bei Netzwerken nach Außen gemeinhin die Rechte und Pflichten in Verträgen festgeschrieben werden, sind es bei einer Vernetzung nach Innen vielmehr Werte im Sinne eines Corporate Governance-Kodex, die es zu befolgen gilt (Feldmayer, 2005). Vertrauen stellt gleichermaßen den Ausgangspunkt für die Investitionsbereitschaft in Netzwerke und für deren Flexibilität (Spintig, 2003) sowie für die Generierung so genannter „relationaler Renten“ dar (Duschek, 2003). Aus diesem Grund ist es für die Leadership in Netzwerken wichtig, ein Gefühl der Sicherheit und Zuversicht aufzubauen und zu pflegen (Hinterhuber/Renzl, 2005; Oesterle, 2005). Da bisher Studien fehlen, die zeigen, wie geteilte Führungsverantwortung in einem Netzwerk – insbesondere im Falle von Intranetzwerken – aussehen kann, ist das Ziel dieses Beitrages, diese Forschungslücke zu schließen. Dazu wurde eine qualitative Studie mit Hilfe von 14 Experteninterviews in einem geografisch beschränkten, heterarchischen und polyzentrischen Bankennetzwerk durchgeführt. In der Auswertung mit QSR NVivo, einem SoftwareTool zur Strukturierung und Auswertung von qualitativen Daten (Richards, 1999; Richards, 2005), kann gezeigt werden, dass Elemente des Shared Leadership-Konzeptes für diese Art von Netzwerken relevant sind. In den Ergebnissen werden auf individueller Ebene veranschaulicht, was diese neue Art von Führungskraft ausmacht und welche Aufgaben wahrgenommen werden müssen. Auf der Netzwerkebene können wir die Ausprägungen, Vorund Nachteile von Shared Leadership am Beispiel dieses Bankennetzwerkes zeigen, sowie die Aufteilung der Aufgaben der Führungsverantwortung in den einzelnen Banken und der Zentrale. Implikationen für die LeadershipTheorie und -Praxis werden abschließend diskutiert.
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2 Die Netzwerktheorie Der Netzwerkgedanke wird allgemein als eine Weiterentwicklung der ressourcenorientierten Sichtweise verstanden (vgl. z. B. Penrose, 1980; Wernerfelt, 1984; Barney, 1991; Hall, 1992); in der Managementlehre gewinnt die Netzwerktheorie zunehmend an Bedeutung, da Unternehmen gezwungen sind, sich in der Folge eines Hyperwettbewerbs neu zu strukturieren und sich in Netzwerken zu organisieren (Hinterhuber, 2004; Sydow, 2006). Im Kontext von Netzwerken verlieren theoretische Konzepte, die bis dato für klassische Organisationsstrukturen angewandt werden konnten, oftmals ihre Gültigkeit. Da unterschiedliche Netzwerktypen auch unterschiedliche Implikationen nach sich ziehen, ist es notwendig, in einem ersten Schritt den Begriff „Netzwerk“ einzugrenzen sowie die Merkmale unterschiedlicher Netzwerktypen zu identifizieren.
2.1 Netzwerktypologien Unternehmensnetzwerke können als eine „koordinierte Zusammenarbeit zwischen mehreren rechtlich selbständigen und formal unabhängigen Unternehmen“ beschrieben werden (Siebert, 2006, 9). Obwohl es nahezu unendlich viele Möglichkeiten gibt, Netzwerke zu typologisieren (Sydow, 2006), liegt ein erster Schritt für eine Kategorisierung in der Unterscheidung mittels Kooperationsmerkmalen und deren Ausprägungen: Diverse Formen von Zusammenarbeit ergeben sich anhand der Richtung (horizontal, vertikal, diagonal), Ausdehnung (lokal, regional, national, global), Bindungsintensität (gering, moderat, hoch), Verbindlichkeit (Absprache, Vertrag, Kapitalbeteiligung), Zeitdauer (temporär, unbegrenzt), Zielidentität (redistributiv, reziprok) und gemäß der kooperierenden Abteilungen (Forschung und Entwicklung, Vertrieb, Einkauf, Marketing, Produktion) (Killich, 2007).
Leadership in Polyzentrischen Netzwerken
335
Eine weitere mögliche Einteilung folgt einer konzeptionellen, theoriegeleiteten Typenbildung, die aus einer Analyse von mehr als 100 Kooperationstypen aus der Netzwerkforschung der Betriebswirtschaftslehre, der Soziologie sowie der Politik- und Regionalwissenschaften hervorgeht und drei Basiskategorien unterscheidet (Duschek/Rometsch, 2005):
Kategorie A schließt all jene Netzwerktypen ein, die sich mit dem Prozess in Netzwerken befassen („wie“). Dabei stehen Fragen zur Entstehung, Steuerung und der Koordination von Kooperationen im Mittelpunkt (z. B. hierarchische vs. heterarchische Netzwerke, in denen die Koordination zentralisiert oder polyzentrisch erfolgt). Kategorie B setzt sich aus Kooperationsformen zusammen, die sich mit dem Inhalt von Netzwerken auseinandersetzen („was“). Struktur, Position, Qualität der Beziehung und die Art der Mitgliedschaft bilden die Kriterien für eine Abgrenzung (bspw. stabile vs. dynamische Netzwerke, die dauerhafte Beziehungen mit Partnern oder zeitlich begrenzte Allianzen beschreiben). Kategorie C umfasst jene Netzwerke, die die Funktion zum Gegenstand haben („wozu“). Die Wirkungsweise wird hierbei zum Typologisierungskriterium (z. B. explorative vs. exploitative Netzwerke, die entweder für die Generierung neuer Kompetenzen oder zum Zweck der Verbesserung und Verfeinerung von bestehenden Fähigkeiten, Produkten, Technologien bzw. Prozessen entstehen). Differenzierungsmöglichkeiten sind weiters in der Ausrichtung des Netzwerkes gegeben, weshalb man zwischen interorganisationalen und intraorganisationalen Netzwerken unterscheidet (Stauss/Bruhn, 2003). Beide Typen können in hierarchische und polyzentrische Netzwerke eingeteilt werden. Während erstere von Unternehmen geführt werden, die gegenüber den Partnern in Bezug auf Größe, Zugang zu Märkten oder aufgrund einer überlegenen Res-
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sourcenausstattung dominieren, sind polyzentrische Netzwerke Kooperationen von gleichbedeutenden Partnern, die für meist begrenzte Zeitspannen und ohne vertragliche Bindungen festgesetzt sind. Zudem erfolgt bei interorganisationalen Netzwerken eine Unterteilung in anbieterinitiierte Vernetzungen, die vom Anbieter intendiert sind, und nachfragerinitiierte Vernetzungen, die vom Kunden intendiert und vorwiegend im Tourismus vorzufinden sind (Benkenstein/Zielke, 2003). Jede Form interorganisationaler Netzwerke kann ihrerseits für operative oder strategische Zwecke etabliert werden (siehe Abbildung 1 auf der nächsten Seite). Netzwerke nach innen, oder Intranetzwerke, dienen vor allem zur Nutzung von Synergien zwischen einzelnen Geschäftseinheiten oder Funktionsbereichen. Vor allem Genossenschaftsbanken wollen Potentiale durch den Zusammenschluss und die Kooperation von Filialen und benachbarten Instituten nutzen (Reiß/Bernecker, 2003). Da sich die Forschung vorwiegend mit Netzwerken nach außen beschäftigt, gibt es bislang wenig wissenschaftliche Literatur, die sich mit Intranetzwerken auseinandersetzt. Ein Versuch, Netzwerke nach innen einzuteilen, liegt in der Unterscheidung zwischen formellen und informellen Netzwerken, die entweder Ausdruck eines geplanten Handelns oder unbeabsichtigte Strukturen sind, von deren Existenz oft gar nichts bekannt ist (Oesterle, 2005). Drei Knotentypen, die in Intranetzwerken unterschiedliche Funktionen erfüllen, spielen hierbei eine übergeordnete Rolle: Während Network Center die Zusammenarbeit koordinieren und die Partner ins Netzwerk integrieren, unterstützen Service Center ein Funktionieren des Netzwerkes durch die Bereitstellung von Dienstleistungen. Business Center wiederum agieren an der Schnittstelle zum Kunden und sind für die eigentliche Wertschöpfung tätig (Reiß/Bernecker, 2003).
Quelle: in Anlehnung an Stauss et al. (2003)
strategisch operativ
operativ
Nachfragerinitiiert
strategisch
Abbildung 1: Netzwerktypen
Anbieterinitiiert
Polyzentrisch
Interorganisational
operativ
strategisch
Anbieterinitiiert
Hierarchisch
Nachfragerinitiiert
operativ
Hierarchisch
Intraorganisational
Polyzentrisch
strategisch
Netzwerktypologien
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Für das Funktionieren interner Netzwerke werden bestimmte Voraussetzungen und Rahmenbedingungen angeführt (Oesterle, 2005):
Entgrenzungswille und Entgrenzungsfähigkeit müssen vorhanden sein, da traditionelle Organisationsstrukturen aufgeweicht und Grenzen von Unternehmungen zusehends durchlässiger werden; ein Klima des Vertrauens muss von Seiten des Top-Managements aufgebaut werden, damit bspw. Innovation fruchtbaren Boden vorfindet; die zum Teil hohen Anforderungen an die Mitarbeiter in Netzwerken – z. B. selbständiges und eigenverantwortliches Denken und Handeln bzw. Belastbarkeit – müssen deren Fähigkeiten und Kompetenzen angepasst sein; die Mitarbeiter selbst sollten ebenfalls zur Vertrauenskultur beitragen und bspw. frei von Eigeninteressen handeln.
2.2 Chancen und Risiken von Kooperationen In der Netzwerkforschung wird davon ausgegangen, dass sich Kooperationen in vielerlei Hinsicht positiv auf das Betriebsergebnis auswirken. Der „netzwerkorientierten Sichtweise“ folgend sind relationale Renten, die in sog. „Burt-Renten“ oder „Coleman-Renten“ unterteilt werden, der ökonomische Nutzen aus Unternehmungskooperationen (Kogut, 2000). Während BurtRenten von instabiler Natur sind und aus einer egoistischen Ausnutzung einer Partnerschaft resultieren, entspringen Coleman-Renten aus stabilen und vertrauensvollen Interaktionen von Partnern (Duschek, 2003). Es handelt sich in beiden Fällen um supranormale Gewinne, die ausschließlich in einer unternehmensübergreifenden Kooperation generiert werden können: Diese werden durch den Austausch von materiellen und immateriellen Ressourcen bzw. durch die Investition in netzwerkspezifische Ressourcen sowie der Nutzung effektiver Steuerungsmechanismen, der Senkung von Transaktionskosten oder der Nutzung von Synergien erzielt (Dyer/Singh, 1998). Durch einen größeren Gesamtoutput von Netzwerkunternehmen kann einerseits die Marktstellung weiter ausgebaut und andererseits flexibler auf Angebots- und
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339
Nachfrageschwankungen von Seiten der Lieferanten und Abnehmer reagiert werden (Stahl, 2005) und Risiken im Verbund reduziert werden. Netzwerke können sich dann negativ auf eine Unternehmung auswirken, wenn Unternehmen in eine zu starke Abhängigkeit von den Partnern geraten. Bei sehr einseitigen Beziehungen kann dies sogar existenzbedrohende Effekte mit sich bringen, da ein loser Verbundcharakter jederzeit von Partnern gelöst werden kann (Sydow, 1999). Hinzu kommen opportunistisches Verhalten (Killich, 2007) sowie eine bewusste Externalisierung von Risiken (Abwälzen auf Dritte), um die eigene Haftung zu reduzieren (Stahl, 2005). Bei stark polyzentrischen Strukturen kann es zudem zu einer nur „partiellen Systembeherrschung“ kommen, die sich in Kompetenzverlusten äußert (Sydow, 1999).
2.3 Herausforderungen an Leadership in Netzwerken Um derartige Risiken in flacheren, flexibleren Netzwerken zu minimieren und Chancen zu nutzen, braucht es eine neue Art von Führung, da traditionelle, vertikale Führungskonzepte, die einer einzelnen Person Führungskompetenz basierend auf Hierarchie zusprechen, an ihre Grenzen stoßen. Laut Dearlove (2004) muss das weitverbreitete, traditionelle Bild der „heroischen und charismatischen Führungskräfte“ an der Spitze eines hierarchisch vertikal organisierten als überholt bzw. sogar als „absurd“ bezeichnet werden. Eine Führungsperson alleine ist weder in der Lage, die Komplexität und Ungewissheit aller Aufgaben zu erfassen, noch kann sie das oftmals sehr hohe Niveau an gesammeltem Expertenwissen mitbringen (Pearce, 2004; Pearce/Manz, 2005; Carson et al., 2007). Weiters wird es häufig für den Einzelnen unmöglich, das intra- und interorganisationale Zusammenspiel von Experten innerhalb eines Netzwerkes zu überblicken (Carson et al., 2007).
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Allerdings spielt besonders in turbulenten Zeiten, welche tiefgreifende Veränderung des Unternehmens verlangen, die Führungsebene eine essentielle Rolle (Schein, 1991). Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass der Unternehmenserfolg umso stärker vom Leadership-Verhalten des TopManagements abhängt, je schwieriger die Rahmenbedingungen und je dynamischer das Umfeld (Hinterhuber/Stadler, 2006). Es besteht somit die zunehmende Notwendigkeit für neue Leadership-Theorien, sowohl auf individueller Ebene als auch auf Unternehmensebene, welche diesen Anforderungen gerecht werden können und es erlauben, das höhere Potential und die Effizienz von Netzwerken auszunützen (Bligh et al., 2006).
3 Shared Leadership Seit Jahrhunderten besteht Interesse an Führungsstilen, -persönlichkeiten und -prinzipien und seit mehreren Jahrzehnten beschäftigt sich auch die formale Forschung mit diesen Aspekten (Hinterhuber, 2007). Dementsprechend haben sich die unterschiedlichsten Theorien zum Konzept „Leadership“ entwickelt (für einen Überblick über verschiedene Leadership-Theorien und -Definitionen siehe Lakomski, 2005; Wunderer, 2006). In diesem Artikel ist Leadership als eine Beziehung zu sehen, die stets in der Interaktion zwischen „Führenden“ und „Geführten“ entsteht. Bei deren Aufbau spielen eine Vielzahl von Führungskräften und Mitarbeitern eine wichtige und aktive Rolle (Howell/Shamir, 2005). Leadership ist somit als die persönliche Führungsleistung plus die Leistung eines Teams zu betrachten (Hinterhuber/Stadler, 2006). Leadership wird in diesem Zusammenhang über die Charakteristika der Person des Leaders erfasst und ist definiert als:
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„…die angeborene oder erworbene Fähigkeit, neue Möglichkeiten zu erschließen sowie andere Menschen anzuregen und in die Lage zu versetzen sich begeistert, initiativ und kreativ für gemeinsame Ziele und Aufgaben einzusetzen.“ (Hinterhuber/Stadler, 2006, 538)
Leadership umfasst die Fähigkeit, andere Menschen dafür zu begeistern, zusammen ein gemeinsames Ziel zu erreichen und gleichzeitig diese Menschen zu entwickeln (Hinterhuber, 2007). Im Unterschied dazu bezeichnet Mana-
gement das kreative Problemlösen und Optimieren von Bestehendem. Obwohl sich diese beiden Konzepte ergänzen, ist für ein Unternehmen in turbulenten Zeiten, in denen radikale Veränderungen durchzusetzen sind, Leadership von größerer Bedeutung (Hinterhuber, 2007). Wie in Abbildung 2 ersichtlich, setzt sich Leadership aus drei Schlüsselelementen zusammen: die Entwicklung und Kommunikation einer Vision, Vorbild sein und langfristig den Unternehmenswert steigern (Hinterhuber, 2007).
Authentizität Ethische Reflexion Visionär sein
Vorbild sein – vorleben
Den Unternehmenswert nachhaltig steigern
Die Richtung angeben, Sinn vermitteln und den Siegeswillen anspornen
Engagement und Mut zeigen, Energien freisetzen sowie Talente und Innovationen fördern
Wohlstand für alle strategischen Partner schaffen
Kunden Abbildung 2: Das Leadership-Haus Quelle: Hinterhuber/ Stadler, 2006
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Die neuen, flexiblen Unternehmensstrukturen von Netzwerkorganisationen im dynamischen, komplexen Umfeld stellen auch neue Herausforderungen an die Rolle ihrer Führungskräfte, da bisherige Konzepte nicht mehr greifen (Pearce, 2004; Bligh et al., 2006). Deshalb wird Leadership neu definiert und auf die neuen Anforderungen mit einer geteilten Führungsverantwortung (Shared Leadership) reagiert. „Shared Leadership“ wurde bis heute hauptsächlich im Zusammenhang mit Führung innerhalb von Teams untersucht und ist definiert als: „…a dynamic, interactive influence process among individuals in groups for which the objective is to lead one another to the achievement of group or organizational goals or both.” (Pearce/Conger, 2003, 1)
Bei einer Verteilung der Führungsverantwortung sind alle Mitglieder eines Teams bzw. eines Netzwerks an dem kontinuierlichen, interaktiven Führungsprozess beteiligt, um durch ihre gegenseitige Einflussnahme das Potential des Netzwerks voll ausschöpfen zu können. Führungsarbeit wird in jedem Moment von jenen Personen ausgeübt, die über das entsprechende Expertenwissen und die aktuell notwendigen Fähigkeiten verfügen, unabhängig von ihrer formalen Position (Pearce, 2004). Aktuelle Studien zeigen, dass Shared Leadership einen wichtigen Einfluss auf Effektivität einer Gruppe ausübt und gerade im Zusammenhang mit Hochleistungsteams bereits jetzt eher die Regel als eine Ausnahme bildet (Pearce/Sims, 2002; Bligh et al., 2006). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Verteilung der Führungsverantwortung generell in jedem Umfeld für jedes Netzwerk die optimale Form der Führung darstellt und eine Leitung von oben per se überflüssig macht. Gerade weil Shared Leadership einen sehr viel komplexeren und zeitintensiveren Führungsprozess als traditionelle vertikale
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Führungskonzepte erfordert (Pearce, 2004), soll im Folgenden geklärt werden: 1. 2.
welche Voraussetzungen für eine geteilte Führungsverantwortung nötig sind, welche individuellen Eigenschaften von Bedeutung sind und welche Aufgaben der vertikalen Führung bzw. der Zentrale zukommen.
3.1 Voraussetzungen für Shared Leadership Nicht in jeder Situation sind die Voraussetzungen für geteilte Führungsverantwortung gegeben. Eine solche Teilung ist vor allem im Zusammenhang mit immer komplexeren Aufgabenstellungen sinnvoll, die von einer einzelnen Person nicht mehr erfasst werden können und deren Bewältigung das unterschiedliche Expertenwissen mehrerer Netzwerkmitglieder erfordern. In diesem Fall sehen sich Führungspersonen mit großen Mengen an sich schnell weiterentwickelndem, dynamischem Wissen und unsicheren Informationen konfrontiert. Diese können nur durch eine Aufteilung der Entscheidungs- und Führungsverantwortung innerhalb des Netzwerkes entsprechend bewältigt werden (Pearce/Manz, 2005). Auch der immer höhere Grad an Vernetzung von Aufgabenstellungen gerade innerhalb von Netzwerken übersteigt die Fähigkeit eines einzelnen Individuums, den Überblick zu behalten. Die aktive Einbeziehung aller Netzwerkmitglieder in den Entscheidungs- und Führungsprozess ermöglicht hingegen, der hohen Integration und Interdependenz von Aufgaben gerecht zu werden und somit die Leistungsfähigkeit eines Netzwerks zu steigern (Pearce, 2004). Neben der Komplexität und Vernetzung von Aufgaben ist auch das Ausmaß der Kreativität, welche für eine erfolgreiche Aufgabenbewältigung erforderlich ist, ausschlaggebend für eine Verteilung der Führungsverantwortung. Da kreative Problemlösungen nach Einbeziehung unterschiedlichster Personen
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und vielfältigem Input verlangen, bewährt sich gerade in diesen Situationen eine Beteiligung aller Mitglieder. Während es innerhalb vertikaler Führungsstrukturen häufig dem formalen Leader „überlassen wird“, zu denken, werden Netzwerkmitglieder, die selbst Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse und Problemlösungen nehmen können, zur Kreativität und Innovation angeregt (Pearce/Manz, 2005). Wenn diese Anforderungen gegeben sind und sich Unternehmen oder Netzwerke entscheiden, die Führungsverantwortung zu teilen, müssen entsprechende Personalentwicklungs- und Anreizsysteme eingeführt werden. Sowohl Top-down-Management als auch Mitarbeiter sollten durch entsprechende Trainings auf ihre Rolle bei der Mitwirkung von verteilter Führungsverantwortung vorbereitet werden. Zusätzlich kann durch Einführung angemessener Anreizsysteme dieses Führungssystem angepriesen und gefördert werden. Der Wert dieser Verteilung von Führungsverantwortung sollte über die Unternehmenskultur an alle Team- bzw. Netzwerkmitglieder kommuniziert werden (Pearce, 2004). Ziel für eine Organisation sollte daher die sogenannte Leadership Company sein. Hier wird die Entwicklung eines Netzwerks von Führenden auf allen Ebenen gefördert. Das unternehmerische Handeln und Denken von allen Mitarbeitern wird geschult, damit von jedem in allen Bereichen Führungsaufgaben- und Verantwortung übernommen werden (Hinterhuber/Stadler, 2006) und somit eine Verteilung der Führungsverantwortung stattfinden kann.
