GTB Gütersloher Taschenbücher 517
Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament Band 17/1 Herausgegeben von Er...
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GTB Gütersloher Taschenbücher 517
Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament Band 17/1 Herausgegeben von Erich Gräßer und Karl Kertelge
Hubert Frankemölle
Der Brief des Jakobus Kapitel 1
Gütersloher Verlagshaus Echter Verlag
Originalausgabe
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament/ hrsg. von Erich Grässer und Karl Kertelge. - Orig.-Ausg. Gütersloh : Gütersloher Verl.-Haus ; Würzburg : Echter-Verl. (Gütersloher Taschenbücher;...) NE: Grässer, Erich [Hrsg.] Orig.-Ausg. Bd. 17, Frankemölle, Hubert: Der Brief des Jakobus. - Orig.Ausg. 1. Kapitel 1 . - 1 9 9 4 Frankemölle, Hubert: Der Brief des Jakobus/Hubert Frankemölle. - Orig.-Ausg. Gütersloh : Gütersloher Verl.-Haus ; Würzburg : Echter-Verl. (Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament; Bd. 17) Orig.-Ausg. 1. Kapitel 1.-1994 (Gütersloher Taschenbücher; 517) ISBN 3-579-00517-0 NE: GT
ISBN 3-579-00517-0 © Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh und Echter Verlag, Würzburg 1994 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbe sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Dieter Rehder, Kelmis/Belgien Satz: ICS Communikations-Service GmbH, Bergisch Gladbach Druck und Bindearbeiten: Clausen & Bosse, Leck Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Werkdruckpapier Printed in Germany
Vorbemerkung zu diesem Band Dieser Kommentar ist in seinem Umfang über das ursprünglich geplante Maß hinausgewachsen. Verlag und Herausgeber sind sich dieser Tatsache bewußt. Die Herausgeber wollen das Erscheinen des vorliegenden Jakobus brief-Kommentars nicht länger aufhalten. Sie legen aber Wert auf die Feststellung, daß dieser Kommentar ohne ihr Einverständnis zweibändig statt einbändig geworden ist, daß er vor dem Um bruchabzug ihnen nicht zur Entscheidung über die Annahme vorgelegen hat und daß der Autor zu Kürzungen nicht bereit war. Verlag und
Herausgeber
Vorwort der Herausgeber Das Taschenbuch als literarisches Hilfsmittel hat im heutigen Wis senschaftsbetrieb längst seinen festen Platz. Mit dem vorliegenden Band, der eine neue Kommentarreihe zum Neuen Testament fort setzt, soll nun auch für diesen wichtigen Zweig exegetischer Arbeit das Taschenbuch zur Veröffentlichung und Verbreitung genutzt werden. Wir hoffen, daß wir damit einer wachsenden Nachfrage von Studenten, Lehrern, Pfarrern und interessierten Laien entge genkommen, die sich über den heutigen Stand wissenschaftlicher Exegese des Neuen Testaments in zuverlässiger Weise und in faßlicher und leicht zugänglicher Form informieren wollen. Bisher hatten Studenten, Lehrer und Pfarrer eigentlich nur zu wählen zwischen einem großen Kommentarwerk mit sehr detaillierten Ausführungen, das kostspielig war, und einer allgemeinverständli chen Auslegung mit zu knappen Textanalysen, die dafür dann preiswerter war. In diesem neuen Kommentarwerk wird ange strebt, die modernen exegetischen Erkenntnisse zu den einzelnen Schriften des Neuen Testamentes auf der Grundlage historisch kritischer Auslegung so zur Darstellung zu bringen, daß das Zuviel und das Zuwenig gleicherweise vermieden werden.
6
Vorwort der Herausgeber
Eine alte Tradition ist auch insofern durchbrochen, als die Mitar beiter micht mehr nur aus einem konfessionellen Lager kommen. Zu diesem Kommentarwerk haben sich Exegeten evangelischen und katholischen Bekenntnisses zusammengefunden, weil sie über zeugt sind, daß es neben dem Glauben an den gemeinsamen Herrn der Kirche vor allem die Heilige Schrift ist, die sie verbindet. Allzu lange hat die Bibel des Alten und Neuen Testamentes eher zur konfessionellen Abgrenzung und Selbstbestätigung herhalten müs sen, als daß sie als verbindendes Element zwischen den Kirchen, christlichen Gruppen und theologischen Schulen empfunden wurde. Natürlich dürfen auch die konfessionell gebundenen Ausle gungstraditionen in der heutigen Exegese nicht übersehen und überspielt werden. Vielmehr gilt es, die aus der Kirchengeschichte bekannten Kontroversfragen hinsichtlich der Auslegung der Heili gen Schrift heute neu zu bedenken und — vielleicht — in einer entspannteren, gelasseneren und daher sachlicheren Form einer exegetisch verantwortlichen Lösung näherzubringen. Zu besonders relevanten Texten oder Schriften sollen diese Fragen daher in kurzen Erklärungen oder in Exkursen dargestellt und diskutiert werden. Dabei geht es darum, nicht den Schrifttext und die Lehr tradition gegeneinander auszuspielen, sondern die Probleme der Lehrtradition im Lichte der Schrifttexte zu erhellen und im exegeti schen Gehorsam gegenüber der Schrift Verstehensschwierigkeiten, die sich oft aus einer zu starren Handhabung der Lehrtradition ergeben, zu überwinden. Hierdurch besonders, aber grundsätzlich auch schon durch die methodisch sachgerechte Auslegung der neutestamentlichen Schriften hoffen wir, einen Dienst für die Verständigung von Christen verschiedener Bekenntnisse unterein ander und für das allen Christen aufgegebene Werk ökumenischer Vermittlung und Einheitsfindung leisten zu können. Die
Herausgeber
Den jüdischen und evangelischen Freunden Im besonderen Gedenken an Jakob J . Petuchowski Professor für jüdische Theologie und Liturgie in Cincinnati, USA, und ersten Rabbiner auf einem Lehrstuhl für jüdisch-christliche Studien, einen der großen jüdischen Gelehrten der Gegenwart und Förderer des jüdisch-christlichen Dialoges 30.7.1925-12.11.1991
Inhalt
Vorwort
15
Literatur
20
1. 2. 3. 4. 4.1 4.2 4.3 5. 6. 7. 8.
20 21 23 23 23 25 25 26 29 30 34
Textausgaben Allgemeinere Literatur Forschungsüberblicke Kommentare Zum Jakobusbrief Zur Weisheitsliteratur Zu sonstigen Schriften Literatur zu Weisheitstraditionen und zu Philo Literatur zu Ethik, Glauben u. a Literatur zum Jakobusbrief Sonstige (abgekürzt zitierte) Literatur
Einleitung
39
1.
Was will dieser Kommentar?
39
2.
Der Jakobusbrief als innovatorische Sprachhandlung .
43
2.1 Wer? (Absender/Schreiber) 2.2 Wem? (Empfänger/Adressaten) 2.3 Wann? Unter welchen Bedingungen? (Zeit und Situation der Adressaten) 2.4 Mit welchen Zeichen? (Zur Gattung, textlichen Einheit und zum Stil) a) Zur literarischen Gattung b) Zur Einheit des Briefes c) Zur Sprache des Briefes d) Zur Textgestaltung in Stichen e) Jakobus und die jüdische und christliche Weisheits literatur 2.5 Was? Wozu? (Thema und Intention)
45 54 57 62 64 71 73 79 80 88
2.6 Mit welchen Konsequenzen? (Zur Rezeption des Briefes) a) Die Rezeption durch die ursprünglichen Adressaten . h) Der Jakobusbrief in der Rezeptionsgeschichte bis Augustinus c) Zur Rezeptions-und Auslegungsgeschichte bis Beda . d) Zur reformatorischen Rezeptions- und Auslegungs geschichte e) Das Verhältnis von Jakobus und Paulus in der Rezeptionsgeschichte f) Rezeptionsvariationen heute
110 114
3.
119
Zur bleibenden Aktualität des Jakobusbriefes
Der Text und seine Auslegung
93 93 94 101 106
121
A Das Präskript Verfasser, Empfänger und Eingangsgruß (1,1)
121
B Der Prolog Von Prüfungen und ihren anthropologischen und theo-logischen Aspekten (1,2-18)
133
I . Form, Thema und briefliche Funktion von 1,2-18 . .
135
1. 2.
Zur Einheit der Verse Zur Form des Textes
I I . Von der christlichen Existenz in Prüfungen (1,2-4) . 1. 2.
3. 4.
Von der Bewährung des Glaubens in Prüfungen/ Versuchungen (intertextuell) Von der Bewährung des Glaubens in Prüfungen/ Versuchungen (die rezipierte Tradition und die jakobeische Redaktion) Einzeltraditionen in 1,2-4 und die jakobeische Redaktion Kompositionskritische Zusammenfassung (zur Einheit von synchronischer und diachroni scher Betrachtung)
135 139 181 183
189 198
209
III. Die Prüfungen/Versuchungen (l,5-6a.6b-8.9-ll) . . 1. 2. 3.
Die erste Prüfung/Versuchung: Mangel an Weisheit (l,5-6a) Die zweite Prüfung/Versuchung: Mangel an Glauben (l,6b-8) Die dritte Prüfung/Versuchung: Mangel an der richtigen Selbsteinschätzung bei Armen und Reichen (1,9-11)
211 211 231
240
IV. Die Seligpreisung der standhaften Christen (1,12) . .
259
V. Kompositionskritische Zusammenfassung zu 1,2-12.
268
VI. Gott und die Prüfungen/Versuchungen (1,13-18) . .
276
1. 2. 3.
Woher kommen Versuchungen? (1,13-15) Warnung vor Selbsttäuschung (1,16) Gott als Geber alles Guten (1,17-18)
C Das Briefkorpus (1,19-5,6) I. Vom Hören, Reden und Zorn und ihrem Gegenteil (1,19-27) 1. 2. 3. 4.
Vom Hören, Reden und Zorn (1,19) Von Zorn und Sanftmut (1,20-21) Vom Hören und Tun (1,22-25) Von Frömmigkeit und richtigem Tun (1,26-27) . .
II. Vom Ansehen der Personen und vom christlichen Glauben (2,1-13) 1. 2. 3. 4. 5.
Der Glaube an Jesus Christus und das Ansehen von Personen (2,1) Vom falschen Verhalten gegen Arme und Reiche (2,2-4) Gottes Option für die Armen (2,5-7) Vom Ansehen der Personen und vom Gesetz (2,8-11) ' Von Barmherzigkeit und Gericht (2,12-13) . . . .
277 288 290 321
321 325 327 335 358
367 372 387 390 399 411
III. Vom Glauben ohne Werke und vom Glauben mit Werken (2,14-26) 1. 2. 3.
Vom werklosen Glauben (2,14-17) 429 Werke als Zeichen des Glaubens (2,18-20) 437 Vom schriftgemäßen Glauben und Werk (2,21-26) . 448
IV. Von der Macht der Zunge (3,1-12) 1. 2. 3. 4.
Von der Gefährdung der Lehrer (3,1 -2a) Von der positiven Macht der Zunge (3,2b-5b) . . . Von der negativen Macht der Zunge (3,5c-8). . . . Gegen den Zwiespalt der Zunge (3,9-12)
V. Von der wahren Weisheit (3,13-18) 1. 2. 3. 4. 5.
Werke als Zeichen der Weisheit (3,13) Von der falschen Grundorientierung (3,14) . . . . Von der gottlosen Weisheit (3,15) Von den Werken der Lüge (3,16) . Von der Weisheit und ihren Werken (3,17-18). . .
VI. Vom Unfrieden in der Gemeinde und seinen Ursachen (4,1-12) 1. 2. 3. 4.
Von den anthropologischen Ursachen der Konflikte in der Gemeinde (4,1-3) Die Gemeinde zwischen Welt und Gott (4,4-6) . . Von der richtigen Haltung vor Gott (4,7-10). . . . Anthropologische als theologische Fehlhaltungen (4,11-12)
VII. Von der trügerischen Autonomie der reichen Christen (4,13-5,6) 1. 2. 3.
420
Vom selbstherrlichen Umgang mit der Zeit (4,13-16) Die christliche Schizophrenie (4,17) Vom vergänglichen und unsolidarischen Reichtum (5,1-6)
478 487 490 499 513 521 528 533 536 547 548
571 580 596 607 618
629 636 644 645
D Der Epilog Von der christlichen Ausdauer (5,7-20)
667
1. 2.
In Erwartung der Parusie des Herrn (5,7-8) . . . . Vom unchristlichen, gerichtsnotorischen Verhal ten im Wort (5,9-12) 3. Von der positiven Wirkkraft verbalen Tuns (5,13-20) 3.1 Von der Macht des Gebetes bei der Heilung von Kranken (5,13-15) 3.2 Von der Macht des Gebetes bei der Rettung von Sündern (5,16-20)
676 685 704 705 719
Verzeichnis der Exkurse 1. 1,2-18 als Prolog/Exordium und 5,17-20 als Epilog/Peroratio a) Der Prolog als Lieferant der Stichworte und der Struktur des Briefes . . . b) 5,7-20 als Epilog und der Bezug von Prolog und Epilog c) Das semantische Netz des Jakobusbriefes (Matrix) 2. Glaube nach Jakobus 3. Die soziale Situation der Adressaten 4. Eschatologie und Ethik 5. Anthropologie und Theo-logie 6. Das »Gesetz der Freiheit« 7. Die Christologie des Jakobus 8. Rechtfertigung nach Jakobus und Paulus 9. »Vollkommen« nach Jakobus 10. Weisheitstheologie nach Jakobus 11. Vom Beten 12. »Welt« bei Jakobus 13. Heilung von Krankheiten und Sünden 14. Die theologische Leistung des Jakobus
152 153
. .
165 175 222 251 272 305 344 376 461 495 561 591 599 729 743
Vorwort Ihr sollt auf meine Satzungen und meine Vorschriften achten. Wer sie einhält, wird durch sie leben (Lev 18,5). Ihr sollt auf die Gesetze achten und sollt sie halten. Denn darin besteht eure Weisheit und eure Bildung in den Augen der Völker (Dtn 4,6). Alle Weisheit ist Furcht des Herrn, und in aller Weisheit geht es um das Tun des Gesetzes (Sir 19,20). Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel tut (Mt 7,21). Nicht die Hörer des Gesetzes sind vor Gott gerecht, sondern die Täter des Gesetzes (Rom 2,13). Nicht das Studieren ist die Hauptsache, sondern das Tun (Abot 1,17). Werdet aber Täter des Wortes und nicht nur Hörer (Jak 1,22).
Dem Verfasser des vorliegenden Kommentars erging es in den jahrelangen Bemühungen um eine sachgerechte Auslegung des Jakobusbriefes wie dem Enkel von Ben Sira aus Jerusalem, der dessen weisheitliche Sentenzen und Lehrreden um 180 v.Chr. aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzte. O b der Verfasser dieses Kommentars — wie jener im Vorwort zur Übersetzung schreibt — »mit rastlosem Eifer und mit Sachkenntnis das Werk abgeschlossen« hat, sei dahingestellt, letzteres dem Urteil des Lesers überlassen, ansonsten bittet aber auch er: »So seid nun gebeten, das Folgende mit aufmerksamem Wohlwollen zu lesen und in all den Fällen Nachsicht zu üben, wo wir — trotz all dem Fleiß, den wir auf die Übersetzung verwendet haben — manchen Ausdrücken vielleicht nicht ganz gerecht geworden sind. Denn, was ursprünglich auf Hebräisch ausgedrückt ist, behält nicht unbe dingt den gleichen Sinn, wenn es in eine andere Sprache übersetzt
wird. Dies gilt nicht nur für dieses Buch«, sondern auch für den Jakobusbrief und seine Auslegungen durch die Jahrhunderte hin durch, da - besonders im deutschen Sprachraum aufgrund der konfessionellen Vorbedingungen — im ökumenischen Gespräch gegenwärtig zu Recht bei gleichen Begriffen von verschiedener »Sprache« geredet wird (vgl. den Exkurs nach 2,24: Rechtfertigung nach Jakobus und Paulus). Der Jakobusbrief hat es bei seiner Rezeption in den christlichen Kirchen bis heute schwer, da er oft einseitig im Schatten und im Einfluß des Paulus gesehen wird. Hier findet seit Jahren eine Veränderung statt, die auch vor allem dadurch bedingt ist, daß beim frühen Paulus und vor allem bei Jakobus die weisheitliche Grundorientierung der Theologie immer stärker beachtet wird. Die Diskussion darüber (an der für den Jakobusbrief der Verfasser dieses Kommentars seit Jahren beteiligt ist) ist noch in vollem Gang, für eine weitere Verzögerung der Veröffentlichung der eigenen weisheitlichen Deutung des Jakobusbriefes gibt es keine stichhaltigen Gründe. Es bleibt zu hoffen, daß das vielzitierte »Rätsel des Jakobusbriefes« nicht um ein weiteres vermehrt wurde. Die Antwort, die in diesem Kommentar gegeben wird, ergab sich aus der Auslegung, auch die dezidierte These, daß der Verfasser des Jakobusbriefes im Horizont weisheitlicher Theologie nicht nur lebte und schrieb, sondern auch das Buch Jesus Sirach literarisch rezipierte. Mit der Charakterisierung des Jakobusbriefes als neutestamentliche Weisheitsschrift ist auch eine Antwort impliziert nach der bislang oft verleugneten Theologie. O b der Jakobusbrief eine Theologie enthält, kann nur von seinem eigenen Vorverständnis und paralle ler weisheitlicher Literatur beantwortet werden. Die These in diesem Kommentar lautet: Der Jakobusbrief ist ein theozentrisches Schreiben mit einer im Neuen Testament singulären, sehr durch dachten theologischen Konzeption. Auf der Basis der Theozentrik liegt Jakobus wie den jüdischen Weisheitslehrern alles daran, den Lesern Weisungen für ein gelingendes Leben zu geben — in und trotz aller Ambivalenzen und Konflikte mit sich selbst und den Mitchristen. Jakobus setzt hier eine Identität von jüdischer und christlicher Weltdeutung voraus und plädiert - der Glaube an den erhöhten Jesus Christus ändert daran nichts — für eine identische Ethik. Wie jüdische Theologen fordert er die praktische Bewäh rung des Glaubens und das Ungespaltensein von Hören und Tun, Glaube und Werk, Weisheit und solidarischer Ethik. Unter diesem Aspekt bleibt der Jakobusbrief nicht nur eine ständige Herausfor-
derung an alle Christen, sondern auch für deren Verhältnis zu den jüdischen Gläubigen, da Jakobus Verstöße gegen die Geschwister lichkeit der Geschöpfe Gottes grundsätzlich für theologisch rele vant und für entscheidend im Gericht Gottes hält. Der Jakobus brief könnte gleichsam ein »Spiegel« für die Frage nach »der Herkunft« der Christen sein (1,23c); Christen, die nur flüchtig in diesen Spiegel hineinschauen, vergessen, wie sie »beschaffen« sind, die sich aber in diesen Brief vertiefen, sollen »selig sein im Tun« (1,24f.). Möge dieser Kommentar — dies ist auch das Ziel des Übersetzers des Buches Jesus Sirach am Ende seines Vorwortes — all jene erreichen, »die sich auch in der Fremde weiterbilden wollen und sich vorgenommen haben, einen dem Gesetz gemäßen Lebens wandel zu führen«. Zur Anlage des Kommentars seien einige Hinweise gestattet: Um Nachsicht bittet der Verfasser hinsichtlich des Umfangs der Auslegung. Folgende Faktoren bedingten ihn: 1. Die komposi tionskritische Interpretation, die auf die Einheit des Textes zielt und die in der hier gebotenen Weise zum ersten Mal in einem Jakobus-Kommentar durchgeführt wird, mußte hinreichend am Text und seiner syntaktischen und semantischen Struktur begrün det werden. 2. Dies gilt auch für die weisheitstheologische Deu tung des Jakobusbriefes in der Rezeption von Jesus Sirach und Philo von Alexandrien. 3. Mit der weisheitstheologischen Deutung hängt eng zusammen der Ansatz bei einer handlungsorientierten, pragmatischen Exegese, die keineswegs den Jakobusbrief als theo zentrisches Dokument ersten Ranges übersieht. 4. Letztlich waren auch aufgrund der Rezeptionsgeschichte des Jakobusbriefes ständig bei der Auslegung konfessionelle Vorbedingungen hermeneutisch zu befragen. 5. Schließlich sollte die theologische Konzeption des Jakobus zusammenhängend in den Exkursen dargestellt werden. — All dies ließ den Umfang des Kommentars mehr als geplant anwachsen. Um Nachsicht bittet der Verfasser auch hinsichtlich der Literatur auswahl; die anfängliche Absicht, alle Veröffentlichungen zu ver arbeiten, erwies sich — nicht nur wegen der Methode des Zitierens in dieser Reihe — als nicht durchführbar. Ohne die Vorarbeit vieler, besonders in den letzten 20 Jahren und im 19. Jahrhundert, hätte dieser Kommentar nicht geschrieben werden können; doch reproduziert er nicht nur, sondern ist auch ein Gespräch mit der vorhandenen Literatur (auch wenn dies nicht an jeder Stelle aus drücklich belegt wird), vor allem mit der von evangelischen Theo logen. Bedingt ist dies durch das bekannte Rezeptionsschicksal des
Jakobusbriefes durch Luther im 16. Jahrhundert. Daher war es besonders reizvoll, gerade diese angeblich »stroherne Epistel« für die Reihe »Ökumenischer Taschenbuch-Kommentar zum N T « auszulegen. Vor allem aber versteht sich der Kommentar als ein Gespräch mit dem Jakobusbrief, als Annäherungsversuch an jene theo-logisch weisheitliche Konzeption, die sich nach der Intention seines Verfassers in diesem Brief zeigt. Da sich die literarische Qualität des Jakobus nur am griechischen Text nachweisen läßt und entsprechend Gewicht auf rhetorische Bearbeitung gelegt wird, wird mit griechischen Begriffen gearbei tet. Sie werden transkribiert, damit die Leser die Argumente des Verfassers nachvollziehen können. Der Begrenztheit des Compu ters ist es zuzuschreiben, daß Doppelakzente nicht geschrieben werden konnten, ebenso skandinavische Umlaute nicht. Die Angabe von Versen in der laufenden Auslegung bezieht sich immer auf den engeren Kontext, sonst wird das Kapitel mitangegeben. Fettgedruckte Wörter und Wendungen sind bei der Auslegung Zitate aus dem Jakobusbrief, in anderen Abschnitten bilden sie Leitworte für den Leser. Da Jakobus — wie die übrigen neutestamentlichen Theologen — die griechische Bibel gelesen hat, sei daran erinnert, daß Stellen aus der Schrift — dies ist vor allem für Jesus Sirach wichtig — nach der Septuaginta zitiert werden (also: 2 Kön = 2 Sam; 4 Kön = 2 Kön; die Zählung von Ps 11-147 bleibt gegenüber dem hebräischen Text um eine Einheit zurück). Die Schreibung Theo-logie, theo-logisch wird dort verwendet, wo die Theozentrik für den Leser bewußt gemacht werden soll. Die Exkurse sind so angelegt, daß sie die Theologie des Jakobus im Kontext jüdischer und urchristlicher Theologien enthalten. Da sich die Ausarbeitung dieses Kommentars über Jahre hingezo gen hat (wovon die Aufsätze zum Jakobusbrief und andere dring lichere Veröffentlichungen zeugen), habe ich vielen studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeitern zu danken; stellvertretend für manche andere nenne ich für die Endphase nur Anke Schüttfort und Volker Garske, denen ich auch manche Anregungen inhaltli cher Art verdanke. Dies gilt auch für Matthias Karsten, meinen Assistenten bis Juli 1992, der einen Großteil des Manuskripts vor der Veröffentlichung kritisch gegenlas. Meine Sekretärin, Frau Magdalene Schmits, hat wie immer in gewohnter Sorgfalt am Computer das Manuskript erstellt, wobei sie beim Formatieren für den Umbruch von Herrn E . Hilbig vom Rechenzentrum der Uni versität Paderborn unterstützt wurde. Den Mitarbeitern der Aka demischen Bibliothek und der Universitätsbibliothek in Paderborn
danke ich für die große Geduld, die ich allzu oft überstrapaziert habe. Für freundliche Auskünfte in bibliographischen, altphilologischen, judaistischen, text- und formkritischen sowie inhaltlichen Fragen danke ich u. a. den Kolleginnen und Kollegen Barbara Aland, Ernst Baasland, Peter H. Davids, Bernhard Lang, Ulrich Luck, Jakob J . Petuchowski, Wiard Popkes, Rudolf Schröter, Phillip Sigal und Günter Stemberger. Ihre Namen sind ein Zeichen nicht nur internationaler, sondern auch interdisziplinärer und jüdisch christlicher, inklusiv evangelisch-katholischer Zusammenarbeit. Gewidmet ist dieses Buch den evangelischen und jüdischen Freun den aus der fachwissenschaftlichen Arbeit und aus der Arbeit der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Insbeson dere ist diese Auslegung J . J . Petuchowski gewidmet, einem Mann, der mir im Verlauf des schwierigen Gespräches zwischen Christen und Juden, bei dem er den »Dialog« nie im Sinne einer nivellieren den Harmonie verstand, in langen Jahren zum Freund wurde — fachwissenschaftlich durch seine Methodik des playful learning und der im besten Sinne narrativen Theologie, indem er die schwie rigsten theologischen Fragen immer wieder durch Geschichten aus dem Midrasch und Talmud erhellte. Er wollte das Manuskript zu diesem Kommentar vor der Veröffentlichung lesen, wurde aber durch seinen unerwarteten, allzu frühen Tod daran gehindert. Ihm, der seit jeher unter dem Vorbehalt der jakobeischen Klausel (4,15) lebte, sei diese Auslegung gewidmet — in der Zuversicht, daß er die Vollendung, die der Herr an Ijob bewirkte (5,11), erfahren hat. Paderborn,
im Juni 1992
Hubert
Frankemölle
Ich bedauere, daß sich die Veröffentlichung verzögert hat. Einen Manuskriptabzug hatte ich dem für mich zuständigen Hrsg. zweimal angeboten. Der Verlag sandte den Hrsg. wie heute üblich sofort einen formatierten Diskettenabzug zu. Der ev. Hrsg. sah sich nicht in der Lage, diesem Vorgehen ohne obige Vorbemerkung zuzustimmen. Die Unklarheiten in der Kommunikation zwischen den Hrsg. und zwischen ihnen und dem Verlag können nicht mir angelastet werden. Die von den Hrsg. verlangte Kürzung hätte zu einem Torso geführt. Der Jak hatte es in den vergangenen Jh.n schwer (s. u. 2.6), er hat es auch heute noch — aus welchen Gründen auch immer. Paderborn,
im August 1993
H.F.
Literatur Die hier zusammengestellte Literaturauswahl berücksichtigt nur solche Werke, die häufiger benutzt werden. Ausgewählte Spezialliteratur wird jeweils an Ort und Stelle angegeben. Zu theologischen Aspekten und Sachthemen vgl. auch die Literatur bei den Exkursen. Die allgemeinen Abkürzungen sowie die für die biblischen Bücher, für außerkanonische, rabbinische, urchristliche, lateinische und griechische Schriften, für Zeit schriften, Reihen und Sammelwerke sowie die Umschrift für hebräische und griechische Begriffe richten sich nach dem TRE-Abkürzungsverzeichnis. Die biblischen Bücher werden nach den Loccumer Richtlinien, Stutt gart 1981, zitiert. Auch wenn die Zitierung der Titel der biblischen Bücher nach den Loccumer Richtlinien durchgeführt wird, sei darauf hingewiesen, daß nach der Septuaginta gezählt wird. Zusätzliche Abkürzungen finden sich in: Neues Bibel-Lexikon I, Zürich 1991, 7-15. Kommentare zum Jakobusbrief werden nur mit Verfassernamen und Seitenzahl zitiert; dies gilt bei Eindeutigkeit auch für die sonstige Literatur. 2
1. Textausgaben Becker, J., Die Testamente der zwölf Patriarchen (JSHRZ III/l), Gütersloh 1974. Berger, K. — Colpe, C. (Hrsg.), Religionsgeschichtliches Textbuch zum Neuen Testament, Göttingen—Zürich 1987.
Cohn, L. - Wendland, P. — Reiter, S. (Hrsg.), Philo von Alexandrien. Opera Omnia 1-6, Berlin 1896-1915 (Neudruck 1962-63).
Cohn, L. — Heinemann, I. — Adler, M. — Theiler, W. (Hrsg.), Philo von Alex andria. Die Werke in deutscher Übersetzung, Breslau—Berlin 1909-64. Billerbeck, P. (— Strack, H. L.), Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch I-IV, München 1922-28. Fiebig, P., Pirque 'aboth. Ubersetzung mit Anmerkungen, Tübingen 1906. Fischer, ]. A. — w engst, K.> Schriften des Urchristentums I-II. Eingeleitet, hrsg., übertragen u. erläutert, Darmstadt 1963/84. Georgi, D., Weisheit Salomos (JSHRZ III/4), Gütersloh 1980. Horst, P. W. van der, The Sentences of Pseudo-Phocylides. With Introduction and Commentary, Leiden 1978. Jonge, M. de (Hrsg.), Testamenta XII Patriarcharum, Leiden 1964. Klauck, HJ., 4. Makkabäerbuch (JSHRZ III/6), Gütersloh 1989. Lohse, E. (Hrsg.), Die Texte aus Qumran. Hebräisch und deutsch, Darm stadt 1964. Nestle, E. — Aland, K. (Hrsg.), Novum Testamentum Graece, Stuttgart 1986. Rahlfs, A. (ed.), Septuaginta I-II, Stuttgart 1965. Riessler, P., Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, übersetzt und erläutert, Augsburg 1928 ( = Darmstadt 1966). 7
26
8
2
Sauer, G., Jesus Sirach (Ben Sira) (JSHRZ III/5), Gütersloh 1981. Schenkt, H. (ed.), Epicteti dissertationes ab Arriano digestae, Leipzig 1916. Walter, N., Pseudo-Phokylides (JSHRZ IV/3), Gütersloh 1983. Ziegler, J. (Hrsg.), Sapientia Iesu Filii Sirach, Göttingen 1965. Ders. (Hrsg.), Sapientia Salomonis, Göttingen 1962. 2
2. Allgemeinere Literatur Zur Linguistik. Außerdem: Einleitungen, Konkordanzen, Wörterbücher. Zur Literatur der Gattung Brief vgl. Einleitung 2.4, zur Rezeption vgl. Einleitung 2.6 sowie zur Methode der handlungsorientierten Auslegung in diesem Kommentar vgl. Einleitung 1 und 2. Aland, K. (Hrsg.), Vollständige Konkordanz zum griechischen Neuen Testament I-II, Berlin 1983.. Baird, J. A. — Thompson, J. D., A Critical Concordance to the Letter of James (Revised), Wooster 1988. Balz, H. — Schneider, G. (Hrsg.), Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament I-III, Stuttgart 1980-83.
Bauer W. — Aland, K. u. B., Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, Berlin 1988. 6
Blass, F. — Debrunner, A. — Rehkopf, F., Grammatik des neutestamentli16
chen Griechisch, Göttingen 1984. Classen, C.J., Paulus und die antike Rhetorik, in: Z N W 82 (1991) 1-33. Denis, A. M., Concordance Grecque des Pseudepigraphes d'Ancien Testa ment, Louvain 1987. Egger, W., Methodenlehre zum Neuen Testament. Einführung in linguisti sche und historisch-kritische Methoden, Freiburg 1990. Frisk, H., Griechisch etymologisches Wörterbuch I-III, Heidelberg 196072. Geckeier, H., Strukturelle Semantik und Wortfeldtheorie, München 1971. Görg, M. - Lang, B. (Hrsg.), Neues Bibel-Lexikon I, Zürich 1991. 2
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4. Kommentare 4.1 Neuere Kommentare zum Jakobusbrief in Auswahl Zu älteren Auslegungen vgl. Dibelius 83 f. und Mußner X I f.; zur exegesegeschichtlichen Bedeutung und zu einer textkritischen Ausgabe des Kommentars zu Jakobus durch Beda Venerabiiis von ca. 710 vgl. Einleitung 2.6c. Adamson, ]. ß., The Epistle of James, Grand Rapids 1976. Barclay, W., The Letters of James and Peter, Philadelphia 1976. 2
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6. Allgemeinere Literatur zur Ethik, zum Glauben, zur Schöpfung u. a. Zu Spezialliteratur zu den Bereichen: Eschatologie, Ethik, Glaube, Anthropologie und Theo-logie, Gesetz, Christologie, Rechtfertigung, voll kommen, Weisheit, Beten, Welt, Heilung von Krankheiten und Sünden vgl. die Exkurse. Berger, K., Historische Psychologie des Neuen Testaments, Stuttgart 1991. Dobbeler, A. v., Glaube als Teilhabe. Historische und semantische Grund lagen der paulinischen Theologie und Ekklesiologie des Glaubens, Tübingen 1987. Doli, P., Menschenschöpfung und Weltschöpfung in der alttestamentlichen Weisheit, Stuttgart 1985. Fascher, E., Das Menschenbild in biblischer Sicht, Berlin 1962. Heiligenthal, R., Werke als Zeichen. Untersuchungen zur Bedeutung der menschlichen Taten im Frühjudentum, Neuen Testament und Frühchri stentum, Tübingen 1983.
