OTT O MIC HEL Der Brief an die Römer
KRITISCH-EXEGETISCHER KOMMENTAR üBER DAS NEUE TESTAMENT BEGRüNDET VON H. A. W. M...
55 downloads
996 Views
36MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
OTT O MIC HEL Der Brief an die Römer
KRITISCH-EXEGETISCHER KOMMENTAR üBER DAS NEUE TESTAMENT BEGRüNDET VON H. A. W. MEYER HERAUSGEGEBEN VON FERDINAND HAHN BAND IV - 14. AUFLAGE
Der Brief an die Römer übersetzt und erklärt von
Dtto Michel
5., bearbeitete Außage dieser Auslegung
VANDENHOECK &: RUPRECHT IN GOTTINGEN
BearbeiIUDl VOll H. A. W. MeyaI.AußapI8S6 2. AufJap 1854 S. AuIap 1859 4. Aulap 186S 5. Außaae 1872 BarbähIDI VOll 8erabard Weiß 6. Aulap 1881 7. AufIIIp 1885 8. Außaae 1891 9. AufJap 1899 Barbähllll VOll Otto Michel 10. Außaae 1955 11. AufIaae 1957 12. AufIaae 1965 I S. Aulap 1966
CIP-Kurztitelaumahme der Deutachen Bibliothek
XritiseHulttiscltn XDmIfII1IIlIT ib" dlll Nnu Tul4von H. A. W. Meyer. Hng. von Ferdinand Hahn. - Göttingen: VandenhO«k und RuprechL
mnII 11xgr.
NE.: Meyer, Heinrich August Wilhe1m [Begr.]; Hahn, Ferdinand [Hng.] Bd. 4. - Michel, OUo: Der Brief ~ die Römer
MidIä, DUo Der Briefan die Römer. - 14. AuO., 5., bearb. AuO. dieser Auslegung. - Göttingen: Vandenhoeclt und Ruprecht, 1978. (Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament; Bd. 4) ISBN 3-525-51635-5
" VucIalboeck A Ruprecht, Göttiacm 1955. - Prialed io Germaay. - Olme aUldriicklicbe GeodunituDI dea VerIap ial ea nicht aatattet, du Buch oder Teile daraUiaufro~ oder UUllDmecbaDiIcban W. zu vervietaltipD.SalZ und Druck: Breldullla' DrucJraei, .-eldum. - Einbud' Huben A Co., G6niapD
5
Vorwort zur 10. Auflage
Die neue Bearbeitung des ))Römerbrief«-Kommentars, die nunmehr erscheint, verlangt, daß ich des Mannes gedenke, der über einJ ahrzehn t alle seine Kräfte in textkritischen, philologischen und theologischen Einzelstudien zum Römerbrief verzehrte, ohne daß es ihm vergönnt gewesen wäre, den fertigen Kommentar als Frucht seines Fleißes Theologie und Kirche zu schenken. E. v. Dobschütz hätte seine ganze exegetische Kunst an diesem großen und unerschöpflichen Dokument des Neuen Testamentes bewähren können, und es ist vor allem seinen Schülern schmerzlich, daß der Tod ihn zu früh abrief. Leider war es auch A. Fridrichsen, seinem Freund, im Lauf der Kriegswirren unmöglich, die Arbeit von E. v. Dobschütz zum Abschluß zu bringen; er erkannte, daß ein neuer Anfang gemacht werden müsse, und übergab mir im Frühjahr 1940 diese schwere Aufgabe. E. v. Dobschütz hat mich schon früh in Fragestellungen und Teilaufgaben seiner Kommentar-Arbeit eingeführt, hat dann nach seinem Tode zunächst A. Fridrichsen, später auch mir sein umfangreiches Material hinterlassen, das in der jetzt vorliegenden neuen Bearbeitung teilweise fruchtbar gemacht werden konnte, aber von seinem Aufriß und seiner Auslegung ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Die große Aufgabe, einen Römerbrief-Kommentar zu schreiben, verlangte einen neuen und eigenen Einsatz. Wenn ich mich frage, was das Ergebnis des neuen Kommentars ist, so möchte ich A. Schlatter recht geben, der in diesem größten Paulusbrief ein einheitliches Thema fand: die Gerechtigkeit Gottes. Es ist das Thema, das durch die ganze Heilige Schrift hindurchgeht, und das am Kreuz Jesu von Nazareth seine Antwort und seine Erfüllung findet. Paulus tritt uns als ZeugeJesu und als Ausleger des Alten Testamentes gegenüber, und sein Bekenntnis zu Israel ist rur die Auslegung des ganzen Briefes von entscheidender Bedeutung (Röm 9,1-5; 10,1-2; 11,1-2.11-16}1. Wir werden dies Bekenntnis sehr ernst nehmen müssen. Ich meine sogar, daß es Aufgabe der Forschung ist, nach dem aramäischen Hintergrund der paulinischen Gedanken und Denkformen zu fragen, und den ))Hellenismus« unseres Briefes näher zu bestimmen. Es ist mir auch sicher, daß Paulus ein ganz bestimmtes Bild von der römischen Gemeinde gehabt hat, das den historischen Verhältnissen entsprach, und daß er den Wunsch hatte, seine Beziehung zur römischen Gemeinde so sorgfältig und nüchtern wie möglich zu regeln (Röm 1,11-13; 15,14-33). Schon diese Andeutungen zeigen, daß alle wissenschaftlichen Probleme neu angefaßt werden müssen, und daß ein Meyerscher Kommentar weder mit grundsätzlichen theologischen Programmschriften, die sich auf den Römerbrief berufen, noch mit den zahlreichen praktischen Auslegungen verglichen werden kann, die inzwischen erschienen sind. Wir dienen der Kunst der biblischen Exegese, die textkritisch, philologisch, historisch und theoI
Vgl. O. MICHEL,
Opfer~itschaft
rur Israel. In Memoriam E. Lohmeyer, 1951,94-100.
6
Vorwort
logisch alle echten Fragen aumimmt und sich keine Schwierigkeit erspart. Es war mein Ziel, sowohl die zahlreich erschienene ausländische Literatur stärker in die deutsche Forschung hineinwirken zu lassen, als es sonst geschieht, wie auch immer wieder auf die neuen palästinischen Funde hinzuweisen, deren Bedeutung für die biblische Theologie allgemein, aber auch fiir den Römerbrief, vorläufig noch unabsehbar ist. Es ist keine Frage, daß die neutestamentliche Exegese sich in mancher Hinsicht umbildet und mancherlei Krisen durchzustehen hat. Für die Mitarbeit meiner Assistenten Frl. M. Steiner und Herrn E. Kamlah möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Ich danke auch Herrn Kollegen Prof. Dr. K. H. Schelkle für die Möglichkeit, seine fleißige Arbeit: »Die Auslegung von Paulus' Römerbrief bei den Väterncc zu benutzen. Tübingen, Januar 1954 Otto Michel
Zurl4.Aufbp Die neue Auflage berücksichtigt die wissenschaftliche Diskussion, die in den letztenJahren über die Fragen des Römerbriefes gefühn wurde. Es war mir wichtig, neue Gesichtspunkte aufzunehmen und fiir die 14. Auflage Schwerpunkte zu setzen. Dankbar bin ich für das ständige Gespräch mit den Kommentaren von C. K. Barrett, E. Käsemann und H. Schlier. Die Arbeit an Einzelproblemen der Zeitgeschichte ist mir weiter wesentlich gewesen; nach manchen Jahren der Mißachtung kommt es offenbar auf diesem Gebiet zu einem neuen Interesse. Ich behalte mir vor, in anderem Rahmen ausführlicher auf sie zu sprechen zu kommen. Dankbar bin ich für gelegentliche Hinweise der heiden Kollegen Dr. O. Betz und Dr. Kl. Haacker, für die Beratungen und Kontrollen von Dr.J. A. Bühner, S. WeUing, H. Klingler und St. Kunkel, außerdem fiir die Erlaubnis von M. Kettunen, seine ungedruckte Dissertation: »Der Abfassungszweck des Römerbriefes. Ein Beitrag zum Briefstil des Pauluscc, 1976, zu benutzen. Tübingen, Februar 1977
Otto Michel
7
Iahalt Vorwonzur 10. und 14. Auflage .................................. Wichtige Literatur zum Römerbrief Abkünungen Einleitung § 1. Die Entstehung des Römerbriefes .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2. Die Gemeinde in Rom als Empfängerin des Briefes . . . . . . . . . . . . . . . § 3. Aufbau und Inhalt des Briefes. Sprache und Stil, Echtheit und Unvenehnheit. Das Verhältnis des Römerbriefes zu den anderen Paulus-Briefen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4. Die Botschaft des Römerbriefes in der Geschichte der Auslegung I. Teil Kap. 1-4: Die Gerechtigkeit Gottes 1,1-7: Zuschrift und Gruß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,8-17: Briefeingang und Thema ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,18-32: Der Heide unter dem Zom Gottes ......................... 2,1-16: Der Richter und der Maßstab des Gerichtes 2,17-29: Derjude im Gericht .................................... 3,1-8: DerVonugdes Wortes Gottes und der Beschneidung 3,9-20: Die Anklage Gottes gegen die Menschheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3,21-31: Die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes im KreuzJesu Christi 4,1-25: Die Bestätigung der Gerechtigkeit durch die Schrift .. . . . . . . . . . a) 4,1-8: Abrahams Gerechtigkeit aus Glauben . . • . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . . .. b) 4,9-12: AbrabamsGerechtigkeitobneBeschneidung ....••................ c) 4,1$-17: Abrahams Gerechtigkeit ohne du Gcaetz . . . • • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) 4,18-25: DerVoUzugdeaGlaubenain derGeschichteAbrabams . . . . . . . . • . . . ..
11. Teil Kap. 5-8: Das neue Leben aus Gott 5,1-11: Die Gaben der Gnade ............................. '.' . . . .. 5,12-21: Der neue Mensch und die neue Menschheit 6,1-23: Das neue Leben ausJesus Christus ......................... a) 6,1-14: Du neue Leben als Tod und Aufentehung . . . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . . . b) 6,1 >-23: Du neue Leben als Freiheit und Gehonam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
7,1-25: Der Todes weg des Menschen unter dem Gesetz ............... a) 7,1-6: Du Ende einer Bindung . . . . . . . . • . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . • . . . •. b) 7,7-25: Unsere Gebundenheit an Gesetz, Fleisch, Sünde und Tod. Der Rufnach dem Befreier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
8,1-11: Geist und neues Leben 8,12-17: Geist und Kindschaft 8,18-27: Geist und Erlösung ..................................... 8,28-30: Der RatschlußGottes ................................... 8,31-39: Der Sieg über die Anfechtung .. . . . . . . . ... .. . .. .. .. .... ...
5 9 22
27 34
43 54
63 78 95 111 126 136 140 146 160 160 165 167 172
176 184 199 199 210 218 218 222 247 257 264 274 278
8
lahalt
111. Teil Kap. 9-11: Das Geheimnis des göttlichen Heibplanel
Ei.nfüh.ru.ng
• . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • . . . . .. 288
9,1-5: Die Klage um Israel ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 290 9,6-13: Die Erwählung und die Verwerfung 298 9,14-29: Die Freiheit und die Erwählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3M 9,30-33: Der Stein des Anstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 319 10, 1-21: Die Schuld Israels ...................................... 323 a) 10,1-13: DieStimmederGlau~tickeitimAitenBuDd • . • • • . • • . • . . . •• 323 b) 10, 14-21: Die UnentKhuldbarkeit braels vor dem ~ dea Alten Bundes • • • • •• 332 11,1-10: Der heilige Rest ........................................ 337 11,11-24: Die Gnade in der Verwerfung . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . .. 343 11 ,25-36: Die Erfiillung der Verheißung 353 IV. Teil Kap. 12,1-15,13: Das Opfer des Leibes und die Verwandlung des Sinnes Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 365 12,1-2: Der neue Gottesdienst . .. .. .... .... ....... . .... ...... .. .. 967 12,3-8: Der Dienst der Gnadengaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • .. 373 12,9-21: Die Liebe und der Kampfgegen das Böse ................... 381 13,1-7: Der Gehonamgegen die Träger der Gewalt .................. 393 13,8-10: Die Erfiillung des Gesetzes in der Liebe ... . . . . . . . . . . . . . . . .. 407 13,11-14: Die Dringlichkeit des göttlichen Anspruches 412 14,1-15,13: Die Starken und die Schwachen ........................ 418 a) 14,1-12: Die Gebundenheit an den gleicben Herm .•.••••••••••.•.••••••• 418 b) 14,13-23: Der Verzieht um de. Bruden willen . • • • . • . • • • • • . • • • • . • • • • • •• 429 c) 15,1-13: Du VorbildJesu Cbriati unddaa LobGoue.
. . • . • • • . . • . . . • • . . • ••
441
V. Teil Kap. 15,14-16.27: Schluß des Briefes 15, 14-33: Die Pläne des Apostels ...................... . . . . . . . . . ..
454454461 16,1-24: Empfehlung, Grußliste und Segenswunsch 470 16,25-27: Der Lobpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 484 a) 15,14-21: Die Recbdertigu.nades Briefes . • • • • . . • • . • • • • • • • . • • • • • • • • • •• b) 15,22-33: Die Ankündigung des Besuches . • • • • • • . . • • • • • • • • • • • • • • . • • ••
Wichtige wissenschaftliche Exkune Geschichtlich-biblische Hinweise: I. Apoltolal und Evangelium in der theolopcben DiIk.-ioa •••••••.•••.•••••••• 2. Die EiDlctzung der chriatolopcben BekamtniafOrmel in ltöm 1,'-4 •••.••••••••••
Zum GlaubensventäDdnis im Frühjudentum und bei Paulus Zum Problem Paulus und Luther ................................. Das Verhältnis von »Zorn« und »Gerechtigkeit« Gottes: Die Frage nach dem inneren Zusammenhang von Röm 1,17 zu 1,18 Gottes Gerechtigkeit: I. Foraehungtgeachicbdiehe Situation ••• • . • • • • • • • • • • • . • • . • • . • . • . . • • • . • •• 2. Zur tbeologiscben Deutung der 6uca&ocnMa emü bei Paulua .•.•••.•••••••••.••
70 72 92
94109 157 159
Inhalt
Die Herrschaft der Sünde und der Gnade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. »Letzter Mensch« (IKor 15,45) und neue Menschheit Die religionageschichtliche Fragestellung in Röm 6 Die Eigenart der paulinischen Taufanschauung ..................... Geschichtliche und theologische Probleme zu Röm 7 ................. Zur Auseinandersetzung: Gesetz, Geist und zum Gegensatz: Geist und Fleisch .............................................. Exegetische Einzelprobleme zu Röm 9,5b Die heilsgeschichtliehe Frage in Röm 9-11 Das Evangelium und die Erwählung Gottes Leib Christi und Charismen ..................................... Zur Eigenart der Tradition Röm 13,1-7 ........................... Die göttlicheSetzung der staatlichen Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die exegetische Auseinandersetzung in der Gegenwart (Röm 13,1-7) Die Enthaltung von Fleisch und Wein ............................. Zur gegenwärtigen Bedeutung von Röm 15,30-32
9
193 197 202 216 240 255 296 362 363 380 395 399 404419 469
Anhang ................................ . . . . . .. 490 a) Du Veraländnis der Gerechtigkeit . . . • . . . . . . . . . . . . . • . . • . . . . . . . • . . . . .. 490 b) Geist und Gnadengaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . 493 c) E. Käsemanna Ableitung der Sendung des Sohnes (RÖßl 8,3) . . . . . . • . . . • • . . • . •. 495 Wortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 498 Sachregister .................................................. 502 Exegetische Grundfragen
11
wichtip Uteralul' zum IlömeIbriefl 1. Kirchenväter Oripea commentaria in epistolam s. Pauli ad RomaoOll. Lat. Obersetzung Rufins (Bel. 6.7 C. H. E. LoMMATZSCH 183~37; MSG 14,834 0:). Zum Codex Lawra 184 B 64 (IO.Jhdt.) vgl. E. v. D. GoLTZTU NF II 4,1899; O. BAUEItNFElND, Der Römerbrieftext des Origenes nach dem Codex v. D. GoLTZ, TU Bel. 44, Heft 3, 1923; K. LAKE and S. NEW, Six collations ofNew Testament manuscripts, Harvard Theological SlUdies 17, 1932, 141-219; A. RAMSBOTHAM, The commen tary of Origen on the Epistle to the Romans, JThSt 13, 1912, 209-224.357-368; 14, 1913, 10-22. K. ST........ , Neue Fragmente aus dem Kommentar des Origenes zum Römerbrief, BZ 18, 1929, 72-82. Ephraem der Syrer commentarii in epistolas d. Pauli nunc primum ex annenio in latinum sermonem a patribus Mekitharistis translati, Venedig 1893. Chrysostomus hom. 33 in ep. ad Romanos, ed. F. FIELD, 1849; zum Text des Chrysostomus vgl. S. K. GIFFORD, dias. phil. Hai. XVII, 1902. Theodorets Werke, ed. ScHULZE-NoESSELT, 1769-1774 (Kommentar zum Römerbriefin MSG 82, 4311".). Ambl'Oliuter Kommentar zu den 13 Pauluabriefen nach der Benediktiner Ausgabe, 1690 (vgl. MSL 17,47 (f.); A. SoUTER, A study of Ambrosiaster, Texts and Studies VII 4, 1905; W. MUNDLE, Die Exegese der paulinischen Briefe im Kommentar des Ambrosiaster, 1919; H. J. VOOELS, Du Corpus Paulinum des Ambrosiaster, Banner biblische Beiträge 13, 1957. Augustin I. expositio quarumdam proposition um ex epistola ad Romanos; 2. epiatolae ad Romaoos inchoata expoeitio (MSL 35, 2063 und 2(87). Vgl. A. F. N. ~ Röm 7 und Röm 9 bei Augustin, 1942. Pelagius' Erklärung (expositiones) der Paulusbriefe (vgl. dazu B. ALTANER, Patrologie, 2. AuO. 1950, 327). Dazu H. ZIMMER, Pelagius in Irland, 1901; A. SoUTER, Pdagius' expositions of thirteen epistiesofSt. Paul, 3 Bde 1922. 1926. 1931;].J. DEMPSEY, Pelagius' commentaryon St. Paul, 1937. Außerdem zu den lat. Quellen des Römerbrief-Kommentara A. J. SMI11I, JTbSt 19, 1917-18, 162-230; 20, 1918-19, 55-65. 127-177; 31, 1929-30, 21-35.
Catenae graecorum patrum, Bd. IV, ed.J. CItAMER, 1844. A. Souter, The earliest latin commentaries on the epistles ofSt. Paul, 1927. K. Staab, Pauluskommentare aus der griech. Kirche, Neutest. Abhandlungen 15, 1933. - Die Pauluskatenen, nach den handschriftlichen Quellen untenucht, 1926. K. H. Schelkle, Paulus, Lehrer der Väter. Die a1tkirchliche Auslegung von Röm 1-11,2. AuO. 1959. 2 P. Schwanz, Imago Dei als christologisch-anthropologisches Problem in der Geschichte der Alten Kirche von Paulus bis Clemens von Alexandrien, 1970. I Vgl. die Bibliographien von R. IUBANOS (Boletin bibliogrifico de la earta a los Romanos, SaImanticenaia 6, 1959, 705-790) und B. M. METZGER (Index to periodicalliterature on the Apostle Paul, New Testament Tools and Studies I, 1960). 2 V gl. desselben Verfassen U ntenuchungen: Erwählung und Freiheit im Römerbrief nach der Auslegung der Väter, ThQ 131,1951,17-31. 189-207; Kirche und Synagoge in der fJÜhen Auslegung des Römerbriefes, ThQ 134, 1954, 2~318; Zur biblischen und patristischen Verkündigung der Eschatologie nach Röm 13,11-13, Verkündigung und Glaube (Festgabe für F. X. AltNoLD), 1958, 1-15; Römische Kirche im Römerbrief. Zur Geschichte und Auslegungsgeschichte, ZkTh 81, 1959, 393-404; vgl. außerdem W. An"ELDT, Verzeichnis der Römerbriefkommentare der lateinischen Kirche bis zu Nikolaus von Lyra, Traditio 13, 1957, 369-406.
12
Literatur
2. Mittelalter und Reformationszeit Il Devreaae, Chaines ex~tiques gre<Xiues, Samt Paul, Dictionnaire de Ia Bible, Supp~ment 1, 1928,Sp.I209-1224. Thomas von Aquin commentaria in ornnes d. Pau1i apostoli epiatolaa Bel. 1-3, 1857-58; zum Römerbriefvgl. auch dieTurinerAwgabe,ed. Marietti, 8. AuO. 1953; ObenetzungvonH. FAHSEL,1927. Laurentius Valla opera omnia, Buel 1553. Marsilius Ficinus opera, Basel 1561. Faber Stapulenaia, Lat. Kommentare zu den Paulinen, 1512. M. Luther, Römerbrief-Vorlesung 151~16 (Ausgabe]. FICKEIl, Anfänge reformatorischer Bibelauslegung, Bel. I, 1908; neubearbeitet in D. M. Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe, 56. Bel.: Der Brief an die Römer, 1938; 57. Bel.: Nachschriften der Vorlesungen über Römerbrief, Galaterbriefund Hebräerbrief, 1938; deutsche Obersetzung von E. EUWElN, 1927,4. AuO. 1957. Ph. Melanchthon, Loci theologici, 1521 (Annotationea, 1522; Commentarii, 1532 tr.). J. Bugenhagen in epistolam Pauli ad Romanos interpretatio, 1527. J. Calvin in omnes Pauli apostoli epiato1as commentarii, 1831 (Corpus Reformatorum Bel. 77,1892: Römerbrief). Deutsche übersetzung des RÖlnerbrief-Kommentan, Neukirchen 1903.
3. Neuzeit J.J. Wettltein, Novum Testamentum Graecum 11, um 1752. Neudruck 1962. J. A. Benge~ Gnomon novi testamenti, 1742 (1773); Nachdruck 1915.
A. Tholuck, Kommentar zum Briefan die Römer, 1824 (5. AuO. 1856). H. Olshausen, Der Brief des Apostels Pau1us an die Römer, 1835 (2. AuO. 1840). W. M. L. de Wette, Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch zum Neuen Testament, 3 Bele., 1836-48. A. Fritzsche, Pauli ad Romanol epiatola, 3 Bele., 1836-43. F. X. Reithmayr, Commentar zum Briefe an die Römer, 1845. A. Maier, Commentar über den BriefPauli an die Römer, 1847. J. Chr. v. Hofmann, Die Heilige Schrift Neuen Testaments, 3. Teil, 1868. A. Bisping, Erklärung des Briefes an die Römer, Exegetisches Handbuch zu den Briefen des Apostels Paulua, 1860. J. T. Bec:k, Erklärung des Briefes Pauli an die Römer, 2 Bele., 1884. R. A. Lipsiua, Handcommentar zum Neuen Testament, Bel. 11 2, 1891 (2. AuO. 1892). A. Schäfer, Die Bücher des Neuen Testaments, Bel. 111: Der Brief Pauli an die Römer, 1891. B. Weiss, Der Brief an die Römer, 6. AuO. 1881 (9. AuO. 1899). H. Kutter, Gerechtigkeit (Röm 1~), 1905. H. Lietzmann, An die Römer, Handbuch zum Neuen Testament, 1906 (4. AuO. 1933) - LtzmR. A. Jülicher, Die Schriften des Neuen Testaments, hrag. von J. WEISS, 1907 (3. AuO. 1917). Th. Zahn, Der Briefdes Paulus an die Römer, 1910 (3. AuO. 1925) - ZnR. E. Kühl, Der Brief des Paulus an die Römer, 1913 - KühiR. K. Barth, Der Römerbrief, 1919 (2. AuO. 1922, seitdem Neudrucke). O. Bardenhewer, Der Römerbrief des bI. Paulus, 1926. F. Gutjahr, Der Brief an die Römer, 2. AuO. 1927. A. Schlauer, Erläuterungen zum Neuen Testament, Bel. 11,4. Auß. 1928. J. Sickenberger, Die beiden Briefe des hl. Paulus an die Korinther und sein Brief an die Römer, Die HI. Schrift des Neuen Testaments 6, 1932. A. Schlauer, Goues Gerechtigkeit, 1935 (3. AuO. 1959). P. Altbaus, Der Brief an die Römer, NTD 6, 1935 (10. AuO. 1966). E. Brunner, Der Römerbrief, 1938 (zuletzt 1956). E. Gaugler, Der Römerbrief, Prophezei, 1. Teil: Röm 1~, 1945; 2. Teil: Röm 9-16, 1952.
Literatur
13
E. Fuchs, Freiheit des Glaubens (Köm >8 ausgelegt), 1949. A. Nygrm, Der Römerbrief (übersetzung), 1951. H. Asmuucn, Der Römerbrief, 1952. K. Banh, Kurze Erklärung des Römerbriefs, 1956 (2. Auß. 1959). O. Kuss, Der Römerbrief, I. Lieferung, 1957; 2. Lieferung, 1959. H. W. Schmidt, Der Brief des Paulus an die Römer, 1962. E. Käsemann, An die Römer, Handbuch zum Neuen Testament Ba, 1973 (2.-3. Auß. 1974). H. Schlier, Der Römerbrief, 1977.
Dem Verhältnis des Paulus zum Judentum zugewanQOVEiv). Gerade den Heidenchristen wird das rechte Verständnis des alttestamendichen Liebesgebotes (Röm 13,S-1O) und des Beispieles Jesu Christi (Röm 15,1 0:) so eingeprägt, daß die alttestamentliche Tradition zu ihrem Recht kommt. Jedenfalls darf man nicht übersehen, wie stark die Paränese mit einem ausgesprochenen Selbstbewußtsein pneumatischer Gruppen in der römischen Gemeinde rechnet. Es geht tatsächlich im Römerbrief um das Problem der Synagoge, das einen bleibenden Anstoß und ein Rätsel rur die christliche Gemeinde bildet. Die Diskussion mit dem Rabbinat brachte eine schwere Erschütterung in die äußere Entwicklung des römischen Christentums; die Besonderheit des] udenchristenturns mag eine weitere Krise in die Gemeinde hineingetragen haben (Röm 14,1-15,13). Wenn Paulus auch die Entscheidung in der Streitfrage zwischen den »Starken« und den »Schwachen« mit betonter Zurückhaltung in das Ganze des Briefes einordnet, so ist sie doch nicht unwesentlich, weil sie die Haltung des Paulus kennzeichnet. Paulus selbst ist]ude, der den Heilsweg Gottes in der Geschichte Israels anerkennt (Röm 1,2.17; 3,21; 4,3.&-8.16-18) und auch selbst Glied seines Volkes und Zweig des fruchtbaren Ölbaumes bleiben will (Röm 9,1-5; 11,11 ff.). Er betont die Autorität des Alten Testaments (als btayydi:Q Röm 1,2 und als v6J.1~ 3,19; 13,~IO), wenn auch unter der Voraussetzung des 6 ZNR 19 glaubt umgekehn. daß die Heidenchristf'n in Rom in der Mindf'rheit ware'n, während die Mehrheit der Gemeinde aus bekehrten Juden bestand. LAGRR XXIII Introduction setzt sich ausdrücklich mit dieser Konstruktion TH. ZAH!'iS auseinander.
Di~ Gem~ind~
in Rom
37
(Röm 1,1) als letzter Instanz. Das kritische Wort gegenüber der hellenistischen Gnosis verbindet sich bei ihm mit einer nicht weniger scharfen Auseinandersetzung mit dem Rabbinat (vgl. die Unwahrheit des Schriftgelehrten Röm 2,17-24; das Lob des »verborgenen Juden« Röm 2,2~29 und die polemischen Formeln in Röm 3,27-31), aber in diesem Kampf mit dem Rabbinat stellt sich die Beständigkeit der Verheißung Gottes erst recht heraus. E'Üayy€i..LOV itEO'Ü
Diejudenschaft in Rom war nicht wie in den Großstädten des Ostens einheitlich organisiert und bewohnte auch nicht geschlossene Quartiere. Ein Zusammenschluß der verschi~enen, auf die einzelnen Stadtviertel verteilten Synagogen war nach dem römischen Vereinsrecht nicht möglich. Es sind uns dreizehn Synagogen, deren Namen sehr versch i~en gebildet sind, bezeugt, außerdem sechs Koimeterien, auf denen Glieder der Synagogen beigesetzt wurden 7 • Das Christentum dagegen hat sich in kleinen Hausgemeinden zusamme~chlossen, wie sie auch in Röm 16,5.14.15 vorausgesetzt werden. Daß es diesen christlichen Gruppen gelang, sich zu einer einheitlichen Gemeinde zusammenzuschließen, ist sehr fraglich. Das Fehlen des Begriffes lxAA'lena, das schon]. A:Bengel auffiel s, könnte mit den besonderen Verhältnissen der römischen Gemeinde zusammenhängen. Aus I Petr 5,13; IClem I läßt sich entnehmen, daß in späterer Zeit eine einheitliche christliche Gemeinde in Rom existierte.
3. Inwieweit liegt im Römerbrief eine Auseinandersetzung mit demJr.ulaismus als einer die Freiheit des Evangeliums bedrohenden Gefahr vor? Darfman Röm 16, I 7-20 in den Vordergrund stellen und gegen Gesetzeslehrer gerichtet sein lassen, die die Einheit der Gemeinde gefährden 9 ? Eine derartige Exegese ist deshalb ungesichert, weil einerseits diese unvermittelte Warnung schon dem Ton nach isoliert ist, weil sie anderseits auch eine antignostische Tendenz haben könnte (vgl. Apg 2O,2~31) 10. Die Sprache dieser polemischen Warnung ist verhüllt und nur andeutend, wie es einem alten Stil entspricht; auf keinen Fall kann man sie ausschließlich gegenJudaisten gerichtet sein lassen. Aufden Einfluß des Vulgata-Prologs geht die Ansicht Ambrosiasters zurück, daß Judenchristen die römische Gemeinde gründeten, sich aber weiterhin an das Gesetz hielten. Ambrosiaster spricht in diesem Zusammenhang von einem Judaicus ritus und einer Unist di~ Synagog~ der Campesi~r (= Marsfeld), Subusi~r (= Suburana r~gio), Auvon Tripolis, d~ru zum Ölzweig (oder derer von Eläa?), der Sek~n~r (?) und endlich der Hebräu (= d~r aramäisch sprechenden Juden aus Palästina). Eine eigentliche Ges~tzesschule entstand in Rom ~rst nach 100 n.Chr. durch R. Matthia ben Charasch, einen Schül~r R. IsmaeIs (vgl. W. BACHER, Agada d~r Tannaitl"n 1,2. Aufl. 1903,380 ff.; G. F. MOORE,Judaism 1106 f.). Zumganz~n Probl~m desjudentums in Rom vgl.J.JUSTER, LesJuifsdans l'empire romain, 1914; E. ScHVRER, a.a.O. 111 65;G. LAPIANA, Foreign groups in Rome during the first centuries ofth~ ~mpire, Harv. thwl. Rev. 20,4, 1927;J. B. FREY, us communautesjuives ä Rome aux premiers temps de l'eglise, Rech. d~ sc. rel. 1930,275 ff. Klärend und zusammenfas~nd W. WIEFEL, Judaica 26, 1970,65-88. 8 J. A. BENGEL bem~rkt zu Röm 16,17: .. Nondum Romae erat forma ecclesia~. Accomodatum est igitur monitum singulis potius, quam universis.« Gnomon, 1742, 618. 9 Auch dann, w~nn man Röm 16 als an di~ römisch~G~meind~g~richt~t ansieht, muß man aufdi~ besond~re Sl~llung achten, di~ der Polemik zwisch~n d~r Grußlist~ und d~m Segenswunsch eing~ räumt wird. Eine deranig~ Einordnung der Polemik im Abschluß eines Bri~fes ist nicht ungewöhnlich (vgl. I Kor 16,22), zeigt a~r di~ begrenzte B~~utung dies~r Warnung für das V~rständnis des Ganzen. 10 Vgl. zu dem Vorwurf des bouArilELv Tfl ~au'trov xo~ ThW 111 788. 7
!'IIachgewi~en
gustesi~r, Agrip~si~r, Herodi~r, Volum~si~r, Calcaresi~r, Bernaclesi~r, d~r~r
38
Einleitung
kenntnis des Kreuzes (MSL 17,48). Wir werden diese Anschauung Ambrosiasters nur mit Vorbehalt weitergeben können. Allerdings erhebt sich die Frage, ob Simon Petrus schon in der Zeit der Abfassung des Briefes in Rom wirken konnte oder nicht, ob Paulus etwa auf diese Anwesenheit des Petrus Bezug nimmt und der Brief in diesem Sinn zu deuten wäre l1 • Es ist das Verdienst F. ehr. Baun, daraufgedrungen zu haben, daß der Römerbriefgesclriclr'licJl, nicht dogmatisch erklärt wird l l. Die christliche Wahrheit war nach ihm nicht von Anfang an fertig und abgeschlossen, sondern mußte sich zum klaren und umfassenden Bewußtsein entwickeln. Wer nur lehrhaft im Römerbrief den apostolischen Standpunkt von Gesetz und Evangelium, Sünde und Gnade zu sehen vennag, denkt dogmatisch und nicht historisch, ist also in Gefahr, Vcrgangcnheit und Gegenwart durcheinander zu mengen. Die dogmatisch ausgerichteten Theologen lassen Röm ~ll lediglich eine An Anhang sein, verbauen sich aber damit den Einblick in die historischen Verhältnissc, aus denen heraus der Römerbriefallcin zu begreifen ist. Es zeigt sich, daß dasJudenchristentum sich um das Schicksallsracls sorgt, weil der wachsende Erfolg des Heidenchristentums die Bedeutung Israels zu verdrängen schien. Der Römerbrief behandelt die Frage. obdie Aufnahme der Heiden eine Ungerechtigkeit gegen dasjudentum darstellt. Nach F. ehr. Baur ist die römische Gemeinde aus jüdischen Anfängen heraus entstanden, und ein entsprechender Judaismus läßt sich nicht ableugnen. Wenn Paulus die Heidt~nchristen vor Judaismus warnt, dann macht Simon Petros auf der Gegenseite die eigene Autorität geltend. An eine Anwesenheit des Petrus in Rom zur Zeit der Abfassung des Briefes denkt F. ehr. Baur allerdings nicht. E. Mcyer nahm die Hypothese auf, daß Simon Petrus längere Zeit mit apostolischer Autorität in Rom gewirkt habe l l. Er nimmt an, daß Simon Petros bereits dort war, als Paulus im Frühjahr 62 in Rom eintraf. In Wiederaufnahme und Wciterftihrung dieser Vermutung behauptet H. LielZmann 14 , daß einejudenchristliche Propaganda von Jerusalem ausging, deren eigentliches Hauptjakobus war, deren Vertreter auf dem Missionsfeld Simon Pelrus war. Petros war IUltlr Paulus in Korinth,lJor Paulus dagegen in Rom, und der Römerbrief ist nichts anderes als die Abwehr der Aktion des Petros.
Man wird zunächst festzustellen haben, daß Paulus in der Auseinandersetzung mit demjudentum notwendig auch denJudlli.smM.s treffen muß. Das gilt vor allem für die hervorgehobene Themastellung Röm 1,17, für die polemische Anwendung der Formulierungen seiner Rechtfertigungslehre Röm 3,21-31 und für die Ausfiihrung über das Abraham-Beispiel Röm 4,9 ff. Entscheidend ist, daß eine derartige Gesetzeslehre, wie sie in Röm 7,7-25 vertreten wird, eine Verkehrung der jüdischen und der judaistischen Theologie ist. Dieser Weg zu dem bekenntnisartigen Wort über das Gesetz in Röm 7,7-25 ist eine erkennbare Steigerung innerhalb der Auseinandersetzung mitjudentum undjudaismus. Eine anklagende und richtende Funktion hat das Gesetz schon in der prophetischen 11 Die historische Frage nach eiß('r apostolischen Wirkaamkdt des Petrus in Rom verknüpft sich mit der Behauptung eines langjährigen Episkopats il'l der römischen Gemeinde (Eus. hist. ecd. 11 14; Hier. de \ir. illustr. I; Gregor von Tours hist. I 23). 12 F. CHR. BAUR, Ober Zweck und Veranlassung des Römerbriefes und die damit zusammenhängenden Verhältnisse der römischen Gemeinde, Tübinger Ztschr. rur Tht'ol. 1836, 3,59 "'. Il E. MEYER, Ursprung und Anfängt' des Christentums 111, 1923, 499 /T. 14 H. LIt.TlMANN, Zwei Notizen zu Paulus, SAB 1930. Vgl. jetzt zum Abschluß dieser Diskussion o. CULLMA.~N, Petrus Uünger, Apostel, Mänyrer), 1952,82 /T.
