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Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament Begründet von Heinrich August Wilhelm Meyer Herausgegeben von Ferdinand Hahn
Fünfzehnter Band - 12. Auflage Der Brief des Jakobus
-
Göttingen . Vandenhoeck & Ruprecht . 1984
Der Brief des Jakobus
Erklärt von Martin Dibelius mit Ergänzungen von Heinrich Greeven
6. Auflage dieser Auslegung mit einem Literaturverzeichnis und Nachtrag herausgegeben von Ferdinand Hahn
-
Göttingen . Vandenhoeck & Ruprecht . 1984
Frühere Auflagen dieses Kommmurs: I. Auflage von I. E. Huther 2. ).
4.
W. Beyschlag
5. 6. 7. 8. 9. 10.
Martin Dibelius
11.
1857 186) 1870 1882 1888 1898 1921 1956 1957 1959 1964
CI P-KI4Tztile"'l4{ruhme der Del4tschen Bibliothek Kritucb-t%,g,tuchn Komrrwnt.r ilbn ,uJ N,,,, TtJ""",," / begr. von Heinrich August Wilhelm Meyer. Hrsg. von Ferdinand Hahn.Göuingen : Vandmhoeck und Ruprecht Teil ... ist kein Hrsg. ang~eben NE: Meyer, Heinrich August Wilhelm I Begr.]; Hahn, Ferdinand IHng.] Bd. 15. Dibelius, Martin: Der Brid des Jakobus. - 6. Aufl. dieser Auslegung mit e. Literaturverz. u. Nachtr. hrsg. von Ferdinand Hahn. -1984
DibthMJ, M.rtin: Der Brid des Jakobus / erkJ. von Manin Dibelius. Mit Erg. von Heinrich Greevm. - 6. Auf!. dieser Auslegung mit e. Literaturverz. u. Nachtr. hrsg. von Ferdinand Hahn. - Göuingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1984. (Kritisch-exegetischer Kommmtar über das Neue Testament ; Bd.15) ISBN l-525-51612-6 NE: Greevm, Heinrich (Bearb.]
C Vandenhoeck & Ruprecht. Göningen 1964. - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestauet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. - Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen
Jn~alt
Vorwort............................................................
7
Abkürzungen .......................................................
10
Einleitung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
Die literarische Gattung des Jakobusbriefes .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Verfasser des Jakobusbriefes .................................... Religionsgeschichtliche Beziehungen ................................. Literarische Beziehungen ........................................... Sprache und Stil .................................................. Arm und Reich ................................................... Entstehungsverhältnisse ............................................ Ethos............................................................ Schicksale ........................................................ Literatur ......................................................... Der Text. . . . . . . . . .. . . . . .. .. . ... . ..... ...... .... ...... .... .. .... ..
t3 23 35 43 53 58 67 69 74 8t 85
Erklärung Präskript tl ......................................................... 1. Spruchreihe : von Versuchungen tz-J8 •.•••••••••••••••••••.•••.•••••• 2. Spruchreihe : vom Hören und Tun 11"27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abhandlung: vom Ansehen der Person 21-13 . • . . • • • . • • • • • • . . . . . . . . . . . . 4. Abhandlung: von Glauben und Werken 21N. ••. . . • • • • • • . . • . • • . . . . . . .. 5. Abhandlung: von der Zunge 31-12 • • • • • • • • . • . . . • • • • • . . • . . • . . . . . • • . . • . 6. Spruchgruppc: wider Streitsucht 313-4IS . • . . • • . . . • • • . • . . • . . . . . . . . . • . . 7. Spruchgruppe : wider weltlich gesinnte Kaufleute und Reiche 41:1--501 .•... 8. Spruchreihe mit wechselndem Thema 57-io ••......•.............•...•.
93 97 139 156 184 222 249 274 287
Größere Exkurse Die literarischen Beziehungen von Jak IN .............................. Die rhetorische Form der Kettenreihe .................................. Die Beispiele im Jakobusbrief ......................................... Das Abraham-Beispiel ................................................ Glaube und Werke bei Paulus und Jakobus .............................
103 125 161 206 214
Anhang Neuere Literatur zum Jakobusbrief (in Verbindung mit Cilliers Breytenbacb erarbeitet von Ferdinand Hahn)
311
SchI üssel zu den Ergänzungen von Heinrich Greeven (zusammengestellt von Cilliers Breytenbacb) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
'DOrtDort Dieser Kommentar stellt sich die Aufgabe, den Jakobus-Brief als Zeugnis der urchristlichen Paränese zu verstehen und seine Probleme aus der Bedingtheit dieser Paränese, ihrer Oberlieferungsart und ihrer christlich-jüdisch-hellenistischen Zusammensetzung zu erklären. Ich hoffe allerdings, daß auch Leser, die diese Betrachtungsweise ablehnen, in diesem Buche finden, was sie brauchen. Rechtfertigen kann meine in der Einleitung kurz vorgetragene Anschauung nur der Kommentar; zum Verständnis ihrer Entstehung sollen die folgenden ~·orte beitragen. Das Studium der Katholischen Briefe wird von einer Schwierigkeit gedrückt, die in der literarischen und religiösen Art dieser Schriftstücke begründet liegt. Wer von den Paulus-Briefen herkommt, ist gewohnt, in urchristlichen Briefen lebendige Zeugnisse bestimmter Gemeindezustände zu sehen und überdies noch originale Kundgebungen einer schöpferischen Persönlichkeit. Er wird bei den Katholischen Briefen - vielleicht mit Ausnahme der johanneischen schwer enttäuscht werden; zumal der Jakobus-Brief ist weder das eine noch das andere. Die bei den Paulus-Briefen oft und glänzend bewährte Methode, aus Mahnungen und Warnungen wirkliche Zustände zu erschließen, führt hier zu keinem Erfolg; denn wenn man sie wirklich ernsthaft durchführt, erhält man statt eines lebensvollen Bildes von bestimmter Prägung ein seltsames und unwahrscheinliches Gemisch von ursprünglicher Bewegtheit und zweifellosem Verfall. Im Jakobus-Brief handelt es sich eben nicht um die Wirklichkeit einer bestimmten Gemeinde, sondern um Möglichkeiten der gesamten Urchristenheit; darum können seine Worte nicht als Anspielungen auf bestimmte Vorgänge innerhalb einer Einzelgemeinde verstanden werden. Sogar die Individualität des Verfassers, von der die Paulus-Briefe ein so beredtes Zeugnis ablegen, tritt zurück, denn der Autor ist weder Schriftsteller noch Prophet, sondern Lehrer und strebt als solcher nicht so sehr danach, neue Gedanken zu prägen, sondern alte \'o&LCl 49, cX.1tOXUt(U 115.18, 8tAecl~O~ClL 114, xpi) (dessen Vereinzelung im Neuen Testament allerdings doch wohl kein Zufall ist) 310, E7tLTij8tLCl TOÜ awtJ.Cl'O~ 216 (vgl. für die letzten drei Beispiele den Kommentar). Hier sind auch die Wörter zu erwähnen, die einem technischen Sprachgebrauch der "Welt" entstammen, von Jak freilich in ihrem eigentlichen Sinn nicht mehr oder nur noch halb verstanden und demgemäß in abgeschliffener Bedeutung verwendet werden: TPOX,O~ T1jc; ytveat(Uc; 36, ~u;:Lx6c; 315, vielleicht auch t~q>UTOC; >..6yo:; 121, TPOTtij und cX.7toax(Cla~Cl 117. Bisweilen scheint das Griechisch des Jak die hellenistische Entwicklung, besonders soweit sie verflachend oder erweichend wirkt, nicht mitzumachen. Auch dies verdient als Zeichen einer gewissen Sprachkultur angemerkt zu werden. So finden wir bei Jak den gnomischen Aorist 111 1!4 (über 2. und 2G siehe den Kommentar), der der hellenistischen V 0 I k ssprache fremd zu sein scheint. Wir begegnen dem verhältnismäßig strengen Genitiv bei Adjektiven cX.1tdpClaTo:; XelXWV 113, 1tocv,(Uv lvox,oc; 210, dem Dativus commodi 318 und wohl auch 26, und dem Akkusativ bei O~VUVelL 512, während sonst EV und XelTcl immer gebräuchlicher werden (vgl. auch die Anm. zu 16 im Kommentar). Der reine Gebrauch von öa,t:; in der eigentlichen Bedeutung ist wie Jak 210 414 so auch sonst in urchristlichem Schrifttum zu finden; bezeichnender ist 118 cX.1telP;:~\I TLVel, wo das Indefinitum in ermäßigendem Sinn steht. Diesen Ergebnissen scheinen gewisse Beobachtungen zu widersprechen, die in andere Richtung weisen. Auf Kleinigkeiten wie die hellenistische Form datA~AU&elV 5. und die wahrscheinlich vulgäre Bedeutung von ö8e = "der und der" wird man keinen Wert legen; auch sind Beweise eines ungebildeten und barbarischen Griechisch nicht festzustellen. Was aber festzustellen ist und was bei der Herkunft der von Jak verwendeten Tradition von vornherein erwartet werden muß, das sind semitische Einflüsse. Der gegenwärtige Stand der Hebraismenfrage erlaubt allerdings nicht überall ein sicheres Urteil; zu häufig beobachtet man das Auftauchen angeblicher Semitismen in Texten, die mit dem Hebräischen die Wortstellung wohl durch den Wortlaut des Zitats becinRußt). am deutlichsten ist die Absicht der Sperrung 3,: ouae:~ 8oc!J.GlGCU 8WcxTOCL ~pW7r(a)v. Von Beispielen auffallender Stellung vgl. noch 33: TWV (7r7r(a)v TO~ XcV.tvoUc; cL; T~ aT6!LOCTOC (siehe Kommentar). 1 Vgl. die Listen in Thayers englischer Bearbeitung von Wilke-Grimms Clavis N. T. und bei Mayor CCXLVfI".
5. Sprache und Stil
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nichts zu tun haben 1. Immerhin läßt sich über allen Zweifel hinaus feststellen, daß biblische \Vendungen durch Vermittlung der LXX in das christliche Sprachgut, also ganz besonders in die traditionell beeinflußte Paränese, hineingekommen sind. Zu diesen Biblizismen gehören die Ableitungen von 1tp6O'W7tOV ACX(.L~rivZLV in Jak 21.9, 7tOLZ~V EAZO; 213, 1tOLlJ't'"~; AOYOU 122, 7tOLlJ't'l]l:; VO(.LOU 411, 7tp6GW7tOV -.~c; YEveO'EWC; 123, EV 7triGCXL~ TCX~C; b8o~c; CXUTOÜ 1s, Ev TCX~C; 7tOPzLCXLC; CXUTOÜ 111, wohl auch 1tOLZ~V dp~v'lJv 318, ÖL80vCXL UETOV 518, U7triye:TE EV dp~v'Yl 21G und das verhältnismäßig häufige t8ou, vielleicht auch der pleonastische Gebrauch von ocv.&PW7tOC; und cXv~p 17f.12.19. Biblisch beeinflußt ist natürlich auch der abrupte Stil der Imperative 47rr. und der Anklagen SM. Daß die Spruchparänese, auch wenn sie nicht aus übersetzten Sprüchen bestand, doch die biblische Sprache in Ausdrücken und Stilart bevorzugte, ist natürlich: so wurde schon im Äußeren die Kontinuität mit der Vergangenheit betont, auf der die paränetische Tradition beruhte. Viel vorsichtiger sind gewisse syntaktische Eigentümlichkeiten zu beurteilen, die sich auf Grund der innergriechischen Entwicklung erklären lassen, aber ihre Parallele im Semitischen haben. Wenn solche Erscheinungen in urchristlichen Texten mit größerer Häufigkeit auftreten als sonst, so werden die in den Kreisen aller LXX-Leser selbstverständlichen, aber auch sonst in urchristlichen Gemeinden wahrscheinlichen semitischen Einflüsse daran nicht ohne Schuld sein, ohne daß wir doch das einzelne Phänomen als ungriechisch brandmarken dürften. Dieses Urteil gilt nun auch von einer Reihe von Erscheinungen im Jak. Jak gebraucht Genitive von Abstrakta zum Ersatz des Adjektivums : cXXPOCX't'l]1:; Em);IJO'!Lov~C; 12~, -;OÜ XUPLOU ~!Lwv 'IlJO'Oü XPLaTOÜ Ti)c; 86~lJC; 21, XPL':'CXL 8LCXAOYLO'(J.WV 7tO'JlJPwv 2", ' 3 13, wo hl auc h lJr C;UXlJ , , -, I noc h"0 XOO'!L0C; 7tPCXUTljC; O'O~LCXC; TlJC; mO'nwc; 5 15 ( vg. ...r,c; ci8LY..LCXC; in dem verderbten Text von 3G). Es findet sich weiter die umschreibende Konjugation mit dVCXL 117 315, der Gebrauch des Dativs im Sinne des hebräischen Inf. abs. 1tp0O'EUxn 1tpoü1)u~cx,:,o 517 der Infinitiv mit ':'oü nach 1tpoO'EUXe:O'-&CXL 517 - alles Erscheinungen, die dem griechischen Sprachgebrauch nicht zuwiderlaufen, deren Ausdehnung oder besondere Anwendung aber wohl nicht ohne Einflüsse vom Semitischen her zu erklären ist. Solche Einflüsse wirkten infolge des U mgangs mit mündlichem oder schriftlichem Judengriechisch auf die christlichen Gemeinden; es handelt sich also um generelle Wirkungen, denen die Christen ausgesetzt waren, nicht um individuelle Beeinflussung unseres v~erfassers. .&
J Vg!. zum Folgenden A. Deißmann, Die Urgeschichte des Christentums im Lichte der Sprachforschung 1910, Sf.; J. H. Moulton, Einleitung in die Sprache des Neuen Testaments 1911; die Neutestamentlichen Grammatiken von Blaß·Debrunner 111961 (bes. § 4) und L. Radermacher 1911; A. Bonhöffer, Epiktet und das Neue Testament 1911, 193f.; Mayor CCVlff.; Ropes 24ff.; ferner im Kommentar die Anmerkungen zu 1:. iC(X(, 111 EU7tpt7tEL'X Tf'Jij ;tpoat:>j,O'J, 2~ TijJ x6a!l~).
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Einleitung
Denn alle Semitismen, die nur aus sprachlicher Entgleisung des Jak hinein in eine hebräische oder aramäische Ausdrucksweise zu erklären wären, fehlen in unserer Schrift. Darum kann die Hypothese, der Jak sei ursprünglich aramäisch geschrieben worden 1, sich auf keinerlei sprachlichen Beweis stützen. Was sie vollends ausschließt, ist die Erkenntnis des rhetorischen Charakters unserer Schrift. Wortspiele und Klangfiguren bezeugen deutlich, daß dieses Griechisch keine Übersetzung ist. Wir finden im Jak eine Reihe offenbar beabsichtigter Paronomasien: X,CXLpe:LV - x,cxpocv 11. 2, 8Le:XPL~'t'e: - XPL't'CX( 2., tpywv - ocPrll 220, ci8LcixPL't'O~- :X.\lU7tOXPL't'OC; 317.
59
6. Arm und Reich
und "fromm"l als parallele Begriffe (Ps 8611. 132m.), der typische Feind der Armen ist auch der Feind Gottes (Ps 10931); daß er ein Ende mit Schrecken nehme, der Arme aber erhöht werde, ist eine Forderung des Theodizee-Gedankens, deren Erfüllung der Fromme im Vertrauen auf Gottes Gerechtigkeit erbittet. Was aber in Bitt- und Dankgebeten ersehnt oder gepriesen wird, erscheint in der Weisheitsliteratur als Lehre: der Fromme ist zwar im Augenblick elend, während der Gottlose im Glück sitzt; aber in Zukunft wird sich das Verhältnis umkehren 2 • Die Mahnung, sich nicht über das Glück der Sünder aufzuregen, klingt immer wieder aus den Sprüchen der Lehrer (Prov 331 2419 Sir 1121), ebenso wie der Gedanke, daß Reichtum zur Sünde führe (Prov 15161. Sir 2021 345), und die Prophezeiung vom Untergang des Reichtums (Pro,", 23.". Sir 11181. Koh 5121f.). Aber die Erhöhung des Armen und der Sturz des Reichen erscheint als Beispiel für Gottes Macht auch außerhalb des Theodizee-Gedankens (Ps 11371. 1Sam 271.). So sind es denn auch nicht nur die mit der Theodizee zusammenhängenden Motive, aus denen sich die Verbreitung dieser Gedanken erklärt. Wenn diese Frommen, wie es wahrscheinlich ist, ihr besonderes religiöses Gemeinschaftsleben gehabt haben 3, so sind die wirkenden Kräfte dabei wohl vor allem die pietistische Kritik der Verweltlichung gewesen, auch der "proletarische" Protest gegen Ungerechtigkeit und 1 über die Verbindung, die das Wort für den unter Gott sich beugenden (1m) mit der Bezeichnung des sozial Gebeugten ("1S7) eingegangen ist, vgl. A. Rahlfs, "137 und 'US7 in den Psalmen 1891, bes. S. 89. Vgl. auch H. Bruppacher, Die Beurteilung der Armut im AT 1924; H. Birkeland, 'ANI und 'ANAW in den Psalmen 1932. - Nietzsche hat diese Entwicklung mit der ihm eigenen Kraft und Einseitigkeit gezeichnet (und, wie er meinte, gebrandmarkt): in dem Gleichnis von den Lämmern und Raubvögeln (Zur Genealogie der Moral I 13), wo die Lämmer sagen: "Diese Raubvögel sind böse; und wer so wenig als möglich ein Raubvogel ist, vielmehr deren Gegenstück, ein Lamm, - sollte der nicht gut sein?" - und im 195. Abschnitt von "Jenseits von Gut und Böse", wo es von den Juden heißt: "ihre Propheten haben "reich" "gottlos" "böse" "gewalttätig" "sinnlich" in Eins geschmolzen und zum ersten Male das Wort "Welt" zum Schandwort gemünzt. In dieser Umkehrung der Werte (zu der es gehört, das Wort für "Arm" als synonym mit "Heilig" und "Freund" zu brauchen) liegt die Bedeutung des jüdischen Volks: mit ihm beginnt der Sklaven-Aufstand in der Moral." :I Wir sehen den übergang deutlich an Ps 37, der eigentlich eine nach dem Alphabet, nicht nach irgendwelchem Gedankenfortschritt angelegte Spruchdichtung ist. Gerade darum enthält er mancherlei dem Jak verwandte Züge. Er schildert die Frommen V.d. 3Off.; sie sind die Dulder, die auf Jahve harren (C"1m, LXX 7tp~EiC; v. 11, iTli1" "'p, \)7t0ILEVOV':'EC; -rov j(uptOV v .•), sie sind die Armen (1"":llf1 "1S7, r.t'wXOc; XIXL 7ttvt)c;, parallel steht "''aT', Eutnic; Ti) XlXp8L~ v. u). Sie werden das Land in Besitz nehmen v. 8.11.22. H. 3t; darum ist das Wenige, was der Fromme vorläufig nur hat, besser als der Reichtum der Gottlosen V.II, denn diese vergehen wie Gras und Kraut v.! (LXX: wad X6PTOC; TIX-yjJ tX7tO~l)p«V &i)croV"tlXt, XlXL wad AciXIXV« XA6l)t; TIX-yjJ cX7tomaoüV"tlXt vgl. Jak hOl.). Alle Theodizee-Probleme lösen sich aber in dem naiv vorgetragenen Gedanken: nie habe ich den Frommen verlassen gesehen v. ~. 3 Rablfs a.a.O. 8~8; dort ist auch die These von H. Graetz (Kommentar zu den Psalmen 1882/83, 17ff.) zurückgewiesen, die C~37 seien die Leviten.