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Vorkommen der Begriffe »Eid« und »Gesundheit der Adressaten« in den Schlußformeln hellenistischer Briefe (der eigentliche gat tungstypische Wunsch fehlt allerdings), dem der Hinweis auf das »Gebet« in neutestamentlichen Briefen (1 Thess 5,17; 2 Kor 9,14; 13,7; Phil 4,6; Kol 4,2f.; Philem 22; Eph 6,18-19; Hebr 13,18f.; 1 Joh 5,14-17; Jud 20) entspricht. Wie der Briefeingang im Prä skript 1,1 typisch griechisch ist (alle anderen Briefe im N T bevor zugen die orientalische Form), ebenso das Stichwort »Freude« in 1,2, so sind im Briefschluß ebenfalls die Wendung »vor allem« (5,12) und die Krankheitsthematik (vgl. 5,13 ff.) im griechischen Brief phraseologisch belegt (Francis; Exler 127-132; Koskenniemi 9ff.). Typisch für Jakobus ist es aber, daß bis zum letzten Vers nicht die Gattung, sondern das Thema vorherrschend ist; diese gattungsmäßige Leerstelle ist um des angezielten Handlungszieles willen sicherlich gewollt. So steht am Ende kein formelhafter Gruß, sondern ein gewaltiger thematischer Schlußakkord, ein Auf ruf an die Adressaten, mit dem Handeln Gottes mitzuwirken (zur ökumenischen Problematik s. u. bei 5,20). Wie der differenzierte Überblick von K. Berger (Gattungen 13251363) insgesamt, über die verschiedenen Arten von Briefen (13271329) und vor allem über die Vielfalt von Brief Schlüssen und ihren Motiven (Imperative, Gebetswünsche, Sentenzen, Ketzerschluß, Drohungen u. a.) insbesondere (1348-1350) bestätigt, kann das für Paulus typische Formular nicht zum Maßstab für andere Briefty pen im N T (Hebr, 1 Joh, Eph, Kol, Jak) gemacht werden (1333 f.). Als Topoi, die Jak mit paganen Briefen gemeinsam hat, notiert Berger allerdings nur Gebetswünsche und -paränese in 5,13-18 und den Hinweis auf die richtige Behandlung von Sündern in 5,19 f. (genauer: White 1755 f.). Solche Übereinstimmungen sind auffällig, wobei eine konkrete literarische Abhängigkeit nicht postuliert werden muß, da semanti sche Felder auch mit der typischen Situation des Kommunikations geschehens zwischen Schreiber und Adressaten zu tun haben. Insgesamt genügt als Voraussetzung die in der Antike übliche allgemeine rhetorische Ausbildung bzw. Kenntnis, die sich ein Autor - je nach Begabung — auch beim Lesen angeeignet haben kann (vgl. Frankemölle, Netz 165-168; zu Paulus vgl. Classen). Aus allem folgt: Sowohl nach der Intention des Verfassers wie nach den Voraussetzungen der Rezipienten war das Schreiben des Jako bus nicht nur als Diasporabrief gewollt, sondern mußte auch als Brief verstanden werden, was durch die formale und thematische (2.5) Einheit bestätigt wird.
b) Zur Einheit des Briefes Die Meinung Martin Luthers zum Jakobusbrief, er sei eine »stro herne Epistel«, ist bis heute ohne Zweifel prägend. In der »Vorrede auff die Episteln S. Jacobi und Jude« von 1522 erhebt Luther nicht nur theologisch-inhaltliche (aufgrund des angenommenen Wider spruches zu Paulus; s. u. 2.6e), sondern auch formale Einwände. Luther kritisiert, daß Jakobus »wirfft so vnordig eyns yns ander«, so daß »kein ordo noch methodus« zu erkennen sei (WA 7,386f. und 5,157). In dieser Tradition steht Dibelius mit seinem seit 1920 oft aufgelegten Kommentar, wenn er feststellt: »Ich hoffe ... gezeigt zu haben, daß der Jak auf weite Strecken hin des gedankli chen Zusammenhangs völlig entbehrt« (21). Ahnlich lapidar lautet noch 1987 auch das Urteil auf katholischer Seite: »Im vorliegenden Kommentar ist keine gedankliche Einheit des Briefes gesucht, aus der Uberzeugung heraus, daß es keine gibt« (Mußner 58f.; ähnlich Schnider 12f.; zu neuen Positionen Mußners vgl. ders., Motivation 422). Der Verfasser des vorliegenden Kommentars kam im Zuge der Auslegung nicht nur zur These einer formalen, sondern auch gedanklichen Einheit (zur Begründung und zum Ergebnis s. u. den Exkurs »1,2-18 als Prolog/Exordium und 5,17-20 als Epilog/Peroratio«). An dieser Stelle ist nicht das Ergebnis, wohl aber der methodische Ansatz zu begründen. Wie bei der literarischen Gattung war auch hier der Ansatzpunkt nicht eine antike Theorie, vielmehr die subtile Beobachtung des Textes unter sprachlich-syntaktischen, semantischen und handlungsorientiert-pragmatischen Aspekten, wobei viele Erkenntnisse der Exegeten bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts aufgegriffen werden konnten (vgl. bereits die die Forschung zusammenfassenden Erkenntnisse von Kern, Wilke, Gans, Beyschlag, Mayor, Cladder; vgl. dazu Frankemölle, Netz 195-197). Originalität heute ist oft mangelnde Belesenheit. Die angebliche Neuentdeckung der Kategorien der antiken Rhetorik ist lediglich Rückkehr zu exegetischen Erkenntnissen, die über Augu stinus bis zu den Reformatoren und darüber hinaus gang und gäbe waren (vgl. Classen 1-7). Die im Verlauf der Arbeit am Jakobusbrief gewonnenen Einsichten seien vorab genannt:
-
Die Verse 1,2-18 erwiesen sich als Prolog. Hier werden Stich worte genannt, die erst im Verlauf des Briefes aufgenommen und entfaltet werden — auch in Variationen, damit für den Leser keine Langeweile entsteht. - Entsprechend zum Prolog können die Verse 5,7-20 als Epilog bzw. Peroratio umschrieben werden. In diesen Versen wird das Aktionsziel des Jakobus, um das es ihm mit seinem Schreiben geht, noch einmal intensiviert, wobei sich viele Rückbeziehungen formaler und inhaltlicher Art zum Prolog, aber auch zum Briefkorpus ergeben (vgl. die Skizze zum semantischen Netz im ersten Exkurs). - Stärker als durch formale Elemente ist der Jakobusbrief durch die Einheitlichkeit des Handlungsziels, noch mehr in der semantischen Dimension eine Einheit. Besonders das semanti sche Netz (vgl. dazu Lewandowski 770 f.) macht den Jakobus brief zu einem kohärenten, einheitlichen Text — und garantiert damit auch ein einheitliches Thema. Die semantische Analyse (vgl. Egger 92-133) mit der Frage nach den inhaltlichen Bezie hungen der einzelnen Begriffe zueinander, von Wendungen und Wortfeldern erwies sich als erfolgreichster Zugang zum Jako busbrief. Spezifisch für Jakobus ist, daß er dabei ganz stark mit Opposi tionen und Antithesen arbeitet und diese in funktionelle Bezie hung zueinander setzt, so daß sie einander bedingen (zur Methode vgl. Geckeier, Strukturelle Semantik). Letztlich ist in dieser Struktur die Tragfähigkeit des formalen und semanti schen Netzes des Jakobusbriefes begründet, wie die Auslegung ständig zeigt. Nicht nur Gott und Mensch stehen einander gegenüber, sondern in der Gemeinde auch Arme und Reiche, von Gott Geprüfte auf dem Weg zur Vollkommenheit und Sünder/Ehebrecher, aber auch der einzelne Mensch sich selbst in der Erfahrung seiner Gespaltenheit. - Ebenso typisch für die Gesamtanlage des Jakobusbriefes und seine formale wie thematische Einheit ist die rhetorische Figur der Amplifikation. So schlägt Jakobus im Prolog verschiedene Themen an, die in den nachfolgenden Ausführungen entfaltet werden — mal ausgedehnter, mal kürzer. Unterscheidet man mit Plett (44-56) bei den Figuren der Ampli fikation zwischen der zergliedernden und häufenden Amplifika tion, so liegt im Prolog (1,2-18) im Verhältnis zum Briefkorpus die zergliedernde Amplifikation vor (zu Beginn werden die Themen genannt, die in den nachfolgenden Ausführungen ent-
faltet werden), während in den kleinen Einheiten des Briefkor pus verstärkt die häufende Amplifikation belegt ist. Ihren Figu ren ist gemeinsam, »daß ein Thema durch eine mehr oder minder geregelte Häufung von Details umspielt bzw. einge kreist wird« (49). Näherhin kann ein Thema in der Figur der Accumulatio so behandelt werden, »daß eine Durchführung gleichsam >auf der Stelle trittchristliche< Ethik« (Marxsen 229 mit der Begründung ebd.: »Weil eine Christologie völlig fehlt, fehlt den aufgenommenen Imperativen der Indikativ«; zur Christologie vgl. 1,1 und 2,1). Zwar sieht man — auch in evangelischer Theologie — wieder verstärkt, daß die Ethik des Jakobusbriefes »oft zu Unrecht in den Schatten« anderer neutestamentlicher Konzeptionen gestellt wurde und daß »der eindringliche Ruf zur tathaften Verwirklichung und gehorsamen
Bewährung christlicher Existenz ohne jedes Wenn und Aber« zum christlichen Glauben gehört, betont aber in gleichem Atemzug: »Freilich bleibt auch bei Einsicht in die primärethische Ausrich tung dieser lehrhaften Mahnschrift die defizitäre Begründung und Motivierung ihrer Ethik bedenklich«, denn: »Der Imperativ steht vielmehr ziemlich selbständig und unbegründet da« (Schräge 286.287.288). Dies trifft nicht zu, wie die spezifische Form der ethischen Motivation wie im Prolog, sodann auch im gesamten Brief zeigt (vgl. den Exkurs nach 1,18). Zwar begründet Jakobus die weisheitlich orientierte Ethik nicht primär christologisch, wohl jedoch theo-logisch, theozentrisch, wie es der Weisheitstheologie entspricht. Gemäß der Glaubensüberzeugung von Jesus Sirach »alle Weisheit kommt vom Herrn« (1,1) heißt es auch bei Jakobus am Briefanfang: »Mangelt es aber einem von euch an Weisheit, so erbitte er sie von Gott, ... und sie wird ihm gegeben werden« (1,5). Formuliert Jakobus 1,2-4 noch ganz anthropologisch und bleibt die Frage offen, wer die Ermöglichung zum vollkommenen Werk und zum ungespaltenen Sein des Menschen gibt, so wird dies gemäß der Thema-Rhema-Struktur (s. u. zur Formkritik) erst ab Vers 5 thematisiert, hier aber in aller Klarheit und Unzweideutigkeit. Vor allem der theozentrische Satz in 1,5c zum Handeln Gottes (»der allen einfach/vorbehaltlos und ohne zu nörgeln gibt«), der in 12-18 durch Aussagen über das Sein und Handeln Gottes vertieft wird, bestimmt auch das indirekte Sprechen über Gott in l,5d und 1,7b. Betet einer zu Gott, so wird das Erbetene »ihm gegeben werden« (5d), während der zweifelnde Mensch sich nicht täuschen soll, »etwas vom Herrn zu empfangen« (7b). Auf Gott ist Verlaß. Ganz sicher wird er dem Menschen, der sich bewährt hat, »den Kranz des Lebens« geben (1,12). Dem Handeln Gottes entspricht sein Sein; er handelt nicht nur »einfach/vorbe haltlos« (1,5c), bei ihm gibt es auch »keine Veränderung oder eines Wechsels Verschattung« (17d). Wie Gott selbst »vom Bösen unversuchbar ist, versucht er auch selbst niemanden« (13c.d). In unein geschränktem Sinn gilt von seinem Handeln: »Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk« (17a) — also auch das »vollkom mene Werk«, das der Mensch nach 4a anstreben soll — kommt von Gott. Er ist der Schöpfer allen Seins, der »Vater der Lichter« (17c) und der Menschen (18). Nur weil Gott an den Menschen gehandelt hat, ihre Existenz ermöglichte, können Menschen aus diesem Ermöglichungsgrund heraus handeln und sollen es tun! Dabei gilt festzuhalten: Während die Versuchung zur Sünde aus der Wil lensfreiheit des Menschen stammt (13-15), führt Jakobus — und
dies bereits im Prolog! — die Ermöglichung menschlicher Existenz überhaupt, dann aber auch zu allem guten Handeln auf die Gaben Gottes zurück. Die anthropologischen Aussagen über das Handeln und Sein des Menschen (4a.b) werden erst von diesem theozentrischen Grund in ihrer eigentlichen Dimension erschlossen. Nur wer seine Herkunft »durch das Wort der Wahrheit« Gottes (18a) im Glauben akzeptiert, auf dieses von Gott zugesagte Wort hört, aber es auch tut (1,19-27), nichts aus eigener Kraft erwartet, sondern alles von Gott erbittet (1,5), ist nach Jakobus »in Ordnung«, nämlich in der Schöpfungs-Ordnung Gottes als »eine Art Erstling/Erstlings frucht seiner Geschöpfe« (1,18b) und als »Gottes Ebenbild« (3,9c). Von Anfang an korrelieren im Brief des Jakobus Anthropologie und Theo-logie (zur Ausführung im weiteren Brief s. u. im Exkurs nach 1,2 zum semantischen Netz). Ohne Gottes Sein und Handeln an Mensch und Welt als unaufgebbare Voraussetzungen sind für Jakobus anthropologische und ekklesiologische Aussagen undenk bar. Nur weil »der Geist, den Gott in uns wohnen ließ« (4,5), Christen beseelt, sie »die Weisheit, die von oben« stammt (3,17a), empfangen haben, können sie »Werke in Sanftmut der Weisheit« (3,13c) zeigen, sie müssen es aber auch. Aus all dem folgt: Die ethischen Appelle des Jakobus haben ihren Grund in der Theo-logie, im Sein und im Handeln Gottes. Erst in diesem Kontext sind die anthropologischen Aussagen über das Sein und Handeln der Christen stimmig, ebenso die gesamte Thematik des Jakobusbriefes (Frankemölle, Gespalten 165f.; zustimmend Mußner, Motivation 423 und Schnackenburg II 196f.). Gottes Sein und kommunikatives Handeln bilden den Grund und die Ermögli chung für das von Jakobus intendierte innovatorische, kommuni kative Handeln der Christen. Ist dies zutreffend, gilt auch umge kehrt: »Der Streit um eine bestimmte Weise kommunikativen Handelns ist zugleich ein Streit um die Wirklichkeit Gottes« (Peukert 298). Gerade deswegen nimmt Jakobus die von ihm festgestellte Krise menschlichen Verhaltens und die Krise der christlichen Gemeinde so ernst, da es nicht nur um ein ethisches, sondern um ein im strengen Sinn theo-logisches Problem geht (Hiebert betont als das den ganzen Brief zusammenhaltende Thema mit 1,3 die »Prüfungen eines lebendigen Glaubens«: 231). Erst wenn die theozentrische Basis erkannt ist, hat man das Thema und die Intention des Verfassers. Die Eschatologie (s. u. zu 1,12; 2,13; 4,12; 5,7.8) verbindet die Theo-logie mit der Anthropologie, da der Preis der Willensfreiheit (s. u. zu 1,14-16) die Verantwortung des Menschen vor Gott ist.
Die theo-logische Grundlage der Ethik — zwar ohne das kommu nikative Handlungsmodell — wurde in einem beachtenswerten Aufsatz von Jan-Lnc Blondel herausgearbeitet. Er sieht die ganze anthropologische Frage von Jakobus »coram deo« behandelt (144 f.), wonach die Eschatologie die gesamte Ethik und Anthropo logie des Briefes prägt, so daß das alltägliche Verhalten eschatologisch qualifiziert ist (1,21; 2,12f.l4). Nach ihm ist die Ethik des Jakobus, »keineswegs« — wie bislang durchgehend behauptet wird — »der Ausdruck eines theologischen Mangels, sondern wohl eher eine Darlegung der notwendigen Wechselbeziehungen zwischen einem authentischen Glauben und einem konsequenten Handeln. ... Die Auffassung, die Jakobus von Gott hat, ähnelt der Grund lage des jüdischen Glaubens, welcher auf der Einheit Gottes basiert, er ist der Herr, der die >Weisheit< schenkt (1,5; 3,17). Diese Gabe ist kein Vorwand, um Passivität zu rechtfertigen, sondern ein Imperativ, der zur Vollkommenheit drängt (1,4.22), denn derje nige, der das >Gesetz der Freiheit^ (1,25) schenkt, ist auch der eschatologische Richter (2,22). Dieser Gott ist dennoch nicht ein strenger Richter (vgl. Wall), sondern ein mitfühlender Herr (5,11), der den Armen, die keinen anderen Reichtum als ihn haben, Gnade zukommen läßt (2,5)« (144f.; Schräge, Ethik 267-271 und Popkes 41 f. machen aus der »konsequenten Ethik« eine »konsekutive Ethik«; dies ist eine Verkennung). Nimmt man den Prolog als Ganzes und beachtet seine Gedankenführung, läßt sich formulie ren (was vom Epilog bestätigt wird): »Weil Gott ungespalten ist (haplos), sollte der Glaube nicht gespalten erscheinen (dipsychos)« (Schule 77); nach Jakobus gewinnt dieser Satz aber erst dadurch seine Relevanz, daß dadurch die Ermöglichung für ein bestimmtes ethisches Handeln freigesetzt wird, da das Handeln Zeichen der richtigen Grundorientierung, des ungespaltenen Seins ist. Die kon sequente Ethik des Jakobus gründet im schöpfungstheologischen Handeln Gottes. Mit Recht hat Blondel, auch wenn er statt der Schöpfungstheologie die Eschatologie betont, gezeigt, »daß Jako bus kein einfacher Moralist ist, sondern daß er seine Ethik auf eine präzise Theologie gründet« (150; ein ähnliches Konzept der Begründung der Ethik des Jakobus in der eschatologischen Ver kündigung Jesu vertritt auch Reese 82). Diese Theozentrik ist für Jakobus die Basis, von der er die Weisheit der Christen nicht nur in ihrer Herkunft, sondern auch als praktische Lebensweisheit ver steht. Jakobus ist kein geringerer Theologe als die Verfasser der frühjüdischen Weisheitsliteratur; mit ihrer Theologie ist seine Theologie zu vergleichen. Sein nächster »Verwandter« im Neuen
Testament ist der synoptische Jesus etwa nach der BergpredigtTradition des Matthäus (vgl. Hoppe, Hintergrund 119-148, und Popkes, Adressaten 156-176), während Paulus mit seinem systema tisierenden Ansatz der Reflexion über die soteriologische Bedeu tung des Todes und der Auferweckung Jesu einen anderen Typ theologischen Schreibens vertritt (für Unabhängigkeit von Jakobus und Paulus plädiert auch Kistemaker 59 f.), wenn auch bei ihm noch sehr deutlich die Soteriologie weisheitlich geprägt ist, so etwa in 1 Kor 1-4 und Rom 1,18-3,20 (vgl. Baasland, Weisheitsschrift 128-131; zu Paulus v g l . / . Theis, Paulus als Weisheitslehrer. Der Gekreuzigte und die Weisheit Gottes in 1 Kor 1-4, Regensburg 1991, 283-521). Beide Denkrichtungen haben ihre Existenzberech tigung im Kanon, wie auch die keineswegs spannungslose Rezep tionsgeschichte grundsätzlich belegt.
2.6 Mit welchen Konsequenzen? (Zur Rezeption des Briefes) Literatur: Zur ungenauen Verwendung des in der exegetischen Literatur üblichen Begriffs »Wirkungsgeschichte« vgl. oben 1 und Frankemölle, Evangelium und Wirkungsgeschichte 62-84. — Zur Theorie der Rezeption durch unterschiedliche Leser: Egger, Methodenlehre 38-45. — Grimm, G, Rezeptionsgeschichte. Grundlegung einer Theorie, München 1977. — her, W., Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung, München 1976. — Link, H., Rezeptionsforschung. Eine Einführung in Methoden und Probleme, Stuttgart 1975. - Warning, R. (Hrsg.), Rezeptionsästhetik. Theorie und Praxis, München 1975. — Weinrieb, H., Literatur für Leser, Stuttgart 1971.
a) Die Rezeption durch die ursprünglichen Adressaten Die Grundthese der Textpragmatik, daß ein Text wie der Jakobus brief bei den Adressaten etwas bewirken wollte, enthält die andere Frage, welche Wirkung denn der Autor mit seinem Text erzielte. O b Jakobus das Selbstverständnis und die Glaubenspraxis der Erstrezipienten gemäß seinem Aktionsziel verändern konnte, wis sen wir nicht. Für das Textmodell, bei dem der Text als Element einer einmaligen Kommunikation zwischen Verfasser und Adressa ten zu werten ist, ist nur der Brief als Reaktion des Verfassers auf die Situation der Adressaten vorhanden, so daß wir gleichsam nur
ein halbiertes Gespräch besitzen. Diese Erkenntnis ist nicht neu; schon die Schrift »Uber den Stil«, die zu Unrecht Demetrios von Phaleron (4. Jh. v. Chr.) zugeschrieben wurde, aber aus hellenisti scher Zeit, wohl aus dem älteren Peripatos stammt, bezeichnete den Brief als »die eine Hälfte des Dialoges« (Peri hermeneias 223; zitiert bei Thraede, Grundzüge 17). Dieses Verständnis von Texten als Elemente des kommunikativen Handelns zwischen Autor und Adressaten setzt nicht in jedem Fall die Vorlage von »Partnerbrie fen« oder die Verarbeitung wörtlich aufgenommener Gegenargu mente der am »Dialog« Beteiligten voraus (gegen Probst 99f.). Weder Demetrios noch andere antike Literatur-Theoretiker gingen von einem solch engen Verständnis aus. Ihnen ging es um die Einsicht, daß die Verfasser von Briefen die konkrete lebensge schichtliche Situation ihrer Adressaten als Maßstab dessen, was und wie sie etwas formulierten, verstanden. So auch Jakobus. O b er das erreicht hat, was er mit seinen Worten erreichen wollte, wissen wir nicht. So sehr Jakobus auf eine bestimmte Situation (s. o. 2.3) einwirken wollte, über Reaktionen der Rezeption fehlen jegliche Quellen — und dies nicht nur im 1. und 2. Jahrhundert.
b) Der Jakobusbrief in der Rezeptionsgeschichte bis Augustinus Literatur: Aland, B., Kurzgefaßte Liste der griechischen Handschriften
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67.5-66. — Wikenhauser — Schmid, Einleitung 565-571.
Während um die Jahrhundertwende die literarischen Beziehungen des Jakobusbriefes zur sonstigen neutestamentlichen und urchrist lich, nachapostolischen Literatur intensiv behandelt wurden (zu einem Überblick über den damaligen Forschungsstand vgl. etwa Feine 100-139), ebenso auch Fragen der Kanon- und Textge schichte im griechischen sowie syrischen Osten und im lateinischen Westen, ist es um diese Fragen heute still geworden. Bedingt war dies vor allem durch die Thesen von Mayor und Dibelius, wonach der Jakobusbrief im breiten Strom der mündlichen paränetischen Traditionen schwimmt — zusammen mit frühjüdischen, urchristli chen und paganen Schriften. Unter der neuen Perspektive des Fortgangs weisheitlichen Denkens im Bereich des frühjüdischen Jahweglaubens (zur Literatur vgl. Küchler, der wohl bewußt die Frage nach literarischen Abhängigkeiten nicht stellt, vielmehr de skriptiv intertextuell weisheitliche Texte bis in das frühe Christen tum hinein untersucht) wären die Texte neu zu sichten — unter Einbezug der ethischen Literatur der griechischen und römischen Umwelt. Hierbei wären neutestamentliche Texte (aus der Logienquelle, paulinische Briefe und der Jakobusbrief) auf gemeinsame, unterschiedlich rezipierte weisheitliche Traditionen zu befragen. Dies kann hier nur als Desiderat angemeldet werden. Gerade aufgrund der Internationalität des weisheitlichen und ethischen Denkens stellt sich vehement die Frage nach der Kriteriologie, rezipierte Traditionen wirklich feststellen zu können (zum Pro blem vgl. Frankemölle, Handlungsanweisungen 50 ff. 133 ff. 199 ff.). Hinsichtlich der äußeren Bezeugung des Jakobusbriefes (zu den spärlichen Belegen aus den Katenen-Fragmenten, die zwar jünge ren Datums sind — wohl Ende des 7. Jh. —, aber für die katholi schen Briefe die einzigen Belege in der griechischen Ursprache bieten, vgl. Gramer 1-40; zur Datierung vgl. Staab 345 f.) war man am Beginn des Jahrhunderts sehr optimistisch. Nach Meinem
kann man »trotz der geringen Zahl von christlichen Schriften aus der ältesten Zeit nachweisen, dass der Brief noch im ersten Jahr hundert und um die Wende dieses Jahrhunderts einen bedeutenden Einfluss ausgeübt hat«. Danach findet sich »die erste sichere Ver wertung« in 1 Petr; wie hier so ist auch für 1 Klem und für den Hirten des Hermas »literarische Abhängigkeit anzunehmen« (Jakobusbrief 54f.; ausführlicher ders., Schrift und Uberlieferung, zusammenfassend ebd. 129). Auch Meyer (Rätsel 59-108) setzt für den 1 Petr und den Hirten des Hermas eine umfassende Benutzung voraus, womit aber — falls diese Texte in Rom zu lokalisieren sind - das neue Rätsel entsteht, warum der Jakobusbrief gerade im lateinischen Westen textlich ganz spärlich belegt ist (einen »westli chen« Text gibt es nicht) und erst allmählich unter östlichem Einfluß benutzt und kanonische Geltung erlangte (s. u.). Als Lösung für dieses textliche und historische Dilemma bot Meinertz an: »Nun ist freilich zuzugeben, dass im Laufe der Zeit der Jak in manchen Gegenden seine kanonische Geltung eingebüsst hat« (ebd. 55). Für dieses postulierte frühe kanonische Ansehen im 1. und 2. J h . gibt es nach heutiger Erkenntnis keine Belege, nicht einmal für eine Benutzung, die keineswegs mit Kanonisierung identisch ist (s. im folgenden). Selbstverständlich hat Jakobus als Bibel die Septuaginta benutzt, schwerpunktmäßig Weisheitsliteratur (vgl. die Zitate in 2,23; 4,6; 5,20) und in besonderer Weise das Buch Jesus Sirach (s. o. 2.4e), ebenso zweifellos dürfte aber die Frage nach literari schen Beziehungen zu anderen christlichen Texten wie zur Logienquelle, zu den vier Evangelien, zu den Paulusbriefen, zum 1 Petr und zum Hirten des Hermas trotz vereinzelt positiver Meinungen dazu negativ zu beantworten sein (vgl. die Überblicke von Dibelius 43-53 sowie Mußner 33-38.47-52, der noch an der Abhängigkeit des 1 Klem vom Jak festhält; ebd. 35-36.38). Alle behaupteten Parallelen gehen über motivgeschichtliche Anklänge nicht hinaus, die sich wiederum — bei aller Ähnlichkeit auch in der Wortfolge — zudem auf gemeinsame weisheitliche bzw. ethische Traditionen des Frühjudentums und der Umweltethik zurückführen lassen. Wer mit entsprechender methodischer »Skepsis, die auf diesem Gebiet besonders notwendig ist, an die Prüfung der literarischen Bezie hungen des Jak herantritt, dem erweisen sich die angeblichen Zeugnisse des 1. und 2. Jahrhunderts als trügerisch« (Dibelius 74; vgl. jetzt auch Thiele, Epistulae 58*). Die Text- und Kanongeschichte des Jakobusbriefes ist ein Spiegel bild dieser nicht vorhandenen Rezeption in der Frühzeit. Vor
Origenes (185-253/254) wurde der Jakobusbrief — soweit Quellen vorhanden sind — nicht zitiert (vgl. Staab 307-312) und auch diese Rezeption ist »für das 3. Jh. singulär« (Pauken 493), zumal nur Jak 1,3 und 4,4 kurz und fragmentarisch rezipiert werden (Staab 312 f.). Zudem zählt Origenes den Jakobusbrief bei seiner Eintei lung der neutestamentlichen Schriften (aufgrund ihrer Rezeption in den verschiedenen Gemeinden) in »unwidersprochene, angezwei felte, falsche« (vgl. Eus., K G VI,25,3ff.) zur mittleren Gruppe, auch wenn er ihn selbst als kanonisch betrachtet (zu den Stellen vgl. Meinem, Schrift 109). Dies ist aber auch nur eine Auskunft über die Situation in Ägypten; bestätigt wird diese Rezeption durch das älteste Papyrus-Fragment mit Jak 2,19-3,2 aus dem 3. Jh., das ebenfalls aus Ägypten stammt (zu P vgl. Grunewald 10-12). Die Einteilung des Origenes übernimmt noch Eusebius von Caesarea in seiner Kirchengeschichte (um 303; an Stellen vgl. K G II 23,25; II 25,3), auch wenn er die mittlere Gruppe als Antilegomena benennt, wobei er hier noch einmal abstuft und den Jakobus zu jenen Gruppen zählt, »die nun aber doch von der Mehrzahl anerkannt sind« ( K G III 25). Nach ihm ist der Herrenbruder Jakobus der als von vielen anerkannte Verfasser. Hinsichtlich der Frage nach einer frühen Rezeption des Jakobusbriefes ist auffällig, daß Eusebius die um 180 geschriebenen Hypomnemata des antihä retischen Kirchenschriftstellers Hegesipp lOmal zitiert, wobei an 2 Stellen (II 23,4ff.; IV 22,4) auch ausführlich vom Herrenbruder Jakobus erzählt wird (vgl. Pratscher 103-121). Da Hegesipp ver mutlich auf eine griechische judenchristliche Quelle zurückgeht, die zwischen 80 und 140 n. Chr. zu datieren ist (vgl. ebd. 120 f.), ist um so auffälliger, daß bei den vielfältigen Nachrichten über den Herrenbruder Jakobus der Hinweis auf ihn als Verfasser einer Schrift fehlt. Auch im Hinblick auf den Jakobusbrief als pseudepigraphisches Schreiben ist dieses kanongeschichtliche Argument zu beachten. 20
Vom 1. bis zum Beginn des 3. Jh. — dies ist das nüchterne Faktum — findet sich im Osten keine deutliche Rezeption des Jakobusbrie fes (zur über 100 Jahre späteren Rezeption im Westen s. u.). Neben der textgeschichtlichen Bezeugung im Papyrus P aus Ägypten läge die früheste einwandfreie Zitierung von Jak 3,1 f. im 3. Jh. in den pseudoklementinischen Briefen »Ad virgines« aus Syrien oder Palästina vor (so Dibelius 75; Kümmel, Einleitung 357), falls diese beiden Briefe gegen das außereheliche Zusammen wohnen geistlicher Frauen und Männer nicht jüngeren Datums sind, zumal eine koptische Übersetzung Athanasius (295-373) als 20
Verfasser nennt, damit also wiederum die ägyptische Tradition — und zwar nach Origenes — belegt ist. Erst durch den 39. Osterfestbrief des Athanasius im Jahre 367 gehört der Jakobusbrief für Ägypten eindeutig zum Kanon. Durch den Einfluß des Athana sius und seit der Synode von Laodicea von 360 wird er auch in der griechischen Kirche allgemein anerkannt. In der syrischen Kirche hingegen wird der Jakobusbrief mit den anderen Katholischen Briefen noch um 400 nicht ins Kanonverzeichnis aufgenommen, ebenso lehnt ihn Theodor von Mopsuestia (gest. 428) ab. Erst in der Peschitta aus dem Anfang des 5. Jh., der am meisten verbreite ten syrischen Ubersetzung, ist der Jakobusbrief neben 1 Petr und 1 Joh belegt (vgl. Aland — Jucke127'-32). Bei den alten Übersetzun gen handelt es sich hinsichtlich der Rezeption demnach weniger um ein spezifisches Problem des Jakobusbriefes als um ein Problem der Katholischen Briefe insgesamt. Dies belegen auch deren Überset zung ins Sahidische erst im 4. Jh. (Mink 181-187) und deren Zitierung in griechisch-koptischen Lektionaren im 4. Jh. (Junack 506.513), wobei hier wie dort wiederum Ägypten Ursprungsland ist. Zur Begründung für die fehlende Rezeption der katholischen Briefe, mithin auch des Jakobusbriefes in der östlichen und westli chen Literatur schreibt Staab in bildkräftiger Metaphorik: »Der Grund war ... nicht etwa ein Zweifel an der Kanonizität der Briefe, sondern die Tatsache, dass sie eben an Bedeutung hinter vielen anderen biblischen Büchern ... zurückstehen. Es hatten die kath. Briefe in der alten Exegese das gleiche Schicksal wie so manches stille Blümlein, das verborgen im Grase blüht, während Rose und Lilie von allen bewundert werden« (353). Wie schwer sich der Jakobusbrief in der gesamten Kirche durchge setzt hat - bei aller unterschiedlichen Rezeption auf örtlicher Ebene —, belegt auch sein Schicksal in der lateinischen Kirche, wo die Rezeption des Jakobusbriefes erst ca. 150 Jahre später als im Osten beginnt. Weder Tertullian (gest. nach 220) noch Cyprian (gest. 258) noch die Donatisten rezipieren Jakobus. Einige Anklänge (vgl. Thiele 58*) könnten sich bei Lactantius (um 317) finden. Im übrigen jedoch ist der Jakobusbrief weder in der Kirche von Rom noch von Afrika belegt, fehlt demnach im wichtigen Kanon Muratori aus dem Ende des 2. Jh., der von den »Katholi schen« Briefen nur den Jud und 1 und 2 Joh nennt, ebenso fehlt Jak auch in dem um 359 in Afrika entstandenen Mommsenschen Kanon. Bis zu Hilarius von Poitiers (gest. 367), Hieronymus (347- 419) und Augustinus (354-430) herrscht demnach fast völliges Schwei-
gen; wo sich Anklänge finden, wie bei den Apostolischen Vätern (vgl. Köster 68f. 134.173.235.247.254), liegen gemeinsame Tradi tionen vor, was um so naheliegender ist, da es um weitverbreitete weisheitliche und ethische Vorstellungen geht. Kanonische Akzep tanz gewann der Jakobusbrief nicht aus eigenen lateinischen Quel len. »Erst unter dem Einfluß des selbst unter östlichem Einfluß stehenden Hilarius sowie des Hieronymus und Augustinus, welch letzterer selbst wieder unter dem Einfluß des Hieronymus stand, hat sich der Brief sowohl in der gallischen wie in der italischen und afrikanischen Kirche als kanonische Schrift durchgesetzt« (Wikenhauser — Schmid 567). Durch die römische Synode von 382 (Kanon des Papstes Damasus) sowie durch die afrikanischen Syn oden von Hippo Regius (393) und Karthago (397) gelangte der Brief zu kanonischem Ansehen. Dabei dürfte Hieronymus (347419/20) — nach Studien im Osten vom Papst mit der Revision lateinischer Bibeltexte beauftragt — bei der Erarbeitung der Vulgata die altlateinische Ubersetzung des gesamten Jakobusbriefes benutzt haben; diese war im Codex 66, der um 830 in Corbie geschrieben wurde (vgl. Fischer, Bibeltext 188 und Thiele 16*), enthalten. Hieronymus waren die jahrhundertelangen Zweifel an der Kanonizität des Jakobusbriefes bekannt (vgl. De vir. inl. 2), an ihn knüpfen im 7. J h . Isidor von Sevilla und im 16. Jh. in zurückhal tender Weise Erasmus, in scharfer Weise Luther an. Auch für Augustinus (354-430) steht die Verfasserschaft des Brie fes durch den Apostel und Herrenbruder Jakobus, der Bischof von Jerusalem war, und schon deswegen die Kanonizität des Briefes außer Zweifel (vgl. Bergauer 25-30). Eine Expositio epistulae Iacobi, sie enthält aber wohl mehr Bemerkungen zu einzelnen Stellen als eine Auslegung der ganzen Schrift (vgl. Bergauer 16 f.), ging verloren, wird aber von Augustinus selbst bestätigt (Retr II, 58), aber auch von Possidius und Cassiodor (vgl. Thiele 51*). Im übrigen kommt aber Augustinus in verschiedenen Schriften (Ep 167; Enarratio in Ps X X X I ; De fide et operibus u. a.; vgl. Bergauer 15-21) auf Fragen des Jakobusbriefes zu sprechen, primär auf das Verhältnis von Glaube und Werke, in deren Beziehung er keine Differenz zwischen Paulus und Jakobus sieht (s. u. und Bergauer 45-85). Die Antwort auf die Frage, warum der Jakobusbrief erst im Verlauf des 3. J h . kanonisches Ansehen gewinnt, wird unterschiedlich beantwortet. Dibelius sieht »des Rätsels Lösung« darin, daß der Jak »ein rein paränetischer Text« sei (77). Mußner sieht den Grund in der »>Beschlagnahme< des Jak durch das häretische Judenchri-
stentum« (42). Letzteres dürfte kaum zutreffen, da die Rezeption der Gestalt des Herrenbruders Jakobus (den Mußner als Verfasser annimmt; s. o. 2.1) in der Großkirche durchaus intensiv und die Haltung ihm gegenüber durchaus positiv war (vgl. dazu Pratscher, Herrenbruder 178-208). Unter der Voraussetzung, daß »das häreti sche Judenchristentum den Herrenbruder Jakobus zu seinem Papst erhob« (Mußner 20 Anm. 4), »wäre der Brief wohl überhaupt nicht in den Kanon gekommen« (Pratscher 212). Mithin ist auch die kanongeschichtliche Entwicklung ein gewichtiges Argument für die These, daß der Jakobusbrief ein pseudepigraphisches Schreiben ist. Zusammenfassend läßt sich zur Rezeptionsgeschichte des Jakobus briefes sagen: Die Textüberlieferung des Jakobusbriefes in den großen griechischen Handschriften entspricht dem der anderen neutestamentlichen Schriften; die Handschriften stammen aus dem 4. (Vaticanus und Sinaiticus) oder 5. Jh. (Alexandrinus). In den Papyri ist der Brief in P , P , P und P bezeugt, wovon P und P ins 3. Jh. zu datieren sind (vgl. Grunewald 10-14). Daß die ersten drei aus der mittelägyptischen Stadt Oxyrhynchos stammen, während der Fundort von P , der fast den ganzen Jakobusbrief enthält, unbekannt ist, die Schrift jedoch den koptischen Buchsta bentyp belegt, zwar aus dem 6. oder 7. Jh. stammt, jedoch die ägyptische Tradition bezeugt (vgl. Thiele 25-28), überrascht ange sichts der Bedeutung des Origenes für die Textgeschichte nicht. Hinsichtlich der altlateinischen Übersetzungen stellt Thiele in aller Nüchternheit fest: »Frühe lateinische Zeugen zu Jac fehlen voll ständig« (58*). Aufgrund von Zitationen erarbeitet Thiele in der Ausgabe der Beuroner Vetus Latina verschiedene Texttypen, wobei er für die Katholischen Briefe als ältesten Text einen Typ annimmt, der von Cyprian von Karthago um die Mitte des 3. J h . vertreten wurde; der Jakobusbrief findet sich hier jedoch nicht (vgl. Thiele 58*-67 "). Die Handschrift 66, die um 830 in Corbie geschrieben wurde, enthält den vollständigen Text in enger Anleh nung an die griechischen Handschriften; sie wurde zwar schon im ersten Jahrzehnt des 5. Jh. zitiert, bleibt aber ansonsten außerhalb der Textgeschichte, geschaffen wurde sie wohl gegen Ende des 4. Jh. in Italien (vgl. Thiele 61f.*.67*). Der Vulgatatext ist nach Thiele entgegen früheren Annahmen eine Revision einer einzigen altlateinischen Übersetzung — in Anlehnung an den Text des Alexandrinus (66f.*). 20
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Überblickt man die ganze textgeschichtliche Bezeugung des Jako busbriefes, so gilt auch heute noch: »Die Textgeschichte des Briefes
ist kaum mehr völlig aufzuhellen« (Mußner 55). Die ungesicherte kanonische Geltung und die im Vergleich zu den Evangelien und Paulusbriefen wenigen handschriftlichen Überlieferungen und Zitationen sind für die Auslegung aber nicht nur negativ zu werten, da sich aufgrund der fehlenden kirchlichen Rezeption prozentual gesehen wenige wichtige Textvarianten finden. Die in der Literatur diskutierten Stellen 1,17; 2,1.18; 3,6.12; 4,2b.e.5; 5,11 (vgl. Dibe lius 90 f.) lassen sich im Sinne der Regel von der schwierigeren Lesart kontextuell oder auch traditionsgeschichtlich beantworten, so daß sich Konjekturen hinsichtlich der 26. Auflage von NestleAland erübrigen (s. u. etwa zu 1,17); auch die im Entstehen begriffene Editio critica maior zum Jakobusbrief dürfte nach Aus kunft von Barbara Aland den Text wohl unverändert bieten (vgl. auch den Bericht der Hermann Kunst-Stiftung zur Förderung der Neutestamentlichen Textforschung für die Jahre 1988 bis 1991, Münster 1992, 30-47 und 88-93 mit einem Verzeichnis der Text stellen-Lesarten zum Jakobusbrief).
