Edelgard Vacek Wie man über Wandel spricht
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Edelgard Vacek Wie man über Wandel spricht
VS RESEARCH Kommunikation in Organisationen: Studien zu Sprache, Interaktion und Diskurs in professionellen Kontexten Herausgegeben von Prof. Dr. Stephan Habscheid, Universität Siegen Prof. Dr. Florian Menz, Universität Wien Prof. Dr. Andreas Müller, Merkur Internationale Fachhochschule Karlsruhe Prof. Dr. Werner Nienhüser, Universität Duisburg-Essen Die Reihe ist ein transdisziplinäres Forum am Schnittpunkt von Sprach- und Kommunikationswissenschaften einerseits, sozial-/wirtschaftswissenschaftlicher Organisationsforschung andererseits. Im Mittelpunkt steht die problemorientierte empirische Rekonstruktion alltäglicher Interaktionsvollzüge und unidirektionaler medialer Kommunikationsprozesse, rhetorischer Strategien und diskursiver Ordnungen in organisationalen Kontexten. Damit fokussiert die Reihe den Beitrag, den Ansätze der sprach- und sozialwissenschaftlichen Handlungs-, Interaktionsund Diskursforschung für das kritische Verständnis und das Management von Organisationsprozessen und für die organisationswissenschaftliche Theoriebildung leisten. Im Mittelpunkt steht die Analyse authentischer mündlicher, schriftlicher und multimodaler Kommunikation als Kristallisationspunkt sozialer Praxen und kultureller Ordnungen in Organisationen. Dazu gehören die Bearbeitung alltäglicher kommunikativer Arbeitsaufgaben durch Mitglieder organisationaler Diskursgemeinschaften, außerbetriebliche Business-to-Business-, Dienstleistungs- und MarketingInteraktion sowie rhetorische Strategien im Rahmen von Versuchen, für interne und externe Öffentlichkeiten zirkulationsfähige und zustimmungspflichtige Darstellungen kollektiver organisationaler Identitäten zu inszenieren, die als mehr oder weniger verbindliche „Identifikationsangebote“ das Sprechen, Denken und Handeln der Adressaten anleiten sollen. Die Reihe bündelt hochwertige empirische Untersuchungen und innovative Theoriebeiträge, sie umfasst Monografien ebenso wie konzeptionell konsistente Sammelbände und Tagungspublikationen.
Edelgard Vacek
Wie man über Wandel spricht Perspektivische Darstellung und interaktive Bearbeitung von Wandel in Organisationsprozessen
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Siegen, 2008
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Dorothee Koch / Anita Wilke VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-16843-2
Geleitwort
Über die Notwendigkeit tiefgreifenden „Wandels“, fortgesetzter „Reformen“, eines gesellschaftlichen „Rucks“ zu reden, ist unter Gestaltern in Wirtschaft und Politik beinahe selbstverständlich geworden, oft unter Mitwirkung der Wissenschaft, die – selbst von der Wandel-Rhetorik erfasst – ihr Erkenntnisinteresse verstärkt auf Probleme des Change Managements richtet. Dabei sind die Konnotationen der zitierten Schlagworte durchaus dramatisch, geht es doch um nichts weniger als die Existenzbedingungen von Gesellschaften, Organisationen und Individuen in ‚unsicheren’ spätmodernen Konstellationen. Anderseits wird von vielen Verantwortlichen beklagt, dass den Maßnahmen von Change Management und Change Communication in der Praxis selten Erfolg beschieden ist, mitunter ist gar von „verbrannter Erde“ die Rede. Bei alledem herrscht der Eindruck vor, dass einfache Schuldzuweisungen an Verantwortliche oder Betroffene dem komplexen, „systemischen“ Charakter des Problems nicht gerecht werden. Vor diesem Hintergrund liegen aus kommunikations- und kulturwissenschaftlicher Sicht zwei Fragekomplexe auf der Hand: 1. Was genau tun die Beteiligten eigentlich, wenn sie – etwa im Kontext eines unternehmerischen „Verschlankungsprozesses“ – über Wandel sprechen, und durch welche soziokulturellen Gründe kann die gegenwärtige Konjunktur dieser neuen Art von Wandel-Rhetorik erklärt werden? 2. Welche Arten und Weisen, über ‚Wandel’ zu sprechen, haben sich gesellschaftlich etabliert, welche kommunikativen Zwecke werden durch sie verfolgt und inwieweit ist ihnen, z.B. im Kontext von Unternehmen und Organisationen, kommunikativer Erfolg oder Misserfolg beschieden? – Zur Bearbeitung dieser Fragen kann sich die Wissenschaft die ethnomethodologisch inspirierte Einsicht zunutze machen, dass die soziale Welt bereits – durch die Beteiligten selbst – sinnhaft geordnet ist, bevor durch Analysierende wissenschaftliche Kategorien gebildet werden, und dass die Akteure selbst über diverse sprachlich-mediale Verfahren und Mittel verfügen, mit denen sie einander den hervorgebrachten Sinn in der Kommunikation reflexiv ‚vorführen’. An derartigen Verfahren kann eine ‚naturalistische’ wissenschaftliche ReKonstruktion ansetzen, und diese kann zu Einsichten darüber verhelfen, wie und anhand welcher Zeichen Kommunizierende die soziale Welt – hier unter der Perspektive des Wandels – selbst ordnen. Es geht also mit anderen Worten weder
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Geleitwort
um Optimierung noch um Kritik, sondern zunächst einmal um ein empirisch fundiertes Verständnis dessen, was bei derartigen Prozessen – verstanden als kommunikative Vollzugswirklichkeit – im Arbeitsalltag der Beteiligten eigentlich passiert. Damit sind Problemhintergrund, Erkenntnisinteresse und Methodologie der vorliegenden Arbeit in Eckpunkten umrissen. Als glücklich erweist sich die Auswahl des Datenmaterials: Anhand eines komplexen Fallbeispiels, eines intendierten betrieblichen „Verschlankungsprozesses“, werden eine programmatische Managerrede, eine „Podiumsdiskussion“ und ein Meeting zur „Messung von Veränderungsaktivität“ auf der Basis der linguistischen Diskurs- und Gesprächsforschung exemplarisch untersucht. Dabei kommen nicht nur vielfältige kommunikative Praktiken der Wandel-Kommunikation ins Blickfeld, sondern auch ihre aufschlussreiche Vernetzung in (Teilen) einer organisationalen Kommunikationskaskade. Die so erarbeiten Ergebnisse betreffen zum einen die Ebene der Handlungsmuster: Strategien symbolischer Identitätspolitik, die Inszenierung von Einigkeit und Streit, das verwickelte Verhältnis von Verfahrens- und Ritualelementen in der alltäglichen Organisation von ‚Wandel’. Darüber hinaus wird die Ordnung der kommunikativen Praktiken auch gleichsam mikroskopisch auf der Ebene der sprachlichen (und bildlichen) Oberflächen in vielen Details sorgfältig rekonstruiert. Phänomene der Verschleierung, der Täuschung und Ausblendung oder widersprüchliche und erfolglose Versuche der Konstitution kollektiver Identität werden nicht vordergründig bewertet, sondern vor dem Hintergrund des soziokulturellen Bedingungsgefüges der Organisation (teilweise) erklärt. Insgesamt trägt die Arbeit so in vielfältiger Hinsicht zu einem praxisrelevanten Verständnis dessen bei, was Verantwortliche in Unternehmen – in Übereinstimmung mit einem herrschenden Diskurs – eigentlich tun, wenn sie versuchen, Wandel herbeizureden – und was im betrieblichen Kommunikationsalltag des Unternehmens daraus werden kann. Prof. Dr. Stephan Habscheid
Danksagung
„[…] Erscheinungsweisen des Miteinandersprechens sind […] darauf ausgerichtet, gemeinsamen Sinn und gemeinsame Bedeutungen zu schaffen, gemeinsames Handeln auszulösen. Sie sind Formen von rhetorischer Kommunikation. Verwendet man die Kulturanalogie auch für die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Gespräch und Rede, und nimmt an, daß diese sich ebenfalls organisationsspezifisch entwickeln und unterscheiden, liegt es nahe, von rhetorischer Kultur zu sprechen.“ Schwandt 1993, 34
Nach dreijähriger unternehmensinterner ‚teilnehmender Beobachtung’ sowie der anschließenden Arbeit mit ‚organisationsexterner Brille’ ist das Forschungsprojekt Dissertation nun abgeschlossen. Dank des betreffenden Unternehmens und der Offenheit vieler Beteiligter war ich in der außergewöhnlichen Lage, als Sprachwissenschaftlerin einen organisationalen Veränderungsprozess aus aller (notwendigen) Nähe zu untersuchen. Zudem handelt es sich bei meinem Thema um ein brisantes Forschungsfeld, das im Fokus vieler Unternehmen und Forschungseinrichtungen steht: Lean Management in Verknüpfung mit Change Management. Dieses Feld konnte ich als Sprachwissenschaftlerin ‚durchleuchten’. Prof. Dr. Stephan Habscheid als mein Erstgutachter und universitärer Betreuer hat mit seinen Rückmeldungen die Genese dieser Arbeit maßgeblich gefördert und mich gefordert. Dank seiner durchgängigen Begleitung konnte ich meinen Fokus als Wissenschaftlerin vertiefen. Hierfür ein herzliches Dankeschön! Auch für die Unterstützung aller Verantwortlichen des Konzerns bei der organisationsinternen Erschließung des Themengebiets und bei der Gestaltung des Forschungsprozesses bedanke ich mich sehr. Weiterhin haben mich die ‚Akteure’ in den sozialen Veranstaltungen der Organisation unterstützt, die Vorbehalte gegenüber ‚fremdartigen’ wissenschaftlichen Methoden schnell ablegten; Kollegen, die mir die organisationalen Irrungen und Wirrungen erleichtert haben; Wissenschaftler, die mir halfen, den analytischen Blick zu schärfen, und natürlich Personen in meinem privaten Umfeld.
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Danksagung
Sowohl Dr. Julia Hormuth als ‚Sprachexpertin’ als auch Kollegen aus dem engeren Kreis haben mir durch ihre intensive Beschäftigung mit meinem ‚Text’ aufmerksame Rückmeldungen geben können. Für diese Anstöße zu immer wieder größerer Distanz zum Forschungsfeld ein herzliches Dankeschön. Mein jetziger Arbeitgeber hatte in der letzten intensiven Phase der Promotion Verständnis für den erforderlichen Aufwand und unterstützte mich. Besonders danke ich aber meinem Mann, der mich immer wieder zum ‚Durchhalten’ ermuntert und mich jederzeit liebevoll unterstützt hat. Edelgard Vacek
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort ............................................................................................................. 5 Danksagung .......................................................................................................... 7 Inhaltsverzeichnis ................................................................................................. 9 1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit ........... 13 1.1 Von hohen Ansprüchen und relativen Erfolgen im Change Management ........................................................................... 13 1.2 Wandel-Ansätze mit Fokus auf die Bedeutung von Routinen- und Musterwechseln ................................................................................... 23 1.3 Die Anatomie des Wandelbegriffs ....................................................... 29 1.4 Veränderungsprozesse und Kommunikation in Organisationen .......... 33 1.5 Ziele der Untersuchung ........................................................................ 41 1.6 Fragestellungen und Gegenstände der empirischen Untersuchung ...... 46 1.7 Aufbau der Arbeit ................................................................................ 49 2 Sinnstiftung in Wandlungsprozessen ........................................................ 51 2.1 Organisieren und Sinnstiftung nach Weick .......................................... 52 2.2 Zeichen, Sinnsetzung und Sinndeutung bei Schütz.............................. 58 2.3 Zusammenfassung von Eckpunkten der Konzeptionalisierungen von Sinnstiftung ................................................................................... 59 2.4 Bedeutung von Sinnstiftungsprozessen für organisationalen Wandel ................................................................................................. 61 3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit ........ 65 3.1 Konstruktivistische Ansätze ................................................................. 65 3.1.1 Überblick über Schwerpunkte konstruktivistischer Ansätze..... 65 3.1.2 Soziologische Wurzeln konstruktivistischer Ansätze ............... 67 3.1.3 Phänomenologischer Sozialkonstruktivismus ........................... 68 3.1.4 Die Weiterverarbeitung konstruktivistischer Ansätze in der Organisationstheorie ................................................................. 70 3.1.5 Die Weiterverarbeitung konstruktivistischer Ansätze in der Linguistik .................................................................................. 74
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Inhaltsverzeichnis
3.2 Organisationskultur und Organisationaler Diskurs ............................ 77 3.2.1 Organisationskultur: Kollektivität auf Basis gemeinschaftlicher Interpretationsschemata ............................. 77 3.2.2 Organisationaler Diskurs: heterogenes Forschungsfeld ............ 82 3.3 Konversations-/Gesprächsanalyse und Critical Discourse Analysis ... 85 3.4 Die Konvergenz der verschiedenen Ansätze ........................................ 91 4 Der Umgang mit organisationaler Differenz ............................................ 95 4.1 Perspektive im sozial-interaktionalen Konzept und Differenz in der Critical Discourse Analysis ....................................................... 98 4.2 Perspektivische ‚Zersplitterung’ in Organisationen ........................... 107 4.2.1 Fragmentierungsansätze .......................................................... 107 4.2.2 Verteilung von Macht und Interessen aus Sicht der CDA ...... 109 4.2.3 Die Kultur- und Politikmetapher............................................. 110 4.2.4 Mikropolitische Ansätze ......................................................... 112 5 Zentrale Anschlussmöglichkeiten an die theoretischen Konzeptionen ............................................................................................. 117 6 Fallbeispiel: Ein Prozess der ‚Verschlankung’ ....................................... 121 6.1 Zielsetzungen des Prozesses .............................................................. 123 6.2 Die verschiedenen Prozessphasen ...................................................... 126 6.3 Hauptakteure und deren Rollen innerhalb des Prozesses ................... 129 6.4 Forschungsdesign ............................................................................... 130 6.4.1 Methoden: Diskurs- und Gesprächsanalyse ............................ 130 6.4.2 Die Rolle der Wissenschaftlerin ............................................. 132 7 Analyse perspektivengeleiteter Wirklichkeitsdarstellung und -konstruktion ............................................................................................. 137 7.1 Eine Manager-Rede: Inszenierung von permanentem Wandel und Einigkeit ...................................................................................... 138 7.1.1 Der Handlungszusammenhang: soziales Ereignis, organisationale soziale Praktiken und Netzwerke von Texten .............................................................................. 140 7.1.2 Die rhetorische Darstellung von Identitäten des Wandels ...... 142 7.1.2.1 Die Darstellung des gemeinsamen Handlungsraums ........................................................ 143 7.1.2.2 Die Darstellung von Wandel-Akteuren ..................... 153 7.1.3 Die Herstellung von Identitäten des Wandels ......................... 166
Inhaltsverzeichnis
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7.1.4 Diskursstrategien zur Relevantsetzung des Dargestellten ....... 172 7.1.4.1 Textsorte und Handlungsbeschreibung ..................... 173 7.1.4.2 Textsortenkonstitutive Handlungsmuster .................. 175 7.1.4.3 Die Diskursstrategie Doppelung und Inszenierung .............................................................. 186 7.1.5 Die der Inszenierung zugrunde liegende Perspektive ............. 191 7.1.6 Fazit: Paradoxien der legitimierenden Manager-Rede ............ 192 7.2 Eine Podiumsdiskussion: Inszenierung von Strittigkeit ..................... 200 7.2.1 Sinnstiftungselemente in der sozialen Veranstaltung.............. 203 7.2.2 Das Gesprächsegment ‚falsche Frage’ .................................... 210 7.2.3 Diskursives Verfahren 1: Aufkonstruieren fremder Rede und symbolischer Sinnangebote ............................................. 217 7.2.4 Diskursives Verfahren 2: Darstellung individueller Perspektive auf ‚Wandel’ ........................................................ 228 7.2.5 Diskursives Verfahren 3: Inszenierung von Strittigkeit .......... 236 7.2.6 Perspektive(n) des sozialen Ereignisses .................................. 243 7.2.7 Fazit: Rituelle Inszenierung fragmentierter Perspektiven im ‚Manager-Vortrag mit verteilten Rollen’ ........................... 244 7.3 Eine soziale Veranstaltung mit Fachexperten: Messung von Veränderungsaktivität ........................................................................ 253 7.3.1 Das Gesprächssegment ‚Thema installiert – ich melde grün’ ....................................................................... 253 7.3.2 Perspektiven-Setting: das Aufspannen der Management-Perspektive........................................................ 256 7.3.3 Rhetorisch dargestellt und interaktiv bearbeitet: ein bürokratisches Konstrukt .................................................. 258 7.3.4 Funktionen bürokratischer Diskursstrategien ......................... 265 7.3.5 Die ‚eingeklammerte’ Perspektive auf Wandel ist Ausgangspunkt gelebter Wirklichkeit ..................................... 271 7.3.6 Die Ritualisierung des Verfahrens .......................................... 273 7.3.7 Fazit: bürokratisch und rituell gestützte Kommunikation im Postfordismus .................................................................... 278 7.4 Übergreifende Darstellungsanalyse zur Identifizierung von ‚Konzepttypen des Wandels’ ............................................................. 282 7.4.1 Wandel durch schicksalhafte Ereignisse ................................. 286 7.4.2 Wandel durch die Anpassung an die vernünftige Erkenntnis der Wirklichkeit .................................................... 290 7.4.3 Wandel durch Macht und Anpassung ..................................... 294 7.4.4 Wandel durch Formalisierung und Standardisierung .............. 300 7.4.5 Wandel durch reflexive Kommunikationsprozesse................. 305
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Inhaltsverzeichnis
7.4.6 Wandel durch Vorbild und Geduld ......................................... 310 7.4.7 Deontische, emotive und evaluative Schwerpunkte der Wandel-Konzepte ................................................................... 313 8 Fazit und Ausblick auf künftige Herausforderungen für ‚Wandel-Gestalter’.................................................................................... 317 8.1 Funktionale Handlungsstrategien im Kontext organisationalen Wandels.............................................................................................. 317 8.2 ‚Rituelle Sackgasse’ postmodernen Wandels: Trennung von Form und Inhalt .................................................................................. 320 8.3 Schlussbetrachtungen: Chancen und Risiken von Strategien der Change Communication ..................................................................... 325 Anhang: Transkriptionskonventionen und ausgewählte Transkripte ....... 331 Erläuterungen zur Transkriptionsweise ....................................................... 331 Transkripte der drei kommunikativen Gattungen........................................ 332 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 337
1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
1.1 Von hohen Ansprüchen und relativen Erfolgen im Change Management Kaum ein Managerseminar, kaum eine Unternehmensberatung, kaum eine Projektplanung in Unternehmen kommt heute ohne spezifische Formulierungen aus: Change Management – heißt es da – sei heute mehr denn je professionell zu gestalten; die so genannten „weichen Faktoren“ hätten immer stärker die Tendenz, zu harten Faktoren in Veränderungsprozessen zu werden; oder ohne „Partizipation“ sei in Zeiten der Individualisierung und Übertragung von Verantwortung keine Veränderung zu „stemmen“ oder „auf Speed zu bringen“. Die häufige Verwendung solchen ‚Wandel-Jargons’ zeugt einerseits von der Allgegenwärtigkeit intendierter Veränderung in Organisationen. Andererseits ist anhand der Inhalte dieses Jargons (der seinen Ursprung wohl in der populärwissenschaftlichen Literatur hat) festzustellen, dass in Organisationen insbesondere die ‚Machbarkeit’ von Veränderung zentral ist. D. h., die Steuerung von Organisationsprozessen wird als wichtige Voraussetzung gesehen, um tiefgreifenden Veränderungen im Umfeld von Organisationen entgegenzutreten. Neuere Change-Management-Konzepte der populärwissenschaftlichen Literatur (vgl. Doppler / Lauterburg 2002, Osterhold 2002 od. Krüger 2000) vereinen tendenziell gegensätzliche Ansprüche: einerseits den Steuerungsansatz für Veränderungen, andererseits den partizipativen Ansatz. Letzterem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Organisationsmitglieder eher als Unterstützer für intendierten Wandel1 zu gewinnen seien, wenn sie selbst die Gelegenheit dazu erhielten, in 1
Die Erläuterung verschiedener Auffassungen des Wandel-Begriffs und seine linguistische Analyse folgen in Kapitel 1.2. An dieser Stelle soll bereits darauf verwiesen werden, dass in der vorliegenden Untersuchung die Begriffe ‚Wandel’, ‚Wandlungsprozess’ und ‚Veränderungsprozess’ synonym verwendet werden. In Rekurs auf organisationstheoretische Ansätze und bei deren Weiterentwicklung in der linguistischen Analyse überwiegt jedoch die Verwendung des ‚Wandel’-Begriffs.
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
den Organisationsprozessen mitzuwirken. Innerhalb solcher Konzeptionen soll die Einbindung von Betroffenen die Steuerung von Wandel ermöglichen bzw. erleichtern. Ob der Widerspruch zwischen durchgeplanter Gestaltung und Emergenz als Folge von ‚bottom-up-Prozessen’ durch derartige Konzepte aufgehoben werden kann, sei an dieser Stelle dahingestellt. Unabhängig von solchen Zweifeln implizieren die Change-ManagementKonzepte eine planmäßige Gestaltung von organisationalen Veränderungsprozessen. Der selbstverständliche Rekurs auf das Vokabular psychologischer oder soziologischer Ansätze scheint Organisationsprozesse zu bereichern und weist auf den ersten Blick auf eine Professionalisierung bei der Durchführung von Wandlungsprozessen hin. Derart ‚partizipative’ Ansätze spiegeln sich in Studien oder Konzepten von beauftragten Organisations‚gestaltern’ wider, sind aber auch in den hohen Etagen großer Konzerne zu vernehmen: „Sie können in einem Unternehmen nicht erfolgreich sein, wenn Sie versuchen, nur von Ihrem Schreibtisch aus eine Richtung vorzugeben. Sie müssen selbstverständlich die Fähigkeiten und die Ideen des ganzen Unternehmens berücksichtigen und die Menschen einbeziehen.“ (Zitat eines Top-Managers aus dem Jahr 2004).
Doch warum ist die Thematik Change Management in aller Munde – warum ist stetig die Rede von einer solch „großen Herausforderung“ (vgl. Kanter et al. 1992 sowie Rüegg-Stürm 2000)? Warum durchläuft diese Thematik einen solchen ‚Hype’, dessen Ende noch lange nicht abzusehen ist, und der sich selbst lediglich hinsichtlich seiner Intensität und inhaltlicher Schwerpunkte wandelt? – War ein Veränderungsprozess vor einigen Jahrzehnten noch etwas Außergewöhnliches, so ist intendierter Wandel spätestens seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts an der Tagesordnung: Mergers and Acquisitions, die Implementierung verschiedenster Modelle zur Erhöhung der Produktivität und/oder Qualität (dabei vor allem aus Japan stammende Philosophien wie z. B. KAIZEN, Lean Management, Total Quality Management, der Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) bzw. die Kombination solcher einzelner Ansätze), Reorganisationen sowie Wandlungsprozesse in kultureller Hinsicht. Kaum eine Organisation ist von dieser dynamischen Entwicklung ausgenommen. Externe wie auch interne Experten und Berater sind mit der Durchführung des Wandels beauftragt und bearbeiten die Prozesse unter den unterschiedlichsten Foki und theoretischen Ansätzen. Dabei steigt die Komplexität der Wandlungsprozesse, wenn – wie zunehmend in Organisationen zu beobachten ist – verschiedenartige Veränderungen parallel ablaufen. Des Weiteren scheint es immer weniger häufig das Ziel zu sein, Veränderungsprozesse definitiv zu beenden. Stattdessen ist die stetige Flexibilität von Organisationen gefragt, die Art der Flexibilität aber kaum definiert. Die ‚Notwendigkeit’, sprich der Veränderungsdruck als Auslöser und ‚Treiber’ der Wandlungsprozesse, kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein: von
1.1 Von hohen Ansprüchen und relativen Erfolgen im Change Management
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strategischen Neuausrichtungen auf Basis von Managementvisionen ohne speziellen ‚Leidensdruck’ bis hin zu Reaktionen auf eine akute, existenzbedrohende Krise des Unternehmens bei einem ausgeprägt hohen Leidensdruck. Doch zurück zur scheinbaren Professionalisierung: Nicht nur in Unternehmen selbst, auch in der populärwissenschaftlichen und wissenschaftlichen Literatur wird der Gegenstand von organisationalen Veränderungsprozessen intensiv diskutiert; darin sind vielerlei Vorschläge zu finden, wie intendierter Wandel optimal realisiert werden kann. Die Lektüre der gleichen Managementbestseller oder der Besuch von Seminaren zu ‚zeitgemäßem’ Wandel scheinen tendenziell zu einer „Angleichung der subjektiven Organisationstheorien der Mitglieder eines Unternehmens“ oder auch über Unternehmen hinweg zu führen (Kieser 2002a, 305, vgl. auch Kieser 1997). Daneben zeichnet sich die Thematik aber durch eine Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und der Anwendung in der Praxis aus. Eine Fülle an Studien belegt, dass die Zufriedenheit mit den Effekten von intendiertem Wandel stark zu wünschen übrig lässt.2 Eine Vielzahl von Veränderungsprojekten in Unternehmen hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ‚verbrannte Erde’ hinterlassen, oder aber Strukturen und / oder Verhaltensweisen der Belegschaften sind schnell wieder in ihren alten Zustand zurückgefallen. Wo aber liegen die Ursachen für diese Diskrepanz? Sind die ‚Rezepte’ aus der Literatur unpassend für die Organisationsrealität? Werden sie falsch angewandt? Sind wesentliche Aspekte vergessen worden, die konstitutiv für die erfolgreiche Durchführung von Wandlungsprozessen sind? Oder kollidieren die Rezepte mit elementaren Werten oder Interessen der Belegschaften? Es liegt nahe, den Verantwortlichen von intendiertem Wandel die Ursache zuzuschreiben. Würden sie das Thema ernster nehmen oder die angebotenen Rezepte eins zu eins anwenden, entstünden nicht solch hohe Reibungsverluste im Rahmen von Wandlungsprozessen. Eine derart massive Komplexitätsreduktion greift jedoch deshalb zu kurz, weil man annehmen kann, dass Verantwortliche und Treiber nur ein Teil von komplexen Systemen sind, in denen Muster und Regeln vorherrschen. Eine weitere die Komplexität reduzierende Begründung ist oftmals die, dass Veränderung automatisch psychologische Widerstände3 hervorrufe, mit denen
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Vgl. z. B. die jährlich erscheinende Studie zu Change Management der Unternehmensberatung Capgemini, nach der „der Verzicht auf Change Management zu Produktivitätsverlusten von durchschnittlich fast einem Viertel führt sowie die unerwünschte Fluktuation um zehn Prozentpunkte erhöht“ (http://www.de.capgemini.com/m/de/tl/Change_Management-Studie_2008.pdf). Liebert (2003, 97) nennt am Beispiel „verordnetes Leitbild“ folgende mögliche Reaktionen auf Veränderungen: 1. das Verlassen des Systems („Exiloption“), 2. das Ändern der Identität (auch
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
man sich nun einmal abzufinden oder mit denen man umzugehen habe. Dem widerspricht, dass über verschiedene Organisationen hinweg durchaus Unterschiede bei der Umsetzung von Veränderungsprozessen existieren – Unterschiede im Hinblick auf die Akzeptanz in den Belegschaften, Unterschiede hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Veränderungen oder in Bezug auf Veränderungsimpulse aus der Organisation heraus. Die Frage nach den kritischen Erfolgsfaktoren von Veränderungsprozessen in Institutionen, Organisationen und sogar auf gesellschaftlicher Ebene ist also nach wie vor aktuell, nicht nur vor dem Hintergrund des häufigen Scheiterns, sondern auch vor dem Hintergrund der noch künftig anstehenden Veränderungen der Unternehmensumfelder sowie der Intensivierung von Internationalisierung und Globalisierung. Zur Einführung der Thematik soll Anpassung versus Selbsthervorbringung von Organisationen anhand systemtheoretischer Überlegungen in Kürze betrachtet werden. Anschließend gehe ich auf einige wesentliche Rahmenbedingungen der Wirtschaft sowie ihre Interferenzen mit Organisationen ein, bevor der Problemhintergrund mit der Beleuchtung der innerorganisationalen Kommunikation im Kontext organisationalen Wandels eingegrenzt wird. Anpassungsmechanismen sind heutzutage eine geläufige Erklärung dafür, warum Organisationen massiven Turbulenzen unterworfen sind. Aus systemtheoretischer Sicht sieht die Erklärung aber ganz anders aus: Bei den weiter unten genannten Rahmenbedingungen, mit denen Unternehmen konfrontiert sind, handelt es sich von der Warte der Systemtheorie (vgl. z. B. Maturana / Varela 1980)4 aus um die von Organisationen wahrgenommene Umwelt. Die Wissenschaftler Maturana und Varela gehen davon aus, dass lebende Systeme autonome und geschlossene Interaktionssysteme sind, die sich ausschließlich auf sich selbst beziehen. Dies wird mit dem Begriff der „Autopoiesis“ (ebd.) benannt und impliziert die Fähigkeit der Selbsthervorbringung der eigenen Organisation und Identität. Diese These der chilenischen Wissenschaftler ist jedoch nicht so zu verstehen, dass Systeme völlig isoliert sind (vgl. Morgan 1997, 346). Vielmehr stehen Organisationen in einer zirkulären Beziehung mit denen sie umgebenden Umwelten. Dennoch sind Beziehungen mit dem Umfeld intern bestimmt. Entscheidend für den Rekurs auf die System-Theorie für unseren Kontext ist der Bezug auf Veränderung innerhalb der Autopoiesis-Theorie: „Was ist die Ursache potentieller Veränderungen? Die Theorie der Autopoiesis sieht die Ursache von Veränderungen in zufälligen Abweichungen, die innerhalb des Gesamtsystems auftreten. Diese beruhen auf zufälligen Veränderungen, die durch Re-
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innerlich) („Konformitätsoption“), 3. ein Doppelleben, d. h. eine kritische und unangepasste Rolle („Subversionsoption“) sowie 4. das Beseitigen des mächtigen Akteurs („Putschoption“). Vgl. auch Morgan 1997, der die „Logik sich selbst erhaltender Systeme“ erläutert.
1.1 Von hohen Ansprüchen und relativen Erfolgen im Change Management
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produktionsvorgänge eingeführt wurden oder durch die Kombination von zufälligen Interaktionen und Verbindungen, die die Entwicklung neuer Systembeziehungen in Gang bringen.“ (Morgan 1997, 350)
Die systemtheoretische Sicht verweist also einerseits auf die hohe Bedeutung interner Veränderungen in Organisationen und andererseits auf die der Interaktion und deren Auswirkungen. „Im Gegensatz zu der Behauptung, daß sich das System an eine Umwelt anpasst oder daß die Umwelt die Systemkonfiguration auswählt, die überlebt, geht es bei der Autopoiesis um die Art und Weise, wie das gesamte Interaktionssystem seine eigene Zukunft gestaltet.“ (ebd., 351) Anders ausgedrückt: Wie das Umfeld vom System wahrgenommen wird, beruht einerseits auf der Kommunikation der Organisationsmitglieder und wird andererseits durch die Kommunikation verstärkt. Manager von Organisationen, welche sich der Möglichkeit der Verstärkung von Wahrnehmungsmustern durch ihre eigene Kommunikation bewusst sind, nutzen innerhalb der Organisation jedoch eine Wandel-Rhetorik im Sinne Darwinschen Theorie, welche konträr zur Systemtheorie steht und welche Handeln als Reaktion auf unabwendbare und nicht abzustreitende Rahmenbedingungen vermittelt. Diese Rhetorik lehnt sich mitunter an folgende Argumentationen an: 1. Die enorm wachsende Dynamik der Unternehmens(um-)welten In den Märkten und Organisationen ist in den letzten Jahren eine deutliche Beschleunigung von Prozessen zu konstatieren (vgl. Boos / Heitger / Hummer 2004). Eine Verlangsamung oder Stagnation ist dabei nicht abzusehen. Auch künftig besteht noch hohes Forschungspotenzial, welches laut Wirtschaftsexperten nur von innovativen und flexiblen Unternehmen erfolgreich aufgegriffen werden kann und welches auch für die nächsten Jahre immer neue Innovationen hervorbringen wird. Aus Sicht von Wirtschaftswissenschaftlern und sich an deren Erkenntnissen orientierenden Managern liegen die Gründe für die aktuelle und weitere Dynamik in komplexen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen (vgl. Boos / Heitger / Hummer 2004):
im Kampf um Marktanteile und Fokussierungsbestrebungen von Organisationen, die sich z. B. in Fusionen, Outsourcing, Übernahmen oder Effizienzsteigerungsprogrammen manifestieren, sowie in der Verschärfung solcher ‚Kämpfe’,
in der schnellen und auch künftig stattfindenden Technologieentwicklung,
in den Anforderungen der Finanzmärkte: die neue Form der Finanzmärkte hat Einfluss auf die Entwicklung von Unternehmen, insb. das Konzept der Shareholder-Value bei börsennotierten Unternehmen führt dazu, dass das
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
Top-Management neben den Anforderungen des Marktes und den Erwartungen der Mitarbeiter die Ansprüche der Investoren befriedigen muss,
in den Neudefinitionen von Branchengrenzen u. a. durch die Deregulierung und Liberalisierung der Märkte,
in der steigenden Kopplungsdichte in Technik, Wirtschaft und Kultur; dies bringt eine wachsende Komplexität und Veränderungsgeschwindigkeit in Markt und Gesellschaft mit sich sowie unvorhersagbare Wirkungen und Rückwirkungen,
im Phänomen der Individualisierung der letzten Jahrzehnte; dieses Phänomen kann einerseits als Folge sich ändernder Anforderungen im Berufsleben gesehen werden oder aber andererseits als eine der Ursachen für veränderte oder sich wandelnde Organisationsstrukturen; die Individualisierung manifestiert sich unter anderem darin, dass berufliche Identität nicht mehr an die gesamte Lebensdauer eines Menschen gekoppelt ist. Bindungen sozialer Art und entsprechende kommunikative Lebensformen werden in der Spätmoderne flüchtiger; 5
in der zunehmenden Medialisierung der Kommunikation sowie der Zurückdrängung bürokratischer und hierarchischer Formen der Kontrolle durch flache und dynamische Netzwerkstrukturen. Die Folge ist, dass die Bedeutung von Identitätsarbeit (persönlich und organisational) wächst (Boos/Heitger/Hummer 2004, 16) – und das vor dem Hintergrund immer schwieriger zu definierender Identitäten (vgl. Habscheid/Vacek 2008).
All diese Rahmenbedingungen führen laut der Wandel-Rhetorik in populärwissenschaftlichen Publikationen6 sowie der politischen und vor allem der inner5
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Opitz (2004) bringt das Phänomen der Individualisierung mit einem neuen „Modus der Gesellschaftung“ in Verbindung: „Der Einzelne muss sich in seiner Unverwechselbarkeit mit Hilfe ästhetischer Lebensstiloptionen, die hauptsächlich konsumistisch umgesetzt werden, inszenieren“ (ebd, 99). Auch innerhalb von Unternehmen findet solch eine Entstandardisierung und Flexibilisierung in Bezug auf den Menschen statt: „Dem Mitarbeiter selbst obliegt die Optimierung der Produktionsabläufe“ (ebd., 98). Für eine tiefergehende Beschreibung der Thematik der ‚Individualisierung’ s. Baecker 2003, 105ff. Vgl. Kieser (1997 und 2002), der aus der konstruktivistischen Perspektive auch Wissenschaft als Rhetorik sieht. „Die Theorien, auf die die positivistischen Organisationstheoretiker zurückgreifen und die es ihnen ermöglichen, in einer bestimmten Ausgangslage ein sehr breites Spektrum organisatorischer Lösungen mit wissenschaftlicher Legitimation zu versehen (Kieser 1995), sind Grundannahmen (root metaphors) […]. Organisationstheorien liefern nicht mehr – aber auch nicht weniger – als gute Gründe für oder gegen in der Diskussion befindliche Organisationskonzepte. Sie beeinflussen damit – manchmal – die Kommunikation über Reorganisationen in der Praxis.“ (Kieser 2002, 317f) Diese Sicht lässt sich ebenso auf populärwissenschaftliche Publikationen übertragen, welche genauso rhetorische Elemente und Argumentatio-
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organisationalen Kommunikation zu Umständen, die turbulenter sind denn je (vgl. Morgan 1988). Die wahrgenommenen Rahmenbedingungen haben zur Folge, dass Organisationen stärker als in der Vergangenheit versuchen, die Umwelt „ab(zu)tasten“ (Luhmann 2000, 360), d. h., es ist vermehrt die Fähigkeit von Organisationen gefordert, Veränderungsbedarf frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren; somit steigt die Antizipation des ‚Fits’ externer und interner Veränderungsgeschwindigkeit (vgl. Boos/Heitger/Hummer 2004). Insgesamt kommt es durch die genannten Entwicklungen im Wirtschaftsumfeld zur Gefährdung von Gleichgewichtszuständen in Organisationen. Dies stellt viele – wenn nicht die meisten – Organisationen vor neue Aufgaben. 2.
Immer mehr Institutionen und Organisationen sehen die Gestaltung einer ‚Kultur des Wandels’ als notwendige Voraussetzung für ihre Überlebensfähigkeit an. Die Gestaltung erfolgt meist nach klassischen Modellen und „Organisationsmoden“ (Kieser 1996).
Vor dem Hintergrund aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen herrscht ein verändertes Verständnis von Wandel: der Begriff wird meist nicht mehr verstanden als Übergangsstadium auf dem Weg zu einem neuen oder alten Gleichgewicht (vgl. Boos/Heitger/Hummer 2004). Vielmehr scheint ein gewisses Maß an ständigem Ungleichgewicht überlebensnotwendig für Organisationen zu sein. Dennoch beruht die heute immer noch meist praktizierte Logik von Unternehmenswandel auf dem Gleichgewichtsmodell der Wirtschaftswissenschaften, das im 19. Jahrhundert aus der Physik entlehnt und auf die Ökonomie übertragen wurde (vgl. Kruse 2004, 16). Dieses Modell des Idealzustands effizienten Wirtschaftens mag sich in vielerlei Hinsicht bewährt haben. Allerdings werden in den heutigen dynamischen und komplexen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhängen seine Grenzen sichtbar.7
Eng verknüpft mit dem Verständnis einer ‚Notwendigkeit’ des Wandels sind „Organisationsmoden“ (Kieser 1996), welche die scheinbar aktuelle Lösung für Managementprobleme sind. In dem Zusammenhang wird auch von „Modewellen“ gesprochen (Boos/Heitger/Hummer 2004, 18),8 in deren
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nen im Sinne von Legitimation für die Organisationspraxis zur Verfügung stellen. Diese werden von einer breiteren Basis rezipiert als wissenschaftliche Ansätze. Problematisch wird innerhalb dieses Modells heute gesehen, dass auf Veränderungsbedarf meist mit dem Versuch reagiert wird, „die Leistung im Rahmen bestehender Funktionalität zu verbessern“ (Kruse 2004, 19), d. h. eine Funktionsoptierung ohne Infragestellen und Verlassen bestehender Verhaltensmuster. Diese Modewellen werden bei Boos et al. (2004) folgendermaßen skizziert: vom Scientific Management (Taylorismus) (ab 1900) über die Computerisierung (50er Jahre), über Zentrali-
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
Zuge neue Management-Stile von ökonomisch erfolgreichen Ländern, wie z. B. Japan, importiert werden. Eine mögliche Folge davon ist, dass es zu Spannungen zwischen wachsenden internationalen Praktiken und lokalen Traditionen kommt. 3.
Seit einigen Jahren scheinen sich Wandlungsprozesse vermehrt dem Einfluss des Managements zu entziehen.
In den letzten Jahren sind wirtschaftliche Phänomene wie die Deregulierung oder die Technologieentwicklung für die Dynamik in den Organisationen verantwortlich gemacht worden. Beispielsweise wurden viele Veränderungsvorhaben mit Rationalisierungseffekten oder Integrationszielen der Informationstechnologie begründet (vgl. Boos/Heitger/Hummer 2004, 20f), oder aber der vermehrte Einfluss des Kapitalmarkts wurde als Einflussfaktor angeführt. Hierbei handelt es sich um Wandlungsprozesse, welche scheinbar nicht mehr unmittelbar vom Management gesteuert werden.
Verwunderlich ist in diesem Zusammenhang, dass diese Tendenz keinen merklichen Einfluss auf die weiterhin vorherrschende Machbarkeitsillusion von ‚Wandlungsmanagern’ hat. Dennoch stellt sich die Frage, inwiefern der Steuerungsgedanke und damit zusammenhängende Managementtechniken künftig legitimierbar und operationalisierbar sind.
Der Blick auf wahrgenommene Um- und Innenwelten von Organisationen zeigt, dass Unternehmensführungen oftmals sorgenvoll vor künftigen Entwicklungen stehen. Möglicherweise gesellt sich zur Sorge über die steigende Dynamik und Unübersichtlichkeit folgende Problematik: Nach vielen Jahren dieses ‚Veränderungs-Hypes’ mit seinen Enttäuschungen besteht das Risiko, dass das Change Management künftig in eine Krise mündet. Boos/Heitger/Hummer (2004) konstatieren bereits seit der Jahrtausendwende eine so genannte „Krise des Changemanagements“ (ebd., 15). Ich möchte nicht so weit gehen, die Krise als in vollem Gange zu bezeichnen. Dennoch kann von einem zunehmenden Risiko im Management von Veränderungen ausgegangen werden. Vier Faktoren dieses Risikos sollen hier herausgestellt werden:
In der Praxis wird eine große Anzahl von Prozessen beklagt, bei denen formulierte Ziele nicht annähernd erreicht wurden oder durch die sogar gegenteilige Zustände bewirkt wurden. Das Image von Veränderungsprozessen leidet insofern, als die ‚Treiber des Wandels’ von den Betroffenen des Wansierung / Dezentralisierung (60er Jahre), Portfolio Management (70er Jahre), über die Branchenanalyse nach Porter (80er Jahre), Business Process Reengineering (90er Jahre) bis hin zu System- und Prozessintegration über Unternehmensgrenzen hinweg (ab 2000).
1.1 Von hohen Ansprüchen und relativen Erfolgen im Change Management
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dels als nicht direkt vom Wandel tangiert betrachtet werden. Diese erlebten – so oftmals die Einschätzung von Organisationsmitgliedern – nicht mehr die Folgen der Veränderungen aufgrund beispielsweise kurz anhaltender Vorstandstätigkeiten oder zeitlich begrenzter Projektarbeit. Damit ist meist die Annahme verknüpft, dass das Interesse der Wandel-Initiatoren vom Wohl des Unternehmens abweiche (z. B. bei Top-Managern und Unternehmensberatern). Dies wiederum zieht einen Autoritätsverlust von Managern und Beratern in Wandlungsprozessen nach sich – oftmals auch derer, die längerfristige Intentionen für die Organisation haben.
Parallel nimmt die Komplexität von Veränderungsprozessen zu: es kommt zu Überschneidungen von unterschiedlichen Wandlungsprozessen.9 Oftmals geht die Parallelität so weit, dass die Grenzen verschiedener Prozesse verwischen. Dies lässt den Eindruck entstehen, Veränderung werde ‚um der Veränderung willen’ forciert.
In Organisationen ist ein widersprüchliches Nebeneinander von „Machbarkeitsillusion“ (Boos/Heitger/Hummer 2004, 14) und Veränderungsmüdigkeit zu konstatieren. Während der Glaube an die Wandlungsfähigkeit von Organisationen ungebrochen ist (vor allem von Unternehmensleitungen), wachsen die Legitimationsprobleme, vorwiegend durch paradox anmutende Ausgangslagen, so z. B. geplante Rationalisierungen und zugleich Investitionen in das unternehmerische Wachstum und/oder die gleichzeitige Gewinnmaximierung. Diese oftmals paradoxe Dynamik kann zu einer Sinnkrise führen, die von Organisationsmitgliedern nicht mehr ohne weiteres verarbeitet werden kann.
Zwar hat Baecker bereits 2003 festgestellt, dass es in der Postmoderne10 das Ziel ist, „die Mitglieder einer Organisation in allen organisationsrelevanten Hinsichten aus der Indifferenzzone11 herauszuholen und in eine Differenz-
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Im zu analysierenden Unternehmen werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten verschiedene Wandlungsprozesse angestoßen, die dadurch zumindest in bestimmten Phasen gleichzeitig ablaufen: Neben dem zu untersuchenden Veränderungsprozess ‚Lean Production’ gibt es zum Zeitpunkt der teilnehmenden Beobachtung ein unternehmensweites Einsparungsprogramm sowie Restrukturierungen und/oder Strategieprozesse in einzelnen Bereichen des betreffenden Standortes. Die Komplexität wird durch personelle Wechsel im Management noch erhöht. Zur Thematik der Postmoderne bzw. postmoderner Kultur s. Jameson 1983 in Foster 1983. Barnard (1938) hat diesen Begriff geprägt, um zu beschreiben, was Organisationen mit ihren Mitgliedern „machen können und was nicht“ (Baecker 2003, 31). Er kommt zu dem Ergebnis, dass Beamte, Soldaten, aber auch Arbeiter und Angestellte bereit sind, alle jene Direktiven auszuführen, die in ihre Indifferenzzone fallen, die also keinen Unterschied machen zu Selbstrespekt, moralischen oder religiösen Überzeugungen, solidarischen Verpflichtungen etc. Anforderungen von Seiten der Unternehmensleitungen oder von Führungskräften, welche das
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
zone hineinzubewegen“ (Baecker 2003, 32). Im Zuge der beschriebenen Entwicklung ist jedoch auch hier mit einer Intensivierung zu rechnen: Organisationsmitglieder sollen sich aus Sicht von organisationalen Entscheidungsträgern von allem ‚betroffen’ fühlen, vor allem vom formulierten ‚Veränderungsbedarf’. Dieses Betroffenmachen wird umso schwieriger, je mehr Veränderungsprozesse bereits von den Mitgliedern erlebt wurden, und je mehr sich solche Prozesse überschneiden bzw. je mehr deren Grenzen verschwimmen. In solchen Fällen kann die Veränderung zwar auch ‚betroffen’ machen, die Gefahr der Umkehrung ins Negative vor dem Hintergrund schlechter Erfahrungen der Organisationsmitglieder ist aber groß. Dann ist der Mensch „mit Haut und Haar“ (Baecker 2003, 32) gegen die Intention der Verantwortlichen. Weiterhin beeinflusst die in den Punkten 1-3 skizzierte Dynamik innerorganisationale Prozesse auf der Ebene von Kommunikation, Zusammenarbeit, Zielfindung und gemeinsamer Zielverfolgung.
Im Zuge der oben genannten Ungleichgewichtszustände in Organisationen stehen sich unterschiedliche Sichtweisen auf die Veränderungsprozesse gegenüber; Strittigkeit ist mit wachsendem Ausmaß von Wandlungsprozessen wahrscheinlicher geworden. Ausgeprägter Dissens erschwert Zielfindungsprozesse in Organisationen und das Verfolgen der für alle gültig erklärten Ziele.
Umso wichtiger scheint es in Organisationen zu sein, die Notwendigkeit von Konsens zu unterstreichen. Dies ist allerdings insofern problematisch, als Streit („die Form der Veränderung ist der Streit“ (Baecker 2004)) Veränderung hervorbringt (s. Kapitel 4). Auch hieraus ergibt sich ein Antagonismus, der bewältigt werden soll.
Unternehmen haben begonnen, die Arbeitskultur zu verändern, z. B. indem sie partizipative Ansätze verwirklichen, wie etwa Qualitätszirkel. Diese Veränderungen sind geknüpft an neue Zielsetzungen, welche sich in der Wandel-Rhetorik von Managern wiederfinden, so z. B. im Begriff des „EnSelbstverständnis von Mitarbeitern konterkarieren, fallen in die „Differenzzone“, innerhalb derer die Bereitschaft zur Erfüllung der Anforderungen nicht mehr gegeben ist. „Ein Großteil der Auseinandersetzungen in den Unternehmen, Behörden, Armeen, an die wir uns gewöhnt haben, dreht sich typischerweise immer darum, auszutesten, wo die Indifferenzzone beginnt und wo sie endet und mit welchen Lohn- und Gehaltsvorstellungen, Trainingsmaßnahmen und Hintergrundüberzeugungen sie ausgedehnt werden kann.“ (Baecker 2003, 31). Baecker (2003, 32) erläutert die veränderte Managementphilosophie unserer Tage, innerhalb derer Manager auch die Überzeugungen ihrer Mitarbeiter in die Entscheidungsabläufe der Organisation integriert sehen möchten.
1.2 Wandel-Ansätze mit Fokus auf die Bedeutung von Routinen- und Musterwechseln
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trepreneurs“, der für sich selbst motivierende und bis zu einem gewissen Grad selbst steuernde Mitarbeiter steht, die somit das Unternehmen optimieren (Sellien/Sellien 2000, 3179). Der Wandel bringt auch signifikante Veränderungen bei der Kommunikation mit sich (vgl. Fairclough (1992, 7), der Veränderungen hinsichtlich „diskursiver Praktiken“ beschreibt).12 Der Sprachgebrauch gewinnt an Bedeutung, beispielsweise um die Produktion aufrechtzuerhalten oder um soziale Kontrolle auszuüben. Auf allen Hierarchieebenen werden kommunikative Fähigkeiten wichtiger. Führt man sich alle oben genannten Entwicklungen vor Augen, so stellen sich folgende Fragen: Wie gehen Organisationen, ihre Individuen und organisationalen Gruppen damit um? Und vor allem: Welche kommunikativen Strategien von Unternehmens-, Bereichs- oder gar Team-Führungen sind angesichts dieser Dynamik und Veränderungsintensität innerhalb von Organisationen vorzufinden? Wie wird das Dilemma zwischen Veränderungsdruck und den individuellen Ansprüchen von Organisationsmitgliedern kommunikativ gelöst?
1.2 Wandel-Ansätze mit Fokus auf die Bedeutung von Routinen- und Musterwechseln Im Folgenden soll in aller Kürze auf Wandel-Ansätze eingegangen werden, welche das Infragestellen organisationaler Muster in den Vordergrund ihres Interesses rücken. In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass organisationale Kommunikation Routinen des Organisierens herstellt und vergewissert. Aus diesem Grund sind solche Ansätze zentral, welche Organisationsmuster als ‚Enabler’ oder aber auch als Hemmnisse für organisationalen Wandel darstellen. Organisationen als Handlungssysteme Bei der Konzeptualisierung organisationalem Wandels von Crozier/Friedberg (1993) wird ‚Wandel’ als Veränderung des gesamten Handlungssystems einer Organisation erklärt. In diesem Sinne kann nur dann von Wandel gesprochen werden, wenn sich ein kollektives Handlungssystem von Grund auf verändert. Die Autoren gehen davon aus, dass Wandel immer die Ablösung eines Gesamtspiels durch ein neues Spiel13 ist. Akteure im Kontext des organisationalen Wan12 13
Zur Veränderung kommunikativer Strukturen aus praxisorientierter Sicht vgl. Bernecker/Reiß 2002. Crozier und Friedberg stellen mit ihrem organisationssoziologischen Ansatz eine Forschungsperspektive zur Verfügung, die mittels der Spielmetapher Handlung und Struktur verknüpft.
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
dels verfolgen Spielstrategien, um ihre Interessen zu realisieren. Dabei ist eine Strategie „nichts anderes als die ex post gefolgerte Grundlage der empirisch beobachteten Verhaltensregelmäßigkeiten“ (ebd., 34). Demnach sind Spielregeln als Anleitungen und Regeln einer Organisation zu verstehen. Aus dieser Perspektive gibt es kein irrationales Verhalten in Organisationen, vielmehr ist jede Art von Verhalten im jeweiligen Kontext rational, da es auf Zwänge und Handlungsspielräume des Systems zurückgeführt werden kann. Veränderung im Sinne der Einführung eines neuen ‚Spiels’ findet aus dieser Sicht also immer interruptiv statt. Eine Veränderung ist in diesem Sinne immer grundlegend, da sie in der Änderung der „Beschaffenheit des Spiels selbst“ (Crozier/Friedberg 1993, 241) besteht. Dies wiederum hat weitreichende Folgen: Wenn sich die Beziehungs- und Spielmodelle in Organisationen verändern, kommt es auch zu einem Bruch in der gesamten Struktur des Machtfeldes. Somit ist die bei den Autoren angestrebte Art der Veränderung, bei der sich nicht die Individuen verändern, sondern ihre Beziehungen zueinander und damit die Regeln der Organisation, kollektiver Art. In diesem Verständnis ergibt sich Wandel nicht natürlich. Die Problematik dabei ist, dass das „alte Spiel […] das neue nicht automatisch und auf natürliche Weise erzeugen“ kann (ebd. 1993, 249). Dies ist vor allem deshalb relevant, da unweigerlich bisherige Machtquellen von Akteuren gefährdet werden: „Nun ist aber jegliche Veränderung deshalb gefährlich, denn diese stellt unfehlbar die Bedingungen seines Spiels, seine Machtquellen und seine Handlungsfreiheit in Frage, weil sie die relevanten, von ihm kontrollierten Ungewissheitszonen ändert oder verschwinden lässt.“ (Crozier/Friedberg 1993, 242)
Den Konflikt zwischen altem und neuem Spiel lösen Crozier und Friedberg insofern auf, als sie Menschen als autonom Handelnde konzipieren, die als Individuen die Fähigkeiten haben, die strukturellen Möglichkeiten des Systems zu überwinden. Somit wird der Akteur zum „eigenmächtigen Urheber des Wandels“ (ebd., 254). Voraussetzung dafür ist, dass der Wandelakteur die Zwänge des Handlungssystems versteht. Friedberg spezifiziert 1995 das Konzept des Auslösers von Wandel und sieht soziales Unternehmertum (Friedberg 1995, 346) als Demnach beeinflussen sich Handlungen und Strukturen gegenseitig; mit der Terminologie der beiden Soziologen gesprochen: ‚Spielstrategien’ und ‚Spielregeln’ beeinflussen sich gegenseitig. Demnach ist das Spiel „ein konkreter Mechanismus, mit dessen Hilfe die Menschen ihre Machtbeziehungen strukturieren und regulieren und sich doch dabei Freiheit lassen. Das Spiel ist das Instrument, das die Menschen entwickelt haben, um ihre Zusammenarbeit zu regeln. Es ist das wesentliche Instrument organisierten Handelns. Es vereint Freiheit und Zwang. Der Spieler bleibt frei, muss aber, wenn er gewinnen will, eine rationale Strategie verfolgen, die der Beschaffenheit des Spiels entspricht, und muss dessen Regeln beachten. Das heißt, dass er zur Durchsetzung seiner Interessen die ihm auferlegten Zwänge zumindest zeitweilig akzeptieren muss.“ (Crozier/Friedberg 1993, 68)
1.2 Wandel-Ansätze mit Fokus auf die Bedeutung von Routinen- und Musterwechseln
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Bedingung für Veränderung, d. h. einzelne oder mehrere Organisationsmitglieder thematisieren bestehende organisationale Probleme und lösen dadurch den Wandlungsprozess aus. Veränderung kann demnach nur dann gelingen, wenn der soziale Unternehmer den von ihm ausgelösten Prozess steuert und interne Unterstützer gewinnt. Umsetzungsschwierigkeiten in Veränderungsprozessen schreiben Crozier und Friedberg keineswegs der ‚Irrationalität’ der Akteure zu, sondern der Logik von Verhaltensweisen in Organisationen, wie z. B. das Kontrollieren von Ungewissheitszonen, um eigene Handlungsspielräume zu bewahren, aber auch – und das verweist auf eine neutrale und ganzheitliche Sicht auf Reaktionen auf Wandel – Interessen von Akteuren, welche genau mit dem Veränderungsprozess zusammentreffen. Die Wandeltheorie Organisationales Lernen Bei Organisationalem Lernen handelt es sich um eine Theorie, die an der Organisation (Bestätigung und Hervorbringung) ansetzt, dabei vor allem an ihren Routinen, ihren Artefakten sowie ihrer Sprache (vgl. Weick/Westley 2001, 446). Vorbereitend zur sprachlichen Auseinandersetzung mit der Thematik Muster im Wandel wird der Ansatz hier vertieft – nicht zuletzt auch wegen des Zusammenhangs zwischen Kommunikation und Lernprozessen in Organisationen. Da der Anspruch von Organisationen steigt, auf externe Einflüsse immer flexibler reagieren zu können, ändert sich auch das Verständnis von Wandlungsprozessen: viele Unternehmen setzen sich als Ziel, die Mitglieder im Sinne der lernenden Organisation (Argyris/Schön 1978 bzw. 1999)14 ständig – und stärker ausgeprägt als in der Vergangenheit – wandlungsfähig zu halten. Vertreter des Ansatzes Organisationales Lernen orientieren sich an der Argumentation des permanenten Wandels und reagieren auf die gestiegene Bedeutung von Anpassung in Organisationen. Grundlegend ist hierfür die Annahme, dass Wissensentwicklung (wichtig ist hierbei vor allem die kollektive Wissensentwicklung) die Fähigkeit von Organisationen erhöht, diskontinuierliche und dynamische Umwelten zu bewältigen. Die Anknüpfung an die Sicht auf das Innere und Äußere von Organisationen als ‚kontinuierlicher Fluss’ erfolgt auch in der vorliegenden Arbeit. Wenn also Organisationen sich unter den heutigen Rahmenbedingungen einerseits einem permanenten Wandel ausgesetzt sehen und aus diesem Grund die permanente Lernfähigkeit der Organisation im Gesamten in vielen Fällen als eine Möglichkeit betrachten, diese Bedingungen zum eigenen Vorteil zu überwinden, dann ist der Rekurs auf die Wandeltheorie Organisationales Lernen im Zusammenhang mit organisationalem Wandel und Kommunikation unumgänglich. Des 14
Einen Überblick über das Thema ‚Organisationales Lernen’ geben u. a. Weik/Lang 2001.
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
Weiteren zeigt sich, dass der in den Kapiteln 6 und 7 untersuchte Wandlungsprozess ‚Lean Management’ organisationale Lernprozesse impliziert – vor allem aufgrund der intendierten Problemlöse- und und Fehlerkultur (Fehler als Chance für Verbesserung und ohne Stigma). Die erste Annäherung an die Thematik des Organisationalen Lernens wurde 1963 von Richard M Cyert und James G. March in ihrem Beitrag „Behavorial Theory of the Firm“ vorgenommen, einer Untersuchung aus „entscheidungsorientierter Perspektive“ (Weik/Lang 2001, 260). Darin behandeln die beiden Autoren Organisationen als Koalitionen verschiedener Gruppen in und außerhalb der Organisation, von deren Entscheidungen das Organisationsverhalten abhängt. Diese Entscheidungen seien geprägt durch scheinbare Konfliktlösungen zwischen den Interessensgruppen der Koalition, durch Unsicherheitsvermeidung, Problemlösungsversuche und eben durch organisationales Lernen. Entscheidungsprozesse sind hier mit Lernprozessen gleichgesetzt, da Handlungsroutinen an das vorangegangene Ergebnis von Entscheidungen angepasst werden. 1975 ergänzte March gemeinsam mit Olsen (March/Olsen 1975) diese Perspektive durch Konzepte der Sozial- und Kognitionspsychologie. Ein wesentliches Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass es nur dann möglich ist, das Verhalten von Organisationen nachhaltig zu verändern, wenn die „Standard Operating Procedures“ (ebd.) der Organisation durch verändertes Verhalten der einzelnen Organisationsmitglieder an die dynamische Umwelt angepasst werden können. Laut diesem Ansatz gelingt dies über das experimentelle Lernen unter Mehrdeutigkeit, das in die Anpassung von Einzelinterpretationen an organisationale Zielsetzungen mündet. Die kognitive Perspektive lässt sich wiederum in Strukturelle und Epistemologische Ansätze untergliedern (vgl. Weik/Lang 2001, 262). Die Strukturelle Strömung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: „Die Grundannahme struktureller Konzepte des organisationalen Lernens besteht darin, daß sowohl Lernen als auch Entscheiden der Organisationsmitglieder von der Struktur des Wissenssystems einer Organisation oder eines sozialen Systems (z. B. Gruppe), d. h. von der Gesamtheit des auf der Organisations- bzw. Gruppenebene gespeicherten und verfügbaren Wissens abhängt: Die individuelle Informationsverarbeitungskapazität wird beispielsweise von Erfahrungen, Prozesswissen oder Werten bestimmt, die in einer Organisation geteilt und gelebt werden.“ (Weik/Lang 2001, 262)
Die andere Gruppe kognitiver Ansätze, die der Epistemologischen Konzepte, beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Entwicklung organisationalen Wissens. Hierbei ist zentral, dass Wissen als verschiedene miteinander in Konkurrenz stehende Interpretationen der Wirklichkeit betrachtet wird und dass Menschen ihre Umwelt gestalten, d. h. sich nicht ausschließlich reaktiv anpassen. In diesem Zu-
1.2 Wandel-Ansätze mit Fokus auf die Bedeutung von Routinen- und Musterwechseln
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sammenhang wurde der Begriff „verordnete Umwelt“ geprägt (Draft/Weick 1984). Diese Ansätze, die rein auf das organisationale Lernen, aber nicht auf individuelle Lernprozesse bezogen sind, werden 1979 von Duncan/Weiss aus der Wissensperspektive weiterentwickelt. Sie konzentrieren sich aber auf die Lernprozesse einer „dominant coalition“ (ebd.), d. h., auf Lernprozesse der Entscheidungsträger von Organisationen. Interessant ist in dieser Untersuchung die Kategorisierung von Wissen einer Organisation: Wissen über Zusammenhänge zwischen Handlung und Effekten, Wissen über Rahmenbedingungen, in denen diese Zusammenhänge relevant werden, sowie Wissen hinsichtlich der Bewertung und Erneuerung dieser Zusammenhänge. All den bereits erwähnten Ansätzen des Organisationalen Lernens ist gemein, dass der Aspekt von Organisationsmustern zentral ist. Bo Hedberg greift diesen Gesichtspunkt intensiver auf und bildet den Begriff „Organisationsgedächtnis“ (Hedberg 1981). Organisationales Lernen wird hier primär als Prozess der Reaktion auf organisationsinterne oder auch organisationsexterne Reize verstanden. Hedberg verweist so auf ein lernpsychologisches Stimulus-Response-Modell, das im Gegensatz zu den zuvor erwähnten Autoren selektive Wahrnehmungs- und Steuerungsmechanismen berücksichtigt (ebd.). Den wohl bekanntesten Beitrag zum Konzept des Organisationalen Lernens leisteten Argyris und Schön im ihrer Publikation von 1978: „Organizational learning: A theory of action perspective“. Sie schlagen die Brücke zwischen individuellem Lernen und dem Verhalten der Organisation, wobei sich aus deren Perspektive Ersteres auf Letzteres auswirken muss, um tatsächliches übergreifendes Lernen zu ermöglichen. Es wird zwischen zwei Zielen des Organisationalen Lernens unterschieden: dem Einschleifen-Lernen („single-loop-learning“ (ebd.)), d. h. eine Anpassung des Verhaltens im Rahmen unveränderter Ziele und Normen, sowie dem Zweischleifen-Lernen („double-loop-learning“ (ebd.)), bei dem die Anpassung durch die Korrektur bisheriger Normen erfolgt. Die Autoren kritisieren, dass in der organisationalen Realität das Einschleifen-Lernen im Vordergrund steht. Darum plädieren sie für Interventionen zur Förderung des ‚Lernens des Lernens’, mit denen die Selbstreflexionsmöglichkeiten der Organisation ausgebildet werden können (vgl. auch Grothe-Senf 2003).15
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Eine weitere Perspektive ist die systemtheoretische, welche Weik/Lang (2001, 246f) in dreierlei Konzepte untergliedern: 1. traditionelle systemtheoretische Managementansätze, die in der Erweiterung und Unterscheidung der organisationalen Wissensbasis die Grundlage für Organisationales Lernen sehen (z. B. Kast/Rosenzweig 1970), 2. den systemdynamischen Ansatz, der den Fokus auf die Handhabung der komplexen System-Umwelt-Beziehung legt (z. B. Senge 1990) und 3. Konzepte, die sich mit Selbstorganisationsprozessen beschäftigen (z. B. Beer 1972). Letztere verstehen Management als Ermöglichen autonomer Systementwicklungen und
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
Zu den theoretischen Entwicklungslinien des Organisationalen Lernens gehört die Kulturperspektive (vgl. z. B. Schein 2004), bei der die Entwicklung einer Lernkultur in der Organisation unweigerlich mit Neuorientierungen hinsichtlich der „defensive routines“ (Argyris/Schön 1978) zusammenhängt. Demnach bauen Gruppen in Organisationen in einem fortlaufenden Prozess Wissen auf, mit dem sie für organisationale Aufgaben befähigt sind. Die Handlungsorientierung auf Basis dieses Wissens erfolgt nach kollektiven, kulturell bedingten Ordnungsmustern.16 Was all diese Ansätze eint, ist die enge Verknüpfung von Lern- und Veränderungsprozessen. Doch nicht nur dieser Aspekt ist für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand zentral; Auch die Annahme eines kollektiven Wissens oder Gedächtnisses im Sinne einer gemeinsamen Kultur steht im Mittelpunkt der Untersuchung; Wissen, das bestimmte Konstruktionen von Wirklichkeiten begünstigt oder vereitelt, und davon abgeleitet die Existenz von (Kommunikations-)Regeln, welche Lern- und Veränderungsprozesse beeinflussen. Lern- und somit Veränderungsprozesse sind dann möglich, wenn Organisationsmitglieder individuelles Wissen über das jeweilige Wandel-Konzept haben, und wenn ein kollektives Wissen über essentielle Rahmenbedingungen, Motive und Handlungsalternativen aufgebaut werden kann (vgl. Duncan/Weiss 1979) Ausgehend von der Erkenntnis des Konzepts Organisationales Lernen, dass die Organisation dynamische, sich selbst erhaltende Anpassungsmechanismen entwickeln sollte, und dass diese Dynamik nur auf Basis eines kollektiven Wissens entwickelt werden kann, wird im empirischen Teil von großem Interesse sein, wie Akteure im exemplarischen Veränderungsprozess das kollektive Wissen in Bezug auf den intendierten Wandel darstellen (Sachverhaltsdarstellung). Dabei ist auch von Interesse, wie statisch oder dynamisch das kollektive Wissen in der Organisation gesehen wird. Weiterhin lässt sich an die erläuterte Wandeltheorie in der Empirie die Frage anschließen, wie das Sprachhandeln in einem zentralen Lernprozess der Organisation – der Implementierung von Lean Management – geartet ist.17 Welche Möglichkeiten Organisationalen Lernens eröffnen sich bei der Kommunikation im Kontext des Wandels, und welche Pfade betreten unterschiedliche Interes-
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die „Gestaltung struktureller Rahmenbedingungen, die selbstreferentielle Prozesse begünstigen“ (Weik/Lang 2001, 265). Der Vollständigkeit halber werden an dieser Stelle noch die „Action-Learning Perspektive“ (z. B. der praxisorientierte Handlungsansatz von Pedler (1997) und die „eklektische Perspektive“ genannt, so z. B. Senges Theorie (1990), eine Verbindung aus systemtheoretischer Perspektive, Kulturperspektive, kognitiver Perspektive und entwicklungspsychologischen Elementen. Dass es sich bei Lean Management im Wesentlichen um einen organisationalen Lernprozess handelt, betonen z. B. Pfeiffer/Weiß 1994.
1.3 Die Anatomie des Wandelbegriffs
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sens- und Entscheidungsträger in der Organisation, entweder zur Bestätigung bestehender Normen oder zu deren Korrektur? Und vor allem: Welche Muster lassen sich bei der Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit konstatieren und welche Chancen und Risiken für den intendierten Veränderungsprozess bergen solche ‚Organisationsressourcen’ in sich?
1.3 Die Anatomie des Wandelbegriffs Vorbereitend für die spätere empirische Analyse von ‚Konzeptionen des Wandels’ soll an dieser Stelle eine gemeinsprachliche Ausdrucks- und Bedeutungsanalyse des Begriffs Wandel vorgenommen werden. Dabei ist von Interesse, welche Bedeutungsalternativen des Begriffes existieren und welche Konzepttypen mit ihm grundsätzlich ausgedrückt werden können. Im zweiten Schritt ordne ich zentrale Organisationstheorien in die identifizierten Bedeutungstypen ein. Schließlich beziehe ich mich im empirischen Teil dieser Arbeit und im Fazit auf die identifizierten Bedeutungsalternativen von Wandel (Kapitel 7.4). Hierdurch ist die geschärfte Verortung von Handlungsorientierungen und somit eine Klassifizierung von Konzepttypen des Wandels möglich. Die gemeinsprachliche Analyse zeigt, dass das Substantiv Wandel18 durch „deverbale Konversion“ (vgl. Fleischer/Barz 1995, 209) gebildet ist, d. h. das maskuline Substantiv entsteht durch die Konversion des Verbstamms. Im Zuge dieser Wortbildungsart wird das Wort ohne Affigierung in eine andere Wortart verwandelt. Ausgehend von der Tatsache, dass das Substantiv durch die Konversion des Verbstamms entsteht, empfiehlt sich für die Bedeutungsanalyse zunächst die genauere Betrachtung des Verbs wandeln: dabei lässt sich 1. die reflexive Bedeutung ‚sich wandeln’ feststellen. Hierbei handelt es sich um die Bedeutung 1a) „sich [grundlegend] verändern, eine andere Form, Gestalt o. Ä. bekommen; in seinem Wesen, Verhalten o. Ä. anders werden“ (Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 1999, 4420). Weiterhin ist die ebenfalls reflexive Bedeutung (1b) „zu etwas anderem werden; sich verwandeln“ zu konstatieren (ebd.). Von der reflexiven Bedeutung des Worts unterscheidet sich die kausative, im Sinne von 2a) „anders werden lassen, verändern“ (ebd.) („die Erlebnisse haben ihn gewandelt“) 18
Wirft man einen Blick auf die etymologische Herleitung des Wortes ‚Wandel’, so lässt sich Folgendes feststellen: Das Verb ‚wandeln’ bzw. das Substantiv ‚Wandel’ lassen sich bis ins Althochdeutsche zurück verfolgen, wobei hier noch andere Bedeutungen an das Wort geknüpft waren als im heutigen Gebrauch: die semantische Fächerung ging von ‚hin und her wenden’, ‚sich mit etwas abgeben’, ‚mit jemandem verkehren’, ‚handeln’ bis hin zur heutigen Bedeutung von ‚ändern’, ‚verwandeln’ (vgl. Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen 1989).
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
und 2b) „zu etwas anderem werden lassen, verwandeln“, wie z. B. „das Chaos in Ordnung wandeln“ (ebd.).19 20 Auf Basis der Bedeutungen des Verbs lässt sich das Substantiv Wandel hinsichtlich dreier Verständnisse bzw. in Bezug auf ‚Wandel-Theorien’ hinsichtlich dreier Konzepttypen unterscheiden: 1. Wandel als Ereignis (abgeleitet von der Bedeutung 1a und 1b; 2. Wandel als „Nomen actionis“ (Fleischer/Barz 1995, 211), im Sinne einer Handlung (abgeleitet von Bedeutung 2a) und 2b) sowie 3. als „Nomen acti“ (ebd.), im Sinne eines Artefakts, d. h. des Ergebnisses der Handlung. Letztere Bedeutung lässt sich zwar nicht unmittelbar aus Wörterbüchern erschließen, aber doch aus dem systematischen grammatischen Zusammenhang. Der dritte Konzepttyp erweist sich bei der Betrachtung unterschiedlicher Organisationstheorien und der darin verwendeten Wandelbegriffe als relevant (s. unten). In den meisten Organisationstheorien liegt der Verwendung des WandelBegriffs ein Verständnis im Sinne des Nomen actionis zugrunde. Demnach geht es darum, Veränderung bewusst anzustoßen – entweder auf Basis einer Kompensation von Umweltveränderungen oder auf Basis umweltunabhängiger Veränderungsbestrebungen (vgl. voriges Kapitel). Hierbei ist festzustellen, dass das Verständnis von Wandel als Handlung die Annahme von Wandel als Ereignis nicht ausschließt: vielmehr liegt den meisten Wandel-Theorien zugrunde, dass zunächst ein der Organisation externes Ereignis die Basis für das ‚aktivische’ Handeln ist. Selten ist die Rede von Wandel als Handlung, ohne dass bestimmte (nicht zu beeinflussende) Ereignisse diese Handlung notwendig machen – bzw. ohne dass bestimmte Ereignisse wiederum aus der Handlung folgen. Neben der denotativen Bedeutung des Begriffs Wandel spielt – wie in der Analyse weiter unten zu sehen sein wird – im organisationalen Diskurs die konnotative Ebene der Wortbedeutung eine wesentliche Rolle: vor allem im öffentlichen Diskurs ist Wandel evaluativ, emotiv und deontisch konnotiert, d. h. als etwas dargestellt, das sowohl ‚gut’ als auch ‚notwendig’ ist (vgl. Hermanns 1995) (weitere Ausführungen zur konnotativen Ebene folgen im Rahmen der Darstellungsanalyse in Kapitel 7.4). Bei den meisten in der Wandel-Literatur21 aufgeführten Konzepten ist Wandel als Handlung durch die qualitative Veränderung der Organisation gekennzeichnet, also durch eine bestimmte Art von Wandel. Vor allem beim Konzept 19
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An dieser Stelle interessieren ausschließlich jene Bedeutungen, welche mit ‚Veränderung’ zusammenhängen. Aus diesem Grund soll hinsichtlich weiterer Bedeutungsalternativen (sich fortbewegen oder die Verkörperung von etwas) auf das Wörterbuch verwiesen werden. 2a) und 2b) unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Besetzung der Agens-Stelle (2a) mit einer unpersönlichen Besetzung der Agens-Stelle, und nicht hinsichtlich ihrer Bedeutung. Auf eine Übersicht mit Anspruch auf Vollständigkeit wird in dieser Arbeit verzichtet. Im Folgenden werden zentrale Konzeptionen erwähnt und in Bezug auf auf das grundlegende Verständnis hinsichtlich Handlung bzw. Ereignis eingeordnet.
1.3 Die Anatomie des Wandelbegriffs
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der Organisationalen Transformation von Levy und Merry (1986)22 manifestiert sich die große Bedeutung qualitativer Veränderung: die Wissenschaftler grenzen radikalen Wandel von Entwicklungen in die gleiche Richtung ab und heben ersteren als für die Überlebensfähigkeit von Organisationen notwendig hervor. Hier erhält das Nomen actionis also die Bedeutungskomponente ‚nicht Wandel an sich, sondern eine bestimmte Art qualitativen Wandels herbeiführen’. Auch in Ansätzen der Organisationsentwicklung23 und des Change Management ist die bewusst herbeigeführte Veränderung zentral. In diesen Konzepten impliziert der Begriff Wandel die kurzfristige Einführung eines Ungleichgewichts, wobei hiermit die in diesen Ansätzen intendierte Wohlgeordnetheit einer Organisation gefährdet wird. Die Handlung des ‚Wandelns’ führt in diesem Verständnis zu einem Artefakt (dem Ergebnis des Wandels), das ‚eingefroren’ und zu einem geeigneten Zeitpunkt wieder ‚aufgetaut’ werden kann (vgl. Lewin 1958, an den moderne Change Management-Konzepte immer noch angelehnt sind). Im Konzept des Organisationalen Lernens und in postmodernen Organisationsansätzen hingegen rückt das Verständnis von Wandel in Richtung eines Er22
23
In den 1980er Jahren gewannen Ansätze an Bedeutung, welche sich mit einer grundlegenden Umgestaltung von Organisationen beschäftigten. Diese Theorien der Organisationstransformation zeichneten sich dadurch aus, dass sie im Gegensatz zu klassischen Konzepten auf die Änderung von Tiefenstrukturen, der Gesamtheit der Organisation und der Führung abzielten. Im zentralen Werk von Levy/Merry (1986: Organizational Transformation) wird Organisationstransformation als ein grundlegender Wandel der Gestalt der Organisation definiert. Amir Levy und Uri Merry (1986) machen die Unterscheidung zwischen Wandel erster Ordnung sowie Wandel zweiter Ordnung, um quantitativen von qualitativem Wandel abzugrenzen. Während die Autoren Wandel erster Ordnung als kontinuierliche Verbesserungen und Entwicklungen in derselben Richtung, d. h. innerhalb des bestehenden Zustands des Denkens und Handelns, verstehen, schreiben sie politischen, normativ-qualitativen Wandel (vgl. Weik/Lang 2003, 284) im Sinne einer radikalen Veränderung oder einer paradigmatischen Kehrtwende dem Wandel zweiter Ordnung zu. Die Ursprünge organisatorischer Wandelforschung liegen im Ansatz Organisationsentwicklung, der sich aus der Human-Ressourcen-Schule entwickelt hat. Ansätze zu Wandel in postmodernen Organisationstheorien sind z. B. jene des permanenten Wandels (vgl. z. B. Orlikowski 1996), der Ansatz des Wandels als soziale Konstruktion (Hejl/Stahl 2000a, RüeggStürm 1998, Kieser 1998 sowie Menz 2000), dilemmatheoretische und Balance-Ansätze (Siegler 1999, Gebert 2000 sowie Remer 2001) sowie Netzwerkansätze (Weber 1996 und Priddat 2000). Das aktuelle Forschungsfeld zu Wandel und dem Management von Wandel präsentiert sich als sehr heterogen, wobei Ansätze der Organisationsentwicklung und des Change Management noch große Teile der Theorie und Praxis dominieren. Beide eint die Grundannahme, dass Wandel und Re-Orientierungen nur kurze Unterbrechungen sonst erwünschter und effizienter Gleichgewichtsphasen sind. Ungleichgewichte sind aus dieser Perspektive normativ unerwünscht und gelten als Irritation und Fehler. Treten sie dennoch auf, wird auf eine überraschende, unvorhersehbare Umweltentwicklung verwiesen. Kruse (2004) kritisiert diese Gleichgewichtsstrategie aus Sicht praxisorientierter Berater als ungeeignet für komplexe und dynamische Umwelten.