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60
Einleitung
Unlauterkeit der Reichen, sowie der national-religiöse Widerspruch gegen die hellenistische Invasion, der in den Befreiungskämpfen des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts die "Frommen" an die Seite der Makkabäer getrieben hat. Aber das so entstandene und an der Sprache der Psalmen genährte pathetische Selbstbewußtsein der frommen "Armen" überdauert die politischen Verhältnisse. Denn auch als die Verbindung mit den Makkabäern gelöst ist, als die nun zu "Pharisäern" werdenden Frommen sich von den politischen Angelegenheiten zurückziehen 1, bleibt jenes Armenpathos erhalten. Die Makkabäer und Sadduzäer sind die "Reichen", die vor allem in den sich vielfach mit Jak berührenden Weherufen Henoch 94ff. so hart verklagt und Ps Salomos 1411. so bitter geschildert werden; Name und Charakter der alten Frommen aber wird archaisierend auf die Pharisäer übertragen, die nun - Ps Sal52 106 151 - als die Armen erscheinen. Das mag im allgemeinen den wirklichen sozialen Verhältnissen entsprechen; aber auch wenn Ausnahmen vorkommen, so ändern sie nichts an der Hauptsache: die Frommen fühlen sich als die Armen, denn Armut ist zum religiösen Begriff geworden 2 • Und dieser Begriff vererbt sich weiter; wie er von den Armen der Psalmen auf die Pharisäer übergeht, so von diesen, als sie zu kirchlichen Machthabern geworden sind 3, auf eine andere Gruppe. Wir können ihr Dasein aus den Berichten der Synoptiker erschließen. Die Anhängerschaft Jesu entstammt verschiedenen Schichten; eine dieser Gruppen ist durch den Ausdruck 't"eAWVCXL XCXL cXllcxP-rwAOL Mk 215 gekennzeichnet. Da cXILCXp-rWAoi. in dieser Verbindung natürlich ebenso wie -rE:AWVCXL einen bestimmten Kreis bezeichnen muß, so geht man wohl nicht fehl, wenn man in den "Sündern" der Evangelien die im Talmud Amhaarez genannte Schicht vermutet 4 , den Teil des Volkes, der gesetzlos ist, weil er unwissend ist, und unrein, weil Leben und Beruf ihn ständig mit den Reinheitsgesetzen in Konflikt bringen. Aber die Anhängerschaft Jesu bestand nicht nur aus "Sündern". Schon die spätere, dem gesetzlichen Judentum sich nähernde Entwicklung der Christengemeinde in Jerusalem (Apg 211flrr.) zeigt, daß diese sich aus anderen Kreisen rekrutiert. Die Worte Jesu geben weiteren Aufschluß. Wenn er die Armen als Erben des Reiches grüßt (in der m. E. älteren Form der Seligpreisungen Lk 620), und wenn er von der Predigt an die Armen spricht (Mt 115 Lk 722), so setzt er den Glauben voraus, den 1 J. Wellhausen, Die Pharisäer und die Sadduzäer 1874, 78-86; E. Schürer, Gcsch. d. jüd. Volkes 11 '1907, 447ff. 2 J. Locb, Revue des Etudes juives 20, Paris 1890, 179f.: le denüment du pauvre n'est pas l'essence meme de sa pauvrete. 3 Vgl. die Darstellung der Evangelien und die Bemerkung des Josephus, Ant. XVIII § 17, daß sich die Sadduzäer in ihrer amtlichen Praxis doch nach den Pharisäern richten müßten, weil das Valk ihnen sonst nicht folgen würde. 'Vgl. W. Bousset, Religion des Judentums 21906, 216; meinen Kommentar zu Phil37, HNT 3 1937; A. Frövig, Das Selbstbewußtsein Jesu 1918, 117f.; E. Würthwein, Der' amm ha' arcz im AT 1936.
6. Arm und Reich
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Jes 6111r. so lebendig schildert: daß die messianische Zeit den Elenden (U») das Heil bringen werde. Die apokalyptische Vorstellungswelt des Reiches Gottes steht im Mittelpunkt der Predigt Jesu; damit wendet er sich aber zunächst an Leute, deren Sehnsucht das Reich Gottes herbeiwünscht, nicht an trotzige und verstockte "Sünder", sondern an solche, die gern fromm sein möchten, deren Heilshoffnung aber ihrer Sünden wegen niemals Heilssicherheit wird. Das sind die Kreise, deren Stimmung 4Esra Sau. ausdrückt und deren Gedankenwelt überhaupt die Apokalypsen am deutlichsten wiedergeben 1• Diese messianischen Pietisten sind die Erben des traditionellen Armenpathos zur Zeit J esu'. Selbstverständlich haben bei dieser Entwicklung neben den religiösen auch wirtschaftliche Faktoren mitgewirkt. Die Bauernkultur hatte in gewissem Umfang der Stadtkultur weichen müssen, die Zunahme des Handels hatte die Anhäufung von Kapitalien auf der einen, die Vermehrung der Armut auf der anderen Seite zur Folge gehabt. Der geeignete Boden für eine solche fortgeschrittene Entwicklung war etwa eine Stadt wie Tiberias, eine neue Ansiedlung mit einer zum Teil zwangsweise angesiedelten Bevölkerung, unter der sich viele Unbemittelte befanden Uosephus, Ant. XVIII § 36ff.). Aber wie sich die Bewohner von Tiberias über religiöse Bedenken - wegen des Wohnens an einer Gräberstätte hinwegsetzen mußten, so war überhaupt für den Juden eine gewisse Skrupellosigkeit nötig, wenn er dem Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung folgen wollte. Neben den Herodianern und Hellenisten, vielleicht auch den reichen Sadduzäern, konnte sich der Amhaarez am leichtesten den neuen Verhältnissen anbequemen. Die "Zöllner und Sünder" gehören also ihrem Besitz nach durchaus nicht zu den Unbemittelten, wenn sie auch unter "kirchlichem" Gesichtspunkt die Verachteten und Ausgestoßenen waren 3 • Die frommen Armen aber, jene apokalyptisch gestimmten 1 Vielleicht erwähnt auch die Mischna ähnliche Kreise: Demai VI 6 wird der Behauptung der Schammai-Schule. man dürfe Oliven nur einem Chaber verkaufen. die Konzession der Hillel-Schule gegenüber gestellt: ..auch wohl einem. der stets verzehntet". Also auch hier eine Gruppe. die weder zu den Pharisäern noch zum Amhaarez gehört. Von einer Identität dieser frommen Laienkreise mit dem Amhaarez kann keine Rede sein. M. Friedländers gegenteilige Ausführungen (Die religiösen Bewegungen iMerhalb des Judentums im Zeitalter Jesu 1905. 78ff.) beruhen auf irreführenden Gleichsetzungen; er rechnet zum Amhaarez den Ver(. der Assumptio Mosis. der in Wirklichkeit ein apokalyptischer Pietist. nach andern ein Essener ist, er rechnet ferner dazu die Anhänger des Täufers und Jesu. sowie die gelehrten hellenistischen Juden. I Auch in der Kriegsrolle von Qumran sind die Söhne des Lichts bisweilen als .. die Armen" bezeichnet lQM XIt.13 XlIII •. Ebenso lQH VII-"; lQpHab Xlb .•. lo; 4QpPs 37 b,.; Ia; UIO. Vgl. hierzu K. Eiliger. Studien zum Habakuk-Kommentar vom Toten Meer. Beitr. z. hist. Theologie 15. 1953. 221-223. I Je nach der Umwelt der Beurteilenden konnten also die Zöllner als feine Leute und als Deklassierte gelten. Einen bezeichnenden Beleg dafür bieten einige Rezensionen der jüdischen Erzählung. die H. Greßmann in den Abhdlg. d. Bcrl. Akademie 1918. Nr. 7. als Parallele zu Jesu Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus erwiesen hat.
62
Einleitung
Laienkreise, werden durch religiöse Bedenken vor einer wirtschaftlichen Entwicklung bewahrt worden sein, die sie zur Vedetzung des Gesetzes veraniaßt hätte, und die überhaupt der überlieferten Lebensweise widersprach. Die von den Vätern überkommene Frömmigkeit band sie an den von den Vätern überkommenen Beruf des Kleinbauern und Handwerkers; religiöser und wirtschaftlicher Traditionalismus gingen, wie so oft, Hand in Hand. In diesen Kreisen, nicht in denen des Amhaarez, ist Jesus zu Haus. In eine patriarchalisch-pietistische Stimmungswelt hinein führen die geschichtlichen und legendaren Erzählungen von seiner Umwelt und Herkunft; aus der Anschauung des Kleinbetriebs und dem Erleben des Kleine-Leute-Schicksals heraus sind seine Gleichnisse entstanden 1. Hier haben wir die wahren Erben des Armenpathos aus den Psalmen vor uns. Ihr Armenstolz entstammt dem pietistischen Patriarchalismus jener Frommen. Er ist neu belebt, weil die wirtschaftlichen Gegensätze gewachsen und die Gründe zum Protest gegen die Reichen vermehrt sind. Proletarisch 2 darf man diesen Protest nur dann nennen, wenn man zugleich bedenkt, daß die Protestler selber nicht in den wirtschaftlichen Großbetrieb einbezogen sind und somit die Nöte. unter denen damals das wirtschaftlich deklassierte "Lumpenproletariat" der Großstädte litt, nicht alle aus Erfahrung kennen: in den Worten Jesu vom Sorgen Mt 62111. Lk 12221. fehlt bezeichnenderweise die Wohnungssorge. Je s u Pr e d i g t und die von ihr erweckte Bewegung aber haben diesem Pauperismus neue Kräfte zugeführt durch die Wiederbelebung der eschatologischen Hoffnung. Während die exilische Heilseschatologie einen Umsturz der Völkerordnung verkündete - dem "armen" Israel Erhebung, seinen Feinden Vernichtung -, verheißt Jesu Evangelium, ebenso wie die apokalyptische Armenliteratur der Juden (Henoch 94ff.), einen Umsturz der Sozialordnung : Heil den Armen, Untergang den Es handelt sich um das Begräbnis eines angesehenen und eines verachteten Bürgers am gleichen Tage. In Rezension B (Raschi zu Sanhedrin 44b) wird ein angesehener Israelit dem Zöllner gegenübergestellt, der armselig begraben wird; dieser ist also der Verachtete. Ebenso ist es in Rezension C Uellinek, Bet ha-Midrasch I S. 89). Aber in Rezension F (Barajta Nidda V S. 15 in der Tosefta-Sammlung von Horowitz) wird der fromme Talmudjünger nur von zehn Menschen begraben, während der Zöllner (oder: der Sohn des Zöllners) ein großes Totengefolge hat. Die verschiedene Einschätzung des Zöllners hängt allerdings mit der verschiedenen Gestaltung des Vergeltungsmotivs zusammen; beide Wertungen müssen aber doch, je nachdem man soziale oder religiöse Maßstäbe anlegt, möglich sein. 1 Vgl. M.Maurenbrecher, Von Nazareth nach Golgatha 1909, 174f.; A. Deißmann, Das Urchristentum und die unteren Schichten 1908, 24f. 30ff.; G. Adler, Gesch.des Sozialismus und Kommunismus I 1923, 60. Dagegen hat T. Sommerlad, Das Wirtschaftsprogramm der Kirche des Mittelalters 1903, in seinem ersten, dem Urchristentum gewidmeten Kapital die nötige Orientierung der Worte Jesu an der Schicht, der sie entstammen, unterlassen. I Die einseitig "proletarische" Deutung der Anfänge des Christentums ist zuletzt von K. Kautsky, Der Ursprung des Christentums 1908, vertreten worden.
6. Arm und Reich
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Reichen! Lk 6201r. 1 Der Reiche gilt als der Mann, der ohne Gott lebt Lk 12161r. 161911.; darum spricht Jesus gelegentlich einer besonderen Erfahrung das allgemeine Verdikt aus, das in dem änigmatisch zugespitzten, also in der Formulierung übersteigerten Bildwort vom Kamel und Nadelöhr liegt (Mk 1026). Aber diese Umsrurzhoffnung ist nicht von proletarischen Umsturztendenzen getragen; denn Jesus und die Seinen erwarten alles von Gott, nichts von der Kraft ihres Hasses oder der Macht ihrer Arme. Nicht Menschen werden die Welt wandeln, sondern das Gottesreich wird vom Himmel kommen, die Gottesreichspredigt ist nicht revolutionär, weil sie apokalyptisch ist. Wenn der Verkünder dieser Predigt mit den Seinen ein armes Leben führt, so beruht das weder auf konsequenter Askese noch auf betontem Proletariats bewußtsein, denn Jesus läßt sich unterstützen und zu Gast laden. Das Entscheidende dabei ist wieder die apokalyptische Erwartung; er lebt ohne aktive Beteiligung an den wirtschaftlichen Funktionen der Welt, weil er dieser Welt Ende voraussieht, aber dieses arme Leben wird dank den Verhältnissen Galiläas und der Gastfreundschaft seiner Anhänger nie zu einem verelendeten und proletarischen. Diese Lebensweise des wandernden Rabbi konnte von der ersten Gemeinde zu Jerusalem unmöglich beibehalten werden, aber die apokalyptischen und patriarchalisch-pietistischen Motive wirkten mit unverminderter Stärke fort; dazu auch der soziale Gegensatz gegen die Reichen, denn wir wissen aus den Berichten über die Kollekte des Paulus, daß in der Gemeinde viele wirklich Besitzlose waren. Die Fürsorge für diese Armen geschieht auf gemeinschaftlicher Grundlage; so lassen es wenigstens die nicht quellenmäßigen, sondern vom Verfasser eingefügten summarischen Angaben Apg 2"r. 4321r. erkennen. Nur kann man diese naive Gemeinsamkeit der Konsumtion nicht als organisierten Kommunismus bezeichnen. Dazu fehlt dreierlei: der Zwang, der durch 436 S. ausgeschlossen wird; die Gleichheit, denn die Stellen 246 435 reden ausdrücklich von einer Verteilung je nach dem Bedürfnis 2 ; endlich das Aufhören des privaten Erwerbs, denn dies ganze auf Opfer und Unterstützung aufgebaute Dasein setzt voraus, daß weiter verdient wird. Mit diesem "religiösen Liebeskommunismus" 3 ist also das Verbleiben der Christen innerhalb der wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Welt gegeben; aber wieder spüren wir nichts von Großbetrieb und fortgeschrittener Produktionsweise, sondern 1 Die Echtheit der Weherufe kann natürlich nicht mit dem Hinweis bestritten werden. daß vorher und nachher andere Leute angeredet sind; denn die Apostrophierung ist hier wie Henoch 96ft". Jak 51 rein rhetorisch. Bedenklich scheint mir einzig die mechanische Antithese zu den Seligpreisungen. aber dieser Grund spricht nur gegen die Ursprünglichkeit der viergJiedrigen Formulierung. S Vgl. T. Sommerlad a.a.O. 22ft'. Es handelt sich also um eine möglichst ausgedehnte regelmäßige Wohltätigkeit. Gesetzliche Motive - Almosen tilgt Sünde Tob 12. mögen mitgespielt haben. 3 E. Troe1tsch. Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen 1912. 49f.