Die Gemeinde in Rom
39
Verkündigung gehabt. Wenn die Berufung auf Bund und Gesetz Israel als Gottesvolk hinderten, den konkreten Willen Gottes zu tun, dann erhielt das Gesetz selbst richtende und anklagende Gestalt. Bei Paulus wird diese Anklage eschatologisch verschärft: das Gesetz gehört für ihn zu den Unheilsmächten der alten Weltzeit. Zwei geschichtliche Tatsachen stehen dabei im Hintergrund: Jesus selbst war für ihn unter den Fluch des Gesetzes getreten (GaI3,13 = Dt 21,23), und Paulus selbst war als Kämpfer ftir das Gesetz von Gott überwunden worden (Gal 1,14 f.; PhiI3,5-8). Paulus argumentiert nicht immer mit diesen beiden geschichtlichen Tatsachen, aber seine Argumentation ist ohne sie nicht vollständig. Die besondere Gefährdung des Apostels wird durch Erwähnung der bevorstehenden Reise nach Jerusalem deutlich (Röm 15,3~32). Mit dieser Situationsangabe tritt der Brief in einen bestimmten geschichtlichen Horizont. 15 Paulus betont zwar ausdrücklich seine besondere Autorität, aber die Art dieser Betonung ist mehr entfaltend und erläuternd als polemisch. Zunächst nennt er sich ÖOÜMlC; XQLatoo '111000, dann erst XA.'l'tOC; cm6atOA.oc; (Röm 1,1), so daß der Dienst ftirChristus die Art seines Gesandtseins bestimmt. Dann erst entfaltet er dies Apostolat als Aufgabe in bezug auf die Heidenwelt (Röm 1,5.14 ff.; 11,13; 15,16), ohne sich gegen ein anderes Apostolat abzugrenzen. Eigenanig ist sein Bewußtsein, Priester (AEL'tO\Jgy6C;, lEoouQYWv) im Dienst rur das Evangelium zu sein (Röm 15,16; 1,9). Als der Priester bringt er ein Opfer dar, ist er an Normen und Traditionen gebunden. Aber er ist auch der n'VE'UIAQ'tLX6c;, Empfanger und Obermittler göttlicher Wahrheit, dessen xaiJx'lmc; auch in Rom gehört zu werden verdient (Röm 15,17 ff.; 1,11)16. Nur mit Vorsicht kann man in diesem Zusammenhang den Hinweis auf das gerade ihm anvertraute Evangelium Röm 2,16 (xa'tcl 't0 EuayytA.L6v lAD") verwenden. Will dieser Hinweis die Besonderheit der Missionspredigt des Paulus hervorheben l7? An eine polemische Abgrenzung gegenüber einer anderen Auffassung des Apostolates denkt allerdings Röm 15,20-21; diese Abgrenzung trifft aber auch diejudaistischen Boten und Missionare. Es ist daher anzunehmen, daß Simon Petrus im Jahre 58 n.Chr. noch nicht in Rom war. 4. Am Eingang des Römerbriefes betont Pau1us sein Verpflichtetsein gegenüber der hellmistisc/r-,ömisc/rl" Umwtlt und den Menschen, die außerhalb dieses Kulturkreises stehen (Röm 1,14); den griechisch gebildeten Hörern entspricht der Anspruch, »weise« zu sein (ooqx)v dVQL), während der nichtgriechische 15 Von Röm 15,~32 aus argumen tiertJ.j ERVELL, Der Brief nachjerusaJem. Ober Veranlassung und Adresse des Römerbriefes (StTh 25, 1971,61-73). Es ist wahncheinlich, daß zwischen der römischen Gemeinde und jerusalem feste Verbindungen bestehen, die dem Apostel bekannt sind. I. Das Problem des ltVt\I,""LX~, das durch R. RErrZE....sTEINS Fonchungen (Hellenistische Mysterienreligionen, 3. Aufl. 19'17) in das GesichlSfeld der theologischen Fonchung gerückt ist, stößt auf das Amtsbewußtsein des Paulus und sein Verständnis des Evangeliums Röm 12,1; 15,30; 16,17.(1IaQQ(~eLv schließen beide eine menschliche Begründung des apostolischen Amtes aus; xaAEiv weis t auf ein geschich diches Ereignis hin, ä-1
Entscheidend war die Erkenntnis, daß eine liturgische Tradition, die sorgfaltig konzipiert ist (antithetischer Parallelismus, Partizipialgebrauch, semitische Voranstellung des Verbums), von Paulus zum InbcgrifTseines Evangeliums gemacht und unter die zusammen-
Köm 1,1-7
73
fassende Thematik des »Sohnes Gottes« gestellt wird. Anschließend nennt PaulusJesus Christus, fügt aber den Herrntitel hinzu, um damit den eigenen christologischen Ansatz fonzuführen. Das Schwergewicht der zweigliedrigen Formel liegt auf dem zweiten Glied. Aufbau und Inhalt weisen auf ein palästinisch-urgemeindliches Denken und eine ältere Christologie hin: »Sohn Gottes« wirdJesus erst durch die Auferstehung. Ein Problem besteht darin, ob die heiden einander entsprechenden XQ'ta- Wendungen von Anfang an in der Tradition gegeben waren oder erst durch den Apostel hinzugefiigt wurden. Ein Vergleich mit ähnlichen liturgischen Texten legt die Vermutung nahe, daß die Formel als solche Paulus schon vorgelegen hat, daß sie aber Vorstufen gehabt hat (2Tim 2,8). Aufbau und Inhalt unserer Tradition zeigen, daß die Davidsohnschaft ein genealogisches, aber auch messianisches Element in sich trägt (vgl. Euseb h.e. 111 12.1 ~20.32):Jesus hat die Anwartschaft auf die messianische Würde, aber die Auferweckung entrückt ihn in einen anderen Bereich der Herrschaft, denn »nach dem Fleisch« und »nach dem Geist« unterscheiden zwei verschiedene Bereiche (wie irdisch und himmlisch). Wenn man von 2Tim 2,8 ausgeht, ist die Bestimmung »aus dem Samen Davids« auf die Anwartschaft und die Verheißung 2Sam 7,14 f[ bezogen (»nach den Schriften«). Die messianische Würde selbst, als Einsetzung in die Sohnschaft verstanden, hängt an der Auferweckung selbst (vgl. die kerygmatischen Entwürfe Apg 2,22-24.32-36; 3,1~15; 4,10-12). Die Auferweckung war für die Urgemeinde das zentrale Geschehen, von dem aus man christologisch zu denken versuchte. Paulus schließt sich in der Zitierung der Bekenntnisformel der palästinisch-judenchristlichen Tradition an und bejaht damit auch den messianischen, auf Israel bezogenen Weg der Verheißung. Die Evangelien ihrersei ts setzen in einer anderen Konzeption heim Heilsplan Gottes ein und schildern den Weg des Erwählten, der unter der messianischen Bestimmung steht (Mk 1,11; 9,7). Adoption, Akklamation und Inthronisation sind die Stationen der Sohnschaft. Das hellenistische Christentum hat darüber hinaus den christologischen Ausgangspunkt in die Präexistenz gelegt und das Gesandtsein in den Vordergrund geschoben (Gal4,4; Röm 8,3). Alle diese christologischen Entwürfe sind Entfaltung eines Geheimnisses, eines apokalyptischen Heilsplanes Gottes. Apokalyptik und Weisheitslehre haben diesen prozeß unterstützt. Der Messiasgedanke ()>Christus«) ist bei Paulus, der selbst in der Präexistenzchristologie steht, nicht aufgegeben (übergang zum Namen). Die Unterscheidung »nach dem Fleisch« - »nach dem Geist« ist nichl als paulinischer Zusatz aufzufassen. Gemeint ist einerseits die irdische Abstammung, die Erhöhung zur Rechten Gottes (nach Ps 110,0 anderseits. Diese Erhöhung zur Rechten Gottes ist Erfüllung des messianischen Ansatzes, der Sohnschaft. Man kann die spezifische Wendung »Geist der Heiligkeit« mitJes 63,10; Ps 50,13, vor allem aber TestLevi 18,11 und Qumran auf einen entsprechenden luh,äisc!un Sp,achgeh,tmeh zurückverfolgen. Daß die christologische Unterscheidung »nach dem Fleisch« - »nach dem Geist« in betontem bekenntnisartigem Zusammenhang stehen kann, zeigt I Petr 3,18 deutlich. Der Rückgriff auf Ps 110,1 macht deutlich, daß jüdisch-geschichtliches, nicht metaphysisches Denken hier zugrunde liegt (0. Kuss) 26. 16 Zur Literatur: M. E. BoISMAltD, Constitue fi1s de Dieu, Rom. 1,4, Revbibl60, 1957,5-17; E. ScHWEIZER, Röm 1,3 f. und der Gegensatz von Fleisch und Geist vor und bei Paulus, EvTh 15, 1955, 563-571 = Neotestamentica, 1963, 18~189; F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, 1963; W. KItA· MER, Christo!, Kyrios, Gottessohn, 1963, 105-108 nimmt ein sehr altes Stadium der Bekenntnisbildung an, wo es erst um die Formulierung der BedeutungJesu, nicht um die Explikation des Heilssinnes rur di~ Menschen ging); P. SruHLMACH!R, Theologisch~ Probleme des Römerbriefpräskripts, EvTh 27,1967,374-389; E. LISNEMANN, Tradition und Interpretation in Köm 1,3 f., EvTh 31,1971, 264-275 (mit Hinweisen auf ~ine Vorlesung von R. BULTMANN im WS 49/50).
Zuschrift und Gruß
y(vEO'6aL tx bezeichnet Geburt oder Herkunft (vgl. GaI4,4; IEsr 4,16; Tob 8,6)2'. Die Herkunft aus dem Geschlecht Davids entspricht der messianischen Erwartung des Judentums (z.B. PsSal 17,21), auch einer bestimmten Tradition der Geschichte Jesu (vgl. die Stammbäume im Matthäus- und Lukasevangelium) ; wir finden sie gelegentlich im christologischen Bekenntnis wie in 2Tim 2,8. Domitian fragt Glieder der Familie Jesu, ob sie von David abstammen, und erhält eine bejahende Antwort (Eus. hist. eccl. 111 19-20,6). Die beiden Partizipien YEVOJ,ltvO" und ÖQLa6tvt~ treten einander gegenüber, wobei 6QLa6EvtOC; offenbar YEVOJ,ltvoo überbietet. 6QctELv legt die Deutung: »bestimmen, bestellen, einsetzen als« nahe. Die Beziehung auf die ewige göttliche Bestimmung (= LA ltQOOQLa6tvtoc;, praedestinatus) liegt in diesem Zusammenhang fern. ÖQLa6tv'tOC; muß um des Aufbaus der Periode willen einen Fortschritt gegenüberYEvoJ,ltvoo bedeuten. Es kann sich also nur um die Erhöhung als Einsetzung in die Sohnschaft handeln. Der attributive Zusatz tv ÖWelJ,lEL bezeichnet die eschatologische Erscheinungsform (vgl. Mk 9,1). Die Erhöhung ist nicht nur Zeichen der Kraft Gottes, sondern auch Ausstattung des Sohnes mit Kraft. Das eigentliche Gegenstück zu XQ'tQ OclQ'Ka ist XQ'tQ ltVEÜJ,lQ aYLooCJ'Uvt]C;. Der feierliche Ausdruck (statt XQ'tQ mEÜJ,lQ äYlOV) klingt semitisierend (Gen. qual., BI-Debr 165). aYL~ fmdet sich in der Septuaginta und im Neuen Testament selten; ltVEÜJ1Q QyW>mJVI')C; begegnet dagegen in TestLev 18,7'1ß. t; ltVQO'telOEWC; VEXQWV kann zeitlich (M. Luther: »seit«) oder sachlich ())aufGrund von«) verstanden werden. Die Ausdrucksweise ist verkürzt: die Auferstehung der Toten ist eigentlich ein Ausdruck der eschatologischen Hoffnung, während die AuferstehungJesu Christi von den Toten (= tx vEXQV) gemeint ist. Mit der Auferwekkung Jesu beginnt die Auferweckung der Toten. Zum Begriff der Gottessohnschaft in Röm 1,3 f. vgl. Tert. adv. Prax. 27: Paulus de utraque ejus substantia docet. In der Gegenwart denkt die Exegese meist an zwei verschiedene Existenzformen, die zeitlich und sachlich aufeinander folgen, auch an eine adoptianische Christologie im Sinn der palästinischen Urgemeinde. Auf jeden Fall ist älteres Material von Paulus übernommen und in seinem Sinn eingearbeitet29 . An sich gilt Jesus Christus bei Paulus nicht erst seit der Erhöhung als ))Sohn Gottes« (Röm 8,3); er ist vielmehr von Ewigkeit her das, was er auf Grund der Erhöhung geworden ist. Es geht Paulus hier um beides, um das Verständnis Jesu ))vom 27 Statt YE'YO~ou findet sich in Min 51.61.441 und lat. Hdschr. (= natus) YEVVW"tvou, Vulgo liest: qui factus est ei, doch ist kein griech. Zeuge rur amlP bekannt (»ihm geboren« M. LU11iER 1522-28, später nur: »geboren«). n Die Wendung ))Geist der Heiligkeit« dürfte semitischer, priesterlicher Tradition entsprechen; vgl. außer TestLev 18,7 den Sprachgebrauch der Gemeinde von Qumran: IQS 4,21; 8,16; 9,3; IQH 7,7-8; 9,32; Dam 2,12. 29 Es spricht sehr viel rur die Annahme, daß Paulus hier in Röm 1,3 f. ein urchristliches Bekenntnis zitiert, das sowohl der römischen Gemeinde als auch ihm selbst bekannt war. Das christologische Denken des Paulus schließt sich an feste Traditionen an, die er interpretiert. Es fällt auf, daß Paulus im Anfang des Römerbriefes besonders stark die Beziehung des Evangeliums zur alttestamentlichen Verheißung betont, außerdem ein christologisches Bekenntnis verwendet, das offenbar judenchristlicher Herkunft ist. Paulus will sich ausdrücklich zur Tradition seiner Väter bekennen. Hierher gehört auch die Vorordnung der Juden vor die Griechen in Röm 1,16.
Röm 1,1-7
75
Menschen her« und »von Gott her«. Die Überbietung der geschichtlichen Existenz Jesu durch die Erhöhung kommt durch Einftigung des Gegensatzes Xa1:o oUQxa - xa"to :rrvE'Ülla stark zur Geltung. V 5: Nach dem christologischen Bekenntnis kehrt Paulus zur Erklärung deI' in V 1 genannten Begriffe seines Amtes zurück. ÖLU ist die Präposition rur Christus als Mittler, a:rr6 ftir Gott als Urheber aller Gaben (Röm 1,7)3°. Der »schriftstellerische« Plural EAUßOIlEV (der Aorist weist auf ein bestimmtes Ereignis zurück) läßt Paulus in das Amt des »Apostels« zurücktreten, meint daher in einer Form der Bescheidenheit letztlich nur ihn selbst. Andere Ausleger denken an den Apostelkreis oder an Einbeziehung der Missionsgehilfen 31 . Das doppelte Objekt XUQLV xaL a:rromoAi)v bezeichnet wohl nicht zweierlei (Christenstand und Apostolat), sondern ist eine nähere Beschreibung der einen Sache: das Apostolat ist eine besondere Gabe der Gnade Gottes (lKor 3,10; 15,10; Ga12,9; ähnlich Apg 1,25: ÖLaxovLa xaL a:rromoAi))32. Wenn Paulus von seinem Amt spricht, so betont er immer wieder, daß dies Amt eine Gnadengabe ist; auch sein Wort, das er in Ausübung des Amtes spricht, steht im Zeichen der Gnade, die ihm gegeben ist (Röm 12,3; 15,15)33. Daß Gott ihn als Gegner Jesu nicht nur überwunden, sondern auch zum Apostel berufen hat (Gal 1,15; 1Tim 1,15 f.), ist ein unerklärlicher Gnadenakt 34 . Apostolat istfor ihn Gnadengabe, Berufung zum Apostolat Gnadenakt. Es folgen drei Präpositionalbestimmungen (EL~, EV, u:rrEQ), die sich an a:rromoAi) anschließen, wie auch der Begriff 'UL6~ 'Ö'EO'Ü in V 4 drei Präpositiooalbestimmungen nach sich zieht. Wir haben hier ein weiteres Zeichen paulinischer Stilkunst vor uns. u:rraxoi] :rrLmEo}~ kann verschieden gedeutet werden: 1. als Gehorsam gegenüber der Glaubensbotschaft (Gen. obj.); 2. als Gehorsam, der im Glauben besteht (Gen. epex.), bzw. 3. als Gehorsam, den der Glaube leistet (Gen. subj.). K. Barth übersetzt: »der in der Heilsbotschaft sich bewährenden Treue Gottes Gehorsam zu verschaffen«, so daß auch rur ihn :rrLO"tL~ objektiv klingt. Die umstrittene Wendung findet sich auch in Röm 16,26 und scheint an sich eine Verkürzung zu sein. Verwandt ist der Sprachgebrauch von Ga13,2; 2Kor 10,5; Apg 6,7; lPetr 1,2.22. Es ist zu vermuten, daß hinter dem Genitiv eine Autorität steht, der man gehorcht (Gen. obj.). Von dieser Autorität des Glaubens geht eine echte Aufforderung zum Gehorsam Vgl. A. SCHETTLER, Die paulinische Formel: Durch Christus, 1907, 40 ff. BI-Debr 280 will die Gnade auch auf die Adressaten und alle Christen beziehen, das Apostolat dagegen aufPaulus beschränken. Vgl. auch K. DrECK, Der schriftstellerische Plural bei Paulus, 1900. Sing. und Plur. wechseln in Papp. und in der Diatribe ohne Bedeutungsunterschied. ZnR 43 bezieht die Gnade auf den Christenstand, die Sendung auf den Beruf des Paulus. Vgl. Aug.: gratiam cum omnibus fidelibus, apostolaturn non cum omnibus. Als formale Parallele vgl. TestNapht 2,1. 32 Ähnlich SCHLATTER, Gerechtigkeit 22 vom Apostolat: »Das war zur Tat gewordene Gnade.« BARTH R 7 betont die Folgerichtigkeit, mit der aus d€r unbegreiflichen Tatsache der Gnade Gottes das echte Verhältnis eines »Sendboten« zum Mitmenschen entsteht. 33 Gnade ist also bei Paulus auch hier mehr als göttliche Huld im gewöhnlichen Sinn oder als Amtsgnade (ITim 4,14; 2Tim 1,6). Vgl. die Gleichsetzung von Gnadengabe und Apostolat bei G. SASS, Apostelamt und Kirche, 1939, 38; KA.SEMANN R 12. 34 Der BegrifffutoO'toA:ij findet sich im Neuen Testament übrigens nur noch GaI2,8; lKor 9,2 und Apg 1,25 und bezeichnet das Amt des Sendboten. Er entspricht dem jüdisch-christlichen Abstraktum KtlW?'!i O. LEVY). 30 31
76
Zuschrift und Gruß
aus, die andersartig ist als die Forderung des Gesetzes, die den Menschen knechtet. Der neue Gehorsam wird also durch den Glauben, der als eschatologisches Ereignis in die Welt kam (GaI3,25), bestimmt. Erist selbst ein Akt des Glaubens und steht im Gegensatz zum Gehorsam gegenüber dem Gesetz. Offenbar ist diese Formel antithetisch undpolnnisch gemeint. Es handelt sichja um den Gehorsam der Befreiten und der Erlösten, also um einen Akt, der in keiner Weise das Werk Jesu Christi gefährdet. Glaube istjür Paulus ;:.uniichst Gehorsam gegtniiber dem Wort, und Gehorsam istfiir ihn der grundlegende und entscheidende Glaubmsalct. Diese beiden Begriffe sind nicht voneinander ablösbar; von einem »metaphysischen Prinzip« darf man nicht reden 35 . Die Botschaft verlangt Gehorsam (Röm 6,17; 15,18), denn sie trägt Gottes Gebot in sich und ist Kundgebung seines Willens (Röm 10,3.16). Entzieht sich der Mensch diesem Gebot, so wird er ungehorsam gegen Gott (Röm 11,30-32)36. Man mag fragen, ob der Ausdruck xavta 'tCl fflvtt (auch Röm 16,26; Mt 24,14; 28,19 u.ö.) ausschließlich die Heidenwelt meint (»unter allen Heidencc) oder Israel einbezieht (»unter allen Völkerncc). Auch wenn man in ihm eine Nachwirkung des jüdischen Sprachgebrauchs sieht, der zwischen A.a~ und fitvr] (= ~;l) unterscheidet, ist die Frage an dieser Stelle nicht entschieden (vgl. das Material bei ZnR 47 Anm. 58.59). Wir haben es mit einer zusammenfassenden, missionarischen Wendung zu tun, die dem Begriff des Glaubensgehorsams entsprechen muß. Und doch darf man nicht vergessen, daß Paulus selbst der Völkerapostel ist, dessen Amt in besonderer Weise den Heiden zugeordnet ist (Gali, 16; 2,8). Die sicherlich feststehende Wendung ist zunächst ökumenisch und missionarisch gemeint. behält aber einen Nebenklang. Paulus steht ja auch hier in der Diskussion mit Judentum und Judenchristentum37 • Letzten Endes aber ist nicht der Mensch, sondern Gott selbst das Ziel der Verkündigung, darum schließt sich als drittes Glied uxtQ 'tO'Ü Öv6J.Ul'to~ aü'to'Ü an. Es verlangt besondere Aufmerksamkeit. Verkündigung für die Völker und Ehrung des »Namens Gottes« gehören eng miteinander zusammen. Der Gesandte redet im Namen, in der Stellvertretung und zugunsten eines Anderen (Ber 5,5; 2Kor 5,20 f.). Gott handelt im Alten Testament »um seines Namens willen« (Ps 106,8; Ez 20,14). Der »Namecc soll bekannt, angerufen und gepredigt wer3S Vgl. E. LOHMEYER. Grundlagen paulinischer Theologie, 1929; R. BULTMAJl:N, Theologie des Neuen Testaments, 1968,315 ff. Richtig ist die Beobachtung, daß das Won »Glaube« nicht die Fülle der Erlebnisse bezeichnet, von denen der Mund spricht, sondern einen Sachverhalt, der durch das Wort Gottes gegeben ist und nur von ihm aus verständlich ist. Dieser objektiv geschildene Glaube ist Glaube an etul4S, Erkenntnis und Bekenntnis zugleich. Weil er Annahme des Wortes ist und aus der Annahme des Wones entsteht, spricht R. BULTMANN von seinrm »dogmIJlischmtf Charakter. Doch darf man nicht von dnem Prinzip des gläubigen Erlebens oder von einem metaphysischen Prinzip reden, wie E. LoHMEYER es häufig tut (a.a.O. 118 ff.). Wichtig KAsEMANN R 100 ff. 16 Nach BARTH R 7 ist die Botschaft des Evangeliums Bewährung der Treue Gottes. die vom Menschen Gegentreue verlangt. Gegentreue ist nach ihm Glaube. der die Gnade annimmt. und Aufforderung zum Gehorsam. Später legt K. BARTH den göttlichen Anspruch als Form, Gestalt. Gewand der Gnade aus; er ist verhüllte Wiederholung der GnadenwirkJichkeit und Gnadenverheißung. 31 Wichtig ist die Beobachtung. daß die Einleitung von Anfang an in die Diskussion mitjudentum undjudenchristentum eingreift. Hierher gehört das modifizierte Bekenntnis von Röm 1,3 (. dann die auffallende Zusammenstellung Et; imQxoTJv nLotEw; in Röm 1,5. Höhepunkt und Abschluß bilden Röm 1,16-17.
Röm 1,1-7
77
den 38 • So dient auch das Apostelamt der Anerkennung, Anrufung und VerkündigungJesu Christi (Röm 10,9 ff.; PhiI2,1O). Der »Name Gottes« ist also nicht eine Idee, sondern eine U mschre~bUllg für Gott selbst. V 6: Mit einem Relativsatz bahnt sich Paulus den übergang zum zweiten Teil der Grußüberschrift, der Nennung der Adressaten. Die Botschaft vom Glauben gilt auch den Römern, verlangt daher auch von ihnen Anerkennung seines Anspruchs, auch die Anerkennung des paulinischen Apostolates, denn Botschaft und Botschafter gehören zusammen. ht oIe; totE xai ÜJ.l.ELe; wird verschieden gedeutet. Nach A. Schlatter wohnen die römischen Christen »unter den Völkern«, weil sich in der Hauptstadt alle Nationen sammeln 39 • Rom ist tatsächlich ein Mittelpunkt für die Völker, daher auch ein besonderer Ort der Entscheidung für die Mission. Paulus nennt die römischen Christen »BerufeneJesu Christi« (V 6), »Geliebte Gottes« und »berufene Heilige« (V 7), gibt ihnen also alle Ehre, die ihnen vonJesus Christus zuerkannt ist. Allerdings fehlt, woraufman schon aufmerksam gemacht hat, der BegrifTder txxATJo(a (anders IKor 1,1-3; 2Kor 1,1-2). Die Verbundenheit zwischen Paulus und der römischen Gemeinde ist durch die gemeinsame Berufung gegeben. Unverkennbar besteht eine Beziehung zwischen xATJ'tOc; iDt6otoAoe; (I, l), xATJ'toi 'ITJOO'Ü XQLotO'Ü (I ,6) und XATJ'toLe; ay(OLe; (1,7)40. Wenn man bedenkt, daß die eigentliche Adresse über alle Zwischengedanken hinweg Anfang und Abschluß des Abschnittes miteinander verbindet, dann tritt diese Beziehung noch deutlicher heraus. Wer von Jesus Christus berufen ist (Gen. auct. oder poss.), hat ein Ohr für das Evangelium, hat die Möglichkeit, einen berufenen Apostel zu verstehen und lebt unter der gleichen HerrschaftJesu Christi wie er selbst41 • Vorausgesetzt, daß unser Text in der heutigen Gestalt richtig ist42 , sind zwei Möglichkeiten zu unterscheiden: I. die Ortsbezeichnung n:äOLV 'tOL; OVOLV ht ·PWJ-ln würde durch zwei folgende Appositionen ergänzt werden (vgl. V I: der Eigenname Paulus neben zwei Bezeichnungen seiner Würde), oder 2. die attributive Orts bezeichnung OOOLV ht ·POOJ-ln tritt zu näOLV 'tOLe; aywtT)'toLe;. Vgl. ThWb V 242 ff. ScHLAITER, Gerechtigkeit 23: Paulus sagt nicht: t; Wv tOtE xal UIlELS. 40 Man darf nicht übersehen, daß die Bezeichnung »Berufene•• eine rechtliche Komponente enthält und auf die volle Berechtigung in der Gemeinde hinweist. Ähnlich ist es schon im jüdischen Sektentum, "gI. I Q fragm. 28a (Barth~lemy-Milik 1955, 110, Col. I 27 und 11 2.11); außerdem Dam 2,11; 4,3 f. In IQM 3,2; 4,10 f. steht auf den Posaunen bzw. Feldzeichen: 'M ~~p.. 41 Wenn man in V. 5 einen Hinweis auf das Apostolat des Paulus »unter (i"en··He'idencc sieht (H. LIETZMANN, E. KASEMANN), dann liegt es nahe, den übergang zu V 6 anders zu bestimmen: »zu denen (= den Heiden) gehön auch ihr«, d.h. auch die Römer sind, obwohl Christen, der Abstammung nach Heiden. Also gehören sie in das Arbeitsgebiet des Paulus und sind in eine Beziehung zu ihm gestellt. Paulus behandelt Rom aber nicht aJs Missionsgebiet, sondern als gegründete Gemeinde, die er als solche anerkennt. ScHLATIER, Gerechtigkeit 23 streitet ab, daß Paulus Rom als heidenchristliche Gemeinde anredet, da es don Judenchristen gibt. Paulus würde sonst sagen: t; Wv totE xa1 U!U~. 42 Zum Textproblem vgl. A. HARNACK, ZNW 3, 1902,83-86; ZnR 615 fT.; LamR 27 (Exkurs zu Röm 1,7). Die meisten Zeugen lesen den Text mit Onsangabe, doch fehlt diese nach einern in 1739. 1908 erhaltenen Scholion im Text des Origenes, ebenso in der von G gebotenen Form 1tcioLVtO~OÖ OLV tv Qyann ikoü. Sie scheint in einen derartigen Text nachträglich wieder eingedrungen zu sein, wie lat. Lesanen zeigen (vu~, d e AmbrsL Pelagius). Wahrscheinlich hat H. LIETZMANN recht, wenn er eine spätere liturgische Korrektur vermutet, welche die Onsangabe beseitigte. 18
39
78
Briefeiogang und Thema
Wie man sich auch entscheiden mag, auf jeden Fall ist zu betonen, daß Paulus sich an allt Gemeindeglieder wendet, und daß er in diesem Briefjtde Gruppe und jtde Hausgemeinschaft in Rom ansprechen will. So liegt es doch näher, zu übersetzen: •• allen Geliebten Gottes zu Rom, den berufenen Heiligen«. Das Schwergewicht liegt also nicht auf der Ortsbezeichnung als solcher, und es ist nicht ganz unverständlich, wenn Th. Zahn sich einem Text anschließt, der die Ortsangabe nicht gelesen haru . Daß die Leser ••Geliebte Gottes«, daß sie •• berufene Heilige« sind, steht mehr im Vordergrund, als daß sie Bewohner Roms sind. Die römische Gemeinde wird in die ganze Christenheit eingeordnet. Qyam)t6s wie t'lya1nU.lt~ drücken aus, daß die Christen von der Liebe Gottes erfaßt, daher erwählt sind. Wie Israel ••geliebtcc war, so ist jetzt die Gemeinde ).geliebt«. Gottes W abl macht zu Gottes Geliebten. xA'I'toi äyLOL (wie I Kor 1,2) deutet an, daß in der Berufung die Heiligung des Christenstandes liegt. Heiligung ist Absonderung von der Welt und Zuordnung zu Gott (Lev 11,44; 19,2; IPetr 1,16). Beide Gaben Goues, das Geliebt- und Geheiligtwerden, werden der Gemeinde nur durch Jesus Christus geschenkt (tv XQLOtQl '1'100'0 in Röm 8,39 bei der Liebe Gottes, in I Kor 1,2 bei der Heiligung). Es handelt sich in beiden Fällen um ein Passiv (von Gott geliebt, in Christus Jesus geheiligt), um das Werk Christi als Ganzes, nicht nur um einzelne Begriffe. XßQLS xai dQfrv'l ist ein BegriflSpaar, das den urchristlichen Gruß bestimmt. Aus verschiedenen Wurzeln stammend, haben gerade diese beiden Begriffe sich verbunden, weil sie für die Botschaft des Evangeliums bezeichnend sind. In der paulinisehen Theologie sind Gnade und Friede durch die Rechtfenigungslehre bestimmt (Röm 3,24; 5, I) und daher aufdas Kreuzjesu Christi bezogen. Im Gruß wird der Inhalt der Botschaft als Segenswunsch der Gemeinde zugesprochen; er fällt also nicht aus der Sache heraus, um die es sich im Römerbriefhandelt. Die scheinbare Nebenordnung von Gott und Christus im Gruß ist bei Paulus geradezu formelhaft und festgelegt (vgl. Gal 1,1.3). In ihr kommt die Tatsache der Erhöhung jesu zum •• Herrncc nach Ps 110, I deutlich zum Ausdruck. Gou wird gemäß dem Bekenntnis und Gebetsstil ))unser Vater« genannt,jesus Christus heißt nach der gleichen Ordnung schlicht ••Herrcc (vgl. Röm 1,4). Es ist anzunehmen, daß diese Nebenordnung älter ist als Paulus; hier im Gruß schließt sie die Zuschrift feierlich und rhythmisch ab.
Röm
I.~ 17:
Briefeingang und Thema
'ZUDichat cbaIIe ich meiDem Gott durch Je.u CbrUtua um eurer aller wiIIea, dafür, daß euer Glabe ja der ...... Welt "erkündil' winL 9Deun meiD Zeuce Ut Coa, dem ich iD meiDem Geiat dieae ... EYaDpIium "oa Soboe, wie ich unehlüli& euer pdenke l°aUe Zeit bei meiDeD GebeteD UDCI bitte, ob a mir wohl eacllich ein.".1 pIiDpa möchte, mit Gotte. WiUm zu euch zu kommen. 11 DeIm ich leime mich claaacb, euch ZU aebm, daß ich etwa "OD der G.be des GeUta mitteUm kann ZU eurer Stirlnml, 12c1u heißt aber, daß ich mit euch iD eurer Mille
_Dem
.3 ZnR 51 nimmt an, daß die bekannte LA mit Onsangabe erst nach 250 n.ehr. entstanden ist und schließt sich daher der LA ohm' On~nRabe an (.. in Gottes Liebe berufene Heilige.. ).
Röm 1,8-17
79
TI'OIIt empfage durch den beideneidpa GI.,bm, eurm wie meinen. t3lch will aber, da8ihr cen_wiJk,liebeBriider,cIa8ichmirof1V01pDfJlDmeDlYbe,meuch zu kommen, lIba ich wurde bia jetzt immer dann phinclert, damit ieh . .eh unter euch wie unter cIea übripu Völkem einige Frucht er..... 14Griechea und Nichtgriechea, Weilen und Unventiadipn bin ich Schuldner; 15 10 bin ich bereit, .uch euch in Rom du EvanleUum zu verküDdicen. 16Denn ich ICbäme mich des EvanpUuma nicht: ist es doch eine Kraft Gotta mr Errettuni für jedea, der da II.ubt, für den Juden zoent und auch den Griechen. 17 Denn Gerechtigkeit Goua wird in ihm offenbu1 .... Glauben zum Glauben, wie leschrieben steht: der Gerechte wird aber .... Glauben leben.
A1UIryst: Nach damaligem Brauch beginnt ein Briefgern mit einer Danksagung an die Götter, die sich aufäußeres Wohlergehen beziehtl. Auch der Apostel fügt der Zuschrift und dem Gruß (V 1-7) einen Dank an, der aber ganz durch die innere Situation der Gemeinde bestimmt wird. Paulus dankt weder für sein noch für ihr Wohlergehen, sondern für die Tatsache, daß ihr Glaube zur Kunde geworden ist (V 8). Dem xQw'tov von V 8 müßte eigentlich ein bEi''tEQOV als zweites Glied folgen, das aber vergeblich gesucht wird. Man könnte nun abschwächen und xQOL - civ6T}'tOL an das griechische Denken an; in diesen Unterscheidungen liegt nach Ansicht des gebildeten Griechen eine Einteilung und Einschätzung der Menschen 25 • Für den Griechen ist eigentlich
,,"V
23
1I{)OtltEo6aL ist gut griechisch und ist stärker als po6ÄEo6aL oder "tÄELV.
Man hat an mancherlei konkrete irdische Gründe gedacht, die Paulus zurückgehalten haben könnten: politische Wirren in Rom oder missionarische Verpflichtungen auf anderen Missionsgebieten, ArbeitsfUUe oder Erkrankung. 25 Vgl. zur Literatur: A. EICHHORN, B~ quid significaverit (Diss.), 1904; H. WEIlNER, Barbarus, NJbklA 21, 1918,389 fT.;j.JOTHNER, Hellenen und Barbaren, 1923; M. HENGEL,Juden, Griechen und Barbaren, 1976. Paulus stellt sich hier aufden Standpunkt der griechischen Einteilung, ohne nach dem Judentum zu fragen. Der Jude unterscheidet Juden und Griechen (3,9), Juden und 24
Röm 1,8-17
85
nur der hellenistisch Gebildete Mensch im vollen Sinn. Er spricht von ItGriechen und Barbaren« sowohl addierend zur Bezeichnung der Gesamtmenschheit als auch differenzierend zur Kennzeichnung der U nterschiede26. Die Römer konnte man sprachlich und kulturell zu den »Hellenencc rechnen; doch gab es in Rom ebenso wie in den griechischen Hafenstädten Fremde aller An (Orientalen, Afrikaner) , die man als »Barbarencc ansprechen konnte, weil sie kaum griechisch verstanden 27 . Während für den Griechen griechisch und weise, barbarisch und unvernünftig gleichbedeutend ist, fehlt bei Paulus der abwertende Klang. Er weiß sich in besonderer Weise zu denen gerufen, die in den Augen der Weisen »schwachcc und »törichtee sind (I Kor 1,26 ff.). Die Begriffe ~ und ltv6r)toc; werden nicht aufgehoben, wohl aber durch die Liebe Christi ebenso erfaßt wie die Begriffe • EllYJ'Y und ~. Die ganze Menschheit in ihren U nterschieden, die anerkannt werden, steht unter der Liebe, aber auch unter dem Gericht des Evangeliums. Paulus unterscheidet sich daher von den griechischen Philosophen, die sich bewußt an die Gebildeten wenden und die Unverständigen verachten 28 . Er kennt Weise auch unter den Nichtgriechen, und Griechen erscheinen ihm oft als unvernünftig U. A. Bengel). V 15: Dies Verpßichtetsein gegenüber den »Völkerncc, das aus der Besonderheit seines apostolischen Amtes stammt, schafft die Bereitwilligkeit, auch nach Rom zu gehen, um dort das ihm anvertraute Evangelium zu verkündigen. Wortlaut und Stil von V 15 sind unfeierlich und knapp. o~ fähn fort (»so wie die Sache liegt«). tb xat" ~ XQ6&uJ10Y ist ebenfalls verkürzte Redeweise (»soweit es auf mich ankommt, bin ich bereit«)29. Die Auslassung von tO~ tv· Prolln dürfte mit einer liturgischen überarbeitung des Briefes zusammenhängen (vgl. 1,7). Der knappe Infinitiv E'ÖcryyeA.(aaoftaL meint zunächst, daß Paulus der römischen Gemeinde seine Botschaft vortragen will, dann erst im weiteren Sinn, daß er missionarisch Frucht zu ernten gedenkt (1,13). Beide Absichten werden in diesem einen Infinitiv zusammengefaßt. V 16 und 17 sind stilistisch durch ein mehrfaches 16.0 miteinander verHeiden (3,29), Beschneidung und Un~chniltenheit (Gal2,8 f.), stellt also dem Griechentum das jüdische Mlbstbewußtsein gegenüber. 26 Addierend z.B. Plalo leg. 1635 B; Philo ,,·it. Mos. 11 48.137; differenzierend Hdt. IX 79; Plato resp. VIII 544 D; Eurip. Phoen. 1509 f.; Hec. 1199 f.; Aesch. Sept. Theb. 72 f.; Pen. 180 f. (186 f.). 21 Wenn eic. fin. 11 49 noch Grama und Italia der barbaria gegenüberstellt, so hat Mn. de ira 111 2 in seiner Unterscheidung von Graji und Barbari sicher die Römer mit :tu den ersteren gerechnet. Dasselbe Problem taucht fast überall auf, wo die Lateiner von Griechen und Barbaren reden (z.B. Liv. 31,29; Horazep.1 2,7). Vgl. auch ThW 1546. Auch in das Rabbinat dringt das Frerndwon .. Barbarim« ein und bezeichnet hier entweder ungebildete Einulpenonen oder rohe Naturvölker (Str-B 111 28). Der verächtliche Ton, der aufdem Fremdwort liegt, bleibt auch im Judentum bewahrt. 28 ~~ bezeichnet den Menschen, der unfähig oder nwillig ist, das ihm Gesagte zu erfassen; es untencheidet sich daher von dem ~ in I Kor 1,25. 'c.7; 3,18; 4,10, das die verkehrte Richtung des menschlichen Dcnkens angibt. ~~ kommt im Neuen Testament noch in Lk 24,25; GaJ 3,1; ITim 6,9 und Tit 3,3 vor. Uno Stoic. vet. fragm. I 52,26teih die Menschen in die beiden Klauen mroubaiot. und CfClÜAoL ein. 29 Die Umschreibung des Genitivs durch XQt' 4tt (mit Akkus.) ist inder hellenistischen Zeitgeläufag (Apg 18,15; 26,3; Eph 1,15). tO KQ6&uI'OV enspricht dem Substantiv qo&ufda (sc. tytyno). Vgl. z.B. 3Makk 5,26; tO ~ov 1:00 pao~.