3.2 Individuelle Eigenschaften und Aufgaben Jeder einzelne ist verantwortlich, Führungsaufgaben zu übernehmen. Als Unterstützung und optimale Voraussetzungen für die Entwicklung von Shared
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Leadership wurden auf individueller Ebene die Faktoren Vertrauen, Potential und Commitment identifiziert (Bligh et al., 2006):
Da der Prozess der Führung und Einflussnahme auf andere meist mit einer gewissen Machtausübung assoziiert wird, ist ein bestimmtes Maß von Vertrauen in andere Netzwerkmitglieder, deren Fähigkeiten und vor allem in deren Absichten und Ziele für eine Verteilung von Führungsverantwortung aber auch für das Funktionieren eines Netzwerkes an sich unerlässlich (Hinterhuber/Renzl, 2005). Neben Vertrauen spielt auch das wahrgenommene Potential eine Rolle bei der erfolgreichen Einführung von Shared Leadership. Das Netzwerk sollte kollektiv davon überzeugt sein, dass jedes Netzwerkmitglied über das entsprechende Expertenwissen und Potential verfügt, um der Aufgabenstellung gerecht zu werden und somit auch verteilte Führungsverantwortung ausüben kann (Bligh et al., 2006). Schließlich ist das Commitment einzelner Mitglieder zum Netzwerk ein entscheidender Faktor zur Unterstützung von Shared Leadership. Nur wenn sich die Mitglieder wirklich mit der Vision, den Zielen und Werten des Netzwerks identifizieren können, sind sie bereit, sich mit dem unkonventionellen, zeitaufwändigeren und oft auch für sie arbeitsintensiveren Führungssystem der verteilten Führungsverantwortung auseinanderzusetzen (Pearce/Manz, 2005)
3.3 Aufgaben der Netzwerkzentrale Die Aufgaben des Top-Managements bzw. einer Netzwerkzentrale bei dieser Art von Führung ist es zum einen die Rahmenbedingungen zu schaffen. Dies umfasst beispielsweise die Festlegung der Netzwerk-Form und die Sicherstellung notwendiger Ressourcen (Hinterhuber/Renzl, 2005). Zum anderen muss das Top-Management bzw. eine Netzwerkzentrale auch im Fall von Shared Leadership entsprechend der drei bereits erwähnten Schlüsselelemente von Leadership handeln (Hinterhuber, 2007). Das bedeutet, das Topmanagement bzw. eine Netzwerkzentrale muss eine gemeinsame Vision, ein gemeinsames Ziel kommunizieren und somit die Richtung für das Netzwerk angeben. Weiters ist es wichtig, dass die oberste Führungsebene hinter ihrem Team steht,
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ihm Vertrauen signalisiert und auch selbst durch ihre Handlungen die Bereitschaft und das Commitment zur Form des Shared Leadership ausdrückt. Zusätzlich sollte das Topmanagement bzw. die Netzwerkzentrale dafür sorgen, dass die vorgegebene und eingeschlagene Richtung in der Langzeitperspektive eingehalten wird. Dies erfolgt indem klare Grenzen definiert werden und durch klare Richtlinien die nachfolgende Verteilung der Führungsverantwortung gesteuert wird (Pearce, 2004). Nur durch die Kommunikation einer gemeinsamen Vision, durch Vorgabe und Einhaltung der Richtung sowie durch die Einnahme einer Vorbildfunktion kann die Top-down-Führung die verteilte Führungsverantwortung unterstützen und ergänzen. Im Idealfall kann so durch eine Kombination dieser unterschiedlichen Führungssysteme von den Vernetzungen innerhalb und außerhalb von Organisationen auf beste Weise profitiert werden (Müller et al., 2007).
4 Empirische Studie: Leadership in einem Bankennetzwerk 4.1 Das Bankennetzwerk Das untersuchte Bankennetzwerk hat zum Ziel, einerseits durch aktive Arbeit in der jeweiligen Region, andererseits durch die Kooperation im Verbund mit anderen Banken die Leistungsfähigkeit des Netzwerkes zu stärken und sich den stets verändernden Entwicklungen und Rahmenbedingungen anpassen zu können. Die einzelnen Banken sind selbständig und können das Leistungsportfolio nach den Kundenbedürfnissen ausrichten, die Kundenbeziehung aktiv gestalten und dezentral agieren. Gleichzeitig gibt es eine Zent
Weitere Informationen über das Bankennetzwerk können aus Datenschutzgründen nicht be0 reitgestellt werden. Es werden die Begriffe „Zentrale“ für die zentrale Bankenstelle und „Banken“ für die selbständigen Bankstellen innerhalb dieses Netzwerkes verwendet, da durch die Originalbezeichnungen Rückschlüsse auf die beteiligten Unternehmen möglich wären. Die einzelnen Bankenstellen sind die Filialen der einzelnen Banken.
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rale, die die Banken in bankenübergreifenden Fragestellungen unterstützt. Die Struktur des Bankennetzwerkes besteht aus 24 selbständigen Banken, die von einer Zentrale koordiniert werden. Diese Banken verfügen über insgesamt 99 Bankstellen, wobei meist vier bis fünf Bankstellen von einer Bank geleitet werden (vgl. auch Abbildung 3).
Abbildung 3: Ausschnitt aus der Struktur des polyzentrischen Bankennetzwerkes Quelle: eigene Darstellung
Die Zentrale steht im Eigentum der 24 Banken und ist als Service- und Dienstleistungseinrichtung konzipiert. Eine wesentliche Aufgabe der Zentrale
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ist gemeinsam mit Vertretern der Banken Strategien zu erarbeiten. Die Beschlüsse werden gemeinsam gefasst, wodurch alle Beteiligten ein Mitspracherecht haben und sich die Verantwortung für strategisch wichtige Entscheidungen teilen. Die Zentrale unterstützt weiters die Banken mit ihrem Know-How in verschiedensten Fachthemen, wie beispielsweise dem Liquiditätsausgleich, der Bargeldversorgung und bei der Abwicklung verschiedener Kernbankleistungen. Gleichzeitig ist die Zentrale aber auch direkt am Markt tätig, wie beispielsweise im Liegenschaftsmanagement und Auslandsgeschäft. Die 24 Banken sind selbständige, eigenständige Rechtspersonen und werden von jeweils zwei Vorständen geleitet, die auch für die jeweiligen Bankstellen zuständig sind. Die 24 Banken holen sich von der Zentrale deren Experten-Know-How und kooperieren mit der Zentrale, um Synergien beispielsweise im EDV-Bereich zu nutzen und gemeinsame Werbe- und Marketingkonzepte zu entwickeln. Diese Struktur bedeutet, dass die Banken sowohl die Eigentümer der Zentrale als auch deren Kunden sind. Hier gilt das Subsidiaritätsprinzip, d. h. die Aufgabenerfüllungen bzw. die Leistungen innerhalb des Netzwerkes sollen dort erbracht werden, wo sie am effizientesten und kostengünstigsten möglich sind. Obwohl sich die Zentrale selbst verwaltet, erfolgt die Führung von unten nach oben (Bottom-up Commitment), d. h. dass letztendlich die Banken entscheiden. Essentiell für ein derartiges Netzwerk ist eine umfassende Informationspolitik, um die Ziele zu koordinieren und anfallende Probleme zu lösen.
4.2 Forschungsdesign In dieser Studie wurden Befragungen in der Zentrale sowie in fünf der 24 Banken durchgeführt. In einem Vorgespräch mit dem Leiter der Zentrale konnte festgestellt werden, dass dieses spezielle Netzwerk neue Leadership-
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Anforderungen an die Zentrale und die Banken stellt, die gemeinsam bewältigt werden müssen. Deshalb lautet unsere zentrale Forschungsfrage: Wie
sieht Leadership in einem polyzentrischen Bankennetzwerk aus? Dazu sollen folgende Unterfragen beantwortet werden:
Welche Führungsaufgaben übernehmen die Banken bzw. die Zentrale? Welche Vor- bzw. Nachteile bringt diese Art der Führung mit sich? Welche Voraussetzungen bzw. Hindernisse gibt es für geteilte Führung in Netzwerken?
Da das Ziel dieser Studie ist, zur Theoriebildung beizutragen, wird auf ein qualitatives Forschungsdesign zurückgegriffen (Lamnek, 2002; Flick et al., 2003), denn es geht um erfahrungsbezogene, soziale und kulturelle Kontextfaktoren, die unter der „Oberfläche“ liegen (Buber/Holzmüller, 2007). Für das Forschungsdesign wird eine induktive Vorgehensweise gewählt, da die relevanten Konzepte erst durch die Meinungen der befragten Insider zum Vorschein kommen und nicht a priori bestimmt werden. Dafür sind die Interpretationen der Beteiligten essentiell, die in ausführlichen Interviews erfragt werden können (Bogner/Menz, 2002; Mayring, 2002). Es wurden 14 explorative, leitfadengestützte Einzelinterviews mit Bankvorständen, Bankangestellten it/eitungsfunktionen, )entrale-VorständenVowie )entrale-Angestellten durchgeführt. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte mit der Software QSR NVivo, einem Software-Tool zur Strukturierung und Auswertung von qualitativen Daten (Richards, 1999; Richards, 2005). Dazu wurden die Interviewtranskripte vom Forschungsteam kodiert Für diesen Beitrag wurden interessante Aspekte der Leadershipfunktionen im Netzwerk herausgegriffen. Mit Hilfe des „explanation building” (Yin, 2003) wurden Muster in den Interviewdaten
Die Kodierungsbegriffe sind im Folgenden kursiv geschrieben.
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identifiziert und unter Berücksichtigung der theoretischen Erkenntnisse auf diesem Gebiet Schlussfolgerungen gezogen. Die Ergebnisse der empirischen Studie werden im Folgenden präsentiert.
4.3 Ergebnisse auf Individual- und Netzwerkebene Die Ergebnisse der Interviewanalyse zeigen, dass für dieses Bankennetzwerk eine neue Art von Führung erfolgsrelevant ist. Wie bereits in der Struktur des Bankennetzwerkes festgestellt wurde, haben sowohl die Zentrale als auch die einzelnen Banken spezifische Aufgaben zu erfüllen. Andere Aufgaben teilen sie sich, um das für die Umsetzung entscheidende Commitment von allen zu bekommen, sodass es nicht mehr den klassischen Leader an der Spitze gibt. „… wir denken, dass damit eigentlich fast die ganze Mannschaft an der Konzeption dieser Strategie arbeitet oder beteiligt ist, dass es die meisten auch als IHR Werk in gewissem Maße anschauen und sich auch verantwortlich fühlen.“ (Bankvorstand A) „Ich finde das nicht so klar und eindeutig, dass die Zentrale die Leadershiprolle hat. Koordination ja. Aber Leadership... hat für mich schon damit zu tun, dass ein Leader oben steht, und sagt so machen wir das. Wir bringen eigentlich Angebote, sogar die Strategie ist ein Angebot, und wenn jemand nicht mitmacht, macht er nicht mit.“ (Zentrale-Angestellte A)
Allerdings braucht es für eine geteilte Führungsverantwortung spezifische Voraussetzungen. Durch die Aussagen der Interviewpartner können wir nun auf der strukturellen Ebene Voraussetzungen und Hindernisse für Shared Leadership identifizieren. Dafür benötigen Führungskräfte gewisse Eigenschaften und müssen spezifische Aufgaben übernehmen. Auf der Netzwerkebene können wir zeigen, wie die Aufteilung der Aufgaben zwischen den Banken und der Zentrale aussieht, welche Vor- und Nachteile Shared Lea-
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dership mit sich bringt. Diese Ergebnisse werden durch interessante Aussagen der Interviewpartner illustriert. 4.3.1 Voraussetzungen und Hindernisse für Shared Leadership In den Interviews hat sich herausgestellt, dass geteilte LeadershipVerantwortung nicht einfach zu erreichen ist, sondern verschiedene Voraussetzungen braucht und Hindernisse überwinden muss. Als organisatorische Voraussetzung ist beispielsweise ein gewisses Maß an Abhängigkeit entscheidend. Zwar sind die einzelnen Banken autonom, aber sie müssen auch erkennen, dass sie nicht alles allein machen können oder dass sich eigenständige Lösungen nicht immer auszahlen. Einzelkämpfertum ist in derartigen Netzwerken hinderlich. Auch die ähnlichen Strukturen einer Bank sind wichtig, da sich Banken mit vielen MitarbeiterInnen in ihren Prozessen grundlegend von kleineren Banken unterscheiden. „Die Rolle der Zentrale ist klar, nämlich dass sie jene Aufgabe zu erledigen hat, die die Banken für sich nicht allein erledigen können - vor allem solche Aufgaben, die alle Banken betreffen, sprich Zahlungsverkehr, EDV-Ausbildung etc.“ (Bankvorstand A) „Jeder soll im Team die Arbeit machen bzw. den Bereich übernehmen, wo er am besten ist.“ (Bank-Abteilungsleiter A)
Die Banken benötigen auch ein gewisses Maß an Selbständigkeit und Eigen-
initiative, um ihren Kunden passende Leistungen anbieten zu können. Nur wenn die Banken starke Partner sind, kann die Führungsfunktion geteilt werden. Die Zentrale muss Aufgaben delegieren und diskussionsbereit die Ansichten der Banken annehmen.
Aufgrund von Datenschutzgründen und der Zusicherung, dass keine Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich sind, werden nur die Positionen der jeweiligen Interviewpartner angeführt. Außerdem wurden Unternehmensbezeichnungen durch „Zentrale“ oder „Bank“ ersetzt.
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„Nichts desto trotz ist die Eigenständigkeit jeder Bank ein wichtiges Thema. Es ist also nicht so, dass wir nach der Nase der Zentrale tanzen müssen, dass ist Gott sei Dank hier nicht so. Jede Bank ist eigentlich ihr eigener Leader.“ (Bank-Prokurist A) „Denn sie verfügen ja über so starke Vorstände, die das auch intern umsetzen können. Ansonsten bräuchte es ja auch keine Autonomie.“ (Bankvorstand F)
Durch die Netzwerkstruktur wird die Kommunikation auf verschiedenen Ebenen wichtig. Zuerst muss die Kommunikation im Team oder in den Arbeitsgruppen funktionieren. Die Ergebnisse sollten über Teamleitersitzungen nach oben weitergegeben werden. Auch die Zentrale sollte miteingebunden werden, damit sie als Vermittler zwischen den Banken agieren kann. Denn sie ist meistens der erste Ansprechpartner für Fragestellungen in den einzelnen Banken und kann gegebenenfalls Anfragen weiterleiten. Entscheidend ist, dass diese Kommunikation in alle Richtungen funktioniert und Feedback gegeben wird (Reziprozität). Dafür wird eine offene Unternehmenskultur benötigt. „Die Kommunikation zur Zentrale, meine ich, funktioniert gut. Es ist eigentlich auch ein sehr direkter Zugang zu allen Themen.“ (Bankvorstand C) „…also nicht, dass die Zentrale immer Input bringt, sondern dass ein Austausch untereinander stattfindet.“ (Zentrale-Angestellte A) „Grundsätzlich pflegen wir ein sehr offenes Verhältnis, was Informationen betrifft. Bewusste Informationszurückhaltung muss ganz gut begründet sein, …, wenn es mit der Weitergabe eventuell ungerechtfertigte Ängste und irgendwelche Sachen verursachen würde.“ (Bank-Prokurist A)
Auf der individuellen Ebene werden Faktoren wie Hilfsbereitschaft benötigt, weil die eigenen Erfahrungen mit entwickelten Lösungen ausgetauscht werden müssen. Eine wesentliche Voraussetzung, dass MitarbeiterInnen anderen helfen, ist, dass intern keine Konkurrenz besteht. „Es findet ein sehr reger Austausch statt … und da kommt man natürlich darauf, dass verschiedene andere Banken zu verschiedenen Themen teils schon recht gute
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Lösungen haben. Es gibt eigentlich kein Barrieredenken, kein Konkurrenzdenken.“ (Bankvorstand A)
Außerdem muss Vertrauen herrschen, damit Wissen und Best Practices weitergegeben werden. Ansonsten haben die einzelnen Banken oder deren MitarbeiterInnen Angst, ihre Einzigartigkeit zu verlieren und damit womöglich ihren Arbeitsplatz. Dem „Wissen ist Macht“-Denken sollte entgegengewirkt werden. Außerdem ist die Bloßstellung von MitarbeiterInnen ein Hindernis, wenn beispielsweise Ideen nicht akzeptiert, sondern niedergemacht werden. „Ich glaube, in unserem Netzwerk ist das sehr demokratisch und das ist auch gut so, weil das für mich auch der vernünftigste Weg ist miteinander umzugehen - auf einer hohen Vertrauensbasis. Auch eine kleine Bank hat bei uns das Gefühl, dass sie mit vollem Stimmrecht irgendwo mitwirken kann.“ (Zentrale-Vorstand A) „Wenn ein Mitarbeiter eine Idee vorbringt, und sie wird aus verschiedensten Gründen abgelehnt, so aus meiner Erfahrung, nimmt man das schon eher persönlich und ist frustriert“ (Bankvorstand E) „Weil es die persönliche Schutzhaltung von Einzelnen einfach bringt, manches Wissen für sich zu behalten um eben für sich selber keine Kritik zu bekommen.“ (Bank-Abteilungsleiter A)
4.3.2 Eigenschaften und Aufgaben der Führungskräfte Führungskräfte, die sich in einem Netzwerk Führungsverantwortung teilen benötigen bestimmte Eigenschaften. Gemäß der Aussagen unserer Interviewpartner übernehmen eine Leadershipfunktion Personen, die Persönlichkeit haben und von den MitarbeiterInnen akzeptiert werden. Es müssen nicht zwangsläufig diejenigen sein, die über Expertenwissen verfügen oder die hierarchisch an der Spitze stehen. Häufig braucht es für bestimmte Aufgaben andere, die dieses Thema voranbringen, weil sie das notwendige Engagement haben. „Ich denke, egal in welcher Gemeinschaft, ob groß oder klein, die Leader sind nicht die, die das Expertenwissen haben, sondern die, die die Persönlichkeit haben. Ich denke, dass solchen die Führungskompetenz von den Mitgliedern gegeben wird. Nichts desto trotz ist es im Idealfall so, dass der auch über das höchste Ex-
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pertenwissen verfügt, der über die ausgereifteste Persönlichkeit verfügt und damit auch den höchsten Return erzielen kann.“ (Bankvorstand C) „…gibt es immer solche, die von Haus aus mehr sagen und sich für die Sache mehr engagieren. Z. B. Leitbildprozess, es gibt Leute, die sind mit Leib und Seele dabei, bringen sich mehr ein, und erhalten dadurch mehr Aufmerksamkeit und gewinnen mehr an Gewicht.“ (Bank-Abteilungsleiter A)
Damit jedoch die Akzeptanz der MitarbeiterInnen erreicht wird, brauchen Führungskräfte Kommunikationsfähigkeit und sollten über die internen Vorgänge ehrlich berichten. Durch diese Transparenz können die Handlungen der Führungskräfte allerdings auch kritisiert werden, weshalb es für die Führungskräfte entscheidend ist, ihre Schwächen auch einzugestehen und kritik-
fähig zu sein. „Dass jeder nicht nur selber spricht, sondern auch mal zugibt, dass er etwas nicht weiß.“ (Zentrale-Angestellte A) „Diese Ehrlichkeit, wir legen alle Karten offen auf den Tisch, die Banken können bei uns reinschauen und wissen, was hier läuft. … Wir lassen da bewusst eine gewisse Kommentierung und Kritisierung zu und ich denke wir sind hier alle, auch im Vorstand, sehr kritikfähig.“ (Zentrale-Vorstand A)
Im Umgang mit ihren MitarbeiterInnen benötigen die Führungskräfte Sozial-
kompetenz, was die Interviewpartner mit Authentizität, Ehrlichkeit, Freundlichkeit und Zukunftsorientierung verbanden. Außerdem ist die Mitarbeiterorientierung entscheidend, die sich beispielsweise in den Bereichen Gesundheit, Wissensmanagement und Weiterbildung zeigt. Auch Mitarbeitergespräche spielen eine entscheidende Rolle. „Auch außerhalb des Sektors, im privaten oder beruflichen Bereich, z. B. Sprachkurse, werden finanziert. Wir stellen den Mitarbeitern auch Firmenautos für die Kursbesuche zur Verfügung. Wir fördern diesen Bereich sehr stark.“ (Bankvorstand E) „Gute Führungskräfte geben Wissen weiter… das ist hier so. Nur schlechte Führungskräfte behalten ihr Wissen für sich.“ (Zentrale-Vorstand B)
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„Wir haben eine gute Wasserqualität im Hause „Granderwasser“. Es gibt Gelegenheit Fitnesstraining zu machen, wo sich Mitarbeiter aus dem ganzen Hause zu einer Gruppe entwickeln, da sie das gleiche Interesse verfolgen.“ (Bankvorstand A)
Diese Kompetenzen werden in dem untersuchten Bankennetzwerk auch durch die Führungsausbildung unterstützt, in der Führungskompetenzen geschult werden sollen. „Wir machen auch im Hause die so genannte Führungsqualifizierung, sprich seit etwa sieben Jahren. Was den Umgang mit Wissen unserer Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern anbelangt, versuchen wir zu schulen, damit auch die Führungskräfte richtig damit umgehen. Das gibt es bereits, weil es keinen Wert hat, wenn es nur der Vorstand kann. Es müssen alle Führungskräfte mit dem Umgehen können, und sind auch verantwortlich, dass das fachliche Wissen und Kommunikationswissen an der jeweiligen Position auch da ist. (Bankvorstand A)
Zu den Aufgaben der Führungskräfte zählen klassische Führungsaufgaben, wie Führungswerte vorleben, Erwartungen kommunizieren, Kontrolle, Koor-
dination verschiedener Teams und Abteilungen, Motivation, Planung (wie z. B. die Jahreszielplanung), Regeln aufstellen und Verstöße zu sanktionieren, wurden von den Befragten genannt. Aber auch folgende Aufgaben wurden genannt:
Aus- und Fortbildungsmaßnahmen: „Da legt man großen Wert darauf, dass sie sehr gut und fundiert ausgebildet sind und auch laufend in der Fortbildung stehen, weil nur top-ausgebildete Leute auch einen Top-Job machen können.“ (Bankvorstand C) Einführung neuer MitarbeiterInnen: „…dass ein neuer Mitarbeiter die ersten sechs Monate beim Start begleitet wird im Rahmen seiner Einführung. Da gibt es einen Paten, der ist zuständig für Fragen aller Art.“ (Zentrale-Angestellte A) Entscheidungsfindung: „…wenn es dann zu Entscheidungen kommt, müssen die Führungskräfte diese treffen. Sonst braucht es ja auch keine Führungskräfte.“ (Bankvorstand C) Kommunikation durch Besprechungen, Berichte und Sitzungen auf unterschiedlichen Ebenen: „Das Wissen bzw. die Information wird hauptsächlich durch die Führungskräfte der verschiedenen Teams weitergegeben.“ (Bankvorstand B)
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Moderation: „Der Moderator kann auch der Leader sein, klar. Der Leader hat meiner Ansicht nach nichts mit dem Redeanteil zu tun.“ (Zentrale-Angestellte A) Vorbildwirkung: „Motivierte Mitarbeiter erhält man durch einen motivierten Vorstand, wenn die Mitarbeiter merken, dieser bildet sich auch selbst weiter, geht auf Schulungen, etc.“ (Bankvorstand D) Werte definieren: „Mir ist eben wichtig, dass die Kollegen auch untereinander Rücksicht nehmen und ihr Wissen, an Kollegen auch weitergeben; dass Qualität herrscht: Qualität der Zusammenarbeit, Qualität nach außen, Qualität im Umgang mit Kunden; dass eine sehr offene Kommunikationskultur herrscht.“ (ZentraleVorstand A)
4.3.3 Geteilte Führungsverantwortung – die Aufgaben der Banken bzw. Zentrale Durch die Struktur dieses Bankennetzwerkes kommt es zu einer Aufgabenteilung zwischen den Banken und der Zentrale (vgl. Abbildung 4 auf der nächsten Seite). Zu den Aufgaben der Banken gehört einerseits die Vorbereitung der Ent-
scheidungen. Dies erfolgt meist durch das Entsenden von Experten aus verschiedenen Fachbereichen in so genannte Arbeitsgruppen (AGRUs) oder Projektteams. Andererseits haben sie in bestimmten Bereichen Entscheidungsbe-
fugnis und können diese Entscheidungen autonom treffen. Darüber hinaus sind die Banken für die Umsetzung der in der Zentrale erarbeiteten Strategien und Lösungen zuständig. „Da nehmen verschiedene Leute aus verschiedenen Banken teil und bereiten Themen so vor, dass sie ziemlich beschlussfähig in die AGRU-Geschäftsleitung kommen.“ (Bankvorstand A) „Wir stehen auf dem Prinzip der Selbständigkeit der einzelnen Banken. Die halten wir sehr hoch.“ (Bankvorstand A) „Jede Bank hat ihre eigenen Projekte.“ (Bank-Prokurist A)
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„Selbstverständlich kommt die Zentrale immer wieder mit Themen auf uns zu, die in den Banken umzusetzen sind; die sind jedoch sehr stark von der Zentrale geprägt.“ (Bank-Teamleiterin A) Entscheidungen vorbereiten Umsetzung Experten, Fachbereiche
Aufgaben der Banken
Entscheidungsbefugnis auf unterer Ebene
Shared Leadership
Investitionen Initiative ergreifen Impulsgeber Richtung, Rahmen vorgeben
Aufgaben der Zentrale
Zurverfügungstellung von IKT Beratende Funktion
Abbildung 4: Aufgaben der Banken und der Zentrale Quelle: eigene Darstellung
Die Aufgaben der Zentrale bestehen darin, als Impulsgeber zu agieren und mögliche Richtungen vorzugeben. Durch die Einrichtung der Zentrale soll einerseits eine Koordinationsinstitution geschaffen werden, die einen Überblick über die Abläufe in den einzelnen Banken hat. Damit soll die Betriebs-
blindheit in den Banken überwunden werden. Andererseits ist es auch die Aufgabe der Zentrale selbständig Ideen zu bringen und diese den Banken an-
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zubieten. Durch das Übernehmen derartiger Serviceleistungen finanziert sich die Zentrale teilweise. Darüber hinaus hat die Zentrale beratende Funktion, z. B. bei der Zurverfügungstellung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und verschiedener Datenbanken. „Neue Gedanken, neue Ideen, vielleicht sind wir betriebsblind, sehen alles zu eng.“ (Bankvorstand E) „… oder ich erlebe es oft, dass die Banken sagen, wie machen es denn die anderen. Erzähl doch mal du, du hast einen Einblick. Das erleb ich sehr oft. Also dass wir in der Zentrale diese Mittler sind, weil wir wissen, wie es in den anderen Banken läuft, so intermediär, also wir erzählen dann, wie es in anderen Banken läuft.“ (Zentrale-Angestellte A) „Die Zentrale ist als Unterstützung für uns da, sie kann uns bestimmte Sachen vorgeben, Strategien ausarbeiten und auch gewisse Dinge in die Wege leiten.“ (BankAbteilungsleiterin A) „Es gibt Datenbanken; dabei wird meistens von der Zentrale gesteuert, wer Zugriff auf was hat und wer Beiträge erfassen kann.“ (Bank-Prokurist A)
Da die Zentrale und die Banken zusammenarbeiten müssen, ergeben sich auch überlappende Aufgabengebiete, wie z. B. die Leitbildentwicklung. Die Banken sind autonom, was bedeutet, dass nicht alle Entscheidungen der Zentrale umgesetzt werden müssen. Diese Strategien und Lösungen sind eher als Angebote, denn als Vorgaben zu betrachten. Es kann jedoch von anderen Banken Druck ausgeübt werden, die gemeinsamen Lösungen überall zu implementieren. Dann besteht die Aufgabe der Bankvorstände darin, den MitarbeiterInnen zu erklären, warum bisherige Routinen durch neue ersetzt werden, und sie für die Umsetzung zu motivieren. „Dadurch, dass die Banken alle autonom sind, muss man immer abwägen, gilt das meiner Autonomie oder gebe ich etwas auf? Und das ist sicher eine ganze große Aufgabe, das so zu koordinieren, dass das funktioniert. Weil man als Geschäftsleiter gegenüber den eigenen Funktionären auch gegenüber dem eigenen Institut eine große Verantwortung hat, auch diese Autonomie zu wahren.“ (Bankvorstand F)
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 5: Vor- und Nachteile der geteilten Führungsverantwortung
Konflikte
Mehraufwand
Best practices
Eigenständige Entscheidungen
Direkte Kommunikation, Feedback
Komplizierte Struktur
Vorteile
Nachteile
Arbeitsteilung
Reibungsverluste
Shared Leadership
Keine Betriebsblindheit
Verzögerung
Umgehung der Zentrale
Erfahrungsaustausch
Alternativen abwägen
Einsparungen
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Diese Struktur und Aufgabenverteilung bringt Vor- und Nachteile für Zusammenarbeit und die Arbeit in den einzelnen Banken mit sich (vgl. Abbildung 5 auf der vorherigen Seite). Vorteile von Shared Leadership in diesem Bankennetzwerk sind, dass es zu einer Arbeitsteilung und dadurch zu erheblichen Einsparungen kommt, da nicht jede Bank für sich eigene Lösungen finden und eigene Entscheidungen treffen muss. „Auf der einen Seite ist es wirklich notwendig, wir brauchen einheitliche Abläufe, da wir nicht so unterschiedlich sind … Dies ist ein sehr erfolgreicher Weg. Das Kernziel ist die Problematik, dass nicht jede Bank alles vermag und aus Kostengründen müssen Prozesse vereinheitlicht werden.“ (Bankvorstand E) „Gerade bei übergreifenden Themen, könnten wir sehr viel Zeit und Kosten sparen, wenn es nicht jede Bank für sich selber machen würde.“ (Bank-Teamleiterin A)
Durch den regelmäßigen und koordinierten Erfahrungsaustausch können Best Practices entwickelt und diese in allen Banken etabliert werden. Dadurch kommen neue Impulse von außen und Alternativen können abgewägt werden. „Wir beabsichtigen die Einführung vom Private Banking. Da ist die erfolgreichste Bank, wie wir von der Zentrale erfahren haben, die Bank XX. Also sind wir vor Ort um Ideen und neues Wissen zu holen. Best practice weitergeben. Sie haben uns die Möglichkeit geboten, uns zu zeigen, wie sie das machen.“ (BankAbteilungsleiter A)
Dennoch bleibt es die eigene Entscheidung der Banken, ob sie Best Practices übernehmen wollen oder nicht. Für die einzelnen Banken stellt dies klar einen Vorteil dar. Für die Zentrale kann das aber auch zu einer sehr komplexen
Struktur führen. „Klar, es gibt ein Konzept, jede Bank hat ihre Möglichkeit zu sagen: ok, das nehme ich an vom Konzept, das nehme ich nicht an, und so. Das führt aber dann dazu,
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dass es alle Banken anders machen. Also die Möglichkeit, etwas anders zu tun, die besteht schon.“ (Bank-Teamleiterin A)
Durch diese Ausgestaltung des Bankennetzwerkes mit einem sehr hohen Grad an Autonomie der einzelnen Banken kommt es natürlich zu einer Reihe von Nachteilen. Durch die offene Kommunikation und die geteilte Führungs-
verantwortung kann es zu Konflikten kommen, weil die Zentrale beispielsweise Einheitlichkeit will, die Banken jedoch Individualität. „Hier finden also schon auch ganz heftige Kämpfe statt, weil sie [die Zentrale] ja das ganze auch flächendeckend unterbringen möchte. Das ist ja auch eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit.“ (Bankvorstand F)
Darüber hinaus kann diese Art von Netzwerk auch zu einem Mehraufwand bzw. zu Reibungsverlusten führen. Einerseits müssen die Banken selbst ent-
scheiden, wie und ob sie die Impulse und Ideen umsetzen wollen, was zur Überforderung führen kann. Andererseits erfolgt die Abstimmung der einzelnen Banken meist über die Zentrale und nicht durch direkte Kommunikation. Dies hat in der Vergangenheit beispielsweise zur Umgehung der Zentrale geführt, weil es einfacher war, die anderen Banken direkt zu kontaktieren. „Das heißt, sie bekommen nicht einfach was vorgegeben, dadurch ist es auch gegeben, dass sich die Überforderung breit macht.“ (Bank-Prokurist A) „Auch die Zentrale muss bestimmte Anliegen wieder nachfragen, oder weiterfragen, von dem her kann es sich schon verzögern“ (Bank-Teamleiterin A) „Früher war das nicht so, da ist man die Zentrale umgangen und wollte mit der Zentrale nichts zu tun haben. Man hat sich nicht auf Augenhöhe gesehen.“ (Zentrale-Vorstand A)
5 Diskussion der Ergebnisse und Implikationen In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass sich die untersuchten Banken zu einem Netzwerk zusammengeschlossen haben, um auf die neuen Herausforderungen des Wettbewerbs zu reagieren und Synergien mit anderen Instituten
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zu nutzen (Dyer/Singh, 1998; Hinterhuber, 2004; Sydow, 2006). Denn Netzwerke sind nicht statisch, sondern können flexibel gestaltet werden und reagieren (vgl. hierzu auch die Studie von Reiß/Bernecker, 2003). Um die Aktivitäten zu koordinieren, haben die beteiligten Banken eine Zentrale gegründet, die sowohl ein Tochterunternehmen der Banken als auch deren Serviceeinrichtung darstellt und somit zu einem gewissen Grad selbständig ist. Das Bankennetzwerk kann deshalb als nationales, zeitlich unbegrenztes, reziprokes, polyzentrisches, intraorganisationales System beschrieben werden, in dem gleichberechtigte Partner sich zu einem Verbund zusammengeschlossen haben. Wie aus polyzentrischen Netzwerken bekannt, können auch im konkreten Fall unterschiedliche Knotentypen identifiziert werden (vgl. Reiß & Bernecker, 2003):
Knotentyp A (= Zentrale) erfüllt einerseits die Funktion einer Netzwerkzentrale (Network Center), indem sie Führungsverantwortung übernimmt und die Zusammenarbeit der Banken koordiniert. Andererseits ist die Zentrale auch eine Serviceeinrichtung (Service Center), die Dienstleistungen für das Funktionieren des Netzwerkes zur Verfügung stellt und ihr Expertenwissen in verschiedenen Bereichen an die Banken weitergibt. Knotentyp B (= Banken) agiert auch als Network und Service Center für die einzelnen Bankstellen, weil die Banken die Führungs- und Dienstleistungsverantwortung für die Bankstellen haben. Allerdings kommt auch die Aufgabe eines Business Centers hinzu, der den direkten Kontakt mit dem Kunden und die Ausübung der eigentlichen Wertschöpfung umfasst. Knotentyp C (= Bankstellen) haben nur Aufgaben eines Business Centers zu erfüllen und bestreiten das tägliche Bankgeschäft mit den Kunden.
Der Vorteil eines derartigen Bankennetzwerkes ist, dass Wissen intraorganisational ausgetauscht wird (bspw. durch Arbeitsgruppen und Projektteams, die Entwicklung von Best Practices, oder die Bereitstellung von Informations- und Kommunikationstechnologien) und dass eine Aufgabenteilung statt-
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findet. Allerdings können die Banken selbständig entscheiden, ob sie die Ideen und Technologien der Zentrale nutzen wollen. Dadurch kommt es zu Konflikten und Reibungsverlusten. Um dennoch ein erfolgreiches Netzwerk zu sein, bedarf es einer effektiven Führungsstruktur (Dyer/Singh, 1998). In diesem Bankennetzwerk wird die Führungsverantwortung geteilt (vgl. Shared Leadership; Pearce/Sims, 2002; Pearce/Conger, 2003). Die Notwendigkeit für eine Shared Leadership ergibt sich dadurch, dass die Banken voneinander abhängig sind und durch den Verbund nicht alle Herausforderungen allein bewältigen müssen. Da das Netzwerk so konzipiert ist, dass starke Partner nebeneinander bestehen können, haben alle Beteiligten die notwendige Selbständigkeit und Eigeninitiative, um Führungsverantwortung zu übernehmen und zu delegieren. Um eine geteilte Führungsverantwortung wahrzunehmen, die zusätzlich zu den klassischen Führungsaufgaben übernommen wird, ist Vertrauen zwischen den Akteuren erforderlich (Hinterhuber/Renzl, 2005), wofür Führungskräfte ehrlich und authentisch sein und diese Wertvorstellungen auch vorleben müssen. Weiters müssen alle das Potential, das in einem Zusammenschluss zu einem Netzwerk liegt, erkennen (Bligh et al., 2006), daher sollten Führungskräfte Entwicklungen offen kommunizieren und Abläufe transparent machen. Nur so kann das Commitment aller Beteiligten erworben werden (Pearce/Manz, 2005) und die Aufgaben zwischen den einzelnen Akteuren aufgeteilt werden. Das Prinzip der geteilten Führungsverantwortung ist, Prozesse so aufzuteilen, dass sie effizient erledigt werden. Die Zentrale übernimmt meist die Entwicklung einer gemeinsamen Vision und die Bereitstellung wichtiger Ressourcen (Hinterhuber/Renzl, 2005; Hinterhuber, 2007), während sich die Banken aufgrund ihres Expertenwissens um die Vorbereitung von Strategien und die Umsetzung von Prozessen kümmern. Deshalb
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sollen auf allen Ebenen die Führungskompetenzen entwickelt und gefördert werden (vgl. Leadership Company; Hinterhuber/Stadler, 2006). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in dieser Netzwerkstruktur die Teilung der Leadership-Verantwortung positiv auf das Netzwerk ausgewirkt hat, da es zu einer effektiveren Arbeitsteilung, Einsparungen und Erfahrungsaustausch gekommen ist. Allerdings sind die einzelnen Banken autonom und können die Dienstleistungen der Zentrale auch nicht in Anspruch nehmen, was zu Konflikten führen kann. Doch auch in solchen Fällen wird gemeinsam nach einer Lösung gesucht. Diese Studie in einem Bankennetzwerk beschäftigt sich erstmals mit den Anforderungen an Führungskräfte in einem Netzwerk. Durch den qualitativen Forschungsansatz konnten erste Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie die Führungsverantwortung in polyzentrischen Netzwerken geteilt werden kann und welchen qualitativen Nutzen Shared Leadership in einem Netzwerk bringen kann. Als Einschränkung muss erwähnt werden, dass die Studie nur in einem regional begrenzten Teil dieses Bankennetzwerkes durchgeführt wurde. Um tiefergehende Erkenntnisse zu gewinnen, werden weitere Studien nötig sein, die sich u. a. auch mit dem quantitativ messbaren Nutzen eines derartigen Leadership-Ansatzes beschäftigen (vgl. „rents“; Kogut, 2000).
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Markenorientierter Wandel in Organisationen Günther Botschen, Christine Kittinger-Rosanelli
1
Starke Marken – Ferne Objekte der Begierde.................................. 370
2
Ansätze zur markenorientierten Ausrichtung von Organisatio nen ..374
2.1
Implementierung von Markenidentität durch „Internal Branding“ und „Behavioural Branding“ .......................................... 374
2.2
Die Implementierung von Markenidentität in einem komplexen sozialen System............................................................. 376
2.3
Implementierung durch Bearbeitung aller Strukturdimensionen eines sozialen Systems..................................................................... 378
2.4
Veränderung von Strukturdimensionen am Beispiel „M-Preis“ ...... 381
3
Ansätze und Techniken zur Implementierung von markeninduzierten Veränderungen in Organisationen.............. 385
3.1
Revolutionäre oder evolutionäre Ausrichtung des Unternehmens am Kontaktpunkterlebnis? .............................................................. 386
3.2
Mentale Modelle erkennen und hinterfragen ................................... 388
3.3
Reflexion mit Handlung verbinden.................................................. 389
4
Starke Marken – so fern und doch so nah? ...................................... 392
Literaturverzeichnis.....................................................................................394
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Günther Botschen / Christine Kittinger-Rosanelli
"It must be considered that there is nothing more difficult to carry out, nor more doubtful of success, nor more dangerous to handle, than to initiate a new order of things." Niccolo Machiavelli, The Prince “Give me a lever long enough . . . and single handed I can move the world.” Archimedes
1 Starke Marken – Ferne Objekte der Begierde Die Bedeutung starker Marken in intensiven Wettbewerbssituationen hat in den vergangenen Jahren laufend zugenommen. Starke Marken erzielen höhere Margen, verteidigen ihre Marktanteile im Vergleich zu Handelsmarken deutlich besser und spielen für die Bewertung von ganzen Unternehmen eine wesentliche Rolle (Burmann, Meffert, Koers, 2005). Während sich Markenmanagement traditionell im klassischen Konsumgüterbereich abspielte, wird das Thema auch für Dienstleistungen und im Business-to-Business-Bereich immer wichtiger. Acht der zwanzig wertvollsten Marken der Welt (Interbrand Ranking 2007) sind bereits Dienstleistungsmarken. Der Erfolg von faszinierenden Marken wie Red Bull, Hilti, Body Shop oder BMW strahlt sogar so weit aus, dass es wohl keinen Unternehmer gibt, der nicht daran interessiert wäre, seine Marke stark und unverwechselbar zu machen. In fast jeder Branche orientieren sich viele Anbieter an den jeweils attraktivsten Marken und setzen Aktivitäten zur Stärkung der eigenen Marke. Durch das wachsende Interesse am Markenthema, die breitere Anwendung auf unterschiedliche Leistungsbereiche von einer Vielfalt an Organisationen und durch die Erforschung der Erfolgskonzepte von besonders erfolgreichen Marken haben sich der Fokus des Markenmanagement und das Verständnis von Marke geändert. Traditionell war Brand-Management in den Marketing abteilungen von Unternehmen angesiedelt. Die Aufgabe des Markenmanagers bestand darin, nicht selten „kreativ“ ausgewählte Markenwerte medial
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zu kommunizieren und Markenimages in den Köpfen der Konsumenten zu verankern. Dieses Konzept ist gefährlich, wenn das tatsächliche Erleben der Marke im direkten Kontakt mit dem kreierten Image nicht zusammenpasst und als Täuschung entlarvt wird. Um starke Marken zu entwickeln, setzen sich Unternehmen intensiv mit ihrer Identität und den Werten, für die sie stehen, auseinander und arbeiten daran, diese Identität bei allen Kontakten der Marke mit ihren Stakeholdern zu konkretisieren. Starke Marken werden zu Trägern von soziokulturellen Bedeutungen, die an relevanten Kontaktpunkten zum Kunden sowie anderen wichtigen Austauschpartnern konsistent reproduziert und sinnlich erlebbar werden. Die Identität einer Marke wird als Bündel an kontextspezifischen Markenwerten verstanden. Markenbedeutung entsteht und verändert sich in komplexen Interaktionsprozessen, die innerhalb der Organisation und zwischen der Organisation und ihren Stakeholdern stattfinden (Mühlbacher e.a., 2006).