c) Zur Rezeptions- und Auslegungsgeschichte bis Beda Literatur: Die Hinweise auf die Literatur zu Beda, auf seine Bedeutung für die Auslegungsgeschichte des Jakobusbriefes und wichtige Erkenntnisse bei der Auslegung verdanke ich meinem jetzigen Assistenten Matthias Karsten; im Kontext einer Dissertation erstellte er auch erstmals eine textkritische, deutsche Übersetzung zu Bedas Kommentar zum Jakobusbrief. Literatur zu Beda Venerabiiis: Angenendt, A., Das Frühmittelalter. Die abendländi sche Christenheit von 400 bis 900, Stuttgart u. a. 1990. - Brunhölzl, F., Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Erster Band. Von Cassiodor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung, München 1975, 207-228. - Fischer, B., Bibeltext und Bibelreform unter Karl dem Großen, in: B. Bischoff (Hrsg.), Karl der Große. Lebenswerk und Nachle ben II, Düsseldorf 1965, 156-216. — Hurst, D. (Ed.), Bedae in Epistolas Septem Catholicas (Corpus Christianorum, Series Latina 121) Turnhout 1983. - Ders., (Transl.), Bede the Venerable, Kalamazoo 1985. - Fischer, B., Das Neue Testament in lateinischer Sprache. Der gegenwärtige Stand seiner Erforschung und seine Bedeutung für die griechische Textgeschichte, in: ders., Beiträge zur Geschichte der lateinischen Bibeltexte, Freiburg 1986, 156-274. - Kottje, R., Beda Venerabiiis, in: M. Greschat (Hrsg.), Mittelalter I (Gestalten der Kirchengeschichte Bd. 3), Stuttgart u. a. 1983, 58- 68. — Riedlinger, H., Bibel, B. Bibel in der christlichen Theologie, I. Lateinischer Westen (2) Geschichte der Auslegung, a)-e), in: Lexikon des Mittelalters 2(1983). - Willmes, A., Bedas Bibelauslegung, in: Archiv für Kulturgeschichte 44(1962) 281-314.
Wie schwer sich auch der Jakobusbrief in der Kanongeschichte der ersten Jahrhunderte durchgesetzt hat, mit der Autorität von Hila rius, Hieronymus und vor allem von Augustinus sowie der Syn oden von Rom und Karthago ist die spätantike und frühmittelalter liche Rezeptionsgeschichte (zu Zitaten vgl. Thiele 50*-57*) bestimmt. Durchlaufende Auslegungen finden sich nicht, inhaltli che Aspekte bestimmen die Auswahl. J e jünger die Auslegungen sind, um so mehr liest man Jakobus mittels Zitaten u. a. von Hieronymus, Augustinus, Eucherius, Gregor dem Großen. Erst Beda Venerabiiis (672/3-735) macht in seinem Kommentar zu den katholischen Briefen etwa von 710 eine Ausnahme, da er bis auf wenige Verse eigenständig den ganzen Jakobusbrief streng philolo gisch auslegt und nur an 7 Stellen die Ep 167 des Augustinus zitiert (zu einer kritischen Ausgabe vgl. Hurst). Im übrigen ist Beda ein Vertreter der neuerdings vieldiskutierten »kanonischen« Ausle gung (s. o. 1), indem er unter thematischen Aspekten Jakobus von anderen Bibelstellen des A T und N T her auslegt — gemäß dem Prinzip etwa des Origenes, wonach die ganze Schrift ein einziges Buch sei (In loh 5). Auch Beda setzt (dies ist im Hinblick auf die atomistische Einzelversauslegung in diesem Jahrhundert zu beto nen) die Einheit des Jak voraus und interpretiert Einzelverse von anderen Versen des Jak (vgl. etwa zu 1,9.12.19.21; 2,14; 3,3.5.17; 4,1.4.11; 5,5f. [3mal]; 5,19f.). Damit stimmt überein, daß es nach Beda im ganzen Jakobusbrief um ein einziges Thema geht: die Lehrer (dies wird die Grundthese der Dissertation meines Assisten ten, M. Karsten, sein). Während sie im Jak nur in 3,1 erwähnt werden, rekapituliert sie Beda in 3,13; 4,17 und 5,20 (vgl. auch die Variation in 3,17 durch »Prediger«). Im Kommentar zu 4,17 lautet nach Beda die Intention des gesamten Briefes so: »Durch den ganzen Text des Briefes hat der selige Jakobus gezeigt, daß die, denen er geschrieben hat, das Wissen, Gutes zu tun, hatten und zugleich den rechten Glauben gelernt hatten, so daß sie wagten/ sich herausnahmen, auch für andere Lehrer zu werden, (daß) sie aber dennoch bisher nicht die Vollendung der Werke noch die Demut des Charakters noch die Zügelung (ihrer) Rede erreicht hatten. Von daher erschreckt er jene eben unter anderen Worten der Warnung und Mahnung nicht gerade wenig damit, daß der, der Gutes zu tun weiß und nicht tut, was er kennt, größere Schuld habe, als jener, der es unwissend außer acht gelassen hat, wenn auch jener, der unwissend geirrt hat, durchaus nicht von Schuld frei sein kann, da ja schon die Unkenntnis des Guten kein geringes Übel ist.« Auch wenn diese Adressatenangabe für den Jakobusbrief
nicht zutrifft, so zeigt diese zeit- und adressatenorientierte Formu lierung, wie stark Beda Jakobus auch als Lehrer und Ermahner für seine Mönche und Lehrer des Klosters von Wearmouth versteht (vgl. auch den bei der Auslegung eines historischen Textes unge wöhnlichen Konjunktiv Präsens in 4,14: Illud autem beatus Iacobus intulit ut doceat ...). Aufgrund dieser thematischen Geschlos senheit, aufgrund dieser Eigenzitate und aufgrund der (fast) voll ständigen Auslegung aller Verse des Briefes (einsichtige Gründe für die Auslassung einiger Verse lassen sich noch nicht angeben) kann man Beda einen Vertreter der kompositionellen Auslegung des Textes als literarische und thematische Einheit nennen. Daß Beda selbst bei seinem Verständnis der ganzen Schrift als Einheit durch aus Spannungen sieht, bleibt festzuhalten; im Hinblick auf das Verhältnis von Jakobus und Paulus und die hier und dort unter schiedlich akzentuierte These von der Rechtfertigung durch Glau ben bzw. durch Werke ist schon hier (ausführlicher s. u. e) auf seine adressatenorientierte Lösung hinzuweisen, die vor ihm noch nie jemand so vertreten hatte. Für die Rezeptionsgeschichte des Jakobusbriefes von Augustinus zu Beda Venerabiiis stellt Staab mit Recht lakonisch fest: »Von Augustinus ist kein Name mehr zu nennen bis Beda« (Katenenkommentare 353). Wie Chrysostomus im Osten, so war im Westen Augustinus der von allen anerkannte maßgebliche Interpret. Als Autorität erkennt ihn auch Beda noch an, wie die genannten Zitate zeigen; doch während in den übrigen Kommentaren Augustinus nicht anders wie Hieronymus oder Gregor der Große zitiert wird, also eine Autorität unter anderen ist, zitiert Beda im Kommentar zum Jakobusbrief nur Augustinus. Auch in der Methodik geht Beda eigene Wege, da er bei der Auslegung des Jakobusbriefes nicht die alexandrinisch-allegorische, sondern die antiochenischphilologische Auslegung betreibt (zu diesem Ansatz bei Beda vgl. Willmes 290-305). Zwar ist Beda »wohlorientiert in den Werken der Kirchenväter«, aber dennoch in Methodik und Textverständnis bei der Auslegung des Jakobusbriefes sehr selbständig, die keines wegs von »vielen allegorischen und moralischen Deutungen« (so Beiser 27; ähnlich global noch Brunhölzl 222) geprägt ist; letzteres trifft wohl für die Auslegung der alttestamentlichen Texte und der Evangelien zu, für seine gesamte Bibelerklärung aber gilt: »Sie unterscheidet sich von den meisten Werken der lateinischen Kir chenväter, die ihm als Quellen dienen konnten, durch eine über wiegend nüchterne, klare Sprache und durch sein Bemühen, den Text vor allem sachlich zu erklären (ad litteras), nicht nur geistlich
zu deuten« (Kottje 64). Allegorische Deutungen finden sich in der Auslegung des Jakobusbriefes nur zu 3,12; 4,4 und 5,7, wo sich zudem ein metaphorisches Verständnis nahelegt, wobei jedoch auffällt, daß Beda fast widerwillig dieser Spur folgt (vgl. etwa zu 3,12: »Aber wenn einer will, daß dies tiefergehend erörtert wird, kann in dem Feigenbaum ...«). Hier und da führt Beda einen Vergleich verschiedener handschriftlichen Überlieferungen durch und erwähnt als Gegenmeinung »gewisse Codices« (vgl. etwa zu 3,3.5 [2mal]; 4,5; 5,19f.; zum Gesamtbefund vgl. Thiele 56*), vergleicht aber auch den lateinischen Text mit dem der griechischen (so in 5,20) oder sogar mit der hebräischen Überlieferung (so in 4,6 und spricht in 3,15 von der Graeca auctoritas). Da Beda Altes und Neues Testament als kanonische Einheit ver steht, wechseln aufgrund semantischer Assoziationen Zitate aus dem A T und N T mit fast gleich großem Anteil ab; ca. 33 Zitate (gemäß den Anmerkungen bei Hurst, bei dem die Zahl schwankt, je nachdem, ob ein wörtliches Zitat oder nur eine Anspielung vorliegt) stammen aus der Weisheitsliteratur (Spr, Ijob, Ekkl, Weish und Sir). Dennoch interpretiert Beda den Jakobusbrief nicht weisheitstheologisch, auch wenn er bereits zu 1,5 Sir 1,1 (»Alle Weisheit ist von Gott dem Herrn und bei ihm ist sie immer gewesen«) anführt und dabei Sirach wie Jakobus als theologische Autoritäten gegen die zu seiner Zeit vielleicht besonders lebendigen Vorstellungen von der mönchischen Vollkommenheit anführt (»Niemand vermag durch freien Willen ohne die Hilfe der göttli chen Gnade, mögen auch die Pelagianer viel darüber streiten, Einsicht gewinnen und weise sein«). Dieser Hieb gegen die Pelagia ner mag damit zusammenhängen, daß nach den Experten für die altlateinischen Übersetzungen für die katholischen Briefe »eine einzige UrÜbersetzung anzunehmen« ist und daß es »beachtliche Argumente dafür« gibt, den »Autor mit Rufinus dem Syrer zu identifizieren« (Fischer, Der gegenwärtige Stand 191 f.), da Hiero nymus nur die Evangelien übersetzte (ebd. 220.260). Rufin der Syrer, »Schüler des Hieronymus und >Vater des PelagianismusDer glawb on werck ist todt.< Das ist, weyll die werck nicht folgen, ist's eyn tzeychen, das keyn glaub da sey, szondern eyn todter gedancke und trawm, den sie falschlich glawben nennen« (Heinz 145 mit Zitat aus WA 10 III, 288,3 ff.). Daneben finden sich, dies ist nicht zu leugnen, auch weiterhin abfällige Bemerkungen (zu Stellen vgl. Bergauer 89 f.), so daß Luther nicht, wie Lutheraner im 17. Jh. meinten (vgl. Kawerau 367f.), nach 1526 die theologische Relativierung des Jakobusbriefes im Verhältnis zu Paulus stillschweigend zurückgezogen hat (vgl. TR 5,157.382.414), auch wenn die unten folgenden kritischen Äußerungen aus der Zeit der polemischen Auseinandersetzungen, wie sie sich in der Vorrede zum N T und in der speziellen Vorrede zum Jakobusbrief von 1522 in der Ausgabe des N T von 1546 finden, nicht mehr belegt sind. Nach den vielzitierten Sätzen aus der allgemeinen Vorrede zur Septemberbibel von 1522 sieht Luther im Jakobusbrief »eyn rechte stroern Epistel gegen sie QohEv, Rom, Gal, Eph und 1 Petr], denn sie doch keyn Euangelisch art an yhr hat« (WA, D B 6,10). In der speziellen Vorrede zum Jak heißt es zwar zunächst etwas doppel-
deutig: »Die Epistel Sanct Jacobi ... lobe ich vnd halt sie doch für gutt, darumb, das sie gar keyn menschen lere setzt vnd Gottis gesetz hart treybt«, was jedoch im reformatorischen Sinn negativ zu interpretieren ist, da »sie stracks widder Sanct Paulon vnnd alle ander schrifft den wercken die rechtfertigung gibt«. Der Jak kann somit keine Schrift eines Apostels sein, denn im Vergleich zu allen anderen Schriften, die »alle sampt Christum predigen vnd treyben«, stellt Luther zum Jak fest: »Aber diser Jacobus thutt nicht mehr, denn treybt zu dem gesetz vnnd um synen wercken« (WA, D B 7, 384f.). Ohne Zweifel bleibt das paulinische Evangelium Norm aller Theo logie für Luther (WA 12, 259), die Christologie des Paulus der Maßstab für ihre Dignität im Kanon. Bekanntlich hat Luther den Jakobusbrief aber nie zu einer deuterokanonischen Schrift erklärt, die Stellung der Schriften im Kanon aber davon abhängig gemacht, ob sie »Christum predigen vnd treyben. Auch ist das der rechte prufesteyn alle bucher zu taddelln, wenn man sihet, ob sie Chris tum treyben, odder nit ... Was Christum nicht leret, das ist nicht Apostolisch« (Vorrede zum Jakobusbrief). Da dies ein grundlegen des Problem in der katholischen und evangelischen Theologie ist, sei das Verhältnis von Jakobus und Paulus im folgenden Unter punkt eigens kurz skizziert. Zuvor sei aber abschließend nochmals daran erinnert, daß der biographische Kontext, wie die ähnliche kirchenpolitische Situa tion bei Zwingli und Calvin mit einer anderen Lesart des Jakobus briefes zeigt, Teil der Theologie ist, so daß die jakobuskritischen Äußerungen Luthers nicht systematisch überinterpretiert werden dürfen (dieser Gefahr erliegt Mußner 42-45). Es ist sowohl an Luthers Sermon von den guten Werken wie auch an seinen Kleinen und Großen Katechismus zu erinnern, aber auch an das Augsbur ger Bekenntnis von 1530 (vgl. Art. 20: »Den Unseren wird zu Unrecht nachgesagt, daß sie gute Werke verbieten ...«). Zu erin nern ist auch an Luthers Vorlesung zum Römerbrief von 1515/16 oder zum Galaterbrief von 1516/17, in denen er durchaus Paulus und Jakobus — mit der Tradition — harmonisieren konnte (s. u.). Mit diesen Hinweisen soll die fundamentale reformatorische Grundentscheidung Luthers keineswegs nivelliert werden, jedoch sollte an das Postulat einer historisch-kritischen Aufarbeitung auch der spannungsvollen theologischen Aussage Luthers und der ande ren Reformatoren erinnert werden, bei dem — parallel zur paulini schen Theologie — der Glaubensentwurf weder systematisiert noch auf Vorreden zu Bibelausgaben reduziert werden sollte. Dies
schmälert keineswegs die theologiegeschichtliche Bedeutung des einen oder anderen. Katholisches und reformatorisches Glaubens-, Menschen- und Wirklichkeitsverständnis sind weiter. Im Hinblick auf Luther bestätigt dies die weitere Rezeption des Jakobusbriefes nicht nur etwa bei Zwingli (vgl. dazu SchmidtClausing 575-580) und bei Calvin in seinem Jakobuskommentar von 1550 (»Es gibt auch heute Leute, die behaupten, dieser Brief entbehre der rechten Autorität. Ich für meine Person, der ich keine gerechte Ursache des Tadels an ihm finde, benutze ihn gern und ohne eine Kontroverse«; Zitat nach Schmidt-Clausing 581), son dern auch in der weiteren Rezeption im 16. J h . (vgl. Kawerau), aber auch in der Folgezeit (vgl. Meinem, Luthers Kritik; ausführ licher ders., Jakobusbrief). Daß vom 19. Jh. an im Zuge der historisch-kritischen Exegese die dogmatischen Urteile nicht auf hörten, aber — letztlich erst in unserem Jahrhundert (vgl. Franke mölle, Gesetz 192-198) — immer mehr durch historische und sprachliche Gründe verdrängt wurden, sei abschließend positiv erwähnt. Auch in der Einleitung dieses Kommentars (s. o. 2.1) wird die These vertreten, daß nicht der Apostel Jakobus der Verfasser sein kann, aber dennoch der Jakobusbrief durchaus kanonisch ist. Ebenso bestätigt die traditionsgeschichtliche Einbin dung des Jakobusbriefes, daß der Brief sehr wohl eine (weisheitli che) Theologie enthält, ebenso bestätigt der handlungsorientierte Ansatz, daß die Theologie des Jakobus durchaus nicht nur neben dem paulinischen Evangelium bestehen kann, sondern sogar unver zichtbar ist für die neutestamentliche Verkündigung.
e) Das Verhältnis von Jakobus und Paulus in der Rezeptionsgeschichte Literatur: s. o. zu b) und c). Außerdem: Bartmann, B., St. Paulus und St. Jacobus über die Rechtfertigung, Freiburg 1897. — Zu weisheitlichen Aspekten und Traditionen in den paulinischen Briefen vgl. Schräge, W., Der erste Brief an die Korinther. 1. Teilband, Zürich u. a. 1991, 127-165 (ebd. 127 Literatur!). - Theis,]., Paulus als Weisheitslehrer. Der Gekreu zigte und die Weisheit Gottes in 1 Kor 1-4, Regensburg 1991. — Wilckens, U., Der Brief an die Römer. 1. Teilband, Zürich u. a. 1978, 127- 146.250257.
Das Verhältnis Jakobus—Paulus ist ein Problem der Rezeptionsge schichte, vor allem nach der reformatorischen Wende bei Luther (s. o.); daher wird es hier in der Einleitung behandelt (zur Recht fertigung s. u. den Exkurs 8). Dies heißt nicht, daß Paulus und Jakobus keine unterschiedlichen theologischen Entwürfe vertreten haben, woraus aber sachlich kein Widerspruch konstruiert werden darf (zur Begründung vgl. schon Bartmann 140-151; aus neuester Zeit vgl. MacArthur, Faith, bes. 33 f.). Bevor die Frage einer Abhängigkeit des einen vom anderen zur Stelle oder gar der Polemik des Jakobus gegen Paulus (so wieder dezidiert Hengel, Jakobusbrief) zu behaupten ist, sind die verschiedenen Briefe in rhetorischer und handlungsorientierter Exegese zu würdigen. Von dieser Voraussetzung her stellt man wohl unterschiedliche themati sche Positionen fest, die aber als Reaktion auf verschiedene Adres satenkreise zu interpretieren sind. Diese Einsicht ist nicht neu (s. u.), auch wenn Theologen die Unterschiede zwischen Paulus und Jakobus in der Regel nur thematisch erklärten — unter der stillschweigenden Voraussetzung der Einheit des Kanons. Maßgebend für die Rezeptionsgeschichte der westlichen Kirche wurde die Deutung von Augustinus, der als erster von den Kir chenvätern des öfteren auf die unterschiedlichen Aussagen des Paulus und Jakobus eingeht (zu den Stellen vgl. Bergauer 51- 53). Augustinus unterscheidet zwischen den opera quae fidem praecedunt, womit sich Paulus beschäftige, und den opera quae fidem sequuntur, um die es Jakobus gehe (Bergauer 83.87). Im griechi schen Osten unterscheidet — unabhängig von Augustinus — Johannes Chrysostomus (gest. 407) den Glauben vor der Taufe, von dem Paulus spreche, und den Glauben nach der Taufe, um den es Jakobus gehe (Bergauer 83 f.). Wie Chrysostomus im Osten, so wurde Augustinus im Westen für die Verhältnisbestimmung von Paulus und Jakobus maßgebend. Nach beiden wird Abraham nach Paulus durch den Glauben ohne Gesetzeswerke gerechtfertigt, während Jakobus betont, daß aus dem Glauben Abrahams die guten Werke notwendig folgen, so daß Jakobus demonstriert, wie Paulus logischerweise zu verstehen ist (PL 40,88). Eine Ausnahme in dieser Deutung bis zum Mittelalter macht lediglich der eigenständige Bibelinterpret Beda, der in dieser Frage Jakobus gleichsam handlungsorientiert und adressatenorientiert interpretiert, während er im übrigen den Auslegungen Augustins folgt. Zunächst betont Beda in der Auslegung von Jak 2,15-17, »daß nur wahrhaft glaubt, wer durch Tun ausübt, was er glaubt«, dem er Paulus mit einem Zitat aus Gal 5,6 zustimmen läßt
(»Glaube, der durch die Liebe wirksam wird«). Hinsichtlich des Abraham-Beispieles in 2,20 f. und in Rom 3,28 geht Beda von Anfang an von den Rezeptionsmöglichkeiten der Hörer aus (non bene intellectus est ab eis qui sie dictum aeeeperunt, ...) und betont, daß Paulus sich gegen Juden wendet, die »sagten, sie seien durch die Verdienste der guten Werke, die im Gesetz stehen, zur evangelischen Gnade gelangt«. Jakobus »provoziert freilich ebenso jene, die von den Juden geglaubt hatten, daß sie gleichsam wie gute Nachkommen den Taten ihres ersten und großen Stammvaters folgten... und daß sie ihren Glauben durch Werke bestätigen sollten«. Daraus folgt für Beda, daß sowohl Paulus wie Jakobus davon überzeugt waren, daß Abraham ebenso im Glauben wie in den Werken vollkommen war, auch wenn sie unterschiedliche Akzente herausstellten, so wie sie es im Hinblick auf ihre Adressaten meinten tun zu müssen: »In ein und derselben Tat des seligen Abraham lobte nämlich Jakobus die Großartigkeit von seinen Werken (des Abraham), Paulus die Bestän digkeit seines Glaubens. Dennoch hat Paulus nicht eine von Jakobus verschiedene und abweichende Auffassung vertreten. Beide wußten nämlich, daß Abraham sowohl durch Glauben als auch durch Werke vollkommen war, und deswegen hat jeder von ihnen jene Tugend dort mehr hervorgehoben, wo er sah, daß seine Hörer mehr Bedarf haben. Weil nämlich Jakobus jenen schrieb, die einen ohne Werke nutzlosen Glauben vertraten ...« Dort, wo Beda zu 2,22 f. die Wendung »aus Werken wurde der Glaube vollendet« auslegt, interpretiert er den Glauben ganz in der Tradition Augustins und sieht beide in Übereinstimmung mit Paulus, der »sehr entschieden« und »handfest« den Römern gelehrt habe, »daß die Tugend des Glaubens so groß ist, daß sie sogleich nach dem Empfang seiner Geheimnisse aus einem ruchlosen einen gerechten Menschen machen kann« (vgl. Rom 4,5). Durch Werke wurde der Glaube Abrahams »geprüft, wie vollkommen er in seinem Herz sei.« Adressatenorientiert stellt Beda klar: »Wenn einer in der gegenwärtigen Zeit kürzlich zum Glauben gekommen ist, die Taufe empfangen hat und sich vorgenommen hat, mit ganzem Herzen den Geboten Gottes zu dienen, bald (aber) aus diesem Licht geschieden ist, ist er durchaus durch Glauben ohne Werke gerechtfertigt geschieden, weil er die Zeit zum Handeln, in der er den Glauben beweisen könnte, nicht gehabt hat, weil Gott selbst, an den er geglaubt hat, es so eingeteilt hat; aber denen, die nach Empfang der Sakramente lange Zeit weiterleben, und sich nicht darum bemühen, gute Werke eifrig zu betreiben, denen muß eingeschärft werden, was der selige Jakobus, nachdem er das
Beispiel des Glaubens und zugleich der Werke Abrahams vorgelegt hatte, anfügt ... Wenn er (Jakobus) sagt >aus WerkenVollkommen< nach Jakobus« nach 3,5b), sei bereits hier auf die Verbindung von »vollkommen« mit anderen tragenden Begriffen des Briefes hingewiesen (1,4: vollkommenes Werk; vgl. 2,22; 1,17: vollkommenes Geschenk; vgl. 1,5; 3,17; 2,22: vollende ter Glaube; vgl. 1,6; 1,25: vollkommenes Gesetz; vgl. 2,8.10; 3,2: vollkommener Mann). Mit dem Begriff teleios (Bauer — Aland 1613f.: vollständig, voll endet, vollkommen) nimmt Jakobus (s. u. den Exkurs nach 3,5b) einen zentralen ethischen Begriff der literarischen Tradition und des Sprachgebrauches seiner Zeit auf (AT, Philo, Qumran, rabbinische Literatur - Piatonismus, Aristotelismus, Stoa, Mysterienreli gionen; zu Stellen: G. Delling: T h W B N T 8, 1969, 68-74). Auf grund seiner Verbreitung spielt der Begriff auch in der urchristli chen Literatur eine wichtige Rolle (vgl. Mt 5,48 als Zusammenfas sung der Antithesen in 5,21-47 und als Summe der Erfüllung der Tora von 5,17.20: »Seid also vollkommen wie euer himmlischer Vater vollkommen ist«; zu den Christen als den »Vollkommenen« vgl. auch 1 Kor 2,6; zur Kirche als »vollkommener Mensch« vgl. Eph 4,13). Im Vergleich zu den anderen neutestamentlichen Autoren ist jedoch für Jakobus teleios »ein Schlüsselwort« (H. Hübner:
E W N T 3, 1983, 824; Zmijewski 52ff.), allerdings in Verbindung mit seinen Synonymen und Antonymen, d. h. insgesamt mit sei nem Wortfeld (vgl. den Exkurs nach 3,5b). Da der Aspekt der kultischen Fehlerlosigkeit (vgl. z. B . Ex 12,5) für Jakobus entfällt, meint der Begriff wie in der L X X in bezug auf Personen den Aspekt der ethischen Rechtschaffenheit und Ungeteiltheit. Lautet Dtn 18,13 in der hebräischen Überlieferung: »Du sollst ungeteilt bei dem Herrn, deinem Gott, bleiben«, so in der griechischen: »Du sollst vollkommen sein vor dem Herrn, deinem Gott« (ähnlich in 1 Kön 9,4 f. u. a.). Damit stimmt auch die Stoa überein, wonach der »ein vollkommener Mann« ist, der alle Tugenden hat und verwirklicht (von Arnim, Fragmenta III 73, Nr.299), wobei zu beachten bleibt, daß die jüdische Weisheitstheologie und Philo (vgl. Abr 52 ff.) kräftige Anleihen in diesem Kontext bei der Stoa gemacht haben (siehe Pohlenz I 369-378; II 181-184 mit einer Fülle von Übereinstimmungen). So schildert Philo die Patriarchen als »Vollkommene« in stoischer Terminologie (zu Abraham, Isaak und Jakob als Repräsentanten des teleios bei Philo vgl. Winter 98112), interpretiert sie jedoch vom jüdischen Glauben her, da »das Vertrauen zu Gott« ebenfalls zu den Tugenden zählt (Belege bei Winter 102). Die aus der Scholastik bekannte, auf Aristoteles zurückgehende Definition der Vollkommenheit: perfectum cui nihil deest liegt Jakobus fern, wie vor allem 3,2 verdeutlicht: »In vielem verfehlen wir uns alle. Wenn einer sich im Wort nicht verfehlt, ist dieser ein vollkommener Mann.« Dagegen heißt es bei Aristoteles Metaph IV 16 p 1021b, 12f.: »Vollkommen ist das, bei dem kein Teilchen außerhalb seiner ist« (darum kann teleios von Aristoteles auch parallel zu holos: ganz/ungeteilt gebraucht werden: Phys III 6 p 207a, 9-13; zu weiteren Stellen: T h W N T 8, 1969, 69). Mit der Stoa und der frühjüdischen Weisheitsliteratur sieht Jakobus die Begründung der menschlichen Vollkommenheit (4b) in der Verwirklichung vollkommenen, ungeteilten, sittlich-ethischen Tuns (4a). Kennzeichnend für ihn ist jedoch die Ermöglichung und Begründung menschlicher Ganzheit und Vollkommenheit im Sein und Handeln Gottes selbst (vgl. zu 1,5)! Das »vollkommene Werk« sind in 4a nicht die Christen selbst (so Dibelius 102; Mußner 66). Was für den Weisen in 3,13 gilt (»Wer ist weise und wohlunterrichtet bei euch? Er zeige aus dem guten Lebenswandel seine Werke in der Sanftmut der Weisheit«), gilt auch für das Verhältnis von »vollkommenem Werk« und den Christen als den »Vollkommenen« in l,4a.b. Dieser sittliche, das ungeteilte Tun der
Christen akzentuierende Aspekt (vgl. 8a) verbietet es auch, daß Jakobus beim »vollkommenen Werk« »an das kommende Leben denkt, zu dem man nicht mit einem >halben< Werk erscheinen soll« (Mußner 67). Nicht nur die weisheitliche Tradition und der Kon text, auch das Verbum im Präsens in 4b: »damit ihr (jetzt, dauernd) vollkommen seid« schließt einen futurisch-eschatologischen Klang in 1,4 ausdrücklich aus. Auch die Rede vom »eschatologischen Perfektionismus« (ebd.) ist schon vom Begriff »Perfektionismus« her im Kontext von 3,2 fragwürdig (Zmijewski 53). Biblisch geprägte Vollkommenheit meint »keinen Perfektionismus (vgl. 3,2), sondern die Ganzheit, die Ungeteiltheit (vgl. 5. Mose 18,13; l.Kön. 15,3), freilich in vollkommenem Wandeh (1 QS 1,8; 3,9 u.ö.). Um das Durchhalten dieser Ganzheit des Glaubens geht es letztlich in der Anfechtung« (Schräge 16). Daß die Motivation, die Blickrichtung bei Jakobus insgesamt sich eschatologisch wendet (1,12), bleibt festzuhalten. Auch dies ist unstoisch, aber jüdisch vorgegeben (s. u. zu 1,12). Dazu fügt sich, daß entgegen dem stoischen Ideal der Ataraxia, der unerschütterlichen inneren Ruhe und Unbeeinflußbarkeit gegen über den Widerständen auf dem Weg zur ethischen Vollkommen heit, Jakobus zum Durchhalten und positiv zur Verwirklichung der Vollkommenheit in und trotz aller Anfechtungen auffordert. Der Christ bleibt unter der Anfechtung, spürt sie, soll sie ertragen und seinen Glauben gerade in ihr bewähren. Ganz und gar unsto isch ist auch die Aufforderung, daß der so Angefochtene (mit Philo) Gott um die Beseitigung dieses Mangels bittet (5b). Unvollkommenheit ist nach Jakobus ein Zeichen für Mangel an Weisheit. Dessen Aufhebung muß wie in der Weisheitsliteratur von Gott erbeten werden (vgl. Sir 1,1; 1,26; 17,11; 24,2f.; 39,6; Weish 7,7.15; 8,21; 9,2.4). »Grundlegend für das Verständnis von Weis heit im Jak ist der Gedanke, daß sie keine Eigenleistung des Menschen als selbstmächtiger Verwirklichung ist und so allein in menschlichem Bemühen begründet wäre, sondern nur als Gabe von Gott erbeten werden kann« (Hoppe, Hintergrund 33). Die alttestamentlich-jüdische Jahwe-Tradition als leitende Perspektive des Jakobus ist überdeutlich, was auch durch die Bindung an die Erfüllung der Tora unterstrichen wird. »Vollkommen« ist ein Qualitätsbegriff, er meint bei allen Bedeu tungsnuancen die sittliche und religiöse, auch kultische (vgl. Lev 1,10; 3,6) Integrität des Menschen, die ungebrochene Ganzheit seiner Beziehungen zu Gott. Darum ist »Herr« ein mit Vorzug dem Wortfeld teleios zugeordnetes Substantiv in der L X X (Prümm
81; zu Stellen vgl. 1 Kön 11,4; 15,3.14). Die »Vollkommenheit« ist im A T immer aktiv und dynamisch, sie wird nicht auf dem Wege der Kontemplation in Erinnerung an die Ideenwelt (so Plato, Phaedr 249c), sondern durch Tun erlangt (vgl. du Plessis 101 f.). Dies jedoch nicht im Sinne einer immer perfekter werdenden Erfüllung der Tora wie in Qumran (vgl. 1 QS 4,22; 1 Q H 1,36). Dort zeigt der Kontext mit »vollkommen« deutlich, »daß es sich auf die totale Erfüllung des Willens Gottes« in der Interpretation der Gemeinde bezieht (Delling 74; ebd. 73 f. eine Fülle von Bele gen). Jakobus versteht »vollkommen« nicht im Sinne des Quanti tativen (so de Vries 160), sondern des Qualitativen, er interpretiert das Gesetz vom Liebesgebot her (zum »vollkommenen Gesetz der Freiheit« in 1,25 s. u.). Mit diesem Verständnis stimmt Jakobus ganz mit Matthäus überein (vgl. Frankemölle, Jahwe-Bund 286293). 4b: Nicht Vollendung, Ungeteiltsein im Sinne der »Persönlich keitsintegration« (Barkman, Mensch 38) wie bei teleios, sondern Vollständigkeit ist bei holokleros in 4b gemeint. Dieses Adjektiv bezeichnet »ein Ding seinem Umfang nach als >vollständigeinfache GebenZüge einer Schöpfung in der Schöpfung< bzw. einer >Neuschöpfung< Israels und seiner gesamten Lebenswelt durch J H W H « an sich trägt (Janowski 63), und zwar im Sinne einer »Verwandlung der Welt als Raum konkret erfahrba rer Gottesnähe« (ebd. 67). Für das N T ist etwa hinzuweisen auf die Konzeption in der Offenbarung des Johannes: »Die Spitze der Neuschöpfungsaussagen ist ekklesiologisch bestimmt.« Danach wird die Neuschöpfung im Bild von der neuen Stadt beschrieben »als heilvoll gegliedertes Miteinander von Menschen« (Roloff 138). Diese Hinweise zeigen, daß auch in anderen Schriften der Bibel der Gedanke der Schöpfung bzw. Neuschöpfung geschichtstheologisch bzw. ekklesiologisch verwendet wird. Kultische und tauf theologische Vorstellungen drängen sich auch für Jakobus in 1,18 nicht auf (vgl. auch 2,7). Das Ende des Prologes ist wie seine gesamte Grundstruktur theozentrisch, nicht tauftheologisch. Vergleichbar (ohne daß gegenseitige Abhängigkeit besteht) ist die Konzeption in 1 Petr: »Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben« (1,3). »Verlangt, gleichsam als neugeborene Kinder, nach der unverfälschten, geistigen Milch, damit ihr durch sie heranwachst und das Heil erlangt« (2,2). In der Arche Noachs »wurden nur wenige, nämlich acht Menschen,
durch das Wasser gerettet. Es rettet auch euch jetzt im Gegenbild der Taufe« (3,20b.21a). Hier ist die Taufe Gegenbild zur Sintflut und nicht zur Schöpfung. Die Taufe ist in 1 Petr nicht ein Hauptge danke; eine liturgische bzw. tauftheologische Interpretation des ganzen 1 Petr legt sich daher nicht nahe (vgl. Frankemölle, 1 Petr 18f.; anders Popkes 137-139). Das mit Rückerinnerungen an die Taufe in neutestamentlichen Schriften (vgl. Kol 1,10; Eph 2,10; 4,21-24; 5,26) argumentiert wird, bleibt unbenommen, jedoch wird an sie nirgendwo zu Beginn eines Briefes oder an Stellen, in denen das grundlegende Heil thematisiert wird, erinnert — auch dort nicht, wo von der neuen Schöpfung, vom Wort der Wahrheit oder von den Christen als Erstlingsgabe gesprochen wird (vgl. 1 Kor 1,17; 2 Kor 5,17-21; Gal 4,4-7; 6,15; Rom 8,14-23; Joh 1,13; 3,5-8; 8,47; 1 Joh 3,1.9). Jakobus steht hier in Übereinstimmung mit Paulus, Petrus, Johan nes und den übrigen Zeugen des N T ; sie alle betonen das wirklich grund-legende Handeln Gottes und die grundlegende Bedeutung des Glaubens als Hinwendung zu Gott, und erst in diesem Kontext kann sich die Rückerinnerung an die Taufe als sinnvoll erweisen. So auch im Jak (s. u. zu 2,7). Am Ende des Prologes geht es um das theozentrisch orientierte Grund Verständnis der Christen. Dies wird in der nächsten kleinen Einheit 1,19-27 bestätigt: Christen haben das von Gott »eingepflanzte Wort« (21b) anzunehmen, da ihr Heil davon abhängt (21c); sie haben aber nicht nur das Wort aufzunehmen, sondern es auch zu tun (22a), sich also entsprechend dem Gnadenangebot Gottes als Geschöpfe Gottes zu verhalten. Aufgrund der assoziativen Weiterführung der bei Jakobus üblichen Amplifikation der Gedanken wird vom Kontext her noch einmal die vorgelegte Deutung von 1,18 bestätigt. Dieser Vers ist ein Element der gegenseitigen Verschränkung von Menschenbild und Gottesbild im Jakobusbrief. Dazu einige zusammenfassende Bemerkungen.