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bleiben offenbar innerhalb patriarchalischer Verhältnisse unter "kleinen Leuten". Hier lebt die Armenstimmung jener jüdischen Frommen fort, hier gilt der "Mammon" als "ungerecht", hier wird Reichtum als ein Stück Welt empfunden, dem Untergang geweiht wie diese selbst. Paulus und seine Gemeinden lassen sich in diese Entwicklung nicht ohne weiteres einreihen. Denn seine Mission arbeitete unter den fortgeschrittenen wirtschaftlichen Verhältnissen hellenistischer Stadtkulturen. Nach lKor 720fl.. scheint sich in den Paulusgemeinden ein gewisser Aktivismus geltend gemacht zu haben, nach 1Kor h6fl. gehört die Mehrzahl der Christen von Korinth zu den verachteten Schichten. Trotzdem begegnen wir den Fragen des proletarischen Daseins in den Paulusbriefen selten, und auch in den eschatologischen Gedankengängen spielt der Umsturz der geltenden Sozialordnung, soweit wir sehen, keine entscheidende Rolle. Ja, wenn Paulus die Prophezeiung, daß die cXyopci~oV't'&c; sein werden WC; lLl) Xt1TtXOVT&C; in die Mahnung ausklingen läßt .&tAW 8c ulLiiC; cX/uP(lLvouC; &rVt1~ (lKor 7SI), so meinen wir eher einen Philosophen zu hören als einen Apokalyptiker. Das Weiterleben der traditionellen Armenstimmung darf am ehesten für die Gemeinden behauptet werden, die ganz allmählich dem Judentum und seinen Schranken entwuchsen. Ihrem Christentum, das man am besten als "entschränktes Diaspora- Judentum"· bezeichnet, ist die entschlossene Folgerichtigkeit des Paulus fremd; statt dessen gedeiht die Pflege jüdischen Erbgutes, des literarischen wie des religiösen. So finden wir nun in dem Gemeindegebet lKlem 59ff., das ein Zeuge dieser Art Frömmigkeit ist, den Gedanken ausgesprochen, daß Gott die Demütigen erhöht, die Hochmütigen stürzt, daß er arm macht und reich macht. Aber dies alles wird mit anderen Gottes-Prädikationen verbunden, ohne daß man den Worten eine brennende apokalyptische Erwartung abspürt. Auch an der Paränese der Pastoralbriefe kann man ähnliches beobachten: ITim 617fl. wird nur falsches Vertrauen auf den Besitz getadelt, genau wie kurz vorher 67fl. in Worten, die an die philosophische Predigt erinnern, die Genügsamkeit, aber nicht die Armut, als Ideal hingestellt worden ist. Einen lebhafteren pauperistisch-apokalyptischen Zug unter diesen Christen verspüren wir vielleicht in der Formung und Fassung mancher Jesus-Worte, wie sie namentlich bei Lukas vorliegen, vor allem aber in unserem Jak 0 bus. Im Rückblick auf die in dieser Skizze angedeutete Entwicklung erkennt man ohne Mühe, in welchem Maß die Worte des Jak über Arm und Reich längst erklungene Töne wieder anschlagen. Am meisten in der Linie der alten Tradition aus der Psalmen- und Weisheitsliteratur liegt 19-11. Aber diese Verkündung von der Erhöhung des Armen und dem Untergang des Reichen ist doch mehr als die einfache Wiedergabe ererbter Gedanken. Seine Sympathie mit dem Armen kann Jak 1
W. Bousset, Kyrios Christos '1935, 289ff.
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darum so uneingeschränkt aussprechen, weil für ihn Armsein und Christsein zusammenfallen, nicht nur kraft archaisierender Anlehnung an die Literatur, sondern auch kraft eigener Überzeugung. Wir können das mit aller Sicherheit aussprechen, denn das ganze Schriftstück bezeugt eine pietistisch-patriarchalische Gedankenwelt, wie sie für die Wiederbelebung der Armenstimmung besonders günstig ist: Abneigung gegen die Welt, Mißtrauen gegen "weltliche" Geschäfte, Warnung vor Hochmut, demütige Beugung vor Gott, 41-' 127 413-16 4&.10. Daneben steht nun allerdings das Drohwort 51-6. Auch hier ist der archaisierende Ton deutlich (und im Kommentar nachgewiesen); Drohungen und Weherufe der Armenliteratur klingen an. Das aktuelle Moment, das die alten Töne wieder erweckt, könnte man in diesem Fall in proletarischem Haß gegen die Reichen finden 1. Aber mit keinem Wort sind die Verhältnisse des Großbetriebs und die Nöte des städtischen Proletariats angedeutet. Vollends ist jede Bekundung eines revolutionären Aktivismus vermieden, wie ihn rein proletarischer Haß notwendig erzeugen müßte. Von Gottes Gerechtigkeit, nicht von der Menschen Aufruhr, wird Sühne allen Frevels erwartet, den die Reichen begingen. Also ist doch wohl der Theodizee-Gedanke maßgebender als der proletarische; und die apokalyptische Überzeugung von der Nähe des Endes hat ihm seine Stärke gegeben. Daß freilich Jak alles, was er den Reichen in 51-6 vorwirft, selbst an ihnen erlebt hätte, ist nicht anzunehmen. Hier wirkt die archaisierende Anpassung an die alten Weherufe ohne Zweifel mit. Wessen er sie auf Grund eigener Erfahrung zeiht, sagt 26r.: sie haben sich als Feinde der Christen erwiesen. Aber diese Tatsachen muß Jak seinen Lesern erst ins Gedächtnis zurückrufen. Sie sind nach 2111. eher in Gefahr, den Reichen zuviel Achtung zu erweisen. Das Beispiel in 22-' mag freilich kraß und zugespitzt sein; immerhin ist Jak offenbar bange vor der Annäherung der Reichen an christliche Gemeinden. Die soziale Stellung des Reichen macht ihn verdächtig; diese soziale Beziehung gilt unserem Verf. also mehr als eine etwa bekundete christenfreundliche Gesinnung eines einzelnen Reichen. Wir dürfen vielleicht die weiteren Gedanken des Jak erschließen: trauen würde er dem Reichen wohl erst dann, wenn dieser sich - dem Besitzstand und der Gesinnung nach - unzweideutig unter die Armen eingereiht hätte. Das ist pauperistisch, aber nicht proletarisch gedacht, denn Jak ist nicht der Sprecher der Masse. Im Gegenteil: die Christen seiner Zeit sind viel eher geneigt, den Reichen entgegenzukommen. Dieser Entwicklung, die er für widergöttlich hält, will Jak sich entgegenstemmen 2 ; daher - wie wir es nun zusammenfassen können H. Weinel, Biblische Theologie des Neuen Testaments tl928, § 78, 2. Der Aufsatz von Th. Zahn, Die soziale Frage und die Innere Mission nach dem Brief des Jak, ZKWL 1889, 295ff., geht von der Voraussetzung aus, daß diese Entwicklung vollzogen sei, vgl. dagegen im einzelnen den Kommentar. 1
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S 7162 Meyc:rs Komm. XV, DibeliUl, Jakobus
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seine pa t ri a r c h al i s c h - pie t i s ti s c h e Armenethik, seine pa u pe ri s tische Reichtumsfeindschaft, seine apokalyptische Erwartung baldiger Strafe für die - wie in der ,,Armenliteratur" ohne weiteres als gottlos geltenden - Reichen. Die von Jak befürchtete Entwicklung war unaufhaltsam. Die Gemeinden nahmen zu und auch Reiche wurden ihre Glieder; das Christentum konsolidierte sich und trat in nähere Fühlung mit der Welt. Der "Hirt" des Her m a s beleuchtet diese Vorgänge. Sein Verf. zählt zwar selber zu den kleinen Leuten, wie vor allem seine Bildersprache zeigt 1; aber auch er ist in schlechte Geschäfte verwickelt Vis. Il 3, Mand. III 3. Vor allem aber müssen die Reichen mit dem ganzen Ernst prophetischer Bußpredigt apostrophiert werden Vis. m 9.-. Die Worte erinnern an Jak Su., aber zwischen bei den Texten besteht ein bedeutungsvoller Unterschied. Jak ruft seine Drohworte zum Fenster hinaus in alle Welt; viele von den befehdeten Reichen hat er gewiß noch nicht im eigenen Hause. Hermas aber soll seine große Drohrede "vor den Ohren der Heiligen" sprechen, damit sie "danach tun und von ihrer Bosheit rein werden". Daß die Reichen wirklich Glieder der christlichen Gemeinden sind, das zeigt vor allem Sim. Il, das Gleichnis von Ulme und Weinstock: wie jene - an sich unfruchtbar - dem Weinstock Halt geben muß. damit er Frucht bringe. so soll der Reiche des Armen Not abhelfen, damit dieser für den Reichen bete. Denn das Beten ist des Armen Stärke. h 7tAOUUL (Sim. Il 7) I Der Arme ist also immer noch der Fromme erster Klasse. aber es kann doch schon heißen (Il 10): selig, wer Besitz hat und begreift, daß sein Reichtum vom Herrn herrührt. Man sieht: die Einbürgerung der Reichen in der Kirche ist im Werden. In welchem Maße sie vollzogen ist, zeigt für unser Auge deutlich die Predigt des Klemens Alex. "Quis dives salvetur." In ihrem zweiten Teil empfiehlt sie dem Reichen, sich mit seinen Mitteln ein "Heer" zu werben, Greise. Waisen und Witwen; die sollen ihn belehren, ihn ermahnen, vor allem aber für ihn beten (34f.). Das ist die Ausgleichstheorie, die wir aus Hermas kennen. Daß aber der Ausgleich hier viel weiter vorgeschritten ist, zeigt der erste Teil der Predigt, eier die evangelische Geschichte vom Reichen umdeutet - "verkaufe, was du hast" wird auf die Reinigung der Seele von der Sucht nach Schätzen gedeutet (112) - und die Meinung von einem religiösen Vorzug der bloßen Armut weit von sich weist (113). In diesem Zusammenhang wollen die Worte des Jak über Arm und Reich betrachtet werden. Sie zeigen unseren Verf. als energischen Vertreter des alten und wieder neu belebten Armenstolzes ; sie verraten a';er auch, daß in der Christenheit seiner Zeit und seiner Umwelt dieser Stolz einer weltförmigeren Beurteilung des Reichtums zu weichen beginnt.
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1 Weinel in Henneckes "Neutestamentlichen Apokryphen" 223. vgl. auch E. v. Dobschütz, Die urchristl. Gemeinden 1902, 214ft'.
7. Entstehungsverhältnisse
7.
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ent(tt~ung6t7tr~lUtnlfTt
Es gilt aus den voraufgehenden Untersuchungen die abschließenden Folgerungen zu ziehen. Wenn der Jak nicht auf den Bruder Jesu zurückgeht (§ 2) und wenn er nicht die Predigt des Paulus, sondern die Weitergabe der Paulus-Losungen als halbverstandener Schlagworte voraussetzt (§ 4), so werden wir seine Abfassung chronologisch nicht zu nahe an die Missionsarbeit des Paulus heranrücken dürfen 1. Andererseits ist es wahrscheinlich, daß der Verf. des J udas-Briefes die Existenz eines auf Jak zurückgeführten Briefes, also wohl unserer Schrift, voraussetzt (S. 52). Man darf darum mit der Abfassungszeit nicht zu tief ins zweite Jahrhundert hinabgehen. So ergibt sich die ungefähre Zeitspanne 80-130, die sich allerdings wesentlich verengen würde, wenn die Abhängigkeit des 1Klem von Jak nachgewiesen werden könnte (vgl. dagegen S. 51). Jedes weitere Urteil über die Entstehungsverhältnisse des Jak hat von dem paränetischen Charakter der Schrift auszugehen. Die Paränese liegt im Jak, wie der Kommentar, wie aber auch der Vergleich mit Hermas zeigt, verhältnismäßig unverarbeitet vor, wenig ausgeführt und wenig verchristlicht (vgl. § 3). Nun kann sich eine solche Paränese in der Tradition wohl eine Weile lang erhalten; im allgemeinen aber drängen die Verhältnisse des zweiten Jahrhunderts doch, wie Hermas und die Didache zeigen, zur Ausführung der Paränese, zu ihrer Anwendung auf christliche Verhältnisse und mindestens zur christianisierenden Rahmung und Fassung des übernommenen Gutes. Auch diese Erwägung empfiehlt die oben genannte Datierung 2 • Nach den Andeutungen, die ein wirklicher Brief über seine Umwelt, über Missionstätigkeit, Gemeindeleben, Glaubensstreitigkeiten und Spaltungen machen würde, darf man bei Jak nicht fragen, ebensowenig nach 1 Dagegen macht K. Deißner, Theologie der Gegenwart 15, 1921, 225f., geltend, Paulus sei, wie seine Briefe beweisen, alsbald mißverstanden worden; so könne Jak 2u!. keinen zeitlichen Abstand beweisen. Vielmehr spreche die lebhafte Frontstellung, die Verwendung von Gen 15 als Schriftbeweis für zeitliche Nähe zu Paulus (doch s. den zweiten Exkurs zu 228 in diesem Kommentar). a G. Kittel, ZNW 1942, 81-84, rückt dagegen den Jak so weit von den Zuständen und Vorstellungen des 2. Jh.s ab (nämlich wegen seiner Naherwartung und der sozialen Situation, die aus dem Brief ersichtlich ist), daß er zu einer sehr frühen Datierung kommt: vor der ersten Missionsreise des Paulus. Dem hat K. Aland, ThLZ 1944, 102ff., widersprochen unter Hinweis auf Stellen aus dem Hirten des Hermas, die eine gewisse Nähe der beiden Schriften gerade in der Stellung zu Arm und Reich und in den eschatologischen Vorstellungen zeigen. Kittels Antwort darauf ist ein nach seinem Tode veröffentlichter Aufsatz (ZNW 1950/51, 54-112) "Der Jak und die apostolischen Väter". Hier werden neben den Herrenwort.Anklängen hauptsächlich die eschatologischen Aussagen der Ap. Väter mit denen des Jak verglichen (zur sozialen Situation nur die kurze Bemerkung S.111f.). Ergebnis: Jak stehe zusammen mit Did in eindeutiger Distanz zu den Ap. Vätern, und zwar in einem früheren Stadium. Diesem Ergebnis stimmt, ohne Kittels Frühansatz zu übernehmen, im wesentlichen auch L. Goppelt zu: Christentum und Judentum im 1. und 2. Jh. 1954, 189 A. 1.
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Adressaten. Es kann sich, da speziellere Angaben fehlen (vgl. S. 36. 4Of.)) nur um die Erwägung handeln, von welcher Art Christen Jak gelesen zu werden erwartet und wünscht. Er setzt offenbar "arme" Christen - in der § 6 geschilderten Bedeutung des Worts - als Leser voraus) "kleine Leute") die von den Reichen, zumal von reichen Christenfeinden, bedrückt und geschunden werden. Von einer Verfolgungszeit aber ist nicht die Rede (s. S. 15); im Gegenteil) was Jak für diese Christen fürchten zu müssen glaubt, ist gerade dies) daß sie den Reichen zulieb Bevorzugungsund Begünstigungswirtschaft einreißen lassen. Inwieweit die tatsächlichen Verhältnisse diese Sorge begründen) läßt sich aus der Schrift des Jak nicht erkennen) denn Jak 22-' schildert einen nur angenommenen und krassen Fall (vgl. die grundsätzlichen Erwägungen im Exkurs zu 21 und die Bemerkungen zu 111 418); jedenfalls befürchtet Jak) daß die Entwicklung der Dinge zu einer Verweltlichung der Gemeinden führen könnte) und wird darum nicht müde, vor dieser Entwicklung zu warnen. Daß überhaupt nicht jede von seinen Ermahnungen einen konkreten Anlaß im Gemeindeleben hat) ergibt sich aus dem Wesen der Paränese; die Unmöglichkeit dieser Annahme habe ich überdies im Kommentar an zahlreichen Stellen nachzuweisen versuchtl. Aber die Auswahl und die Ausführlichkeit der Mahnungen zeigt natürlich auf der andern Seite) daß die Lage des Christentums zu einer Anpassung an Lebens- und Gesinnungsweise der "Welt" im allgemeinen hindrängt. Die grundsätzliche Feindschaft, in der das Christentum der ersten Jahrzehnte zur " Welt" steht) beginnt sich zu mildern; Grund genug für den Verf.) in seiner Paränese die Mißstände zu rügen, die sich aus einer solchen Entwicklung ergeben könnten. Daß sie in ihrer ganzen Gefährlichkeit schon eingetreten sind, wird gewöhnlich nicht gesagt; würde aber - und zwar im Tone schärfster Rüge - gesagt werden) wenn dem so wäre. Geschichtliche Schlußfolgerungen aus diesen Mahnungen dürfen sich also nur auf die Gesamtlage) nicht auf einzelne Fälle erstrecken (vgl. den Kommentar zu 416 und 56). Eine - allerdings völlig andere - Art der Anpassung an die "Welt" liegt in der Betonung des neuen christlichen Gesetzes (vgl. die Exkurse 1 Diese Auffassung steht in grundsätzlichem Widerspruch zu den Versuchen. die aus den Mahnungen ein Bild von der oder den Gemeinden des Jak erschließen. das dann natürlich recht schlecht ausfallen muß. W. Brückner. ZWTh 1874. 540. will latr. 1311. 2ur. 3ur. 1311. 4ur. 1311. 5ur.lt auf die Zustände einer Gemeinde beziehen I H. v. Soden redet J PTh 1884. 175 f.• von Erkaltung der Nächstenliebe. Jagen nach Reichtum. geistigem Hochmut; E. Grafe entwirft a. a. O. 5 ein ähnliches Bild: .. So nehmen die Zungensünden in allen ihren Ausartungen breitesten Raum im Gemeindeleben ein. Streitsucht und Entzweiung waren die notwendige Folge und vergifteten das ganze Leben zu gegenseitiger Unzufriedenheit." Auch W. Michaelis. Einleitung in das NT 11954. 275 versteht 2atr. 3lf. 41311'. Sill. als Anspielung auf konkrete Gemeinde-Verhältnisse; aber er verzichtet dann doch gänzlich darauf. das Bild dieser Gemeinde oder Gemeinden zu zeichnen. Daß es Judenchristen. nicht zu fern von Palästina (..etwa in Syrien oder Cilizien". S. 278. mit Kittel) seien. ist alles. was konkret gesagt wird.