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
eignisses, das sich durch systemimmanente und permanente Vorgänge auszeichnet. Diese Vorgänge stellen wiederum die Voraussetzung für die Wandlungsfähigkeit der Organisation dar. Das ‚Zulassen’ von Wandel als ‚natürliches’ Ereignis ist in diesem Verständnis entscheidend für die Weiterentwicklung der Organisation. Hier ist ein entscheidender Unterschied zum Konzept der Organisationalen Transformation zu erkennen: Legt das Transformations-Konzept den Schwerpunkt noch auf qualitative, d. h. radikale Veränderungen, mit dem Ziel, sehr konkrete Zielzustände zu erreichen, so fokussieren postmoderne Theorien Wandel an sich, d. h. das ständige Infragestellen von Ordnungen ohne die vorherige Definition des Zielzustands. Von diesem Verständnis des permanenten und evolutionären Wandels unterscheidet sich auch das Wandel-Konzept von Crozier und Friedberg: sie sehen die interruptive Veränderung (ebenso im Sinne einer Handlung) als notwendig an, um Handlungssysteme zu verändern. Im Gegensatz zu Ansätzen der Organisationsentwicklung und des Change Management ist hierbei Ungleichgewicht erwünscht – Wandel als Nomen actionis bedeutet in diesem Fall, bewusst Ungleichgewichte herzustellen. Insgesamt lässt sich beim Vergleich traditioneller und postmoderner Wandel-Konzepte die Entwicklung eines Verständnisses weg von planbaren Handlungen hin zu bedingt steuerbaren Ereignissen beobachten. Dabei wird das ursprünglich auf die Umwelt bezogene Ereignis nun auf das Innere der Organisation ausgedehnt: Nicht mehr nur im organisationalen Umfeld gibt es Vorgänge, die antizipiert werden sollen, sondern ebenso die Organisationsstrukturen selbst befinden sich in einem permanenten Wandel. Die Handlung im organisationalen Wandel erhält so eine andere Qualität, d. h., sie wird eher im Sinne einer Intervention innerhalb komplexer Kräftefelder gesehen. In diesem Konzepttyp ist Wandel ein natürliches Ereignis, und dem Handeln an sich wird eine geringere Bedeutung beigemessen; es zeichnet sich eher durch die Gestaltung von Handlungsvoraussetzungen in der Organisation als durch das gezielte Herbeiführen von Zuständen aus. In diesem Sinne kann auch nicht mehr von einem Artefakt (im Sinne von Zuständen, die sich für „unfreezing“, „moving“ und „freezing“ eignen (Lewin 1958, 210f)) gesprochen werden, da kein stabiler ‚Ergebniszustand’ von ‚Wandel’ existiert und Organisationsstrukturen sich über den Zeitverlauf nicht stabil verhalten. Vielmehr scheint sich in den letzten Jahren die ‚Beschaffenheit’ des Nomen acti gewandelt zu haben, nämlich das Ergebnis von Wandel: Das Artefakt ist kein ‚fester’ Zustand mehr, sondern das sich nach bestimmten Mustern und Regeln permanent Wandelnde: zu wandeln ist nicht das Statische, sondern das Dynamische.
1.4 Veränderungsprozesse und Kommunikation in Organisationen
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1.4 Veränderungsprozesse und Kommunikation in Organisationen Wenn in Organisationen von Kommunikation die Rede ist, so scheint bei den Beteiligten immer Konsens darüber zu herrschen, dass eine intensive Kommunikation die Zusammenarbeit ermöglicht und erleichtert, vor allem dann, wenn die Komplexität und die Anforderungen wachsen. Der Begriff wird sowohl im Organisationsalltag als auch in zahlreichen Publikationen verwendet, weist aber im öffentlichen Sprachgebrauch sämtliche Eigenschaften eines Schlagwortes auf und ist somit vielseitig verwendbar, aber auch unscharf. Der von Derieth (1995, 24) als „phrasenhaftes Modewort“ bezeichnete Begriff Kommunikation wird dennoch selbstverständlich in Organisationen verwendet; auch seine Operationalisierung scheint in der Praxis eine Selbstverständlichkeit zu sein. Betrachtet man die organisationale Praxis, so wird aber ziemlich schnell deutlich, dass bei der Vielfalt von Praktiken und vor allem bei der ausgeprägten Unterschiedlichkeit der Praktiken eine breite Streuung von Verständnissen hinsichtlich Unternehmens- bzw. Organisationskommunikation existieren muss. Diese Unterschiedlichkeit spiegelt sich in den Definitionen der einschlägigen Literatur, welche im folgenden Abschnitt in aller Kürze skizziert werden soll, um den Problemhintergrund in Bezug auf Kommunikation näher zu beschreiben. Auf oberster Ebene kann in Bezug auf Kommunikation unterschieden werden zwischen einerseits Definitionen und Ansätzen aus Steuerungssicht (Topdown-Ansätzen), d. h. einer Sicht auf Kommunikation als planbarer Vorgang, und andererseits Ansätzen, welche die Organisationsmitglieder nicht als reine Aufgabenträger in vorstrukturierten Bereichen ansehen, sondern als Organisationsgestalter, die durch informale Handlungsfreiräume zur Weiterentwicklung der Organisation beitragen (vgl. u. a. Funke-Welti 2000, 197-200). Beim Top-down-Ansatz wird getrennt zwischen managementseitig zielgerichteter Kommunikation sowie der informellen Kommunikation, welche im Gegensatz zu ersterer keine Intentionalität des Managements vorweise. „Der internen, zufällig geführten Kommunikation zwischen Mitarbeitern etwa über tarifliche Lohn- und Gehaltserhöhung liegt keine Intentionalität im obigen Sinne zugrunde. Derartige Kommunikationsprozesse entbehren einer für das Unternehmen positiven Zweckgebundenheit.“ (Derieth 1995, 30)24 24
Dabei wird unter Intentionalität die beabsichtigte Verbesserung des Bekanntheitsgrades, des Images, der Kaufmotivation, des internen Informationsflusses etc. verstanden. Die Annahme, dass informelle Kommunikation in Organisationen nicht über Zweckgebundenheit verfügt, greift aus einer ganzheitlichen Sicht auf organisationale Kommunikationsprozesse zu kurz. Auch diese Arten von Kommunikation orientieren sich an Interaktionsmustern der Organisa-
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
Auch andere Autoren gehen von dem Ideal eines strukturalen, auf Legitimität der Herrschaft basierenden Kommunikationsverständnisses aus, so z. B. Zerfaß, der zwar eine ganzheitliche Sichtweise anstrebt, dessen Definition von Unternehmenskommunikation dann aber doch lautet: Unternehmenskommunikation beinhaltet „alle kommunikativen Handlungen von Organisationsmitgliedern, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird“ (Zerfaß 2004, 287). Dem steht die linguistische Typologie von Brünner (2000) gegenüber, die nicht nur die formelle Ebene der Unternehmenskommunikation (bzw. „Wirtschaftskommunikation“) in die „betriebliche Kommunikation“ (ebd.) einordnet. „Formelle und informelle Kommunikation bilden miteinander ein komplexes System und stehen in einem systematischen Gegensatz zueinander.“ (ebd., 10). Die zentrale Funktion informeller Kommunikation zeigt Brünner (2000, 10f) beispielhaft daran, dass berufliches Erfahrungswissen zwischen Ausbilder und Auszubildendem informell vermittelt wird. Neben der Differenzierung zwischen „formeller“ und „informeller“ Wirtschaftskommunikation trifft Brünner die Unterscheidung zwischen „kooperationsbezogener“ und „kooperationsunabhängiger Kommunikation“. Mit dieser Differenzierung drückt sie aus, dass Kommunikation im beruflichen Kontext nicht unbedingt beruflich bezogen zu sein braucht, sondern auch anderen Funktionen, wie z. B. der Beziehungspflege, dienen kann. Diese Art von Kommunikation ist dem „homileïschen Diskurs“ (ebd.) zuzuordnen (vgl. auch Ehlich/ Rehbein 1980)25, wohingegen die kooperationsbezogene Kommunikation „Orientierungs- und Regulationsfunktion für das betriebliche Handeln“ (Brünner 2000, 11) besitzt, insbesondere zur Vermittlung von Wissen und zur Planung, Organisation und Regulation innerhalb des Wirtschaftsunternehmens. Zurück zu den Ansätzen mit der Sicht auf Kommunikation als ‚Motor’ der Aufgabenerfüllung in Unternehmen: Kommunikation wird dabei verstanden als Führungsaufgabe, mit dem Ziel der „Steuerung der Wahrnehmung der Mitarbeiter“ (vgl. auch Picot 1999, 153). Weitere populärwissenschaftliche Publikationen gehen sogar so weit, die Möglichkeit von Verhaltensänderungen in der Belegschaft durch den geplanten Einsatz von Top-down-Kommunikation zu suggerieren (vgl. z. B. Pfannenberg 2004). Aus wirtschaftswissenschaftlicher Warte
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tion und tragen mehr oder weniger zur Konstruktion von Organisationswirklichkeit bei. Informelle Gespräche können genau wie Arbeitsbesprechungen an „Leitvorstellungen“ (Techtmeier 1983, 8, zitiert nach Müller 1997, 62) geknüpft sein. In jeglicher Form von Gesprächen „erzeugen, erhalten oder verändern“ Organisationsmitglieder „permanent ihre Organisation“ (Habscheid 1998, 111). Zu den Funktionen der homoleïschen Kommunikation s. Brünner 2000, S. 8f: „Über ihre Entlastungs- und Motivationsfunktion für die Handelnden hinaus kann kooperationsunabhängige Kommunikation in bestimmten Zusammenhängen direkt für wirtschaftliche Zwecke funktionalisiert werden.“
1.4 Veränderungsprozesse und Kommunikation in Organisationen
35
existieren seit Beginn des neuen Jahrtausends Versuche, den traditionellen, instrumentellen Kommunikationsbegriff zu überwinden und neue Impulse zu integrieren (vgl. Mast 2002). Auch wenn hier Kommunikationszyklen, Prozessorientierung, Netzwerke als Sozialkapital von Unternehmen und die Zwei-WegeKommunikation im Mittelpunkt stehen, so bleiben diese Ansätze insgesamt doch bei Kommunikation als Engineering-Prozess stecken, da die Integration der zyklischen und prozessualen Sicht nicht konsequent verfolgt wird und nach wie vor instrumentelle Begrifflichkeiten verwendet werden. Davon sind Ansätze zu differenzieren, bei denen Kommunikation im weiteren Sinne verstanden wird, nämlich als einerseits „kommunikatorseitiger Akt“ und andererseits als „Akt der Rezeption“ (Theis-Berglmair 2003). In diesem Fall deckt der Kommunikationsbegriff sämtliche Formen individueller und massenmedialer Kommunikation formaler und informeller Art ab und ist zu verstehen als ein Prozess multipler, rückgekoppelter Kommunikationsepisoden zwischen Handelnden. Die Nische zwischen der kommunikativen Steuerungsphilosphie und der Perspektive auf Kommunikation als Geflecht formaler und informeller Kommunikationsbeziehungen besetzen Ansätze des „dialogischen Managements“, welche empfehlen, den notwendigen organisationalen Rahmen zu schaffen, um „Diskurse“ (Pieper 1988) zu initiieren und zu ‚führen’. Dabei werden die Schwächen einer monologischen Führung herausgestellt, die darin liegen, dass umfassende Lernprozesse und „die damit verbundene Suche nach neuen Wegen zur Optimierung der organisationalen Leistungserstellung und Steigerung der Kundenzufriedenheit“ (Petersen 2003, 71) möglicherweise verhindert werden. Auch einige ‚Klassiker’ der Change-Management-Literatur greifen diesen Ansatzpunkt auf, indem sie den Wert von Dialogen zur Orientierung von Mitarbeitern betonen (vgl. z. B. Doppler/Lauterburg 2002, 336). Die Frage, wie genau dialogischorientiertes Management aussehen kann, das auf der einen Seite ausreichend Stabilität gewährleistet und auf der anderen Seite Freiräume gewährt, sodass eine gewisse dezentrale Reaktions- und Anpassungsfähigkeit entwickelt werden kann, bleibt jedoch auch bei dialogisch orientierten Führungsansätzen unbeantwortet. Problematisch ist im Organisationsalltag (vor allem vor dem Hintergrund dynamischen Wandels), dass dialogische Ansätze entweder gar nicht zum Einsatz kommen oder, wenn sie doch angewandt werden, dass sie aus einem instrumentellen Verständnis heraus in Wandlungsprozesse integriert werden. In letzterem Fall kann es zu einem Nebeneinander von alten und neuen Ansätzen kommen, die sich vom Grundverständnis her widersprechen. Die häufigen Misserfolge in und nach Veränderungsprozessen sprechen dafür, dass solche Vorgehensweisen nicht zum Erfolg führen.
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
Grundsätzlich scheint also die Problematik in der vorwiegend anzutreffenden linearen Übermittlungsperspektive der Kommunikation zu liegen, welche in der Regel mit einem hierarchischen Ansatz gekoppelt ist. Solche Ansätze negieren die begrenzte Modellierbarkeit interner Kommunikationsprozesse und können aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht als hoch problematisch eingestuft werden. Indem kommunikative Inhalte und Wege auf zweckorientierte Informationen reduziert werden (wobei schon allein der Zweck sehr heterogen definiert wird), wird ausgeblendet, dass die gesamte kommunikative Landschaft einer Organisation Bedeutung konstituiert (s. Kapitel 3.1, vgl. Morgan/Smircich 1982). Außerdem werden im Rahmen von Top-down-Ansätzen zu Kommunikation die Intentionen von Managern ‚verabsolutiert’ und die Einwände von Rezipienten als ‚unnötige Verlangsamung’ oder ‚unreflektierter Widerstand’ stigmatisiert (vgl. die Ausführungen zu Kommunikation vor allem in praxisorientierten Publikationen zu Change Management, z. B. Pfannenberg 2003 u. 2004, Doppler/ Lauterburg 2002, Kling 2003, Krüger 2000, Osterholt 2002). Eine weitere Problematik hinsichtlich der erläuterten linearen Konzeptionen ist die folgende: Als einer der größten ‚Störfaktoren’ in der innerorganisationalen Kommunikation bei Veränderungsprozessen können „defensive Routinen“ (Argyris (1996), vgl. auch Fatzer 2003, 233, s. Kap. 1.2) gesehen werden, welche Organisationsmitglieder daran hindern, „die neuen Arbeitsformen, die neuen Abläufe und Prozesse, die Qualitätskriterien bei der Kundenbeziehung oder was auch immer die Zielvorgaben einer neuen Organisationsstruktur sind, in allen Konsequenzen zu bedenken und sich vorzustellen“ (Fatzer 2003, 231 oder ebd. 1996). Solche Routinen als Hemmnisse auf der Ebene von Lernprozessen, die sich meist in einer „Kommunikation des Schattens“ manifestieren (ebd.)26, können durch instrumentelle und lineare Vorgehensweisen nicht identifiziert, geschweige denn überwunden werden. Führt man sich die potenzielle Funktion von „Veränderungskommunikation“27 als ‚Antrieb’ oder gar Hervorbringung für Lernprozesse vor Augen, wird deutlich, dass Kommunikation im Sinne von reinen Vorgaben hier keinen Mehrwert leisten kann. Dennoch ist allen oben skizzierten Ansätzen, welche von ‚Change Managern’28 konsumiert werden (sollen), gemein, dass sie den Stellenwert von Kom26 27
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Genannt werden hier „Heuchelei“ oder „politische Kommunikation“, „Streben nach Sicherheit“, „Durchsetzen mit Gewalt“ oder „Abdriften in Abstraktion“ (Fatzer 2003, 231). In den letzten Jahren hat sich die Verwendung des Begriffes ‚Veränderungskommunikation’ bzw. ‚Change Communication’ stark verbreitet. Damit wird ebenfalls die wachsende Bedeutung von Kommunikation als kritischer Erfolgsfaktor in Veränderungsprozessen unterstrichen. Wenn es um Veränderungen geht, ist das Management „Auftraggeber, Initiator, Entscheider, Gestalter und Gestalteter zugleich“ (Boos/Heitger/Hummer 2004, 17). Diese auf das Management bezogene Vielschichtigkeit verweist auf dessen Schlüsselrolle in Veränderungsprozessen.
1.4 Veränderungsprozesse und Kommunikation in Organisationen
37
munikation in Organisationen und speziell in Wandlungsprozessen herausstreichen – wie auch immer Kommunikation dann im Einzelnen konzeptualisiert ist. In der einen wie auch der anderen Perspektive hat (Unternehmens-)Kommunikation eine Schlüsselrolle inne; bei der instrumentellen Sicht liegt diese bedeutende Rolle in der kommunikativen Vermittlungsfunktion, d. h. in ‚Botschaften’, die Handlungen bei den Rezipienten ‚bewirken’ sollen; bei der Prozess-Sicht sind Dialoge zentral, da sie als Grundlage für die Konstitution von Organisationswirklichkeit dienen (z. B. Ford/Ford 1995). Letztlich wird die Schlüsselrolle von Kommunikation je nach Ansatz insbesondere auf Führung, organisationales Lernen, die Hervorbringung von Innovationen sowie die Kopplung von unterschiedlichen Unternehmensbereichen bzw. verschiedenen Stationen des Produktlebenszyklus in der Industrie bezogen. Zusammenfassend ist zum Verständnis von Kommunikation im organisationalen Wandel Folgendes festzuhalten: Auf der einen Seite ist in den gängigen Management-Konzepten das Bewusstsein über die Bedeutung von Kommunikation für den Wandel an sich und im Kontext des organisationalen Wandels weit verbreitet.29 Andererseits jedoch scheinen die konkrete Anwendung und Operationalisierung von Wandel-Konzeptionen der postmodernen Dynamik nicht gerecht zu werden. Gängige Kommunikations-Konzeptionen als Teil postmoderner Wandel-Konzeptionen bieten vor dem Hintergrund der in Kapitel 1.1 erläuterten Problematiken wenig Lösungsansätze zum kommunikativen Anstoß und zur kommunikativen Verarbeitung von Wandlungsprozessen: 1. zur Vermittlung bestimmter Perspektiven auf die Rahmenbedingungen von Organisationen, 2. zur Überwindung von Interessensdivergenzen im organisationalen Wandel sowie 3. zur Förderung innerorganisationaler Kommunikation, welche kollektive Wandlungsprozesse hervorbringt. Wenn – wie in den meisten Management-Ansätzen propagiert – Partizipation der Schlüssel zur Akzeptanzsteigerung und Nachhaltigkeit von Veränderungen ist, dann spielt Kommunikation als ‚Enabler’ dynamischer Prozesse eine entscheidende Rolle. Gängige Wandel-Konzeptionen greifen aus folgenden Gründen vor allem in kommunikativer Hinsicht zu kurz: Alle genannten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen haben potenziell Auswirkungen auf Kommunikation in Organisationen (z. B. die wachsende Kontingenz, Schnelligkeit und Prozess-Parallelität, das Hineinbewegen der Belegschaften in die Differenzzone, auseinanderdriftende Interessenslagen und somit die Schwierigkeit der Konsensfindung etc.). Klassische Lösungsansätze greifen in Hinsicht auf die genannten (wahrgenommenen) Um29
Vgl. auch Bormann (1980 und 1982), der vor allem die Verbesserung von Führung durch optimierte Kommunikation betont, oder Buchholz (2002), die interne Kommunikation als Schlüsselfaktor für organisationale Veränderung sieht.
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
wälzungen zu kurz; überzeugende neue Lösungen liegen derzeit aber noch nicht vor. Beim wachsenden Kampf um Marktanteile und der damit verbundenen stetig wachsenden Außenorientierung von Organisationen treten innerorganisationale Aspekte in den Hintergrund und somit auch die in den Wirtschaftswissenschaften geforderte „systematische Veredelung“ (Mast 2002, 75) der Kommunikationsprozesse. Zwei Kernprobleme können mit Hilfe aktueller Kommunikationsstrategien nicht bearbeitet, geschweige denn überwunden werden: 1. Glaubwürdigkeitsdefizite, d. h. widersprüchliche Argumentationen innerhalb eines Wandlungsprozesses oder über verschiedene Wandlungsprozesse hinweg (synchron oder diachron) und 2. Interessensdivergenzen, d. h. unterschiedliche Sichtweisen auf die Ausgangslage in der Organisation, auf formulierte Zielsetzungen oder auf die Auswirkungen des Wandels auf die Organisation. Kommunikatoren in Organisationen sehen sich insbesondere vor die Problematik gestellt, dass Organisationsmitglieder vor allem zu Beginn von Wandlungsprozessen, aber auch in ihrem Verlauf, bestimmte Risiken besonders stark wahrnehmen: so z. B. den Kontrollverlust durch komplexere Strukturen und steigenden Arbeitsdruck oder Bedrohungen, wie z. B. Macht- oder Arbeitsplatzverlust sowie Risiken für die eigene Karriere. Auch der Verlust von Orientierung und Identifikation spielt dabei eine wichtige Rolle. Diese Angstmechanismen gelten als hemmende Faktoren für Wandlungsprozesse, die nur durch Kommunikation bearbeitet und gemindert werden können (vgl. z. B. Pfannenberg 2003). Bei genauerem Hinsehen sind auch solche Ansätze eher einseitig und greifen zu kurz, da hierbei das Ziel im Vordergrund steht, bestehende Ängste abzuschwächen,30 ohne dabei näher zu differenzieren, wie tiefgreifend ein Veränderungsprozess und somit auch Befürchtungen der Organisationsmitglieder sind. Somit werden Ängste und Mitarbeiterinteressen (strategisch?) pathologisiert und unter Umständen bagatellisiert; die Managementsicht wird als einzige Ratio dargestellt und andere Interessen als Überreaktion stigmatisiert. Damit geht der Versuch einher, im öffentlichen Raum das Sagbare festzulegen (z. B. durch die Darstellung von vorbildlichen Akteuren), das Nicht-Sagbare auszuklammern (z. B. durch die Ausblendung von anderen Stimmen) und damit das Machbare festzusetzen (z. B. die Verfolgung bestimmter Schwerpunkte und Themen). Für tatsächlich hilfreiche Lösungen sind dagegen empirische Ansätze notwendig, die 30
Hierbei kann auch die Frage gestellt werden, ob in der Top-down-Kommunikation parallel zur Abmilderung von Angstmechanismen nicht auch gerade bestehende Ängste von Organisationsmitgliedern genutzt werden, um Vorgehensweisen des Managements als Sachzwänge darzustellen. Dies bestätigt sich bei der Analyse einer Managementrede, in der sehr wohl ein beängstigender Handlungsraum dargestellt wird.
1.4 Veränderungsprozesse und Kommunikation in Organisationen
39
sich von einer einseitigen Sicht wegbewegen und die kommunikativ erzeugten Wirklichkeiten in Organisationen rekonstruieren, ernst nehmen und dementsprechend aufgreifen. Sinnangebote der Unternehmensleitungen in Form von unidirektionaler Kommunikation31 sind nur ein kleiner Ausschnitt der symbolischen Praktiken innerhalb der Organisation.32 Den größeren Teil bildet die formelle und informelle Interaktion, im Zuge derer die Organisationsmitglieder Wandel sprachlich erzeugen und verstetigen. Dennoch wird der größte Teil der Anstrengungen in den meisten Wandlungsprozessen in Organisationen darauf verwendet, die unidirektionale Kommunikation zu gestalten. Betrachtet man die dadurch versäumten Möglichkeiten, wird deutlich, dass der Ansatz aus der ausschließlich linearen Übermittlungsperspektive organisationalem Alltag nicht gerecht wird – insbesondere vor dem Hintergrund immer umfangreicherer gesellschaftlicher und organisationaler Umwälzungen. Das Einbeziehen qualitativer und interaktiver Gesichtspunkte in unternehmerische Überlegungen birgt m. E. ein großes Potenzial für die Integration der Organisationsmitglieder hinsichtlich veränderter gemeinsamer Anforderungen und Ziele. Denn das scheint ja gerade ein wichtiger Erfolgsfaktor in Wandlungsprozessen hin zu einer zukunftsfähigen Organisation zu sein: das soziale Gebilde der Organisation auf eine neue, relativ gemeinsame33 Identität hin zu integrieren. Defensive Routinen (s.o.), welche organisationalen Veränderungen im Wege stehen, manifestieren sich in der Kommunikation unter Organisationsmitgliedern. Weder in der Forschung noch in der Praxis wird solchen Schemata und (Sprach-)handlungsmustern auf systematische Art und Weise Beachtung geschenkt. Ich gehe von der These aus, dass das Erkennen von Mustern die notwendige Voraussetzung und Vorstufe zu intendierter Veränderung ist. Es würde sicherlich an der postmodernen Realität vorbeigehen, Lösungen zu konzeptualisieren, mit denen Steuerungsmechanismen in Organisationen obsolet oder – im anderen Extrem – individuelle organisationale Einflüsse negiert würden. Vielmehr scheinen Ansätze hilfreich, welche neue Anforderungen für Führung im organisationalen Wandel empirisch identifizieren und darauf auf31 32
33
Dazu gehören in der beobachteten Organisation unter anderem Reden des Managements, Mitarbeiterzeitung, Intranet, Mitarbeiterbriefe, Flyer, Broschüren, Plakate etc. Dies lassen auch praxisorientierte Ansätze außer Acht, bei denen von „Integrierter Unternehmenskommunikation“ gesprochen wird (z. B. bei Bruhn 1993 und 1995, vgl. auch Rusch 2003). Der Ansatz der Gemeinsamkeit wird hier relativiert, da dynamische und innovative Organisationen auf Unterschiedlichkeit angewiesen sind. Hier wären zu starke Harmoniebestrebungen und Anpassung dysfunktional. Entscheidend für das Hervorbringen von organisationalen Veränderungen scheint vielmehr der Abgleich und die partielle Integration von unterschiedlichen Perspektiven und Routinen zu sein.
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
bauend die Integration eines an die Anforderungen angepassten Führungs-Ansatzes und Ideen zur Verankerung von konstruktiven Bottom-up-Prozessen entwickeln. Mit der dieser Arbeit zugrundeliegenden Sicht auf Organisationskommunikation werden zwei Funktionen des Kommunizierens und Organisierens berücksichtigt: Organisieren vollzieht sich über Kommunikation, mit der sowohl das Re-organisieren als auch das neu Organisieren realisiert wird (vgl. Kieser 1998a). Kommunikation übernimmt nicht nur im Organisationsalltag, sondern auch in Wandlungsprozessen immer eine Doppelrolle und bildet deshalb die Essenz von OrgaOrganisationen: Zum einen sorgt sie für die Etablierung und Erhaltung von Routinen und strukturiert, ordnet und bewertet den Ereignisfluss in der Organisation. Um das organisationale Überleben zu gewährleisten, werden mit ihr aber auch die vorhandenen Ordnungsmomente hinterfragt und neu legitimiert (vgl. Menz 2000, 287ff). Des Weiteren dient die Annahme als Ausgangspunkt für den empirischen Zugang zum Untersuchungsfeld, dass (interaktive) Rückkopplung34 eine Voraussetzung für sozial sinnvollen Wandel ist. Ausgangspunkt hierfür ist die Theorie von Feilke (1996), nach der erst das Resultat der Kommunikation zeigt, was sozial gemeint ist; d. h. durch die Kombination des vom Sprecher Gemeinten und des vom Hörer semantisch Aufkonstruierten entsteht Bedeutung (ebd.). Wird dieser Ansatz in Bezug auf organisationalen Wandel konsequent zu Ende gedacht, heißt dies, dass Rückkopplung notwendig ist, um einen ‚sozial sinnvollen’ Wandel zu ermöglichen. Wenn die These sich bewahrheitet, dass sich Change Management in eine Krise hineinbewegt, werden neue Kommunikationsformen von Managern und Wandel-Akteuren erforderlich. Voraussetzung für die künftige Gestaltung sind die Rekonstruktion und das Verstehen spezifischer Anforderungen und Bewältigungsstrategien im organisationalen Wandel des Postfordismus.
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In populärwissenschaftlichen Publikationen mit partizipativen Ansätzen werden in diesem Zusammenhang die Begriffe „Feedbackprozesse“ oder „Beteiligungsinstrumente“ im Rahmen von organisationalen Veränderungsprozessen verwendet (vgl. z. B. Krüger 2000 oder Stolzenberg 2006). In solchen Veröffentlichungen liegt der Fokus jedoch mehr auf der Instrumentenebene, im Sinne von Maßnahmen gegen den ‚Not-invented-by-me-Effekt’ bei Organisationsmitgliedern, und weniger auf der interaktiven Hervorbringung und Interpretation von intendiertem Wandel.
1.5 Ziele der Untersuchung
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1.5 Ziele der Untersuchung Die in den beiden vorangegangenen Kapiteln angesprochenen ‚Hemmnisse’ für Wandlungsprozesse können aus der Steuerungssicht in Organisationen irrational anmuten, da sie von Emotionen der Betroffenen abhängig und schwer lenkbar sind. Die Aufsplittung von Wandlungsprozessen in rationale und irrationale Organisationsprozesse (s. auch die weit verbreitete Unterscheidung von harten und weichen Faktoren in Veränderungsprozessen) ist jedoch problematisch: mit ihr wird der unmittelbare Zusammenhang zwischen Veränderungsprozessen und den Reaktionen von Organisationsmitgliedern negiert. Man kann sogar so weit gehen, zu sagen, dass allein die Annahme irrationaler Vorgänge in Organisationen ungeeignet dafür ist, den Ursachen von Funktionalität oder Dysfunktionalität in Wandlungsprozessen auf den Grund zu gehen: „Jede Betrachtung des Problems, die auf der gängigen Denkweise beruht, derzufolge das Scheitern einer Reform auf einen Mangel an Informationen, auf die Trägheit, die Routine und die Partikularinteressen, kurz auf die ‚Irrationalität’ oder ‚Entfremdung’ der Untergebenen, Kunden oder Verwaltungsbetroffenen zurückzuführen ist, geht also völlig an ihrem Ziel vorbei.“ (Crozier/Friedberg 1993, 243)
Crozier und Friedberg gehen dieser „Rationalität“ auf der Ebene von „Macht“ und „Spielen“35 in Organisationen nach. In dieser Arbeit wird eine andere, ergänzende Herangehensweise gewählt: Um sich dem Phänomen misslungener oder nur partiell erreichter Veränderungen zu nähern, wird in dieser Untersuchung eine sprachwissenschaftliche Perspektive auf Wandel eingenommen und die Interaktion von Beteiligten des Wandels untersucht. Dazu werden an einem Fallbeispiel, dem Einführungsprozess von Lean Production in einem internationalen Unternehmen, zwei zentrale Ziele verfolgt. Dabei soll empirisch analysiert werden, a.
wie die Akteure in Veränderungsprozessen über den intendierten Wandel sprechen, besonders hinsichtlich der Darstellungen von ‚Wandel’, die durch individuelle Sprechweisen hervorgebracht, d. h. im Sprechen reproduziert werden. Der Fokus soll auf explizit, implizit oder inferentiell hervorgebrachten Darstellungen liegen,
b.
und wie Akteure im Kontext des organisationalen Wandels versuchen, durch sprachliches Handeln einen bestimmten Organisationswandel zu beeinflussen, und zwar fördernd, lenkend, be- oder verhindernd.
35
Zum Begriff des Spiels bei Crozier und Friedberg s. die Erläuterung in Kapitel 1.2.
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
Beide Zielsetzungen beziehen sich einerseits auf die unidirektionale Kommunikation sowie andererseits auf Interaktionsprozesse, so z. B. bei der Analyse sozialer Ereignisse mit der Aushandlung bestimmter Schwerpunkte für den thematisierten Wandlungsprozess. Ziel ist es, interdiskursive Ressourcen von Organisationsmitgliedern zu analysieren, um diese dann zu typisieren. Dies dient dazu, Verfahrenstechniken zur ‚Herstellung’ oder aber auch zur ‚Verhinderung’ von Wandel zu erklären und Muster zu identifizieren. Neben den identitätsstiftenden, -stabilisierenden und -reproduzierenden sprachlichen Praktiken im organisationsöffentlichen Diskurs sind auch solche kommunikativen Verfahren von Interesse, die in der Organisation bewährte Handlungsmuster in Frage stellen oder gar aufbrechen, d. h. potenzielle Konfliktlinien. Das Ziel hinsichtlich der im Sprechen reproduzierten Darstellungen von ‚Wandel’ ist die Rekonstruktion ihres zugrundeliegenden Bedeutungswissens. Hierfür soll eine Darstellungsanalyse angewendet werden, um kollektiv verfügbar gemachtes Wissen zu beleuchten. Damit können von Organisationsmitgliedern formulierte Identitätsangebote beschrieben und abgeglichen werden. Dies dient der Überprüfung der Tragfähigkeit der in der Empirie hervorgebrachten Darstellungen von Perspektiven auf organisationalen Wandel. Als teilnehmende Beobachterin im Beispielprozess kann ich auf detaillierte Kenntnisse über den Veränderungsprozess Lean Production zurückgreifen (s. Kapitel 6.4.2). In der sprachwissenschaftlichen Analyse nutze ich die Methoden der Gesprächsanalyse sowie der Kritischen Diskursanalyse, um unterschiedliche rhetorische Verfahrensweisen und unterschiedliche Perspektiven auf ‚Wandel’ zu rekonstruieren. Die Arbeit soll somit den Verstehensprozess des Handelns der Akteure in organisationalen Wandlungsprozessen erhellen. Denn nur, wenn man versteht, wie die Gesamtheit der Organisation ihre Realität konstruiert und deutet, kann man diese sozial konstruierte und ausgehandelte Realität verändern (vgl. Morgan 1997). Diese Untersuchung soll einen Beitrag dazu leisten, die Realitätskonstruktion nachzuzeichnen, und zwar mit dem kontinuierlichen Blick auf sowohl Kohärenz stiftende als auch fragmentierende Kräfte in der Organisation, und somit eine Basis für die Gestaltung von Veränderungsprozessen liefern. Dabei sind zwei Ebenen von Interesse: die der Sachverhaltsdarstellung von ‚Wandel’ – d. h. die rhetorische Darstellung von Aspekten des Wandels durch die WandelAkteure – sowie die Handlungsebene, d. h. die Art der Bearbeitung und Weiterverarbeitung dieser dargestellten Realitäten in der Interaktion anderer Organisationsmitglieder bzw. in der Interaktion derselben Wandel-Akteure mit anderen Organisationsmitgliedern. Übergreifend werden dabei folgende Ziele verfolgt:
1.5 Ziele der Untersuchung
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die empirische Auseinandersetzung mit der Thematik: In fast allen ‚Ratgebern’ zu Kommunikation in Wandlungsprozessen wird die Quantität und/oder Qualität von Dialogen in Organisationen als Manko gesehen. Es existieren jedoch keine Untersuchungen, welche sich empirisch mit Dialogen im Kontext von Veränderungsprozessen beschäftigen. Diese Lücke wird mit der vorliegenden Analyse geschlossen, welche die Funktionalität bzw. Dysfunktionalität empirisch vorzufindender Verfahren untersucht.36 Somit ist das Ziel der vorliegenden Arbeit, die normative Perspektive auf Wandlungsprozesse zu überwinden – zugunsten einer empirischen Auseinandersetzung mit der Thematik Sprechen im Kontext des intendierten organisationalen Wandels, nämlich der Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Sprachhandeln der Akteure, unter Berücksichtigung der Handlungsdimension von Sprache, bei der „die Bedingungen für eine Handlung thematisiert werden, aufgegriffen und in Frage gestellt werden können“ (Maas/Wunderlich 1972, 14). Hierbei interessiert die Beschreibung dessen, was genau an Kommunikation in komplexen Umfeldern, in denen Wandel Normalität sein soll, empirisch vorzufinden ist. Der empirische Zugang ist deshalb vonnöten, weil Akteure unternehmensinterner Kommunikation nur in der Lage sind, die Kommunikation zugeschnitten auf aktuelle Anforderungen des jeweiligen Wandlungsprozesses zu gestalten, wenn sie rekonstruieren, wie in organisationalen Subsystemen Bedeutung hergestellt wird. Denn in Organisationen existieren „informelle Steuerungsmechanismen „brauchbarer Illegalität“ (Luhmann)“ (Holly 1990, 46),37 die sich 36
37
Hier soll eine Forschungslücke geschlossen werden, die u. a. Brünner (2000, 216) formuliert: „Was fehlt, sind liguistische Untersuchungen, die Führungsverhalten und -kommunikation sowie ihre Wirkungen korpusorientiert beschreiben. Dasselbe gilt für Mitarbeitergespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern […].“ Auch Schwandt (1993, 35) konstatiert, dass empirische Untersuchungen über rhetorische Prozesse in Organisationen fehlen (zumindest im deutschen Sprachraum); „und zwar sowohl in der Mikroanalyse einzelner Gespräche und Reden, wie auch in der Komplexität der Bedeutung dieser Gespräche und Reden im Ganzen der Unternehmens-Kultur. Daß es Ansätze zu solchen Untersuchungen gibt, und dass dies auch eine lohnende Forschungsrichtung ist, zeigen englischsprachige Arbeiten wie die von GRONN (1983), SCHWARTZMANN (1987, 1989), CLEGG (1987), um nur einige zu nennen.“ (ebd.). Holly (1990, 45f) erläutert die Existenz sowohl formeller als auch informeller Strukturen in Parlamenten bzw. Institutionen überhaupt. Letztere bilden sich in Form von „gängigen Wahrnehmungsformen, Einstellungen, Werten und insbesondere durch – zumeist unbewusste – Spielregeln, die Verhaltensnormen prägen“ (ebd.). „Die Entlastungs- und Steuerungsleistung solcher informellen Strukturen sorgt also für die Kontinuität, Stabilität und Identität der Institution […]. Auch in der neueren Industrie-, Organisations- und Bürokratieforschung ist unter verschiedenen Perspektiven von solchen schwer meßbaren informellen Faktoren im Funktionieren von Organisationen die Rede, als „Klima“ von Organisationen, bestimmt durch Verfall oder Erhalt „effektiver“ Kommunikations- und Informationsstrukturen, oder als informelle Steuerungsmechanismen „brauchbarer Illegalität“ (Luhmann), die ‚Recht’ in bürokratischen Verfahren nur als ein Mittel neben anderen erscheinen lassen, indem z. B. ‚verhandelt wird’, obwohl man ‚anordnen’ könnte (Wollmann 1980, 28).“ (ebd.) Institutionen bzw. Organisationen ver-
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
vor allem in der Alltagskommunikation manifestieren. Somit bilden sich informelle Strukturen heraus, welche Verhaltensnormen prägen (vgl. ebd.) und welche ausschlaggebend für das Handeln von Akteuren oder Gruppen von Akteuren in Veränderungsprozessen sind. Auf Basis von Analysen der im Sprechen reproduzierten Darstellungen von ‚Wandel’ und der Interaktionsverläufe der Organisationsmitglieder kann rekonstruiert werden, wie in organisationaler Kommunikation perspektivische38 Wirklichkeit geschaffen wird. Aus diesen Gründen liegt die Annahme nahe, dass vor allem die Analyse von Gesprächen im Kontext des organisationalen Wandels einen Beitrag sowohl zur Weiterentwicklung unternehmensinterner Kommunikation als auch von Managementpraktiken leisten kann; d. h., aus den Analysen können im ersten Schritt Erkenntnisse über Anforderungen an Akteure im Kontext des organisationalen Wandels und über sprachliche Strategien im Umgang damit abgeleitet werden; im zweiten Schritt können auf Basis dieser Erkenntnisse Kommunikationsverfahren als funktional bzw. dysfunktional identifiziert werden. Untersuchung der Kommunikation in ihrer Vernetzung: Weiterhin soll die innerorganisationale Kommunikation als vielschichtiger Prozess betrachtet werden, d. h. als Gesamtheit von formaler und informeller Kommunikation. Dies beinhaltet hierarchisch gesehen Kommunikation ‚von oben nach unten’, ‚von unten nach oben’ sowie auf horizontaler Ebene. Dabei wird vom Verständnis von Kommunikation als „kommunikatorseitiger Akt“ und als „Akt der Rezeption“ (Theis-Berglmair 2003) unter Berücksichtigung der Rückkopplungen ausgegangen. Die Vielschichtigkeit wird nach Fairclough um 1. die Beziehung zwischen Texten (Intertextualität), 2. die Beziehung zwischen Texten und diskursiven Praktiken, und 3. die Dialektik zwischen diskursiven Praktiken und sozialen Praktiken erweitert (s. Kapitel 3.3, vgl. Fairclough 2003). Nur so wird man der Interdependenz zwischen unterschiedlichen sozialen Veranstaltungen und Texten mit ihren Effekten auf die soziale und organisationale Struktur gerecht.
Analyse von kommunikativen Lösungsmustern für Probleme im Kontext organisationalen Wandels: Die Untersuchung zielt darauf ab, die ‚Probleme’ des sprachlichen Handelns in der Kommunikation über organisationalen Wandel und daraus abgeleitet Lösungsmuster der Beteiligten im Umgang mit Organisationsproblemen zu identifizieren. Ausgangspunkt hierfür ist die Annahme, dass jeglicher Kommunikation „kommunikative Probleme“ (Bergmann 1999, 39) zugrunde liegen, die von den
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fügen also über ein Standardrepertoire an Regeln und Fähigkeiten zur Bewältigung interner oder externer Probleme (vgl. Badura/Reese 1976, 32). Zum Perspektivenbegriff s. Kapitel 5.1.
1.5 Ziele der Untersuchung
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Handelnden nicht unbedingt subjektiv als Probleme erlebt werden, bei denen es sich aber insofern um ‚strukturelle’ Probleme handelt, als sich die Akteure in der Kommunikation auf Aufgaben einstellen und sie in irgendeiner Weise handhaben müssen. Es interessieren also sprachliche Muster als gesellschaftlich entwickelte Formen zur Abarbeitung von immer wiederkehrenden kommunikativen Aufgaben (Ehlich/Rehbein 1980, Brünner 1987, 59), vor allem vor dem Hintergrund, dass im Zuge des in Kapitel 1 angeführten Umbruchs alte Muster der Kommunikation in Organisationen möglicherweise nicht mehr greifen. Mit dieser Arbeit möchte ich den dürftigen Wissensstand zu Darstellungen und Sprachhandlungen in Wandlungsprozessen erweitern. Detaillierte qualitative Studien zur Wandel-Rhetorik bzw. Wandel-Interaktion existieren bislang gar nicht; wenn die Kommunikation in Organisationen empirisch untersucht wurde, dann beispielsweise in Hinblick auf Kontrollverfahren und innerbetriebliche Interaktionsregeln (Müller 1997, 2002 und 2002a), auf sprachliche Verfahren im Kontext systemischer Beratung (Habscheid 2003, Habscheid/Weik 2003) oder auf sprachliche Muster in organisationalen Besprechungen (Dannerer 1999, Meier 1997), hinsichtlich informaler Kommunikationsstrukturen in Organisationen (Funke-Welti 2000, Kleinberger Günther 2003) oder in Hinblick auf besondere Phänomene der Organisationskommunikation (Menz 2000 mit der Beleuchtung von Selbst- und Fremdorganisation, Geideck/Liebert 2003 mit der Untersuchung von Sinnformeln).39 Brünner (2000) gibt in ihrer Typologie zu „Wirtschaftskommunikation“ einen Überblick über sämtliche Formen der betrieblichen Kommunikation und bereits existierender Arbeiten zu der Thematik. Neben der Betrachtung der Kommunikation von Organisationen mit externen Kommunikationspartnern (z. B. Kunden) mit der Bearbeitung spezifischer ‚Probleme’ (z. B. Verkauf, Reklamation, Verhandlung) gibt sie auch einen Überblick über die Forschung zu innerbetrieblichen Besprechungen, welche als „Diskurse“ definiert werden, „die überwiegend betriebsintern, jedoch auch mit Externen geführt werden“ (ebd., 183). „Zu ihnen gehören sowohl sachlich-technisch bezogene Diskurse, z. B. technical meetings (Lenz 1989, 1994) oder Meisterbesprechungen (Schwandt 1995), wie auch Planungsgespräche oder Konferenzen, die stärker hierarchisch-ökonomisch geprägt sind. Häufig steht [bei der vorangegangenen Forschung, Zusatz der Verfasserin] die Entwicklung von Problemlösungen und das Treffen von Entscheidungen als Zweck im Vordergrund.“ (ebd.) Brünners an diese Übersicht anschließende eigene Analyse zu innerbetrieblichen Besprechungen nimmt vor allem die Gegenstände „Zielorientierung und Effizienz“ (ebd., 188ff) und „Kon39
Brünner (2000) gibt einen kurzen Überblick zu Forschungsgegenständen und Ergebnissen der Arbeiten zu innerbetrieblichen Besprechungen.
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
fliktdarstellung und -bearbeitung“ (ebd., 201ff) als Untersuchungsgegenstand. Unter dem weiten Begriff „weitere mündliche Formen“ findet man schließlich jene Form der Wirtschaftskommunikation, die zumindest für die Richtung ‚von oben nach unten’ für die Kommunikation in organisationalen Veränderungsprozessen relevant ist: Führungs- und Unternehmenskommunikation. Brünner (2000, 215) hält hierbei fest, dass kommunikative Management-Tätigkeiten bislang besonders im Fokus der Organisationspsychologie standen. Wenn es um Eigenschaften der Organisationskommunikation geht – wie im vorliegenden Dissertationsprojekt – so haben bisher psychologische, soziologische und wirtschaftswissenschaftliche Arbeiten das Feld besetzt.40 Diese augenscheinliche Lücke aus linguistischer Warte soll mit der vorliegenden Arbeit geschlossen werden.
1.6 Fragestellungen und Gegenstände der empirischen Untersuchung Der Organisationstheoretiker und -berater Wimmer fordert: „Bevor man sich über die Möglichkeiten und Grenzen des Managements weit reichender Veränderungen in Organisationen den Kopf zerbricht, erscheint es sinnvoll, sich ein Verständnis dessen zu erarbeiten, was bei einem solchen Vorhaben eigentlich passiert“ (2004, 162). Zu diesem vertiefenden Verständnis soll diese Arbeit beitragen. Dazu werde ich am Beispiel eines konkreten Wandlungsprozesses der Frage nachgehen, wie die sprachlichen Strategien bestimmter Funktionsträger genau aussehen. Anders ausgedrückt heißt die Frage: Wie stellen die Funktionsträger ihre Perspektive auf den Prozess dar, wie agieren sie in der Interaktion, um gemeinsam Bedeutung herzustellen? Und wie werden Darstellungen in der gleichen oder in anderen sozialen Ereignissen sprachlich weiterverarbeitet? Und inwiefern unterliegt der vom Management der Organisation intendierte Wandel im Laufe des Kommunikationsprozesses Veränderungen, d. h., treten in der Topdown-Kommunikation nicht-konsistente oder gar widersprüchliche WandelKonzepte zutage? Auf Basis dieser Untersuchung können mögliche Hindernisse bei der Verfolgung von intendiertem Wandel und evtl. nicht intendierte Formen organisationalen Handelns besser verstanden werden. An der Schnittstelle zwischen 40
Hierzu Brünner (2002, 215): „Soweit diese Arbeiten empirisch sind, betrachten sie Kommunikation häufig als Variable in ihrem Wirkungszusammenhang mit persönlichkeits- oder organisationsbezogenen Variablen (z. B. Betriebsklima, Motivation, Effizienz bei der Bearbeitung verschiedener Aufgabentypen, vgl. die Darstellungen in Theis 1994 und Hahne 1998).“
1.6 Fragestellungen und Gegenstände der empirischen Untersuchung
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Sprachwissenschaften und Organisationstheorie verspricht die Gesprächs- und Diskursanalyse auch für die Organisationsanalyse relevante Untersuchungsfelder zu erhellen (vgl. Geßner 2001): Welche Handlungsmuster sind in der Organisation zu erkennen? Was sind relevante Ressourcen und Zwänge des Handlungssystems? Über welche Handlungsressourcen verfügen welche Akteure? Was sind relevante „Ungewissheitszonen“,41 und wer kontrolliert sie? Gegebenenfalls lassen die sprachlichen Muster auch Rückschlüsse darauf zu, welche Beziehungen in der Organisation besonders eng sind und in welchen Konstellationen Wandel demnach wahrscheinlich bzw. unwahrscheinlich ist (vgl. Geßner 2001). Insgesamt verspricht die Verfolgung der sprachwissenschaftlich geprägten Fragestellungen eine Antwort darauf, welcher Rationalität das Handeln im organisationalen Wandel folgt. Dabei sollen sprachliche Mittel und Verfahren rekonstruiert werden, die von innerbetrieblichen Akteuren, die Wandel forcieren, genutzt werden. Der Blick wird speziell auf Vertreter des Managements und auf Akteure gerichtet, die mit der „Inszenierung“42 und Umsetzung von ‚Wandel’ sowie mit dem Stimmungsmanagement in der Veränderungssituation beauftragt sind. Gleichzeitig gilt das Interesse funktionalen und Erfolg versprechenden Verfahren, d. h. es wird im Sinne der angewandten Wissenschaften die Frage verfolgt, wie Manager oder Akteure der unternehmensinternen Kommunikation ihre sprachlichen Verfahren gestalten sollten, wenn sie das Ziel verfolgen, das soziale Gebilde der Organisation auf eine neue gemeinsame Identität zu integrieren. Diese Arbeit beschränkt sich jedoch nicht ausschließlich auf die Perspektive eines Top-down-Modells in Veränderungsprozessen, sondern geht vielmehr auf Basis sozial-konstruktivistischer Ansätze davon aus, dass rein unidirektional fokussierte Veränderungsprozesse nicht erfolgreich sein können (vgl. Cantin 1999). Organisationsmitglieder verständigen sich darüber, welche Art von Wan41
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Den Begriff der „Ungewissheitszonen“ haben Crozier / Friedberg geprägt. Typische organisationale Ungewissheitszonen sind: a) der für das zufrieden stellende Funktionieren einer Organisation erforderlichen Sachverstand in der Umgebung relevanter Experten (Expertenmacht), b) Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die Gestaltung der Beziehungen zwischen Organisation und Umwelt erforderlich sind (Sonderfall von Expertenmacht, im Sinne einer Relaisstelle), c) das Verhalten der Akteure an wichtigen Knotenpunkten der Interaktion und Kommunikation zwischen organisationalen Einheiten (die Kontrolle von Kommunikation durch ‚gate-keeper’), d) Vorschriften und Verfahren, die geschaffen wurden, um das Verhalten von Organisationsmitgliedern vorhersehbar zu machen (Hierarchie und formale Bedingungen) (Crozier/Friedberg 1979, 40). Morgan (1997, 186f) spricht von der „Inszenierung einer gemeinsamen Realität“ und macht deutlich, dass es sich bei Organisationsstruktur, Regeln, Zielen oder normierten Handlungsanweisungen um Instrumente handelt, die dazu beitragen, „die kontinuierliche Realität innerhalb einer Organisation zu prägen“. Zur „Inszenierung“ von Information in den Medien s. auch Grewenig 1993.
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
del sie gemeinsam verfolgen. Auch wenn dies unter organisational bedingten asymmetrischen Machtverhältnissen vonstatten geht, so sind es doch auf Interpretationen basierend Handelnde, die den Wandel umsetzen – oder eben nicht bzw. anders umsetzen als intendiert. Daher sind auch sprachliche Verfahren der Verständigung und Interpretation im Fokus der Untersuchung. Folgende Aspekte sind Gegenstand der sprachwissenschaftlichen Untersuchung und werden anhand signifikanter Ausschnitte analysiert:43 Ketten von sozialen Veranstaltungen, in denen über Wandel gesprochen wird, sowie zugrunde liegende soziale Praktiken des Sprechens über Wandel, in denen sich die Organisationskultur manifestiert; dabei insbesondere:
kommunikative Gattungen44 sowie Sprach- und Handlungsmuster, an denen sich die Beteiligten beim Sprechen über Wandel orientieren;
diskursive Muster für die Repräsentation von Wandel, einschließlich impliziter Annahmen, Modalisierungs- und Evaluationsverfahren;
soziale Stile für den Ausdruck organisationaler Identitäten45 und das Management von Beziehungen46 beim Sprechen über Wandel.
Gemäß der induktiven Vorgehensweise der Gesprächsanalyse wird der Blick bei den vorliegenden Daten zunächst auf verschiedene Analysefelder wie Gesprächsorganisation, Beziehungsgestaltung, Interaktionsmodalität, Themenentwicklung, wesentliche Handlungen und Ausdrucksmuster gerichtet. Im Anschluss an diese ersten Analyseschritte haben sich in den Daten folgende Untersuchungsgrößen als besonders aufschlussreich für das Erkenntnisinteresse herauskristallisiert und werden dementsprechend weiterverfolgt:
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In Anlehnung an die Analysekategorien Faircloughs (2003). Hier soll Bergmanns Definition für kommunikative Gattungen angeführt werden: Sie bestehen „aus einem Ensemble kommunikativer Praktiken, die ihre Binnenstruktur ausmachen und im einzelnen mehr oder weniger verbindlich festgelegt sein können. So gibt es Gattungen (etwa im kirchlich-religiösen Bereich oder im Raum der symbolischen Politik), die sich durch eine starre Struktur einzelner Verhaltensabläufe auszeichnen und damit den Charakter von Ritualen annehmen“ (1999, 46). Hinsichtlich der Identitäten in der Organisation stehen zwei Aspekte im Fokus: Einerseits wird der Blick in der Untersuchung auf die Identität des Einzelnen in der Organisation gerichtet. Andererseits jedoch bezieht sich der Begriff ‚Identität’ auch auf den Wandlungsprozess an sich. Hierbei interessiert die Identität von Objekten oder Vorgängen in der Organisation, d. h. die Gesamtheit der Vorstellungen, Einstellungen und Gefühle, die Personen oder Teilöffentlichkeiten im Hinblick auf diese Entitäten besitzen. Vgl. Goffman 1994 u. Holly 1979 in Bezug auf „face work“ bzw. „Imagearbeit“.
1.7 Aufbau der Arbeit
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interaktive und textuelle Mittel wie Phraseologismen47, formelhaftes Sprechen48, Schlüsselwörter49 und Argumentationstopoi50 sowie Modalitätssteuerungen51; der Einsatz all dieser sprachlichen Mittel zur perspektivischen Darstellung von Wandel und deren interaktive Weiterverarbeitung sowie Indizien für die Manifestation unterschiedlicher Perspektiven: dabei v. a. Reziprozitätsstörungen, mit denen sich manifestiert, dass die Sprecher nicht von den gleichen Voraussetzungen ausgehen oder die Perspektiven in völlig andere Richtungen laufen, sowie Störungen im Gesprächsverlauf, wie Abbrüche, Sprecherwechsel durch Fremdwahl und Korrekturen (selbstoder fremdinitiiert).
1.7 Aufbau der Arbeit Bei der Verfolgung oben genannter Ziele und Fragestellungen ist die Dissertation folgendermaßen strukturiert: Im folgenden Kapitel gehe ich auf Sinnstiftungsprozesse in Organisationen ein, um schließlich deren Bedeutung für organisationale Wandlungsprozesse und unweigerlich auftretende Instabilitäten zu identifizieren. Die weitere Basis für die Dissertation bilden Ansätze aus der Organisationstheorie sowie der Interaktionsanalyse linguistischer Forschungs47
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Burger/Buhofer /Sialm etablierten 1982 die Begriffe „Phraseologie“, „Phraseologismus“ und „phraseologisch“ als Oberbegriffe für Wortverbindungen, die sich durch ihre feste und meist nur in sehr beschränktem Maße veränderliche Form auszeichnen; vgl. auch Baur et al. 1999. Formeln bzw. Sprachmuster interessieren deshalb, weil es sich um sprachliche Einheiten handelt, „die durch Rekurrenz, d. h. durch häufigen Gebrauch, fest geworden sind oder fest werden“ (Stein 1995, 57) und somit auch „fest geprägte“ Unternehmenskultur repräsentieren. Für formelhafte Einheiten ist nicht eine besondere Semantik, sondern eine starke Funktionalisierung typisch (vgl. ebd., 58). „Schlüsselwörter“ haben eine wichtige Funktion für die Wirklichkeitskonstitution: „Diese Weise der Wirklichkeitsherstellung durch Sprechen und im Sprechen zeichnet sich dadurch aus, dass einzelne sprachliche Ausdrücke im Vollzug der verbalen Interaktion ein besonderes Eigengewicht oder Eigenleben erhalten, dass sich Bedeutungen solcher Ausdrücke im Zuge des Redens substantiieren, gleichsam verwirklichen.“ (Nothdurft 1996, 377). Topoi beruhen auf stereotypem Wissen, welches i. d. R. „als gemeinsames und selbstverständlich akzeptiertes immer wieder nur vorausgesetzt“ (Hermanns 1994, 49) und nicht verbalisiert wird. Als Dreh- und Angelpunkte der Strukturierung von Argumentationen stellen Topoi die Brücke dar zwischen einer individuellen Situation und einem System von im Common sense gültigen Verallgemeinerungen. Aus diesem Grund werden auch sie als zentral für die (Re-)konstruktion von Perspektiven erachtet. Vgl. auch Wengeler 2003a und b. Darunter werden sprachliche Mittel verstanden, die (meta-)kommunikative Funktionen inne haben, d. h. die der Kommentierung und Modifizierung geäußerter Sachverhalte. Diese sind über ihre Funktionen zu erschließen, wie z. B. das Unterstreichen der Gültigkeit von Aussagen, das Signalisieren von Erwartungshaltungen etc. Beispiele siehe Fairclough (2003, 170f).
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1 Problemhintergrund und Untersuchungsgegenstand der Arbeit
richtungen. Eine Arbeit wie die vorliegende, welche sich mit dem Sprachhandeln im Kontext von Organisationen beschäftigt und dabei die Dynamik im sozialen Gebilde der Organisation berücksichtigt wissen will, bewegt sich immer wieder auf der Trennlinie zwischen Organisationstheorie und Linguistik. Die Konvergenz der beiden Wissenschaftsdisziplinen wird in den Kapiteln 2-4 zunächst aus beiden Perspektiven vorbereitet und schließlich expliziert. Die entscheidende Annahme für die Untersuchung organisationaler Interaktion ist die, dass perspektivisch gebundene soziale Wirklichkeitskonstruktion ‚Enabler’ oder aber auch ‚Verhinderer’ von organisationalem Wandel sein kann. Aus diesem Grund wird in Kapitel 4 die perspektivische Fragmentierung in Organisationen beleuchtet und eine Konzeption zum Umgang mit Differenz eingeführt. Den gewichtigsten Teil meiner Arbeit bildet die empirische Analyse von Kommunikation im Kontext eines exemplarischen Wandlungsprozesses. Nachdem in Kapitel 6 das Fallbeispiel mit der Erläuterung der Intention der WandelAkteure, der zeitlichen Einordnung und dem bis zum Zeitpunkt der empirischen Analyse realisierten Verlauf des Veränderungsprozesses eingeführt wird, folgt in Kapitel 7 die Analyse zweier sozialer Ereignisse im Kontext des erläuterten Wandlungsprozesses: einer Kick-off-Veranstaltung zur ‚Implementierung’ eines Leitbildes im Sinne des intendierten Wandels sowie einer Besprechung mit ‚Umsetzern’ des Wandels, in welcher der Schwerpunkt auf das Maßnahmentracking im Rahmen des Lean-Veränderungsprozesses gelegt wird. Die Kick-off-Veranstaltung beinhaltet sowohl Top-down-Kommunikation als auch die daran anschließende Interaktion; die Analyse bezieht sich auf beides. Die sozialen Veranstaltungen geben Einblick in sprachliche Praktiken von Wandel-Akteuren und erlauben es, den Vernetzungsgedanken von Kommunikation zu vertiefen. Den Abschluss der Analyse bildet die Identifizierung von Sinnfiguren, welche sich in der wandelbezogenen Kommunikation manifestieren. Abschließend fasse ich in Kapitel 8 die zentralen Analyseergebnisse zusammen und formuliere daraus abgeleitete Chancen und Risiken für die Gestaltung von organisationalen Wandlungsprozessen vor dem Hintergrund wachsender gesellschaftlicher und organisationaler ‚Turbulenzen’ in der Postmoderne.
2 Sinnstiftung in Wandlungsprozessen
Ausgangspunkt für dieses Kapitel ist das Theorem, dass Organisationen „vor ähnlichen existenziellen Sinnfragen“ stehen wie Individuen und soziale Gruppen (Liebert 2003, 94). Dafür werden „Verfahren“ (ebd.) benötigt, die zeigen, wie innerhalb der bestehenden Organisationsstruktur existenzielle Grundfragen gestellt und beantwortet werden können. Geht man davon aus, dass Organisationen autopoietische Systeme (Morgan, 1997, 345ff, vgl. auch Kapitel 1.1) sind, so lässt sich als zentrales Merkmal der Organisation festhalten, dass sie Antworten auf existenzielle Grundfragen nicht festschreibt, sondern sie in der innerorganisationalen Kommunikation nach einem bestimmten Modus52 immer wieder neu beantwortet (vgl. ebd.). Doch wie wird in Organisationen Sinn hergestellt, der es den Mitgliedern wiederum ermöglicht, sinnhaft zu handeln? Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, gehe ich auf den folgenden Seiten auf einige Forschungsmodelle der Sinnstiftung ein, welche sich mit der Hervorbringung und Bearbeitung von Sinnfragen in Organisationen beschäftigen. Die Sensemaking Studies konzentrieren sich auf die Herstellung und Aufrechterhaltung von Bedeutung in und durch Organisationen, wobei das Forschungsinteresse im Speziellen in der Identifizierung der Auslöser, Eigenschaften, Resultate und der Medien von Sinnstiftung liegt. Das Ursprungswerk von Sensemaking ist „The social psychology of organizing“ von Karl. E. Weick (1979b), mit dem er ein neues Denken in die Organisationsforschung einführt. Er geht davon aus, dass Menschen zielinterpretierend handeln, d. h., Handeln auf 52
Domke (2006) untersucht im Kontext von Entscheidungskommunikation in Besprechungen die Bearbeitung von Informationen, d. h. wie Arbeit an und mit Informationen und wie die damit einhergehenden Aufgaben durch Sprecher bearbeitet werden können. „Die im Interaktionssystem (re-)produzierten Schwierigkeiten stellen Klärungsbedarf (wieder) her und verweisen dabei ersichtlich auf Handlungen, die über die Besprechungen hinaus reichen. Die Hervorbringung der ungeklärten und negativ beladenen Themen umfasst […] verschiedene Verfahren wie die (Re-)Konstitution des Besprechungswerts und der Markierung der Relevanz, die (Wieder-)Herstellung der Ursachen und Folgen des Problems sowie bisheriger Klärungsversuche, den Rekurs auf Kollegen, sei es in Bezug auf die Problembearbeitung oder in Bezug auf Kritik sowie die Benennung möglicher Lösungen.“ (Domke 2006, 201f). So wird der im Raum stehende „Bedarf“ (ebd.) interaktiv behandelt und bearbeitet.
52
2 Sinnstiftung in Wandlungsprozessen
individueller und kollektiver Ebene wird erst im Nachhinein mit Sinn versehen und entsprechend interpretiert. Obwohl Weick bereits Ende der 1960er Jahre den Grundstein für die Analyse von Sinnstiftungsprozessen legte, wurden erst in den 1990er Jahren weiterführende Konzepte erarbeitet. Hier bildet wiederum Weick den Ausgangspunkt, nämlich mit „Sensemaking in organizations“ (1995). Er konkretisiert seine Konzeption dahingehend, dass die „kognitive und soziale Erschaffung und Verwendung von Sinn und Sinnbezügen“ (Weick 1995) das grundlegende Element der Gestaltung von Wirklichkeit ist. Im Kontrast zu klassischen Betrachtungsweisen der Organisationstheorie, welche Organisation als etwas Stabiles, vorwiegend von außen Determiniertes ansehen, untersucht Weick Phänomene wie Ambiguität, Dynamik und Komplexität in Organisationen. Somit ist seine Arbeit eine Kritik an linearer Kausalität, welche die eigentliche Zirkularität von Ursachen und Folgen sowie Rückkopplungen verkennt. Weiterhin kritisiert er Elemente bestimmter Ansätze der Kognitiven Organisationsforschung, so z. B. innerhalb des methodischen Individualismus insbesondere den Managerialismus, bei dem angenommen wird, dass Manager die einflussreichsten Akteure in Organisationen sind. Schon im Prozessmodell des „Organisierens“ von 1969 kommt Weick zu dem Schluss, dass Organisationen mittels einer mehrstufigen, Sinn generierenden Organisationsroutine mit der von Ambiguität und Unstrukturiertheit geprägten Welt umgehen. Im Sinnstiftungsmodell von 1995 beschäftigt er sich mit der Frage nach den Umständen, den Elementen, den Formen, Ebenen und Konsequenzen bei der Sinngenerierung.53
2.1 Organisieren und Sinnstiftung nach Weick Nun zu einer Detaillierung des Weickschen Ansatzes, dessen Kerninhalte als Basis für die vorliegende Arbeit dienen, da sich die perspektivengeleitete Darstellung bzw. Interpretation, welche in Bezug auf Kommunikation im Kontext organisationalen Wandels untersucht werden soll, insbesondere mit Teilprozes53
Empirische Zugänge zu „Sensemaking“ als Vertiefung des Ansatzes von Weick liefern Gioia (z. B. 1998) und Porac/Thomas/Baden-Fuller (1989). So vielfältig die Grundlagen der Sinnstiftungsansätze sind, umso mehr fehlt jedoch ein konsistentes Theoriegebäude. Die Ansätze haben entweder psychologische Wurzeln (z. B. Piaget 1988 oder Mascovici 1976), entspringen der konstruktivistischen Kommunikationstheorie (Watzlawick 1976), radikalkonstruktivistischen Theorien, phänomenologischen und ethnologischen Theorien (z. B. Schütz 1960 oder Geertz 1973), basieren auf dem symbolischen Interaktionismus (z. B. Mead 1934), auf sozioevolutionären Ansätzen (Campbell 1975) oder auf der neueren Systemtheorie (Luhmann 1994) (vgl. Weik/Lang 2003, 161).
2.1 Organisieren und Sinnstiftung nach Weick
53
sen des Organisierens bei Weick in Verbindung bringen lässt: dabei insbesondere mit Selektionen und Retentionen im Prozess des Organisierens. Zunächst eine knappe Klärung zentraler Begriffe in Bezug auf das Organisieren: Organisieren wird durch Prozesse vollzogen, welche wiederum aus ineinandergreifenden Verhaltensweisen von mindestens zwei Personen bestehen (vgl. Weick 1998, 130). Verhaltensweisen verschiedener Personen bedingen sich gegenseitig und werden als Interakte bezeichnet. Die vollständige Sequenz als „Analyseeinheit beim Organisieren“ (ebd.) ist ein doppelter Interakt, d. h., die Handlung eines Akteurs A ruft eine bestimmte Reaktion von Akteur B hervor, woraufhin Akteur A seinerseits wieder reagiert. Entscheidend ist nun in Weicks Argumentation, dass doppelte Interakte stabile Untereinheiten der Organisation darstellen (ebd., 162), d. h., es handelt sich dabei um den stabilen Bestandteil in sowohl Wachstum als auch Verfall von Organisationen. Der Begriff der „losen Kopplung“ (zur Erläuterung des Begriffs s. Weick 1998, 162ff) ist neben dem der Interakte zentral, der gemeinsam mit aus doppelten Interakten zusammengesetzten Untereinheiten sowohl Flexibilität als auch Stabilität in Organisationen ermöglicht. Zurück zu den Prozessen beim Organisieren: Diese laufen nach bestimmten Regeln in Form von zahlreichen ineinandergreifenden Verhaltenszyklen ab. Prozesse beinhalten nach Weick zwei Elemente: einerseits „Montageregeln“ und andererseits ineinandergreifende „Verhaltenszyklen“ (ebd., 165). „Montageregeln sind Rezepte für das Zusammenbauen des Prozesses aus dem gesamten Pool von ineinandergreifenden Zyklen, die innerhalb des relevanten Teils der Organisation im Moment des Zusammenbauens als existent wahrgenommen werden“ (ebd., 165), so z. B. nach den Kriterien „Vermeidung von Mühe“, „bislang erfolgreiche Zyklen“ oder „möglichst wenig Verpflichtung für die Zukunft“ (ebd., 166; weitere Beispiele s. ebd., 166). Die zentrale Funktion des Zusammenbauens von doppelten Interakten ist das (zumindest zeitweilige) Vermeiden von Mehrdeutigkeit. Nehmen wir zum Beispiel eine im Kontext des organisationalen Wandels häufige Situation: bei einer innerorganisationalen Besprechung wird deutlich, dass die Zielsetzung und Aufgaben der verschiedenen Teilprojekte innerhalb eines Veränderungsprozesses nicht von allen gleich verstanden werden. Akteur A, der Leiter des Gesamt-Projekts, verweist daraufhin auf zu Beginn des Projekts minutiös erstellte Unterlagen, in denen die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der einzelnen Teilprojekte beschrieben wurden. In der daran anschließenden Diskussion zwischen Akteur A und Akteur B, einem Teilprojektleiter, werden Widersprüche der besagten Unterlagen aufgezeigt, die von anderen Organisationsmitgliedern bestätigt werden. Nachdem Akteur A sich die Kritik angehört hat, geht er nicht auf die von den anderen Akteuren geäußerte fehlende Sinnhaftigkeit der Teilprojekt-Inhalte
54
2 Sinnstiftung in Wandlungsprozessen
und der geforderten Teilprojekt-Ergebnisse ein, sondern kündigt an, dass für eine anstehende Ergebnis-Präsentation aller Teilprojekte vor der Belegschaft ein Template erarbeitet wird, das von den Teilprojektleitern entsprechend zu befüllen ist. Diese Tätigkeit des Organisierens zielt auf die Herstellung „eines tragfähigen Sicherheitsniveaus“ (Weick 1998, 15), und zwar durch die Festlegung zu berichtender Inhalte, sprich die Festlegung des Fokus’ auf den Veränderungsprozess. Für das oben eingeführte Beispiel aus dem Organisationsalltag nehmen wir an, dass unser Projektleiter das Organisieren aus folgender Warte sieht: zunächst beurteilt er das Maß der im eigenen Input enthaltenen Mehrdeutigkeit und kommt dann zu dem Schluss, dass unterschiedliche Verständnisse von Vorgehensweisen und Ergebnissen der Teilprojekte ein (zu) hohes Maß an Mehrdeutigkeit bedeuten (vgl. ebd., 171). Darauf aufbauend entscheidet sich die Person für die zu berücksichtigenden Regeln, wobei die Anzahl der Regeln steigt, je größer die wahrgenommene Mehrdeutigkeit ist.54 Im geschilderten Beispiel aus dem Organisationsalltag stehen folgende Regeln im Vordergrund: Störung (‚wähle die Zyklen aus, die die wenigsten Unterbrechungen des laufenden Systems verursachen’) bzw. Absorption (‚wähle die Zyklen aus, die die Aktivitäten der größten Anzahl von Leuten absorbieren’ (ebd., 166, weitere Regeln s. ebd.), beide vor dem Hintergrund, dass eine zu hohe Mehrdeutigkeit den Projekterfolg massiv gefährdet – einerseits durch die Gefahr inkonsistenter Bearbeitung und Darstellung vor der Belegschaft sowie andererseits durch drohende Redundanzen und somit doppelt gravierende Widersprüche zwischen den Teilprojekten. Auf dieses Beispiel werde ich zur weiteren Erläuterung des Weickschen Modells noch zu sprechen kommen. Wie sieht nach dem Weickschen Modell ein ‚vollständiger’ Prozess des Organisierens aus? Der Sozialpsychologe segmentiert den Prozess des Organisierens in vier Elemente: ökologischer Wandel, Gestaltungsakte, Selektionen und Retentionen (vgl. ebd., 189ff). Das erste Element ist grundsätzlich gegeben und bedeutet, dass innerhalb der Erlebnisströme der Menschen häufig bedingt durch Wandel Inkonsistenzen auftreten, welche die Aufmerksamkeit der Menschen aktivieren. Im zweiten Schritt, nämlich dann, wenn jene Unterschiede im Erlebnisstrom auftreten, klammern die Personen die betreffenden Wandlungen zur näheren Prüfung aus. Dies nennt Weick „Gestaltung“. Daran schließt die „Selektion“ an, d. h. die „Auferlegung verschiedenartiger Strukturen auf gestaltete Vorlagen mehrdeutiger Art in einem Versuch, ihre Mehrdeutigkeit zu reduzieren“ (ebd., 191), das heißt die Verwendung von Schablonen, die vorwiegend aus früheren Erfahrungen gewonnen wurden. Bezogen auf das oben erläuterte Beispiel mit den Teilprojekt-Zielen und -Ergebnissen gehe ich beispielhaft davon 54
Die Zahl der angewandten Zyklen (gleichbedeutend mit doppelten Interakten) wiederum ergibt sich aus der Zahl der zur Montage genutzten Regeln (vgl. Weick 1998, 166).
2.1 Organisieren und Sinnstiftung nach Weick
55
aus, dass der Projektleiter bereits in früheren Projekten die Erfahrung gemacht hat, dass die ‚Schablone’ ‚mangelnde Klarheit über Arbeitsinhalte aufgrunddessen, dass die Teilprojekt-Leiter grundlegende Vorarbeiten ignorieren’ und daraus abgeleitet ‚Steigerung der Vorgaben und methodischen Unterstützung’ zur Reduktion von Mehrdeutigkeit geführt hat. Dies wiederum mündet schließlich in das vierte Element des Organisierens: in die „Retention“ (ebd.). Das heißt, das Interpretationsschema des besagten Projektleiters wurde als Produkt erfolgreicher Sinngebung gespeichert. Letztendlich ist die Umwelt unseres Projektleiters kein Input seines Organisierens, sondern es handelt sich um eine „gestaltete Umwelt“, welche anschließend mit Sinn belegt werden kann: „Gestaltung produziert die Geschehnisse, die dann durch den Selektionsprozess sinnvoll gemacht werden können.“ (ebd., 194). Was bedeutet dies für die Sinnstiftung beim Organisieren, bzw. speziell beim Organisieren im Kontext des organisationalen Wandels? Die unabänderliche Interdependenz zwischen Organisieren und sense-making ist bei Weick zentral. Organisieren ist nur durch Sinnstiftung möglich; Sinnstiftung bedarf aber auch der Organisation: „To organize around something is to converge on an event whose articulation and preservation feels beneficial and of joint relevance. Sense makes organizing possible. And organizing makes sense possible.” (Weick 2001, 95)
Wichtig ist hier der Begriff der Verknüpfung, deren Art und Weise die Sinnstiftung hervorbringt. Zwei Begriffe und deren Verknüpfung bilden die Grundstruktur, d. h. die kleinste denkbare Sinnstruktur. Erst die Verknüpfung der beiden Elemente beinhaltet den Sinn; erst durch das Herstellen von Bezügen wird Sinnstiftung möglich. So geschieht Beobachtung, Wahrnehmung, Handlung und Interpretation immer in der Ermittlung von Bezügen, durch welche Sinn erzeugt werden kann. Die maßgebliche Gelegenheit für Sinnstiftung in Organisationen55 stellen widersprüchliche Ereignisse, welche den gewohnten Rahmen hinsichtlich der eigenen Wahrnehmung verletzen (vgl. Starbuck/Milliken 1988, 52). Damit wird ein kontinuierlicher Fluss von Gewohntem gestört, entweder durch ein Ereignis, das (so) nicht erwartet wurde, oder aber durch ein erwartetes Ereignis, das (so) nicht stattfindet. In solchen Momenten manifestiert sich Mehrdeutigkeit, d. h., der gegebene Input vermag es nicht, Missverständnisse zu lösen. Solche mehr55
An dieser Stelle soll darauf verwiesen werden, dass Weick alltägliche Sinnstiftung und jene in Organisationen als nicht identisch bezeichnet und die Unterschiedlichkeit beispielsweise mit der Tatsache begründet, dass Organisationsmitglieder weniger Entitäten oder Ereignisse als selbstverständlich hinnehmen und für alles Mögliche Erklärungen suchen (vgl. Weick 1995, 63ff).