86
Briefeingang und Thema
bunden. V 16a dient als überleitung von der persönlichen Aussage V 15 zu den feierlichen Bestimmungen des Evangeliums in V 16b und 17. Paulus scheut sich weder vor der Welthauptstadt30 noch vor der Besonderheit der römischen Gemeinde; er ist bereit, als »Verpflichteter« (ÖCPELA.tnt~) oder als »Bote unter dem Zwang« (avaYXT) 1Kor 9,16) nach Rom zu kommen. Er scheut sich weder vor Ju~nchristen, die ihn lästern, noch vor Pneumatikern, die ihn verachten. Feierlich und prägnant klingt V I6a: »ich schäme mich des Evangeliums nicht«. oUx btaa.axUVOJAaL erinnert an die Bekenntnissprache des Urchristentums (Mk 8,38; 2Tim 1,8) und entspricht negativ einem feierlichen 6J.lOAoyw. »Sich nicht schämen« ist eine negative Formulierung für das positive Ereignis des »)Bekenneos« in einer bestimmten geschichtlichen Situation der Anfechtung (6J.lOAoyELV). Paulus betont, daß er dem Ärgernis des Evangeliums in Rom nicht ausweichen will. Es geht hier nicht um das Fehlen einer psychologischen Scheu (vulg.: erubesoo), sondern um eine konkrete Bereitschaft, um einen in Worte gefaßten Entschluß und um ein feststellbares Ereignis. tb EiJayyD.t.av vertritt an dieser Stelle den Infinitiv E'Üayyd'(~EO'6aL und meint die besondere Form der paulinischen Botschaft (= tb E'ÜcrrtfAWv J1OV 31 ). Es sieht so aus, als wolle V 16a einen fremden Verdacht abwehren oder eine Selbstrechtfertigung darstellen. In zwei aufeinander folgenden Hauptsätzen, die die Bedeutung des Evangeliums für die gesamte Menschheit herausstellen wollen, wird zum Ausdruck gebracht, daß Gottes Autorität hinter der Botschaft des Evangeliums und damit hinter dem Akt der Verkündigung steht32• Das Evangelium ist Offenbarung der )Kraft Gottes« (ö(ryaJ1L~ &o'Ü V 16b) und der »)Gerechtigkeit Gottes« (Önwl.OO'irvT) aeoü V 17). Die beiden Begriffe treten an den Anfangjedes Satzes und erhalten dadurch einen besonderen Nachdruck. ÖUvaJ1a.~ ist das Zeichen Gottes, seiner Erscheinung und seiner Machttaten; durch seine ÖVvßJ1a.~ setzt sich Gott gegen allen Widerstand und gegen alles Unvermögen der Menschen und Mächte durch. Trotz aller Niedrigkeit des Wortes und des Ärgernisses des Kreuzes ist die Botschaft Träger der ») Kraft Gottes« (IKor 1,18; 2,4 f.; 4,20; IThess 1,5). Der Begriff ist in der Auseinandersetzung mitjudentum und Hellenismus auch antithetisch entfaltet worden33 . Für Paulus »caput et theatrum orbis terrarumcc U. A. BENGEL z.Sl.). Es ist nicht zufällig, daß in der Textgeschichte immer wieder das Bedürfnis empfunden wird, das Objekt 'tb EÜayytMOV durch einen geeigneten Genitiv zu ergänzen (wü atoü, 'toü ~LO'tOÜ, au'toü bzw. 1'00). Auch ein hinzugesetztes 'to\rto entspricht dem gleichen stilistischen Bedürfnis. 32 Paulus trennt also nicht zwischen dem Akt der Verkündigung und der Botschaft selbst. Der Akt der Verkündigung sowie der Verkündiger selbst stehen unter dem Schutz der Autorität der Botschaft. 33 J. WEISS, Ztschr. f. e... gl. Rd. Unt. 20,24 und A. DIETERICH, Eine Mithrasliturgie, 3. Aufl. 1923, 46 f. versuchen, 66val'L~ E~ CJOm)Q{av nach Analogie der Zauberpapyri im hellenistischen Sinn als »Rezept, Anweisung zur Genesung •• oder als »Heilkraft" zu deuten. Es liegt aber kein Grund vor, 00VQj.lL~ an unserer Stelle anders als in 1Kor 1,18.24 zu verstehen. W. GRUNDMANN weist aufdie rabbiniache Anschauung hin, daß die Tora selbst die rechte Heilskraft und Stärke ist (Mek Ex 15,2·.13.26 und 18,1). Die Aussage des Paulus ist antithetisch zu verstehen: .. Nicht die Thora, sondern das Evangelium ist Kraft GOlles.c (ThW II 310). Ausdrücklich bekämpft E. LOHSE in seinem Aufsatz: Die Gerechtigkeit Gottes in der pauliniJchen Theologie die übersetzung ))Macht.. in Köm 1,16 (a.a.O. 2'14 ff.): Paulus meint die Kraft des töricht erscheinenden Wortes vom Kreuz, das allein dem 30
31
Röm 1,8-17
87
waren •• Kraftcc und ••Geistcc Gottes eng miteinander verbunden. Das Won hat Anteil an der Kraft Gottes, weil es durch den Geist Gottes bestimmt und sein Werkzeug ist. Es vermag sich gegen allen Widerstand und aUes Unvermögen durchzusetzen .•• Kraftcc ist hier Erweis der Gottheit Gottes, seine ••virtuscc (vulg.), sein •• Vermögenc( (M. Lu ther) 34. Diese •• Kraft« Gottes istschafTende, errettende, bewahrende Wirksamkeit am Menschen (A. Schlatter). Sie zielt ab auf eschatologische Errettung im jüngsten Gericht. CKO't'I')Q(a ist grundsätzlich Gegensatz zu MOOA.eLa, ist daher die Verheißung des Glaubens (Röm 10,9: 00JÖ'i)a0). Vielleicht gehört der Begriff in die Missionsprtdigt rmd TGUjsprtICM. In unserem Zusammenhang taucht er stichwortanig auf, wenn auch sicherlich nicht zufaIlig. Ihn positiv mit •• Heilc( zu übersetzen, ist zwar möglich, aber wegen des Zusammenhangs mit den Begriffen 6Lxaa.ooiM) und tun) nicht ratsam. Es geht hier wirklich um die •• Errettungcc des Menschen vor dem göttlichen Zorn und Gericht (Röm 5,9 f.: CXI1&r)06J.LE6a). Der Mensch erfährt durch die Botschaft, in welcher Gefahr er steht und wodurch er Errettung und Leben empfangen kann. oomtQ(a weist auftorit hin und bereitet die Einführung von tW'fl vor (IThess 5,9-10). Dam 20,20formulien: •• bisdaß aufgehtHtil und Gtrtchtigktil für die Gottesfürchtigen. ce OW'nIQ(a (im Alten Testament = ~ u.ä.) ist ein in LXX (Psalmen 34-, jesaja 18mal) häufig vorkommendes Substantiv, das sich auch in den hellenistischen Teilen des Neuen Testaments gern wiederfindet (unregelmäßig in den Evangelien und in den PauIus-Briefen, öfter im Hebräer- und 1. Petruabrief). Im Römerbrief begegnet das Won in Röm 1,16; 10,1.10; 11,11; 13,11, ohne daß es ausdrück.licherldärt wird. Auffallend ist, daß CJOL~ 1:O'Ü itEO'Ü) im strengen Sinn heißt, hat das Alte Testament gelehrt. Gott wird an dem Ernst seiner Gebote und an dem Segen seiner Verheißungen, an seinen Züchtigungen und seinen Gerichten ))erkannt«. Gotteserkenntnis setzt also die Tiefe eines Verstehens voraus, in der sich der Mensch schicksalsmäßig mitbetroffen weiß. Der hellenistische Mensch mißversteht den Ernst dieser yvAbbilder« ohne Frage das Gesetzeswort Dt 4,15 ff. nach. Die Heiden tun, was Israel ausdrücklich verboten wurde, und die Schuld der Heiden ist eine Schuld, die auch Israel in der eigenen Geschichte nach.{,uweisen ist. Durch den Anklang an die biblischen Aussagen wird der paulinische Text fast hymnisch und liturgisch. Der Aufbau von V 23 ist im Einzelnen antithetisch geordnet: iiq>&ae'to;-qr6ae't61!;, itEÖ'!;-ävttewnol!; (bzw. die verschiedenen Tierarten), Ö6;a-6~oUo~a dx6vol!; stehen einander gegenüber. Man tauscht Gottes Herrlichkeit (66;a), die in seiner Offenbarung er11 SIr-B 111 43 erinnert an den Hochmut und die Undankbarkeit des Heidentums. ApkBar 48,40; 82,3 ff. sind derartige Schilderungen innerhalb der Apokalyptik. 12 J. A. BENGEL z.St. stellt fest: »nam objecto suo confonnatur mms«. 13 Vgl. die große Schilderung äthHen 99,7 ff.; aber auch TestRub 3,8; TestLev 14,4.
Röm 1,18-32
103
kennbar ist, ein gegen das Abbild einer Gestalt. Vielleicht liegt in ÖJ,lo(w1"l noch eine Nachwirkung des biblischen Begriffes ('" 105,20; Dt 4,15 ff.), während dxiliv in diesem Zusammenhang an die Gestalt des Menschen bzw. Tieres denkt l4 ••• Die künstlerische Reproduktion einer Gestalt, dxrov, ergibt ein 6Jlo(001"1, ein Abbild. dx6Jv ist nicht auch ein Abbild, sondern die dem Menschen und den Tieren anhaftende Figur« (Schlatter, Gerechtigkeit 63) 15. 6UftooELV hr könnte als semitische Konstruktion angesehen werden (BI-Debr 179,2) 16; hr 6J.tOLOlJ.Ul"tL ist daher wie dC; 6t!o(mj.La zu verstehen. Daß Israel Gottes ö;a •• vertauscht«, beklagt auchJer 2,11. Paulus denkt ganz im Sinn des Alten Bundes: israel war verpflichtet, sich mit dem nSchall der Worte« zu begnügen und aufeine •.Gestaltcc zu verzichten (Dt 4,12). Die Herrlichkeit Gottes verbarg sich also im Wort und in den Erscheinungen am Berg (..Finsternis, Wolken, Dunkelcc Dt 4, 11; Hebr 12,18). Israel durfte nicht ein Gottesbild aufstellen, weil dieses der Offenbarung widersprach. Der Heide sullt also friT Palllw unln dtm gleichen Gebot wie Israeli'. Die Dreiteilung der TierWelt dürfte einer Vorlage entsprechen (Gen 2,20; 7,8; Apg 10,12; 11,6). Man könnte etwa an Falke und Ibis, an Krokodil und Schlange denken, die in Ägypten verehrt werden 18. V 24 ff.: In einem dreifachen Beweisgang, der sicherlich drei verschiedene Beschreibungen des gleichen Ta tbestandes darstellen will (ÖLO xaQtöooxEV aUtOUC; V 24.26.28), wird das Gericht Gottes an den Heiden aufgezeigt. Auch über den Menschen, der die Wahrheit Gottes verkehrt oder ihr gar zu entrinnen sucht, bleibt Gott Richter. Der Text spricht zunächst von Unreinheit und Schändung des Leibes, schildert dann ausführlich schimpfliche Laster und widernatürlichen 14 Dt 4,1 ~ 19 verbietet ausdrücklich ein Gottesbild (y),umav 6~o«&)~a), das die Nachbildung eines männlichen oder weiblichen Wesens, eines vierfUßigen Tieres, eines beschwingten Vogels, eines Kriechtieres oder eines Fisches ist, denn an dem Tage, an dem der Herr aus dem Feuer heraus zu israel miete, sah Israel keinerlei Gt'Stalt (Ot&otwtMl). U Nach R. eH. TRENCH, Synonyma des Neuen Testaments (deutsche übersetzung), 1907,330: sind Ot&o{w~a und dJUino gleichbedeutend. Ot&oiwt&a d~ ist Pleonasmus (" 105,20). 16 Vgl. ZnR 97 Anm. 78; SANDAy-HEADLAtd R 45. In der Apokalyptik findet sich sogar eine kosmische Ikdeutung dieser Venauschung (Tt'StNapht 3,20:). 17 Anders und doch ähnlich schildert Sap 14,12 den entstehenden Bilderdienst: •• Denn der Anfang des Abfalls von Gott ist das Ersinnen von Götzenbildern; ihre Erfindung aber hat den Verderb des Lebens herbeigeflihrtcc. Auch Sap 14,12 ff. weiß von einer Entwicklung des Bilderdienstt'S bis hin zur Anbetung. Selbst die Heiden (Plutarch, Tacitua) sprechen von einer anfänglichen Bildlosigkeit einzelner Religionen. 11 Die paulinische Missions- und Umkehrpredigt verwendet ein ähnlicht'S Schrma wie die Sapirntia Salomonis: I. TOfCn waren aUe Mt'nschen, die an Unkenntnis Gottes litten und nicht imstande waren, aus dem sichtbaren Guten den Seienden zu erkennen (Sap 13,1 0:). 2. Gott straft die Verehrung der vemunftlosen Tiere durch eint' entsprechende Qual, denn es gilt der Grundsatz: wodurch man sich verfehlt, wird man auch gestraft (Sap 11,16; 12,23). Das paulinische Schema iststärker vom Wortlaut des Altt'n Testaments bestimmt und klingt weniger rational als das Schema drr Sapientia. Die Tatsache der Tierverehrung unter den Heiden und ihre 8t'Strafung durch Gott ist ein fester PrcdigtstofTin der Sapirntia, beiJOIephu5, Philo und den sibyllinischen Orakdn (Str-B 111 60 ff.). Der von Paulus in Röm 1,22-24 angedeutete und in 1,2~27 ausgefUhrte Gedanke, daß religiösr Perversität (Tierkult) srxudle Pervenität nach sich zieht, findet sich in TestNapht 3,2-4. Zur Entsprechung von Vergehen und Strafe vgl. E. KLOSTERMANN, Die adäquate Vergeltung in Röm 1,22-31 (ZNW 32, 1933,1-6) undJ.JEREtdIAS, Röm 1,22-32, ZNW 45, 19~55, 11~121.
1M
Der Heide unter dem Zorn Gottes
Geschlechtsverkehr und zeigt zuletzt den Verfall der Erkenntnis, des U neils und des Handeins auf. Das starke und wiederholte 1tootÖ>der Barmherzige, der Gütige, der Langmutsvolle, der Edelmütige, der Gnadenreiche, der Edle, der Verzeihendecc. Vgl. auch Sap 15,1 und PsSal 10,8. avoxfl ist das Zurückhalten des Zornes (ApkBar 59,6). 9 Der Inhalt des ön-Satzes: .. Gottes Güte treibt dich zur Buße., ist feststehendes Wissen (Sap 11,23). 10 Die »Herzenshänigkeitcc begegnet als ständiger Vorwurf auch in den Qumranschriften: Dam 2,17-18; 3,5.11 ff.; 8,8.19; 20,9; IQS 1,6; 2,14; 3,~; 5,4 u.ö. 11 Der Sprachgebrauch von ~uQ(tELV ist ähnlich wie in Mt6,19 0'.; ApkBar 14,12; PsSal9,5; Inschr. von Priene 112,15; doch ist das Bild mit Ausnahme von Prov 1,18 im allgemeinen positiv verstanden.
Röm 2,1-16
115
den der Zorn Gottes wartet, während Israel am jüngsten Tag verschont wird (Sap 11,9 f.; 12,22). Paulus liebt in der Zusammenstellung der Begriffe den rhetorischen Zwei- und Dreiklang. Gottes Zorn wird von ihm als Enthüllung des gerechten Gerichtes (ÖLxaLOXQLo(a) 12 bestimmt. Der anschließende Relativsatz V 6 ist feierliches Zitat (Ps 62,13) und klingt hier wie eine exegetische Bestätigung des paulinischen Gerichtswortes. Für Paulus ist jedes Glied dieses Zitates wichtig. Gottes Gericht wartet auf jeden Menschen ohne Ausnahme und beurteilt ihn nach seinen Werken 1J• Damit hat dies Schriftwort thematische Bedeutung gewonnen und kann daher den neuen Abschnitt, der bis V 11 reicht, einleiten. V 7: Der BegrifTder »Werke« wird im folgenden Gedankengang nach der positiven und negativen Seite hin interpretiert: wer beharrlich am guten Werk festhält und dabei Herrlichkeit, Ehre und Unsterblichkeit sucht, wird ewiges Leben empfangen. Der Dreiklang Ö6;a, t41TJ und lup'fklQo(a beschreibt das eschatologische Ziel in einer schon geprägten Form (vgl. IPetr 1,7; ApkJoh 4,9)14. Auch die jüdische Apokalyptik spricht von der Herrlichkeit und U nvergänglichkeit derer, die hier auf Erden dem Höchsten unter Mühsal und Gefahr dienten und sein Gesetz befolgten (4Esr 7,95 f.). V 8 schildert als Gegenstück zu V 7 die Menschen, die Streitsucht und Hader zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben lS , die sich der Wahrheit Gottes widersetzen, der Ungerechtigkeit aber gehorchen: auf sie wartet Zorn und Grimm (sc. ~ataL). Auch dieser Zweiklang hat seine Geschichte und seine Parallelen (ApkJoh 16,19) 16. Die beiden Verse 7 und 8 schlie12 bu, ÖLeI v6J.lO\J sind offenbar bewußt aufeinander abgestimmt. Es stellt sich heraus, daß der Besitz des mosaischen Gesetzes nicht ein letztes, sondern nur ein vorletztes Argument in der Diskussion ist. Gott hat besondere Mittel und Wege, seine Forderungen dem Heidentum unmittelbar kundzutun. Der Stil unserer Verse ist dem Gesetz angepaßt und beschreibt das Kategorische, Endgültige der göttlichen Entscheidung. Der Gerichtston wiegt vor (luto).oÜvtaL, xQLihloOvtaL). Das Passiv umschreibt wieder das göttliche Handeln, ohne Gott selbst zu nennen. Daß Israel »durch das Gesetz« gerichtet wird, klingt für Israel hart. Auch dasjudentum spricht vom Richteramt des Gesetzes; aber wenn es an denjüngsten Tag und an die letzte Entscheidung dachte, dann lag ihm die Beschämung des Heidentums nahe (Str-B 111 84). Der Gegensatz zwischen den »Hörern« und den »Tätern«, den V I! zur Sprache bringt, ist dem Judentum gut bekannt, zumal er an die Lektion der Tora am Sabbat erinnert. Auch das Rabbinat sieht nicht das Studium, sondern die Erfüllung des Gesetzes als entscheidend an (Ab 1,17 f.; 3,17) 18. Paulus verwendet hier einen rabbinischen Lehrsatz, aber in einem neuen Sinn, bedroht dieser Lehrsatz doch das Vorrecht Israels. Auch hier meint die Rechtfertigung den eschatologischen Freispruch, die Anerkennung einer »Gerechtigkeit« durch Gott. V 14: Es besteht aber die unerhörte Möglichkeit, daß einzelne Heiden (fflvt]) in ihrer Geschöpflichkeit (cpUOEL) die Forderung des Gesetzes erfüllen (wie es z.B. bei Abraham geschah). Es ist ganz unnötig, in diesem Fall an Heiden, die zumJ udentum oder Christentum übergetreten sind, zu denken. Paulus setzt vielmehr den »bedingungslosen« Fall, daß der Heide als solcher (cp'ÖOEL) sich der Forderung Gottes aufschließt. Auch dieser te Die Ausdrucksweise: Ö(xaIOL mlQcl &~ isl ganz offenbar semitisch (»gerechl vor Gou«. mlQ6. wird hier wie tv6mLO'V oder tvavdov gebrauchl). Der Satz war ursprünglich hebräisch oder aramäisch formulierl.
118
Der Richter und der Maßstab des Gerichtes
Gedanke ist imJ udentum nicht ganz unbekannt, hat aber dort selbstverständlich nicht die gleiche revolutionäre Kraft wie bei Paulus l9 • Betont wird die Tatsache, daß die Heiden das Gesetz nicht haben; ausdrücklich wird diese Tatsache zugegeben,ja sogar wiederholt. Aber Paulus stellt dieser Tatsache die These gegenüber, daß Heiden sich selbst Gesetz werden können. Diese Ausdrucksweise ist zunächst befremdlich, ja unverständlich, das ))ungeschriebene Gesetzcc (v6J!~ lryQacpo~) und das ))ins Herz geschriebene Gesetzcc (yQWttOv tv tai; xaQÖ(aLS) sind zwei ähnliche Anschauungen, die dem paulinischen Text verwandt sind. Gemeint ist, daß im Menschen selbst oder im Nächsten ein Maßstab, eine Norm gefunden wird, an die man sich hält. Und dieser Maßstab, diese Norm ist nicht nur relativ oder psychologisch, sondern im Gegenteil absolut und objektiv: Gott selbst richtet seine Autorität in aller U nanschaulichkeit unter Heiden auf, so daß Heiden ihm gehorchen können. Allerdings entsteht gerade dann, wenn diese unerhörte Möglichkeit sich verwirklicht, keint Gerechtigkeit auf Grund menschlicher Werke. Echter Gehorsam kann nie Anspruch werden (Lk 17,10). Täter des Gesetzes sind niemals in der Lage, sich selbst zu rechtfertigen. Und doch ist das Ereignis eines echten Gehorsams mitten in der HeidenweIt ein Angriff auf die Selbstgerechtigkeit Israels. Daß Menschen nsich selbst Gesetz sindce, ist an sich eine Vorstellung, die allein aus griechischem Denken verständlich wird 20. Sie stammt aus platonischen und aristotelischen W!lrzeln. Bei Plato begegnet sie bei der Schilderung der Bürger des idealen Staates, die im Unterschied zu denen des schlechten Staates keiner besonderen Gesetzgebung bedürfen. Jeder vermag die Gesetze selbst zu finden, oder aber sie ergeben sich aus der bereits vorangegangenen Lebensweise (Polit IV 427 A). In jedem Fall erscheint der Gegensatz zwischen dem Gesetz, das erst besonders erlassen werden muß, und dem unmittelbar gegebenen, ungeschriebenen Gesetz. In der stoischen Popularphilosophie, die Natur und Geselz gleichsetzt, wird dies Motiv des ))ungeschriebenen Geset19
Nach vrreiozrltrn nabbiniachrn Tradilionrn machrn auch dir Heiden im Endgrrichl gdlend.
daß sie das eine oder andere Gebot erfüllt haben; ja, Gou wird sich zu Israel bekennen, obwohl die Heiden das Gebotene tun, ohne daß es ihnen geboten ist, und obwohl sie es mehr erfullen als Israel selbet (Str-B 11189). Paulu. hebt auch tuer die adbetvmländliche Gc:sichenheit israeli auf, ohne deucn heilagcschichtlichc:s Vorrecht anzuwtm. 20 Zum Folgenden vgl. E. NORDEN, Agnostos Theos, 1913; M. POHLENZ, Paulus und die Stoa, ZNW 42, 1949,69 ff.; W. KRANZ, Das Gesetz des Herzens, Rhdn. Mus. f. Philol. NF 94,1, 1951, 222-241; H. LIETZMANN, Exkun zu 2,14 Ir.; G. BoRNKAMM, Gesetz und Natur (Röm 2,14-16), Studien zu Antike und Urchristentum, Ges. Aufsätze 11, 1959,93-118. Daß Heiden sich selbst Gesetz sind, ist ein im Griechentum und Hellenismus öfter wiederkehrender Gedanke: Für Plato wichtig ist PolitlV 427A; rur AristoteIes Eth. Nie. IV 112& 31; Politlll 13 l284a 13; schon bei Aristoteles begegnet sowohl der Hinweis auf den ausgezeichneten und rreien Bürger wie auf die Machthaber, die lich selbet Gesetz lind. Wichtiges Material findet sich in den Untmuchungen \1>n W. KU.'lIz, M. POHLE.'\IZ und G. BoIl..'\IKA....... Für Paulus ist die nähere Bestimmung cpUoEl ein Hinweis aur die U nmiuelbarkeit und innere Notwendigkeit gerade dieses Gehonams: manche Heiden ~rfullen »von Natur« die Werke des Gesetzes. Zum Wesen desJ uden dagegen gehört, daß er über den Gehonam gegen das Gesetz von and~ren belehn wird. Aur cpUotL liegt ein starkes Gewicht, weil in ihm ein Hinweis auf ein unmittelbares Handeln Goues selbst liegt. Der Heide, der Goues Forderung g~nügt, erhält damit s~ine Würde wieder. Paulus ordnet den philosophischen Einfluß dem biblischen Denken ein.
Röm 2,1-16
119
zes« besonders gern aufgenommen und verarbeitet. Hier herrscht die überzeugung, daß alles sittliche Handeln die Befolgung der uns von Natur eingepflanzten Gesetze sei und in der Gottheit selbst wurzele (H. Lietzmann: »der Fundamentalsatz der stoischen Ethik«). Gute und gewalttätige Herrscher können vor allem (in gutem wie in bösem Sinn) »sich selbst Gesetzcc werden, darum auch über den geschriebenen Gesetzen Herr sein 21 • Vor allem stellt sich heraus, daß der Weise, der dem Gesetz der Natur folgt, allen menschlichen Meinungen und Ansprüchen gegenüber unabhängig, selbständig (tv nämv airtaQXT)~} werden kann. Parallelen zur paulinischen Wendung fehlen also keineswegs 22. Entscheidend ist nun, daß in den verschiedenen Zweigen des Frühjudentums Spuren davon vorhanden sind, daß Abraham als Urbild des von Gott gegebenen, noch ungeschriebenen Gesetzes galt (Philo de Abr. 275 f.; ApkBar 57,2). Das Motiv des »ungeschriebenen Gesetzes« wird im philosophischen Sinn bei Philo mit dem der Natur verbunden: Abraham ist ))ßicht vom Geschriebenen .belehrt, sondern kraft der ungeschriebenen Natur danach eifernd, den gesunden und von aller Krankheit unberührten Antrieben zu folgen«. Er ist selbst Gesetz und ungeschriebene Gottessatzung. Im Bereich des heUenistischenJudentums darf man aber auf keinen Fall außer Acht lassen, daß das mosaische Gesetz mit diesem in der Natur begründeten Sittengesetz identisch ist (4Makk; Philo). Es kann sich also darum handeln, daß Paulus missionarisch und apologetisch an das stoisch-philosophische Gedankengut anknüpft und ausdrücklich bestätigt: mit eurem eigenen höchsten Selbst bewußtsein seid ihr unmittelbar dem Anspruch Gottes verhaftet. Auch der Jude kann darauf Bezug nehmen, daß der Heide eine besondere Bindung fl:n die Gebote Gottes hat Merkwürdigerweise sind es einzelne Stellenjüdischer Apokalyptik, die vom Gehorsam einzelner Heiden und von der eschatologischen Verantwortung aller Bewohner der Erde ausdrücklich reden (ApkBar 48,38 ff.; 4Esra 3,33 ff.) 23. Jeder der Erdbewohner hätte es wissen müssen, wenn er sündhaft handelte. Vielleicht ist aber die jüdische Form dieser Aussage zu beachten: das mosaische Gesetz reicht so weit in die Menschheit, daß es auch im Heidentum zur Norm und zum Wahrheitskriterium werden kann. Es gibt auch hier eine göttliche Weisung, die unerschütterlich und unbezweifelbar ist. In diesem Fall darf man also nicht so sehr von dem stoisch-philosophischen Erbe ausgehen - das an sich natürlich da ist -, sondern von dem Bekenntnis desjudentums zur göttli21 W~nn d~r H~id~ sdn~ Würd~
darin hat, daß ~r d~r unmiuelbar~n Ford~rung Goues gehorcht, u im G~~nsatz zu d~r Umg~bung, di~ andeun Göu~rn g~horcht. Wenn er sich selbst Gesetz isl, ist ~r also unabhängig vom Einspruch seinu U mg~bung. Das Motiv der DantelJung eines wahren Ge~zes hat ein~ gri~chische Geschicht~, darf aber im paulinischm Tat nicht vom biblischen Gehorsam gelöst w~rden. 22 Vgl. H. LIETZMA!liN, Exkun zu Röm 2,14 und G. 8oRNKAMM, a.a.O. Anm. 24.25. Vgl. z.B. Manilius in dem Astronomicon (V 495): Ips~ sibi la est. u Vgl. 4. Eara 3,35 W.: ..Qd~r wann häu~n vor dir die Erdlxwohner nicht gesündigt? Oder welche Nation erfülh~ also dein~ Vonchriften? Du kannst wohl einzelne besond~ n~nnen, die dein~ Vorschriften g~hahen; doch ganu Völk~r findest du nicht ... M. LAGRANOE, O. Kuss übersetzen: .. Immer wenn ( ... j~esmal wenn) manch~ Heid~n (Hv11 im Unterschi~ von taHv11 und Hvuco(),ohnedas mosaische Gesetz zu kennen, von Natur (aurGrund ihus Mmschenwesens) dennoch tun, was das mosaische Gesetz gebiet~t, erweist es sich, daß dies~ Heiden sich selbst Gesetz sind ...
st~ht
120
Der Richter und der Maß.tab da Gerichtes
ehen Weisung: es spiegelt sich auch außerhalb Israels im heidnischen Selbsthewußtsein wider. Das Wahrheitsbewußtsein des Heiden, das sich im rechten Tun äußen, wird von dem Gerichtsvorgang begleitet, der sich im Inneren des Menschen abspielt 24 • Vielleicht setzt Paulus stillschweigend voraus, daß das mosaische Gesetz aufeinen Kern reduziert werden kann, der mit dem Dekalog oder mit dem Liebesgebot (Röm 13,9) identifiziert zu werden vennag15. Sicherlich ist ein innerer Zusammenhang zwischen den hellenistischen Voraussetzungen von Röm 1,20 f. und 2,14 f. gegeben. I n heiden Fällen handelt es sich um mögliche und erfahrbare Gotteserkenntnis auf Grund der Schöpfung in der ganzen Menschheit. Ihre Existenz ist für den Apostel grundsätzlich, aber auch missionarisch bedeutungsvoll. Selbstverständlich denkt Paulus nicht daran, einen nichtchristlichen Heilsweg d1'en zu halten, als habe der Mensch von sich aus die Möglichkeit, auf Grund einer ethischen Entscheidung des Gewissens sein Leben zu bestimmen und Gottes eschatologische Anerkennung zu erlangen. Es geht Paulusja um die Widerlegung des Judentums mit Hilfe einer von ihm anerkannten eschatologischen Möglichkeit des Heidentums 26. Der relativische Anschluß ot'tL'Y€C; (vgl. 1,25.32) ist bei Paulus jedes Mal betont und wirkt.demonstrativ. V 15 führt den vorherigen Gedanken weiter. Die Heiden erweisen schon jetzt (tvbdxvuvtaL = Präsens), erst recht natürlich in der zukünftigen Enthüllung27, daß das ))Werk des Gesetzes« (= das vom Gesetz geforderte Werk) ihnen ins Herz geschrieben ist. Spricht der Grieche vom ))ungeschriebenen« Gesetz, so der Jude von dem ))ins Herz geschriebenen«21. Gott wird nachJer 31,33 einst sein Gesetz Israel ins Herz schreiben - aber hier geht es nicht um ein eschatologisches Handeln Gottes an Israel, sondern um seine gegenwärtige Bezeugung unter Heiden (Hvr)). ))Ins Herz geschrieben« ist der stärkste Ausdruck für die Unausweichlichkeit göttlicher Forderung; )~as Werk des Gesetzes« entspricht dem rabbinischen Begriff:11'~ (Str-B 111 161) und ist, allerJot V,I. den Exkun von O. Kuss: .Du in die Herzen der Heiden leschriebene Werk des Gaetzes« (.Naturgesetz und Naturrecht«). a.a.O. 72-76. KAsEMANN R 59 behaupt~t: .. Esg~ht zud~m Paulus nicht llm di~ Einordnung des Mmach~n in ein Ordnunpgd. .ige. wie naturrechdich~ Konsequenz eiDa gricc:bisc:ben Ventändnisaea annimmt. IODdern, wi~ .ich aua V. 15 ergibt, um die Kriae der Exi.t~nz .• 25 Vgl. O. Kuss, a.a.O. 75: .. Das mosaische Gesetz wird da~i vom Apostel stillschweig~nd auf ein~n Kern reduzi~rt. d~r etwa mit d~m Dekalog identisch .ein könnt~.- Ob der Begriff d~r Reduktion glücklich ist, sei dahingestellt. Es g~ht zunächst um ~in~ ZUlamm~nfassung. di~ a~r dann cin~ Radikalisi~rung mit sich bringt. 26 Für die innere Struktur der paulinischm Theologi~ wird di~ F~ wichtig, ob Paulus mit cin~r eschatologischm Gerechhprechung ~inzelner auf Grund ihrer Werk~ rechn~t oder nicht. Seit H. LIETZMANN spricht man von einem hypothetischen Gedankmgang. da Paulus grundsätzlich die Gerechtigkcit auf Grund der Werke ablehnen will. Vgl. dazu O. Kuss. a.a.O. 64. Doch löst diese Erklärung nicht das tief~rliegmd~ Problem der menschlichen Verantwonung für di~ Geschichl~. 27 tv&Cxvuo6m (Med. »erW~ism, d~n Beweis bringm-) muß p~ntisch aufg~faßl werden. w~i1 ~ sich um einen v~rborgmen. a~r gegmwänigm Vorgang handelt. Es ist nichl ratsam. unt~r d~m Eindruck von V 16 zu steh~n und dann MdxvuvtQL futurisch aufzufassen. Di~ in Frag~ kommend~ fv6ell;~ isl auch fo~nsisch g~m~int. a. Vgl. T~tluda 2O,l-5 das MOliv d~r ins Herz ~ing~lchrie~nm W~rk~; auß~rd~m IQS 10,10:
Das
eingegrabm~ Ges~tz.
Röm 2,1-16
121
dings mit Vorbehalt, ein jüdisches Element 29 • Die Form des Satzes ist durch den Rechtscharakter seiner Umgebung geprägt. Dem Heiden wird das zugeschrieben, was der Rabbine ihm niemals zugestehen würde: man kann hier nicht von dem in die Herzen der Heiden geschriebenen Gesetz sprechen (Str-B III 89). Hat Paulus hier griechisches, besser gesagt: hellenistisches Material verwandt, dann hat er die Unausweichlichkeit der göttlichen Forderung besonders stark zum Ausdruck bringen wollen. Diese Forderung wird beim Heiden eine andere Gestalt annehmen, sie ist aber in der Bedeutung und im Inhalt mit dem mosaischen Gesetz identisch. Das mosaische Gesetz entspricht also beim Heiden der Stimme der Natur und des Gewissens, d. h. auch hier läßt sich die Stimme Gottes vernehmen. OfTenbarsetzt Paulus voraus, daß ))Naturc( und ))Gesetzcc bei Heiden in dner bestimmten Entsprechung stehen. G. Bornkamm, Gesetz und Natur (Studien zu Antike und Urchristentum, Ges. Aufsätze 2, 1959,92 O".) legt Wen darauf, daß Paulus den griechischen Gedanken der lex naturae in diesem Zusammenhang übernommen habe. Er beruft sich dabei auf die philologischen Untersuchungen von E. Norden, Agnostos Theos, 1913; M. Pohlenz, Paulus und die Stoa, ZNW 42, 1949,69 f[ und W. Kranz, Das Gesetz des Herzens, Rhein. Mus. f. Phi101. NF 94, I, 1951, 222-241. Beweiskräftig ist nach ihm I. das zusammengehörige BegrißSpaar: Natur-Gesetz; 2. die ebenfalls festgelegte Wendung: »sie sind sich selbst Gesetz«; 3. das Motiv des »)ungeschriebenen Gesetzes« und der aus griechischen Voraussetzungen verständliche Hinweis auf das Gewissen der Heiden. Alle diese Motive gehören nach G. Bornkamm traditionsgeschichtlich in den geschlossenen Zusammenhang einer griechischen, philosophischen Tradition. Im Unterschied von der Sophistik, die cpUOL; und v6tW; entgegensetzte, hat die Stoa v6f.w; als Vernunftgesetz angesehen, das die Menschheit verbindet und verpflichtet. Diese Identifikation von qroOL; und v6twc; hat in der älteren Stoa metaphysischen Sinn; man versteht hier qrom; als eine umfassende AllNatur. Erst in der mittleren Stoa (Panaitios und seine Schule) denkt man dabei an das Individuum, an die Natur des einzelnen Menschen und an seine besonderen Anlagen und Lebensumstände. Auf Grund der stoischen Identifikation von Natur und Gesetz ist der entscheidende ethische Grundsatz verständlich, daß alles sittliche Handeln die Befolgung der uns von Natur eingepflanzten Gesetze sei und in der Gottheit wurzele (H. Lietzmann). G. Bomkammfolgen: In Röm 2,14 f. geht es um die schlichte FeststeUung, daß das Gesetz Gottes Heiden und Juden kundgetan ist und beide nach ihm gerichtet werden. Zum Erweis dieser These bediene sich Paulus eindeutig der aus stoischer Tradition stammenden Gedanken der 10 naturae. Daß er sie nicht einfach im stoischen Sinn versteht, leidet allerdings keinen Zweifel. Freilich ist diese Konstruktion keineswegs beweiskräftig. Es könnte zwar sein, daß der Apostel meint: das Selbstverständnis des griechischen Philosophen ist rechtlicher Beweis dafiir, daß er vor Gott verantwortlich ist. Gott nimmt den Menschen ernst in dem, was er von sich selbst behauptet. Aber gerade das scheint doch nicht der Meinung des Paulus zu entsprechen. Er will vielmehr von einer vorg'g,bmm Nmn Gottes reden, die Tun und Schicksal des Heidentums bestimmt. Der Ankläger weist die Verantwonlichkeit des Angeklagten auf und spricht in rechtlicher Denkform, nicht in spekulativer überlegung. In Röm 2,14 f. spricht nicht ein griechischer Philosoph, sondern einjude, der Heidenmissionar wurde. Diese Sätze müssen also in den Zusammenhang des Z9'(0 fQyov 'tOÜ v6J,lou ist der konkrete Vollzug des Gebotes, das aus der GebolSerfüllung stammende Werk. Das Rabbinat hat diesen Begriffnichl ausgebildet, und die Paulus entsprechende Formulimmg begegnet nur in der ApkBar. Dieser Tatbestand ist auffallend (vgl. Str-B 111 161).