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zu 12~ und 210). Denn diese nomistische Gedankenrichtung geht doch auf eine Auseinandersetzung mit den alltäglichen Verhältnissen aus und bedeutet unbeschadet aller pietistischen Weltfeindschaft doch ein Heimischwerden in der Welt. Chronologisch ist freilich diese Erscheinung schwer zu verwerten, da die nomistische Entwicklung im Urchristentum sehr zeitig eingesetzt haben mag. Eine ungefähre Zeitlage läßt sich aber aus den Andeutungen von 5u über die Verfassung der Gemeinden erschließen: die ursprünglich pneumatische Kraft der Gebetsheilung ist bereits auf die Amtsträger, die Presbyter, übergegangen. Was wir da erfahren, deutet auf zweite oder dritte Generation. Aber vor allzu genauen Zeitbestimmungen hat man sich angesichts des überzeitlichen Charakters der Paränese zu hüten. Dasselbe gilt von Ortsbestimmungen - denn die Paränese ist nicht lokal interessiert. Man hat - zuletzt Ropes - auf Palästina geraten und zur Begründung auf die Bilder, vor allem das vorn Früh- und Spätregen 57 verwiesen 1. Das gute Griechisch des Jak unterstützt diese Annahme nicht; und im Kommentar zu 57 ist gezeigt, daß gerade diese Verwendung des Bildes nicht auf genauer Kenntnis der Verhältnisse, sondern auf literarischer Tradition beruht. Auch andere Bilder wie die Hitze 111 und die Vergleiche in 311f. sind traditionell und erlauben keine Schlüsse auf den Ort der Abfassung. Wer die Verwandtschaft mit 1Petr, 1Klem und Hermas als literarische Abhängigkeit deutet, mag den Verf. in Rom suchen (W. Brückner, ZWTh 1874, 541; H. v. Soden, JPTh 1884, 191f.; E. Grafe a. a. O. S. 45). Da aber die Voraussetzung unsicher ist, so kann auch die Folgerung nicht bestehen. \Vir können nicht sagen, ob der dem Jak und dem Hermas gemeinsame paränetische Stoff wirklich nur in Rom umging. Und so wird man auf die Bestimmung des Abfassungsortes verzichten müssen. 8. Gt~06
Die traditionsgebundene Art des Jak erschwert die Erkenntnis dessen, was er selbst geglaubt, gewollt und gelehrt hat. Aber gerade wenn man ihn als den Eklektiker nimmt, der er ist, kann man aus der Art, wie er die Überlieferung benutzt, ordnet, formt und faßt, seine Interessen und Absichten erkennen (siehe S. 19). Allein auch unter dieser Voraussetzung wird man darauf verzichten müssen, eine "Theologie" aus dem Jak zu erheben!!. Zunächst werden Weitere Gründe für Palästina-Syrien bringt Shepherd (s. S. 46 A. 2), 49-51. Vgl. zum Folgenden außer den "Neutestamentlichen Theologien" und der im Exkurs zu 228 angeführten Literatur Woldemar Gottlob Schmidt, Der Lehrgehalt des Jak 1869; H. v. Soden, Der Jak, JPTh 1884, 137ff.; E. Vowinckcl, Die Grundgedanken des Jak, BFTh 1898, 6. Fast alle Untersuchungen messen doch, auch wenn sie den Jak nicht einfach nach dogmatischen Iod befragen, den im Jak nur flüchtig berührten Gedanken eine zu gruße Bedeutung bei. 1 :I
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wie es bei einer Paränese nicht zu verwundern ist - viele Motive urchristlicher Frömmigkeit überhaupt nicht erwähnt, und doch hat man kein Recht zu der Behauptung, daß Jak ihnen keinen Wert beilege. Sein "Brief" will ja gar nicht sein ganzes Christentum umschreiben. Mancherlei aber wird im Jak nur eben angerührt. Daß es so flüchtig geschieht, braucht nicht Interesselosigkeit zu verraten; andererseits kann es zufällig sein, daß Jak überhaupt darauf kommt. Darum muß man sich davor hüten, solchen Stellen grundlegende Bedeutung zuzuschreiben, noch mehr davor, sie mit anderen ebenso vereinzelten zwecks Konstruktion eines theologischen Gedankens zu verbinden. Beides, Überschätzung wie ungerechtfertigte Verbindung, hat vor allem das Wort von der Wiedergeburt 118 erfahren 1. Aber auch die in Form einer Kette gegebene Darstellung der Sünde und ihrer Folgen 114.15 ist eben um dieser Form willen theologisch nicht zu belasten. Die Ausführungen über die Weisheit 313-17 sind paränetisch und nicht dogmatisch gemeint, von der Vollkommenheit des Menschen wird 1, 32 ohne jede theologische Reflexion gesprochen, und auch der Bezeichnung Christi 21 ist wohl ein kultisches, aber kein christologisches Interesse abzuspüren. Wovon Jak an mehreren Stellen redet oder was wenigstens als Unterton in mehreren seiner Mahnungen mitschwingt, das allein kann ein Zeugnis seiner Art ablegen. Diese Charakteristik wird allerdings, weil sie sich nur auf Paränese gründet, unvollständig sein. Was man allein bestimmen kann, hat darum eher Ethos als Frömmigkeit zu heißen; denn den ganzen Kreis der Frömmigkeit des Verf.s zu umschreiben ist uns nicht möglich. Aber wenn wir seine Schrift unter der geschilderten V oraussetzung betrachten, so heben sich deutlich einige Gedankengänge heraus, die sich ohne jede Konstruktion zu einer lebensvollen und bezeichnenden Einheit zusammenfügen. Was am meisten betont wird, ist zweifellos die Armenfrömmigkeit und der damit zusammenhängende Gegensatz gegen die Reichen und gegen die Welt. Die Ausprägungen und die Motive dieses Gedankens habe ich bereits in § 6 charakterisiert und dabei gezeigt, wie sich hier Tradition und Neigung des Verf.s zusammenfinden. Jak wünscht, ein "Armer" d. h. ein an der Welt nicht teilhabender Frommer zu sein, und er wünscht ebenso - wiewohl offenbar ohne Aussicht auf Erfolg - , daß die Christen auch ferner zu den "Armen" gehören möchten. Er möchte alle Pforten verrammeln, durch die der Geist der Welt seinen Einzug halten könnte; und darum warnt er davor, daß zuviele Lehrer werden 1 Wenn man 1111. isoliert betrachtet, wie es notwendig ist, so ist zunächst einmal die Verbindung des A6y~ cXAl)&e:lac; mit dem A6y~ ~lJ.lPu~ 111 nicht ganz sicher, vollends aber darf man nicht aus 4s irgend einen Pneuma-Glauben erheben und den "Geist" mit dem "Wort" zusammenbringen, denn für die in dem Zitat 45 angedeuteten Vorstellungen ist Jak nicht verantwortlich (gegen Massebieau, Revue de l'hist. des reL 1895, 250f.).
8. Ethos
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(311., daran angeschlossen die Abhandlung von der Zunge 33-12), daß man den Reichen entgegenkomme (21-12) oder daß man Unfrieden in den Gemeinden aufkommen lasse (313-18, vgl. auch den Kommentar zu 316). Sein Mißtrauen gegen die Welt macht ihn scharfsichtig gegenüber allen Ausflüchten und Selbsttäuschungen, mit denen ein untüchtig gewordenes Christentum das Fehlen von Tatbeweisen für seine Frömmigkeit verdecken könnte. Die Empörung über solche Ausreden spüren wir sowohl den von Jak weitergegebenen traditionellen Gedanken ab - 1131f. 1221. l:~1l wird solche Selbsttäuschung bekämpft - wie seinen eigenen polemischen Ausführungen 21'-26. Denn das scheint mir der Sinn dieser vielumstrittenen Polemik zu sein (vgl. S. 41): eine im Grunde (trotz des Lehrerberufs I) laienhaft-praktische Frömmigkeit empört sich wider eine in ihrer Gewalt und Tiefe nicht mehr verstandene theologische Losung, die zur Rechtfertigung eines praktisch unfruchtbaren Christentums benutzt werden könnte. Taten allein zeigen die Echtheit des Glaubens; die patriarchalisch-pietistische Armen- und Weltfeindschaftsstimmung gebiert eine aktive praktische Frömmigkeit, die der Gesinnung des Evangeliums Jesu nah verwandt ist (siehe S.45f.) und von der aus sich das ganze Unternehmen dieser Paränese wohl verstehen läßt. Aber diese Aktivität hat ihre Grenzen. Sie liegen in ihrer Beschränkung auf die christliche Gemeinschaft. Es ist Konventikel-Ethik. was sich da kundgibt. Ein Reformprogramm für den Umbau der Welt wird - wie im ganzen Urchristentum - natürlich nicht vorgetragen. aber es fehlt auch an Losungen und Motiven zu einer gründlichen sittlichen Weltbearbeitung. Die Hoffnung auf das Ende ist der Grund für diese Einschränkung praktischen Christentums. Der große Umsturz wird kommen; die Losung des Christen für die Zeit bis zum Ende heißt ausharren allen Anfechtungen, allen Leiden und dem scheinbar gegen ihn zeugenden Weltlauf zum Trotz (5711. 121. 112). Der Christ soll nur zusehen, daß er sich von der Welt rein erhält, im übrigen aber alles Gott anheimstellen (1'l7 47.10). Mit aller gebotenen Vorsicht wird man auch die deutlich bekundete Hochschätzung des gläubigen erhörungsgewissen Gebets (hlf. 43 5161f.) in diesen Zusammenhang einreihen dürfen: alles von Gott. nichts von sich selber erwarten! Die Weltfeindschaftsstimmung ist also auch die Quelle einer passiven Frömmigkeit. die alle Aktivität auf das eigene und des Bruders Dasein beschränkt und die im Blick auf die Parusie die böse Welt gewähren läßt bis zu dem - für diese Welt furchtbaren - Ende. Diese konventikelhafte Selbstbeschränkung unterscheidet sich nicht zu ihrem Vorteil von der inneren Freiheit, mit der Jesus Buße wie Vergebung gepredigt hat, und von dem Missionseifer des Paulus oder den universalen Tendenzen des Frühkatholizismus. Des gottlosen Reichen Ende verkündet Jak in lehrhafter wie in prophetischer Form, offenbar nicht ohne Genugtuung, und jedenfalls ohne eine Äußerung missionarischen Bekehrungswillens. Im Gegenteil, die Stimmung unseres Verf.s
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geht doch wohl dahin, den Reichen lieber seinem Untergang zu überlassen als ihn im Kreise der Christen willkommen zu heißen; denn sein Eintritt in die christliche Gemeinschaft könnte deren weltfeindliche, armutsstolze Gesinnung verderben. In dieser konventikelhaften Enge liegt das unterchristliche Moment, das man an der Schrift des Jak bisweilen - namentlich in 21-12 und 51-G - empfindet!. Aber diese unterchristlichen Äußerungen sind doch Ausstrahlungen eines wesenhaft christlichen Ethos. Nietzsche, von dessen durch persönliche Gegnerschaft und ererbte Christlichkeit 2 geschärftem Spürsinn für das Echtchristliche man bei solchen Wesensbestimmungen immer wieder lernen kann, würde hier den bezeichnendsten Zug dessen finden, was er als Christentum schildert und bekämpft: des Ressentiments der Massen, des Aufstands der Schlechtweggekommenen 3, des im Judentum begonnenen, im Christentum vollendeten Sklavenaufstands in der Moral". Sein Kennzeichen ist es, daß alle Wertschätzungen durch Entweltlichung auf den Kopf gestellt werden 5 : Jak 25ft. kann als typisches Dokument der "Tschandala-Moral" in Nietzsches Sinns gelten und Jak 316 (siehe den Kommentar) zeigt die vollendete Einseitigkeit der Wertung: "jedes andere Prinzip ist einfach, Welt'" 7. Aber Nietzsche hat auch die Umwelt unserer Schrift richtig erfühlt, wenn er im Christentum die Reaktion der kleinen Leute spürte und "den armseligen Alltag und Stubenrauch" ihres Daseins witterte B; und er hat endlich recht, wenn er dies alles in geschichtlichen Zusammenhang brachte mit der kleinen jüdischen Familie der Diaspora, mit ihrer "Bereitschaft zum Helfen, Einstehen füreinander, mit ihrem verborgenen und in Demut verkleideten Stolz der ,Auserwählten', mit ihrem innerlichsten Neinsagen, ohne Neid, zu allem, was obenauf ist und was Glanz und Macht für sich hat" a. Alle diese Urteile Nietzsches über das Christentum sind für das Ethos des Jak bezeichnender als für die christliche Frömmigkeit überhaupt 10 ; - aber sie gelten auch für Jak mit 1 Vgl. A. Schlatter. Theologie des Neuen Testaments I 1909, 51 "ein härterer Eindruck als an die evangelischen Sätze heftet sich an die des Jak ... " Vgl. auch H. J. Holtzmann, Neutest. Theologie II 21911, 386 A. 1; H. Weinel, Bibl. Theol. ·1928, § 78, 2. 2 Vgl. jetzt Ernst Bertram, Nietzsche 1918. der dieses Erbe an dem "Nachkommen ganzer Geschlechter von christlichen Geistlichen" stark betont, und daraufhin die Polarität in Nietzsches Wesen aufzuzeigen wagt - zu deren Charakteristik er übrigens den Terminus des Jak cXv1)p 8(ljNxo~ verwendet. 3 Nietzsche. Zur Genealogie der Moral I 10. Antichrist 43, Wille zur Macht 106. • Jenseits von Gut und Böse 195, Zur Genealogie der Moral I 7. :. Jenseits von Gut und Böse 62. • Antichrist 45; dort wird ausdrücklich 1 Kor 1:101r. zitiert; die verwandte Stelle Jak 25ft. könnte ebensogut zum Beweise dienen. 7 Antichrist 46. B Wille zur Macht 115. Antichrist 52. 8 Wille zur Macht 114. 10 Zur Kritik an der Charaktcrisierung des Christentums als der Blüte des Ressentiments vgl. Max Scheler, Die christliche Moral und das Ressentiment (Abhandlungen und Aufsätze I 1915, 116ff.), der aber doch dem Scharfblick Nietzsches nicht gerecht wird.
8. Ethos
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umgekehrter Wertbetonung. Denn das Christentum hätte niemals Weltreligion werden können (und werden dürfen), wenn es nicht den "kleinen Leuten" zum Wort verholfen hätte. Im Jak führen sie das Wort, denn die Paränese will ja ohne persönliche Tönung allen sagen, was alle sollen, und die Stimmung der kleinen Leute kommt hier einseitiger als in anderen urchristlichen Texten zum Wort, weil bewußter Protest gegen eine andersartige Entwicklung obwaltet. Darum darf dies Ethos typisch urchristlich heißen, aber es darf nicht mit der Religion des Urchristentums verwechselt werden; denn der urchristliche Glaube weiß in andere Tiefen zu dringen und andere Höhen zu ersteigen wie die Paränese des Jak. Wer das erkannt hat, wird auch dem Protest des Jak gegen den werkelosen Glauben Gerechtigkeit widerfahren lassen. Die Höhen des PaulusGlaubens sind dem Jak fremd; er sieht nur die Gefahren, die toter Glaube dem Alltagsleben der Christen, seiner "Kleinen Leute"-Christen, bringen kann. Gegen diese Gefahren wendet er sich. Und darin hat er recht in dem Maße, in dem die Alltagsmenschen recht haben dürfen in einer Weltreligion. Denn das Fundament einer Weltreligion müssen die Massen sein; darum muß sie auch den Alltag der Massen durch klare Weisungen zu regeln verstehen. Aber zu einer Weltreligion gehört es auch, daß sie der Menschheit große Führer schenkt, die weitgesteckte Ziele in neuen und der Masse fremdartigen Worten zu künden wissen. Darum bezeichnet jenes Erfassen der Masse nur die eine Seite der Weltreligion; und darum darf, was Jak von Glauben und Werken gesagt hat, nicht als das letzte Wort des Christentums zur Sache gelten. Aber es ist ein christliches Wort zur Sache, und steht darum völlig zu Recht in der Sammlung des Neuen Testaments 1. Das gleiche gilt nun von der Schrift des Jak überhaupt. Was in ihr Gestalt gewinnt, ist christliches Ethos; noch mehr: es ist das christliche Ethos, das unzählige kleinbürgerliche und weltscheue Menschen in den urchristlichen Gemeinden verbunden und zusammengehalten hat; es ist der christliche Geist, der auch späterhin ganze Generationen und Schichten getragen und zum Ausharren in der Welt wie zum Arbeiten in der Gemeinde befeuert hat. Er hält Fühlung mit dem Evangelium Jesu, wenn ihm auch seine Kraft und Größe mangelt; aber er ist wesensfremd dem Geist, der sich in den Briefen des Paulus und in der Schrift des "Johannes" kundgibt. Allein so wenig man Jak mit diesen Führern vergleichen darf, so gewiß gehören die Worte des einen wie der anderen unter die klassischen Dokumente des Christentums. Denn in diesem Nebeneinander ist Höhentendenz wie Breitenausdehnung des Christentums symbolisiert, und im Zusammensein beider Strebungen liegt die geheimnisvolle Kraft des Christentums als weltüberwindender Religion beschlossen. 1 V gI. zum Grundsätzlichen meine Abhandlung bttyw..><JLC; cXAl)&f:ttlC; in den Neutest. Studien für Hcinrici 1914, 189.