Abbildung 1: Prozess der Entstehung soziokultureller Markenbedeutung Quelle: Mühlbacher e.a., 2006
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Die Aufgabe des Markenmanagement besteht dem zur Folge darin, die Interaktionsprozesse so zu gestalten, dass sich die Bedeutung der Marke konsistent und widerspruchsfrei an den Kontaktpunkten manifestiert, ohne im Zeitablauf an soziokultureller Anziehungskraft zu verlieren. Die präzise Übersetzung von Markenwerten in Markenerlebnisse verstärkt ähnliche Interpretationen der Markenbedeutung und reduziert die Gefahr von markenschwächenden Interpretationen. Diese umfassende Führungsaufgabe geht weit über die Möglichkeiten eines im Marketingbereich angesiedelten Markenmanagements hinaus und kann nur gelingen, wenn das gesamte Unternehmen markenorientiert geführt wird. Nachhaltige Resonanz am Markt kann erzielt werden, wenn die Markenführung in der obersten Führungsriege des Unternehmens beginnt und sich vom strategischen über das operative Markenmanagement nach innen und außen fortpflanzt und an allen wesentlichen Kontaktpunkten erlebbar wird. Einerseits besteht die grundlegende Aufgabe darin, ein gemeinsames Vorstellungsbild und ein geteiltes Verständnis über die zentralen Markenwerte zu schaffen sowie ein Bewusstsein für und Bekenntnis zur Marke herbeizuführen, auf dessen Basis die Ausgestaltung der einzelnen Kontaktpunkte entwickelt wird. Andererseits geht es dann darum, die gewünschten Kontaktpunkterlebnisse auch umzusetzen. Dazu scheint es notwendig, etablierte Prozesse in allen Unternehmensbereichen in Hinblick auf ihren Beitrag zur Markentransformation und -stärkung zu hinterfragen und oft auch grundlegend neu zu gestalten. Die Markenwerte sind die zentralen Inhalte nach denen sich das gesamte Unternehmenssystem orientieren sollte, um spürbare und relevante Unterschiede im Vergleich zum Wettbewerb erlebbar zu machen. Diese Ausrichtung ergibt sich nicht von selbst, sondern ist ein komplexer Vorgang, in dem aktives Veränderungsmanagement notwendig ist. Die Übersetzung der zentralen Markenwerte in konkrete und gelebte Erfahrungen bedingen not-
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373
wendige Veränderungen in einer Fülle von gewachsenen Strukturen, Abläufen und Verhaltensweisen. Einigen nachhaltig erfolgreichen Organisationen, wie Hilti oder Miele, scheint eine weitgehende Ausrichtung aller Strukturen, Prozesse und Verhaltensspielregeln an den Markenwerten zu gelingen. Von vielen Unternehmern und Führungskräften, die das Markenthema für sich entdecken und ihren Erfolg durch die Stärkung ihrer Marke ausbauen wollen, wird das Ausmaß der notwendigen Veränderungen aber stark unterschätzt. Markenwerte werden intensiv entwickelt und kommuniziert, im Alltagsgeschehen des Unternehmens aber durch Routinen und etablierte Prozesse verdeckt und in die tägliche Arbeit im Unternehmen nicht eingebaut. Das „alte“ System von Strukturen und Prozessen ist nicht geeignet, die Organisation markenorientiert auszurichten. Deshalb werden die neuen Markenwerte in vielen Fällen rasch wieder „vergessen“ und können keine Dynamik entwickeln. Als Ergebnis sieht man austauschbare Marken, die sich eventuell in Details, aber nicht in ihrer Substanz voneinander unterscheiden. Im Folgenden diskutieren die Autoren, wie die konzeptionelle, markenorientierte Ausrichtung von Organisationen erfolgreich im Tagesgeschehen umgesetzt werden kann. Während in der bestehenden Literatur zur Markenimplementierung primär die Entstehung von gemeinsamen Markenvorstellungsbildern aufgearbeitet wird (z. B. de Chernatony, 1999; Urde, 2003), konzentriert sich der vorliegende Beitrag hauptsächlich auf die strukturelle Ausrichtung von Organisationen an Markenwerten und den Kontaktpunkterlebnissen. Dazu knüpfen die Autoren an der bislang in der Markenliteratur kaum rezipierten Theorie sozialer Systeme, auf der die Ausführungen von Senge (2000, 2006) zum organisatorischen Wandel basieren sowie der soziologischen Theorie der Strukturierung (Giddens, 1997), an. Beide Zugänge messen den bestehenden Strukturen und Interaktionsgefügen für die Wandlungsfähigkeit von Organisationen große Bedeutung bei und gehen explizit auf die komple-
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Günther Botschen / Christine Kittinger-Rosanelli
xen Zusammenhänge von sozialen Systemen ein. Der Begriff „Struktur“ ist dabei weit gefasst und umfasst alle Prozesse, Abläufe und Verhaltensweisen in Organisationen. Die Diskussion und Reflexion der theoretischen Zugänge wird durch ein Fallbeispiel ergänzt. Weiters werden ausgewählte Techniken präsentiert, die sich für die ganzheitliche Neuausrichtung von Organisationen in der Praxis bewährt haben und in komplexen Sozialsystemen einen nachhaltigen Wandel bewirken können.
2 Ansätze zur markenorientierten Ausrichtung von Organisationen 2.1 Implementierung von Markenidentität durch „Internal Branding“ und „Behavioural Branding“ Vor allem zwei sich ergänzende Forschungstraditionen beschäftigen sich mit der Implementierung von Markenidentität. Im Bereich des „Internal Bran-
ding“ geht es um die Markenführung innerhalb des Unternehmens, die als Voraussetzung für eine erfolgreiche Markenführung nach außen gesehen wird (z. B. de Chernatony and Harris 2000; Burmann, Zeplin, 2005; Esch e.a. 2006; Hatch and Schultz 2001, 2003; Mitchell 2002). Der Großteil der Beiträge behandelt besonders die Bedeutung der Internalisierung von Markenwerten durch die Mitarbeiter und die Identifikation mit diesen Werten. Ein hoher Grad an Identifikation und Markencommitment wird als notwendige Voraussetzung für ein markenkonformes Mitarbeiterverhalten angesehen (Esch, 2007; Ind, 2003; Meyer, Allen, 1991). Dabei werden vor allem die Vorbildwirkung der Führungskräfte, die interne Kommunikation von Markenwerten (Vallaster; de Chernatony, 2005) und eine durch die Markenwerte gesteuerte Personalauswahl und –entwicklung (Vallaster, 2007) als Ansatzpunkte angeführt. Markenkonformes Verhalten oder „brand citizenship beha-
Markenorientierter Wandel in Organisationen
375
viour“ (Burmann, Zeplin, 2005) ist die logische Folge der Internalisierung der Werte. Der Beitrag der Literatur zum Internal Branding ist sehr bedeutend für die Implementierung einer Markenidentität. Die Erkenntnis, dass es wesentlich ist, Mitarbeiter „ins Markenboot zu holen“ und dass das Mitarbeiten aller von Bedeutung für eine erfolgreiche Markenführung ist, war ein Meilenstein. Die diskutierten Inhalte betreffen großteils die notwendigen Basisarbeiten für weitere Implementierungsschritte, die bei den meisten Autoren zwar kurz angesprochen, aber nicht differenziert weiter verfolgt werden. Kernthema ist die optimale Vermittlung von Markenwerten innerhalb der Organisation. Markenkonformes Verhalten bei jedem Mitarbeiter und damit auch in der Zusammenarbeit sollte sich in dieser Logik quasi von selbst einstellen, wenn die Mitarbeiter die Markenwerte verstehen, internalisieren und sich damit identifizieren. Zu beachten ist aber, dass allgemeine Markenwerte in der Regel weich und abstrakt sind. Für die Erreichung von Identifikation durch die Mitarbeiter ist das von Vorteil, weil relativ viel Interpretationsspielraum gegeben ist. Das Andocken an das individuelle Wertesystem ist dadurch erleichtert. Wenn dieser Interpretationsspielraum bei der Übersetzung von Werten in Verhaltensspielregeln nicht aktiv gemanagt wird, bleibt er aber auch auf der Verhaltensebene so breit, dass kein klares Markenprofil entstehen kann. Auch Unternehmensstrukturen als Einflussfaktoren auf den Erfolg einer Markenimplementierung werden nur am Rande erwähnt (bei Burmann, Zeplin, 2005, z.B. als Kontextfaktoren), ihre Rolle im Rahmen der Implementierung wird aber nicht fundiert aufgearbeitet. Die Forscher im Bereich des „Behavioural Branding“ (Henkel, e.a., 2007¸ Tomczak, e.a., 2008) bauen auf den Erkenntnissen der Internal Branding Literatur auf und widmen sich hauptsächlich der Thematik des markenkonfor-
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men Verhaltens von Mitarbeitern. Das Behavioural Branding geht in der Konkretisierung der Markenwerte einen Schritt weiter als das Internal Branding. Der zusätzliche Beitrag dieser „Schule“ besteht darin, dass Prozesse der Übersetzung von Werten in Verhaltensregeln analysiert und diskutiert werden. Ansätze zur Entwicklung markenstärkender Fähigkeiten bei Mitarbeitern und zur markenkonformen Steuerung von Verhalten im Sinne von organisationalen Kontrollmechanismen (Henkel, e.a., 2007) werden entwickelt. Das Thema Markencontrolling in der Form einer „Markenscorecard“ findet sich auch bei Meffert, Koers (2005). Die Anwendung einer Balanced ScorecardLogik und Überlegungen zu Fit von Struktur und Kultur bei Burmann, Zeplin (2005) gehen in Richtung Systemdenken in der Markenimplementierung. Das Zusammenspiel von Verhalten und Strukturen wird exemplarisch behandelt, aber nicht systematisch untersucht. Verhalten kann nicht unabhängig von Prozessen und Strukturen im Unternehmen entstehen. In der Praxis behindert eine Vielzahl von etablierten Prozessen, die scheinbar für die Markenthematik nicht relevant sind, – bewusst und viel öfter noch unbewusst – gewünschte Verhaltensweisen. Die Überlegungen, wie bestehende Strukturen zu markenstärkenden Prozessen umgestaltet werden können, sind ausbaufähig. Deshalb wird dieser strukturelle Faktor im Rahmen eines komplexen sozialen Systems im Folgenden näher analysiert.
2.2 Die Implementierung von Markenidentität in einem komplexen sozialen System Organisationen und ihr Umfeld und auch Marken können als komplexe soziale Systeme verstanden werden (Senge, 2006; Mühlbacher e.a., 2006, vgl. Abb. 1). Komplexe Systeme sind charakterisiert durch eine Vielzahl zusammenhängender Aktivitäten und Interaktionen. Ursachen-WirkungsZusammenhänge sind schwer durchschaubar, weil sie zeitlich und örtlich weit auseinander liegen und durch viele zwischengelagerte Handlungen be-
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einflusst werden. Dazu kommt, dass die Akteure in den Systemen Teile des Systems sind. Deshalb ist es für alle Beteiligten schwierig, das ganze System und nicht nur einzelne Teilausschnitte zu sehen. Besonders zwei „archetypische Verhaltensmuster“ (vgl. Senge, 2006, S. 94) in Systemen kehren immer wieder. Einerseits werden oft Symptome bekämpft und nicht deren Ursache. Druck wird verstärkt, um gewünschte Resultate zu erzeugen. Kurzfristig können sich dabei Erfolge einstellen. Langfristig kommt es aber häufig zu einer Verschlechterung der Situation. Andererseits werden oft Probleme von einer Abteilung zur nächsten weitergeleitet und bleiben in ihrer ganzen Dimension unentdeckt, weil die vermeintliche Lösung eines Problems – unerkannt für den vermeintlichen Problemlöser – zu einem weiteren Problem an einer anderen Stelle im System führt. Diese Eigenschaften sozialer Systeme sind wichtig für die Vermittlung von Markenwerten. Die von Stakeholdern erlebbaren Kontaktpunkte sind in den meisten Fällen nur die letzten Glieder von Werteketten, die wiederum in ein Netzwerk von unterstützenden Aktivitäten eingebettet sind. Jeder Kontaktpunkt ist durch eine Vielzahl von vorgelagerten Leistungen determiniert. Häufig reicht es deshalb nicht, beim tatsächlich fühlbaren Element anzusetzen und bei den letztverantwortlichen Mitarbeitern die Erfüllung des Markenversprechens einzufordern. Nur wenn die Systeme und Abläufe im Hintergrund stimmen, hat ein Servicemitarbeiter überhaupt die Chance, markenkonform zu handeln. Das folgende Beispiel illustriert diese Thematik: Der österreichische Lebensmittelhändler „M-Preis“ hat in einem Markenentwicklungsprozess unter anderem „Frische“ als Markenwert konkretisiert. Um in der Obst- und Gemüseabteilung auch tatsächlich frischere Ware zu präsen-
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tieren, wurden die zuständigen Mitarbeiter in den Märkten mit dem frischesten Obst- und Gemüsesortiment über entsprechende Anreizsysteme belohnt (=Druck). Die Mitarbeiter vor Ort konnten Frische aber nur realisieren, in dem sie die angebotene Ware streng prüften und alle zweifelhaften Produkte wegwarfen (=Bekämpfung des Symptoms). Deshalb sank der Ertrag der Frischeabteilung, was wiederum zu negativen Sanktionen von Seiten des Controlling und dadurch zu Mitarbeiterverunsicherung und Demotivation führte (= Verschlechterung). Ein „Weiterschieben“ des Problems zum nächsten in der Wertekette könnte vielleicht durch ein Anreizschema wiederum kurzfristig eine Verbesserung bringen. Eine langfristig befriedigendere Lösung des Frischeproblems ist aber nur durch eine ganzheitliche Betrachtung des gesamten Wertbereitstellungsprozesses in den Griff zu bekommen. Sie erstreckt sich von der Auswahl der Lieferanten über den Ablauf und die Entscheidungskriterien im Einkauf, über die Art und Geschwindigkeit der gesamten Logistik für Frischeprodukte sowie dessen Controlling. Nicht nur der unmittelbare Einkaufs- und Warenbereitstellungsprozess ist relevant. Da die Ware im Laden nur frisch bleibt, wenn die Temperatur nicht zu hoch ist oder ein unmittelbarer Lichteinfall im Frischebereich ausgeschlossen ist, gibt es zum Beispiel auch architektonische Anforderungen (Größe und Platzierung von Fensterflächen), die unmittelbar die „Frische“ von Obst und Gemüse betreffen und bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden sollten. Eine Vielzahl an Prozessen muss hinterfragt und möglicherweise die komplette Struktur der Zusammenarbeit neu gestaltet werden, um den Wert „Frische“ zu garantieren und als Markenkapital wirken zu lassen.
2.3 Implementierung durch Bearbeitung aller Strukturdimensionen eines sozialen Systems Im Folgenden werden Strukturdimensionen herausgearbeitet, die für die Analyse und Gestaltung sozialer Systeme einen Rahmen darstellen und deren
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379
vielschichtiges Zusammenwirken illustrieren. Den Ausgangspunkt dafür bildet die soziologische Theorie der Strukturierung von Giddens (1997). Nach Giddens zeigen sich Strukturen als unerkannte Handlungsbedingungen und realisieren sich als die nicht antizipierten Folgen menschlichen Handelns. Quasi hinter dem Rücken der Akteure bestimmen sie das Handeln derselben (Walgenbach, 1995). Die Theorie basiert auf der Grundannahme, dass Menschen ihre Wirklichkeit im sozialen Zusammenleben mit anderen Menschen selbst konstruieren und, in der Sprache von Senge (2006), mentale Modelle entwickeln. Struktur im Gidden´schen Sinne bedeutet nicht nur Organisationsstruktur in der Form von definierten Abläufen oder Aufgaben, sondern die grundlegenden Prinzipien, die das Zusammenleben von Mitgliedern sozialer Systeme regeln und kennzeichnen. Regeln und Ressourcen, die in die Produktion sozialen Handelns einbezogen sind, stellen die Mittel der Systemreproduktion dar, die durch Interaktion ihre soziale Wirklichkeit erlangen. Struktur als rekursiv organisierte Regeln und Ressourcen begründen die identische Reproduktion von sozialen Praktiken über unterschiedliche Spannen von Zeit und Raum hinweg. Giddens unterscheidet drei Typen von Strukturen, die Interaktionen und soziale Realitäten bedingen (von Wallpach, Mühlbacher, 2007, Walgenbach, 1995). Diese Strukturen sind nur indirekt über ihre Manifestationen beobachtbar.
Signifikationsstrukturen spiegeln wider, wie sich Sinn und ein gemeinsames Verständnis entwickeln, und manifestieren sich in Regeln oder Interpretationsmustern der Realität. Sie entstehen und leben hauptsächlich durch Kommunikation. Legitimationsstrukturen betreffen Rechte und Pflichten und sind mit der Sanktionierung sozialer Verhaltensweisen verbunden. Sie existieren in der Form von Normen und kollektiven Handlungserwartungen. Herr-
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schaftsstrukturen ermöglichen Macht, die einzelne Akteure über andere ausüben können, und ergeben sich durch die Zugriffs- bzw. Umgestaltungsmöglichkeiten auf allokative oder autoritative Ressourcen.
Abbildung 2: Dimensionen von Struktur gemäß Giddens Quelle: Wallpach, Mühlbacher, 2007
In den Interaktionsprozessen der sozialen Akteure sind Kommunikation, Ausübung von Macht und Sanktion (Bewertung von Verhalten) fest miteinander verwoben, indem sie bestimmte Deutungsschemata, Normen und andere Fazilitäten mobilisieren, die Giddens in ihrer Gesamtheit als „Vermittlungs-Modalitäten“ bezeichnet. Modalitäten beziehen sich auf die Vermittlung zwischen Interaktion und Struktur, sie sind die Repräsentanz der Strukturelemente auf der Ebene des handelnden Subjektes. Aus diesen Ausführungen schließen die Autoren, dass ein Wandel des Systems nicht einfach aber möglich ist, indem sich die einflussreichen Akteure der unterschiedlichen Strukturebenen und ihrer Interdependenzen (der „unerkannten Handlungsbedingungen“) bewusst werden und konsistente Handlungen in allen drei Strukturdimensionen setzen, um die Organisation an der ge-
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381
wünschten Markenidentität auszurichten. Vallaster, de Chernatony (2006) verwenden das Giddens´sche Strukturierungsschema zur Konzeptionierung von Aktivitäten zur internen Markenführung. Ausgehend davon beschäftigen sie sich mit „leadership“ in der internen Markenführung, knüpfen aber in der empirischen Untersuchung nur vage an das Schema an. In Kapitel 2.4. verwenden die Autoren die Gidden´schen Strukturdimensionen und deren Zusammenspiel, um die Aktivitäten bei der markenorientierten Ausrichtung einer Organisation anhand eines Beispiels aus dem Lebensmittelhandel zu diskutieren.
2.4
Veränderung von Strukturdimensionen am Beispiel „M-Preis“
Den Ausgangspunkt bildet die Ausgestaltung des Markenwertes „formale
Ästhetik“, dessen Inhalte in der Markenidentitätsentwicklung des Lebensmittelhändlers „M-Preis“ erarbeitet und konkretisiert wurden (siehe Abb. 3). Ein definiertes Prinzip der „formalen Ästhetik“ ist das Erzeugen eines „ruhi-
gen, harmonischen Erscheinungsbildes“, dessen Umsetzung ausgehend vom Zustand vor der Umsetzung dieses Markenwertes in Abb. 4 dargestellt ist.
Die 6 Prinzipien der Formalen Ästhetik Moderne/zeitgeistige Architektur
Sinnlichkeit durch „kunstvolle“ Gestaltung
Blick-, Bewegungs- & Kommunikationsfreiheit
Funktionelle, nicht verspielte, leichte Materialien
Ruhiges & harmonisches Erscheinungsbild
Minimalismus - Reduktion auf das Wesentliche
Abbildung 3: Konkretisierung des zentralen Markenwertes „formale Ästhetik“
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Ruhiges & harmonisches Erscheinungsbild vorher
Die lagerartige Präsentation der Getränke entsprach nicht dem Prinzip
nachher
Die klare und geradlinige Regal-Gestaltung sowie die Blockpräsentation der Getränke sichern ein sehr ruhiges & harmonisches Erscheinungsbild.