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2 Sinnstiftung in Wandlungsprozessen
deutigen Situationen sind nach McCaskey (1982) „Changing Situations“, wie zum Beispiel die Zustände, dass Unklarheit über das Wesen eines Problems besteht, dass unterschiedliche, konfliktäre Interpretationen im Raum stehen oder dass Rollen bzw. Verantwortlichkeiten unklar sind. Zusammenfassend lässt sich zu Weicks Modellen sagen, dass Organisationen soziale Strukturen aufweisen, bei denen sowohl das Ineinandergreifen unterschiedlicher Verhaltensweisen als auch die gegenseitige Verstärkung von Interpretationen zentral sind – also eine Verschränkung von Subjektivität und Intersubjektivität. Das Ziel von ‚Organisierenden’ ist es, innerhalb dieses Spannungsfelds Ereignisse zu erschaffen und zu identifizieren, um die Umwelt einerseits zu generieren, andererseits aber auch vorhersehbarer zu machen. Sinnstiftung ist also dazu da, ‚vernünftige’ Ereignisse hervorzubringen, welche ehemaligen Ereignissen ähneln – hierbei handelt es sich interessanterweise um einen ‚Mechanismus’, der Wandel entgegenwirkt. Dabei reduzieren handlungsund überzeugungsgetriebene Prozesse der Sinnstiftung, wie Prozesse des Verpflichtens und Manipulierens sowie Argumentierens und Erwartens, die Mehrdeutigkeit (vgl. auch Weik/Lang 2005, 188ff). Entscheidend ist nun für den Kontext meiner Untersuchung: Für Lern- bzw. Veränderungsprozesse in Organisationen ist nicht nur die intrapersonelle Ebene der Sinnstiftung wesentlich, sondern auch der interpersonelle Prozess, bei dem Mehrdeutigkeit und Unsicherheiten reduziert werden. Sinnstiftung hat eine kollektive Komponente, da Sinn immer erst dann entsteht, wenn ‚Plattformen’ geschaffen werden, welche die Vernetzung verschiedener Sinnelemente ermöglichen: „To make sense of something is to begin to provide a plausible platform for sharing mental models, coordinating activities and interacting to produce relationships.” (Weick 2001, 95) Das bedeutet, dass Organisationsmitglieder versuchen, „gemeinsam eine brauchbare Übereinkunft darüber zu erzielen, welche Abschnitte von vergangenen Strömen als Variablen ausgezeichnet werden sollen und welche Beziehungen zwischen welchen Variablen als annehmbar erscheinen“ (ebd., 206). Mehrdeutigkeit kann dann durch ineinandergreifende Verhaltenszyklen minimiert werden, wenn Organisationsmitglieder über die Identifizierung von veränderlichen Größen und damit zusammenhängende interpersonelle Beziehungen verhandeln. Diese Theorie lässt uns zu dem Schluss kommen, dass in oben genanntem Beispiel zu unterschiedlichen Ansichten über Projektziele und -vorgehensweisen die Aushandlung zwar begonnen wird, dann aber auf Basis der individuellen Gestaltung, Retention und Selektion nur eine ‚scheinbare’ Übereinkunft getroffen werden kann, welche aus einer asymmetrischen (Macht)struktur zustande kommt. Mehrdeutigkeit ist somit in Bezug auf die zu erfüllen-
2.1 Organisieren und Sinnstiftung nach Weick
57
de Aufgabe reduziert worden; die Mehrdeutigkeit im Sinne unterschiedlicher Auffassungen über erforderliche Vorgehensweisen und Ergebnisse tritt möglicherweise im weiteren Prozess des Organisierens wieder auf. Warum also wird die Thematik des Organisierens und Sinnstiftens an dieser Stelle so prominent behandelt? Der Grund liegt darin, dass bei organisationalem Wandel das verstärkt wird, was Weick ohnehin als ‚normal’ für Organisationen annimmt: „Wandel statt Stabilität ist die Regel in jeder Organisation“ (ebd., 172). Wenn Wandel also, wie in Kapitel 1 beschrieben, seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und umso mehr seit Beginn des neuen Jahrtausends häufiger und intensiver wird, dann wird es für Organisationsmitglieder umso schwieriger, Ereignisse in Organisationen zu ‚verstehen’. Diejenigen, die kollektive Sinnstiftungsprozesse nachvollziehen und daher gestalten zu können, werden vermutlich eher in der Lage sein, mit anderen Organisationsmitgliedern ‚trotz’ Wandel eine relative kollektive Struktur zu organisieren. Ein zweiter Grund für die in dieser Untersuchung vorgenommene Verknüpfung der drei Elemente Sinnstiftung, organisationaler Wandel und Darstellung bzw. interaktive Bearbeitung von Perspektiven ist Folgender: Im Modell des Organisierens manifestiert sich auf deutliche Art und Weise, dass „Ursachenkarten“ (ebd., 191f) Voraussetzung für die retrospektive Sinngebung sind. Die Darstellung von Perspektiven auf Wandel und die perspektivengeleitete Bearbeitung von Darstellungen in der Interaktion können meines Erachtens teilweise im Sinne des Weickschen Modells erklärt werden. Die Muster zur Deutung von organisationalen Ereignissen – die „Ursachenkarten“ – werden gerade im Kontext organisationalen Wandels ‚erschüttert’. Am oben erläuterten Beispiel erklärt: Wenn der Projektleiter die Äußerungen fehlender Sinnhaftigkeit und Ambiguität von Teilprojekt-Zielen auf Basis seiner eigenen Selektion und Retention so interpretiert, dass die übrigen Projektmitglieder gesetzte Regeln nicht wahrnehmen (wollen), zeigt sich, dass diese Art intrapersoneller Sinnstiftung nicht geeignet ist, um sense-making auch interpersonell zu gewährleisten: die Art der Reduktion von Mehrdeutigkeit durch den Projektleiter (‚Vorgaben schärfen und Hilfsmittel zur Realisierung von Vorgaben zur Verfügung stellen und verpflichtend einfordern’) vermeidet zwar die (aktuelle) Diskussion über Ambiguität, räumt die grundsätzliche Unsicherheit jedoch nicht aus dem Weg.
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2 Sinnstiftung in Wandlungsprozessen
2.2 Zeichen, Sinnsetzung und Sinndeutung bei Schütz Im Folgenden soll die Brücke zwischen Sinnstiftung und Sprache geschlagen werden – zunächst unter Rekurs auf Alfred Schütz, der sich mit der Funktion der Zeichen im Kontext von Sinnstiftung beschäftigt hat. Den inhaltlichen Bezug zwischen Sinnstiftung und der Funktion des Zeichens bzw. Zeichensystems stellt Schütz in seinem Werk „Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt“ (2004, erstmals erschienen 1932) her. Darin beschäftigt er sich mit dem Aufbau der Erfahrungswelt und ihrer Ordnung unter Schemata, berücksichtigt aber auch die Funktionen des Zeichensystems – d. h. auch der Sprache –, die einerseits als Ausdrucksschema, andererseits aber auch als Deutungsschema fungiert. „In beiden Funktionen, als Deutungs- und als Ausdruckschema, weist jedes Zeichen auf Erfahrungen zurück, welche seiner Konstituierung vorangegangen sind. Als Ausdrucks- und als Deutungsschema ist ein Zeichen nur von eben jenen es konstituierenden Erlebnissen her verstehbar, die es bezeichnet; sein Sinn besteht in der Transponierbarkeit, d. h. in seiner Rückführbarkeit auf anderweitig Bekanntes. Dieses kann seinerseits entweder das Schema der Erfahrung selbst, in das das Bezeichnete eingeordnet ist, oder aber ein anderes Zeichensystem sein.“ (Schütz: Grundzüge einer Theorie des Fremdverstehens, 2004, S. 253f)
Die Deutung von Zeichen umfasst zwei Aspekte: einerseits die Erfahrung von der Bedeutung des Zeichens an sich (objektiver Sinn), andererseits die Erfahrung von seinem subjektiven und okkasionellen Sinn (ebd. 259). Bei der ‚Sinnsetzung’ trifft Schütz nun die bemerkenswerte Aussage, dass sich der Sinn der Äußerungen eines Sprechers für ihn und für den Hörer in den einzelnen Sätzen konstituiert (ebd.) Der Sinnsetzende verfolgt dabei die Intention, dass dem Hörer (oder Leser) nicht nur der objektive, sondern auch der subjektive Sinnzusammenhang vermittelt wird, d. h., er teilt ebenso mit, in welchem Sinnzusammenhang die betreffende Äußerung für den Sprecher selbst und für sein Bewusstsein steht. Außerdem soll der Adressat evaluative Bedeutungskomponenten verstehen können („das im Urteilsvollzug Geurteilte“ (ebd., 262)). Erst wenn der Übergang vom objektiven zum subjektiven Sinn vorgenommen wird, kann im Sinne von Schütz von „Fremdverstehen“ gesprochen werden. Wendet man den Blick von der Zweierkonstellation (einem Sinnsetzendem und einem Sinndeutendem) weg, hin zu einer komplexeren Sozialwelt, ist festzuhalten, dass letztere keineswegs homogen, sondern gegliedert ist, „und daß jeder ihrer Sphären oder Regionen sowohl eine besondere Gegebenheitsweise fremder Bewußtseinserlebnisse als auch eine besondere Technik des Fremdverstehens eigentümlich ist“ (Schütz: Strukturanalyse der Sozialwelt. Soziale Umwelt, Mit-
2.3 Zusammenfassung von Eckpunkten der Konzeptionalisierungen von Sinnstiftung
59
welt, Vorwelt, 2004, 285). In interaktiven Prozessen entstehen durch die wechselseitige Abstimmung subjektiver Erfahrungsschemata über Zeichensysteme soziale, intersubjektiv geteilte Erfahrungsmuster. Das Resultat daraus ist die „Struktur der Sozialwelt“ (ebd.). Bezogen auf den vorliegenden Forschungsgegenstand Sprache im Kontext des organisationalen Wandels bedeutet dies: Fremdverstehen – und die Vermittlung von gewissen ‚Notwendigkeiten von Veränderung’ (vgl. Kapitel 1.1) setzen das Verstehen von Sinn fremder Erlebnisse voraus. Somit hat Fremdverstehen eine völlig andere Bedeutung als das Verstehen eigener Erlebnisse: „In dieser Wortbedeutung weist also die „sinnhafte Welt“ (im Gegensatz zur Naturwelt) auf das alter ego zurück, welches dieses Sinnhafte setzte.“ (ebd., 400) Jede Setzung von Sinn, welche in der sozialen Sphäre der Organisation auf organisationalen Wandel bezogen ist, erfolgt um der Deutung willen; umgekehrt erfolgt jede Deutung von Sinn nur rückbezogen auf den Sinnsetzungsakt, was auf die Bedeutung des Motivationszusammenhangs beim sozialen Handeln verweist (vgl. die Unterscheidung von „Um-zu-“ und „Weil-Motiven“, ebd., 326ff). In der späteren Analyse soll der soziale Sinn anhand der Analyse perspektivisch geleiteter Darstellungen sowie der Handlungsanalyse bei der Sinnsetzung und Sinndeutung rekonstruiert werden. Der spezielle Fokus wird in meiner Untersuchung auf der Bildung von intersubjektivem Sinn im organisationalen Kontext liegen.
2.3 Zusammenfassung von Eckpunkten der Konzeptionalisierungen von Sinnstiftung Im Folgenden sollen zentrale Begriffe zu Sinnstiftung erläutert werden, welche im Zusammenhang mit Sprache in organisationalen Wandlungsprozessen von besonderem Interesse sind:56 1.
Sprache und Symbole: Sinnvermittlung ist an Sprache gebunden, denn durch die sprachliche Vermittlung kann Sinn eine soziale Ebene erreichen und können „interindividuelle Kognitionen und Handlungen“ (Weick 1995) miteinander verknüpft werden. An die Stelle der Sprache vermögen aber auch andere Vermittlungsformen treten, wie z. B. die vorbegriffliche Symbolebene im Ritual. Dennoch kommt der Sprache eine Schlüsselrolle zu, da sie das hauptsächliche Medium der Sinnkonstitution darstellt und durch sie auch „Unbekann-
56
Weitere Kernbegriffe und Erläuterungen s. bei Weik/Lang 2005, Kapitel 6.
60
2 Sinnstiftung in Wandlungsprozessen
te(s)“, „Vorbewusste(s)“ und „Nicht-Artikulierbare(s)“ (Weik/Lang 2003, 164) besprochen werden kann. Auf der Symbolebene liefern Normen und soziale Strukturen den Inhalt von Sinn. Durch Symbole können Sinnstiftungsprozesse vereinfacht und beschleunigt werden. 2.
Narration: Organisationale Wirklichkeiten sind eher narrativ als argumentativ; für Narrationen ist charakteristisch, dass sie keine Kopien von Erfahrungen sind, sondern die Filterung von Ereignissen, welche ex post in eine gewisse Ordnung gebracht werden. Das Erzählen von Geschichten wird in den Sensemaking Studies als Mittel anerkannt, unerwartete Prozesse erwartbar und somit beeinflussbar zu machen. Es handelt sich dabei um die symbolische Darstellung einer Sequenz, welche Ereignisse über die Bedeutung und Zeit in Verbindung bringt. Mit dem Erzählen von Geschichten kann somit eine Kausalität von isoliert und unverbunden scheinenden Ereignissen entworfen werden. Zweitens stellen Narrationen ‚Gedächtnisstützen’ für die Rekonstruktion vergangener komplexer Begebenheiten dar. Drittens dienen sie als Handlungsorientierung in einem Stadium, in dem Routinen noch nicht gefestigt sind. Und viertens kann das Erzählen von Geschichten bei der Vermittlung von geteilten Werten und Bedeutungen unterstützen, d. h., durch Narrationen wird Kontrolle dritter Ordnung verstärkt.
3.
Kontrolle dritter Ordnung: Direkte Führung und Kontrolle bilden die Kontrolle erster Ordnung; unter Kontrolle zweiter Ordnung werden Programme und Routinen verstanden. Kontrolle dritter Ordnung ist so zu begreifen: „Vokabularien“ der Sinnstiftung beeinflussen den konkreten Inhalt von Sinn. Der Inhalt wird von zwei Elementen und deren Verbindung bestimmt: einerseits dem aktuellen Element (Indikator einer Situation) und andererseits dem Vergangenen (ein aus Sozialisation hervorgegangener Bezugsrahmen). Sinnstiftung bedeutet, dass dem jeweiligen Indikator passende, angemessene Bezugsrahmen zugeordnet werden, innerhalb derer sie Bedeutung erhalten. Mögliche Bezugsrahmen, d. h. ‚Vokabularien’, sind Ideologien, Paradigmen, Traditionen, „theories of actions“ oder eben auch „premise controls“. Hinter dieser Kontrolle dritter Ordnung – auch unauffällige Kontrolle genannt, da diese Kontrollmechanismen nicht personifizierbar sind – verbergen sich bereits selbstverständlich gewordene Annahmen über die Vorgänge und Zusammenhänge der Organisationswirklichkeit. Diese Annahmen sind das Fundament für das Treffen von Entscheidungen in der Organisation. Dieses Vokabularium ist deshalb für die spätere sprachwissenschaftliche Sicht auf Organisationsprozesse von besonderem Interesse, weil innerorganisationale
2.4 Bedeutung von Sinnstiftungsprozessen für organisationalen Wandel
61
Muster wie z. B. spezifische Wortschätze, aber auch organisationale Handlungsmuster, die Interpretations- und Handlungsmöglichkeiten von Organisationsmitgliedern einschränken. Der Wortschatz spiegelt und verbreitet die selbstverständlich gewordenen Annahmen über organisationale Zusammenhänge, welche vor allem die Bedingungen beeinflussen, unter denen Organisationsmitglieder Entscheidungen treffen. Es handelt sich dabei also um ein zentrales Bezugssystem, das insofern kontraproduktiv für die Weiterentwicklung einer Organisation sein kann, als es möglicherweise den Informationsfluss sowie die Suche nach alternativen Lösungen einengt. Solche impliziten Annahmen, die vergleichbar mit den Basisannahmen aus Scheins Kulturkonzept sind (s. Kapitel 3.2.1), manifestieren sich beispielsweise in den Mustern der Unsicherheitsreduktion; je stärker Kontrollmechanismen dritter Ordnung wirken, desto eher nähern sich die jeweiligen Muster der Organisationsmitglieder einander an (vgl. Weik/Lang 2005, 185f).
2.4 Bedeutung von Sinnstiftungsprozessen für organisationalen Wandel Sinnstiftungsprozesse sind omnipräsent und haben keinen Anfang und kein Ende. Gerade hinsichtlich des Phänomens organisationaler Wandel kommt der Sinnstiftung meines Erachtens eine besondere Funktion zu. Wenn – wie bei Weick beschrieben – Selektion und Retention Voraussetzungen für das Gestalten sind, liegt die Annahme nahe, dass der je nach Organisation mehr oder weniger ausgeprägte „Variantenverlust“ (Weick 1998, 189) und die Art der Ordnungsmuster beim Organisieren das „Gestalten“ (ebd.) bzw. Organisationale Lernen unter Umständen massiv einschränken können. Ausgehend von den Ausführungen in diesem Kapitel sollen im Folgenden vier Gründe festgehalten werden, warum Konzeptualisierungen von Sinnstiftung von zentraler Bedeutung für die Untersuchung von Prozessen intendierten Wandels sind. Sinnstiftungsprozessen sollte gerade im Kontext des organisationalen Wandels analytisches bzw. gestaltendes Augenmerk geschenkt werden, …
da Veränderungen auf die geistige Verfassung der Organisationsmitglieder wirken und zu einer „Erschütterung der vertrauten Selbstverständlichkeiten führen, welche die Orientierung und das Handeln im täglichen Leben entlasten“ (Luckmann 1998, 22). Mit dem Wandel werden neue „Logiken“
62
2 Sinnstiftung in Wandlungsprozessen
(ebd., 26) manifest, welche das geregelte Handeln für den Einzelnen in Frage stellen können;57
da sich im Kontext von Wandlungsprozessen eine Desorientierung in Bezug auf den „routinisierte(n) Teil gesellschaftlicher Bedeutungsbestände“ (Luckmann 1998, 34) vollzieht, und gleichzeitig eine „Polyphonie der Sinnvermittlungsvorgänge“ (ebd.) entsteht, wobei diese Polyphonie zu Widersprüchen und wachsenden Unsicherheiten führen kann, welche die Handlungsfähigkeit von Organisationsmitgliedern gegebenenfalls stark vermindern;
da zugleich differenzierende Tendenzen in Bezug auf die Sinnstiftung wahrscheinlicher werden, wie beispielsweise Inkonsistenzen zwischen verschiedenen Arten „subjektiven Sinns“ (ebd.), zum Beispiel zwischen einer ‚alten’ Sinnstiftungslogik und intendiertem organisationalem Handeln. Antworten auf die in Wandlungsprozessen automatisch hervorgebrachten Sinnfragen müssen für die betroffenen Akteure subjektiv gesehen Sinn ergeben. Entscheidend hierbei ist – und genau da kommt das Moment der Perspektive ins Spiel –, dass es auf die Sichtweise des Betrachters ankommt, ob Wandlungsintentionen Sinn ergeben. Deshalb ist es vonnöten, den Perspektiven der Betrachter auf den Grund zu gehen, um die Basis für Sinnstiftung im Verlauf von Wandlungsprozessen erforschen und im zweiten Schritt gestalten zu können. Der erste Schritt wird durch diese Dissertation geleistet;
da sich gerade in nichtthematisierten kollektiven Denkmustern Selbstverständlichkeiten manifestieren und in ihrer Nicht-Thematisierung besonders wirksam sind. Wenn es vor allem in Veränderungsprozessen darum gehen soll, vorhandene Denkmuster in Frage zu stellen, ist es zielführend, Regeln zur Herstellung von Sinn zu rekonstruieren, um dem sense-making – wie in der soziologisch-linguistische Skizze von Geideck/Liebert (2003, 3ff) gefordert – auf fundierte Art und Weise eine Phase des „sense breaking“ bzw. des „sense seeking““ (ebd.) vorausschicken zu können. Bei intendierter Veränderung beabsichtigen organisationale Akteure meist eine Einstellungsveränderung in der Belegschaft; dies macht Sinnstiftung notwendig, die nach neuen Regeln organisiert wird und für die gegebenenfalls zunächst alte Regeln explizit gemacht werden müssen, was einem Aufbrechen von alten Sinnstrukturen gleichkommt. Solche Sinnstrukturen manifestieren sich
57
Vgl. auch Siegel 2003, die Denkmuster im Sinne von Selbstverständlichkeiten anhand des Rationalisierungsgedankens beleuchtet.
2.4 Bedeutung von Sinnstiftungsprozessen für organisationalen Wandel
63
beispielsweise in Argumentationstopoi und Metaphern58 (vgl. die linguistischen Beiträge in Geideck/Liebert 2003). Vor allem im Kontext von Wandel und somit von Instabilität in Organisationen ist die Schaffung von Sinn als Basis für sozial sinnvolles organisationales Handeln besonders relevant. Kommunikation dient in sozialen Systemen der kollektiven Aktualisierung von Sinn und somit der Komplexitätsreduktion und -erhaltung (vgl. Luhmann/Habermas 1971, 31). Diese Feststellung aus der sozial-konstruktivistischen Perspektive hat umso höhere Relevanz für Wandlungsprozesse, als Sinnstiftung vor allem in Phasen der Instabilität Orientierung schaffen kann.
58
Zur Bedeutung und Funktion von Metaphern in Organisationen s. Grant/Oswick 1996 und Lakoff/Johnson 1980.
3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
3.1 Konstruktivistische Ansätze Eine Grundlage für die vorliegende Untersuchung von Kommunikationsstrukturen in einer Organisation ist der konstruktivistische Ansatz, nach dem Organisation sozial konstruierte Wirklichkeit ist.59 Konstruktivistische Denkrichtungen wurden in vielerlei Wissenschaftsdisziplinen entwickelt, so in der Psychologie bzw. Organisationspsychologie, der Phänomenologie, Wissenssoziologie, der allgemeinen Soziologie, der Neuro-Biologie, Systemtheorie, Kybernetik, aber auch in systemischen Therapieansätzen. In diesem Kapitel soll ein knapper Überblick zu konstruktivistischen Ansätzen in der Organisationstheorie gegeben und davon ausgehend die Fokussierung sprachlicher Phänomene hergeleitet werden.
3.1.1 Überblick über Schwerpunkte konstruktivistischer Ansätze Der Konstruktivismus kann in drei Hauptströmungen unterteilt werden. Dabei handelt es sich 1. um den Phänomenologischen Sozialkonstruktivismus,60 2. um den Radikalen Konstruktivismus61 und 3. um den Relationalen Sozialkonstrukti59 60
61
Vgl. Watzlawick 1987 u. 2002 sowie Watzlawick/Kreuzer 2004. Hier sollen als Vertreter Alfred Schütz, Peter L. Berger, Harold Garfinkel und Thomas Luckmann genannt werden. Sie beschäftigen sich mit der gesellschaftlichen Ordnung, insbesondere unter der Fragestellung, wie gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit aussieht. Schlüsselbegriffe sind z. B. „Alltagswissen“, „Objektivation“ oder „gesellschaftliche Ordnung“ (vgl. Weik/Lang 2005, 42 ff). Vertreter des Radikalen Konstruktivismus sind Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela, Jean Piaget, Peter M. Hejl, Paul Watzlawick oder Gerhard Rusch. Hier ist der Forschungsgegenstand das lebende System an sich. Dabei gehen die Forscher der Frage nach, inwieweit die von Menschen als objektiv erfahrene Wirklichkeit erkennbar ist und wie menschliche Erkenntnis vonstatten geht. Zielstellung ist dabei die Generierung einer kybernetisch begründeten Theorie des menschlichen Erkenntnis- und Wissenserwerbs. Als Schlüsselbegriffe stechen „Kognition“, „Autopoiese“, „Assimiliation“ oder „konsensueller Bereich“ hervor (vgl. Weik/ Lang 2005, 42 ff).
66
3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
vismus. Diese Ansätze unterscheiden sich in ihrer Herangehensweise und vor allem in den Ergebnissen, besonders solchen zum Verhältnis zwischen Individuen und/oder zur gesellschaftlichen Ordnung. Im Phänomenologischen Sozialkonstruktivismus wird dieses Verhältnis als dialektisch beschrieben (Berger/ Luckmann 1980). Diese Beschreibung ist jedoch relativ unscharf und entbehrt einer näheren Erläuterung des Wissenstransfers. Im Radikalen Konstruktivismus wird hingegen davon ausgegangen, dass Kommunikation zwischen den Individuen das Entstehen eines ‚konsensuellen Bereichs’ zulässt. Ein solch konsensueller Bereich ist in dem Verständnis die Sprache. Zur Art und Weise der Verständigung der Individuen hin zu einer sozialen Realität wird jedoch wenig ausgesagt. Im Radikalen Sozialkonstruktivismus wiederum wird von einer Subjekt-Subjekt-Beziehung gesprochen, d. h., Individuen sprechen mit anderen in einem kontinuierlichen Text, wobei Text immer auf etwas Bezug nimmt und in Beziehung gesetzt wird. Text an sich kann nur eingebettet in einen Kontext verstanden werden. Dabei versetzt Kommunikation Individuen in eine „Beziehungsdomäne“ (Weik/Lang 2005, 54). Die Vertreter des Relationalen Sozialkonstruktivismus grenzen sich insofern deutlich vom Radikalen Konstruktivismus ab, als für sie nicht befriedigend geklärt wird, wie kommunizierende Individuen eine gemeinsame soziale Wirklichkeit erarbeiten; Erkenntnis wird im Radikalen Konstruktivismus als Ergebnis individueller Leistung gesehen – ein individualistischen Paradigma, das kritisiert wird. Für die dritte Forschungslinie, den Relationalen Sozialkonstruktivismus, ist charakteristisch, dass Beziehungen zwischen den Individuen beleuchtet werden. Vertreter dieser Richtung, die ihren Ursprung im Radikalen Konstruktivismus sehen, sind: Kenneth J. Gergen, Hans-Peter Dachler, Dian-Marie Hosking und Ian E. Morley. Von Interesse sind die Art der Überschreitung von Grenzen der individuellen Lebenswelten sowie Inhalte und Geschichte der gesellschaftlichen Konstruktionen von Wirklichkeit. Dementsprechend sind hier die Begriffe „Beziehung“, „Narration“ oder „Kontext“ zentral (vgl. Weik/Lang 2005, 42 ff). Für die vorliegende Arbeit ist die Strömung des Phänomenologischen Konstruktivismus von besonderem Interesse, da auf dessen Basis die Brücke zwischen menschlicher Wirklichkeitskonstruktion und sprachlichen Phänomenen geschlagen werden kann. Sprache wird dabei als Medium betrachtet, das soziale und kognitive Systeme miteinander verknüpft, einerseits bezogen auf das Sprachsystem (Wortschatz und Grammatik) sowie andererseits bezogen auf sprachliche Praktiken der Sinnkonstitution (Gattungen, Diskurse, Stile).62 Da im empirischen Teil der Arbeit die Wirklichkeitskonstruktion in der Organisation anhand sozialer Praktiken untersucht wird, und da die sprachliche Konstruktion 62
Eine Erläuterung sprachlicher Praktiken bei der Wirklichkeitskonstitution folgt in Kapitel 3.3 beim Thema der Critical Discourse Analysis.
3.1 Konstruktivistische Ansätze
67
von organisationaler Wirklichkeit Implikationen mit dem phänomenologischen Ansatz hat, soll Letzterer im Folgenden hergeleitet und erläutert werden. Die Basis für die Vertreter der phänemologischen konstruktivistischen Ansätze ist die Annahme, dass in den Köpfen von Organisationsmitgliedern gespeichertes Wissen ausschlaggebend für das Funktionieren von Organisationen ist (vgl. Kieser 2002, 287). Demnach ‚funktionieren’ Organisationen aus dem Grund, dass deren Mitglieder eine bestimmte Vorstellung davon haben, wie die eigene Organisation funktionieren soll. Organisation spielt sich also demnach in den Köpfen ab, wobei Sprache und andere Symbolsysteme als Medien fungieren und den Prozess der Erkenntnis transparent machen. Mit dem analytischen Interesse an organisationalen intendierten Veränderungen heißt das, dass „Intentionen“ (ebd., 288) von neuen Organisationsformen, die Erklärung solcher Intentionen durch Vertreter oberer organisationaler Ebenen und die Interaktion der Organisationsmitglieder über deren Realisierbarkeit bzw. Nicht-Realisierbarkeit für neue Verhaltensweisen in Organisationen eine weitaus wichtigere Rolle spielen als beispielsweise Verfahrensrichtlinien oder andere schriftliche Unterlagen (vg. ebd.). In der Tradition philosophischer Ansätze, die betonen, dass Erkenntnisse Produkte des menschlichen Geistes sind und dass Menschen die Welt auf Basis ihrer Vorstellung von der Welt gestalten, spielt Sprache für die phänomenologische Richtung des Konstruktivismus eine bedeutende Rolle. Aus dieser Sicht sind die Wahrnehmung und die Interpretation der Welt stark durch die Sprache geprägt.
3.1.2 Soziologische Wurzeln konstruktivistischer Ansätze Bevor auf konstruktivistische Ansätze der Organisationstheorie eingegangen wird, sollen zunächst deren wissenschaftliche Wurzeln erläutert werden: Die Basis für konstruktivistische Ansätze der Organisationstheorie bilden soziologische Ansätze, welche Kommunikation und Interaktion der Menschen als konstitutiv für die Erschaffung sozialer Wirklichkeit sehen. Kieser (2002, 288) nennt den Sozialphilosophen George Herbert Mead als Begründer dieser Theorie, in der der menschliche Geist bzw. Verstand („mind“) ein soziales Phänomen ist. Der „Mind“ übernimmt nach Mead unterschiedliche Funktionen (Mead 1968): durch ihn ist der Mensch in der Lage, Sprache und andere Symbole zu nutzen, um Objekte zu benennen, andere Handlungsoptionen zu entwickeln und angemessen zu handeln sowie die Einstellungen und Reaktionen von Interaktionspartnern zu antizipieren. Herbert Blumer baut mit seinem Ansatz des Symbolischen Interaktionismus auf Meads Konzeptualisierung auf (Blumer 1981). In diesem Sinne handelt es
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
sich bei in der Interaktion entstehenden oder daraus abgeleiteten Bedeutungen um „soziale Produkte“ (ebd., 83f). Voraussetzung für das Handeln ist, dass der Mensch Bedeutungen nicht nur übernimmt, sondern auch interpretiert. Diese Interpretation spielt sich im Inneren der jeweiligen Person ab, in einer Interaktion mit sich selbst. Um im kollektiven Kontext koordiniert handeln zu können, bedarf es weiterer Handlungen: das Individuum zeigt dem Interaktionspartner seine eigene Bedeutung an, um mitzuteilen, wie das Gegenüber sich zu verhalten hat. Diese Handlung ist der Kern der symbolischen Interaktion.63 Demnach existieren in sozialen Gruppen keine vorgefertigten Regeln, vielmehr müssen Regeln immer wieder neu ausgehandelt und somit geschaffen werden. Alfred Schütz (1971) gibt im Rahmen des Phänomenologischen Interaktionismus eine andere Erklärung für die Orientierung an sozialen Regeln als Blumer: Schütz setzt voraus, dass Menschen in ihrem Gedächtnis Erfahrungen aus früheren Interaktionen und somit Vorstellungen vom adäquaten sozialen Handeln gespeichert haben. Interaktion und Handeln wird demnach unter der Hypothese vollzogen, dass der eigene Wissensbestand mit dem des Interaktionspartners übereinstimmt. Alltagswissen wird folglich im Laufe der Sozialisation aufgebaut und hilft beim Handeln insofern, als man den Eindruck hat, sich relativ leicht mit anderen über die Situation verständigen zu können. Dieses Alltagswissen gibt Individuen Orientierung zur Interpretation von Ereignissen. Entscheidend ist dabei, dass „alle Typisierungen im Alltags-Denken […] als solche integrierende Elemente der konkreten historisch sozio-kulturellen ‚Lebenswelt’ [sind]“ und sie „beherrschen, weil sie als gesichert und gesellschaftlich bewährt erlebt werden“ (Schütz 1971, 149). Die Schützsche Konzeptionalisierung sagt also aus, dass Menschen sich in einer intersubjektiven Welt soziale Realität erschaffen. Gleichzeitig sind sie aber auch durch die gegebene soziale und kulturelle Struktur eingeschränkt. Letzteres bedeutet aber nicht, dass Individuen nicht in der Lage sind, diese Realität für sich sinnvoll zu interpretieren und allenfalls sogar zu verändern.
3.1.3 Phänomenologischer Sozialkonstruktivismus Aufbauend auf Mead, Blumer und Schütz entwickeln Berger/Luckmann (1980) einen konstruktivistischen Ansatz, welcher den Aspekt der routinemäßig praktizierten Handlungsmuster vertieft. Alltags- bzw. Allerweltswissen mit seiner Bedeutungs- und Sinnstruktur (Berger/Luckmann 1980, 16) wird für die Exis63
Bezogen auf diesen Ansatz ist die Frage umstritten, ob in jeder Situation Bedeutungen immer wieder neu definiert werden müssen (vgl. Esser 1993, 484).
3.1 Konstruktivistische Ansätze
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tenz der menschlichen Gesellschaft vorausgesetzt. Die Gesellschaft ist dadurch geprägt, dass sich Menschen fortwährend über die verschiedenen „Auffassungen von und in dieser Welt“ (ebd., 26) austauschen und so eine gemeinsame Auffassung von der Wirklichkeit der Welt bekommen. Die beiden Soziologen beschäftigen sich insbesondere damit, auf welche Art und Weise diese gemeinsame Wirklichkeit, d. h. die gesellschaftliche Ordnung, entsteht. Die „ständige menschliche Produktion“ (ebd., 55) dieser Ordnung beschreiben sie als dialektischen Prozess, für den drei Teilprozesse konstitutiv sind: Externalisierung, Objektivation und Institutionalisierung und die Internalisierung. Externalisierung wird verstanden als „Entäußerung“ der innerlich ablaufenden kognitiven und emotiven Prozesse. In diesem Verständnis ist der Prozess der Wirklichkeitskonstruktion ohne zwischenmenschliche Interaktion undenkbar. Unter Objektivation und Institutionalisierung verstehen Berger/Luckmann die Vergegenständlichung, durch die „die Produkte menschlicher Selbstentäußerung objektiven Charakter gewinnen“ (ebd., 64). Gerade für den Prozess der Objektivation heben die Autoren die konstitutive Funktion der Sprache hervor: das Individuum trifft auf sie als „Tatbestand“ (ebd., 38) und ist ihrem Einfluss ausgesetzt, da Sprache vorgeprägte Muster beinhaltet. „Sprache versorgt mich mit Vorfabrikation für die ständige Objektivation meiner zunehmenden Erfahrung. Sprache ist dehnbar und geschmeidig genug, mir die Objektivation der ganzen Fülle von Erfahrungen möglich zu machen, die meinen Lebensweg kreuzen. Sprache typisiert die Erfahrungen auch, indem sie erlaubt, sie in Kategorien zuzuteilen, mittels derer sie nicht nur für mich, sondern auch für meine Mitmenschen Sinn haben.“ (Berger/Luckmann 1980, 40f)
Der Begriff der Institutionalisierung bezeichnet den Vorgang, wenn sich habitualisierte Handlungen von ihrem konkreten Kontext lösen und in den allgemeinen Wissensvorrat übergehen. Im „Institutionalisierungsprozess“ (ebd., 56) bilden Individuen gemeinsam mit anderen immer wieder neue Verhaltensmuster aus. Ist dieser Prozess abgeschlossen, d. h., wird die Handlungsorientierung von anderen geteilt und bestätigt, so hat eine Institution den Charakter eines Faktums. Als Folge eines historischen Prozesses sind Institutionen somit etwas, „das seine eigene Wirklichkeit hat, eine Wirklichkeit, die dem Menschen als äußeres, zwingendes Faktum gegenübersteht“ (Berger/Luckmann 1980, 62). Der Effekt der Institutionalisierung hat paradoxe Züge: Individuen erzeugen basierend auf der Tendenz zu permanenter Selbstentäußerung (Externalisierung) und zu Habitualisierungen in einem Prozess der Objektivation gemeinsam mit anderen eine Realität, die sie dann nicht mehr als ihr eigenes Produkt, sondern als objektive Faktizität erfahren. Aus der Objektivation heraus wird die Legitimierung notwendig, d. h., auf Basis der Vergegenständlichung von „entäußerten“ Produkten über mindestens zwei Generationen hinweg braucht die institutionale Welt Erklärun-
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
gen und Rechtfertigungen (ebd., 66). Dies ist notwendig, da neuen Generationen der ursprüngliche Sinn der Institution nicht mehr direkt zugänglich ist. Auch hier ist Sprache wiederum ein zentrales Medium dafür, Verhaltensbeweise als gegeben zu vermitteln und als Legitimation zu fungieren – entweder durch einzelne Wörter, welche durch ihre bloße Existenz eine gewisse Struktur der Welt legitimieren, oder aber durch Lebensweisheiten, Legenden oder innerhalb komplexer Theorien, d. h. innerhalb unumstößlicher Ganzheiten (vgl. Kieser 2002a, 295).64 Der dritte Teilprozess im „Wirkungskreislauf der sozialen Wirklichkeitskonstruktion“ von Berger/Luckmann (1980) ist die Internalisierung. Die beiden Soziologen verstehen darunter die „Einverleibung, durch welche die vergegenständlichte gesellschaftliche Welt im Verlauf der Sozialisation ins Bewußtsein [sic] zurückgeholt wird“ (Berger/Luckmann 1980, 65). Dies gilt für neue Generationen, die nicht am jeweiligen Institutionalisierungsprozess beteiligt waren und die sich daher die Institution, mit der sie konfrontiert werden, bewusst aneignen müssen. Zur Internalisierung kommt es jedoch nur im Fall der Identifizierung mit dem „signifikanten Anderen“ (ebd., 142), wie beispielsweise im Verlauf der primären Sozialisation (ebd.) eines Kindes in Folge der Identifikation mit den Eltern.
3.1.4 Die Weiterverarbeitung konstruktivistischer Ansätze in der Organisationstheorie Das Feld der unterschiedlichen konstruktivistischen Konzeptualisierungen in der Organisationstheorie ist heterogen. Einigkeit der unterschiedlichen Theoriegebäude besteht hinsichtlich der Ablehnung positivistischer Annahmen, welche durch systematische Beobachtung erfasst und deren beliebigen Erscheinungen kausal erklärt werden können, wie beispielsweise der Annahme, dass Wirklichkeit objektiv gegeben ist (vgl. Kunnemann 1991, 20). Positiv ausgedrückt, besteht trotz der Heterogenität Übereinstimmung bezüglich a) der sozialen Konstruktion der Wirklichkeit mittels Kommunikation, dabei vorwiegend unter Verwendung sprachlicher Symbole, b) hinsichtlich der Annahme, dass Erkenntnis nur aus den kulturell geteilten Sinnzusammenhängen der gemeinsamen Geschichte und aus der Beachtung der Perspektiven der Akteure erfolgen kann, sowie c) hinsichtlich des Handelns von Individuen aus ihrem freien Willen her-
64
Kieser (2002b, 295) führt dazu das Beispiel des ‚Traums’ an. Mit dem Wort wird eine Hierarchie von Wirklichkeiten hergestellt, wobei die Alltagswelt dominierend als ‚am Wirklichsten’ institutionalisiert ist. „Auf diese Weise wird die mit ihm verbundene Bedrohung, es könne noch andere Wirklichkeiten geben, als die von der Gesellschaft definierte, vermindert.“ (ebd.)
3.1 Konstruktivistische Ansätze
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aus. Hierbei werden sie zwar von der materiellen oder sozialen Umwelt beeinflusst, jedoch keineswegs determiniert (vgl. Kieser 2002a, 296). Kieser (2002a, 297ff) unterscheidet drei generelle Richtungen konstruktivistischer Ansätze innerhalb der Organisationstheorie: die stark von Berger/Luckmann beeinflusste sozial-konstruktivistische Strömung, den kognitiven und den systemtheoretischen Ansatz. Der erstgenannte Ansatz ist aufgrund seiner am weitesten elaborierten Sprachtheorie von größtem Interesse für die vorliegende Arbeit, gehen doch seine Vertreter davon aus, dass sich eine Organisationstheorie nicht an Fakten orientieren kann, da Fakten immer nur linguistische Konstruktionen sind, welche durch das Miteinandertun gebildet werden. So sehen sozial-konstruktivistische Ansätze die Aufgabe der Organisationstheorie und -analyse darin, Organisationsstrukturen und ihre Bedingtheit zu re- bzw. ‚dekonstruieren’ und so die Konstruktion der Wirklichkeit sichtbar zu machen – so eben durch die Analyse organisationaler Interaktion. Sozial-konstruktivistische Ansätze unterstreichen also die Interpretationsbedürftigkeit organisationaler Regeln. Die Kommunikation der Organisationsmitglieder führt dazu, dass es hinsichtlich solcher Interpretationen zu Übereinstimmungen kommen kann, wodurch Regeln in Handeln umgesetzt werden können. Somit gibt die Analyse der organisationalen Interaktion Aufschluss über die Konstitution der Organisation durch Kommunikation, über die intersubjektive Interpretation, Neuinterpretation und somit Stabilisierung bzw. Veränderung von Organisationsstrukturen, welche sozial konstruiert sind. Führt man die sozial-konstruktivistischen Gedanken fort und bezieht sie (wie auch Kieser (2002, 306ff)) auf organisationalen Wandel, so ist Kommunikation vor allem für die Umgestaltung von Organisationen wesentlich: „Weil man die Organisationsstruktur nicht technisch-ingenieurhaft konstruieren kann, muß man zu ihrer Änderung Kommunikation über ihre Umgestaltung in Gang bringen und diese Kommunikation so strukturieren, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wieder in gewohnten Interpretationsmustern einrastet.“ (ebd., 314)
Mit Verzicht auf die normative Formulierung heißt dies: Will man das soziale Gebilde der Organisation in eine gewisse Richtung gestalten, ist dies nur durch das Verstehen von bestehenden organisationalen Regeln möglich, welche sich in sozialer Interaktion manifestieren. Dieses Verstehen ist durch die Rekonstruktion im Sinne Postmoderner Ansätze durch Dekonstruktion65 der Regeln, Muster und Handlungsgefüge möglich. 65
In der Postmodernen Perspektive geht es bei der Organisationsanalyse darum, vorbestimmte Annahmen oder Erkenntnisse zu vermeiden: „Deconstruct all claims of truth in order to determine whose point of view is benefitted by a particular way of looking at or arguing about the world. In simple terms, the method of deconstruction involves reducing an argument to its basic assumptions, denying those assumptions by asserting their negation, and considering
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
Konversationsanalytiker, welche direkt an die erläuterten Konstruktivistischen Ansätze anschließen, beschäftigen sich mit der Rekonstruktion der konstruierten Wirklichkeit (s. Kapitel 3.3). Im Feld der Organisationalen Diskurse existieren eine Vielzahl von methodologischen und epistemologischen Zugängen (vgl. die Übersicht über „domains of discourse“, „methodological & epistemological perspectives“ sowie „discourses & organizing“ bei Grant/Hardy/Oswick/ Putnam 2004). Das Forschungsfeld hat jedoch in entscheidender Weise zum Verstehen von Organisation beigetragen. Und es hat – wie bereits oben hergeleitet – gezeigt, dass Diskurse zentral für die soziale Konstruktion von Wirklichkeit sind (Berger/Luckmann 1966, Searle 1995) und genauer gesagt – als ein Teil des Prozesses der Wirklichkeitskonstruktion – konstitutiv für die Aushandlung von Bedeutung sind (vgl. Grant/Hardy/Oswick/Putnam 2004b, 25).66 Der Rekurs auf die konstruktivistische Sichtweise bei der Analyse von Regeln und Mustern im Kontext des organisationalen Wandels eröffnet nicht nur die Möglichkeit eines analytischen Zugangs für das Handeln in organisationalen Veränderungsprozessen, sondern verweist auch auf die Bedeutung der „Rhetorik in der Kommunikation organisatorischer Probleme und Lösungen“ (Kieser 2002a, 315). Für die vorliegende Arbeit sollen zentrale Punkte der Konstruktivistischen Ansätze formuliert werden, welche als Grundannahmen für die spätere Gesprächsanalyse im organisationalen Kontext dienen: 1.
Wirklichkeit wird konstruiert und über menschliche Sinne erfasst. Das Bild der Welt, das sich jeder Einzelne macht, ist kein Abbild, sondern das Ergebnis der einzelnen kognitiven Leistung. Beim Konstruktivismus geht es nicht darum, die Wirklichkeit zu leugnen, sondern Aussagen über die Wirklichkeit als Ergebnisse des eigenen Erlebens zu sehen. D. h., Menschen gestalten ihre eigene Umwelt durch die Art, wie sie sie erleben.
2.
Wahrheit ist subjektiv. Mit dem Zweifel an der ‚Wahrhaftigkeit’ menschlicher Sinnesorgane geht einher, dass Menschen keinen direkten Zugang zur Welt haben. Demnach ist ‚wahr’, was Menschen je nach Situation als wahr definieren. Beobachter der Welt können sich lediglich auf ihre verwendeten ‚Unterscheidungen’
66
what this implies about the original argument. Postmodernists claim that the deconstructions you perform will free you from your former totalizing habits of mind (e.g. searching for one right answer, or believing that everyone thinks or should think as you do) and allow you some critical distance from your socially and culturally defined ways of seeing the world.” (Hatch 1997, 46) Zur Diskussion der Methodenfrage hinsichtlich Diskurs in den Sprachwissenschaften s. Busse/ Teubert 1994.
3.1 Konstruktivistische Ansätze
73
berufen, d. h. das Wählen bestimmter Ausschnitte, mit dem Wissen um den ‚Rest’, den fehlenden Teil der Beobachtung. 3.
Maßstab für die Generierung und Verwendung von Wissen ist nicht seine Wahrheit, sondern seine Brauchbarkeit. Weil Wissen die Wirklichkeit nicht wiedergeben kann, wird seine Anwendbarkeit anders als mit der Wahrheit gemessen. Wissen ist dann relevant und überlebensfähig, wenn es Menschen dazu befähigt, Handlungen durchzuführen, vorherzusagen oder zu verhindern, und wenn es neuen Erfahrungen standhält.
4.
Sprache ist ein zentrales Medium zur Konstruktion von Wirklichkeit. Nach den konstruktivistischen Ansätzen ist Kommunikation nicht als informationstechnischer Austausch zu sehen. Vielmehr ist die Sprache ein Mittel zur Übertragung von Erfahrungen – mit allen ihren Möglichkeiten und Grenzen. So nimmt auch die „Verfertigung der Organisation beim Reden“ (Kieser 1998a) eine zentrale Rolle ein. Wie auch die Organisation an sich hat die Sprache sowohl eine dynamische als auch eine statische Funktion inne, denn „über Sprache ist es Menschen möglich, eine gemeinsame Wirklichkeit zu konstruieren und [Hervorhebung der Verfasserin] diese für gewiß zu halten“ (Fried 2005, 43).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Konstruktivistische Theorien, je nach Herangehensweise, organisationale Wirklichkeit auf „handelnde Subjekte, symbolische Interaktion, kulturelle Ordnungen oder perspektivengeleitete Wahrnehmungs- und Denkprozesse“ zurückführen (Habscheid 2003, 3), d. h., Vorstellungen über die Organisation und Interaktionsprozesse über diese Vorstellungen bestimmen die soziale Konstruktion von Wirklichkeit. Aus der Sicht von sozialkonstruktivistischen Theorien ist die ‚Interpretationsbedürftigkeit organisatorischer Regeln’ zentral. Wenn es nun darum geht, Übereinstimmungen in Interpretationen zu erlangen, tritt der Aspekt der Kommunikation in den Mittelpunkt, da Organisationsmitglieder als Grundlage für gemeinsames Handeln permanent miteinander kommunizieren. Beim Kommunizieren greifen sie auf subjektive Theorien über das angemessene Organisieren zurück. In den meisten Forschungsrichtungen ist die Sprache das zentrale Element, mit dem Wirklichkeit geschaffen wird. In diesem Sinne wird eines besonders deutlich: Je vernehmlicher es das Ziel in Organisationen ist, ein geteiltes Verständnis als Ausgangsbasis für eine gemeinsam getragene Veränderung zu schaffen, desto wichtiger wird die Verständigung auf eine gemeinsame Realität, und zwar mittels der Sprache.
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
Für diese Arbeit ist hinsichtlich der Konstruktion von Wirklichkeit Folgendes ausschlaggebend: Wirklichkeitskonstruktion findet auf verschiedenen Ebenen einer Organisation und mit unterschiedlichen Foki statt: Einerseits existieren in Organisationen Annahmen über deren Umwelt (externer Fokus). Abhängig von diesen Annahmen richten Organisationsmitglieder ihr Handeln aus, d. h., ihre internen Prozesse der Wirklichkeitskonstruktion. Somit sind die internen Prozesse einer Organisation genauso wenig ein Faktum wie die (konstruierten) Unternehmensumwelten. Ferner konstruieren auch einzelne Organisationsmitglieder sowie Gruppen von Organisationsmitgliedern ihre individuellen Wirklichkeiten und prägen somit ihre je eigenen Rationalitäten und Orientierungsmuster aus. Dabei rezipieren und modifizieren sie partiell das symbolische Material der organisationsöffentlichen Kommunikation auf der Folie dieser Rationalitäten. Der konstruktivistische Ansatz legt die Vermutung nahe, dass Konstrukte von Organisation im Allgemeinen und von Wandel im Speziellen von sehr unterschiedlicher Natur sein können. Die methodische Verfahrensweise meiner Arbeit zur Rekonstruktion organisationaler Wirklichkeitskonstruktion ist die Analyse sozialer Praktiken im Sinne des Faircloughschen Modells sowie der Gesprächsanalyse (s. Erläuterungen in Kapitel 3.3). Das Modell der Critical Discourse Analysis ist an den Sozial-Konstruktivismus methodologisch und epistemologisch anschlussfähig. Die drei von Fairclough etablierten Ebenen Handeln (Gattungen), Darstellung (Diskurse) und Herstellung von Identitäten (Stile), in seinen Worten „ways of acting“, „ways of representing“ und „ways of being“ (Fairclough 2003), bieten eine erschöpfende Möglichkeit, soziale Konstruktion von Organisationswirklichkeit zu rekonstruieren.
3.1.5 Die Weiterverarbeitung konstruktivistischer Ansätze in der Linguistik Eine Untersuchung der linguistischen Forschungsrichtung, welche sprachliches Handeln bzw. Rhetorik hinsichtlich der Konstruktion von Wirklichkeit akzentuiert, ist Nothdurfts (1996) Beitrag zu Schlüsselwörtern. Im Folgenden wird diese Rekonstruktion der Wirklichkeitserzeugung in groben Zügen erläutert, da die spätere Analyse der perspektivischen Wandel-Kommunikation mit Nothdurfts gesprächsanalytischer Methodologie und Epistemologie eine nützliche Basis gewinnt. Zu dieser Basis zählt, dass Nothdurft die Unterschiedlichkeit schriftlicher Texte und mündlicher Rede hervorhebt, da Mündlichkeit ganz ande-
3.1 Konstruktivistische Ansätze
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ren Handlungsbedingungen unterworfen ist als schriftsprachliche Phänomene (vgl. Nothdurft 1996, 361).67 Der Autor streicht auf Basis konstruktivistischer Ansätze heraus, dass Wirklichkeit zunehmend durch zeichenvermittelte Symbole bzw. Aktivitäten geformt wird, unter anderem deshalb, weil Wirklichkeit schaffende Tätigkeiten immer häufiger als zeichenvermittelte Tätigkeiten ausgeführt werden können. Somit steigt auch die Bedeutung der dialogisch hergestellten Wirklichkeit. Ausgehend von der ‚Generalthese’, dass Wirklichkeitsbezug nicht „durch den Bezug einzelner sprachlicher Ausdrücke oder Äußerungen zur (außersprachlichen) Wirklichkeit“ gestiftet wird, sondern „durch die interaktive Herstellung von Vergewisserung, Vertrautheit, Verlässlichkeit und Verwirklichung“ (ebd., 370), führt Nothdurft Weisen interaktiver Konstitution von Wirklichkeit auf: das Herstellen von Glaubwürdigkeit durch die „Koppelung von Sachverhaltsdarstellung an Sprechercharakteristika“ (ebd., 373), das Bilden von Einverständnis durch das Herstellen reziproker Vertrautheit und das Schaffen von Ausdrucksbedeutung durch das „Operieren mit besonderen Ausdrucksmitteln in Sachverhaltsdarstellungen“ (ebd., 377). Letztere „Weise“ entwickelt Nothdurft exemplarisch anhand der Herausbildung von Schlüsselwörtern im Prozess verbaler Interaktion. Diese Untersuchung von Wörtern, „die einen herausragenden Status für einen Redebeitrag, eine Gesprächspassage oder gar den ganzen Interaktionsverlauf erhalten (Hervorhebung von der Verfasserin)“ (ebd., 379), zeigt auf, dass die Verwirklichung von Bedeutungen durch die interaktive Entwicklung von Deutungen vonstatten geht. Das heißt, nicht das Schlüsselwort an sich hat von Beginn an eine zentrale Ausdruckskraft, sondern kontextuelle und interaktive Prozesse der Bedeutungskonstitution sorgen dafür, dass vorläufige Handlungs- oder Ausdrucksinterpretationen im Interaktionsverlauf vermehrt Gewicht und Stabilität erhalten, welche zum Schluss des Redebeitrags, der Gesprächspassage oder des Interaktionsverlaufs so stabil sind, dass die Teilnehmer den Eindruck haben, mit „Tatsachen“ konfrontiert zu sein (ebd.). Wie auch in den Beispielen in Nothdurfts Untersuchung sind Kommunikationsgemeinschaften in Organisationen an geläufige Sprachformen gebunden. Schlüsselwörter – aber auch Metaphorisierungen, Momente poetischen Sprechens (Nothdurft 1996, 377) oder die Inszenierung von Ausdrücken – haben einen reifizierenden Charakter, da sie prozessuale kommunikative Konstruktionen von Wirklichkeit festmachen und ihnen die Geltung von unveränderlichen Tatsachen bzw. von Werten verleihen. Mit solchen sprachlichen Mitteln mit „in der Interaktion hergestelltem herausgehobene(m) Status“ werden Bezugswelten 67
Handlungsbedingungen mündlicher Rede sind demnach: „Prozessualität des interaktiven Geschehens, interaktive Bezogenheit des sprachlichen Handelns, Materialität des Sprechens und kontextuelle Gebundenheit des Sprechens“ (Nothdurft 1996, 362ff).
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
gebildet, die von Akteuren in Organisationen immer wieder ‚aktiviert’ werden können. Wirklichkeit wird in diesem Sinne in einem permanenten Prozess durch die Gesprächsteilnehmer bzw. durch die Organisationsmitglieder vergewissert (Nothdurft 1996, 371). Setzt man Nothdurfts Ergebnisse in Bezug zum Thema dieser Untersuchung, so sind folgende Schlüsse zentral: a.
Anhand spezifischer Ausdrucksmittel in Interaktionen lässt sich das untersuchen, was hinter den Ausdrucksmitteln steht, nämlich die von Nothdurft genannte, aber nicht intensiv untersuchte evaluative, emotive und deontische Komponente von Interaktion.68 Das bedeutet für den vorliegenden Kontext, dass die Analyse von Perspektiven einzelner Organisationsmitglieder oder sozialer Gruppen auf Aspekte intendierten Wandels anhand sprachlicher Ausdrucksmittel (nicht nur von Schlüsselwörtern) möglich ist (s. die Einführung weiterer für die Analyse perspektivischer Handlung und Darstellung relevanter sprachlicher Mittel in Kapitel 1.4) und
b.
Im Zuge der Analyse kann die Entwicklung von Handlungs- oder Ausdrucksinterpretationen – d. h. deren Stabilisierung oder auch Destabilisierung – nachgezeichnet werden.
In diesem Sinne können entwickelte bzw. vergewisserte Perspektiven (Begriffsdefinition und Erläuterungen s. Kapitel 4.1) – als hinter Ausdrucksmitteln stehende, kommunikativ signalisierte Positionierungen mit evaluierendem Bedeutungsinhalt – wie auch die Konstruktion von Wirklichkeit nicht als autonomer Prozess einzelner Individuen gedacht werden, „sondern als Resultat des Handelns von Sprecher und Hörer“ (ebd., 371).
68
Dies wird bei Nothdurft bei der Nennung spezifischer Merkmale von Schlüsselwörtern deutlich: „Schlüsselwörter kondensieren komplexe Argumentationsfiguren, Erklärungsmodelle, Evaluationsprozesse oder Themen in griffigen Formeln. Diese Formeln fungieren als Etiketten, die stellvertretend für den semantischen und pragmatischen Gehalt von Diskursprozessen stehen, ihn gewissermaßen absorbieren und ihn semantisch und pragmatisch zuspitzen. […] Es handelt sich um Ausdrücke, deren Bedeutung an den Diskursprozeß einer lokal gebundenen Kommunikationsgemeinschaft gebunden ist. […] Schlüsselwörter dienen zur Signalisierung kommunikativer Positionen ihrer Benutzer. […] Sie zeigen also soziale Identität des Sprechers in Hinblick auf den gegenwärtigen kommunikativen Zusammenhang an, indem sie in prägnanter Form auf interessen- bzw. gruppenspezifische Deutungsschemata und Relevanzen verweisen.“ (Nothdurft 1996, 380f)
3.2 Organisationskultur und Organisationaler Diskurs
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3.2 Organisationskultur und Organisationaler Diskurs Zu den vielfach rezipierten und diskutierten Organisationstheorien zählen Organisationskulturansätze, welche sich von mechanistischen und funktionalen Erklärungsmodellen von Organisation distanzieren. Kultur wird aus dieser Sicht als gegebenes Phänomen gesehen, wobei sich die Mitglieder einer Kultur ein System an Werten, Symbolen oder Regeln und Normen teilen. Aus vielen verschiedenen Forschungsperspektiven greife ich zwei Strömungen heraus, welche für diese Arbeit essentielle Grundüberlegungen und Annahmen bereitstellen: Die zwei Konzeptionen der Organisationstheorie Organisationskultur und Organisationaler Diskurs stellen die Integration und Koordination von organisatorischen Aktivitäten in den Mittelpunkt, welche von sozialen Mechanismen geprägt werden.
3.2.1 Organisationskultur: Kollektivität auf Basis gemeinschaftlicher Interpretationsschemata Ansätze zur Organisationskultur betonen den sozial konstruierten Charakter von Organisationsphänomenen (vgl. Schreyögg 1996, 426ff). Weiterhin untersuchen sie, wie Handlungen in kollektive soziale Konstruktionen eingefügt werden, wie sie sich von ihnen differenzieren oder wie sich kollektive Orientierungsmuster ändern. Demnach ist jede Organisation als ein eigenständiges kulturelles System zu betrachten, d. h., organisatorische Handlungen sind nur aus der Organisationskultur heraus zu erklären. Darum ist es bei den Ansätzen zentral, die Kulturmuster einer Organisation und dadurch letztendlich die Handlungsmuster zu rekonstruieren. Beispielsweise hat die Studie praxisorientierter Managementliteratur von Peters/Waterman (1984) betont, dass die Ausprägungen von Orientierungsmustern ‚erfolgskritisch’ für Unternehmen seien. Dies hat den Kulturansatz ins Blickfeld von Theorie und Praxis gerückt. Zunächst ein Blick auf die Ursprünge der Ansätze: Der Kulturbegriff stammt aus der Ethnologie, wo er die historisch gewachsenen Charakteristika von Volksgruppen bezeichnet (vgl. Schreyögg 1996). Die Organisationsforschung hat diesen Begriff mit der Annahme auf Organisationen übertragen, dass jede Organisation über eine eigenständige Kulturgemeinschaft verfügt. Die Grenzen dieses Vergleichs, die vor allem in den Unterschieden zwischen über Jahrhunderte gewachsenen Kulturen und zweckgerichteten Organisationen liegen, sind den Forschern durchaus bewusst. Oft wird bei der Diskussion der Ansätze auf die Unterscheidung zweier typologisch völlig differenzierter Kulturbegriffe verwiesen: einerseits die „Ist-Kultur“, in deren Verständnis Kultur als
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
kommunikative Vollzugswirklichkeit verstanden wird und demnach alles in der Organisation Kultur ist; andererseits der Begriff der „Hat-Kultur“ von Organisationen, bei dem Kultur additiv zu Organisationsstrukturen, -prozessen und -methoden gesehen wird, das heißt aus einem statischen Verständnis von Organisation heraus (vgl. Schreyögg 1996). Bei letzterem Kulturbegriff ist primär von Interesse, welche Leistungen Kultur in welcher Art für die Gesamtorganisation erbringt. Die „Ist-Kultur“ hingegen bezieht sich auf die soziale Konstruktion der Organisation, d. h. auf die Grundlage des gesamten Handelns in der Organisation. Ulrich (1984) berücksichtigt beide Verständnisse, vertritt letztendlich aber doch die Auffassung von „Ist-Kultur“, indem er konstatiert, dass das „‚weiche’ Traditionsgut […] nicht nur die sozialen Interaktionsprozesse im Unternehmen“ prägt, sonders dass es „mehr oder weniger auch seine ‚harten’ sozial-technologischen Managementmethoden und -instrumente“ durchdringt, d. h. seine Strategien, Strukturen und auch Führungssysteme (ebd., 312). Das wohl bekannteste, in den 1980ern von William G. Ouchi, Thomas J. Peters und Robert H. Waterman sowie Terrence E. Deal und Allen A. Kennedy entwickelte Konzept zu Organisationskultur baut auf Untersuchungen visueller und psychischer Artefakte in Organisationen auf, wie z. B. Untersuchungen der Architektur, Raumausstattung, Namen oder Logos. Kollektive, geistige Bezugsrahmen, wie beispielsweise Werte, Einstellungen oder Mythen werden als Manifestation sozialer, kognitiver oder auch ideologischer Muster gesehen, welche wiederum die Organisationsstruktur legitimieren oder auch beeinflussen können. Aber auch kollektive Handlungsmuster und ihre Untersuchung spielen im Feld der Kulturforschung eine Rolle: Riten und Rituale oder Zeremonien werden als zentral für die Bestätigung und Reproduktion von Handlungsmustern gesehen. Als grundlegender sozialer Mechanismus halten Lang / Winkler / Weik (2005) übergreifend für die Kulturkonzeptionen folgendes fest: „In Organisationen existiert eine bestimmte Anzahl historisch entstandener, gemeinsamer, kognitiver und/oder evaluativer Orientierungsmuster und Interpretationsschemata, die das Verhalten der Organisationsmitglieder beeinflussen und steuern. Sie sind begrenzt beeinflussbar und gestaltbar.“ (Lang/Winkler/Weik 2005, 213)
Zentrale, auf die meisten Konzeptionen von Organisationskultur übertragbare Charakteristika sind nach Schreyögg (1996, 429) die Implizitheit (selbstverständliche Annahmen als Grundlage für das tägliche Handeln), die Kollektivität („das tun, was andere auch tun“ (ebd.), die konzeptionelle Welt (ein Bild der Welt auf Basis eines gemeinsamen Grundverständnisses), die Emotionalität (Organisationskulturen prägen Kognitionen und Emotionen), die Historizität (Kultur ist das Ergebnis fortwährender Lernprozesse und wirkt auf neue Lernprozesse ein) und schließlich das Symbolische (die Rolle der Symbole zur Verdeutlichung des
3.2 Organisationskultur und Organisationaler Diskurs
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kulturell adäquaten Handelns). Der letzte Aspekt wird von manchen Wissenschaftlern als so zentral angesehen, dass sie ihren Ansatz danach benennen: Organisationaler Symbolismus69 (vgl. z. B. Turner 1990, ein Überblick bei Alvesson/Berg 1992). Als grundlegend für die Konzeption der Organisationskultur im Gesamten sowie als erhellendes Konzept über den inneren Aufbau von Organisationskulturen kann der Ansatz „System von Basisannahmen“ von Edgar Schein (2004) gesehen werden. Schein versteht Kultur als ein bestimmtes Muster von Grundannahmen, das von einer Gruppe von Menschen geteilt wird und für diese Gruppe integrierend wirkt (vgl. Schein 2004, bzw. auch Lang/Winkler/Weik 2001, 209). Mit Hilfe dieser Basisannahmen begegnen die Organisationsmitglieder den Problemen der Anpassung an externe Veränderungen und der internen Integration wie z. B. hinsichtlich Mission, Funktion, Zielen oder Methoden der Organisation (Schein 2004, 87ff). Basisannahmen, die der Problembearbeitung interner Integration zugrunde liegen, finden sich nach Schein vor allem in der gemeinsamen Sprache und in grundlegenden Weltbildern, welche Annahmen über Zeit und Raum, Gruppengrenzen, Kriterien der Verteilung von Status, Macht und Autorität oder über Belohnungen und Bestrafungen umfassen. Diese meist unbewussten Basisannahmen finden ihren Niederschlag in einer zweiten Ebene der Organisationskultur: den Normen und Standards, wie z. B. ungeschriebenen Verhaltensrichtlinien. Basisannahmen, aber auch Normen und Standards, welche im Gegensatz zu Basisannahmen teils sichtbar und teils bewusst sind, finden wiederum auf einer dritten Ebene ihren Niederschlag: im Symbol- und Zeichensystem. Zu den sichtbaren, aber interpretationsbedürftigen Kulturelementen gehören Geschichten und Legenden, Rituale und Riten, die Art der Aufnahme von Außenstehenden, die architektonische Gestaltung von Gebäuden, Logos, Kleidung sowie die Sprache. Umgekehrt wirken Artefakte, Werte und Normen aber auch auf die Basisannahmen.
69
Im Gegensatz zu Vertretern der Kulturperspektive gehen Symbolisten nicht davon aus, dass in einer Organisation eine eigene Kultur besteht, denn es muss sich nicht notwendigerweise so verhalten, dass Symbole von allen Organisationsmitgliedern gleichermaßen geteilt werden oder dass innerhalb der Organisation ein eindeutiges Symbolsystem existiert. Dazu kommt, dass die Bedeutung unterschiedlicher Symbole variieren kann – je nach Kontext in der Organisation. Zur Clusterung der symbolischen Ansätze existieren zwei Vorschläge: einerseits die von Alvesson und Berg, die die Strukturierung in symbolischen Partikularismus und symbolischen Universalismus vorschlagen; andererseits die Möglichkeit von Morgan, Frost und Pondy, bei der vier Forschungsansätze unterschieden werden: der funktionalistische, interpretative, radikal humanistische sowie der radikal strukturalistische Ansatz. Eine nähere Erläuterung der einzelnen Strömungen s. bei Lang et al. (2005, 235ff). Menz kritisiert an diesen Ansätzen, dass „nach wie vor nicht befriedigend geklärt [ist], wie die Kultur in die Köpfe der Akteure kommt, wie also das Verhältnis von Kultur und Akteur zu bestimmen ist“ (Menz 2000, 21).
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
Laut Schein kann die Analyse von Unternehmenskulturen nur erfolgreich sein, wenn sie zu den Grundannahmen vordringt (ebd.). Werte und Normen sind soziale Prinzipien, Ziele und Standards mit einem starken Eigenwert für die Organisationsmitglieder; sie sind die ungeschriebenen Regeln, die den Organisationsmitgliedern helfen, ‚richtiges’ oder ‚falsches’ Verhalten zu erkennen. Wandel kultureller Art ist nach Schein nur durch externe Einflüsse und Störungen zu bewirken, da die Basisannahmen der Organisation eine spezifische Identität geben und sie stabilisieren. Die Rekrutierung neuer Mitglieder sowie deren Sozialisierung gehen den Grundannahmen entsprechend vonstatten. Die Voraussetzung für die Implementierung neuer Werte ist also, dass die alten Werte nicht mehr akzeptiert werden. Hatch (1997) entwickelt das Modell von Schein weiter: Sie kritisiert das Verständnis, dass Organisationskultur von innen nach außen bestimmt wird, das heißt, das beispielsweise neue Organisationsmitglieder derart sozialisiert werden, dass sie die bestehenden Grundannahmen und Werte akzeptieren. Laut Scheins Modell entsteht Kultur aus den Tiefen unbewusster Annahmen, Werte und Normen; Hatch plädiert für die große Bedeutung der umgekehrten ‚Richtung’ und somit für eine symbolisch-interpretative Annäherung an das Phänomen der Organisationskultur, bei der zum Beispiel Artefakte so interpretiert werden, dass sie Werte und Grundannahmen verändern, welche ursprünglich durch sie gebildet wurden: „This happens because artifacts and norms are consciously and creatively used by the members of a culture to express their identity and to formulate and pursue their purposes. To study this aspect of culture it is useful to turn from Schein’s model to the symbolic tradition within organization theory.” (Hatch 1997, 217)70
Bei aller Diskussion einer kohärenten Organisationskultur (Corporate Culture) darf nicht vergessen werden, dass Ansätze hervorgebracht wurden, die sich mit deren Fragmentierung und Differenzierung in Organisationen auseinandersetzen (vgl. z. B. Alvesson 1993 und Martin 1992). In Kapitel 4.2. werde ich auf solche Konzeptionen von Organisationskultur eingehen. An dieser Stelle soll auf einen kritischen Ansatz gegenüber der Organisationskultur als kohärentes Konstrukt aufgrund seiner Relevanz für ‚organisationale Übergänge’ und deren Interdependenzen mit Organisationskultur eingegangen werden. Viel untersucht sind soge70
Den verändernden und gleichzeitig stabilisierenden Charakter von Organisation verdeutlicht Hatch durch ein Kreislaufsystem, das sowohl pro-aktive als auch retro-aktive Prozesse integriert. Die Umsetzung von Werten in Objekte (Produkte, Gebäude etc.) oder die Teilnahme am organisationalen Diskurs bilden als Realisation einen Teil des proaktiven Prozesses. Im retroaktiven Prozess werden einerseits Werte verstärkt, die sich in Artefakten materialisiert haben, andererseits nehmen neue, nicht kulturkonforme Artefakte auf die Werte Einfluss, denen auf verschiedene Weise begegnet werden kann (Ignorieren, Infragestellen, Neuordnen etc.).
3.2 Organisationskultur und Organisationaler Diskurs
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nannte ‚Übergangsriten’, welche den Statuswechsel in Organisationen begleiten. Diese Rituale sollen es den Interaktionspartnern erleichtern, neuen Situationen zu gewachsen sein (vgl. Schreyögg 1996, 435). Nicht nur in Organisationen, auch in Gesellschaften dient das Ritual71 dazu, Übergangsstadien zu überwinden (vgl. Rauch 1992 oder Söffner 1995)72. Vor dem Hintergrund der thematischen Verknüpfung von Wandel und Ritual soll die postmoderne Kritik von Majken Schultz (1992 und 1995) angeführt werden, da Ansätze von Einheitskultur kritisiert und in der Postmoderne „oberflächliche Rituale“ und „simulierte Realität“ identifiziert werden. Damit eröffnet die Organisationstheoretikerin zwei Ebenen: einerseits eine rituelle Ebene als Versuch, etwas „Verlorenes“ (ebd.) zu simulieren, und andererseits eine davon isolierte Ebene, d. h. die Deutungen der jeweiligen Organisationsmitglieder. Entscheidend in der Konzeption von Schultz ist die Entkoppelung von Bedeutung und Form, welche sich darin zeigt, dass geteilte Annahmen selbst zum Ritual werden. Diese Rituale ersetzen durch ästhetisierende, ständige Wiederholung den Inhalt. Demnach sind Rituale, Geschichten, Metaphern etc. isoliert von den lokalen Fragmenten von kollektiven (Be-)Deutungen, welche die Organisationsmitglieder geschaffen haben. Schultz geht sogar so weit, Zielgrößen von Unternehmen, wie Exzellenz, Effektivität oder Internationalisierung, als Elemente fast aller „Kulturrituale“ von Organisationen zu bezeichnen. Bei der Relevantsetzung solcher Zielsetzungen spielt die Kontrolle der Konstruktion und Interpretation von Bedeutungen eine wichtige Rolle. In den meisten Konzeptionen zu Organisationskultur wird Kultur als ein kohärentes System zumindest für kleinere Gruppen, sprich Subkulturen akzeptiert. Schultz hingegen zweifelt grundsätzlich das Konzept an, nach dem Organisationen durch grundlegende kollektive Muster von Werten oder Kognitionen gesteuert werden und bezeichnet eine solche Sichtweise als „modern myth of corporate culture as being an omnipresent grand narrative in all organizations“ (1992, 20).
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Für die Diskussion des Begriffs ‚Ritual’ an dieser Stelle soll eine Definition des Begriffs genügen. In Kapitel 7.3.6 wird Ritualität noch intensiver und zudem anhand weiterer Konzeptualisierungen diskutiert. Werlen (1984, 81) definiert das Ritual als eine expressive institutionalisierte Handlung oder Handlungssequenz und grenzt es von unbewusstem, unwillkürlichem, instinktgeleitetem Verhalten ab. Expressiv bedeutet, dass eine ausgeführte Handlung A für einen bestimmten Inhalt B steht. Unter Institutionalisiertheit versteht Werlen die Festlegung, wer wann was zu tun hat, wie Handlungen zu erfolgen haben und welche Form sie annehmen. Alltagsrituale wie Anfänge oder Beendigungen alltäglicher Konversationen mit Ritualcharakter sind in diese Konzeptualisierung eingeschlossen (vgl. ebd., 230ff). Nach dem Verständnis der Kulturanthropologie verursachten autonome Umwandlungsphasen in einer Gesellschaft eine Vielzahl an Übergängen. Diese Übergänge seien durch so genannte ‚rites de passage’ gekennzeichnet (Trennungsriten, Schwellen- oder Umwandlungsriten sowie Angliederungsriten) (vgl. Rauch 1992, 14). Für Gluckmann (1962) beispielsweise spiegeln Rituale Struktur und Wandel sozialer Beziehungen wider.
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
Zusammenfassend kann für das Forschungsfeld Organisationskultur festgehalten werden, dass ein Vergleich der unterschiedlichen Ansätze verschiedene Kulturbegriffe sowie unterschiedliche Positionen hinsichtlich der Gestaltbarkeit von Kultur hervorbringt. Im Gegensatz zu den Ansätzen der frühen 1980er Jahre ist später eine skeptischere bis kritische Haltung zur Gestaltungsmöglichkeit und Beeinflussung von Kulturen festzustellen. Auch in der Praxis ist als Reaktion auf die veränderte Diskussion in der Organisationstheorie eine Entwicklung von einem Management von Kultur hin zu einem ‚kulturbewussten’ Management zu beobachten (vgl. Lang et al. 2005). Eines von vielen Anwendungsfeldern der Organisationskultur sind Überlegungen zu einem nachhaltig angelegten Kulturmanagement, das auch auf die Veränderung vorhandener Organisationskulturen abzielt. Durch diese thematische Verknüpfung werden Kulturansätze auch für die Fragen nach der Gestaltung von Wandel interessant. Dabei wird davon ausgegangen, dass grundlegendem Kulturwandel normalerweise eine Krise der Basisannahmen vorausgehen müsse. Konkretisiert wird dies damit, dass Wandlungsprozesse zwar an den sichtbaren Elementen der Kultur ansetzen können, dass aber zusätzlich ein Wandel in den Interaktionsmustern erfolgen müsse, um beispielsweise neue Kooperationsformen finden zu können. Das Erkenntnisinteresse meiner wissenschaftlichen Untersuchung setzt an der Frage an, wie solche (kulturellen) Interaktionsmuster geartet sind, um den Grundstein für den ‚Wandel von Interaktion’ zu legen.
3.2.2 Organisationaler Diskurs: heterogenes Forschungsfeld Verfolgt man die Konzeption des Organisationalen Diskurses bis zu seinen Anfängen zurück, so muss sie in Verbindung mit der Rhetorik gebracht werden. Beiden gemein ist der Fokus auf den sprachlichen Ausdruck und die textuelle Kohärenz über Satzgrenzen hinaus. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Ansätzen ist jedoch, dass sich die Rhetorik mit der bewussten Gestaltung von Texten bzw. vielmehr Reden beschäftigt, während Vertreter des Organisationalen Diskurses ihr Augenmerk auf unbewusste und allgegenwärtige Muster im konkreten Sprachgebrauch richten. Dies bedeutet eine Abkehr von der Idealisierung der Sprache. Die Vertreter der sich seit Mitte der 1990er Jahre eigenständig entwickelnden Theorie sind beispielsweise David Grant, Tom Keenoy und Cliff Oswick (vgl. Grant/Hardy/Oswick/Putnam 2004). Aber auch Autoren wie Mats Alvesson oder Iain Mangham haben aufgrund der thematischen Nähe der Diskurstheorien zu Organisationskultur und zum Organisationalen Symbolismus zu der Theorie publiziert.
3.2 Organisationskultur und Organisationaler Diskurs
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Die Ansätze und der Begriff Diskurs sind mit sehr unterschiedlich Inhalten besetzt: Diskurs meint in einer Definition mündliche Äußerungen, welche in sozialer Interaktion auftreten, in einer anderen bezeichnet der Begriff alle mündlichen und schriftlichen Formen des Sprachgebrauchs; oder aber es ist die Rede von den Formen des Sprachgebrauchs sowie von Symbolen oder Artefakten. Außerdem können mit Diskurs nicht nur die Formen des mündlichen, schriftlichen oder semiotischen Ausdrucks, sondern auch die dahinterliegenden Inhalte, d. h. Ideen oder Ideologien, gemeint sein. In letzterem Verständnis bezeichnet der Ausdruck eine Art zu denken. Eine weitere Möglichkeit der Definition ist es, Diskurs für die Tätigkeit des Kommunizierens und sozialer Interaktion zu verwenden.73 Der Diskursbegriff der Funktionalen Pragmatik, wie er beispielsweise von Ehlich (1994) vertreten wird, wird verstanden als gesprochene Alltagssprache im Zusammenhang mit institutionell gebundener Kommunikation (vgl. Warnke 2007b). Dieser allein auf Sprache bezogene Diskursbegriff erfährt in der Germanistischen Linguistik seit den 1980er Jahren große Bedeutung. Der Foucaultsche Diskursbegriff steht im Gegensatz zum einzeltextbezogenen Verständnis, indem der Diskurs hier eine strukturelle Einheit, die über Einzelaussagen hinausgeht, umfasst. Der in vielen Wissenschaftsdisziplinen verwendete Foucaultsche Diskursbegriff wird auch in der Linguistik insofern genutzt, als er in einer einzeltextübergreifenden kommunikativen Struktur verstanden wird. Mit all den unterschiedlichen Definitionen gehen verschiedene Analyseebenen der Wissenschaftler einher. Auf einer Mikroebene steht der konkrete mündliche oder schriftliche Sprachgebrauch im Mittelpunkt, wobei die Analyse linguistisch oder sprachpragmatisch fokussiert ist. Dabei sind Analyseeinheiten von Interesse, welche die Satzgrenze überschreiten. Auf einer Mesoebene sind hingegen wiederholt auftretende Texte von Interesse (z. B. Erzählungen und Metaphern in Organisationen). Schließlich betrachten andere Forscher auf der Makroebene Entwicklungen von Gedankenkonstrukten über den Zeitverlauf (vgl. z. B. Fair-clough/Thomas 2004). Solche Untersuchungen sind stark von Foucaults Forschungsrichtung geprägt, der davon ausgeht, dass Denken und Handeln von einem dominanten Diskurs vorstrukturiert bzw. sogar determiniert werden. In der Organisationsforschung ist umstritten, ob die Diskursanalyse mit ihrer Diskurs-Definition und Analyseebene(n) ein selbständiger Forschungsbereich innerhalb der Organisationswissenschaft sein kann oder eben nur eine linguistische oder sprachpragmatische Methodologie, welche den Aspekt der Sprache in Organisationen beleuchtet. Aufgrund der Interdependenzen mit der Organisa-
73
Für einen Überblick über die verschiedenen Diskursauffassungen s. auch Habscheid 2003, 97 ff.