74
Einleitung
9. 6d1Id'ralt
Wer mit der Skepsis, die auf diesem Gebiet besonders notwendig ist, an die Prüfung der literarischen Beziehungen des Jak herantritt, dem erweisen sich die angeblichen Zeugnisse des 1. und 2. Jahrhunderts als trügerisch (siehe § 4). Hier und da kann wohl Bekanntschaft mit Jak obwalten, nirgends aber wird man zur Annahme einer Benutzung des Jak gezwungen. Neben dem Mangel an Anspielungen und Zitaten fallen noch einige Tatsachen auf, die ein skeptisches Urteil zu rechtfertigen scheinen; für den Westen: daß der Jak im Kanon Muratori fehlt, der doch J ud und 1. 2Joh nennt; für den Osten: daß die uns bei Euseb erhaltenen HegesippFragmente, die doch so viel von dem Herrnbruder zu erzählen wissen (siehe § 2), von seiner Schrift gar nichts sagen - und weiter: daß Klemens von Alexandria in den H ypotyposen, soweit sie uns erhalten sind, nur 1Petr Jud 1. 2Joh kommentiert und daß das Fehlen des Jak in dieser Reihe auch durch die Haltung des Klemens an anderen Stellen bekräftigt wird 1. Aber das Schweigen der Zeugen dauert auch noch über das Jahr 200 hinaus an. Sicher bei den Nationalsyrern, wo man nach der doctrina Addai, nach Aphraates und dem Katalog vom Sinai überhaupt noch kein Korpus der katholischen Briefe hat 2 und erst die Peschittha den Schriften des Jak 1Petr und 1J oh Aufnahme gewährt, ohne ihnen übrigens damit zu unwidersprochenem Ansehen zu verhelfen 3. Fraglich sind die Verhältnisse im Abendland; bei Hippolyt steht jenes merkwürdige Jak und Jud verbindende Zitat (siehe S. 52 Anm. 1); bei Cyprian fehlen neben anderen auch diese beiden, Jak und Jud, im Kanon und mindestens im überlieferten Text des Mommsenschen Kanonverzeichnisses vermißt man sie beide, und zwar sie allein·. Erst der Kanon des Papstes Damasus von 382 und Dagegen scheint allerdings das Zeugnis des Euseb. (Hist. eccl. VI 14, 1: fL1J8e T~ rlj" 'IoU&c AtyCll xLd TG:C; ).OL7tG:c; XCX&oALXQ:c; imaroAic;) und des Photius (Bibliotheca cod. 109, MPG 103, 384: TOÜ &cLou IIcxu).ou TW" emaro)"W" XCXL TW" :«.&t7t6!J.CYOL entspricht dem stoischen Satz bei Stobaeus II 711 p. 98 Wachs· muth: 7t1ivrtt 3, -rOv xoU..ov xotl tiy~&Ov !v3prl TiAaov ELVCXL Aryoum. 314 -rO I'l)3E~V, 'Ö)~ cl7tO O'O\) O'oepf.cxc; cl7touO'l)C; e:L~ oü8tv AOYLO'.&~O'e:TCXL mit ttAeLOC; eine in menschlichen Dingen und nicht in Anfechtungen erworbene "Vollkommenheit" gemeint; und zweitens würde unser Autor, wenn seine Gedanken in der Richtung des "Salomonischen" Gebets gingen, länger bei dem Thema "Weisheit" verweilen. So aber knüpft er mit dem Bedingungssatz nur einen Spruch vom Gebet an. Die Schilderung Gottes und seines Gebens soll die Hoffnung aufGebetserhörung begründen l •
n
ar.Aoüc; und cX7tAO't'llC; haben in der Koine einen weiten Bedeutungsumfang. Demgemäß wird auch der Satz des Jak, daß Gott cX7tAWC; gebe, verschieden erklärt: entweder = mit lauteren Gedanken, ohne Nebenabsichten (die meisten Neueren; auch ff: simpliciter) oder = gütig, freigebig (Hort, siehe Mayors Anhang S. 25, Gaugusch, Ropes, auch s}'v g und vulg: affluenter). Beide Bedeutungen sind in der Umwelt unseres Spruches zu belegen. - 1. Die Variation des ursprünglichen Sinnes "Lauterkeit" zu "Gutmütigkeit" und .. Güte" beobachtet man am besten am Testament Isaschars. Die cX7tA6't'l)~, als deren 8etwi'e; XOtL 7tOtxD.atLt; TtjJ.wpEate;, VI 3,: Teie; 7tOtxD.ate; T!XUT!Xe; TtjJ.WpEae; ••• Tete; 7tOtxD.atc; ~Otaa x!XL 'njJ.wpEac; •.• «o3Evt:EaLt; 7tOtxD.atLt;. VII,: IN 7ttXo!XtC; &ALljlcat 7tOtx"'!XLt;. 1 Grammatisch ist bemerkenswert. daß hier und 215 bei Ad7t&O&!Xt der Genitiv steht. daß es 1, aber IN jJ.1l8EVL A&m6!J.E'11Ot heißt - ein Beweis für die Sprachentwicklung. die
"IOut;
das Recht des Genitivs zugunsten präpositionaler Verbindungen schmälert. ihn aber es ist in diesem Fall ein Gen. separationis, vgl. Blaß-Debrunner 111961 § 180, - nicht außer Kurs setzt. - Die Nachstellung des Adverbiums mtpcl 'rOÜ 8t86vroe; MOtV cXA7tWe; ist in der Koine nicht auffällig, vgl. L. Radermacher a.a.O. 174. Blaß-Debrunnerl l § 4745.
Jak 1a
107
Typus sich der Sprecher dort hinstellt, ist der Gegensatz zu mpLcpyot;, ~V&p6t;, f»axIXvoc; (33) und zum Begehren nach Gold oder Luxus (4a 61). also = Gradheit, Genügsamkeit. Daneben aber steht Je 7tciVTIX yap 7tbnjaL x(d &ALßofdvOLt; 7tOtptLXOV EX 'tWV ciyCl&WV njt; yljt; !v cX7tAO~'tL XClp8~ ~ou, also = Gutmütigkeit oder Güte. Hierher gehört auch Josephus, Ant. VII § 332: Aravna will dem David seine Tenne zur Errichtung eines Altars umsonst überlassen; 0 8i: ßClaLMut; ciYCl7tCiv JUv Cl\l'rOV -rijt; cX7tAOTl)'tOt; xCll -rijt; ~CYClAOq,uX~ nryc - gemeint ist seine freigebige und hochherzige Art. Im Zusammenhang mit dem Geben gebraucht Paulus. bei dem cX7t>..6't"'1)t; 2Kor 11s Kol 3u (Eph 65) .. Lauterkeit" heißt, das Wort 2Kor 8a 911.13 und wohl auch Röm 128. An den ersten drei Stellen hat es jedenfalls auf die Größe der Gabe Bezug und bedeutet .. Mildtätigkeit". Die Stelle Lukian, Timon 56 aber, die T. Nägeli, Wortsch2tz des Paulus 1905. 52. als Beleg für die Bedeutung .. freigebig" auch an unserer Stelle anführt. beweist nichts, denn in den Worten 7tPOt; !V8pCl otov at cX7tAO"ixov XClL 'tWV gVTCi)V XOLVCI)VLXOV ist cX7tAOLXOt; nicht synonym mit dem zweiten Adjektiv, sondern soll die gutmütige Einfalt Timons (tÜ~&cLCl § 8) ausdrücken. - 2. Die ursprüngliche Bedeutung .. lauter" hat sich andrerseits auch spezialisiert zu .. gerade". ..ohne Hintergedanken", .. rückhaltlos". Das zeigt deutlich Mark Aurel. In dem Abschnitt XI 15 gegen die gekünstelte Aufrichtigkeit (t7tL~8cuaLt; cX7t>..6't"'1)'tOt;) steht das Wort noch in der Grundbedeutung. und entsprechend muß auch 156 verstanden werden 0 ciyCl~ XClt cX7tAOüt; XClt cu~c; (A. Bonhöffer. Epiktet und das Neue Testament 1911. 108 will wegen des Parallelismus cX7tAOüt; hier = .. gütig" fassen. aber das geht gegen den Sinn des ganzen Abschnitts). Dagegen h2t cX7tAW~, zumal neben ~P~. die Bedeutung .. rückhaltlos" .. ohne Nebengedanken". V gl. In 66, wo cX7tAwt; XClt !Atu&iPCi)t; tAOü 'to XPCL't'tOV den Worten 63 entspricht ~l)8tvt XWPClV 8L80u hip'll, V 72, wo es mit Beziehung auf das Gebet der Athener heißt i)'tOL ou 8CL cüxca&ClL ~ oü'tCi)t;, cX7tAwt; xIXL !ACU&tPCi)t;, und X & l~L&L 'toü ß(ou ~~ bpYL~O!UVOC;, ciAM cX7tAwt; XClt tMu&iPCi)t; xClL ClL8l)(.toVCi)t; (vgl. auch Epiktet II 218). Eine ähnliche Spezialisierung zeigt Hermas bei Verbindungen von cX;tAwt; mit Verben des Gebens. In Mand. II1.7 ist cX7t>..6't"'1)'tCl lxc freilich = «XClXO~ yLvou, aber in demselben Mandatum TI. heißt es eindeutig 7tCiaw uaupou(.ttvOLt; 8L8ou cX1tAWC;, ~~ 8La"t'ci~Ci)v T(VL 8UTIl, TO 3' ecrrl.v ~ <Xv TWV ci",etPT1JiJ.clT(a)V "'1) EauTOv ci).)4 &&0'1 CXLMTetL, xo).(l!:eo&(a) - zu derselben Stelle sagt er Oe conf. ling. 161 p. 429: TO ycXp "XetTCXq>&yn" TOtOÜTOV U7toßc:ü.ML voüv, 8L6n 7tollol. TeX Xet&' ~UTWV «7t08L8pclaxtLV C&CAOvnc; iyx).i)",etTCX xcxl. @Uta&CXL -rWV eq>' otc; '~Btx'1lacxv «~LOÜvnt; ietUTO~ TL"'(a)PLWV TO olxciov «rOt; Ti;) XCtXOÜ ~ "''1l8~ «ret&wv 8' ci7tcXVT(a)V CXlT~ itpoaßcillOUOL &E~. - In einen ähnlichen Ge-
dankenzusammenhang gehört die Stelle Ps. Klemens, Homil. 35.. , die bei einer Aufzählung von Worten jesu anführt: TOi~ 8E OLo",tvoLC;, ÖTL /) &EO~ 7tELpcl!:tL. ~c; 'Xl rpotq>cxl. ).iyoucnv, f9'1l (, 7t0V7]p&; eanv /) 7tEtptX~(a)v, ;, j(cxl. etüTOV 7tELpciaetc;. Das ist die Wiedergabe einer Tradition (ebenso die andern jesus-Sprüchc), aber nicht Zitat aus Jak. 1 Man könnte sonst an die bekannten, aber anfechtbaren Behauptungen des josephus über die Stellung der Pharisäer, Sadduzäer und Esscner zum Schicksalsglauben erinnern (Ant. XVIII § 12-22; Bell. judo 11 § 162ff.) oder an den Gnostizismus, vgl. Eusebius. Hist. ecd. V 20" wo der Brief des Irenäus an Florinus 7ttp1. TOÜ ",1) dv:xt TOV &cbv 1t'Ol.'1l':'l)v j(cxxwv die gnostische Lehre bekämpft (0. PAeiderer, Urchristentum 11 1 1902, 546). I Die Auslassung dieses 8e z. B. bei ff sah erklärt sich wenigstens zum Teil aus der aktiven Deutung des «7tEtpCXClvYj;, OUTOC; 6 q"XIVEPWTClTOC;, Kerygma Petri bei Klemens Al., Strom. VI 393 6 &:6pGlTO 3-ClVOCT, vgl. auch Hermas 1bnd. IV 12). So tritt die Art der Verbindung zurück, und wir dürfen annehmen, daß unser Verfasser bei GUAAClßOÜGCl und TLXTe:~ nicht auf einen Mythus anspielen, sondern Justin sagt im Dialogus 100 von Eva -rov Ä6yov TOV cl7t'O TOÜ ~ECA)C; OVAAClßOÜCSCl.7t'ClPClXOr,V Aber diese Stelle gehört in den Zusammenhang der auch sonst beliebten Eva·Maria.Parallele; schon deshalb kann von einer Beziehung zu Jak keine Rede sein. 1
xCll.{}cXVClTOV lUKE.
Jak 1111
125
ein - übrigens gerade in solchen Zusammenhängen häufig gebrauchtes 1 - Bild zur Verknüpfung der Begriffe verwenden will. cX7tO't'EAeO'&LO'CX ist zweifellos rhetorische Parallele zu O'UAACXßOÜO'CX; aber deswegen muß es nicht auch gedanklich Entsprechendes besagen und sich etwa auf die Mannbarkeit der Sünde beziehen (Soden, Windisch); andererseits verbietet die zweifellose Personifikation der cXtJ.cxp'rLCX eine Beziehung des Wortes auf die "vollzogene" Tatsünde (de Wette, Ewald, Hofmann, Burger). Das Wort, das offenbar nur um jener formalen Korrespondenz willen hinzugesetzt ist, bezeichnet die Auswirkung der Sünde am ganzen l\lenschen, vgl. Luther "wenn sie vollendet ist" 2. Erst der Abschluß der Kette bringt wieder ein bildliches Wort, cX7tOXU&L oder cX7tOXU&L 3 • Die Hauptsache ist für Jak aber auch hier nicht das Bild, sondern die Sache, die Darstellung nicht der "Geburt", sondern des furchtbaren Zusamn:tenhangs zwischen Begierde, Sünde und Tod. Die rhetorische Form der Kettenreihe, mittels der die Worte BegierdeSünde - Tod miteinander verbunden sind, erfordert eine gesonderte Betrachtung, zumal da sie sich auch Jak 12-. findet'. Man wird sie am besten als Kettenreihe bezeichnen, denn die Kette, d. h. die Wiederholung eines Wortes aus dem vorhergehenden Glied im folgenden ist das formale Kennzeichen der Figur; der übliche Name Klimax dagegen bezieht sich auf den Gedankeninhalt, und der ist nicht durchweg typisch für die Kette: Steigerungen können auch in anderer Form ausgedrückt werden, und schematische Kettenreihen (siehe unten 2Petr h) enthalten keine Steigerung&. So Philo, De sacrif. Abel. et Caini 102 p. 183: 7tpOc; YMaw 7tpotYf.L
schen Gottesbegriff wie bei der stoischen Predigt vom Gesetz aus dem Monismus, s. Exkurs zu 125. Ob Jak einen Hauch dieser geistigen Bewegungen, der Popularphilosophie oder der platonisierenden Stoa, verspürt hat, vermögen wir kaum zu sagen (s. aber Einleitung S.42f.). Seiner ganzen Diktion und auch dem Inahlt seiner Schrift nach scheint er vor allem dem literarischen Erbe des Judentums nahe. Und im Verein damit mögen ihn, wie mindestens eine Stelle im Briefe (512) andeutet, die in der Gemeinde überlieferten ~rorte Jesu stark beeinfiußt haben. Dies ist der zweite Grund für die Verwandtschaft gerade des Gedankens unserer Stelle mit dem Evangelium: "Jak" ist Jesus nicht nur durch Intuition nahegekommen, sondern hat ihn auch durch die Überlieferung kennengelernt (s. Einleitung S. 45 f.). Und so lassen sich gerade von dem schlichten Wort 127 aus Linien ziehen, welche die eigenartige religionsgeschichtliche Stellung des Jak bezeichnen: seine Worte atmen den Geist des Evangeliums wie der jüdischen Spruchweishcit; sie verraten nichts von dem Bruch mit dem Judentum und stehen doch so außerhalb des jüdischen Ritualismus, daß sie sich inhaltlich mit den praktischen Losungen berühren, wie sie die philosophische Religion der Zeit zu prägen weiß.
3. 3bban~lung: vom 3nrrl}rn brr lJrrron
21-18
Analyse Jeder der drei Abschnitte 21ft. 214ft. 311f. wird durch eine Mahnung bzw. (in 2,,) eine die Mahnung enthaltende rhetorische Frage eingeleitet; diese Mahnung gibt in allen drei Fällen das leitende Interesse des Abschnitts an. Der Abschnitt 2ur. ist also gegen ungerechte Begünstigung gerichtet. 29 zeigt, daß dieser Gedanke in der Tat alle Ausführungen durchzieht. Auf jede der thematischen Mahnungen folgt eine längere Ausführung über das Thema des Abschnitts. \X'as diese Ausführungen von Kap. 1 unterscheidet, ist leicht einzusehen. Dort herrschte die Spruchform, der Zusammenhang war locker, der Gedanke schweifte von einem zum andern. 8& ctu-roü (des 8ctL!J.WV in der eigenen Brust) xcdtctpOv T:'tX90u~ 8ux'nlpdv XotL dxotto't'7j'70; z'Xt 8uactpEcn1jaew~ -rijc; 7:pbc; TeX tx -9Ewv XotL rLVapWT:'WV '(LvO!J.EVot. Der Inhalt der Forderung ist
hier freilich gründlich stoisch. Vgl. aber auch schon Isokrates, Ad Nicoclem 20. 1 Man denke an das von Poseidonios beeinflußte Somnium Scipionis (Cicero, Oe rep. VI) mit seiner Empfehlung der Tüchtigkeit im Dienste des Vaterlandes.