Abbildung 4: Umsetzung eines ruhigen, harmonischen Erscheinungsbildes im Getränkebereich
Betrachtet man nun mit der Gidden´schen Brille, wie es möglich ist, einen M-Preis Markt vom wahrgenommenen Ist-Zustand in den markenkonformen Zustand zu verändern, sind Änderungen bei allen drei Strukturtypen erkennbar. Durch Kommunikation wurde die inhaltliche Bedeutung von „Ästhetik“ bei M-Preis und von einem „ruhigen, harmonischen Erscheinungsbild“ im Besonderen vermittelt. Ein Verständnis für diese Inhalte ist Voraussetzung für eine Identifikation mit den neuen Gestaltungsprinzipien. Die Identifikation ist notwendig, damit die Vielzahl von Veränderungen, die zur Umsetzung der neuen Ästhetik notwendig sind, nicht blockiert, sondern mitgetragen werden und eine kritische Menge an Mitarbeitern, die sich aktiv am Wandel beteiligen, entsteht. Weit verbreitetes Verständnis ist wichtig, weil die Werte auch externen Kooperationspartnern mit den unterschiedlichsten Aufgabenprofilen vermittelt werden müssen (z. B. (Innen-)Architekten, Logistikunternehmen, Regalbauern…). Eine einmalige „Wertevermittlungsaktion“ ist nicht in der Lage, ein nachhaltiges Verständnis und eine Identifikationswir-
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kung zu entfalten. Für das Lernen und Internalisieren von neuen Werten ist die kontinuierliche Thematisierung bei neuen und bestehenden Mitarbeitern notwendig. Insofern ist es notwendig, bestehende Signifiktionsstrukuren ganz neu zu entwickeln und bewusst Interpretationsmuster im Sinne der Marke zu gestalten. Bei M-Preis waren in einem ersten Schritt mehrere Hundert Mitarbeiter eingeladen im Rahmen einer kleinen Feier eine neue Filiale, bei der die neue Ästhetik als Pilotprojekt realisiert wurde, zu besichtigen. Die Teilnehmer absolvierten gruppenweise einen „Filialparcours“, bei dem sie auf Unterschiede zwischen der traditionellen und der neuen Ladengestaltung aufmerksam gemacht und für die neuen Elemente sensibilisiert wurden. In weiterer Folge gab es Schulungen zur „formalen Ästhetik“. Das Modul wurde von der Personalentwicklung mit externer Expertenunterstützung entwickelt und im Rahmen eines Train-the-Trainer-Ansatzes zunächst Filialbetreuern vermittelt, die dann die Marktleiter trainierten. Diese wiederum trainierten die Inhalte mit ihren Mitarbeitern. Da sich die bis dahin unbewusst existierenden Vorstellungen zur Ladengestaltung in fast allen Prozessen des Ladenmanagements wiederfanden, war es notwendig, parallel zur inhaltlichen Vermittlung der neuen Ästhetik auch organisatorische Veränderungen durchzuführen. Der Einsatz von Machtmitteln im weiteren Sinne spielte dabei eine wichtige Rolle. Einerseits wurden die bestehenden allokativen (finanziellen und personellen) Ressourcen neu verteilt, was im Gidden´schen Sinne einer Veränderung der Herrschafts-
strukturen entspricht. Andererseits wurden autoritative Ressourcen neu gestaltet, um neue Legitimationsstrukturen zu ermöglichen. Abb. 5 zeigt die Fülle an Prozessen, die bei M-Preis verändert werden mussten, um eine ruhig und harmonisch anmutende Warenpräsentation in einer einzigen Zone
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des Ladens, dem Bereich von Bier und alkoholfreien Getränken, zu erreichen.
Ausrichtung aller Prozesse und Verhalten an den Kontaktpunkt-Vereinbarungen
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Die klare und geradlinige Regal-Gestaltung sowie die Blockpräsentation der Getränke sichern ein sehr ruhiges & harmonisches Erscheinungsbild.
Abbildung 5: Auswirkung von Kontaktpunktveränderungen auf Strukturen und Prozesse
Ein wesentlicher Knackpunkt bei der Implementierung der neuen Form der Warenpräsentation war der „Spaceman“, eine Software, die den Waren Regalplätze im Laden zuordnete. Diese Zuordnung erfolgte nach einer Reihe von Kriterien ohne Berücksichtigung von optischen oder ästhetischen Aspekten. Um ein ruhiges und harmonisches Erscheinungsbild zu erreichen, spielte die Warenoptik aber selbstverständlich eine wichtige Rolle. Neuartige Platzierungskriterien, eine andere Gewichtung von Kriterien und ladenspezifische Einflussfaktoren mussten berücksichtig werden, um das gewünschte Erscheinungsbild zu erzielen. Das war nur erreichbar durch eine umfassende Umprogrammierung der Software. Neue Kriterien für die Zuordnung von
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Plätzen im Regal wurden definiert und auf dieser Basis wurden die Plätze neu zugeteilt. Die dafür notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen mussten zur Verfügung gestellt werden. Ohne die Zuteilung von Ressourcen hätte die Identifikation mit dem neuen Markenwert noch so hoch sein können, ein sichtbarer Effekt am Kontaktpunkt wäre nicht erreichbar gewesen. Auch in anderen Breichen war die Reallokation von Ressourcen erforderlich um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. So wurde es z. B. notwendig, ein neues Regalsystem ausfindig zu machen bzw. in diesem Fall sogar eigens zu entwickeln, um die gewünschte Optik zu erzielen. Neue Wege, um gewünschtes Verhalten zu fördern, und Handlungen, die die harmonische Präsentationsweise der Ware gefährden, zu sanktionieren, wurden gleichzeitig mit den zuvor beschriebenen Aktivitäten in vielen Bereichen eingeführt. Sie stellen eine Neuausrichtung der Legitimationsstrukturen dar. Detaillierte Rechte und Pflichten (z. B. Checklisten) wurden ausgearbeitet, die Auswirkungen auf die Tätigkeitsbereiche von Regalbetreuern, den verantwortlichen Marktleitern und dem Verkaufspersonal hatten. In der Umsetzung musste die Personalentwicklung neue Wege in der Vermittlung des veränderten Aufgabenspektrums beschreiten. Um ein Zurückfallen in alte Muster nach dem Abebben der ersten Markeneuphorie zu verhindern, war es notwendig auch die Erfolgskontrolle und das Controllingsystem an den Markenwerten zu orientieren und nicht durch alte Parameter alte Verhaltensweisen zu fördern.
3 Ansätze und Techniken zur Implementierung von markeninduzierten Veränderungen in Organisationen Im vorangegangenen Abschnitt wurde dargestellt, wie komplex die Implementierung einer Markenidentität in Organisationen bzw. die Transformation von Markenwerten in konkrete Erlebnisse an Kontaktpunkten ist. Die Unter-
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schätzung der Komplexität und das Vernachlässigen einzelner Hebel führen dazu, dass Veränderungsprojekte scheitern. Eine Markenimplementierung, die allein die Prozesse der Signifikation betrifft, also Markenwerte vermittelt, und darauf baut, dass sich die entsprechenden Handlungen von selbst einstellen, führt immer wieder zu einem „Knowing-Doing-Gap“ (Pfeffer, Sutton, 2004). Wenn interne Kommunikation von Markenwerten ohne Reallokation von Ressourcen oder Sanktionen initiiert wird, scheitern die Veränderungsbestrebungen an den Realgegebenheiten, wie gewohnten Abläufen und gewohnten sozialen Praktiken. Sowohl das Tempo als auch die Art und Weise der Umgestaltung der Organisation sind deshalb kritisch für eine nachhaltige Umsetzung und werden im Folgenden diskutiert.
3.1 Revolutionäre oder evolutionäre Ausrichtung des Unternehmens am Kontaktpunkterlebnis? In der Entwicklung einer Markenidentität spielen oft Werte eine zentrale Rolle, die bereits in der Vergangenheit des Unternehmens wichtige Erfolgskomponenten dargestellt haben oder in einzelnen Tätigkeitsbereichen bereits gelebt werden. In vielen Fällen agieren Unternehmen aber nur unbewusst und deshalb unvollständig entsprechend typischen Erfolgsmustern. Oft mangelt es auch an der Interpretation der Werte im aktuellen soziokulturellen und marktspezifischen Kontext und an Überlegungen, wie sich Werte im Tagesgeschäft manifestieren könnten. Die inhaltliche Vermittlung von recht allgemeinen, austauschbaren Markenwerten hat deshalb weniger revolutionären Charakter als deren Konkretisierung und Umsetzung. In einem ersten Schritt geht es um eine Bewusstseinsveränderung bei den Mitarbeitern von Organisationen und darum, einen nuancenreichen Veränderungsbedarf am Kontaktpunkt zu erkennen. In weiterer Folge geht es dann um die tatsächliche Umsetzung der Veränderung am Kontaktpunkt und um die Ausrichtung aller unterstützenden Prozesse im Hintergrund auf die Realisierung des Kontaktpunkterlebnisses.
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Ein neues Bewusstsein für die Markenwerte bildet die Grundlage für eine sensibilisierte Wahrnehmung in Bezug auf die Erlebbarkeit von Werten. Die notwendigen Veränderungen im spürbaren Ergebnis sind oft nur Kleinigkeiten, die aber im richtigen Kontext eine enorme Wirkung entfalten können. Die Lernfähigkeit und der Lernprozess der Organisation sind deshalb wesentliche Aspekte bei der Bewusstwerdung und Implementierung von Markenwerten. Wenn Gruppen von Menschen ein neues Verständnis für Werte, eine gesteigerte Wahrnehmungsfähigkeit für diese Werte sowie neue Routinen, Prozesse und auch Kompetenzen entwickeln sollten, bedarf es an Zeit zum Internalisieren, Experimentieren, Nachdenken, Diskutieren und Testen (vgl. De Wit, Meyer, 2004, S.173). Demnach sollte eine Markenimplementierung als evolutionärer Prozess, der die gesamte Organisation mit einbezieht, konzipiert werden. Auch wenn am eigentlichen Kontaktpunkt oft nur sogenannte Kleinigkeiten eine große Wirkung entfalten, ist im Hintergrund eine Fülle von organisatorischen Veränderungen notwendig. Alle Unternehmensprozesse sollten sich uneingeschränkt an diesen Erlebnissen ausrichten und diese aktiv unterstützen. Die Umwidmung von Ressourcen sowie die Neubewertung und Umgestaltung von Tätigkeiten werden notwendig. Die Komplexität der Umsetzung einer Markenidentität (siehe Kapitel 2.2. bis 2.4.) verlangt, dass parallel Maßnahmen auf unterschiedlichen Strukturebenen und bei vielen Elementen des komplexen Systems „Unternehmen“ greifen, damit die faktische Schärfung des Markenprofils gelingt. Deshalb sind in der Implementierung einer Markenidentität durchaus auch Phasen, Arbeitsstrukturen und Handlungen der Unternehmensführung hilfreich, die einen „revolutionären“ Charakter haben und Entwicklungsschübe ermöglichen.
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Die Aktivitäten im Rahmen der Implementierung der Markenidentität sollten also die gleichzeitige und schnelle Weiterentwicklung an vielen Punkten des Systems und trotzdem den Raum für individuelle und organisationale Lernerfahrungen berücksichtigen.
3.2 Mentale Modelle erkennen und hinterfragen Eine Grundvoraussetzung für organisationale Lernerfahrungen und damit die Veränderbarkeit eines sozialen Systems besteht darin, zunächst einmal implizit vorhandene mentale Modelle, die sich in Strukturen und im Regelfall nicht hinterfragten Alltagsroutinen von Unternehmen äußern, zu erkennen und offen zu legen (Senge, 2006, p. 58). Mentale Modelle sind vereinfachende Modelle im Kopf eines Menschen, die das reale Geschehen beschreiben und erklären und damit indirekt sein Verhalten steuern (vgl. Krüger, 2006, S. 178). Viele strategische Neuausrichtungen scheitern, weil sie den gefestigten Vorstellungen ganzer Organisationen oder einzelner funktionaler Bereiche widersprechen. Solche mentalen Modelle hängen unmittelbar mit den täglichen Routineaktivitäten und vertrauten, automatisierten Abläufen zusammen, in denen sie sich manifestieren. Um dafür eine Veränderungsbereitschaft zu erreichen, müssen zunächst die grundlegenden Muster, die die Wahrnehmung der Akteure bestimmen, offen gelegt werden. In einem zweiten Schritt können sie dann hinterfragt und in einem dritten Schritt auch geändert werden. Neben gesamtorganisatorischen mentalen Modellen im Sinne von Unternehmenswerten, die nicht immer mit den Markenwerten konform sind, gibt es in funktional gegliederten Organisationen auch funktional unterschiedliche Werte und Prioritäten in einzelnen Unternehmensbereichen. Diese schlagen sich oft in funktional optimierten Strukturen nieder. Sowohl das Verständnis für Gesamtzusammenhänge ist dadurch erschwert als auch die Bereitschaft, Strukturen neu auszurichten, wenn die Auswirkungen „nur“ an anderer Stelle und nicht im eigenen Einflussbereich einen positiven Effekt haben. Prozess-
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orientierte Organisationsformen oder ein aktives und intensives Schnittstellenmanagement (Deswamp and Jobber, 2000) erleichtern deshalb die Implementierung von Markenwerten. Ein weit verbreitetes mentales Modell in funktional gegliederten Organisationen ist die Sichtweise, dass „Marke“ etwas für die Marketingleute ist und sie nicht weiter betrifft. Wie im M-PreisBeispiel gezeigt wurde, ist aber auch die Kooperation von allen anderen Bereichen notwendig, um eine spürbare Veränderung zu bewirken. Deshalb ist eine zentrale Herausforderung und notwendige Voraussetzung für eine nachhaltige Markenimplementierung der Einschätzung „mangelnder Relevanz“ entgegenzuwirken (Senge, 2000), indem Zusammenhänge aktiv demonstriert und aufgearbeitet werden. Die folgenden Ansätze haben sich bei der Implementierung von Markenidentität bewährt und ermöglichen sowohl Lernerfahrungen als auch unmittelbares, vernetztes Agieren.
3.3 Reflexion mit Handlung verbinden Unabhängig vom Tempo der Umgestaltung der Organisation bei der Implementierung einer Markenidentität ist es wichtig, Reflexion mit aktiven Handlungen zu verbinden. Wenn Mitarbeiter gelernte Inhalte, wie z.B. Markenwerte, nicht unmittelbar am eigenen Arbeitsplatz anwenden und praktische Unterschiede in ihren Tätigkeiten beobachten können, geraten sie schnell in Vergessenheit (Senge, 2000). Aufbauend auf diesen Erkenntnissen haben sich Lernformen entwickelt, die von realen Fragestellungen im Unternehmen ausgehen. Die konsequente Weiterverfolgung und unmittelbare Lösung von Aufgabenstellungen hilft, organisationalen und systemischen Wandel zu bewerkstelligen und Markenwerte nachhaltig in Organisationen zu verankern. Diese Erkenntnisse wurden im Action Learning (Ravens, 1982) und im Whole-Scale-Ansatz (Dannemiller Tyson Associates, 2000) in Instrumente für die gezielte Weiterentwicklung von Organisationen übertragen.
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3.3.1 Action Learning Beim Action Learning werden komplexe, reale Probleme zugunsten Dritter im Unternehmen gelöst, wobei unterschiedliche Lernpartner von- und miteinander lernen (Donnenberg, 1999). Die Lerngruppen werden heterogen zusammengesetzt, um die Mitglieder zu befähigen, einander „dumme“ Fragen zu stellen und kreative Lösungen zu finden. Teilnehmer wird, wer die Initiative für eine Problemlösung ergreift und wer freiwillig daran mitarbeiten will. Die Gruppe sucht sich einen Auftraggeber, der als „Problemeigentümer“ lebhaft an der Lösung des Problems interessiert ist, und einen Programmträger, der die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellt. In der Action-LearningStruktur ist weiters ein Förderer vorgesehen (z. B. eine höherrangige Führungskraft), der das Projekt im Unternehmen und Arbeitsgeschehen adäquat positioniert. Wichtig im Ablauf von Action-Learning-Projekten sind institutionalisierte Reflexionsrunden. Ihr Ziel ist unter anderem auch die „innerliche Programmierung“, die stillschweigenden und oft unbewussten Annahmen und Auffassungen, die das Tun steuern, zu ergründen und damit auch ein Doppelschleifenlernen (Argyris, 1997) zu ermöglichen. Für die identitätsorientierte Entwicklung einer Organisation ist dieser Ansatz wertvoll, da durch die Arbeitsstruktur das Thema der mentalen Modelle aufgegriffen wird. Auch dem Charakter eines komplexen sozialen Systems mit seinen verwobenen Interaktionsstrukturen wird durch die heterogene Zusammensetzung der Action-Learning-Gruppen und durch den Einbezug von Führungskräften in unterschiedlichen Rollen Rechnung getragen. Die folgende Erweiterung des Action-Learning-Ansatzes zeigt, wie ein gesamtorganisatorischer Wandel eingeleitet werden kann, indem simultan und vernetzt viele Action-LearningGruppen eine Vielzahl von Themenstellungen bearbeiten.
Markenorientierter Wandel in Organisationen
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3.3.2 Whole-Scale Ansatz Eine Weiterentwicklung des Action Learning stellt der Whole-Scale-Ansatz der Dannemiller Tyson Associates dar (Dannemiller Tyson Associates, 2000). Diese Gruppe systemischer Berater hat eine Methodik entwickelt, wie Action Learning auf Großgruppen übertragen werden kann, um einen „Real Time Strategic Change“ von Organisationen zu erreichen. Durch den Einbezug von einem „repräsentativen Subset“ oder „Mikrokosmos“ der Organisation, der sich parallel mit grundlegenden Veränderungen und der Implementierung von Neuerungen auseinandersetzt, kann ein vergleichsweise schneller Wandel herbeigeführt werden. Trotz des schnelleren Tempos wird der Wandel durch individuelle und kollektive Einsicht, also Lernen, und trotz der Komplexität eines sozialen Systems möglich. Der „Mikrokosmos“ kann auch wichtige externe Stakeholdergruppen enthalten und repräsentiert die DNA der Organisation. Dieser Mikrokosmos arbeitet aktiv an der Strategieentwicklung und -implementierung und kann auf Grund seiner Zusammensetzung das ganze System und seine Funktionsweise erkennen und nicht nur Teilausschnitte. Deshalb erzielt er bessere Ergebnisse als „Expertengruppen“. Die Projektstruktur sieht Gruppen unterschiedlicher Größe mit unterschiedlichen Teilaufgaben vor, die sich immer wieder vernetzen und im Projektverlauf auch neu zusammensetzen. Wichtig ist die Mischung von Kleingruppenaktivitäten und Großgruppenevents. In der Umsetzung werden Erfolgsfaktoren laufend erarbeitet und überprüft. Die Bearbeitung erfolgt anhand von 6 Schlüsselfragen („Stars of Sucess“, vgl. Dannemiller Tyson Associates, 2000, S. 29), die alle Gidden`schen Strukturdimensionen enthalten und damit das ganze Organisationssystem in Schwung bringen. Durch die gemeinsame Entwicklung der Strategie im Mikrokosmos und die schnelle Umsetzung einzelner Aspekte durch die ganzheitliche Bearbeitung, sehen die Mitarbeiter schnell Erfolge bei der Umgestaltung. Diese Erfolge durch befähigte Mitar-
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beiter entwickeln eine eigene Kraft und Dynamik und sind dadurch im Regelfall stärker als Widerstand gegen den Wandel.
4 Starke Marken – so fern und doch so nah? Die Ausführungen dieses Beitrages hatten das Ziel, zu veranschaulichen, dass nachhaltiges Markenmanagement ein umfassendes Change Management mit sich bringt, das die gesamte Organisation umfasst. Um eine starke Marke aufzubauen, ist es nicht ausreichend, gute und markenzentrierte Kommunikation durchzuführen. In jedem Erlebnis mit der Marke sollten die Markenwerte spürbar und erlebbar werden. Die folgende Darstellung zeigt einen Überblick über die einzelnen Bausteine einer nachhaltigen Implementierung von Markenidentität.
Markenidentität entwickeln Erkennen der Notwendigkeit Erarbeiten der Kernw erte
Markenw erte verm itteln Interne Kom m unikation (Internal B randing) Vorle be n d ur ch F üh ru ng skräfte P ersonalentwicklung
Ko ntaktpu nkterleb nisse kon kretisieren Wahrnehm ung schärfen V er ha lten ä nde rn (Be h avio u ral B ra ndin g ) P ersonalentwicklung
Strukturen und Prozesse neu ausrichten M entale M odelle aufdecken Resso ur ce n umverte ilen Be wer tu ng sm aß stäb e ä nd er n
Abbildung 6: Bausteine einer nachhaltigen Markenimplementierung
Den Ausgangspunkt bildet die Entwicklung einer Markenidentität, die in diesem Beitrag nicht weiter beleuchtet, sondern als gegeben vorausgesetzt wur-
Markenorientierter Wandel in Organisationen
393
de. Die Implementierung beginnt mit der breiten Vermittlung von Markenwerten. Ziel dieses Schrittes ist es, Mitarbeiter mit den Werten vertraut zu machen und ihre Identifikation mit den Grundprinzipien der Marke zu erreichen. Dieses „Internal branding“ ist eine Voraussetzung für markenorientierten Wandel, aber noch lange nicht genug. In einem weiteren Schritt werden die Markenwerte konkretisiert und in spezifische Erlebnisse transformiert. Dabei spielen das Verhalten der Mitarbeiter aber auch die „materielle“ Konzeption von Kontaktpunkten eine wesentliche Rolle. Um das konzipierte Erlebnis sowohl in Form von Mitarbeiterverhalten als auch in sonstigen Erscheinungsformen der Marke zu einem tatsächlich realisierten Erlebnis zu machen, ist die Unterstützung aller Strukturen und Prozesse notwendig. Die Erarbeitung der spezifischen Ausprägungen der einzelnen Kontaktpunkte in einem Mikrokosmos des Unternehmens erleichtert im Rahmen geeigneter Arbeitsstrukturen die notwendige Überarbeitung der Unternehmensroutinen. Gerade die Umgestaltung der Abläufe und Organisationsstrukturen stellt die größte Herausforderung für die Markenimplementierung dar und bedarf eines nachhaltigen Veränderungsmanagements mit evolutionärem Charakter aber revolutionären Schüben. Der Aufbau einer starken Marke umfasst die Organisation in allen Teilbereichen und geht an die „Substanz“ des Unternehmens. Signifikation, Legitimation und Herrschaftsstrukturen sind betroffen und müssen wie Zahnräder ineinander greifen. Nur wenn die Bereitschaft vorhanden ist, die gesamte Struktur im erweiterten Sinn neu auszurichten, kann die Marke Kraft entfalten und bleibt nicht im Mittelmaß stecken. Der Aufbau einer starken Marke, die begehrlich für Konsumenten ist und ein leuchtendes Vorbild für andere Unternehmen darstellt, benötigt Mut und Durchhaltevermögen. Das Ziel dieser Ausführungen war es, zu einer realistischen Einschätzung dieser Aufgabe
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Günther Botschen / Christine Kittinger-Rosanelli
beizutragen und Unternehmen zu ermutigen, sich dieser Herausforderung zu stellen.