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
tionstheorie im Gesamten sehe ich den Organisationalen Diskurs als eigenständige Forschungsrichtung, die
im Sinne eines konstruktivistischen Modells von Sprache untersucht, welche Sprecher auf welche Weise und zu welchem Zweck Äußerungen tätigen, und nicht, was sie mit dem Geäußerten ausdrücken wollen,
Sprache als zentrales Mittel zur Wirklichkeitskonstruktion und Sinnstiftung ansieht,
Sprache als Handeln auffasst,
Grenzen und Gesetze der Sprache berücksichtigt, d. h. ihre Tradiertheit und relativ eingeschränkte Wahlmöglichkeiten der Sprecher,
Sprachgebrauch grundsätzlich im Kontext untersucht (Prinzip der diskursiven Relativität)
und die Diskurse als eigenständige Phänomene betrachtet, d. h., die Analyse bewegt sich immer auf der Sprachebene, wobei Kognitionen, Emotionen oder Basisannahmen eine untergeordnete Rolle spielen.
Die Forschungsgegenstände des Organisationalen Diskurs sind folgende: Lang et al. unterscheiden in ihrem Überblick über die Konzeption des Organisationalen Diskurses vier analytisch trennbare „Zusammenhänge“: 1. die Kontexte, in denen die Diskurse stattfinden (vorgegebene gesellschaftliche, institutionelle, organisationale, politische, kulturelle und/oder soziale Kontexte). Sowohl Produzenten als auch Rezipienten bedienen sich dieser Kontexte, um entweder ihre Diskurse zu gestalten oder aber sie zu verstehen. Auch die Tatsache, dass die Gesprächsbeteiligten sozialen Gruppen angehören oder soziale Eigenschaften besitzen, prägt Diskurse, 2. die nicht-sprachlichen Effekte, die durch jeden Diskurs hervorgebracht werden, so z. B. das Zweifeln eines Rezipienten, 3. die Funktionen, welche Diskurse auf gesellschaftlicher oder sozialer Ebene erfüllen, und zwar durch die Abstimmung des Verhaltens zwischen den Menschen, 4. die Strukturen: Diskurse sind dadurch gekennzeichnet, dass sie als Praktiken mit nicht-diskursiven Praktiken gekoppelt sind. Aus diesem Zusammenwirken entstehen Strukturen und Organisationen.74 Die Autoren des „Handbook of Organizational Discourse“ (Grant et al. 2004) gliedern die bereits existenten und im Rahmen dieses Buches herausgegebenen analytischen Beiträge nach den relevanten „discourse and the discursive unit(s)“ (Conversation and dialogue, narratives
74
Zu den inhaltlichen Schwerpunkten bisheriger Arbeiten zu Organisationalen Diskursen s. Grant et al. (2004) und Lang et al. (2005, 250ff).
3.3 Konversations-/Gesprächsanalyse und Critical Discourse Analysis
85
and stories, rhetoric, tropes) und nach organisationalen Phänomenen (gender, power, culture, technology, new media und globalization) (ebd., 4). Wenn Grant et al. auf diverse Untersuchungen verweisen, welche im Rahmen der Forschungsrichtung Organisationaler Diskurs die Rhetorik zur Kommunikation von Unternehmensbildern und -strategien sowie zur Verbesserung des Unternehmensimage (Barton 1993 bis hin zu Grant 1999) behandelt haben, streichen sie die ‚natürliche’ Verbindung zwischen rhetorischen und organisationalen Studien heraus (vgl. Grant et al. 2004b). Sie begründen dies damit, dass persuasive Effekte der Rhetorik die organisationale Ebene besetzen, und dass Rhetorik in das eingebettet ist, was wir als Organisation bezeichnen. Dies ist Anlass genug, um diesen Forschungsgegenstand auch aus der linguistischen Richtung zu beleuchten.
3.3 Konversations-/Gesprächsanalyse und Critical Discourse Analysis Die Untersuchung von Sprache und Kommunikation in Organisationen ist ein relativ junges Gebiet der Angewandten Linguistik. Vor allem der Zugang von organisationstheoretischen Ansätzen her ist recht neu. Zwar wird Sprache schon seit längerer Zeit in Bezug auf Wirtschaftsunternehmen, Schulen, Krankenhäuser etc. analysiert, doch geschah dies in der Vergangenheit meist selten aus einer sozial-konstruktivistischen linguistischen Sicht. An dieser Stelle sollen die Traditionslinien der Forschung zu Sprachen in Institutionen bzw. der Wirtschaft skizziert werden, bevor näher auf die in dieser Arbeit angewandten Methodiken Bezug genommen wird. Zunächst ist die Betriebslinguistik zu nennen (z. B. Klein 1989), welche sich mit Strukturen von Fachsprachen und fachsprachlicher Kommunikation in Betrieben beschäftigt. Diese Traditionslinie basiert auf ihren Vorläufern der praktischen Stilistik und der Rhetorik. In den 1970er Jahren entwickelten sich die Funktionale Pragmatik und verwandte Ansätze (vgl. hierzu Brünner 2000), denen eine handlungstheoretische Auffassung von Sprache zugrunde liegt. Der Begriff Zweck, der nicht mit der des (individuellen) Ziels zusammenfällt, ist eine für die funktionale Pragmatik wesentliche Kategorie (vgl. Brünner/Graefen 1994, 10). Hier ist die Auseinandersetzung mit Handlungsmustern, genauer gesagt einem bestimmten Musterbegriff, zentral. „Gesellschaftlich entwickelte, standardisierte Ablaufformen, die zur Verwirklichung bestimmter sprachexterner Zwecke dienen, sind sprachliche Handlungsmuster.“ (ebd., 12) Es wird davon ausgegangen, dass Institutionen als stabilisierende Einrichtungen das Zusam-
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
menleben ordnen, indem sie eingespielte kommunikative Lösungen für Probleme des Daseins zur Verfügung stellen und erhalten. Nach dem Begriff der Institution trat in den 90er Jahren der Organisationsbegriff in der Linguistik auf den Plan (vgl. Habscheid 2003). Einerseits handelt es sich dabei um Studien, die ihren Hintergrund in der Konversationsanalyse haben, wie die Studies of Work (Garfinkel 1986, Boden 1994), sowie in der mikrosoziologischen Ethnographie, welche die so genannten Workplace Studies hervorgebracht hat (Luff/Hindmarsh/Heath 2000). Ziel solcher Untersuchungen ist es, Arbeit als sprachliche Interaktion zu beleuchten, teilweise mit dem Interesse an ihrer Verflechtung mit außersprachlichen Handlungen. Auch in der Organisationstheorie kann genau zur gleichen Zeit von einem „linguistic turn“ (vgl. Kieser 1998) gesprochen werden. Bei der Konversations- bzw. Gesprächsanalyse lassen sich drei Forschungszweige identifizieren (vgl. Müller 1997, 6): 1. die Forschungslinie, in der die ethnomethodologische Konversationsanalyse anglo-amerikanischen Ursprungs (in der Tradition von Garfinkel und Sacks (1986)) weiterentwickelt wurde. Hier sind insbesondere strukturelle Aspekte des Gesprächs, Redeorganisationsregeln und mikrosequentielle Phänomene von Interesse. 2. die Forschungslinie, welche das Verhältnis von Sprache und Beziehung bzw. Sprache und Gesellschaft in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Als Forschungsinteresse können beispielhaft die interpersonale Beziehungsarbeit, das Thema der sozialen Stile und sozialer Typisierung sowie die Rollendynamik in Gesprächen genannt werden. Schließlich ist 3. die Diskursforschung zu nennen, innerhalb derer die Vorgeformtheit des sprachlichen Handelns durch gesellschaftliche Zwecke und institutionelle Bedingungen betont wird. Sie zielt also darauf, das Wozu, die Zweckgerichtetheit des Handelns, zu rekonstruieren, während bei der Konversationsanalyse das Erkenntnisinteresse, das Wie von Konstitutionsprozessen, untersucht wird (vgl. Brünner/Graefen 1994, 13). Alle Forschungsrichtungen der Konversationsanalyse entwerfen Kommunikation als interaktive Konstruktion und Aushandlung von sozialer Wirklichkeit und Sachverhalten (vgl. Garfinkel 1967, Sacks/Schegloff/Jefferson 1974, Bergmann 1981 sowie Kallmeyer 1981 und 1985). Die Genese der konversationsanalytischen Konzeptionen aus konstruktivistischen Ansätzen zeigt sich im Verständnis von Kommunikation als gemeinsamer Konstruktion und Aushandlung von Sachverhalten und sozialer Wirklichkeit. Das bedeutet, dass Wirklichkeit durch Kommunikation nicht abgebildet wird, sondern sich in der Interaktion zwischen Sprechern konstituiert. Menz kritisiert an Untersuchungen, welche dem amerikanischen Forschungszweig nachfolgen, dass „unterschiedlich große und mächtige Einflußund Definitionsmöglichkeiten“ der Sprecher kaum berücksichtigt werden (Menz
3.3 Konversations-/Gesprächsanalyse und Critical Discourse Analysis
87
2000, 22). Menz ordnet auch die Mehrzahl der linguistischen Arbeiten zu Unternehmenskommunikation in diesen Forschungsrahmen ein. Außer Boden (1994) behandelt laut Menz keiner der Forscher das Verhältnis von Kommunikation und Organisation bzw. bezieht sich auf die Organisationstheorie. Demnach ist die wechselseitige Befruchtung nicht gegeben (ebd., 23). In solchen Studien wird allzu oft übersehen, dass unterschiedliche Individuen und Gruppen in Organisationen mit ihren Interessen (und dafür zugrundeliegend eben mit ihren Perspektiven) konkurrieren. Diese Änderung der Blickrichtung soll in dieser Untersuchung vorgenommen werden, d. h., Organisieren wird nicht ausschließlich als Ergebnis gemeinsamen Verstehens oder gemeinsamer Werte gesehen (vgl. Weick 1995), sondern als Struktur individueller Handlungsmöglichkeiten und organisatorischer Einschränkungen (vgl. Crozier/Friedberg 1979). Weiterhin wurde der Organisationsbegriff von Arbeiten aus dem Umfeld der Kritischen Diskursanalyse (nachfolgend mit CDA (Critical Discourse Analysis) abgekürzt) aufgegriffen. Hier gelten Organisationen als Ebene zwischen einer sozialen Ordnung und dem sprachlichen Handeln der Interagierenden (z. B. Putnam/Fairhurst 2001). Fairclough als zentraler Vertreter der CDA postuliert als sein Ziel, Methoden der von Linguisten entwickelten Sprachanalyse sowie soziale und politische Ansätze zu kombinieren, um im Gesamten eine soziale Theorie der Sprache zu entwickeln (vgl. Fairclough 1992). Für den sozialen und politischen ‚Strang’ seiner Theorie berücksichtigt Fairclough Arbeiten von Antonio Gramsci, Louis Althusser, Michel Foucault, Jürgen Habermas und Anthony Giddens. Auch Fairclough konstatiert, dass Diskurs ein uneinheitliches Konzept ist, da so viele verschiedene theoretische und disziplinäre Standpunkte existieren. Die Definitionen reichen von ausgedehnten Teilen gesprochenen Dialogs über verschiedene Typen des Sprachgebrauchs (z. B. Werbe-Diskurs, Arzt-PatientenDiskurs) bis zu verschiedenen Arten der Strukturierung von Wissensgebieten und sozialer Praxis (z. B. in der Arbeit von Michel Foucault). Faircloughs Verständnis ist ein anderes: Sein Versuch, die Sprachanalyse und die Sozialtheorie zusammenzuführen, basiert auf der Verknüpfung des mehr sozial-theoretischen Sinns von Diskurs mit dem Text- und Interaktions-Sinn in der linguistisch orientierten Diskursanalyse. Im Zuge dessen wird Diskurs als eine Praxis definiert, die einen Wissens- oder Erfahrungsbereich aus einer bestimmten Sichtweise darstellt (z. B. der marxistische Diskurs), wobei das Konzept von Diskurs sowie seine Analyse dreidimensional angelegt ist: Jeder Moment eines Diskurses wird zur gleichen Zeit als ein Stück Text gesehen, als ein Moment diskursiver Praxis und ein Moment sozialer Praxis. Die Sprachanalyse von Texten bezieht sich also auf die erste Dimension, auf den Text (mündlich oder schriftlich) an sich. Bei der zweiten Dimension geht es um die diskursive Praxis, d. h. um die Entstehung
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
verschiedener Arten von Diskursen und ihre Kombination. Die dritte Dimension schließlich, die Dimension der sozialen Praxis, bezieht sich auf die institutionellen und organisationalen Umstände der Diskurssituation, und zwar mit der Fragestellung, wie sich diese Umstände auf die Art der diskursiven Praxis auswirken und welche Effekte dies hat. Festzuhalten ist also, dass Fairclough mit dem Begriff Diskurs eine Form sozialer Praktiken verbindet, welche über eine individuelle Aktivität oder einen Reflex auf situationsbezogene Variablen hinausgeht. Somit besteht eine dialektische Beziehung zwischen Diskurs und sozialer Struktur. Diskurs hat dabei drei verschiedene Funktionen inne („constructive effects“, Fairclough 1992, 64): 1. die Bildung von sozialen Identitäten und Arten der eigenen Identität, 2. den Aufbau von sozialen Beziehungen zwischen Menschen und 3. die Bildung von Wissens- oder Glaubenssystemen. Diese drei Domänen erleichtern die Operationalisierung der sozialen Konstruktion von Texten und Diskursen. In späteren Publikationen nennt Fairclough drei ‚semiotische’ Ebenen der CDA, welche er in seinen Studien konsequent verfolgt: „action“, „representation“ und die oben in anderen Worten eingeführte „identification“. Die erste Ebene konstituiert sich in „genres“, welche verschiedene Arten des Handelns sind, wie z. B. Alltagskonversation, organisationale Meetings oder politische Interviews. Bei „representation“ sind Darstellungen bzw. Selbstdarstellungen relevant, welche sich in „discourses“ manifestieren (vgl. Fairclough 2001, 28f). Sie sind dadurch geprägt, dass unterschiedliche soziale Akteure das soziale Leben auf differierende Weise ‚sehen’ und darstellen. Die dritte Untersuchungsebene macht die Herstellung von Identitäten analytisch greifbar (vgl. Fairclough 2003, 157ff)75, wobei „Stile“ (ebd.) Aufschluss über Identitäten geben. Identitäten können somit aufgefasst werden als eine Ebene der sprachlichen Bedeutungskonstitution (vgl. Holly 2001), mit Fragen danach, wie Sprecher auf sich selbst, auf den Kommunikationspartner oder Dritte Bezug nehmen, was sie damit aussagen, wie sie Zugehörigkeit anzeigen und sich sozial positionieren (vgl. Wolf 1999).76 Als Ergänzung zur Analyse der Handlungen und der Darstellun75
76
Hier wird zwischen sozialer und personaler Identität unterschieden. Letztere kann als „System aus subjektiven Vorstellungen, die jemand von sich selbst hat, und darauf bezogenen Einstellungen, Gefühlen, Bewertungen“ definiert werden (vgl. Habscheid / Vacek 2008). Personale Identität bedarf der Bestätigung durch andere, und sie rückt den Blick auf die Frage, ob ein Individuum in verschiedenen sozialen Konstellationen „identisch“ ist. Der zweite Punkt scheint vor allem für den Kontext des organisationalen Wandels interessant, stellen doch Veränderungen immer auch potenziell eine Bedrohung der personalen Identität dar. Die Analyse von Texten kann Aufschluss darüber liefern, was die Sprache über personale Identitäten ausdrückt; dabei fungiert Sprache als „Symptom“ (Bühler 1999). Ein dritter Aspekt von Identität sind „Kollektive Identitäten“: Gesellschaften – und auch Organisationen – bilden ein kulturelles Wissen über soziale Gruppen und deren Eigenschaften aus, denen Individuen zugeordnet werden können (z. B. als Europäer). Dieses Wissen wird mit
3.3 Konversations-/Gesprächsanalyse und Critical Discourse Analysis
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gen in Bezug auf organisationalen Wandel wird die Ebene der „identification“ sicherlich Erkenntnisse über (idealisierte) Identitäten in postmodernen Wandlungsprozessen geben (vgl. Kapitel 7.1.3). Besonders interessant für die vorliegende Arbeit ist Faircloughs Beleuchtung des Zusammenhangs zwischen dem Wandel der Diskurse und soziokulturellem Wandel. Mit Hilfe dieser Verknüpfung und dem Blick auf Überschneidungen zwischen unterschiedlichen Diskursen und Genres wird diskursiver Wandel textanalytisch fassbar. In diachroner Perspektive bewirken diese Überschneidungen ein verändertes Verhältnis zwischen unterschiedlichen diskursiven Praktiken, was zu einer Verschiebung innerhalb und zwischen verschiedenen Diskursen führt (Fairclough/Wodak 1997, 265). Fairclough geht davon aus, dass diachron gesehen „diskursiver Wandel“ (ebd., S. 96) entsteht, und zwar unter der Voraussetzung, dass Schwierigkeiten („problematizations“) aufkommen und Menschen mit „dilemmas“ konfrontiert sind (Billig et al. 1988). Dabei besteht nun die Möglichkeit, die entstandenen Dilemmata durch Kreativität zu lösen und neue Lösungsmuster auszuprobieren. Dies ist deshalb möglich, weil der Textproduktion Intertextualität77 und Historizität inhärent sind; beide Aspekte gestatten die kreative Veränderung von diskursiven Praktiken. Dementsprechend hinterlässt Wandel Spuren in Texten, so z. B., wenn widersprüchliche oder inkonsistente Elemente nebeneinander auftreten (Fairclough nennt hierfür als Beispiel die gleichzeitige Markierung von Autorität und Familiarität). Mit der Zeit verlieren – so Fairclough – die stilistisch widersprüchlichen Texte aus Sicht der Interpreten aber ihren ‚Patchwork-Effekt’. In diesem Prozess der „naturalization“ können neue Hegemonien im Diskurs etabliert werden. Der Begriff Hegemonie drückt bei Fairclough aus, dass Machtausübung ein wesentliches Element diskursiver Praktiken ist. Deshalb verfolgt er stringent das Ziel, in bereits existierende Ansätze der CDA Aspekte von Macht- und Herrschaftsrelationen einzuarbeiten, um Sprache in ihrem Verhältnis zu Macht analysieren zu können (Näheres zu Hegemonie und Macht bei Fairclough s. z. B. Menz 2000).
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Sprache, aber auch mit nonverbalen Symbolen weitergegeben. Zur Unterscheidung von sozialen Stereotypen und (idealisierten) identitätspolitischen ‚Images’ sowie den Interferenzen zwischen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen auf der einen Seite und Identitäten auf der anderen s. Habscheid / Vacek (2008). Fairclough schließt in die Textanalyse neben der linguistischen Analyse auch immer die intertextuelle Analyse mit ein. Bei letzterer wird die Selektion aus den verfügbaren Ordnungen von Diskursen getroffen, und zwar aus dem Repertoire konventionalisierter Praktiken wie „genres“, Diskursen und „narratives“. Unter „genre“ versteht Fairclough einen sozial gültigen Typ sprachlichen Handelns (z. B. Interview, Talkshow), „narrative“ definiert er als sozial gültigen Erzähltyp.
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
Auch wenn es innerhalb der CDA Faircloughs einige Unsicherheiten in der empirischen Anwendung des dreidimensionalen Modells gibt (z. B. die Zuordnung der Untersuchung einzelner sprachlicher Mittel einerseits zur Textanalyse oder andererseits zur Analyse der Diskurspraxis (Fairclough 1995, 144)), so gelingt es ihm doch, die Brücke zwischen der Diskursanalyse und der Soziologie zu schlagen. Mit seinem (kritischen) Ideologiebegriff ermöglicht er einen methodologischen Zugang zur Analyse gesellschaftlicher Ungleichheit, wobei von Menz (2000, 49f) die Kritik angemerkt wird, dass sein auf Gramsci (1971) basierendes Hegemoniekonzept nicht dazu geeignet ist, Auseinandersetzungen gesellschaftlicher Art zu erfassen.78 Dies sei vielmehr konzeptualisiert worden, um auf Basis des Aspekts der Ungleichheit die relative Stabilität von Gesellschaften zu erklären. Dagegen werde im Laufe von Interaktionen in bestimmten Situationen Macht auch zur Disposition gestellt.79 Die spätere Analyse geschieht mit dem scharfen Bewusstsein, dass bei Zuhilfenahme der Kritischen Diskursanalyse unter Umständen die Gefahr disparater Ergebnisse ohne erkennbare analytische Perspektive besteht, vor allem dann, wenn die Einflussmöglichkeiten aller Interagierenden negiert würden und somit eine gesellschaftskritische Bewertung über die Köpfe der Interagierenden hinweg getroffen würde. Aus diesem Grund ist die von mir gewählte analytische Reihenfolge wichtig: Zunächst wird die in der Interaktion gebildete Ordnung unvoreingenommen analysiert (sequentiell), um erst im zweiten Schritt eine gezielte analytische Perspektive und Kategorisierung vorzunehmen (z. B. mit den fünf Kategorien von ‚Differenz’). Der Nutzen aus der Kombination sind Erkenntnisse über durch Sprecher und Hörer geschaffene (kontextfreie) Ordnungen und über organisationale Einschränkungen sowie durch Vorannahmen geschaffene soziale Ordnung.
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Im Rahmen der Kontroverse zwischen Konversationsanalytikern und Vertretern der Kritischen Diskursanalyse werden zusätzlich andere Aspekte kritisiert. Hier sei verwiesen auf die Beiträge von Schegloff (1997, 1999) und Billig (1999), in denen unter anderem die empirische Haltung im Sinne (nicht) vorhandener Vor-Annahmen und die wissenschaftliche Sprache in den einzelnen Analysen thematisiert werden. Hierzu Menz: „Machtausübung ist letztlich nicht monokausal, sondern vielschichtig zu verstehen. Ihre Konzeption hat gegenseitige Interdependenzen, Beeinflussungen, Abhängigkeiten, Erscheinungs- und Wirkungsformen zu berücksichtigen. Insbesondere in Bereichen der Unternehmenskommunikation, die über weite Strecken der Herkunftsort jener großen gesellschaftlichen Veränderungen ist, die Fairclough (1995: 13ff) konstatiert, sind Machtverhältnisse oft wesentlich komplexer, als dies über ein Dimension der soziokulturellen Praxis im Rahmen eines Hegemoniebegriffs erfaßt werden könnte […] Insbesondere kann nicht immer und jederzeit festgestellt werden, wo „die Macht“ während einer Interaktion liegt; sie ist wohl zumindest über Teilstrecken als oszillierende Relation zu begreifen, die im Laufe einer Interaktion zwar einerseits reproduziert wird, aber andererseits auch (in Teilbereichen) zur Disposition, d. h. Gegenstand des Interaktions- und Aushandlungsprozesses steht.“ (Menz 2000, 50f)
3.4 Die Konvergenz der verschiedenen Ansätze
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Trotz dieser Kritik stelle ich meine Arbeit in die Tradition der Kritischen Diskursanalyse, findet doch organisationale Interaktion nicht in einem norm- und herrschaftsfreien Raum statt, sondern steht in Wechselbeziehung mit normativen Strukturen und Handlungszielen. Weiterhin koexistieren mehr oder weniger dominante Diskurspraktiken. Ebenso unterliegen doch gerade in Wandlungsprozessen Machtstrukturen spezifischen Umwälzungen.80 Die zusätzliche Verankerung der vorliegenden Untersuchung in den in Kapitel 2 und 3 erläuterten sozialpsychologischen und sozial-konstruktivistischen Ansätzen gewährleistet die Berücksichtigung dessen, dass auch Macht im Laufe eines Gesprächs (zumindest teilweise) konstruiert wird und Machtverhältnisse innerhalb von Organisationen – freilich abhängig vom Status der Beteiligten des (verhandelten) Themas und des organisationalen Kontextes – einen zwischen den Teilnehmenden oszillierenden und permanenten Prozess darstellen.
3.4 Die Konvergenz der verschiedenen Ansätze Mit diesem Kapitel ist ein Analyserahmen abgesteckt worden, mittels dessen spezifische Merkmale von Kommunikation im Kontext organisationaler Wandlungsprozesse aus der linguistischen Perspektive zugänglich gemacht werden können. Aus der Annäherung, dem Zusammenwirken und der partiellen Übereinstimmung (Konvergenz) von organisationstheoretischen, sozialpsychologischen, soziologischen und linguistischen Ansätzen lässt sich die Skizze eines Konzepts von organisationalem Wandel ableiten, das folgende Merkmale aufweist:
Vollzugswirklichkeit: Organisationen werden im kontinuierlichen Handlungsvollzug hervorgebracht und ausgehend von dieser Flexibilität strukturell aufrecht erhalten. Dabei erscheint den Handelnden der Organisation jene interaktiv hergestellte Wirklichkeit als eine objektiv gegebene, als ein Faktum. Diskurse sind zentral für die soziale Konstruktion von Wirklichkeit und konstitutiv für die Aushandlung von intersubjektiver Bedeutung. Konstruktion von Wirklichkeit wird also nicht als autonomer Prozess von Individuen gesehen, sondern als Resultat von Interaktion.
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Vgl. Fairclough (1992), der die Auffassung vertritt, dass eine Auseinandersetzung um Hegemonie genau dort stattfindet, wo Bruchlinien der Gesellschaft verlaufen bzw. wo große Instabilität vorhanden ist. Diese Auseinandersetzung um Herrschaft geschieht auch im ökonomischen Feld bis in alle Institutionen der Gesellschaft hinein.
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
Diskursivität: Die sinnhafte Strukturierung von Situationen sowie neuen Ereignissen (‚Wandel’) ist durch Organisationsmitglieder immer wieder situativ zu leisten. Durch alltägliche soziale Praktiken der symbolischen Kommunikation wird die Organisation gebildet und immer wieder neu ‚vergewissert’. Demnach basieren Organisationen auf symbolischen, vor allem auch auf sprachlichen Diskursen, welche durch Intertextualität geprägt sind.
Spannungsfeld von Fragmentierung und Kohärenzstiftung: Bei Organisationen handelt es sich weder um Einheitskulturen noch um unzusammenhängende Gebilde. Vielmehr zeigt sich die Identität von Organisationen im Verhältnis fragmentierender und Kohärenz stiftender Kräfte. Organisationaler Wandel macht die Verstärkung der Polyphonie von Sinnvermittlungsvorgängen und der Interpretation von ‚gesetztem’ Sinn wahrscheinlicher, unter anderem deshalb, weil bei Erleben des ‚Wandels’ ‚Selbstverständlichkeiten’, d. h. kognitive Ordnungsmuster, erschüttert werden. Dennoch wirken kollektive „Ursachenkarten“ (Weick) bei der Sinnstiftung in Organisationen, d. h. es existieren kulturell verankerte Ordnungsmuster beim Organisieren in Wandlungsprozessen. Das in diesem Kapitel eingeführte Modell der CDA stellt eine ganzheitliche Methodik zur Analyse der ‚Kräfte’, die im Kontext von Wandel Ordnung stiften. Auf der anderen Seite macht vor allem die Analyseebene representation fragmentierende Kräfte in Organisationen analytisch greifbar, da mit ihr unterschiedliche Betrachtungsweisen des organisationalen Wandels in den Blick geraten, welche sich in unterschiedlichen, von Sichtweisen und Positionierungen abhängigen Darstellungen manifestieren.
Mehrdimensionalität von Diskursen: Konversations-/gesprächsanalytisch gesehen wird Sinn interaktiv auf verschiedenen Ebenen gestiftet, d. h. auf der Ebene der Gesprächsorganisation, der Ebene von Kontakt und Beziehung, der Sachverhaltsdarstellung, des Handelns etc. Im dreidimensionalen Modell Faircloughs zeigt sich, dass die Dimensionen von Diskurs, d. h. Texte, diskursive Praktiken und soziokulturelle Praktiken, Wechselwirkungen haben. Ausgehend vom Verständnis dialektischer Verknüpfung sind auch Mikro- und Makroaspekten verwoben: daraus resultiert die Integration von Sprachanalyse, Diskursanalyse und der Sozialanalyse, d. h. der organisationalen Umstände der Diskurssituation (in unserem Fall der Organisationsanalyse), inklusive der Wechselbeziehungen zwischen sozialer Welt und diskursiver Praxis. Diskurse gehen also über die individuelle Ebene und über die jeweilige Situation des Organisationsgeschehens hinaus. Dies hat
3.4 Die Konvergenz der verschiedenen Ansätze
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für die vorliegende Untersuchung Relevanz, die Kommunikationsprozesse in einem organisationalen Kontext analysiert.
Sprache strukturiert organisationalen Wandel – organisationaler Wandel strukturiert Sprache: Sprache ist ein konstitutives Element soziokultureller Praxis und ein sozialer Prozess. Sie ist durch andere soziale Prozesse mitbedingt und mitstrukturiert – dies betrifft auch die Sprache von Organisationsmitgliedern und organisationalen Gruppen, welche Wandlungsprozesse in Organisationen ‚mitbedingt’. Zusätzlich konstituieren Teilnehmer den jeweiligen Wandlungsprozess durch hervorgebrachte Texte und diskursive Praktiken. Wandel in Diskursen (und somit auch auf sozialer und organisationaler Ebene) wird durch die Hervorbringung und Interpretation von Texten geschaffen, welche sich von konventionellen, dominanten Texttypen unterscheiden (zum Beispiel durch die Integration verschiedener Genres). Im organisationalen Wandel hervorgebrachte und interpretierte Texte werden durch die Analyseebenen action, representation und identification analytisch greifbar, und zwar sowohl Texte der Top-down-Kommunikation als auch die organisationale Interaktion. Somit wird das empirisch fassbar, was in den Organisationswissenschaften teilweise theoretisch angedeutet, empirisch jedoch nicht erforscht ist: der organisationale Diskurs in Wandlungsprozessen.
Diese Arbeit über Sprache im Kontext organisationaler Wandlungsprozesse basiert auf einer dynamischen Sichtweise auf organisationale Interaktion, in der sich kulturelle Welten konstituieren und durch die Wirklichkeit hergestellt wird. Mit dem Bezug zu den oben beschriebenen Organisationstheorien stellt die vorliegende Untersuchung von innerorganisationalen Diskursen einen Brückenkopf zwischen Konversationsanalyse bzw. Kritischer Diskursanalyse und den Organisations-Konzeptionen dar. Damit berücksichtige ich, dass sich das soziale Gebilde der Organisation in Sprache und diskursiven Verfahren manifestiert. Sprache wird somit als eine Dimension gesehen, in der sich die gesamte Beziehung der Akteure zur sozialen Welt (der Organisation) ausdrückt (vgl. Bourdieu 1990 und 1984). Das Ziel der Verknüpfung von Konversations- bzw. Diskursanalyse mit der Organisationstheorie ist die gegenseitige Bereicherung der verschiedenen wissenschaftlichen Ansätze. Dabei werden kommunikative Prozesse in Organisationen als Oberfläche der organisationalen kognitiven Ordnung gesehen. Die darauf aufbauende Analyse kann einen großen Mehrwert für das Wissen über das Organisieren bieten. Neben den Ergebnissen über die Reproduktion von Mustern und
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3 Konstruktion und Rekonstruktion von Organisationswirklichkeit
Strukturen sind vor allem Erkenntnisse über den Aspekt des Hervorbringens neuer organisationaler Handlungen interessant – ein Aspekt, der im Zuge der tiefgreifenden organisationalen und gesellschaftlichen Veränderungen an Bedeutung gewinnt.
4 Der Umgang mit organisationaler Differenz
Nachdem nun der organisationale und sprachtheoretische Analyserahmen der Untersuchung abgesteckt wurde, soll auf ein Phänomen organisationalen Wandels eingegangen werden, das meines Erachtens zentral für den Verlauf von Wandlungsprozessen ist: der kognitive Standort von Organisationsmitgliedern, welcher wiederum die Basis für die Perspektivierung von Sachverhaltsdarstellungen in der Kommunikation ist. Organisationale Phänomene und Ereignisse werden als Produkt standpunktabhängiger Wahrnehmung gesehen. Organisationsmitglieder teilen sich gegenseitig implizit und explizit ihre jeweiligen Perspektiven mit und interpretieren von anderen gesetzte Perspektiven. Im Folgenden wird zunächst der Perspektivenbegriff eingeführt, bevor in Kapitel 4.2 auf perspektivisch strukturierte Fragmentierung in Organisationen eingegangen wird, die sich in Form von Interessenskonflikten und uneinheitlichem organisationalem Handeln äußert. Folgende Annahme ist Ausgangspunkt für dieses Kapitel und für die eingehende Analyse von Perspektiven auf Wandel: Perspektiven und Perspektivierungen divergieren vor allem im Kontext des Wandels, da, wie in den vorangegangenen Kapiteln erläutert, neue kognitive Muster in den Organisationsalltag diffundieren bzw. alte Interpretationsmuster von Organisationsmitgliedern für die Erklärung organisationaler Ereignisse im Wandel nicht mehr adäquat sind. Angesichts dieser Annahme rückt der Begriff der Divergenz bzw. Differenz in den Fokus der ‚sprachwissenschaftlichen Organisationsanalyse’. Zunächst expliziere ich anhand einer Konzeptionalisierung aus der Systemtheorie die Bedeutung von Differenz für Wandlungsprozesse: Der Systemtheoretiker Baecker geht (in Nachfolge von Luhmann) davon aus, dass jede intendierte Veränderung Differenzen in die Organisation einführt, da zusätzlich zur „Innenseite der Form“ mit dem beabsichtigten Wandel eine „Außenseite“ (Baecker 2004, 46) sichtbar wird: Die Außenseite besteht aus den „Verhältnissen“ (ebd.), welche mit der intendierten Veränderung vorausgesetzt werden. Das heißt, ein Veränderungsvorhaben trifft auf vorhandene Denkroutinen und Vorstellungen adäquaten Handelns; neue Arten des Denkens und Handelns werden von Veränderungs-Initiatoren vorausgesetzt, jedoch meist nicht thematisiert.
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4 Der Umgang mit organisationaler Differenz
Wenn Manager verändern wollen, bringen sie also unvermeidlich Differenzen in ihr Umfeld ein, das „darauf nicht unbedingt gewartet“ hat, sich jedoch „sofort darauf einstell(t)“ (Baecker 2004, 48). Diese Differenzen beziehen sich auf drei Sinndimensionen (Luhmann 1984, 111 ff): Erstens auf die „Sachdimension“, in der bestimmte Themen betont werden, andere Themen aber außen vor bleiben; zweitens in der „Zeitdimension“, in welcher der Wandel einen Trennstrich zieht zwischen der Vergangenheit und der Zukunft, die noch nicht existiert. In Organisationen als sozialen Systemen spielt vor allem die dritte Dimension eine entscheidende Rolle, ist sie doch diejenige, welche auf die anderen beiden Dimensionen einwirkt: In der „Sozialdimension“ müssen ‚Veränderungstreiber’ damit rechnen, dass ihre Intention sowohl Konsens als auch Dissens erwirkt. Diese Reaktionen wiederum beziehen sich auf die Themen des Wandels, auf die Darstellung der Vergangenheit und auf die Erwartungen für die Zukunft und verweisen somit auf den übergreifenden Charakter dieser Dimension. Zusätzlich betrifft der Konsens oder Dissens auch Organisationsmitglieder, welche mit der Veränderungsintention oder auch mit dem Widerstand hervorstechen. „Das heißt, jede Veränderung markiert ihr Thema, ihren Zeithorizont und die Personen, die sie beabsichtigen: Was soll verändert werden? Welche Erwartungen gehen mit der Veränderung einher – und welche Vergangenheiten, unerwünschte, die man hinter sich lassen will, und beispielgebende, die man heraufbeschwört, werden damit ins Spiel gebracht? Und wer ist es, der etwas will?“ (Baecker 2004, 48, Hervorhebung von der Verfasserin)
Die Kombination von Thema, Zeithorizont und Person ist nicht beliebig (vgl. Baecker 2004, 49). „Beweglichkeit“ (ebd.) im Sinne der Veränderungsintention wird erst dann erreicht, wenn Themen, Erinnerungen und Erwartungen sowie Akteure des Wandels selektiert und kommunikativ konstruiert werden (vgl. auch Shannon/Weaver 1963). Hinsichtlich dieser drei Dimensionen ist nun für die vorliegende Arbeit entscheidend, wie der Übergang von einer Intention in Bezug auf Themen, Zeithorizonte und Personen in eine eventuelle Realisierung dieser intendierten Veränderung konstruiert und ausgehandelt wird. Im Zusammenhang mit Divergenz und Differenz kommt der Begriff des Konflikts, anders gesagt des „Streits“, ins Spiel, den Baecker (2004, 49) nicht kontraproduktiv für Wandel sieht, sondern als Voraussetzung für Beweglichkeit. In diesem Verständnis ist Streit eine „Unterscheidung“ bzw. Differenzierung zwischen fokussierten Themen und ausgeschlossenen Themen, zwischen einer erwünschten / unerwünschten Vergangenheit bzw. erwünschten bzw. unerwünschten Zukunft und zwischen „Held[en]“ (Baecker 2004, 49) und Verlierern der Veränderung. Kurz gesagt: „Ausschlüsse [werden] als Ausschlüsse thematisiert“. Im Streit wird das thematisiert, was in der Kommunikation zuvor nicht
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thematisiert war; gerade die Unterscheidungen zwischen Intention von WandelAkteuren und Erwartungen von Betroffenen bzw. die Thematisierung von nichtintendierten Nebeneffekten wird beim Streiten in Organisationen hervorgebracht. Baecker sieht die Form der Veränderung als Form des Streits; Streit bietet nach diesem Ansatz die Möglichkeit, Unterscheidungen im „Arrangement“ von Themen, Zeithorizonten und Personen vorzunehmen. Gelingt es, ihn zu nutzen und ihn auf längerfristige Sicht beizulegen, kann Veränderung herbeigeführt werden (ebd., 53). Bei „Veränderung durch Streit“ geht es also grundsätzlich darum, intendierte Veränderungen mit den „Verhältnissen“ in Kontakt zu bringen, mit denen sie konfrontiert sind. Der ‚Erfolgsfaktor’ der Veränderung, der „Streit“, ist gleichzeitig Risiko für den intendierten Wandel, da Einwände vor dem Hintergrund der „Verhältnisse“ genauso logisch oder aber logischer scheinen können.81 Im Kontext des Sprechens über Wandel soll eine Ergänzung dieses Ansatzes zu Hilfe genommen werden, um den Aspekt der Verhältnisse stärker zu beleuchten. Dies ermöglicht es uns, auf ein hinter den ‚Verhältnissen’ liegendes Phänomen einzugehen, das heißt, auf die Perspektive auf die Verhältnisse der Organisation als Grundlage von Konsens oder Dissens: Die Beschäftigung mit dem Thema des organisationalen Wandels kann nicht losgelöst von der Frage nach verschiedenen Sichtweisen auf das Wandel-„Arrangement“ (ebd.) diskutiert werden, d. h., speziell in organisationalen Veränderungsprozessen sind Perspektiven („perspective setting“ und „perspective taking“ (Graumann 2002b, 26)) von Interesse. Die Verhältnisse der Organisationsmitglieder, ihr Blick auf die Rahmenbedingungen des Wandels, auf innerorganisationale Voraussetzungen oder auf Akteure und deren Strategien wird durch den Perspektivenbegriff und seine Implikationen mit Veränderung konkretisiert. Perspektiven auf Wandel verweisen auf „Bilder der Organisation“ (Morgan 1997) sowie speziell auf Bilder des Wandels, deren ‚Unterscheidung’ die Voraussetzung für das Verstehen und schließlich Gestalten in Veränderungsprozessen ist. Die Analyse der Perspektiven mündet schließlich in ein Gesamtbild, die Gesamtschau auf die Darstellung des intendierten Wandels und auf das, was Organisationsmitglieder mit dieser Darstellung ‚machen’, wie sie das Dargestellte weiterverarbeiten. Die Auseinandersetzung mit dem Perspektivenaspekt soll zu einer Detaillierung des Begriffs Verhältnisse im organisationalen Wandel führen. Den Ausgangspunkt der Ausführungen zur Darstellung und interaktiven Bearbeitung von Wandel bildet die These, dass das ‚Arrangement’ von Perspektiven auf Wandel 81
Andererseits vermögen „Einwand, Widerstand und Alternativvorschlag logisch dieselben Begrenzungen und Beschränkungen auf[zu]weisen wie die Intentionen, gegen die sie opponieren“ (Baecker 2004, 50).
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die Basis für die jeweilige Ausprägung von Veränderungsdynamik einnimmt. Der Prozess der Veränderung einer Organisation und jener der Unterscheidung, des Abgleichs und evtl. Annäherung von perspektivischen Gegenständen und Sachverhalten sind nicht losgelöst voneinander zu betrachten. Sie sind wechselseitig miteinander gekoppelt. Dabei bestimmen die im ‚System Organisation’ geltenden Regeln zur Unterscheidung der Perspektiven wesentlich den Prozessverlauf der Weiterentwicklung von Organisationen. ‚Was soll’, ‚was muss’, ‚was darf sich (nicht) ändern’ sind versteckte Regeln, welche das Ausmaß und die Geschwindigkeit von Wandlungsprozessen beeinflussen.
4.1 Perspektive im sozial-interaktionalen Konzept und Differenz in der Critical Discourse Analysis Was ein Individuum wahrnimmt, hängt davon ab, wo es sich in einer „Welt“ befindet bzw. wie es sich zu dieser „Welt“ verhält (Hartung 1996, 125f). Somit sind „menschliches Erleben“ und auch „menschliches Handeln“ immer perspektivisch (ebd., 125). – Perspektivität und Perspektive sind Begriffe, die in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen verwendet werden: in der Psychologie, der Literaturwissenschaft, der Sprachwissenschaft, der Soziologie und der Kunstwissenschaft. „In allen Disziplinen steht der Begriff Perspektive im Zusammenhang mit der Einsicht in die Abhängigkeit der Wahrnehmung von raum-/ zeitlich bestimmten und im übertragenen Sinne vom kognitiven Standort des Wahrnehmenden und Beurteilenden“ (Keim 1996, 192). Perspektivität als ein multidisziplinäres Thema steht für die perspektivische Struktur von Wissen, Sprache und Kommunikation (vgl. Graumann 2002b, 27).82 Auch die verschiedenen Rationalitäten und Wirklichkeiten in Organisationen basieren auf unterschiedlichen Perspektiven der jeweiligen Mitglieder. Das bedeutet, dass auch in Bezug auf das Phänomen ‚Wandel’ von einer ‚Multiperspektivität’ ausgegangen werden muss, da es von mehr als einem Blickpunkt aus gesehen, beurteilt und bewertet wird. Somit existieren unterschiedliche Welten, die sich Sprecher in verbaler Interaktion wechselseitig zugänglich machen. Folglich sind „organisationale Phänomene keine brute facts, sondern ontologisch-subjektive Konstrukte, d. h. Produkt standpunktabhängiger Beobachtungsleistungen“ (Habscheid 2003,
82
Eine mögliche Konzeption des Begriffs „Perspektivität“ ist die des systematischen Zusammenhangs der drei Subbegriffe ‚Aspekt’, ‚Sehepunkt’ und ‚Perspektive’, „mit denen auf die Eigenschaften von Objekten, auf die Wahrnehmungsvoraussetzungen von Subjekten und auf die Korrelation von Objektsphäre und Subjektsphäre Bezug genommen wird“ (Köller 2004, 879).
4.1 Perspektive im sozial-interaktionalen Konzept
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189). Aus diesem Grund können die Phänomene auch auf verschiedene Weisen benannt und kommuniziert werden. Grundlegend für die Bestimmung des Perspektivenbegriffs ist die Abhandlung zu „Idealisierungen“ von Schütz (1971): Er geht darin davon aus, dass die Verschiedenheit unterschiedlicher Interaktanten nur durch gewisse „Idealisierungen“ in der Kommunikation überwunden werden kann. Dies kann beispielsweise die Idealisierung der „Reziprozität der Standpunkte und Perspektiven“ sein, d. h., es wird stillschweigend erwartet, dass der Interaktionspartner die gleiche Sicht auf die Dinge hat wie der Sprecher selbst, oder aber die Idealisierung der „Kongruenz der Relevanzsysteme“ (ebd.), d. h. die Erwartung von gleichen Typisierungen und dem Verstehen des ‚Mitgemeinten’. Neben solchen Idealisierungen verfügen Menschen aber durchaus auch über das Wissen, dass der gemeinte Gegenstand für den Sprecher etwas anderes bedeuten muss als für jedes beliebige Gegenüber. Dies begründet Schütz mit der unterschiedlichen Distanz zu den Gegenständen und der Differenz in Bezug auf die Biographie sowie auf die Absichten und Relevanzsysteme eines Menschen. Im Alltagsdenken ermöglichen die oben genannten Beispiele für Idealisierungen die Überwindung individueller Perspektiven. Neben Mead bildet Schütz mit dieser Konzeption die Basis für das sozial-interaktionale Konzept, von „Perspektiven-Setting“ und „-Taking“.83 In den Sprachwissenschaften sind bezüglich Perspektive und Perspektivierung zwei Strömungen entstanden: Ein Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass Perspektive tief in die Sprachstruktur integriert ist (vgl. Graumann / Kallmeyer 2002a, 4 und Lindemann 1987). Dementsprechend gilt das Analyseinteresse den offenen und versteckten Elementen von Perspektive in der Sprachstruktur, z. B. im Wortschatz. Aus Sicht der zweiten Strömung wird die Perspektivierung betrachtet, so z. B. Gesprächspraktiken, die Sprecher nutzen, um eine Perspektive darzustellen. Dabei wird der Frage nachgegangen, was Sprecher mit ihren sprachlichen Möglichkeiten zum Ausdruck der Perspektive tun (vgl. ebd. bzw. Sandig 1996). Die Sprachwissenschaftler Kallmeyer und Keim (1993) definieren im Sinne der zweitgenannten Strömung Perspektive als „eine Einzelaktivitäten überspannende Handlungsorientierung und Handlungsstrukturierung“ (Keim 1996, 194). Bei diesem Konzept wird Perspektive als übergeordneter Begriff gesehen, der die „Realisierung einer konkreten, an eine bestimmte soziale Zuständigkeit eines Akteurs gebundene Sichtweise auf einen Sachverhalt“ bezeichnet (ebd., 194). Somit ist eine Perspektive nur erfassbar über eine „längerfristige Konsistenz im interaktiven Verhalten, die hergestellt wird durch eine Systematik 83
Die formale „Struktur einer sequentiellen Interaktion“ (Graumann/Kallmeyer 2002a, 5) erfordert ein Perspektiven-Setting und -Taking sowie den Aufbau einer gemeinsamen „Basis-Perspektive“. Dies heißt aber lange noch nicht, dass auf einer höheren Ebene Perspektivendivergenzen vermieden werden können.
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der Selektion aus alternativen äußerungs- und interaktionsstrukturellen Möglichkeiten“ (ebd., 194). Dennoch sind Perspektiven dynamisch, d. h., sie können sich in und über die Interaktion verändern (vgl. Linell 2002, 45). Über einzelne Diskurse hinweg werden Perspektiven jedoch gewöhnlich relativ konstant gehalten. Folgende Begriffe wurden bislang zur Beschreibung von grundsätzlichen Unterschieden hinsichtlich Perspektiven, aber auch zur Beschreibung eines ‚Changierens’ hinsichtlich Perspektivierung verwendet: Man kann in der menschlichen Kommunikation grundsätzlich von Perspektivendivergenzen84 ausgehen; dennoch wird in den Konzeptualisierungen von Perspektive von „Perspektivenwechseln“, „Perspektivenverschiebungen“, „Perspektivenabschottung“ (Keim 1996) oder gar „Perspektivenumkehr“ (Kallmeyer 2002) gesprochen. Kallmeyer (2002) detailliert die für das Konzept zentralen Begriffe Perspektiven-Setting und -Taking: Demnach hat ein Sprecher, der eine Perspektive ‚setzt’, den Anspruch, dass die von ihm explizit oder implizit gemachte Perspektive eine soziale Relevanz besitzt. Beim Prozess des Perspektiven-Taking wird mit diesen impliziten Ansprüchen umgegangen. Je nach eigener perspektivischer Positionierung interpretieren andere Interaktionsteilnehmer die ‚gesetzte’ Perspektive, setzen sie mit ihrer eigenen Perspektive in Verbindung, entscheiden, ob sie die Perspektive des anderen akzeptieren und in welchem Ausmaß sie die Perspektiven integrieren. D. h., dass „Perspektivenberücksichtigung […] nicht notwendigerweise die vollkommene Adoption dieser Perspektive“ impliziert, „aber sie zeigt die Orientierung des Teilnehmers, an dem fundamentalen Prozess die Reziprozität aufrechtzuerhalten bis zu dem Grad, der ausreichend für die aktuellen Zwecke ist“ (Kallmeyer 2002, 115f). Als perspektivische Praktiken nennt Kallmeyer beispielsweise die Definition des Standpunkts in Relation zu Kontexten oder auch Voraussetzungen (z. B. durch die Darstellung von Wahrnehmungen oder Absichten), die Unterscheidung von Perspektiven (z. B. durch die sprachliche Differenzierung von eigener und fremder Sicht (‚ich’ vs. ‚die anderen’) oder das Zeigen von perspektivischen Bewegungen (z. B. durch den Wechsel des Standpunktes (‚in einem weiteren Kontext betrachtet…’). Graumann, der den Perspektive-Begriff in die Sozialpsychologie eingeführt und Perspektivität empirisch untersucht hat, trifft die Unterscheidung zwischen expliziter und impliziter Perspektivität (2002b, 34). Explizit wird eine Perspektive meist dann, wenn sie ins Bewusstsein rückt und wenn sich divergierende Perspektiven gegenüberstehen. Implizite Perspektive hingegen ist die Regel. Jegliche Art von Kommunikation ist abhängig von einem bestimmten Kontext und enthält somit immer auch eine oder mehrere implizite Perspektiven (vgl. auch Linell 2002, 48). 84
Eine sprachwissenschaftliche empirische Untersuchung zu Perspektivendivergenzen in Beratungsgesprächen s. bei Schröder 1994.
4.1 Perspektive im sozial-interaktionalen Konzept
101
In einem strukturiertem Überblick zur Perspektivierung in der Sprache setzt Holly (2004) den Begriff in Bezug zu klassischen Fragen nach dem Verhältnis zwischen Sprache und Welt und vertieft im Gegensatz zu vorhergehenden Ansätzen die Konzeptualisierung von Perspektivierung aus sprachpragmatischer Sicht. Dabei bringt er alle aus seiner Sicht relevanten Elemente eines Konzepts von Perspektive auf den Plan: 1. den Gegenstand selbst (oder aber auch ein Ereignis, einen Sachverhalt oder eine Person), 2. den ‚Sehepunkt’, d. h. die Standortgebundenheit und ggf. spezifische Interessen des Sprechers; Holly unterscheidet hierbei zwischen demjenigen, der eine Perspektive hat, und demjenigen, der sie darstellt – eine nützliche Differenzierung für die Frage nach Eigen- und Fremdperspektive; 3. den Adressaten, für den der Sprecher in seiner Äußerung ‚designed’ (wie im Begriff ‚recepient design’ der Konversationsanalyse ausgedrückt) und der selbst die Äußerung semantisch aufkonstruiert (Feilke 1996, 99ff.); an 4. Stelle sei nicht die ‚Filterfunktion’ der Sprache an sich vergessen, welche mit ihren begrifflichen Kategorien Grenzen und somit Perspektivierungen setzt (s.o. Perspektive in der Sprachstruktur). Dennoch bietet die Sprache genügend Freiraum für eigene Konzeptualisierungen von Sprechern. Holly (ebd.) entwickelt ein ‚Basismodell’ zur linguistischen Diskursanalyse, d. h. das Wie der Konzeptualisierung von Unterschiedlichkeit in der Wahrnehmung und Darstellung der Welt. Es sieht die textthematische, die text- und satzsemantische, die lexikalische und die phraseologische Ebene zur Textanalyse zur Beschreibung von Perspektivierungen vor. Den vier Ebenen ordnet er 1. die Auswahl von Themen und die Strukturierung von Themen, 2. Thema / Rhema, Prädikatsklasse, Kasusrahmen, Deixis, Tempus, Redeerwähnung, Modalität, Illokutionen und Mitgemeintes, 3. Bezeichnungskonkurrenzen, Bedeutungskonkurrenzen und deontische Wörter sowie 4. verschiedenen Typen von Phraseologismen und Formeln unter. Ausgehend von diesem als Anregung verstandenen Modell fordert Holly ein umfassendes, übersichtliches Repertoire von Analysekategorien, das bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegt.85 Fairclough als Vertreter der Sozialwissenschaften hat sich im Gegensatz zu interaktionslinguistischen Studien mit Typologisierungen des Umgangs mit Differenz in Diskursen beschäftigt. Er hat im Rahmen der Kritischen Diskursanalyse ein Konzept entwickelt, das sich auf unterschiedliche kognitive Positionen in der Organisation bezieht. Unter Bezug auf den Begriff der „Stimmen“ (Bakhtin 1981) richtet der Vertreter der Critical Discourse Analysis den Blick auf die Koexistenz gruppengebundener, an soziale Standorte gebundener, mit konnotativen Einstellungen verbundener Darstellungsweisen von Sachverhalten, die in 85
In Kapitel 1.6 habe ich bereits expliziert, welche Analysekategorien ich als relevant und sinnvoll zur Untersuchung von Perspektivierung im Kontext organisationalen Wandels erachte.
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Diskursen zirkulieren („ways of representing“). Differenz wird in dieser Konzeption vorausgesetzt, wobei sich die Orientierung von Personen hinsichtlich dieser Differenz unterscheidet. Jene Orientierung ist grundlegend für die soziale Interaktion (vgl. Fairclough 2003, 41). Dabei wird der Umgang mit Differenz zentral für die drei fundamentalen Elemente der Interaktion gesehen: für die Bedeutungskonstitution, die Konstitution eines moralischen Bezugsrahmens und für die Wirkungsweise von Machtbeziehungen (vgl. Giddens 1993, 104). Denn das Herstellen von Bedeutung in der Interaktion bringt demnach ‚Aushandlung’ von Bedeutungsunterschieden mit sich; Personen positionieren sich unterschiedlich gegenüber Normen in Form eines moralischen Rahmens, außerdem interpretieren unterschiedliche soziale Akteure diese Normen unterschiedlich; weiterhin sind die Ressourcen bzw. Fähigkeiten der sozialen Akteure unterschiedlich, was Interventionen, d. h. Machtausübung, betrifft sowie die Fähigkeit, Effekte abzusichern, bei denen die Realisierung vom Handeln anderer abhängig ist (vgl. ebd.). Fair-clough konstatiert für soziale Ereignisse, für deren Texte sowie für die realisierte Interaktion unterschiedlichste Arten des Umgangs mit Differenz. Dabei kategorisiert er die möglichen Verfahrensweisen in fünf ‚Szenarien’:
Die Erschließung und Akzeptanz von Differenz auf Basis von Offenheit, Akzeptanz und die Wahrnehmung von Differenz: bei dieser Art der Orientierung hinsichtlich Differenz wird Dialogizität respektiert (vgl. die Ausführungen Faircloughs zur Dialogizität in Texten von Bakhtin (Fairclough 2003, 42, vgl. Bakhtin 1986a)86 Zur Erläuterung der verschiedenen Orientierungen hinsichtlich Differenz führt Fairclough das Beispiel eines ethnographischen Interviews ein, bei dem ein Manager zu „Culture, Chaos and Control in Managerial Work“ befragt wird. In dem Gespräch zeigt der Manager Offenheit in Bezug auf Differenz, indem er beispielsweise einen Arbeiter zitiert, der die Frage stellt: „Why am I in here now doing the best I can getting this product out when tomorrow morning you can give me a brown envelope?“ (Fairclough 2003, 230);
Bedeutungskampf, Kampf um Normen und Macht, der mit der Akzentuierung von Differenz einhergeht: Bezogen auf das im ersten Aufzählungspunkt eingeführte Beispiel des Interviews bedeutet dies, dass der befragte Manager die Warte einer Gruppe von Managern einnimmt (der Sprecher eingeschlossen), die unternehmerische Flexibilität und eine bestimmte Un-
86
Bakhktin geht davon aus, dass in Texten unterschiedliche Grade und Formen von Dialogizität existieren. Demnach werden Wörter, Diskurse, Sprache oder Kultur von Dialogizität bestimmt. Texte sind unvermeidlich dialogisch, und zwar in dem Sinne, dass mit jeder Äußerung eine Verbindung zu einer komplexen Kette von anderen Äußerungen hergestellt wird (Bakhktin 1986, 69).
4.1 Perspektive im sozial-interaktionalen Konzept
103
ternehmensentwicklung vertreten. Damit argumentiert er gegen die eigens von ihm zitierte Sichtweise eines Arbeiters. Der Sprecher in diesem Beispiel richtet jedoch seine Polemik vor allem gegen das Senior-Management – d. h., auch hierbei akzentuiert der Manager Differenz, auch wenn die Darstellungsweise des Sachverhalts der ‚Gegner’ nicht in den Text integriert ist.87
Versuche, Differenz aufzulösen und zu überwinden: Zur Erläuterung dieser Form des Umgangs mit Differenz wählt Fairclough das Beispiel eines politischen Grundsatzpapiers eines Komitees mit Beschäftigten, Gewerkschaftlern, Politikern und Bürokraten. In diesem Papier werden kategorische Aussagen getroffen, wie z. B. dass Globalisierung ein reeller Prozess ist, und dass sie ökonomischen Fortschritt bedingt. Auch in der Aussage, dass es ein Mythos sei, dass im sozialen Wohlfahrtstaat soziale Einheit existiert hat, werden divergierende Sichtweisen von Beschäftigen und Gewerkschaften abgemildert und in einen scheinbaren Konsens überführt, d. h. in Koexistenz mit den oben genannten Annahmen gebracht. Dieses Beispiel zeigt auch, dass sich der jeweilige Umgang mit Differenz nicht immer eindeutig in eines dieser fünf Szenarien einordnen lässt. Der geschilderte Konsens kann ebenso als Verfahren im Sinne des nächsten oder sogar des übernächsten Szenarios gesehen werden: als ein Abstrahieren von differenten Einstellungen oder sogar als ein Unterdrücken von Differenz.
Fokussierung von Gemeinsamkeit und Solidarität durch das Abstrahieren von differenten Einstellungen: hierfür nennt Fairclough ebenfalls ein Beispiel aus dem erwähnten ethnographischen Interview (ebd., 229-230). Im Interview-Text wird jegliche Differenz zwischen Interviewer und Interviewtem abstrahiert, indem die interviewende Person ausschließlich die Sichtweise ihres Gegenübers ermittelt.
Konsens, im Zuge dessen Machtunterschiede normalisiert und akzeptiert werden, wodurch unterschiedliche Bedeutungen und Normen integriert oder unterdrückt werden; diese Art des Umgangs mit Differenz kommt ‚nichtdialogischer’ Sprache gleich, da Dialogizität und Differenz sprachlich ausgeblendet und ausgeschlossen werden. Der Interviewte des oben genannten
87
Die Akzentuierung von Differenz in Bezug auf das Senior-Management wird im Originaltext folgendermaßen vorgenommen: „Developing Organizational Capability, winning culture, Business Improvement Plan, empowering, and all that: I am totally committed to all of this principle. These changes are the way forward. But what the company is doing is going contrary to what all this is about. This is dangerous – raising expectations and then smashing them. I believe the snior management has a moral responsibility to its workforce and to employ. The firm is an integral part of the society we live in.” (Fairclough 2003, 230)
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4 Der Umgang mit organisationaler Differenz
Beispiels setzt mit seinen Äußerungen – u. a. durch die Nicht-Thematisierung anderer Differenzen als jene zwischen Senior-Management, mittlerem Management und Belegschaft – eine Sichtweise relevant: Demnach haben die Gewerkschaften dem Management und den Belegschaften Macht genommen, was impliziert, dass beide ehemals Macht inne hatten (vgl. ebd., 43 und 230: „There has been a coordinated plan to take the power from the unions and give it back to the managers and give it back to the workforce as well.“). Bei dieser Form des Umgangs mit Differenz normalisiert der Sprecher seine Sachverhaltsdarstellung. Fairclough (ebd.) betont in diesem Zusammenhang, dass innerhalb des gleichen sozialen Ereignisses oder des gleichen Textes unterschiedliche Szenarien auf unterschiedliche Arten miteinander kombiniert sein können. Auch ‚monologische’ Texte, schriftliche Texte eingeschlossen, weisen Differenz auf, sind doch alle Texte adressiert und antizipieren Differenzen zwischen Autor und Rezipienten. Die Orientierung hinsichtlich Differenz und der Umgang damit ist nach Fairclough nicht nur für die Art der interaktionalen Dynamik selbst relevant, sondern ebenfalls für Diskurse als dauerhafte Entitäten. Mit dem letzteren Fokus hebt er Differenz auf die abstraktere Ebene – die sozialen Praktiken. Innerhalb dieser Sichtweise ist die Frage zu stellen, wie sich längerfristige Orientierungen hinsichtlich Differenz auf der Ebene der sozialen Praktiken manifestieren (vgl. Fairclough 2003, 42). Im Zusammenhang mit Differenz verwendet Fairclough in Anlehnung an Bakhtins Sprachtheorie den Begriff der Dialogizität in Texten (s. Erläuterungen zu den fünf Szenarien des Umgangs mit Differenz), welche – als Folge von Differenzorientierung – unterschiedliche Grade und Formen aufweisen kann. Es ist unvermeidbar, dass Texte dialogisch angelegt sind, da jede Äußerung eine Verbindung in eine sehr komplex organisierte Kette von anderen Äußerungen hinein ist (vgl. Bakhtin 1986a). Nicht-dialogische Sprache tritt in diesem Verständnis nur in autoritärer oder absoluter Form auf, was dem letztgenannten Szenario entspricht: dem Konsens im Sinne einer Normalisierung von Machtunterschieden. Im Falle von Dialogizität kann eine Äußerung auf eine andere aufsetzen, sie kann sie aber auch polemisieren oder sie als bereits bekannt deklarieren. Es existieren also externe textuelle Beziehungen, die Fairclough als Intertextualität bezeichnet. Das bedeutet, dass für jeden speziellen Text ein ‚Set’ von anderen Texten und Stimmen potenziell relevant ist. Ein weiterer zentraler Begriff in der Faircloughschen Kritischen Diskursanalyse ist die der „assumptions“ (Fairclough 2003), d. h. Annahmen als eine grundlegende Eigenheit von Texten mit sozialer Relevanz. Während Intertextualität Differenz eröffnet, indem andere ‚Stimmen’ in Texte integriert werden, ist
4.1 Perspektive im sozial-interaktionalen Konzept
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die Funktion von „assumptions“ eine andere: Sie reduzieren Differenz, indem mit ihnen eine kollektive Basis vorausgesetzt wird. Jene impliziten Grundvoraussetzungen bedingen jegliche Form von Gemeinschaft und Solidarität und basieren auf geteilten Bedeutungen. Keine Form sozialer Kommunikation ist ohne diese allgemeine Basis vorstellbar. Fairclough unterscheidet drei Haupttypen von „assumptions“: existenzielle, d. h. Annahmen darüber, was existiert; propositionale, d. h. Annahmen über das, was sein kann oder der Fall sein wird, sowie Annahmen über Werte, welche beinhalten, was gut oder wünschenswert ist (Fairclough 2003, 55f). Während Schein mit seiner Konzeptionalisierung von Basisannahmen ebenfalls von einem Kollektiv geteilte Grundannahmen für die Problembearbeitung in Organisationen voraussetzt, bietet die CDA Faircloughs die für diese Arbeit relevanten textuellen, diskursiven und sozialen Komponenten für die gemeinsame Basis der Interaktion. Auf der Ebene von Texten wird zumindest ein Teil der „assumptions“ anhand ihrer ‚Markierungen’ analysierbar. So markieren Sprecher z. B. existenzielle Annahmen durch bestimmte Artikel oder Demonstrativpronomen. Faktische Annahmen werden durch bestimmte (faktische) Verben angezeigt (z. B. wahrnehmen, vergessen, sich erinnern …). Verben wie ‚helfen’ implizieren z. B. Annahmen in Bezug auf Werte, wie bei: „a good training programme can help develop flexibility“ (ebd. 56), wobei in diesem Beispiel vorausgesetzt ist, dass Flexibilität eine wünschenswerte Entität ist. Dieses Element der Diskursanalyse ist im Hinblick auf perspektivische Wirklichkeitskonstitution in Organisationen unverzichtbar, da nicht nur differierende, sondern auch geteilte Annahmen in Organisationen ‚wirken’, d. h., auf die Darstellung und perspektivisch geleitete interaktive Bearbeitung von Wandel Einfluss haben. Faircloughs Ansatz ergänzt mit der Analyse von ‚Differenzorientierungen’ die Konzeption der Perspektive. Zwar unterscheiden sich die beiden Begriffe hinsichtlich ihrer Tragweite, da der Begriff der Perspektive im Gegensatz zur Konzeption Faircloughs jegliche Handlungsorientierung und -strukturierung umfasst. Mit dem Wissen um beide Ansätze ist festzuhalten, dass Differenz immer zunächst Perspektiven voraussetzt. Faircloughs Kategorisierung ergänzt die Perspektivenkonzeption jedoch insofern, als sie ‚Analysekategorien’ für den Umgang mit Perspektivendivergenzen zur Verfügung stellt. Dies ist insofern vonnöten, als sich sozial-interaktionale Konzepte größtenteils auf die Markierung von Perspektiven und deren Relationierung im Gesprächsverlauf – jedoch ohne Bezug auf gesellschaftliche Diskurse im Sinne von „ways of representing“88 – konzentrieren, wobei der Aspekt der Divergenz nur marginal behandelt wird. Auch der 88
Vgl. die Kontroverse zwischen Konversations- und Kritischer Diskursanalyse (Schegloff (1997, 1999) und Billig (1999)).
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zentrale Aspekt des Umgangs mit Differenz für Texte und Interaktion sowie für soziale Praktiken ist eine hilfreiche Basis für die Untersuchung von Perspektivendivergenzen in innerorganisationaler Kommunikation. Der Ansatzpunkt für die nachfolgende Gesprächsanalyse ist, dass Perspektiven und die Arten des Umgangs mit Differenz vor allem im Kontext organisationalen Wandels eine große Rolle spielen. Ausgegangen wird dabei von zwei Hypothesen: 1.
Die Missachtung von Perspektivendivergenzen sowie die fehlende Annäherung von unterschiedlichen Perspektiven verhindern – laut Baecker (s.o.) – das Wesentliche für Wandel: den ‚konstituierenden’ „Streit“. Mit dieser Missachtung wird es wahrscheinlicher, dass Perspektivendivergenzen, die in der organisationsinternen Kommunikation nicht aufgegriffen und bearbeitet werden, als Großkonflikte aufbrechen, welche sich wiederum auf das Verfolgen einer gemeinsamen Zielsetzung umso erschwerender auswirken.
2.
In dialogischer organisationaler Kommunikation werden Perspektivendivergenzen je nach Organisationskultur mehr oder weniger intensiv bearbeitet. Ein (kontrollierter) Perspektivenabgleich zwischen verschiedenen Organisationsmitgliedern oder Teilöffentlichkeiten der Organisation bzw. ein Perspektivenwechsel oder gar eine Perspektivendynamisierung im Dialog sind Schlüsselkompetenzen für die lernende und somit zur Weiterentwicklung fähige Organisation.89
Perspektivendivergenzen und bestimmte Orientierungen von Organisationsmitgliedern in Bezug auf den Umgang mit divergierenden Sichtweisen stellen einen entscheidenden Faktor für die Integration des sozialen Gebildes der Organisation auf gemeinsame Ziele hin dar. In der empirischen Untersuchung sind die genannten Hypothesen zu prüfen und vor allem das Wie der empirisch vorzufindenden Bearbeitung von Differenzen zu explizieren.
89
Die Bedeutung des Dialogs für die ‚lernende Organisation’ wurde schon in einigen Arbeiten betont (z. B. Argyris 1996, Beucke-Galm 1999 oder Schein 1996).
4.2 Perspektivische ‚Zersplitterung’ in Organisationen
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4.2 Perspektivische ‚Zersplitterung’ in Organisationen Von der Frage nach Differenz und davon ausgehend, auf welche Art und Weise Differenz in Organisationen bearbeitet wird, ist die Beschäftigung damit vonnöten, was genau Differenzen hervorbringt. Es existieren mehrere wissenschaftliche Ansätze, die sich mit Teilsystemen in Organisationen beschäftigen, teilweise unter Einbezug von Aspekten des organisationalen Handelns vor dem Hintergrund von Handlungs-, Einstellungs-, Interessen- oder Machtdivergenzen. Ich wende mich in diesem Unterkapitel vier verschiedenen Theorien zu, um einen Überblick über die zentralen Zugänge zu bieten, welche die Vorstellung von Organisationskultur als mehr oder weniger stimmige Ganzheit in Frage stellen (vgl. Kapitel 3.2): 1. dem Fragmentierungsansatz, 2. der Verteilung von Macht und Interessen aus der Sicht der Kritischen Diskursanalyse, 3. den „Bildern der Organisation“ Kultur und Politik (Morgan 1997, vgl. Mangham 1996), welche potenzielle Teilsysteme einer Organisation implizieren, sowie 4. dem mikropolitischen Ansatz.
4.2.1 Fragmentierungsansätze Im Gegensatz zu einem Einheitsverständnis von Organisationskultur (z. B. vorzufinden bei Schein 1980, der Basisannahmen als integrierenden Faktor in Organisationen beschreibt, oder bei Sackmann 1991, bei der (voneinander abweichende) Kognitionsmuster die Basis der Organisation bilden), betonen Martin (1992) und Alvesson (1993) die Differenzierung und Fragmentierung von Kulturen bzw. Organisationskulturen. Dabei wird von der Dezentralisierung von Macht ausgegangen. Demnach wird Wandel insbesondere auf der Ebene der Subkulturen initiiert und/oder vollzogen. Interessant ist hierbei, dass aus der Fragmentierungsperspektive die Möglichkeit von Konsens generell in Zweifel gezogen wird, da eine derart große Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Perspektiven in modernen Organisationen vorherrscht. Somit wird Heterogenität als Normalfall angenommen. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Subkulturen (nach Alvesson „local cultures“) unterliegen aber einem ständigen Wandel, sodass es zu subkulturellen Verbindungen kommen kann, z. B. durch themenspezifische Zusammenarbeit. Den Ansatz der Fragmentierung integriert Alvesson in die gemeinsame Arbeit mit Willmott, bei der sie Identitätsregulation als Form organisationaler Kontrolle analysieren (Alvesson/Willmott 2002). Sie sehen „managerial“, „cul-
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4 Der Umgang mit organisationaler Differenz
tural communitarian“ und „quasi-autonomous patterns“ (ebd. 636) als verschiedene Möglichkeiten der Identitätskontrolle, wobei Letztere einer Art von ‚Bottom-up-Kontrolle’ („micro emancipation“) gleichkommen (Alvesson/Willmott 1996, zitiert nach Alvesson/Willmott 2002, 636f). Ganz so radikal wie die Fragmentierungsansätze der 1990er Jahre wird hier jedoch nicht mehr formuliert; vielmehr machen die Autoren die Vielfältigkeit von Diskursen und Praktiken der Identitätskontrolle dafür verantwortlich, dass Organisationsmitglieder sich vermehrt einer Kontrolle entziehen können: „The circulation of a plurality of discourses and practices through which identities are formed makes it more likely that identities are only partly or temporarily [Hervorh. der Verfasserin] regulated by management-driven or other group-controlled processes of regulation.” (Alvesson/Willmott 2002, 637)
Dennoch ist hier der ‚multi-diskursive’ Charakter von Organisationen als zentral festzuhalten. Martin (1992) betrachtet in ihrem Modell der Organisationskultur neben dem Aspekt der Integration die Differenzierung und Fragmentierung. In der Differenzierungsperspektive geht sie davon aus, dass Konsens nur auf subkultureller Ebene existieren kann. Differenz kann dagegen auf drei Ebenen auftreten: auf der Ebene von Handlungen, von Symbolen und auf der Ebene der Ideologie. Bezogen auf die erste Ebene führt Martin an, dass inkonsistente Handlungen verschiedener Organisationsmitglieder oder organisationaler Gruppen aus Konflikten zwischen verschiedenen Gruppen innerhalb einer Organisation entstehen oder aber zwischen einer dominanten Gruppe und dem Umfeld in der Organisation. Auf der Ebene der Symbole drückt sich Inkonsistenz beispielsweise im Unterschied zwischen der offiziellen Organisationspolitik und der davon abweichenden Sprache in Subkulturen aus. Ideologische Inkonsistenz kommt dann zutage, wenn sich inhaltliche Themen der Organisationskultur widersprechen.90 Weiterhin sieht Martin Mehrdeutigkeiten und Widersprüche als zentrale Elemente der Organisationskultur (1992, 130-154). Auch hier werden die drei Ebenen betrachtet, gedacht als Beziehungen zwischen Kulturelementen in komplexen Organisationskulturen. Demnach entsteht Handlungsambiguität durch zu komplexe Beziehungen zwischen Werten und damit verbundenen Handlungen oder durch fehlende Informationen über diese Beziehungen und so letztendlich über das Wissen darüber, was die richtige Handlung ist. Symbolische Ambiguität bedeutet in dieser Perspektive, dass Kulturformen immer über unterschiedliche Bedeutungen verfügen, abhängig vom Kontext. Der Begriff der ideologischen 90
Die Perspektive der differenzierten Organisationskultur ist geeignet für die Untersuchung großer, dezentralisierter Organisationen in stabilen, aber segmentierten Umwelten (Martin 1992, 170f).
4.2 Perspektivische ‚Zersplitterung’ in Organisationen
109
Ambiguität drückt aus, dass in den Beziehungen zwischen verschiedenen inhaltlichen Themen ebenfalls Mehrdeutigkeiten und Unklarheiten auftreten. „From a Fragmentation perspective, then, an organizational culture is a web of individuals, spradically and loosely connected by their changing positions on a variety of issues. Their involvement, their subcultural identitites, and their individual selfdefinitions fluctuate, depending on which issues are activated at a given moment.” (Martin 1992, 153)
4.2.2 Verteilung von Macht und Interessen aus Sicht der CDA Radikaler als die Fragmentierungsperspektive vertritt die Kritische Diskursanalyse (vgl. Fairclough 1992, 1995, 2003) die Ansicht, dass eine einschneidendere Differenzierung vorzufinden ist als nur eine Vielfalt von Interessen und die diffuse Verteilung von Macht. Ungleichheit wird demnach vorangetrieben durch die wachsende organisationale Normierung sowie durch die Differenzierung beruflicher Rollen und Statusgruppen. Nach der Konzeptualisierung der Kritischen Diskursanalyse führt dies unausweichlich zu Konflikten der verschiedenen Interessensgruppen einer Organisation. Normierung findet nach Faircloughs Ansatz im Zuge von dominanten Diskurspraktiken statt, welche in der Organisation weitläufig als ‚normal’ und üblich aufgefasst werden. In Organisationen kommt es somit zu einem Nebeneinander von dominanten sowie von marginalisierten Diskurspraktiken. Ihr Zusammenspiel ergibt die Ordnung des Diskurses, wobei eine permanente Auseinandersetzung um die dominante Position in Organisationen stattfindet. Soziokulturelle Praktiken werden durch Faktoren beeinflusst, welche vom unmittelbaren Kontext, der jeweiligen Organisation und der Gesellschaft im Gesamten ausgehen. In Bezug auf die Gesellschaft geht Fairclough in Nachfolge von Gramsci davon aus, dass Machtausübung von Gruppen oder Gesellschaftsklassen mehr durch Integration als durch Unterwerfung geschieht. Wenn dies, wie von Fairclough vorgebracht, in modernen Gesellschaften die häufigste Form von Machtausübung ist (1992, 94), so lässt sich diese Annahme auch auf die Organisation an sich übertragen. Wird diese gedankliche Übertragung von der Gesellschaft und von Institutionen in den organisationalen Kontext hinein weitergeführt, so bedeutet dies, dass auch in Organisationen eine dynamische Ausein-andersetzung um Hegemonie vonstatten geht – und das am intensivsten an Bruchlinien von organisationalen Gruppen und infolge der Destabilisierung von sozialen und diskursiven Praktiken. Machtunterschiede und die Ausdehnung bzw. Auseinandersetzung um Macht manifestieren sich also in sozialen Praktiken, diskursiven Praktiken und Texten. Konflikte sind aus dieser Perspektive eine Folge von (hegemonialer) Normierung, die von wenigen Indi-
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4 Der Umgang mit organisationaler Differenz
viduen in der Gesellschaft oder Organisation ausgeht, und nicht die Folge von strukturell bedingten Subkulturen.