Der Richter und der Maßstab des Gerichtes
122
jüdisclrm Hellmismus eingeordnet werden, zumal jüdische, sogar rabbinische Elememe auch hier immer wieder sichtbar werden (das ins Herz geschriebene Gesetz, das Werk des Gesetzes, die Dreizahl der Zeugen). Es ist auch beachtlich, daß Paulus nicht die Natur zum Ausgangspunkt macht, sondern allein Gott selbst, der nach altbiblischem Vorbild auf Tafeln und in Herzen schreibt (qr60EL ist lediglich beigeordnet). Tatsache ist aber, daß nachjüdisclrn Ob"litftrU1ll das mosaische Gesetz in der Patriarchenzeit zwar ungeschrieben, doch allgemein bekannt war. Die Werke der Gesetze (opera praeceptorum) wurden damals schon getan. Der Glaube an das zukünftige Gericht wurde damals schon geboren. Die Hoffnung auf Erneuerung der Welt wurde damals auferbaut; don wurde auch die Verheißung des Lebens gepflanzt (siehe ApkBar 57,2). Wie die übertretung Adams Tod und Trübsal nach sich zieht, so liegen im Ursprung Abrahams die zukünftigen Heilsprozesse (= helles Wasser). Die Patriarchenzeit war der Ursprung der eschatologischen Erwartung. Ähnlich denkt auch das ganze Neue Testament. Hellenistischer klingt es, wenn nach Philo Abraham das göttliche Gesetz und die Gebote gehalten hat, und zwar nicht vom Geschriebenen belehn, sondern kraft der unge$chriebenen Natur danach eifernd, den gesunden und von aller Krankheit unberühnen Antrieben zu folgen (de Abr. 275 f.). Abraham ist das VfJ1bild des Gehorsams, der dem ungeschriebmen Gebot folgt. Man wird nicht umhin können, gewisse rabbinische Zusammenhänge zu nennen. Daß es von Anfang an Grundgebote Gottes für die ganze Menschheit gab (adamitische und noachitische Gebote), die den Bestand der Menschheit sichern, wird in zahlreichen Traditionen gelehrt (Str-B 11136 f.). Damit wird die Verantwonlichkeit des Heidentums festgehalten, von der auch das Alte Testament zeugt. Daß sich die Menschen nach diesen Grundgeboten Gottes nicht richteten, ist ihre Schuld. Vor allem ist auch an die Proselyten zu denken, die Gottes Gebote unter den Völkern halten. Paulus greift aber jetzt eine stoisch-philosophisclrt Trtulilion des Griechent ums auf (H. Lietzmann), die geeignet ist, escha talogisches Gewicht in sich aufzunehmen. Er bestätigt nicht das heidnische Selbstbewußtsein, sondern er stellt die Verantwortlichkeit des Heidentums heraus. Daß es sich in diesem Zusammenhang um wirkliche Heiden handelt (die aber vielleicht unter dem Einfluß des Diasporajudentums stehen), ist weithin in der Exegese anerkannt. Daneben aber findet sich eine auf Augustin zurückgehende zweite Auslegung, die an Htidmchristm denkt. In seinen antipelagianischen Schriften (de spiritu et littera 2fr28; contra J ulianum 4,23-25) vertri tt er die These, die litvT) seien Heidenchristen, die im begnadeten Zustand ihrer .)Natur« zur Erkenntnis und Erfüllung des Gesetzes kommen. In der Gegenwart findet sich die gleiche Deutung zunächst bei W. Mundle, Zur Auslegung von Röm 2,130:, ThBI 13, 1934, 249-256; K. Barth, Die kirchliche Dogmatik 12, 3. Aufl. 1945.332; F. Flückiger, Die Werke des Gesetzes bei den Heiden (nach Röm 2,14 ff.), ThZ 8, 1952, 17-42. Wo diese These vertreten wird, erscheinen die Heidenchristen im Licht der Gerechten, die als Täter des Gesetzes das Gesetz erfüllen. Im allgemeinen wird diese These von der gegenwärtigen Exegese als gekünstelt zurückgewiesen 30• Häufig werden die Sätze des Paulus hypothetisch verstanden: Die Täter des Gesetzes werden gerecht gesprochen werden (2,13). Dieser Grundsatz gilt sowohl für dieJ uden, die sich des Gesetzes rühmen, wie auch für die Heiden, die in ihrem Herzen auf Grund der Natur die Forderung Gottes vernehmen (2,14 f.). Die Heiden haben also die gleichen Möglichkei ten, das ewige Leben zu erwerben wie die Juden (2,fr 11), aber diese Möglichkeiten sind lediglichfzktiv und irreal, da alle Menschen in Wirklichkeit unter der Sünde stehen, und deshalb keine Berufung aufirgendwelchen Gehorsam gültig ist (3,20). Diese hypothetische Deutung kann sich auf2,26 berufen (.)wenn ... ee), darf aber nicht auf2, 14 ff. 30
Vgl. O. Kuss R 70 f.; P.
ALTHAUS
R 2'1.
Röm 2,1-16
123
übenragen werden: 2,14 0: will keine Fiktion sein. Paulus rechnet damit, daß Heiden Gehorsam gegen die Forderung Gottes wirklich vollziehen. Dann entsteht das Problem nach dem Verhältnis von 2,14 tT. zu 3,20: grundsätzlich gilt, daß im eschatologischen Gericht jeder nach seinem Werk gerichtet wird (2,6). Der Gehonam gegen die Forderung Gottes bleibt nicht unbelohnt; der Ungehorsam gegen das götdiche Gebot bleibt nicht ohne Strafe. Und doch geht es im eschatologischen Gericht nicht bloß um den konkreten Gehonam im einzelnen, sondern auch um die unermeßliche Forderung des Gesetzes, an der jeder Mensch schuldig ist: an diesem Punkt ist jeder Mensch allein auf die Gnade Gottes angewiesen. Die paradoxe Spannung zwischen der Verantwonlichkeit des Menschen und der götdichen Gnade wird bei Paulus durchgehalten. Hat nun Paulus ein natürliches Sittengcsetz oder ein Naturrecht bei Heiden vorausgesetzt? Man muß diese Fragestellung mit großer Vorsicht behandeln, denn dem Apostel kommt es auf gar keinen Fall darauf an, von griechischen oder hellenistischen Voraussetzungen aus einen Ansatzpunkt rur das theologische Denken festzulegen. Grundsätzlich geht er von der Gültigkeit des mosaischen Gesetzes aus, und das den Heiden verpflichtende Gebot Goltes ist ein AMIogo1l zum mosaischen Gesetz. Es kommt Paulus hier nicht aufirgendeine Würde des natürlichen Menschen an, auch nicht auf»Funktionen, Fähigkeiten, Begabungen des Menschen als Menschen« (so o. Kuß), sondern auf den Anspruch Gottes und das Tun des Menschen3l • 11 F. FLOCKIGER, Die Werke des Gesetzes bei den HOden (ThZ 8, 1952, 17-42), nimmt an, daß Paulus sich mit einem jüdischen Anspruch auseinandersetzt, wie er in Sap 15,2-3 vorliegt: .Wenn wir auch sündigen, so bleiben wir doch dein, denn wir kennen deine Herrschaft. Weil wir aber wissen, daß wir zu den Deinigen gerechnet werden, wollen wir nicht sündigen. Denn dich kennen ist eine vollkommene Gerechtigkeit, und deine Herrschaft wissen ist die Wurzel der Unsterblichkeit.oe Es geht Paulus nicht nur um eine Abwehr eines jüdischen Anspruchs, sondern auch um eine Widerlegung einer bestimmten Auslegung der alttestamentlichen Botschaft. Solange die jüdische Auffassung von Gericht und Verheißung zu Recht besteht, ist dem Evangelium der Weg versperrt. Die Forderung des Alten Testaments heißt: Gehonam, aber Paulus radikalisiert sie durch das Motiv: .kein Ansehen der Person ... Aufdiese Weise wird der jüdische Vorzugsgedanke ausgeschlossen. Auch der andere Satz des Alten Testaments: .Nur der Täter des Gesetzes wird gerechtgesprochenoe wird von Paulus bejaht und bedarf seiner Auslegung, wenn daneben der Satz der Glaubmsgem:htigkeit Gülligkeil haben soU: .Nur der Glaubende wird gerechtgesprochen ... F. FLOCKIGER nimml nun an, daß die Glaubensgerechtigkeit die Erfüllung des Gesetzes, der Dienst des Geistes in Christus der wahre Gehonam sei; der prozeß der Scheidung der Menschen im Gericht kann sowohl aluestamentlich wie neuleslamenllich verstanden werden. tt! toü v6J.tou darf nach F. FLOCKIGER nicht kasuistisch vers landen werden: .. Einiges von dem, was das Gesetz befiehlt.ce Es handelt sich also nicht um das Zugeständnis, daß z.B. auch Heiden das Gebot, die Eltern zu lieben, erfüllen können. Ein kasuistischer Gehonam ist sowohl im Heidentum wie auch imJudenlum möglich, kann aber nicht als voller Gehonam und als Beständigkeit im Trachten nach gölllicher Anerk~nnung verstanden werden. Es geht um das vom Gesetz verlangte Vollwerk. cpUoEL kann entweder bedeuten: .von sich aus- (= von selber) oder .aIt solche- (= ohne Gesetz). LetzIlich ist gemeint, daß die Liebe des Gesetzes ErftiUung ist. Man wird in der Auseinandersetzung mit dieser auf Augustin und M. LUTHER sich berufenden Exegese daran festhalten müssen: Es gehl um eine eschatologische Möglichkeit, die an der Grenze allen menschlichen Seins immer wieder auftauchen kann. Zur Literatur vgl. F. FLOCKIGER, Die Werke des Gesetzes bei den Heiden, ThZ 8, 1952, 17-42; O. Kuss. Di(' Heid~n und die Werke des Gesetzes (nach Röm 2,14-16), MThZ 5, 1954, 77-98; J. B. SoutEK, Röm 2,140: in ..Antwon- (Barlh-Feslschrift), 1956, ~113; B. REICKE, NatürlicheTheologie nach Paulus, Svensk Exegetisk Anbok 22-23, 1957-58, 154-167; den., Syn~idesis in Röm 2,15, ThZ 1:1, 1956, 157-161; A. WALKER, Die Heiden und das Gerichl, EvTh 20, 1960, 302-314; G. 8oRNKAMM, Gesetz und Natur, Ges. Aufsälu 2, 1959, 9~118.
124
Der Richter und der Maßstab des Gerichtes
tO lQ'YO'Y tOO v6f.WU (Sing.!) ist bei Paulus eine auffallende Wendung (weniger befremdlich wäre der Plural). Er denkt sicherlich nicht ausdrücklich an Jer 31,33, obwohl sich äußerlich in der Ausdrucksweise eine Ähnlichkei t feststellen läßt. Aber dort geht es um Gottes eschatologische Verheißung an Israel, hier um griechisch-hellenistische Würdigung des Heiden, der eine Analogie zum mosaischen Gesetz in seinem Herzen wiederfindet. Die ins Herz geschriebene Forderung des Gesetzes, das Gewissen und die Gedanken, die einander anklagen oder auch verteidigen, bilden eine Dreiheit von Zeugen, die dem Zeugenrecht des Alten Testaments entspricht (Dt 17,6; 19,15). Aufdem ersten Zeugen liegt allerdings wohl der Hauptton. Oder sollte in der Aufzählung nur von zwei Zeugen die Rede sein und das xa( in V 15c erläuternden Sinn haben: Das Gewissen würde dann eng mit den verklagenden und veneidigenden Gedanken zusammengehören; nachdem die Tat geschehen ist, wird sie der Kritik des Gewissens unterworfen. Die Gedanken könnten einander verteidigen und anklagen, könnten aber auch U neile sein, die im Verkehr der Menschen unter~inander gefällt zu werden pflegen. Es ist nicht leicht, diese Dreiheit der Zeugen zu analysieren oder ihr Verhältnis zueinander zu bestimmen, da sie in Wirklichkeit ein einheitliches Zeugnis ablegen (cru~J1(lQt\lQEiv32). Das »Gewissen« (cruvdÖYJOL~) ist auf das Gesetz Gottes (sonst auch auf die Norm des Evangeliums) ausgerichtet und ist ein Ausdruck dafür, daß der Mensch in jeder Situation sich vor dem Urteil Gottes verantwortlich weiß. Das Alte Testament kennt zwar das Phänomen des Gewissens seit uralter überlieferung (z.B. Gen 3,8; 4,13 f.), hat aber Mühe, es begrifllich und funktionsmäßig in seinem Eigengewicht verständlich zu machen. Seine bildhafte und konkrete Ausdrucksweise, seine Möglichkeiten, diesen entscheidenden Tatbestand zu beschreiben, sind grundsätzlich anzuerkennen (vgl. auch Scham, Schuldbewußtsein, Selbstrechtfertigung, Selbstbehauptung) . Das »Herz« ist als Sitz des »Gewissens« verstanden ( I Sam 24,6; 2Sam 24, I 0), und damit ist für die Folgezeit eine bestimmte Redeweise festgelegt. Im Rabbinat tritt die Lehre von den heiden Trieben an den Ort, der den ethischen Konflikt beschreibt; der »gute Trieb« treibt den Menschen zu allem Guten an, wie der »böse Trieb« ihn zu Fall zu bringen versucht. TesrJud 20 spricht von zwei Geistern, die um den Menschen kämpfen, dem Geist der Wahrheit und dem Geist des Irrtums; zwischen beiden steht die Einsicht des Ventandes. Er kann sich dahin neigen, wohin er will. In das Herz des Menschen werden eingeschrieben der Wahrheit und des Truges Werke, so daß der Mensch sich nicht verbergen kann. Vor dem eigenen Herzen wird der Sünder rot und kann zum Richter nicht sein Antlitz erheben. Noch stärker hellenistisch ist die Beschreibung des »Gewissens« bei Philo (0\.IVe~, lleyx~). Wenn wir durch unser Gewissen der eigenen Sünden überfUhrt sind, sollen wir zu Gott flehen, er möge uns strafen; er wird uns dann helfen, indem er den zurechtweisenden Tadel, sein eigenes Wort, in unsere Seele entsendet, durch das er sie um ihrer Sünden willen schmäht und schilt und retten wird (quod. det. pot. ins. 32 O\I~QEiv heißt eigentlich: »mitbe-~eugen«, dann »bestätigen •• , »Zeugnis ablegen«. Entweder CI ist gemeint, daß das Zeugnis des Gt'wissens mit dem der Personen im Einklang steht, oder es handelt sich um t'ine feststehende Wendung mit einer Aufzählung von Zeugen wie in Röm 9,1, wo dieselbe Form wiederkehn. Man achte auf das vorangestellte auuiw. BARltETTR 53 legt ebenfalls Gewicht auf das ente Glied; das Gewissen stimmt mit dem Gesetz überein und äußert sich in bestimmten Gedanken.
Röm 2,1-16
125
sol. 46). Der Geist des Menschen ist Zeuge dessen, was er im Verborgenen plant, er ist der unbestechliche und aUeruntrüglichste überführer (poster. C. 59). Auch bei Philo ist das Gewissen der On, an dem sich ein forensischer Kampf abspielt; es ist daher Zeuge, Ankläger und Richter. Das jüdische Element bezieht sich dann auf das richtende Won Gottes, das hellenistische Element auf die kritische Funktion des menschlichen Geistes (voiJ~). Für Philo sind aber diese heiden Beziehungspunkte des Gewissens keineswegs gegensätzlich verstanden. Die begrißliche Fassung des Gewissens entfaltet sich im Hellenismus unter philosophischem Einfluß (Sextius; vgl. Seneca, de ira 3,36), wobei vielleicht die Gewissenserforschung zuletzt von den Pythagoreern übernommen wurde. Es bleibt unsicher, ob Paulus sich über das hellenistische Judentum den Begriff des nGewissenscc angeeignet hat (was an sich wahrscheinlich ist) oder ob unmittelbar Einflüsse griechischer Philosophie an ihn gelangt sind33• Jeder Mensch steht nach Paulus vor einer göttlichen Forderung, die sich unabhängig von seinem Wollen und Handeln, aber auch gegen sein Wollen und Handeln in seinem Herzen behauptet. Auch jeder Heide weiß um diese Unterscheidung von Gut und Böse, von Recht und Unrecht, sowie um die Notwendigkeit, sich vor Gott zu verantwonen. Das mosaische Gebot hat also seine Analogie im Gewissen des Menschen, das Gottes Forderung durchaus kennt. Man kann schwerlich entscheiden, ob Paulus von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus her den Inhalt des Gewissens auf den Dekalog reduziert oder an eine Bestätigung der noachitischen Gebote denkt. Daß er den Inhalt des Gewissens nicht scharf abgrenzt, ist bezeichnend. Ihm kommt es mehr auf das Phänomen der Verantwonlichkeit grundsätzlich an als auf eine deutliche inhaltliche Bestimmung. Vielleicht d~ man darauf hinweisen, daß das ~~Gewissencc als Norm auch im Christenstand durchaus lebendig sein muß, ja, daß es den Wandel in der Gemeinde immer wieder bestimmen muß. Allerdings ist sein Uneil inhaltlich keineswegs allgemein festliegend, sondern es kann verschieden reagieren.
Die Gedanken (AoYI.OJ.'O() hängen offenbar mit dem Gewissen zusammen und stellen im Bewußtsein des Menschen ein Abbild des göttlichen Gerichtes dar, indem sie sich untereinander anklagen oder verteidigen 34 • Der angeschlossene Re33 Das >lGewissencc (t'! ouvE(b1lOU;) steht im Neuen Testament nicht auf sich selbst, sondern ist Ausdruck einer Verantwonung vor Gou. Der Begrifffehlt im Alten Testament ganz, allerdings nicht die Sache. In der LXX begegnet OUVEtbt)oU; in Eccl 10,20; Sap 17,10. Bei den Griechen findet sich häufiger tO OUVE~, ebenso bei Philo. Bei Paulus fehlt eine adjektivische Bestimmung in den älteren Briefen (gutes, reines, böses Gewissen). Zur Geschichte des Begriffes vgl. M. KAHLER, Das Gewissen, 1878; R. STEINMETZ, Das Gewissen bei Paulus, 1911; H. BoHLtG, Das Gewissen bei Seneca und Paulus, ThStKr87, 1914, 1-24; F. TILLMANN, Zur Geschichte des Begriffs ••Gewissencc bis zu den paulinischen Briefen, Festschrift S. Merkle, 1922, 33~347; F. ZUCKER, Syneidesis-Conscientia, 1928; TH. ScHNEIDER, Der paulinische Begriffdes Gewissens (Syneidesis), Banner Zeitschr. f. Theol. u. Seelsorge 6, 1929, 193-211; den., Die Quellen des paulinisehen GewissensbegrifTes, ebd. 7, 1930,97-112; H. OSBORNE, l:uvd6TJOt;,JThSt 32,1931, 167-179; C. SrtcQ, La consciencedans le NT, Revbibl47, 1938, 50-80 1J. DUPONT, Syneidesis aux origines de la notion chretienne de conscience morale, Studia Hellenistica 5, 1948, Il~153;C. A. PIERCE, Consciencein the NT, 1955; B. REICKE, Syneidesis in Röm 2,15, ThZ 12, 1956, 157-162; außerdem den Exkurs von O. Kuss, Das Gewissen (R 76-82). ouvU6rt~ gehön als Begriffin die griech. PopularphilosophiG und beschreibt den an den Menschen gerichteten Anspruch, dem er sich stdlen muß. Nur dann, wenn dieser Anspruch von außen gebön und ernstgenommen wird, kann das Menschsein bewahn werden. Gebet und Gebot tragen du ursprüngliche Wissen des Menschen. 34 Nach R. BULTMANN, Glossen im Römerbrief(ThLZ 72,1947,201) soU man 1. an den Gesetzesgehonam, 2. an das Gewissen, 3. an die von Paulus gefiihne Diakuaion denken. ~ können sowohl nGedanken« als auch »Argumente« sein. KAsEMANN R 61 [ spricht von dem transzendenten
124
Ocr Richter und der Maßstab des Gerichtes
'tO lQ'yov'toü v6f.Wu (Sing.!) ist bei Paulus eine auffallende Wendung (weniger befremdlich wäre der Plural). Er denkt sicherlich nicht ausdrücklich an Jer 31,33, obwohl sich äußerlich in der Ausdrucksweise eine Ähnlichkeit feststellen läßt. Aber dort geht es um Gottes eschatologische Verheißung an Israel, hier um griechisch-hellenistische Würdigung des Heiden, der eine Analogie zum mosaischen Gesetz in seinem Herzen wiederfindet. Die ins Herz geschriebene Forderung des Gesetzes, das Gewissen und die Gedanken, die einander anklagen oder auch verteidigen, bilden eine Dreiheit von Zeugen, die dem Zeugenrecht des Alten Testaments entspricht (Dt 17,6; 19,15). Aufdem ersten Zeugen liegt allerdings wohl der Hauptton. Oder sollte in der Aufzählung nur von zwei Zeugen die Rede sein und das xa( in V 15c erläuternden Sinn haben: Das Gewissen würde dann eng mit den verklagenden und verteidigenden Gedanken zusammengehören; nachdem die Tat geschehen ist, wird sie der Kritik des Gewissens unterworfen. Die Gedanken könnten einander verteidigen und anklagen, könnten aber auch U rteHe sein, die im Verkehr der Menschen unter~inander gefällt zu werden pflegen. Es ist nicht leicht, diese Dreiheit der Zeugen zu analysieren oder ihr Verhältnis zueinander zu bestimmen, da sie in Wirklichkeit ein einheitliches Zeugnis ablegen (O'UJlJlaQ'tUQELV 32 ). Das »Gewissen ce (O'UvdÖT)mc;) ist auf das Gesetz Gottes (sonst auch auf die Norm des Evangeliums) ausgerichtet und ist ein Ausdruck dafür, daß der Mensch in jeder Situation sich vor dem Urteil Gottes verantwortlich weiß. Das Alte Testament kennt zwar das Phänomen des Gewissens seit uralter überlieferung (z.B. Gen 3,8; 4,13 f.), hat aber Mühe, es begrifllich und funktionsmäßig in seinem Eigengewicht verständlich zu machen. Seine bildhafte und konkrete Ausdrucksweise, seine Möglichkeiten, diesen entscheidenden Tatbestand zu beschreiben, sind grundsätzlich anzuerkennen (vgl. auch Scham, Schuldbewußtsein, Selbstrechtfertigung, Selbstbehauptung). Das »Herzcc ist als Sitz des )~enscc verstanden (1 Sam 24,6; 2Sam 24,10), und damit ist für die Folgezeit eine bestimmte Redeweise festgelegt. Im Rabbinat tritt die Lehre von den heiden Trieben an den Ort, der den ethischen Konflikt beschreibt; der »gute Triebcc treibt den Menschen zu allem Guten an, wie der »böse Triebcc ihn zu Fall zu bringen venucht. Tes\Jud 20 spricht von zwei Geistern, die um den Menschen kämpfen, dem Geist der Wahrheit und dem Geist des Irrtums; zwischen heiden steht die Einsicht des Verstandes. Er kann sich dahin neigen, wohin er will. In das Herz des Menschen werden eingeschrieben der Wahrheit und des Truges Werke, so daß der Mensch sich nicht verbergen kann. Vor dem eigenen Herzen wird der Sünder rot und kann zum Richter nicht sein Anditz erheben. Noch stärker hellenistisch ist die Beschreibung des ))Gewissenscc bei Philo (auvE~, lMyx~). Wenn wir durch unser Gewissen der eigenen Sünden überführt sind, sollen wir zu Gott flehen, er möge uns strafen; er wird uns dann helfen, indem er den zurechtweisenden Tadel, sein eigenes Wort, in unsere Seele entsendet, durch das er sie um ihrer Sünden willen schmäht und schilt und retten wird (quod. det. pot. ins. u O\IJlJIQQ't\.IQEiv heißt eigentlich: .. mitbneugen«, dann .. bestätigen«, .. Zeugnis ablegen ... Entweder es ist gemeint, daß das Zeugnis des Gewissens mit dem der Penonen im Einklang steht, oder es handelt sich um eine feststehende Wendung mit einer Aufzählung von Zeugen wie in Röm 9,1, wo dieselbe Form wiederkehrt. Man achte auf das vorangestellte aimöv. BARRETrR 53 legt ebenfalls Gewicht auf das erste Glied; das Gewissen stimmt mit dem Gesetz überein und äußert sich in bestimmten Gedanken.
Röm 2,1-16
125
sol. 46) . Der Geist des Menschen ist Zeuge dessen, was er im Verborgenen plant, er ist der unbestechliche und alleruntrüglichste überführer (poster. C. 59). Auch bei Philo ist das Gewissen der Ort, an dem sich ein forensischer Kampf abspielt; es ist daher Zeuge, Ankläger und Richter. Das jüdische Element bezieht sich dann auf das richtende Wort Gottes, das hellenistische Element auf die kritische Funktion des menschlichen Geistes (voü~). Für Philo sind aber diese beiden Beziehungspunkte des Gewissens keineswegs gegensätzlich verstanden. Die begriftliche Fassung des Gewissens entfaltet sich im Hellenismus unter philosophischem Einfluß (Sextius; vgl. Seneca, de ira 3,36), wobei vielleicht die Gewissenserforschung zuletzt von den Pythagoreern übernommen wurde. Es bleibt unsicher, ob Paulus sich über das hellenistische Judentum den Begriff des »Gewissens« angeeignet hat (was an sich wahrscheinlich ist) oder ob unmittelbar Einflüsse griechischer Philasophie an ihn gelangt sind33• Jeder Mensch steht nach Paulus vor einer göttlichen Forderung, die sich unabhängig von seinem Wollen und Handeln, aber auch gegen sein Wollen und Handeln in seinem Herzen behauptet. Auchjeder Heide weiß um diese Unterscheidung von Gut und Böse, von Recht und Unrecht, sowie um die Notwendigkeit, sich vor Gou zu verantworten. Das mosaische Gebot hat also seine Analogie im Gewissen des Menschen, das Gottes Forderung durchaus kennt. Man kann schwerlich entscheiden, ob Paulus von der Offenbarung Gottes inJesus Christus her den Inhalt des Gewissens auf den Dekalog reduziert oder an eine Bestätigung der noachitischen Gebote denkt. Daß er den Inhalt des Gewissens nicht scharf abgrenzt, ist bezeichnend. Ihm kommt es mehr auf das Phänomen der Verantwortlichkeit grundsätzlich an als auf eine deutliche inhaltliche Bestimmung. Vielleicht darf man darauf hinweisen, daß das )>Gewissencc als Norm auch im Christenstand durchaus lebendig sein muß, ja, daß es den Wandel in der Gemeinde immer wieder bestimmen muß. Allerdings ist sein Urteil inhaltlich keineswegs allgemein festliegend, sondern es kann verschieden reagieren.
Die Gedanken (AoyL0J10() hängen offenbar mit dem Gewissen zusammen und stellen im Bewußtsein des Menschen ein Abbild des göttlichen Gerichtes dar, indem sie sich untereinander anklagen oder verteidigen 34 • Der angeschlossene ReII Das "Gewissen« ('i\ ouveUn)oa.;) steht im Neuen Testament nicht auf sich selbst, sondern ist Ausdruck einer Verantwortung vor GOll. Der Begrifffehlt im Alten Testament ganz, allerdings nicht die Sache. In der LXX begegnet ouvelbl}oLC; in EcclIO,20; Sap 17,10. Bei den Griechen findet sich häufiger lO OUVE~, ebenso bei Philo. Bei Paulus fehlt eine adjektivische Bestimmung in den älteren Briefen (gutes, reines, böses Gewissen). Zur Geschichte des Begriffes vgl. M. KAHLER, Das Gewissen, 1878; R. STEINMETZ, Das Gewissen bei Paulus, 1911; H. BoHLlG, Das Gewissen bei Seneca und Paulus, ThStKr 87. 1914, 1-24; F. TILLMANN. Zur Geschichte des Begriffs atGewissen« bis zu den paulinischen Briefen, Festschrift S. Merkle. 1922.336-347; F. ZUCKER, Syneidesis-Conscientia, 1928; TH. ScHNEIDER, Der paulinische Begriff des Gewissens (Syneidesis), Bonner Zeitschr. r. Theol. u. Seelsorge 6, 1929, 19l-211; den., Die QueUen des paulinischen Gewissensbegriffes, ebd. 7, 1930,97-112; H. OSBOR.II/E,l:uvt:L61')OL~,JThSt32, 1931, 167-179; C. S'ICQ, La consciencedans le NT, Revbibl47, 1998. ~I J. DUPONT, Syneidesis aux origines de la notion chretienne de conscience moraJe, Studia Hellenistica 5,1948, I 19-153;C. A. PIERCE, Consciencein the NT, 1955; B. REICKE. Syneidesis in Röm 2,15, ThZ 12, 1956, 157-162; außerdem den Exkun von O. Kuss, Das Gewiuen (R 76-82). CJUYe(bwp.~ gehön als BcgrifI'in die griech. PopularphilosophiG und beschreibt den an den Menschen gerichteten Anspruch, dem er sich stellen muß. Nur dann, wenn dieser Anspruch von außen gehört und ernstgenommen wird, kann das Menschsein bewahn werden. Gebet und Gebot tragen du ursprüngliche Wissen des Menschen. l4 Nach R. BULTMANN,Glouen im Römerbrief(ThLZ 72,1947,201) soU man 1. an den Gesetzesgehorsam, 2. an du Gewissen, 3. an die von Paulus gefiihne Diskuaion denken. ÄDyUJJ.IO( können sowohl »Gedanken« als auch »Argument~ sein. KAsEMANN R 61 { spricht von dem transzendenten
126
Der Jude im Gericht
lativsatz V 16 bezi~ht sich eind~utig auf das jüngste G~richt und macht hier ein~n luUun7ulm Eindruck. Man muß vi~lI~icht rin~n Zwischengedanken einschieben: ))dies~r verborgen~ Tatbestand wird am Tage des Gerichts aufgedeckt, nämlich dann, wenn Gott die V~rborgenheit der Menschen richten wird, wie ich es in mein~m Evang~lium durch Jesus Christus verkündige«. N~hmen wir die Ursprünglichkeit eines derartigen Zusamm~nhangs an, dann ist sich Paulus bewußt, in den vorangegangenen Versen 12-15 eine kühne und anstößige Aussage g~macht zu haben, die den Widerspruch des Judentums hervorrufen muß. Er kann in dies~r Auseinand~rsetzung sich nur auf di~ eschatologisch~ Herausstellung d~r Wahrh~it beruf~n, und er tut es in ~in~r fei~rlichen, autoritativen Aussage35 • ÖUI XQLOtO'Ü 'ITJOO'Ü gehört sein~r St~lIung nach in di~ sachliche Nähe von 'to EUayytA.a.ov: ))durch m~in Evangelium, das mir durchJesus Christus aufg~trag~n istcc. And~rs wä~ d~r V~rsuch, ÖLC'i XQLOto'Ü '1'100'Ü aufXQ(VEL zurückzubezi~h~n: ))wobei Christus am jüngsten Tage Richter sein wirdcc. xa'tß 'to roayyG.L6v ....oo findet sich in feierlichen Zusammenhängen (Röm 16,25; 2Tim
2,8). Röm 2,17-29: Der Jude im Gericht 17WeDJI du dich aber ltOIz eiDm Juden DeDDII, dich auf du Gaea verWk uad dich Gottee rü hm_, li_iDen Willen kemut uad zu prifm ventelut, wonuf a .n....mt, weil du ... dem Gaetz unterrichtet bOt, "wmn du dir zutraut, ein Führer der BliDclm zu leiD, ein Ucht derer, die in der Finlterni8 lind, 20ein Er· zieher der Unweisen, ein Lehrer der Unmündipn, weil du die GataltuDl der Er· kematni. und der Wahrheit im Gesetz halt - 21 DUß, der du dm uaderea lehnt, belehnt du dich Hlb.t Dicht? Der du verlriindipt: Nicht .tehlmJ du stiehlst? 12 Der du den Satz au&tellst: Nicht ehebrechenJ du briclut die Ehe? Der du die Götzen venbecheut, du berauba ihre Tempel? 21 Du, der du dich da GeIetIeI rühmst, schindat du durch die VbertietuDl da GaeaeI Gott? 24 Wird doch der Name Gottee um euretwillen unter den Heiden verUi8ten, wie pKluiebeD ItebL
Anlpruch, den der Men.m ltaU aUi der Tora in der eigenen Exiatmz eriähn, von der reactio der Selbeduitik und der Dialektik über lieh selbst. Diesen Kriterien muß er sich lleUen, er kann sie nicht zum Schweigen bringen, und er Iteht in der gleichen AUleinandersetzung wie lpäter der Mensch nach Röm 7,7 ff. Die antike Tragödie und die hellenistische Erönerung des Gewiaaeßlprobleml können als Vorauaetzungen dieser pauliniscben Beschreibung angesehen werden. l5 Es wäre natürlich eine Erleichterung, wenn man Mdxwvtm (V 15) und XO(VEl (V 16) einheitlich futurisch verstehen könnte. A~r in diesem Fall ü~rsieht man den engen Zusammenhang zwischen V 14 und V 15. Man hat auch V 14-15 als eine Parenthese angesehen und V 13 mit V 16 zusammengezogen (SAHDAy-HEADLAM, C. H. DooD) oder V 14-15 geslrichen U. WEISS). Wicderandere Ausleger denken bei V 16 an du gegenwärtige Gericht, das sich in der Predigt wUzieht (CHL V. HOFMANN, H. E. Wuu). R. BULTMANN sieht in Röm 2,16 eine Interpolation, die vieUeicht aufden Redaktor der Schlußliturgie (Röm 16,25-27) zurückgeht. Die ltilistischen Schwierigkeiten in Ußlerem Zusammenhang lind Ichwerlich lösbar. Wichtig ilt die Zusammenfassung KAuMANNR 63 (BAUElTR 53 f.): V 15 projiziert Apokalyptik in die Anthropologie. V 161chützt diesen Tatbestand, führt sogar zu einem Höhepunkt. Der Mensch ist daraufhin ansprechbar. Paulus setzl sogar leine Autorität gerade hier ein. Die Verkündigung des Gerichtl gehört notwendig zum Evangelium, und jede urchristliche Millionspredigt verbindet sich gleichzeitig mit der Gerichtsansage.
Röm 2,17-29
127
Beschneidung hat gewiß ihren Nutzen, wenn du du Gesetz hälut; wenn du aber Obertreter des Gesetzes bist, dann ist deine Beschneidung zur Unbeschnittenheit geworden. 26Wenn aber ein Uabeschnittener die Satzungen des Gesetzes hält, wird ihm dann nicht seine Unbeschnittenheit ab Bachneidung anprechnet werden? 27Und es wird der leiblich Unbeschnittene, der aber du Gesetz erfüllt, Richter sein über dich, der du trob geschriebenem Gesetz und Beschneidung ein Obertrete!' des Gesetzes bist. 28 Denn nicht deJjen\ge ist ein Jude, der sieh öffentlich dafür ausgibt, auch ist du nicht die rechte Beschneidung, die am Fleisch geschieht und sich als Beschneidung ausgibt, 29 sondern der ist ein wahrer Jude, der es im Verborgenen ist, und das ist eine wahre Beschneidung, die am Henen geschieht durch den Geist und nicht durch den geschriebeDen Buchsaben. Du ist ein Jude, dessen Lob nicht von MeDIChen, sondern von Gott kommt. Anaryse: Mit Röm 2,17 wendet sich Paulus ausdrücklich an den Juden, und zwar an den Verkündiger des Gesetzes unter den Heiden. Der an 2,1-16 sich eng anschließende Abschnitt 2,17-29 nimmt jüdische Anschauungen auf und überwindet sie durch die Radikalisierung des Gerichtsurteils, das Paulus als Verkündiger des Evangeliums über das Judentum ausspricht. Damit wird dieser Abschnitt zum Gegenstück von Röm 1,18-32, in dem das Gericht über den Heiden ausgesprochen wird. Man kann zwei Unterteile feststellen, die sich schon im Ton voneinander unterscheiden: 2,17-24 klingt rhetorisch-dialektisch (vgl. die häufige Frageform), 2,2>-29 ist mehr lehrhaft-thetisch 1• Im ersten Unterteil steht der Vorzug des Gesetzes im Vordergrund, im zweiten dagegen die Beschneidung. Der Unterteil 2,17-24 ist letztlich ein einheitliches Satzgefüge. Paulus beginnt zunächst mit aneinandergefügten Bedingungssätzen (5 Glieder mit nachgestellter Partizipial bestimmung) , dann bricht er ab (Anakoluth) und setzt mit einer neuen Aufzählung ein, die aus unverbundenen Substantiven besteht (4 Glieder), aber auch in einer nachgestellten Partizipialkonstruktion endigt. Die anschließenden Fragesätze (oder Ausrufe) ersetzen eigentlich den Nachsatz. Sie bestehen vielleicht aus 5 (bzw. bei einer Ablösung von V 23 aus 4) Gliedern. M. J. Lagrange und H. Lietzmann sehen in V 23.24 den logischen Abschluß, wobei V 23 keine Frage, sondern eine Aussage wäre. Der zweite Unterteil 2,2>-29 beginnt zunächst mit einer prägnanten These (2,25a), die durch die folgenden tav-Sätze auf das Verhältnis von Heidentum und Judentum ihre Anwendung findet. Mit den entscheidenden Thesen 2,28-29, die als solche schon am Stil erkennbar sind, erreicht dieser Unterteil seinen Höhepunkt und Abschluß, der auch äußerlich durch den Hinweis auf Gott selbst gekennzeichnet ist. Exegese: In dem besonders lebhaften und kunstvoll aufgebauten Abschnitt sieht sich Paulus dem jüdischen Gesetzeslehrer gegenüber. Er schildert ihn mit den Ausdrücken der Würde und des Selbstbewußtseins, die der Schriftgelehrte 15 Die
1 V gl. R. BUL TM A.'liN , Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe, 1910; H. ScHLIER, Von denJudrn in Röm 2,1-29, E"Th 5, 1938,2630".; A. FRIDRICHSEN, Der wahrejude und sein Lob, Symb. Arct. 1922,390".; G. BoRNKAMM, Paulinische Anakoluthe, Ges. Aufsätze I, 2. Aufl. 1958, 76-92; Paulus spricht nicht ironisch, sondern im Hinblick auf äußerste Perversion (KASE.MAl'\NR 64). Doch vgl. A.j. HESCHEL, The Prophets, 1962,30".; 247 0".; 268 0".; 2790".; 299 ff. Der Prophet sagt oft das Gegenteil \"on dem, was er wünscht; er zieh aber ab auf die Versöhnung des Menschrn mit GOIt.