Jak 21-13
157
Hier gruppieren sich die Gedanken. enger verbunden, um ein Thema, und so zeigen die drei kleinen Abschnitte 2ur. 2wr. 3ur. relative Geschlossenheit. In diesen Ausführungen herrscht also ein durchaus anderer Stil als in Kap. 1; es ist im wesentlichen der Stil der Diatribe; man wird die drei Abschnitte 211.2141. 311r. demnach als nA b ha n d I u n gen" bezeichnen dürfen. V gl. dazu Einleitung S. 56f. Für den zweiten der fraglichen Abschnitte 2141. ist dies heute wohl allgemein anerkannt; aber auch für die ruhigen Ausführungen 331. läßt es sich leicht zeigen. Einzig unser Abschnitt, der in seinem zweiten Teil die Brüder in mahnendem und strafendem Ton anredet, scheint von 2s an weniger eine Diatribe zu sein als eine Predigt. Allein auch in der populären philosophischen Propaganda läßt sich ein Unterschied zwischen diesen Stilformen nicht durchführen. Epiktets Rede bewegt sich nicht bloß in Auseinandersetzungen mit dem (s~ummen) Partner, dessen Einwände ihm vom Gesicht abgelesen werden; sie richtet sich mitunter auch an ein zahlreiches Publikum, nicht um mit ihm zu debattieren, sondern um zu strafen und zu mahnen 1. Und gerade das religiöse Pathos, das Epiktets Worte durchzieht, läßt ihn oft weniger als Lehrer, denn als einen Propheten erscheinen. der mit der überzeugungskraft, die echtem Sendungsbewußtsein entstammt, die gesamte Menschheit apostrophiert: nWo stürzt ihr Menschen hin? Was treibt ihr Unglückseligen? Ihr tappt euch wie Blinde hinauf und hinab, geht einen falschen Weg und habt den rechten verlassen, sucht Glück und Heil dort, wo sie nicht sind. und wenn euch jemand weist. so glaubt ihr nicht." 2 Unser Abschnitt beginnt nach der einleitenden Mahnung 21 wie eine Diatribe mit einem lebhaft und anschaulich erzählten Beispielsfall V.2-40. Denn um ein Beispiel handelt es sich, nicht etwa um die Begründung der einleitenden Mahnung; und dieses Beispiel wird erzählt ohne Rücksicht auf seine Tatsächllchkeit, ohne Rücksicht also auch auf die Frage, in welcher Gemeinde und unter welchen Umständen sich dieses oder auch nur Ähnliches zugetragen habe. Diese für das Verständnis des Abschnittes nicht zu unterschätzende Erkenntnis wird im Exkurs zu 221. begründet. In den auf das Beispiel folgenden Versen treffen wir dann predigtartige Sätze, vor allem in den rhetorischen Fragen v. 1:1-7, in denen die Reichen als Gegner der Christen gebrandmarkt werden sollen. Am Ende dieser Fragen müßte als Parallele zu v. Ga der Gedanke stehen: "Ihr aber bevorzugt den Reichen"; s. unten. Der Gedanke bleibt unausgesprochen, 1 Vgl. I 6t3 !ill' cL:; 'OAU~mrr" !Jh cbro3l)lKlU, (v' f8l)u TO Ipyov TOÜ ~(ou x'tl. I 161 d "t'O~ !Jh &llolA; Ccix>1A; 'tG: 7rpO'tOV "t'i)c; 86~Yjc; 't'OÜ XpLenoü, wo q>cu't'LGf.l6c; vorhergeht - , sondern es soll ganz einfach betont werden: Glaube an Christus 3 verträgt sich nicht mit Parteirücksichten. Und darum emp1 Die Auslassung von "r'ijt; 8~1')t; in 33.429 sah ist leicht begreifliche Korrektur; die Stellung von ~c;; 86~1'lt; vor 'TOÜ xuplou in einigen Zeugen beruht offenbar auf der sogleich zu besprechenden Deutung ..Glaube an die Herrlichkeit unseres Herrn J. Chr.". I Zu den unmöglichen rechne ich die übersetzung ..Glaube an unscm Herrn Jesus als Christ der Herrlichkeit" (August Klostermann. Ev. Kirchen-Ztg. 1880.283). zu den unwahrscheinlichen die Verbindung von Tijt; 8~1')c;; mit 7tpoaclnt'Q)..1')!LIjIl«. mag man 8~ar. = Meinung (Calvin: opum vel bonorum opinio) oder = Ehre (Heisen: 7tpoa(.o)7tQ)..1')!LljIlcc Tijt; 8~1')t; = 7tpo(J(.o)7to)..1'l!LIjllar. Tijt; 8~1'lt; MxCC) fassen. I über die Deutung .. Glaube Jesu" s. den zweiten Exkurs zu 2•• (S. 216 A. 2). Als Kuriosum sei erwähnt. daß S. Wiersma. Enigc opmerkingen over de betekenis van de
160
Erklärung
fiehlt sich die ohnehin am nächsten liegende Verbindung von 7t((1'n; mit 't'OÜ XUPLOU ~!lW'll '1"1)(1oÜ XPLITt'OÜ. Die zweite Lösung bietet die Interpretation, die sowohl -r1jc; 86~"1)C; wie ~!lW'II von 't'OÜ XUPLOU abhängig macht: Glaube an unsern Herrn der Herrlichkeit (1Kor 28 Barn 219), Jesus Christus (de Wette, Windisch mit Bedenken, ähnlich Herder und Soden, aber mit der Übersetzung "Glaube unseres Herrn")!. Allein sollte der Autor, wenn er dies sagen wollte, nicht geschrieben haben ..-1J'II 7tL(1'rL'II 't'. • ~'t: 'I • Xp. 0 der 't'. 7tL(1't'L'II ' 'I . Xp., 't'ou- XUPLOU , ."1)!l. 't'. 0.. ~ ;> Aus xup. '1)!l. 't'. OO~"1)::;, diesem Grunde scheint mir die dritte Auffassung empfehlenswerter, die in -:iic; 86;"1)c; einen Gen. qual. sieht (Beyschlag, Feine 34, B. Weiß 22, Ropes). Das macht keine sprachlichen Schwierigkeiten, denn unser Autor gebraucht auch sonst diesen vielleicht hebraisierenden Genitiv, der ein Adjektivum vertritt (siehe Einleitung S. 55). Dann steht 't'=ij::; 86;"1)c; wie ein Adjektivum beim Eigennamen; sachlich verwandt ist Eph 624 't'O'll XUPLO'll ~!l-W'll 'I"1)(10Ü'II XPL(1't'O'll S:.'II cX.q>3-otP(Jt~, und wir können unsere Stelle paraphrasieren "an unsern Herrn Jesus Christus in seiner Herrlichkeit". Entstanden dürfte der inhaltlich völlig harmlose und nur der Form nach zunächst befremdende Ausdruck sein, als Jak 2 - dem immer vorhandenen Bedürfnis der kultischen Sprache nach reicheren Formen folgend - zu dem geläufigen Ausdruck ..-1J'II 7t((1't'L'II 't'oü xup(ou ~!lW'II 'I"1)(1oÜ XPL(1't'OÜ noch den Hinweis auf die himmlische Glorie hinzufügte. Ebenso würde man sich die Entstehung des Terminus zu denken haben, wenn '"i~ 86;"1)::; nur zu 'I"1)(1oÜ XPL(1't'OÜ statt zum ganzen Ausdruck gehörte (Ewald) oder wenn die Worte appositiv ständen "an unsern Herrn J. Chr., der die Herrlichkeit ist" (Mayor; R. Seeberg, Ursprung des Christusglaubens 1914, 19); diese Deutung ist möglich, angesichts des Genitivgebrauches an anderen Stellen des Jak aber wohl weniger wahrscheinlich. Es gibt also jedenfalls Möglichkeiten, den überlieferten Text zu verstehen. Aber selbst wenn woorden diakrinesthai en pistis in de brief van Jacobus, Gereform. Theol. Tijdschrift 56, 1956, 177-179 die Wendung Jak 21 übersetzt .,das Vertrauen unseres Herrn Jesus auf Ehre (auf jemand, der eine hervorragende Stellung innehat)" und darin einen "leichten Verweis" des Herrenbruders sieht, der sich auf das besondere Vertrauen Jesu zu Johannes, einem .,Bekannten des Hohenpriesters", beziehe. Dies - wie überhaupt die von Paulus abweichende Bedeutung von 7r(anc; und 8L(XXp(YEO'tnL - sei ein Beweis für Alter und Authentizität des Briefes. W. muß freilich seinerseits einen schweren Verweis hinnehmen von J. A. Schep, Een onaanvaardbare Exegese van Jak 21 (ebd. 58, 1958, ~56), der u. a. geltend macht, daß W. entweder die Sündlosigkeit Jesu oder die Inspiration des Jak antaste. 1 Die griechisch harte Näherbcstimmung (von xup.) durch zwei nachgestellte Genitive (lJfJ.WY und 'tijc; 8~71c;) ist, worauf J. Brinktrine, Biblica 35, 1954, 40--42 aufmerksam macht, im Aramäischen sehr gebräuchlich (so auch -ro (XtfJ.cX fJ.OU 'tijc; 814&r)x71c; Mk 1424 Mt 2618). Allerdings stört auch dann immer noch die Apposition 'I71aaü Xpt<noü, so daß die Gegenfragen von Dibelius im Text auch an Br. zu stellen sind. 2 Oder sollte es erst ein Interpolator gewesen sein? Jedenfalls scheint mir eine Interpolationshypothese, die 'tijc; 8~l)c; streicht, nicht schwieriger als die Spittasche. Auf die wenigen Zeugen, die Tiic; 86~l)c; auslassen, darf man sich dabei allerdings nicht berufen.
Jak 21
161
man \vegen der unleugbaren Schwierigkeit der Stelle Spittas Annahme einer Interpolation bevorzugt, darf man darauf doch nicht ohne weiteres die Hypothese vom jüdischen Ursprung des Jak aufbauen. Jene Interpolation ließe sich ebenso wie etwa die Einschiebung von nj~ 86~ljC; (s. Anm.) auch unter anderen Voraussetzungen begreifen (vgl. Einleitung S. 37). Aber unbedingt nötig ist eine Interpolationshypothese an dieser Stelle überhaupt nicht. Die Beispiele im Jakobus-Brief. Gehen wir von einer Beobachtung am Text einer anderen Stelle aus. Die Darlegung 311r. ist geschrieben, um den Andrang Allzueifriger vom Lehrberuf abzuhalten. Bedenkt doch, so heißt es, welche Verantwortung auf euch liegt, die ihr mit der Rede, oder vielmehr mit dem Werkzeug der Rede, der Zunge, zu schaffen habt I Und nun folgt die berühmte Schilderung von der Gefahr der Zungensünden. Immer stärker werden dabei die Farben aufgetragen; so zuletzt bei der Behauptung: "Aus demselben Mund geht Segen wie Fluch hervor" (310). - Woran denkt der Verf.? Doch sicher nicht an die Lehrer der Gemeinden und wohl ebenso sicher nicht an diejenigen, deren Andrang zum Lehrberuf er abwehren wollte; es kann doch im Ernst keine Rede davon sein, daß er gerade sie - selbst wenn er sie persönlich kennen sollte - solcher Zungensünden zeihen wollte! Aber man darf auch mit Recht bezweifeln, daß die Zungensünde ihm als ein besonderer Fehler gerade der angeredeten Leser bekannt ist, denn auch wenn er einen bestimmten Kreis im Auge hat, so schildert er doch ganz und gar nicht individuell; zu dieser Darstellung hat nicht das Verhalten der Leser das Modell abgegeben, sondern die allgemein menschliche Erfahrung von der Gefährlichkeit der Zunge. Lehrer der Christengemeinde sind dieser Gefahr mehr ausgesetzt; darum, weil manche ihr vielleicht erliegen könnten, nicht aber, weil sie ihr schon erlegen sind, begründet Jak die Mahnung 31 mit der Abhandlung von der Zunge. Neben die Warnung stellt er das typische Beispiel, typisch ausgemalt; dabei kommt es dann - wie heute in der Plakatkunst - mehr auf die Leuchtkraft der Farbe als auf die übereinstimmung jedes Zuges mit der Wirklichkeit an: ein solches Beispiel darf als stili sie r t bezeichnet werden. Mit dieser Erkenntnis ist nun auch an anderen Stellen Ernst zu machen, wo Jak, was er meint, durch einen krassen Einzelfall zu bekräftigen sucht. Ein solcher Einzelfall liegt in 219 vor; der Glaube, der dort geschildert wird, ist nicht der "Glaubensbegriff" des Jakobus, sondern ein in der Polemik konstruierter Glaube, der dem Gegner zugeschoben wird, s. die Erklärung. Etwas anders liegt die Sache 2m., wo der Einzelfall nicht als Beispiel, sondern zum Vergleich erzählt wird, aber auch hier ist vor einer Verkennung des stilisierten Charakters und vor daraus folgender Verallgemeinerung zu warnen. Das Beispiel 413 gehört streng genommen nicht hierher, weil dort kein k ra s s e r Fall vorliegt und keine Mahnung voransteht ; aber auch dort hat man sich vor allzu realistischer Ausdeutung zu hüten, vgl. die Erklärung zu 416. Vor allem aber ist unser Abschnitt 211r. von der gewonnenen Erkenntnis aus zu beurteilen. 1tpo(J(a)1tO).ll!J.~((X hat es in den größer gewordenen Gemeinden der Zeit des Jak sicher gegeben. wie sie es geben wird. solange Arm und Reich nebeneinander wohnen und miteinander zu tun haben. Und natürlich haben die Christen, wenn sie in die Gemeindeversammlung gingen, wo Arme und Reiche sich begegneten, 11
7162
Meyen Komm. XV, Dibelius. Jakobus
162
Erklärung
diesen Fehler nicht draußen gelassen. Daß aber ein so unsoziales Verhalten, wie das 2211. geschilderte, in diesen Versammlungen an der Tagesordnung gewesen wäre (Beyschlag: .. etwas öfters Vorkommendes"), darf nach Jak 22ft. nicht behauptet werden; auch aus der Verwendung von &ci.v im Gegensatz zu d sind keine sicheren Schlüsse auf Wirklichkeit oder Möglichkeit zu ziehen, denn die Unterschiede zwischen d und Mv haben sich in der Koine verwischt, vgl. Blaß-Debrunner l l § 371. Jak will einfach an einem Beispiel argumentieren und wählt dazu nicht einen geringen, sondern einen krassen Beweis von itpoaW7tOAlJll~(CX, den er überdies 2:J in ganz unrealistischen Worten ausmalt (siehe die Erklärung). Man darf also dies zu paränetischem Zweck erzählte Beispiel nicht als historische Quelle für die Zustände der Christengemeinden benutzen l ; nicht als ob wir irgendeine Ursache hätten, die Christen der Zeit zu entschuldigen, sondern weil eine solche Benutzung auf einer Interpretationsmethode beruht, die der literarischen Art des Jak nicht entspricht. Die Methode, aus urchristlichen Briefen die Zustände bei den Adressaten zu erschließen, ist mit vollem Recht an den Paulus-Briefen geübt worden. Was wir ihr für die Kenntnis der Korinthergemeinde verdanken, ist bekannt; schon bei der Erklärung des Römerbriefes jedoch darf diese Interpretationsart nicht ohne Einschränkung angewendet werden, denn wir wissen nicht, in welchem Maße Paulus übet' die römische Gemeinde unterrichtet ist, in welchem Maße dieser Brief, der ein wirklicher Brief ist, als Korrespondenz verstanden werden kann, d. h. als Erwiderung auf Nachrichten, die dem Paulus von Rom zugekommen sind. Unser Jak vollends trägt überhaupt keinen Korrespondenzcharakter (Einleitung § 1); der Verf. deutet nirgends an, daß er durch Nachrichten über eine oder mehrere Christengemeinden angeregt worden ist; also dürfen wir nicht mit Sicherheit von einer Mahnung des Jakobus-Briefes auf einen Notstand der Christengemeinden schließen, vgl. Einleitung § 7. Vollends gilt das von den Beispielen des Jak. Wir können behaupten, daß der Autor durch die Darstellung krasser Einzelfälle abschreckend wirken will, wir können aber nicht sagen, inwieweit er dabei wirkliche Vorgänge des Gemeindelebens erzählt und kritisiert. Also besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Interpretationsmethoden, die wir bei Jak 2111. und etwa bei lKor 5111. 6111. anzuwenden haben. Die hier vorgetragene Auffassung wird auch durch Beobachtungen, die man an Epiktets Diatriben machen kann, bestätigt. Epiktet berichtet eine ganze Anzahl von Einzelfällen menschlicher Weisheit oder Torheit, die er selbst erlebt hat, teils mit, teils ohne Namen. Daneben aber führt er Beispiele an, etwa um die Konsequenz einer falschen Lebensführung aufzuzeigen; wieviel davon der Wirklichkeit entspricht, ist gleichgültig, wenn das Beispiel nur anschaulich und deutlich ist. Epiktet spottet z. B. darüber, daß der unbrauchbare Sklave Phelikion, sobald er des Kaisers Schuster geworden, von allen, auch von seinem früheren Herrn, ehrerbietig behandelt wird. Am Anfang dieses Abschnittes aber fragt der Philosoph ironisch und die Wirklichkeit übertreibend 7t(~C; 8e XCXL C:PPOvtIlOC; yLV&.CXL E~CX(c:pVl)C; 0 !Xv8-PW7tOC;, o't'cxv Kcxi:acxp cxu't'ov t7tt 't'oi) ACXacivou (Nachtgeschirr) 7tOt~an; (I 1917) - der Satz bietet keinen sicheren Beleg 1 Von den Erklärern wird die Stelle meist so verwendet; eine Ausnahme macht A. Hilgenfeld, ZWTh 1873, 12f., der die Beziehung auf wirkliche Zustände darum ablehnt, weil 25tr. eine andere Lage der Gemeinden vorausgesetzt sei.
jak 2•. 1
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für eine entsprechende Sitte des kaiserlichen Hofes. Zur Technik der Diatribe gehört es bei Epiktet oft, Fälle zu erfinden, in denen das zu Beweisende drastisch zur Darstellung gelangt, so die Verhaftung des Philosophen I 29ft, einen ähnlichen Vorgang I 1817, so die karikierte Rede dessen, der nur die Meinungen der Philosophen kennt, aber nicht philosophieren kann, TI 19C1tr. - Nur nebenbei sei darauf aufmerksam gemacht, daß auch die Gleichnisse Jesu ähnliche Stilisierungen enthalten, wie wir sie bei Jak voraussetzen; man denke an die unrealistische aber prachtvoll deutliche Selbstcharakteristik des ungerechten Richters Luk t8~r. und vergleiche mit ihr die ebenso deutlichen aber auch ebenso unwirklichen Worte Jak 2.'1. Das hier dargelegte Verständnis der Beispiele im Jak beeinftußt selbstverständlich auch das Gesamturteil über den Brief. Wer die fraglichen Stellen als Geschichtsquellen versteht und von der Mahnung immer auf den Notstand schließt, wird einen sehr ungünstigen Eindruck von den Gemeindezuständen erhalten (vgl. vor allem Grafe S. 2ff.). Anders liegt die Sache, wenn man damit rechnet, daß der Autor gelegentlich vorkommende oder auch nur mögliche Einzelfälle in paränetischer Absicht übertreibt und verallgemeinert (vgl. die Anrede .. ihr"), um zu zeigen, wohin die auch unter den Lesern vorhandenen, weil allgemein menschlichen Mängel führen können oder gar müssen. Wer vor solchen Beispielen wie dem 22rr. erzählten etwa die Worte einfügt: .. Schließlich kommt es wohl gar einmal dazu, daß bei euch ... " usw., wird der Meinung des Autors und den tatsächlichen Verhältnissen bei den Christen wohl so nahe kommen, wir es die Art eines solchen rein paränetischen Schriftstücks überhaupt gestattetl.