4.2.3 Die Kultur- und Politikmetapher An dieser Stelle werden zwei der von Morgan (1997) beschriebene „Bilder der Organisation“ erläutert, welche gängige Perzeptionsmuster in und von Organisationen darstellen und ebenfalls den Blick auf die ‚Zerstückelung’ von Organisationskulturen richten: die Kulturmetapher sowie die Organisation als politisches System. Zunächst zur Kulturmetapher: Die von Morgan (1997) beschriebene Kulturmetapher weist ebenfalls interessante Aspekte für die Betrachtung von Organisation im Sinne perspektivischer Teilsysteme auf. Morgan verweist in dem Zusammenhang auf parallele Entwicklungen in Gesellschaft und ‚Organisationsgesellschaft’. Die neueren Entwicklungen in Organisationen gehen demnach einher mit der Auflösung traditioneller Ordnungen. Interessant ist hier der Verweis auf fragmentierte und differenzierte Überzeugungen und Handlungen, welche kollektive Ideale und Werte ablösen. Nicht zuletzt entspringe diese Entwicklung auch aus der Beschäftigungsstruktur der neuen Gesellschaft. Dieser Verweis auf die Abhängigkeit von Differenzierung auf der einen Seite und Tätigkeiten auf der anderen ist ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit kultureller Vielfalt in Organisationen: Fragmentierung kann auch mit der Struktur und den Funktionen in einer Organisation, der ‚Aufbauorganisation’, begründet werden. Mit der Zerlegung von Aufgaben in Verbindung mit rationaler Organisation kommt es zu einer Fragmentierung von Perspektiven und Rationalitäten – d. h., ein Sachzusammenhang erhält verschiedene Gesichter.91 Laut Morgan können Organisationen als Gebilde unterschiedlicher MiniGesellschaften gesehen werden, die über ihre eigene deutlich erkennbare Kultur92 und über Subkulturen verfügen. Fragmentierte Kulturen zeichnen sich für
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92
Problematisch ist hierbei zu sehen, dass die an unterschiedliche funktionale Standorte gebundenen Perspektiven von keinem Organisationsmitglied in ihrer gesamten Komplexität überblickt werden können. Die Integration der vielfältigen Perspektiven nach einer als wahr ernannten Rationalität kann jedoch auch nicht das Ziel sein. Das käme einer gleichmachenden Verschmelzung gleich, welche abgesehen davon auch utopisch wäre. Erschwerend kommt hinzu, dass in Organisationen oftmals Anreize gelten, partikulare Aufgabeninteressen zu verfolgen, was nur zu oft zu Konflikten mit den gemeinsamen Zielen der Organisation führt. Morgan definiert Kultur folgendermaßen: Es handelt sich dabei um einen „Prozess der Realitätskonstruktion, die es Menschen ermöglicht, bestimmte Ereignisse, Handlungen, Gegenstände, Äußerungen oder Situationen differenziert zu erkennen und zu verstehen. Diese Verständ-
4.2 Perspektivische ‚Zersplitterung’ in Organisationen
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Morgan aber nicht nur durch die Aufteilung in verschiedene Subkulturen aus, sondern möglicherweise auch durch ‚fragmentiertes Handeln’: nämlich dann, wenn sich Reden und Tun unterscheiden. Entscheidend für den Fortgang dieser Arbeit ist Morgans Erkenntnis, dass es in Organisationen nicht die eine Kultur gibt, sondern „viele verschiedene und miteinander in Konkurrenz stehende Wertesysteme, die eher ein Mosaik von Organisationsrealitäten und keine einheitliche Unternehmenskultur ergeben“ (Morgan 1997, 179). Facetten davon sind z. B. die Weltsichten unterschiedlicher Berufsgruppen, welche zu Perspektivendivergenzen führen können, oder Experten-Subkulturen, die schon allein durch fachsprachliche Differenzen Schwierigkeiten bei der Verständigung mit anderen Subkulturen haben können. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum Organisationen oftmals große Anstrengungen in die Entwicklung gemeinsamer Auffassungen von Realität stecken. Morgan spricht in diesem Kontext von „Inszenierung einer gemeinsamen Realität“. Mit diesem Ansatz hebt er hervor, dass organisationale kulturelle „Gebrauchsgegenstände“, wie Regeln, Ziele oder Handlungsanweisungen, dazu beitragen, „die kontinuierliche Realität innerhalb einer Organisation zu prägen“ (ebd., 187). Nun zur Betrachtung von Organisationsphänomenen aus der politischen Perspektive: Eines der „Bilder“ Morgans, das oftmals für die Interpretation von Organisation gebraucht wird, ist die „Organisation als politisches System“ (ebd.). Hierbei ist zentral, dass Interessen Organisationsmitglieder dazu veranlassen, so oder so zu handeln. Interessen werden dabei als „komplizierte Anordnung von Veranlagungen“ definiert, „die Ziele, Werte, Wünsche, Erwartungen und andere Orientierungen und Neigungen umfassen“ (Morgan 1997, 213). Widerstreitende Interessen, im Einzelnen Aufgabeninteressen, Karriereinteressen und Außeninteressen, sind aus dieser Sicht omnipräsent und lassen für jedes Organisationsmitglied seine Aufgabe von selbst politisch werden. Die allgegenwärtige Aufspaltung von Interessen führt dazu, dass die Organisation als Gesamtgebilde häufig mit einem Minimum an Konsens funktionieren muss. Die Strategie der Koalitionsbildung ist ein wichtiges Mittel, um eigene Interessen durchzusetzen. Macht entscheidet aus dieser Sicht letztendlich über den Ausgang der Interessenskonflikte. Morgan nennt etliche Machtquellen; an dieser Stelle soll jedoch aus dem vorhandenen Forschungsinteresse auf nur eine hingewiesen werden: „Symbolismus und das Management von Bedeutungen“ (ebd., 229). Dabei geht es darum, andere Individuen dazu zu bringen, Handlungen umzusetzen, welche für die eigenen Interessen dienlich sind. Morgan unterscheidet in dieser Hinsicht zwei Führungsstile: den der autoritären Führungspersönlichkeit, die Beschäftignismuster bilden auch die Grundlage für eigenes sinnvolles und bedeutsames Verhalten“ (1997, 181).
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4 Der Umgang mit organisationaler Differenz
ten ihre eigene Realität ‚verordnet’, und den von demokratisch eingestellten Führungskräften, deren Ziel es ist, dass Mitarbeiter Situationen aus den Einstellungen anderer heraus entwickeln. Der Einfluss im Sinne des letztgenannten Führungsstils ist viel subtiler und wird daher als symbolisch bezeichnet. Das „Bild der Organisation“ im Sinne eines politischen Systems entspricht der mikropolitischen Perspektive, welche im folgenden Absatz expliziert wird.
4.2.4 Mikropolitische Ansätze Der Begriff der Politik aus der Politologie steht für die Regelung von öffentlichen Angelegenheiten, d. h. von Staatsangelegenheiten. Im engeren Sinne wird der Begriff auch über den Einsatz und die Ausprägung von Macht definiert. Überträgt man diese beiden Aspekte wie z. B. Crozier/Friedberg (1979), Neuberger (1995) oder Küpper/Ortmann (1988) auf Organisationen, so geht es, durch die politische Brille gesehen, einerseits um grundlegende Entscheidungen und Strategien, oftmals auch ‚Unternehmenspolitik’ genannt. Andererseits – bezogen auf den Machtaspekt – liegt das Interesse im Zustandekommen von Entscheidungen, d. h. in dem Streben danach, grundlegende Entscheidungen zu beeinflussen und auf deren Basis schließlich Mittel zu verteilen. Dabei wird davon ausgegangen, dass Organisationen immer auch Grauzonen aufzuweisen haben, innerhalb derer individuelle Interessen verfolgt werden können – abseits der zweckrationalen Organisation. Somit wird die Existenz von Handlungsspielräumen93 eingeräumt. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass sich das Handeln in Organisationen an Interessen orientiert. Unter Unständen stimmen diese aber nicht mit denen anderer Akteure überein. Neuere Ansätze betrachten die Individuen der Organisation als strategisch handelnde und kreative Akteure. Streben nach Macht ist eng mit dieser Perspektive verbunden, dennoch ist nicht alles und jedes als Machtfrage zu verstehen. Die Unterscheidung von Politikkonzepten nach drei verschiedenen Ebenen ist insofern hilfreich, als sie die ‚individuelle Politik’ einzelner Organisationsmitglieder, ordnungsbildende Strukturen vor allem zur Machtgenerierung und -erhaltung sowie Interdependenzen zwischen staatlicher Politik und Organisationen differenziert (vgl. Alt 2005, 304ff): die Mikropolitik, Mesopolitik und 93
Vertreter der neueren politischen Ansätze verwenden in diesem Kontext den Begriff der „Kontingenz“. Damit ist gemeint, dass etwas in einer bestimmten Art oder auch anders möglich ist, was nicht bedeutet, dass Prozesse beliebig verlaufen können. Denn Umwelteinflüsse und organisationale Rahmenbedingungen stellten, so die Vertreter der neueren politischen Ansätze, Prämissen dar, an die angeknüpft werden kann oder muss. Da diese Einflüsse aber wahrgenommen und interpretiert werden müssen, eröffnen sich Handlungsspielräume.
4.2 Perspektivische ‚Zersplitterung’ in Organisationen
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Makropolitik. Bei der Mikropolitik kann noch einmal unterschieden werden zwischen egoistischem Handeln zu Lasten der Interessen anderer (als Ausnahmefall) sowie zwischen dem alltäglichen Handeln, um Handlungsspielräume durchzusetzen und die eigene Identität abzusichern. Aus letzterer Perspektive hat der Begriff Politik keine negative Konnotation, vielmehr sind hier die Regulationsmechanismen in Organisationen von Interesse. In Bezug auf den mikropolitischen Ansatz existieren wiederum verschiedene Betrachtungsweisen: 1.
Akteure, ihre mikropolitischen Taktiken und Interaktionen in Organisationen: diese Perspektive ist insbesondere individualistisch-verhaltenswissenschaftlich geprägt und wird deshalb von Alt als „Nahsicht“ bezeichnet (Alt 2005, 306); von Interesse sind Verhaltensmuster, mit denen Akteure versuchen, andere Akteure zu beeinflussen.94 Interessant ist hier unter anderem Neubergers Ansatz (1995), der zwischen zwei Beeinflussungstaktiken unterscheidet: einerseits nennt er offene und authentische Beeinflussungsversuche, andererseits solche, die in Täuschungsabsicht erfolgen.
2.
die Mikropolitische Organisationsanalyse (ein Überblick s. Alt 2005, 312ff): bei diesem Ansatz soll die Machtorientierung in ihrer Begrenztheit überwunden werden, indem der handlungstheoretische Ansatz um strukturelle Aspekte erweitert wird. In dieser Strömung wird interessegeleitetes und politisches Handeln als Normalität und als jedem interaktiven Handeln inhärent betrachtet.
3.
die Strategische Organisationsanalyse nach Crozier und Friedberg: in ihrem Konzept der Machtspiele entwickeln Crozier und Friedberg die Verbindung zwischen Struktur und Handeln und ermöglichen so die Integration von strukturell zugeordneten Kontroll- und Entscheidungsspielräumen, den Strategien der Akteure zur Steuerung dieser Spielräume und den Machtpositionen in einer Organisation. Die Untersuchung bleibt nicht bei den individuellen Handlungsstrategien stecken, sondern behandelt auch die Vernetzung der unterschiedlichen Strategien, mit denen die Zusammenarbeit geregelt wird (vgl. Crozier/Friedberg 1979). Die „Spieler“ (Akteure) haben zwar gewisse Freiheiten, sie können in der Organisation aber nur erfolgreich sein, wenn sie „auferlegte Zwänge zumindest teilweise akzeptieren“ (ebd., 68). Die Autoren unterscheiden vier Machtquellen, wobei Macht als die Kontrol-
94
Vertreter dieser Perspektive, die mikropolitische Taktiken untersucht haben, sind beispielsweise Horst Bosetzky, die US-Amerikaner David Kipnis und Mary A. Yukl oder Rolf Wunderer und Jürgen Weibler, welche sich im Gegensatz zu den vorangegangenen Studien auch für die Einflussnahme von „unten nach oben“ interessieren.
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4 Der Umgang mit organisationaler Differenz
le organisationaler Unsicherheitszonen gesehen wird: a) die Beherrschung eines spezifischen Sachwissens, b) die Beziehung zur Umwelt (ebenfalls im Sinne eines Expertentums), c) die Kontrolle von Informationen und Kommunikationskanälen und d) allgemeine organisatorische Regeln. 4.
die mikropolitische Organisationsanalyse nach der Forschergruppe um Ortmann und Küpper (Küpper/Ortmann 1988): auf Basis des Ansatzes von Crozier/Friedberg erweitern die Forscher die genannten Machtressourcen um Regeln der Wahrnehmung und Formgebung, Regeln der Sinnkonstitution, der Sanktionierung sowie organisatorische Ressourcen, ökonomische und technische Ressourcen. Ein wichtiger Aspekt der Untersuchungen ist der, dass Macht sich auch konsensgestützt verstetigen und reproduzieren kann.
5.
Innerbetriebliche Handlungskonstellationen nach Weltz und Lullies (1983): Die Autoren entwickeln anhand von Fallstudien zur ‚Einführung Organisierter Textverarbeitung’ die Erkenntnis, dass die Konstellation von Gestaltungsträgern und deren Interessen im Implementierungsprozess zu Interessensdivergenzen in Organisationen führt.
Vor allem die Betrachtungsweise von Organisationen aus der mikropolitischen Warte lässt auf die Vielzahl von individuellen und gruppenspezifischen ‚Spielarten’ interessegeleiteten Handelns in Organisationen schließen. Wenn es, wie in einigen Ansätzen angenommen, in jeder Organisation permanent darum geht, grundlegende Entscheidungen zu beeinflussen, verweist dies auf den Facettenreichtum in innerorganisationalen Entscheidungsprozessen, d. h. auf perspektivisch geleitetes Handeln in Organisationen. Dass vor allem Wandlungsprozesse von möglicherweise konkurrierenden, in jedem Fall aber doch verschiedenen Perspektiven geprägt sind, liegt auf der Hand: neue ‚Spielarten’ werden alten gegenübergestellt, gängige Interessen konkurrieren mit denen des intendierten Wandels etc. Dementsprechend können auch und gerade Wandlungsprozesse in Organisationen durch die mikropolitische Brille betrachtet und teilweise erklärt werden. In der vorliegenden Untersuchung interessieren perspektivengeleitete Darstellungen von Wandel und deren ebenfalls perspektivengeleitete Bearbeitung. Sicherlich verfolgen die Wandel-Akteure auch politische Ziele, doch erweitere ich den Blick auf sprachliche Handlungsmuster und sprachlich-strukturelle Bedingtheiten beim Sprechen über Wandel sowie auf das daraus resultierende Handeln. Macht- und Interessendivergenzen, die sich in diskursiven Praktiken manifestieren, sind ein wichtiger Aspekt bei der Analyse von acting, representing und being im Kontext organisationalen Wandels. Neben der Kritischen Diskursanalyse bieten gesprächsanalytische Arbeiten anschlussfähige
4.2 Perspektivische ‚Zersplitterung’ in Organisationen
115
Ansätze zur Analyse von dominanten organisationalen Sprachhandlungsmustern, so z. B. Thimm/Kruse (1991), die soziale Macht und ihre interaktive Ausprägung behandeln, oder Thimm (1990), die aus ihrer empirischen Untersuchung zu Dominanz und Sprache unter anderem die Schlussfolgerung zieht, dass interaktive Dominanz mittels strategischer Handlungen erzielt werden kann (ebd., 232) und dass dominanzbeanspruchende und -gewährende Phasen bei verschiedenen Sprechern im Wechsel auftreten (ebd., 233).
5 Zentrale Anschlussmöglichkeiten an die theoretischen Konzeptionen
Alle bisher erläuterten Ansätze liefern interessante Erkenntnisse als Basis für die Analyse von Texten, diskursiven und sozialen Praktiken in Veränderungsprozessen – jedoch im Sinne von Einzelbausteinen, welche das Feld der Sprache im Kontext organisationalen Wandels aufgrund ihres anderen Erkenntnisinteresses nicht (ausreichend) abdecken können. In den Kapiteln 1.1 und 1.4 wurden soziokulturelle Veränderungen angeführt, die Auswirkungen auf das Handeln von Organisationen haben und die auf der Interaktionsebene innerhalb von Organisationen Spuren hinterlassen. Es wurde dargestellt, dass hierbei je nach Art der organisationalen Interaktion die Organisationsstrukturen reproduziert, aber auch verändert werden können. Es wurde aufgezeigt, dass Kommunikation im Rahmen der vorliegenden Arbeit als „das ‚Lebensblut’ von Organisationen verstanden wird, durch das Organisation überhaupt erst möglich wird“ (Malik 1992, 77). Diese Sicht auf Kommunikation in organisationalen Wandlungsprozessen stellt eine grundlegend andere dar als die in Kapitel 1.4 dargestellte. Wandelansätze behandeln das Verhältnis von Gleichgewicht und Ungleichgewicht in Organisationen, jedoch ohne die gedankliche Verknüpfung mit Effekten auf innerorganisationale Interaktion. Der Aspekt des „Handlungssystems Organisation“ (Crozier/Friedberg 1993) bietet eine grundlegende Sicht auf das Untersuchungsfeld, der ich mich insofern anschließe, als den ‚eigenmächtigen’ und interessegeleiteten Akteuren innerhalb geregelter organisationaler Strukturen gewisse Handlungsfreiräume zur Verfügung stehen, und als die Dynamik in Veränderungsprozessen einer Logik von Verhaltensweisen zuzuschreiben ist. Aus diesem Grund ist für die vorliegende Arbeit die Untersuchung von Perspektiven im Sinne von ‚Handlungsorientierungen’ entscheidend, da diese m. E. die IstSituation einer Organisation in Bezug auf die kulturellen Frames und die „Denkund Erkenntnisprozesse auf individueller Ebene“ (Levy/Merry 1986) explizieren. Die Ansätze des Organisationalen Lernens bieten vor allem die Erkenntnis, dass dem Zweischleifen-Lernen als Voraussetzung für die Bewältigung dynamischer Umwelten ein Infragestellen bisheriger Normen vorausgehen muss. Auch
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5 Zentrale Anschlussmöglichkeiten an die theoretischen Konzeptionen
dies bestätigt aus Praxissicht die Relevanz einer adäquaten Ermittlung der Routinen und Muster in Organisationen. Zum Lernaspekt tritt unweigerlich der des Sinns bzw. der Sinnstiftung in Organisationen hinzu, da sowohl individuelle als auch kollektive Sinnstiftungsprozesse Lernprozesse fördern oder vereiteln können. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Sinngenerierung für die Initiierung und Verankerung von intendierten Veränderungen, findet doch in tiefgreifenden Veränderungsphasen grundsätzlich eine Desorientierung von Organisationsmitgliedern statt. Sinnstiftungsprozesse nehmen dadurch eine umso wichtigere Rolle ein. Konstruktivistische Konzeptionen rücken die individuelle und kollektive Wirklichkeitskonstitution ins Zentrum – vor allem durch Sprache – sowie die potenzielle Verschiedenheit der Wandel-Konstrukte unterschiedlicher Organisationsmitglieder. In Ansätzen der Organisationalen Kultur oder des Symbolismus werden die Analysemöglichkeiten und die Gestaltbarkeit von Unternehmenskultur diskutiert. Vor allem die Annahme eines „Systems von Basisannahmen“ (Schein 1980) und ihrer Wechselbeziehungen zu anderen Elementen der Organisationskultur ist ein Ansatz, der Interdependenzen mit der vorliegenden Untersuchung von Perspektiven hat. Mittels der daran anschlussfähigen Konzeption Faircloughs der „assumptions“ (2003, 41ff), d. h. von Annahmen, welche eine kollektive Basis für soziale Interaktion einnehmen, sind implizite Wissenshintergründe anhand von Texten analysierbar. Die verschiedenen Konzeptionen der Organisationstheorie lassen sich hinsichtlich ihres Verständnisses einer mehr oder weniger einheitlichen Organisationskultur differenzieren (‚Fragmentierung’ oder ‚Einheitskultur’). Ich gehe davon aus, dass sowohl Kohärenz bildende als auch ‚fragmentierende Kräfte’ in Organisationen existieren. Die ‚Strömung’ Organisationaler Diskurs stellt für diese Untersuchung folgende zentrale Basis zur Verfügung: die Sicht auf Sprachgebrauch als Handeln in einem bestimmten Kontext und als Konstitution von Wissensstrukturen. Die Konversationsanalyse sowie die Kritische Diskursanalyse mit ihrem Anspruch, eine soziale Theorie der Sprache zu bilden, schaffen entscheidende, vor allem methodologisch hilfreiche, Beiträge für die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Wandel, wobei Fairclough als Vertreter der CDA die größte Vorarbeit zu diskursivem Wandel geleistet hat (z. B. 1992). Mit dem Begriff der Perspektive schließlich wird es möglich, eine ‚Unterkategorie’ des recht unscharfen Begriffes ‚Organisationswirklichkeit’ und die theoretische Grundlage für die Bestimmung der soziokulturellen Standorte von Wandel-Akteuren zu bilden. Mit dem Perspektivenbegriff kann in der Unter-
5 Zentrale Anschlussmöglichkeiten an die theoretischen Konzeptionen
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suchung der vereinheitlichende Charakter des Begriffes Organisationswirklichkeit zugunsten einer differenzierteren Sicht auf diese ‚Wirklichkeit’ überwunden werden. In diesem Verständnis gilt der ‚Sehepunkt’ in der Organisationswirklichkeit als Grundlage für die Wirklichkeitskonstruktion, d. h. für das Handeln im Kontext von organisationalem Wandel. Auch hier bildet der Prozessund Konstruktions-Charakter oben genannter Ansätze die Ausgangsbasis für die Betrachtung, d. h., auf Basis des sozial-interaktionalen Konzepts können die ‚Hervorbringung’ und ‚Weiterverarbeitung’ von Perspektiven (perspective setting und perspective taking) untersucht werden. Dies verspricht einen Beitrag zur Standortbestimmung von ‚Teilsystemen’ sowie des ‚Gesamt-Konstrukts des organisationalen Wandels’, jedoch aus einer dynamischen und prozessualen Warte.
6 Fallbeispiel: Ein Prozess der ‚Verschlankung’
Die Fragestellung dieser Arbeit – nämlich welche Anstrengungen und Strategien von Treibern zur Darstellung des Wandels verfolgt werden und wie solche Darstellungen in der innerorganisationalen Kommunikation vor dem Hintergrund der eigenen Rationalitäten aufgegriffen und weiterverarbeitet werden – wird an einem konkreten Fallbeispiel untersucht, und zwar am Prozess zur Einführung von Lean Production in einem Produktionswerk. Um die Ausgangslage dieses intendierten Wandels verstehen zu können, wird in diesem Kapitel zunächst der Kontext des Prozesses in aller Kürze skizziert: das Konzept der Lean Production. Zunächst ein paar einführende Worte zur Verwendung von Begriffen: Hinsichtlich der Wortbedeutungen von Lean Production und Lean Management besteht teilweise Verwirrung, bzw. sie werden unscharf verwendet, und zwar meist polysemisch. Oder aber die beiden Begriffe werden als Synonyme gebraucht. So werden z. B. in Publikationen, die sich mit Lean Management beschäftigen, ausschließlich Produktionsverfahren behandelt (z. B. Wildemann 1996). Dennoch hat sich eine Differenzierung der beiden Begriffe etabliert: Lean Production steht für die Verschlankung von Fertigungs- und Montageprozessen (hierbei wird seit Ende der 1990er Jahre auch von Lean Manufacturing gesprochen), während Lean Management hauptsächlich für administrative Bereiche verwendet wird. In Kapitel 1 wurde bereits ausgeführt, dass sich Organisationen mit neuen Anforderungen konfrontiert sehen und sich als Ziel setzen, ihre Ausrichtung und Aktivitäten an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Das seit den 1980er Jahren bekannte Managementkonzept Lean Production verspricht Verbesserungen in den drei zentralen Erfolgsfaktoren der Industrie: Qualität, Kosten und „time to market“ (Zeit). Den Startschuss für den durchschlagenden Erfolg dieses Konzepts gab die von Womack, Jones und Roos (1992) entwickelte MITStudie. Womack et. al. sehen den Grund für den Erfolg japanischer Automobilhersteller darin, dass diese ihre Organisation und Produktion an Erfolg versprechenden Prinzipien ausrichteten. So ist es auch im Konzept Lean Production das Ziel, Unternehmen generell und umfassend zu ‚verschlanken’. Dabei gehen die
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6 Fallbeispiel: Ein Prozess der ‚Verschlankung’
Autoren davon aus, dass auch in westlichen Unternehmen die Ressourcen um die Hälfte reduziert werden können (Womack/Jones/Roos 1992). Seit dem Erscheinen dieses ‚Klassikers’ hat sich eine breite und bis heute geführte Diskussion in der Theorie und Praxis um diese Thematik entfacht. Vor allem die populärwissenschaftliche Literatur avanciert das Konzept zum Allheilmittel: Lean Production sei in der heutigen Zeit unverzichtbar für jedes internationale Unternehmen, und die Zulieferer müssten in diese Philosophie eingeschlossen werden. Der Ansatz wird als das Mittel zur Erhöhung von Produktivität und Flexibilität und somit zur Sicherung des Überlebens für die Industrie rezipiert. Baecker (2003, 61 ff) verweist in seinem Werk „Organisation und Management“ auf die bedeutsame Verschränkung von Lean Production und Kommunikation: es handle sich bei dieser Managementfokussierung um die Wiederentdeckung der Arbeit als Kommunikation, „eine Wiederentdeckung allerdings, die nicht auf Humanisierung, sondern auf Technologisierung zielt“ (ebd.). Hierzu Baecker: „Als die entscheidenden Elemente der lean production nennt die berühmte MIT-Studie von James P. Womack, Daniel T. Jones und Daniel Roos (1990) Persönlichkeit, Teamarbeit und Simultaneität: Man könnte alle vier Elemente auf ihr drittes reduzieren, denn unter „Persönlichkeit“ wird eine Form der Engführung (Adressierung) von Kommunikation verstanden, die ein ansonsten unauflösbares, das heißt unverfügbares Konglomerat von Kompetenz, Motivation, Loyalität, Kreativität und beeinflussbarer Unbeeinflussbarkeit (vulgo: Person) bezeichnet. Teamarbeit als auch Simultaneität implizieren Kommunikation. Unter dem Element der Kommunikation schließlich verstehen die Autoren der Studie selbst nur die Offenlegung möglicher Konflikte. Sie reduzieren damit die Kommunikation auf die Initiierung und Beilegung von Streitfällen. Alles andere wird nicht als Kommunikation angesehen und kann insofern als Sozialtechnologie der reibungslosen Gestaltung von Produktionsabläufen verstanden werden. Lean production ist jedoch auch diesseits möglicher Konflikte Kommunikation insofern, als die Organisation der Arbeit vollständig darauf abstellt, innerhalb eines Betriebs im Prinzip alle Arbeiter über Anzeigetafeln über im Prinzip alle Abläufe im Betrieb im Prinzip laufend zu informieren.“ (Baecker 2003, 61f).
Dieses Zitat repräsentiert eine analytische Sicht auf Lean Production, welche herausarbeitet, dass in der genannten MIT-Studie Kommunikation vor allem in der Funktion Beheben von Störungen des Betriebs (wie z. B. Maschinenausfälle oder Qualitätsprobleme) beschrieben wird. Zusätzlich stellt Baecker fest, dass die schlanke Produktion für jede Störung anfällig ist. Wenn beispielsweise keine Puffer in der Lagerhaltung vorhanden sind, können Engpässe im Produktionsprozess nicht kaschiert werden. Jene ‚Störanfälligkeit’ ist im Konzept Lean Production gewollt, da sie Übertretungen der ‚schlanken Philosophie’ sichtbar macht. Basierend auf dieser Erkenntnis
6.1 Zielsetzungen des Prozesses
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konstatiert Baecker, dass eben diese Störanfälligkeit auch noch erhöht wird, um „auch die Notwendigkeit und Bereitschaft rascher Abhilfemaßnahmen zu steigern“ (ebd.). Ungeachtet solcher Kritiken ist in den vergangenen 15 bis 20 Jahren zu beobachten, dass sich die europäische Industrie zunehmend an den propagierten Prinzipien ausrichtet. Der Wirtschaftswissenschaftler Ortmann sieht den Erfolg dieser Theorie im Zusammenspiel verschiedener Ursachen begründet: einerseits in der Rentabilitätskrise der US-amerikanischen und westeuropäischen Automobilindustrie und der darin liegenden Aufmerksamkeit für Produktivitätsprobleme, andererseits aber auch in der „Erschöpfung des interpretativen und legitimatorischen Potenzials des Taylorismus, (…) [der] Ermüdung der Managerhoffnungen auf Organisationskulturmanagement, eine[r] beträchtliche[n] Irritation bis dato grassierender Technikgläubigkeit angesichts diverser CIM- und PPS-Ruinen“ (Ortmann 1995, 409). Besonders interessant für den vorliegenden Kontext der perspektivischen Wirklichkeiten in Organisationen sind seine weiteren Ausführungen, in denen er im Zuge all dieser Entwicklungen die Metapher ‚schlanke Produktion’ als passgenau für die kognitive Ordnung in Organisationen ansieht, da sie den Gegenpol zu „Verfettung“ oder „Verkalkung“ (ebd.) bilde. Weiterhin passe das Konzept zu „konservativen wirtschaftspolitischen Abneigungen gegen Industriepolitik“ (ebd.). Hier scheint also genau zur richtigen Zeit genau das richtige Konzept verbreitet worden zu sein, das bis heute nichts an seiner Popularität eingebüßt hat. Doch was genau verbirgt sich hinter den Begriffen Lean Production bzw. Lean Management? – Es existiert zwar vor allem aus den 1990er Jahren eine Fülle an Literatur zu der Thematik, dabei hat sich aber keine klare Begriffsdefinition herausgebildet. Im an den von Womack et al. anschließenden Diskurs finden sich viele Leitfadenpublikationen (vgl. z. B. Nedeß 1995). Empirische Studien zu tatsächlichen Einführungsprozessen liegen aber kaum vor. Die innerhalb des Konzepts verfolgten Ziele sollen im folgenden Kapitel zur besseren Einordnung erläutert werden.
6.1 Zielsetzungen des Prozesses Das Konzept der Lean Production im Allgemeinen zielt auf eine Gewinnsteigerung und den Existenzerhalt von Unternehmen. Das wohl zentrale Ziel stellt die Vermeidung von überflüssigen Kosten durch „Überkomplexität“ (Groth/Kammel 1994, 31) dar. Im Mittelpunkt steht hierbei der permanente Fokus auf den so genannten Wertschöpfungsprozess (den ‚Wertstrom’). Bedingung für die Ver-
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6 Fallbeispiel: Ein Prozess der ‚Verschlankung’
meidung von Überkomplexität sei die Analyse aller Tätigkeiten eines Unternehmens, von der Auftragsannahme bis zur Endauslieferung des Produkts (oder gar darüber hinaus, wie bei After-Sales-Aktivitäten). Lean Production unterscheidet sich darin wesentlich von klassischen Produktionskonzepten, dass die unternehmerischen Funktionen im Gesamtzusammenhang betrachtet und vor allem unter Berücksichtigung der Schnittstellen behandelt werden – also in einer klaren Absage gegenüber einer Funktionsbereichsperspektive. Die Vertreter des Konzepts unterscheiden direkte und indirekte Tätigkeiten in einem Unternehmen, wobei sich die indirekten Tätigkeiten, wie z. B. das Controlling oder die Logistik, den ‚wertschöpfenden’ Tätigkeiten nachzuordnen haben. Zwei Merkmale von schlanken Unternehmen sollen laut Womack et al. zum Erfolg führen: 1. die Verantwortungsverlagerung, d. h. das Übertragen eines Maximums an Aufgaben auf jeden einzelnen Mitarbeiter, welche tatsächlich wertschöpfend sind, und 2. eine systematisierte Fehlerentdeckung, um schnellstmöglich Ursachen von Fehlern auf die Spur zu kommen (vgl. Womack et al. 1992, 103). Wesentlich sind auch ein neues Führungsverständnis und neue Organisationsstrukturen, welche es zulassen, Verantwortlichkeiten an den ‚Shopfloor’, d. h. die eigentliche Produktionsstätte, zu übertragen. Ein verändertes Verständnis deshalb, da die veränderten Verantwortlichkeiten zwangsläufig zu einer Verflachung der Hierarchien führen. Eine Möglichkeit für diese Übertragung ist die vielfach propagierte ‚Gruppenarbeit’ zur Steigerung des Problembewusstseins und des Verantwortungsgefühls. Innerhalb dieser Gruppen soll insbesondere der Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) gelebt werden, ein weiterer zentraler Baustein von Lean Production. Der Ursprung des KVP-Konzepts liegt in dem Verbesserungsbewusstsein japanischer Unternehmen, dem so genannten KaizenPrinzip, nach dem jeder Mitarbeiter seinen eigenen Arbeitsplatz und seine Arbeitshandgriffe ständig verbessert. Spätestens hierbei wird deutlich, wie stark sich dieses Konzept von den Grundprinzipien der tayloristischen Arbeitsgestaltung abgrenzt, werden doch Planung und Ausführung nicht mehr getrennt. Das neue Rationalisierungsmodell bildet die Abkehr von traditionellen Verständnissen, da Rationalisierung nun nicht mehr von oben initiiert werden und Erfahrungswissen der Mitarbeiter am Produktionsort direkt zum Einsatz kommen soll. Mittlerweile ist KVP in bestimmten Sparten der Industrie bereits flächendeckend eingeführt; es gewinnt in verschiedensten Branchen sowie in mittelständischen Unternehmen an Bedeutung (vgl. Howaldt et al. 1998, 7). Auch der Veränderungsprozess, der als Fallbeispiel in der zu untersuchenden Organisation dient, stellt einen der eingangs genannten Anpassungsmechanismen der in Kapitel 1 erläuterten und als bedrohlich wahrgenommenen Rahmenbedingungen dar: mit der Einführung eines neuen Produktionssystems über das gesamte Unternehmen hinweg begegnet man einer verschärften Konkurrenz-
6.1 Zielsetzungen des Prozesses
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situation und insbesondere einem steigenden Kostendruck. Ziel dieses im Jahr 1999 angestoßenen Veränderungsprozesses ist es, die Produktion nach dem Modell von Lean Production95 zu ‚verschlanken’, d. h., Verschwendung innerhalb der so genannten Wertschöpfungskette zu vermeiden – ganz nach dem Vorbild des TPS (Toyota-Produktions-Systems), das der Automobilbauer Toyota mit großem Erfolg einsetzt. 96 Produktionssysteme bilden die konkrete Übersetzung von Lean Production, d. h., sie stellen die detaillierten Standards dar. Mittlerweile haben viele, auch deutsche, Firmen nach dem Vorbild von Toyota eigene Produktionssysteme entwickelt. Auch das untersuchte Unternehmen verfügt über solch ein Produktionssystem, d. h. eine umfassende Beschreibung der Produktionsorganisation. Es beinhaltet Produktionsprinzipien, an denen sich die Produktion orientieren soll. Auf einer darunterliegenden Ebene wird eine Vielzahl an Produktionsmethoden zur Verfügung gestellt, die im Produktionsalltag genutzt werden sollen. Zusätzlich stellt das Produktionssystem Führungskräften allgemeine Führungsmethoden zur Verfügung. Dieser unternehmensspezifische ‚Werkzeugkasten’ soll sich insbesondere in Bezug auf die Kennzahlen von Qualität, Kosten und Zeit auszahlen, welche durch standardisierte und dadurch robuste Produktions- und Dienstleistungsprozesse optimiert werden können. Dabei geht es vor allem um die Reduktion von Komplexität, aber auch um die Reduktion des Materialverbrauchs und der Fläche sowie um verringerten Personaleinsatz. Kerngedanke des unternehmenseigenen Systems (in den folgenden Transkriptionen YPS genannt) ist, dass Prozesse kontinuierlich verbessert werden sollen. Dies setzt voraus, dass Mitarbeiter aller Hierarchiestufen umdenken und eingeschliffene Denk- und Handlungsweisen überdenken. Ein Beispiel hierfür ist die angestrebte ‚Null-Fehler-Politik’ mit der Zielsetzung, Qualitätsprobleme erst gar nicht auftreten zu lassen. Sollten dennoch Qualitätsmängel auftreten, gilt es, diese zu identifizieren und zu beseitigen, bevor das betreffende Produktionsteil in einen nachfolgenden Produktionsbereich weitergereicht wird. Dies erfordert eine hohe Aufmerksamkeit jedes Einzelnen und widerspricht der Arbeitsweise, ‚Dienst nach Vorschrift’ zu machen. Ein weiteres Ziel, das vor allem in der Einwegkommunikation der letzten beiden Jahre im Unternehmen stark thematisiert wurde, ist, Abteilungsgrenzen über den gesamten Standort hinweg zu überwinden. Im Rahmen dessen sollen Formen der Zusammenarbeit gefördert werden, die den Informationsfluss über verschiedene Bereiche hinweg ermöglichen, 95 96
Näheres zum Thema ‚Lean Production’ siehe z. B. bei Krafcik 1988 bzw. Mählck/Panskus 1995. Charakteristisch für diesen Wandel ist, dass zusätzlich zu dem ‚Lean Production’-Prozess ähnlich gelagerte Programme zur Effizienzsteigerung unter anderen Namensgebungen parallel ablaufen.
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6 Fallbeispiel: Ein Prozess der ‚Verschlankung’
damit die Prozesskette verbessert und die Kooperation zwischen Produktion und Dienstleistung intensiviert werden. Einstellungs- und auch Verhaltensänderungen spielen für das Gelingen dieses Veränderungsprozesses eine bedeutende Rolle. Nach Ansicht vieler Führungskräfte sowie der unternehmensinternen Berater aus der Organisationsentwicklung und Kommunikation hatte zum Zeitpunkt der Untersuchungen solch ein Umdenken noch nicht tiefgreifend genug stattgefunden. Aus diesem Grund wurden immer wieder Kommunikationsmaßnahmen durchgeführt – vor allem mit der Zielsetzung, die Belegschaft für die Notwendigkeit des Veränderungsprozesses zu sensibilisieren. Nachfolgend werde ich die Historie des Wandlungsprozesses beleuchten, um diese Unzufriedenheit mit dem Prozessverlauf herzuleiten.
6.2 Die verschiedenen Prozessphasen Im Jahr 1999 wurde im gesamten Unternehmen ein Einführungsprozess initiiert. Dafür wurden speziell ausgewählte Akteure beauftragt, Organisationseinheiten neu geschaffen und Organisationsmitglieder ausgebildet. Zusätzlich zu diesem ‚Hauptprozess’ wird Ende 2002 ein so genannter Unterstützungsprozess angestoßen, der maßgeblich von einer internen Beratungseinheit mit Organisationsentwicklern gestaltet wird. Zunächst zum ‚Hauptprozess’, welcher in zwei Phasen organisiert ist97. In Phase 1 ist es das Ziel, ein ‚schlankes’ Produktionssystem mit speziellen Methoden einzuführen, Phase 2 dient der Erschließung und Realisierung weiterer Verbesserungspotenziale. Zu Beginn der ersten Phase initiieren die beauftragten Fachexperten (s. Kapitel 6.3) ein nahezu dreijähriges Einführungsprojekt, bei dem der Rahmen des Wandels bestimmt und die Einführung organisiert und gesteuert werden sollen. Als zeitlicher Horizont wird zu Prozessbeginn Ende 2002 angesetzt. Bis dahin sollte das Einführungsprojekt abgeschlossen und alle Methoden eingeführt sein. So wird ab 2003 damit begonnen, durch konkrete Projekte und Prozesse die Wirtschaftlichkeit zu steigern, und zwar in der direkten Anwendung der Methoden. Hilfsmittel auf diesem Weg sind ‚Audits’ zur Überprüfung der vorhandenen Verschwendung und ‚Methodenabdeckung’, ‚KVP-
97
Als Grundlage für diese Ausführungen dienen einerseits Broschüren, Unterlagen und Präsentationen aus dem Kontext des Wandlungsprozesses bzw. Gespräche mit einzelnen Experten und Beratern über den Verlauf des Veränderungsprozesses. Aus Anonymitätsgründen werden unternehmensinterne Unterlagen zum Produktionssystem nicht zitiert und aufgeführt.
6.2 Die verschiedenen Prozessphasen
Organisationale Veränderungsaktivitäten
Jahr
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1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Einführung des Lean-Produktionssystems Zentralseitige Planung für Gesamt-Konzern Erarbeitung branchenspezifischer Inhalte Aufbau Unterstützungsorganisation am Standort (YPS-Office) Top-down-Kommunikation zu LeanPhilosophie, Zielen und Methoden
Kick-off ManagementReview
Einführungsprojekt Phase 1 am Standort (Implementierung Methoden) Einführungsprojekt Phase 2 am Standort (Wirtschaftlichkeits-Projekte) Fortführung von YPS in der Linie
Einzel-Maßnahmen zur Initiierung und Umsetzung von Optimierungen KVP-Workshops in Bereichen und Teams Lean-Projekte in Bereichen mit Lean-Experten
Tracking Veränderungsprozess YPS Audits in Bereichen / Großbereichen
Unterstützungsprozess Org.entwicklung / Unternehmenskomm. Leitlinienprozess top-down + bottom-up
Teilnehmende Beobachtung in der Organisation Analysierte soziale Ereignisse Kick-off ‚Unsere Leitlinien YPS‘ Kernteambesprechung
Abbildung 1:
Zeitliche Abfolge der Veränderungsaktivitäten bei der Einführung von Lean Production sowie Zeitpunkt der teilnehmenden Beobachtung in der analysierten Organisation. Quelle: eigene Darstellung
Workshops’ zur Sensibilisierung der Organisationsmitglieder und Identifizierung von Verbesserungspotenzialen sowie so genannte Umsetzungsprojekte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass Experten Analysen erstellen und die Umsetzung der von ihnen (und teilweise in Zusammenarbeit mit den betroffenen Mitarbeitern) erarbeiteten Maßnahmen begleiten. In der ersten Prozessphase, der reinen Einführung, wird die Information und Qualifizierung der Beschäftigten zum Produktionssystem als zentrales Element gesehen. Dies wird durch Seminare, Best-Practice-Besuche von Gruppen in
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6 Fallbeispiel: Ein Prozess der ‚Verschlankung’
anderen Bereichen des Unternehmens (im Sinne eines Erfahrungsaustauschs) und hierarchisch geprägter Kaskadeninformation realisiert. Die Kaskadeninformation sieht wie folgt aus: Zu Beginn des Jahres 2000 startet der Promotor aus dem Vorstand (oben Auftraggeber genannt) gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Gesamt-Betriebsrats den Prozess mit einer Auftaktveranstaltung für alle Werkleiter. Weiterhin folgen verschiedene Kick-off-Veranstaltungen in den einzelnen Werken, hier mit allen leitenden Führungskräften (bis zum Abteilungsleiter). Nach diesen Auftaktveranstaltungen wird die gesamte Belegschaft in der so genannten Kaskade von oben nach unten informiert. Daneben werden Broschüren, Präsentationen oder Flyer genutzt. Zum Ende der ersten Prozessphase findet eine Sitzung des Werkleiters und der Bereichsleiter statt, um den aktuellen Stand im Einführungsprozess zu beleuchten. Sie halten dabei fest, dass die Führungskräfte des Werks die Prinzipien des neuen Produktionssystems nicht stringent und selbstverständlich genug anwenden. Aus dieser Situation heraus erhalten die internen Berater der Organisationsentwicklung die Beauftragung, die zweite Phase des Prozesses zu unterstützen. Die innerhalb dieser Beauftragung ablaufenden Aktivitäten werden nun ‚Unterstützungsprozess’ genannt. Als erste Interventionen gestalten die OE-Berater Großveranstaltungen für alle Führungskräfte des Werkes, um der Thematik Produktionssystem auch nach der Einführung den angemessenen Stellenwert zu verleihen. Während aller neu angestoßenen Aktivitäten ist die Forderung des Managements handlungsleitend, den Veränderungsprozess zu ‚emotionalisieren’, ‚die Mitarbeiter nach drei Jahren Einführung endlich mitzunehmen’. Deshalb werden nun z. B. verstärkt Bildelemente in Produkte der Unternehmenskommunikation integriert. Um diesen recht unklaren Auftrag der ‚Emotionalisierung’ zu konkretisieren, führen die beauftragen OE-Berater nun Interviews mit den Managern, hierarchieübergreifende Analyse-Workshops und Zielfindungsklausuren durch. Nach dem Abgleich verschiedener Sichtweisen auf den bisherigen Wandel und auf die ‚Vision’ konzipieren die OE-Berater eine wesentliche ‚Intervention’: die Entwicklung einer werksweiten Vision zu Lean Production im betreffenden Werk, u. a. durch die Diskussion zentraler zu schaffender Voraussetzungen für die intensivere Umsetzung von Lean Production zwischen Führungskräften auf Meister- und Teamleiterebene auf einer elektronischen Plattform und mit Unterstützung einer ‚Promotorengruppe’, bestehend aus einigen Bereichsleitern und dem YPS-Office-Leiter des Werks. Die OE-Berater versuchen unter anderem, die Promotoren als Multiplikatoren für die Entwicklung und Umsetzung der Vision zu gewinnen.
6.3 Hauptakteure und deren Rollen innerhalb des Prozesses
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6.3 Hauptakteure und deren Rollen innerhalb des Prozesses Zentrale Akteure im Sinne von Initiatoren und Treibern im zu analysierenden Fallbeispiel sind das Management als Impulsgeber des Wandels, Führungskräfte verschiedener Führungsebenen, Fachexperten in der ‚Lean-Thematik’, welche konkret mit der Lean-Implementierung beauftragt sind, sowie interne Berater der Organisation, die mittels spezieller ‚Interventionen’ den Prozess beschleunigen bzw. vertiefen oder aber auch die Schwerpunkte des Prozesses verändern sollen. Des Weiteren sind all jene Organisationsmitglieder in den Prozess involviert, die aus der Management-Perspektive top-down vom ‚Lean-Denken’ zu überzeugen sind, d. h. durch Schulungen im Sinne von Lean Production, durch Verbesserungsprojekte in der Fertigung oder Montage, durch regelmäßige Besprechungen zur Thematik sowie durch Workshops, in denen KVP ‚betrieben’ werden soll; nicht zu vergessen all jene Rezipienten, welche beispielsweise durch die internen Medien über Zielsetzungen und aktuelle Prozessstände informiert werden. Der Fokus „Maßnahmen zur Integration der Belegschaft in den Veränderungsprozess“ liegt auf dem Top-down-Ansatz, wobei partizipative Elemente in den Prozess integriert werden. Letzteres geschieht in Form von Workshops oder durch Teilnahme an Optimierungsprojekten, um im Sinne der LeanPhilosophie Optimierungspotenzial in Hinsicht auf Fertigungs- oder Montageprozesse bottom-up zu identifizieren. Der Einführungsprozess von Lean Production wird vom Vorstand des Unternehmens beauftragt und gilt als zentrale Vorgabe. Für den auf Werksebene durchgeführten Wandlungsprozess ist der Werkleiter Auftraggeber, der die Bereichsleiter für Entscheidungen auf Werksebene heranzieht. Alle übrigen Führungskräfte des Werks sind Umsetzer des beauftragten Prozesses. Zusätzlich werden ausgewählte Mitarbeiter mit der Einführung von Produktionsmethoden beauftragt: die ‚Verbesserungsmanager’. In ihrer Rolle als qualifizierte Fachkräfte berichten sie teilweise an das Top-Management und tragen die Verantwortung für die Umsetzung in einzelnen Bereichen. Die internen Berater im Veränderungsprozess lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: Einerseits treiben YPS-Experten den Prozess voran – eine kleine Personengruppe, die von Beginn an vom Top-Management beauftragt ist. Die Aufgabe dieser Gruppe auf Werksebene ist es, die Vorgaben des zentralen ‚YPSOffice’ in die Werke zu tragen sowie insgesamt die Implementierung zu forcieren. Zusätzlich sind dezentrale Bereichskoordinatoren installiert, welche für Maßnahmen und deren Controlling innerhalb der einzelnen Unternehmensbereiche zuständig sind. Andererseits sind am Prozess einige interne Berater beteiligt,
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6 Fallbeispiel: Ein Prozess der ‚Verschlankung’
welche der Organisationsentwicklung angehören und somit völlig andere Rollen und Themen besetzen (so das Thema Veränderungsmanagement, worunter die Partizipation von Betroffenen oder Veranstaltungsdesigns fällt). Die internen Berater stellen nach eigenen Aussagen den Top-down Ansatz des Managements jedoch nicht in Frage, sondern integrieren Bottom-up-Maßnahmen, wie z. B. Workshops, so weit, als sie Management-Zielsetzungen unterstützen, indem sie ausgewählte Hierarchieebenen durch die Auseinandersetzung mit Lean Production von der ‚Notwendigkeit’ veränderter Abläufe überzeugen.
6.4 Forschungsdesign 6.4.1 Methoden: Diskurs- und Gesprächsanalyse Auf Basis teilnehmender Beobachtung98 an einem Standort des zu untersuchenden Unternehmens bezieht sich die folgende Analyse auf einen beispielhaften Veränderungsprozess (Fallbeispiel s. Kapitel 6). Die Einzelfallorientierung (vgl. Bergmann 2006, 13ff) ermöglicht es, den „Fall im Hinblick auf seine Bedeutungsstrukturen und generativen Mechanismen möglichst vollständig, also exhaustiv zu untersuchen“ (ebd., 21), d. h. Muster der Sinngenerierung und der Kommunikation zu entdecken. Dabei handelt es sich um eine qualitative empirische, linguistische Forschung. Als Datenmaterial dienen Aufnahmen authentischer Interaktion, deren Transkripte und das Hintergrundwissen der Autorin über den Kontext des Wandlungsprozesses, um Perspektiven methodisch kontrolliert zu untersuchen. Dabei wird die Methodik der Gesprächsanalyse99 angewandt, in welche die Perspektive der Kritischen Diskursanalyse einbezogen wird (vgl. Fairclough 2003). Gewählt wird hier ein qualitatives Forschungsdesign, um Antworten darauf zu erhalten, wie Akteure ihre jeweiligen Realitäten und Rationalitäten in der auf Wandel bezogenen Kommunikation gemeinsam konstruieren, sie im Einzelnen darstellen und weiterverarbeiten. Das hiermit verfolgte Ziel ist es, die erforschte Realität zu deuten und zu verstehen (vgl. z. B. Bohnsack 2000). Diese offene Herangehensweise ist insofern sinnvoll, als es bis dato keine Untersuchungen zu Interaktion im Rahmen von organisationalen Wandlungsprozessen gibt und die Arbeit explorativen Charakter hat. Außerdem legt der Untersuchungsgegenstand 98 99
Der Zeitraum der teilnehmenden Beobachtung im Rahmen des Dissertationsprojektes dauerte bis zum Zeitpunkt der Untersuchung des vorliegenden Gesprächssegments zwei Jahre an. Näheres zur Methodik der Gesprächsanalyse siehe bei Deppermann (2001a und b).
6.4 Forschungsdesign
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an sich ein qualitatives Vorgehen nahe: Strategien und Dynamiken können nur so sichtbar werden. Bei der Gesprächsanalyse handelt es sich um eine fundierte Forschungsmethode zur Analyse von Gesprächen im organisationalen Kontext. Ein Vorteil der Methode ist die ‚unvoreingenommene’ Herangehensweise an Interaktion, welche keineswegs Prämissen impliziert, die das Forschungsergebnis von vornherein beeinflussen können. Die Gesprächsanalyse setzt bei der kleinsten beobachtbaren Einheit – sprachliche Verfahren und Muster auf der Sequenzebene – an. Diese Herangehensweise impliziert die Logik der Induktion. Die Eignung der Methode für das Forschungsfeld sehe ich mit Habscheid in der Kombination von interaktionsstrukturellen und soziokulturellen Aspekten: „Die gesprächsanalytischen Analysen […] basieren […] auf einem interaktions-/ handlungstheoretischen Verständnis von Diskursen. Dabei werden die Diskurse nicht nur unter unmittelbar beobachtbaren, genuin interaktionsstrukturellen Aspekten untersucht, sondern auch als Phänomene soziokultureller Ordnungen (z. B. einer Organisation) begriffen, die sich umgekehrt in der Kommunikation „allmählich“ verfestigen;“ (Habscheid 2003, 99)
Da es bei dieser Untersuchung um zwei Ebenen geht, einerseits um die Rekonstruktion von perspektivengeleiteten sprachlichen Darstellungen und andererseits um die Interaktion über solche Darstellungen, müssen auch unterschiedliche Analysefelder berücksichtigt werden: bei der Frage nach der sprachlichen Darstellungen dient in erster Linie die der Sachverhaltsdarstellung, bei der es um Fragen nach den präsentierten Themen, nach der Zeitstruktur, nach dem Handlungsraum oder nach den Akteuren geht. Des Weiteren kommen Identitäten ins Spiel, bei denen es beispielsweise um die Frage geht, wie sich der Sprecher und auch seine Adressaten in der Organisation darstellen und wie die verschiedenen Akteure zueinander stehen. Die dritte Dimension, die bei der Untersuchung zum Tragen kommt, ist die Handlungskonstitution: Die Analyse der Handlungsstruktur in organisationaler Interaktion erhellt nicht nur die Frage nach Handlungen oder Sprachspielen, sondern auch die Frage nach den Perspektiven auf Wandel: Wenn beispielsweise ein Sprecher argumentiert, um den Rezipienten seine Darstellung von Wandel möglichst sinnhaft zu vermitteln, so verweist dies einerseits auf seine Perspektive, innerhalb derer intendierte Veränderung argumentativ vermittelt werden soll und Führung im Sinne der Steuerung von politischen Prozessen gesehen wird. Andererseits wird mit dem ARGUMENTIEREN gehandelt, d. h., der Sprecher eröffnet damit die Grundlage für weitere (Sprach-)handlungen im Sinne unterschiedlicher Lesarten und potenzieller Arten der Rückkopplung. Die Handlungsstruktur gibt aber auch Aufschluss darüber, wie Prozesse des Perspektiven-Settings vonstatten gehen. Hierbei interessiert das
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6 Fallbeispiel: Ein Prozess der ‚Verschlankung’
Handeln der Akteure, mit dem sie ihre Perspektive als sozial relevant ‚setzen’ oder ggf. zur Disposition stellen. Zusätzlich wird das Feld der Interaktionsmodalitäten herangezogen, in dem die Modalität oder die emotionale Beteiligung der Interagierenden untersucht werden. So können beispielsweise Modalisierungen deontische Bedeutungen mit sich bringen, was wiederum Rückschlüsse auf die perspektivische Wirklichkeit oder die soziale Positionierung zulässt. Bei der Sequenzanalyse von Interaktion, d. h. der Analyse der Bearbeitungs- und Weiterverarbeitungsebene von Perspektiven im Kontext des Wandels, sind alle Ebenen der Interaktionskonstitution von Interesse. Hier kommen zu den oben genannten noch der „Kontakt“, die „Interaktionsbeteiligung“, die „Gesprächsorganisation“ und die „Reziprozitätsherstellung“ hinzu, da mit all diesen Aufgabenfeldern die intersubjektiv gültige Wirklichkeit, d. h. Handlungsorientierung für den Wandel, hergestellt wird (vgl. Deppermann 1995, 41ff). Darstellungen von und Handlungen im Rahmen von Wandlungsprozessen sind Teil des Prozesses der Bedeutungskonstitution in Organisationen. Für die Rekonstruktion dieses Prozesses stellt die Gesprächsanalyse in Verbindung mit der Kritischen Diskursanalyse einen geeigneten methodologischen Rahmen zur Verfügung. Mit diesem Rüstwerk werde ich verfolgen, wie die jeweiligen Sprecher in ihrer eigenen Perspektive sich gegenseitig Bedeutungen / Perspektiven verdeutlichen und die in der Interaktion geteilte Bedeutung konstruieren. Neben dem Wie interessiert dabei auch das Was des Dargestellten: Welches Konstrukt von ‚Wandel’ stellen die Interagierenden zur Disposition bzw. setzen sie als ‚Norm’? Auch zur Analyse der Managerrede in Kapitel 7.1 werden Analysekriterien der Kritischen Diskursanalyse (vgl. Fairclough 2003) herangezogen, vor allem zur Untersuchung der Sachverhaltsdarstellung bei der Interaktion über den betreffenden Wandlungsprozess. Um die Darstellungsebene und die Handlungsstruktur der Rede erschöpfend analysieren zu können, werden sie ergänzt durch Analysekriterien für das „Zwischen-den-Zeilen-Lesen“ (v. Polenz 1988) sowie durch die Methodik der Holistischen Dialoganalyse (Holly 1992).
6.4.2 Die Rolle der Wissenschaftlerin Die Einzelfallstudie bietet sich als Forschungsdesign an, da ich in dem untersuchten Unternehmen in einer beratenden Rolle an einzelnen Prozessphasen beteiligt war. Meine Aufgabe in der organisationalen Praxis bestand hauptsächlich in der Konzeption, Vorbereitung und Moderation von innerorganisationalen Veranstaltungen, der Empfehlung von Kommunikationsstrategien und in der Konzepterstellung zur nachhaltigen Umsetzung von intendierten Veränderungen.
6.4 Forschungsdesign
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Hierbei arbeitete ich eng mit Kollegen der Organisationsentwicklung – neben dem Fachbereich der Kommunikation ebenfalls Teil einer internen Beratungseinheit im Unternehmen – zusammen, was mir interessante Einblicke in die interne Beratungsarbeit im Kontext des untersuchten Fallbeispiels einbrachte. Die Forschungssituation der „Teilnehmenden Beobachtung“ birgt zwar die Gefahr, zu tief in das zu erforschende Feld ‚einzutauchen’, dieses Risiko ist aber insofern relativiert worden, als ich im Rahmen meines Doktorandenstatus immer wieder in eine rein beobachtende Rolle geschlüpft bin (so z. B. während der Vorbereitung und Durchführung der in den Kapiteln 7.1 und 7.2 untersuchten Führungskräfteveranstaltung), und als ich mich dankenswerterweise für bestimmte Zeitblöcke auch räumlich und geistig von der Organisation entfernen konnte. Zwar habe ich in der Organisation wirkende Machtdynamiken, Zwänge und die mehr oder weniger vorhandene Prozessdynamik am eigenen Leib erlebt, sehe diese Erfahrungen jedoch als wertvolle Einblicke in die organisationale Praxis und konnte von ihr in Phasen der Abwesenheit ausreichend abstrahieren. Auch Gespräche mit Wissenschaftlern und Kollegen aus dieser und anderen Organisationen über die organisationalen Dynamiken und Veränderungen halfen mir, mich der drohenden ‚Betriebsblindheit’ zu erwehren. Diese Nähe zum Forschungsfeld wird dann eine Ressource für die Forschung, wenn es gelingt, eine wissenschaftliche Distanz und die „Externalität“ (Friedberg 1995, 311) zum Untersuchungsgegenstand (immer wieder) zu erlangen. Während der Teilnehmenden Beobachtung100 bzw. der Beobachtenden Teilnahme konnte ich durch Abwesenheitszeiten immer wieder die wissenschaftliche Perspektive einnehmen. Meines Erachtens ist es in diesem Fall sinnvoll, von einem Kontinuum zwischen Beobachtender Teilnehme und Teilnehmender Beobachtung zu sprechen, da sich Rollen und der Grad der Teilnahme im Prozessverlauf unweigerlich verändern, auch abhängig von der jeweilig aktuellen Aufgabendefinition in der Organisationseinheit. Im vorliegenden Fall war es sehr hilfreich, das Involvement in die organisationale Praxis selbst zu steuern und bei bestimmten Themen die Intention der ‚Nicht-Teilnahme’ zu äußern und ggf. durchzusetzen. Den größten Teil der Arbeit habe ich nach meiner Tätigkeit im betreffenden Unternehmen verfasst, sodass die Externalität zunehmend gesteigert wurde. Die gewissenhafte Verfolgung der Methode Gesprächsanalyse mit der permanenten 100 Da ich in dem bis zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits vier Jahre laufenden Veränderungsprozess marginal mitgearbeitet habe und Daten ausgewählt habe, mit denen ich im Vorfeld und während der sozialen Ereignisse keine Berührungspunkte hatte, spreche ich hier zuerst von ‚Teilnehmender Beobachtung’. Beobachtende Teilnahme betont die eigene Aktivität des Forschers im Feld stärker. Beobachtende Teilnahme heißt, sich selbst zum Akteur / zur Akteurin im Geschehen zu machen und zu versuchen, das „Geschehene von dieser Warte zu verstehen und zu entschlüsseln“ (Springer 1999, 38f).
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6 Fallbeispiel: Ein Prozess der ‚Verschlankung’
Frage nach vielen möglichen Lesarten einer Äußerung unterstützt auf dem Weg zur wissenschaftlichen Distanz und ermöglicht es, unterschiedliche Sichtweisen auf den Wandel einander gegenüberzustellen. Auch diverse Vorträge mit anschließenden Diskussionen und distanzierten Fragestellungen von ‚Externen’ bei Tagungen und Doktorandenkolloquien im untersuchten Unternehmen halfen bei der Distanzierung vom Feld. Die Datenerhebung, die im Kontext sensibler Gespräche mit all ihren negativen Aspekten und Emotionen in Veränderungsprozessen prekär werden kann, war ebenfalls durch einerseits Integration in und andererseits Distanz vom Forschungsfeld möglich. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Datenerhebung konnte ich von den übrigen Organisationsmitgliedern der betreffenden Organisationseinheit zugeordnet werden. Dies hat mir teilweise den Zugang zu sensiblen Daten erleichtert (schließlich wurde mein Handeln des Öfteren als durch die Hierarchie legitimiert gesehen), in bestimmten Situationen wurde mir der Zugang jedoch zuerst einmal verwehrt, und zwar genau aus der mir zugeschriebenen ‚hierarchischen’ Rolle heraus, bedingt durch die Nähe der betreffenden Organisationseinheit zur Unternehmensleitung. Deshalb war es wichtig, den Beteiligten immer wieder deutlich zu machen, dass ich als Wissenschaftlerin agiere, die allergrößten Wert auf die Anonymisierung von Daten legt, und die sie eben nicht an Manager des Unternehmens weitergibt, möglicherweise angereichert mit ‚schlagkräftigen’ Analysen. Das Vertrauen, das ich mir über meine organisationale Praxis als Kommunikationsberaterin erarbeiten konnte, half mir hingegen sehr bei der weiteren Vertrauensarbeit hinsichtlich des Zugangs zu Gesprächen und Veranstaltungen. Glücklicherweise entstanden in keiner Weise Konflikte, die in persönlicher Betroffenheit in Bezug auf Praxisthemen bestanden hätten. Auf die in dieser Arbeit herangezogenen Daten hatte ich keinen Einfluss – auch nicht in der Vorbereitung der Themen bzw. des Veranstaltungs- oder Besprechungsablaufs. Als Datenmaterial liegen insgesamt ca. zehn Stunden Gesprächsmaterial vor. Nach eingehender Beschäftigung mit den gesamten Daten und in einem späteren Analysestadium mit der Auswahl einzelner Ausschnitte habe ich aus dem Material die drei in Kapitel 7 untersuchten sozialen Ereignisse bzw. kommunikativen Gattungen ausgewählt;101 da sie in ihrer Kombination zwei Kriterien erfüllen: Erstens handelt es sich um Analyseergebnisse, welche auf Muster im Kontext von sich wandelnden Organisationen schließen lassen, und zweitens ermöglichen diese Daten trotz der eingehenden Beschäftigung mit kleinsten Ausschnitten der Organisationsrealität (als muster- und regelhafte Beispiele eines Handelns im Gesamtkontext) die Abdeckung eines relativ breiten Diskurses im 101 Die Analysen der drei Ereignisse werden bei Bedarf um Beispiele aus anderen Kontexten angereichert, sodass die Datenvielfalt genutzt werden kann.
6.4 Forschungsdesign
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Kontext des Fallbeispiels. Dies ist vor allem dabei wichtig, nicht nur innerhalb der Kommunikationsereignisse unterschiedliche Perspektiven zu untersuchen, sondern über verschiedene soziale Veranstaltungen hinweg der Bearbeitung von Perspektiven nachgehen zu können. Wichtig ist, hier festzuhalten, dass das untersuchte Unternehmen sowie alle Sprecher anonymisiert wurden. Den Veränderungsprozess habe ich nur so weit expliziert, als er keine Rückschlüsse auf das Unternehmen ermöglicht und so die Akteure im Veränderungsprozess vor potenziellen Beschuldigungen oder Fehlinterpretationen geschützt werden können. Ich beabsichtige mit dieser Arbeit, Muster des Wandlungsprozesses zu rekonstruieren. Dabei geht es keinesfalls um Bewertungen oder gar normative Handlungsvorschläge.
7 Analyse perspektivengeleiteter Wirklichkeitsdarstellung und -konstruktion
Die drei folgenden Analysekapitel behandeln nacheinander drei verschiedene Textsorten im organisationalen Wandel. Alle drei sind Teil des für den Veränderungsprozess relevanten Diskursnetzes. Aus diesem Grund sind die drei Analyseteile in dieser Arbeit in Verbindung zu sehen und ermöglichen in ihrer aneinander anschließenden Betrachtung und im späteren Vergleich die Möglichkeit der Berücksichtigung des Aspekts der Intertextualität (vgl. Kap. 3.3). Insbesondere die Verknüpfungen zwischen der Managerrede (Kap. 7.1) und der Podiumsdiskussion (Kap. 7.2) weisen – so wird zu sehen sein – interessante intertextuelle Anschlüsse auf. Teile des vorhandenen Datenmaterials wurden bereits für zwei Publikationen verwendet: Einerseits Ausschnitte der in 7.1 behandelten Manager-Rede, anhand derer ich gemeinsam mit Stephan Habscheid Aspekte von „Identität und Sensemaking“ herausgearbeitet habe (vgl. Habscheid/Vacek 2008); andererseits das in Kapitel 7.3 analysierte Gesprächssegment ‚falsche Frage’, das in einem Tagungsband zu Kommunikation in Organisationen erscheint (Vacek, 2008). In der erstgenannten Publikation wird die Rhetorik der Identitätspolitik in Unternehmen untersucht. Zentral sind dabei die Identifizierung von thematischen Ressourcen für die Darstellung einer gemeinsamen Unternehmensidentität und die Effekte solcher ‚Management-Strategien’: einerseits die ‚Chance’ zur Integration und Konsensbildung; andererseits aber auch die ‚Gefahr’ von Überbetonung bestimmter Entitäten (Veränderung und Einigkeit), die Gefahr von Widersprüchen102 oder von Unglaubwürdigkeit. In der zweitgenannten Veröffentlichung wird Zug um Zug ein Segment einer Besprechung von ‚Wandel-Umsetzern’ ge102 Widersprüche können nach den Erkenntnissen der Untersuchung einer Manager-Rede insofern auftreten, als auf der einen Seite das ‚eigensinnige Subjekt’ adressiert wird, während auf der anderen Seite die Erwartung starken Einverständnisses gesetzt wird. Gleichermaßen stehen sich Appelle an die Eigenverantwortung und die Darstellung unabwendbarer Sachzwänge sowie einerseits Zukunftsoptimismus und andererseits apokalyptische Angstkulissen gegenüber (Habscheid/Vacek 2008, 46f).
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7 Analyse perspektivengeleiteter Wirklichkeitsdarstellung und -konstruktion
sprächsanalytisch analysiert und darauf aufbauend unter anderem eine Verschiebung organisationalen Handelns auf eine Darstellungsebene konstatiert (Vacek, 2008).
7.1 Eine Manager-Rede: Inszenierung von permanentem Wandel und Einigkeit Im folgenden Kapitel wird eine öffentliche Rede innerhalb der Organisation zur Analyse herangezogen. Es wird davon ausgegangen, dass anhand dieser Textsorte Kommunikationsstrategien des Managements sowie die Darstellung dominant gesetzter Perspektiven rekonstruiert werden können. Die Managerrede stellt den mehr als einstündigen Auftakt einer sozialen Veranstaltung im oben erläuterten Wandlungsprozess dar. Zu dem sozialen Ereignis sind mehrere hundert Führungskräfte vom Leiter eines Produktionsstandortes des betreffenden Unternehmens eingeladen worden. Der ‚Gastgeber’ der Veranstaltung hält die Rede, welche im Fokus dieses Kapitels steht. Neben dieser Rede sieht der weitere Verlauf des ‚Großereignisses’ eine so genannte Podiumsdiskussion mit Vertretern des oberen Managements sowie dem Standortleiter vor. Im Anschluss daran wird den bis dahin ausschließlich rezipierenden Führungskräften die Gelegenheit gegeben, Fragen an die Vertreter auf dem Podium zu stellen (s. Kapitel 7.2). Ein Überblick über die Kommunikationslandschaft des besagten Unternehmens zeigt, dass solch groß angelegte Ereignisse nur zu bestimmten Anlässen, d. h. an aus Managementsicht gegebenen Eckpunkten von Wandlungsprozessen im Allgemeinen sowie vom Veränderungsprozess Lean Production im Besonderen, organisiert und durchgeführt werden. Die vorliegende soziale Veranstaltung kann insofern als ‚Eckpunkt’ im Wandlungsprozess interpretiert werden, als sie zur Prozess-Forcierung durchgeführt wird, nachdem die Einführung der Neuerungen bereits rund vier Jahre zurückliegt (vgl. Kapitel 7.2). D. h., mit der Veranstaltung soll eine neue Phase des Lean-Production-Prozesses eingeläutet werden: Einzelne Methoden (z. B. Standardarbeitsblätter an Produktions-Arbeitsplätzen oder Hilfsmittel zur Verbesserung von Sauberkeit und Ordnung im Produktionsumfeld, um nur zwei von vielen zu nennen) werden seit Langem in der Organisation genutzt. Ein neu geschaffenes Leitbild soll nun einerseits dabei unterstützen, den Prozess weiter anzutreiben, und andererseits dazu dienen, den Blick von einzelnen Methoden und Bereichen zugunsten eines ganzheitlichen Blicks auf die ‚Philosophie’ zu weiten. Die „Leitlinien“ wurden vor allem generiert, um Aktivitäten von unterschiedlichen Unternehmensbereichen besser zu
7.1 Eine Manager-Rede: Inszenierung von permanentem Wandel und Einigkeit
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synchronisieren, d. h., um gemeinsame Ziele zu verfolgen. Die Leitsätze behandeln Themen wie „Führung“, „Produktion im Fluss“, „Produktion nach dem Kundenbedarf“ oder „Unterstützung der direkten durch indirekte Bereiche“. Mit ihnen intendiert das Management, das Verständnis der Belegschaft für Lean Production zu vertiefen und Sinn zu stiften.103 Anstoß für die Entwicklung der Leitlinien war eine Führungskräfte-Veranstaltung, die rund ein Jahr vor dem zu analysierenden Ereignis stattfand. Bei diesem Anlass diskutierten Führungskräfte die Schwachpunkte des Veränderungsprozesses und formulierten erste Handlungsbedarfe. Diese Bedarfe sind in einem nachgelagerten Kommunikationsprozess konkretisiert und schließlich als „YPS104-Leitlinien“ formuliert worden. Ein Jahr später findet nun die ‚Kick-offVeranstaltung’ statt, an der das Top-Management, alle Vertreter des oberen Managements, das mittlere Management sowie die darunterliegende Führungsebene, die mit der Forcierung des Wandlungsprozesses beauftragten Mitarbeiter und „Verbesserungsmanager“ teilnehmen. Nicht eingeladen sind die untere Führungsebene sowie die übrigen Organisationsmitglieder, welche zahlenmäßig mit mehreren tausend Personen die größte Gruppe des Standortes darstellen. Das Leitbild ist den meisten Adressaten bis zu der Veranstaltung nicht bekannt und soll nun in die Breite getragen werden. Ziel für die ersten Wochen nach dem sozialen Ereignis ist es, dass die Führungskräfte in so genannter „Kaskaden-Kommunikation“ die Informationen an die ihnen zugeordneten Führungskräfte und Mitarbeiter weitertragen, für ihre Organisationseinheiten zwei der zehn gesetzten Leitlinien priorisieren und mit konkreten Maßnahmen hinterlegen. Die Zielsetzung impliziert, dass die Führungskräfte zunächst von der Richtigkeit des Leitbilds zu überzeugen seien, sowie von seiner Eignung, den weiteren Verlauf des Wandlungsprozesses in allen Teilbereichen der Organisation zu unterstützen. Das Management der Organisation erwartet nach der Präsentation des Leitbilds ein verändertes Verhalten aller Organisationsmitglieder, welches in der bereits erwähnten Verbreitung und Anwendung besteht. Vor dem Hintergrund dieses Anspruchs stellt sich die Frage, welche Art von Kommunikation sich herausbildet, wenn es darum geht, Verhalten im Kontext eines Wandlungsprozesses zu fördern oder ggf. zu verändern. Hierbei interessieren rhetorische Verfahren zur Darstellung von Perspektiven auf den Wandlungsprozess und der Bezugnahme auf andere potenzielle Annahmen über den Wandel (bei Fairclough die Analyseebene „representation“) sowie Verfahrensweisen zum Setzen von Perspektiven (vgl. Graumann/Kallmeyer 2002) (bei Fairclough die Analyseebene „action“). 103 Dies ist anhand von innerorganisationalen Unterlagen festzustellen: Konzepte zur Leitbildentwicklung, welche auch die Zielsetzungen beinhalten. 104 Anonymisierte Abkürzung
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7 Analyse perspektivengeleiteter Wirklichkeitsdarstellung und -konstruktion
7.1.1 Der Handlungszusammenhang: soziales Ereignis, organisationale soziale Praktiken und Netzwerke von Texten Zunächst widmen wir uns dem gesamten Handlungszusammenhang, um das soziale Ereignis im „Diskursnetz“ (Fairclough 2003) der Organisation verorten zu können. Die Sicht auf eine Kette von Texten geschieht in Anlehnung an die Critical Discourse Analysis und deren Fragestellungen zu „social events“ (Fairclough 2003). In diesem Sinne sind folgende Fragen von Interesse: 1. Ist der Text Teil einer Kette oder eines Netzwerks von Texten? 2. In welchem sozialen Ereignis bzw. in welcher Kette von sozialen Ereignissen tritt der zu analysierende Text auf? 3. Zu welchen sozialen Praktiken in der Organisation oder welchem Netzwerk von sozialen Praktiken kann das Ereignis in Beziehung gesetzt werden? Die erste Frage kann nach einem ersten Überblick über den Diskurs bejaht werden: Im vorliegenden Fall sind verschiedenste Texte unterschiedlicher Herkunft und soziale Ereignisse unterschiedlicher Art Teil einer ganzen Kette. Dazu zählen unter anderem Broschüren mit den wichtigsten Eckpunkten des intendierten Wandels, Mappen mit den erforderlichen Methoden zur Umsetzung von Lean Production, Broschüren zum Lean Production-Produktionssystem (vgl. Kapitel 7.1 und 7.2), Workshops und Seminare für Führungskräfte und Mitarbeiter, Besprechungen innerhalb der Bereiche und Teams sowie einige wenige soziale Veranstaltungen an ‚Eckpunkten’ im Stil der oben beschriebenen. Nicht vergessen werden dürfen bei der Beschreibung dieser ‚Kette’ Texte der internen Medien und Kommunikate anderer Interessensgruppen in der Organisation, so z. B. in der Mitarbeiterzeitung des Unternehmens oder auf Flugblättern und Zeitungen des Betriebsrats. All diese Texte bilden ein Netz im Diskurs zu Lean Production und können in ihrer Gesamtheit hinsichtlich ihres Einflusses auf Organisationsprozesse untersucht werden (Fairclough spricht in diesem Zusammenhang von „power of summary“ (2003, 196)).105 Auch die verschiedenen Teile der hier im Fokus stehenden sozialen Veranstaltung sind als Texte zu verstehen, die in das Gesamt-Ereignis eingebettet sind. Dazu gehören die Rede des Standortleiters zu Beginn der Veranstaltung, die einführenden und durch die Veranstaltung führenden Worte der Moderatorin, die Beiträge von fünf Vertretern des oberen Managements auf der Bühne, die Beiträge aus dem Publikum, das Abschlussstatement des Top-Managers sowie ein105 In diesem Verständnis manifestieren sich in den einzelnen Texten nicht nur sprachliche Strukturen in der Organisation, sondern sie sind ebenso Ausdruck einer Diskursordnung und sozialer Praktiken in der Organisation. Letztere drücken die „Aktion und Interaktion“, soziale Beziehungen, die Haltungen, Überzeugungen oder die Historie von Individuen, die materielle Welt sowie den Diskurs aus (vgl. Fairclough 2003, 25).