128
Der Jude im Gericht
sich selbst zuzulegen pflegt. PauJus bestreitet den Anspruch des Gesetzes-Verkündigers nicht, wohl aber deckt er den Zwiespalt zwischen Anspruch und Existenz, Wort und Handeln in ihm auf. Es gibt nach Paulus lediglich den Maßstab des Gehorsams gegen das Gesetz, der sowohl für einen Beschnittenen als auch für einen Unbeschnittenen Gültigkeit hat. Der rechte Gehorsam gegen die Gebote Gottes ist auch das Kennzeichen des wahren Israel. V 17: Paulus sagt jetzt offen, daß Gottes Angriffnicht nur dem Heiden, sondern auch demjuden gilt. Das Gericht Gottes durchschlägt alle Sicherungen Israels. Schon der BegriffnJude«, den man in der Diaspora nicht selten dem Eigennamen hinzufügte (btovo,..,ateoiklL), bedeutete für seinen Träger eine Verpflichtung 2 • Jude sein hieß: Bekenner des einen Gottes zu sein (Str-B III 96). Mochte man diese Bezeichnung auch als Schimpfwort benutzen, für ihren Träger war und blieb sie ein Ehrenname3 . Aber man nennt sich nicht nur Jude, sondern vertraut als solcher auf das Gesetz (btavwtaueoiku v6f.up)4 und rühmt sich Gottes in Gebet und Bekenntnis (xauXäoiku tv'6EJer 9,23; PsSa117, 1). Die Reihenfolge:Jude, Gesetz, Gott ist bezeichnend und bedeutet eine Steigerung. Daß diese Begriffe eng mi teinander verbunden sind, beweisen die jüdischen Gebete (z.B. ApkBar 48,22 ff.). Die Schilderung des Paulus ist also dem geschichtlichen Selbstbewußtsein des Judentums entnommen. V 18: Auffallend ist der Anspruch desjuden, den nWillen« zu erkennen. Hinter dieser Wendung steht die jüdische Gewohnheit, den Begriff)) Willen« (= Gottes Willen) absolut zu gebrauchen. So gibt es die jüdische und aramäische Formel: ))Möge es (Gottes) Wille sein« (ZnR 138). Dieser Wille bekundet sich in der Tora, denn Gottes Wille und Gesetz gehören eng zusammen. Es gehört zu Israels Ruhm, daß es allein Gottes Willen kennt; Israel hat die Aufgabe, durch Gesetz und Belehrung die Menschheit zu unterrichten. ÖOXI.,..,atEI.V'tQ öl.acptQavto ist eine Fähigkeit Israels, die in der Auslegung Verlegenheit bereitet. ÖOXI.J.latel.v heißt: )prüfen, als erprobt annehmen«; 'tcl ÖLacptQOVto weist hin auf Unterscheidungen (z.B. Gutes und Böses, Judentum und Heidentum) bzw. auf das, worauf es ankommt (das ))Wesentliche«, das )Bessere«). Wichtig ist, daß Paulus im Gebet wünscht, die Gemeinde möchte die Fähigkei t empfangen, die Unterschiede zu prüfen (Phil I, I 0). Es handelt sich also um eine feststehende hellenistische Wendung5 , die eine besondere Bedeutung sowohl für das Juden turn als auch für die christliche Gemeinde gewonnen hat. Es :z Zum Begriff»Jude« vgl. Apg 18,2.24; 22,3 (fester Stil!); A~oh 2,9; 3,9 (beide Male als Ausdruck jüdischen Stolzes). Vgl. auchJos. c. Ap. 1,165. Auf Grabinschriften findet sich 'Iouooioc; z.B. CtG 9916; 9926; CIJ I 530.643. Man nennt sich »Jude« um der Nichtjuden willen. 3 Der Begriff6 'I~ ist alao andersartig a11'E~~ und 'IOQCJ11A.(tT)I;. Es geht Paulus hier nicht um Sprache und Heilsgeschichte, sondern um das Verhälmis des Juden zum Heiden. Wie das Sclbstbcwußtscin des Judentums selbst das Gebet bestimmt, zeigt deutlich 4Esr 6,5!>-59. 4 b:avamx6eotOL v6f.up hei.8t: »sich ausruhen, sich stützen aufdu Gesetz« Mi 3,11; 2Kön 5,18; 7,2.17; Ez 29,7; I Mall 8,11. S Weitgehend haben die Kommentare von M. J. LAGRANGE, SANDAy-HEADLAM und H. LIETZ. MANN das hellenistische Material zusammengestellt, ohne allerdings die Frage aufzuwerfen, inwieweit diele Wendungjudaisicrt wurde. Paulus schließt sich ofl"cnbar an den Sprachgebrauch der hellenistischen Synagoge an. Es fällt übrigens auf: wie schillernd die Wendung im damaligen Hellenismus gebraucht wird.
Röm 2,17-29
129
liegt nahe, daran zu denken, daß man die eigene Berufung gegenüber der heidnischen Umgebung durchsetzen muß und daß eine feste katechetische Unterweisung dazu dient, die Grenze gegenüber dem Heidentum aufzurichten. Die Wendung will besagen, daß man im konkreten Leben die rechte Unterscheidung zwischenjudentum und Heidentum finden muß und sich dabei vom Gesetz belehren läßt 6 • xaTrJXEia6aL paßt gut in diesen Zusammenhang und geht in die Richtung einer katechetischen Unterweisung (Gal6,6; IKor 14,19). Es handelt sich also um eine katechetische Tradition. V 19: Es folgt eine Gruppe von zwei mal zwei Gliedern, die durch "tE angeschlossen sind. Der asyndetische Stil entspricht den Aufzählungen (Röm 1,29 ff.). Wir sehen den Gesetzeslehrer vor uns, der sich zum Wegweiser für die heidnische Welt berufen weiß. Dabei haben wir zunächst an die konkrete Berührung der hellenistischen Missionspredigt mit der heidnischen U mgebu~ zu denken, in der diese Begriffe des Paulus eine RoUe spielten, doch sind diese Begriffe in eine darüber hinausreichende ältere Tradition gesteUt.ntJtoLfa; hat nach M. Luther einen abwertenden Klang (»du vermissest dichcc); gemeint ist ein naives, vor der Wahrheit des Evangeliums zerbrechendes Selbstvertrauen (securitas). 6bTribc; wcpA.WV setzt ebenso wie in Mt 15,14; 23,16.24 eine bestimmte Tradition voraus, die wir bisher nur lückenhaft verfolgen können. Eine genaue Parallele aus dem Rabbinat fehlt bisher'. Sicher ist, daß der Jude sich als Wegweiser und Führer des Heiden berufen wußte (äthHen 105,1; OrSib 3,194 f.;Jos c. Ap. 11 41). Daß die Heiden »Blinde« sind, daß man selbst das »Lichtc( bringt, für die Heiden ))Lichtbringer« ist, setzt einen ganz bestimmten Bildkreis der jüdisch-hellenistischen Missionssprache voraus (Sap 18,4). Ist der ))Blinde« sehend, die ))Finsterniscc beseitigt worden, dann bleibt der Bekehrte trotzdem noch unbeholfen und unmündig. Darum sieht der Schriftgelehrte gütig und überlegen als ))Erzieherc( auf die ))Torencc, als ))Lehrer« auf die ))Unmündigencc herab. Die Verbindung von naLÖEU'tiJ; und Ö~ ist ebenso überzeugend wie die Zusammenstellung von dcpQove; und vTptLOL. In gewisser Weise bleibt also die überlegenheit des Schriftgelehrten auch dem Proselyten gegenüber erhalten. Den Abschluß bildet wieder eine Partizipialkonstruktion, die sicherlich als eine Art Höhepunkt angesehen werden muß (fxovta ... ). YVÖKJL; und cUytitELa sind feierliche Begriffe, in denen sich die Sehnsucht • Man acht~ auf di~ eigmartig~ Präposition b, di~ zu d~m Partizip xcmtX~ hinzutritt. b kann jüdisch v~rstand~n ~rd~n und dm L~hm' bez~ichn~n, von d~ man lernt. Der Gritth~ würd~ vi~lIeicht an das Ges~tz als ~hrbuch dmk~n, aus d~m man I~mt. Vgl. W. BACHER, D~ ält~st~ Terminologi~ d~r jüdischen Schriftauslegung, 1899,95. 7 Wichtig ist vor all~ di~ Berührung mit Deuterojesaja (42,6.7: ~ ~oU~~, 49,6: ac;~ ttYciJy = Apg 13,47). Es lieht 10 aUl, als habe man aufden Lehrer der Tora die Gonesknecht-Sprüche angewandt. All Parallele wird BQ 52a notiert: .Wenn ein Hin über .eine Herde zürnt, macht er den Leithammel blind.. (Ser-B 1721; SANDAy-HEADLAMR 65). Wichtig ist das Selbst~ßlIein des Beters in IQH 2,8-9: .Ich bin eine Schlinge für die Sünder und ein Arzt für alle, die umkehren von der Sünd~, Klugheit für die Törichten ... Vgl. auch IQ 126, fr. 28b, Col. IV 1.7 r. (priesterliche Ben~iktion): .Er mache dich ... zu einer großm ~uchte, zum Licht für die W~h in Erk~nntnis, umdas Angesicht der Viel~n zu erleucht~n (mit der W~isheitdes ~bms) ... Vgl. IQH 4,1.7: .. Durch mich hast Du das Antlitz von vielen erleuchtet .• TestLevi 18,3.9 über d~n priest~rlich~n Messias: .. Das Licht der Weish~it.trahlet auf«; -die Heiden ... werden durch die Gnadr des Herrn erleucht~t .•
130
Der Jude im Gericht
des antiken Menschen, aber auch der Anspruch der Philosophie und der Religionen widerspiegelte. Die Offenbarung Gottes im Gesetz verspricht die •• Gestaltungee (f.l~ sonst nur noch in 2Tim 3,5), die vollkommene Ausprägung der Erkenntnis und der Wahrheit. Vielleicht hat es sogar eine jüdische Propagandaschrift unter diesem Titel gegeben (H. Lietzmann)9. Im Gesetz nimmt die Erkenntnis und Wahrheit konkrete Gestalt an. V 21 ff.: Es folgen fünf (bzw. vier) gleichgebaute Sätze (der fünfte faßt die vorherigen zusammen), die man als vorwurfsvolle Fragen oder als anklagende Aussagen (vulg.) auffassen kann. Der entscheidende Vorwurf gegen den Juden besteht darin, daß er selbst das Gesetz nicht erfüllt. Er lebt nach Gottes Urteil in dem Widerspruch zwischen Wort und Tat. Auch das Rabbinat weiß, daß Lehren und Tun, die Belehrung des anderen und die der eigenen Person keineswegs zusammenfallen (Ab R. Nath 29) 10. Die Formulierung des Paulus entspricht wörtlich der Ausdrucksweise des Rabbinats. Was aber für das Rabbinat eine Möglichkeit ist, die es selbst vermeiden will, ist nach Paulus eine grundsätzliche und allgemeine Tatsache, unter der man leiden müßte. Aus einer rabbinischen Diskussion wird eine Anklage gegen das Rabbinat überhaupt. Vor dem radikalen Gesetzesanspruch wird der Selbstwiderspruch des Menschen, der unter dem Gesetz steht, offenbar". Paulus greift einzelne Gebote des Dekalogs heraus, ohne sich jedoch an dessen Reihenfolge zu binden. Die Partizipien bLMoxoov, xT)Q'U(JOO)'V, Al.yorv sind miteinander verwandt, obwohl die Färbung dieser Verben verschieden ist. Alle drei sprechen von einem ötJ"entlichen Lehramt, alle drei weisen zurück auf das armäische ";f ~ (= »du sagstcc), das häufig Bibelworten voransteht l2 . Die Abwechslung entspricht hellenistischem Stilempfinden. bL6llaxwv drückt den Lehrsatz, xT)oVoowv das Predigtwort, ).t:y0l'Y das exegetische Zitat aus. Die Infinitive als Form des Verbotes finden sich im Neuen Testament wie auch sonst häufig (BI-Debr 409,2). Obwohl der Diebstahl grundsätzlich verboten ist, entsteht im • Vgl. Sap 18,4; OrSib3,195;Jos. c. Ap. 2,193,2; Philo; vgl. LwnR 43 (Hinwds auf Gebete des hellenistischen Judentul11l);
KAs~MANNR
66 mit weiterem Material.
• ~&; ist nach PALLISR 54 vielleicht ein stoischer Begriff; er selbst setzt ~&; mit "aL6Euo&; gleich, weil im Griechilchen ein wohlenogener Mensch "0QCP06~ heiße. H. UETZMANN
und H. ScHuER denken an den Titel einer jüdischen Propagandaschrift. KAsEMANNR 66 deutet den Begriff ~&; mit Recht von der Koine aus. 10 Abba Schaul b. NannOi (ein Tannait) sagte: .. Du hast manchen Menschen, der sich selbst lehrt und nicht andere lehn; der andere lehn und sich selbst nicht lehn; der sich selbst und andere lehrt, und der weder sich selbst noch andere lehn .. .H Ähnlich Dtr 2 (l98b): R. SimJai hat gesagt: .. Da sitzt dn Gelehner und trägt öffentlich vor der Gemeinde vor: du sollst nicht auf Zins leihen! und er selbst leibt auf Zins! Er sact: Du soUat nicht rauben! Und er selbet raubt. Er ugt: Du IOUst nicht stehlen! Und er selbst stiehlt.« Paulus am nächsten kommt ein Ausspruch R. Jochanans (Str-B 111 107). 11 R. Jochanan b. Zakkai entwirft ein Sittenbild von den inneren Zuständen des jüdischen Volkes aus den letztenjahrzehnten vor der Tempelzenlörung, das von StreB 111 105 r. als Bestätigung und Ergänzung der Wone des PauJus bezeichnet wird. Ebenso radikal ist die apokalyptische Gerichtspredigt (TestLtv 14,4 ff.), nach der die .. Leuchten Israels.. selbst in Finsternis sind durch ihre Sünden, da sie Gebote geben, die den Satzungen Gottes zuwider sind, die Opfer berauben, ungesetzliche Verbindungen eingehen usw. Dam 4,12 ff. spricht von den ..drei Netzen Belials«, mit denen Israel gefangen wird: Unzucht, ungerechter Reichtum und Beneckung des Heiligtums. Dir Gerichtsprrdigt des PauJus über Israel hat also ihre Vorgeschichte und ihre Vorbilder. IJ W. BACHD, Die exegetische Terminologie 11, 1899, 11.
Röm 2,17-29
131
Rabbinat eine Diskussion, ob dem Nichtjuden gegenüber die Härte des Gebotes erweicht werden kann 13 • Der Rabbi weiß auch um seine geschlechtliche Versuchbarkeit (bQid 8Ia.b). Nur Gott selbs~ nur seine Engel retten den Angefochtenen aus der Gewalt Satans. Auch Raub am heidnischen Tempel ist nicht ganz ausgeschlossen, obwohl das Gesetz die Scheu vor dem heidnischen Götzendienst lehrt. Da der Götze für den Juden ein ))Nichtscc ist, ist sein Besitz nicht mehr unantastbar. Tempelberaubung war in der damaligen Zeit keineswegs selten (vgl. Apg 19,37)14. DemJuden war der Venuch, Gold oder Silber an den Götzenbildern zu entfernen und sich anzueignen, verboten (Dt 7,25;JOI. ant. 4,207). Trotz dieses Verbotes war es nicht unmöglich, daß auch einjude ein Götzenbild bestahl (AZ 50. - Str-B 111 114). Denkt man an eine Beraubung des jüdischen T empe1s, so wäre Ähnliches gemeint wie in der sonstigen innerjüdischen Gerichtsprcdigt (z.B. PlSaI 1,6 ff.; 8,12; TestLcv 14,4 ff.; Dam 6,15 ff.). Von einem jüdischen Gelehrten, der sich zur Zeit des Tiberius in Rom aufhielt, erzähltjOI. ant. 18,81 0".: er tut sich mit gleichgesinnten Gefährten zusammen und überredet die Proselytin Fulvia zu einer großen Spende an das Heiligtum inJerusa1em, unterschlägt sie aber zu eigenen Zwecken. Die Folge war diejudenvertreibung aus Rom. DelitzschR 77 sammelt die in Betracht kommenden SteUen aus AZ und folgert: »Der Jude konnte, indem er einen heidnischen Götzen wegnahm, sogar ein gutes Werk zu tun meinen, weil er den Heiden den Gegenstand ihres falschen Kultus entzog.« PaUisR 56 nimmt an, daß der Text verdorben sei, da Juden und Christen die heidnischen Tempel nicht betraten (vgl. T ert. apol. 15). Schon Bentley konjiziert: l.eQo&vui;. Die Entsprechung zu d&oMl ist der heidnische, nicht der jüdische Tempel.
Zusammenfassend fragt V IS, ob nicht das Sichrühmen im Hinblick auf das Gesetz dadurch seine Wahrheit verloren hat, daß man durch die konkret vollzogene übertretung des Gebotes Gott die Ehre nimmt. Der übergang vom Partizip in einen Relativsatz könnte einen Zusammenschluß von V 23 mit V 24 rechtfertigen; man könnte sogar statt der zusammenfassenden Frage eine abschließende Aussage annehmen: ))du nimmst Gott die Ehre« 15. Die übertretung der Gebote bringt nach jüdischer Anschauung die Entheiligung des göttlichen Namens ("tI"'~) mit sich. Die Vorwürfe des Paulus erhalten ein neues theologisches Schwergewicht durch das im Verständnis veränderte Schriftzitat von V 24. Jes 52,5 klagt ursprünglich über die Schändung des Namens Gottes durch die Zwingherren Israels, aber Paulus hat das Septuaginta-Zitat als Vorwurf Israel gegenüber verstanden l6 . Um der übertretungen Israels willen schmähen die U ..Sein
'4
Verlorenes ist erlaubt .. ; .. Das, um was er sich im, ist erlaubt«. Str-B 111 lOB f.
pt)u.uooro6ru (im Neuen Testament nur noch Ap~oh 21,8) heißt: »verabscheuen« und wird
vor allem rur die im Gesetz gebotene Scheu vor dem Götzendienst gebraucht. le(K>ouwv kann ~i erlei bedeuten: I. einen Tempel bcTaubm (2Mill9,2); 2. unehrerbietige Handlung gegen ein Heiligtum velÜbm (Ditt. Sy1l3. Auß. 578,47 fI'.); 3. Tempelgelder veruntreuen. Vgl.Jos. c. Ap. 1,310 f.: der Antisemit Lysimachus von Alexandria leitet Hierosolyma von einem unpriinglichen Namen 'IrQOOuAa ab. 's Die Entheiligung des Namens Gottes ist das Gegenteil von seiner Heiligung, die Israel auferlegt ist. Entscheidend ist das Verständnis von Lev 22,32: »Entweiht meinen heiligtn Namen nicht, damit ich geheiligt werde inmitten der Kinder Israel« (Str-B I ~18). 16 Paulus schließt sich der LXX an, läßt 6th mJVt~ fon und setzt staU jW\.I zur Verdeutlichung urü hoü tin. Dieser exegetische prozeß milDen an die Verwendung von Ez 36,~23 imJudentum (bJoma 86a - StreB 1415). SOU.ATrER, Gerechtigkeit 106 vermutet, daß der LXX-TextaufGrund des Römtrbriefcs verändert sei.
132
Der Jude im Gericht
Heiden den Namen Gottes. Die Sendung Israels, durch seinen Gehonam Gott zu preisen, wird also ins Gegenteil verkehrt. Das nachgestellte xa~ ytyomnm ventärkt die Autorität des Schriftwones. Nach der polemischen Auseinandenetzung mit dem Schriftgelehrten (V 17-24) verfällt Paulusjetzt wieder in einenle",luIflm Ton. V 25hatdie Form einer TMSt, die sich gegen eine bestimmte rabbinische Anschauung wendet. Die Diskussion über das Gesetz spitzt sich zu einer Diskussion über den Wert der Beschneidung zu (V 25-29). Die Beschneidung ist das Zeichen der Zugehörigkeit Israels zum Bund mit Gott, ist aber auch die Bürgschaft für den im Bund von Gott verheißenen Segen. Gesetz und Bund, Bund und Beschneidung gehören daher eng zusammen; eine Auseinandenetzung über das Gesetz wird notwendig zur Frage nach dem Bund. XEQL'tOflTt kann dreierlei Bedeutung annehmen: den Akt der Beschneidung, den Zustand des Beschnittenseins und die Gemeinschaft der Beschnittenen (= dasjudentum) 17. Zum Lehntil der These gehört auch der Sprachgebrauch von dJq>deiv (hebr. =»1: hi.). Mit diesem Verbum ist nicht irgendein profaner Nutzen, sondern die theologische Erfüllung eines Anspruches gemeint (vgl.Joh 6,63; GaI5,2; Hebr 4,2; 13,9). Die Beschneidung hat schon im Alten Testament bewahrenden Charakter (Ex 4,240:), den sie auch in der späteren jüdischen überlieferung beibehalten hat (Str-B III 119). Paulus verneint nicht die Kraft der Beschneidung, verlangt aber, daß der beschnittene Israelit das Gesetz durch sein Handeln erfüllt. VÖJ.lOV ~OElV ist eine aus demJudentum übernommene Wendung1'. Nach Paulus erfüllt man das Gesetz, wenn man den radikalen Willen Gottes erfüllt. Gehorcht man ihm wirklich, dann wird die Beschneidung zum echten Bundeszeichen. In diesem Fall wird die Beschneidung nicht zur Ursache menschlicher Sicherheit, sondern zur Bestätigung der göttlichen Verheißung. In diesem Sinn ))nützt« sie. Diese Möglichkeit besteht aber nur von Gott, nicht vorn Menschen her 1'. Entsprechend gilt die Negation: die übenretung des Gesetzes verwandelt die Beschneidung in Unbeschnittenheit. Die Sprache des Paulus ist rabbinisch bestimmt. Das ytyOVE'V entspricht dem A.oyt.o6fJOEtQL (V 26)20. Das Uneil Gottes entscheidet über das, was sich am Menschen hier auf Erden voUzieht. Vor dem Gesetz kann die Beschneidung nie zur Unbeschnittenheit werden, da die Beschneidung im allgemeinen ihre Kraft behält. Paulus denkt auch hier antithttisc": wer auf die Kraft der Beschneidung 17 Zum Verhälmis von Gesetz und Beschneidung vgl.Jos. ant. 20,34-48 (ü~rtriu und Beschnt"idung des lzates). '"Ql~opfl ab Umschreibung des Judentums bqegnet in Röm 3,30; 4,9.12; 15,8. 11 Y6pov XQ600UV (0. cpvMWorLV) entspricht dn- jüdischt"n Wmdung ~ (SOt 32,30). 1. Y6pov ~V ist t"in außm>rdt"ntlich starkt"r Aumruck, dt"r gt"Wiß nicht ethisch odt"r gest"tzlieh bestimmt wm:lm kann. Nach M. LUTHER vt"ntmen die Gqnt"r dt"S Paulus seine Wone nicht, nehmen auch nicht an, daß leine Ikuneilung ihm Penon sie wirklich treffe. Sie bt"Zit"henja die Tatm und Gebote nicht aufdm inneren Mmschm. »Entgegnen sie, sie hieltm das Gest"tz,lOantwonet er: ja, aoo nur nach außen hin. Es ist rine Beschneidung des Fleisches, a~r nicht dt"S Gt"istt"S, weil sie ohne Gnade geschieht, die dm Geilt beschneidet .. (E. ELLWEIN 78). M. LUTHER hat ein starkes Empfinden dafür, daß die Wendung v6faov xQOoauv nicht von der gt"Setzlichen E~nt" aus vt"rstanden werden kann. 20 Dit"S ytyavn erinnen an das rabbinische ~ :t1'I~ (Ser-B 111 119).
:ryv.:r,.,
Röm 2,17-29
133
pocht, hat dies Bundeszeichen mißverstanden. Er steht nicht mehr in der Beschneidung, sondern in der U nbeschnittenheit, nicht mehr unter der Gnade, sondern unter dem Zorn 21 . V 26: In scharfer Dialektik verfolgt Paulus die nun entstehenden Möglichkeiten im göttlichen Gericht. Es könnte ja sein, daß ein Heide die Satzungen des Gesetzes erfüllt. ä~U-7 bestimmt. In ihnen wehrt sich der angeklagte Jude gegen ein Verfahren, in dem der Kläger seine Absichten durchführt und ihn, den Angeklagten, dabei für dies Verfahren verantwonlich macht. Während Röm 3, I den Ansatz einer Antwort in 3,2 erhält, werden die späteren Einwände lediglich zurückgewiesen. Die Tatsache des Weltgerichtes genügt, um dem theoretischen Einwand 3,5 die Kraft zu nehmen. Auch die nächste Frage 3,7 geht von einer falschen Voraussetzung aus, die darin besteht, daß sie die Verantwonlichkeit des Menschen in Frage stellt. Wer so redet, begibt sich auf eine schiefe Bahn, denn er wird schließlich in die Nähe derer geführt, die dem Paulus eine falsche These unterschieben und dadurch ihre ganze Verwerflichkeit offenbaren. Die Satzkonstruktion von V 8 ist schwierig und bedarf einer Auflösung.
Röm 3,1-8
137
Man darf die Frage stellen, ob Paulus durch dies dialogische Spiel von Frage und Antwort den Gedankengang lediglich weitertreiben will, oder ob er zum Ausdruck bringen will, daß der Gegner durch seine theoretischen Einwände die Ebene noch nicht betreten hat, auf der eine ernsthafte Diskussion allein möglich ist. Auch die knappe Antwort in 3,2 ist ja nur eine Vorwegnahme der späteren Ausführung in Röm 9,4 ff., aber keine befriedigende Antwort. Selbstverständlich ist als Gegenüber wieder der »Jude« zu denken, dessen Vorrechte im vorangehenden Kapitel angegriffen wurden. Seine theoretischen Einwände werden durch Gegenfragen bloßgelegt. Man mag die Frage stellen, ob ein Einschnitt zwischen Röm 2,29 und 3, I zu erkennen ist; sicherlich sind die beiden Abschnitte 3,1-8 und 3,9-20 eine Verstärkung der Anklage von Röm 2, während erst in Röm 3,21 ff. ein neuer Gedankengang einsetzt (A. Nygren). Das Schwergewicht der Abschnitte 3,1-8 und 3,9-20 liegt offenbar in denSchri}kitalm, die zum Ausdruck bringen sollen, daß das Alte Testament selbst zum Zeugen für die Anklage des Menschen bzw. desJ uden wird. Der Verkündiger des Evangeliums steht mit seiner Anklage des Menschen nicht allein, sondern kann sich auf das Alte Testament selbst berufen. In diesem Sinn werden die abschließenden Verse 3,19.20 zum eigentlichen Höhepunkt des Abschnittes. Der Prozeß Gottes gegen den Menschen wird durchgeführt! Exegese: Wenn Gottes Urteil nicht mehr nach dem fragt, was dem Menschen vor Augen ist, sondern nach dem, was sich im Herzen des Menschen abspielt, dann scheint der Vorzug Israels dadurch hinfcillig geworden zu sein. Es erhebt sich also der Einwand, worin der Vorzug des Juden besteht oder was eigentlich der Nutzen der Beschneidung ist. Die Doppelfrage von V 1 entspricht an sich dem paulinischen Stil (zum korrelativen ft vgl. Röm 10,6 f.; 11,34 f.). BeideGlieder hängen sachlich eng miteinander zusammen, denn der Vorzug des Juden wird im Akt der Beschneidung erkennbar l . Aber selbst für den, der die Kampfthesen 2,27-28 aufgestellt hat, ist der Vorzug des Juden und der Beschneidung unbestritten. Mit einer gewissen Leidenschaftlichkeit versichert V 2: »auf alle Fälle« oder 'taufjegliche Art, in jeder Hinsicht«2. Daß der Vorzug des Juden bestehen bleibt, hängt mit dem ihm anvenrauten Pfand der »Gottessprüchecc ('ta A.6yLQ 'tO'Ü 'ÖEO'Ü)3 zusammen. Was anvertraut ist, kann nicht Israels Eigentum und Ruhm sein. 'tel k6yLa 'tO'Ü itEo'Ü ist ein besonders feierlicher hellenistischer Ausdruck; man schwankt, ob mi t diesen »Gottessprüchen« die spezielle Offenbarung Gottes am Sinai oder die dem Volk gegebenen Verheißungen (Röm 9,4 ff:) gemeint sind. Das vorangestellte xQ-26 (Stichwort: lAa<Jti)QLOV); V 27-31 (Stichwort: n:(atL~). Auch stilistisch sind diese drei Gruppen deutlich voneinander zu unterscheiden. Die beiden ersten Gedankenkreise (V 21-24.2>-26) setzen sich durch einen proklamalorischen Stil von ihrer Umgebung ab: man erkennt ihn an einer gewissen Feierlichkeit, an der Betonung ausgewählter Begriffe und am Zurücktreten der Verben und Adjektivei. Vor allem in V 25.26 löst sich das SatzgefUge in präpositionale Wendungen auf, die unverbunden nebeneinander stehen. (ÖL« ... tv ... El~ . .. ÖuI ... tv ... n:Q6~ ... ). Auffallend ist ferner, daß in diesen Satzkonstruktionen ein Teil der Begriffe durch andere ausgelegt oder wiederholt wird (z.B. Ö dC; tO dval autOv o(XQLOV xat bLXOLOÜVM tOv bc lt((nEl.O auto\) atf.1atL). Wir haben es hier mit feierlichen Formeln zu tun, die eine ältere Tradition verraten (vgl. I Kor 11,25). Es wäre nicht verwunderlich, wenn die von Paulus übernommenen Heilsbegriffe lmOAlrtQWOLS und lAaO't"f)QLOV aus einer Abendmahlsliturgie stammen würden (wie z.B. xaLvTJ öLa'fhlX'l in lKor 11,25). Die Befreiungstat Gottes wird in V 25 als Sühnopfer (LAaL" 00 ... ) ist ähnlich aufgebaut wie V 2 und läßt auf einen bestimmten doxologischen Stil schließen 35 • Das doppelte 00v von V 9.11 darf nicht übersehen werden: jetzt schon hat die Gemeinde die Versöhnung empfangen. Das Verhältnis von Rtthifntipllg ~ Vtrsö!uumg wird in Röm 5,1 f.; 9f.; 11,15als logische Folge, als Wechsel des Aspekts und als Anschluß an eine verwandte Deutung des Christusgeschehens geschildert. Auf jeden Fall schließt sich die Versöhnungslehre hier der Rechtfertigung an, nicht umgekehrt. Versöhnung der mit Gott verfeindeten Menschen bzw. des KOimos müssen voneinander getrennt werden; die Liebe Gottes, die Sendung des Sohnes als des Mi tden, die Befreiung von Mächten treten stark heraus; die Kernstelle 2Kor 5,18-20 bedarfder Erwähnung (Koll,2O ff.; Eph 2,14-18). Versöhnung, Friedenschaffen, Zugang zu Gott gehören eng zusammen. Sühne und Versöhnung sind allerdings verwandte Wortstämme, der Hinweis aufdas •• BlutJesu Christicc erinnert an die Rechtfertigung Röm 3,24 f. Daß die Weissagung vom GottesImecht hinter Rechtfertigung und Versöhnung steht, darf nicht vergessen werden (Röm 4,25; 2Kor 5,21; vgl. J. Murray, Appendix C. 375-383). »Feindschaft« gegen Gott sollte nicht gegen »Zorn Gottes« über den Menschen ausgespielt werden (andenJ. MurrayR 112); das Schwergewicht liegt jedoch auf dem aktiven Sinn (der Mensch als Aufrührer gegen Gott!). Venähntsein legt Gewicht auf den Zustand, das Ergebnis, die Frucht - daher fällt in manchen DanteIlungen die Betonung auf die VerlÖhnung (z.B. P. Grelot, Peche originel et redemption, 1913). E. Käsemann, Erwägungen zum Stichwort: VeRÖhnungslehre im NT (Zeit und Geschichte, 1964, 41-60) wendet sich gegen das Schwergewicht, das von der Venöhnung ausgeht. Daß in 2Kor 5,19- 21 ein frühpaulinisches Grundelernent zu fmden ist, halte ich für wahrscheinlich (anders E. Käsemann a.a.O. 50).
Röm 5,12-21: Der neue Mensch und die neue Menschheit l1n.um, wie durch eiDea Meallclaea die SäDde in die Welt biDeiDbm UDd durch die SÜllde der Tod, aad _ der Tod ..., alle MealChen äcb ....a.eitete, weDja alle peönclil'luIbea - 13dea.a bia l1li' Zeit, da . . GeIea wurde, war$üacle in der Welt; Süade lIber wird Dicht aapredmet, WeDD keiD GeIea da ist; 14troadem hat der Tod von Adam bia MOMa aeiae Herncbaft aach über die aaapübl, die Dicht Öl der peichea Webe wie Adam darch Vbertretaaa eme. LetdmmteD Geb0ts ~ me.er Adam iR Bild da zaIdiaftipa Meuchea. 15 Doch plt Dicht der Sall: wie die tJt,a betuac, _ auch die GIIIIIIeapbe. DeIm WeIIII dan:b die tJbertretaac da Eiaea die Vielen .aarbea, WB wievieI mehr Ut daaD die Gaade Gotte. UDd du ea.denpKbmk da eiDeD Meaachea Jesaa Chriatua dea Vielea reicbHch zuteil gewonleD. 16Uad es plt Dicht der Salz: wie die SüDcIe da EiDea,
P'"
~ 00 t.abvoY 6t (1lOÜ1O De GF) wird von manchen Aualegun gedanklich durch ~ bzw. omt~ erpnzL JS Zwn Problem des ~ a1a eines goctadiensilichen AktCI vgI. W. BoVSSET, K yrioa ehri1101,2. Auß. 192I,I09;LYDEl.BaUN,Symb. Ara. I, 1922, 190: Du Panizip~iatindib tiviach oder Ir.obonativ vencanden.
Röm 5,12-21
185
10 du Geschenk. DemI du Gericht erging wepD des EiDen zur Veru.rteiung, die GDMIengabe aber kommt auf Grund vieler VbertretunpD und führt zur Gerechtsprechung. 17De1m weDD durch die Vbertretunpn des EiDen der Tod zur HerrIChaft kam durch den EiDen, um wieviel mehr werden die, die den V'berflu8 der Gnade und des Geschenb der Gerechtigkeit empfangen, im Leben herncheD durch den EiDen, Jesua CIuUtua. 18 Wie es Dun durch die Vbertretung des EiDen zur Verurtei1ung für alle MeDICheD bm, 10 kommt es auch durch die Rechttat des EiDen für alle Menschen zur Rechtfertigung, die ewips Leben IChenkt. 19Dem1 wie durch den Unphonam da eiDen Menschen die Vielen als Sünder hingestellt wurden, 10 werden auch durch den Gehonam des EiDen die Vielen als Gerechte h.iDpsteIIt waden. 10 Du Gesetz ist aber daneben hineingekommen, damit du Mal der Sünde ueb mehre. 11 Wo aber die Sünde sich mehrt, da fIie8t das Mal der Gaade iber, damit, wie die Sünde hfS'l'lChte durch den Tod, 110 auch die Gnade hernche durch Gerechtipe1t zum ewigen Leben durch Jesus Christus, uueren Herrn.
Ana!Jst: An denJubelrufRöm 5,1-11 schließt sich ein ganz andersartiger Abschnitt an, der die apokalyptische Gegenüberstellung: Adam-Christus zum Inhalt hat. War Röm 5,1-11 geradezu im Stil eines Lobpreises gehalten (Wir-Ton), so erscheint Röm 5,12-21 als eine Meditation, die den Sinn des Kreuzes und der Auferweckung eschatologisch und kosmisch ausweitet. Derartige Rückblicke auf die Geschichte unter einem gegebenen Gesichtspunkt sind allgemein-jüdisch: man faßt zusammen, was eine vergangene Zeit zu dem behandelten Thema zu sagen hatte (z.B. JuLiläen, äthHen). Es ist also von vorne herein anzunehmen, daß Röm 5,12-21 die Rechtfertigungslehre Röm 3,21-31 eschatologisch und apokalyptisch im Sinn der Gegenüberstellung alter und neuer Mensch entfaltet. Trotz der Verklammerung von Röm 5,12-21 durch XQ'taUayMe; 0 «P steht für bti "[olm!> Ö"[L und begründet das allgemeine Todesschicksal (»weil sie alle gesündigt haben« bzw. »unter dem Umstand, daß alle gesündigt haben«)4. Die lateinische übersetzung: in quo omnes peccaverunt verschiebt den Geanken (in quo = in Adam) 5 • Seit Adam, dem Haupt der alten Menschheit, ist diese bewußte und unbewußte Macht der Sünde, der Auflehnung gegen Gott eine ständige Tatsache in der Geschichte der Menschheit.Jeder wird in diese Schuld gegen Gott und .in dies Todesgericht hinein verflochten (1taV"ta~-1tav"tE~; vgl. auch Röm 3,23). Der Zusatz »alle haben gesündigt« deutet die enge Verbundenheit von Schicksalhaftigkeit und eigener Schuld an. Auch imJudentum war diese enge Beziehung zwischen dem Tod als Verhängnis und als Folge eigener Schuld schon gesehen worden. Im Judentum sind beide überzeugungen vorhanden: I. Der Tod ist ein Verltiingrris das J
wegen der Sünde Adams über die Menschen gekommen ist (4Esr 3,1.21 f.; 1,118; Apk.Bar 17,3; 23,4; 48,42; 54,15.19). Ausdrücklich heißt es, daß die ))Krankheit« dauernd wurde, daß Gott den Tod über Adam und seine Nachkommen verordnet und Adam die Jahre derer verkürzt, die von ihm abstammen. Freilich tritt dann in der Apokalyptik auch das Motiv der persönlichen Verantwort ung hinzu: •• wir alle aber wurden jeder für sich selbst zum Adam« (ApkBar 54,19).2. Der Tod ist die Strafe für die Sündejedes einzelnen Menschen (vgl. Schab 55a). Allerdings gibt es Menschen, die den Tod nicht durch eigene Sünden verschuldet haben, die aber infolge des Rates der Schlange sterben. Die Frage, ob es einen Tod ohne eigene Schuld des Menschen gibt, ist für die alte Synagoge offengeblieben (Str-B 111 229). Grundsätzlich schließt sich die paulinische Theologie insofern an das Frühjudentum an, als sie ebenfalls in der Auslegung der Sündenfall-Geschichte das Motiv des Verhängnisses mit dem der persönlichen Bestrafung verbindet.
V 15 f.: Unsere Meditation geht im Hinblick auf das Gesetzesverständnis auf die Kindheitsgeschichte der Menschheit zwischen Adam und Moses ein. In diesem Zeitraum ist die Sünde als selbständige Macht in der Menschheitsgeschichte, aber sie wird noch nicht angerechnet, aufgeschrieben, auf die Rechnung gesetzt 6 • Es gab auch in dieser Kindheitsgeschichte allgemeine und spezielle Strafgerichte Gottes, aber erst seit der Gesetzgebung am Sinai besteht der verschärfte Gerichtszustand über den Menschen. In gewisser Weise führt unser Vers die These von Röm 4,15 weiter aus. Auch dann, wenn die Menschen nicht in derselben Art wie Adam gesündigt haben, unterstehen sie der Herrschaft des Todes. ol
1962; E. JONGEL, Das Gesetz zwischen Adam und Christus, ZTbK 60, 1963,44-74. 4 Zur Geschichte der Auslegung J. FIlEUNOOIlFEIl, Erbsünde und Erbtod beim Apostel Paulus, 1927; vgl. KAsEMANNR 138: a) auf Grund dessen, durch den, b) zu welchem Ziel hin, c) weil (= kausal2Kor 5,4; PhiI3,12; 4,10). Gemeint ist die Ambivalenz zwischen Verhängnis und Einzelschuld. S Zum Problem vgL ZnR 266 Anm. 33;J. FIlEUNDOIlFEIl, Erbsünde und Erbtod beim Apostel Paulus, 1927; KAsEMANNR 138(; ScHLlEIlR 159-162. 6 Das Passiv ist Umschreibung eines göttlichen Hande1ns. tuoyEiD6a.L rmdet sich häufig auf Papp. und Inschr. Man darf also nicht an eine menschliche Anrechnung denken. Paulus knüpft an die Vontellung an, daß im Himmel Bücher geführt werden, die alle Taten der Menschen enthalten. Ähnlich wie Röm 5,13 ist auch 7,7-9 von der VonteUung beherrscht, daß es eine Periode im Leben des Juden gibt, in dem das Gesetz nOl·h nicht über ihn herncht. Vgl. A. DEISSNANN, Licht vom Osten, 4. Auß. 1923,66; G. FRIEDRICH. ci~qt(a 0'Üx tuoyä'tw Ilöm 5,13, ThLZ 1952,524 f[
188
Der neue Mensch und die neue Menschheit
",,7.