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Im Unterschied zur Christologie des Jakobusbriefes (s. u. den Exkurs nach 2,1) fehlt Literatur zum Gottesbild des Jakobus (im Gegensatz zu Konzeptionen anderer neutestamentlicher Theologen). Dies ist um so erstaunlicher, da die Zahl an theozentrischen Stellen im Vergleich zu christologischen unvergleichlich groß ist. Dabei bleibt zu beachten, daß wie in anderen neutestamentlichen Stellen die Christologie nicht mit der Theo-
logie konkurriert, sondern Teil von ihr ist, so daß als Ergänzung dieses Exkurses jener über die Christologie zu lesen ist. Dies vor allem auch deswegen, weil Jakobus vor allem im Epilog mit dem Hoheitstitel »Herr« die Grenzen fließend sein läßt und gerade dadurch die besondere Beziehung Jesu zu Gott umschreibt. Im Kontext seines Bekenntnisses zum strengen Monotheismus (2,19; 4,12) garantiert Jakobus erst die Einheit seines Glau bens an Gott und den Herrn Jesus Christus (vgl. 1,1). Darin stimmt Jakobus mit den übrigen neutestamentlichen Theologen überein. Auch bei der Frage des Verhältnisses von Anthropologie und Theo-logie, näherhin von menschlichem Sein und Handeln zu göttlichem Sein und Handeln denkt Jakobus (mit anderen neutestamentlichen Theologen) gut biblisch, setzt aber vom Prolog seines Briefes an diese Korrelation thema tisch ausführlicher ein, wodurch erst der handlungsorientierte Aspekt der theo-logisch begründeten Anthropologie des Jakobus seine eigentliche Ermöglichung findet. Gerade in der semantisch exponierten Stellung des Prologes in 1,2-18 betont Jakobus die Korrelation von Anthropologie und Theo-logie. Ohne Gottes Sein und Handeln als unaufgebbare Vorausset zungen sind für Jakobus anthropologische und ekklesiologische Aussagen undenkbar. Allerdings geht Jakobus hier nicht von einer christologischen Engführung aus, so daß für ihn der auf das ganze Neue Testament gemünzte Satz: »Bei der Explikation anthropologischer Aussagen ist ... deren Verankerung in der Christologie und Soteriologie stets mitzubedenken« (Schnelle 6) nicht zutrifft; auch hinsichtlich des Bildes des Menschen in der Verkündigung Jesu (ebd. 13-43) und in der johanneischen Theologie (134-170) wäre das an der paulinischen Theologie gewonnene leitende Erkenntnisprinzip um die schöpfungstheologische und weisheitstheologi sche Aussage zu ergänzen. Bei der schöpfungstheologisch begründeten und eschatologisch motivierten Anthropologie ist Jakobus nicht mit Paulus, sondern eher mit der eschatologischen Ethik Jesu zu vergleichen, in der die Gottesherrschaft als Handlungsprinzip fungiert (vgl. Merklein, G o t t e s herrschaft 4 7 - 1 0 7 ; Schräge, Ethik 23-45). Auch für Jakobus gilt: Die inhaltliche Strukturierung des christlichen Seins und Handelns erschließt Jakobus aus dem Sein und Handeln Gottes selbst. Grundgelegt ist diese handlungsorientiert verstandene Korrelation (vgl. Frankemölle, Gespalten oder ganz) in der bislang vernachlässigten Erkenntnis, daß der Jakobusbrief ein theozentrisches Schreiben ist und Jakobus dezidiert eine durchdachte und in sich stimmige Theo-logie als Basis seines gesamten Briefes vertritt. Daß Gott der eigentliche Handelnde ist, menschliche Existenz und mensch liches Handeln überhaupt erst ermöglicht, belegt der gesamte Brief in vielfacher Weise. 1. Wichtiger als die Erkenntnis, daß der Begriff »Gott« 16mal im Brief belegt ist, sind die inhaltlichen Aussagen. Hier gilt es zu differenzieren und vor allem auch zu sehen, daß innerhalb der Satzkonstruktionen das Subjekt »Gott« ungenannt in Gliedsätzen beim Verbum — sei es ein Verbum finitum oder ein Partizip — weiter vorausgesetzt wird; dies gilt auch für das »theologische Passiv«. Im einzelnen sind zu notieren: Im Präskript
umschreibt Jakobus sein Selbstverständnis und seine Sendung von Gott her (»Gottes und des Herrn Jesu Christi Knecht«); wo ein »Knecht«, dort auch ein »Herr«. Was sonst noch an Assoziationen bei »Gott« mitschwingt, ist im biblischen Horizont offen zu lassen; die Theozentrik des Schreibens ist aber von Anfang an gewahrt und nicht herunterzuspielen. Nach 1,5 sollen die Adressaten die Aufhebung des Mangels an Weisheit »von Gott« erbitten — in der sicheren Gewißheit: »... und sie wird ihm gegeben werden« (theologisches Passiv). Dies ist ebenso christliche Grundhaltung (vgl. Mt 7,7 par Lk 11,9; Mt 21,21 par Mk 11,23f.) wie jüdisch in der Weis heitsliteratur vorgegeben; demnach kann der Mensch die Weisheit nicht selbst erwerben, vielmehr nur von Gott erbitten (Weish 7,7; 8,21; 9,4 u.ö.). Programmatisch formuliert Sirach in der Uberschrift: »Alle Weisheit stammt vom Herrn« (1,1). Zur Charakterisierung von Gottes Handeln fundamental wichtig sind die beiden Partizipien in 1,5c, wonach Gott »allen vorbehaltlos/einfach und ohne zu nörgeln gibt«. Diese Aussage ist nicht nur in der Textstruktur formal auffällig (s. o.), sondern paßt auch zum weisheitlichen Denkansatz (vgl. Sir 13,8; 18,15.18; 20,14f.; 41,22). Allerdings ist die Aussage, daß Gott »einfach« gibt, innerhalb der Bibel singulär. Jakobus dürfte den Gedanken daher redaktionell geformt haben als Gegensatz zu dem vom unbeständigen und gespaltenen Menschen mit zwei Seelen (1,8). Hier zeigt sich nicht nur die theologische Sprachkraft des Jakobus, sondern auch sein theologischer Denkhorizont. Wenn Gott wirk lich der Geber »jeder guten Gabe« (s. o. zu 1,17a) ist, dann kann nicht nur der Mangel an Weisheit nur von Gott aufgehoben werden, sondern auch der Mangel an »Glauben« (1,6a), da der zweifelnde Mensch nicht meinen soll, »er werde etwas vom Herrn empfangen« (1,7b). Hier wird die anthropologische und theo-logische Grundlage des Jakobus deutlich und eine Antwort auf die Frage gegeben, wie es denn dem Menschen gelingen kann, »ein vollkommenes Werk zu haben« (1,4a) und selbst »vollkommen und ganz« zu sein (1,4b). Aus eigener Kraft vermag der Mensch dies nicht, dies ist ganz Gottes Geschenk. Dabei ist Gottes Geben vorbehaltlos. Er kennt - im Unterschied zu weisheitlichen Aussagen (vgl. Sir 7,10; 18,15ff.; 20,14f.; 41,22) - keine Vorbedingungen und keine Anrechnungen. Wenn der Mensch bittet, gibt Gott; dies ist theologisch gesprochen der Gedanke der gratia gratis data. Die Motivation für diese erstaunlichen Gottesprädikationen dürfte die anthropologische Pragmatik des Jakobus geliefert haben. Gerade im Prolog wird die Korrelation von Sein und Handeln Gottes zum von Jakobus erstrebten Sein und Handeln der Menschen deutlich. Dies ist die theo-logische Funktion von 1,5 für den näheren Kontext und den ganzen Brief: Wie Gott selbst unteilbar, frei von innerem Zwiespalt, ganz, aufrichtig, lauter, vorbehaltlos gütig ist und so handelt, so sollen auch Christen und christliches Handeln sein. Was Jakobus hier theozentrisch begründend formuliert, ist anthropozentrisch in griechisch wie jüdisch-weisheitlich geprägter Ethik vielfach belegt (so etwa in den Testamenten der Zwölf Patriarchen, in denen »Einfachheit« zum zentralen Begriff ethischer Unterweisung wird, wobei sich sogar Issachar als Reprä-
sentant dieser Tugend bezeichnet; vgl. Testlss 3,1.2.4; 4,1.6; 5,1 u.ö.). Neu u n d ungewöhnlich ist die Übertragung (auch im Vergleich zu 1 Klem 23,13) auf Gott durch Jakobus, wodurch das göttliche Sein und Verhalten zum unbedingten Maßstab menschlichen Seins und Tuns werden, aber auch zum Ermöglichungsgrund. Gott ist nach 1,5 Geber vollkommener Weisheit, die sich im vollkommenen Werk (1,4; vgl. die Amplifikation in 3,13-18) verwirklicht, und Gott ist Geber vollkommenen Glaubens (1,7), der »aus den Werken vollendet wird« (2,22 in Amplifikation von 1,4a). Schon mit diesen wenigen Sätzen wird deutlich, daß »vollkommen« weder philoso phisch/stoisch, noch gnostisch verstanden werden kann (vgl. auch den Exkurs nach 3,5b: vollkommen). W i r d so in den Versen 1,1-7 die theo-logische Begründung für christliches Sein und Handeln grundgelegt, so nennt Jakobus als stärkstes Motiv für das Handeln der Christen in 1,12 das eschatologische Ziel (s. o. den Exkurs nach 1,12: Eschatologie und Ethik). Ohne daß Gott als Subjekt eigens genannt wird, wird er von Jakobus als derjenige charakterisiert, der dem menschlichen Leben eschatologische Zielrichtung gibt; Christen, die sich in der Prüfung/Erprobung/Versuchung bewähren, werden »den Kranz des Lebens empfangen, den er (Gott) denen verheißen hat, die ihn lieben« (vgl. die Parallele mit der Nennung Gottes als Subjekt in 2,5). Jakobus kann das Einverständnis seiner Hörer voraussetzen, da er hier ganz traditionell hinsichtlich der Treue Gottes zu seinen Verheißungen formuliert. Anders ist dies in 1,13-14 bei den Hinweisen zur Theodizee-Problematik, in denen der Begriff »Gott« 2mal (13b.c) belegt ist. Wenn es um Gott und u m die Menschen so bestellt ist, wie Jakobus in den Versen 1,2-11 anklin gen ließ, dann kann der Mensch die äußeren und inneren »mannigfachen Erprobungen/Prüfungen/Versuchungen« (1,2) nicht auf Gott zurückfüh ren (13a: »Keiner, der versucht wird, soll sagen: >Von Gott werde ich versucht^«). Die »eigenen Begierden« (1,14) suchen den Menschen heim; dies ist so, weil Jakobus mit Jesus Sirach (s. o.) die menschliche Willensfrei heit voraussetzt. Aufgrund seines (bereits in 1,5 grundgelegten) Gottesbil des kann Jakobus die aus dem altbundlichen Evangelium breit überlieferten Vorstellungen von Versuchungen durch Gott (vgl. etwa Isaaks Opferung, Israels Erprobungen in der Wüste, die Versuchungen Ijobs) nicht überneh men. Begründet ist dies im Gottesbild: »Gott, der vom Bösen unversuchbar ist, versucht auch selbst niemanden« (1,13b). Bemerkenswert ist dieser Vers, da das Verbaladjektiv apeirastos: unversuchbar/unversucht mit dem a-privativum vor Jakobus nicht nachweisbar ist und diese Vorstellung über das Sein Gottes sich auch inhaltlich sonst in der Bibel nicht findet (Jakobus steht hier in der Tradition philonischer Theologie: s. o.). Wie in 1,5 dürfte auch in 1,13 f. die theozentrische Akzentuierung redaktionell sein und in besonderem Maße die leitende theo-logische Perspektive des Jakobus ange ben.
Die mögliche Schlußfolgerung, Gott sei untätig, wird von Jakobus dezidiert in 1,17f., dem Abschluß des Prologs, zurückgewiesen. Auch wenn der Begriff »Gott« nicht belegt ist, kann kein Vers der Bibel theozentrischer
sein und die Ermöglichung des Kosmos und der christlichen Existenz im Sein und Handeln tiefer begründen. Mit Hilfe von kosmologischen Vorstel lungen thematisiert Jakobus »in einem gewaltigen Schlußakkord« (Schule 77) drei Gedanken: 1. In Aufnahme von tragenden Begriffen des Exordiums in 1,2-4 wird exklusiv betont: »Jede gute Gabe [dosis; vgl. didonai in l,5c.d] und jedes vollkommene [vgl. l,4a.b] Geschenk [dorema] ist von oben [als Metapher für >von Gott< in 1,5 und >vom Herrn< in 1,7], es kommt herab«. Das ist das in 1,5 Erbetene; hier wird die Begründung und Motivierung jeglicher Ethik angegeben. 2. Wer der Geber ist, umschreibt Jakobus mit der theozentrischen Wendung »Vater der Lichter« (17c), die vor Jakobus nicht belegt ist. Mit dieser Gottesbezeichnung wird Gott »ausschließlich als Schöpfer ausgesagt, als Schöpfer der Welt, von dem alles, auch Sonne und Mond, absolut abhängig ist« (Strotmann 296). Jakobus geht es um die absolute Schöpfermacht Gottes insgesamt, wobei er gemäß jüdisch-hellenistischen Vorstellungen Gott als Schöpfer in jeder Weise unveränderlich und unverwandelbar charakterisiert (17c.d: »bei dem es keine Veränderung gibt oder eines Wechsels Verschattung«). Die kosmo logischen Kategorien sichern das »einfach« von 1,5, zugleich aber konse quent kontextuell auch die These, daß von Gott nur Gutes, jedoch keine Versuchungen kommen können. Gott wird hier radikal monotheistisch gedacht, seine Unwandelbarkeit ist Garant dafür, daß nur Gutes von ihm kommt. Gottes Sein garantiert sein (kosmologisches) Handeln. 3. Der Schlußvers des Prologs umschreibt Gottes schöpferische Tätigkeit im Hin blick auf die Adressaten. Gott ist nicht nur »Vater der Lichter« (17c), sondern hat auch — gleichsam als Mutter — »kraft seines Willens uns geboren durch das Wort der Wahrheit«. Hier wird der Ermöglichungsgrund christlicher Existenz überhaupt angegeben. Im Gegensatz zur Begierde, die lockt und ködert, und zur »Sünde, die, voll ausgereift, den Tod gebiert« (1,15), »wollte« Gott uns und hat er »uns geboren« — und damit wurde überhaupt erst menschliches Werden ermöglicht. Christen sind als »Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe« (18b) Teil der Schöpfung, aber auch ihre Krone (dieser kosmologische Kontext von 17f. dürfte gegen eine Deutung von Vers 18 auf die Taufe sprechen). Es ist erstaunlich, mit welcher Konsequenz und inhaltlichen Stringenz Jakobus in wenigen Versen und mit wenigen Worten elementare Aspekte seines Gottesbildes angibt, wobei dies Gottes Handeln und Gottes Sein umschließt. Gott ist der Schöpfer des Kosmos und der Menschen (17cd.l8a.b). Er war aber nicht nur schöpferisch tätig am Anfang, vielmehr ist er ständig der Geber aller guten Gaben, vor allem der Weisheit (5.7b.l7a.b) und als eben dieser Gott wird er sich eschatologisch als der Getreue erweisen für Menschen, die sich in der Erprobung bewährt haben (12), wobei nicht nur toratheologische Aspekte anklingen (s. o. zu 1,12 und 2,5), sondern auch der Gerichtsgedanke, wie er durchgehend von Jakobus betont wird. Er ist aber nur in sich stimmig für Jakobus, wenn man das vorauslau fende Handeln Gottes am Menschen und die dem Menschen von Gott gegebene Willensfreiheit beachtet, die die Verantwortung des Menschen
impliziert. Jakobus macht in diesen Versen des Prologes aber nicht nur Aussagen über das Handeln Gottes (dies wäre schon erstaunlich genug), sondern auch (wohl unter dem Einfluß der Theologie Philos von Alexand rien) Aussagen über das Sein Gottes. Gott ist »einfach« (1,5c), er ist »unversuchbar« (13c) und »unveränderlich« (17d). Diese theologischen Spitzensätze dürfte Jakobus im Hinblick auf seine anthropologischen Ausagen formuliert haben. Das Bekenntnis zu Gottes Sein und Handeln ist die Antwort auf die Krise des menschlichen Seins und Handelns, die Jakobus als Mangel an Weisheit (5-6a), als Mangel an Glauben (6b-8) und als Mangel an der richtigen Selbsteinschätzung bei Armen und Reichen (9-11) charak terisiert, die er im Verlauf des Briefes stärker sozialethisch auch als Krise der christlichen Gemeinde entfaltet (was aber bereits grundgelegt ist in den anthropologischen Ambivalenzen). Dabei geht es Jakobus nicht nur um christliche »Vollkommenheit« (vgl. Zmijewski und Hoppe, Hintergrund 26-33), um die Überwindung der Gespaltenheit des Christen oder der Gemeinde (vgl. Schule und Burchard, Gemeinde), vielmehr bindet Jakobus diese anthropologischen und ekklesiologischen Aspekte zurück an die theozentrischen Grundaussagen. Diese sind die Basis für alles andere. Ohne Gottes Sein und Handeln als unaufgebbare Voraussetzungen sind für Jakobus anthropologische Aussagen undenkbar. Dies ist sein eigentliches Konzept, aus dem alle Aufforderungen zum Ungespaltensein des einzelnen und der Gemeinde folgen. Ihren Grund und ihre Ermöglichung haben sie im Glauben an Gottes Sein und an Gottes Handeln. Dies ist die theo logische Basis, warum die Ethik des Jakobus insgesamt — in Weiterführung biblischer Weisheitsschriften — so stark appellativ und handlungsorientiert ist. Anthropologie ist nach Jakobus Theologie, weil sie in der Theo-Iogie gründet und umgekehrt jede Aussage der Theo-Iogie eine Aussage über den Menschen impliziert. Diese Korrelation ist die Grundlage der jakobeischen Theologie (zustimmend Popkes 46.199f.; Schnackenburg II 196-198; Muß ner, Motivation 422 f.). Reduziert man diese Korrelation nicht verengt auf ein neues Selbstverständnis (wie in der existentialen Interpretation üblich; zur Kritik vgl. Frankemölle, Handlungsanweisungen 38-44), ließen sich die Sätze von Rudolf Bultmann zur paulinischen Theologie auch auf die jakobeische Theologie hin formulieren: »Sie handelt von Gott nicht in seinem Wesen an sich, sondern nur so, wie er für den Menschen, seine Verantwortung und sein Heil, bedeutsam ist. Entsprechend handelt sie nicht von der Welt und vom Menschen, wie sie an sich sind, sondern sie sieht Welt und Mensch stets in der Beziehung zu Gott. Jeder Satz über Gott ist zugleich ein Satz über den Menschen und umgekehrt. Deshalb und in
diesem Sinn ist die paulinische Theologie zugleich Anthropologie.« Jeder Satz redet »über Gott von dem, was er am Menschen tut und vom Menschen fordert, und entsprechend umgekehrt jeder Satz über den Men schen von Gottes Tat und Forderung bzw. von dem Menschen, wie er durch die göttliche Tat und Forderung und sein Verhalten zu ihnen qualifiziert ist« (Theologie 191 f.; vgl. Den., Sinn 26-28). Alles, was Jakobus über das Sein des Christen als Einzelmenschen und als
Glied der Gemeinde im Verlauf des Briefes amplifiziert, ist grundgelegt im Prolog 1,2-18 (zur Begründung s. o. den Exkurs nach 1,4). Der Brief bestätigt diesen Denkansatz, so daß er die Erwartungshaltung des Lesers aus dem Prolog einlöst und innertextuell die Stimmigkeit und Kohärenz der Theologie des Jakobus belegt, auch wenn im Verlauf des Briefes die Subjektivität des einzelnen noch stärker an die Intersubjektivität ekklesialer Aspekte gebunden wird. Dies gehört zur rhetorischen Strategie durch Amplifikationen, mit denen Jakobus auf seine Adressaten einwirken will. Die Gespaltenheit von Glauben und Tun, von Glauben und Werken betrifft im übrigen sowohl den einzelnen wie die Gemeinschaft. 2. Die Korrelation von Theo-logie und Anthropologie, wie sie im Prolog grundgelegt ist, kennzeichnet auch weiterhin das eigenständige theologi sche Denken des Jakobus. Stellt man die theozentrische Perspektive in den Vordergrund und orientiert man sich am Begriff »Gott«, so ist in der kleinen Einheit 1,19-27 auf die Wendung »Gerechtigkeit Gottes« (1,20) sowie auf das Syntagma »Gott und Vater« (1,27a) hinzuweisen. Auf die schöpfungstheologische Aussage von 1,18 verweist die Wendung »das eingepflanzte Wort« in 1,21b, ebenso schwingt in der Formulierung »das eure Seelen zu retten vermag« (1,21c) in Rückbindung an 1,21b deutlich die theozentrische Dimension mit; die soteriologische Überzeugung des Jako bus klingt hier an (s. u. den Exkurs 14 nach 5,20: Die theologische Leistung des Jakobus). Für jüdisch und christlich orientierte Leser steht die theozen trische Dimension auch für »das Gesetz der Freiheit« in 1,25a ohne Zweifel fest (vgl. auch den Exkurs nach 1,25: Das »Gesetz der Freiheit«). Etwas zurückhaltender ist die theozentrische Grundlage beim Makarismus in l,25d (in Wiederholung von 1,12). Deutlicher ist der theozentrische Grundzug in den Wendungen »er sei fromm/diene Gott« in 1,26a und »reine(r) und unbefleckte(r) Frömmigkeit/Gottesdienst vor Gott und dem Vater« in 1,27a. Die Verschränkung von Frömmigkeit/Gottesdienst und Zungensünden sowie sozialem Verhalten betonen gerade die beiden letzten Verse der kleinen Einheit. In 2,1-13 sei zunächst an das christologische Bekenntnis in 2,1 erinnert, das gerade bei Jakobus nur in Hinordnung auf die Theozentrik zu denken ist. Explizit ist der Begriff »Gott« in 2,5b belegt — verbunden mit dem Gedanken der Erwählung speziell der Armen »als Erben (seines) König tums« (5c). Hier klingen nicht nur alle biblischen Konnotationen vom Königtum Gottes an, sondern auch die breit belegte Erwählungs-Theologie, wobei auch für Jakobus klar ist, daß die ganze Aktivität — wie in 1,18 — allein bei Gott liegt. Zum Stichwort »verheißen« und zur Reaktion des Menschen durch Gottesliebe (»die ihn lieben«) in 2,5d als Wiederho lung von 1,12c siehe dort; das Zusammenwirken von Gottes Handeln und menschlichem Handeln (ein Grundproblem des Jakobus) wird hier über deutlich. Ob in 2,7 biblisch-theozentrisch gedacht wird (wie beim »Namen des Herrn in 5,10), ist nicht ganz sicher, legt sich aber im Kontext von 1,18 und 1,21 nahe. Unbestritten ist die theozentrische Perspektive bei der Wendung »königliches Gesetz« in 8a, da die Tora als von Gott gesetz-te
Sozialordnung nicht anders gedacht werden kann. Auch der Hinweis auf die »Schrift« ist nur theozentrisch zu verstehen. Das in der Wendung »der da sprach hat auch gesagt« (lla.b) mit den wörtlichen Zitaten aus dem Dekalog implizierte Subjekt ist eindeutig Gott. Wie für gläubige Juden und Christen der Begriff »Gesetz« (2,8.9.10.11.12) eo ipso theozentrisch ist, so auch der Begriff »Gericht« in 2,13 (zur Bestätigung vgl. 4,12). Damit ist die theozentrische Grundstruktur auch der kleinen Einheit von 2,1-13 mit dem Glauben an den von Gott erhöhten und verherrlichten Jesus Christus in 2,1, mit dem Gedanken der besonderen Erwählung der Armen durch Gott und mit dem Hinweis auf das Königtum Gottes sowie auf sein Sprechen durch das Gesetz, nach dem am Ende alle gerichtet werden, offenkundig. Das von Jakobus eingeklagte solidarische Verhalten statt der kritisierten Diastase von Glauben und Tun basiert auch in diesem Text auf den theozentrischen Aussagen. Nicht anders steht es in der kleinen Abhandlung »Vom Glauben ohne Werke und vom Glauben mit Werken« in 2,14-26. Auch wenn hier die anthropologische Perspektive vorherrschend ist, ist sie dennoch in der theozentrischen begründet. Dies wird bereits am Vorkommen des Begriffs »Gott« als Gott Israels und als Gott der Väter deutlich. Der von Jakobus kritisierte Nur-Glaube wird festgemacht am jüdischen Grundbekenntnis, dem Sch ma Israel: »Ein einziger ist Gott« (2,19a). Der Begriff »Gott« wird zudem in zwei Schrift-Zitaten eingeführt (23b: »Abraham glaubte Gott«; 23d: »Er wurde >Freund Gottes< genannt«). Darüberhinaus wird Gott als Handelnder im Akt der Rechtfertigung vorausgesetzt - 4mal umschrieben mit dem theologischen Passiv (21a.23c.24a.25b). Die Korrelation vom Handeln Gottes und Handeln des Menschen analog zur Korrelation von Glauben und Tun wird nirgendwo so deutlich ausgesprochen wie in diesen Versen und im Synergismus-Begriff in 22a (zur Sache s. u. den Exkurs nach 2,24: Rechtfertigung nach Jakobus und Paulus). Die weisheitliche Grund these des Jakobus lautet: Das Handeln Gottes entspricht dem im Tun verwirklichten Glauben des Menschen, das immer ein Tun coram deo ist. Von dorther gewinnt menschliches Handeln seine Dringlichkeit und escha tologische Dimension (vgl. den Exkurs nach 1,12: Eschatologie und Ethik). Auch in der kleinen Abhandlung »Von der positiven und negativen Macht der Zunge« in 3,1-12 wird auf der Oberfläche zunächst ausführlich über das Gespaltensein menschlicher Rede und über die Wirkung menschlicher Sprache reflektiert. Doch auch hier wird die theologische Unmöglichkeit dieser anthropologischen Erfahrung zurückgeführt auf schöpfungstheolo gische Aussagen: Man kann nicht gleichzeitig »den Herrn und Vater preisen« (9a) und »die Menschen, die nach Gottes Abbild geschaffen sind, verfluchen« (9b.c). Die Menschen schlechthin (vgl. auch 8a), nicht nur die Christen sind Abbild/Ebenbild Gottes! Wie immer auch die »Gotteben bildlichkeit« des Menschen in der neueren Exegese umschrieben wird (vgl. den Uberblick bei Scharbert), darin stimmen alle Ausleger überein, daß in den biblischen Texten nicht von einer Identität gesprochen, sondern - wie in Gen 1,26 durch die Vergleichspartikel »wie« kenntlich gemacht — eine e