7.1 Eine Manager-Rede: Inszenierung von permanentem Wandel und Einigkeit
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zelne Gespräche der Teilnehmer an vorbereiteten Metaplanwänden106 während der semi-informellen107 Endphase der Veranstaltung. Somit ist innerhalb einer auf den ersten Blick homogen erscheinenden Großveranstaltung eine Vielfalt an Texten vorzufinden, welche miteinander vernetzt sind. Die Interaktion des sozialen Ereignisses ist formell geregelt, d. h., mit der Einladung wurde eine Agenda verschickt, welche die Reihenfolge und die Dauer der einzelnen Texte vorgibt. Daneben sind in der Organisation und insbesondere im sozialen Ereignis auch informelle Konventionen gültig, d. h. eine ‚hidden agenda’. Je nach ihrer Ausprägung sind ‚side sequences’ entweder wahrscheinlich oder weniger wahrscheinlich, so beispielsweise ein parallel zur formellen Agenda realisiertes Tuscheln oder Lachen. Der Text der Managerrede ist von der Struktur her monologisch angelegt. Das bedeutet, dass der Redner konventionell nicht unterbrochen wird, einerseits bedingt durch die Textsorte und andererseits durch die asymmetrische Struktur mit unterschiedlichen Beteiligungschancen am sozialen Ereignis:108 Die ‚hidden agenda’ sieht außerdem vor, dass die Adressaten die Einladung außer in Ausnahmefällen nicht ablehnen, dass sie die Veranstaltung nicht vorzeitig verlassen und dass eine potenzielle Nicht-Übereinstimmung mit dem Vorgetragenen nicht geäußert wird, bzw. wenn sie beispielsweise durch Gestik, Mimik oder leises Sprechen angezeigt wird, so ist sie doch nur für ausgewählte Personen sichtbar. Die Positionierung der Managerrede innerhalb der Agenda als ‚Kick-off des Kick-offs’ mit seiner ausgedehnten Länge an einem organisationalen Eckpunkt des Wandels sowie die Tatsache, dass mit ihr ein umfassender Teilprozess angestoßen und Einstellungen und Verhalten beeinflusst werden sollen, verweist auf ihre Funktion als „Leittext“ 109 (vgl. Teubert 1998 und Bauer 1997), der wesent106 Die Veranstalter haben zehn Metaplanwände vorbereitet, an denen Plakate mit jeweils einer Leitlinie aufgehängt sind. Jeweils ein Vertreter des mittleren Managements steht nach den offiziellen Tagesordnungspunkten an solchen Metaplanwänden als „Pate“ einer Leitlinie zur Diskussion zu Verfügung. Als Ziel wurde während des Veranstaltungsdesigns formuliert, dass die Führungskräfte sehr schnell im Anschluss an das „Verkünden“ des Leitbilds in eine Diskussion über die Art der Operationalisierung kommen sollen. Aus diesem Grund sollen die Diskussionen in kleineren Gruppen im Anschluss an den offiziellen Teil der Veranstaltung stattfinden. 107 Der Begriff semi-informell wird für Gespräche verwendet, welche im Anschluss an die Podiumsdiskussion an den elf vorbereiteten Metaplanwänden stattfinden, und an denen die Veranstaltungsteilnehmer einzelne Sätze des Leitbilds mit Experten diskutieren können. Die Mehrheit der Besucher verlässt die Veranstaltung jedoch vor diesem semi-informellen Teil. 108 Zur Analyse asymmetrischer Dialoge s. Nothdurft et al. 1994. 109 Für den Begriff des ‚Leittexts’ ist der Ansatz der Korpuslinguistik von Bedeutung, die im Zuge ihrer Operationalisierung des Diskurskonzeptes Diskurse als thematisch bestimmte Korpora von Einzeltexten versteht – vor allem konzeptualisiert durch Wolfgang Teubert. Von anderen Korpora unterscheiden sich Diskurse demnach insofern, als die in ihnen versammelten Texte intertextuell aufeinander Bezug nehmen (Teubert 1998c, 148). Der Begriff ‚Leittext’ bezeichnet die Bedeutung eines Textes für den Gesamt-Diskurs, die danach bestimmt werden kann,
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lich zum „Agenda-Setting“110 (vgl. Rössler 1997 oder Eichhorn 2005) im Wandlungsprozess beitragen soll. Mit der Thematik „Unsere Leitlinien YPS“ wird schon vor Beginn des sozialen Ereignisses ein Erwartungsrahmen aufgespannt: Erwartbar wird ein Ereignis, das Originalität, Aktualität und eine strategische Stoßrichtung aufweist. Der Leittext verweist mit diesen Merkmalen auf seine exponierte Stellung im Diskursnetz. Zwar kann mithilfe des vorhandenen Datenmaterials nicht nachgeprüft werden, wie häufig im Nachgang an das soziale Ereignis auf die Managerrede Bezug genommen wird, jedoch genügt für die Bezeichnung Leittext bereits die Tatsache, dass sich andere Äußerungen während der Veranstaltung mehrfach auf den Text beziehen. Zudem ist mit der ‚Platzierung’ einer solch umfangreichen Rede der Anspruch des Managements verbunden, die Bezugnahme anderer organisationaler Texte auf den Leittext zu fördern.
7.1.2 Die rhetorische Darstellung von Identitäten des Wandels Die nachfolgende Untersuchung der rhetorischen Darstellung von Wandel-Identitäten bewegt sich im analytischen Rahmen der Ebene „representation“ (Fairclough 2003) bzw. auf der Sachverhaltsdarstellungsebene im Bühlerschen Organon-Modell, d. h. der Betrachtung der Sprache als „Symbol“ (vgl. Bühler 1999). Um die Management-Ressourcen zur Vermittlung einer Perspektive auf Wandel analysieren zu können, gehe ich in den Kapiteln 7.1.2.1 und 7.1.2.2 folgenden Fragen nach: Welcher soziale Sachverhalt wird dargestellt? Welche Elemente sind in die Darstellung eingeschlossen / ausgeschlossen oder werden hervorgehoben? Wie abstrakt / konkret wird dargestellt? Wie wird auf Personen und Sachverhalte Bezug genommen? Welche Aussagen werden über das Sein, Tun, Denken, Wollen, Sollen der dargestellten Personen, Personengruppen und den Handlungsraum gemacht?
wie häufig auf einen früheren Text von späteren Texten Bezug genommen wird, sei es explizit oder durch Reformulierung von Aussagen. Neben dem Begriff ‚Leittext’ verwendet Teubert auch den ‚relevanter Texte’. 110 Unter dem Begriff des „Agenda-Settings“ wird die Funktion von Massenmedien verstanden, die öffentliche „Agenda“ durch das Setzen bestimmter Themenschwerpunkte und Einschätzungen zu bestimmen. Ausgangspunkt für diese Konzeption ist die These von Cohen (1963), die Medien hätten zwar wenig Einfluss auf das, was die Rezipienten über einzelne Themen denken, aber einen großen Einfluss darauf, mit welchen Themen sich Öffentlichkeiten überhaupt beschäftigten.
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7.1.2.1 Die Darstellung des gemeinsamen Handlungsraums In diesem Kapitel soll auf Schwerpunkte bei der Darstellung des Handlungsraums eingegangen werden, auf die Voraussetzungen, die der Handlungsraum aus der Manager-Perspektive für die Akteure in der sich im Wandel befindlichen Organisation bietet, sowie auf die in der Darstellung relevante zeitliche Einordnung und Darstellung des ‚Wandlungsprozesses YPS’. Ich gehe nacheinander auf die Aspekte Einbettung in den Globalisierungsdiskurs, Vernetzung von WandelAktivitäten und Zeitstruktur und Entwicklungsalternativen ein. Verortung der Individuen im Globalisierungsprozess Bei der Analyse der sprachlichen Verfahren bei der Darstellung sticht hervor, dass der Redner den Wandlungsprozess im Globalisierungsdiskurs verortet. Der Veränderungsprozess Lean Production wird als Reaktion des Unternehmens auf umfassende weltwirtschaftliche Entwicklungen dargestellt. Dabei wird der Begriff Globalisierung111 zwar nicht genannt; es wird jedoch deutlich, dass das Phänomen als zentraler Begründungszusammenhang angeführt wird: und (.) wir stehn auch noch (.) vor UNglaublichen herAUSforderungen; (--) und auf DIE möchte ich jetzt en bisschen drauf EINgehn. (---) wenn man die mal zuSAMmenfasst – (-) dann fragt mer sich (.) wo liegen denn die Überschriften in unseren heRAUSforderungen – (-) dann denk ich zum ERSCHten isch der UNglaubliche KOStendruck ein WEsentlicher beSTANDteil (.) der uns in den kommenden JAHren beSCHÄFtigen wird und ich hab des in den letzten Managementrunden immer widder angeSPROchen was uns da mitnander beSCHÄFticht – (.) des isch die ABwanderung von ARbeitsplätzen nach OSTeuROPA – (--) und die beSCHÄFticht uns natürlich schon beSONders – (.) ähm wir ham lange / ich hab da mit dem Dr. B lange drüber diskutiert – (.) wie viel des denn eigentlich SIND – (.) die da in den (-) letzten WOchen und MOnaten äh an ARbeitsplätzen was da WEGdiffundiert (.) es gibt ZWEI KENNzahlen die ich mir jetz emal besorgt hab […] EIne ZAHL die besagt (.) dass in den verGANgenen JAHRN etwa 600 bis 700 Tausend ARbeitsplätze aus DEUTSCHland nach OSten WEGgegangen sind – (--) und es gibt ne ZWEIte GRÖße […] (-) dass pro TAG (.) in etwa drei bis viertausend ARbeitsplätze in deutschland verLORen GEhen; (--) die nach OSten praktisch ABwandern.
Die Abwanderung von Arbeitsplätzen und der damit verbundene Konstendruck für traditionelle Standorte ist Teil des gesellschaftlichen und politischen Globalisierungsdiskurses. Somit knüpft der Sprecher an einen hegemonialen Begründungsdiskurs an. Hermanns hat bei der Analyse des öffentlichen Diskurses zu der Thematik festgestellt, dass die Globalisierung112 sowohl ein Begriff der Ge111 Vgl. hierzu Beck 1997 zum Begriff der Globalisierung und dessen Verwendung. S. auch Teubert 2002. 112 Der Begriff „Globalisierung“ trat erstmals 1996 in einem gemeinsprachlichen Wörterbuch auf, mit der Bedeutung „auf die ganze Erde ausdehnen“. Zunächst wurde er mit einer betriebswirtschaftlichen Spezialbedeutung, dann in seiner heutigen makroökonomischen und politischen
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genwartsbeschreibung und -auslegung als auch ein Erwartungsbegriff ist (Hermanns 2003, 411). Die Ansicht, dass der Prozess von nichts aufzuhalten sei, ist weit verbreitet, jedoch unterscheiden sich die Einstellungen zu der Entwicklung diametral und somit auch „die deontischen Bedeutungen des Ausdrucks Globalisierung“ (ebd.). Vor dem Hintergrund dieses kontroversen Begriffs, der für viele eine erstrebenswerte Entwicklung darstellt, für andere jedoch eine zu bekämpfende oder zu verändernde Entwicklung ist, wird erklärbar, warum der Redner die Verwendung des Begriffs in seinem Leittext vermeidet. Da der Begriff Globalisierung immer auch eine deontische Bedeutung, moralische Aspekte113 und somit Strittigkeit impliziert, verzichtet der Redner auf die Benennung und konzentriert sich auf die umschreibende Darstellung des Phänomens. Durch die Vermeidung politischer und emotiv konnotierter Begriffe blendet der Standortleiter Kontroverse, Brisanz (vgl. Panagl/Stürmer 2002) und Streit aus, ordnet aber dennoch Geschehnisse in einen Rahmen ein, jedoch ohne Nutzung des „Totalitätsbegriffs“114 (Hermanns 2003, 419). Auch ohne den kontroversen Begriff beleuchtet der Redner wie mit einem ‚Spot’ den ‚Fatalismus’ einer unaufhaltsamen, aber dennoch zu bekämpfenden Entwicklung, stellt den sozialen Sachverhalt einer sich ändernden Umwelt dar und konstruiert so ein Bedrohungsszenario. Die negative, weil bedrohliche, Darstellung des Phänomens ermöglicht es, Bedeutungskomponenten des Begriffs Globalisierung in die Darstellung zu integrieren, die normalerweise von Globalisierungsgegnern benutzt werden: Die Tatsache, dass in der Präsentation beispielsweise die Abwanderung von Arbeitsplätzen moralisiert wird (s. Z. 26f: des berührt uns), lässt die Interpretation zu, Hauptbedeutung und schließlich in einer Pauschalbedeutung verwendet, zu verfolgen an der inflationären Verwendung in den Medien seit 1996 (Hermanns 2003, 415). Helmut Schmidt hat 1996 die „Epochenbezeichnung“ konkretisiert und somit das Schlagwort mit Substanz versehen. Die „Tatsachen“, welche sich hinter dem Schlagwort verbergen, seien: 1. „der zu erwartende Aufstieg Osteuropas“, 2. „die Tendenz zur Angleichung des Lebensstandards zugunsten der neuen Teilnehmer der Weltwirtschaft“, 3. „die Auswanderung von Produktionen und damit von Arbeitsplätzen auf die sich neu industrialisierenden Länder“, 4. „die Explosion der Weltbevölkerung und Schrumpfung des Raums“, 5. „die Verdoppelung der an der Weltwirtschaft betroffenen Personen“, 6. „die Beschleunigung des Fortschritts“, 7. „ein Höchstmaß an internationaler Handelsfreiheit“, 8. „Grenzen überschreitender Spekulationismus“, 9. „der Aufstieg asiatischer Staaten“ und 10. „eine neue Konstellation der Weltmächte“ (Helmut Schmidt, zitiert nach Hermanns 2003, 417). 113 Zur kommunikativen Konstruktion von Moral vgl. Bergmann/Luckmann 1999a und Luckmann 1998b und a. 114 Die „Totalitätsbezeichnung“ lässt vergessen, dass sich das Phänomen Globalisierung aus vielen einzelnen Vorgängen zusammensetzt, und lenkt somit von der Unüberschaubarkeit vieler geschäftlicher Transaktionen ab (Hermanns 2003, 419). Zwar tritt in der analysierten Rede der Totalitätsbegriff nicht auf, die Darstellung wirkt jedoch ebenso totalisierend wie die Verwendung des Begriffs an sich.
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der Standortleiter sehe die globalen Entwicklungen im Handlungsraum als fragwürdig an. Somit nähert der Sprecher die dargestellte Perspektive einer möglichen kritischen Sichtweise der Adressaten an. Dadurch hebt der Sprecher regionale Grundwerte zu Lasten von globalen hervor; mit den lokalpatriotischen Aspekten definiert er den Handlungsraum als gemeinsame Basis und betont die gemeinsame Perspektive auf den gefährlichen, aber doch zu rettenden gemeinsamen Handlungsraum. Die Darstellung des gefährlichen Handlungsraums dient auch dazu, die Aufmerksamkeit der Adressaten auf Teilaspekte des ganzheitlichen globalen Prozesses zu lenken, in dem auch sie selbst verortet werden. Dabei ist nicht von Interesse, was das hier agierende Management zur Gestaltung des dargestellten Handlungsraums beigetragen hat oder beitragen wird, sondern es werden einzelne Gefahren fokussiert, um die Wahrnehmung der Adressaten zu lenken. Wie mit einem Spot klammert der Top-Manager einen Aspekt ein, von dem die Adressaten im negativen Ausgang der Entwicklungen persönlich betroffen sind. Ausgeblendet werden dabei potenzielle Globalisierungsanstrengungen des eigenen Unternehmens und die Argumentation von Globalisierungsgegnern, dass multinationale Konzerne diesen Prozess selbst initiieren und steuern (vgl. Hermanns 2003). Zusätzlich zur Verortung der Wandel-Aktivitäten in einen globalen Rahmen wird der Wandlungsprozess an sich charakterisiert: JA - (-) wir werden mit den leitlinien jetzt (.) eine >>acc< ich hab des schon mal gesagt< so eine ZWEIte raKETEN(.)stufe ZÜNden – (.) >>ac< ich glaube es ischt der richtige zeitpunkt < nach vier (.) vier fünf JAHren (-) um nochemal (.) ja einen gewissen inneren KICK zu bekommen (---) SIE können mit uns diesen verÄNderungsprozess in HOCHgeschwindigkeit angehen –
Bei Formulierungen wie diesen zeigt sich, dass der Redner Wandel als ein Artefakt darstellt, das in seiner Intensität variiert. Diese Variation ist jedoch nicht zufällig, sondern stellt aus der vorgebrachten Perspektive das Ergebnis einer bewussten Steuerung durch das Management dar. Demnach erkennen Manager, wann die ‚erste „Raketenstufe“’ für den intendierten Wandel nicht mehr ausreicht, und bestimmen den Zeitpunkt einer Intensivierung, welche von außen an die übrigen Wandel-Akteure herangetragen wird. Die Intention der Intensivierung von Wandel in einem dynamischen Handlungsraum zeigt sich vor allem in der Verwendung des Adjektivs „viel“, des Adverbs „noch“ und des Komparativs „mehr“, mit denen der Sprecher immer wieder auf die Steigerungsfähigkeit des Prozesses und der Ausprägung von Zuständen Bezug nimmt.
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wir ham genau dort an diesem PUNKT (-) festgestellt dass wir noch VIEL intenSIver zusammenschaffen müssen und wir sehn da VIEle CHANcen INSbesondere im INdirekten beREICH (.) dass wir hier geMEINsam in p noch deutlich BESser werden. und hier müssmer sicherlich in dem thema an der ein oder anderen stelle noch mehr transpaRENZ reinbekommen –
Die oftmalige Verwendung der Adverbien „ein bisschen“ oder „etwas“ im Zusammenhang mit der Steigerung stellt die Intensitätssteigerungen als in kleinen Schritten zu vollziehen dar – in Anlehnung an die Philosophie der Kontinuierlichen Verbesserung in kontinuierlichen kleinsten Schritten (vgl. Kapitel 6.1). Die Darstellung verweist auf einen Beschleunigungsdiskurs, der auf die Steigerung von Anspannung und das Abrufen von intensiverem Wandel abzielt. Die Präsentation der Notwendigkeit von Beschleunigung stützt sich auf die Philosophie von Lean Production und wird gleichzeitig durch diese Konzeption legitimiert. Zusätzlich zielt die Darstellung eines sich natürlich steigernden und zu steigernden Prozesses auf die Opferbereitschaft der Adressaten ab und legitimiert Zumutungen, die im Zuge der intendierten Steigerung zu erwarten sind. wir ham ne CHANce wenn wir prozesse beREInigen dass wir ein produkt d an bord holen; wenn wir uns da an der ein oder anderen stelle noch mal en bisschen verSCHLANken äh mein ziel isch es heute mit IHNen des thema des veränderungsprozesses mit dem THEma yps-LEITlinien in des werk einzuführen – (--) beZIEHungsweise dem yps-sysTEM mit dem heutigen TAG noch mal en bisschen ne neue (-) SCHUBkraft zu verleihen. jetzt HEUte wollen wir mit den LEITlinien HERgehn (-) und äh (-) ja ich sag mal (-) en gewissen unterSTÜTZungsprozess leisten damit wir das was wir im WERK praktisch betreiben – (-) dass diese Anstrengungen auch noch etwas fruchtbarer werden.
Auch bei der Darstellung der externen Gefahren für das Unternehmen spielt die Intensivierung eine Rolle: wir SELber haben ebenfalls (-) immer mehr MITbewerber – (.) in den eigenen reihen –
Ein höherer Intensitätsgrad in den externen Umwelten rechtfertigt und legitimiert somit die interne Intensitätssteigerung des Wandels. In diesem Beispiel, das die Konkurrenz als ‚Feind’ innerhalb der Organisation darstellt, ist die Steigerung doppelt vorhanden: nicht nur, dass sich externe Gefahren „beschleunigen“ und das Risiko115 erhöhen – hier verwischen sogar die Grenzen zwischen extern und intern; der ‚Feind’ wird stärker und ist gleichzeitig schwieriger auszumachen. Der dargestellte Handlungsraum ist nicht nur durch eine ständige Intensivierung von etwas bereits Vorhandenem gekennzeichnet, sondern auch durch die 115 Vgl. hierzu Becks Ausführungen zur „Risikogesellschaft“ (1986).
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Aneinanderreihung von qualitativen Veränderungen. Die Aufzählung solcher Maßnahmen und deren Exponierung als ‚Meilensteine’ durch das Adverb „noch mal“ geben dem Prozess einen ‚Rhythmus’ kontinuierlich durchgeführter Aktivitäten. Somit normalisiert der Redner ständig aufeinanderfolgende Neuerungen; künftige Neuordnungen sind vorprogrammiert: vor EInem jahr hammer dann noch mal was (.) verändert (.) wir ham insbesondere im qualiTÄTsbereich bei uns hier in der fabRIK die dezentralen qualitätsberEIche zuSAMmengeführt – mit dem FUHRpark und der proDUKTgewährung (.) und ich glaub (.) auch da lag en entSCHEIdender verÄNderungsprozess drin – dass die produktgeWÄHrung die ja schon dem dr. w. angesiedelt war – (-) dass DIE hier noch mal mit dem qualitätsbereich zusammengeführt worden ist – (.) und ich denke hier wart mer noch en bisschen auf die weiteren verÄNderungsschritte –
Ständige Intensivierung und kontinuierlich aneinandergereihte Änderungsmaßnahmen erhöhen also den Anspannungsgrad des Wandlungsprozesses und stellen in der dargestellten Perspektive die Lösung für das unternehmerische Dilemma dar. Ein Ende dieser Kraftanstrengung ist nicht abzusehen. Die Frage nach den Fähigkeiten der Organisation, eine solche Anspannung auszuhalten, und nach den Auswirkungen auf die Individuen wird in der Darstellung ausgespart. Die Darstellung von ‚vernetztem’ Wandel Der Redner verwendet in seiner öffentlichen Rede sehr viel Zeit und sprachlichen Aufwand darauf, die Vernetzung von Wandel-Aktivitäten darzustellen und hervorzuheben. Gleich zu Beginn der Rede sind die Bemühungen von LS erkennbar, eine zusammenhängende Kette im Veränderungsprozess aufzuzeigen. Auffallend ist bei seiner Darstellung, dass der organisationale Aktionsraum aus einer diachronen Perspektive vorgestellt wird. Gleich zu Beginn der Rede weist LS darauf hin, dass seine folgende Darstellung zunächst ein „Resümee“ und dann einen Ausblick in die Zukunft enthält. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass der Redner bei der resümierenden Darstellung den Vernetzungs-Aspekt von Texten über Veranstaltungsgrenzen hinaus aufgreift: Er bezieht sich explizit auf die Kette von social events, mit deren Hilfe Wandel forciert wurde und immer noch wird: ja (-) schönen guten MORgen liebe FÜHRungskräfte (3.0) ich denk die heutige Veranstaltung gibt uns ne gute MÖGlichkeit (-) um mal Resümee zu ziehn (--) aber auch mal weit weit nach VORne zu blicken. […] JA (.) lassen sie mich mal STARten (-) und ZWAR wenn ich mir so die JAHre nach hinten anschaue (.) dann hammer eigentlich heute fascht en jubliLÄUM oder so was (-) denn äh ich erinner mich noch gut im Jahr x hab ich mein AMT hier als Standortleiter angetreten – […]ich erinner mich noch ganz gut dran (.) als wir im Sommer des jahres x – (.) einen (.) verÄNderungs(.)prozess gestartet haben – (-) un ne ähnliche verANstaltung wie die HEUtige – (-) gemacht haben (-) die hieß damals MENschen verÄNdern. (-) […](hh.) HEUte (.) sind wir WIEder zu einer AUFtaktveranstaltung zu-
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SAMmengekommen – (---) […] mir ham mit dem yps-produktionssystem im jahr zweiTAUsend einen weiteren wichtigen schritt im verÄNderungsprozess des WERkes gemacht – […] (--) jetzt HEUte wollen wir mit den LEITlinien HERgehn (-) und äh (-) ja ich sag mal (-) en gewissen unterSTÜTZungsprozess leisten damit wir das was wir im WERK praktisch betreiben – (-) dass diese Anstrengungen auch noch etwas fruchtbarer werden. (--) und wir ham auch dieses mal wieder ein Motto – (.) äh geSETzt mit dem thema yps (.) KLASse SCHAFfen. (--) es ist die DACHBOTschaft aller (.) UNSrer ypsaktiviTÄten in DIEsem JAHR. (---) auch (-) bei DIEsem MOTto steckt en bisschen ne gewisse (-) MEHRdeutigkeit DRIN – (-) wie DAmals bei dem thema menschen verÄNdern.
Hier ist zu sehen, dass schon zu Beginn dieser Rede bestimmte Darstellungsmittel angewendet werden, um eine zusammenhängende Kette von Texten innerhalb des Veränderungsprozesses über verschiedene social events hinweg aufzuzeigen. Diese bestehen in der chronikalischen Schilderung von Ereignissen im Veränderungsprozess sowie in der Akzentuierung von bestimmten Einzeltexten innerhalb des Prozesses. Bemerkenswert ist in den einleitenden Worten des Standortleiters, dass er die ‚Veränderungskette’ nicht nur auf den aktuellen Veränderungsprozess, nämlich Lean Production, beschränkt, sondern einen früheren Wandlungsprozess in die Darstellung einbezieht, den viele Anwesende nicht mehr kennen: „Menschen verändern“. Somit wird der zu verfolgende Wandlungsprozess nicht auf ein Thema bezogen, sondern auf alle organisationalen Aktivitäten, mit denen das Ziel verfolgt wurde und wird, eine bestimmte Gruppe, bestehend aus den oberen Führungsebenen, als Unterstützer für Veränderungen im Allgemeinen zu aktivieren. Dies ist eine thematische Ausweitung weg vom aktuellen Prozess hin zu einer übergreifenden Perspektive auf Wandel: Es geht hier nicht um das ‚banale’ Ziel, ein einzelnes Thema voranzutreiben, sondern um den Wandel der Organisation und ihrer Mitglieder an sich. Dies zeigt das zweimal zitierte Motto des Vorgänger-Wandlungsprozesses deutlich. Der Leitgedanke „Menschen verändern“ ist aus der Perspektive des Redners nicht obsolet, sondern soll auch im aktuellen Lean Production-Prozess weiterbestehen. Mit dieser Darstellung werden verschiedene Veränderungsprozesse in ihrer Zielsetzung miteinander gekoppelt. Die themenunabhängige, ganzheitliche Wandel-Perspektive wird besonders in folgender Redepassage deutlich: wir ham im verGANgenen JAHR UNterschiedlichste beGRIffe glaub ich im RAUM stehen gehabt ähm des thema YPS mit xy des thema YPS-LEITlinien – (--) oder aber auch im jahr x das thema MENschen verÄNdern; […] ich bin ((räuspert sich)) davon überZEUGT dass des eigentlich VÖLlich GLEICHgültig isch welche beGRIFFlichkeiten !WIR! dorthingeschrieben HAben (--) und welche ÜBerschriften da stehen – (--) entSCHEIdend ist für uns (eigentlich) dieser verÄNderungsprozess und auf der anderen seite dieses thema verSCHLANkung der proZESse – (.) LEAN production; (.) es is eigentlich IMmer des GLEIche; wir ham dem thema bloß immer wieder unterschiedliche NAmen gegeben. insofern isch des net ne verWIRRtaktik sondern es ist im prinzipp EIne FORTentwicklung von verschiedenen themen
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die wir immer widder unter dem thema der schlanken produkTION mitnander angega/ angetrieben HAben. […] äh (.) keine SORge wir führn des auch die nächsten zehn oder HUNdert jahre fort – und äh insofern wie gesagt isch es egal welcher NAme da drüber steht. (--)
Diese Redepassage nimmt dem aktuellen Wandlungsprozess sein Gewicht und stellt stattdessen Wandel an sich als wünschenswerte Entität dar, welche in ihrer Kontinuität die Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Unabhängig vom Produktionssystem YPS oder vom neuen Leitbild sieht der Sprecher den Handlungsraum durch die kontinuierliche ‚Menschenveränderung’ (in ihrer Doppeldeutigkeit des ‚Verändertwerdens’ und des ‚aktiven Veränderns’) und die daraus resultierenden Prozessveränderungen gekennzeichnet. Doch warum ist diese diachrone Darstellung notwendig? Wäre es nicht zielführender, die aktuellen Schwerpunkte des Leitbilds zu explizieren anstelle der Vernetzung eines umfassenden, verschiedene Veränderungsprozesse umspannenden Wandel-Konstrukts? Durch die Analyse wird die Funktion deutlich: Mit den Darstellungsverfahren stiftet der Top-Manager insofern (nachträglich) Sinn, als er die Adressaten symbolisch im historischen Prozess verortet. Damit ist die Erwartung verknüpft, dass diese weiter im Sinne dieser Kontinuität agieren. Mit der Strukturierung jahrelanger Prozesse schafft der Redner Ordnung. Dies fungiert als Totalisierung des Einzelnen in einen großen historisch bedeutsamen Prozess (und zwar zweifach: sowohl außerorganisational in den Globalisierungskontext als auch innerorganisational in den Kontext der Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit). Zudem wird das Handeln des Managements im strukturiert dargestellten Prozess verortet und letztlich legitimiert. Die Zeitstruktur des Wandlungsprozesses: Weichenstellung für das Überleben Betrachtet man den Aspekt Zeit in der Darstellung des umfassenden Veränderungsprozesses, so fällt auf, dass der Schwerpunkt der Ausführungen auf der Vergangenheit und auf der schwierigen Lage in der Gegenwart liegt. Entgegen der zu Beginn der Rede formulierten Zielsetzung „auch mal weit weit nach VORne zu blicken.“ ist der Ausblick in die Zukunft wenig ausgeprägt; die „power of futurological prediction“ (Fairclough 2003, 167) wird kaum genutzt. Es liegt nahe, dieser Darstellungsart eine wichtige Funktion zuzuschreiben: Dem Redner ist demnach wichtig, die Rezipientenwahrnehmung vor allem der Vergangenheit und Gegenwart zu steuern. Die Wahrnehmung bestimmter Wandel-Aspekte (Risiken, Intensivierungsmöglichkeiten, Vernetzung) und vor allem der Diachronie des Veränderungsprozesses wird als Grundlage für angemessenes Handeln in der Zukunft präsentiert. Vor diesem Hintergrund erachtet der Redner detaillierte Voraussagen für die Zukunft (sofern sie überhaupt möglich sind) als nicht wichtig.
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Über den gesamten Redetext hinweg kann man verfolgen, dass bei der Retrospektive, bei der Fokussierung der Gegenwart sowie bei den insulären Ausblicken auf die Zukunft unterschiedliche Emotionen zum Tragen kommen: Der Rückblick wird in den meisten Fällen positiv attribuiert, wohingegen die Gegenwart sorgenvoll und die Zukunft – wenn überhaupt thematisiert – gefahrenvoll dargestellt werden: ich hab mich au damals geFREUT wenn ma des nomal rückwärts sieht – dass (.) äh (.) dieses thema schon mit dem thema p schon mal aufgegriffen war […]es freut einen natürlich wenn sie alles in den vergangenen jahren da schon geMACHT haben. des SAG ich HIER AUCH in aller DEUTlichkeit – (.) SO SCHWER wie in DIEsem JAHR (--) äh wars mir und auch dem MAnagementkreis von der perspekTIve HER noch GAR nie geFALlen – (--) was DA im prinzipp auf uns (.) ZUkommt.
Wie schon bei der bisherigen Analyse des Handlungsraums angedeutet, wird Wandel als zeitlich unbegrenzter Prozess dargestellt, der je nach Anforderung verlangsamt, beschleunigt oder weniger oder mehr intensiviert werden kann. Vor dem Hintergrund der gefahrenvollen Zukunft scheint Intensivierung und Beschleunigung die einzige Möglichkeit zu sein, den Gefühlen der Sorge und seelischen Belastung (SO SCHWER wie in DIEsem JAHR (--) äh wars mir und auch dem MAnagementkreis […] noch GAR nie geFALlen –) zu entkommen. Bemerkenswert ist auch, dass die Retrospektive durch die Konstruktion eines ‚Goldenen Zeitalters’ (vgl. auch Habscheid/Hartz 2006) charakterisiert ist. wenn ich mal die fünf JAHre zurückblicke glaub ich dann können wir alle mitnander STOLZ sein auf des was wir praktisch in diesen fünf JAHren erreicht HAben (-) und wir können auch SAgen (.) wir ham konsequent diese GROße diesen supertanker IMmer auf verÄNderungskurs gehalten. (---) und ich darf ihnen auch an dieser stelle herzlich DANke SAgen für all des was (.) SIE (.) geleischtet HAben -
Durch Willensstärke und Durchhaltevermögen im Veränderungsprozess ist es aus dieser Perspektive gelungen, die Gefahr für das Unternehmen einzudämmen. Diese Art der Erfolgsdarstellung fungiert als Sinnstiftung für vergangenes Handeln sowie als Legitimationsressource für künftiges Handeln in der Organisation. Was in der Vergangenheit zum Erfolg geführt hat, ist sicherlich auch geeignet, um damit neuen Herausforderungen entgegenzutreten. Der Blick auf die Gegenwart ist problematischer dargestellt: Einerseits sind die ‚Herausforderungen’ der Gegenwart positiv attribuiert, geben sie doch die Möglichkeit, sich als Führungskraft zu beweisen. Andererseits hebt der Redner immer wieder hervor, dass man sich nun an der Grenze nicht mehr oder nur sehr schwer zu bewältigender Gefahren befinde, womit er eine existenzielle Perspektive auf den organisationalen Wandel darlegt.
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wir ham wenn man die KOSCHten und den ERschten punkt noch mal revue pasSIERen lässt – (--) die verGANgenen fünf JAHre das KOSCHtenziel jedes JAHR erREICHT. (--) ABer (--) […]des SAG ich HIER AUCH in aller DEUTlichkeit – (.) SO SCHWER wie in DIEsem JAHR (--) äh wars mir und auch dem MAnagementkreis von der perspekTIve HER noch GAR nie geFALlen – (--) was DA im prinzipp auf uns (.) ZUkommt.
Sogar im Verlauf der Darstellung des ‚Goldenen Zeitalters’ nimmt der Redner immer wieder Bezug auf die zu bewältigenden Bedrohungen, um diese nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: lassen sie mich noch ne ganze REIhe von VORbemerkungen MAchen zu all dem was wir in den vergangenen JAHren geLEIStet Haben – (--) aber auch zu all DEM (.) was noch vor uns liegt und des isch ja ne GANze MENge.
Existentielle Gefahren werden so als Fatalismus präsentiert, dem die gesamte Organisation ausgeliefert ist – ganz nach dem Motto: ‚Mitgefangen, mitgehangen.’ Neben der fatalistischen Sichtweise beinhaltet die Darstellung aber auch eine andere Perspektive, die gerade in der Beschäftigung mit Existenzialen116 die Befriedigung von Führungskräften ermöglicht: sie können trotz aller Wagnisse den Wandel gestalten und zum Glück und Fortbestand der Organisation beitragen. ICH hab eigentlich (-) KEIne lust (--) mit ihnen gemeinsam (-) des so ANzugucken (.) sondern (-) wir sollten eigentlich die heRAUSforderungen annehmen
Die Vergangenheit stellt in der Manager-Darstellung also einen gleichmäßigen, einheitlichen und positiv konnotierten Strom an Wandel-Aktivitäten dar. Sobald in der Rede die Zukunft konstruiert wird, splittet sich dieser Strom in zwei potenzielle Szenarien auf – eine Weggabelung des Wandlungsprozesses. Habscheid/Hartz (2006) stellen bei der Analyse von Mitarbeiterzeitungen im Globalisierungsdiskurs eine ähnlich gelagerte Zweiteilung von Zukunftsszenarien fest und bezeichnen diese treffend mit dem Begriff der „Bifurkation“. Das erste Szenario zeigt die Überwindung der dargestellten Herausforderungen auf; in diesem Fall gelingt es den Managern, die Probleme zu meistern. Das zweite Zukunftsszenario stellt den Untergang des Unternehmens dar, zu dem inner- und außerorganisationale ‚Player’ beitragen: die Gewerkschaft, politische Akteure, aber auch die Adressaten, welche sich den Herausforderungen nicht ausreichend gestellt haben. Die dabei zu präferierende Alternative ist klar, die notwendigen Opfer der Organisationsmitglieder ebenfalls, auch wenn sie auf einer sehr abstrakten Ebene dargestellt sind: Akzeptanz der vorgestellten bzw. nur angedeu-
116 Bei der Analyse der Darstellung von Identitäten wird noch näher auf die Fokussierung von Existentialen eingegangen – dabei auch auf Assoziationen zu philosophisch-literarischen Diskurstraditionen.
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teten Lösungen, die Bündelung von Kräften zur Überzeugung der übrigen Organisationsmitglieder und kritiklose Gefolgschaft im Wettbewerbskampf: wir hams in dem werk in den letzten jahren verSTANDen (.) die WEIchen dahingehend richtich zu stellen (.) dass wir in DIESem JAHR in KEInem LOCH sind. […]SIE können mit uns diesen verÄNderungsprozess in HOCHgeschwindigkeit angehen – und dann würd ich sie gern ALLE mitnehmen – (.) nehmen sie auch ihre Mitarbeiter mit […]ja, (.) und ich kann sie bloß alle auffordern (.) sind sie dabei –
In diesem Zitat zeigt sich die ‚Bifurkations-Logik’ in der Symbolik der ‚Weiche’. Der Erhalt der Weichenstellung ist in dieser Perspektive jedoch permanent gefährdet, sonst könnte der Standortleiter das Scheitern auch für das kommende Jahr oder einen noch längeren Zeitraum ausschließen. Stattdessen liegt der Fokus auf der ständigen Antizipation falscher Weichenstellungen – die Angstkulisse ist allgegenwärtig. Auch die Konstruktion dieses Szenarios dient als Plausibilisierungs- und Legitimationsressource von geforderten Opfern sowie der Erweiterung der „Indifferenzzone“ (Barnard 1938). Ziel ist es, durch den ‚Bedeutungskampf’117 in der Rede dahingehend einen größeren Spielraum zu erreichen, was die Organisationsmitglieder „mit sich machen lassen“ (vgl. Baecker 2003). Der fatale Ausgang im Zuge des einen Szenarios der „Bifurkation“ wird sogar mit dem Begriff „Exitus“ benannt – eine Polarisierung, welche drastisch die Entwicklungsmöglichkeiten im ‚gegebenen’ Handlungsraum deutlich macht. wie gesagt ich bin nicht angetreten um hier zum EXItus des werkes zu blasen; (-) sondern ich denke (.) WIR alle mitnander haben die BESten CHANcen (-) das thema (.) AUFzugreifen; (-) dass des ne herAUSforderung ist ischt glaub ich ihnen allen KLAR, (-) aber (.) wenn wir alle mitnander (.) am richtigen strang ziehen (-) un des hammer in den letschten jahren beWIEsen; (-) werden wir des auch gemeinsam schaffen.
Die Analyseergebnisse zur Darstellung des Handlungsraums lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Durch die Darstellung einer konsistenten ‚Veränderungskette’ werden zwei Funktionen erfüllt: Erstens dient die Darstellung von Organisationsprozessen und den daraus resultierenden Erfolgen als Legitimation bisherigen Handelns; zweitens stiftet der Redner mit der „fabula“ (Fairclough 2003) der Organisation Ordnung und konstruiert somit ein totalisierendes Identifikationsangebot für die Zuhörer. Mit der Beschreibung der bedrohlichen Außenwelt und somit der Etablierung einer Sachzwanglogik soll die Grundlage für Veränderungsbereitschaft geschaffen werden. Weiterhin legitimiert der Redner mit der Darstellung weitere ‚Zumutungen’ für die Belegschaft. Zwar werden Details zu den zu bringenden Opfern in der Darstellung ausgespart, doch kann die intensive Repräsentation von ‚Zwängen und Notwendigkeiten’ als implizite 117 Zur Funktion kommunikativer Strategien zur ‚Besetzung’ von Begriffen und somit zur Durchsetzung im Bedeutungskampf s. Haß 1991 und Kuhn 1991.
7.1 Eine Manager-Rede: Inszenierung von permanentem Wandel und Einigkeit
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Bezugnahme auf potenzielle Nachteile des Wandlungsprozesses für einzelne Interessensgruppen innerhalb der Organisation verstanden werden. Aufgrund der allgegenwärtigen Bezugnahme auf externe Bedrohungen kann man bei der Managerrede von einer starken Betonung (wenn nicht gar Überbetonung) von Fremdsteuerung sprechen. Dies ist ebenfalls als ein Legitimationsverfahren zu sehen, mit dem das Top-Management sein Handeln gegen potenzielle Vorwürfe immunisiert: auch das Handeln von Managern ist in dieser Perspektive von Einschränkungen beeinflusst, Misserfolge können so nicht (allein) der Führungsspitze zugeschrieben werden. Im Zusammenhang mit der Darstellung von Machbarkeit auf der einen Seite (beispielsweise bei den Hinweisen auf die notwendige Forcierung zur ‚Rettung’ der Organisation) entsteht somit ein Kontrast bei der Darstellung des betreffenden Wandlungsprozesses – eine Paradoxie zwischen Selbst- und Fremdreferenz. 7.1.2.2 Die Darstellung von Wandel-Akteuren Wenden wir uns nun der rhetorischen Darstellung von im Wandlungsprozess aktiven oder auch passiven Personen und Personengruppen zu, deren Analyse Erkenntnisse über die impliziten Annahmen des Top-Managers in Bezug auf die Wandel-Akteure verspricht sowie darüber, was diese aus der dargestellten Perspektive sind bzw. nicht sind, tun, denken, wollen oder sollen. Zunächst richte ich den Blick auf die Bezugnahme auf die Adressaten in der Referenzrolle, bevor ich im zweiten Schritt auf die Darstellung der Adressaten in der Hörerrolle, drittens auf die Darstellung einer integrierten Gruppe (bestehend aus dem Sprecher und den Hörern), viertens auf die Selbstdarstellung des Sprechers sowie fünftens auf die Bezugnahme auf Dritte eingehe. Der Idealtypus von Wandel-Akteuren Wenn der Redner sich auf die Adressaten seiner Rede bezieht, ist auffällig, dass er stark auf deren Innenwelt referenziert. Zentraler Angelpunkt der Referenz auf das ‚Innere’ ist die Konstruktion eines ‚Kollektiverlebnisses’ im organisationalen Wandel, auf welche nun näher eingegangen werden soll. Die intensive Untersuchung dieser Erlebniswelt und somit der dargestellten Sinnfigur von Wandel führt zu interessanten Ergebnissen hinsichtlich ‚erwünschter’ Wandel-Identitäten. Die Darstellung wird folgendermaßen konstruiert: Der Sprecher greift positive Ereignisse des Wandlungsprozesses auf und entwirft kollektive (zukünftige) Erlebnisse. Diese Erlebnisse implizieren einen inneren Zustand der Akteure, welcher z. B. in folgender Passage zur Sprache kommt:
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wir werden mit den leitlinien jetzt (.) eine >>acc< ich hab des schon mal gesagt< so eine ZWEIte raKETEN(.)stufe ZÜNden – (.) >>ac< ich glaube es ischt der richtige zeitpunkt < nach vier (.) vier fünf JAHren (-) um nochemal (.) ja einen gewissen inneren KICK zu bekommen.
Der Begriff „innerer Kick“ ist einer jargonhaften Sprache der Sport- bzw. Abenteuerwelt entnommen. Mit diesem sprachlichen Mittel evoziert der Redner eine Erlebniswelt, die durch Exklusivität, Intensität, Leichtigkeit sowie eine innere Anspannung knapp an der Grenze zum Kontrollverlust gekennzeichnet ist. Innerhalb dieses Konzepts ist der „Kick“ für alle Anwesenden möglich, vorausgesetzt, sie zählen sich zu der Gruppe, innerhalb derer man sich die durch die Rede vermittelten Werte teilt. Weiterhin impliziert der Ausdruck die Reproduzierbarkeit von Erlebnissen, wie beispielsweise bei Extremsportarten. Zunächst macht der Ausdruck „innerer Kick“ deutlich, dass der Anspannungsgrad im Veränderungsprozess bis an den höchst möglichen Punkt geführt werden soll. Weiterhin korreliert der Ausdruck mit einer „Erlebnisrationalität“ (vgl. Schulze 1992), innerhalb derer eine besondere Art der Beziehung zwischen Subjekt und Situation besteht: die erste Voraussetzung für ein Erlebnis ist die klare Absicht, innere Vorgänge durch eine Situationsveränderung hervorzurufen. Wichtig scheint dabei einerseits die Aktivität und Gestalterrolle der Subjekte (Wir) und andererseits der richtige Moment der Situationsveränderungen zu sein (ich glaube es ischt der richtige zeitpunkt). Die beabsichtigten inneren Vorgänge werden durch eine Intensivierung von Veränderungen möglich, d. h. durch die Steigerung eines energiegeladenen Prozesses (eine ZWEIte raKETEN(.)stufe ZÜNden). Mit der Bezeichnung „innerer Kick“ legt der Redner den Fokus auf mentale Vorgänge bei den Adressaten. Durch die Beeinflussung äußerer Bedingungen sollen subjektive Prozesse angeregt und innere Vorgänge reproduziert werden (nochemal) (vgl. Schulze 1992, 40ff). Der Redner wirbt in seiner Äußerung für eine Extremerfahrung, die als geeignet präsentiert wird, die in der Rede propagierte ‚ideale’ Managementhaltung zu internalisieren. Somit bildet die Darstellung der idealen Identitäten das Gegenstück zum dargestellten Handlungsraum: nur durch die Internalisierung einer bestimmten Art von Identität sind in dieser Perspektive die Adressaten in der Lage, den Handlungsraum zu steuern, existentielle Gefahren abzuwenden und den Wandel nach den eigenen Wünschen zu erleben. Durch diese Erlebnisrationalität verlieren die Rahmenbedingungen an Gefahrenpotenzial; nur die als Erlebnis gestaltete Innenwelt (der Individuen und der Organisation) ermöglicht den Kampf gegen inakzeptable Entwicklungen in der Außenwelt. Der Rekurs auf die Erlebnisrationalität ist als Identitätsregulation der Adressaten zu verstehen. Indem der Top-Manager ideale Akteure im Wandlungsprozess präsentiert und ein bestimmtes Kollektiverleben propagiert, definiert er die Identitäten der Führungskräfte. Dies ist ein Identifikationsangebot für eine
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bestimmte Art des Seins; nur derjenige Typus von Führungskraft ist geeignet für existentialistische und erlebnisorientierte Grenzerfahrungen, der eine bestimmte Grundhaltung und ein spezielles Selbstverständnis besitzt und auch lebt. Der Standortleiter umwirbt immer wieder das gemeinsame ‚Erleben’, so auch in folgender Passage: etwas (.) zuSAMmen (.) SCHAFfen. (-) KLASse zuSAMmen SCHAFfen. (-) und damit (.) als TEAM en gutes erGEBnis zu erzielen - (.) und ich glaub des wollten wir ja auch EIgentlich erLEben;
Im Zusammenhang mit der ‚Erlebniswelt’ ist jedoch noch ein zweiter Aspekt zentral: das Handeln der Führungskräfte als Existentialisten. Gefahren und die daraus resultierende Anspannung sind in der Darstellung zwar allgegenwärtig, der Redner deutet sie jedoch in wünschenswerte Entitäten um. Die Tatsache, dass Führungskräfte diesen Gefahren spielerisch begegnen sollen, stilisiert sie zu ‚Existenzialisten’ hoch, die sich in einem turbulenten Umfeld selbst entwerfen.118 Somit werden die Führungskräfte zur Beschäftigung mit elementaren Erfahrungen gelenkt, um selbstbestimmt ‚Erleben’ herbeizuführen. Die Umwertung der Geschehnisse in positive Erlebnisse erscheint notwendig, um absurde Entwicklungen zu einem positiven Ausgang zu bringen. Die Rede impliziert so die drei Stufen des Umgangs mit widersinnig erscheinenden Anforderungen, die im „Mythos von Sisyphos“ (Camus 1959) als Bewältigungsstrategie von Sinnlosigkeit und Absurdität gewählt werden: 1. die Erkenntnis, 2. die Annahme und 3. die Revolte gegen das Absurde. Bei der Fokussierung in der Darstellung geht es also darum, einen ‚absurden’ Handlungsraum und dagegen ‚revoltierende’ Identitäten zu konstruieren. Die Handlungsweise im Detail interessiert dabei nicht, vielmehr hat die Darstellung die Funktion, die Kommunikationspartner in einem rituellen119 sozialen Ereignis auf ein gemeinsames Selbstverständnis einzuschwören. Mit der Darstellung des Umfelds und des Idealtypus Führungskraft zielt der Redner auf die ‚Herzen’ und die Geisteshaltung der Adressaten ab. Ihre ideale Identität wird so präsentiert, dass sie sich in ihrem Denken und Handeln von den unteren Hierar118 In Anlehnung an Sartres Existenzialismus kann diese Perspektive auf Existenziale (im Fallbeispiel Furcht vor nachteiligen Auswirkungen der Globalisierung und nicht zu beeinflussenden Entwicklungen) folgendermaßen verstanden werden: Der Mensch versteht sich im Erleben seiner selbst, d. h., er ist seine Existenz. Dieses Verständnis mündet in Selbstbestimmung, denn der Existenzialist zentriert seine Existenz auf das Problem der Befreiung zu seinen eigenen Möglichkeiten hin. Die Annahme Sartres, dass die Existenz der Essenz vorausgeht, bedeutet, dass „der Mensch zuerst existiert, sich begegnet, in der Welt auftaucht und sich danach definiert“ (Sartre 1994). Dabei ist der Mensch verantwortlich für das, was er ist, und auch für alle anderen Menschen, denn in Sartres Sinn kann menschliches Leben niemals als vereinzeltes Leben verstanden werden. 119 Zum Ritualbegriff s. Kapitel 7.2.7.
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chieebenen der Organisation bzw. von anderen, ‚unsozial’ handelnden Unternehmern oder Arbeitnehmervertretern und deren moralischen Konventionen unterscheiden. Nicht die Führungskraft hat Erfolg, die auf Wandel reagiert, sondern diejenige, die Wandel herstellt und aufrechterhält, um ihn in einer Gestalterrolle selbst zu ‚erleben’. Nach der Betrachtung aller betreffenden Stellen in der Rede, in denen die Eigenschaften des wünschenswerten Führungskräftetypus dargestellt werden, lassen sich folgende Merkmale zusammenfassen: Der ‚Erlebnis-Mensch’ arbeitet auf Gruppenerfahrungen hin, ist ausdauernd, leitet eine Maßnahme nach der anderen ein und setzt sie ohne Angst vor Misserfolgen durch. Weiterhin leistet die ideale Führungskraft intensive Beziehungsarbeit innerhalb des Unternehmens, verfügt über Tugenden wie Bescheidenheit oder Tapferkeit, ist sensibel für kaum merkliche Entwicklungen und zeigt sich betroffen von gemeinsamen Problemen. Wichtig ist dabei die Forderung, dass die Führungskraft die sinnstiftende Kommunikation der Unternehmensleitung aufnimmt, deren Inhalte permanent in sich trägt und in der Anschlusskommunikation weiterverarbeitet. Weiterhin sind die dargestellten ‚Wandeltreiber’ in der Lage, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden sowie Perspektiven von Organisationsmitgliedern zu antizipieren. All diese Eigenschaften münden in den allgemeinen Topos des „flexiblen Menschen“ (Sennett 2000). Das Hervorbringen von Sinnangeboten der ‚inneren Flexibilität’ kann als organisationsinternes Führungsinstrument aufgefasst werden, mit dem subjektive Bindungen gestärkt werden sollen und gegebenenfalls vorhandenen bzw. künftig auftretenden Unzufriedenheits- oder Dissenspotenzialen begegnet werden soll, d. h., es geht um die ‚Führung innerer Haltungen’: „Die Unternehmenskultur hat ihre Funktion erfüllt, sobald das gesamte Menschsein den Weg in die Arbeit findet. Aus Sicht des Unternehmens entwickelt sich die subjektive Bindung des Angestellten daher zu einem Politikum ersten Ranges. […] An dem Punkt, an dem die Unternehmenskultur neben bestimmten Denk- und Verhaltensweisen sogar spezifische Seinsweisen motiviert, berühren sich die Funktionen der Motivation und der Subjektivierung mit denen der Kontrolle. Statt formaler Anweisungen vermittelt die Kultur implizite normative Steuerung. Der von ihr angestrebte Idealzustand besteht in einer kulturell erzeugten Selbstkontrolle, die den Einzelnen produktiv zur Verwertung jeglicher individueller Ressourcen bis an die Belastbarkeitsgrenzen anhält. Die Einfügung in das kulturelle Wertesystem produziert eine völlig andere Art der Härte als der direkte Zwang.“ (Opitz 2004, 177)
Sinnstiftung erfolgt in dieser Rede durch die Repräsentation des Handlungsraums und gleichzeitig mit der des ‚idealen Seins’ innerhalb dieses Raums und in Beziehung zu diesem Raum. Die Gesamtdarstellung lässt darauf schließen, dass der Redner das Handeln der Akteure innerhalb des angebotenen Handlungsraums auf diese Weise reguliert. Die Darstellung von Wandlungserlebnissen ist jedoch
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so abstrakt gehalten, dass das Handeln an sich unklar bleibt. Vielmehr nimmt der Top-Manager darauf Bezug, auf welcher mentalen Basis Handeln aufbaut. Damit konstruiert der Standortleiter in seiner Rede gemeinsame Werte und Erfahrungen im Sinne abstrakter handlungsleitender Orientierungen, welche am ehesten Konsens ermöglichen. Der präsentierte Konsens geht so weit, dass ein ‚kollektives Erlebnis’ möglich wird. Diese Kollektivierungsstrategie bringt mit sich, dass subjektive Singularität verschleiert wird, deutet aber auch darauf hin, dass tatsächlicher Wandel, d. h. möglicherweise Wandel zweiter Ordnung (s. Kapitel 1.2), wohl ausschließlich dann möglich ist, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind: einerseits der Kollektivprozess („wir“), bei dem trotz aller Tendenzen zu Individualisierung Gemeinsamkeit hergestellt wird; andererseits die „stabile Verknüpfung“ (vgl. Schulze 1992) zwischen den Phänomenen Wandel und Erfolg, die impliziert, dass ‚Verändern’ per se richtiges Handeln ist. In diesem Zusammenhang werden zunächst Brüche in der Darstellung evident: Die Anerkennung von gefährlichen Rahmenbedingungen entspricht einer Fremdsteuerung, die auf den ersten Blick der selbstinitiierten Steuerung von äußeren und inneren Vorgängen gegenübersteht. Der Manager verknüpft aber mit der existenzialistischen Erlebnisrationalität selbst- und fremdgesteuerte Prozesse. Beide Phänomene widersprechen sich in der dargestellten Logik nicht, da das revoltierende, erlebnisorientierte Handeln die Antwort auf absurde Rahmenbedingungen ist.120 In Bezug auf die Darstellung der Kommunikationspartner in der Referenzrolle lässt sich abschließend Folgendes feststellen: Der Schwerpunkt der dargestellten Identität liegt eindeutig auf dem Aspekt der Gefolgschaft, im Sinne eines klassischen Führungsmodells. Dennoch ist die ‚aktive’ Bereitschaft gefragt, Organisationsprozesse durch den Einsatz der Herzen und des Verstands zu beleben. Als Voraussetzung hierfür wird ein ‚integratives Modell’ präsentiert: wer an den Erfolgen der Firma teilhaben möchte, ist auch an Verpflichtungen, Zielsetzungen oder Wertvorstellungen gebunden. Idealvorstellung ist, dass alle Ebenen des Denkens und Handelns sowohl bei einzelnen Personen als auch über die Personen hinweg kompatibel sind. Das geforderte Involvement in allen Teilbereichen der Unternehmung121 verlangt, dass jede einzelne Führungskraft ‚Verantwor-
120 Nach Schulze (1992, 41) ist die Entstehung von Erlebnissen auch im Zusammenwirken von innen- und außenorientierten Komponenten möglich. Die Logik der Rede widerspricht also der Erlebnisrationalität nicht. 121 D. h., es wird ein Bewusstsein für die Zusammenhänge des Gesamtgebildes der Unternehmung gefordert, das die Elemente Beschaffungsmarkt, öffentliche Systeme, Ökosphäre, Absatzmarkt, verbundene Unternehmen, Konkurrenzunternehmen und Unternehmensverbände einschließt (vgl. Sellien/Sellien 2000).
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tungsträger’122 ist. Das Unternehmertum des Einzelnen wird jedoch dann in seine Schranken verwiesen, wenn es Zielsetzungen des Top-Managements in Frage stellt: habe ich eine herzliche BITte an sie; (--) wenn die dinge mal so ent!SCHIE!den sind – (-) TRAgen sie sie MIT;
Widersprüchliche Darstellung: die Hörer-Identität(en) Auch die Darstellungsanalyse der Kommunikationspartner in der Hörerrolle führt zu interessanten Erkenntnissen: In der direkten Ansprache der Adressaten stellt der Redner diese als Gruppe dar, die in enger Verbindung mit dem TopManagement steht: HEUte (.) sind wir WIEder zu einer AUFtaktveranstaltung zuSAMmengekommen – (---) und äh mein ziel isch es heute mit IHNen des thema des veränderungsprozesses mit dem THEma yps-LEITlinien in des werk einzuführen –
Auffallend ist hier die Integration der Zuhörer (mit IHNen), die überraschen kann, da der Standortleiter sie trotz ihrer passiven Rolle während der Rede und Podiumsdiskussion als aktive Akteure darstellt. Auch präsentiert der Redner die anwesenden Führungskräfte als ihm nahe stehende Individuen, wenn er ihnen für die geleistete Arbeit dankt oder wenn er sie mit dem Personalpronomen „wir“ mit der Gruppe des Top-Managements verbindet. Andererseits rückt die Darstellung an vielen Stellen aber auch in die Richtung passiver Individuen, vor allem, wenn der Redner in einer Experten-Laien-Konstellation zu verändertem Verhalten auffordert: ich kann sie HIER bloß HEUte alle AUFfordern – schauen sie NACH dass sie den EInen oder andern prozess ABstellen
Einerseits werden die Zuhörer der Führungs-Elite zugeordnet, welche die Organisation steuert. Dies hat die Funktion, sie einzubeziehen und somit empfänglich für nachfolgende Appelle zu machen. Andererseits wird in Sätzen wie dem letztzitierten deutlich gemacht, dass die Gruppe der Adressaten ‚Erfüllungsgehilfen’ für die Realisierung des intendierten Wandels sind, die mit Anweisungen in die richtige Richtung gelenkt werden müssen. Hier manifestiert sich eine ‚gespaltene Identität’ – einerseits die von Mitgliedern einer Elite-Gruppe und andererseits die von ‚Befehlsempfängern’.
122 Per defintionem handelt es sich hierbei um eine Person, die die Verantwortung für die zielgerechte Erfüllung einer Aufgabe hat. Grundsätzlich kann jede Person, unabhängig von ihrer hierarchischen Einordnung Verantwortungsträger sein (vgl. Sellien/Sellien 2000).
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Widersprüchliche Darstellung: Einigkeit und Differenz zwischen Redner und Adressaten Nach der Untersuchung der Darstellung der Adressaten sowohl in der Referenzals auch in der Hörerrolle verspricht die Analyse der Darstellung des Sprechers im Zusammenhang mit den Hörern Erkenntnisse über die impliziten Annahmen zum gemeinschaftlichen Handeln im Kontext des Wandlungsprozesses und über die möglichen Abgrenzungen zwischen Sprecher und Hörer. Zunächst richte ich die Aufmerksamkeit auf die Verwendung des integrativen, d. h. hörerinklusiven „Wir“ bei der Darstellung des Sprechers in Kombination mit den Hörern. Wenn man genauer untersucht, an welchen Stellen in der Rede das gänzlich hörerinklusive Personalpronomen verwendet wird, ist festzustellen, dass es vor allem in Verbindung mit bestimmten Aspekten des organisationalen Seins und Handelns auftritt. Bezogen ist Gemeinsamkeit hierbei auf
Erfolge: wenn ich mal die fünf JAHre zurückblicke glaub ich dann können wir alle mitnander STOLZ sein auf des was wir praktisch in diesen fünf JAHren erreicht HAben
Wandel-Aktivitäten: ein WEIteres thema (.) was mir AUCH (.) noch > und des hammer ganz GUT in der zwischenzeit geSTARtet und lockerer angegangen < (-) ist das thema der FLExibilität […]
Bedrohungen, welche auf die gesamte Gruppe übertragen werden: dann GEH ich mal davon aus (.) dass die sich einiges von uns abschauen werden un auch DA (.) DRUCK (.) auf UNS kommt.
Pflichten bzw. (moralische) Verpflichtungen: aber wir müssen an dieser KOStenschraube drehn net nur wegen dem GELD – (.) sondern (.) unsrer KUNden zuLIEBE;
die Positionierung in der ökonomischen Landschaft: und insoffern hammer eine SONderstellung in die wir historisch hiNEINgewachsen sind –
Bei der Darstellung gemeinsamer Identität in Bezug auf die Positionierung in der ökonomischen Landschaft ist Folgendes zu beobachten: Der Redner wertet den Status der Belegschaft gegenüber anderen Unternehmen auf und akzentuiert Achtung und Anerkennung in Bezug auf Attribute, welche die Organisationsmitglieder nicht selbst erarbeitet, sondern ‚geerbt’ haben. Somit wird Gemeinsamkeit auf einer emotiven Ebene angesiedelt. Gleichzeitig handelt es sich hierbei aber auch wieder um die weiter oben bereits angesprochene Totalisierung in
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einen historischen Prozess – hier die historische Sonderstellung –, im Sinne dessen weiter agiert werden soll. Die dargestellten Verantwortlichkeiten der Adressaten reichen jedoch nicht so weit, dass die Führungskräfte ihre Arbeitsprozesse in den einzelnen Bereichen selbst organisieren. Zwar werden sie dazu angehalten, bestimmte Prozesse ‚abzustellen’, das bedeutet aber nicht, dass sie die Arbeitsprozesse eigenverantwortlich gestalten und kontrollieren. „‚Selbstorganisation’ bleibt hier abhängig von einem durch ‚Fremdorganisation’123 gesetzten Rahmen, der durch Anreize, Feedback, Sanktionen usw. auszugestalten ist“ (Habscheid 2006a, 11). Weiterhin tritt das hörerinklusive Personalpronomen „wir“ bzw. das Possessivpronomen „uns“ im Zusammenhang mit gemeinsamen Denkhaltungen auf. Dies ist ein Mittel, um den ‚Zugriff auf den ganzen Menschen’ 124 zu erlangen. Dies manifestiert sich vor allem in Redepassagen, in denen die gemeinsame Betroffenheit und Emotion thematisiert werden: […] dass pro TAG (.) in etwa drei bis viertausend ARbeitsplätze in deutschland verLORen GEhen; (--) die nach OSten praktisch ABwandern. (---) letzte diskussionen werden sie geschtern geLEsen haben in der x-ZEItung – (--) >>acc> des isch die firma b unmittelbar HIER und ich denk des (.) des berührt uns
Das ‚Verlieren’ von Arbeitsplätzen wird negativ gewertet. Stattdessen ist an dieser Stelle der persönliche Einsatz für das Bewahren der Arbeitsplätze am Standort positiv konnotiert. Der Erhalt dieses wichtigen Guts in der Region gewinnt durch die emotionale Rahmung sowie die Übertragung auf die Gruppe den Status eines gemeinsamen Grundwerts. Wenn der Redner derart mit inneren Vorgängen wie Ängsten, Hoffnungen und Visionen umgeht, kann man dies als „modernes Management“ bezeichnen (Deetz 1992 und 1995). Nach der Betrachtung von hörerinklusiven Personalpronomina in der Darstellung soll nun auf hörerexklusive Pronomina eingegangen werden. Es wurde bereits ausgeführt, dass der Redner das Personalpronomen „wir“ einsetzt, um die Gruppe von Führungskräften zu integrieren. Dies trifft jedoch nicht auf alle Personalpronomina der ersten Person Plural zu. Der aufmerksame Zuhörer bemerkt sicherlich im Verlauf der Rede, dass die Deixis vielfältige Interpretationsmöglichkeiten offen lässt. In manchen Fällen spricht der Standortleiter ausschließlich von der Gruppe des Top-Managements: „und wir ham auch dieses mal wieder ein Motto – (.) äh geSETzt“, besonders wenn es um strategische Entscheidungen und um das Einleiten von Maßnahmen geht. An vielen Stellen ist unklar, welche Gruppe überhaupt mit „wir“ gemeint ist, und schon 123 Zu den Phänomenen der Selbst- und Fremdorganisation in Organisationen s. Menz 2000. 124 Das Phänomen wurde in der (Industrie-)Soziologie thematisiert (vgl. etwa Moldaschl/Voß 2002, Kleemann/Matuschek 2003).
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allein diese Unklarheit kann die Identifikationsangebote an die Zuhörer einschränken – oder aber auch erweitern, und zwar insofern, als der Rahmen für Interpretationsmöglichkeiten auf Basis der den Adressaten eigenen Perspektive sehr weit gefasst ist. Die Deixis des Personalpronomens „wir“ lässt unter anderem folgende Interpretationsmöglichkeiten zu: Mit „wir“ wird 1. die Gruppe aller Führungskräfte des Standorts bezeichnet, 2. es werden ausschließlich die Besucher der Veranstaltung benannt, 3. der Top-Manager spricht als Vertreter der kleinen Gruppe des Top-Managements, die geschlossen anwesend ist, und 4. der Redner spricht von sich in Verbindung mit nicht anwesenden, ihm übergeordneten Top-Managern. Durch die oftmals uneindeutige Verwendung des Personalpronomens „wir“ oder des Possessivpronomens „unser“ verwischen die Grenzen zwischen den Gruppen, sodass möglicherweise auch die Erwartungen an die jeweiligen Gruppenmitglieder unklar bleiben oder fließende Übergänge eröffnet werden. Der Sprecher: Experte und Vorbild Ich komme nun zur Darstellung des Sprechers, der in seiner Rede implizit, aber auch explizit Bezug auf sich selbst nimmt. Die Analyse zeigt in erster Linie einen Expertenstatus und die Positionierung des Redners als „Relaisstelle“ (Crozier/Friedberg 1979) zwischen der ‚internen Welt’ und externen Umwelten auf. Der Redner selbst stellt sich als Manager dar, der komplexe Prozesse überblickt und die Vermittlung zwischen Außenwelt und Organisation sowie zwischen Vorstandsebene und Führungskräften des Standorts vornehmen kann. Damit kontrolliert der Sprecher „Ungewissheitszonen“ (vgl. ebd.) – eine Form der Machtausübung in Organisationen. Bei der Präsentation seiner Identität gerät, wie schon bei der Darstellung von Organisationsprozessen, immer wieder der Aspekt der ‚Machbarkeit’ in den Mittelpunkt: hier hab ich (.) ne fabRIK – […] fertige x produkte – und wenn ich nur en GANZ klein bisschen an irgendeiner SCHRAUbe drehe – (.) weiß ich soFORT was des für AUSwirkungen hat.
Selten jedoch präsentiert sich der Standortleiter als Einzelperson; vielmehr verwendet er in den meisten Fällen das Personalpronomen „wir“. Bei der Darstellung von Organisationsprozessen bezeichnet dieses meist das Top- und obere Management, das die Prozesse anstößt und die Weichen innerhalb der Prozesse stellt. Dennoch präsentiert sich der Sprecher vor allem zu Beginn der Rede stellenweise auch als Akteur an der Spitze des Standorts. Damit verdeutlicht er die entscheidende Rolle seiner Persönlichkeit für die positive Entwicklung des geschilderten Veränderungsprozesses:
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wenn ich mir so die JAHre nach hinten anschaue (.) dann hammer eigentlich heute fascht en jubliLÄUM oder so was (-) denn äh ich erinner mich noch gut im jahr x hab ich mein AMT hier als Standortleiter angetreten –
Des Weiteren stellt sich der Redner selbst als jemand dar, der Verantwortung für die Organisation übernimmt, aber auch für die Menschen am betreffenden Standort. Die präsentierte Identität entspricht der, welche weiter oben schon als wünschenswerte Identität der Kommunikationspartner beschrieben wurde: Führungskräfte sollen gegen unabwendbar scheinende Entwicklungen ankämpfen. Die Selbstdarstellung verweist an vielen Stellen auf eine Pionierrolle. Das „Wir“ im folgenden Zitat lässt sich ohne Weiteres als ein ‚Ich’ interpretieren, sieht sich der Sprecher doch als Vorreiter im Prozess: ich denke (.) wir haben damit etwas geSCHAFfen, (.) was die anderen Standorte noch gar nicht haben und insofern erhoffe ich mir ja auch en KLEInen (.) en ganz klitzeKLEInen; (.) VORsprung vor einem Standort x oder einem Standort y
Zur Pionierrolle gehören Mut (un wir ham für VIEle PUNkte MUT gehabt), der Wille, etwas beweisen zu wollen (und ich möchte gern dem VORstand beWEIsen (.)) sowie Wertebewusstsein und (gesteuerte) Emotionalität (und sie spürn des schon wie mich des thema beSCHÄFtigt). Mit- und Gegenspieler bei der Umsetzung der intendierten Veränderung Betrachten wir nun die Darstellung von weiteren Identitäten: Der Redner bezieht sich während des sozialen Ereignisses auch auf verschiedene Gruppen innerhalb und außerhalb der Organisation. Im Gegensatz zu den schon angesprochenen Kommunikationspartnern werden all diejenigen Personen oder Personengruppen als ‚Dritte’ bezeichnet, welche nicht an der Veranstaltung teilnehmen. Weiter oben war bereits festzustellen, dass wirtschaftspolitische Entwicklungen in der Außenwelt als bedenklich dargestellt werden. Dabei nimmt der Standortleiter auch Bezug auf diejenigen, die er entweder für die Entwicklungen verantwortlich macht, oder die diese Tendenzen zumindest zulassen. Die Darstellung dieser Individuen erhält moralische Züge, da die Vorgänge und das Handeln anderer Akteure negativ bewertet werden: und TEILweise muss mer SAgen – (.) wird des (.) mit ignoRANZ betrachtet. (-) und ZWAR (-) von BEIden SEIten. (--) nämlich DER der tarIFpartner (-) aber auch von denen der unternehmen; (--) weil manchen unternehmen des gleichgültig isch (-) ob sie den ARbeitsplatz im OSten schaffen oder ob sie den hier in deutschland schaffen; (--) und (-) ich hab manchmal fascht den EINdruck – (--) des wird HINgenommen (.) wie mer abends in der TAGesschau sone naturkatastrophe irgendsoen ERDbeben in BARM (-) erlebt oder en BOMbenattentat irgendwo im irAK – (--) und da macht des buff und da sin die plätze WEG und da is des ding pasSIERT; (---)
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Innerhalb der moralischen Passagen ist eine hohe Emotionalität des Redners festzustellen: beispielsweise durch abwertendes Vokabular (Ignoranz, gleich125 gültig) oder durch stark konzeptionell mündliche Passagen mit umgangssprachlichem und konzeptionell mündlichem Sprechen (sone, irgendsoen buff, des ding). Die emotionale Darstellung bezieht sich auf Tarifpartner und unmoralische Unternehmer, die dem Lager der ‚Unvernünftigen’ und ‚Unsozialen’ zugeordnet werden. Die Emotionalität der Darstellung verweist auf die Dynamik widerstrebender Teildiskurse in und außerhalb der Organisation, die in der Rede als störend charakterisiert werden. Interessanterweise wird bei der Darstellung der Tarifpartner unterschiedlich verfahren. Im Kontext von Arbeitsplatzverlagerungen ins Ausland attribuiert sie der Redner negativ und stellt sie auf die gleiche unmoralische Ebene wie die als profitgierig dargestellten Unternehmen. An anderer Stelle jedoch integriert der Top-Manager die Stimme des Betriebsratsvorsitzenden, um ein Thema einzuflechten, das nur an dieser Stelle der Rede vorkommt und ansonsten ausgeblendet wird: EIN thema aus der diskussion mit dem betriebsrat (--) möchte ich aber (.) auch HIER gerne ANsprechen und mit/ auch in aller DEUTlichkeit sagen; (---) bei (.) ALLer herAUSforderung der WIRTschaftlichkeit siehe vorne; (.) was ich ANgesprochen habe (---) vergessen sie NICHT (--) vergessen sie NICHT > (--) dass wir hier in der Fabrik (-) viele tausend MENnschen haben. (-) und des hat der betriebsratsvorsitzende noch mal deutlich gemacht in der diskussion als wir da ( ) warn – (-) und ich möchte es geNAUso; (-) wie der beTRIEBSrat ihnen ZUrufen; […] beachten sie (.) die MENschen (.) in diesem prozess. (4.0) !JA!;
Diese fremde Stimme wird genutzt, um die Darstellung der ‚Welt’ Organisation zu vervollständigen. Der ‚Faktor’ Mensch, der im Rest der Rede ausgespart bleibt, wird vor Beendigung der Rede, nachdem Betriebsräte zuvor negativ attribuiert wurden, als wichtig dargestellt und eindeutig zu der Gruppe der Tarifpartner in Beziehung gesetzt. Dies erfüllt den Zweck, die Gruppe (zumindest an 125 Dieser Aspekt wird bei der Analyse der Herstellung von Identifikation noch näher beleuchtet. An dieser Stelle soll eine kurze Definition genügen. Koch/Oesterreicher (1994) unterscheiden in Bezug auf sprachliche Äußerungen zwischen medialer und konzeptioneller Mündlichkeit sowie medialer und konzeptioneller Schriftlichkeit. Die mediale Dimension ist auf die Realisationsform der sprachlichen Äußerung bezogen, die konzeptionelle Dimension auf die in der Äußerung gewählte Ausdrucksweise. „Beim Medium sind die Begriffe >mündlich/schriftlich< dichotomisch zu verstehen (unbeschadet der Tatsache, daß jederzeit ein Medienwechsel, sei es beim Vorlesen, sei es beim Diktieren, stattfinden kann). Bei der Konzeption bezeichnen die Begriffe >mündlich/schriftlich< demgegenüber die Endpunkte eines Kontinuums.“ (Koch/Oesterreicher 1994, 587) Die vorliegende Rede kann nach diesem Modell dem mündlichen Bereich zugeordnet werden, wobei sie charakteristische Merkmale der konzeptionellen Mündlichkeit aufweist. Dem konzeptionellen Mündlichkeitspol ist der Begriff ‚Nähe’ zuzuordnen (vgl. Dürscheid 2006, 44ff), auf den im folgenden Kapitel eingegangen wird.
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einer Stelle) zu integrieren und einer konventionellen Erwartung der Belegschaft an die Unternehmensleitung gerecht zu werden: Wandlungsprozesse sollen kooperativ mit den Tarifpartnern bearbeitet und ausgewogen verhandelt werden. Nun zu einer weiteren Gruppe innerhalb der Organisation: Man sollte meinen, dass die große Gruppe der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle in der Rede spielt. Bei der Darstellung von Identitäten bleibt die größte Gruppe in der Organisation mit Angestellten und produzierenden Mitarbeitern jedoch außen vor. Der Redner bezieht sich neben der Thematisierung der Menschen durch das ‚Sprachrohr’ der Gewerkschaft (s. o.) ausschließlich an einer weiteren Stelle auf die gesamte Belegschaft, indem er sie in ihrer Gesamtheit als ängstlich und wenig veränderungsbereit charakterisiert. Ausgeschlossen sind in der Repräsentation des Wandlungsprozesses Mitwirkende der unteren Hierarchieebenen oder gar von den Veränderungen Betroffene. Im weiteren Verlauf der Rede werden Mitarbeiter lediglich als passive Objekte dargestellt, die von Führungskräften mitzuziehen sind und denen die Angst vor Veränderungen genommen werden soll. Die Bezugnahme auf andere Identitäten in der Organisation wird als nicht notwendig erachtet, da der Fokus des sozialen Ereignisses ausschließlich auf die Einschwörung der anwesenden Gruppe gerichtet ist. Die Tatsache, dass die Identitätsdarstellung weiterer Bezugsgruppen innerhalb der Organisation fehlt, weist auf ein Elitedenken innerhalb des Führungskreises hin. Die unterste Führungsebene ist aus dem Elitekreis ausgeschlossen.126 An dieser Stelle soll noch auf eine weitere Bezugsgruppe eingegangen werden, die bei der Darstellung ‚Dritter’ eine wichtige Rolle zu spielen scheint: die Kunden des Unternehmens: aber wir müssen an dieser KOStenschraube drehn net nur wegen dem GELD – (.) sondern (.) unsrer KUNden zuLIEBE; (-) und es KANN nicht SEIN – (-) dass in land e en KUnde da isch (.) der mit seinem produkt innerhalb eines JAHres DREIßig mal in die WERKstatt muss – (--) wegen teil x oder teil y – oder teil z oder sonscht irgendwas – (-) es KANN NICHT SEIN (.) und solche KUNden erHALTEN wir NICHT (.) wenn wir sie nicht praktisch entsprechend AUFfangen und entsprechend zu uns zuRÜCKholen.
Auch bei der Präsentation der Gruppe Kunden spielt Emotionalität eine wichtige Rolle. Wie bei Beispielen, bei denen die Verbindung von eigener Zukunftssicherung und sinnvollem Handeln im globalen Umfeld festzustellen war, fällt hier ebenfalls eine Verknüpfung von zwei Ebenen auf: Einerseits die Notwendigkeit, am Markt erfolgreich zu sein, und andererseits die moralische Verpflichtung, Kundenbedürfnisse in einer selbstlosen Art zu erfüllen. Auch mit der Darstellung der Gruppe Kunden werden wie schon bei der dargestellten Notwendigkeit von kleinen Intensitätssteigerungen Opferbereitschaft und besondere Anstrengungen 126 Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Meister der produzierenden Bereiche nicht zur Veranstaltung eingeladen waren.