~ ~oavtE~ ist wohl ursprünglicher als die Weglassung der Negation Gemeint sind die Menschen, die nicht wie Adam gegen ein ihnen gegebenes Gebot gesündigt haben 8 . Es war eine andere Situation, als Adam unter der Androhungdes Todes stand, als später in der Zeit, in der die Tatsache des Todes für die Menschen feststand. Auffallend ist der Abschluß von V 14: Adam ist Typos des ).Zukünftigen« (0 ~). Schon der Stil zeigt, daß wir eine bestimmte Tradition vor uns haben. Altenümlich ist die geheimnisvolle Bezeichnung "tA.Awv, die ähnlich ist wie 0 tQX61'E"~ (Mt 11,3; Hebr 10,37). Der Begriffn".;o~ ist an sich vieldeutig. Er weist auf einen analogen heilsgeschichtlichen Zusammenhang hin und taucht gern in der Exegese alttestamentlicher Texte auf( lKor 10,6.11). Menscht ,. und Ereignisse werden im eschatologischen Rahmen zum Zeichen für andere. Der Begriffwill exegetisch verknüpfen, in Beziehung setzen, Ähnlichkeiten oder Gleichhei ten aufweisen (WmtE~OO~ V 12.15.18.19.21). V 15: Aber diese Grundtendenz des n".;~ wird unterbrochen durch das Motiv der Steigerung, das die Ähnlichkeit oder Gleichheit überbietet (xoUq> "ä)J.ov V 15.17). Die beiden Denkformen der Analogie und der überbietung sind ineinander verschlungen. Zunächst stellt Paulus übertretung und Gnadenakt einander gegenüber. Brachte der Einbruch der Sündenmacht eine unendliche Katastrophe über die Menschheit, so liegt es im Wesen der göttlichen Gnade, daß sie diese unendliche Katastrophe überbietet. Gott würde nicht Gott sein, wenn er nicht die Fülle des Unheils durch eine Fülle der Gnade überwinden könnte. Der Begriff der übertretung (xOQlm'tOOJ.IQ) hebt die Besonderheit der Schuld Adams hervor: er übertritt ein bestimmtes Gebot Gottes. Diese übertretung zog eine Fülle von Schuld und Not, auch die Verflochtenheit in die Todesgemeinschaft nach sich. Aber die Gnadengabe (XOoLOJUl), die uns durch Jesus Christus geschenkt ist, gleicht ebenfalls einem Strom, der sich von einem Urquell aus in die Weite der gesamten Menschheit ergießt. Die Gegenüberstellung: der Eine - die Vielen (6 d~ - ol3tOllo() klingt altertümlich und semitisch; sie denkt daran, daß in einem einzigen Geschehen das Schicksal einer ganzen Menschheit beschlossen ist, daß daher aus einer einzigen Wurzel ein weit verzweigter Baum entsteht (olxollo( = D'I':1) . .
o
-.
Es ist zu beachten, daß nach unserem Text die Sünde nicht auf eine metaphysische oder materielle Wurzel zurückgeführt wird, sondern daß sie als ein Geschehnis und als Macht in die exegetische Betrachtung eingeführt wird. Außerdem fällt auf, daß weder Adam noch der »)Zukünftigecc als mythologische Gestalten geschildert werden, sondern daß heide als in die Geschichte gehörende Menschen beschrieben werden, die allerdings je eine bestimmte Weltzeit einleiten. Das Schicksalsschwere liegt in dem konkreten Handeln bzw. in dem Geschehen, das mit der Person Adams und Jesu Christi verbunden ist. Die
7 Orig. kennt beide Lesarten: mit und ohne Negation. Offenbar hat er beide vorgefunden. Die meisten Iat. Textzeugen haben nach seiner Behauptung JdI nicht ge1eten, während die griech. Zeugen du JdI gehabt haben. Ambatr hält die IaL Zeugen ohne I'fI für älter und sieht in 1"'1 eine häretische FäJachung. Seine Berufung auITert., Viaorin und Cypr.1wm heute nicht mehr nachgeprüft werden. In den Kommentaren bekennt man ,ieh allgemein zur Ursprünglichkeit der Negation. 'bl oap ~ erinnert an HOl 6,7: ..sie aber haben wie Adam den Bund gebrochen, sind dabei treulOi VOll mir absefal1enu. ~ - Gleichheit, Ahnlichkeit, Gleicbgeatalt (BAUER Wb 1123 f.; ThW V 191 tr.).
Röm 5,12-21
189
Vorstellung eines derartig schicksalsschweren Ereignisses, das eine endlose Kette von Not nach sich zieht, ist vor allem in der jüdischen Apokalyptik gepflegt worden (4Esr 3.21 f.; 7,118). Gott kann auf bestimmte Geschehnisse ein einzigartiges Gewicht legen. das man an seinen Folgen erkennt. Ein gewisser Aufbau der christologischen Formeln und Aussagen ist unverkennbar: in V 14 wird Jesus Christus verhüllt als »der Zukünftige« eingeführt, V 15.17.19 sprechen von dem »einen Menschen« Jesus Christus als dem Anfänger der neuen Menschheit, V 21 bringt als Abschluß die volle bekenntnisartige Würdebezeichnung: »Jesus Christus, unser Herr«. Auffallend ist die Betontheit des »einen Menschencc. Man denkt unwillkürlich an die Vorstellung des »letzten« bzw. »himmlischen Menschencc (IKor 15,44 ff.), die aber ebenfalls als Antithese zum )enten Menschen« gemeint ist. Es kommt Paulus auf die Tatsächlichkeit des MenschseinsJesu an: gerade in ihr sieht er das Unterpfand des Heiles und die überwindung der Gerichts- und Todesmächte (Röm 8.3).
Man achte auf die beiden Denkformen der Entsprechung und der Oberbietung: 1. Der alten Weltzeit entspricht die neue. dem Menschen der Urzeit entspricht der »Kommendecc bzw. der »eine Mensch« Jesus Christus. 2. Das Verhängnis der Urzeit wird übertroffen durch die Gnadengabe der Endzeit (oUx w~- oo"t~). Schicksalsschwer war die übertretung ("to 1uIQmt'twfW) der Urzeit. aber noch gewichtiger ist die Gnadengabe ('to xßQLOJ1a). Vielleicht kommt in diesem Zusammenhang ein alter jüdischer Grundsatz zu Wort, nach dem das Maß des Bösen bzw. der Strafen überboten wird durch den Reichtum des Segens bzw. das Maß der Güte9 • V 15 wird als ein Bekenntnis zur Größe Gottes, der das Böse bzw. die Schuld des Menschen durch Jesus Christus überwunden hat, aufzufassen sein. XelQLOfW wird wieder aufgenommen durch fI XtlQL~ 'too &00 und fI ÖtAa wird in der Exegesc von Röm 5,18 verschieden gedeutet, was wegen der Nähe von 5,16 nicht verwunderlich ist. Öl.XCJw,.a.a wird veratanden als »Rechtsspruch, Rechtsordnung.. (Gott bestinunt auf Grund des Todes Jesu, wer gerecht sein soll; so KOHLR 118), als ~huprechung.. (Christus als Träger, Empfänger und Ofknbarer der götdichen Gerechuprechung; so B.uTHR 160), als »Rechtfertigungscat, Tatbestand des Gerechtseins.. (ähnlich CHL v. HOFMANN), als »tatsächliche ErftiUungder Rechtlforderung, gerechte Tat« (so ZnR 283; LTZMR64). SANDAy-HEADLAMR 142 betont, daß Christi Handeln und Gottes Rechtsspruch nicht voneinander gelöst werden können. 15 Die Exegese schränkt vielfach ein: das Angebot erfolgt an alle, dagegen nehmen nicht alle du Angebot an (Thomas von Aquin). 16Vgl. Plato Phileb. p. 16B; Eurip. Androm. 635; 3Milll,7; 3,5. VgI.J. DEZWAAN, ThSt 1913, ~94.
192
Der neue Mensch und die neue Menschheit
auf einen Einwurf oder an einen theologischen Anhang 17. Aber man darf nicht übersehen, daß unser ganzer Abschniu mit rechtlichen Begriffen arbeitet, und daß der Gegensatz 0 bertretung-Recht tat auf das Gebot Goues bzw. das Gesetz bezogen ist. Außerdem liegt es nahe, die Frage nach der Bedeutung des Gesetzes deshalb aufzuwerfen, weil sowohl von Adam als auch von Jesus Christus als entscheidenden heilsgeschichtlichen Zeichen geredet wird. Israel sah aber die Heilsgeschichte unter dem Gesichtspunkt des Gesetzes, mußte also fragen, weiche Rolle das Gesetz spielen soll, wenn das Gegenüber von alter und neuer Weltzeit auch ein Gegenüber von menschlicher Sünde und göttlicher Gnade sein soll. Daß die Frage nach dem Gesetz den Apostel nicht losläßt, zeigt schon Röm 5,13 an. Es ist auch nach den grundlegenden Aussagen Röm 3,20; 4,15; 5, 13 folgerichtig, wenn Paulus Gesetz, Sünde und Tod als zusammengehörig betrachtet (vgl. als Höhepunkt Röm 7,7-25). Schon die äußere Form, dann aber auch der Inhalt dieses Lehrsatzes muß für jüdische Ohren geradezu blasphemisch gewirkt haben, denn für das Judentum gehören Lehre, Leben und Licht eng zusammen. Für Paulus dagegen ist die Verheißung Goues eigentlicher Wille, das Gesetz jedoch eingeschoben. Im Zusammenhang unseres Briefes bildet Röm 5,20 eine Steigerung gegenüber den früheren Thesen über das Gesetz und eine Vorbereitung aufden entscheidenden Abschniu Röm 7,7 0: Das Gesetz ist ))daneben hineingekommen« (XUQELOiJl.tEv), ist also keine legitime Antwort auf die Frage nach dem »Leben«I'. Von Jesus Christus her gesehen sind die bisher gegebenen Bekenntnisse des Judentums überholt und verneint, weil in Jesus Christus ein qualitativ ande~s, neues Leben erschienen ist. Es ist nicht zufällig, daß die rntscheidenden polemischen Thesen über das Gesetz sich gegen dasjudentum und seinen konk~ten Anspruch, im Gesetz das Leben zu haben, richten. Paulus löst keineswegs das Gesetz von Gott, denn auch nach ihm liegt im Gesetz eine verborgene Absicht Goues (lva). Er will, daß die alte Weltzeit ihr Ziel, die Fülle der Sünde und die menschliche Aussichtslosigkeit im Tode, erreicht. Er will auch, daß der Mensch die Bitterkeit dieses Zieles, die Not der Sünde und des Todes. restlos durchkostet. Gou will dem Menschen das Ende des Weges, der mit Adams übertretung eingeschlagen wurde, nicht ersparen. Sein Gericht verbirgt sich in seiner Langmut, die Langmut Goues aber hebt sein Gericht und die Gültigkeit des Gesetzes nicht auf. xA.Eova~EL'v ist hier eindeutig intransitiv (= ))sich mehrencc) 19; es zieht in unserem Zusammenhang l'tEQLOOEUELV nach sich (auch in 2Kor4, 15)20. Anschließend biegt Paulus logisch den Lehrsatz über das Gesetz zu einem Vergleich von Sünde und Gnade um. Erreicht die Sünde ihr volles Maß
Anbaac
'7 Voo eiocm sprechen LTUdl65; LAoa.R 112; SANDAv-HEADLAMR. 143. '8 ~eoea.. bewahrt die BedeutuDI HitW darin enthalteoen Pripoätiooen (- nebenher eindriosm); in diaan ZuaamlllCllbans knüpft ~tn an dofa).tn yoo V 12 an. Die GegenübentellWII: dDfI).~n zeigt. daS V 20 keinawqp ein Fremdkörper in diClem puzen ZUlUlUDenhanc zu Kin braucht. ~ bedeutet an lieh eine Feblentwicklung (Gal 2,4).
19 Vgl. die verschiedenen Obenetzungm M. J.. UTHEIS: .. überhand nehmen, übenc:hwänglicher werden, mächti8er werden. (1522-1539). JO VgL Sir 23,3: ~ ~ ,u.~v a1 (ryvouIt J&OV xa1 a1 ~taL J&OV ~v. Die Steiammg der SiiDde besteht in ihrer Wiederholung.
Röm 5,12-21
193
(Aorist, nicht Perfekt: abundavit), so wird auch die Gnade überreich (vgl. Röm 5,17: 1tEQl.ooda T'i]'!; xaQl.'t~). Die neue Weltzeit ist die Weltzeit der Gnade: kommt die alte Weltzeit zu dem von Gott bestimmten Ende, dann offenbart Gott die Macht seiner Gnade, die die ganze Not überwindet. Statt 1tAEovatELv zu steigern (PsSaI5,16; ITim 1,14)21, nimmt Paulus U1tEQ1tEQLOOEUELV zu Hilfe (2Kor 7,4): der Reichtum der Gnade strömt über. Begriftlich drängt sich das quantitative Moment in den Vordergrund (vgl. Röm 5,15). V 21: In einem letzten Vergleich (ÖXJ1tEQ-olhoo-165) ist ein gnostisches, kosmologisches Schema der eigentliche Ausgangspunkt des Abschnittes: Zwei Menschheitsperioden sind in ihrem Ablauf durch ihren Anfänger bestimmt. Aber Paulus hat dies gnostische Schema durch heilsgeschichtliche Motive verändert, die nunmehr den Gedankengang stören: 1. alle Menschen sind durch ihre eigene Schuld verantwortlich; 2. zwischen der Schuld Adams und der Schuld der vormosaischen Menschheit muß deshalb unterschieden werden, weil erst die übertretung des Gesetzes die Sünde zur wirklichen Schuld macht. Der kosmologische Aufriß des Mythos ist zu einem heilsgeschichtlichen geworden: Die beiden Perioden der Menschheitsgeschichte folgen nicht aufeinander wie im Mythos, sondern stehen in einem inneren Zusammenhang zueinander: die erste Periode, die der Sünde, bereitet die zweite, die der Gnade, vor (vgl. 5,20 f.). M. Luther hat den heilsgeschichtlichen Aufbau in die Geschichte der Menschheit projiziert. Das von R. Bultmann herangezogene .,gnostische« U rmotiv bedarf allerdings der Korrektur (B. Murmelstein, H. W. Robinson). Auch geht es keineswegs um die Würde des Menschen, sondern um den inneren Kern der Handlungen und ihre weltweiten Auswirkungen. Vielleicht kann man sagen, daß das zugrunddiegendc Geschichtsdcnken ursprünglich apokalyptisch, die Tendenz dramatisch, apokalyptisch war. Fragt man nach der nEigentlichkeit« der menschlichen Existenz und nach der gegenwärtigen Gewißheit des zukünftigen Lebens (vgl. R. Bultmanns Gespräch mit K. Barth), dann droht die eschatologische Kraft, die auf das zukünftige Ziel ausgerichtet ist (5,17.21), verlorenzugehen. Zur Auseinandersetzung mit dem Analogiedenken bei K. Barth und seinen Folgen vgl. den Einspruch MurrayR I 384-390 = Appendix D. In dem Exkurs Sünde und Tod, Erbtod und Erbsünde setzt O. Kuß nach allem religionsgeschichtlich wichtigen Material bei der theologischen Erkenntnis ein: .. Als er (= Paulus) den Glauben anJesus Christus gewinnt, erkennt er zugleich das wahre Antlitz der gottverlassenen Welt; aus dem Glanz dieser Erke~~'tnis schaut er zurück und entdeckt noch Dunkel dort, wo es ihm bisher so hell zu sein schif''l. Von hier aus wird es recht klar: Gruuh ist der eigentliche Zentral begriff der paulinischen Sünden theologie, und alle Sündenproblematik der paulinischen Hauptbriefe stellt lediglich den Hintergrund für die Heilslehre dar« (R 273 f.). Spekulativen Charakter haben die Aussagen dieses Abschnittes nicht. KäsemannR 144 kämpft um das Emstnehmen der apokalyptischen Situation: a) es geht nicht um das Verhältnis Gott-Mensch, sondern um das Gegenüber zweier Schicksalsträger; b) die Endzeit ist der Urzeit unendlich überlegen (Röm 11,12.15 f.; 4Esr 4,31
Röm 5,12-21
195
ff.); c) die typologischen Motive müssen abgeklärt werden (Steigerung, überbietung, antithetische Entsprechung); der Christus will sein Reich auf dieser Erde bauen. Grundsätzlich geht es Paulus um eine theologische Aufgabe: er muß heilsgeschichtlich nicht nur die Welt des Alten Bundes, sondern darüber hinaus die ganze Menschheit auf Jesus hin zu begreifen suchen. Dabei bleibt der Ernst der Geschichte gewahrt, ja, das Menschsein wird als Herrschaftsbereich von Sünde, übertretung und Tod gesehen. Die Lehre von den beiden Äonen wird in Röm 5,12-21 vorausgesetzt (A. Nygren), aber sie bleibt im Hintergrund; man kann von •• Zeiten«, aber auch .. Bereichen« sprechen. Mehrfach findet sich die Beobachtung, daß die Frage nach dem letzten Ursprung der Sünde von Paulus nicht beantwortet wird (KußR 274; R. Bultmann 153). An diesem Punkt geht der Text über den Wortlaut von Gen 3 nicht hinaus.
Zum exegetischen MatnUd I. Süruk und ObertTehlng, sündigen und Siindnsrin: Das durch die Sünde charakterisierte Handeln und der in ihr sich äußernde Tatbestand des Sünderseins spiegelt sich bei Paulus in verschiedenen Warrgruppen wider ({q.Latyda, xaQClpa(JL~, xaQClmO)!'O, avoJ,Ua, aÖLxUx, lO xax6v). Auch die Lasterkataloge unterstützen die Fülle der Ausdrucksmöglichkeiten und warnen auf Grund alter Traditionen vor konkreten Vergehen aller möglichen Art. Die paulinische Literatur hat dies ganze Verhältnis zwischen Gott und Mensch am sorgfältigsten durchdacht und eine neue Beurteilung durchgesetzt, die der Rechtfertigung aus Glauben entspricht. Im Sündersein des Menschen liegt die eigentliche Tragik, aber auch die Basis, von der aus das Evangelium sein Werk ausrichten kann. Die Sünde besteht im biblischen Denken zunächst in der Untreue gegen den Bund Gottes mit seinem Volk. Die Sünde, um deretwillen Gottes Zorn auf der Menschheit liegt, ist nach Paulus eine Auflehnung des Geschöpfs gegen den Schöpfer und sein Offenbarwerden in der Schöpfung (Röm 1,18 ff.). Der Zorn Gottes ist nichts anderes als die Gegenwehr Gottes gegen diese Auflehnung des Menschen gegen den Schöpfer. Der Mensch übernimmt also nicht leidend das peccatum originis und begeht dann in eigener Verantwortung die peccata actualia, sondern das peccatum originis ist seine eigene Tat; was er konkret tut, ist nichts anderes als eine Manifestation seines Verfallenseins (G. Bomkamm). Der Abschluß Röm 5,20 f. zeigt deutlich, daß das Gesetz die Herrschaft der Sünde auf das volle Maß gesteigert hat; es ist also in den Prozeß der Sünde, ohne es zu wollen, eingegangen. Es fragt sich aber, ob der begriff des Gesetzes genügt, um die Tiefe und Weite des Sündenbegriffes bei Paulus zu tragen. Vgl. dazu die Definition von O. Kuß 241 und das Auftauchen des XCJQMlCO!'O- Begriffes in Röm 5,12-21. Schon das Alte Testament weiß in bestimmten Schichten, daß eine im Herzen verwurzelte Sündhaftigkeit die Menschheit zur Katastrophe reif werden läßt (Gen 6.5-8; 8,21). Sicherlich ist die Härte dieses Urteils weithin nicht durchgehalten worden, aber man wird an sie erinnert, wenn Paulus behauptet, daß Juden und Heiden unter der Herrschaft der Sünde stehen (Röm 3,9). Der Mensch wird immer aufs neue Sünder, wächst also indie Erfahrung der Sündhaftigkeit hinein; er ist aber gleichzeitig von der Macht der Sünde erfaßt und in seiner ganzen Existenz mitbetrotfen (gegen O. Kuß 244)22. Paulus kommt es also auf das Zusammenspiel von Sünde als Tat und Sünde als Macht, Verhängnis an: dies Zusammenspiel ist das Tragische am menschlichen Schicksal und an der Auswirkung des 12 Vgl. dazu O. KussR 244: ..Der Mensch wird nicht erst Sünder, wenn man von Adam absieht, für den, wie es scheint, besondere Bedingungen gegeben waren, sondern er findet sich in dieser Weh als Sünder vor, er ist von Anfang an Sünder (Röm 5,19).« KAsEMANNR 146: Wie der in Adam vorgegebene Fluch, so ist auch der inJesus Christus gegebene Segen unser Schick.sal und das Schicksal der Weh.
196
~r n~u~
Mellllch und die
neu~
Menschheit
Gesetzes. Es führt notwendig in den Tod, also in das schwerste Unheil, das überhaupt möglich ist. Sicherlich spielt die Auslegung von Gen 3 hier hinein: der leibliche Tod ist die Folge der übertretung eines göttlichen Gebotes und bedeutet Strafe, Gericht Gottes über den Menschen; er ist aber darüber hinaus Zeichen einer Vernichtung der Schöpfung und einer ernsten Bedrohung des Verhältnisses zwischen Schöpfer und Geschöpf. Selbstverständlich gibt es auch andere biblische Aussagen über Schuld und Tod, aber das ist gerade das Bezeichnende für Paulus: Er schließt sich an die härtesten Urteile an und stellt den glaubenden und den heidnischen Menschen unter diese schwere Bedrohung durch Gott selbst. Die überwindung des Todes, der sich leiblich, geistig und im Verhältnis von Gott und Mensch ständig auswirkt, ist zwar durchJesus Christus gegeben, muß aber im andauernden Kampf und in der Auseinandersetzung mit Gesetz, Sünde und Satan bewährt werden. In der Theologie des Paulus wirkt sich ein nachhaltiger Schrecken über die Macht des Todes immer wieder aus (Röm 6,21; IKor 15,56). 2. Der U,spntng dn SWlJlulJuhfriiJrjiidisclrn T ,tJditio,.: Im hellenistischenJ udentum fällt auf die Sünde des ersten Menschen deshalb besonderes Gewicht, weil in ihr die Ursache von Sünde und Tod des Menschengeschlechtes gefunden wird. Es entspricht offenbar einer Lehrtradition, wenn Sir 25,23 exegetisch feststellt: »»Von einem Weibe ist der Anfang der Sünde gekommen, und um ihretwillen müssen wir alle sterben«; man erinnert sich an ITim 2,13 ff., wo ähnlich rational im Stil der Weisheitslehre in bezug auf die Frau gefolgert wird. Aber das Schlußverfahren Sirachs ist bezeichnend: Von der Schuld einer Frau her ist der Tod der Menschheit abzuleiten. Für die weitere Entfaltung der Lehrtradition der hellenistischen Synagoge ist es bezeichnend, daß die Sap zwischen den Gerechten, die zur Unsterblichkeit bestimmt sind, und den Gottlosen, die einen Bund mit dem Tode geschlossen haben, unterscheidet (1,12-16; 6,19 f.). Das leibliche Sterben ist also nur eine vorletzte Wahrheit: Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen und ihn zum Abbild seines eigenen Wesens gemacht; aber durch den Neid des Teufels ist der Tod in die Welt gekommen. den die zu schmecken bekommen, welche jenem (= dem Teufel) angehören (2,23 f.). Durch den Gehorsam gegen das Gebot wächst der Gerechte in eine Nähe Gottes hinein, die den leiblichen Tod überwindet. Die Gottlosen erfahren eine Verwerfung durch Gott, die ein vertieftes Todesschicksal in sich schließt. Das Schicksal des Menschen nimmt ausdrücklich transzendenten Charakter an. Die frühjüdische ApokaJyptilc nimmt an dieser Lehrtradilion, die nach dem Anfang der Sünde und des Todes fragt, ebenfalls teil und verstärkt den mythischen und legendären Zug; es ist aber bezeichnend, daß die Motive nicht einheitlich sind. So schließt sich äth Hen ~9;69 an die Erzählung vom EngelfaU Gen 6, 1-4 an und leitet von ihm letztlich alles Wissen und auch das Todesschicksal der Menschen ab. Tiefer in die Genesis-Problematik führt das apokryphe nLeben Adams und Evas«, das in zwei Rezensionen erhalten ist. Hier wird der Schuld Evas besonderes Gewicht beigemessen, alle Sünde ist durch sie in die Schöpfung gekommen (Apokalypsis § 32). Die Frage nach der Herkunft von Sünde und Tod, einmaliger Schuld Adams und allgemeiner menschlicher Verantwortlichkeit kommt zum Höhepunkt in 4Esra und syr. Baruchapok. Offenbar ist die apokalyptische Weisheit hier zu einem Abschluß gekommen; die Schuld Adams hat den Tod, das Verderben der ganzen Menschheit nach sich gezogen, ja die ganze Schöpfung in Elend und Leid gestürzt. Das »»böse Herze( war im Anfang in Adams Herz gesät und hat eine Frucht bis auf die Gegenwart und Zukunft getragen. »»Adam, was hast du getan! Als du sündigtest, kam dein Fall nicht nur auf dich, sondern auch auf uns, deine Nachkommen« (4Esra 7,118). Man wird auch das Nebeneinander beider Linien feststellen können: Von Adams Sünde stammt der Tod, der über die ganze Menschheit verhängt wurde, stammen auch die übel, die das Leben seitdem bedrücken. Und doch trägt Adam nur für sich selbst Verantwor-
Röm 5,12-21
197
tung, wir aUe sind jeder für sich selbst zum Adam geworden (ApkBar 54,15.19). Der ente Gedanke drückt das allgemeine menschliche Schicksal aus, der zweite das individuelle Schuldgefiihl. Seide Linien lassen sich logisch nicht ausgleichen, scheinen jedoch einander zu erfordern. Die rabbinisclu Lehrentwicklung nimmt immer wieder in der Folgezeit ähnliche Aussagen auf und beweist damit, daß wir es hier nicht mit apokalyptischen Sondenneinungen zu tun haben, sondern mit festem synagogalem Gut, das zum frühjüdischen Menschenbild gehört. Sicherlich wird der christliche Weg ausdrücklich abgelehnt und der Unterschied zwischen Israel und den Heiden stärker betont, aber die exegetischen Fragen bleiben ähnlich wie bei Paulus. Allerdings wird im Rabbinat die Unterscheidung von gutem und bösem Trieb nun typisch. Der böse»Triebcc, der im Herzen des Menschen seinen Sitz hat, wirkt alles Böse im Menschen wie z.B. die Verachtung der Gebote, Unterlassung des Gebetes und Götzendienst. Man kann also den »bösen Trieb« nur aus dem jüdischen Menschenbild verstehen (vgl. Str-B IV 466-483). Die IrIUmistUc!u Theologie Philos kann bestimmte Aussagen machen, die äußerlich mit Paulus Berührungen haben. Auch bei ihm sind gewisse a1ttestamendiche Voraussetzungen gegeben, sein Gottesgedanke gehört letztlich doch in den Umkreis des jüdischen Glaubens. Freilich ist sein Verhältnis zur philosophischen Wahrheit so eng, daß man ihn niemals als Exegeten verstehen kann, der die biblische Offenbarung enchließt, sondern er ist der Tradent hellenistischer Weisheit und vertritt den unjüdischen Gegensatz von Geist und Materie. Damit wird das Verhältnis zum menschlichen Leid kritisch. »Der Mensch hat nach seiner Geburt gleich von der Wiege an zu seinen Genossen Torheit, Zügellosigkeit, Ungerechtigkeit, Furcht, Feigheit und die anderen verwandten Laster« (saer. Abelis et Caini 15). Durch die Darbringung des Sündopfen wird angedeutet, daß jedem Geborenen, auch wenn er tugendhaft ist, dadurch, daß er zur Geburt gekommen, das Sündigen angeboren ist (vitMos 2,147). Vgl. Bou5set-Greßmann, Die Religion des judentums, 3. Auft. 1926, 441 f. z,.r Literatur: B. Munnelstein, Adam. Ein Beitrag zur Messiaslehre, WZKM 35, 1928, 242-275; 36,1929,51-86; H. W. Robinson, The HebrewConception ofCorporate Personality, 1936: A. Vögtle, Die Adam-Christus-Typologie und der Menschensohn, Trier. ThZ 60, 1951,309-328; G. Lafont, Sur I'interpretation de Rom. 5, 12-21, RecbScRel35, 1957,481-513; A. Feuillet, Le regnede Ja mon et le regne de Ja vie (Rom 5, 12-21), RevBibl77, 1970,481-521; A.j. M. Wedderbum, TheTheologica1 Structure oCRom. 5,12, NTS 19, I 972n3, 339-354;G. Friedrich, ·~o6xW..oyehOlRöm5,13, ThLZ 77, 1952, 521-528; E. jüngel, Das Gesetz zwilchen Adam und Chriatua, ZThK 60, 1963, .2-73; H. Müller, Der rabbinische QaI-Wachomer-Schluß in paulinischer Typologie, ZNW 58, 1967, 73-92; U. Luz, Das Geschichtsventändnis des Paulus, 1968; U. Luz, Zum Aufbau von Röm 1-8, ThZ 25, 1969, 161-181; E. Brandenburger, Adam und Christus, 1962; K. Barth, Chriatus und Adam nach Röm 5, ThSt 35 (1952), 2. Auß. 1964.
Exkurs »Letzter Mensch« (lKor 1~,45) und neue Menschheit Paulus knüpft in seinen Auseinandersetzungen an die Verkündigung und LehreJesu an: die Zeit des Evangeliums ist messianisch geprägt (Röm 10,17; 2Kor6,2). Dies Wissen um die messianische Zeit wird durch das alttestamentliche Zitat unterstrichen und bekräftigt. Hier handelt es sich um ein Kernstück seiner Botschaft. Dies prophetische
198
Der neue Mensch und die neue Menschheit
Grundelement ist aber eingebettet in die apokalyptische Lehre von den beiden Äonen bzw. von dem Geschick der alten und neuen Menschhei t (Röm 5,12-21). Die messianisch gefiillte Zeit steht mitten in der vergehenden alten Weltperiode. Der Abschnitt Röm 5,12-21 ist aufzwei Voraussetzungen aufgebaut: a) dem apokalyptischen Gegensatz zwischen altem und neuem Äon, b) der typologischen bzw. analogen Gegenüberstellung Adam-Christus. Dabei erscheint Adam als Bild des zukünftigen Menschen (5,14), Jesus ist Antityp in eschatologischer Entsprechung (»letzter Mensch« 1Kor 15,45). Man spricht besser von Analogie als von Typologie, um dem Ganzen der Gedankenführung gerecht zu werden (C. K. Barren). Adam undJesus standen in entsprechender Situation und Versuchung: Ereignis und Schicksal sind eng miteinander verbunden, heide treffen als übertretung bzw. Sünde und als Gehorsam bzw. Verheißung die ganze Menschheit. Der Zusammenhang wird zu einer Kontrastbildung. Man hat religionsgeschichtlich an die rabbinische ,"l-Vorstellung (Adam als Seelenbehälter), an die alttestamentliche corpora te personality (Israel als personhafte Einheit eines Ganzen) oder auch an gnostische Anthropos-Spekulationen anknüpfen wollen, um diese Typologie verständlich zu machen; allerdings fehlt diesen Ableitungen (bzw. Mischfonnen) die übeneugungskraft. Wir werden davon ausgeben müssen, daß die Lehre vom »Ietzten MelllChen« (IKor 15,45) im Zusammenhang steht mit der vorgegebenen Menschensohnüberlieferung, die den kommenden Herrschaftsbereich mit der Lehre vom Menschen verbunden hat (IKor 15,26 = Ps 8,7; ausdrücklich Hebr 2,6-7). Die Frage, ob unmittelbar die synoptische MelllChensohntradition zugrundeliegt (Barren R 118) oder eine mit ihr zusammenhängende Lehrform (Käsemann R 136), muß offen bleiben. Die Betonung der menschlichen Verantwortlichkeit, die Verbindung der Sünde Adams mit der Schuld des Einzelnen (4Esra!), das Gewicht, das auf einen einzelnen Geschichtsvorgang gelegt wird, weisen in biblische bzw. apokalyptische Zusammenhänge. Substantielle Motive, die wir in der gnostischen Anthropologie vorfinden, fehlen überhaupt. Die Vermutung, daß die Adam-Christusparallele auf eine korinthische These zurückzuführen ist, beruft sich auf I Kor 15,45 (E. Brandenburger, U. Luz). Wahrscheinlicher ist, daß sie eigensten paulinischen Anliegen entspricht (universalistische Tendenz, neue Menschheit in der Taufe, überbietung der mosaischen Tradi tion). Die sprachlichen Schwierigkeiten, mit denen Pau1us in Röm 5,12 0". zu kämpfen hat, weisen vielleicht doch daraufhin, daß es sich hier um schwer erkämpftes Gedankengut handelt (anders U. Luz 197). Grundsätzlich wird man zugeben müssen: Paulus denkt in Röm 5,12-21 geschichtlich, Adam und Jesus sind als geschichtliche Personen gesehen. Paulus bringt hier einen Geschichtsentwurf, der von der Gegenüberstellung: übertretung, Gesetz, Tod und Gehorsam, Leben und HerrschaftJesu Christi sprechen will. U. Luz betont, daß dieser Gesamtentwurf der Geschichte nicht ein Entwurf der Heilsgeschichte, sondern der Unheilsgeschichte ist. Es gebe nur eine kontinuierliche, be trach t bare Geschichte des Unheils, nicht aber eine solche des Heils (U. Luz 2(4). Hier wird aber die Tatsache, daß der Christ durch die Taufe in eine neue Form des Seins gestellt wird, verkürzt. Es geht nicht nur um überwundene Unheilsgeschichte, sondern um konkretes Leben in der Spannung zwischen Unheilsgeschichte und Heilsgeschichte. E. Käsemann legt Gewicht auf das religionsgeschichtliche Motiv des U nnelllChen sowie auf den Sophia-Mythos, gibt aber zu bedenken, daß die Adam-Christustypologle als solche noch nicht geklärt sei (R 137 f.). Paulus spricht in Röm 5,12-21 nicht vom Schöpfungsmittler, sondern von dem in den Bekenntnissen Röm 1,3-4; 4,25 bezeugten HermJesus; es geht um Kreuz und Auferweckung. Im Kreuz und in der Auferweckung liegt die Schicksalwende, die durch den einna Menschen Jesus Christus heraufgeführt wurde (5,15). Die Sünde Adams schafft das Sündersein, und das Sünder-
199
Röm 6,1-23
~in bringt Sünd~ h~rvor. Der G~horsamJesu schafft das n~u~ L~~11 aus d~r Gnad~. und Gnad~ ruft in ~in~n n~u~n G~horsam. Dit Geschichte schaffl stlbsl witJer Geschichte.
Jtsfl
Röm 6,1-23: Das a) Röm 6,1-14: Das
n~u~ u~n
n~u~ L~~n
aus J~sus Christus
als Tod und
Auf~rst~hung
I W.. lODen wir nUD -.en? Sollen wir in der Sünde bebarrea, damit die Gnade sich mehre? lD.. sei fernel Wie IOIlteD wir, die wir det.Süade pstorbeD aiDd, DOCh in ihr leben? 30der wißt ihr niebt, da8 wir alle, die wir in ChrUIua Jaua plauft aiad, in RiDeD Tod geuuf't 8iDd? 4 Wir aiod abo mit ibm durch die Taufe in dm Tod bepMeD, damit, wie CbrUbu VOll den Totea auferweckt wurdedurcb die Herrlichkeit da Vallen, ebenlO auch wir in einem neuen Leben waDdeiD 101len. 5 Denn weDD wir mit dem Ebeabild seme. Tode. ~Iuea siDd, 10 werden wir auch mit dem der Aufentehung zuaammenwachlell. 6 DeaD wir wiueD, da8 UD.Ier alter Menach mitpkreuzigt wurde, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, 10 cIa8 wir nicht mehr der Sünde dienen. 'DeDD wer pstorben ist, ist dadurch VOD der SÜDde frei pworden. 'WenD wir aber mit Chriatua . . starben aiDd, 10 stauben wir, daß wir auch mit ibm lebea werdea, 9UDd wir wb8eD, daß Cuiahu, DKhdem er VOD den Toten auferweckt wurde, Dicht mehr.urbc. Der Tod berncht nicht mehr über ihn. I°DeDD weDD er pstorbeD ist, iat er der SÜDde ein für alle Mal patarben; wenn er aber lebt, lebe er für Gott. llSo haltet auch ihr euch selbet dafür, daß ihr der Süade tot aeid, für Gott aber lebt in ChrUhu
Jau..
nUD die Sünde nicht in eurem sterblichen Leibe hernchen, 10 daß ihr seinen Begierden gehorcht; 13 auch stellt eure Glieder nicht ab Waffen der Unp rechtigkeit der Sünde zur Verfügung, sondern stellt euch seI_t Gott zur Verfiigung ab solche, die aus den Toten zum Leben entanden sind, UDd ate1lt eure Glieder ab Waffen der Gerechtickeit zur Verfügung! 14DeDD die SÜDde wird nicht mehr über euch herncheD, elenD ihr steht nicht unter dem Gesetz, lOIICIem unter der Gnade. 12 So IOD
Anagst von Röm 6: Zunächst zeigt die parallele Anordnung von Röm 6, I und 6,15, daß das neue Kapitel in zwei Teile zu gliedern ist. Steht im ersten der Gegensatz: Tod-Leben im Vordergrund. so im zweiten: Knechtschaft-Freiheit. Allerdings erscheinen V 12-14 als eine Art überleitung, weil hier der Gegensatz: Tod-Leben bereits aufgegeben ist. Im Unterschied zu Röm 5.12-21 bringt Kap. 6 (abgesehen von eingestreuten Lehrsätzen) den Wir-Stil des Bekenntnisses. Es scheint so. daß Paulus sich mit bestimmten Einwürfm auseinandersetzen muß, die seine Gnadenlehre angreifen. Hat er vorher behauptet. daß die neue Gerechtigkeit Gnadt sei. so muß er jetzt umgekehrt den Gedanken sichern, daß die Gnade wirklich in einer neuen GtTecht;gkeit besteht. Ob wir an jüdische bzw. judenchristliche Einwände zu denken haben. ist nicht sicher auszumachen 1. Es ist I Nach ZnR 295; KOHLR 101.201 wendet lieh Paulul erneut gegenjüdilche Verdrehungen (unter Hinweis auf den ähnlichen Einwand Rößl 3.8). W. LOTGERT läßt Röm 6-8 gegen libertiniatiJche Strömungen gerichtet sein. H. SatLlEa, EvTh 5, 1938 faßt die Frage Röm 6,1 rhetorilch, nicht pole-
200
Du neue Leben au. Jesua Christus
nicht unmöglich, daß di~ Front wechs~1t und daß Paulus ~in h~lI~nistisch~s ins Aug~ faßt, das auf ein~m sakram~ntal~n Selbstv~rständnis auf1 g~baut ist . Das Eig~nartig~ uns~res Kapitels ~st~ht in d~m N~~n~inand~r von Jrulikalwm und ImptrtJliDm, von d~m, was Gott am G~tauft~n g~tan hat, und d~m, was d~r G~tauft~ tun soll; Indikativ und Imperativ bild~n 00 Paulus ~ine unauflösliche Einh~it. Inhaltlich schließt sich Röm 6 insof~rn an Röm 5,12-21 an, als d~r don vorausg~~tzt~ Zusammenhang zwisch~n Christus und d~n Seinen in Röm 6 aufg~nommen und weitergeführt wird. Auch die Geg~nsätze: Sünd~ Gnad~; Tod - Le~n, di~ uns in Röm 5, 12-21 ~~gnet sind, werden in ihrer konk~t~n B~d~utung für die Situation des Getauft~n deutlich; d~r Geg~nsatz: G~ s~tz - Gnad~ wird in den Zusamm~nhang ~ingefügt, aber nicht herausg~ar~ tet (V 14-15). Man wird also die Zusammeng~hörigk~it von Röm 5,12-21 und Röm 6,1-13 nicht zerrei~n dürfen, wi~ es g~scheh~n würd~, w~nn man in Röm 6, I d~n B~ginn ~ines n~u~n Hauptteiles sieht 3 . Es ist vielleicht nicht zufällig, daß ~id~ Abschnitte Röm 6,1 ff. und 6,15 tT. mit wiederholten Fragm ~ginnen, die dann durch ~kenntnisartige Aussag~n (6,4 0:) od~r th~tische Festst~lIungen (6,17) abgelöst werd~n. Der Wir-Stil muß zunächst rhetorisch und dialogisch verstand~n werd~n (6,1-2.15), wird a~r dann ~kenntnisartig (6,4-6.8) und bricht daraufhin ab; im zweiten Abschnitt ü~rwiegt die Anrede »IM«. Offensichtlich ar~itet Paulus mit Aussag~n, die der ~meinde nicht fremdartig od~r un~kannt sein könn~n, da er auf zugestandenes Wissen immer wied~r zurückkommt (ft i1yvoein 6,3; oUx ot&xn 6,16). Das ~i g~ntlich~ Schw~rg~icht liegt auf den Im~rativen, di~ auf di~ Indikative aufbauen. Da~i ist der Gedankengang grundsätzlich dadurch ~stimmt, daß di~ in d~r Taufe vollzog~n~ G~meinschaft mit Christus notwendig den Willen zur O~rwindung d~r Sünd~ und zur Aufrichtung d~r Gerechtigkeit in sich schließt. Dtr GtllJujü wird aufgtfordtrt, in du Konstqllt1lie paulinivhe Formd Wtvaa ~ ~ kann venc:biedenen Sinn haben. Str-B 111136 vermutet, daS sie kein feslilehender, aus der Schullprache hergenommener Terminus gewesen ist. An eine jüdische Herleinmg denken Fa. Durrzsat und TH. ZAHN. Vgl. im Hellenismus PPett 1",9; 37,5; 40,4; 43,9; 47,15. Du POIl. Pron. ()1&CirY gebön aemiliaierend zur ganzen Wendu. .: .Schwachheit des Fleiacbel«. KAaEMANNIl172 deutet 6Dttvaa ab Anfechnmg des Christen durch die Rqungen des Fleiac:bes.