Ähnlichkeit behauptet wird. Die Verfasser von Gen 1 und von Ps 8 etwa billigen »dem Menschen auch etwas von der Fülle des Lebens und von der Würde der Person« zu, »die sie für Gott als selbstverständlich annahmen.« Dies bedeutet: »Der Mensch als Teilhaber an der Herrschermacht Gottes, als Repräsentant Gottes auf Erden gegenüber der anderen Schöpfung, als Person, als Gott gegenüberstehendes Du, als Partner Gottes, das alles dürfen wir m.E. auf dem Hintergrund der Gesamtoffenbarung des Alten Testaments, aber auch auf dem Hintergrund der Gedankenwelt des Alten Orients, zu dem Israel gehört, dem Begriff der Gottebenbildlichkeit ent nehmen« (Scharbert 257f.). Einen Verlust der Gottebenbildlichkeit durch Sünden oder durch einen Abfall von Gott kennt das A T nicht, was noch einmal deutlich macht, daß »die Gottebenbildlichkeit des Menschen ... nicht das Abbild des Gottes in seiner Einzigkeit« meint. »Hier wird nicht von einer Menschengestaltigkeit Gottes, sondern von einer Gottgestaltigkeit des Menschen geredet. Der Mensch ist, so will hier gesagt werden, nur in diesem >Wo-her< zu verstehen. Er ist kein in sich bestehendes Wesen, sondern ist von Gott her, was impliziert, daß der Mensch nur im Gehorsam gemäß diesem Auftrag leben kann« (Zimmerli, Grundriß 28 mit Hinweis auf die Bewältigung jüdischen Glaubens im Alltag, ebd. 136-146 in den Weisheitstraditionen). Betreffs seiner Herkunft ist der Mensch schöpfungs theologisch nur von Gott her zu bestimmen (vgl. Jak l,17f.), woraus folgt: Sein des Menschen und Sein Gottes haben einander zu entsprechen, dies ist die implizierte Forderung. Dieser Gedanke der Nachahmung Gottes fehlt zwar in der Bibel des Alten Testaments, ist aber im sonstigen Judentum wie auch im Neuen Testament (vgl. etwa Mt 5,48 par Lk 6,36) durchaus verbreitet (Schneider 74-80), was aber Jakobus — aufgrund seiner Anthro pologie vom gespaltenen Menschen — nicht rezipiert. Jakobus knüpft mit der schöpfungstheologischen Aussage in 3,9 deutlich an den Schluß des Prologes an (1,17.18), um vom Ursprung des Menschen her aus dem Wollen Gottes die Schizophrenie im Menschen nicht nur als unnatürlich, sondern auch als widergöttlich zu charakterisieren. In den Ausführungen 3,13-18 über das Wesen der wahren Weisheit kommt zwar der Begriff »Gott« nicht vor, aber dennoch ist (mit Ausnahme des Prologes und des Epiloges) kein Text theozentrischer als diese Mittelverse des Briefes, da in ihnen die »irdische, psychische und dämonische Weis heit«, die »nicht von oben kommt« (15a.b), kontrastreich jener anderen, hymnisch gepriesenen und auf das Tun hin orientierten Weisheit »von oben« (17a), gegenübergestellt wird. Zudem erweisen sich diese Verse deutlich als Amplifikation von 1,5.17. Dem Indikativ der Heilszusage — weisheitstheologisch selbstverständlich mit »Weisheit« umschrieben — entspricht der Imperativ der Heilsbewährung. Der oft wiederholte Hinweis, daß »eine explizite Begründung der Ethik fehlt« (Schräge, Ethik 290), ist unzutreffend. Die Schöpfungstheologie und die Weisheitstheologie geben den theozentrischen Grund an, aus dem heraus es den Christen ermöglicht ist, überhaupt zu leben und im Glauben daran solidarethisch zu leben. Dieser Zusammenhang würde noch deutlicher, wenn Jakobus — wie
Jesus Sirach (vgl. Preuß, Einführung 138-147) — Weisheit und Gesetz miteinander integral verbunden hätte (so Hoppe, Hintergrund 33-40), was er aber in Aufnahme der Jesustradition und aufgrund seines spezifischen Verständnisses vom »vollkommenen Gesetz der Freiheit« ohne Differen zierungen nicht getan hat (s. u. den Exkurs nach 1,25: Das »Gesetz der Freiheit«). Auch ohne diese Verschränkung versteht Jakobus Weisheit mit seinen alttestamentlichen Vorlagen praxisorientiert (13: »Wer ist weise und wohlunterrichtet unter euch? E r zeige aus dem guten Wandel seine Werke in Sanftmut der Weisheit«). Gottes kommunikatives Handeln an den Christen bildet den Grund und die Ermöglichung für das innovatorische, kommunikative Handeln der Christen, das Jakobus mit seinem Brief initiieren möchte. Daß Gott nicht nur die Weisheit gibt (1,5; 3,13-18), sondern auch nach weisheitlichem Verhalten der Menschen »eifersüchtig verlangt«, wird von Jakobus ausdrücklich in 4,5b formuliert und in 4,6 mit einem Schriftzitat bestätigt: »Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen/Niedrigge stellten gibt er Gunst/Gnade«. Der Begriff »Gott« wird nirgendwo sonst im Jakobusbrief so oft explizit eingeführt wie in der kleinen Abhandlung »Vom Unfrieden in der Gemeinde und seinen Ursachen« in 4,1-12, näherhin ist er belegt in 4,4c.e.6b.7a.8a, wird aber zudem in weiterführenden Verben vorausgesetzt (so in 5b.c.6a.c.8b). Ähnlich ist es in 10a, wo von Gott als dem »Herrn« gesprochen wird, der auch Subjekt in 10b ist. Ahnlich steht es bei der das Bekenntnis zum Monotheismus (2,19) aufneh menden Wendung: »Ein einziger ist Gesetzgeber und Richter« in 12a, der auch Subjekt von 12b ist: »der retten und verderben kann«. Was in der deutschen Sprache nur mit einem Hilfsverb wiedergegeben werden kann, ist im Griechischen eine partizipiale Gottesprädikation (ho dynamenos: der mächtig ist/der kann), auch wenn nicht bei allen Vorkommen im N T (Rom 16,25-27; Eph 3,20f.; Hebr 5,7) eine feste Formel vorliegen muß; wie jedoch die häufige doxologische Verwendung belegt, um Gottes Macht in dieser oder jener Bedeutung zu umschreiben, zeigt diese partizipiale Got tesprädikation trotz unterschiedlicher Verben eine Tendenz zur formelhaf ten Sprache (vgl. Delling 26f.). In Jak 4,12b wird diese Beobachtung zur Gewißheit aufgrund der Verbindung mit 4,12a sich dort findenden Bekenntnis zum Einzigen als Gesetzgeber und Richter. Insgesamt führt Jakobus die Antithetik der Verse 3,13-18 (dort stärker anthropologisch orientiert) hier auf ekklesiologischer Basis weiter, wobei sich die Gemeinde zwischen Welt und Gott zu entscheiden hat: »Freundschaft zur Welt bedeutet Feindschaft gegen Gott« (4b.c), »ein Freund der Welt erweist sich als ein Feind Gottes« (4d.e). Der Appell lautet: »Unterwerft euch Gott! Widersteht aber dem Teufel« (7a.b). Wer in seinem Herzen »gespalten/ schizophren« ist, ist ein »Sünder«, wie Jakobus in Aufnahme von 1,6-8 rekapituliert. Mit neuen Metaphern für den Synergismus fordert Jakobus: »Naht euch Gott, und nahen wird er sich euch« (8a.b) und: »Erniedrigt euch vor dem Herrn, und erhöhen wird er euch« (lOa.b). Würden Christen in einer solchen, alles von Gott erwartenden Haltung (wie in 1,5-8) beten,
würden sie das Erbetene auch von Gott empfangen; diese Grundorientie rung fehlt ihnen aber (4,2e-3c). Diese falsche Grundorientierung und falsche Haltung vor Gott impliziert nicht nur eine falsche Ethik (4,1-2d), sondern auch eine falsche Haltung vor dem von Gott gegebenen Gesetz (llb-e), schließlich vor Gott selbst (12a). So zeigt sich, daß auch in dieser kleinen Einheit Ethik nicht nur als zwischenmenschliches Verhalten gese hen wird, vielmehr gründet Ethik wie die in ihr sich zeigende Anthropolo gie in der Theozentrik, näherhin in der Schöpfungstheologie (5b.c: »Eifer süchtig verlangt er nach dem Geist, den er in uns wohnen ließ«), in der Toratheologie sowie wiederum in der Gerichtstheologie (12a). Anthropolo gische und ekklesiologisch- sozialethische Aussagen setzen nach Jakobus dieses Handeln Gottes unaufgebbar voraus. Ohne diese von Jakobus geglaubte Ermöglichung zum Heil sind alle Aufforderungen zur Mitwir kung am Heil hinfällig. Damit deutet sich die weisheitlich-philonisch geprägte (vgl. Sellin, Gotteserkenntnis 27f.; ausführlicher ders., Auferste hung 95-171) spezifische Form einer Soteriologie des Jakobus an (vgl. weiter im Exkurs 14 nach 5,20: Die theologische Leistung des Jakobus). Anthropologisch geht es Jakobus um die Einsicht in die begrenzte mensch liche Autonomie vor Gott, wie er in den Ausführungen über den selbst herrlichen Umgang mit der Zeit in 4,13-16 belegt. Nur »wenn der Herr will, werden wir leben und dieses oder jenes tun« (15b.c). Wie hier so führt Jakobus auch in den Versen über die angebliche Unvergänglichkeit des Reichtums und die falschverstandene Autonomie der Reichen hinsichtlich ihrer Güter im Hinblick auf das falsche zwischenmenschliche Verhalten die Ordnung Gottes ein, der als Helfer der ausgebeuteten Arbeiter eingeführt wird: »Die Rufe der Erntearbeiter sind zu den Ohren des Herrn Zebaoth gedrungen« (5,4d.e). Deutlich klagt Jakobus auch hier eine bestimmte Sozialethik ein, die vor Gott Bestand hat. Wer sich danach nicht verhält, erwartet nur Unheil (vgl. auch 2,13; 4,12). Daß Jakobus kein Gerichtstheologe ist, sondern ihm alles an einer Kehrt wendung der Adressaten liegt, belegt der Epilog des Briefes in 5,7-20. Auch dieser Text ist stark theozentrisch orientiert, aber anders als die bisherigen Texte. Wohl in Aufnahme der theo-logischen und christologischen Aussa gen im Präskript (1,1) amplifiziert Jakobus die dort gemachte Aussage, indem er sowohl von Gott als »Herrn« (5,10c.llc.d) spricht wie von Jesus Christus als »Herrn« (5,7b.8c. 14d. 15b). Die genauere Zuordnung beider Aussagen hält er offen (s. u. den Exkurs nach 2,1: Die Christologie des Jakobus). Wenn der Hinweis auf das Gericht als Motivation auch im Epilog eine Rolle spielt (im übrigen vgl. den Exkurs nach 1,12: Eschatologie und Ethik), ist der eschatologische Richter derjenige, der das »Gesetz der Freiheit« geschenkt hat (1,25), er ist »Gott und Vater« (1,27), »Herr und Vater« (3,9) und der »erbarmungsreiche und barmherzige Herr« (5,1 ld), der allerdings »durch das Gesetz der Freiheit« richten wird (2,12); an dieses Gericht durch Gott erinnert Jakobus in 5,9b.c.l2e. Auch im Epilog moti viert der Hinweis auf die »Ankunft des Herrn«, Jesus Christus (5,7b.8c), zum Handeln in Ausdauer (wie die Propheten und Ijob: 10-11) und in
ungeteilter Gebetshaltung (wie Elias: 17-18). Wie der Gott der Bibel, ob er als Subjekt direkt genannt wird oder in Nebensätzen und im theologischen Passiv vorausgesetzt wird (9b.12e.15d.16c), eine sein Gottsein anerken nende Grundorientierung und eine alles allein von ihm erwartende Haltung im Tun-Ergehen-Zusammenhang belohnt, so auch der biblische Gott in Jesus Christus. Dies ist die Botschaft des Jakobus für seine Adressaten, wobei in diesem theologischen Konzept alles auf das Mitwirken des menschlichen Handelnden ankommt. Mit dem Beispiel des Elias und mit der letzten Aussage, daß »der, der einen Sünder zurückbringt von der Irre seines Weges, seine Seele aus dem Tode retten und zudecken wird eine Menge von Sünden«, beendet Jakobus sein Schreiben wie mit einem gewaltigen Schlußakkord: der These vom Zusammenwirken von Mensch und Gott. Anders dürfte sein Aufruf zur lebensrettenden Chance durch Handeln der Christen aneinander nicht zu verstehen sein. Dabei steht er ganz im Einklang mit biblischen Weisheitstraditionen (vgl. Spr 10,12; Sir 3,30; Tob 5,4-11; 12,9). 3. Die Botschaft des Jakobus ist theozentrisch. Der Ursprung des Kosmos und der Ursprung der Adressaten sind in Gottes Handeln gegründet (l,17f.), er ist der Geber der Tora an Israel, die man als Schrift zitieren kann, durch die er spricht, er ist Geber der Weisheit, Herr und Vater, Geber aller guten Gaben, Erfüller der Gebete, Ermöglicher der Erlösung, aber auch Richter. »Der Brief ist ein Plädoyer für die Verläßlichkeit, Eindeutigkeit und Güte Gottes, einschließlich seiner Unbestechlichkeit« (Popkes 199; vgl. auch Mußner 97f.). Dem nach außen gerichteten Tun entspricht das Sein Gottes: E r ist einfach (1,5), unversuchbar (1,13c) und unwandelbar (1,17d). Bei aller philonisch gedachten Unveränderbarkeit und Unversuchbarkeit Gottes (l,13c.d.l7d), bei aller Ganzheit und Einfachheit Gottes (1,5c), wird Gott nicht als unveränderlich und weltjenseitig verstanden, der wie bei Philo durch die göttlichen Kräfte immanent wird (vgl. Montes-Peral 164181), vielmehr ist es Gott selbst, der »uns wollte und uns geboren hat durch das Wort der Wahrheit« (1,18a). »Mangelt es aber einem von euch an Weisheit, so erbitte er sie von Gott, der allen vorbehaltlos und ohne zu nörgeln gibt, und sie wird ihm gegeben werden« (1,5). Bewährt sich ein Christ, so wird Gott selbst ihm den Kranz des Lebens geben (1,12). Gott selbst rechtfertigte Abraham und Rahab aus den Glaubens-Werken (2,2125). Wie »jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk von oben ist, herabkommt vom Vater der Lichter« (l,17a-c), so ist auch Gott selbst Spender jener »Weisheit, die von oben kommt« (3,15a). Gott selbst ergreift Partei für die Armen und Unterdrückten — gegen die Reichen (vgl. 2,5; 5,1-6). Gott selbst ist nach Jakobus keineswegs apathisch, wie christliche Theologie seit alters her bis heute meinte tradieren zu müssen (vgl. Frohn hofen und Meessen). Nach Jakobus ist Gott ein Gott, der die Existenz des einzelnen »wollte« (1,18) und das Schicksal des einzelnen »will« (4,15), der »eifersüchtig nach dem Geist verlangt, den er in uns wohnen ließ« (4,5); darin deutet sich das soteriologische Konzept des Jakobus an. Wie er der
Schöpfer und Gesetzgeber ist, so ist er der Richter, wie Jakobus durchge hend vor allem am Ende der kleinen Abhandlungen betont (vgl. vor allem 4,12a.b: »Ein einziger ist Gesetzgeber und Richter, er, der retten und verderben kann«). Jakobus verbindet die Aussagen zur dynamischen Aktivität Gottes mit den Aussagen zur Einfachheit, Unveränderbarkeit und Unversuchbarkeit Got tes (wobei er, wie gesagt, Vorstellungen Philos von Alexandrien aufnimmt) wohl deswegen, weil das Menschenbild in antithetischer Korrelation zum Gottesbild steht. So ist der Mensch nach Jakobus zwar ein Geschöpf und Ebenbild Gottes, bei ihm stimmen aber Außen und Innen, Sein und Tun, Glaube und Werke, Weisheit und Praxis nicht überein. Die angesprochenen Christen sind Mangel-Wesen (1,5-8). Jakobus stellt bei ihnen aber auch ein gestörtes Selbstbewußtsein fest (1,9-11), woraus — wie er im Verlauf des Briefes zeigt — auch ein gestörtes Sozialbewußtsein und vor allem eine gottwidrige soziale Praxis wird. Der Mensch ist nach Jakobus eine Existenz im Werden und Vergehen (1,10-11; 4,14 und vor allem das häufige Verbum »werden/entstehen«: 1,12.22.25; 2,4.10.11; 3,1.9.10; 5,2). Menschen machen Lernprozesse durch, sie können Fortschritte machen in der Bewäh rung (vgl. 1,3-4.12), sie sollen auf dem Weg zur Vollkommenheit sein (s. u. den Exkurs nach 3,5b: »Vollkommen« nach Jakobus), indem sie immer stärker Glauben und Tun, Hören und Tun, Weisheit und Praxis, insgesamt: Sein und Handeln als Einheit verwirklichen. Christen gilt der Imperativ: »Geht nicht in die Irre, meine geliebten Brüder!« (1,16). Da die »Gespalte nen ... Sünder« sind (4,8), richtet sich der Schlußappell des Briefes (»Wer einen Sünder zurückbringt von der Irre seines Weges ...«) potentiell an jeden Christen. Denn: Zwiespalt/Gespaltensein betrifft nach Jakobus nicht nur den inneren Menschen (dies jedoch auch; vgl. den Zwiespalt beim Beten in 1,5-8, beim Nur-Hören des Wortes, das die Praxis vergißt, in 1,19-25, beim Fehlen der Weisheit in 3,13-18 u. a.), vielmehr ist die innere Gespaltenheit des Menschen nur die eine Seite menschlicher »Schizophre nie«, deren äußere Seite a-soziales, unwürdiges zwischenmenschliches Ver halten ist (wie es sich vor allem im Verhältnis von reichen und armen Christen zeigt - und zwar von beiden Seiten (2,1-13.14-26; 5,1-6): Auch die armen Christen verstoßen gegen innergemeindliche Solidarität aufgrund des Ansehens von Personen, hervorgerufen durch Kleidung und Reichtum. Ein Glaube mit Zwiespalt im Gebet, mit Zwiespalt bei der Verwirklichung von Weisheit im praktischen Tun, bei der Verwirklichung des Glaubens, d. h. bei der Be-glaubigung durch Werke usw. ist nach Jakobus kein Glaube. Nach Jakobus kommt es darauf an, was ein glaubender Christ tut und wie eine glaubende Gemeinde handelt. Nach psychologischen Katego rien ist Jakobus »der Apostel der Persönlichkeitsintegration« (Barkman 38; vgl. ebd. 167-170), was aber ekklesiologisch zu erweitern und theozentrisch vom Sein und Handeln Gottes her zu begründen ist. Wie Gott selbst unteilbar, unwandelbar, unversuchbar, frei von innerem Zwiespalt, ganz, aufrichtig, lauter, vorbehaltlos gütig ist und so handelt, so sollen auch Christen und christliches Handeln sein. Den Gedanken der Nachahmung
Gottes (vgl. Schneider und die bei ihm angegebene Literatur) hat Jakobus wohl aufgrund der Einzigartigkeit Gottes nicht explizit formuliert (anders Laws), macht aber Sein und Handeln Gottes zur Begründung und zum Maßstab für christliches Sein und Handeln, Ausgehend von den ambivalen ten Erfahrungen beim einzelnen Christen und beim gemeindlichen Zusam menleben (davon ist der ganze Brief voll), versteht Jakobus die Neuorien tierung des kommunikativen Handelns seiner christlichen Adressaten und ihr neues Selbstverständnis in der Orientierung am Sein und am kommuni kativen Handeln Gottes selbst. Daß die von Jakobus angesprochenen Probleme auch mit der sozialen Situation der Adressaten zu tun haben, ist in einem handlungsorientierten Ansatz von Exegese unabdingbar (vgl. die Einleitung 2.2 und den Exkurs nach 1,11: Die soziale Situation der Adressaten). So situationsbezogen die Antworten des Jakobus sind, in ihrem Modellcharakter betreffen sie christ liches Selbstverständnis in grundsätzlicher Weise, wie die Rezeptionsge schichte (vgl. Einleitung 2.6) belegt. In der gegenwärtigen Zeit dürfte die konsequente Rückbindung des einzelnen Christen in die Gemeinschaft der Glaubenden sowie die theozentrische Begründung der Anthropologie und Ekklesiologie vor allem bedenkenswert sein. Ohne Gottes Sein und Han deln als unaufgebbare Voraussetzungen sind für Jakobus anthropologische und ekklesiologische Aussagen undenkbar. Da Gott treu, verläßlich, barm herzig, einfach und ganz ist, er die Menschen als »Ebenbild Gottes« (3,9) geschaffen hat, sollen Christen nicht »gespalten« sein in Wort und Tat, in Glauben und Werk, in Individualität und Sozialität, vielmehr sollen auch sie ebenfalls ganz, integer und vollkommen sein (zum letzteren vgl. den Exkurs nach 3,2: »Vollkommen« nach Jakobus). Dies können sie, wenn sie das von Gott »eingepflanzte Wort« annehmen (1,21b), »Täter des Wortes« (1,22a), »Täter des Werkes« (1,25c) und »Täter des Gesetzes« (4,1 le) werden. Die Begründung zur Ermöglichung liegt im Indikativ der schöp fungstheologischen Heilszusagen (bes. 1,18). Fragt man, ob Jakobus wie beim Gottesbild so auch generell beim Men schenbild von Philo (abgesehen von 3,9.15) beeinflußt ist, so ist diese Frage zu verneinen. Während Jakobus in der Anthropologie ganz biblisch denkt (vgl. etwa Wolff, Anthropologie; Schelkle, Theologie I 91-166), vertritt Philo klar einen platonischen Dualismus: Nur die Seele ist der aus Gott stammende Teil des Menschen, der Leib ist der animalische Teil und Quelle alles Bösen; er ist der Kerker, in dem die Seele gefangen ist (De ebr 101; Leg alleg III 42), der Leib ist der Leichnam, den die Seele mit sich herum schleppt (Leg alleg I 69), ihr Sarg oder Grab (Migr Abr 16; Leg alleg I 108), das sie an der freien Entfaltung ihrer Kräfte hindert. Die Philosophen streben deswegen danach, dem körperlichen Leben abzusterben (Gig 14; vgl. Vita Mos II 288). Die Erlösung besteht in der Befreiung der Seele aus dem Kerker des Leibes (Leg alleg 1107). Anders als Plato in der klassischen Stelle im Theaetet (176a.b) trachtet Jakobus nicht danach, »von hier dorthin zu entfliehen aufs schleunigste«, wozu der »Fluchtweg« sei »Angleichung an Gott soweit als möglich«, vielmehr lautet sein Programm, in der
Gemeinde und in der Welt nach dem Sein und Handeln Gottes zu leben (vgl. auch die Exkurse nach 3,2: »Vollkommen nach Jakobus«, und nach 4,4: »Welt« bei Jakobus). Fragt man innertextlich nach parallelen Entwür fen zu Jakobus im NT, so drängt sich unter den Aspekten der Vollkom menheit, der Verwirklichung des Glaubens im Tun usw. vor allem die matthäische Theologie auf, wobei sich dort auch im Kontext des jüdischen Gedankens der Nachahmung Gottes die Maxime findet: »Seid nun voll kommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist« (Mt 5,48). Um der Einzigartigkeit Gottes und um der ambivalenten Struktur menschlichen Daseins willen hat Jakobus diesen Gedanken nicht formuliert (weiter dazu s. u. im Exkurs nach 3,5 b). So optimistisch er im theologischen Konzept ist, so nüchtern ist er zugleich, die Grenze zwischen Mensch und Gott zu wahren, gerade weil er die Beziehungen beider so eng sieht und ebenso auch die gesamte integrale Anthropologie und Ekklesiologie auf der Basis der Theo-logie entfaltet.
C Das Briefkorpus (1,19-5,6)
I. Vom Hören, Reden und Zorn und ihrem Gegenteil (1,19-27) 19 a b c 20 a b 21 a
22
23
24 25
b c a b c a b c a b a b c
d 26 a b c d 27 a b c
Wißt, meine geliebten Brüder: Jeder Mensch sei schnell (bereit) zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn. Denn der Zorn eines Mannes erwirkt nicht die Gerechtigkeit Gottes. Deshalb: Legt ab allen Schmutz und die Fülle der Bos heit, mit Sanftmut nehmt das eingepflanzte Wort an, das eure Seelen zu retten vermag. Werdet aber Täter des Wortes und nicht nur Hörer, die sich selbst betrügen. Denn wenn einer Hörer des Wortes ist und kein Täter, so gleicht dieser einem Mann, der das Angesicht seiner Herkunft im Spiegel betrachtet. Denn er betrachtete sich, ging weg, und sofort vergaß er, wie er beschaffen war. Wer aber hineingeschaut hat in das vollkommene Gesetz, in das der Freiheit, und dabei verharrt, wird - da er nicht ein vergeßlicher Hörer, sondern Täter des Werkes wurde selig sein in seinem Tun. Wenn jemand meint, er sei fromm, obwohl er seine Zunge nicht im Zaum hält, sondern sein Herz betrügt, dessen Frömmigkeit ist nichtig. Reine und unbefleckte Frömmigkeit vor Gott und dem Vater besteht darin: Waisen und Witwen in ihrer Bedrängnis aufzusuchen (und) sich selbst makellos zu bewahren vor der Welt.
Literatur: Amphoux, C. B., Systemes anciens de division de PEpitre de Jacques et composition litteraire, in: Bibl 62(1981) 390-400. - Baasland, Form 3654-3659. - Biser, £ . , Wort Gottes. A. Biblisch. B. Systematisch, in: NHthG 5( 1991) 274-285. - Cladder, HJ., Die Anlage des Jakobusbriefes, in: ZKTh 28(1904) 37-57. — Ferguson, E., Spiritual Sacrifice in Early Christianity and its Environment, in: A N R W II 23.2 (1980) 11521162. - Johnson, L. T., Taciturnity and True Religion. James 1,26-27, in: Greeks, Romans and Christians, FS A. J . Malherbe, Minneapolis 1990, 329-339. - Pfeiffer, E., Der Zusammenhang des Jakobusbriefes, in: ThStKr 23(1850) 163-180. - Radi, W., threskeia Religion, Kult, Frömmigkeit, in: E W N T 2(1981) 382-384. - Schmidt, K. L., threskeia u. a., in: ThWNT 3(1938) 155-159. - Thyen, H., katharos rein, sauber; unschuldig; lauter, in: E W N T 2(1981) 535-542. - Spicq I 379-383. - Wuellner, Jakobusbrief 47 f. 2
»Wißt« signalisiert die Fortsetzung eines Gedankens, nicht den Neuanfang. Dagegen ist der Wechsel der Person und die neue Anrede »Meine geliebten Brüder« Hinweis für eine neue kleine Einheit, was auch durch den Wechsel des Themas (Reden, Hören, Zorn und ihr jeweiliges Gegenteil) bestätigt wird. Beachtet man die im Jak durchgehende Struktur von oppositionell semantischen Feldern, ist die kontextuelle Einheit zwischen Prolog (1,2-18) und erster thematischer Einheit (1,19-27) sehr viel enger, als allgemein gesehen wird. Dies nicht allein aufgrund der Stichwortverbindungen von »Wort« in 18 und 21.22.23, von »Werk« in 4 und 25, von »vollkommen« in 4a.b und 25 oder aufgrund des Makarismus in 12 und 25 oder wegen des Gedankens des Werdens in 12.22 und 25 und der Zielbestimmung in 18 b und 19 b (eis to mit Infinitiv) — all dies ist formal und inhaltlich schon auffällig genug —, weitaus stärker kann die Einheit unter semantischen Gesichtspunkten umschrieben werden mit den Begriffen »Wesen« und »Handeln« der Christen. Sind nach Vers 18 Christen »durch das Wort der Wahrheit geboren« ... »eine Art Erstlingsfrucht« von Gottes Geschöpfen und ist ihnen so ein ganz neues Selbstverständnis hinsichtlich ihrer Existenz im Glauben geschenkt worden, so muß nach 19 ff. dieser Existenz ein Handeln entsprechen. Klassisch formuliert: Dem Indikativ der Heilszusage folgt der Imperativ der Heilsbewährung. Nicht nur darin stimmt Jakobus mit anderen neutestamentlichen Theologen wie Paulus, Johannes und den Verfassern der Pastoralbriefe grundsätzlich überein, ihnen gemeinsam ist auch die These, daß das Handeln des Menschen insofern Zeichencharakter besitzt, als es das Wesen des Menschen gegenüber Gemeinde und Welt und vor Gott offenbart (vgl. Heiligenthal).