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legitimiert. Andere Haltungen werden als nicht akzeptabel dargestellt (es kann nicht sein). Die Kunden werden in ihrer Identität als Opfer schlechter Unternehmenspolitik und inadäquaten Handelns gesehen; sinnvoll handelnde Organisationsmitglieder werden als Retter dieser Subjekte präsentiert, die durch die Anwendung von Lean Production die ursprüngliche Bindung wiederherstellen.127 Zusammenfassend lässt sich zur Bezugnahme auf Dritte folgendes festhalten: Wenn auf Außenstehende des sozialen Ereignisses Bezug genommen wird, geschieht dies einerseits in negativen Kontexten, wie z. B. bei unverantwortlich handelnden Managern bzw. Tarifpartnern, oder aber der Redner stellt die Gruppen dar, welche für die Identität des Unternehmens ausschlaggebend sind. Eine entscheidende Gruppe sind hierbei die Kunden, denen es zu ‚entsprechen’ gilt (im oben zitierten Textbeispiel betont durch den zweimaligen Gebrauch von „entsprechend“). Sinn-Attribuierung in der wandelbezogenen Kommunikation Festzuhalten bleibt nach der Analyse der dargestellten Identitäten, dass der Redner sowohl den Handlungsraum als auch die aus seiner Perspektive wichtigen Akteure innerhalb dieses Raums ausführlich charakterisiert, wodurch die Beziehung des Textes zur physikalischen und sozialen Welt zum Ausdruck kommt. Anhand der Analyse konnte gezeigt werden, welche Basis der Text für die anknüpfende Kommunikation bildet. Der Sinn von Ereignissen wird herausgestrichen, indem sie in einen als notwendig deklarierten Prozess eingereiht werden. Bestimmte Geschehnisse der neueren Unternehmensgeschichte werden so arrangiert, dass die Zuhörer sie aus der Perspektive der Hauptakteure, sprich der des Top-Managements, betrachten können. Die „fabula“ (Fairclough 2003, 84) ermöglicht es, den Fokus des Publikums auf das aus Managementsicht Wichtige zu richten: auf einen auf Dauer angelegten und übergreifenden Prozess, der kohärent präsentiert wird; auf Meilensteine innerhalb des Veränderungsprozesses; auf die Beschäftigung mit der Vergangenheit und Gegenwart, um eine fundierte Basis für die Zukunft zu legen; auf Wachsamkeit gegenüber äußeren Einflüssen; auf Prozessergebnisse, die man benennen kann; auf die Aktivität der Manager und die kritiklose Mitarbeit der Belegschaft; auf die Einflussnahme der Gesamtorganisation auf wirtschaftspolitische Entwicklungen, wobei jeder Einzelne die Rolle eines vorausschauenden ‚good guys’ einnimmt – ein Widerspruch zum bereits genannten Schwerpunkt der ‚kritiklosen Mitarbeit’ –; auf die (emotionale) Bindung zu wichtigen Bezugsgruppen; sowie auf Wandel an sich, wobei aus127 Interessanterweise wird diese Beziehung als gegenseitige Abhängigkeit dargestellt – Kunden scheinen in ihrem Selbstverständnis und ihrer Identität gefährdet zu sein, wenn das Produkt den hohen Ansprüchen nicht gerecht wird.
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schließlich die Tatsache, dass etwas verändert wird, den Fortschritt sicherstellt. Zu guter Letzt, und ganz nebenbei, lenkt der Redner den Blick auch auf die Menschen in der Organisation, wobei nach der Aussparung dieses Themas in knapp einer Stunde Redezeit die Frage gestellt werden kann, ob hier ausschließlich eine Verpflichtung wahrgenommen wird, um Erwartungen zu erfüllen. Auch im Bezug auf den Aspekt „Menschen beachten“ bleibt ungewiss, wie die zuhörenden Führungskräfte diese Aussage im Alltag operationalisieren sollen. Die Darstellung von Identitäten dient dazu, den Handlungsraum der Organisation zu definieren und die Akteure in diesem Handlungsraum zu positionieren. Dies betrifft die Ausdehnung des Raums, zeitliche Faktoren, thematische Aspekte, Rollen der Akteure sowie mentale Vorgänge. Weiterhin erfüllt die Erzählung der ‚Prozessgeschichte’ eine legitimierende Funktion bisheriger und künftiger Maßnahmen. Die Darstellung der „chain of texts“ (vgl. Fairclough 2003) lässt sich als nachträgliche Deutung und Sinnstiftung vergangener sozialer Ereignisse und Texte interpretieren. Die Retrospektive fungiert als Legitimationsstrategie, mit deren Hilfe der Redner den Erfolg des früheren Handelns als Begründung für die Sinnhaftigkeit künftigen unternehmerischen Handelns einsetzt.
7.1.3 Die Herstellung von Identitäten des Wandels Bei der Analyse der „identification“ (vgl. Fairclough 2003, s. auch Kapitel 3.3 in dieser Arbeit) geht es um die Frage danach, wie der Sprecher seine eigene Identität zum Ausdruck bringt: Wie und als was stellt sich der Autor durch die Art, wie er spricht, selbst dar? Wo positioniert sich der Autor durch die Art, wie er spricht, sozial? Und: In welche Beziehung stellt er sich durch die Art, wie er spricht, zu seinem Kommunikationspartner?128 Diese Fragestellungen werden im
128 Faircloughs Begriff „identification“ lässt sich mit Bühlers Organonmodell des sprachlichen Zeichens überein bringen und ist dabei der Funktion „Symptom“ zuordnen, d. h. der Ausdrucksfunktion des Zeichens, das etwas über das Denken, Wollen, Fühlen und Handeln des „Senders“ (Bühler) zum Ausdruck bringt. In der auch als „expressiv“ bezeichneten Funktion ist das Zeichen ein Anzeichen für die Innerlichkeit des „Senders“. Neben den Sprachsymptomen im engeren Sinn, wie z. B. sozialen und regionalen Merkmalen des Sprechers, betrifft dies Einstellungen zum propositionalen Gehalt, wie z. B. Distanzierung und Bewertung („Sprechereinstellungen“). In Bühlers Modell ist jedoch die soziale Beziehung zwischen Kommunikator und Adressaten noch kaum erkennbar (vgl. v. Polenz 1988, 69). Ihm wird die Unterscheidung von „Inhaltsaspekt“ und „Beziehungsaspekt“ und dem Begriff „Image“ aus der amerikanischen Kommunikationsforschung (Watzlawick et al., Goffman) gerecht. Der Aufbau, die Bewahrung oder Veränderung der Einschätzungsbeziehungen wird nach Ervin Goffman Image-Arbeit (face work) genannt (s. Holly 1979, 33ff). „Ein Image ist die Selbsteinschätzung des einen in Bezug auf den anderen, aber auch die Selbsteinschätzung des anderen, die man erwartet oder
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vorliegenden Kapitel nacheinander verfolgt. Weiterhin sind in diesem Kapitel die Ansprache der Adressaten sowie der Kontakt und die Beziehungsgestaltung129 in der Rede von Interesse. Die Identität des Strategen und Mahners Zunächst einige Ausführungen dazu, wie der Sprecher sich sozial positioniert und was er durch Sprache über sich selbst zum Ausdruck bringt. Der Redner integriert in seine Rede sprachliche Mittel, welche seine eigene Rolle und die der übrigen Führungskräfte in der Organisation zum Ausdruck bringen. Somit positioniert er sich in der hierarchischen Landschaft. Zwar wird – wie bei der Analyse der Darstellung aufgezeigt – jede Führungskraft der Organisation zur Verantwortung gezogen. Dennoch betont der Redner durch die Art seines Sprechens das Hierarchiegefälle: der Standortleiter positioniert sich als Impulsgeber für das Top-Management, das Top-Management soll als Impulsgeber für das mittlere Management fungieren etc. Ein Mittel hierzu ist die Ansprache im Sinne einer Experten-Laien-Kommunikation. Sie bringt zum Ausdruck, dass der Manager die Rollen im Wandlungsprozess klar verteilt sieht, d. h., dass das obere Management Impulse gibt, welche von den unteren Hierarchieebenen aufzugreifen und zum Erfolg zu führen sind. Der Standortleiter nimmt eine Übermittler- bzw. Übersetzerrolle ein, wenn es darum geht, Vorgänge zu interpretieren und auf sie mit Strategien zu reagieren. Indem der Manager den äußeren Druck an die Adressaten weiterreicht, positioniert er sich auch hier sozial auf einer höheren Hierarchieebene: der VORstand sagt uns in einem meeting […] wenn ihr ein produkt […] zu DEM und DEM beTRAG herstellen könnt nämlich zu xy EUro – (-) dann soll es uns REcht sein - (-) dann könnter den am standort v FERtigen. (--) wenn NICHT, machen wir die ganze veranstaltung woANders. (-) und (.) was HEIßT des jetz für uns ? (--) ich denke wir müssen uns ganz KLAR positioNIEren – und wir müssen uns in diese UNbarmherzigkeit des WETTbewerbs hiNEINstellen.
Wichtig ist hier die Äußerung „und (.) was HEIßT des jetz für uns?“, mit welcher der Sprecher für sich beansprucht, die Belange der Belegschaft zu antizipieren, vermeintlich komplexe Problemstellungen auf die Ebene anderer Organisationsmitglieder zu transferieren und in deren Sprache zu übersetzen. Formulierungen wie diese werden häufig im Kontext von Belehrungen oder Ähnlichem geäußert. Wenn sich der Manager selbst als komplex und global denzu beeinflussen versucht.“ (v. Polenz 1988, 223). Von Beziehungskommunikation „hängt sehr viel für das situationsangemessene Verständnis der Satz- und Textinhalte ab.“ (ebd.) 129 Bei der Kategorie „Kontakt und Beziehung“ rekurriere ich auf Analysemethoden der holistischen Dialoganalyse (vgl. Holly 1992).
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kende Person positioniert, lässt sich dies gleichzeitig als Einordnung der Belegschaft in eine Gruppe von lokal Denkenden und Handelnden deuten. Bei der Betrachtung der Sprache des Redners sind folgende Aspekte interessant: Durch sprachliche Mittel der Eindeutigkeit legt der Sprecher meist den Schwerpunkt auf Machbarkeit und Steuerung in der Organisation. Mit epistemischer130 und deontischer Modalität in der Rede bringt der Standortleiter seine Rolle im organisationalen Wandel zum Ausdruck: er bringt somit ‚Wahrheiten’ hervor und positioniert sich als Stratege und Mahner. Die deontische Modalität ist sehr stark ausgeprägt, wenn der Top-Manager von Handlungen spricht, die aus seiner Perspektive unbedingt erforderlich sind. Dann gebraucht er vielfach die Modalverben „müssen“ oder „sollen“ (wir müssen […] ganz geNAU ANschauen was wir GUT können). Weiterhin ist festzustellen, dass der Sprecher viele nicht-modalisierte Aussagen gebraucht. Mit dieser epistemischen Modalität bekennt sich der Redner klar zu bestimmten Aktivitäten.131 Dennoch fällt auf, dass der Redner trotz seines forschen Redestils immer wie-der sprachliche Abschwächungen integriert, was eine weniger starke Bindung zum Gesagten vermuten lässt (und ich würd sagen […]). Mit solchen vagen sprachlichen Mitteln schränkt der Sprecher sein uneingeschränktes ‚Commitment’ zum Wandlungsprozess wieder ein.132 Dieses Lavieren zeugt davon, dass sich der Sprecher den Adressaten-Perspektiven antizipativ anpasst. Nun zu weiteren Elementen des Redestils, mit denen der Top-Manager etwas über sich zum Ausdruck bringt: Mit der Verwendung von Negationspartikeln hebt der Sprecher hervor, dass er selbst einen sozialen Status besitzt, der es ihm erlaubt, andere Stimmen in der Organisation zu korrigieren (vgl. v. Polenz 1988, 217). Er positioniert sich somit als eine Person, die imstande und auch befugt ist, gegenteilige Perspektiven zu berichtigen. Damit bewertet er (potenzielle) divergierende Stimmen negativ, „die im vorangehenden Kontext oder in der Situation eine Rolle“ spielen (v. Polenz 1988, 217) („und es KANN nicht SEIN“). Ein weiterer Aspekt des Redestils sind eine hohe Anzahl an Perspektivierungen und die zuvor schon erwähnte Vagheit, mit denen der Manager aus130 “Als epistemische/doxastische/wahrheitswertfunktionale Sprechereinstellungen werden solche zusammengefasst, die sich auf den Wahrheitswert des Aussagegehalts beziehen […] Wenn man etwas BEHAUPTET oder ERWÄHNT, wenn man jemanden auf etwas HINWEIST oder jemandem etwas MITTEILT, so ist regelhaft mitgemeint, daß man den dazugehörigen Aussagegehalt FÜR WAHR HÄLT (handlungsspezifische Sprecher-einstellung).“ (v. Polenz 1988, 213) Zu den Ausdrucksweisen für Sprechereinstellungen zum Wahrheitswert siehe v. Polenz 1988, 214. 131 Fairclough (2003, 201) nennt dies „making strong commitments to truth“. 132 Eine intensivere Betrachtung der Funktion von Vagheit auf der Handlungsebene erfolgt in Kapitel 7.1.4.2.
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drückt, dass er sorgfältig abwägt, die Themen durchdenkt und von allen Seiten beleuchtet („ich denke“, „ich glaub“, „teilweise“, „an der ein oder anderen Stelle“). Zusätzlich positioniert er sich durch die Verwendung von Fachsprache (z. B. betriebswirtschaftliches und technisches Vokabular) als kompetenter Wandel-Akteur. Mit dem Gebrauch von Fachjargon bzw. ‚Führungskräftejargon’ („wir sind gut unterwegs“) schreibt er sich selbst der anwesenden Gruppe von Führungskräften zu. Mit konzeptionell mündlichem Sprechen und der Verwendung des süddeutschen Dialekts positioniert sich der Sprecher in sozialer Nähe zu den Adressaten und somit als im Sinne des Standorts und der Belegschaft agierend. Damit inszeniert er sich als ‚Mann aus dem Volke’. Das konzeptionell Mündliche nimmt dem Gesagten mitunter die Verbindlichkeit, da das Geäußerte so weniger auf Dauer angelegt scheint. Dies gleicht der Sprecher an anderer Stelle jedoch wieder durch Code-shifting zu einer ernsthafteren Modalität aus, mit der er wiederum seinen Status als abwägender Unternehmer ‚mit Vorstandsnähe’ ausdrückt. Die Ansprache der Adressaten im Sinne einer ExpertenLaien-Kommunikation schließlich bringt zum Ausdruck, dass der Top-Manager die Rollen im Wandlungsprozess klar verteilt sieht, d. h., dass das obere Management Impulse gibt, welche von den unteren Hierarchieebenen aufzugreifen und zum Erfolg zu führen sind. Die Beziehungsgestaltung: Herstellung von Nähe und Distanz Der nächste Punkt meiner Analyse ist der des Kontakts und der Beziehung, d. h., es geht um die Beziehungsgestaltung des Sprechers mit den Hörern. Man kann annehmen, dass der Erfolg des Bemühens, Prozesse in der Organisation in Bewegung zu setzen bzw. zu verändern, stark von der Beziehungsarbeit mit den Kommunikationspartnern abhängt. Sprachliche Strategien und Mittel, welche Nähe bzw. Distanz herstellen, interessieren dabei ebenso wie die Art der Ansprache. Zu Beginn wird die Herstellung von Nähe und Distanz in der Rede untersucht, um dann auf eventuelle Ambivalenzen hinsichtlich dieser Verfahrensweisen einzugehen: In der Managerrede treten verschiedene sprachliche Verfahren auf, mittels derer der Sprecher Nähe zu den in der Veranstaltung anwesenden Führungskräften herstellt. Über den gesamten Text hinweg konstruiert der Standortleiter eine (relativ)133 vertraute Beziehung zu den Kommunikationspartnern, wie in folgendem Beispiel: WIR alle mitnander haben die BESten CHANcen (-) das thema (.) AUFzugreifen; (-) dass des ne herAUSforderung ist ischt glaub ich ihnen allen KLAR, (-) aber (.) wenn wir alle mitnander (.) am richtigen strang zie-
133 Relativ vertraut, da Differenz stiftende sprachliche Mittel diese Art der ‚identification’ konterkarieren.
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hen (-) un des hammer in den letschten jahren beWIEsen; (-) werden wir des auch gemeinsam schaffen.
Hierbei wird die Beziehung auf gemeinsames Handeln gestützt (wenn wir alle mitnander (.) am richtigen strang ziehen), indem der Sprecher die Basis einer gemeinsamen Identität konstruiert. Die Basis der Gemeinsamkeit liegt hauptsächlich in der Vergangenheit und wird mit Hilfe des hörerinklusiven Wir reaktiviert. Ein weiteres Mittel zur Herstellung von Nähe ist das Einstreuen von kurzen Berichten aus dem persönlichen Umfeld des Managers. Damit inszeniert er Transparenz über Vorgänge ‚hinter der Bühne’: ich hab da mit dem Dr. Y134 lange drüber diskutiert –
Ein weiteres Verfahren, das der Komponente Herstellen von Nähe zugeordnet werden kann, ist die auffallend häufige Verwendung des Personalpronomens „Wir“. Dies bringt ein Moment der Gruppenintegration zwischen dem Redner und allen Anwesenden im Raum mit sich: wir WOLlen des FÜHrungshandeln von uns Allen mit diesen LEITlinien beGLEIten - (--) wir WOLlen unsre aktiviTÄten an diesen LEITlinien AUSrichten –
Formulierungen wie diese muten durch ihre Parallelität im Satzbau wie eine ‚feierliche, beschwörende und integrative Zielvereinbarung’ an. An Stellen wie diesen umfasst das „Wir“ die gesamte Gruppe der anwesenden Personen: das Top-Management sowie alle übrigen anwesenden Hierarchieebenen.135 Somit sollen bei der sozialen Veranstaltung Nähe und Gemeinsamkeit hergestellt werden. Das „Wir“ wird dazu verwendet, Gleichheit zu implizieren.136 Die Gleichmachung hinsichtlich des ‚Willens’ der Wir-Gruppe fungiert als Identitätskontrolle (vgl. Alvesson/Willmot 2002, S. 621).137 Als weiteres sprachliches Mittel zur Herstellung von Nähe bei der Beziehungsgestaltung mit den Adressaten wählt der Sprecher eher mündlich ange134 Die Person leitet die Stabsstelle des Standortleiters und hat somit viele fachliche Berührungspunkte mit dem Top-Manager. 135 Verwendet wird das Personalpronomen entweder partiell / gänzlich hörerinklusiv (ich + ihr), hörerexklusiv (ich + sie ( Plural)), hörerexklusiv oder partiell / gänzlich hörerinklusiv + ? (= ich + n-mal du + n-mal er / sie) (vgl. Wodak et al. 1998, 99ff). 136 „Für den Redner bieten sich viele (fintenreiche) Möglichkeiten, eine Vertretung der Wir-Gruppen-Angelegenheiten und eine Wahrnehmung der Wir-Gruppen-Interessen öffentlich darzustellen. In einer Wahlkampfrede zum Beispiel kann er alle Unterschiede von Herkunft, Glauben, gesellschaftlichem Rang und Lebensstil durch „wir“ vergessen machen, indem er sich mit seinem Publikum (zum Beispiel durch „wir Deutschen“ zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ vereinigt.“ (Volmert 1989, 123) 137 Mit der ‚sprachlichen Vereinheitlichungsstrategie’ inszeniert der Redner Einheit und verdeckt organisationale Pluralität, vgl. hierzu auch Teubert 1999.
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lehnte Ausdrucksweisen (vgl. Dürscheid 2006, 42 ff).138 Eine Rede zu einem offiziellen und ‚feierlichen’ Anlass lässt eigentlich einen relativ elaborierten Stil erwarten. Dennoch integriert der Redner oftmals jargonhafte bzw. umgangssprachliche und wenig formelle Formulierungen und Satzstrukturen, um Nähe zu schaffen. Dazu gehören u. a.: Reduktionsformen (wir ham, hammer), ‚Passepartout’-Wörter bzw. -Kollokationen („eigentlich“, „ich sach mal“) sowie umgangssprachliche und jargonhafte Ausdrücke („an bord gekommen“; „dass wir soweit unterwegs sind“), welche teilweise onomapoetische Elemente aufweisen („und da macht des buff und da sin die plätze WEG und da is des ding pasSIERT“). Besonders deutlich wird das konzeptionell Mündliche der Rede an einer Stelle, bei welcher der Sprecher das eigene Schnäuzen der Nase kommentiert und somit eine ‚Side sequence’ in die Rede integriert: ((schnäuzt sich die Nase)) oh des isch toll wenn des übern LAUTsprecher kommt. ((Lachen im Publikum).
Auch die Interjektion „oh“ in dieser Äußerung ist ein Merkmal für konzeptionelle Mündlichkeit. Ebenso hat die dialektale Färbung die Funktion, die Nähe zu den lokalen Akteuren des Standorts herzustellen. Die Nähe geht an einer Stelle sogar so weit, dass der Redner die Strategie für sein Führungshandeln und sein sprachliches Handeln im sozialen Ereignis preisgibt – somit entsteht ein inszenatorisches Moment: wir werden YPS-preise AUSLOben (-) die NUR (.) innerhalb des standortes praktisch angegangen werden können, (-) um SIE ein bisschen zu LOCKen und zu KITZeln (.) mit IHren aktivitäten (-) und da auch noch (-) sie entsprechend (.) weiter nach vorne zu entwickeln. (--)
Die hiermit hergestellte Nähe und Vertrautheit mutet jedoch vorgetäuscht an, da die Adressaten selbst das Objekt dieses Führungshandelns sind. Somit legt der Top-Manager seine Strategie offen und stellt eine bestimmte Art von Beziehung zwischen den Identitäten von Subjekt und Objekt her: er macht transparent, dass er als Subjekt in der Lage ist, die Objekte dergestalt zu beeinflussen, dass sie mehr Leistung bringen. Aufgrund der Tatsache, dass der Redner die Strategie mitteilt, legt er die Herstellung von Identitäten offen. Damit vermischt er die Ebenen Strategie und sprachliche Realisierung der Strategie, wodurch ein Inszenierungsbruch auftritt – und zwar durch die punktuelle Offenlegung des „perlokutionären Akts“ (Austin 1979). 138 „Eine Äußerung kann als konzeptionell (eher) mündlich oder konzeptionell (eher) schriftlich eingestuft werden – und zwar unabhängig davon, ob sie im Medium der gesprochenen oder geschriebenen Sprache realisiert ist. So wird im prototypischen Fall eine Grußkarte an einen Freund – obwohl medial schriftlich – konzeptionell mündlich sein, ein wissenschaftlicher Vortrag – obwohl medial mündlich – konzeptionell schriftlich.“ (Dürscheid 2006, 43).
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Doch es bleibt nicht nur bei der Herstellung von Nähe: Gleichzeitig ‚stiftet’ der Redner Distanz, indem er die Adressaten kritisiert. Damit unterstreicht er die Notwendigkeit eines Lernprozesses der Adressaten – ebenfalls eine Form von Identitätsregulation. In Beispielen wie dem folgenden wird das Adressatenimage139 geschädigt, und zwar mit dem Ziel, gegen opponierende Meinungen anzukämpfen: schauen SIE daNACH dass sie nicht UNnötig ebenfalls in diesen GLEIchen / in diese GLEIche theMAtik verfallen; (-) und ÄHNlich handeln – (-) und wenn sie MEInen es muss dem UNmittelBAren perfektionismus DIEnen dass wir unsre MEIster noch mit mehr papier überschütten – weil wir einfach GLAUben des isch ungedingt LIEB geworden; wenn die dinge mal so ent!SCHIE!den sind – (-) TRAgen sie sie MIT und WEInen sie ihnen nicht über (.) JAHre und jahrZEHNte NACH – (.) sondern geSTALten sie sie aktiv mit und bringen sie EHer nach VORne wie nach RÜCKwärts; (--) die diskusSIOnen (.) die sie da FÜHren (--) über des wie des alles SCHÖN war äh in den letschten hundert JAHren – (-) vergessen sie des der managementkreis hat sich den themen gestellt – und er hat se so EINgeleitet und wenn mer se so EINgeleitet haben – (.) dann gilts auch den weg nach VORne zu machen und nicht JEden TAG zu lamenTIEREN ich mein allein schon da ist unheimlich VIEL vertane kapazität schon DRIN;
In solchen Redepassagen schafft der Standortleiter Distanz, indem er Zweifel am Einschätzungsvermögen der Hörer für das Wohl der Organisation vorbringt und damit Vernunft von Unvernunft abgrenzt. Das wiederum relativiert die Integration der Elite-Gruppe. ‚Unsinnige’ Stimmen werden direkt den Hörern attribuiert (die diskusSIOnen (.) die sie da FÜHren (--) über des wie des alles SCHÖN war äh in den letschten hundert JAHren –) und ohne Umschweife mit Appellen zu verbessertem Handeln korrigiert. Diese Regulation stellt im Gegensatz zu den ‚Einigkeitsverfahren’ Differenz her. Die ‚Nähe’ soll die Hörer empfänglich für das Gesagte machen und ausdrücken, dass jemand, der den Adressaten so nahe steht, nur deren Bestes will. Die suggerierte Gleichheit wird aber unterwandert von einer Grenzziehung zwischen Sprecher und Hörer, welche sogar teilweise das Hörerimage verletzt.
7.1.4 Diskursstrategien zur Relevantsetzung des Dargestellten In den folgenden Kapiteln soll das Sprachhandeln des Top-Managers näher beleuchtet werden. Zunächst ist von Interesse, an welche Textsorte(n) sich der Text anlehnt und wodurch er charakterisiert ist, bevor die „Ordnung“ (eine Analysekategorie aus der Holistischen Dialoganalyse, vgl. Holly 1992) der Rede analysiert werden kann. Ich analysiere dabei im Schwerpunkt die Gliederung, The139 Zum Thema ‚Image’ bzw. „face work“ vgl. Arbeiten von Goffman (1969, 1971, 1973).
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menbehandlung und -gewichtung in der Redegattung. Darauf aufbauend werden schließlich in Kapitel 7.1.4 die textsortenkonstitutiven Handlungsmuster untersucht. 7.1.4.1 Textsorte und Handlungsbeschreibung Zunächst zur Textsorte des vorliegenden Beispiels: Der Text ist orientiert an der politischen Rede, dem ‚genus deliberativum’ im Sinne der klassischen Rhetorik (vgl. Ueding 2000). Er kann diesem genus zugeschrieben werden, da der Struktur nach ein „Streitfall“ (ebd.) zur Entscheidung gebracht werden soll. Die potenzielle Strittigkeit der vertretenen Thematik lässt sich mit folgenden Fragen umschreiben: Ist die gewählte Art des Wandels richtig für die betreffende Organisation und ihre Rahmenbedingungen? Ist überhaupt Wandel notwendig? Ist der Teilprozess „Leitlinien“ geeignet, den ‚Hauptprozess Lean Production’ voranzutreiben? Oder: Wer gehört zu den hauptsächlichen Wandel-Akteuren, und wer hat welche Aufgaben? Dem (kritischen) Hörer der Rede wird jedoch schnell klar, dass der deliberative Charakter der Textsorte nur an der Oberfläche ‚Stand hält’, da der ‚Streitfall’ auf Management-Sicht bereits entschieden ist und nun das Ergebnis in möglichst effektiver Weise den Hörern nahegebracht werden soll. Es liegt also der Verdacht nahe, dass es sich der Handlung nach um das öffentliche Vertreten einer „Machtentscheidung“ 140 (Bardmann 1995) handelt, um kollektive Bindung an die Entscheidung herzustellen. Die eingehende Analyse der Handlungsstruktur zeigt, dass sich hinter dem inszenierten genus deliverativum andere Funktionen ‚verstecken’: die Herstellung von Konsens, die Inszenierung von Einigkeit, das zur Geltung bringen von Vernunft, die argumentative Reduktion von Handlungsmöglichkeiten sowie die unmittelbare Zielrealisation, dass die Adressaten die in den Leitsätzen festgehaltenen organisationalen Ziele verfolgen. Bereits die bei der Analyse der Darstellungsebene konstatierten, Distanz stiftenden sprachlichen Mittel (wie z. B. die Ansprache in einer Experten-Laien-Konstellation oder die Betonung von Differenz in Bezug auf Einstellungen) lassen darauf schließen, dass Handlungen wie BELEHREN eine große Rolle spielen. Dies spricht dafür, dass die Rede eine Nähe zur ‚Machtrhetorik’ aufweist, was wiederum Zweifel an der „kooperativ-symmetrischen Interaktionschance“ (Kopperschmidt 1976) in der zu analysierenden Rede aufkommen lässt. Doch dazu weiter unten mehr (s. nächstes Kapitel).
140 Auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Leitbildprozess partizipative Anteile hat, wird hier von Machtentscheidung gesprochen. Das Top-Management hat darüber entschieden, dass dieser Prozess angestoßen wird, hat den Prozess geplant, auf ihn Einfluss genommen und über die Form und Formulierungen des Leitbilds entschieden.
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Warum aber erscheint die Textsorte auf den ersten Blick als Rede zur Entscheidung eines Streitfalls? Zunächst trägt zu diesem Eindruck bei, dass sich der vorliegende Text an eine Rede im Sinne der klassischen Rhetorik anlehnt, die an einen relativ starren Ablauf und relativ festgelegte Inhalte gebunden ist. Der Redner hält sich an die für die Rede charakteristische Struktur, indem er Elemente wie „exordium“, „narratio“, „argumentatio“ und „conclusio“ (vgl. Ueding 2000) verwendet. Im Verlauf der Rede werden jedoch Variationsmöglichkeiten wahrgenommen. Der Redner weicht an manchen Stellen vom Redemanuskript ab und betont bestimmte Themen besonders:141 die evaluativ und emotiv geprägte Schilderung der bedrohlichen Umwelt und die gemeinsame Historie sowie die kollektive Einstellung. Die Rede beinhaltet Elemente klassischer Rhetorik mit deren Haupthandlungen: Zuerst eröffnet der Manager die Rede mit der Begrüßung und mit der Nennung der (noch sehr abstrakten) Ziele, welche er mit dem Text verfolgt: er plant, ein Resümee seiner ‚Amtszeit’ zu ziehen und anschließend nach vorne zu blicken. Dieser erste Teil lässt sich als „exordium“ bezeichnen, in dem die Aufmerksamkeit der Hörer erlangt werden soll („attentum parrare“). Anschließend ORDNET der Redner den bisherigen Prozess und VERORTET die Hörer im Handlungszusammenhang. Dieser zweite Teil der Rede kann als „narratio“ bezeichnet werden, bei der vor allem das ‚ERZÄHLEN’ des Handlungsraums, der dazugehörigen Akteure und der organisationalen und individuellen Erfolge zentral sind. Drittens folgt die „argumentatio“, in der Gefährdungen für den Standort und aktuelle Probleme der Organisation ERLÄUTERT und abstrakte Lösungswege (die neuen Leitlinien und die Verpflichtung darauf) AUFGEZEIGT werden. In der „conclusio“ schließlich FASST der Redner zentrale Inhalte ZUSAMMEN, APPELLIERT abschließend für ein Führungshandeln, das der Sache dienlich ist, und gibt einen Ausblick auf weitere Aktivitäten im sozialen Ereignis und darüber hinaus. Diese Themenbehandlung also entspricht der Beweisführung persuasiver Kommunikation. Dennoch ist das „persuasive Sprachspiel“ (Grünert 1984) nicht allein ausschlaggebend für die vorliegende Rede: die argumentative Entfaltung des Themas ist durchsetzt mit anderen Arten des Sprechens. Auch die vom Standortleiter formulierte Intention der (bereits festgelegten) Intensitätssteigerung im Wandlungsprozess verweist auf den ‚nicht-persuasiven’ Schwerpunkt der Rede.
141 Für die Analyse liegen mir sowohl die Aufnahme der Rede als auch das Redemanuskript vor, sodass zu identifizieren ist, an welchen Stellen der Redner der Rede eine persönliche Note gibt. Das Manuskript selbst ist von Mitarbeitern des Standortleiters verfasst worden.
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7.1.4.2 Textsortenkonstitutive Handlungsmuster Um feststellen zu können, was sich genau hinter der erläuterten Struktur verbirgt und zu welchen Zwecken persuasive Kommunikation in der Rede ‚bemüht’ wird, analysiere ich in diesem Kapitel anhand der Methode Holistische Dialoganalyse (vgl. Holly 1992) die Handlungen des Managers. Dabei gehe ich den Fragen nach, was Haupt-Handlungen, Unter-Handlungen oder ggf. Neben-Handlungen (vgl. v. Polenz 1988) sind, mit denen Zielvorstellungen auf die Adressaten übertragen werden sollen. Nach eingehender Handlungsanalyse lassen sich fünf textsortenkonstitutive Handlungsmuster diagnostizieren: 1. persuasive Muster, 2. Mobilisierungs-Muster, 3. Muster der Sachzwanglogik, 4. Das Muster ‚Wendemanöver’ und 5. ‚Vagheitsmuster’. Im Folgenden werden die Muster erläutert und mit Beispielen belegt, um daraus Aussagen über die Sprecherhandlungsstruktur im Gesamten ableiten zu können. Suggerieren argumentativer Rhetorik Zunächst zum persuasiven Muster der Rede: Es wurde bereits angesprochen, dass die Anlehnung an das genus deliberativum den Eindruck einer argumentativen Entscheidung eines strittigen Themas entstehen lässt. Doch nicht nur in der Struktur der Textsorte, auch in der Handlungsstruktur ist persuasives Handeln, d. h. die Haupt-Handlung ARUMENTIEREN, angelegt. Die rhetorische Persuasion,142 unter deren Einsatz die ‚Übertragungsstrategie’ vollzogen wird, lässt sich in Anlehnung an Toulmin (1958, vgl. Fairclough 2003, 81) folgendermaßen strukturieren: Erstens in eine Grundaussage der Rede, welche derart paraphrasiert werden kann: ‚Die Bedrohung des Unternehmens und vor allem des Standorts durch die Globalisierung und die Mitbewerber ist so groß, dass weiterhin konsequente Veränderungen notwendig sind.’; zweitens in ein stützendes Argument: ‚Die negative Entwicklung in Bezug auf die externen Rahmenbedingungen ist in vollem Gange, daher ist es bald zu spät, um die Situation zu retten.’; und drittens die daraus zu folgernde Behauptung, dass die Lösung ‚Leitbild’ im Rahmen der Philosophie Lean Production angemessen für die aktuelle Situation ist und dass daher ihre Umsetzung mit größter Anstrengung forciert werden muss. Ziel der Managerrede ist es also, diese ‚Vernunft’ auf die Gesamtorganisation auszubreiten. Für die ‚Ausbreitung’ nutzt der Manager vor allem Topoi,143 142 Unter Persuasion ist das Phänomen zu verstehen, dass ein Sprecher „über das übliche Maß hinaus Anstrengungen“ unternimmt, „seine Äußerung in Hinblick auf den Hörer erfolgreich zu gestalten“ (Holly 1990, 105). 143 Topoi sind allgemein bekannte, allgemein gebräuchliche Gedanken. Sie beruhen auf stereotypem Wissen, welches in der Regel „als gemeinsames und selbstverständlich akzeptiertes im-
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welche als Eckpunkte der Argumentation fungieren. Hierbei lassen sich vier Haupt-Topoi konstatieren, die der Sprecher als Stützen des Argumentationsgebildes bemüht. Zentral ist zunächst der Fatalitätstopos, mit dem der Redner interne und externe Bedrohungen für den organisationalen Weiterbestand thematisiert. Dabei spannt der Standortleiter die Schicksalhaftigkeit einer bedrohlichen Welt auf, welche als ‚locus terribilis’144 die ‚Bewahrung von Wandel’ nahelegt. Der Redner integriert in seine Rede immer wieder Bedrohungen, die sowohl von außen auf das Unternehmen einwirken (Konkurrenz, Abwanderung von Arbeitsplätzen und Know-how) als auch im Inneren der Organisation entstehen (Widerständler, passive Mitarbeiter, andere Standorte des Unternehmens). Da die äußeren Einflussfaktoren vom Redner als schicksalhaft und nicht abzuwenden normalisiert werden, spreche ich bei diesem auf kollektivem Wissen aufbauenden Argument vom ‚Fatalitätstopos’. Der Sprecher untermauert den Topos der Schicksalhaftigkeit unter anderem mit Kausal-Konstruktionen, die wie Naturgesetze anmuten: dass uns des geschäft nicht an die billiglohnstandorte WEGdiffundiert – (-) WEIL (-) produktion (.) FLÜCHtig ist; (-) und so hat des ein vorstandsmitglied glaub ich immer gesagt (-) PROduktion ist flüchtig und in der zwischenzeit können VIEle ANdere etwas was WIR hier auch können –und des LERnen die wie gesagt relativ SCHNELL - (.)
Der Fatalitätstopos fungiert als Legitimation des geplanten Handelns und als Basis, um die Belegschaft zum ‚richtigen’ Umgang mit dem Schicksal zu erziehen: Sie sollen das Schicksal akzeptieren, um den ‚Kampf’ aufnehmen zu können. Als erste Unter-Handlung der Haupt-Handlung ARGUMENTIEREN lässt sich also PRÄSENTIEREN DER BEDROHUNG ALS SCHICKSALHAFT identifizieren. Sie dient als Basis, um die Management-Perspektive relevant zu setzen.
mer wieder nur vorausgesetzt“ (Hermanns 1994, 49) und nicht verbalisiert wird. Nur in bestimmten Situationen machen Sprecher Teile dieses Wissens explizit: „Das sind die Momente, wo die Schemata des Denkens greifbar werden. Sie erscheinen dann in Form von Topoi“ (ebd.). Diese „automatisierte(n) und routinemäßige(n) Gedanken“ (ebd.) werden im Denken und Sprechen immer wieder aufgerufen. Durch Topoi wird ein aktuelles Thema „über einen Gesichtspunkt konstruiert, der als Orientierungspunkt im Gefüge der sozialen Konstanten der Bewertung und Einschätzung von Problemlagen verankert ist und so die Anschließbarkeit der Argumentation gewährleistet“ (Feilke 1996, S. 292). Als Dreh – und Angelpunkte der Strukturierung von Argumentationen stellen Topoi die Brücke dar zwischen einer individuellen Situation und einem System von im Common sense gültigen Verallgemeinerungen. 144 Das Gegenstück zum „locus terribilis“ bildet das Hervorbringen von vergangenen Erfolgen („locus amoenus“). Mit dieser Gegenüberstellung verfolgt der Redner die Strategie der „Schwarz-Weiß-Malerei“ (Wodak et al. 1998, 87), die bei Wodak et al. in Bezug auf die diskursive Konstruktion von nationaler Identität interessanterweise unter die „Bewahrungsstrategien“ (ebd.) gefasst wird. Bewahrt werden soll im vorliegenden Redetext der bereits eingeschlagene Weg, d. h. der Wandel innerhalb der Organisation.
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Widmen wir uns nun dem zweiten zentralen Topos der Managerrede, dem Verpflichtungstopos. Mit seiner Hilfe streicht der Redner die Verantwortung der Adressaten für den gemeinsamen Standort, für das erfolgreiche Handeln der Unternehmensspitze, für die gesamte Belegschaft sowie für die Kunden heraus. Würde man den erstgenannten Topos ‚Fatalität’ so umschreiben: ‚wir müssen so handeln, weil es Entwicklungen um uns herum gibt, die nun mal so sind, wie sie sind.’, so könnte es für den Verpflichtungstopos heißen: ‚wir müssen so handeln, weil wir es denen, die uns anvertraut sind, sowie unserem hereditären Status schulden’. Die Unter-Handlung VERANTWORTUNG HERAUSSTREICHEN kann ebenfalls mit der Legitimation von bisherigem und künftigem Handeln erklärt werden. Weiterhin fungiert sie als Legitimation von weiteren Zumutungen, indem die Adressaten auf Grundwerte verpflichtet werden. Vor allem im Zusammenhang mit Verben des Wünschens oder Hoffens lassen sich folgende presupponierte Werte konstatieren: qualitativ hochwertige Arbeit und Gemeinschaftsgeist,145 Kampfgeist; Aktivität; flächendeckende, unkomplizierte, einfache und selbstverständliche Abläufe,146 der herausragende Status der eigenen Person, der Führungsgruppe und des gesamten Unternehmens. Indem der Redner diese Werte immer thematisiert, kleidet er die Thematik Wandel in eine „allgemeine konsensfähige Werterhetorik“ (vgl. Bardmann 1995, 249)147 und stilisiert sie somit als notwendig und sinnvoll für die Sicherung und Ausdehnung des Gemeinwohls. Wohl keiner der Adressaten wird sich von klassischen Grundwerten wie Solidarität oder Sicherheit lossagen. Die argumentative Anknüpfung jener Werte an das Thema Wandel impliziert, dass sich potenzieller Dissens in Bezug auf den Wandlungsprozess auch auf die Grundwerte beziehen würde. So verpflichtet der Redner die Hörer auf Verbindlichkeiten, von denen sich keiner lossagen darf: dieses thema >>acc< ich komm noch mal zu dem thema ARbeitsplätze zuRÜCK > - (-) glaub ich (.) des geht uns ALle an. (---) da WERden ganze STANDorte geschlossen - (.) und TEILweise muss mer SAgen – (.) wird des (.) mit ignoRANZ betrachtet.
Der dritte hervorstechende Topos der Rede ist die Affirmation von Wandel. Er ist dann zu konstatieren, wenn der Standortleiter Wandel an sich naturalisiert und so argumentiert, dass sich Organisationen allein durch ihre Veränderungsbereitschaft weiterentwickeln. Hierbei wird Wandel an sich naturalisiert (‚Verände145 Diese beiden Werte kommen u. a. bei dem Leitbild-Motto „Klasse schaffen“ zum Ausdruck. 146 Dieser Punkt mag auf den ersten Blick als „Wert“ unpassend erscheinen. Angesichts der Tatsache, dass das Phänomen der Machbarkeit und somit „machbare organisationale Prozesse“ einen zentralen Stellenwert innerhalb der Management-Perspektive innehaben, kann man hier u. E. von einem „Wert“ sprechen. 147 Werterhetorik erzeugt eine gewisse Verbindlichkeit, dennoch bleibt sie auch gleichzeitig unverbindlich, da sie Realisierungsbedingungen und Umsetzungsentscheidungen ausblendet (vgl. Bardmann 1995, 251ff).
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rung begleitet die gesamte Menschheitsgeschichte’) und gleichzeitig positiv bewertet (‚Wandel führt zum Erfolg’). Wandel ist innerhalb dieses Topos per se ein Garant für erfolgreiches Unternehmertum. Auch in diesem Zusammenhang wird ein Grundwert auf den Plan gerufen: eine generelle Lebenseinstellung der Wandlungsbereitschaft, auf deren Grundlage gegen schicksalhafte Entwicklungen angekämpft werden kann. Da hierbei eine Perspektive ‚auf die Welt gesetzt’ wird, kann man von Identitätsregulation im weitesten Sinne sprechen, nämlich einer Normsetzung, welche in ihrer Allgemeingültigkeit die Akzeptanz und Einigkeit wahrscheinlicher macht. Mit dem Affirmationstopos wird Wandel also NORMALISIERT, indem der Sprecher einen Grundwert POSTULIERT. Ein Mittel dazu ist die Einbettung aller Wandel-Aktivitäten in einen großen historischen Prozess. Der Rückblick auf die Historie legt die Erkenntnis nahe, dass große Veränderungen regelhaft Ängste hervorrufen, welche im Nachhinein immer als ‚natürlich’ und sinnhaft wahrgenommen werden (s. Kapitel 7.1.2). Der vierte zu identifizierende Topos bezieht sich auf die innere Einstellung der Betroffenen zum Wandel: der ‚Aktivitätstopos’. Wie auch schon bei der Weichenstellung in Bezug auf die organisationale Zukunft (s. Kapitel 7.1.2), kommt im Aktivitätstopos hinsichtlich der Handlungsmöglichkeiten der Organisationsmitglieder die ‚Bifurkation’ zum Tragen. Entweder die Akteure sind Getriebene des ‚Schicksals’, oder aber sie treiben den Wandlungsprozess selbst an. In dieser Perspektive sind Aktivität und intrinsische Motivation die Voraussetzungen für Optimierung und Fortschritt. Damit FORDERT der Redner AKTIVITÄT, was wiederum der Identitätsregulation dient – auf Basis eines Verständnisses von Identität, das an ein kollektiv-bindendes Wertesystem anknüpft. Ein zentrales rhetorisches Mittel zur Relevantsetzung der ‚Aktivitäts-Perspektive’ ist der Gebrauch von Konditionalsätzen. Damit impliziert der Redner unabwendbare Konsequenzen des gesetzten Wandel-Konzepts. So sind in der Rede einige wenn-dann-Konstruktionen zu finden, die im Satz „wenn WIR uns nicht verÄNdern (-) dann (.) WERden (.) wir (.) verändert.“ ihren Höhepunkt finden. Wirklichkeit wird also durch kausale Beziehungen geschaffen und plausibel gemacht. Durch die Kausalität rückt der Redner rationale Vorgänge in den Vordergrund des Denkens und Handelns.148
148 Die Kausalität ließe sich auch umkehren (‚wenn wir uns verändern, werden wir nicht verändert’), woraus die Formel ‚selbstinitiierte Veränderung = Selbstbestimmung’ entstünde. Mit dieser kategorischen Formulierung schafft der Redner eine formelhafte Wendung von großer Prägnanz, welche in ihrer kommunikativen Funktion einem Sprichwort gleichkommt (vgl. Ayaß 1999, S. 123f). Solche Wendungen besitzen einen „apodiktischen moralischen Charakter“ und eignen sich durch „ihre indefinite Referenz auf die gemeinten Personen hervorragend für moralische Kommunikationen“ (vgl. ebd.). Bei diesem Beispiel kann man von einem „Schlüsselsatz“ der Rede sprechen, da sich darin verdichtet die Presupposition manifestiert,
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Die vier genannten Topoi ließen sich noch durch weitere Begründungszusammenhänge ergänzen. An dieser Stelle soll die Auflistung dieser am häufigsten anzutreffenden Topoi genügen. Die Topik dient insgesamt dazu, postulative Grundannahmen zustimmungsfähig zu machen und Übereinstimmung mit den geltenden Bewertungsstandards zu beweisen. Insbesondere mit dem Affirmations- und Aktivitätstopos, eventuell auch mit dem Verpflichtungstopos, schließt der Redner an die Handlungsorientierungen der Adressaten an. Die argumentative Rhetorik im Gesamten setzt an der Einstellungsebene an und dient so – auch durch ihre Anschließbarkeit an gültige Bewertungsmaßstäbe – dazu, die ‚Herzen der Hörer zu gewinnen’. Weiterhin suggeriert der Manager mit dem Rekurs auf die argumentatorische Struktur die Form einer sich dialogisch bzw. kommunikativ realisierenden Rationalität. Im Zuge dessen wird verschleiert, dass das Schließverfahren im Sinne einer „logica verorum“ deduktiv etabliert wird (vgl. Kopperschmidt 1976). Somit setzt der Manager unter dem Deckmantel persuasiver Grundmuster Regeln und Normen.149 Der Einsatz von Argumentation an sich trägt also zum Eindruck persuasiven Handelns bei, darunter die Realisierung des rhetorischen Schließverfahrens, das den Argumenten den Evidenzcharakter wissenschaftlicher Prämissen verleiht. Da die Ratifikation überzeugungsfähiger Argumente die allgemeinste Bedingung eines erfolgreichen Persuasiven Sprechaktes ist, lässt dies auf die Intention der Überzeugung schließen (vgl. Kopperschmidt 1976 und 1995). Auch die Art der Argumentation, im Zuge derer ‚Beweise’ (im Sinne von Aristoteles) vorgebracht werden, untermauert die ‚scheinbar’ persuasive Struktur (z. B. Zahlen oder ‚Testimonials’). Weiterhin suggeriert die Art der Themenbehandlung Deliberation – durch argumentative Begründungsverfahren mit übersichtlicher Gliederung der Aussage innerhalb einer Folge von Textschritten, welche von der Einleitung bis zum Schlussteil ein Problem entfalten und dieses in „Lernschritten“ (Kopperschmidt 1976) aufbereiten. Somit nutzt der Sprecher alle Elemente der Struktur der Persuasiven Aussage: materiell erschöpfende Problembehandlung, übersichtliche Gliederung, sprachliche Gestaltung, freies Vortragen und wirkungsvolle Artikulation (vgl. Kopperschmidt 1976). All diese Aspekte erwecken die Erwartung persuasiver Kommunikation und legitimieren die ‚Ausbreitung einer Machtentscheidung’ im Wandlungskontext.150 Andererseits spannt der Redetext aber auch
dass außengesteuerter Wandel unerwünscht ist und dass die Organisation dem externen Wandel durch interne selbstinitiierte Veränderung mindestens einen Schritt voraus zu sein habe. 149 „Alte Topik und Rhetorik“ (Kopperschmidt 1976) entziehen monologischen Strukturen den Eindruck deduktiver Aussagesyteme und suggerieren, dass die realisierte Rationalität das Ergebnis der Überzeugungskraft des besseren Arguments sei. 150 Die „Hintergründe“ der persuasiven Struktur werden im folgenden Kapitel geklärt.
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noch andere Lesarten auf, welche der Persuasion widersprechen. Auf diese werde ich in Kapitel 7.1.4.3 eingehen. „activity exchange“151: Regulation durch Handlungsaufforderungen Nun richten wir den Blick auf das Mobilisierungs-Muster der Rede, welches ebenfalls dazu genutzt wird, die Zielvorstellungen des Managements auf die Adressaten zu übertragen. Der Redner integriert eine große Zahl von Imperativen in den Text, mit denen das Handeln der Führungskräfte beeinflusst werden soll. Die Appelle zu einer bestimmten Art des Handelns in der Organisation kann als Weitergabe des extern wahrgenommenen Drucks gedeutet werden. In einer Übermittlerrolle stellt der Redner die unmittelbare Verbindung zwischen Bedrohung und geeigneter Strategie zur Lösung des Problems her und übersetzt diese in direkte Appelle an die Führungskräfte. So bereitet der Manager den außen wahrgenommenen Druck rhetorisch auf. Dabei agiert der Sprecher auf verschiedenen Ebenen, um im Sinne von „other initiated activity exchange“ (vgl. Fairclough 2003, 106ff) zu handeln, d. h., um die Adressaten zu einer bestimmten Handlungsweise zu bewegen: erstens agiert er mit direkten Aufforderungen oder Ersatzformen des Imperativs, zweitens mit einer Rhetorik der Dringlichkeit. Hier einige Beispiele mit Imperativen: machen sie die RECHnung erscht gar nicht und ich kann sie HIER bloß HEUte alle AUFfordern – schauen sie NACH dass sie den EInen oder andern prozess ABstellen schauen SIE daNACH dass sie nicht UNnötig ebenfalls in diesen GLEIchen / in diese GLEIche theMAtik verfallen; (-) und ÄHNlich handeln –
Um die Zuhörer aufzufordern, gebraucht der Redner nicht nur das sprachliche Mittel der Imperative, sondern auch Imperativ-Ersatzformen: Der Redner nutzt Umschreibungen mit Modalverben (man sollte …, wir sollten …, wir müssen …), höflichere Umschreibungen (die bitte ich sie zu berücksichtigen, ich bitt sie […] hineinzutragen), welche trotz der höflichen Modalität Sachzwanglogik und Aufforderungscharakter besitzen, oder aber Umschreibungen, die ich ‚vernunftmäßige’ Umschreibungen nenne: eine Fülle von Formulierungen verdeutlichen Notwendigkeiten, welche auch mit Imperativen realisiert werden könnten: „es ist zweckmäßig, […]“, „es steht immer oben an […]“, „es ist notwendig, dass […]“, „es gilt, […] zu machen“. Mit diesen indirekten Appellen zeigt der Redner Prioritäten auf und legt sie den Führungskräften für das eigene Handeln nahe.
151 Zum Begriff „activity exchange“ s. Fairclough (2003, 106 ff.).
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Ich führe beispielhaft eine aufwändige (Ersatz-)Imperativ-Konstruktion an, die zeigt, wie der Redner den Fokus bei zentralen Aufforderungen auf Eindeutigkeit legt und seinen Äußerungen somit Nachdruck verleiht: und ich kann sie HIER bloß HEUte alle AUFfordern – schauen sie NACH dass sie den EInen oder andern prozess ABstellen und damit auch entsprechende INdirekte kapazitäten im INdirekten bereich schaffen (2.0) um des FESTzustellen – wo prozesse unterwegs sind (.) die nicht der WERTschöpfung DIEnen sollte man prozesse transpaRENT machen;
Die Einleitung verweist bereits darauf, dass der Redner die nachfolgenden Inhalte besonders gewichtet; gleichzeitig stellt er mit ihr rhetorisch Aufmerksamkeit her. Der Einleitungssatz weist ebenfalls darauf hin, dass der Top-Manager nicht umhin kann, den nachfolgenden Imperativ zu formulieren, ist er doch derjenige, der die Notwendigkeiten erkennt und in der Lage ist, notwendige Handlungen daraus abzuleiten. Dieser Einleitung folgt nun der Imperativ (schauen sie NACH), der einen Nebensatz mit der konkreten Handlung einleitet (Prozess abstellen). Doch dem nicht genug; der Redner schiebt noch einen Nebeneffekt der eigentlich geforderten Handlung nach (und damit auch entsprechende INdirekte kapazitäten im INdirekten bereich schaffen) und sichert somit ab, dass alle Konsequenzen des Appells deutlich werden. Dieser schon sehr aufwändigen Satzkonstruktion folgt nun noch eine Imperativ-Ersatzform, eine Umschreibung mit einem Modalverb (sollte man prozesse transpaRENT machen), welche die grundlegende Perspektive für das zuvor geforderte Handeln darstellt: die Bereitschaft, die eigene Arbeitsweise offenzulegen (Transparenz). Mit den Imperativen und Imperativ-Ersatzformen konstruiert der Top-Manager also eine Kausalkette: Prozesse transparent zu machen ermöglicht es, Prozesse zu definieren, die nicht der Wertschöpfung dienen, was wiederum gestattet, unnötige Prozesse abstellen und damit gleichzeitig neue Kapazitäten schaffen. Somit erklärt der Redner die Logik lückenlos und eindeutig, um unverkennbar für die konsequente Umsetzung des Geforderten zu MOBILISIEREN. Damit steckt er den Rahmen des organisationalen Handelns ab, macht Konsequenzen des Handelns deutlich und reguliert somit auf einer ‚Vernunftebene nach dem Kausalprinzip’ die Identitäten der Hörer. Somit hat man es hier mit der Haupt-Handlung MOBILISIEREN und der Unter-Handlung ZU KONKRETEN HANDLUNGEN AUFFORDERN zu tun. Die vernunftmäßige Erkenntnis der Wirklichkeit Nun zum Muster der Sachzwanglogik: Die Handlungsstruktur der Rede weist die Unter-Handlungen BEDRÄNGNIS ZEIGEN (durch Sprachhandlungsmuster der Dringlichkeit, wie z. B. intonatorische Akzentuierungen oder die deontische Modalität von Äußerungen), KOLLEKTIVE DENK- UND HANDLUNGSEBENE
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SCHAFFEN (durch das Thematisieren kollektiver Werte und geltender Bewertungsstandards) sowie GEGENARGUMENTE ABWERTEN (durch das Stigmatisieren von Veränderungsgegnern) auf. Sie alle dienen dazu, die relevant gesetzte Wirklichkeit durch die diskursive Konstruktion von Fakten zu normalisieren (vgl. Link 1999). Der Redner legt so als notwendig definierte Lösungsmechanismen für einen bereits diagnostizierten Problemfall fest. ‚Wechselbäder’ des organisationalen Wandels Ein weiteres Handlungsmuster ist das der ‚Wendemanöver’: Es stellt ein Handlungsinstrumentarium bereit, um die Perspektiven der Adressaten so zu führen, dass sie im Verlauf der Rede einen Lernprozess durchleben. Indem der Redner zwischen Chancen und Risiken des Wandels LAVIERT, verfolgt er die Intention, die Adressaten zu den richtigen Einsichten zu führen. Sprachliche Mittel hierzu sind der Wechsel zwischen Sicherheit suggerierenden und Unsicherheit schaffenden Passagen im Redetext, die ‚Schwarz-Weiß-Malerei’ mit Hilfe der Topoi (s. Ausführungen zu den Topoi) und der Wechsel zwischen fremden Stimmen und derjenigen des Sprechers. Unbestimmtheit als Inszenierungsressource zur ‚Bestimmung’ notwendiger Veränderung Auf das letzte Muster soll nun etwas ausführlicher eingegangen werden, da es meines Erachtens ein wesentliches Charakteristikum der Textsorte ausmacht und eine plausible Erklärung für die Verletzung der (inszenierten) persuasiven Struktur der Rede liefert: das ‚Vagheitsmuster’. Man könnte nun annehmen, dass Vagheit, d. h. Ungenauigkeit, in der Rede im Zusammenhang mit dem konzeptionell mündlichen Sprechen auftritt (s. o.), da Alltagssprache in den seltensten Fällen präzise ist (vgl. Menz 2000, 182). Bei genauerer Analyse ist jedoch festzustellen, dass Unbestimmtheit nicht nur im Zusammenhang mit der konzeptionellen Mündlichkeit auftritt. Auch die Erklärung, dass das Vagheitsmuster (wie in den von Menz untersuchten Arbeitsbesprechungen) zur Bewältigung kontingenter Situationen dient, lässt sich nicht auf die Gattung Managerrede übertragen (vgl. ebd.). Die intensive Untersuchung aller sprachlichen Mittel der Ungenauigkeit und Uneindeutigkeit in der Rede lässt jedoch den Schluss zu, dass das Vagheitsmuster folgende Funktion übernimmt: es geht in der Rede nicht darum, die Machtentscheidung an sich abzuschwächen, sondern die Machtentscheidung zu verschleiern und somit die Akzeptanz bei den Adressaten wahrscheinlicher zu machen. Im Folgenden spreche ich deshalb von der Inszenierung im Wandlungsdiskurs – eine Strategie, mit Hilfe derer ‚moderner’ Wandel suggeriert wird. Dabei lassen sich fünf Arten der Inszenierung identifizieren:
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Die Inszenierung von freiheitlichen Prozessen U. a. durch abschwächende Partikel, wie in folgender Äußerung: sondern geSTALten sie sie aktiv mit und bringen sie EHer nach VORne wie nach RÜCKwärts“
oder durch vage, globale Ausdrücke, wie in folgendem Satz. Diese dienen dazu, Direktiven in der Rede unscharf zu machen: ich möchte nur des KERNziel für dieses jahr noch mal überschreiben – (-) des IST des errEICHEN des KOStenziels (.) des uns VORgegeben worden ist -.
Zwar wird hier managementseitig der Rahmen von Organisationsprozessen vorgegeben, dennoch wird die Vorgabe im Unbestimmten gehalten und die VERANTWORTUNG dem Einzelnen ÜBERSTELLT. Der Redner formuliert auf diese Art Globalziele, ohne entsprechend belastbare Schritte des Vorgehens auszuarbeiten. Diese Strategie steht im Gegensatz zu tayloristischer Arbeitsorganisation mit exakten Vorgaben und kann im Sinne „subjektivierter Taylorisierung“ (vgl. Matuschek et al. 2007) verstanden werden. Dies stellt eine Form kontrollierter Autonomie dar, bei der allerdings die Kontrollinstanzen nicht wegfallen (s. Zielvereinbarungen und deren Überprüfung in der Organisation).
Die Inszenierung von Konsensorientierung und Einbindung Ein Beispiel für diese in der Rede oft anzutreffende Strategie ist eine Perspektivierung kombiniert mit der Verwendung des Futur: „ich denke, wir werden sehen, was da für en potenzial drinsteckt.“ Mit dieser Formulierung suggeriert der Sprecher den Prozess des gemeinsamen Ausprobierens und eines potenziell anderen Wegs. Oder aber der Redner rückt mit Perspektivierungen die Existenz von Diskussion in den Vordergrund, wie im folgenden Beispiel, das den organisationalen Diskurs thematisiert: „ich denke wir haben an der / dieser Stelle schon einige positive rückmeldungen bekommen“. Hier thematisiert der Redner konsensuellen Diskurs, der aber vom Sprecher nicht exakt überblickt wird (ich denke). Dennoch nutzt er den Verweis auf die konsensuelle Verständigung in der Organisation, um den Aspekt der Einbindung zu betonen und damit gleichzeitig MACHTAUSÜBUNG zu VERDECKEN. Damit inszeniert der Sprecher, dass es sich nicht um den „validierenden Nachweis systemimmanenter Stimmigkeit“ (Kopperschmidt 1976, 131) handelt, also nicht um „unkorrigierbare letzte Stellungsnahmen“ (ebd.). Solche Beispiele lassen sich noch in einer längeren Liste fortsetzen, können an dieser Stelle aber nicht weiter aufgeführt und expliziert werden.
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Die Inszenierung von Kontingenz Sprachliche Mittel der Einschränkung, d. h. der Reduzierung von Eindeutigkeit, treten auch im Zusammenhang mit starken Willensausdrücken auf: „diese Schlacht an dieser Stelle (--) die wollen wir gewinnen“. In diesem Fall wird die Kriegsmetaphorik mit der adverbialen Konstruktion eingeschränkt, was den Anstrengungen einen insulären Charakter gibt. Damit impliziert der Redner den Misserfolg ‚an anderer Stelle’ – ein deutlicher Verweis auf Kontingenz. Dieses sprachliche Verfahren hat die Funktion, UNSICHERHEIT bei den Adressaten zu VERBREITEN, wodurch deren Veränderungsbereitschaft und Motivation gesteigert werden soll. Gleichzeitig werden durch die Erzeugung von Kontingenz „Marktbedingungen auf möglichst viele Unternehmensbereiche“ (Opitz 2004, 143) übertragen.
Die Inszenierung von Einfachheit und Machbarkeit In Sätzen wie „es geht eigentlich jetzt nur um eine ganz simple Sache“ banalisiert der Redner mit Partikeln der Relativierung und Abtönung Aktivitäten und macht sie damit zumutbar. Dabei breitet er eine nüchterne Perspektive aus, welche die Machbarkeit von Wandel sowie einfache, ‚schnörkellose’ Handlungen in den Fokus rückt. Letzteres kann als IMMUNISIEREN gegen den potenziellen Verstoß gegen die Vermeidung von Redundanzen und Verschwendung (im Sinne der Lean-Philosophie) interpretiert werden. Interessanterweise verwandeln die Partikeln der Relativierung und Abtönung die Aussage in diesem Beispiel zu einer Sprachhandlung, welche sich nicht mit Persuasion übereinbringen lässt: Hier geht es auch darum, zu BESCHWICHTIGEN und zu ÜBERREDEN.
Die Inszenierung von distanzierter Einschätzung Ein interessantes Beispiel für die Inszenierung durch Einschränkung ist folgendes: s gibt aber AUCH (.) und des möchte ich NICHT verhehlen punkte (.) wo ich mein (-) da siehts noch so aus wie vor fuffzehn JAHRN wobei des an der ein oder anderen stelle ja net SCHLEcht war ja, was wir vor fuffzehn jahrn geMACHT haben;
Bei dem Rückblick auf vergangene Aktivitäten dient das Adverb „an der ein oder anderen Stelle“ als Einschränkung einer Einschränkung. Dadurch äußert der Manager, dass getroffene Aussagen nicht zu verallgemeinern und Beurteilungen nach Einzelfällen vorzunehmen sind. Somit rahmt er eigentliche Kritik als fachmännische Einzelfallbeurteilung und IMMUNISIERT sich gleichzeitig gegen spätere Festlegungen von Hörern oder Dritten. Auch die Verwendung des Diminutivs in Zusammenhang mit der Broschüre des
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sozialen Ereignisses („dieses heftchen“) verstehe ich als Abschwächung – in diesem Fall aber mit der Funktion, sich von der Inszenierung zu DISTANZIEREN. Diese Beispiele vielfach anzutreffender vager und abschwächender Sprachmittel zeigen, dass nicht nur eine leichte Ungenauigkeit der Sprache vorzufinden ist. Vielmehr fungieren Vagheit und Einschränkung als (systematische) Verschleierung oder zumindest als Abschwächung des Bewirkungsziels (Perlokution), d. h., im Bewirkungsversuch (Illokution) wird vom eigentlichen Bewirkungsziel abgelenkt. So werden sprachliche Mittel der Vagheit eingesetzt, um Illokutionsindikatoren unbestimmt zu halten oder gar zu konterkarieren, so z. B. bei abgeschwächten Appellen, bei denen der Sprecher die Regelsetzung tarnt. Die oben erläuterte Implizitmachung von Regulation – eine Stelle in der Rede, in welcher der Manager die Adressaten zum regulierenden Subjekt der Aussage macht („um SIE ein bisschen zu LOCKen und zu KITZeln (.) mit IHren aktivitäten (-) und da auch noch (-) sie entsprechend (.) weiter nach vorne zu entwickeln.“) – ist ein paradoxes Moment,
da der Sprecher im Gegensatz zu sonstigen diskursiven Strategien die Perlokution transparent macht. Dies impliziert, dass die Perlokution an anderer Stelle im Verborgenen gehalten wird und der Redner ‚irreführende’ Illokutionsindikatoren nutzt. Nach der Analyse der Handlungsstruktur der Rede kann kritisch angemerkt werden, dass die Gattung Managerrede auf diese Art Risiken in sich birgt: es besteht die Gefahr, dass sich die diskursiven Muster gegenseitig konterkarieren, so z. B. bei der Vermischung von Sachzwanglogik mit Vagheit. Nach eingehender Untersuchung zeigt sich, dass die Handlungsbeschreibung auf ausschließlich einer Ebene nicht ausreicht, um das Handeln des Sprechers umfassend zu erklären. Unter der Oberfläche haben die Handlungsmuster andere Funktionen: Unter dem Deckmantel des ARGUMENTIERENs verstecken sich Handlungen, wie das ÜBERREDEN oder das INSZENIEREN von bestimmten Entitäten. Auf diese Art soll Wandel hervorgerufen und weiter forciert werden, also ‚gemacht’ werden. Das gleichzeitige Auftreten verschiedener Kommunikationsebenen wird als „doppelspurige Sprecherhandlungsstruktur“ (v. Polenz 1988, 203) bezeichnet. Dies verweist darauf, dass mit den Handlungen bestimmte Effekte erzielt werden können, welche diesen Handlungsmustern im unmittelbaren Handlungszusammenhang noch nicht zuzuschreiben sind (vgl. Holly 1992). Dem Phänomen der Doppelspurigkeit soll nun näher auf den Grund gegangen werden. Somit soll die Art der Inszenierung beleuchtet werden, welche unter dem Deckmantel der persuasiven Kommunikation vollzogen wird.
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7.1.4.3 Die Diskursstrategie Doppelung und Inszenierung Unter dem Rückgriff auf den Doppelungs- und Inszenierungsbegriff (vgl. Holly 1987 und 1990) soll beleuchtet werden, welche Doppelungen im Detail vorzufinden sind und welche Funktionen sie übernehmen. Des Weiteren wird der Frage nachgegangen, was auf die Inszenierung persuasiver Kommunikation in der Rede schließen lässt, und was genau an die Stelle der Persuasion tritt. Im vorhergehenden Kapitel wurde bereits darauf hingewiesen, dass Handlungsmuster in der Managerrede zu konstatieren sind, die eine mindestens zweifache Interpretationsmöglichkeit zulassen. Die Handlungsmuster in ihrer ‚Doppelspur’152 sollen an dieser Stelle in einem Überblick aufgeführt werden:
Persuasive Muster: Die ‚erste Spur’ der Handlungsstruktur ist das ARGUMENTIEREN, um zur Überzeugung und organisationalen Übereinstimmung zu gelangen. Die zweite Spur – so zeigen ‚Verletzungen’ der Persuasion wie das ÜBERREDEN (durch das Thematisieren von ‚kleinen Dosen’ des Wandels: „noch mal en bisschen verschlanken“) – besteht jedoch im POSTULIEREN eines Regelwerks für das Handeln. Die persuasive Handlungsstruktur an der Oberfläche dient also dazu, machtorientierte Normsetzung zu LEGITIMIEREN.
Mobilisierungsmuster: Auf oberer Ebene MOBILISIERT der Redner die Adressaten über Aufforderungen und kollektiv gesetzte Werte und Emotionen. Die zweite Interpretationsmöglichkeit dieses Musters ist jedoch das REGULIEREN von Identitäten.
Muster der Sachzwanglogik: Der Sprecher FÜHRT BEWEISE AN, um die Hörer vom Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zu überzeugen. In der ‚zweiten Spur’ des Handelns kann dies aber auch als REGULIEREN der Identitäten auf der Vernunftebene verstanden werden.
Das Muster ‚Wendemanöver’: Mit seiner ‚einerseits-andererseits-Rhetorik’ oder dem Lavieren zwischen Sicherheits- und Unsicherheitsfaktoren für die Zukunft der Organisation BELEUCHTET der Sprecher ‚der ersten Spur’ nach Chancen und Risiken und WÄGT AB, bevor er weit reichende Entscheidungen trifft. Das Handlungsmuster kann aber auch als REGULIEREN von Identitäten interpretiert werden: Der Sprecher wechselt zwischen
152 Es ist zu unterscheiden zwischen transparentem und intransparentem „doppelspurigem Handeln“: 1. ein und dieselbe Handlung, die verschiedene Interpretationsmöglichkeiten eröffnet, d. h. „uneigentliches Sprechen“ (v. Polenz 1988), und 2. verschiedene Handlungen, welche nacheinander und nebeneinander, für jedermann durchsichtig, vollzogen werden, d. h. Lavieren. Beide Arten von Doppelspurigkeit können zu Verständigungsproblemen führen bzw. zu mangelnder Glaubwürdigkeit.
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Sicherheit suggerierenden und Unsicherheit schaffenden Passagen und steuert so die Wahrnehmung der Adressaten, um sie durch die Rede aufnahmefähig für die intendierte ‚Katharsis’ zu machen.
Muster der Vagheit und Einschränkung: Der ‚ersten Spur’ des Sprachhandelns nach SCHWÄCHT der Redner ÄUSSERUNGEN AB. Wie bereits im vorangegangenen Kapitel festgestellt, dient dieses Muster aber auch dazu, eine bestimmte Art des Handelns zu INSZENIEREN. Die Inszenierung lässt sich folgendermaßen untergliedern: 1. Erste Spur: ZIELE ABSCHWÄCHEN, zweite Spur: VERANTWORTUNG AN ADRESSATEN ÜBERTRAGEN, 2. Erste Spur: KONSENSORIENTIERUNG ZEIGEN, zweite Spur: MACHTAUSÜBUNG VERSTECKEN und LEGITIMIEREN sowie KONSENSORIENTIERUNG INSZENIEREN (inszenieren deshalb, weil es im Grunde darum geht, ein Regelwerk für das Handeln in der Organisation zu POSTULIEREN), 3. Erste Spur: KONTINGENZ AUFZEIGEN, zweite Spur: UNSICHERHEIT VERBREITEN sowie VERANTWORTUNG ABSCHIEBEN, 4. Erste Spur: EINFACHHEIT AUFZEIGEN, zweite Spur: ZUMUTUNGEN ABSCHWÄCHEN bzw. VERSCHLEIERN und damit LEGITIMIEREN sowie MACHBARKEIT INSZENIEREN und 5. Erste Spur: DISTANZIERTE EINSCHÄTZUNG ZEIGEN, zweite Spur: SICH IMMUNISIEREN gegen den Vorwurf der Verfolgung eigener Interessen.
Grundlegende Elemente der Handlungsstruktur sind also: Regulieren, Legitimieren, Immunisieren gegen Kritik, Verstecken von Macht, Übertragen von Verantwortung und Inszenieren von Konsens. Allein die Tatsache der Interpretationsmöglichkeit der ‚zweiten Spur’ genügt, um sie als textsortenkonstitutive Handlungsmuster zu identifizieren – ob die Adressaten diese Lesart letztendlich für ihr eigenes Sprachhandeln relevant setzen, steht auf einem anderen Blatt. Doppelungen sind demnach ein entscheidendes Merkmal der Managerrede zur Übertragung von Zielvorstellungen auf die Adressaten. Zentral ist dabei die Inszenierung persuasiver Kommunikation, welche Hand in Hand mit der Inszenierung von Konsensorientierung und Einbindung geht. Die persuasive Kommunikation wird jedoch dadurch verletzt, dass der Hörer die Möglichkeit hat, die ‚zweite Spur’ als Interpretation heranzuziehen. Die ‚Verletzungen’ bestehen weiterhin darin, dass schon allein die Textsorte Rede in ihrer monologischen Struktur persuasiver Kommunikation widerspricht: Die Intersubjektivität als Voraussetzung für verständigungsbasierte Diskurse kommt in der Rede zu kurz (vgl. Kopperschmidt 1976, 78f). Weiterhin dient persuasive Kommunikation im eigentlichen Sinne der argumentativen Überzeugung und nicht, wie in dieser Rede, zur Legitimation organisationaler Entscheidungen (vgl. Holly 1992, 27ff). Auch die Sachzwanglogik steht einer diskursiv ausgetra-
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genen konsensuellen Lösung entgegen: Sobald die Hörer die Rede als Vollzug alternativloser Sachzwänge verstehen, „erübrigt sich mit der Leugnung real gegensätzlicher Handlungsmöglichkeiten auch deren diskursive Prüfung und Deliberation“ (Kopperschmidt 1976, 117).153 Dabei postuliert der Redner eine ‚Wahrheit’, was den dialektischen Prämissen widerspricht, dass Wahrheit nur über die Zustimmung der Kommunikationspartner zu ermitteln sei. Eine zentrale Rolle beim POSTULIEREN VON WAHRHEIT hat die ‚Unter-Handlung’ ARGUMENTE AUF GRUNDWERTE ZURÜCKFÜHREN. Das bringt Moral ins Spiel, welche ihrerseits eine Vorstellung von ‚richtig’ und ‚falsch’ etabliert. Die Argumentation der ‚Validation’ birgt jedoch die Gefahr der „dogmatischen Anfälligkeit“ (ebd.), was erklärt, warum der Redner die Vagheitsmuster mit dem Zweck der Inszenierung von Konsensorientierung nutzt. So konstruiert der Manager einen „Scheincharakter unterstellter Alternativen“ (ebd.). Eine weitere Voraussetzung für persuasive Kommunikation ist Strittigkeit. Im Fallbeispiel der Managerrede ist jedoch nichts Strittiges vorhanden, da die Dinge bereits entschieden sind und das Leitbild schon formuliert ist. Dennoch kann man aufgrund der inszenierten Persuasion von einer ‚Pseudo-Strittigkeit’ sprechen, zu konstatieren an Sprachhandlungen, welche verschiedene Interpretationsmöglichkeiten des bereits Entschiedenen thematisieren: „sie können […] nochemal en bisschen anders formulieren“. Dabei bezieht der Manager Strittigkeit auf ‚Grade von Sachzwängen’, wie z. B. bei der Formulierung „noch en bisschen verschlanken“. Nicht die Verschlankung an sich, sondern das Ausmaß ist hier potenziell strittig. Die oben bereits erläuterte Handlung des ÜBERREDENs verletzt ebenfalls das persuasive Muster: Wenn Zumutungen abgeschwächt werden, geht es darum, zu verändertem Handeln zu überreden. Solche diskursiven Strategien werden angewendet, wenn sich der Redner durch die rationale Überzeugung keinen Erfolg verspricht, also bei „rational-argumentativ unlösbaren Kontroversen“ (Kopperschmidt 1976). Weitere Ursachen für die Verletzung sind ebenso gewichtig: die Erzeugung von (Inszenierungs-)Effekten sowie der soziale Konformitätsdruck im sozialen Ereignis selbst und bei der ‚Differenzstiftung’ zwischen ‚vernünftigen’ und ‚unvernünftigen’ Wandel-Akteuren. Auch sind Regeln für „Persuasive Sprechakte“ (ebd.) verletzt, denn auf den Sprecher bezogen sind folgende Regeln von Persuasion (vgl. ebd.) nicht erfüllt: die Kommunikationspartner sind hinsichtlich der Beteiligungschancen im Diskurs nicht gleichberechtigt, das ernsthafte Interesse des Sprechers an einer argumentativ erzielten Verständigung kann 153 Mit dem „Evidenzcharakter des vollzogenen wissenschaftlichen Schließverfahrens“ (Kopperschmidt 1976) geht eine „normative Logik“ einher, d. h., es werden Forderungen und Postulate vorgebracht, die zwar nicht in der letzten Instanz begründbar sind, die aber doch innerhalb eines relevant gesetzten Konzepts einen hohen Stellenwert besitzen.
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in Frage gestellt werden (aufgrund des Musters der Sachzwanglogik oder der Ausblendung von Kontroverse), und der Sprecher geht nicht die Verpflichtung ein, die Entscheidung der Hörer in jedem Fall zu akzeptieren und sie nicht durch persuasionsfremde Mittel zu beeinflussen. Auf die Hörer bezogen lässt sich feststellen, dass diese fähig sind, sich mit den Argumenten auseinanderzusetzen und sich ggf. überzeugen zu lassen. Ob die Hörer auch bereit sind, sich überzeugen zu lassen, kann anhand dieses Datums und aufgrund fehlender Hörerreaktionen nicht nachvollzogen werden. Fraglich ist auch, ob sich die Hörer – auch wenn sie von der Richtigkeit der gesetzten Perspektive überzeugt sind – innerhalb der Organisation immer verpflichten, gemäß ihrer Überzeugung zu handeln. Aufgrund organisationaler Zwänge ist zu vermuten, dass dies nicht grundsätzlich der Fall ist. Die Erfüllung der letzten Regel von Persuasion schließlich steht außer Frage: Ein Dissens mit dem Sachverhalt ist möglich, denn der Wandel kann an sich in Frage gestellt werden, oder im Speziellen die Notwendigkeit des Leitbilds bzw. dessen Inhalte. Allerdings nimmt der Redner hinsichtlich dieser Fragen Konsens vorweg. Ein ‚mehrdimensionales Kommunikationsmodell’: Persuasion, Regulation und Integration Doch was genau befindet sich unter dem Deckmantel der Persuasion? Zur Beleuchtung dieser Frage ist Grünerts Kategorisierung politischer Kommunikation in vier verschiedene Sprachspiele hilfreich (vgl. Grünert 1984). Demnach ist festzustellen, dass in der vorliegenden Rede zwei Sprachspiele realisiert werden: einerseits das ‚regulative Sprachspiel’ und andererseits das ‚integrative Sprachspiel’. Regulativ geprägt ist die Sprache des Managers dann, wenn er Ordnung setzende Maximen etabliert: viele sprachliche Verfahren zielen darauf ab, das Handeln der Adressaten über die Veranstaltung hinaus zu organisieren und zu steuern. Weiterhin markiert er durch Distanz stiftende Mittel die Beziehung zwischen unten und oben bzw. zwischen innen und außen. Der eindeutige Hinweis darauf, dass für die vorliegende Textsorte nicht persuasive Kommunikation, sondern das regulative Sprachspiel konstitutiv ist, sind die Appelle (vgl. Grünert 1984, 32). Sie passen nicht in das Schema von Persuasion, zielen sie doch eindeutig auf Handlungs- und Identitätsregulation ab und dienen nicht der Verständigung, sondern rücken in die Nähe von Befehlen. Auch der ‚Ritus’ des ausgedehnten Rückblicks (vgl. Grünert 1984, 32) auf Aktivitäten des Top-Managements und sprachliche Formeln, wie z. B. „im Wettbewerb stärken“ können als legitimierende Verfahren gedeutet werden, „welche Tradition, Dauer und Stabilität verbürgen helfen“ sollen (ebd.).