214
Du neue Leben aus Jeaus Christus
Verpflichtung, für den Dienst der Gerechtigkeit zu leben, so ernst wie möglich nehmen. Vielleicht hat Paulus nicht so sehr den konkreten Zustand der römischen Gemeinde tadeln wollen (aofttvEUI Ti]; <XIQX6;), als daß er sich auf die Grenze der menschlichen Ausdrucksform einzustellen sucht 11. Das Getriebenwerden des alten Menschen zur Sünde hin müßte einem Getriebenwerden des neuen Menschen zur Gerechtigkeit hin entsprechen. Das Bild des Sklavenverhältnisses hat seinen Sinn, obwohl es dem Bekenntnis zur Freiheit in Christus widerspricht. Immerhin vermag Paulus das paradoxe und einseitige töouMirfhrtE durch die Wiederholung des Imperativs 1tOQ wamt l4 • Das Gesetz spricht: »Du sollst nicht begehren« (oUx bn6uJ.lTJOE~) und verbietet damit nach Paulus den Akt des Begehrensschlechthin. Gemeint ist zunächst Ex 20,17; Dt 5,21 (= 10. Gebot), wobei allerdings durch das Entfernen der Objekte (z.B. Haus, Weib. Knecht, Magd) der Sinn radikalisiert wird 15. Solange das »Begehren« lediglich in einem Wunsch des Herzens besteht. ist nach rabbinischer überzeugung das Gebot Gottes noch nicht übertreten; versucht man aber, diesen Wunsch zu verwirklichen, so tritt man damit unter das Verdikt des Gebotes l6 . Paulus versteht das Gesetz als den Weg, die Begierde bzw. den »bösen Trieb« aufzudecken". Hat nach rabbinischer Auffassung das Gesetz die Aufgabe, den bösen Trieb niederzuzwingen, so ist es nach Paulus außerstande. die Begierde auch nur einzudämmen; es bringt 11 .Die hier in. AUSC ,cfaßac Folscrung ist apiter von Irrlchrnn wie Marcion mit kunachlü_ip Kühnheit gezogen wordm- (GAUOualt I 197). 'J 6U6 fühn aIao nicht in die Verteidigung da Gaetzea ein,lOIIdem gibt etwas Richtip zu (A. PALLI5, W. G. Ke .... EL). Was Sünde i.t, zeigt das Geletz. U Von der Macht der .Begierde« !pricht Philo vor allem in dec:al. 142 f[; 150; 173. '4 Die geschlechtliche Bqierde ist in den .böeen Trieb« einbezCJlm, wenn lie auch nicht Ichlechthin mit ihm gleichzusetzen ist. Auch bei Philo fanden wir die enle Verbundenheit zwiachen geachlechdichem Verlangen und u.rechten Handlungen. Er unterscheidet jedoch zwilchen dem Verlangen nach inniaer Gemeinachaft und der Lust des Körpen, die der Anfang ungerechter und UDgCletzlicher Handlungen ilt (opif. mund. 152). U V,L ähnlich Pbilo decal. 142 f[ Str-B 111 235 Ir. FA acheintlO, ala wenn Paulua die SündenfAll-Geschichte immer wieder vor Aulen hätte. Das Gebot Gotta war nicht imstande, den .böeen Trieb« zurückzuhalten oder zu entmächtip, ja, a war lOpI' die Vorauaetzung für die Erweckuna der Begierde. Und doch nimmt Paulua dem Dekalog nichl die Ehre: er ist für ihn mehr ala ein VOlkagCletz larads, und er vermag, bis ins Herz des Menschen mit seiner Machl vorzudringen. " Der Gegensatz zwilchen dem Geilt der Wahrheit und dem Geist der Verderblheit, entsprechend auch zwilchen dem gefatigten und dem lündhaften Trieb fandet lich mit beIOnderer Betontheit auch in den Schriften von Qumran (IQS 4,23-26; 5,5; Dam 2,16; IQH 5,6; 6,32; 7,13; IQ 3,9.10). V,I. Teat.Auer 1,5-9; 3,2.
'6
Röm 7,1-25
227
vielmehr die Begierde zur Herrschaft.über den Menschen 18. Das Geset~ löst also im Menschen einen todhringenden Pro~eß aus. V 8: Die Wendung: Qq>OQJ.1Trv A.aJ.1ßavELv kann heißen: ))einen Anstoß bekommen, seinen Ausgangspunkt nehmen, einen Angriffspunkt finden«; wie in V 11 ist der Genitiv ÖUl Tf); h'tOA.'i\; zu diesem Partizip zu ziehen 19. Die Sünde als geistige Macht bedient sich des Gebotes und vergiftet den Menschen durch die Erweckungjeder Art der Begierde ("äon mL'Ö'uJ.1La). Der Vorgang bleibt kein einzelnes Ereignis, sondern wird zu einem dauernden Prozeß. Das Wachwerden der Begierde erstreckt sich auf jedes Gebiet (Steigerung). Auffallend bleibt die Parallelität zwischen V 8 und V 11, die sicherlich nicht zufällig ist 10 • Man denkt am besten an eine lullenistisch geforhte Interpretation der Sündenfall-Geschichte (Gen 3, 1-7). Paulus spricht weder von der Schlange noch vom Satan (2Kor 11,3), betont aber die Aktivität der Sünde (wie in Röm 5,12). Sie hat als geistige Macht satanischen Charakter, weil sie das Gebot mißbraucht. Was sich einst geschichtlich und typisch abspielte, wird bestimmend für jeden Menschen, und damit auch für denjuden Paulus. Der Jude ist eben nicht nur Mensch, sondern auch Repräsentant der Menschheit. Paulus beschreibt nicht nur ein Geschehen der Vergangenheit, sondern auch eine Regel und innere Gesetzmäßigkeit, so daß seine Auslegung der Sündenfall-Geschichte in seinem besonderen Lehrstil zum Ausdruck kommen muß. Bezeichnend ist auch der Zusatz: ))ohne das Gesetz ist die Sünde tot« (= unwirksam, kraftlos)ll. Nur dort, wo Gesetz ist, ist übertretung (Röm 4,15), und nur wo übertretung ist, gibt es im eigentlichen Sinn Schuld. Das Geset~ macht die Sünde ~ur verantwortlichen, vor dem Gericht Gottes strafbaren Handlung. Auch hier denkt Paulus rechtlich. Paulus meint also nicht, daß das Gesetz die Sünde »bewußt-« oder ))offenbarmache« oder daß die Sünde erst am Gesetz entstehe; es geht ihm vielmehr um die Herausarbeitung des Wesens der Sünde coram deo. »Erst in der 'Begegnung des Menschen mit dem Gesetz wird die Sünde als Sünde geboren« (Gaugier R 202). V 9: Wieder tritt im Ichstil eine Schilderung eines geschichtlichen Prozesses auf: einst lebte »ich« ohne das Gesetz; als aber das Gebot kam, lebte die Sünde auf (Qvt~"OEV), das »Ich« aber starb11 . Es gab im Paradies eine Zeit unmittelbaren 11 Eigenartig ist der paulinische Widerspruch gegen dic rabbinische Auffassung: der gute Trieb nimmt aus der Tora Anlaß und Kraft zu allem Guten her, der böse Trieb dagegen lehnt sich gegen die Tora auf; deshalb ist die Tora das beste von Gott gegebene Mittel, den bösen Trieb niederzuzwingen (Str-B 111 237). Für Paulus hat nur der Geist Gottes die Kraft, die den bösen Trieb niederzwingt. 19 ~ilV M1~av (neben 6&MvaL und ruQlmwv) findet sich häufig im heUenistischen Sprachgebrauch (z.B. Polyb. 111 7,5; 32,7) und ist eine beliebte Redensan. Sie heißt: »die Gelegenheit ergreifen« (~ilV Ä.a~uv), nicht "Anstoß empfangen« (BAUER WB 253; ScHLiEaR 222 ausführlich) . 20 In heiden Fällen wird die Sünde beschuldigt, die sich des Gesetzes bedient. In manchen Kommentaren sieht es so aus, als wolle Paulus das Gesetz beschuldigen, das die Begierde hervorruft. I,. Wirklichu;t kl.' Ptlllbu /IOr 1111.. dit SiUtd,,.,. (GAUGUaR I 2(0). 21 Die fehlende Kopula wird von westlichen Zeugen (GF d vulg.) durch itv ergänzt; besser wäre tm'v (Aug.). Aus Jak 2,17.26 erkennt man, daß »tot« soviel bedeutet wie »unwirksam, ohne Kraft« oder »ohne Aktivität«. Gegensatz dazu ist die Aussage 1Kor 15,56: »Die Kraft der Sünde ist das Gesetz«. 22 chta~ijv heißt hier: »aufleben« (nicht wie sonst vielfach: »wieder lebendig werden«). I n der ähe-
228
Der Todeswcg des Menschen unter dem Gesetz
Lebens und Fruchtbringens (Gen 1,28 ff.); dann aber kam das Gebot, das den Gehorsam verlangte und die Strafe des Todes androhte (Gen 2,17). Damit war die Zeit der paradiesischen Freiheit beendet. Auch für den Juden gibt es eine Kindheit ohne das Gesetz und ein Alter, in dem man für die Erfüllung des vom Gesetz Gebotenen selbst verantwortlich wird (bar-mizwa). Es ist anzunehmen, daß Paulus eine ähnliche Entwicklung hier voraussetzt, wobei er den Gegensatz Leben und Tod aufsein Verhältnis zum Gesetz anwendet. Wenn er hierv6~ und MOAT) im Wechsel gebraucht, dann denkt er durchweg an das mosaische Gesetz bzw. an das in V 7 zitierte Einzelgebot (= Ex 20,17). v6~ und tvtOAT) sind letztlich theologisch gleichbedeutend13• V 10: Das Bekenntnis: •• Ich aber star~( ist die Konsequenz der Gerichtsdrohung Gottes: .)Du wirst des Todes sterben« (Gen 2,17). Gottes Gericht tötet den Menschen, auch wenn er leiblich weiter lebt. Der leibliche Tod ist nur die Vollstreckung des von Gott verhängten Urteils. Es vollzieht sich eine völlige Umkehrung: die Sünde ist tot, und der Mensch lebt - die Sünde lebt auf, und der Mensch stirbt. Das Gesetz, das die Verheißung des Lebens in sich schließt, führt den Menschen zum Tode. Für die jüdische Lehre, die lediglich im Zeichen der Freude am Gesetz steht, ist ein derartiger Satz geradezu Gotteslästerung. Für Paulus dagegen ist der Weg des Gesetzes notwendig ein Weg, der in den Tod führt, weil der Mensch an sich selbst scheitert. An seinem Ende stehen die Zerspaltenheit des Menschen und das Gericht Gottes. Das Gesetz deckt die Tiefe der menschlichen Verlorenheit (bnihJJl(a, oßQ~, 'ftava'toc;) auf, und wenn der Mensch diese Tiefe der Verlorenheit nicht an sich wahrnimmt, dann hat das Gesetz seinen eigentlichen Dienst noch nicht erfüllt. Die Tiefe der Verlormheit liegt im Menschen selbst, nicht aujJerhalb von ihm. Paulus leugnet in Röm 7 keineswegs das Geheimnis des Dämonischen und Satanischen, wohl aber legt er es mitten hinein in die geschichtliche Situation des Menschen. Er denkt an Vorgänge, die einerseits ganz subjektiv, anderseits aber allgemein gültig verstanden werden wollen. xai. EUQt6TJ gibt das Ergebnis des Prozesses an (xa( = und so, EUQt6T) = hebr. K't,)~)24. Der Dativ J,lOL kennzeichnet das Geschehen als einen persönlichen, am Menschen sich vollziehenden Vorgang. " dC; twTtV klingt verkürzt; zu ergänzen wäre o'Öoa oder ÖEÖoJ.Lt'vt125. V 11: Mit den gleichen Worten wie in V 8 wird die Sünde beschuldigt, den verderblichen Prozeß zu verursachen; offenbar soll die Wiederholung verstärken. Daß die Schlange Eva täuschte (Gen 3,13; 2Kor 11,3; ITim 2,14) oder daß die Sünde betrügt (Hebr 3,13), hängt wieder mit der Auslegung der Sündenfall-Geschichte zusammen: das einmalige Ereignis ist auch hier allgemein gültig. Wieder wird Röm ren Exegese wird cnatfrv gelegentlich im Sinn einer Rückkehr in einen früheren Zustand verstanden. Gemeint ist aber lediglich, daß die Sünde ihre Bedeutung, ihre Kraft, ihr Leben empfängt, geradezu »aufblüht«. 23 Zur Unterscheidung von ~ mit und ohne Artikd vgI. W. G. KOMMEL, a.a.O. 55. J4 Gottes Gebot verheißt das Leben; es heißt daher das »Gesetz des Lebens und der Einsicht« (Sir 45,5; PsSal14, I f.). afm) (GIUESBACH: aim) verstärkt das Subjekt: eben dies Gesetz führt mich zum Tode. 2S »Die schauerliche Erkenntnis bricht auf, daß alle menschliche Ethik, ja seIbIt das götdiche Gesetz in der gefallenen Welt die Sünde nur groB macht, ja sie erst gebiert und den Menschen tötet« (GAUGLEaIlI 204).
Röm 7,1-25
229
7,7-25 ~UT großen AnJclagtdtrSiindt, nicht des Gtstt~tS Gottes. Sie zieht das Todesurteil Gottes nach sich, benutzt also das Gebot (ÖL' avtil~) zum Mord an den Menschen. In V 12 gibt Paulus die endgültige Antwort auf die in V 7 gestellte Frage; ÖX7tE bezeichnet hier die Folgerung, 6 J1Ev v6J1O~ schränkt ein: das Gesetz als solches, abgesehen von der Sünde oder von der Wirkung auf den Menschen. Paulus bekennt sich ausdrücklich zur Hoheit und Würde des Gesetzes, bleibt also trotz der Tragik des Menschen ebenso wie 4Esr 9,36 f. im Rahmen der alttestamentlichen Offenbarung. Das Gesetz ist heilig (äyLOI!;) , stammt von Gott und trägt die Wahrheit Gottes unmißverständlich in sich. Ja, Paulus wiederholt, sein Bekenntnis verstärkend, seine Aussage: das Gebot ist heilig, gerecht und gut (Dreiklang). Auch das einzelne Gebot, nicht nur das Gesetz als Ganzes, hat Anteil an der göttlichen Herkunft (ily(a); es ist gerecht (ÖU«1La), weil es von der Gerechtigkeit Gottes zeugt und das Zeichen dieser Gerechtigkeit unter den Menschen aufrichtet; es ist gut (ayaihl), weil es verstehen lehrt, was Gottes eigentlicher Heilswille ist: dem Menschen das Lehen zu schenken (V I0: d~ ~rofJv). Derartige Bekenntnisse zum Gesetz sind auch sonst nicht ungewöhnlich (x~ 6 v6J1o~ = Röm 7,16; ITim 1,8). VIS: Wieder setzt Paulus mit einer Frage ein: Ist nun das »Gute«, nämlich das Gesetz l6 , für den Menschen zur Ursache des Todes (zum Mittel der Verurteilung) geworden? Auch diese Fragestellung bedroht wie die frühere in V 7 die Autorität des Gesetzes. In beiden Fällen verteidigt Paulus das Gesetz, greift aber die Sünde an, die sich des Gesetzes bedient, um den Menschen zu knechten. Auf die an den Anfang gestellte Frage folgt die gleiche Abwehr J1Tt ytvOLto wie in V 7. Es war nicht Gottes Absicht, daß das Gesetz dem Menschen den Tod bringen sollte. Den Tod hat ihm vielmehr die Sünde gebracht (Anakoluth). Es sollte aber der Dienst des Gesetzes sein, daß die Sünde ihr wahres Wesen herausstellen muß (tva epavfl). Diese Absicht Gottes ist für Paulus so wichtig, daß er einen zweiten Absichtssatz anfügt: •• damit die Sünde durch den Dienst des Gebotes über die Maßen sündig würde«. xa'Ö' "1tE{)~AfJV tritt adverbial zu itJ.l stellt noch einmal das »Ich« des ganzen Abschnittes heraus: es geht um Paulus selbst, um seinJudesein und sein Menschsein in der Spannung der beiden Weltzeiten. Er hat diesen Menschen gekannt und überwunden: er dient mit seinem Uneilsvermögen dem Gesetz Gottes, mit seiner fleischlichen Welthaftigkeit dem Gesetz der Sünde; auffallend ist das betonte .)diene« (6ouAriKo); es beschreibt ein Zulassen, Tun und einen Zustand. Der Fromme, der von seiner VerfaUenheit an das Fleisch redet, der Rabbine, der noch fragt, was das Gebot besagt und was es freiläßt, der Glaubende, der sich von der heidnischen Obrigkeit getrennt weiß, spüren sie nicht alle etwas von einer fremden Macht, der man nicht gewachsen ist? Aus welchen Voraussetzungen ist eine überwindung des »Gesetzes der Sünde« überhaupt möglich? Die Antwon kann nur in dem Aufweis zweier verschiedener Strukturen des paulinischen Gesetzesventändnisses liegen: das Gesetz Gottes, das Paulus ausdrücklich bestätigt (7,22.25), ist das Gesetz, das im .)Geistcc und in der .)Freiheitcc erfüllt wird (Röm 8,1-4); das Gesetz, das in seinen Gliedern sich auswirkt, ist identisch mit der rabbinischen Schriftauslegung des »Begehrens« und des »Tuns« (7,22.25). Die beiden Strukturen sind einander entgegengesetzt. Man darf also nicht metaphysisch-dualistisch (E. Brandenburger, E. Käsemann) argumentieren, auch nicht die Vielfältigkeit des Gesetzesverständnisses herauszustellen versuchen (Gleichsetzung mit »religion«, C. K. Barrelt), sondern man muß auf den geschichtlichen Gegensatz zwischen Synagoge und messianischer Gemeinschaft (bucl110(a) eingehen: das Verhältnis beider ist geschichtlich und eschatologisch aufgefaßt. Am nächsten steht 2Kor 3,4-11: die verhüllte Schriftauslegung des Rabbinates. Ohne diesen Schlüssel ist jedes Verständnis von Röm 7 gefährdet: Entweder wehn der Apostel hier judaistische I rrlehrer ab, die in Mission und Lehre ihn bedrohen (Röm 16,17-20), oder er denkt schon jetzt an den Gegensatz ))Itark« - »schwach« in Röm 14,1-15,13 (P. S. Minear 65 ff.). Wahrscheinlich handelt es sich hier nicht um ein Entweder-Oder, sondern um verschiedene Gefahren, die aus der gleichen Wurzel stammen. Damit erklän sich am leichtesten auch die Stellung nach Röm 6: die Taufe setzt nach der Theologie des Paulus den Bruch mit der Synagoge voraus. Ebenso ist der Anschluß an Röm 5,12-21 gesichen: die Frage nach der Bedeutung und Gültigkeit des Gesetzes geht nicht nur dasjudentum, sondern die ganze Menschheit an. Es geht um die Loslösung von der Synagoge, weil es sich um die Frage der Tora schlechthin handelt.
Röm 7,1-25
239
Das ))Ichcc von Röm 7 ist tatsächlich biographisch-heilsgeschichtlich, daher paradigmatisch: Paulus weiß am besten, was die Besonderheit des jüdischen ))Fleischescc ist, und hat daher an diesem Punkt den Bruch vollzogen (PhiI3,4-11). Er selbst war Verfolger der Gemeinde, hatte im Namen der Tora den gekreuzigten Messias verfolgt (Gall ,22 f.; Apg 9,1-3) und mußte am Gesetz ))sterbencc. Es kann durchaus richtig sein, daß die Gegner das Gesetz weisheitlich weitergaben, so daß auch Paulus in Röm 7 das Gesetz ))weisheitlich« verteidigen bzw. angreifen muß (Vernunft - Glieder), aber hier liegt nicht die Spitze seiner Argumentation. Tatsächlich mag man daran denken, daß auch in der Auseinandersetzung zwischen ))starkcc und ))schwachc( die Gültigkeit des Gesetzes zur Diskussion stand: die Mischgemeinde hatte zwar die paulinische Konzeption angenommen (Röm 6,17: tU~~ rile; 61.baxT!e;) , war aber schwer imstande, sie gegen Widerspruch zu verteidigen (vgl. die Schlußkapi tel). An der Gesetzesfrage hängt das Verständnis des ganzen U rchristentums; das Verständnis von Röm 7 entscheidet auch über Aufbau und Sinn des ganzen Briefes. Da Paulus Apokalyptiker ist und die Zeit nicht nur äonenhaft auseinanderreißt, sondern zeitlich auf den ihm gegebenen Augenblick achtet (Röm 13,11). weiß er, daß im Abbruch der Zeit die Scheidung zwischen gesetzesfremdem ))Enthusiasmus« und torabewußtemJ udentum notwendig ist. Seine Haltung ist in eine bestimmte Situation gestellt. Es geht in Röm 7,14ff. nicht um einen Kampf um die )Nervollkommnungec (KäsemannR 213), sondern um die für den Christen notwendige Einsicht, daß das Gesetz seinen bleibenden Dienst an ihm tut, indem es ständig die Schwachheit des Fleisches aufdeckt. Jede Form des Nomismus wird durch das die Sünde aufdeckende Gesetz unmöglich gemacht; jeder Enthusiasmus, der das Gesetz als überwunden ansieht, ohne das Recht des Sinai anzuerkennen, wird in der Wurzel getroffen. Es gtht awschlilßlich um dit Gtgmiibtrsttllung des auf sich stlbst vtrtraunulm Menschen mit dem anJtsw Christw und tim Geist gtbundenen Menschm. V 25b kann daher verstanden werden als Hinweis auf den Menschen, der auf sich selbst gestellt ist (= 6Qa 00v ambe; !yoo) im Gegensatz zu 8,2 (6 yOo v6~ 'tOÜ ~vE'6~a't~ rile; toriie; = die Heilsordnung des Geistes, die allein Leben Schafft). l)oVAEUEI.V muß dann verschieden abgetönt sein: In Röm 6,18 meint es die Dienstbarkeit in der Freiheit des Geistes, in 7,25 das vorläufige Sichgebundenwissen an die VorläufIgkeit der alten Weltzeit und der alten Weltmächte, die zum bleibenden Stachel jedes Christseins wird. Wir haben in Röm 7,7- 25 ein in einem bestimmten Stil abgefaßtes Btkenntnis vor uns, das die Not des Menschen an sich selbst enthüllt. In der Begegnung mit dem Gesetz Gottes entdeckt er seine Zerspaltenheit in ein eigentliches Ich und in ein der Sünde verkauftes bzw. der Sünde unterworfenes Ich. Inhaltlich hat dieser Stoff manche Berührungen mit apokalyptischen, sektiererischen Anschauungen desJ udentums, formal dagegen erinnert er an hellenistische und orientalische Begriffe und Unterscheidungen. Mag das Wissen um die Zerrissenheit des Menschen auch Parallelen haben, so geht es in Röm 7,7- 25 doch nicht um eine psychologische cx:ler metaphysische Tatsache, sondern um eine durch die Verkündigung des Evangeliums aufgewiesene menschliche Not, die in dieser Tiefe und Uneingeschränktheit nur vom Christen am radikal verstandenen Gesetz erfahren werden kann,ja erfahren werden muß. Voraussetzung rur dies ganze Bekenntnis ist die überwindung der Herrschaft des Gesetzes durch die Wahrheit und Herrschaft des Geistes (Röm 7,1-6), doch wird auch der Christ in seiner fleischlichen Existenz und in seiner Auseinandersetzung mit der bleibenden Forderung Gottes von dieser menschlichen Not immer wieder bedroht und erschüttert. Da die christliche Existenz nicht in der Aufhebung der Situation von Röm 7,7-25 besteht, sondern in ihrer Erkenntnis und in ihrer überwindung, hat unser Abschnitt seinen Dienst auch an dem getauften Menschen auszurichten. Das Wissen um die Zerrissenheit des Menschen, um seine Bestimmtheit durch das Fleisch, um
240
Der Todesweg des Menschen unter dem Gesetz
den Gegensatz zwischen Gottes Willen und dem menschlichen Willen ist die durchgängige Voraussetzung auch der paulinischen Paränese (Gal5,1~18). Es ist anzunehmen, daß ein derartiges Ich-Bekenntnis im Gottesdienst und in der Frömmigkeit eine besondere Bedeutung hat.
Exkurs Geschichtliche und theologische Probleme zu Röm 7 J. Zu, GesclricJate dn Auslegr.mg44 a) Schon in der Auslegung dn alten Kirclu finden wir venchiedene Möglichkeiten, das »Ichee von Röm 7,7 ff. zu verstehen, ohne daß immer eine klare Abgrenzung zwischen ihnen gefunden werden könnte. Man denkt z.B. an die Person Adams und an die Sündenfall-Geschichte von Gen 3 (Method. resurrect. 15,2; 57,1; 58,2; 11 1,1-5). Es liegt dann nahe, in der »Sünde«, die den Menschen verführt (Röm 7,11), einen Hinweis aufsatanisches Wirken zu sehen. Orig. hat Röm 7,7 f[ und 7,13 aufalle Menschen bezogen, insofern als alle unter der Sünde stehen. Er hat damit auch die Getauften in die paulinische Aussage einbezogen. Einen Satz wie Röm 7,14: »Ich aber bin fleischlich, verkauft unter die Sünde« habe Paulus deshalb gesprochen, weil er als Lehrer der Kirche auch die Schwachen in seine Aussage mit einbezog (comm. inJoh 10,28). Allerdings hat man in der alten Kirche das •• Ichee von Röm 7,7 ff. oft anden ventanden als das von Röm 7,13 ff.; auch fehlt oft eine klare Untencheidung in der Frage, ob Menschen unter dem Gesetz (Heiden und Juden) oder Menschen unter der Gnade (Christen) in unserem Abschnitt gemeint seien. Method. resurrect. 11 I ff. denkt in der Auslegung von Röm 7,13 ff. an den gläubigen Christen und an Paulus selbst. Hilarius deutet in seinem Psalmenkommentar das »Ichee von Röm 7,13 0". ebenfalls aufPaulus selbst (z.B. in Ps 118; 125,7; 129,6). Auch Ambrosius hat Röm 7,13 f[ aufPaulus und "uns« bezogen (z.B. Enarr. in Ps 37,25; de Abr. 2,27; de poen. 2,74). Allerdings gibt es auch viele Aussagen der Kirchenväter, die Röm 7,13 ff. ausdrücklich auf den unerlösten Menschen (Heiden undjuden) deuten, so Tert. pud. 17; Aug. propos. 44; de div. quaest. ad Simpl. I 1. Allerdings behauptet Auguatin in de div. quant. ad Simpl. I 1,7, daß jenes Wort Röm 7, 14b: •• lch bin fleischlichce auch vom Getauften gelte. Nur sei er nicht mehr an die Sünde verkauft wie der Mensch des Gesetzes. Im Kampfmit dem Pelagianismus gibt Augustin seine alte Auslegung auf und versteht die Klage des Paulus als die Stimme des wiedergeborenen, jedoch unter der Verderbnis der Natur seufzenden Menschen (de nupt. et concup. 1,27-32; c. duas epist. Pelag. 18,13-24; retract. 122,2; 23,5; 25,67; 11 27,2). Manche mittelalterlichen Ausleger folgen dieser neuen augustinischen Deutung, während andere schwanken. b) Die Reformation (M. Luther, Ph. Melanchthon,J. Calvin, Th. Baa) nimmt die augustinische Exegese wieder auf, wenn auch einzelne Theologen sich von ihr freizumachen suchen (M. Bucer, Musculus). M. Luther führt zwölf Gründe dafür an, daß Paulus mit dem »Ich« letztlich den geistlichen Menschen meine (165 ff.; 11 168 ff.j. Ficker) .•• Er redet in eigener Person und im Namen aller Heiligen.ce ••Der geistliche Mensch nämlich kämpft mit dem Fleisch und seufzt, daß er nicht so kann, wie er will. Der fleischliche Mensch aber kämpft gar nicht, sondern gibt nach und willigt ein.ce •• Denn das ist das 44 Vgl. SANDAy-HEADLAMR 184 8:; W. G. KONNEL, a.a.O. 748:; K. H. ScHELKLE, Die Auslegung von Paulua' Römerbriefbei den Vätern, 1. Teil, 1948, 166 8:; den., Paulus, Lehrer der Väter, 1959, 224-258; N. BoNWETSCH, Röm 7,14 ff. in der alten Kirche und in Luthen Vorlesungen über den Römerbrief; NkZ 30, 1919, 135-156.
Köm 7,1-25
241
Merkmal eines geistlichen und weisen Menschen: er weiß, daß er fleischlich ist und er mißti.llt sich, er haßt sich selber und preist das Gesetz Gottes, daß es geistlich ist.cc »Der geistliche Mensch will nämlich ganz rein, ganz frei, ganz fröhlich, ohne durch das widerstrebende Fleisch beschwert zu sein, das Gute tun. Aber das bringt er nicht fertig.« M. Luther undJ. Calvin können sich daraufberufen, daß die Schilderung Röm 7,7 ff. keineswegs übereinstimmt mitder Beschreibung des heidnischen bzw. desjüdischen Menschen in Röm 1,186".; 2,1 ff. 176". Die »Vernunft« (vOOIi) des nicht wiedergeborenen Menschen war ja nach Röm 1,21.28 verfinstert und entleert. Tatsächlich stehen wir damit vor einer wichtigen exegetischen Beobachtung: Paulus hat zwei Formen der Auseinandersetzung mit dem Judentum. Er deckt die Nichterfüllung des Gesetzes (Röm 2,17-29) ebenso auf wie den Versuch Israels, eine eigene Gerechtigkeit vor Gott aufzurichten (Röm 9,32; 10,3). ImPitlismus wird es fraglich, obdie Schilderung von Röm 7,18 f. aufPaulus und den wiedergeborenen Menschen passe (Ph.J. Spener), und man kehrt zur voraugustinischen Exegese zurück (A. H. Francke). In der MInen Auslegung finden wir die augustinisch-reformatorische Tradition in der Erlanger Schule (Chr. v. Hofmann, Th. Zahn) und in bewußt reformierten Kreisen (Fr. Kohlbrügge, K. Barth). Aufden Nichtchristen beziehen F. Chr. Baur und die Tübinger Schule Röm 7,7 fr., dann aber auch die meisten historisch-kritischen Untersuchungen in der Gegenwart (E. Kühl, H. Lietzmann, W. G. Kümmel). Vertritt man die existentiale Deutung des paulinischen Textes, dann würde man die menschliche Existenz in dem Aufsichselbst-Gestelltsein und in ihrem VorGott-Gestelltsein unterscheiden. Der Gnadenstand ist dann die jeweilige aktuelle Aufhebung des Gesetzesstandes. Es ist aber die Frage, ob nicht das Schwergewicht des paulinischen Textes auf dem Ereignis der Veränderung der geschichtlichen Situation liegt, die durch das KreuzJesu gegeben ist. »Wir haben hier nicht )unSC zu interpretieren, sondern das Zeugnis des Pauluscc (GauglerR I 244). Mag auch die persönliche Erfahrung immer wieder uns dazu verleiten, in Röm 7,18 f. einen Ausdruck dessen wiederzufinden, was gerade der Christ - und vielleicht in dieser Radikalität rwr der Christ - aussagen kann, so ist anderseits doch festzuhalten, daß die mit dem Kreuz und der Auferweckung uns gegebene Verheißung uns auch über unsere Erfahrung hinausträgt.
2. Zum tluologisclren Verständnis von Paulw und M. LuJhe,. Seit der Theologie Ritschls und Schlatters ist das Verhältnis von Paulus und Luther zu einem ernsthaften theologischen Problem geworden. P. Althaus hat in: Paulus und Luther über den Menschen, 1938 versucht, aus dem Zusammenhang der beiden Kapitel Röm 7 und Röm 8 die begrifflichen und denkmäßigen Unterschiede zwischen dem NT und der refonnatorischen Theologie herauszuarbeiten. Tatsächlich wird man nicht abstreiten können, daß in der Art, wie der Mensch ohne Christus und die Not bzw. der Widerstreit des Menschen in Röm 7 und bei M. Luther dargestellt werden, erhebliche Verschiedenheiten aufzuweisen sind. Es ist typisch, daß für M. Luther die geschichtlichen Unterschiede in der menschlichen Situation vor der radikalen Frage nach der Art des Glaubens und des Geistes Gottes zurücktreten, daß also nicht der Heide oder der Jude, sondern der Mensch, der dem Fleisch gehorcht, dem geistlichen Menschen gegenübergestellt wird. Die menschliche Natur als solche hat keine Lust am Gesetz und widerstreitet ihm, während der geistliche Mensch den Kampf mi t Fleisch und Sünde aufnimmt. Das paulinische Bild des vorchristlichen Menschen ist differenzierter als das M. Luthers, aber trotz aller exegetischen Einzelunterschiede hat dieser die Tiefe des Gegensatzes von Gesetz und Evangelium theologisch richtig gesehen. Es genügt nicht, die Theologie des Paulus als »Missions- und Bekebrungstheologiecc zu beschreiben, M. Luther dagegen innerkirchlich aus der Auseinandersetzung mit der Frömmigkeit seiner Zeit zu begreifen (P. Althaus,
242
Der Todeaweg des Menschen unter dem GeaelZ
a.a.O. 73 W.). Auch Paulus kämpft mit gleichem Ernst wie M. Luther gegen die falsche Sicherhei t der Getauften und gegen die Sünde innerhalb der Gemeinde. Der eigentliche U nterschied zwischen Paulus und M. Luther besteht darin, daß M. Luther die Erkenntnis von Röm 7,14 0: auf den geistlichen Menschen beschränkt, während Paulus den Menschen schildert, der am Gesetz scheitert. Daß dies Versagen des Menschen dem Gesetz gegenüber eine Erkenntnis ist, die auf den Christen beschränkt ist, kann nicht zugestanden werden; wohl aber ist diese Schilderung, die der Christ Paulus entwirft, in ihrer Radikalität und Ausweglosigkeit für das paulinische Verständnis des Gesetzes bezeichnend. Wer sich des Gesetzes rühmt, verschweigt die Wahrheit, die auch an ihm sich vollzieht bzw. vollziehen muß. Daß diese Wahrheit sich notwendig am Menschen vollziehen muß, ist die Erkenntnis, die wir dem Evangelium verdanken. Grundsätzlich ist für Paulus durch das Verhältnis von Indikativ und Imperativ die Möglichkeit gegeben, die Sünde konkret zu überwinden. Für Luther bleibt aber der Glaubende auch jetzt peccator in re, d.h. das Bekenntnis zur faktischen Sünde wird für ihn ausgeweitet zu einer dogmatischen Aussage über ihre Unausweichlichkeit. Indem die Reflexion das Bekenntnis zur konkreten Schuld und Sündhaftigkeit ausweitet und weiß, daß die Sünde auch morgen da ist, ja injedem guten Werk vorhanden ist, ist die Situation faktischen Bekenntnisses überschritten. Hier liegt ein Unterschied zwischen Paulus und M. Luther, der fUr die theologische Fragestellung nicht unwichtig ist45 • 3. z"r rtligionsgeschichllidlm Einordnung von Röm 7,7Jf. a) Die Form des ))Ich«-Stiles, die Art der anthropologischen Aufspaltung, auch die Gegenüberstellung von »WoUencc und ))Tun« weisen einerseits in eine ganz bestimmte jüdische Tradition (IQS 11,7-10; IQH 2,6 f.), andererseits in bekannte hellenistische Vorstellungen (Epict. 11 26; 128,6 ff.; Xenoph. memo 111 9,4; Plato Rep. IX 577E; Ovid metarn. VII 19 f.; Stob. 161,1). Dieser Ich-Stil knüpft zunächst an den alttestamentlichen Psalm an, nimmt aber dann dualistische Motive, die von anderswoher kommen, auf. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Röm 7,7-25 aus einer Vorlage entstanden ist, doch ist aufjeden Fall zu betonen, daß biblische und jüdische Grundmotive in diesem Text unverkennbar sind. Die Beziehungen zur Sündenfall-Geschichte, zum Dekalog und zur Gesetzeslehre des Judentums sind ganz entscheidend; dabei kommt es nicht so sehr auf die menschliche Situation als solche an, sondern auf die notwendige Erfahrung, die aus der
Begegnung mit dem Gesetz entspringt. Wir haben jüdische Grundmotive vor uns, die aber stark gegen die rabbinische Gesetzeslehre ausgerichtet sind. Daß das Gesetz Leben ist, Leben schafft und verbürgt, ist in Röm 7,7 ff. einerseits zugegeben, anderseits aber von einer anderen Ebene aus bekämpft. b) Vorausgesetzt ist auch in Röm 7,7-25, daß das Gesetz als Forderung Gottes seinen Anspruch auf den Menschen mi t Recht erhebt. Da aber der Mensch nicht gehorcht, sondern begehrt, scheitert er und stirbt an dem Gesetz. Damit entsteht die Frage, in welchem Verhältnis Röm 7,7-25 zu Röm 2,17-29 steht. Die Denkformen der beiden Abschnitte weichen voneinander ab. In Röm 2,17-29 bekämpft Paulus den jüdischen Anspruch auf Gerechtigkeit und deckt den Ungehorsam konkret mit Hilfe der Norm des Gesetzes auf. Er erkennt also die bleibende Forderung Gottes ausdrücklich an und erscheint somit wie ein Prediger des Gesetzes. In den scharfen Aussagen: 4,15; 5,20; 7,1~ und 7,7-25 bekämpft der Apostel aber die Möglichkeit, auf Grund des jüdisch verstandenen Gesetzes Leben und Gerechtigkeit überhaupt zu empfangen. Er hält sich also streng an den Satz, "'VgL P. ALTHAUS, Paulua und Luther über den Menschen, 1938 (3. Auß. 1958); W.jOEST, Paulua und das lutherische Simul justus el pea:ator, Kerygma und Dogma I, 1955, 269-320.