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Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur Erfolgsfaktoren für Veränderungsprozesse?
Claudia Müller, Christian Peham, Margit Raich
1
Einleitung......................................................................................... 398
2
Change Management ....................................................................... 399
3
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur .............. 407
3.1
Der Change Agent ........................................................................... 407
3.2
Der Change Leader .......................................................................... 409
3.3
Der Change Entrepreneur ................................................................ 412
4
Change Managemet am Beispiel eines Energieversorgungsunternehmens .................................................. 415
5
Zusammenfassung und Ausblick ..................................................... 423
Literaturverzeichnis ................................................................................... 425
398
Claudia Müller / Christian Peham Margit Raich
1 Einleitung „Panta rhei.“ Alles ist in Fluß (Heraclitus/Snell 2004) - diesem Dogma folgend gewann Change Management (CM) Mitte der 1990er zunehmend an Popularität und verschiedenste Restrukturierungsinitiativen aus Industrie, Dienstleistung und Verwaltung versuchten, unter dem gemeinsamen Label „Business Reengineering“ mittels effizienteren und kundenorientierten Strategien und Strukturen eine Antwort auf die intensivierte Wirkung von marktpolitischen Mechanismen zu finden. Der ersten Euphorie folgte alsbald jedoch die Ernüchterung angesichts der ersten Ergebnisse, da die Transformation vom Ist-Zustand zum Soll-Zustand weniger von der Skizzierung neuer Prozessabläufe und Strukturen abzuhängen schien, als vielmehr vom Faktor Mensch. Dies betrifft zum einen die für das Change Management verantwortlichen Führungskräfte als auch die vom CM betroffenen Mitarbeiter – sei es, dass sie in den CM Prozess involviert sind
und/oder
die
Konsequenzen
desselben
zu
tragen
haben
(Al-Ani/Gattermeyer 2001). In diesem Beitrag wird im ersten Teil das Thema Change Management behandelt, gefolgt von der Diskussion der Rolle der Führungskraft im ChangeManagement-Prozess im zweiten Teil. Dies wird anhand von drei verschiedenen Rollenkonzepten aufgezeigt. Vor allem wird dabei auf die möglichen Rollenverständnisse der Führungskraft - als der des Change Agents, des Change Leaders sowie des Change Entrepreneurs - eingegangen. Vorhandene Differenzierungsmerkmale sowie mögliche Überschneidungen dieser Rollen werden dargestellt. Die Verhaltensweisen der Mitarbeiter im ChangeManagement-Prozess werden sowohl auf der formellen als auch auf der informellen Ebene durch die verantwortliche Führungskraft entscheidend be-
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur
399
einflusst. Vor dem Hintergrund dieses Definitionsrahmens wird letztendlich auf die Bedeutung des Change Leadership fokussiert, wobei die unterschiedlichen Facetten eines solchen Führungsverständnisses im CM als Erfolgsfaktor dargestellt werden. Basiert der erste Teil dieses Beitrags auf einer Literaturrecherche, die sowohl Theorie als auch Managementpraxis gleichermaßen berücksichtigt, so konzentriert sich der zweite Teil des Beitrages auf die Präsentation einer Fallstudie. Daraus ableitend soll die Bedeutung des Change Agents, Change Leaders und Change Entrepreneurs diskutiert und in der Folge jene Parameter und Erfolgsfaktoren aufgezeigt werden, die ein erfolgreiches Change Management ermöglichen und sichern.
2 Change Management Tätigkeiten in Organisationen unterliegen einem ständigen Wandel, Organisationen
müssen
sich
auf
Grund
der
stets
wechselnden
Rahmenbedingungen anpassen und verändern. Die dabei von Unternehmen geforderte Flexibilität steigt, je unterschiedlicher sich die Anforderungen des Marktes gestalten. Bedingt durch die Unterschiedlichkeit dieser Anforderungen
präsentieren
sich
Veränderungsprozesse,
die
in
Unternehmen angestoßen werden, auch in sehr ausdifferenzierter Form. Zwar ist jeder Veränderungsprozess durch einen individuellen Verlauf als auch durch darin enthaltene unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte charakterisiert, nichtsdestotrotz lassen sich für Veränderungsprozesse dennoch grundlegende Gemeinsamkeiten identifizieren. Im Wesentlichen können
Veränderungsprozesse
dabei
zumindest
nachstehenden Ebenen zugeordnet werden:
Veränderungen in der Aufbauorganisation Veränderungen in der Ablauforganisation und
einer
der
drei
400
Claudia Müller / Christian Peham / Margit Raich Veränderungen im sozialen Gefüge und Arbeitsverhalten (Stolzenberg/Heberle, 2006)
im
persönlichen
Unabhängig davon, welcher Ebene die anstehenden Veränderungsprozesse angehören, einschneidende Eingriffe in die Organisation sind vorprogrammiert. Damit stellt in der Folge ein adäquates Management dieser Transformationsprozesse eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die gesamte Unternehmung dar – sowohl die Führungsebene als auch die einzelnen Mitarbeiter sind davon gleichermaßen betroffen und in den Prozess zu involvieren. Um in diesem Sinne dieser anstehenden Aufgabe gezielt begegnen zu können, bedarf es vorab eines entsprechenden Verständnisses dafür, was Change Management und die dabei eingesetzten Instrumente in letzter Konsequenz für eine Unternehmung bedeuten. Definitionen für Veränderungsmanagement bzw. Change Management (CM) lassen sich hierfür in der betriebswirtschaftlichen Literatur unzählige finden. Für diesen Beitrag scheint die folgende den geeigneten Rahmen zu bilden: „Unter Change Management werden alle Maßnahmen subsumiert, die zur Initiierung und Umsetzung von neuen Strategien, Strukturen, Systemen und Verhaltensweisen notwendig sind. Vordergründiges Thema des Change Management sind also weniger die Techniken zur Planung neuer Strategien – wie etwa die Portfolioanalyse – oder das Design neuer Geschäftsprozesse als vielmehr Maßnahmen, die sicherstellen, dass neue Strategien und Strukturen überhaupt initiiert werden und in weiterer Folge umgesetzt werden können. (…) So gesehen beschäftigt sich Change Management schwerpunktmäßig weniger mit dem detaillierten Entwurf von Sollzuständen; es hat vielmehr die Erhöhung der Veränderungsbereitschaft und das Skizzieren von Visionen als Voraussetzung zum Design neuer Lösungen sowie deren nachfolgende Umsetzung zum Inhalt.“ (Al-Ani/Gattermeyer, 2001, S.14)
Ausgehend von dieser generischen Definition des Change Management kann man auf eine Vielzahl von CM - Konzepten blicken, die „Rezepte“ für
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur
401
die erfolgreiche Umsetzung von Veränderungsprozessen vorschlagen. Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, detailliert die einzelnen Konzepte vorzustellen, zumal sich die Inhalte größtenteils decken. Als Unterscheidungsmerkmal kann im Wesentlichen die Einteilung in die jeweiligen Phasen identifiziert werden, man sieht sich einer Bandbreite an Phasenmodellen gegenüber, die von drei bis acht Phasen reichen. Für die gegenständliche Thematik dieses Beitrags erscheint es daher zweckdienlicher zu sein, sich als Grundlage für weitere Überlegungen eines Rahmenkonzeptes für Veränderungsprozesse zu bedienen, das vor allem den inhaltlichen Bezugsrahmen zu bilden vermag. Als solches scheint insbesondere das 3W- Modell von Krüger (Abbildung 1) geeignet. „Unternehmenswandel bewegt sich immer in einem Spannungsfeld von Wandlungsbedarf, Wandlungsbereitschaft und Wandlungsfähigkeit (‚3W-Modell’). (…)Ausgangspunkt jedes Wandels ist der Wandlungsbedarf, gleichgültig, ob er durch externe Entwicklungen, z. B. in Markt und Wettbewerb, oder durch interne Prozesse, z. B. M & A-Vorhaben, ausgelöst wird. Das Ziel des jeweiligen Vorhabens ist es, diesen Bedarf durch geeignete Maßnahmen zu decken. Die Wandlungsbereitschaft bezeichnet demgegenüber die Akzeptanz der Ziele und Maßnahmen des Wandels seitens der am Wandlungsprozess beteiligten bzw. von ihm betroffenen Personen und Organisationseinheiten. Die Wandlungsfähigkeit als dritte Koordinate umfasst die Kenntnisse und Erfahrungen der beteiligten Personen und Einheiten im Umgang mit Wandel“ (Krüger, 2007, S.197).
Als einfaches, aber altbewährtes Modell für Veränderungen ist beispielhaft das 3-PhasenModell von Kurt Lewin (1947) erwähnenswert. Wie der Name schon verrät, erfolgen nach diesem Konzept Veränderungen in Organisationen in drei Phasen, dem ‚Unfreezing’, dem ‚Changing’ und dem ‚Refreezing’; Baumgartner et al. (2006) empfehlen eine vierphasige Implementierung; Krüger (2007), Heitger und Doujak (2002) oder auch Graf und Jordan (2002) sprechen sich für fünf Phasen aus; Greiner (1967) beschreibt sechs Phasen, Kostka und Mönch (2006) erläutern sieben und Kotter (1996) schlägt ein achtstufiges ChangeModell vor.
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Wandlungsbedarf
Wandlungsbereitschaft
Wandlungsfähigkeit
Abbildung 1: Koordinaten des Wandels Quelle: Krüger et al. (2006), S. 157
Diese Koordinaten des Wandels, die, um sie in ihrer gesamten Dimension greifbar machen zu können, von der Unternehmensebene bis auf die Individualebene heruntergebrochen werden müssen, zeigen, dass es vor allem das menschliche Verhalten ist, das in jedem Veränderungsprozess eine zentrale Rolle spielt.
Im Sinne des ‚3W-Modells’ ist es dabei vor allem die vorrangige Aufgabe der Führungskräfte, Wandlungsbedarfe als solche zu erkennen und das Ausmaß der sachlich notwendigen Veränderungen hinreichend bewerten zu können (Krüger, 2007/Stolzenberg, 2006). Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist zuallererst die Frage, ob die konkret zu beurteilende Situation überhaupt Wandlungsbedarf auslöst. Hier sind vor allem Er-
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur
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fahrung, Ausbildung und bedachtes Augenmaß seitens der Entscheidungsträger gefragt, um nicht eventuell objektiv ungerechtfertigt oder zum falschen Zeitpunkt mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.
Als zweite Koordinate des ‚3W-Modells’ wird die Wandlungsbereitschaft ins Treffen geführt. „Sie bezeichnet die Akzeptanz der Veränderungsnotwendigkeiten seitens der Beteiligten und Betroffenen und umschließt die inneren Einstellungen (Einstellungsakzeptanz) gegenüber den Veränderungen sowie die sich im tatsächlichen Verhalten äußernde Verhaltensakzeptanz“ (Krüger, 2007, S.197).
Es sind letztlich die Menschen, die über Erfolg oder Misserfolg organisatorischen Wandels entscheiden. Dementsprechend gilt es auch als oberstes Gebot einer Veränderungsinitiative, den gesamten betroffenen Personenkreis rechtzeitig und lückenlos über die bevorstehenden Maßnahmen in Kenntnis zu setzen. Elemente wie Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Authentizität können prophylaktisch zu den größten Stellschrauben barrierefreien Change Managements werden. Durch die vorzeitige und konsequente Einbindung systembekannter Kritiker und besonders exponierter Mitarbeiter gelingt es ergänzend, dem lauernden Protest bereits frühzeitig und auf behutsame Art den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Wandlungsfähigkeit als dritte Koordinate des ‚3W-Modells’ von Krüger „…ist die auf entsprechenden Potenzialen basierende Möglichkeit (eines Einzelnen, einer Gruppe, einer Organisationseinheit oder des gesamten Unternehmens), Wandlungsprozesse erfolgreich durchführen zu können. … Sie wird von personenbezogenen und sachbezogenen Einflussgrößen bestimmt.“ (Krüger, 2007, S.198)
Wandlungsbedarf, -bereitschaft und -fähigkeit gilt es sowohl auf der Ebene der Führungskräfte als auch auf der der Mitarbeiter zu erkennen und zu er-
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Claudia Müller / Christian Peham / Margit Raich
fassen und im Sinne des beabsichtigten Veränderungsprozesses zu steuern. Inwieweit Mitarbeiter und Führungskräfte in der Lage sind, mit den anstehenden Veränderungen umzugehen, hängt in entscheidendem Ausmaß von eben diesen 3 Koordinaten des Wandels ab und nur durch deren Kenntnis wird es letztendlich gelingen, den gewünschten Wandel auch erfolgreich zu vollziehen.
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur
Strategische Verankerung
TopmanagementUnterstützung
Veränderungsorientierte Unternehmenskultur CM-
Typische Fehler im Change-Management • Keine explizite Verankerung der Veränderung in der Unternehmensstrategie • Mangelnde Berücksichtigung der Veränderung bei der Ressourcenverteilung • Keine Vorgabe von veränderungsorientierten Zielen für die Geschäftseinheiten und die einzelnen Mitarbeiter • Kein bzw. kein einheitliches Verständnis der veränderungsorientierten Strategie seitens der Mitarbeiter • Delegation an Experten, inklusive Rückzug des Topmanagements von der aktiven Unterstützung der Veränderung • Zu späte oder nicht eindeutige Entscheidungen der obersten Unternehmensleitung • Kein Vorleben von veränderungsorientierten Werten durch das Topmanagement (Gehaltserhöhungen bei Entlassungen) • Mangelndes Vertrauen der Mitarbeiter ins Topmanagement • Keine Berücksichtigung der existierenden Unternehmenskultur • Schlechte Vereinbarkeit der Unternehmenskultur und Veränderung • Zu lange Kulturintegration bei Unternehmenszusammenschlüssen • •
Kommunikation
• • •
CM-Planung
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• • • • • • •
Keine strategische Kommunikationsplanung Ungenügende Abstimmung der Kommunikationsmaßnahmen (Entlassungen zuerst über die Presse kommuniziert statt intern) Mangelnde Klarheit, Eindeutigkeit oder Transparenz der Kommunikation Zu späte Kommunikation seitens des Unternehmens (Unsicherheit, Ängste etc.) Einseitige Kommunikation, keine Einbindung der betroffenen Mitarbeiter „Quick Fix“- Mentalität statt strategischer CM-Planung Annahme des linearen Verlaufs von Unternehmensveränderungen (keine Berücksichtigung möglicher ‚Schleifen’) Fehler in der finanziellen, zeitlichen und personellen Ressourcenplanung Keine Nutzung umfassender Informationen (insbesondere bzgl. “weicher“ Faktoren) Vernachlässigung existierender Wechselwirkungen im Unternehmen (z. B. Netzwerke) bzw. zwischen Unternehmen und Umwelt (z. B. Kunden, Lieferanten) Mangelnde Abstimmung zwischen verschiedenen Unternehmenseinheiten bei der CM-Planung Keine Einbeziehung der Kundenperspektive bei der CMPlanung
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CMOrganisation
Claudia Müller / Christian Peham / Margit Raich • • •
CM-Kontrolle
• • • •
Unterstützung
•
durch CM-
•
Agents bzw.
•
Teams Führung im Veränderungsprozess
Veränderungskompetenz der
• • • • • • • •
Mitarbeiter •
Keine bzw. zu langsame Anpassung der Organisationsstrukturen an die Anforderungen der Unternehmensveränderung Keine an die Veränderung angepasste Festlegung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten Keine Anpassung der Prozesse im Unternehmen an die neuen Herausforderungen im CM Keine bzw. ungeeignete Kennzahlen zur Fortschrittskontrolle im Veränderungsprozess Kein systematisches ,zeitnahes und regelmäßiges Monitoring des Erfolgs von Unternehmensveränderungen (z. B. über Meilensteinkontrollen) Zu spätes bzw. wenig Feedback an die Betroffenen Fehler in der Benennung von Zuständigen oder mangelnde organisationale Verankerung der CM-Kontrolle Unzureichende strategische Unterstützung des Veränderungsprozesses durch Change Agents bzw. Change Teams Fehler in der Auswahl von Change Agents bzw. Change Teams Ungenügende Ausstattung der Change Agents bzw. Change Teams mit finanziellen und personellen Ressourcen Überlastung der Führungskräfte: Umsetzung der Unternehmensveränderung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des operativen Geschäfts Keine zeitnahe Weitergabe von Informationen an die Mitarbeiter Unzureichende Motivation der Mitarbeiter Unbefriedigendes Management von Konflikten im Team Mangelnde Kooperation und Kommunikation zwischen Führungskräften verschiedener Unternehmenseinheiten Mangelnder Wille zur Umsetzung der Veränderung Geringe Veränderungsfähigkeit (u. a. Umgang mit Unsicherheiten, hoher Arbeitsbelastung und starkem Zeitdruck) Keine Aktive Umsetzung der Veränderung im Verhalten der Mitarbeiter (Widerstand, Reaktanz) Übertragung von Unsicherheiten und Ängsten auf Kollegen und Kunden
Tabelle 1: Typische Fehler im Change-Management Quelle: Stock-Homburg/Pescher (2008), S. 119
„Change Management darf nicht zur Therapie für wenig selbstsichere Mitmenschen, zum Coaching für eher spärlich selbstbewusste Führungskräfte, zur Kurzweil für ansonsten gelangweilte Manager, zur Ablenkung für inzwischen abgehalf-
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur
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terte Ehemalswichtige, zur Wertschätzung für anderweitig alleingelassene Zeitgenossen werden.“ (Claßen, 2008, S.61)
Tabelle 1 zeigt, wie mannigfaltig die Fehler im Change Management sein können. Bei genauer Analyse dieser typischen Fehler kristallisiert sich eindrücklich heraus, dass es gerade die weichen Faktoren, wie kulturelle Aspekte, Fragen der Führung, Mitarbeiterverhalten, der Umgang mit Konflikten etc. sind, die Change Management zum Erfolg oder Misserfolg führen können. Aus diesem Grund kommt insbesondere der Führungskraft im Change Management Prozess eine entsprechende Rolle zu, da gerade auch das Mitarbeiterverhalten letztendlich in überwiegendem Ausmaß durch die Führung beeinflusst wird. Konsequenterweise resultiert daraus nun die Frage nach der Rolle der Führungskraft, die den Transformationsprozess zu führen und zu verantworten hat. Die Komplexität von Veränderungsprozessen allein stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Welche Rolle(n) sind zur Bewältigung dieser Herausforderung erforderlich: der Change Agent, der Change Leader oder der Change Entrepreneur?
3 Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur 3.1 Der Change Agent Die Notwendigkeit, nachhaltig den Unternehmenserfolg zu sichern, bedingt die Frage nach dem „Wie“, deren Beantwortung eine der zentralsten Problemstellungen in Forschung und Praxis darstellt. Um wettbewerbsfähig zu bleiben stehen Unternehmen permanent vor der Aufgabe, durch laufende innerbetriebliche Veränderungen (z. B. Reorganisation, Implementierung neuer Technologien, etc,) sich den sich stets ändernden Rahmenbedingungen
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zeitnah und gezielt anzupassen. Dieser erforderliche unternehmerische Wandel verlangt konsequenterweise nach Personen, die aktiv diese Veränderungen als so genannte „Change Agents“ erfolgreich konzipieren und realisieren. Change Agents sind zunächst als Meinungsführer zu verstehen (Rogers, 2003). Es handelt sich dabei vor allem um Individuen, die als treibende Kräfte in geplanten Veränderungsprozessen fungieren und Mitarbeiter sowie Teams motivieren und dazu anregen, Verantwortung für die zahlreichen Aktivitäten, die diesen Wandel ermöglichen, zu übernehmen und tragen. Sie agieren gleichzeitig als Berater bei der Koordination der zu setzenden Tätigkeiten sowie im Rahmen des Projektmanagements (Sadler, 2001; Lawler, 1986; Tichy, 1974). Es muss sich dabei nicht zwingend um Personen mit Führungsverantwortung auf höherer Ebene handeln, vielmehr kann es sich explizit auch um Schlüsselpersonen handeln, die ohne speziellen Auftrag oder entsprechende organisatorische Kompetenzen (z. B. aus einer nachgeordneten Hierarchieebene) dennoch Wandel initiieren und bewirken können. Jeder Mitarbeiter eines Unternehmens, der von den Veränderungen betroffen ist, sollte sich als Change Agent verstehen und dementsprechend handeln. Die Eigenschaften, über die ein Change Agent dabei verfügen muss und die von ihm auch eingefordert werden können zum Zwecke eines erfolgreichen Wandels, sind Belastbarkeit, Offenheit, Effizienz in der Umsetzung und eine positive Einstellung zu Veränderungen (Nikolaou et al., 2007). Kritik an der bisherigen Change Agent Forschung besteht darin, dass bis dato zu wenig explorative Untersuchungen in Organisationen durchgeführt sowie kaum kontextbezogene Analysen berücksichtigt wurden. Dies betrifft
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur
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vor allem auch den Zusammenhang von Leadership und den erforderlichen Fähigkeiten von Change Agents einerseits, andererseits aber auch die individuellen Wahrnehmungen der eigenen Kompetenz der Betroffenen in Verbindung mit ihrer organisatorischen Position und Legitimierung, entsprechende Entscheidungen zu treffen.