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Das integrative Sprachspiel dient der Schaffung eines gruppenspezifischen Bewusstseins der anwesenden Führungskräfte, die in ihrer Kollektivität definiert, abgegrenzt und stabilisiert werden. Die Herstellung dieser Sinngemeinschaft wird durch eine bestimmte Gruppensprache vollzogen. Allerdings kann man in diesem Fall nicht davon sprechen, dass es zwingend zu „eine(r) freiwillige(n) Zustimmung, die in einer gleichgestimmten Handlungs-, Gefühls- und Bewusstseinslage zum Ausdruck kommt“ (Grünert 1984, 34) kommen muss, da das normative Regelwerk diese Zustimmung unwahrscheinlicher macht. Dennoch indizieren in der Rede ausreichend sprachliche Mittel die Gruppeneinigung: Abstraktion durch Leerformeln, emotionale Bildhaftigkeit (wie z. B. „den Kern innendrin stärken“) oder Symbole. Das zentrale außersprachliche Symbol des sozialen Ereignisses ist das der Leitplanke, welche als integratives Element der Wir-Gruppe fungiert. Regulation jedoch scheint nicht in den Kontext postmodernen Wandels in Organisationen zu passen. Aus diesem Grund werden zwei andere Handlungsebenen zu ihrer Verschleierung eingesetzt: das integrative Sprachspiel sowie die inszenierte Persuasion. Dies weist auf die Schwierigkeit einer widerspruchsfreien und konsistenten Handlungsweise im Kontext organisationalen Wandels hin. Alle drei Handlungsebenen zielen darauf ab, eine bestimmte Zielvorstellung (oder Ziel-Perspektive) auf die Adressaten zu übertragen. Vor dem Hintergrund perspektivischer Fragmentierung in Hinsicht auf Wandlungsprozesse ist es jedoch – aus der Managementsicht – notwendig, Alternativ-Perspektiven zumindest zu thematisieren und als weitere Option aufrecht zu erhalten. Möglicherweise verhindert jedoch eben die triadische Kommunikationsstruktur aus Regulation, Integration und (verletzter) Persuasion die Überzeugung der Adressaten. Zusammenfassend soll hier festgehalten werden, dass in der Rede ein Diskutieren suggeriert wird, das in Rede und Gegenrede besteht, die Argumente wechselseitig prüft und Konsens anstrebt. Dabei handelt es sich um vorgetäuschte Deliberation, während derer Handlung nach Normen demonstriert und gesetzte (eben nicht dynamische) Ziele legitimiert werden. Die Funktion dieser ‚Inszenierung’ liegt in erster Linie in der Herstellung und Simulation von Einigkeit. Der Manager lenkt damit von Machtstrukturen ab, setzt sie aber dennoch ohne Kompromisse relevant. Dies dient einerseits der Anpassung an postmoderne Organisationsstrukturen, andererseits jedoch auch der Aufrechterhaltung von Rollenbeziehungen, der Stabilisierung von Perspektiven auf Wandel und somit der Stabilisierung des Wandlungsprozesses an sich. Aus diesem Ergebnis lässt sich ein Defizit der Managerrede identifizieren: Die mangelnde Setzung von neuen Impulsen im auf den ersten Blick mit Originalität ausgestatteten ‚Leittext’ scheint problematisch: Trotz hohem Inszenierungsaufwand wird nichts Neues gesagt oder angekündigt. Dazu kommt ein
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weiterer Punkt, der in der Rede als problematisch anzusehen ist: Die glaubwürdige Basis für Handlungen ist „Konsistenz im Verhalten“ (Holly 1990, 79). Diese Widerspruchsfreiheit ist in der vorliegenden Rede aufgrund der Mehrfachinterpretierbarkeit der Handlungen nicht gegeben. Hierbei interessiert nicht die Frage, ob dieser Doppelbödigkeit eine Täuschungsabsicht zugrunde liegt, wichtig ist aber, dass der Akteur ein „Interesse an der Erreichung des Inszenierungseffekts“ (Holly 1990, 56) haben kann und dass dieser Effekt einen möglichen Einfluss auf den propagierten Wandlungsprozess hat.
7.1.5 Die der Inszenierung zugrunde liegende Perspektive Die perspektivischen Handlungsorientierungen können auf Basis der Analyse derart zusammengefasst werden: Der Redner nimmt Einigkeit als Prämisse für Wandel an und führt sie im Verlauf seiner Rede vor. Diese ‚integrative Perspektive’ impliziert die Annahme einer gemeinsamen Mentalität, welche in einer engen Verknüpfung von Individuum und Organisation besteht. Die ‚Elite’ der Organisation wird also als für das Gemeinwohl verantwortliche ‚Entrepreneure’ verstanden. Im Zuge dessen werden idealisierte Akteure von Gegenspielern des Wandels abgrenzt. Somit ist Einigkeit in der Perspektive nicht auf die gesamte organisationale Wirklichkeit möglich, sondern ausschließlich auf einen definierten Kreis von Führungskräften, welche in ihren kognitiven, emotionalen und moralischen Eigenschaften zu definieren und zu regulieren sind. Die Perspektive impliziert die Schicksalhaftigkeit von äußeren Einflüssen und teilweise kritisch zu bewertenden Entwicklungen im ökonomischen Handlungsraum. Externe Zwänge wie die Globalisierung werden der eigenen Perspektive zugrunde gelegt. Dennoch wird Wandel als Phänomen dargestellt, das von Managern ‚gemacht’ und gesteuert wird – das Wort ‚Veränderung’ wird also im Sinne eines Nomen actionis (s. Kapitel 1.3) kausativ verwendet. Bei fortschreitendem Erfolg des intendierten Wandlungsprozesses kumulieren aus dieser Sichtweise ‚automatisch’ immer mehr ‚kleine Zumutungen’, welche von den Betroffenen angenommen werden müssen. In dieser Perspektive ist Wandel nichts in sich Geschlossenes, sondern etwas, das Implikationen für die gesamte Organisation hat und niemals endet. Zur Erreichung dieses doppelt weit reichenden Charakters von Wandel (räumlich und zeitlich) wird ein stets grenzwertiger Anspannungsgrad als notwendig erachtet. Die ständig drohende ‚Bifurkation’ impliziert, dass höchste Anstrengungen notwendig sind, um die Situation zu ‚retten’. Die Repräsentation des Wandels zeigt auch, dass es durchaus als hilfreich angesehen wird, Sinnhaftigkeit zu schaffen: dementsprechend ist die Vernetzung von Wandel-Aktivitäten – auch über Einzelprozesse und deren Benennungen
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hinaus – zentral. Wandel ist somit als themenunabhängiges und allgegenwärtiges Phänomen zu sehen. Ausschlaggebend für das Gelingen dieses Wandel-Konzepts ist die Normsetzung. Neben der direkten Regulation durch Handlungsaufforderungen gibt es aber auch die Handlungsorientierung, Wandel durch das Appellieren an innere Einstellungen voranzutreiben. Dies soll die Anpassung an die vernünftige Erkenntnis der Wirklichkeit ermöglichen. Ziel dieses Wandel-Modells ist es also, dass die Adressaten dem ‚Ruf’ des Redners folgen, die definierten ‚minds und hearts’ zu verinnerlichen. Des Weiteren wird in der Managerrede die Ausgrenzung von Gegenspielern aus den Wandel-Aktivitäten als notwendig erachtet. Perspektiven von Gegenspielern werden nur so weit rekonstruiert, dass sie stigmatisiert und letztendlich mit der eigenen Handlungsorientierung überdeckt werden können. Diese Strategie beinhaltet gleichzeitig Vereinheitlichungsbestrebungen (Inklusion) und Ausgrenzung (Exklusion). Letzteres verweist darauf, dass trotz aller Vereinheitlichung Integrationsfähigkeit grundsätzlich angezweifelt wird.
7.1.6 Fazit: Paradoxien der legitimierenden Manager-Rede Nach eingehender Analyse der Managerrede ist festzuhalten, dass diese sowohl auf der Darstellungs- als auch auf der Handlungsebene deutliche Paradoxien aufweist. Drei Haupt-Paradoxien sind dabei zentral: 1. Ein Nebeneinander von Totalisierungs- und Individualisierungsverfahren, 2. Eine Verschränkung von Handeln in Selbstreferenz und in Fremdreferenz sowie 3. Doppelspuriges Handeln: ein Nebeneinander von persuasiver und inszenatorischer Handlungsstruktur. Totalisierung versus Individualisierung: Aufprägen einer Norm und Verantwortlichmachen für das Wohl der Organisation Totalisierungsverfahren sind in der Rede insbesondere bei der Verortung des Lean Production-Prozesses in einem übergeordneten Wandlungsprozess und im Globalisierungsprozess relevant sowie bei allen sprachlichen Verfahren des Redners, die dazu dienen, bestimmte Denk-, Verhaltens- und Seinsweisen auf die Adressaten zu übertragen und sie zu aktivieren. Im Zuge dieser Verfahren wird der Status des Individuums in Frage gestellt. Stattdessen sind Kollektivierungsverfahren, das Bekämpfen von Absonderung und der Fokus auf das Gemeinschaftsleben zentral. Die Folge dieser rhetorischen Verfahren ist die Verschleierung subjektiver Singularität. Durch ‚bestimmende’ Direktiven soll sichergestellt werden, dass die ‚richtigen’ „partiellen Fähigkeiten“ (Matuschek et al. 2007,
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323) der Rezipienten aktiviert werden.154 Die in der Rede omnipräsente Normsetzung dient also dazu, den Adressaten Eigenschaften aufzuprägen, welche für alle angesprochenen Führungskräfte ex aequo gelten sollen. Des Weiteren können Direktiven und Sachzwänge als „vorgezogener Schutzwall gegenüber […] emanzipatorischen Potenzialen“ (Matuschek et al. 323) verstanden werden, um die „Domestizierung subjektiviert Arbeitender“ (ebd.) weiterhin gewährleisten zu können. Die Kollektivierung von Einstellungen und Verhalten reicht aus der Managerperspektive nicht aus, um Identitäten zu regulieren. Der Redner spricht die Adressaten auch als Individuen an und prägt ihnen eine Individualität auf, die darin besteht, sich als Individuum in der Organisation selbst zu verwirklichen (s. Erläuterungen zur Erlebnisrationalität).155 Dies ist eine Form der impliziten normativen Steuerung, die darin besteht, neben Denk- und Verhaltensweisen bestimmte „Seinsweisen“ (Opitz 2004, 177) zu motivieren. Die Seinsweisen werden nicht als fremdartig dargestellt, sondern als den Rezipienten ohnehin schon inhärent und jederzeit abrufbar, wenn sie nur ausreichend beschworen werden. Eine wichtige Funktion des vorliegenden ‚medialen Rituals’ ist also die Beschwörung individueller Züge, welche – dieser Perspektive nach – im Sein der Adressaten angelegt sind. Der von der Kultur „angestrebte Idealzustand besteht in einer kulturell erzeugten Selbstkontrolle, die den Einzelnen produktiv zur Verwertung jeglicher individueller Ressourcen bis an die Belastbarkeitsgrenzen anhält“ (Opitz 2004, 111). Die „verwickelte Kombination von Individualisierungstechniken und Totalisierungsverfahren“ (Foucault 1994, 248) spiegelt das Dilemma bei der Kommunikation in Wandlungsprozessen wider: Ziel ist die Einschwörung der Adressaten auf Ziele, welche mittels der Inszenierung von Einheit und Konsens auf eine gemeinsame Ebene gehoben werden sollen. Den beiden widerstrebenden Anforderungen, Absonderung zu verhindern, indem bestimmte Fähigkeiten der 154 Die geforderten Fähigkeiten entsprechen denen des „flexiblen Menschen“, der in Studien der Industrie- und Arbeitssoziologie als in der Postmoderne gewünschte Identität beschrieben wurde (vgl. Sennett und Beck). Flexibler gewordene Organisationen bedürfen demnach flexibler Subjekte, welche kurzfristige Beziehungen bewältigen, immer wieder neue Fähigkeiten erlernen und bereit sind, Gewohnheiten aufzugeben und sich von der Vergangenheit zu lösen (vgl. Sennett 2005). Nach diesen Studien werden Organisationen immer flexibler, aufgrund „dem diskontinuierlichen Umbau von Institutionen, der flexiblen Spezialisierung der Produktion und der Konzentration von Macht ohne Zentralisierung“ (Sennett 2000, 58f). Dabei wirken Kräfte wie Re-engineering, flexible Spezialisierung oder Neo-Liberalismus. „Die feste Identität weicht einer hybriden Beweglichkeit und der Anrufung zu permanenter Modulation, die eine variable Anpassung an jeweils situative Anforderungen erlaubt.“ (Opitz 2004, 109). Daraus entspringt die Aufforderung: „Seid Subjekte!“ (ebd.) 155 Zur Individualisierung in modernen Gesellschaften vgl. Beck / Beck-Gernsheim 1994. Individualisierungsverfahren können als Antwort auf das Phänomen der Individualisierung gesehen werden.
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Adressaten aktiviert werden, sowie individuelle ‚Seinsweisen’ zu fördern, wird mit der Kombination sprachlicher Verfahren der Bestimmtheit und Unbestimmtheit begegnet. Beide Verfahrensweisen sind Formen von Macht (vgl. Foucault 1994, 255). Beide haben zum Ziel, auf die Handlungsmöglichkeiten anderer Individuen einzuwirken und das Feld eventuellen Handelns zu strukturieren.156 Trotz der Anrufung „freier Subjekte“ (Foucault 1994, 255) ist die Freiheit des Individuums eingeschränkt. Was allerdings ihre Einstellungen und Seinsweisen betrifft, können sie sich von organisationalen Zwängen ‚frei machen’. Und genau an diesem Punkt setzt die hier untersuchte Kommunikation an: Die Selbstverwirklichung des Einzelnen soll an die Absichten des Unternehmens gekoppelt werden. Damit geht eine intendierte Verschiebung der „Indifferenzzone“ einher, d. h. eine Neudefinition dessen, was für Organisationsmitglieder „einen Unterschied“ macht (Baecker 2003, 31ff).157 „Man will darauf zählen können, dass jede Anweisung, jede Entscheidung einen persönlichen Unterschied macht und dass jedes Mitglied der Organisation sich von allen Anweisungen und Organisationen im wahrsten Sinne des vielleicht auch heute so beliebten Wortes „betroffen“ fühlt. Man will erreichen, daß die Leute mitdenken und all ihr Wissen, aber auch ihre Moral, ihre Überzeugungen, ihre Sensibilität und ihren Selbstrespekt den Entscheidungsabläufen der Organisation zur Verfügung stellen.“ (Baecker 2003, 32)
Aus dem Betreten der Differenzzone verspricht man sich den „Erfolg der Organisation in der modernen Gesellschaft“ (ebd.). Im Zuge der Verwicklung von Totalisierung und Individualisierung treten in der Manager-Kommunikation Bestimmtheit und Unbestimmtheit nebeneinander auf. Auf den ersten Blick lässt dies einen Antagonismus beider Verfahren vermuten. Solch eine gegenseitige Hemmung scheint aber nicht vorzuliegen. Vielmehr scheinen die Techniken zusammenzuwirken, wobei das eine das andere immer wieder hervorruft. Dies ist erklärbar aus einem „Agonismus zwischen Macht und Freiheit“ (Foucault 1994, 255): Immer wenn Individuelles hervorgehoben wird, muss zwangläufig auch wieder totalisiert werden, um die Machtstrukturen nicht in Frage zu stellen. Insofern ist die „verwickelte Kombination“ (ebd.) eine Mischform alter und neuer Führungsformen. Neue Zonen sollen be156 Die Verquickung von individualisierenden und totalisierenden Formen der Machtausübung tritt dann auf, wenn „freie Subjekte“ (Foucault 1994, 255) angesprochen sind, vor denen ein Feld von Möglichkeiten liegt, „in dem verschiedene Verhaltensweisen statthaben können“. 157 Ging es in der Vergangenheit bei gewerkschaftlichen Kämpfen darum, zu bewahren, dass sich Manager darauf beschränken, „Anweisungen zu geben, die das Selbstverständnis der Arbeiter bestätigen, also in diesem Sinne keinen Unterschied machen“ (Baecker 2003, 31), so geht es in neuen kommunikativen Formen des Managements um das Gegenteil: die Adressaten sollen aus der Indifferenzzone herausgeholt und in eine Differenzzone hineingebracht werden.
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treten werden, ohne auf alte Machtstrukturen zu verzichten. Das Ergebnis ist eine „kontrollierte Autonomie“ (Matuschek et al. 2007, 323) mit den aufgezeigten Globalzielen und der gleichzeitigen Individualisierung.158 Auf „der Vorderbühne“ (ebd.) entspricht das Handeln des Protagonisten den Anforderungen „moderner Arbeitsgestaltung, wie sie etwa in den Humanisierungskonzepten entwickelt wurden“ (ebd.), die ‚Hinterbühne’ jedoch hält ein Instrumentarium bereit, das legitime Handlungsziele, Handlungsarten und Handlungsanlässe zu selektieren vermag. Letztere dienen der Subjektivierung159 und somit dem „Flexibilitätsfortschritt“ (Matuschek et al. 2007, 324). Die genannten Funktionen widersprüchlicher „Technik[en] der Perspektivierung“ (Opitz 2004, 178) geben der verwickelten Kombination dann ihren Sinn, wenn sie im Gesamtkontext soziologischer und organisationaler Entwicklungen erklärt werden. 160 Selbst- versus Fremdreferenz: Selbstverwirklichung durch Anpassung an gesetzte Erkenntnisprozesse? Das Anhalten zur Selbstverwirklichung spielt – wie bei Punkt 1 erläutert wurde – bei den Individualisierungsverfahren eine zentrale Rolle. Selbstverwirklichung ist allerdings nur möglich, wenn Subjekte ohne Druck und in Selbstreferenz handeln. Betrachtet man die vielen sprachlichen Verfahren, welche Fremdreferenz in den Vordergrund stellen (s. u. a. Muster der Sachzwanglogik), so tut sich auch hier eine Paradoxie auf: diejenige zwischen dem Handeln in Selbst- bzw. in Fremdreferenz. Bei der Analyse der Darstellung der Kommunikationspartner war festzustellen, dass die ideale Führungskraft ihr organisationales Lebensgefühl aus dem Risiko und ihr Vergnügen aus der Bewältigung schwerster Herausforderungen bzw. Grenzerfahrungen ziehen soll (s. Erläuterungen zur Formulierung „innerer Kick“). In diesem Zusammenhang wurde bemerkt, dass ein kulturelles 158 Vor allem mit dem Führungsstil der ‚Vagheit’ wird das „Zugeständnis definierter Freiräume“ (ebd.) gemacht, wobei das faktische Handeln der Organisationsmitglieder dennoch durch Instanzen kontrolliert und sanktioniert werden kann. 159 Subjektivierung ist also als Ergebnis der Verschränkung von Totalisierungs- und Individualisierungsverfahren zu sehen. Einzelne Subjekte werden in ihrer Individualität „angerufen“, um sie durch Globalziele zu steuerbaren Subjekten zu machen. Ziel ist die Konzeption von Subjekten, die als „flexible Selbstunternehmer“ (Beck/Beck-Gernsheim 1994) Risikoträger sind. Die „riskanten Freiheiten“ (ebd.) ausgelieferten Subjekte sollen „langfristig planen“, sich „den Umständen anpassen“, „organisieren und improvisieren“, „Ziele entwerfen“, „Hindernisse erkennen“, „Niederlagen einstecken“, „neue Anfänge versuchen“ sowie „Initiative, Zähigkeit, Flexibilität und Frustrationstoleranz“ mitbringen (Beck/Beck-Gernsheim 1994, 15). 160 Die Inszenierung von Konsensorientierung und Partizipation ist aus dem Governance-Ansatz heraus erklärbar, dem die Prämisse zugrunde liegt, es sei effizienter, Probleme kooperativ und dialogisch zu bearbeiten (vgl. Brand 2004, 112). Ziel solcher „Kontrollformen mit freiheitlichem Aussehen“ (Opitz 2004, 88) ist es, „politische Steuerung, demokratische Partizipation und ökonomisches Kalkül“ (ebd.) zu vereinen.
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Moment in die harte ökonomische Welt eingebracht wird: der Aspekt der „Erlebnisrationalität“ (Schulze 1992). Voraussetzung für Erlebnisse ist die klare Absicht, innere Vorgänge durch die Situationsveränderung hervorzurufen (Handeln in Selbstreferenz). Zentral ist bei der Erlangung von Erlebnissen die Fokussierung auf mentale Vorgänge, auf die eigene Erlebniswelt. Zweck der Managerrhetorik ist es dementsprechend, subjektive Prozesse anzuregen und innere Vorgänge zu reproduzieren (vgl. Schulze 1992, 40ff). Aus dieser Perspektive ist Wandel ein Artefakt, welches die Akteure ‚machen’ können. Paradox ist nun, dass der Handlungsraum so dargestellt wird, dass ihn die Adressaten als bedrohlich und die Bedrohung selbst als unabwendbar wahrnehmen (als nicht zu beeinflussende Entität), andererseits aber die Individuen in einer bestimmten Identität ‚angerufen’ werden, den Handlungsraum zu steuern und nach ihren Wünschen zu erleben. Der Fokus auf das ‚Innere’ bzw. das ‚affektive Vermögen’ beschwört also Eigenständigkeit und Vergnügen. Dennoch ist die harte ökonomische Welt allgegenwärtig und beschwört den Zwang, aus dem gehandelt werden ‚muss’. Mit dem Fokus auf die Gefährdung der eigenen Existenz kommt die Beschäftigung mit „Existenzialen“ (Sartre 1994) ins Spiel. Führungskräfte werden so zu ‚Existenzialisten’ hochstilisiert, welche sich mit Zwängen auseinandersetzen. Dies verweist auf einen „abgesunkenen“ Existenzialismus (ebd.), auf dessen Basis ‚absurde’ Entwicklungen (nämlich paradoxe Handlungen und Entwicklungen im Globalisierungsprozess) zu einem positiven Ausgang gebracht werden sollen. Einerseits wird bei der Erlebnisrationalität der Schwerpunkt auf affektives Vermögen, wie Begeisterungsfähigkeit und Emotionalität, gelegt, und Gefahren werden als wünschenswerte Entitäten dargestellt. Somit steht das Subjekt seinem Handlungsraum in einer aktiven Rolle gegenüber. Andererseits sind die Subjekte in der existenzialistischen Sichtweise auf andere Art mit dem Handlungsraum verbunden: Ängste bilden die Basis für das Handeln und sorgen für eine ständige zwanghafte Revolte und die Beschäftigung mit elementaren Ereignissen. Die dargestellte Tatsache, dass Organisationen ständig verhindern müssen, vom Erfolgsweg abzudriften (s. Bifurkation), ist an Sisyphos angelehnt, der mit der Absurdität des Felsenrollens umgehen muss. Die erste Stufe des Umgangs mit widersinnig erscheinenden Anforderungen – die Erkenntnis – wird durch die Konstruktion von Sachzwängen in der nüchternen ökonomischen Welt als zwingend und unausweichlich vorausgesetzt. Es kann jedoch in Frage gestellt werden, ob Organisationsmitglieder ausgehend von solchen paradoxen Sinnangeboten die Handlungsmotive und somit die Wandel-Strategie überblicken können.
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Doppelspuriges Handeln: Verschleierung von Macht mittels der Strategie ‚alles unter einem Hut’ Auf der Handlungsebene konnte das Paradoxon des Widerspruchs zwischen persuasiver Handlungsstruktur und dem doppelspurigen, inszenatorischen Handeln konstatiert werden. Mit ihr werden nicht nur die Regeln von persuasiver Kommunikation (Kopperschmidt 1976) verletzt, sondern auch die Konversationsmaximen (Grice 1975, s. auch ebd. 1969), d. h. die Kooperation mit dem Gesprächspartner. Handelt ein Sprecher – wie im Beispiel – nach dem Muster der Persuasion, so kann man ihm auch kooperatives Handeln unterstellen. Dennoch fallen vor allem hinsichtlich der „Ausdrucksprinzipien“ (ebd.) Brüche auf. Die Anforderung, verhüllende Ausdrucksweisen zu vermeiden (nach Grice: „obscurity“, ebd.) wird in der Rede insofern nicht erfüllt, als der Sprecher in einem „Verschlüsselungskode“ (Fix 1995) spricht, d. h. in dem Kode des Abschwächens, Distanzierens und Verschleierns. Zu dem Verhüllungsaspekt tritt der Mehrdeutigkeitsaspekt hinzu (nach Grice: „ambiguity“), da es für die Rezipienten durch die vage Verwendung von Sprache erschwert wird, Äußerungen eindeutig zu interpretieren.161 In der untersuchten Textsorte ist auffällig, dass viele Sachverhalte nicht eindeutig bzw. in ihrer vollen Tragweite ausgedrückt werden. Interessant ist nun die Betrachtung dessen, was durch Abschwächung oder Distanzierung verdeckt bzw. nur angedeutet wird. Dabei handelt es sich um:
Machtaspekte: die Entität der Macht an sich, die Ausübung von Macht, Normen, Verordnetes, Dogmatismus, Kontroll- und Sanktionsmechanismen, unkorrigierbare letzte Stellungnahmen, fehlende Aushandlungsprozesse; asymmetrisches (Sprach-)handeln
Dissens aufgrund von perspektivischen Sachzwängen sowie divergierenden Perspektiven, Werten und Vorgehensweisen
die Planbarkeit von Wandel, dabei insbesondere positive Voraussagen und Hinweise auf Chancen
die Tragweite und Nachhaltigkeit von Entscheidungen
Komplexität
Formelhaftigkeit und (inszenatorische) Ritualität162
161 Die Verletzung der Prinzipien „obscurity“ und „ambiguity“ lässt auf „Mitzuverstehendes“ (v. Polenz 1988) schließen. 162 Dies kann als Paradoxon verstanden werden, da die Rede an sich ein „rituelles Ereignis“ ist (Geier 1998).
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Der Redner distanziert sich mit sprachlichen Verfahren der Unbestimmtheit von diesen Entitäten. Dieses Vermeiden von Genauigkeit ist es, was eine Überredungsstrategie in der Rede in den Vordergrund treten lässt. Wenn also der Sprecher wie in der Managerrede eine kooperative Gesprächssituation simuliert, dann aber anders ‚sprachhandelt’, als es die Hörer von ihm in der bestimmten Situation und nach den Konversationsmaximen erwarten (nämlich im Sinne der Totalisierung und Normierung), dann muss er „einen Grund dazu haben, also meint er eigentlich noch etwas anderes, als was er sagt“ (v. Polenz 1988, 312).163 Vage Formulierungen können nicht „auf eine bestimmte Bedeutung hin monosemiert/vereindeutigt werden“ (v. Polenz 1988, 325) und übernehmen als Leerformeln die Funktion der Bereitstellung von weit gefassten ‚Hülsen’, in die sich die Adressaten den jeweils genehmen Sinn hineindenken können. Auf diese Art werden Äußerungen konsensfähig und dienen der Inszenierung von Einigkeit. Unbestimmtheit und somit Doppelbödigkeit werden eingesetzt, um „konfligierende Interessen „unter einen Hut“ zu bringen“ (Holly 1992, 27). Rückblickend auf die Analyse der gesamten Managerrede lassen sich folgende zentrale Punkte festhalten: Wenn Akteure im modernen Globalisierungsdiskurs zu Kontinuierlicher Verbesserung anhalten, scheint dies an ambivalente Strukturen gekoppelt zu sein: die Darstellung von Bedrohung geht einher mit der Forderung nach Selbstverwirklichung; Verhalten und Identität werden reguliert, während gleichzeitig an die Selbstverantwortung der Adressaten appelliert wird; Macht wird gezeigt, um sie wiederum zu verstecken; die Organisationsmitglieder werden in einem normativen Rahmen verortet, andererseits jedoch individualisiert. So wird über einen ‚Balanceakt zwischen Regulieren und Partizipierenlassen’ suggeriert, dass Wandel von allen ‚gemacht’ und von allen ‚geteilt’ wird. Dabei nimmt der Wandel-Akteur in Kauf, dass die Kombination verschiedener ‚Sprachspiele’ potenziell Brüche erzeugt und ein sinnhaftes Ganzes gefährdet. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass die Operationalisierung des Veränderungsprozesses erschwert oder gar unmöglich wird. Die Abstraktheit der Darstellung verstärkt dieses Risiko noch. In der Rede ist zu beobachten, wie Management in turbulenten Zeiten ‚neu definiert’ wird. ‚Alte’ Führungstechniken scheinen in Zeiten der Globalisierung und des steten Wandels nicht mehr zu greifen – so vor allem die der Planung und Steuerung von Prozessen. Deshalb stellt sich die Frage, wie das Handeln von 163 Beim Beispiel der Rede kann schon die Tatsache, dass ein Rezipient Ausdrücke oder Teile der Rede nach einem ersten ‚wörtlichen’ Verständnis oder aufgrund der Erwartung an den Prinzipien misst, genügen, um andere Inhalte mitzuverstehen; dann beispielsweise, wenn der Hörer Abschwächungen als unpassend zur Äußerung von Sachzwängen interpretiert und somit auf deren uneigentliche Verwendung schließt. Dadurch kann auf Adressatenseite die „Sinnvollheit“ (Hörmann zit. nach v. Polenz 1988) in Frage gestellt werden.
7.1 Eine Manager-Rede: Inszenierung von permanentem Wandel und Einigkeit
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Management legitimiert werden kann, wenn doch Planbarkeit schwindet und Kontrolle (zumindest auf der Inszenierungsebene) in den Hintergrund treten soll. So rückt Kontingenz in den Vordergrund, die Leerstellen innerhalb des modernen Managements schafft. Identitätskontrolle durch Regelsetzungen spielt zwar weiterhin eine bedeutende Rolle; zur Füllung der Leerstellen werden aber auch andere „forms of power“ (O’Doherty/Willmott 2001) ‚ausgelotet’. Management scheint sich nun über andere Mechanismen zu legitimieren: über das Management von Stimmungen und Haltungen, das Management von ‚Gemeinschaft’ (die es zu definieren und zu bestätigen gilt), das Management von Konsens- bzw. Dissensprozessen mit der (vordergründigen) Überzeugung von Betroffenen, aber auch mit der Schaffung von Trennlinien zwischen Fürsprechern und Gegenspielern, das Management von ‚Erfolgswissen und -verantwortung’ aus vergangenen Prozessen (d. h., wer verantwortlich für bisherige Erfolge ist, hat die Legitimation, aktuelle Prozesse zu führen), das Management der Wahrnehmung von Betroffenen (durch die Erklärung, Strukturierung und Normalisierung von Phänomenen) und das Management von Vorbildern (realisiert durch die Darstellung und Herstellung von Identitäten). All diese ‚Ersatzwerkzeuge’ haben die Funktion, das Risiko der Kontingenz von Wandelprozessen zu minimieren. Somit scheint der ‚professionelle’ Umgang mit Kontingenz im Wandeldiskurs erfolgskritisch zu sein. Modernes Management heißt, ‚kontingente’ Interpretationsrahmen zu setzen und dennoch ‚Perspektiven auf den Wandel’ zu managen. Deshalb vermittelt der Redner in erster Linie kontextuelle Bedeutungen des Begriffs Führungskraft und damit zusammenhängende Handlungsorientierungen. Dies schafft die Basis für ‚richtiges’ Handeln, ganz egal, wie die Gegebenheiten in turbulenten Umfeldern sind. Die Ausgangslage kann ‚so oder so’ sein, gehandelt wird immer ‚flexibel’. Es ist zu vermuten, dass die Verquickung verschiedener Verfahren Gefahren in sich birgt. Diese Vermutung wird sich jedoch nur anhand der Anschlusskommunikation prüfen lassen. Da in der Rede die „Kollision antagonistischer Rationalitäten“ sowie „Polyvalenzen des Diskurses“ und die „Unruhe der Subjekte“ (Opitz 2004, 164) ausgeblendet werden, kann man davon ausgehen, dass durch diese Art der Kommunikation das Aufbrechen von Konfliktlinien wahrscheinlich ist. Zwar sind die beschriebenen neuen Arten der organisationalen Kontrolle schwerer zu durchschauen (vgl. Sennett 2005, 11), doch kann mit deren Bewertung und eventueller ‚Enttarnung’ durch die Subjekte gerechnet werden. Eine weitere große Gefahr besteht darin, dass das Lavieren zwischen Sicherheit und Unsicherheit als paradox interpretiert werden kann und in erster Linie Unsicherheit bei den Adressaten verbreitet. Paradoxe Strukturen entspringen der Strategie, eine Vermittlungsebene zwischen konfligierenden Perspektiven zu besetzen. Hierbei handelt es sich um eine
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7 Analyse perspektivengeleiteter Wirklichkeitsdarstellung und -konstruktion
risikoreiche diskursive Strategie, die vor allem durch die Akzentuierung von Differenz (s. die Darstellung von Identitäten) an die Grenze der selbst geschaffenen Einigkeit stößt.
7.2 Eine Podiumsdiskussion: Inszenierung von Strittigkeit Im vorliegenden Unterkapitel folgt die Analyse des zweiten Teils derselben Veranstaltung, im Rahmen dessen die in Kapitel 7.1 analysierte Managerrede gehalten wurde. Innerhalb des sozialen Ereignisses Führungskräfteveranstaltung zu den neuen Leitlinien stellt die Podiumsdiskussion nach der Rede des Top-Managers einen weiteren Text im „Diskursnetz“ dar (vgl. Fairclough 2003). In Kapitel 7.1.1 wurden bereits die Hintergründe der sozialen Veranstaltung genannt: Die Leitsätze zu Lean Production wurden rund vier Jahre nach Einführung des Produktionssystems formuliert, um die Aktivitäten der Organisationsmitglieder an einer gemeinsamen Vision ausrichten zu können und um von der Ebene konkreter Anweisungen zu abstrahieren und nachträglich einen sinnstiftenden Rahmen um die Aktivitäten zu stecken.164 Weiterhin ging es darum, dem Veränderungsprozess, der im gesamten Konzern ausgerollt worden war, in den Zielsetzungen einen standortbezogenen Charakter zu geben. Nun soll zunächst auf die Akteure, die Inhalte sowie den Ablauf des sozialen Ereignisses eingegangen werden: Teilnehmer der im Anschluss an die Managementrede stattfindenden Podiumsdiskussion sind der Standortleiter und fünf Vertreter des oberen Managements. Bei letzteren handelt es sich um fünf der insgesamt zehn Großbereichsleiter in der Organisation – drei Vertreter der so genannten Produktleistungsbereiche und zwei aus den Dienstleistungsbereichen. Die fünf Manager und eine Moderatorin aus dem unteren Management befinden 164 Die nachträgliche Entwicklung eines Leitbilds kann als Rückführung von relativ konkreten Handlungsanweisungen auf den größeren Rahmen der „Mode“ (Kieser 1996) ‚Lean Production’ gesehen werden. Für Veränderungsprozesse in Unternehmen ist es ungewöhnlich, dass in solch einem späten Prozessstadium ein Leitbild formuliert wird – d. h. nachgelagert zur Implementierung. Waren die Handlungsanweisungen, die nach wie vor ihre Gültigkeit behalten sollen, von Beginn des Prozesses an recht konkret, bietet die Erweiterung zum Leitbild mehr organisationale Handlungsfreiheiten: „Leitbilder sind einerseits „griffig“ – mit ihrer Hilfe läßt sich leicht angeben, „worauf es ankommt“ -, gleichzeitig aber auch mehrdeutig, weil sie bei den Zielen verharren und Lösungen nur sehr grob skizzieren.“ (Kieser 1996, 26). Das nachträgliche Leitbild legitimiert das Handeln in der Organisation, indem es diese als vernünftig deklariert, sie motiviert und Entscheidungsaktivitäten orchestriert (ebd.). Zusätzlich zu der nachträglichen Legitimation bildet der neu eingeschlagene Weg im Prozess möglicherweise eine Veränderung in der Organisation ab. Auf diesen Aspekt soll weiter unten näher eingegangen werden.
7.2 Eine Podiumsdiskussion: Inszenierung von Strittigkeit
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sich auf der Bühne eines Saales, der sich auf dem Gelände des Standorts befindet. Das Geschehen auf der Bühne beobachten wiederum ca. 500 Führungskräfte des oberen, mittleren und teilweise des unteren Managements sowie ausgewählte Fachkräfte, die mit Verbesserungsaktivitäten im Rahmen des Lean ProductionProzesses beauftragt sind. Durch die öffentliche Diskussion führt eine Moderatorin, welche im Verlauf der Podiumsdiskussion folgende Fragen an die Teilnehmer stellt: „Warum etabliert das Management jetzt die Leitlinien?“ „Worauf sind die Leitlinien die Antwort?“ „Geht es darum, ein japanisches System zu kopieren165?“ „Warum nehmen Dienstleister an der Podiumsdiskussion teil, wo doch in den Leitlinien der Schwerpunkt auf die Produktionsprozesse, d. h. auf die produzierenden Bereiche des Standorts, gelegt wird?“166 „Welchen Anspruch hat ein Vertreter eines Dienstleistungsbereichs an sein Handeln, vor allem in Hinblick auf die in den Leitlinien postulierte Verbesserung der Produktionsprozesse?“ „Wie können im Nachgang zu der Kick-off-Veranstaltung alle Führungskräfte in den Prozess eingebunden werden?“ „Ist langer Atem notwendig, um etwas zu erreichen?“ (aus dem Kontext heraus kann diese Frage auch folgendermaßen konkretisiert werden: ‚Ist langer Atem notwendig, um im Veränderungsprozess erfolgreich zu sein, und um das Überleben der Organisation zu sichern?’) Hier geht es also darum, a) ein bisher in der Breite wenig diskutiertes Thema zu platzieren, b) den Sinn der „Leitlinien“ herzuleiten, c) die Rolle einzelner Bereiche in Bezug auf das Leitbild abzustecken, d) Anstöße für die Verbreitung des Leitbilds zu geben und e) Verständnis zu schaffen für die Anforderung, Ausdauerqualitäten zu beweisen. Im Anschluss an die Diskussion dieser Fragen sind die Zuhörer aufgefordert, Fragen oder Anmerkungen zu den Leitlinien an die Manager auf dem Podium zu richten. Diese Fragen sind im Gegensatz zu denen der Moderatorin konkreter und behandeln beispielsweise das Einflusspotenzial des Standorts auf die Konzernausrichtung oder beispielsweise die Organisation der Teamarbeit in der Produktion. Der größte Teil der sozialen Veranstaltung „Kick-off“ wird von Vertretern des oberen Managements bestritten. Dies beginnt mit der rund einstündigen Rede des Standortleiters, wird mit der ebenfalls einstündigen Podiumsdiskussion und 165 Die „Philosophie“ ‚Lean Production’ beinhaltet Bausteine japanischen Ursprungs, wie beispielsweise die ‚Kontinuierliche Verbesserung’ oder ‚schlanke Prozesse’. Die Frage der Moderatorin lässt sich daher so erklären, dass in der betreffenden Organisation immer wieder die Frage diskutiert wird, ob es sinnvoll ist, japanische Elemente unverändert auf deutsche Standorte zu übertragen. 166 Die Struktur der betreffenden Organisation sieht einerseits Produktionsbereiche und andererseits Dienstleistungsbereiche vor. Mit der deutlichen Fokussierung der produzierenden Bereiche im neuen Leitbild werden aufwändige Prozesse der Dienstleistungsbereiche ohne direkten Mehrwert für die Produktion in Frage gestellt.
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7 Analyse perspektivengeleiteter Wirklichkeitsdarstellung und -konstruktion
der halbstündigen Fragerunde zwischen Publikum und Podium fortgesetzt167 und endet mit einem Abschlussstatement des Standortleiters. Trotz dieses Ungleichgewichts hinsichtlich der Länge der Redebeiträge (zum Nachteil der unteren Führungsebenen) tragen alle Äußerungen zur ‚Storyline’ der Veranstaltung bei: Verschiedene ‚Stimmen’ ergeben gemeinsam ein mehr oder weniger ‚stimmiges Gesamtkonzert’. Ziel ist dementsprechend die Analyse dieses Gesamtkonzerts. Hierfür werden verschiedene Perspektiven rekonstruiert, wobei verfolgt werden soll, inwieweit diese aufeinander aufbauen, sich ergänzen und somit zu einer ‚Logik des sozialen Ereignisses’ beitragen können. Vor allem die Rekonstruktion der hierarchieübergreifenden Konstruktion von Wirklichkeit hinsichtlich des Wandlungsprozesses verspricht bei diesem Gesprächsbeispiel interessante Erkenntnisse. Des Weiteren interessieren widerstrebende Perspektiven, welche die in der Managerrede oder anderen Äußerungen etablierte Logik in Frage stellen oder konterkarieren. Außerdem geht es darum, die sprachlichen Muster der „Diskussion“ zu rekonstruieren. Dabei wird der Blick sowohl auf die „kollektiven und kooperativen Argumentationen“ (Klein 1981, 229) gerichtet als auch auf „antagonistische Handlungen“ (ebd.). Für die nachfolgende Analyse stellt sich auch die Frage, welche Funktionen die „Podiumsdiskussion“ innerhalb des gesamten sozialen Ereignisses und hinsichtlich des Wandlungsprozesses an sich hat. Möglicherweise hat das Management die Intention, mehrere Protagonisten in den öffentlichen Diskurs einzubeziehen, oder aber es geht darum, das ‚Commitment’ des gesamten oberen Managements zum neuen Leitbild zu demonstrieren und somit Erwartungen an die Führungskräfte weiterzugeben. Die Integration weiterer Manager in das Perspektiven-Setting auf der Bühne kann dazu dienen, mit weiteren Argumenten zu überzeugen, da diese als Vertreter einzelner Bereiche weitere potenzielle Teildiskurse aus kleineren Einheiten der Organisation und somit mögliche Gegenargumente kennen. Somit ist unter Umständen die Möglichkeit gegeben, eine höhere Adressatenorientierung als in der Rede zu erreichen. Nun ist zu untersuchen, welche Funktionen das Sprechen während der Podiumsdiskussion tatsächlich übernimmt und auf welche Art und Weise die Hauptakteure auf dem Podium versuchen, das „kollektiv Fragliche“ (Klein 1981, 233) in „kollektiv Geltendes“ (ebd.) zu überführen. In diesem Kapitel wird ein Dreischritt vorgenommen, um die Struktur der Podiumsdiskussion adäquat analysieren zu können: Zuerst werden zentrale Sinnstiftungsangebote aus der Veranstaltung aufgegriffen und expliziert, welche in der anschließend zu analysierenden Interaktion weiterverarbeitet werden. Danach wird ein Ausschnitt sequentiell analysiert (Kap. 7.2.2-7.2.5), wobei diese Analy167 Der Redeanteil des oberen Managements ist auch während der „Fragerunde“ deutlich höher als der der Sprecher aus dem Publikum.
7.2 Eine Podiumsdiskussion: Inszenierung von Strittigkeit
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se nach identifizierten diskursiven Verfahren gegliedert wird. Schließlich fasse ich in Kapitel 7.2.6 die individuell und sozial konstruierten Perspektiven zusammen und gehe in Kapitel 7.2.7 auf Funktionen des Sprechens sowie auf abstrahierbare Aspekte des Sprechens im Kontext des Wandels und über den spezifischen Wandel ein.
7.2.1 Sinnstiftungselemente in der sozialen Veranstaltung In Kapitel 7.2.2 wird ein Gesprächssegment analysiert, in dem sich ein Sprecher in seiner Äußerung auf bestimmte Managementstatements bzw. Sinnangebote des Managements bezieht. Zunächst gehe ich auf die betreffenden Formulierungen oder Bilder ein, um im folgenden Kapitel Rekontextualisierungen und die Weiterverarbeitung beleuchten zu können. Da das Kapitel eine grundlegende und einführende Funktion hat, möchte ich es hier bei einer recht knappen Erläuterung der Sinnstiftungselemente belassen. Die tiefergehende Analyse von Interaktion folgt im nächsten Kapitel. Leitplanken-Bild mit Motto Einführend soll ein Bild beschrieben werden, das als ‚Bühnenbild’ über die gesamte Veranstaltung hinweg genutzt wird. Es wird auf die Wand hinter dem Podium projiziert und ist für das Publikum gut sichtbar. Das Bild zeigt eine Straße, die rechts von einer hohen Mauer und links von einer Leitplanke eingefasst ist. Aufgrund der Perspektive des Bildes erscheinen Mauer und Leitplanke überdimensional und mächtig; die Leitplanke ist für den Betrachter zentral, da sie durch ihre Größe und Position im Vordergrund des Bildes steht und ihre Details wie z. B. die Schrauben überdimensional groß anmuten. Dieser Effekt wird durch die bildliche Perspektive verstärkt, welche den Betrachter zur Leitplanke, Straße und Mauer aufschauen lässt. Durch diese Perspektive und die Tatsache, dass sich der Betrachter direkt neben der Leitplanke am Rand einer schnell befahrenen Straße befindet, erhält das Bild einen bedrohlichen Charakter. Dies wird noch durch entgegenkommende Fahrzeuge intensiviert, welche verzerrt und schemenhaft dargestellt sind und somit Geschwindigkeit suggerieren. Im Hintergrund der zweispurig befahrenen Straße ist eine Brücke zu sehen, welche die Straße überquert. Der Gesamteindruck des Bildes ist der einer engen Straße, die wie eine Art Schlucht durch hohe Begrenzungen eingefasst ist und auf der in hoher Geschwindigkeit gefahren wird. Wolken, Schatten und verzerrte Fahrzeuge erzeugen eine wenig einladende, da erdrückende Atmosphäre des Bildes.
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Abbildung 2:
7 Analyse perspektivengeleiteter Wirklichkeitsdarstellung und -konstruktion
‚Leitplanken-Bild’ auf Basis der Firmenunterlagen der Beispielorganisation, anonymisierte Darstellung
Über dem Bild, das dem Quellbereich mit Alltagsbezug zum gefertigten Produkt entlehnt ist, befindet sich das Motto für das soziale Ereignis und den darin anzustoßenden Prozess: „Unsere zehn Leitlinien YPS – Leitplanken für unser Führungshandeln“. Auffallend bei diesem Motto ist die zweimalige Verwendung des Possessivpronomens „unser(e)“, was die Analyseergebnisse der Managementrede bestätigt: Sprachlich wird Nähe zu den Adressaten hergestellt; somit dient das sprachliche Verfahren dazu, die Gruppe der anwesenden Führungskräfte zu integrieren. Auch das lexikalische Morphem „Leit-“ wird zweimal verwendet. Dies verweist auf die Wichtigkeit des Wortes mit seiner Bedeutung des Steuerns und Lenkens. Verstärkt wird diese Fokussierung auf die Steuerung mit dem Wort „Führung“, welches das Synonym zu ‚leiten’ bildet. Die Doppelung setzt sich in der Verwendung der Elemente „-linien“ und „-planken“ fort. Diese Wörter evozieren Konnotationen wie Geradlinigkeit, Eindeutigkeit oder Anpassung. Sind die bisher erläuterten Elemente des Mottos eher passiv geprägt – im Sinne der Existenz von Vorgaben, an denen sich die Adressaten orientieren sollen –, gewinnt der Leitspruch mit dem letzten Wort zum ersten Mal einen aktiven Charakter. Das Substantiv „Führungshandeln“ impliziert eigenverantwortliches Handeln relativ selbständiger Führungskräfte. Der Schwerpunkt liegt dennoch durch die oben geschilderten sprachlichen Mittel auf einem Handeln nach vorgegebenen Maßstäben. Die Anzahl der Leitlinien („zehn“) kann gemäß einer abendländischen christlichen Perspektive als semantische Anlehnung an die biblischen ‚Zehn Ge-
7.2 Eine Podiumsdiskussion: Inszenierung von Strittigkeit
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bote’ interpretiert werden. Bei dieser Lesart ist die Darstellung der Leitlinien als unbedingt bindend und existenziell anzusehen, ja fast schon als Überhöhung des Textes gegenüber anderen Texten der Organisation. In diesem Sinne könnte man von einer Sakramentalisierung von Sprache sprechen. Im Gesamten kann das Motto folgendermaßen umschrieben werden: ‚Wir als integrierter Führungskreis verpflichten uns, uns selbst von den neuen Leitlinien steuern zu lassen und die Mitarbeiter intensiv zur Einhaltung der gleichen Regeln anzuhalten.’ Nun zu weiteren Sinnangeboten, welche für die spätere Analyse relevant werden: Vergleich von „Standards“ mit „Leitplanken“ Das oben beschriebene und erläuterte ‚Leitplanken-Bild’ wird von verschiedenen Sprechern im Verlauf des sozialen Ereignisses auch sprachlich aufgegriffen. Hier wird ein Beispiel angeführt, auf das sich ein Sprecher explizit bezieht: ein Mitglied des oberen Managements thematisiert darin die Bedeutung von standardisiertem bzw. vereinheitlichtem Vorgehen in der Organisation. Dabei referenziert er auf das bereits beschriebene Bild mit den Leitplanken, das während der gesamten Veranstaltung zu sehen ist. Mit dem metaphorischen Ausdruck „Leitplanken“ drückt der Sprecher den Nutzen von Richtlinien aus, an die sich jedes einzelne Organisationsmitglied für das Wohl der Gesamtorganisation zu halten habe: FK6
wir (.) MERken sehr oft (.) dass (.) wir im standardiSIERungsprozess standards festgelegt haben (-) und trotzdem beginnt dann/ und jeder bekennt sich auch dazu, (-) äh dann kommwer aber zu dem punkt (.) wo wer bestimmte standards auch umsetzen müssen weil wer ne bestimmte planung haben (.) und jetzt wirds schwierich (.) jetzt kommt das indiviuum das sind SEHR oft führungskräfte – (hh.) ähm beginnend bei der bereichsleiterebene äh über/ auch großbereichsleiter sollen dabei sein äh (lacht) bis zu Meistern und darunter, (.) die meinen, aus den standards wieder AUSbüxen zu müssen weil man gute gründe dazu hat das mögen auch gute gründe sein; (-) und hier (.) GILTS natürlich darum das thema auch durchzusetzen und (hh.) ich meine äh wir ham so schön über LEITplanken gesprochen und da isn schönes BILD drauf, (-) leitplanken heißen AUCH man darf nich AUSbrechen; (.) und des würd ich ansich auch von dem Kreis noch mal einfordern, (-) zu sagen es werden standards vorgegeben – (.) geMEINsam (.) die verabschieden wir gemeinsam und die müssen aber dann auch von ihnen umgesetzt werden und die bitte hätte ich auch, (.) und des is für mich (h.) ich sach mal EIner der wichtigen punkte (h.) wie viele andere auch, wo wir sicherlich in der PLAnung auch so en bisschen (h.) des äh HEFT in der hand haben um (h.) äh die vorgabe zu machen (.) denen wir dann aber gemeinsam folgen müssen; (-) NICHT im sinne ähm (---) äh dass hier eben äh der heilsgott vorne/ vorne rausmarschiert un des SAcht, (.) sondern indem irgendeiner natürlich mal des heft in die hand nehmen muss (-) und alle anderen koordinieren muss; (.) in diesem sinne is des zu sehn.
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7 Analyse perspektivengeleiteter Wirklichkeitsdarstellung und -konstruktion
Das Schlüsselwort dieses Managementstatements ist der Begriff „ausbüxen“,168 der für Regelverstöße gegen etablierte und vom Management vorgegebene Richtlinien und standardisierte Handlungsweisen steht. Der Sprecher konstruiert in seinem Beitrag damit ein Negativbild, welches im Kontrast zu einem perspektivisch dargestellten Idealzustand steht. Dieses auf Basis leidvoller individueller Erfahrungen aufgespannte Bild verdichtet sich in dem Ausdruck „ausbüxen“. Das Wort wird in dieser Äußerung negativ dargestellt und somit negativ konnotiert. Dabei wird die Bedeutung von „ausbüxen“ (und in der Steigerung ‚ausbrechen’) mit der Bewertung als verwerfliche Handlungsweise aufgespannt. Dem setzt der Sprecher den positiven Wert „gemeinsam umsetzen“ entgegen. Wichtig ist in diesem Beitrag in Hinblick auf die spätere Rekontextualisierung, dass Regelverstöße, d. h. von organisationskonformem Handeln abweichendes Verhalten, negativ dargestellt und bewertet werden. In der oben zitierten Äußerung wird das neue Leitbild, zu dessen Einführung die Führungskräfte einberufen worden sind, als „schriftlich fixiertes Recht“ (Benkel 2003, 125) dargestellt. Idealvorstellung in diesem Beitrag ist, dass die Organisation mit der Einführung der Leitlinien stärker als zuvor von diesem Recht durchdrungen ist. Der Sprecher fordert mehr Konformität und eine stärkere Stigmatisierung von Abweichungen.169 Ziel solchen fixierten Rechts ist es, es über möglichst alle Bereiche der Organisation auszubreiten. Diese Form der Führung verlangt nach Normierung, nach Aufsichtsinstanzen und nach „Legitimation durch Verfahren“ (Luhmann 1983). Ist Bürokratie in Organisationen so ausgeprägt, befindet man sich auf einer Ebene des Rechts, wo ein Normbruch mit einem abstrakten Schaden für alle gleichgesetzt wird.170 Somit erhält die hier vorliegende Äußerung ein moralisches Moment: „Wo abweichendes Verhalten also mit dem Verweis auf die „richtige“ Meinung konfrontiert wird, und wo die Vertreter dieser Meinung von ihrer absoluten Geltung nicht abrücken, liegt zwangsläufig immer eine moralische Argumentation vor […].“ (Benkel 2003, S. 129) Entscheidend ist für die nachfolgende Analyse eines Gesprächssegments, dass der Sprecher hier eine inhaltliche Verknüpfung zwischen dem Leitbild, dem ‚Leitplanken-Bild’ und organisationalen Standards vornimmt. Dieses Sprechen 168 Ein Beweis für die zentrale Stellung des Wortes „ausbüxen“ ist die Tatsache, dass es von einer Führungskraft aus dem Publikum im weiteren Verlauf der Podiumsdiskussion reformuliert wird. 169 Je stärker eine Organisation von schriftlich fixiertem Recht durchdrungen ist, desto prekärer ist die Konfrontation von Konformität und Abweichung (vgl. Benkel 2003, 125). 170 Juristische Normen gehen auf die Vorstellung zurück, Regeln und Pflichten zu erschaffen, die für die meiste Zahl den maximalen Nutzwert haben, also utilitaristisch sind. Nach Jürgen Habermas’ Diskursethik ist dieser Anspruch auch auf andere Normen zu übertragen; als Kriterium für die Verallgemeinerungsfähigkeit müsse die Dienstbarkeit für alle gelten (vgl. Habermas 1983, 75).
7.2 Eine Podiumsdiskussion: Inszenierung von Strittigkeit
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hat eine sinnstiftende Funktion, setzt es doch Teile der ‚Inszenierung’171 (Bild und Leitlinien) zu Themen des Organisationsalltags (Strittigkeit hinsichtlich der Entstehung und Einhaltung von Standards) in Beziehung. Dabei ist besonders interessant, dass der Akteur des oberen Managements Regelverstöße mit der Verwendung des lapidar anmutenden Begriffs „ausbüxen“ verknüpft. Damit charakterisiert er die aktuelle Vorgehensweise in der Organisation so, dass Abweichungen von Standards auf die leichte Schulter genommen werden. Mit der Verwendung des Wortes „ausbrechen“ macht der Sprecher jedoch schnell seine eigene Perspektive auf Verstöße deutlich: Das Nichtbeachten von Regeln wird mit dem weitreichenderen Wort als bewusstes und aktives Abweichen von gemeinschaftlichen Interessen charakterisiert, also als unsozial. Aus der Perspektive des Sprechers ist jedoch eine stärkere Verpflichtung auf gemeinsame Regeln und Vereinbarungen notwendig: leitplanken heißen AUCH man darf nich AUSbrechen. Deshalb verwendet er das Wort „ausbrechen“ mit der Bedeutungskomponente der ‚Organisationsschädigung’. Nicht zuletzt dient der Beitrag aufgrund der Erläuterung und Betonung der Notwendigkeit einer ‚koordinierenden’ und Vorgaben hervorbringenden Organisationseinheit auch der Legitimation des eigenen Handelns, das vom Sprecher als in der Gesamtorganisation zwar als unbeliebt, aber dennoch als notwendig und selbstlos auszuführende Arbeit dargestellt wird: NICHT im sinne ähm (---) äh dass hier eben äh der heilsgott vorne/ vorne rausmarschiert un des SAcht, (.) sondern indem irgendeiner natürlich mal des heft in die hand nehmen muss (-) und alle anderen koordinieren muss;.
Ausdauerqualitäten im Wandlungsprozess Nun zu einem weiteren Beispiel, das im weiter unten zu analysierenden Gesprächssegment wieder aufgegriffen wird. Hierbei handelt es sich um die Frage der Moderatorin an den Standortleiter und die Antwort darauf: MO
LS
MO
vielleicht noch ganz kurz eine letzte FRA:ge (-) und dann würde ich gerne öffnen für / für IHre fragen (--) herr x (.) langer A:tem, (.) ist der NOTwendig? (---) um etwas zu erREIchen? = ja KLAR – (.) also i hab des ja ANgesprochen ich/ ich denk mal en produktionsprozess geht von IRgendwann von der industriellen revolution los, (--) äh is scho schlapp hundertfuffzich jahre her – (-) und ähm (---) wenn mer sich des überlegt (.) wie hier mal gefertigt worden IST […] und äh dieser prozess wird nie zu ENde sein; (.) und ähm insofern ischer/ ischer LANge (.) auf der andern seite wird uns der wettbewerb (.) des hab ich auch angesproche (.) KEIne ruhe lasse ähm hier net schnell zu reagiere =mmh
171 Zum Begriff der ‚Inszenierung’ s. Kapitel 7.2.3.
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= also wir müssen da ZÜgig drauf antworten äh weil wir die zeit sonscht nicht/ die ham wir nicht und um dann praktisch zu sagen jetz kömmer noch zwanzich jahre warten; (-) [… Auslassung 18 Zeilen: Beispiel für Herausforderungen bei der Produktentwicklung] und insofern gilts da äh (--) ja ich sag mal maraTHON/ äh/ qualitäten zu zeigen und net so (h.) schnell NACHzulassen weil mer glaubt des kann ich jetz im moment net glei einfahren (.) da wird’s kurzfrischtige dinge gäben mittel und langfrischtige sachen; =mmh und diese leitlinien haben auch eine langfristige perspekTIVe (.) aber jetzt würde ich gerne (---) SIE fragen (.) sie zu WORt kommen lassen; (2.0) was sind IHre FRAgen; […]
Die Moderatorin leitet ihre letzte Frage ein, indem sie auf das knappe noch zur Verfügung stehende Zeitbudget hinweist. Bei der daran anschließenden Frage wählt die Sprecherin eine Entscheidungsfrage, mit der sie bereits eine vorgefertigte Lösung für die Antwort anbietet. Eine Verneinung der Frage ist nicht präferiert und im Sinne aller zuvor getroffenen Aussagen nicht denkbar. Der Standortleiter drückt in einem schnellen Anschluss die Selbstverständlichkeit aus, mit der die Frage bestätigt werden kann (= ja KLAR -) und begründet die Anforderung, in Wandlungsprozessen ausdauernd zu sein, mit der Entwicklung der Industrie seit der industriellen Revolution. Im weiteren Verlauf des Beitrags erweitert der Top-Manager das Anforderungsprofil an die Organisation und deren Mitglieder, indem er zusätzlich zur Ausdauer schnelle Reaktionen fordert. Am Ende der Äußerung liegt der Schwerpunkt jedoch wieder auf dem in der Frage Angebotenen, nämlich dem „langen Atem“. Hierbei lehnt sich der Sprecher an die Sportwelt an (maraTHON/äh/qualitäten) und verweist darauf, dass sich ausdauernde Anstrengung oft erst langfristig auszahlt. Die Hervorhebung von sportlichen Aspekten bei der Kommunikation über den Wandlungsprozess kann von den Hörern so interpretiert werden, dass sie selbst eine gewisse ‚Fitness’ mitbringen und pflegen müssen, um für aktuelle und künftige Herausforderungen gewappnet zu sein. Damit wird die ideale Führungskraft gezeichnet, die sich durch kleine Rückschläge nicht beirren lässt, in der Planung von Veränderungen dringliche und längerfristige Themen zu ordnen weiß, und die durch ihren Weitblick bei möglichen Turbulenzen ‚relative Gelassenheit’ bewahrt. Relativ deshalb, da der ‚Wettbewerb’ den Führungskräften ‚keine Ruhe’ lässt und deshalb trotz Weitblick des Öfteren schnell erkannt und gehandelt werden muss. Der Fall, dass Organisationsmitglieder die geforderte ‚Fitness’ nicht erfüllen, wird nicht thematisiert. Dementsprechend werden auch mögliche Lösungen für diesen Fall ausgeblendet. Der ‚Schlüsselsatz’ der Managementrede Da in Kapitel 7.1.4.2 bereits auf den prägnanten Satz eingegangen wurde, soll an dieser Stelle ein kurzes Resümee genügen. Es handelt sich hierbei um eine kategorisierende Kernaussage, mit welcher der Redner eine auf das organisationale
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Handeln bezogene ‚Bifurkation’ vornimmt: „Wenn wir uns nicht verändern, werden wir verändert“. Dabei steht allerdings außer Frage, welche der beiden thematisierten Varianten (selbst verändern oder verändert werden) intendiert ist und für erfolgreiches Agieren steht: die aktive Alternative. Mit dieser die Thematik Wandel verdichtenden Aussage normalisiert der Sprecher seine Perspektive, indem er ein Faktum konstruiert. Damit wird ein Außerkraftsetzen von Kontingenz inszeniert, denn für das Überleben und den Erfolg der Organisation ist nur eine Entscheidung notwendig: die Adressaten können selbst wählen, welchen Weg sie einschlagen möchten; die Affirmation des ‚aktiven Lebensmodells’ in Organisationen ist in dieser Perspektive jedoch das Erfolgsrezept. Wichtig ist dabei die individuelle mentale Verfassung eines jeden, die in diesem moralischen Satz präferiert wird. Der Schlüsselsatz suggeriert, dass die Hörer die freie Entscheidungswahl haben, doch werden die Konsequenzen einer passiven Haltung hier nicht thematisiert. Wie bei der Darstellung von Idealprozessen der Hervorbringung und Einhaltung von Standards, spielt erneut das ‚Ideal’ eines Führungskräftetypus eine große Rolle. Es geht davon aus, dass erfolgreiche Führungskräfte intrinsisch motiviert sind und sich in einer Treiberrolle sehen. Dies kann als Naturalisierung bzw. Normalisierung einer intendierten Identität interpretiert werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Manager mit diesem Satz eine Sachzwanglogik etabliert, vor deren Hintergrund Grundsatzdiskussionen oder innere Zweifel gegenüber dem eingeschlagenen und geplanten Weg obsolet werden sollen. Der prägnante Satz bildet die Spitze einer aufwändig konstruierten Darstellung von Wandel. Die gesamte Managementrede ist so aufgebaut, dass die Sachzwanglogik omnipräsent aufgespannt wird. Sätze wie die folgenden führen zu der im Schlüsselsatz verdichteten Logik: wir wollen allerdings net bloß geTRIEbene sein – (.) sondern (-) mer sollten in eine posiTION kommen wo wir !AKTIV! aGIEren – (-) und soweit nach vorne schauen – (-) insoffern hammer ne CHANce (.) bis zum jahr 2009 2010 (-) gemeinsam (.) mit der PLAnung (.) das thema aufzugreifen – (--) um zu sagen diese SCHLACHT an dieser stelle (--) DIE WOllen WIR (-) gewinnen
Die Darstellung einer bedrohlichen Unternehmensumwelt Wie auch in der Analyse der Managerrede sind verschiedene Beiträge der Podiumsdiskussion davon geprägt, mit einer teilweise bildhaften und eindringlichen Sprache das Organisationsumfeld als gefährlich für das eigene Überleben und erfolgreiche Agieren darzustellen. So formuliert insbesondere der Standortleiter in der Mahnerrolle das hohe Risiko für wenig veränderungsbereite Organisationen und Organisationsmitglieder. Da dieses Bedrohungsszenario in der folgenden Analyse aufgegriffen und weiterverarbeitet wird, sollen an dieser Stelle einige der Bedrohungen aufgelistet werden:
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7 Analyse perspektivengeleiteter Wirklichkeitsdarstellung und -konstruktion
deswegen sage ich vor ihne auch wo ich (...) bin is das thema geSCHWINdigkeit; (---) hier hat mer JA: ich weiß net bewusst oder unbewusst - (-) net den (...) einer beschaulichen landstraße gewählt - (-) wo man so als moTOradfahrer kommt und mit achzich so fährt (--) sondern es isch ja ein anderes BILD.(--) herr x (-) sie haben ja das thema verÄNderung (--) äh (.) strapaZIERT (--) veränderung oder verändert werdn - (--) und vorher kam das stichwort von frau k langer ATem - (--) und herr x sie ham (-) SEHR eindringlich (-) äh erläutert (-) die luft wird !SEHR! VIEL dünner (---) das heißt der längschte Atem NÜtzt nix (-) wenn die luft DEUTlich DÜnner wird - (--) sauerstoff REIcht da net; = ((lacht)) =!REI!cht unsere verÄNderungsgeschwindichkeit und FÄhichkeit und WILlen (--) die wir im moment DRAUF ham !AUS!, (---) oder müssen wir NOCH stärker in richtung der geschwINdichkeit gehen (-) die da oben dieses bildle UNS impliziert. […] des isch ä ganz sSCHWIEriche FRA:ge (-) und ZWA:r (---) die (--) kann ich ihne wahrscheinlich nonetemal beantworten - .hh von mir aus herr v müssts viel schneller gehn; (--) aber sie müssen bedenke i muss en WERK hinter mir MITnehme (--) des hat zwanzichtausend MENschen (---) und wenn mir des net geLINGT (-) im prinzipp mit dem großbereichsleiterkreis (.) ich bin da ja net allEINE [diese] (-) [!UNS!]. alle MITzunehmen (--) dann überROLli des (-) und dann erreich i zum schluss gar nix; (--) dann hammer praktisch nur verWIRrung in die fabrik reingebracht .hhh führungskräfte sind (--) PRINzipiell immer (.) UNzufriede mit dieser veränderungsgeschwindigkeit (.) des is un-
Transkripte der drei kommunikativen Gattungen
43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 MO 57 WL 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 MO 85 86 87 FK3 88 89 90 91 92 93 94 95 96
333
ser jobb ja des is einfach .h in mir drin ich würd gern noch SCHNELler mit ihne da unterwegs sein .hhh und ich gebe auch !ZU! (---) dass ich die SORge hab (-) dass die veränderungsgeschwindigkeit net schnell genug isch (-) ja (-) u:nd dass im prinzipp jeder sich .h im prinzipp irgendwo HINsitzt (--) auch HIER nenn ich jetz widder die tarIFpartner .hh (---) des gibt’s ja auch in der bundesregierung äh (--) dass die (-) die heißet glaub !HA:RZ! odder so sowas also wenn sie was wisset was von HA:rz rauskomme isch .hh kann sich da mal einer bei mir MELde .hh wenn einer weiß (-) äh weiß noch jemand was RÜHrupp war .hh wenn da was rauskomme isch kann sich einer bei mir MELde c [.hh] [((lacht))] für MICH is des WICHtigschte (---) WEMmer was machet (---) DASS mer auch wirklich was UMsetzen un insoffern (--) kann i bloß eindringlich an sie alle rangehe und sage praktisch (--) GEhn sie mit (-) verÄNdern sie des (--) unn versuchn sie wenigschtens des DISSjährige koschtenziel mit unns zu erreiche da hammer schon UNglaublich viel gekonnt .hh des wird noch schwer genug werdde - (--) ja (-) dazu müssen wir im prinzipp mindeschtens dreihundert bis fünfhundert leute noch abbauen - (---) sch kei problem mir habbet tausend ferienarbeiter an BORT - (--) abber sie müssen !UM!setzen (-) !UM!setzen (-) !TAG!TÄGlich UMsetzen - (--) weil wir sonscht auf der verlIErerstraße sind unn dess wissen SIE .hh äh sowieso ganz genau dass dess was wir als KOSCHtenziel dieses jahr auf der agENda haben (--) dass des NICHT vorgabenkonform isch (--) des isch WEniger wie vorgabe .hh des heißt eigentlich isses en schlaffes ZIEL c (-) s isch en SCHLAFfes ziel ja .hh und äh des müsse mer erscht emal schaffen .h (--) und deswegen kann i da bloß alle auffordern (--) !MIT!zugehen (-) !MIT!zumachen und den prozess weiter anzuschieben (--) aber ich gebe genauso zu (-) manchmal bin i in sorge dass wir langsam / zu langsam sind. (-) und deswegen sage ich vor ihne auch (--) und (.)audi hat mol vor zwanzig jahr irgend sone (-) blinde kischde audi achzich ghabt oder sowas wenn se die noch im kopf hawett ja .hh dieses dieses dieses auto (-) äh (--) dann müssen se sage (-) die sin schon DA (-) ne c = […] jetz gibt’s noch zwei wortmeldungen hier oben (-) auf dem podium (-) und dann würde ich gerne (-) diesen kreis (.) dann auch beenden c (--) herr z herr w c (.) ähm (--) die mitarbeiter (.) muss man MITnehmen (-) des is richtich. (--) ähm (-) allerdings darf es auch nicht so sein dass (--) des hat der herr w mir grade ins ohr geflüstert (-) dass die LANGsamsten unser TEMpo: (.)bestimmen. (--) also wir müssen SCHON (---) den (.) den inneren willen haben den prozess zu beSCHLEUnigen weil nach MEInem gefühl gehter (--) dürfter auch noch schneller sein; (---) und äh (-) ich stelle die beHAUPtung auf (-) DIEjenigen (.) die heute (-) sehr SKEPtisch dem allen gegenüber stehn (.) und die die HINDERnisse aufbauen - (--) des werden die GLEIchen sein (--) die uns in fünf jahren vorwürfe machen wemmer irgendetwas (.) zu LANGsam gemacht ha-
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97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 MO 117 FK4 118 119 120 P 121 FK4 122 123 ? 124 FK4 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 MO 139 140 141 142
Anhang: Transkriptionskonventionen und ausgewählte Transkripte
ben; (-) etwas verPASST haben; wemmer geSCHLAfen haben; (--) es werden geNAU die GLEIchen sein. (--) insofern kommer aus DER verantwortung net raus (-) wir MÜSsen .hh wir MÜSsen wirklich .h äh des fängt an bei den FÜHRungskräften und DANN gehts weiter zu den MITarbeitern alle mitnehmen un des geht !NUR! über kommunikaTION. .hh jetz möchte ich aber au die welt net DÜSterer zeichnen wie sie ist (-) wir haben letztes jahr eine mitarbeiterbefragung gemacht .h und wir haben geRA:De in den drei empeES fragen die wir gestellt haben .h ja WULMINANTe (-) WULMINANTen zuspruch bekommen (.) verBESserungen gegenüber der vorHERgehenden .hh - wir haben bei uns die frage gestellt sind sie mit dem veränderungsprozess den wir eingeschlagen haben EINverstanden .hh da haben NEUNzich prozent zugestimmt (.) es is also NICHT so es wäre ne faTALe (--) FÄHLeinschätzung (-) wenn wir glauben da ist nur ne TRÄGe masse die nichts WILL - .hh wir DÜRfen da auch nicht auf die EINzelnen stimmen die dann immer wieder heRAUSragen (.) zu !STARK! hören; (--) und die KOMmunikation mit dem betriebsrat da müssen wir uns tatSÄCHlich noch was einfallen lassen - .hh äh wiemer (-) wiemer die stärker in den prozess REINbringen und mit davon überzeugen (-) dass es nur in DIESE richtung geht herr (...) - (--) herr w? (-) oKE: (--) äh (--) herr v (FK1) eigentlich würde ich sagen die frage die sie gestellt haben is eigentlich gar nich p / yps239 konform. [(---) äh (-)] [((lachen und Unruhe im Publikum))] ich find die sogar eigentlich falsch; (---)äh (--) [denn es kann nicht LAUten] (--) äh (--) (Teilnehmer vom Podium) wie (-)ob wir zu LANGsam sind (---) sondern das is mir jetz etwas zu REaktiv; (---) äh (.) aktiv würde lauten (-) wie können wir die geSCHWINdichkeit erhöhn (--) äh (-) und das hab ich so etwas aus den (-) WORten die u240 gesacht hat (--) äh herausgehört (-) und das wär anfürsich die RICHtige frage - .h und jetz würd ich auch sagen nich mehr im PLUral formulieren .hh sondern wie können !WIR! die geschwindichkeit erhöhn (--) sondern wie kann ICH die geschwindichkeit erhöhn . (--) nicht immer auf den ANdern zeigen (-) sondern wie kann !ICH! geschwindichkeit MAchen (-) wie kann ich jetz (pe:p) wie kann ich pauer da REIN legen .hh und dann INSgesamt hier als KREIS zu fragen .hh wie können WIR (--) gemeinsam geschwindichkeit hier entwickeln. (--) so (-) un das is anfürsich hier (-) der erste schritt (.) den wir machen wollen - .h und DASS wär dann die richtige frage gewesen. = vielen DANK (-) herr w (--) des is doch ein WUNDERschönes statement (--) zur Überleitung .h zum abschlussstatement von herrn x (LS) (-) herzlichen DANK meine herrn (--) äh ich würd (-) gleich nachher noch kurz was sagen zu (--) dem organisatorischen wies dann weiter geht aber jetz (--) erst herr x.
239 Abkürzung geändert 240 Vertreter des oberen Managements, der im Publikum sitzt und sich zuvor zu Wort gemeldet hatte.
Transkripte der drei kommunikativen Gattungen
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Gesprächssegment ‚Kernteambesprechung’ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37
LZ […] da brauch ich dann IHre JAHrespläne - (-) die leit ich dann an 241 den x weiter; […] weil der x muss des ja gegenüber dem vorstand ja auch vertreten – (.) un ich weiß net welche gespräche er (führt) ob der Standortleiter mit Großbereichsleiter oder der Standortleiter mit vorstand und und und des kann ich net sagen aber er erWARtet von mir (--) ganz DEUtlich - (--) DIE unterlagen für SEIne zielvereinbarung (der) x. […] einfach mal (-) heut mal draufgekuckt auch unter dem gesichtspunkt - (-) besteht da auch noch handlungsbedarf oder simmer da RUnd, (.) sodass wir auch in richtung zielvereinbarung (-) RUnd sind; […] simmer da auf dem stand wie er letztendlich auch vom MAnagement erwartet wird. […] KO1 ähm (.) LP-Trainings isch (.) voll im plan, LZ =ja; KO1 =kann man sonscht nix dazu sagen - (-) dann äh ((räuspert sich)) ähm leitbildprozess ähm (-) des läuft soweit - (---) auf niederem niveau ((lacht)) äh LP-rundgänge sind bei uns auf freiwillicher basis, (.) LZ also leitbildprozess auf niedrigem niveau - (-) des is erklärungsbedürftich; (2.0) KO1 [tja] LZ [wahrscheinlich] liegts daran (.) dass man vor allem sach ich mal die dinge schlecht messbar sind […] aber des is die schwierichkeit - (.) wenn se die dinge net richtich messen können (--) (dann) können se auch schlecht beurteilen (-) äh (-) hat es funktioniert oder nicht ja . (--) oke, […] gut vielen dank - (--) dann äh (---) geh mer jetz nach der reihe - (--) nehmer Großbereich Z - (7.0) ((LZ öffnet am Notebook eine andere Datei)) KO2 ja die erschten beiden punkte wie gehabt (.) äh analyse kernprozesse funktionalprozesse – […] äh (-) hier simmer (.) grün.(--) LPerfahrungsaustausch äh hier hammer jo äh des den bereichen überlassen (.) äh sich selbscht anzumelden - LZ [( ) was ich gehört hab ] Großbereich Z war bisher rege dabei; KO2 = ne (.) äh ich melde grün (--) dass äh dahs den bereichen selbst überlassen ist (-) wenn die bereiche keinen bedarf sehen da hinzugehen (-) äh ischs ja für mich net gelb oder rot (.) in dem moment; LZ = oke (-) also nur dass des thema installiert ist; […]
241 Kursiv gedruckte Wörter: anonymisierte Namen oder Begriffe; in diesem Fall anonymisierter Name des Standortleiters;
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