Die VV. 2. 3 enthalten die Bedingungssätze (Protasis), v. , bildet den Hauptsatz (Apodosis). Andere Erklärungen sind versucht worden, so: v., als Zwischensatz, v. CI als Apodosis (Ewald) - oder: Ausfall des Nachsatzes und v., als letzter Teil der Protasis trotz des Indikativs (Herder) oder als adversativer Hauptsatz "und doch" (Hofmann). Aber solche Fassungen sind überhaupt nur möglich auf Grund der KoineLesart xcxt vor ou 8L&XpE&rjTE; und dieser Text erklärt sich wohl aus einer Wirkung des vorhergehenden oder folgenden xcxE; die Koinezeugen, aber ebenso N A 33 sah boh sy'" s vulg, haben auch vor tmßAe~llTE die Kopula xcx(; während ~7'Vld B C 'I'" P 1175. ff t7tLßAt~'t"& 8e haben und zwar wohl mit Recht, denn auch diese Variante dürfte sich aus dem Umsichgreifen des xcx( in dem ohnehin schwierigen und darum mehrfach korrigierten Vers erklären!. In V.8 läßt sich die von ~7&vld N Ce Koine gebotene 1 j. Marty, L'epitre de jacques 1935, 71, möchte aus der Wärme und Bildhaftigkeit der Sprache des Jak auf eine dahinterstehende mündliche Verkündigung schließen, die auf wirklich beobachtete Vorkommnisse eingehen mußte. Für die allgemeiner wirkenden und weniger zusammenhängenden Partien des Briefes (1, 31:t-51O) schlägt er als Hypothese vor (S. 238), sie seien als Predigtnotizen anzusehen, die der Autor von Fall zu Fall angepaßt und ausgeführt hätte, um sie schließlich in gesammelter Form als eine Art Kompendium der christlichen Unterweisung seinen Hörern zu hinterlassen. I Bezeichnend für die durch das mehrfache Auftreten von KOtl verursachte Verwirrung ist folgendes: bei Oec liest man eine Ausführung, daß KOtl in der Apodosis überflüssig sei,
lt-
164
Erklärung
Lesart G...-Yj&L hei: xoct xci&ou w3e wohl sicher auf unberechtigtes Eindringen des w3e aus den vorhergehenden Worten an den Reichen zurückführen; sie beruht aber auf der richtigen Erkenntnis, daß der Platz U7tO TO U7t0rr63Lov p.ou näher beim Redenden gedacht ist als der Stehplatz. Diese Erkenntnis aber läßt die Lesart B 1175. 1739. ff GT'~&L ~ xci&ou h~i: vermissen; wer darum die Textform B ff nicht für überragend gut hält wie Ropes, wird doch den Text A C 33. 104. 81. 429 s vulg Syhl G"~&L hei: xoct xoc&ou UTtO TO U7t07t. bevorzugen 1. Nun zum Beispiel selbst. Der Vornehme wird, wie nachher der Arme 2 , kurz und bezeichnend geschildert: goldene Ringe am Finger - ein "(€PwV TtOALO~ :;(PUGOÜ~ 3OCX-ruAtoU wie sie viele antike Bildwerke verschiedenster Herkunft zeigen; Lukian, Hisl,)ria quomodo conscr. sit 27 wird das U7t07t~LOV des Zeus von Olympia erwähnt. Von Grabmälern und anderen Monumenten kennen wir auch den Fußschemel im Hausgebrauch> vgl. auch CPR I 228, wo bei einer Mitgift eine XlxDe8po: GUv u7to7to8~ ausdrücklich erwähnt wird, ebenso CPR I 2711, ferner P. Tebt. I 4538. 3 Christian Hülsen macht mich auf die Stelle Cicero, Ad Atticum II 243 aufmerksam, Caesar is qui olim, praetor cum esset, Q. Catulum ex inferiore loco iusserat dicere, vgl. Th. Mommsen, Röm. Staatsrecht IlI, 1888, 1383 und Nachtrag S. XIIf. Dieser locus inferior ist ent\veder ein besonderes Gerüst oder die Fläche des Forums; der auf den locus inferior Verwiesene stand mit dem Kopf etwa in der Höhe des 'J7tOmiOLOV des präsidierenden ;'\fagistrats. Von solchen Gelegenheiten, die es ja auch anderswo gab, könnte die Redewendung U7tO ":0 U7t07t~8LOV herstammen. Die jüd. Synagoge von Kapcrnaum (Tell-Hum» die allerdings erst aus späterer Zeit (2./3. Jh.) stammt, enthielt an der Seite zwei fortlaufende, übereinander liegende steinerne Wandbänke (vgl. "-ohlWatzingcr, Antike Synagogen in Galiläa 1915, Abb.40 und Tf. IV). Auch hier häHl~ ein auf dem Boden Sitzender mit dem Kopf die Füße dessen erreicht, der auf der oberen Bank saß. 4 Zu (J1)v:xywyf) im christlichen Sprachgebrauch vgl. noch Marty (s. S. 163 A. 1) zu Jak 22; O. Michel, Das Zeugnis des NT von der Gemeinde 1941, 12 A. 7; W. G. Kümmel, Kirchenbegriff und Geschichtsbewußtsein in der Urgemeinde und bei Jesus, Symb. BibI. Upsal. I 1943, 23; W'. Schrage, Art. cruVo:ywyf), ThWB.
166
Erklärung
.
es häufig für i1'P, aber auch für \mp, und es bezeichnet dort sowohl die Zusammenkunft und die Gemeindeversammlung wie auch die Gemeinde überhaupt, die religiöse Genossenschaft. Im späteren Judentum scheint ixxA"tja(l die ideale Gemeinde, auvcXywy1j mehr die empirische zu bezeichnen (siehe E. Schürer, Gesch. d. jüd. Volkes TI', 1907, 504 A. 11); wir kennen das Wort in dieser Bedeutung nicht nur aus Apg 69 92, wohl auch Apc 29 39, sondern auch aus einer Reihe von Inschriften (z. B. Ehreninschriften mit der Formel Yj auvocyWy1) in:EfJ.'1)a&V, vgl. Schürer a. a. 0.). Daß auvocywy1j auch das Versammlungslokal, also das jüdische Lehrhaus bezeichnet, weiß jeder Leser der Evangelien. - Nun kommt das Wort aber auch außerhalb des Christentums als technische Bezeichnung vor, und zwar für periodische Versammlungen l wie für Korporationen 2. Danach ist es nicht weiter verwunderlich, wenn auch in der Frühzeit des Christentums auvocywy1j in verschiedener Bedeutung begegnet'. Uns interessieren hier die Fälle, wo das Wort technisch gebraucht wird; denn alle Beispiele, in denen die Wahl des Wortes auvocywy1j durch den Zusammenhang oder sonst irgendeine besondere Rücksicht bedingt ist, können zur Erklärung unserer Stelle natürlich nicht herangezogen werden'. Ganz zweifellos hat man urchristliche Versammlungen auvocywy1j genannt - eine Bezeichnung, die sich ungezwungen aus dem Sprachgebrauch der "Welt" erklärt - : so fordert Ignatius Ad Polyc. 42 7tUxv6n:pov auvocywycd YLVEaS-waocv, Hermas schreibt. unserem Jak-Text sehr ähnlich, von der kultischen Versammlung (hocv oov lA&(J o &vS-PW7tOC; b lxwv TO 7tVEÜfJ.cX TE 3-ELOV Elc; auvocyWy1)v cXv8pwv 8LXOC(WV (Mand. Xl9. ähnlich 101. vgl. auch 13) und bei Dionysius von Alexandria (Euseb., Hist. eccl. VII 92 1111.12.17) heißt einer, der an christlichen Versammlungen teilnimmt. 1 Berühmte Beispiele sind das Testament der Epikteta, um 200 v. Chr. (Inser. Graecae XII 3, 330118f. Watt yEVia&ocL TcXV ouvaywycX" rn' ci!Jlpocc; TpeIc; l:v Ti;> ",ouae~), und die Inschrift des Antiochos von Kommagene, 1. Jh. v. Chr. (Dittenbcrger.Orientis inser. I 1903. 383.. dc; ouvocywYcXC; XOCL 7tOCVJ)yVpeLC;, siehe auch 1&1 und vgl. noch a. a.O. 11 5563 7371 74815 Athenaeus V 122B VIII 362E). I Dittenberger, Orientis inser. I 3261U. -r7J" ij",tttpocv octpem" XOCL ouvocywylJ" mit Beziehung auf das XOLVOV TWV 'AT't'OCALaTWV (2. Jh. v. Chr.); Archäol.-epigr. Mitt. aus Osterreich 1896,67 aovocywy1) TWV xouplwv von einem Barbiervel'ein (1. Jh. n. Chr.); OUVOCYWYOCL (TW") "I;w" werden mehrfach bezeugt: Athen. Mitt. 1908, 162; Lc Bas-Waddington, Voyage archcologique en Grece et Asie mineure II 1872, 118810; auch die umstrittene Inschrift bei P. Foucart, Associations religieuses chez les Grccs Paris 1873, 238, Nr. 65 mit der Erwähnung einer TOÜ ~LOC; ouvaywylJ gehört vielleicht hierher. vgl. Perdrizet. Bull. de corr. Hell. 1899. 592ff.; A. Deißmann. Urgeschichte des Christentums 1910. 36 A. 3. 3 Vgl. überhaupt A. v. Harnack. ZWTh 1876. 102ff.• Mission und Ausbreitung des Christentums I ·1924. 391f., Berliner Sitzungsberichte 1915, 754ff.; Harnack und Funk in ihren großen Ausgaben der Patres apostolici zu HermasMand. Xh; Zahn. Forschungen II 1883. 164. Einleitung § 4 A. 1; Schürer a.a.O. 504ff.; Deißmann a.a.O. 35f. • So ist der Gebrauch bei Irenäus durch alttestamentliche Beziehungen veranlaßt: 111 61 durch Ps 82(81)1. IV 311.2 durch die Geschichte von Lots Töchtern Gen 19; die Verwendung von ou"ocywr~ Theophilus, Ad Autolycum II 14 durch das Bild vom Meer; daß es Test. Benj. 111.3 in der christlichen Bearbeitung owocywyl) TW" eDvwv heißt. hängt vielleicht mit der jüdischen Maskierung des Bearbeiters zusammen. Auch wenn nach Epiphanius, haer. 3018, die Ebioniten sich nicht als EXx)':7j<JLct. sondern als ouvaywylJ bezeichneten. so ist das vielleicht eher als Nachwirkung des Judentums. denn als Beweis eines christlichen Sprachgebrauchs zu beurteilen.
Jak 22.3
167
T1j~ auva)'wy~~ (J.€'t'aC; AOYLa(.LOL ßcxat).tXWTEPOL xcxt ti.eu&ipwv ti.eU&&pWTEpOL, vom Myoc; heißt es Justin Ap. I 12; ou ßcxaLALXWTCXTO\l xcxt 3LXCXLOTCXTOV «PXO\ITCX ~Ta. Tb\l yEVViJacxV't'oc -31:ov oü3tvcx ot8cx(.LEv Ö\lTCX. Es handelt sich also bei diesem Gebrauch um den Ver-
gleich mit des Königs HerrschersteIlung. Andere Möglichkeiten eröffnet Philos l Behandlung der Stelle Nu 2017, wo von der Heerstraße, der ßcxaL).Lx~ 086C;, cxÜTYj 1) 030"tou 1tci).,v roü Ev ':'~ &t:OOWOT'f) ~ iyxcLJIolvou r.1Xpcxß)..71~:; Ev Tn Tp«m~1JTLXn>. - Daß im platonischen Schrifttum zweimal ßclcnÄLxO; v6",0~V "gemäß der Schriftstelle"). Freilich gilt nun auch auf der anderen Seite die Folgerung, die V. 9 mit aller Entschiedenheit zieht: 7tP0(JWitOAljl!"'(ot ist Sünde, und zwar - dies ist der Sinn des Partizipiums - Sünde wider das ganze Gesetz, nicht bloß wider ein Einzelgebot. 7tClpClßcl't"7)e; ist also hier der "Sünder" wider das ganze Gesetz; in ähnlicher Bedeutung steht das Wort Röm 226.27 Gal218 und in der apokryphen Geschichte, die in der Handschrift D nach Lk 6~ steht (btt,XotTclpotTOC; Xot!. 1totpotßci't"7)e; EI TOÜ v6l!ou); auch braucht es Symmachus Jer 618 für 0...,.,'0 (Aquila: txxA(VOVTte;) und Ps 138 (139)19 für p,,", (LXX: tXl!otp't'WAOUl), oU, 8Lon q>ucnxwc;, Kell Cyw (JE: 7tE:LaCol, 6n 7tiiv TO KelTeX q>UaLV ytvOiJ.E:VOv 6p&Wc; ylVCTelL (das 7tE:L(JOV wird 111 wieder aufgenommen: 8EL;OV oiJv II-0L oU, 7tWc; KelTeX q>OOLV cCJ't'Lv). Hier ist besonders interessant, daß auf die Aufforderung, den unmöglichen Nachweis anzutreten, sofort die Ankündigung dessen folgt, was der Redende selbst zu beweisen gedenkt, wie Jak 211b. Und das, obwohl der Partner dann noch einmal das Wort ergreift, um sich zu rechtfertigen, was ihm Jak 2.. vom Verf. abgenommen wird (s. oben). Zum ironischen Imperativ vgl. auch R. Bultmann, Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe 1910, 32f. 1 über andere Fassungen der Einrede infolge besonderer Interpunktion s. unten. I Die Koine-Lesart EK TWV lpyColV könnte noch ironischer gemeint sein als die Lesart lColpLc;; aber die in der folgenden Anm. besprochenen Koine-Korrekturen an dem Vers beweisen wohl, daß auch diese Lesart Korrektur (oder Konformation nach v. lab) ist.
192
Erklärung
kann GOU in diesem Zusammenhang verstanden werden. Offenbar ist die Meinung die, daß man solchen Glauben überhaupt nicht gut zeigen kann, s. v. 19; das paßt zu dem, was bei )JY?l v. J.I gesagt wurde. Weiter sagt der Verf.: ,.Ich will dir aus meinen Werken den Glauben zeigen." Nur darin kann sich der Glaube offenbaren; eben dies muß der Gegner also bekämpft haben. In v. 18a ist also - nach der Replik in v. ISb zu schließen - nicht die Vertei I ung von Glauben und Werke auf du und ich die Hauptsache, sondern die Teilung von Glauben und Werken überhaupt. Das läßt sich vielleicht noch mit einem stilistischen Beweis wahrscheinlich machen. Was in v. 18b einander gegenübergestellt wird, ist ja gar nicht "dein Glaube" und ,.mein Glaube", sondern ,.dein (Glaube) ohne Werke" und ,.meine Werke". Das erstere würde man erwarten, wenn gesagt werden sollte, daß der eine den richtigen Glauben, der andere den falschen habe; so ist es aber nicht gemeint, Jak unterscheidet ja gar keine Glaubensbegriffe - siehe zu v. I' - ; was er bekämpft, ist die Trennung von Glauben und Werken. Darum steht in v. ll!b das Pronomen zuerst bei 7t(a-rLC;, nachher bei lpy(tl, und es ergibt sich die stilistisch reizvolle Verschränkung: ~v 7t(GTLV GOI)
lwptC;
TWV
lpywv
X EX
TWV
Epywv
fLOU
n,v
7t{lT':'tV
Die Verteilung auf Du und Ich ist Nebensache·; Jak behandelt den Zwischenredner, als wenn er gesagt hätte: "Der eine hat Glauben, der andere \Verke."3 I Die Koine-Lesarten crou zwischen fpyw" und dyw (auch C 'Y 1175) und ""ou nach 7tUm" (auch 1.ß7' A '11 verderben diese Verschränkung; sie sind offenbar von der Auffassung aus entstanden, daß es sich vor allem um die Verteilung von Glauben und Werken auf "mein" und "dein" handele. I Ropes macht auf eine Stelle bei Teles aufmerksam, an der "du" und "ich" in ähnlicher Weise einander gegenübergestellt werden. Teles will, eine Lehre Bions weitergehend, dazu ermahnen, daß jeder seine ihm vom Schicksal zugewiesene Rolle spielen müsse (p. 3 Hense): ",,1) ßou).ou 8cu'rtpoÄ6yo (wie PReiderer liest), ohne doch zu sagen, wie es mit seinen Werken steht. Dieser Schwierigkeit wird Spittas Vorschlag (ebenso Windisch und Hollmann) gerecht, der annimmt, nach iPCL "t'L"oc; ncoü txA~nlJ v. %3 zeigt, daß die Anerkennung schon im Diesseits stattfindet. An Beyschlags Beziehung auf das Endgericht ist richtig, daß solche Anerkennung (Jubil19. "er wurde als Freund Gottes auf die himmlischen Tafeln geschrieben") im Endgericht wirksam wird. Dagegen ist die von B. herangezogene Parallelität von GW~C~V 21& und 8LXCUOÜV kein Beweis für seine These, weil es sich bei Abraham gar nicht um eine eschatologische Religion handelt, also auch zunächst nicht um "Rettung" im Endgericht.