Diese Arbeit folgt der Auffassung, dass gerade Führungskräfte in höheren Positionen die zentrale Rolle eines „Change Agent“ einzunehmen haben. Zudem muss aber gerade die Führungskraft über die reine Rolle des Change Agent hinauswachsen. Im Sinne eines Transfers des zuvor erwähnten Gedankens, dass ausnahmslos alle Mitarbeiter als Change Agents ihren Beitrag zur Veränderung zu leisten haben (im Speziellen jene, die davon betroffen sind), muss in diesem Zusammenhang die besondere Rolle des Change Leader ins Zentrum des Interesses rücken, d. h. die Rolle desjenigen, der die Mitarbeiter inspiriert und begeistert, auch tatsächlich selbst als Change Agent zu agieren.
3.2 Der Change Leader Menschen bringen ihre Fähigkeiten und ihr Wissen ein, um zur Wertsteigerung in einem Unternehmen beizutragen. Leadership beeinflusst sämtliche Unternehmensbereiche, die Gesamtheit aller Prozesse in Unternehmen; es stellt die Grundlage zur erfolgreichen Zielerreichung dar, wirkt direkt auf die Arbeitsatmosphäre, beeinflusst wie miteinander umgegangen wird, wie Wissen untereinander ausgetauscht wird und bestimmt entscheidend die Art und Weise der Delegation von Verantwortungen und Kompetenzen. Leadership leitet sich von “to lead” ab, was im Englischen als Synonym für to go, to travel, to guide steht. Leadership kann demnach mit einer Reise in Verbindung gebracht werden, d. h. die Führungskraft, die Leadership praktiziert, versucht und versteht es auch, neue Chancen zu entdecken und Mitarbeiter zu herausragenden
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Claudia Müller / Christian Peham / Margit Raich
Leistungen zu mobilisieren. Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht dabei, das Kommende vorzubereiten, um mit ungewöhnlichen Wünschen Ziele zu erreichen (Hinterhuber/Krauthammer, 2005).
Was ist nun “effektives Leadership”? Obwohl die Literatur das Thema der Effektivität kritisch betrachtet, wird diese Effektivität gerade in Zeiten des Wandels besonders ersichtlich: in der Schaffung von Neuem. Collins (2001) hat anhand von elf Unternehmen, die sich mindestens über den Zeitraum von 15 Jahren durch gute wirtschaftliche Performance auszeichneten, den Versuch unternommen zu analysieren, was den effektiven Leader ausmacht. Demnach zeichnet er/sie sich dabei dadurch aus, dass die der Organisation zugehörigen Mitarbeiter sich zu seiner/ihrer einzigartigen Vision und seinen/ihren hohen Leistungsstandards verpflichtet fühlen. Es handelt sich um Menschen, die sich deutlich zur Konkurrenz abheben und langfristig erfolgreich sein möchten. Und gerade in Zeiten von Veränderungen ist es erforderlich über mögliche Grenzen zu sehen, Helikopterperspektiven einzunehmen, um das Bild in seiner Gesamtheit nicht aus den Augen zu verlieren. Man spricht von erfahrenen, konzeptionellen Denkern, die die Fähigkeit besitzen, die Organisation mit Hilfe der Mitarbeiter und des Teams weiter zu entwickeln. Sie sind enthusiastisch, sind Hoffnungsträger und strahlen eine positive Energie aus. Fullan (2001) hebt folgende Charakteristiken eines Leaders hervor:
Eine moralische Verpflichtung gegenüber Dritten, d. h. den Stakeholdern und der Umwelt. In diesem Zusammenhang spielt auch die zuvor erwähnte Helikopterperspektive eine wichtige Rolle, d .h. das Erkennen des Zusammenspiels verschiedenster Elemente sowie die Einschätzung ihrer Relevanz für sämtliche Unternehmensaktivitäten. Erfolgreiche Leader bauen auf Beziehungen zu unterschiedlichsten Personen und Gruppen. In diesem Zusammenhang spielt gerade die emotionale Intelligenz eine wichtige Rolle, sie sind einfühlsam und inspirieren andere.
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur
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Das Schaffen und Teilen von Wissen stellt eine wesentliche Komponente von effektivem Leadership dar. Information wird zu Wissen durch soziale Prozesse. Durch kontinuierliches Lernen können Individuen ihre Wissensbasis vergrößern. Das Wissen mit anderen zu teilen stellt den Schlüssel für kontinuierliches Wachstum dar. Effektive Leader fördern den Zusammenhalt. Komplexe Gesellschaften verursachen oft Überlastungen und Zersplitterung. Alle zuvor genannten Charakteristiken schmieden den Zusammenhalt aufgrund von Interaktionen. Ein Verständnis für Wandel bedeutet im Unternehmen entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, um Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten Raum zu geben. Neben dem Erkennen von neuen innovativen Ideen wird im Rahmen von Leadership vor allem auf den Prozess der gemeinsamen Sinnstiftung für Neues und deren Akzeptanz großer Wert gelegt. Wandel bedeutet auch kultureller Wandel, d. h. das zu ändern, was Menschen in einer Organisation als wichtig ansehen sowie deren Art und Weise der Zusammenarbeit.
Bringt man diese hier angeführten Eigenschaften in einen direkten Konnex zur transformationalen Führung werden zahlreiche Parallelen erkennbar. Die transformationale Führung baut auf dem Bedürfnis des Menschen nach Sinnvermittlung auf. Aufgabe einer dermaßen verstandenen Führung ist es, einen institutionalen Zweck für die Mitarbeiter zu schaffen. Tichy und Devanna (1986) beschreiben das Wesen transformationaler Führungskräfte folgendermaßen:
Sie sehen sich selbst als Change Agents Sie versuchen, die Organisation umzuformen, zu ändern und für sie Verantwortung zu tragen Sie sind einzigartige Persönlichkeiten Sie haben Standpunkte, nehmen Risiken auf sich und sind in der Lage, sich gegen den Status quo zu stellen Sie glauben an den Menschen Sie sind stark, weil sie sensitiv gegenüber ihren Mitarbeitern sind und Empowerment praktizieren Sie sind „Wertetreiber“ und keine Wertvernichter
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Claudia Müller / Christian Peham / Margit Raich Sie artikulieren Kernwerte und legen ein Verhalten dar, das mit diesen Werten übereinstimmt Sie praktizieren lebenslanges Lernen Sie können über ihre Fehler reden, die sie gemacht haben, und sie lernen aus diesen Erfahrungen Sie haben die Fähigkeit, mit Komplexität, Mehrdeutigkeiten und Ungewissheit umzugehen Sie sind in der Lage, mit Problemen in einer komplexen, sich ständig ändernden Umwelt umzugehen Sie sind Visionäre Sie können träumen, sind in der Lage, diese Träume zu übersetzen und anderen Menschen visuell darzulegen, sodass sie diese mit ihnen teilen können
Bei gleichzeitiger Betrachtung dieser Charakteristika von Leadership einerseits und tranformationaler Führung andererseits, ist der Schluss durchaus zulässig wenn nicht sogar zwingend, dass Change Leader sich vor allem durch die Eigenschaften von transformationalen Führungskräften beschreiben lassen. Auch Hinterhuber und Krauthammer (2005) betonen, dass Leadership gerade in Zeiten von proaktiven Veränderungsprozessen erforderlich ist.
3.3 Der Change Entrepreneur Was bedeutet es in Zeiten des Wandels unternehmerisch im Sinne von „Entrepreneurship“ zu agieren? Joseph Schumpeter, der Vater der Theorie des modernen Entrepreneurship, hob als einer der ersten die Bedeutung von Entrepreneurship für die Wirtschaft und Gesellschaft (Schumpeter, 1934) hervor. Sein Begriff „the process of creative destruction“ beschreibt die Aktivitäten eines Entrepreneurs im Sinne von jemandem, der den grundlegenden Wandel in einer Gesellschaft fördert. Entrepreneurship – je nach Schwerpunktbetrachtung – kann auf Basis der spezifischen Charakteristiken des Entrepreneurs, d. h. an der Person selbst, festgelegt werden. Hierzu wird das Individuum einer Analyse unterzogen. Zudem werden auch andere
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Kriterien berücksichtigt, wie beispielsweise die Differenzierung von Selbstständigkeit und Angestelltenverhältnis (Parker, 2004), Entscheidungsfindungsprozesse oder das Setzen von Prioritäten (Klein/Klein, 2001). Orientieren sich diese Ansätze vor allem am Individuum, so können auch Unternehmen als Untersuchungseinheit (Audretsch/Keilbach, 2007) herangezogen werden. Hier steht vor allem die Marktstruktur, in der sich Unternehmen bewegen, im Mittelpunkt. Eine zu enge Einschränkung würde mit sich bringen, dass in der Forschung die Rolle von Entrepreneurship in Wirtschaft und in Organisationen unterbewertet werden würde. Ein Blick in die Klassiker der Entrepreneurshipforschung zeigt, dass sie sich primär an der Funktion, d. h. an den mit der Person Entrepreneur verbundenen Aktivitäten und Prozessen orientieren. Knight (1921) fokussiert beispielsweise auf Bewertungen und Einstellungen der Entrepreneure, Schumpeter (1934) beschäftigt sich mit dem Unternehmergeist, der Innovationen erzeugt, und Kirzner (1973) mit dem Entrepreneur, der ein bestimmtes Gefühl und Aufmerksamkeit für bestimmte unternehmerische Dinge entwickelt. Diese Konzepte sind unabhängig von beruflichen oder strukturellen Zuordnungen und können unabhängig von der spezifischen Situation des Unternehmens herangezogen werden, sei es, dass es sich um ein Klein- oder Großunternehmen, Unternehmensgründungen oder bereits über Jahre etablierte Unternehmen handelt. Der Entrepreneur kann in diesem Fall in der Gestalt des Eigentümers oder des Managers bzw. des Mitglieds eines Managementteams auftreten, der unternehmerisch denkt, entdeckt und handelt (Grimm/Lee/Smith, 2006). Im Rahmen dieser Arbeit lehnen sich die Autoren an McGrath (2001) sowie Thornhill und Amit (2001) an, die Entrepreneurs dadurch charakterisieren, dass sie wirtschaftlich agieren und sich auf die Suche nach wertstiftenden
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Möglichkeiten begeben, die wiederum zu Marktdynamiken führen und dadurch in weiterer Folge das Wirtschaftssystem insgesamt und nachhaltig vorantreiben. Dass somit gerade in Zeiten des Wandels dem Change Entrepreneur insbesondere aus einem solchen Rollenverständnis heraus eine zentrale Bedeutung einzuräumen ist, versteht sich von selbst. Eine Betrachtung der Rollenkonzepte Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur erscheint nicht vollständig, wenn nicht auch versucht wird, sie abschließend kurz zueinander in Beziehung zu setzen und zu definieren in welchen Hierarchieebenen sie einzusetzen sind. Nach Ansicht der Autoren ist hierbei vor allem der Change Leader hervorzuheben. Dies deswegen, da der Change Leader sowohl Eigenschaften und Verhaltensweisen des Change Agent als auch des Change Entrepreneur in seinem Rollenkonzept weitestgehend integriert und somit erst in deren Kombination Leadership tatsächlich praktizieren kann (siehe Abbildung 2).
Change Leader
Change Agent
Change Entrepreneur
Abbildung 2: Der Change Leader Quelle: eigene Darstellung
Der Change Leader ist vorwiegend im Topmanagement zu verankern. Nicht nur, dass er im Rahmen der transformationalen Führung seine Mitarbeiter
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur
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inspiriert, auch als Change Agent ist er als die treibende Kraft für Veränderungen anzusehen, als Change Entrepreneur wiederum gestaltet er aktiv das Wettbewerbsgeschehen mit. Konsequenterweise stellt sich auch die Frage, welche Rollen den anderen Mitarbeitern - mit und ohne Führungsverantwortung - zugeschrieben werden sollen. Nach Ansicht der Autoren kann es sich dabei hauptsächlich um die Funktion des Change Agent und Change Entrepreneur handeln. Dabei ist darauf zu achten, einen institutionalen Rahmen und eine Kultur zu schaffen, in der die Unternehmensmitglieder angeregt werden, eigeninitiativ und innovativ zu arbeiten; ein Gespür zu entwickeln, wo Handlungsbedarf gegeben ist und es an Neuerungen bedarf. Möglicherweise ist es auch notwendig und zweckdienlich den Begriff des Change Entrepreneurs auf Mitarbeiterebene durch den Begriff Intrapreneur zu ersetzen bzw. zu erweitern. Schlussendlich geht es darum, die Mitarbeiter zu bewegen, sich selbst als Unternehmer zu verstehen und auch danach zu handeln. Dementsprechend bedarf es flacher Hierarchien, einer angemessenen Informations- und Kommunikationskultur sowie entsprechender Anreizsysteme.
4
Change Management am Beispiel eines Engergieversorgungsunternehmens
Im Rahmen der folgenden Fallstudie wird anhand eines Reorganisationsprojektes im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses aufgezeigt, wie Mitarbeiter unter Bezugnahme der Konzepte Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur zum Change Management motiviert werden können und sich aktiv am Change-Management-Prozess beteiligen. Das Fallunternehmen ist ein am österreichischen Strommarkt agierendes Unternehmen, das angesichts des durch die Marktöffnung und die umwelt-
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politische Perestroika angefachten scharfen Verdrängungswettbewerbes und enormen Preisdruckes sich vor der Aufgabe sah, durch entsprechende Reorganisationsmaßnahmen seine Existenz nachhaltig und marktkonform zu sichern. Hohe Fixkostenanteile sowie eine unbefriedigende Personalstruktur waren die Haupttreiber negativer, mittelfristiger Erwartungen, denen es zu begegnen galt. Nach einem ersten fruchtlosen Personalkonzept wurde das Management aufgefordert, ein nachhaltiges Konzept zur Restrukturierung und damit zur Sicherung des Bestandes des Unternehmens auszuarbeiten und den zuständigen Gremien vorzulegen. Neben einer unumgänglichen Standortkonzentration, einem neuen Betriebsführungs- und Instandhaltungskonzept sowie tiefgreifenden Einsparungsplänen im Bereich des Sachaufwandes wurde eine weitere drastische Reduktion des Personalstandes beschlossen. Gegenwärtig präsentiert sich das Unternehmen als hochprofitables Energieversorgungsunternehmen und als wichtige Säule der Stromaufbringung am liberalisierten Markt. Das gegenständliche Projekt hatte seinen gedanklichen Ursprung darin, dass die bislang praktizierte Handhabe des „Betrieblichen Vorschlagswesens“ höchst unstrukturiert war und wenig Akzeptanz bei den Mitarbeitern gefunden hat, was nicht zuletzt auf mangelnde Information bzw. die eingeschränkte Anwendung auf den technischen Bereich zurückgeführt werden konnte. Die vorgeschlagene Maßnahme zur Initialisierung eines KVPProjektes (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) wurde daher als Folge des Konzeptes zur Restrukturierung in Auftrag gegeben.
Alle Angaben, die nicht gesondert gekennzeichnet sind, wurden unternehmensinternen Quellen entnommen.
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur
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Im Mittelpunkt der beständigen Verbesserungsbestrebungen stehen das Vermeiden jeglicher Verschwendung im Unternehmen sowie die Generierung zusätzlicher Wertschöpfung. Der wesentliche Unterschied zum reinen „Betrieblichen Vorschlagswesen“ liegt im Antrieb des einzelnen Mitarbeiters, sich für „sein“ Unternehmen zu engagieren, ohne dabei primär die monetäre Anerkennung in den Vordergrund zu stellen. Im Einzelnen sollten daher nachstehende Ziele durch das KVP-Projekt verfolgt werden:
Erhöhung der Produktivität (z. B. Senkung von Stillstandszeiten) Erhöhung der Flexibilität (z. B. durch intelligente Organisationskonzepte) Einsparung von Kosten (z. B. durch Bestandssenkungen) Erhöhung der Qualität (z. B. durch Vermeidung von Nacharbeit) Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und der Mitarbeitermotivation Erhöhung der Kundenzufriedenheit
Ausgangsbasis für die weiteren konkreten Schritte war ein unverbindliches Erstgespräch mit einem „externen“ KVP-Experten, um einerseits Voraussetzungen und Handlungsbedarf zu analysieren und andererseits ein passendes Umsetzungskonzept mit einer unternehmensspezifischen Projektstruktur zu entwerfen. Die Führungskräfte wurden auf das Projekt eingeschworen, die Geschäftsführung übernahm die strategisch wichtige Aufgabe der Überzeugungs- und Begeisterungsarbeit, ein profundes, formelles Projektmanagement wurde aufgesetzt und die Belegschaft wurde bereits im Vorfeld gewissenhaft informiert. Mit der Nominierung des Zentralbetriebsratsvorsitzenden in das Projektteam ist es darüber hinaus gelungen, die Interessen aller Mitarbeiter hinsichtlich der erarbeiteten Ergebnisse zu wahren. Die Dokumentation der Projektergebnisse wurde über ein KVP-Handbuch sichergestellt, welches zum Abschluss des Projektes an allen Standorten des
Vgl. "o.V." (2005), URL: http://www.ma-t.de/kvp-ziele.htm (Zugriff: September 2008)
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Unternehmens präsentiert wurde und auf das alle Mitarbeiter über Intranet Zugriff haben. In der Absicht, die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen auf breiter Basis zu untermauern bzw. auch zum Zwecke der legalen Verankerung haben die Geschäftsführung und der Betriebsrat überdies eine Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs. 1 Z. 14 ArbVG betreffend „Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)“ abgeschlossen. Diese Betriebsvereinbarung regelt unter anderem den Geltungsbereich, die Prämierung, die Bewertung sowie die Vorgehensweise betreffend Diensterfindungen. Nachfolgend werden die wesentlichen Eckpunkte der Resultate aus dem KVP-Projekt kurz skizziert: Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess des Unternehmens besteht aus zwei Kernbereichen: 1. 2.
Problemlösungsspeicher Betriebliches Vorschlagswesen
Vgl. BGBl. 22/1974 Arbeitsverfassungsgesetz - ArbVG (1974) Alle Angaben wurden dem KVP-Handbuch entnommen
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur
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KONTINUIERLICHER VERBESSERUNGSPROZESS
Problemlösungsspeicher Mitarbeiter erkennt ein Problem und hat keine Lösung.
Verbesserungsvorschlag Mitarbeiter erkennt ein Problem und hat einen Lösungsvorschlag.
Aktivitäten des KVP’s: Sofortlösung, Problemlösungssitzungen, Verbesserungsvorschläge, Umsetzung der erarbeiteten Lösungen, Überprüfung auf Effektivität
Abbildung 3: Aufbau des KVP
Ad 1: Der Problemlösungsspeicher bietet den MitarbeiterInnen die Möglichkeit, Probleme (Hemmnisse, Erschwernisse, Behinderungen, etc.) des täglichen Arbeitsumfeldes aufzuzeigen. Diese dokumentierten Probleme (Problemfelder, Hinweise) werden nach einem geregelten Ablauf bearbeitet und sollten schlussendlich zu einer Lösung und Verbesserung der Situation führen. Durch das Aufzeigen kleinerer und auch größerer Probleme wird der Prozess der kontinuierlichen Verbesserung maßgeblich unterstützt.
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Schritt 1
MitarbeiterIn erkennt ein Problem.
Schritt 2
Erfassen des Problems durch MitarbeiterIn am Problemlösungsspeicher.
Schritt 3
KVP-Koordinator nimmt sich des Problems an und veröffentlicht es im I-Net.
Schritt 4 Ideen zur Problemlösung werden gesucht.
Schritt 5
Lösung wird umgesetzt und veröffentlicht. (Problemlösungsspeicher, I-Net)
Abbildung 4: Problemlösungsspeicher – 5 Schritte zur Lösung
Ad 2: Der zweite wesentliche Bestandteil des KVPs ist das betriebliche Vorschlagswesen. Hierbei erkennen die Mitarbeiter ein Problem und liefern auch gleich einen Lösungsvorschlag zur Verbesserung der Situation. Als Verbesserungsvorschlag gilt jede neue Idee eines/r Mitarbeiters/in oder mehrerer MitarbeiterInnen,
die aufzeigt, dass eine bestimmte Leistung bzw. Aufgabe besser gemacht werden kann, die aufzeigt, wie sie besser gemacht werden kann (Problem lösen) und die aufzeigt, welchen Nutzen die Verbesserung bringt (Auswirkung) und
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die ihre Wirkung ab sofort für die Zukunft entfaltet und konzernweit erstmalig eingereicht wird.
Schritt 1
MitarbeiterIn hat eine Idee zur Verbesserung.
Schritt 2
Ausfüllen des VerbesserungsVorschlagsFormulars und Einreichung beim Vorgesetzten.
Schritt 3
Stellungnahme des Vorgesetzen und Veröffentlichung im I-Net.
Schritt 4
Umsetzbarkeit prüfen – technische und kaufmännische Beurteilung.
Schritt 5
Ergebnis mit MitarbeiterIn besprechen und veröffentlichen (I-Net).
Schritt 6
Umsetzung und Prämierung des VerbesserungsVorschlages.