Dem sola gratia von Gottes frei und souverän angebotenem neuen Selbstverständnis haben die Christen in ihrem Handeln zu entspre chen, »das Wort der Wahrheit« durch Orthopraxie zu be-glaubigen. Auf diese Erkenntnis der Herkunft aus Gott und die Konse quenzen daraus dürften auch der vielgedeutete Vergleich in 23-25 und die Wendung »Angesicht/Oberfläche seines Ursprungs/seiner Herkunft« in 23c zielen. Das »Werden« von Gott her (18) soll ein »Werden« (22a) in der Einheit von Wort und Tat bei den christli chen Adressaten freisetzen. Die Wirklichkeit sieht bei den Adressaten anders aus; sie ist ebenso ambivalent, wie im Prolog in 1,2-18 angedeutet wurde. Entspre chend der semantisch-oppositionellen Struktur des gesamten Brie fes ist auch die kleine Einheit in 1,19-27 deutlich von semantisch thematischen Oppositionen geprägt. Die Hauptopposition steht in 19: Hören — Reden, Zorn, unterstützt durch den Gegensatz schnell — langsam (19b.c). Des weiteren sind zu notieren: mensch licher Zorn (19c.20a) — Gerechtigkeit Gottes (20b) und menschli che Sanftmut (21b), Schmutz und Fülle der Bosheit — Sanftmut (21), eingepflanzt (21b) — um entsprechende Früchte zu bringen, die nicht angegeben werden (hier liegt eine bewußte Leerstelle), Täter des Wortes — Hörer des Wortes (22 f.), sein Angesicht sehen — es vergessen (24), weggehen (24a) — sich vertiefen und verharren/bleiben (25a; vgl. den Gedanken der Ausdauer in 1,2-4), wertlose Frömmigkeit — reine und unbefleckte Frömmigkeit (26 f.), sich selbst betrügen im Hören (22b) — sein Herz betrügen im Tun (26c mit Variation des Verbums), vor Gott und dem Vater - vor der Welt (27). An Wortfiguren sind die für Jakobus typische Metaphorik in 1,21b sowie die Anadiplosis, d. h. die Wiederholung des letzten Wortes eines Verses am Anfang der folgenden Zeile, in 1,19 f. (Zorn) und 1,26 f. (Frömmigkeit, wobei das Adjektiv auch bereits in 26a belegt ist) zu erwähnen, dann die Paronomasie, das Bemü hen um die Ähnlichkeit des Klanges in zwei verschiedenen Verben, in l,24a.b (apelelyten — epelatheto). Noch charakteristischer jedoch und für den weiteren Kontext sehr viel bestimmender ist die chiastische Struktur in 1,19-27. Die Einheit der kleinen Verse und die Abfolge der anschließenden Kapitel sind hier vorgeprägt. Bereits 1850 hat dies E. Pfeiffer schön herausgearbeitet (zur weite ren Differenzierung vgl. Cladder, Anlage). Demnach werden zunächst die drei Begriffe aus Vers 19 »Hören, Reden, Zorn« in der kleinen Einheit in veränderter Reihenfolge entfaltet (zum Zorn vgl. 20f.; zum Hören vgl. 22-25; zum Reden/zur Zunge vgl. 26f.),
wonach Jakobus aufgrund der Durchbrechung der veränderten Reihenfolge das »Reden« besonders betont, was durch die Amplifi kation dieses Themas in 3,1-12 bestätigt wird. Besonders gelungen ist der Chiasmus in 21 f. und 25, da Jakobus wie in 1,2-4 in der Thema-Rhema-Struktur mit dem neuen Begriff »Werk« auf den größeren Kontext zielt, wobei im Unterschied zu 22 (Täter — nicht nur Hörer) Jakobus in 25 rhetorisch steigernd exklusiv-antithetisch formuliert: »nicht Hörer, sonder Täter des Werkes«: 22 Täter des Wortes und nicht nur Hörer 25 nicht Hörer, sondern Täter des Werkes ... Wie die kleine Einheit stark chiastisch geprägt ist, so ist noch einmal nach Pfeiffer und Cladder die Ausführung der angesproche nen Gedanken in 26f. chiastisch: Das zuerst erwähnte Zügeln der Zunge wird zuletzt besprochen (vgl. 3,1-12), um wahre Frömmig keit (27a.b) geht es in 2,14-26 und um die These, sich selbst ohne Fehl zu bewahren vor der Welt (27c), geht es in 2,1-13. Auch wenn die Bestimmung von 1,26 f. als Uberschrift sich nicht durchhalten läßt, bleibt die Erkenntnis, daß wichtige Stichworte aus 1,19-27 im Verlauf des Briefes aufgenommen und amplifiziert werden. Zu den Stichworten Reden (19c) und Zunge (26b) vgl. 3,1 ff.; zum Stich wort »Aussehen der Herkunft« in 23c vgl. das Problem der Bevor zugungen und Rück»sicht«nahmen in 2,1-13; zum Nur-Hörer und Täter des Wortes vgl. die Ausführungen zum »Glauben ohne Werke« und zum Glauben mit Werken in 2,14-26, zur Verbindung von Sanftmut und Zorn vgl. 3,13-18. All diese Konkretionen sind jedoch schon grundgelegt im Prolog in 1,2-18; hier tauchen - wenn auch noch nicht inhaltlich gefüllt - all jene ambivalenten Erfahrungen im individuellen und sozialen Bereich auf, die in 1,1927 konkretisiert und im folgenden dann entfaltet werden. Dies gilt auch noch für weitere Aspekte, wie etwa der Vergleich von 1,10 (richtige Selbsteinschätzung der Armen und Reichen) mit 4,13-5,6, von 1,2-3 (Standhaftigkeit und Geduld in Prüfungen) mit 5,7-11, von 1,5.6 (Gebet) mit 5,13-18 und 1,18 (Geburt durch das Wort der Wahrheit) mit 5,19.20 zeigen kann. Die besondere Funktion des Prologes für die Einheit des ganzen Briefes ist darüber hinaus garantiert durch die für die ganze Schrift grundlegende Konzeption der Weisheit »von Gott« (5a.b) und »von oben« (17b), ein Gedanke, der ausdrücklich in 3,13-18 amplifiziert wird. Schließlich sind auch die Verse in 1,19-27 eine Amplifikation des Stichwortes »Werk« in 1,4 und der Frage nach der »Vollkommenheit«
(l,4a.b.l7), der Ganzheit (1,4b) und der Einfachheit/dem Nichtgespaltensein (1,5) im menschlichen und göttlichen Sein und Han deln. Der eigentliche Stichwortlieferant für den ganzen Brief ist der Prolog. Dennoch hat — darin haben Pfeiffer und Cladder recht — die erste kleine Einheit in 1,19-27 im Vergleich zu den anderen kleinen Einheiten für den gesamten Brief — wie in der griechisch-römi schen Rhetorik und Epistolographie vorgesehen — die überleitende Funktion der konkreteren Themenstellung, so daß diese kleine Einheit gattungsmäßig in der antiken Rhetorik als Propositio zu verstehen ist (Baasland, Form 3659; zur Propositio in der antiken Rhetorik vgl. Lausberg 289.346f.; Martin, Rhetorik 91-95). An diesem Punkt werden in der antiken Rede und in der Konzeption von Briefen die zu erörternden Punkte näher vorgestellt, wobei diese Vorstellung von brevitas/Kürze, absolutio/Vollständigkeit und paucitas/Prägnanz geprägt sein soll (so Cicero, De inv 1.22.32; vgl. Lausberg 671; Martin 94). Was schon für den Prolog galt (der jedoch in der Konkretisierung der angesprochenen Themen noch zurückhaltender ist), gilt auch für diesen überleitenden Teil (der die konkretisierten Einzelthemen schon nennt): Die Amplifikation, d. h. die ausführliche Entfaltung des Grundproblems, erfolgt im eigentlichen Briefkorpus. Damit dürfte die Funktion der Verse 1,19-27 für den Gesamtbrief, aber auch die literarische und form kritische Einheit dieses Textstückes deutlich sein. Bereits eine synchrone, redaktionskritische Lektüre des Textes legt die Inten tion des Jakobus frei. Worum es thematisch geht, kann durch eine diachrone, traditionskritische Betrachtung des Textes und durch den Versuch der Beantwortung der Frage, welche Traditionen der Verfasser rezipiert hat, weiter differenziert werden.
1. Vom Hören, Reden und Zorn (1,19) Nimmt man Vers 19 als Themavers ernst, so liefert er nach Jakobus die wichtigste Amplifikation der im Prolog festgestellten Schizo phrenie und Gespaltenheit des Menschen als Einzel- und Sozialwe sen (s. o. zu 1,5-11). Der Topos ist traditionell, da viele Analogien in der Weisheitsliteratur belegt sind. Die meisten und inhaltlich nächsten Belege finden sich in Jesus Sirach 4,27b-29 und 5,10-14, besonders 5,11:
27 b Nimm nicht Rücksicht auf das Ansehen eines Mächti gen. 28 Bis zum Tode streite für die Wahrheit, so wird der Herr für dich kämpfen. 29 Sei nicht prahlerisch mit deiner Zunge und schlaff und matt in deinen Taten. 10 11 12 13 14
Bleibe fest bei deiner Überzeugung und gleichbleibend/eins sei dein Wort. Sei schnell bereit zum Hören und mit Gelassenheit gib Antwort. Wenn du Einsicht hast, antworte deinem Nächsten, wenn nicht, so lege deine Hand auf deinen Mund. Ehre und Schmach liegen in der Rede, die Zunge des Menschen (ist) ihm ein Unglück. Nicht sollst du doppelzüngig genannt werden, lege mit deiner Zunge keinen Hinterhalt; denn für einen Dieb ist Schmach bestimmt und bitterer Tadel für den Doppelzüngigen.
Ermahnungen zum schnellen Hören und langsamen/bedächtigen Sprechen wie auch Warnungen vor dem Zorn gehören zum Reper toire praktischer Lebensweisheiten für ein funktionierendes Gemeinschaftsleben in jedem Volk. Solche Einsichten sind interna tional und betreffen auch nach Jakobus »jeden Menschen« (19b). Daß diese allgemeine Weisheit in der Bibel theozentrisch orientiert ist, verwundert nicht; auch nach Jakobus besteht die Gefahr, daß der Mensch in schneller Antwort und noch mehr im Zorn nicht das tut, was vor Gott gerecht ist (20). Zunächst geht es aber in 19 um eine alle Menschen betreffende Einsicht, die hinsichtlich der einzel nen Aspekte (Hören — Reden, Zorn) in der jüdischen und griechi schen Literatur außerordentlich breit belegt ist (vgl. Spr 13,3; 29,20; Pred 5,1; Ps Sal 16,10; Abot 1,15-17; 5,12 zum Hören und Reden sowie Sir 1,21 f.; 10,18; 20,2; Weish 10,3 usw.; zum Zorn des Menschen in der griechischen und jüdischen Literatur vgl. T h W N T 5, 1954, 383f..392-395.410-422). In der Septuaginta ist vor allem im Buch Jesus Sirach das Thema »Der menschliche Zorn und seine Folgen« mehr als in anderen Büchern ausgeführt. Eine Zusammenstellung der drei Gedanken aus Vers 19 findet sich hingegen nicht, sie ist überhaupt vor Jakobus nicht belegt (Dibelius 143 bietet in seinem ungeschichtlichen Ansatz aus dem 2. Jh. n.Chr. lediglich einen Beleg aus Lukian, Demonax 5 1 : »Zornlos,
wenig sagend, vieles hörend«). Im Hinblick auf die Thematik der folgenden Kapitel dürfte Jakobus demnach wohl nicht einen Spruch übernommen haben (so durchgehend Dihelius 140-143), sondern ihn rhetorisch wirksam asyndetisch gebildet haben; für Redaktion spricht auch das sonst im N T nicht belegte Adjektiv tachys: schnell/rasch (sonst im N T 12mal nur als Adverb belegt), da es Jakobus nicht um den einmaligen Akt des Hörens und Redens geht, sondern um eine Grundbefindlichkeit des Menschen. So sicher Jakobus hier also aufgrund der Internationalität der vorliegenden Gedanken auf Traditionen zurückgegriffen hat, ebenso sicher dürfte die sprachliche Gestaltung wie auch die Zusammenstellung auf seine eigene Hand zurückgehen - in Rezeption von Sir 5,11 (»Sei schnell bereit zum Hören und mit Langmut/Gelassenheit gib Antwort«) oder auch von 4,29 in der Handschrift A, S (»Nicht sollst du schnell sein mit deiner Zunge«; andere Handschriften bieten hier »prahlerisch« und »rauh/zornig«). Klarer als 19b.c kann eine Sentenz nach Form und Inhalt alttestamentlicher Weisheitssprüche nicht gestaltet sein. Daß praktische Lebenserfahrungen angesprochen sind, an die die Adressaten sich erinnern sollen, deutet auch 19a an: »Meine geliebten Brüder« wirbt um Ubereinstimmung und Einverständnis, ebenso der Imperativ »Wißt!«; der griechischen Form nach kann auch ein Indikativ (»Ihr wißt«) vorliegen, doch wie in 1,3a. 16 dürften die Leser vom Verfasser zu einer bestimmten Erkenntnis aufgefordert werden, die dann ein konsequentes Handeln nach sich ziehen soll. Für eine nüchterne Sicht der anthropologischen Struktur spricht, daß hier »kein absolutes Nein zum Zorn gesprochen wird« (ThWNT 5,422), was im Kontext der stoischen Affektenlehre nicht denkbar wäre. Die Anthropologie des Jakobus ist von erfrischender Nüchternheit; vielleicht charakterisiert eine solche Aussage auch ihn als Schreiber, wenn man an die zornigen und polemischen Attacken gegen die Reichen in 5,1 ff. denkt.
2. Von Zorn und Sanftmut (1,20-21) Literatur: Kertelge, K, dikaiosyne Gerechtigkeit, in: E W N T 1(1980) 784796 (Lit.). - Ders. - Biser, £ . , Wort Gottes, in: N H t h G 5( 1991) 263-285. - Kleinknecht, H. u.a., orge u.a., in: T h W N T 5(1954) 382-448. - Schelkle, K. H., Theologie des Neuen Testaments. III Ethos, Düsseldorf 1970, 183-195. 2
Die Begründung, die in Vers 20 für die Enthaltung von übermäßi gem und unkontrolliertem schnellen Zorn gegeben wird, findet sich auch in Jesus Sirach: 1,21 Die Furcht des Herrn hält die Sünde fern, und wer in ihr verharrt, wendet den Zorn ab. 22 Ungerechter Zorn wird nicht gerechtfertigt werden, denn das Gewicht seines Zorns bringt ihn zu Fall. Was Jesus Sirach verbal formulierte, hat Jakobus in die im A T und N T vielfach belegte Wendung »Gerechtigkeit Gottes« gekleidet, die bei Jesus Sirach nicht belegt ist (während er das Stichwort »Gerechtigkeit« durchaus kennt). Sachlich stimmen beide überein, da hier wie dort die Konsequenz des Zornes betont wird: Der schnelle und ungerechte Zornige kann vor Gott »nicht gerechtfer tigt werden«. Nimmt man Sir 1,21 f. als rezipierte Tradition für Jak 1,20 an, ist »Gerechtigkeit Gottes« nicht als Eigenschaft des Menschen im Sinne von »Gerechtigkeit vor Gott« zu interpretieren, sondern als die von Gott den Menschen geschenkte Gerechtigkeit. Gramma tisch ist beides möglich. Allerdings ist Jakobus nicht von der im Zentrum der paulinischen Theologie stehenden Wendung »Gerechtigkeit Gottes« her zu interpretieren (vgl. dazu den Exkurs »Rechtfertigung nach Jakobus und Paulus« nach 2,24). Diese theo zentrische Deutung entspricht im übrigen jenen Aussagen im Pro log (vgl. 1,5-7), in denen die Aufhebung des Mangels ganz Gott überlassen wird; der Mensch muß jedoch darum bitten. Dem steht allerdings ebenfalls im Prolog bereits eine andere Aussage entge gen, wonach »die Standhaftigkeit ein vollkommenes Werk haben soll« (4a) und nur der Mann selig zu preisen ist, »der in der Erprobung standhält und bewährt wurde« (12a.b). Beide Aussage reihen widersprechen sich nicht, wie der Versuch einer Lösung am Beispiel Abrahams in 2,14-26 zeigt mit der Hauptthese: »Der Glaube wirkte mit seinen Werken zusammen, und aus den Werken wurde der Glaube vollendet« (2,22). Der dort formulierte, in der Literatur umstrittene Synergismus (s. u. zu 2,22) sowie die beiden Aussagereihen im Prolog dürften für 1,20 ein offenes Verständnis nahelegen. So entspricht es auch der weisheitlichen und bundes theologischen Konzeption im A T : Gerechtigkeit Gottes »wirkt/ erwirkt/bewirkt« (20b) der, der sein Leben nach den Weisungen Gottes ausrichtet. Gemäß der Knappheit einer Propositio liegt in 1,20 eine Leerstelle vor, bei der der anthropologische Aspekt (die
Gerechtigkeit, die ein Mensch durch seine Taten vor Gott lebt) und der theozentrische Aspekt (die von Gott geschenkte Gerechtigkeit) ineinanderfließen. Dies unter der Voraussetzung, daß beide Aussa gen keine Alternativen sind, der paulinische Gedanke von der Rechtfertigung des gottlosen Sünders (Rom 4,5; 5,6) nicht anklingt. Wie in den bundestheologischen und weisheitlichen Kon zeptionen des A T (v. Rad, Theologie I 368-473) betont Jakobus die Entsprechung von menschlichem und göttlichem Verhalten. Viel leicht wollte er bewußt beide Aspekte in Vers 20 anklingen lassen. 21a.b: Betont Vers 20 das aktive Mitwirken des Menschen, so wird seine Aktivität in Vers 21 differenziert: Der Mensch hat das Wort (vgl. 1,18) anzunehmen, aber es wurde ihm eingepflanzt. Zwar muß er — dies ist die Folgerung aus 20a (21a: »deshalb«) — »allen Schmutz und der Bosheit Ubermaß« ablegen (21a), retten kann ihn aber nur das Wort (21c). Das Zusammenwirken von menschlichem Tun und göttlichem Handeln, das in 2,14-26 mit Beispielen aus dem täglichen Leben und am Verhalten Abrahams durchbuchsta biert wird, ist in 1,21 auf kleinstem Raum epigrammartig formu liert. Die Metapher vom eingepflanzten Wort findet sich nur hier im AT und N T , das Adjektiv eingepflanzt in der Bibel nur in Weish 12,10, dort jedoch im Sinne von »angeboren« verstanden und auf »Schlechtigkeit« bezogen. In der außerbiblischen Literatur kommt es zwar nicht häufig vor, wird aber dort, wo es belegt ist, verstan den als »durch die Natur eingepflanzt, angeboren« (Bauer — Aland 520; Davids 95 nimmt dieses Verständnis in Jak 1,21 an). Dahinter mag der weitverbreitete stoische Gedanke des logos spermatikos bzw. des eingeborenen logos stehen, der auch in der Umwelt des Jakobus bekannt gewesen sein dürfte, allerdings gebraucht Jakobus den Gedanken ganz ungriechisch und unstoisch (vgl. v. Gemünden 223 Anm. 34). Mag der Anstoß von stoischer Terminologie her rühren (Vouga 63; Laws 83), so hat Jakobus die Metapher im Kontext der Schöpfungstheologie in 1,18 sprachschöpferisch neu gestaltet. Das dortige Bild, wonach Gott Schöpfer alles Geschaffe nen ist, also auch der Menschen und der Christen als einer Art Erstling seiner Geschöpfe, impliziert für alle Gewächse das Bild des Pflanzens, das Jakobus in 21b einführt. Seine bildsprachliche Logik lautet: Wie das Gewächs den eingepflanzten Samen natur notwendig entfaltet, so haben Christen das ihre Existenz begrün dende eingepflanzte Wort Gottes anzunehmen, dann aber auch, wie die Verse 1,19-27 zeigen, in ihrer Lebenspraxis zu entfalten. Dies ist, so dürfte Jakobus intendieren, an sich eine naturgegebene
Selbstverständlichkeit. In der Spiegelmetapher in 1,23 dürfte die umstrittene Wendung das Angesicht seiner Herkunft/seines Wer dens diese Naturmetapher, die Jakobus schöpfungstheologisch versteht, noch einmal anklingen lassen. Wer sich als Existenz, als Geschöpf Gottes so versteht und vor allem so lebt, erwirkt... die Gerechtigkeit Gottes (20b), so daß Jakobus auch in der bild sprachlichen Dimension antithetisch formuliert. Tauftheologische Anklänge lassen sich auf der metaphorischen Ebene nicht finden (gegen Mußner 101 f.; Ruckstuhl 14; Vouga 63). Auch eine Identifi zierung des Wortes mit dem christlichen Evangelium bzw. der christlichen Lehre, wie es im N T (vgl. Frankemölle, Evangelium 48-57; Bauer-Aland 970f.) durchaus breit belegt ist (wo aber der Begriff »eingepflanzt« fehlt), wogegen »eingepflanzt« (ohne die Verbindung von »Evangelium«, »Wort«) einige Male in nachtestamentlicher Literatur belegt ist (Barn 1,2; 9,9; Pslgn 17,2), ist für den Jak nicht anzunehmen, es sei denn, man nimmt einen nicht zu belegenden, vor Jakobus »bereits bestehenden christlichen Sprach gebrauch« für die Wendung »eingepflanztes Wort« (Dibelius 145) an. Aus der Textlage bleibt eher zu folgern, daß Jakobus der Sprachschöpfer einer neuen christlichen Metaphorik ist, die kontextuell und demnach redaktionell zu begründen ist, wobei die christliche Missionsverkündigung mit »das Wort« als terminus technicus ihn angeregt haben könnte. Die antithetische Struktur, die sich in den Metaphern zeigte, bestätigt die anthropologische Aussage. Dem Zorn in Vers 20, der zwischenmenschlich und individuell nur ins Unglück führt, steht die Sanftmut, die Rettung bringt, in Vers 21 entgegen. Anders als die zerstörerischen Affekte des Zornes umschreibt »Sanftmut« im griechischen und jüdischen Bereich deren Beherrschung (vgl. ThWNT 6, 1959, 645-649). Da auf der Wendung »mit Sanftmut« der Hauptakzent liegt, dürfte sie sich auf das Verbum finitum »nehmt an« beziehen, während im Griechischen 21a (»legt ab«) als Partizip formuliert ist. Ähnlich akzentuiert Jakobus in 2,1: »Nicht mit Bevorzugungen von Personen habt den Glauben«; auch dort kennzeichnet das Wort »Bevorzugung/Rücksichtnahme« die Hauptmahnung. Und wie dort (analog in 1,27) Motive und Wen dungen aus Sir 35,15-17 rezipiert sein dürften, so auch hier in 21b bei der substantivisch, statt adverbiell formulierten Wendung »in/ mit Sanftmut nehmt das eingepflanzte Wort an«. Ähnlich heißt es in Sir 3,17: »Mein Sohn, in Sanftmut vollbringe deine Werke« (zum Stichwort Sanftmut vgl. außerdem Sir 1,26; 4,8; 10,28; 36,28; 45,4). Daß Jakobus statt des Adverbs ein Substantiv bevorzugt,
dürfte ähnlich wie in 19c begründet sein: Ihm geht es um eine andauernde Grundbefindlichkeit. Aus ihr folgen dann die einzel nen Handlungen. Auch nach 3,13, wo Jakobus noch deutlicher Sir 3,17 rezipiert, soll der wahre Christ »aus dem guten Wandel seine Werke in Sanftmut der Weisheit« erweisen; auch dort steht die Sanftmut konträr zu »Eifersucht und Streitsucht in euren Herzen« (3,14a). Dem entspricht in l,19c.20a der Zorn und die sehr offen formulierte Wendung »jeglicher Schmutz und die Überfülle des Bösen« (21a). Auch wenn Jakobus in 2,2d »schmutzig« konkret verwendet, so kann das Substantiv »Schmutz« in 21a nur metapho risch verstanden werden. Dies nicht nur, weil es auch sonst im ethischen Kontext belegt ist, vielmehr auch in der nur bei Jakobus sich findenden Verbindung mit »Böses/Schlechtigkeit« (Spicq II 784 f.). Wie weit die Verben »ablegen« (21a) und »aufnehmen/anneh men« (21b), die zunächst nur Gegenbegriffe sind, tauftheologisch zu interpretieren sind, ist auch abhängig vom Verständnis des Verses 1,18 (s. o.) und der Wendung »eingepflanztes Wort« in 21b. Das Verbum »ablegen« ist nicht im N T »typisch für Taufparänese« (Schräge 22), es sei denn, man bezieht alle Lasterkataloge oder Stellen wie Rom 13,12; Kol 3,8; 1 Petr 2,1; Eph 4,22-25 auf den einmaligen sakramentalen Akt und nicht auf die Forderung zu einem dauernden grundsätzlichen Sinneswandel. Selbst wenn man das Bild von einem Kleid oder Gewand, das man aus- und anziehen kann, als bestimmend ansieht, so dürfte aufgrund des Kontextes sogar in Eph 4,22-25 eine eindeutige tauftheologische Deutung ausgeschlossen sein (»Legt den alten Menschen ab, der in Verblen dung und Begierde zugrunde geht, ändert euer früheres Leben, und erneuert euren Geist und Sinn! Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. Legt deshalb die Lüge ab, und redet untereinander die Wahrheit; denn wir sind als Glieder miteinander verbunden.«). Auch in der immer wieder zitierten Stelle Rom 13,12 (»Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum laßt uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.«) dürfte — wenn überhaupt — nur noch ganz verblaßt das Bild eines Taufkleides ( = Waffen des Lichtes?) einwirken, falls es diese Praxis zu dieser Zeit überhaupt gegeben hat. Für angebliche katechetische Topoi der Taufparänese gibt es ein grundsätzliches Problem: Es gibt aus neutestamentlicher Zeit keine liturgischen Texte, sie müssen vielmehr aus dem N T erschlossen werden, u. a. aus Jak 1,18.21 und 2,7. Für 1,21a und b jedoch gilt:
Sowohl das Verbum »ablegen« kann als Gegenbegriff zu »aufneh men/annehmen« in 21b allgemein übertragen verstanden werden wie auch die Wendung »das eingepflanzte Wort« als Komplettie rung des Motivfeldes des Wollens, Gebärens und Erschaffens durch Gott in 1,18. Gott ist es, der das Wort einpflanzt, Christen sollen es in einer von der »Weisheit von oben« bestimmten Grund haltung der Sanftmut (vgl. 3,13-18) annehmen. Die dialektische Perspektive, daß Gott die Christen gewollt hat und geboren hat durch das Wort der Wahrheit (18a) und ihnen das Wort eingepflanzt hat (21b), und die damit korrespondierende Metapher von der Reaktion der Christen, dieses Wort anzunehmen (21b) und sich danach zu verhalten (22 ff.), kann nicht eindeutiger ausgedrückt und stärker betont werden. Wie im A T so wirkt auch Gottes Wort im N T durch sich; es verweist nicht auf ein anderes Heilshandeln (etwa im Sakrament) und es ist nicht nur Hinweis auf Rettung und Heil, sondern es bewirkt Rettung, Gnade, Leben (21c). Obwohl manche Ausleger hier Topoi der Taufparänese sehen, so dürfte dies der Intention des Jakobus nicht entsprechen, der ganz der biblischen Wort-Theologie verpflichtet ist. Darin stimmt er mit Paulus, Lukas und anderen neutestamentlichen Theologen überein (vgl. etwa Rom 1,16: »Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt«; nach Apg 13,26 ist das Evangelium »das Wort dieses Heiles«). Im Glauben der Hörer erreicht das Wort sein Ziel, da alle, die »das Wort (Gottes) anneh men« (so als terminus technicus in Apg 8,14; 11,1; 17,11 u. a.), wie in Jak l,21b.c Rettung erlangen. Im A T ist die Wendung »das Wort Gottes annehmen« zwar nicht in gleichem Sinne ein terminus technicus, dennoch aber gut belegt (vgl. etwa Dtn 30,1; 33,3.11 mit dem gesamten Kontext zur Annahme der Weisungen Jahwes; Jer 9,20; Sach 1,6; Spr 1,3). Jesus Sirach kennt das Verbum in Wen dungen wie »die Erkenntnis (der Weisheit) annehmen« (6,23), oder auch die Weisheit selbst »aufnehmen« (51,16). Wenn Jakobus im Kontext seiner Metaphorik von Vers 18 in 21b vom eingepflanzten Wort spricht, meint er im Hinblick auf seine christlichen Adressaten das in Vers 18 schöpferische Wirken Got tes. Wie weit christliche Soteriologie (Tod und Auferweckung Jesu) mitgedacht werden darf, muß offen bleiben. Vers 21 sagt nicht mehr, als daß der »eingepflanzte Logos« das von Gott eingepflanzte Wort der Wahrheit ist. Selbst der Gedanke einer Vermittlung durch urchristliche Verkündiger klingt an dieser Stelle nicht an (anders in 2,7). Die Denkrichtung des Jakobus ist ganz theozentrisch, was durch die aktivischen Aussagen vom Handeln
Gottes und durch das Passivum in 21b unmißverständlich festge halten wird. Jakobus ist ein Vertreter einer biblisch begründeten Wort-Theologie, wie sie etwa von der katholischen Kirche erst im Kontext des Zweiten Vatikanischen Konzils wieder neu entdeckt wurde, was für das Verständnis der Wendung »Wort Gottes« in der Bibel bei Exegeten Rückwirkungen hat (vgl. Kertelge — Biser). Nicht erst beim vieldiskutierten und ökumenisch belasteten »Gesetzes«-Begriff oder bei der Verhältnisbestimmung von Glaube und Werken in 2,14 ff. wird eine Auslegung des Jakobusbriefes ökumenisch relevant, unter grundlegenden theologischen Aspek ten ist seine Wort-Theologie vielleicht noch fundamentaler. Daß Jakobus in den Versen 19-21 im assoziativen Bereich des Wortes bleibt, hängt wohl auch mit dem hier verhandelten Thema »Von Zorn und Sanftmut« zusammen. Hier geht es um grund-legende theologische Bestimmungen, nicht um Taufparänese. Diese dürfte auch nicht im oft als Beleg dienenden Barnabasbrief (geschrieben um 131 n.Chr.) vorliegen. Dort heißt es am Beginn des Briefes: »Ich freue mich übermäßig und überschwenglich über eure beglückenden und herrlichen Geistesgaben, weil ihr in sol chem Maße die Gnade der Geistbegabung eingepflanzt erhalten habt« (1,2). Daß Gott es ist, der einpflanzt, bestätigt 9,9: »Es weiß, der die eingepflanzte Gabe seiner Lehre in uns gelegt hat: Keiner hat eine echtere Aussage von mir erfahren.« Auch hier geht es um die grundlegende Gotteserkenntnis der Christen (vgl. 1,5; 2,2), die sie unmittelbar Gott verdanken. Allein von ihm ist durch die Annahme seines Wortes die Rettung der Seelen in Jak 1,21c (was dem biblischen Sprachgebrauch gemäß mit euch zu übersetzen ist) zu erwarten. Annahme des Wortes im Glauben hat jedoch nach Jakobus — auch darin stimmt er mit der alt- und neubundlichen Schrift überein (vgl. T h W N T 4, 1942, 120) - praktische Konse quenzen. Davon ist in 1,22-25 (und in weiteren Amplifikationen des Briefes) die Rede. Die im Prolog festgestellte Thema-Rhema-Struktur findet sich auch hier, was nicht nur für die Konzeption des Jakobus von Bedeutung ist, vielmehr auch für die Auslegungsgeschichte. Bleibt doch bis heute protestantische Theologie und Schriftauslegung bei aller Berechtigung dieses Ansatzes (s. o. zur Neubesinnung der Katholischen Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil) einer über trieben einseitigen Wort-Theologie verpflichtet mit der Konse quenz, daß man in der Regel auch hinsichtlich der paulinischen Theologie die konkrete Bedeutung der Rechtfertigung in der Exi stenz der Christen negativ umschreibt (vgl. Wilckens, Römer I
Neukirchen 1978, 254-257). Analog dazu steht die Dignität des Wortes: »Immer wieder hat man etwas neidisch auf die Urgemeinde geblickt. Selbst wenn Lukas in der Beschreibung des urchristlichen Liebeskommunismus (2,44-47) vielleicht ein wenig übertrieben und idealisiert haben mag bleibt der unschätzbare Vorzug bestehen, daß sich hier der Glaube (noch) auf das Sehen, das Erleben der Wunder stützen konnte. Die Erkenntnis wurde nicht in die asketischen Grenzen des kontingenten Glaubens ver wiesen, sondern der Glaube konnte sich auf verläßliche Anschau ung berufen, auf das sichtbare Eingreifen Gottes. Der Glaube war da noch Interpretation von konkreten Ereignissen, während wir immer wieder nur auf das Wort und dann auf unsere zwielichtige Phantasie verwiesen werden« (M. Weinrieb, Apostelgeschichte 3,111; 5,12-16. Heil und Heilung, in: GPM 1991, 121-127, ebd. 125). Zwar wird konfessionelles Vorverständnis heute (was in sich kei neswegs negativ zu verstehen ist) aufgrund der Rezeptionsge schichte des Jak wohl kaum durch die theologische Konzeption des Jakobus umstrukturiert werden können, dennoch bleibt sie — als Teil der Schrift — nicht nur für sich, sondern auch für christliche Rezeptionsgeschichte bedeutsam. In sich entwirft der Jakobusbrief als historisches Dokument bereits im Briefanfang eine klare Konzeption. Christen, die »durch das Wort der Wahrheit geboren« wurden (1,18), haben »das einge pflanzte Wort« nicht nur »mit Sanftmut« anzunehmen (1,21b), vielmehr im ethischen Vollzug »in Sanftmut der Weisheit« (3,13c) zu realisieren (3,13-18). Jakobus bindet die Wort-Theologie an die Ethik, wie er die Ethik an die Wort-Theologie bindet. Hinsichtlich katholischen und evangelischen Vorverständnisses ist beides in gleichem Maße zu betonen. »Das Wort Gottes ist in uns einge schrieben, um uns den Weg der Heiligung zu zeigen«, daraus folgt, »daß Jakobus kein einfacher Moralist ist, sondern daß er seine Ethik auf eine präzise Theologie gründet« (Blondel 150). Daß dies der Skopus der Theologie des Jakobus ist, zeigt die kontextuelle Verbindung von 1,19-21 mit 1,22-25 und 1,26-27. Da man das Tun des Jakobus aufgrund der Rezeptionsgeschichte nicht eigens beto nen muß, ist jedoch sehr wohl die Anbindung des Tuns an das von Gott »eingepflanzte Wort« (1,21b) zu betonen. Dies bleibt die theozentrische Prämisse für alle folgenden Verse. Gilt für den Prolog: Was ist der Mensch ohne Gott?, Was ist der thematische Gedankengang in 1,2-18 ohne die theozentrische Aus richtung und ihn als semantischen Grund?, dann gilt hier ebenso: Was ist das Tun ohne das Hören?, Was ist Tun und Hören ohne
das im Menschen eingepflanzte Wort? Wie dort die anthropologi schen, so hingen hier die ethischen Aussagen ohne die Prämisse in der Luft, sie wären gleichsam ohne Netz und Boden.
3. Vom Hören und Tun (1,22-25) Literatur: Behm, / . , Das Bildwort vom Spiegel 1. Korinther 13,12, in: FS R. Seeberg. I Zur Theorie des Christentums, Leipzig 1929, 315-342. — Johnson, L. 7*., The Mirror of Remembrance (James 1: 22-25), in: C B Q 50(1988) 632-645. — Marconi, G., Una nota sullo specchio di Gc 1,23, in: Bibl 70(1989) 396-402.