Erklärung
200
I · rruVTjv wie Gen 156); d. h. Gott hat ihn als treu erfunden und ihm (zum Lohn) "Gerechtigkeit angerechnet". Den Inhalt des ersten Satzes gibt auch unser Vers wieder: Gott hat den Abraham als gerecht erfunden. Bei t~ EPY(uV fällt auf, daß gleich nachher nur eines genannt wird; vielleicht ist formelhafter Sprachgebrauch daran schuld (i; epyc.uv = durch sein Tun), vielleicht auch die Erinnerung an die übliche jüdische Zählun~ von zehn Versuchungen (5. Exkurs); keinesfalls aber steht es so, daß man wie Spitta dieser Zählung zuliebe annehmen müßte, die Opferung Isaaks sei hier nur zur Fixierung des Zeitpunktes erwähnt. Dann wäre die These des Autors ohne Beweis - und das muß er gerade an dieser Stelle \~er meiden, wo er, ohne es ausdrücklich zu sagen, schon gegen ein Mißverständnis des in v. 23 zitierten Bibelworts kämpft. Gegen Spittas Auffassung entscheidet auch die Analogie von v. 25, wo das Partizipium U7t08E~IX!J.ev·1) zweifellos den Grund der Rechtfertigung angibt. Und überdies erscheint in der Tradition überall, auch bei der Zählung von zehn Versuchun~en, diese Tat als die größte und bedeutsamste. "Jetzt habe ich erkannt, daß du gottesfürchtig bist", sagt Gott Jub 1811. Da er seinen Sohn auf dem Altar "darbrachte", ward Abraham kraft seines Tuns von Gott als Gerechter anerkannt, meint Jakobus an unserer Stelle. \'{"arum V.22 den Glauben Abrahams ohne weitere Einführung voraussetzt, habe ich bereits erklärt: Jak rechnet damit, daß sein Gegner oder der Leser gegen die Aussage von V.21 den berühmten Glauben :\brahams anführen wird, und geht darum von diesem aus. Das Verständnis des Verses scheint mir von der Erkenntnis abzuhängen, daß beide Vershälften in stilistischer Korrespondenz zueinander stehen. ,.Der Glaube Abrahams halft seinen Werken und die Werke vollendeten seinen Glauben." Daß beide Faktoren für Jak nicht gleichwertig sind, wissen wir (und werden es auch wieder an der Formulierung von v. :!-I merken). Aber hier liegt ihm oflienbar an der Nebeneinanderstellung der beiden Größen, denn er will ihr Zusammenwirken zum Ausdruck bringen. Darum darf man nicht aus iTcl..&LW&l) herauslesen, daß der Glaube erst durch die \Verke völlig zum Glauben wurde; Jak kennt ja einen Glauben ohne \Verke; er denkt also offenbar bei der "Vollendung" des AbrahamGlaubens an etwas Höheres, an das Ziel, auf das beide Faktoren, Glaube und Werke, hinarbeiteten: die Gerechtigkeit Abrahams. Nun mache man aber mit der stilistischen Korrespondenz der Vershälften völlig Ernst und beziehe auch O'UvlJPYEL auf dasselbe Ziel und nicht auf das Zustandc-
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t cruW:FytLV in dieser Bedeutung auch Mk 16~o" cruW:PYEL statt O'W;'FYEL lesen K~ A ff, aber EI beweist mit confirmatur im Folgenden (im Widerspruch zu unseren grieche Texten, die sämtlich i~~ haben), daß eine Tendenz bestand. die Aussage in das Präsens umzusetzen. Auf Rechnung dieser Tendenz kommt auch die Lcs.&rt cruw:pyt:L.
Jak
222.23
201
kommen der Werke 1: du siehst 2, daß der berühmte Abrahams-Glaube den Werken nur ein Helfer war bei der Erreichung dieses Ziels, daß Abraham von Gott als gerecht anerkannt wurde. Allerdings empfinden wir es nach v. 14-20 und vor v. 2" als erstaunlich, daß der Glaube hier scheinbar mit gleichem Recht neben die Werke tritt, denen er doch in seiner Wirkung so beträchtlich unterlegen ist 3 • Aber wir werden dieselbe Beobachtung bei v. 23 machen und hier auch den Grund für diesen scheinbaren Selbstwiderspruch erkennen: Jak will seine Meinung vor dem Forum der Bibelstelle Gen 156 rechtfertigen und bemüht sich deshalb so darum, dem von jener Stelle betonten Abrahams-Glauben seinen Ort anzuweisen. Daher die Korrespondenz der beiden Sätze in v. 22, die man nicht logischexegetischen Erwägungen zuliebe abschwächen darf. Man darf sie aber auch nicht dadurch verderben, daß man v. 23 XCXL E7t).:lJpW&"t) mit ETEÄE~W&"tJ eng verbindet. v. 23 setzt neu an, und v. 22 ist in sich vollkommen abgerundet" durch die beiden korrespondierenden Sätze: der Glaube hilft den Werken - die \'(;erke vollenden den Glauben. In V. 23 macht die Einführung des Schriftworts Gen 156 (LXX wahrscheinlich xcxl bdGTEUGEV, Jak: E7tLGTtUGEV 8e wie Philo, De mutat. nom. 177, Paulus Röm 43, 1Klem 106, Justin, Dial. 92) durch E7tÄ"t)PW&"t) Schwicrigkeiten. Es liegt nach dem Sprachgcbrauch zunächst nahe, an die Erfüllung einer Prophezeiung zu denken (Beyschlag, Bclser, Mayor, Ropes); dann wäre diese in den Worten EÄoyLG&1) CXUT
202
Erklärung
mehr zu "erfüllen"; wird er aber vom Vorhergehenden getrennt, so ist er isoliert und sinnlos 1. Die Schwierigkeit muß auf anderem Wege behoben werden. Man muß sich vor allem klar machen, daß der Verf. die Stelle nicht historisch faßt, sondern überhistorisch ; nicht als eine Aussage über die religiöse Stellung Abrahams zu einer bestimmten Zeit, eben zu der Zeit, von der Gen 15 handelt, sondern als einen Gottesspruch, der über dem ganzen Leben Abrahams steht. Den Beweis dafür liefern die Worte XOCL qJLAOI; 3-eoü Ex).~&t), die zwar Gen 156 nicht zu lesen sind, hier aber zweifellos mit zum Spruch gehören - sonst wären sie völlig beziehungslos und stilistisch schwierig (Ex).~3l) parallel E7tAl)PW&t) bei verschiedenem Subjekt?). Wenn es so steht, dann hat der Verf. nicht den Wortlaut der Bibelstelle im Gedächtnis, geschweige denn vor Augen, sondern die Form, die die erbauliche Paraphrase jenem Text wahrscheinlich schon längst gegeben hat; was er anführt, ist nicht eigentlich ein Zitat, sondern ein "Spruch" im Vollsinn unserer erbaulichen Sprache. Die Annahme, daß die Worte vom Freund Gottes schon von der Tradition zu der Bibelstelle hinzugefügt waren, wird durch die Ausführungen des ersten Exkurses noch weitere Bestätigung erfahren. Daß man aber die Worte nicht als ein Stück aus der Geschichte Abrahams, sondern als einen Gottesspruch über Abraham fassen konnte, zeigt auch Philo, Oe Abr. 262 p. 38, der von dem "Lob" redet, das ein von Moses empfangener Gottesspruch (XPl)O'!-,-OI.) dem Abraham bezeuge, und dann die Worte "er glaubte Gott" anführt, itE? AEZ.&ljVOCt !-,-E:V ßpocxu"t'oc-rov EO"'t'tV, ~py~ 8E: ßEßOCtW3-ljvOCt !-LtytO'''t'ov. Wer unsere Stelle als solchen Gottesspruch faßt, wird über die Bedeutung von E7tAl)PW&l) nicht im Zweifel sein. Was Gott über Abraham ausgesagt hat (und was des Moses Niederschrift den Menschen übermittelte), das hat Abraham durch die Tat "erfüllt". Eine neue Schwierigkeit ergibt sich, wenn man die so erklärte Stelle in den Zusammenhang unseres Abschnitts einreiht. Daß Abraham infolge seines Tuns von Gott als gerecht anerkannt sei, der berühmte AbrahamsGlaube also nur als ein Faktor neben den Werken zu gelten habe, war die These des Verfassers. Sie muß durch v. 23 bewiesen werden; es muß also von Glauben und Werken darin die Rede sein. Wer von Paulus (Röm 4) herkommt, hat dessen Interpretation (Glaube als Gerechtigkeit angerechnet) völlig zu vergessen; der Gottesspruch muß nach Jak beides, Glauben und Werke, zu rühmen wissen. Dieser Erkenntnis entsprach es, wenn Hofmann E~ epywv mit E7tA"flPW&t) und EXA~3-l) verband - seine Erklärung ist bereits abgewiesen (S. 201 A. 4). Demselben Bedürfnis trägt Windisch Rechnung, wenn er im zweiten Glied des "Spruches" eine Art Addition wahrzunehmen glaubt: der Glaube wurde zu der (schon durch Werke beschafften) Gerechtigkeit hinzugeschrieben. Doch das kann 1 Im richtigen Gefühl dafür behauptet Ewald. daß der Satz in der Bibel des Jak Gen 15. gestanden haben müßte.
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nicht ohne Schwierigkeit herausgelesen werden, und vor allem wird die These des Autors damit nur sehr indirekt bewiesen. Die Bemühungen der Ausleger zeigen aber dies eine deutlich: in dem zweiten Glied des Spruches, in EAoYLa&lj, muß ein Hinweis auf die Werke liegen. Nur dann hat dez Verf. ein Recht, sich auf den Spruch zu berufen, nur dann fügt sich das dritte Glied zwanglos an: dem Glauben und den Werken verdankt Abraham seine Ehrenstellung als Freund Gottes. Nun ist aber gerade diese Beziehung des EAoYLa&lj XTA. auf die Rechtfertigung aus Werken, (d. h. vor allem: aus Isaaks Opferung) der jüdischen Erklärung geläufig - und diese übereinstimmung zwischen synagogaler Exegese und der Interpretation, zu der uns unser Text geradezu zwingt, liefert den schlagenden Beweis für die Abhängigkeit des Abschnitts von der jüdischen Bibelerklärung - einen Beweis, der durch den von unserem Autor wie von den Juden gebrauchten Titel "Freund Gottes" bestätigt wird (s. den Exkurs). Jene Beziehung des tAoYLa&lj scheint dadurch entstanden zu sein, daß die jüdischen Exegeten ganz allgemein den Glaubensbeweis vor allem in der Opferung des Sohnes sahen, also Gen t 5 mit Gen 22 zusammenbanden, vgl. IMakk 2b2 1 • Jak folgt dieser Stelle nicht in dem Wortlaut "ihm wurde Gerechtigkeit angerechnet" - er schreibt ja dl; 8tXCltOaUVljV, nicht 8tXCltOaUVlj I; aber die Beziehung auf die Werke hat er aus tAoy(a&"'l dl; 8tXCltOaUVljV doch herausgelesen (vgl. auch den ersten Exkurs zu 228). Denn er verstand 8txCltOaUVlj ebenso wie die Juden von wirklicher, auf Werken beruhender Gerechtigkeit (siehe zu v. 21)3, und er dachte bei EAo·(La&rj ebenso wie das Buch der Jubiläen (vgl. den Exkurs) an eine Art himmlischer Buchführung. So weiß er die beiden Sätze der Bibelstelle auf die beiden Faktoren zu beziehen: E1tLaTtUaEV - also Glaube (nicht nur von dem Zeitpunkt Gen t 58, sondern vom ganzen Leben Abrahams ausgesagt), EAoy(a&lj, d. h. Buchung als "Gerechtigkeit" - also Werket. Von Paulus unterscheidet sich Jak durch die bereits V.21 ausgesprochene Annahme einer Gerechtigkeit aus Werken, während Paulus die Stelle auf einen aus Gnade an Stelle der mangelnden Gerechtigkeit angenommenen Glauben deutet. Das Judentum aber faßt den Glauben als Werk oder als A. Schlatter, Der Glaube im Neuen Testament 31905, 26. Dibelius fußt hier auf Swetes LXX.Ausgabe, die 1Makk 251 mit A und einer Minuskel 8LXOm)(NvrJ liest. Rahlfs hat dagegen - gestützt auf die anderen Zeugen, vor allem K - E~ 8LX«C.~v. :I Eugen Mcncgoz, Die Rechtfenigungslehre nach Paulus und nach Jakobus 1903, erklärt S. 4f. die Rechtfertigung bei Jak als Lossprechung, Sündenvergebung. Er beruft sich dabei auf 2111. Solche Beweise sind aber bei der literarischen An des Jak von vornherein bedenklich. Und überdies spricht das Fehlen jeder entsprechenden Andeutung in 2"'.1 und die Geschichte des Abraham-Beispiels (vgl. den Exkurs) gegen eine solche Deutung und die aus ihr gezogenen Folgerungen. • Zu AOytl:ECJ&«' vgl. H. W. Hcidland, Die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit 1936; ders. Art. Aoyt~OI1«L, ThWB IV, 287-295; G. von Rad, Die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit, ThLZ 1951, 129-132. 1
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Erklärung
Lebenshaltung, die Werke in sich schließt. Jak unterscheidet sich also von der Synagoge durch die Betrachtung, die Glaube und Werke als getrennte Faktoren ansieht (vgl. die übersicht im zweiten Exkurs). Beide will er aus der Bibelstelle Gen 156 beweisen; das mag gegenüber der Konsequenz des Paulus oder der des Judentums als Unklarheit erscheinen. Ich habe schon zu v. 22 betont, daß Jak bei diesem Rechnen mit zwei Größen seiner eigenen Gedankenführung Abbruch tut, und habe schon jenen Vers aus der Beziehung des Ganzen auf die Bibelstelle zu verstehen gesucht. Völlig begreifen läßt sich das Verhalten des Jak aber nur, wenn man annimmt, daß Glaube und Werke durch irgendwen vor ihm zu einem ausschließlichen Gegensatz gestempelt waren; davon wird im zweiten Exkurs zu 226 die Rede sein. Für Jak gibt es diesen Gegensatz nicht, und der Name "Freund Gottes" bezeichnet für ihn gerade das Vorbild im Glauben wie in den Werken. Auch darum darf man die letzten Worte des Verses nicht vom "Spruch" abtrennen. In V. 24 - von den Koine-Zeugen mit "t'o(vuv angeknüpft - kehrt Jak bei der Anwendung des Abraham-Beispiels zur Betonung der \X'erke zurück. Vom Glauben ist nur im negativen Sinn die Rede, aber nicht er selber wird abgewiesen, sondern nur seine Alleinhcrrschaft: CI~jx ix r.tO''t't(.); ""C,"CI". Es muß also die Losung "Glaube, nicht Werke" schon ausgesprochen sein. Der Vers wendet sich mit OP~T& wieder an die Leser; die Folgerungen aus dem Hinübergleiten vom Dialogstil zum Briefstil sind jn der Analyse gezogen. Das zweite Beispiel, das der Rahab, V. 25, ist als Parallele zu dem Abraham-Beispiel eingeführt. In der Tat will Jak hier dasselbe beweisen: daß es ohne Werke kein 8LXOt~OÜO'{)OtL gibt. i8LXOtLW{)lj steht im selben Sinn wie v. 21; das Werk der Rahab an den Kundschaftern 1 wird zum Beweise in seinen beiden wichtigsten Momenten u7to8&~Ot!Jlvl) - exßd.ClüO'Ot angeführt. Aber die Kürze, mit der dieser Fall behandelt wird, fällt nicht nur im Vergleich zu Abraham auf, sondern läßt auch berechtigte Fragen otfen. Die Frau ist Dirne und Heidin; so sollte man erwarten, daß in diesem Fall die "Rechtfertigung" noch etwas gründlicher behandelt würde, als das bei dem vorbildlich frommen Abraham notwendig ist. In der christlichen (und jüdischen) Tradition hat man diese Bedenken, wic es scheint, dadurch beseitigt, daß man im Blick auf das in der Erzählung des Buches Josua 211 berichtete Bekenntnis der Rahab zum Gotte Israels die Frau zu einer Heldin des Glaubens machte. So geschieht es wenjgstens in den wohl zweifellos von jüdischen Aufzählungen 2 abhängigen Abschnitten Hebr 1131 lKlem 12; und auch die Deutung des roten Fadens auf das 1 Die griechischen Handschriften (e L u. Minuskeln), welche xnClox61tQ\):; statt IXyyD-ou