Abbildung 5: Schritte zum Betrieblichen Vorschlagswesen
Die Bewertung der Verbesserungsvorschläge erfolgt nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Für die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit werden die gleichen Methoden angewendet, wie sie sonst im Unternehmen für die Wirtschaftlichkeitsberechnung üblich sind. Die wirtschaftliche Bewertung erfolgt durch das Controlling, die fachliche Bewertung erfolgt
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durch die zuständige Fachabteilung. Ist der Einreicher mit der Entscheidung nicht einverstanden, so wird in zweiter Instanz zusätzlich die Geschäftsführung und der Zentralbetriebsrat damit befasst. Gemäß Betriebsvereinbarung ist eine Prämierung ab einer Erstjahreseinsparung in einer bestimmten Höhe vorgesehen. Die Höhe der Prämierung beträgt 10 % der Erstjahreseinsparung exklusive der Umsetzungskosten. Die Prämienobergrenze wurde ebenfalls festgelegt. Das hier dargelegte KVP-Projekt zeigt, dass erfolgreiches Change Management auch einer entsprechenden Institutionalisierung bedarf. Wenn für den Mitarbeiter – egal aus welcher Hierarchieebene – nicht die Möglichkeiten geschaffen werden, aktiv Veränderungen im Unternehmen anzustoßen, besteht die Gefahr für das Unternehmen wertvolles Potential brachliegen zu lassen. Die Rolle des Change Leader wird dem Topmanagement zugeschrieben, d. h. jene Personen, die die Rahmenbedingungen (z. B. Unternehmensstruktur und -kultur) schaffen, wo Mitarbeiter die Rolle der Change Agents und Change Entrepreneure einnehmen können. Ein derartiges Rollenverständnis kann sich vorteilhaft für das Unternehmen auswirken. Vielfach haben KVP-Bemühungen den gleichen Effekt auf die operationalen und finanziellen Resultate des Unternehmens wie ein zeremonieller Regentanz auf das Wetter (Schaffer/Thomson, 1992). Der hier gezeigte Fall begeht nicht den Fehler, durch die Konzentration auf aktivitätszentrierte Change-Programme Bemühungen im Rahmen der Reorganisation ohne wesentliche Verbesserungen für die Unternehmung abzuschließen, sondern durch den Ansatz eines resultatsbezogenen Change Management- und KVP-Verständnisses wird auf messbare, operationale Verbesserungen fokussiert, deren Basis die Ideen des einzelnen Mitarbeiters als Change Agent und Change Enterpreneur sind.
Change Agent, Change Leader und Change Entrepreneur
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5 Zusammenfassung und Ausblick „Change Management bedeutet - aus einer instabilen und für das Unternehmen durch ganz bestimmte Gründe veränderungsnotwendige Situation heraus - in allererster Linie die Wiederherstellung eines neuen Gleichgewichts.“ (Claßen/von Kyaw 2008, S.61)
Um in diesem Bemühen erfolgreich zu sein, bedarf es, sich der Komplexität eines jeden Veränderungsprozesses eindringlich bewusst zu werden. Wie Abbildung 6 aufzeigt, hängt es von einer Vielzahl von Stellgrößen ab, um Change Management Prozesse zielkonform zu gestalten. Der hier dargestellte Change Management Navigator (Peham, 2008) fasst die Vielschichtigkeit von Veränderung im Unternehmen zusammen, die Koordination und Integration der den langfristigen Erfolg beeinflussenden Faktoren stellen eine enorme Herausforderung für die agierenden Personen dar. Es muss an dieser Stelle explizit darauf hingewiesen werden, dass die Wahrnehmung der im Change Management Navigator angeführten Aktivitäten nicht im Rahmen einer One-Man-Show erfolgen kann – vielmehr ist die harmonische Interaktion zahlreicher Akteure erforderlich. Im Sinne der in diesem Beitrag vorgestellten Rollenkonzepte Change Leader, Change Agent und Change Entrepreneur stellt sich daher die Frage, welche Rolle Führungskräfte und Mitarbeiter dafür einzunehmen haben.
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Abbildung 6: Change Management Navigator
Es steht außer Frage, dass nur im Zusammenspiel dieser drei Rollen die Mehrdimensionalität von Transformationsprozessen bewältigt werden kann. Um nachhaltig zum Wohl des Unternehmens einen Wandel herbeizuführen, bedarf es einer Führungspersönlichkeit an der Spitze, die in der Lage ist, als Change Leader der Komplexität und der Anforderung dieser Managementaufgabe gerecht zu werden. Jedoch nur mit Hilfe von Change Agents und Change Entrepreneuren, die aus Sicht der Autoren den Wandel in alle Unternehmensebenen transferieren müssen, kann dieser erst durchgängig gehandhabt werden. Gerade in für Organisationen nicht einfachen Situationen
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sind oft die Mitarbeiter diejenigen, die in der Transformation im Idealfall ihre Potentiale ausschöpfen und so zum Erfolg beitragen. Dies können sie einerseits als Change Agents bewerkstelligen, andererseits sollen Mitarbeiter aber darüber hinaus angeregt werden, im Sinne von Intrapreneurship zu agieren, d. h. unternehmerisch zu denken und zu handeln, kreativ nach Lösungen für bestehende Probleme zu suchen sowie Neues zu initiieren.
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Claudia Müller / Christian Peham / Margit Raich
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Die Autoren
Dr. Dagmar Abfalter Dagmar Abfalter ist Universitätsassistentin am Institut für Strategisches Management, Marketing & Tourismus an der Universität Innsbruck. In Lehre und Forschung verbindet sie unter anderem die Bereiche der Strategischen Unternehmensführung und des Marketings mit dem Feld der Darstellenden Künste. An dieser Schnittstelle entstehen Arbeiten zur Erfolgsmessung in projektbasierten ExpertInnenorganisationen, der Bildung und Führung von virtuellen und realen Markengemeinschaften und zum Konsumnutzen innovativer Produkte zwischen neuen Technologien und traditionellen Kunstformen. Dagmar Abfalter ist Verfasserin zahlreicher Artikel und Buchbeiträge und stellt ihre Arbeit regelmäßig bei internationalen Fachkonferenzen vor. Ihre Dissertation „Das Unmessbare messen? Die Konstruktion von Erfolg im Musiktheater“ ist im Verlag VS Research erschienen.
Prof. Sir Richard John Artley Richard is a Market & Technology Scout for Alcan Composites, and also the Chief Scientist of GP International SA, a Swiss-based consultancy and holding company. He read Natural Sciences at Christ’s College, Cambridge. In May 2008 he joined Alcan Composites, the $1bn subsidiary of RioTintoAlcan concerned with architecture and display panels, and with foam core and sandwich materials, recently sold to Schweiter Technologies. He teaches ‘Technology, Innovation and Entrepreneurship’ as part of the MBA courses at various European schools. He has been invested with the Military and Hospitaller Order of St. Lazarus of Jerusalem, the Royal Confraternity of Sao Teotonio, and the Order of the Dragon of Annam.
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Die Autoren
Dipl.- Kulturwirtin Monika Bachinger Monika Bachinger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Entrepreneurship der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Sie forscht derzeit vor dem Hintergrund Ihrer beruflichen Praxis in der Wirtschaftsförderung zum Themenbereich Regional- und Standortentwicklung.
Dr. Franz Bailom Geschäftsführender Gesellschafter von Innovative Management Partner (IMP), Innsbruck. Seine Beratungs- und Forschungstätigkeit konzentriert sich insbesondere auf die Entwicklung zukunftsweisender Strategiekonzepte sowie auf die kunden- und marktorientierte Ausrichtung von Unternehmen.
Dr. Günther Botschen Dr. Günther Günther Botschen hält seit 2007 die drittmittelfinanzierte Position der Netzwerk-Tirol Stiftungsassistenz am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus an der Leopold-Franzens Universität Innsbruck. Er ist Mitbegründer und Partner des Institute of Brand Logic, einem international tätigen Beratungsunternehmen zur markenorientierten Unternehmensführung. Seine Forschungs-, Ausbildungs- und Beratungsaktivitäten fokussieren sich auf die Entwicklung und Implementierung von markenorientierten Führungs- und Managementsystemen.
Dr. Ludwig Engels Studium der Wirtschsfts- und Sozialeissenschaften an den Universitäten Köln und Wien,Vorsitzender der Geschäftsführung in der Wegmann Gruppe Kassel und München,Lehrbeauftragter für industrielles Krisen- und Restrukturierungsmanagement an der Universität Duisburg-Essen
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Dipl. - Kffr. Maria-José Estevão Maria-José Estevão ist Absolventin der Universität Augsburg wo sie ein Studium der Betriebswirtschaftslehre absolviert hat. Sie ist Dozentin an der Fachhochschule für Oekonomie und Management (FOM) in Bremen und Doktorandin am Lehrstuhl von Prof. Dr. J. Freiling an der Universität Bremen. Ihre Foschungsschwerpunkte sind Strategisches Management, Managementtheorien und -methoden, Dienstleistungsmanagement
Prof. Dr. Kerstin Fink Kerstin Fink is University Professor at Innsbruck University School of Management and deputy head of the Department of Information Systems, Operational Management and Logistics. Currently she holds the position of Dean of Studies at the School of Management. Kerstin Fink conducts research in the field of knowledge management and knowledge measurement with special focus on small and medium-sized enterprises (SME). Her research work examines the role of knowledge-intensive processes, the impact of IT-Governance and the management of information systems projects. Furthermore, she builds up a multimedia case study center. She had a research fellowship at the University of New Orleans and is currently guest professor at the University of Linz. During her sabbatical 2009 she was visiting researcher at Stanford University and Berkeley University. She serves the community as reviewer for national and international journals and conferences. She is also member of the Austrian Council of Applied Universities. Kerstin Fink was awarded with the Tyrolean Chamber of Commerce Prize for best Ph.D. thesis, with the Otto-Beisheim Prize for outstanding doctoral dissertation and with the Scientific Award for excellent research in the field of Knowledge Management from the University of Innsbruck.
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Prof. Dr. Jörg Freiling Jörg Freiling (geb. 1964 in Bückeburg, Studium, Promotion und Habilitation an der Ruhr-Universität Bochum) ist seit 2001 Inhaber des Lehrstuhls für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship (LEMEX) im Fachbereich 7 der Universität Bremen. Er ist zugleich Direktor des SCOUTInstituts für Strategisches Kompetenz-Management an der Universität Bremen. Gast- und Vertragsprofessuren hatte Professor Freiling an der Freien Universität Bozen (2000-2002), an der Staatsuniversität St. Petersburg (2002) sowie an der Universität Innsbruck (2001) inne, Lehrstuhlvertretungen, Lehraufträge und Gastdozenturen nahm er u.a. an der Universität Paderborn, an der TU Kaiserslautern und an der Universität Oldenburg wahr. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Gründungsmanagement, der Einfluss unternehmerischen Verhaltens auf den Erfolg, Wissens- und Kompetenzmanagement, Internationalisierung von Mittelstandsbetrieben, Kooperationsstrategien in dynamischen Märkten, Unternehmertum, DienstleistungsManagement, Change Management und Marketing-Organisation / marktorientierte Organisation.
MMag. Julia Hautz Julia Hautz ist DOC-Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus an der Universität Innsbruck. Ihre Forschung beschäftigt sich mit Online Innovation Communities sowie Diversifikationsstrategien.
Em. o. Univ.-Prof. Dipl. Ing. Dr. Hans Hinterhuber Hans H. Hinterhuber ist Chairman von Hinterhuber&Partners GmbH, Strategy/Pricing/Leadership Consultants, einer international tätigen Unternehmensberatung mit Sitz in Innsbruck und Bejing. Professor Hinterhuber ist der Verfasser von über 400 wissenschaftlichen Arbeiten und 40 Büchern im
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Bereich der strategischen Unternehmensführung, des Führungsverhaltens und des Innovationsmanagements. Seine Arbeiten sind in der Harvard Business Review, International Journal of Production Economics, Long Range Planning, Internationa Journal of Technology Management, Zeitschrift für Betriebswirtschaft und anderen A- oder B- Journalen erschienen. Gemeinsam mit Professor Dr. Drs.h.c. Robert W. Grubbström leitet er die renommierten " International Working Seminars on Production Economics", die seit 1981 alle zwei Jahre in Innsbruck stattfinden. Er ist Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse. Aus dem von Professor Hinterhuber gegründeten und bis 2006 geleiteten Instituts für Unternehmensführung der Universität Innsbruck sind 6 Universitätsprofessoren in Deutschland und Österreich und 4 in Italien hervorgegangen. Mehr als 100 Studierende haben bei ihm promoviert und über 15.000 "Strategische Unternehmensführung" gehört.
Dr. Wolfgang Hinz Wolfgang Hinz ist Geschäftsführender Partner der 4EFFICIENCY AG in Luzern. Er weist über 30 Jahre Führungserfahrung in 30 unterschiedlichen Führungspositionen und 18... 18 verschiedenen Unternehmen auf. In dieser Zeit hat er 10 Mandate im Turnaroundmanagement durchgeführt.
Mag. Katja Hutter Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Strategisches Management. In ihrer Dissertation beschäftig sie sich mit online innovation communities, speziell des Einflusses und der Auswirkung aktiver Konsumenten im Zeitalter von Web 2.0 auf die Innovationsfähigkeit von Unternehmen.
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Mag. Christoph Jurikovsky Mag. Christoph Jurikovszky, geb. 15.08.1980 in Salzburg, besuchte die Höhere Lehranstalt für Tourismus in Kleßheim/Salzburg und studierte im Anschluss Betriebswirtschaft sowie Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck. Während des Studiums war er immer wieder am Institut für Tourismus und Dienstleistungswirtschaft als studentischer Assistent tätig. Derzeit ist er politischer Referent im Salzburger Landtag und zeichnet sich in seinem Wirkungsbereich unter anderem für die Agenden Wirtschaft, Tourismus und Kultur verantwortlich.
Dr. Christine Kittinger-Rosanelli Dr. Kittinger-Rosanelli ist seit 2003 als Universitätsassistentin am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Markenbindung und interne Markenführung sowie multisensorische Methoden der Datenerhebung.
Dr. Christopher Kronenberg Dr. Kronenberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Vortragender an der Universität Innsbruck. Seine Forschungsarbeiten konzentrieren sich vor allem auf die Bereiche der Klein- und Mittelunternehmen, Unternehmertum sowie Innovationen in KMUs. Derzeit lebt und arbeitet Christopher Kronenberg in London.
Prof. Dr. Kurt Matzler Professor für Strategisches Management an der Universität Innsbruck. Forschungsschwerpunkte: Co-Creation, Innovativeness, Market Orientation, Strategy. Autor bzw. Herausgeber von über zehn Büchern und Verfasser von mehr als 120 wissenschaftlichen Aufsätzen.
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Mag. Claudia Mössenlechner Claudia Mössenlechner ist Lektorin des Bachelorstudiengangs „Unternehmensführung in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft“ sowie des Masterstudiengangs „Entrepreneurship & Tourismus“ am Management Center Innsbruck (MCI).
Dr. Claudia Müller Claudia Müller ist am Institut für Rechnungswesen, Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung der Universität Innsbruck tätig.
Dr. Julia Müller Julia Müller ist Assistentin am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck. Ihre Forschungsgebiete liegen in den Bereichen Wissensmanagement (im Web 2.0), Innovationsmanagement, Online Communities und Unternehmenskultur.
Mag. Sabine Müller Sabine Müller, geb. 06.12.73 in Gotha, Thüringen, ist Doktoratsstudentin und externe Lehrbeauftragte am Institut für strategisches Management Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck tätig. Ihre Forschungsbereiche umfassen Sporttourismus, extrem Sport und Inszenierung von Erlebnissen im Tourismus. Ihre Dissertation trägt den Titel: “New tourism behaviour- the case of extreme sports“.
Mag. Stefan Ortner Stefan Ortner studierte an der Leopold-Franzens Universität Innsbruck Betriebswirtschaftslehre mit den Spezialisierungen Strategisches Management und Personal. Seit Beendigung seines Studiums im Jahre 2003 arbeitet er bei
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der alpS – Zentrum für Naturgefahren- und Risikomanagement GmbH und ist dort für den Fachbereich Risikomanagement zuständig.
Prof. Dr. Harald Pechlaner Nach Jahren in der Praxis und zahlreichen internationalen Forschungsaufenthalten und Gastprofessuren setzte Prof. Dr. Harald Pechlaner seine wissenschaftliche Karriere nach seiner Habilitation fort, indem er den Ruf an die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt annahm. Er baute die Stiftungsprofessur Tourismus sukzessive zum Lehrstuhl für Tourismus an zwei Fakultäten (MGF, WFI) auf. Prof. Dr. Harald Pechlaner ist Vorsitzender und Mitglied in zahlreichen (inter-) nationalen, wissenschaftlichen Institutionen und Organisationen (z. B. Deutsche Gesellschaft für Tourismuswissenschaft, AIEST Association Internationale d’Experts Scientifiques du Tourisme, ICRET International Center for Research and Education in Tourism) und verfügt somit über ein großes Beziehungsnetzwerk, welches ihm erlaubt, seine Lehre und Forschung sehr praxisorientiert und aktuell zu gestalten. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen, Beiträge und Journalartikel und zudem Leiter des Instituts für Regionalentwicklung und Standortmanagement der Europäischen Akademie Bozen.
Mag. Christian Peham, MBA Christian Peham absolvierte das Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien mit der Spezialisierung in den Bereichen Betriebswirtschaftslehre der Industrie und betriebswirtschaftliche Steuerlehre. Nach Abschluss des Studiums 1996 begann er seine berufliche Laufbahn als kaufmännischer Angestellter in der Österreichische Elektrizitätswirtschafts AG (Verbundgesellschaft) im Bereich Strategisches Controlling. Nach einigen konzerninternen Zwischenstationen wechselte er im März 2005 in das Grazer Tochterunternehmen VERBUND-Austrian
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Thermal Power GmbH & Co KG, wo er bis dato als kaufmännischer Prokurist für die Bereiche Controlling und Personal verantwortlich zeichnet. Berufsbegleitend absolvierte er von 2006 bis Herbst 2008 den postgradualen MBA-Lehrgang „Generic Management“ an der Montanuniversität Leoben mit den Ausbildungsschwerpunkten Unternehmensführung, Organisation, Leadership, Qualitätsmanagement, Nachhaltigkeitsmanagement sowie Risiko- und Sicherheitsmanagement. Zurzeit absolviert Hr. Mag. Peham, MBA sein Doktoratsstudium an der Universität Innsbruck.
Dr. Mike Peters Dr. Peters, geb. 9.03.66 in Landau/Pfalz, Deutschland absolvierte die Lehre zum Restaurantfachmann und arbeitete mehrere Jahre in der Hotellerie. Nach Abschluß des Studiums der Betriebswirtschaft war er als Universitätsassistent am Institut für Tourismus und Dienstleistungswirtschaft tätig. Er beschäftigt sich mit den Bereichen Entrepreneurship und New Service Developement im Tourismus und habilitierte im Jahr 2006 zum Thema |Wachstumsverhalten von touristischen Klein- und Mittelbetrieben}.
Dr. Ing. Gerhard Plasonig Gerhard Plasonig is founder of GP International SA (GPI) in Zurich, Switzerland, an IPR and technology investment and exploitation company, as well as other Swiss start-ups, such as award-winning WoodWelding SA. Before starting GPI in 1998, Dr. Plasonig worked for 7 years for the Generics Group in Cambridge, UK (an IKEA Group Company). He was a Member of the Scientific Generics Board from 1994-1997. Before Generics, he worked for PA Technology Inc. (formerly Pugh Roberts Associates Inc., an M.I.T. spin-off) in Cambridge, US. He has an Undergraduate Degree in Automotive Engineering, a Master Degree in Industrial Management, and a Doctorate in Technology Management from the Vienna University of Economics.
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During his doctoral program, Gerhard Plasonig was a Fulbright Fellow at the Sloan School of Management (Massachusetts Institute for Technology), and in 1007 he completed the Stanford Executive Program. He lectures Innovation Management and Finance at the Technical University of Munich.
Dr. Margit Raich Dr. Raich ist am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus tätig und beschäftigt sich im Rahmen ihrer Lehr- und Forschungsaktivitäten mit Strategischer Unternehmensführung, Leadership, Entrepreneurship und Organisationalem Lernen. Ihre Forschungsschwerpunkte finden vor allem auf Klein- und Mittelbetriebe und Nonprofit Organisationen Anwendung. Im Rahmen Ihrer Studien gilt ihr besonderes Augenmerk qualitativen Forschungsmethoden. Sie absolvierte Forschungsaufenthalte in den USA und in Südafrika. Im Rahmen ihrer Habilitation widmet sich Frau Raich dem Thema Werte in Unternehmen und deren Einfluss auf Stakeholderbeziehungen.
Prof. Dr. Johann Risak Johann Risak war lange Jahre Direktor für Planung und Kontrolle der OMV AG; danach leitete er als Vorstandsvorsitzender den Turnaround der Chemie Standortes Linz (Österreich) und war später als Geschäftsführer bei der Contrast Management Beratung tätig. Er wirkt nunmehr an Institut für Unternehmensführung an der Wirtschaftsuniversität Wien, leitet dort den IfU Dialog (www.wu.ac.at/ifu/network/ifudialog) und ist Mitglied der Jury für den |Österreichischen Staatspreis für Unternehmensqualität.“
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Silvia Schön, MBA Silvia Schön ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Entrepreneurship der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Cultural Diversity, Leadership und Kulturmanagement.
Dr. Lukas Siller Siller, Lukas, Jahrgang 1980. Dr.rer.soc.oec. (Universität Innsbruck 2005). Studium der Internationalen Wirtschaftswissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Innsbruck und der Universität Bocconi in Mailand. Seit 2005 Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck.
MMag. Andreas Strobl Andreas Strobl ist Projektassistent, Vortragender sowie Dissertant am Institut für strategisches Management, Marketing und Tourismus der Universität Innsbruck. In seiner Dissertation beschäftigt er sich mit der Relevanz von Netzwerken zur Generierung von Unternehmensressourcen.
Carmen Zampol Carmen Zampol studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Innsbruck mit den Schwerpunkten Banking & Finance, sowie Tourism & Service Management. Sie ist nun bei der Hypo Tirol Bank AG tätig.
Dr. Anita Zehrer Anita Zehrer ist stellvertretende Studiengangsleiterin und Lektorin des Bachelorstudiengangs „Unternehmensführung in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft“ sowie des Masterstudiengangs „Entrepreneurship & Tourismus“ am Management Center Innsbruck (MCI).