Das zuerst genannte Stichwort »Hören« in Vers 19, der das Thema der kleinen Einheit 1,19-27 vorgibt, wird an zweiter Stelle aufge griffen (nach dem Zorn), sogleich aber mit dem Gegenbegriff »Täter des Wortes« verbunden. Außerdem wird aus dem Hörer ein »Nur-Hörer« (22a); ohne diese Einschränkung müßte man die folgenden Verse ebenso falsch interpretieren wie 2,24, wo vom »Nur-Glauben« gesprochen wird. Wie Jakobus sich in Kap. 2 mit Christen auseinandersetzt, die sich auf ihren »Glauben« berufen, ohne zu tun, was der Dekalog und andere Weisungen Gottes fordern, so setzt er sich in Kap. 1 mit Christen auseinander, die davon auszugehen scheinen, als würde das Hören des Wortes Gottes bereits retten. Formkritisch präsentiert sich auch die kleine Einheit 1,22-25 als in sich stimmig, wie oben im formkritischen Überblick zu 1,18-27 gezeigt wurde. Was dort stärker unter kontextuellen Gesichts punkten erarbeitet wurde, sei hier im Hinblick auf die Einzelverse ergänzt. Der Imperativ »werdet« in 22a, verbunden mit dem adversativen Artikel »aber«, ist nicht mit dem im N T üblichen Imperativ »seid« identisch. Im Kontext der oben (s. o. zu 1,4.12) angedeuteten Vorstellung des Jakobus, wonach der Mensch im Prolog als Existenz im Werden verstanden wird, trifft dieses Wort das dort Gemeinte (vgl. auch 3,1). Darüberhinaus will der Verfas ser aber auch im engeren Kontext bei den Adressaten eine Verände rung bewirken: vom Glaubenssatz, daß der Mensch Geschöpf Gottes ist (18), über die Annahme dieses Wortes (21) bis hin zu einem Verhalten nach diesem Wort (22-27). Gerade weil Jakobus im Prolog von einer Schizophrenie des einzelnen Christen (1,8) und der Christen untereinander (1,9-11) ausgeht, steht der Impera tiv in 22a »werdet die, die ihr an sich seid!« rhetorisch pointiert am
Beginn der kleinen Einheit. Daß Jakobus dies so versteht, zeigt sich in 22c, wo das im griechischen Text stehende Partizip die Subjekte von 22a charakterisiert: Die Angeredeten sind Menschen, »die sich selbst widersprechen/betrügen/täuschen/mit sich ein falsches Spiel treiben« (Bauer — Aland 1253). Ein Nur-Hörer steht im Wider spruch zum Gehörten. Kennzeichnend für den gesamten Abschnitt sind die Oppositions begriffe, die jedoch nicht durch Einzelworte (Mußner 241 sieht nur im »Wort« eine Stichwortverbindung), sondern durch feste Wen dungen charakterisiert sind: 22 23 25
Täter des Wortes — Nur-Hörer (des Wortes) Hörer des Wortes - Nicht-Täter (des Wortes) Nicht ein vergeßlicher Hörer (des Wortes) — Täter des Werkes
Das kontrastiv syntagmatische semantische Feld ist eindeutig: Es geht um den Gegensatz von Nur-Hören und Tun (des Wortes). Die etwas ausladende Spiegel-Metapher in 23-25 soll die Haupt these in Vers 22 begründen (23a: »denn wenn einer...«). Der Vergleich soll illustrieren, warum die Nur-Hörer mit sich selbst im Widerspruch sind, da sie ihre eigentliche Herkunft aus Gott (18) nicht erkennen und entsprechend handeln. (Vielleicht dürfte in diesem Motivzusammenhang die schwierige Wendung in 23c »Angesicht/Oberfläche der Herkunft« zu begründen sein; s. u.) Daß die Adressaten von einem mehr äußerlichen zu einem innerli chen Verständnis kommen sollen, belegen auch die Verben des Schauens. Jakobus spricht nicht von einem bloßen Sehen, vielmehr bedeutet bereits in 23c und 24a das Verbum katanoein: mit Überlegung beschauen/betrachten/beobachten/prüfen (Bauer Aland 843); bereits dieses Verbum meint nicht, daß der Handelnde nur einen flüchtigen und oberflächlichen Blick in den Spiegel wirft. Diese Intensität des Schauens wird durch das Verbum in 25a parakyptein: sich vorbeugen/einen genauen Einblick gewinnen verstärkt und durch das Verbum in 25b paramenein: verharren/ dabeibleiben als dauernde Haltung gefordert. Wer zu einer solchen Haltung gekommen ist und ein Täter des Werkes »wurde/gewor den ist« (25b), der wird — so die Folgerung in 25d — in diesem seinem Tun selig/glücklich sein. Damit hat Jakobus einen zweiten Makarismus (vgl. 1,12) formuliert. Anders als dort dürfte er hier jedoch nicht eschatologisch verstanden sein; die Funktion des Bildes für den Zusammenhang deutet eher auf ein logisches Futur,
zumal das Wort in wohl bewußt den begleitenden und zeitlich sich erstreckenden Umstand bezeichnet. 22: Da Jakobus den Nur-Hörer entlarven will und diesen Gedan ken antithetisch in 23a anschließt, stellt er das Ziel seiner Ermunte rung imperativisch an den Anfang: »Werdet aber Täter des Wor tes!«. Da diese Wendung in 1,23 wiederholt und in 1,25 mit »Täter des Werkes« sowie 4,11 mit »Täter des Gesetzes« variiert wird und als Gegenbegriff zum »Nur-Hörer« verstanden wird, wird zum einen deutlich, daß diese Syntagmen für die jakobeische Theologie bedeutsam sind, zum anderen aber, daß die Wendung »Täter« nicht im griechischen Sinn als »Dichter des Wortes« oder Verfasser von Gesetzen verstanden werden kann. Bei Jakobus geht es nicht um Menschen, die Worte formulieren und Gesetze erlassen, son dern um Menschen, die den Worten Taten folgen lassen und die Gesetze halten. Wahre Christen werden an ihren Werken (der Weisheit; vgl. 3,17) erkannt. Jakobus steht hier thematisch ganz in der biblischen Tradition, sprachlich in der biblisch-hellenistischen Uberlieferung. Allerdings gibt es für die Wendung »Täter des Gesetzes« nur einen einzigen Beleg in 1 Makk 2,67 (»Schart um euch alle Täter des Gesetzes«). Da außer Rom 2,13 (s. u.) »Täter« nur noch in Apg 17,28 als »Dichter« belegt ist, das substantivierte Tun im N T nur bei Jakobus in 25d vorkommt, ist hinsichtlich des Wortfeldes auf weitere Stellen der jüdisch- hellenistischen Literatur zu verweisen. Thematisch parallele Stellen finden sich nur bei Jesus Sirach: 3,1
Höret, Söhne, auf das Gebot des Vaters und handelt danach, damit ihr gerettet werdet. 15,15 Wenn du willst, kannst du die Gebote halten und Glauben tun des Wohlgefallens. 19,20 f Die ganze Weisheit ist die Furcht des Herrn, in der ganzen Weisheit ist das Tun/poiesis des Geset zes. 15,24 Besser ist arm an Einsicht, aber gottesfürchtig, als reich an Einsicht und Gesetzesübertreter. 51,18 Ich sann darauf, sie (die Weisheit) zu tun ..., und im Tun des Gesetzes suchte ich sie (die Weisheit) mit Sorgfalt. An diesen Stellen liegen für Jakobus die sprachlichen Vorbilder, wobei vor allem die Abfolge in 3,1 (Hören — Tun — gerettet werden) auffällig ist, die sich auch bei Jakobus findet (zu retten vgl.
21c). Dennoch ist mit diesem Hinweis die Frage nach der rezipier ten Tradition nicht endgültig geklärt, da sich auch in Rom 2,13 eine parallele antithetische Wendung findet: »Denn nicht die Hörer des Gesetzes werden vor Gott gerecht sein, sondern die Täter des Gesetzes werden gerechtgesprochen werden.« Da Jakobus und Paulus die Gegenbegriffe »Hörer des Gesetzes — Täter des Geset zes« benutzen, dürfte sprachlich für diese Wendung das hellenisti sche Judentum (vgl. 1 Makk 2,67) jener Ort sein, wo solche Wendungen gebildet worden sind, während die Wendung »Täter des Wortes« auf das sprachschöpferische Konto des rhetorisch gebildeten Verfassers des Jak zurückgehen dürfte. Dabei hatte er der Sache nach in der christlichen Literatur viele Vorbilder. Hinzu weisen ist auf Wendungen wie Jesu »Worte hören und tun« (vgl. Mt 7,24-27), »den Willen Gottes tun« (Mt 12,50), »das Wort Gottes tun« (Lk 8,21), »die Wahrheit tun« (Joh 3,21) u. a. Auch die rabbinische Literatur betont durchgehend, daß der Glaube sich in der Praxis be-glaubigen muß, das Tun höher zu veranschlagen ist als die Lehre (vgl. Ab 1,15: »Johannai [30 v. Chr.] pflegte zu sagen: Mache dein Torastudium zu etwas Feststehendem, sprich wenig, aber tu viel«; 1,17: »Nicht die Lehre ist die Hauptsache, sondern die Tat«; 3,9: »Nicht das Forschen ist die Hauptsache, sondern das Tun«; zu weiteren Stellen vgl. Billerbeck I 467; III 84-89). Bereits alle Theologen im A T verstehen das »Höre Israel« (Dtn 6,4 f.) praxisorientiert. Überall wird betont, daß das bloße Hören keiner lei Rechtfertigung vor Gott erwirkt. Daß der gläubige Mensch allzu leicht den Konsequenzen des Hörens auszuweichen sucht, begleitet paränetische Rede von Anfang an; dieser Gegensatz ist so konstant, daß er ausführlich nicht belegt werden muß (vgl. etwa Ex 24,3; Dtn 30,8ff.; Ez 33,32; Spr 6,3; vgl. weiter T h W N T 6, 465468). So oft auch die sich ergänzenden Wendungen »die Worte Gottes/des Gesetzes hören und tun«, oft auch adversativ in der Form »nicht nur hören, sondern tun« belegt sind, so wird zum einen doch deutlich, daß Jakobus mit Paulus und der Jesustradition wie auch mit der rabbinischen Überlieferung (von »Absage an das Rabbinat« redet in diesem Zusammenhang Schlatter 45) gemeinsam auf dem Boden der biblischen Ermahnungen steht, zum anderen aber ihm die sprachschöpferische Kraft zugebilligt werden muß, die Problematik substantivisch wie in einem Epigramm formuliert zu haben, wie es kürzer nicht geht: »Täter des Wortes und nicht nur Hörer«. Ein Auseinanderfallen wäre Selbstbetrug (22c); hier würde sich die Schizophrenie im Sein (1,8) auch im Handeln (vgl. bes. 2,14-26) bestätigen. Das Verbum paralogizesthai: betrügen/
täuschen ist neben Kol 2,4 (dort transitiv) im N T nur hier belegt, zudem reflexiv. Die hellenistisch-jüdische wie pagan-griechische Literatur kennt es, wenn auch nicht übermäßig. Wichtiger dürfte für Jakobus der Kontext sein, da er mittels der rhetorischen Figur der etymologischen Paronomasie das Verbum und das führende Substantiv logos: Wort (1,18.21.22.23) miteinander verbunden hat, wodurch der Selbstbetrug dessen, der nur Hörer, aber nicht Täter des Wortes, wodurch er erschaffen wurde (18a) und das ihm eingepflanzt wurde (21b), offensichtlich ist; er besteht darin, daß er mit der von Gott gewollten Anthropologie nicht übereinstimmt. Ein solcher Mensch lebt nur in einer Schein-Wirklichkeit, im Grunde jedoch entpuppt sich diese als Lug und Trug. Nach Jakobus gibt es nicht nur eine Schizophrenie im Menschen (s. o. 1,8a mit Kontext), es gibt auch eine Schizophrenie zwischen Sein und Handeln bzw. Hören und Tun. Wie die Aufnahme dieser Diastase in 23a wenn einer Hörer des Wortes ist und kein Täter und auch die einleitende Begründung in 23a denn belegen bleibt Jakobus bei dieser Thematik, die er im folgenden metaphorisch erläutert. Jakobus begnügt sich also nicht mit einem theologischen Schluß verfahren, vielmehr versucht er als neutestamentlicher Weisheits lehrer, in Fortsetzung seiner biblischen Vorbilder mit den in der ihm vorgegebenen Tradition angebotenen Mitteln von Bildern und Vergleichen aus Natur und Alltag (1,6.10-11; 2,26; 3,12ff. u. a.) die Adressaten zu überzeugen. Wie sehr ein Motto dieser Art christliche Existenz bestimmen kann, zeigt exemplarisch das Verhalten der Mitglieder der Weißen Rose (K. Huber, Geschwister Scholl, Chr. Probst, W. Graf u. a.), die als studentische Widerstandsgruppe an der Universität Mün chen 1942-43 mit Flugblattaktionen gegen das nationalsozialisti sche Herrschaftssystem kämpften und ihren Widerstand mit dem Leben bezahlten. Gemäß den überlieferten Briefen und Tagebuch aufzeichnungen und einem Interview von Ilse Aichinger, einer Schwester von Sophie Scholl, lassen sich als Motive für die Über zeugung, daß man in der damaligen Situation etwas tun mußte, folgende angeben: »Das Christentum spielt in diesem Zusammen hang als Motor zum Handeln eine wichtige Rolle. So wie in Frankreich der Existentialismus die Philosophie des Widerstandes war, so gab es auch bei uns einen christlichen Existentialismus . . . . Die christliche Grundhaltung der Mitglieder der WEISSEN R O S E hat wesentlich dazu beigetragen, mit dem Reden über Widerstand Schluß zu machen und etwas Praktisches zu tun. Plötzlich war
ihnen allen klar: Man darf nicht nur dagegen sein, sondern man muß etwas tun und an der ungeheueren Zementmauer der Unmög lichkeit versuchen, kleine Möglichkeiten herauszuschlagen oder hineinzusprengen. Das Suchen nach Möglichkeiten, auch in klein sten Dingen war für meine Schwester Sophie außerordentlich wichtig. Die Stelle aus dem Jakobus-Brief >Sei Täter des Wortes — nicht Hörer — allein !< war eine entscheidende Maxime« (H. Vinke, Das kurze Leben der Sophie Scholl, Ravensburg 1980, 99f.). Oder: In dem Trauerspiel »Judith« von Rolf Hochhuth (Hamburg 1988) heißt es im Gespräch der Geschwister Judith und Arthur zum Problem des politischen Mordes: »Aber einen zu killen, der Hitlers Herrschaft in Rußland repräsentiert: das war ja schon damals kein Problem, sondern Ehrenpflicht für jeden anständigen Russen — oder? Mit Zärtlichkeit für die Schwester: >Seid aber Täter des Worts — und nicht Hörer allein
des Menschen meinen. Nun werden jedoch beide Begriffe und ihr Wortfeld von Jakobus nicht nur in 23c verwendet. Bereits in 1,11 war in einem Zitat aus Jes 40,6 f. die Rede von der »Schönheit ihres (der Blume) Aussehens«. Vor dem »Ansehen der Person/nach dem Gesicht« warnt 2,1 als Oppositionsbegriff zu »Glauben«; in 2,9 (»Wenn ihr aber nach dem Ansehen von Personen geht«) wird eine solche parteiische Rück»sicht«nahme als Sünde deklariert. Zwar dürfte 1,23c noch nicht auf dieses unchristliche Problem der Unsolidarität in der Gemeinde hinweisen, sondern mehr im Sinne von 1,11c zu verstehen sein, wobei durch den Genetiv jedoch ein Übergang festzustellen ist. Auch das Substantiv genesis und sein Wortfeld kennzeichnen das Denken des Jakobus. Auffällig sind hier vor allem die Amplifikation zum Motivfeld »Zunge« (26b) in 3,1-12 und die sich dort findende Erfahrung, daß die Zunge - negativ eingesetzt — »das Rad des Werdens/des Lebenslaufes« in Brand setzen kann (3,6d). Jakobus versteht menschliches Leben als Sein im Werden, wie auch in 1,12.22.25; 2,4; 3,9 vorausgesetzt ist. Vor allem im Hinblick auf seine These, daß Gott unveränderlich ist (1,17) und der Mensch ihm seine Existenz im Werden verdankt als »eine Art Erstlingsfrucht« (18b) — Früchte halten sich nicht ewig —, dürfte die Wendung in 23c bewußt formuliert sein. Wer flüchtig in den Spiegel sieht, ist nicht einmal eines Vergleiches wert. Aber: Der Spiegel ist hier keine Vergänglichkeitsmetapher, wie der Kontext zeigt. Wer angestrengt nach seiner Beschaffenheit und Herkunft forscht, dem gilt der Vergleich; doch auch er hat nicht die Möglichkeit, seine Wahrnehmung festzuhalten, da sich seine Existenz im Werden nur in gelebter Existenz, d. h. auch im Tun verwirklicht. Gerade diese Dimension im Akt des Sich-Vertiefens (25a greift deutlich die Spiegel-Metaphorik noch einmal auf, jedoch gewendet auf den Vergleich) wird in 25c.d als Tun bezeichnet. Der Genetiv in 23c deutet an, »was im Spiegel nicht sichtbar wird, weshalb der Mensch, damit er sich kennenlerne, etwas anderes als einen Spiegel braucht. Das Gesicht, das der Mensch durch seine Geburt bekam, zeigt ihm der Spiegel; was er inwendig ist, kann ihm kein Spiegel zeigen« (Schlatter 149), dies kann ihm nur »durch das Wort der Wahrheit« (18a) im Akt der Annahme (21b) offenbart werden, aber erst dann, wenn die Angeredeten als Hörer auch »Täter des Wortes« (22a) geworden sind. Zu Recht betont der Makarismus in 25d, daß der Mensch sein Glück nicht (instrumen tal) »durch sein Tun« erlangt, sondern (modal, durativ) »in seinem Tun« und »während des Tuns«. Die Logik des Verses 25, vor allem die Identifizierung des sich vertieft Betrachtenden mit dem »Täter
des Werkes« (25c) ist nur in dem angedeuteten differenzierten Verständnis der einzelnen Verben und Substantive stimmig. Nur dann stimmt auch die Logik des Vergleiches »angestrengt in den Spiegel schauen« (23c) — »hineinschauen/sich vertiefen in das vollkommene Gesetz der Freiheit«. Bevor das Gesetzesverständnis des Jakobus an dieser Stelle und im gesamten Brief in einem Exkurs entfaltet wird, sei zuvor nach möglichen Parallelen für den von Jakobus benutzten Vergleich gefragt. Traditionsgeschichtlich ist nicht nach allen möglichen Belegstellen für Spiegel aus der gesamten Antike zu fragen (vgl. Mayor 71 f.), sondern nach der oben skizzierten Verwendung und nach mögli chen Traditionen, die Jakobus eventuell rezipiert hat. So ist die außer Jak 1,23 im N T sich findende zweite Stelle in 1 Kor 13,12 mit der übertragenen Bedeutung von Spiegel (»Jetzt sehen wir [Gott] durch einen Spiegel in rätselhafter Erscheinung, dann aber von Angesicht zu Angesicht«) trotz derselben Metapher deutlich anders orientiert, da dort die übertragene Bedeutung »prophetisch sehen« vorliegt (ThWNT 1, 1933, 177 und bes. Behm). Zu den Belegen aus dem Schrifttum des Philo und der Rabbinen wird nicht das Element der Undeutlichkeit oder der Abbildhaftigkeit betont (ebd. 178 f.). Die Spiegel-Metaphorik des Jakobus ist im N T also singulär. Dies gilt auch im Hinblick auf die Stellen aus der rabbinischen Literatur (vgl. Billerbeck III 452-454) und der paganen Literatur (vgl. Mayor 71 f.). Insgesamt ist die Anzahl der Beleg stellen in der Literatur vor Jakobus im ethischen Zusammenhang oder sogar als Metapher keineswegs so häufig, wie behauptet wird (Dibelius 147; Mußner 105), mag auch der Gedanke, »daß der Mensch sich in einem göttlichen Spiegel spiegelt und dadurch verherrlicht, Gott ähnlich wird«, in der altchristlichen Literatur durchaus belegt sein (Behm 326 mit Stellenangaben). Immerhin hat Jakobus die Spiegel-Metapher von 23 in 25a so gewendet, daß jetzt »das vollkommene Gesetz der Freiheit« dem Betrachter nicht nur seine äußeren Gesichtszüge, sondern sein inneres Wesen »im Angesicht« Gottes, d. h. des von Gott erlassenen Gesetzes offen bart. Allerdings trifft zu, was Dibelius 147f. fast mit etwas Bedau ern feststellt: »Die Verwendung an unserer Stelle berührt sich nicht mit den bekannten Belegen; Jak hat solche Bilder in der Regel übernommen; eine Abhängigkeit läßt sich aber in diesem Fall bisher noch nicht nachweisen.« Auch die metaphorische Verwen dung in Sir 12,11
Auch wenn er (dein Feind) sich gefügig zeigt und gebückt einhergeht, nimm dich in acht und hüte dich vor ihm. Sei ihm gegenüber wie einer, der einen Spiegel putzt, und du wirst erfahren, daß er nicht immer mit Rost überzieht und die Verwendung in Weish 7,26 Denn sie (die Weisheit) ist der Widerschein des ewigen Lichts und der fleckenlose Spiegel der göttlichen Wirklichkeit wie auch das Ebenbild seiner Güte sind keine von Jakobus rezipierten Traditionen. In Sir 12,11 geht es um den klugen Umgang mit einem heuchlerischen, feindseligen Menschen, wodurch — wie beim kräftigen Polieren eines rostigen Spiegels — dessen wahres Wesen hervortritt. Ganz anders wird die Metapher in Jak 1,23 verwendet. So dürfte Jakobus selbst — wie bereits auch im Prolog etliche Male festgestellt — mit sprachschöp ferischer und einfühlsamer Kraft den Vergleich im Hinblick auf die anvisierte Thematik formuliert haben. Die Thematik erweist sich aber im bisherigen Kontext als eine Rekapitulation der Verse 1,24.12. Lautete die thematische Progression dort: »Erprobungen bewirken Standhaftigkeit des Glaubens, die Standhaftigkeit aber soll ein vollkommenes Werk bewirken, damit ihr vollkommen und ganz seid und deswegen selig gepriesen werdet«, so lautet die thematische Progression hier — ausgehend vom Zorn als der die Ambivalenz des Menschen charakterisierenden Grundhaltung (20): »Aus den Hörern des Wortes müssen Täter des Wortes werden, die dann selig sind in ihrem Tun.« Auffällig ist, daß der Begriff »Glaube« in der kleinen Einheit 1,19-27 nicht genannt wird, dafür aber in Kap. 2 (vgl. das Stichwort in 2,1.5.14.17.18.20.22.24.26) Leitwort ist, wobei mit der auffälligen Wendung in 2,1 »den Glauben haben« (statt glauben) nicht nur eine Wendung aus 1,4 (»die Standhaftigkeit aber soll ein vollkommenes Werk haben«) variiert wird, vielmehr auch in Opposition zu der Wendung »Werke haben« (2,14.17.18) steht, was in 2,14 sogar in einem einzigen Vers antithetisch formuliert ist. Schon jetzt läßt sich sagen: Glaube und Wort müssen nach Jakobus nicht nur praxis orientiert verstanden werden, sondern in der Praxis konkretisiert werden. Weil dies so ist, kann Jakobus einen solchen Christen einen »Täter des Werkes« (25c) und »Täter des Gesetzes« (4,11) nennen, da er dieses von ihm so verstandene Gesetz in 1,25a als
»das vollkommene Gesetz der Freiheit« charakterisiert. Neben der Konzeption von Anthropologie und Theo-Iogie (vgl. den Exkurs nach 1,18) ist für die Theologie des Jakobus sein Verständnis von »Gesetz« von höchster Relevanz — nicht nur unter dem Aspekt der ökumenisch bis heute umstrittenen Auslegungsgeschichte.
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Über den Begriff »Gesetz« im Jakobusbrief läßt sich nicht geschichtslos schreiben — weder im Hinblick auf heutiges Sprechen noch im Hinblick auf jüdisches Verständnis noch im Hinblick auf das Gesetzesverständnis neutestamentlicher Theologen. Fußangeln gibt es genug, nicht zuletzt auch aufgrund von hermeneutischen Prinzipien aus der Reformationszeit, die bis heute protestantisches Selbstverständnis in seiner Identität prägen. Davon hängen auch eine sachgerechte Würdigung des Jakobusbriefes insgesamt wie auch sein Reden vom »Gesetz« ab. Dies kann hier nicht entfaltet werden (zur Begründung vgl. Frankemölle 175-198). Nur einige Faktoren seien kurz benannt: 1. Christliches »Gesetzes«-Verständnis ist — ob man es will oder nicht — bewußt oder unbewußt von Reformation und Gegenreformation und deren Nachgeschichte — nicht zuletzt in Deutschland - geprägt. Dies ist Teil unserer Geschichte, die nicht zu verdrängen, wohl aber bewußt zu machen, und vor allem auf ihre leitenden hermeneutischen Prinzipien (auch bei Luther) zu befragen ist, die von seiner polemischen Sprechsituation abhän gig sind. Bekanntlich sieht Luther in der allgemeinen Vorrede zur Septem berbibel von 1522 im Jakobusbrief »eyn rechte stroern Epistel gegen sie [JohEv und Rom, Gal, Eph und 1 Petr], denn sie doch keyn Euangelisch art an yhr hat« (WA, DB 6,10). In der speziellen Vorrede zum Jakobusbrief heißt es zwar zunächst etwas doppeldeutig: »Die Epistel Sanct Jacobi ... lobe ich vnd halt sie doch für gutt, darumb, das sie gar keyn menschen lere setzt vnd Gottis gesetz hart treybt«, was jedoch im Sinn der reformatori schen Wende Luthers negativ zu interpretieren ist, da »sie stracks widder Sanct Paulon vnd alle ander schrifft den wercken die rechtfertigung gibt«. Seine Konsequenz aus dem Gegensatz zwischen Paulus und Jakobus lautet: »Aber diser Jacobus thutt nicht mehr, denn treybt zu dem gesetz vnnd seynen wercken« (WA, DB 7, 384 f.). Noch in seinen Vorlesungen über den Römerbrief von 1515/16 und den Galaterbrief von 1516/17 konnte Luther Paulus und Jakobus durchaus zusammendenken, da Paulus von den opera legis, Jakobus von den opera fidei redet: »Wenn also Jakobus und der Apostel sagen, der Mensch werde aus den Werken gerechtfertigt, dann streiten sie wider das falsche Verständnis derer, die meinten, es genüge ein Glauben ohne seine Werke, obschon der Apostel nicht sagt, daß der Glaube ohne die ihm eigenen Werke ist (denn dann wär<s kein Glaube mehr, da >die Tätigkeit beweist, daß eine Form vorhanden istWerkeSoll< und >Habenunabhängig über sich selbst verfügenüber sich verfügen lassen< bezeichnen« (204). Wie zeigt sich diese doppelte — theozentrische und anthropologische — Ausrichtung bei Jakobus? 4. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten des Verständnisses von »Gesetz« im frühen Judentum und Christentum kann die Verwendung beim einzelnen Autor »nur aus einer semantischen Kontextanalyse gewon nen werden« (so zu Recht Mußner 241). Dieser Kontext ist im Jakobusbrief an allen 10 Stellen, wo der Begriff »Gesetz« vorkommt (1,25; 2,8.9.10.11.12; 4,llc[2mal].d.e) eindeutig theozentrisch. Dies in dem Sinne, daß Jakobus das Bekenntnis zu Gott dem Einen (2,19) in 4,12 aufnimmt und dahingehend — dies ist für jüdische und christliche Theolo gie einzigartig — wie folgt konkretisiert: »Ein einziger/der einzige ist Gesetzgeber und Richter«. Die Erinnerung an ein solches Bekenntnis (was bei den Adressaten wohl nicht umstritten ist) schließt nach Jakobus jeden Gedanken an ein Richten von Christen über Mitchristen (vgl. 4,lla-d) aus. Christen sollen »Täter des Gesetzes«, nicht Richter sein (4,1 le). Indem das »Gesetz« Objekt des menschlichen Tuns wird, zeigt sich die handlungsorientierte Leserlenkung des Jakobus. Die Logik liegt aber nur dann vor, wenn das theozentrische Bekenntnis, daß Gott allein Geber der Tora und Richter des menschlichen Tuns nach der Tora ist, gesehen wird. Dieses Handeln Gottes schließt jedes innerkirchliche Richten (vgl. 4,llb.c mit 2,6) aus. Das Gesetz Gottes steht für Christen nicht zur Disposition, Subjekt der Stiftung der Gesetze ist immer Gott. Christen haben nichts anderes zu tun, als sich unbedingt toragemäß und das heißt für Jakobus solidarethisch zu verhalten (vielleicht taucht deswegen der Begriff »Gesetz« hier 4mal auf). Der Mitchrist soll gemäß Lev 19,16 (Jakobus hatte diese Stelle bereits in 2,8 wörtlich zitiert) »Nächster« sein, wie Jakobus in 4,12c durch die Stellung des Wortes am Ende des Verses deutlich betont. Dies macht nach ihm Bruderschaft (vgl. die Anrede »Brüder« in 4,11a), dies macht reziproke Geschwisterlichkeit aus (vgl. »einander« in 4,11a). Damit sind wichtige Elemente für das Menschen- und Gottesbild des Jakobus benannt (s. o. den Exkurs nach 1,18). Für den Begriff »Gesetz« machen diese Hinweise deutlich, daß das Liebesgebot kritische Norm ist. Das Richten des Näch sten widerspricht dem diametral. Der Kontext macht deutlich: Unsolida risches Verhalten in der Gemeinde ist nach Jakobus nicht nur unsozial, nur ein zwischenmenschliches Fehlverhalten (und steht damit im Widerspruch
zur Tora Gottes), vielmehr stellt es auch Gottes Gottsein selbst in Frage! Eine fundamentalere theo-logische Begründung ist nicht denkbar. Auch die Einheit von Bekenntnis und Ethik kann nicht stärker betont werden. Kann Jakobus bei den Lesern seines Briefes in Kap. 4 voraussetzen, was er unter »Gesetz« versteht, so muß er am Beginn seines Briefes dies verdeutli chen. Auch in 1,25 (»wenn er hineingeschaut hat in das vollkommene Gesetz der Freiheit«) geschieht dies nicht nur durch das Adjektiv und das Genetivattribut, sondern auch kontextuell — und dieser Kontext ist wie derum theozentrisch geprägt. Auch wenn die Leserstrategie des Jakobus adressatenorientiert ist, sind alle Aussagen begründet im vorauslaufenden Handeln Gottes: Gott »wollte« die Christen und hat sie »geboren durch das Wort der Wahrheit« (1,18), Christen haben »das eingepflanzte Wort« anzunehmen (1,21b), nur diese Reaktion »erwirkt die Gerechtigkeit Got tes« (1,20b), nur das Wort »vermag die Seelen zu retten« (1,21c). Wie die Christen nach 4,11 »Täter des Gesetzes« sein sollen, so sollen sie nach 1,22 »Täter des Wortes« sein, das demnach Gottes Wort ist. Ähnlich impliziert der Hinweis auf das Gesetz, die Tora in 1,25, daß selbstverständlich einzig und allein Gott der Geber ist (vgl. 4,12a). Er ist zugleich »Gott und Vater« (1,27a). Mit diesem ausdrücklichen Hinweis ist die theozentrische Basis der kleinen Einheit in 1,19-27 deutlich garantiert, auch wenn Jakobus energisch ein entsprechendes Verhalten der Menschen einklagt, näherhin zwischen menschliche Solidarität (l,19c.26b.27b). Wie die Formkritik dieses Abschnittes (s. o.) zeigte, sind die Verse nicht nur geprägt vom Gegensatz von Hören und Tun, von Rede und Tat, sondern auch von der Analogie Gott — Mensch, und: »Das vollkommene Gesetz der Freiheit« (1,25) steht parallel zum »Wort der Wahrheit«, durch das Menschen Leben gewährt wird (1,18a), sowie zum »eingepflanzten Wort«, das »zu retten vermag« (l,21b.c). Dieses Wort ist mit dem »vollkommenen Gesetz der Freiheit« identisch, wie die Verben belegen. Ein »Täter des Werkes« »vertieft sich/ schaut hinein in das vollkommene Gesetz der Freiheit«, während der NurHörer des Wortes einem Mann gleicht, der sich im Spiegel betrachtet (23c.24a) und sofort vergißt, wie er beschaffen ist. Die Wendungen »Wort der Wahrheit« (1,18) und »das eingepflanzte Wort« (1,21) meinen »in diesem Zusammenhang nichts anderes als das Gesetz, wie der Schluß des Absatzes V 25 zeigt, aber eben das vollkommene Gesetz, das Gesetz der Freiheit« (Eckart 524). Beide Begriffe sind umfassend gemeint und bestäti gen in ihrer Bedeutung einander. Dies legt auch die Grammatik nahe. Wie in 1,18 »Wort der Wahrheit« im Sinne von »wahres Wort« als Genetivus qualitatis zu verstehen ist, so auch »Gesetz der Freiheit« in 1,25 im Sinne von »freies Gesetz« (vgl. auch das »Gebet des Glaubens« in 5,15). Sieht man die Qualifizierung des Gesetzes bereits im Adjektiv »vollkommen« gewährleistet, womit Jakobus den Gedanken aus 1,17 (»Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk ist von oben, kommt herab vom Vater der Lichter«) toratheologisch konkretisiert, dann legt es sich im theozentri schen Kontext von Gott als Handelndem nahe, das Genetivattribut »der Freiheit« auch auf den Geber zu deuten. Jakobus hätte dann die Aussage
von 1,18a, wonach Gott in freier schöpferischer Selbstbestimmung die Existenz der Adressaten »wollte« und sie »durch das Wort der Wahrheit geboren hat«, ebenfalls toratheologisch konkretisiert. Mehr als eine Vermutung kann dies nicht sein, allerdings dürfte sie die Richtung andeuten, in der Jakobus die bislang nicht belegte Wendung »Gesetz der Freiheit« verstanden haben könnte. Festzuhalten ist allerdings, daß jeder Gedanke einer Freiheit »von«, vor allem in paulinischem Sinn (so
etwa Dibelius 152; Hoppe, Hintergrund 96; Vollenweider 186) fernliegt, ebenso wird der Gedanke einer Befreiung »zur« Freiheit (Mußner 241 f.; Fabris 74-81.241 f.; Schnackenburg II 208) von Jakobus nicht angespro chen. Er geht hinter diese anthropologischen Aspekte gleichsam in die Tora selbst zurück, indem er den Gedanken der Freiheit des Gesetzes selbst formuliert. Nicht nur die Formulierung ist singulär, auch der Gedanke. Er läßt sich weder aus der jüdischen Tradition ableiten (so einseitig Fabris 5381.235-238; zur Kritik vgl. Jones 220f. Anm. 67) noch aus hellenistisch stoischen Texten (vgl. etwa Dibelius 148-152; Mußner 108f. u. a.). Ver steht man die Wendung »Gesetz der Freiheit« anthropologisch (was für Jakobus nicht zutrifft), gibt es natürlich eine Reihe Sachparallelen für den Gedanken, daß ein Mensch, der ganz auf Gott ausgerichtet ist, glaubend seine Existenz in ihm gründet, wahrhaft frei ist. Dies ist gut jüdisch, wie die Interpretation von Ex 32,16 durch R. Jehoschua b. Levi zeigt: »Ferner heißt es (Ex 32,16): >Die Tafeln sind ein Werk Gottes, und die Schrift ist Gottes Schrift, auf die Tafeln eingegrabene Lies aber nicht Charut (eingegraben), sondern Cherut (Freiheit)! Denn frei ist allein der, der sich mit dem Gesetzesstudium befaßt« (Pirke Abot 6,2; vgl. ebd. 3,7: »Jedem, der das Joch des Gesetzes trägt, nehmen sie das Joch des Königtums und das Joch der weltlichen Sorgen«). Philo bestätigt in seiner Schrift »Jeder rechtschaf fene Mensch ist frei« diese Überzeugung (45: »Die mit dem Gesetz leben, sind frei«), womit er stoische Gedanken variieren dürfte (vgl. Seneca, De vita beata 15,7: deo parere libertas est; zu diesen und anderen Stellen vgl. Sigal, Halakhah 344-346 und Dibelius 148-152). Diesen Gedanken, daß die jüdischen und griechischen stoischen Weisen, die sich der göttlichen Welt ordnung unterordnen, wahrhaft frei werden, ist nicht die Aussage des Jakobus. Ihm geht es bei der Wendung »Gesetz der Freiheit« in 1,25 und 2,12 nicht um einen finalen Aspekt, sondern um die Qualität der Freiheit der Tora selbst; dieser Gedanke wurde wohl ausgelöst durch die schöp fungstheologische Aussage in 1,17f.. Da traditionelle Belege bisher fehlen, ist die Wendung »Gesetz der Freiheit« als redaktionell anzusehen, wofür auch die Gestaltung des Kontextes spricht. Bestätigt wird dies durch die ungewöhnliche und ebenfalls bislang nicht belegte Wendung »Wenn ihr das königliche Gesetz erfüllt« in 2,8. Trotz intensiver traditionsgeschichtlicher Suche (vgl. etwa Fabris 165-176.211232) fehlen auch für diese Wendung jüdische und griechische Belege. Auch hier führt der Blick auf den Kontext weiter. Das Adjektiv königlich: basilikon nimmt deutlich das Substantiv Königtum/Königsherrschaft: basileia aus 5c auf (»Hat Gott nicht die vor der Welt Armen als Reiche im
Glauben und als Erben des Königtums erwählt?«). Damit erhält kontextuell auch die Wendung in 8a wiederum deutlich einen theozentrischen Aspekt, der das Handeln Gottes betont, was durch das Schriftwort und wortwörtli che Zitat aus Lev 19,18 verstärkt wird (»Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«). Solidarisches Verhalten zum Nächsten generell wird mit dem Schriftwort aus Lev 19,18 theozentrisch begründet. Es bezieht sich nicht nur auf den Armen (so nimmt man in der Regel an), wie die Wiederaufnahme des Themas von 2,1 in 2,9 bestätigt. Hier wird in verbaler Form (»wenn ihr aber parteilich bevorzugt«) wiederholt, was in Vers 1 substantivisch formuliert war (»nicht mit Bevorzugung/Ansehen von Personen habt den Glauben«). Nicht individuelle Ethik steht an, sondern Sozialethik in ekklesialer Perspektive. Nicht um einen innerlichen Glauben geht es Jakobus, vielmehr schon hier (vgl. ausführlich in 2,14-26) um einen im Tun verwirklichten Glauben, wie er von der Tora gefordert wird (vgl. etwa Lev 18,1-5; Dtn 4,5-8; 6,1-25). Durch diese Wiederaufnahme wird im Hinblick auf das Verständnis des Begriffes »Gesetz« deutlich, daß der »Glaube an unseren Herrn Jesus Christus« (2,1) und das Gesetz (2,9) Identisches fordern. Wie die Offenbarung Gottes in der Tora von dem damit gebotenen menschlichen Gehorsam im Tun des Willens Gottes untrennbar ist, so auch der Glaube an Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, und die geforderte Praxis (anders Burcbard, Zu Jakobus 29). Daraus folgt, daß Glaube und Gesetz im Jakobusbrief »zumindest funktio nal identisch« sind (Heiligentbai 31), wenn sie nicht sogar ihrem Inhalt nach identisch sind — parallel zur Gleichstellung von »Wort« und »Gesetz« in 1,21-25, wobei allerdings »Glaube« den anthropologischen Aspekt, »Gesetz« den theozentrischen Aspekt betont. Letzteres wird auch dadurch deutlich, daß in 2,12 (»da ihr im Begriff seid, durch das Gesetz der Freiheit gerichtet zu werden«) die Tora als handelndes Subjekt, gleichsam in Stell vertretung Gottes als hypostasierte Größe aktiv wird. Dies legt sich auch deswegen nahe, weil Jakobus in der kleinen Einheit gegen die Praxis von Bevorzugungen in der Gemeinde Sir 35,12-24 rezipierte, einen Text, in dem durchgehend Gott als handelndes Subjekt auftritt:
12 Denn der Herr ist Richter, und bei ihm gilt kein Ansehen der Person. 18 Und er (der Elende) läßt nicht davon ab, bis der Höchste dreinsieht und den Gerechten Recht schafft und Gericht hält 22 bis er dem Menschen nach seinem Tun vergilt und die Werke der Menschen nach ihren Anschlägen heimzahlt; 23 bis er richtet und Recht schafft seinem Volk und sie erfreut durch sein Erbarmen.
Dieser theozentrische Aspekt war wohl Auslöser dafür, daß Jakobus die ungewöhnliche Bezeichnung vom »königlichen Gesetz gemäß der Schrift« in 2,8 formuliert, womit inhaltlich das Liebesgebot gemeint ist, das Vertre tern jeder sozialen Schicht falsches Verhalten gegenüber anderen nur auf grund ihres An- und Aussehens verbietet. Es betrifft das Reden (2,3.7), aber vornehmlich das Tun, wie der ganze Abschnitt zeigt. Die Folgerung am Ende in 2,12 (»so redet und so tut ...«) ist demnach konsequent. Der Glaube im Sinne des Jakobus zielt wie das Gesetz auf Reden und Tun. Dabei ist die von Gott gegebene Tora jene Größe, die man zitieren kann und die in ihrer verschriftlichten Form Maßstab und Norm auch des christlichen Glaubens ist, und zugleich auch Handelnde im Gericht. Indem Jakobus in 2,12 das Syntagma »Gesetz der Freiheit« von 1,25 aufnimmt, betont er nochmals, daß jeglicher Legalismus und Nomismus fernliegen. Die theozentrische Struktur der Tora mit ihrer freiheitlichen und königlichen/basileiagemäßen Qualität ist auch der Grund, warum Jakobus dazu auffordern kann, »das ganze Gesetz« zu halten (2,10), ohne daß er die Verkürzung der Tora um Kult- und Zeremonialgesetze und ihre Konzen tration auf die zweite Tafel des Dekaloges begründet. Letztlich liegt hier auch wohl der Grund, daß Jakobus nirgendwo von den »Werken des Gesetzes« (wie Paulus) spricht, da »Werke« als Zeichen des Glaubens zur anthropologischen Problematik gehören, während »Gesetz« bei Jakobus theozentrisch strukturiert ist. Daher ist es nur konsequent, wenn vom »Gesetz« im vielverhandelten Text 2,14-26 zum Thema »Vom Glauben ohne Werke und vom Glauben mit Werken« nicht die Rede ist. Dennoch wird dort wie in 2,1-13 dasselbe Thema unter verschiedenen Aspekten behandelt. Das »Gesetz« als die von Gott in der Offenbarung am Sinai ge setzte Lebensordnung zielt in seiner theozentrischen Struktur ebenso auf Ganzheit und Einheit wie der Begriff »Glaube« in seiner anthropologischen Struktur. Die Begriffe »Glaube« und »Gesetz« sind bei Jakobus (im NT stimmt er in auffälliger Weise mit Matthäus überein; vgl. dazu Frankemölle, Jahwe-Bund 21-27.95- 98.111-115.294-307) zwei Begriffe, die gleichsam als zwei Seiten einer Medaille dieselbe Sache betreffen. Prüfstein des Glaubens an Gott ist die von der Schrift geforderte Liebe zur notleidenden Schwester und zum notleidenden Bruder (2,13-16), wodurch parteiliche Bevorzugun gen aufgrund sozialer Höherstellung ausgeschlossen sind (2,2-4) und die Erfüllung aller solidarethischen Gebote vorausgesetzt wird (2,8-11). Wer sich anders verhält, gegen den wird das Gesetz handelnd aktiv (9c: »Ihr werdet vom Gesetz als Übertreter überführt«), auch im Gericht (12b). Halten der Gebote und Liebe zu Gott werden von Jakobus aufgrund der traditionellen Motiwerbindung (vgl. Ex 20,5f.; Dtn 5,9f., 7,9; ausführli cher Frankemölle, Gesetz 208.212) auch in Kapitel 2 vereint: Dem »die ihn (Gott) lieben« (2,5 in wörtlicher Rezeption von 1,12) entspricht das Schrift zitat »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (2,8). Diese Einheit von Gottes- und Nächstenliebe ist Inhalt der Tora, sie ist aber auch Inhalt des christlichen Glaubens. Beide Aspekte stehen in 2,1-13 und 2,14-26 an. Dies macht aber deutlich, daß es Jakobus nicht um eine Gesetzesparänese
im engeren Sinn geht, sondern um die Entfaltung des Hauptgebotes des jüdischen und zugleich christlichen Glaubens, wie er in Dtn 6,4-25 (zur christlichen Bestätigung vgl. auch Mk 12,30 par Mt 22,37; Lk 10,27 und Mt 4,10 par Lk 4,8) programmatisch formuliert ist. Auch dürfte das »Höre Israel« (Dtn 6,4 ff.) — nicht nur aufgrund der wörtlichen Rezitation in Jak 2,19 — als tägliches Morgen- und Abendgebet der Juden für das theologi sche Selbstverständnis des Jakobus vom christlichen Glauben und von der christlichen Gemeinde normativ gewesen sein. Sein Gesetzesverständnis entspricht ganz den von E x 32,16 und Abot 6,2 (»Die Tafeln sind ein Werk Gottes, und die Schrift ist Gottesschrift, auf die Tafeln eingegraben. Lies aber nicht Charut: eingegraben, sondern Cherut: Freiheit«). Wie jene Verfasser betont auch Jakobus die Freiheit als Konsequenz der Beschäfti gung mit dem Gesetz, was auch von jüdischer Seite deutlich gesehen wird
(vgl. Sigal 344 f.). Es bleibt festzuhalten, daß »Gesetz« syntaktisch und semantisch nie eigent liches Thema des Jakobus ist, sondern in Funktion zu anderen Theologumena steht, nämlich zu den Begriffen »Glaube«, »Verwirklichung des Glaubens im Tun«, »Freiheit«, »vollkommen«, »königlich« - »Königs herrschaft«. Wenn die spezifischen Kennzeichen bestimmter Richtungen im Judentum wie Sabbat, Beschneidung, levitische Reinheitsvorschriften und Ritualgesetze überhaupt nicht mehr angesprochen werden und zudem Jakobus die für den Glauben notwendigen Werke nie als »Werke des Gesetzes« bezeichnet, zeigt dies nicht nur sein theologisches Programm, sondern gibt auch Hinweise auf die Situation seiner Adressaten. Wenn der Begriff »Gesetz« weder kultisch einzuengen noch ritualistisch und formali stisch zu verstehen ist, sondern theozentrisch weit und offen, da »Gesetz« Sinn, Freiheit und Leben stiftend ist, dann dürfte dies der Punkt sein, den Jakobus seinen Adressaten klarmachen wollte. Und ein zweites: Gegen die damals im Kern individualistisch angelegte hellenistische Ethik plädiert Jakobus von der Schöpfungs- und Erwählungstheologie her nicht nur für eine sozialethische Dimension des Glaubens, sondern auch für eine solida rische, gruppenstiftende Dimension des Glaubens. Ein solches Programm kann nicht »gesetzlich« geregelt werden, sondern nur durch das »vollkom mene Gesetz der Freiheit«. Wenn Jakobus dabei — wie oft festgestellt wurde (s. o.) — mit dem Programm Jesu in der Bergpredigt des Matthäus übereinstimmt, bestätigt dies zwar nicht, daß er der historische Herrenbru der Jesu ist (s. o. Einleitung 2.1 und Seitz), wohl jedoch, daß er ganz in seiner Nachfolge denkt und schreibt. In den singulären Begriffen »Gesetz der Freiheit« (1,25; 2,12) und »königliches/basileiamäßiges Gesetz« zeigt sich diese theozentrisch orientierte Weggemeinschaft.
4. Von Frömmigkeit und richtigem Tun (1,26-27) Literatur: Vgl. zu 2,13. — Außerdem: Ferguson, £ . , Spiritual Sacrifice in Early Christianity and its Environment, in: A N R W II 23.2 (1980) 11521189, bes.l 156-1165. — Johanson, B. C , The Definition of »Pure Religion« in James 1,27 reconsidered, in: E T 84(1972/73) 118-119. - Radi, W., threskeia Religion, Kult, Frömmigkeit, in: E W N T 2(1981) 382-384. — Roberts, D.J., The Definition of »Pure Religion« in James 1,27, in: ET 83(1971/72) 215-216. - Schmidt, K. Z,., threskeia u.a., in: ThWNT 3(1938) 155-159. - Thyen, H., katharos rein, sauber; unschuldig; lauter, in: E W N T 2(1981) 535-542. - Spicq I 379-383.
Mit 1,26 f. wird der letzte Aspekt des in 1,19 angegebenen Themas aufgenommen und variiert (vgl. Reden in 19c und seine Zunge im Zaum halten in 26b; zur Begründung s. o. zu 19). Eine weitere Stichwortverbindung unter semantischem Aspekt bei Variation der Verben bindet Vers 26c (sein Herz betrügt/täuscht) zurück an 22c (die sich selbst betrügen/täuschen; die Verben haben unterschiedliche Nuancen: s. u.). In beiden Versen jedoch geht es um Selbstbetrug; kritisiert Jakobus in 22 das »Nur-Hören« als Selbstbetrug mit dem Verweis auf die Notwendigkeit des Tuns, so differenziert er diese These nach 26 f. noch einmal dahingehend, daß es auch einen Selbstbetrug in falsch verstandenem Tun gibt. Schizophren kann der Mensch in allen Dimensionen seines Seins und seiner Existenz sein. Vers 27a (reine und unbefleckte Frömmigkeit) scheint in Opposition zu 21a (Schmutz) zu stehen, das Stichwort »Welt« in Vers 27c erscheint als »abschließende Zusammenfassung der beherrschenden Antithese zwischen Gott/Vater/>oben< und Welt/ >unten«< (Wuellner 48), wobei also Vers 27a (im Rückgriff auf die theozentrische Grundstruktur des Prologes in 1,2-18) und Vers 27c in Opposition zueinander stehen. Auch in 20b und 21c wie auch indirekt in 25a im Begriff »Gesetz« wird die Wirklichkeit Gottes vorausgesetzt. In sich werden die Verse 26-27 formal und thematisch zusammengehalten durch das Wortfeld »fromm« (26a) und »Frömmigkeit« (26d.27a), wobei diese Verse nicht nur inhaltlich (Gott dienen), sondern auch formal (Gottesdienst) asyndetisch einander entgegenstehen; auch die Abfolge in 27b.c ist asyndetisch. Nur im griechischen Text zeigt sich in 26b.c eine genau aufgebaute parallele Antithese, wodurch die Stellung und Bildung der Worte gewählt wirkt. Wie immer bei Jakobus (vgl. etwa 1,20; 2,1) wird das kritikbedürftige negative Verhalten an den Anfang gestellt (Jakobus
holt seine Leser gleichsam bei ihren eigenen Erfahrungen ab), so daß das richtige Verhalten auch formal jene Aussage ist, wohin Jakobus die Leser führen möchte. Fragt man, welche sozialen Verhaltensweisen in 26 f. in Opposition zueinander stehen, entdeckt man eine leichte Inkonsequenz (vgl. Mußner 113): Dem konkreten sozialen Engagement in 27b steht nicht das in der Bibel oft kritisierte fromme Lippenbekenntnis (vgl. 2,19 mit Kontext), ein kultisches, oberflächliches Plappern und Vielreden in der Öffentlichkeit (zu dieser Opposition vgl. Mt 6,58), sondern die Unbeherrschtheit der Zunge entgegen. Daß Jako bus diese Wendung auch auf das Beten bezieht, wird nicht gesagt; daß er diese Opposition dennoch wählt, ist kontextuell (vgl. 1,19c) bedingt und dürfte mit der Situation seiner Gemeinde zusammen hängen, da er es für notwendig erachtet, in 3,1-12 in einer großen Amplifikation dieses zwischenmenschliche Problem zu thematisie ren. Da der Kult, kultische Reinheits- oder Speisevorschriften, der Sabbat und die Beschneidung für ihn kein Thema mehr sind (s. o. den Exkurs nach 1,25), fehlt die Opposition Beten/Kult — soziales Engagement; die Opposition wird im Kontext des Nur-Hörers des Wortes und Täter des Wortes hingegen verlagert auf soziale Irritat ionen durch falsches Reden und falsches Tun. Dabei bleibt auffäl lig, daß Jakobus jedoch kultische Begriffe (s. u.) aufnimmt und transformiert. 26a-d: Hörerorientiert beginnt Vers 26a wie 1,5.23 mit der Wen dung »Wenn einer ...«. Das Themawort dieser Verse threskos: fromm/gottesfürchtig in 26a und threskeia: Frömmigkeit/Got tesdienst in 26d.27a ist im Griechischen ähnlich wie im Deutschen inhaltlich schwierig zu bestimmen. »Was beim Gebrauch gerade dieser Vokabel an sich mitschwingt, ist letztlich eine — Geschmacksfrage« ( T h W N T 3, 158). Dies dürfte übertrieben sein, dennoch ist die Bedeutung dieser Begriffe schwer zu erklären, da das Substantiv in der Septuaginta nur 5mal belegt ist, im N T lediglich 4mal, während das Adjektiv nur in Jak 1,26 vorkommt, also wohl als redaktionell gebildet anzusehen ist. Auch hat der Begriff in jeder neutestamentlichen Schrift eine andere Bedeutung ( E W N T 2, 383); in Apg 26,5 legt sich die Bedeutung »Religion« nahe, in Kol 2,18 die Bedeutung »kultische Verehrung der Engel/ Engeldienst«. Der jeweilige Kontext entscheidet über die semanti sche Struktur der Begriffe. Da sich eine Bedeutung im Sinne von Apg 26,5 (»ich habe nach der strengsten Richtung unserer Religion gelebt«, so Paulus vor Agrippa, dem »Kenner aller jüdischen Bräuche und Streitfragen«) im Sinne einer Kritik an der jüdischen
»Religion« (vielleicht sogar aus christlicher Perspektive) nicht nahelegt, empfiehlt es sich, den Begriff in Jak 1,26 f. allgemein mit »Frömmigkeit/Gottesdienst« zu umschreiben, zumal es antithe tisch um Beispiele falscher und sozialethisch verwirklichter »Fröm migkeit« geht. Wie beim Hören, Reden und Zorn wird die kriti sierte Haltung nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern nur ein Gottesdienst und eine Frömmigkeit, die nicht zum sozialen Enga gement führt. Was Jakobus unter Frömmigkeit/Gottesdienst ver steht, wird unmißverständlich in 27b und c ausgesprochen sowie in 2,1-13 und 2,14-26 entfaltet. In ähnlicher Weise ist die Wendung in 26b seine Zunge nicht im Zaume halten noch eine Leerstelle; die hier vorliegende Unbe stimmtheit wird ebenfalls in 3,1-12 unmißverständlich konkretisiert. Dort werden auch die Metaphern »Zügel/Zaum« (3,3) und »am Zügel führen/im Zaum halten« (3,2) gefüllt (zur Motivgeschichte dieser Wendung siehe dort). »Die Zunge zügeln« ist in 1,26 — so wird thetisch behauptet — Kriterium für die gesamte Frömmigkeit; dies deswegen, weil der Christ nach 3,2 dadurch »den ganzen Leib im Zaum halten kann«. Wer es nicht kann, betreibt wie in 1,22c Selbstbetrug. Im Unterschied jedoch zu den paralogizomenoi, die dem »Wort« in 22 »wider-sprechen«, schwingt im Verbum apatao eine sittliche Nuance mit; durch unbeherrschtes und liebloses Reden »betrügt/täuscht/leitet irre« der Christ wohl deswegen »sein Herz« (26c), weil »Eifersucht und Streitsucht« (3,14a) und Zwiespalt (4,8d) sowie Schwelgerei (5,5) die ungefestigten Herzen (5,8b) beherrschen. Ein solcher Mensch kann nicht, auch wenn er es meint (26a), »fromm« sein; schon in bezug auf sich selbst (zum sozialen Bezug vgl. 27) ist seine »Frömmigkeit« vergeblich/nichtig/eitel. Fromme Selbsttäuschung bleibt fromme Selbsttäuschung; einer menschlich projektierten Scheinwirklichkeit steht die alleingültige von Gott ge setzte (im »Gesetz«/in der Tora) Ordnung und Wirklichkeit gegen über, wovon antithetisch Vers 27 und 2,1 ff. reden. Mit skeptischer Resignation, wie sie von Kohelet formuliert wird, hat diese kritische These des Jakobus nichts zu tun, vielmehr nur mit eigenmächtigem Selbstbetrug, der sich von Gottes Weisungen frei fühlt. Eine besondere Spitze hat das Adjektiv »nichtig« noch, weil es in der Septuaginta die Nicht-Existenz anderer Götter im Gegensatz zum einen und einzigen lebendigen Gott Israels bezeichnet ( T h W N T 4, 1942, 527), so daß ein damit bezeichnetes christliches Verhalten mit heidnischem Götzendienst identisch wäre. Auch ohne diesen theozentrischen Aspekt bleibt die These des Jakobus radikal kritisch, auch kultkritisch, wie die verwendeten Begriffe in 27 zeigen.
27a-c: Versteht man den Vers 27 kontextuell, läßt er sich wie ein Kompendium des gesamten Jakobusbriefes verstehen. Entspre chend thetisch sind auch die angesprochenen Gedanken, die im Verlauf des Briefes erst entfaltet werden. Die Adjektive katharos: rein/sauber/lauter und amiantos: unbe fleckt/rein sind unzweifelhaft von Hause aus kultische Begriffe. Dies berechtigt jedoch nicht dazu, in diesem Vers eine Kritik gegen Kultfrömmigkeit etwa der Judenchristen anzunehmen, da Jakobus bereits in einer langen Tradition der Transformierung kultischer Begriffe in ethische Bedeutungen durch nichtkultische Theologen steht. Da er ein Vertreter des Lehrerstandes (vgl. 3,1), nicht jedoch der Kulttheologen ist, für die zur Stabilisierung ihrer hierokratischen Herrschaftsausübung die Abgrenzung von »rein — unrein« Mittel ihrer Legitimation war und ist (vgl. Thyen 536-538), sind prophetische und weisheitliche Traditionen sowie die allegorische Transformation der Reinheitsregel durch Philo sehr viel näherlie gend als eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kult, die auch im Gesetzes-Begriff im Jak (s. o. den Exkurs nach 1,25) nicht belegt werden kann. Sittlich-religiös verstehen auch andere neutestamentliche Theologen sowohl die Wendung »unbefleckt« (vgl. Hebr 7,26; 13,4; 1 Petr 1,4) wie »rein« (so durchgehend im paränetischen Kontext der Briefliteratur); der letztere Begriff war jedoch in der Auseinandersetzung des Paulus mit den Pharisäern als seinen ehemaligen Glaubensgenossen im grundsätzlich religiö sen Sinn äußerst umstritten (Gal 2,15; Rom 1,24; 3,21; 6,19; 14,20). Von diesem Streit ist Jakobus weit entfernt, wenn er nicht nur die beiden Adjektive in 27a, sondern auch in 27c das Adjektiv aspilos: fleckenlos/makellos übertragen im ethischen Sinn versteht (vgl. auch 1 Tim 6,14; 2 Petr 3,14), obwohl auch dieses Wort in der kultischen Welt der Priester anders verstanden wird. Dagegen ist die ethische Transformation kultischer Begriffe und Vorstellungen seit der Kultkritik der frühen Propheten im 8. Jh. durchgehend belegt (vgl. Hos 6,6; Am 5,21-25; Jes 10,1-17 u. a.). Auch Jesus von Nazareth ist in dieser kultkritischen Tradition zu verstehen (vgl. Mk 7,1-23). Daß solche Kritik nicht auf neutestamentliche Autoren beschränkt ist, zeigt die Schrift »Vom Aberglauben«. In ihr verspottet Plutarch einen kultischen Reinheitsbegriff. Er verlegt die Frage nach rein und unrein in das Innere des Menschen und bindet sie an sein Reden, mit dem er sich in seinem ethischen Handeln beflecken könne: »Wir aber verlangen, daß man zu den Göttern mit rechtem und gerechtem Munde bete und nicht sowohl darauf sehe, ob mit
dem Opfertiere die Zunge rein und von gehöriger Beschaffenheit ist, während man die eigene entstellt und befleckt durch unpas sende Worte und barbarische Ausdrücke ... und sich so versün digt« (Mor 166 A.B). Die Reserviertheit vor rituellen Geboten der Religionen beschäftigt notwendigerweise alle, die über Vollzüge des Lebens reflektieren. Bestätigt wird eine solche Auseinanderset zung auch in 4 Makk (Mitte des 1.Jh. n.Chr.). Während der Verfasser, ein bedingungslos gesetzestreuer Jude, Reinheit im Ver zicht des Genusses von Schweine- und Götzenopferfleisch versteht (5,2; vgl. auch 5,3.19.25), in der Furcht lebt, durch Zungensünden sein gesetzestreues Leben zu beflecken (5,36), ist dies alles für die paganen Hellenisten einfach »Unsinn« (5,8.9). Rationelles, Ver nunft- und naturgemäßes Denken vermag der Verabsolutierung ritueller Reinheits-Gebote wenig oder nichts mehr abzugewinnen. In dieser Auseinandersetzung, von der bei Jakobus nichts mehr zu spüren ist (das Aposteldekret in Apg 15,20-21 klingt nicht an), hätte Jakobus der Herrenbruder aufgrund seiner Thesen jedoch eindeutig Position bezogen (s. o. Einleitung 2.1). Fragt man, welche Traditionen Jakobus rezipiert hat, ist neben dem angedeuteten sozialethischen Lebenshorizont von jüdischen Gläubigen, in dem kultische Begriffe durchaus außerhalb des Kul tes, z. T. auch kultkritisch verwendet werden konnten, auf die lebenspraktische Weisheit von Jesus Sirach zu verweisen, auch wenn dies andere Einflüsse nicht ausschließt. Einen ersten Hinweis der Rezeption liefert die Verbindung von »Waisen und Witwen«, da das Wort »Waise« außer in der übertragenen Verwendung in den Abschiedsworten Jesu in Joh 14,18 im N T nur in Jak 1,27 belegt ist. Zwar kommt die Wendung »Witwen und Waisen« auch an anderen atl Stellen außer Sirach vor (vgl. Ex 22,21; Ez 22,7; 2 Makk 3,10), jedoch nicht im positiven Appell, sich verantwort lich für sie einzusetzen; im urchristlichen Schrifttum wird dies erst seit Jakobus üblich (vgl. Ign Sm 6,2; Herrn Vis II 4,3; Mand 8,10; Sim 9,26,2; Barn 20,2). In Sir 4,1-10 steht innerhalb der Weisungen für ein gerechtes Verhalten gegen die Armen der Appell zum sozial engagierten Verhalten gegenüber Witwen und Waisen betont am Ende — verbunden mit dem Gedanken, daß, wer sich so verhält, Gott zum Vater haben wird (vgl. die vielleicht dadurch motivierte, tiefsinnige, erweiterte Umschreibung Gottes als Vater in Jak 1,27a »vor Gott und dem Vater« sowie die Wiederaufnahme in 3,9; zum Syntagma »Gott/Herr und Vater« vgl. Sir 23,1.4; Weish 2,16; 1 Chr 29,10; Philo All II, 67). Bei der Frage nach einer möglichen Rezeption von Stellen aus Sirach ist — auch im Kontext der
Auslegung von Jak 4,2 und 5,4-6 (s. u.) — vor allem hinzuweisen auf Sir 35,15-17 in Verbindung mit den kultkritischen Versen in 31,21 ff. und 35,1 ff.:
Sir 4,10
Werde den Waisen wie ein Vater, und vertritt die Stelle des Mannes an ihrer Mut ter, und du wirst sein wie ein Sohn dem Allerhöch sten, und er wird dich mehr lieben als deine Mutter. 31,21-27 Ein Brandopfer von Unrecht ist eine Gabe zum Hohn, und wohlgefällig sind die Gaben der Frevler nicht. Kein Wohlgefallen hat der Höchste an den Ga ben der Gottlosen, und wegen der Menge der Brandopfer erläßt er die Sünden nicht. Den Sohn schlachtet vor den Augen des Vaters, wer ein Opfer bringt vom Vermögen des Armen. Ein Brot der Dürftigen ist der Lebensunterhalt der Armen, wer es entzieht, ist ein Blutmensch. Den Nächsten mordet, wer ihm den Unterhalt wegnimmt, und Blut vergießt, wer dem Taglöhner den Lohn vorenthält. 35,1-4 Wer das Gesetz beobachtet, bringt viele Opfer dar, ein Heilsopfer, wer auf die Gebote achtet. Wer Huld erweist, bringt ein Speiseopfer dar, und wer ein Almosen gibt, opfert ein Lobopfer. 35,15-17 Verlaß dich auf kein Opfer von Unrecht; denn der Herr ist Richter. Nicht gibt es bei ihm die Ehre des Gesichts, er nimmt nicht Partei gegen den Armen, und das Flehen des Bedrückten erhört er. Er achtet nicht gering das Flehen der Waise und die Witwe, wenn sie ihre Klage ausschüttet.
Wichtiger als die Rezeption von Sir 31,21-27 in Jak 5,4-6 und von Sir 35,15 (»Gott ist Richter«) in Jak 4,12 ist für den näheren Kontext die Aufnahme wichtiger Wendungen nicht nur in Jak 1,27, sondern auch in 2,1. Hier ist außer auf das Thema »Ansehen von Personen und Parteinahme für die Armen« aus Sir 35,15 f. auch auf den Begriff doxa: Ansehen/Ehre/Machtglanz/Herrlichkeit in Jak 2,1c im Rahmen der christologischen Aussage hinzuweisen. Das Verbum in 1,27b aufsuchen/besuchen als Umschreibung für die helfende Fürsorge entspricht Sir 32,17: Das Flehen des Armen dringt durch die Wolken, und bis es anlangt, findet er keine Ruhe, und er steht nicht ab, bis der Höchste ihn aufsucht. Auch der noch verbleibende Begriff in 27b thlipsis: Bedrängnis/ Drangsal ist in Sir im Unterschied zu den übrigen atl Weisheits schriften neben peirasmos: Erprobung/Prüfung ein bevorzugter Begriff, um die Situation des einzelnen Gerechten, zumal des Armen zu umschreiben (vgl. 2,11; 6,8.10; 22,23; 37,4; 40,24; 51,3.10). Auch im oben zitierten Kontext findet sich der Begriff: 35,24 Lieblich ist sein Erbarmen zur Zeit der Bedrängnis. Ist auch das Plädoyer des Jakobus für ein Christentum der Tat und für die Identität wahrer Frömmigkeit mit der Orthopraxis in 1,26 f. in sich unmißverständlich klar (bestätigt in den Amplifikationen in 2,1-13 und 2,14-26), so gewinnt seine Position durch die tradi tionsgeschichtlichen Nachweise jedoch nicht nur seinen theologie geschichtlichen Ort, sondern bestätigt auch die Konstanz seiner weisheitlich strukturierten Theologie. Innerhalb der Konzeption von den zwei Wegen (vgl. Sir 2,12) legt auch Jakobus seinen Lesern unter Voraussetzung der Willensfreiheit des Menschen (1,13 ff.) Tod oder Leben als Möglichkeiten vor, wie bereits der Prolog zeigte. Deshalb schließt er diesen Gedanken bewußt kontrastiv in l,27a.c ab, wenn er abschließend »Gott und Vater« antithetisch der Welt gegenüberstellt. So schillernd der Begriff »Welt« in der Bibel auch ist (zu Jakobus vgl. den Exkurs nach 4,4), im Kontext von 27b und dem Appell zum sozialen Engagement für Witwen und Waisen enthält der Begriff nicht die Aufforderung zum grundsätzlichen Rückzug, wohl zur Differenzierung, wenn Jakobus in 2,5 von den »Armen der Welt« spricht und in 4,4 »die Liebe zur Welt Feind schaft gegen Gott« impliziert. Entsprechend seiner Anthropologie
hat Jakobus auch ein differenziertes Verhältnis zum ambivalenten Welt-Begriff. Gnostisch infiziert ist dieses Verständnis nicht, wohl jedoch außerordentlich praktisch-weisheitlich orientiert. Die Ord nung und die »Gerechtigkeit Gottes« (20a) stehen einem nicht von der Weisheit geprägten »welthaften« Leben gegenüber; insofern entspricht 27c exakt 4,4 (s. u.). Gerade Christen »in der Zerstreu ung« (1,1), d. h. in der nichtchristlichen Umwelt leben hier nicht nur nach Jakobus in einem Dauerkonflikt (vgl. auch 1 Petr). Die Versuchung, sich auf eine christliche Existenz in kultischen Termi nologien zurückzuziehen, was auch eine entsprechende Lebens weise abgesondert von der Welt einschlösse, ist eine dauernde Versuchung (nicht nur im Christentum). Dagegen lautet die einfa che und in ihrer Knappheit nicht mehr zu überbietende pointierte These des Jakobus: Wahrhafte Frömmigkeit erweist sich im Tun des sittlich Guten gemäß der menschlichen Herkunft aus Gott (1,18) und entsprechend seinen Weisungen; nur dies »bewirkt ... die Gerechtigkeit Gottes« (1,20b mit der Amplifikation in 2,1-26). Mit diesen (inhaltlich noch nicht weiter differenzierten) Thesen aus Prolog (1,2-18) und erster kleiner Einheit (1,19-27) ist der Leser zum einen eingestimmt auf die grundlegenden Aussagen des gesamten Briefes, aber auch gespannt (nach antiker Rhetorik sollen diese einleitenden Briefteile den Leser auch attentum machen; vgl. Lausberg 269-271) auf die weiteren Ausführungen.