Rößl 7,1-25
243
daß allein aus Glauben Leben empfangen werde. Damit ist das jüdische Ventändnis des Gesetzes durchbrochen. Man wird auch bier aufG/JOIuU.JPlisclu PrimUs". hinweisen dürfen. Paulus denkt grundsätzlich von der Lehre der beiden Äonen aus. Das Gesetz gehört für ihn in den alten Äon des Unheils hinein; es macht das Maß der Sünde voll (Röm 5,2O). So kann dasjudentum cschatologischlli"" denken, doch ist an den Gcschichtsaufriß desjubiläenbuches zu erinnern Uub 1,1-18): Moses steigt auf den Berg Goues und sieht die vergangene und zukünftige Geschichte. Er erhält Befehl, alle Worte in ein Buch zu schreiben, damit die Nachkommen sehen, daß Gou tratz alles von ihnen verübten Bösen sie nicht verlassen habe. Wenn alles über sie kommt, dann erkennen sie, daß Gou gerechter ist als sie selbst mit aU ihrem Recht und ihren Werken. Die Gebote werden zu ausdrücklichen Zeugnissen, die ihre Wahrheit über den Abfall des Volkes hinaus bewähren werden. Gou wird das abgefallene Volk in die Hände der Heiden zur Gefangenschaft, Beute und Vemichtung geben. Aber dann wird eine Periode der Umkehr, des Heiles, der Sammlung aus allen Heiden einsetzen; man wird Gou suchen, und er wird sich von ihnen finden lassen. Heil und Gerechtigkeit werden geschenkt. Das Gesetz wird zu einer Wahrheit, die sich vom SchickIalsweg des Volkes entfernt. Das Heil bindet sich an eine neue Ptriodt dir UmIuJa, und der Gegenwart Gottes. Wichtig ist ferner, daß an die Venchärfung des Sabbatgebotes, aber auch an andere Gebote (vgl. etwa Ex 2I,12-17), immer wieder die Drohung des Todes geknüpft wird (Wer das und das tut, der soll sterben). Die Ausrottung des Sünden ist ganz offenbar der Sinn dieser Todeadrohung"6. Doch ist es entscheidend, daß auch die Untenchiede zwischen dieser Art frühjüdischer Gesetzespredigt und paulinischer Unterweisung hervortreten. Paulus versteht das Gesetz ausschließlich vom Evangelium aus. Er deckt letztlich das Versagen des Menschen,ja den notwendigen Zerfall des Menschen an der götdichen Forderung ebenso auf, wie es einst Aufgabe der Propheten war, Gottes Gebote neu zu ventehen und den Ungehonam dei Volkes aufzudecken. Daß für Paulus die Tora zum v~ wird, liegt ja scb1ießlich nicht nur an dem Hellenisierungsprozeß der Septuaginta, sondern auch an dem durch ihn geschaffenen GesetzesbegrifT, der von der Antithese zum Evangelium ausgeht. Wir haben ein Denken vor uns, das ausschließlich von der Hei1stat Gottes inJesus Christus ausgeht und nunmehr das Versagen, ja die Zerfallenheit des Menschen an diesem Maßstab aufweisen wi1l 47 • c} Auch dal qumranitische Judentum sieht den Menschen grundsätzlich im Widerspruch gegen Gou und seinen Willen, wie er in der Toraauslegung der Gemeinde offenbart ist: Er wandelt im Eigensinn eines schuldigen Herzens und begeht mit unzüchtigen Augen jede Art von Bösem (IQS 1,6 f.; IQH 7,3). Wie hoch auch immer die Werke der Schöpfung gepriesen werden (I QH I ,6-15) und auch die biblische Aussage von der Herrschaft des Menschen über die Erde festgehalten wird (IQS 3,17 f.), erscheint der Mensch doch durch völlige Nichtigkeit bestimmt, als Gebilde aus Lehm und Wuser ( I QH 1,21), aus Staub bestehend (IQH 10,3 f.; IQS 1I,21). Aufdiese Weise wird nicht nur die Vergänglichkeit und Ohnmacht des Menschen beschrieben, sondern damit ist zugleich seine UrifiJaigUi, ~ tJlUm Gulm gegeben: Er ist ein Grund der Schande und ein Quell des Schmutzes, ein Schmelztiegel des Unrechts (I QH 1,21); er hat keine Einsicht (I QH 1,23) und kann keinen geraden Weg gehen (lQH 12,24-35). Von der Sünde befallen sind s0wohl der Geist des Menschen (lQH 1,22 f. 32; 3,21) wie auch sein Fleisch (IQS 3,8 f.; 4,20 f.). Menschsein heißt Sündenein im umfassenden Sinn; das Fleisch hat keinen Ruhm •• VII. BoUSIET-GIlESINANN, Die ReliKion des Judentums, 3. AuO. 1926, 125 f. • , VII. G. v. RAD, TbeoJosie da Alten Testaments 11, 1960,402-424 (Du Gaetz).
244
Der Todeswcg des Memmen unter dem Gesetz
und der Geist keine Kraft (IQH 9,1~17). An sich ist ).Fleisch« ein neutraler Begriff ( IQH 8,31; IQM 7,5; 17,7 f.), genau wie OOQ~ im Neuen Testament im neutralen Sinn verwendet werden kann. Doch scheint das »Fleisch« auch von der Qumrangemeinde in besonderer Weise als Sitz der Sünde betrachtet worden zu sein (IQS 4,20 f.; 11,12; IQH 13,13; 17,25). Mit seinem Eintritt in die Bundesgemeinde entsagt der Mensch allem sündhaften Eigenwillen und gibt sich ganz der Forderung des Gottesgebotes hin (IQS 1,1-10; 5,4 f. 7-11; 9,23-26; IQH 6,6 f.; Dam 2,14-16; 3,3). Entscheidend für diese Veränderung ist letzten Endes nicht das Tun des Menschen, sondern Gottes Wirken, und zwar einerseits inder Vorausbestimmung (IQH 3,22; 15,15 f.) und andererseits im gegenwänigen Heilshandeln (IQS 1,19; 3,~II; 11,3.14 f.; IQH 7,30; 11,1~13; 16,8-19). Die Gemeinde ist ein Haus der Heiligkeit für Israel, sie sühnt für die Erde und tritt als Zeugin für die Wahrheit im Endgericht auf( IQS8,~1O). Ausdrücklich wird gesagt, daß jeder, der in die Gemeinschaft eintritt, ohne den Eigensinn des Herzens aufzugeben, und der Widerwillen gegen die Weisungen der Erkenntnis empfindet, nicht unter die Rechtschaffenen gezählt wird und daß es für ihn weder Sühne noch sakramentale Reinigung gibt (I QS 2,2~3,6). Um so mehr überraschen die Siindmbekmnmisst der Vollmitglieder, wie sie in I QH und I QS überliefen sind. In I QH 1,22-27 bekennt der Beter, dem Gott Einsicht in seine Geheimnisse geschenkt hat, daß er einen verderbten Geist ohne Einsicht hat und daß dem Menschen der Dienst am Unrecht und die Werke des Betrugs zukommen. Der Fromme ist Siindn rmd Gertchter zugleich: in I QS II,~ gehört der Beter zu denen, die Gott erwählt hat und denen er Anteil am Lose der Heiligen gewährt; unmittelbar d~uf, in 11,9 f., zählt er sich zur gottlosen Menschheit und zum Kreis der Verkehrtheit. Der Mensch bleibt also auch als Erwählter und als Glied der Bundesgemeinde der Macht der Sünde ausgesetzt, denn der Geist der Verkehrtheit wohnt in seinen fleischlichen Gliedern (I QS 4,20). Er muß sich dazu auffordern, das zu erwählen, was Gott ihn lehn (IQS 10,13). Die Qumrangemeinde sieht die Ursache dieser Zerspaltenheit des Menschel'l im Kampfder Mächte des Bösen und des Guten, die Gott selbst geschaffen hat und die bis zum Endgericht miteinander ringen (I QS 4, I~ 19). Die Menschen zerfallen in ~ti Gruppen, die jeweils unter der Herrschaft einer dieser Mächte stehen. Entscheidend ist dabei, daß der Engel der Finsternis auf die Söhne des Lichtes Einfluß hat: »All ihre Sünde, alle ihre Frevel, all ihre Schuld, alle Auflehnungen ihrer Werke•• sind die Wirkung seiner Herrschaft (IQS 3,22). Freilich kommen der Gott Israels und sein Engel der Wahrheit den Söhnen des Lichtes zu Hilfe (IQS 3,24); aber der Kampfdauen an (IQS 4,23-25), so daß der Mensch stets Anteil an der Wahrheit und an der Verkehrtheit hat, bis zum Tage des entscheidenden Gerichts (IQS 4,~23). Im Blick auf Röm 7 fragt man, ob die Qumrangemeinde auch mit einem Kampf der heiden Mächte im Menschen vor seinem Eintritt in den Bund rechnet. Das wird offenbar nirgends gesagt. Der Mensch schwankt nicht, sondern sein Herz ist han, und er tut, was er will (Dam 8,7 f. 19). Von dieser Frage abgesehen, stimmen Paulw rmd du QpmTtmgtmeiNJt in der Beuneilung des Menschen und seiner Möglichkeiten weitgehend überein: 1. Der Mensch ist Sünder und zum Guten unfähig; 2. auch nach der Bekehrung ist der Wille nicht eindeutig auf das Gute gerichtet, sondern wird noch vom Bösen beeinflußt. Die Einsicht in die Macht der Sünde führt in der qumranitischen Theologie dazu, daß Gott dadurch belastet erscheint, daß er das Böse geschaffen hat und wirken läßt. Paulus sagt über eine Beziehung Gottes zum Bösen nichts; dafür gerät aber das Gesetz bei ihm in den Verdacht, der Sünde Vorschub zu leisten. Sowohl Paulus wie Qumran weisen diesenjeweiligen Verdacht energisch zurück, indem sie den Menschen trotz aller widrigen Bedingungen, die ihm vorgegeben sind, für seine Sünde voll verantwortlich machen. Sie unterschei-
Rötn 7,1-25
245
den sich jedoch voneinander darin, wie sie den Menschen das eschatologische Heil erlangen und wovon sie sein Leben zwischen Bekehrung und Tod bzw. Endgericht bestimmt sein lassen. Nach qumranitischer Lehre erleuchtet Gott den Menschen, so daß er Einsicht in die Heilsgeschichte und in das Gesetz erlangt (IQH 7,26 f.; 11,10.17-20). Er gibt ihm Festigkeit. so daß er trotz Verfolgung und eigener Schwäche den Hei1sweg gehen kann (IQH 1.32; 9,1~13). Er vergibt dem Menschen die Sünde (IQH 4,37; 7,30; 9,13) und entsühnt ihn (IQH 6,4-13; 11,10 f.). Bestimmt wird das Leben des Bundesgliedes durch die Tora, deren Erfullung durch Gottes Hilfe ermöglicht wird. Nach Paulus erlangt der Mensch das Heil durch die Tat des Christus; das Leben des Erlösten wird bestimmt durch den Geist des erhöhten Herrn, dazu freilich auch durch die konkrete Paränese. Vgl. dazu K. G. Kuhn. XE~~~ im Neuen Testament. ZThK 49. 1952, ~222; S. E.Johnson, Paul and the ManualofDiscipline. Harvard Theol. Review 48, 1955, 157-166; W. D. Davies, Paul and the Dead Sea Scrolls: Flesh and Spirit, The Scrolls and the New Testament. hng. v. K. Stendahl. 1957, 157-182; D. Flusser, Fleisch und Geist in den RoUen aus der Wüste Juda und im Neuen Testament, Tarbiz 27. 1957-58, 158-169; R. E. Murphy, Basarin the Qumran Literature and ~ in the Epistle to the Romans. Sacra pagina 11, 1959, 66-77. Der ~tz von Wollen und Tun nach Röm 7,15f1: Wenn man Röm 7,7 ff. auf den uorclrristJidrnt Measclaen bezieht, ihn als den in Paulus sich danteIlendenjuden bestimmt, dann ist das dort genannte Gesetz ganz selbstverständlich das mosaische. Der jüdische Mensch würde dann in seiner Person unter dem Gesetz eine grundsätzliche Erfahrung machen, die stellvertretend rur die ganze Menschheit gilt: er würde dadurch Inbegriff auch des ItAdam« der Schöpfungsgeschichte. Anden wäre der Ausgangspunkt der Exegese, wenn man von vorneherein bei der Adamgeschichte einsetzt und jeden Menschen vor und außerhalb des Christus - ob er Jude oder Heide ist, spielt dann keine wesentliche RoUe - hier geschildert findet. Dann wäre das mosaische Gesetz letztlich kein anderes als das schöpfungsmäßig auch dem Heiden mitgegebene natürliche Gesetz. Der Jude wie der Heide machten die gleiche Erfahrung des Zwiespalts und des inneren Zerfalls am göttlichen Gebot. Man würde. ähnlich wie in Röm 2,14-16 und 1.20, an eine allgemeine Kenntnis göttlichen Willens anknüpfen können; »der innere Menschte (V 22) bzw. »das Gesetz der Vemunftte (V 23) beschreiben in diesem Fall eine Würde bzw. eine Norm, die rur jeden Menschen angewandt werden kann. Auffallend ist aUerdings, daß Paulus auch hier dem natürlichen Menschen eine solch ernsthafte Einsicht zugesteht: .)Niemals hat der Apostel dem natürlichen Ich des Menschen soviel Konzessionen gemacht wie hier« (W. Bousset, Kyrios Christos, 4. Auß. 1935, 123). Sowohl die Apokalyptik wie auch die Weisheitslehre haben den Weg rur eine Aussage freigemacht, die das Judentum in eine Menschheitsgeschichte und in eine allgemeine Lebenserfahrung einordnet Die griechische und hellenistische Philosophie hat Anschauungen. Begriffe und Einzelmotive entwickelt. die ihrerseits ein Menschenbild gestalten können. Der Gegensatz zwischen »Woll",,, ""'" »1""" in Röm 7,15 W. kann venchieden verstanden werden. Zunächst liegt es nahe, an einen Zwiespalt im Menschen zu denken, der eineneits durch die Vernunft sich auf die Seite Gottes gestellt sieht, anderseits durch sein Gebundensein an das Fleisch die Forderung Gottes nicht erfuUen kann. Es kann durchaus möglich sein, daß dem natürlichen Menschen dieser innere Zwiespalt zum Bewußtsein kommt; es wäre auch möglich. daß der natürliche Mensch Freude am Gesetz Gottes empfindet (V 22), aber letztlich ist das eigene Urteil des Menschen über sich selbst nicht maß-
246
Der Todesweg des Menschen unter dem Gesetz
gebend: es gehört ja zur Zerrissenheit des Menschen, daß er beides 10 in sich tragen kann, die Freude am Gebot Gottes und die Freude am Bösen-. Wenn aber es einerseits als sicher gelten kann, daß der Jude unter dem Gesetz keineswegs als gespalten oder zerrissen erscheint (PhiI3,6: Paulus bezeichnet sich als vor dem Gesetz untadelig), andeneits gerade der Selbstruhm desjuden als eigentliche Schuld angesehen wird, dann legt sich für R. Bultmann eine neue Deutung des »WoUmsff und »1rmsff nahe. Der Mensch will »das Leben«, aber er tut das, was dieser Intention widenpricht: sein Handeln ist konkret auf den Tod ausgerichtet. Der Zwiespalt des Menschen besteht jetzt nicht im Bewußtsein des Menschen, der sich selbst verklagen, sich von sich selbst distanzieren kann, sondern darin, daß der Mensch das Gegenteil von dem tut, was er im Grunde will. xatfQ'Y6tro6aL in 7,8.13 bezeichnet dann das Ergebnis des Tuns, also das, was bei dem Tun herauskommt4'. Man darf den Zweck des Bekenntnisses Röm 7,7-25 nicht übenehen: Es IOU eineneits jedes Selbstvertrauen desjüdischen Menschen, Gerechtigkeit auf Grund des Gesetzes zu erlangen, in der Wurzel zerstören. Die im Menschen liegende Zerrissenheit läßt eine Erfüllung des Gesetzes nicht zu. Andeneits ist der Besitz des Geistes die einzige Möglichkeit, die im Menschen liegende Spaltung zwischen Wollen und Tun zu überwinden. Der Zwiespalt im Menschen zwischen Wollen und Tun ist also nicht psychologisch, sondern radikal in dem Menschsein selbst zu suchen. Nur der in Röm 8,1 f[ geschilderte Besitz des Geistes Gottes gibt eine Möglichkeit, den im Menschen liegenden grundsätzlichen Zwiespalt zwischen Wollen und Tun unter die Verheißung Gottes zu stellen und dadurch zu überwinden. Aus sich selbst heraus ist also dieser Zwiespalt nicht aufzuheben, und der Christ vermag in jedem Augenblick in ihn zurückzufallen. Die Radikalität dieses Zwiespaltes besteht in der Macht des Fleisches über die grundsätzliche Zustimmung des Menschen zur Forderung Goues. Es ist immer noch naheliegend, das »Gute« (ltyat6v, xaA6v) auf die Enüllung der Forderung Gottes, das »Böse« (xax6v) auf die Handlung des Menschen, die der Begierde entspricht, zu beziehen. Das Schicksal der Menschheit, das ~kenntnis zur Verfallenheit an Schuld, Ohnmacht und Tod und die Erwartung apokalyptischer Strafen und Qualen hängen wohl unprünglich eng miteinander zusammen (4Esr 7,60 W. 1160':). Hier findet sich auch die ausdrückliche Betonung der »Vernunftcc, die den Schicksalsweg des Menschen bewußt macht und die apokalyptische Weisheit aufnrh~n kann. Dir Vernunft steht also ausdrücklich auf der Seite des göttlichen Gebotes (Röm 7,23; 4Esr 7,72; vgl. 63 f.) . .. Vgl. zum Ganzen: P. AL11IAUI, PaulUi und Luther über den MeDlchen, 3. AuO. 1958; W. G. KUMMEL, Du Bild des MeDlcben im Neuen Testament, 1948; Il BULTMANN, Röm 7 und die An-
thropologie des Paulu., Imago Dei 1932,53-62; den., ChriatUI des Gesetzes Ende (Glauben und Venteben 11, 1952,3211':); G. BoIlNKANM, Sünde, Gesetz und Tod, Exegetische Studie zu Rößl 7, Ges. Auiätze I, 2. AuO. 1958, 51~; E. EuWElN, Du Rätsel von Röm 7, Kerygma und Dogma I, 1955, 247-268; O. Kuss in .einem Exkun: Zur Geschichte der AUilegung von Röm 7,7-25, R 462-485; H. HOMMEL, Du 7. Kapitel des Römerbriefs im Licht antiker Oberlieferunc, ThViat 8, 1961-62, ~ 116; KAsEMANNR 17~204. E. KAsEMANN geht es auch in Röm 7 nicht nur um den Menschen im Widerspruch bzw. in der Gespalteobeit, IOndern auch um sein Ventridnaein in die kaImisehe Ver&Uenhcit. H. P. RUGE&. ZNW 1977, 132-137; E. GIEIE. Römer 7 neu gesehen, Dia. Mvburg 1959;J. M. E. CauvW-lEa, L'exqeae de Romaina 7 rt le mouvrment de Keswic:k, 1961; H. GEIE, Das Gesetz. Zur Bibliscben Theologie, 1977,55-84. .. Du .Wollen. ilt dann keine in der Sphäre der Subjektivität gelegene Willenabeweguns, sondern ist die traDuubjektive Tendenz der menachlichen Existenz überhaupt. Du .Wirken. bezieht .ich nicht aufdie empirische Tat der übertretung, sondern aufdu Ersebnia des Tuna, du für die seaetzliehe Existenz bei jeder Tat herauskommt. O. Kuss weh" lieh danen, den lubjektiven Faktor im .WolIen. und .Tun. auszuschalten; es kann nach ihm nicht die Rede davon .ein, daS PaulUi tranaaubjektM Sachverhahe auf eine 10 .ubjektive Weile habe .childern wollen (R 470).
Röm 8,1-11
247
Die Ablösung des Gae~es durch den Messiu I. In der modemen Paulua-Fonchung weilt man gelegentlich daraufhin, daß sich nach der Lehre des Judentums der gesamte Lauf der Geschichte in drei aufeinander folgenden Epochen abspielt: zweitausend Jahre das Chaos. zweitausend Jahre das Gesetz, zwei tausendjahre messianisches Reich. danach das Ende, die Welt, die nur Sabbat ist. die Ruhe im ewigen Leben (bSanh. 97a; Pesikt 4a; Tamid 7,4)50. Damit ist eine Fragestellung angedeutet, die für Paulus ebenfalls wichtig ist. Auch für ihn ist das Leben unter der Herrschaft des Messias mit dem Abbruch der bisherigen Auffassung der Tora verknüpft (Röm 10.4). Auffallend ist auch, wie stark er sich von dem weiter bestehenden alten Äon a~ grenzt (Röm 12.2). 2. Die Untencheidung zwischen den »Tagen des Messias« und der zukünftigen Weltzeit (ApkBar,4Esr) ist bei Paulus ständig vorausgesetzt. wenn auch in modifizierter Form ( I Kor 10,11; 15.23 0:). Die ••Tage des Messias« sind gekommen. der zukünftige Äon hat mit der Aufentehung Jesu seinen Schatten vorausgeworfen. Die Geschichtsanschauung des Apostels trägt apokalyptische Züge". Daß die Zeit des Messias begrenzt sei. wußten auch tannaitische Lehrer (R. Elieser. R. Akiba). Der Apostel folgen aber nicht »logisch«: das Gesetz hört auf, wo das messianische Reich beginnt, sondern folgt einer vorgegebeRen Tradition: I. der »Sohnee stand selbst unter dem Gesetz (Gal4,4; Röm 8.4); 2. er kannte dieJesusüberlieferung von der ..Tora des Messias« (Gal6,2) und die Abendmahlsüberlieferung vom .)Neuen Bund« ( I Kor 11.25; 2Kor 3.6). Er hat auch Jes 51,11 vor Augen gehabt: ndurch leine Erkenntnis« (Targum: Weisheit) »wird als Gerechter mein Knecht gar vielen zur Gerechtigkeit verhelfenee 52 . 3. Wichtig encheint der Text: •• Der Ewige sitzt und foncht in einer,.,.",. Tara, die er in der Zukunft durch den Messias geben wirdee (Targum zuJes 12,3; JalqSchim 11 § 296). Vom Jlollnu!I ihr SiiIuU ab apokalyptischer GeschichtlanlChauung spricht aUJdrüc:klich Dan 9,24, ehe Sühne erfolgt und ewige Gerechtigkeit kommt.
Röm 8,1-11: Geist und neu es Leben
'So pt eI Abo jeczt kein Verdammwapurteil für die, die iD CIuUtu. J.... .... 2DemaduGe.a dnGeJ.ae. UDd_ Lebea., du iD a.ri8IIUJau ......... ....... Ut, hat cIicb vca Celeta _Sü..... DIIII . . T __ &eipallM:.... 3Deaa . . . dem ee.e. UJIIDÖIÜdI war, worin eI dch KhWKh erwi_, um da FleiK... wOIe.., .... hat Gott YOUbnchl, iDdem er 8eiaea eipDea SoIm andte, iD der Gleichheit" SündeafleiKh_ UDd al8 SüImopler; und dadurch venuteilte er die SüDde im Fleide, 4damit die Rechtafonlenllll- ee.eae. iD UD8 erfüllt würde, die wir Dicht Mda dem FleiKhe wadelD, 80Ddem DIICh dem GeUt. 5 Dean die uda dem FleiKh leben, tnchtea DIICh der Art da Flei8c.... die aber aach dem Gebt IebeB, tnchtea Dach der Art _ GeUteL 6Dema da Tnchtea da FleiKhe8 führt ..... Tod, du Tnc:htea da GeUtn .... zu Leben uad Frieden. 7Dem1 du Tradaso Vgl dazu L BAECK, Der Glaube des Paulua, Neudruck 1961; A. ScHWEITZEI., Die Myatik des Paulua, 1930; H. J. ScHoEPS, Paulus als rabbinilcher Exeges, Aus frühchristlicher Zeit, 19~, 221-238. SI Zur Diskuaion vgl U. Luz, Du GeschichliventändniJ des Paulus, 1968, 139 tr., der aUerdinga A. ScHWElTZU und H. J. ScHOEPS und dem rabbinischen QueUenmateria1 nicht gerecht wird. Zum Ase 10 Come. 1952.
Material vgl. W. D. DAVIES, Tarab in thc Mcuianjc Ase ud/ar tbe J2 Wichtig MUUAvR 11 375 ff.
248
Geist und neucs Leben
leD da FleiKha Ut FeiDcbcbaft . . . . Gott; a
UDtawirft lich dem GeIetz Gone. Diebt, .er.... a auch Dicht. • Die 1Iber, die im FIeUch öd, IröIUlell Gou Dicht prau... 'Ihr .... leid Dicht im fteiKb, lOIIdem im Geiat, WenD aaden der Geilt Got. . iD euch wolmt. WenD aber jemaad dea Geist CIuUti Dicht hat, 80 gehört er ihm Dicht.... IOWemaliber Christus iD euch wolmt, 80 Ut der Leib zwar tot um der SüDlle willea, derGei.8laber Lebea um der Gerechtipeit will... 11 WenD aber der Geiat deuea, der dea J.....00 cIea Toeea auferweckt hat, iD euch walmt, 80 wird der, welcher ChrUtaa J.... auferweckt bat, auch eure Iterblichea Leiber lebeDctipudaea durch eeiDea Gei.8I, der iD euch wolmt.
Analyse: Der Aufbau von Röm 8 vollzieht sich in einzelnen Abschnitten, die zwar logisch untereinander zusammenhängen, sachlich aber in sich abgeschlossen sind. Das neue Kapitel schildert den Einbruch der neuen Weh Gottes in die Welt des Fleisches, der Sünde und des Todes, wobei V 1-11 an die Stelle des seitherigen Gegensatzes Gesetz und Fleisch den neuen Gegensatz Geist und Fleisch setzen. Eine Reihe von Sätzen unseres Abschnittes klingt objektiv und lehrhaft (V 5 f. 7 f.), andere Aussagen dagegen wenden sich in persönlicher Anrede an die Leser (vgl. OE 8,2, ÜJ1EL~ V 9-11). Es liegt wohl am Zusammenhang von Röm 7 mi t Röm 8, daß die persönliche Anrede IIA.ruittQmotv OE V 2 sich auf den Klageruf 7,24 zurückbezieht; aber diese persönliche Anrede wird durch die bekennende Aussage des tva-Satzes 8,4 weitergefühn. Man wird feststellen dürfen, daß stilmäßig Röm 8,3 ff. gegen Röm 7,7-25 und den »Ichcc-Stil abgegrenzt ist. Es liegt nahe, das neue Kapitel mit Röm 7,25a beginnen zu lassen und Röm 8, I f. als Begründung anzuschließen. Dann verschiebt sich der Gedanke: 8, I spricht von Veruneilung, nicht von Errettung aus dem Todesleib. 8,3 schließt sich an (Veruneilung der Sünde). Vielleicht ist aber Röm 8, I f. eine Wiederaufnahme von 7,5-6 (Barrett R 154). Theologisch muß die Bedeutsamkeit von V ~ hervorgehoben werden: die Sendung des Sohnes ist die Voraussetzung rur den Wandel im Geist. Es folgen die harten Gegenüberstellungen von Fleisch und Geist in V 5-6.7-8.9-11. Die Schlußgruppe V 9-11 spricht der Gemeinde paränetisch die Gabe des Geistes zu, verbindet die Aussage über den Geist mit dem in der Gemeinde verkündigten Christus und schließt mit der durch den Geist verbürgten eschatologischen Hoffnung. Es kommt in diesem Abschnitt alles auf das rechte Verständnis des Geistes Gottes an: seine Existenz ist an die einmalige Sendung des SohnesJesus Christus in die Gestalt des Sündenfleisches gebunden, hat also hier ihren Ursprung (V 3); sie bewährt sich in der ständigen Auseinandersetzung von Fleisch und Geist (V 5), und sie verheißt eine überwindung der Spannung zur Leiblichkeit (V 11)1. I Auch in bestimmten Zweigen apokalyptilcher und IOnabger esteniacher Literatur spidt die Lehre vom Geilte Goaes eine enllcheidende Rolle. Er ist Werkzeug Gottes zur Erleuchtung und Errettq des MenJChen, schenkt dem Beter Erkennblia und Eimicht in die wunderbaren Geheimniuc Gottcl, reinigt den Memchcn und bringt ihn Gott nahe, stärkt ihn, daß er in der Versuchung nicht fillt. IQH 12,11 f[: .Ich habe dich erkannt, mein Gott, durch den Ckiat, wdcben du mir ICFben hast, und Zuverläaip habe ich sebön über demen wunderbaren Raucbluß. Durch deinen hcilisen Geilt butdu meinem Inneren Erkenntnis crößDet im Geheimniadeiner WciaheiL- V,t. IQH 3,6 f[; 4,2Off.; IQS4,31; 7,6ff.;9,16; 16,11.
Röm 8,1-11
249
Exegese: Die Danksagung von Röm 7,25a bedarf einer Fonsetzung (vgl. 6,17); der Dank des Paulus, den er Gott darbringt, geschieht durch die Vermittlung Jesu Christi, der nicht nur Erlöser aus der Macht des Todes, sondern auch Mittler des Gebetes ist. Grund des Dankes wäre dann der Inhalt von Röm 8,2, wobei die Anrede OE statt J,lE oder tU1Ci~ beizubehalten ist2 • Die umständliche und sicherlich feierliche Wendung am Anfang des Verses ist in zwei Genitive aufzulösen: ))das Gesetz des Geistes und des Lebens«, entsprechend dem ))Gesetz der Sünde und des Todes« am Schluß des Verses. Man erinnen sich dabei an das Gegenüber der bei den ))Gesetze« in Röm 7,23. War der Mensch unter die Sünde verkauft (7,14), unter das Gesetz der Sünde gefesselt (7,23), so ist in Jesus Christus eine neue Ordnung gegeben (wie Röm 3,27: v6J,l0Geist«. Zunächst klingen auch die Sätze V 7 f. objektiv und lehrhaft, indem sie das ))Sein im Fleisch« beschreiben; mit V 9 dagegen setzt die persöriliche Anrede UJlEL; ein, die dann zum Höhepunkt des ganzen Abschnittes führt. V 7 f.: Das Trachten des Fleisches ist nichts anderes als Feindschaft gegen Gott (vgl. Röm 5,10: ~ot ÖVtE;). Der Aufbau des Satzes ist ähnlich wie V 6: weil das Trachten des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist. ist sein Ergebnis der Tod. Es kommt Paulus aber darauf an. den Begriff des Fleisches und die Art seines Trachtens bis in die letzte Tiefe zu durchdringen. Die Feindschaft des Fleisches besteht darin, daß es sich dem Gesetz Gottes nicht unterordnet; Paulus steigert sogar und behauptet, daß das Fleisch auch dann, wenn es will, nicht die 7 Sel.. tventindlich könnte man »unter Uni« odeuin Uni« Ü benetzen (tv "-,""v). Die Ilec:htafordenmg Gottes (Sing.!) wird »unter uns« (objektiv) erfüllt. Gottes Geist ist sachlich identisch mit der uns z~rochenen Gerechtipeit. I V 5 wird mißventanden. wenn man in ihm nur die Untencheidung von zwei Mentchenarten sicht. EI geht bei Paulus nicht nur um venchiedene Seimweisen. sondern auch um zwei bleibende Möglichkeiten und um ein ltindiga Entweder-Oder. in denen der Christ steht. Dernichtchriadiche Mensch ist geknechtet und dem Tod verfallen. während der Christ dank der Gabe des Geistes zur Entacheidung in der sewonnenen Freiheit aufgerufen wird. LAoaJt 196 betont, daß qvovetV geradezu »Panei nehmen für eine Sache« ist. und warnt exegetisch davor. V 5 tautologisch auszulegen. Nimmt man diae Warnung ernat, dann muß man wohl sagen, daß Sein und Leben im Geist Dichta anderes ist als ein Sein und Leben in der Gnade. Dies Sein und Leben in der Gnade vollzieht sich in der Paneinahme für du, wu der Geist will. Für Paulus ist sowohl der Jude als auch der Heide vom .. Fleisch« beherncht, er stellt aIIo beide gleich.
Röm 8,1-11
253
Fähigkeit hat, sich unterzuordnen'. Auch in V 8 bleibt Paulus lehrhaft und kategorisch, ja er wiederholt das harte Urteil: oU ÖUYavtaL. Wer sein Leben nach fleischlicher Norm ruh", vermag nicht, Gott zu gefallen. Die Erfüllung des Gesetzes hat den Sinn, Gott zu gefallen; auch der Gehorsam der Gemeinde gegen die apostolische Tradition steht unter dem Gesichtspunkt, wie man »Gott gefällt« (IThess 4,1). Mit V 9 ff. setzt ein ganz neuer Ton ein, der schon äußerlich durch die persönliche Anrede kenntlich ist; diese Anrede ist sogar betont an den Anfang gestellt. Auch das stereotype y6Q (V 2.3.5.6.7) wird jetzt durch das wiederholt gebrauchte d öt (V 9b. 10. 11) abgelöst. Paulus beruft sich dabei aufdie Tatsachen, die in der Gemeinde anerkannt sind, und schließt aufdas, was aus ihnen folgt. Es handelt sich also immer um dasselbe Schlußverfahren. Tatsache ist, daß das »Seinee der Gemeinde ein Sein ist, das vom »Fleisch« geschieden ist. Das Leben im Geist (ElvaL tv m'EVf.U1'tL = ~i1v tv 7CvE1Jf.U1'tL) ist durch die Rechtfertigung und die Taufe zu einem grundsätzlichen Tatbestand geworden. Die Existenzgrundlage für dies Leben im Geist steht also hier nicht zur Diskussion. Die Gemeinde soll nicht erst das »Fleischee ablegen und den »Geistee anziehen, sie steht vielmehr im Geist (E. Gaugier ). Aber in jedem Handeln muß der Glaubende aufgerufen werden, sich dieser grundsätzlichen Tatsache bewußt zu sein,ja, ihre Wirklichkeit zu seiner eigenen Wirklichkeit werden zu lassen. Paulus weist daraufhin, daß diese neue Existenz im Geist sich daraufberufen kann, daß Christus selbst bzw. Gott selbst im Glaubenden wohnt. EÜtEQ (3,30; 8,17) drückt weder Bedingung noch Bedenken aus, sondern bezieht sich aufdie Voraussetzung und Gültigkeit des christlichen »Seinsee lO • Der Satz: »Gottes Geist wohnt in euchee (I Kor 3,16; ähnlich IKor 14,25) entstammt einem alten katechetischen Wissen, das Paulus gelegentlich in Erinnerung bringt l l . Es folgt im V 9b eine kategorische These, die vielleicht aus einem anderen Zusammenhang stamlJ'lt. Wahrscheinlich ist V 9b ursprünglich eineSeWtformel, die in der Gemeinde eine ähnliche Bedeu tung hat wie 1Kor 16,22; Did 10,6 (vgl. auch den Zusammenhang mit der Abendmahlsliturgie!) . Wenn Paulus diese Scheideformel hier einfügt, so will er sagen, daß auch sie mit der Zugehörigkeit zu Christus die Gabe des Geistes Christi verbürgt. Wer den Geist Christi nicht hat, wer nicht glaubt, denkt, aus diesem Bestimmtsein durchJesus Christus heraus handelt, beweist dadurch, daß sein Anspruch, Knecht Jesu Christi zu sein, falsch ist. Man achte auch auf das hervorhebende ofrtOS! Paulus setzt in unserem Zusammenhang voraus, daß Gottes Geist, Christi Geist und Jesus Christus selbst miteinander verbunden sind. • IpEpb 8,2 kann in einem ähnlichen Stil die Scheidung vollziehen: ol oaqxLxolTb JMU~ qciooav 06 ~ o66t ol ~xolTb oaqxLxlL IO.yuIg. übersetzt üEQmilli lamen, M. LUllIEa: »10 anden«. M.J. LADaANOEdeutet daQnacb: si quidem. Schwerlich richtig E. FUCHS, Die Freiheit des Glauben .. 1949, 96: .Der konditionale Nebensatz enthält eine Warnung«. 11 Str.B 111241 weistaufdaahebr.~. (aram . .,') alsXquivalent fürobwv hin. Jüdisch ist der Gedanke, daß der Geist sich auf einen Menachen niederli.ßt Uoh 1,33). Aber auch dies .Wohnen« dÜJfte eine längere Vorgeschichte haben, zumal die Parallelen Röm 7,17.20 zu beachten sind. Eine dem Menschen überlesene Macht .wohnt« nach alter und verbreiteter Vontd.luq.in ibm«.
254
Geiat und neues Lebens
Xounoü dvaL drückt rechtlich die Hörigkeit, theologisch die Abhängigkeit aus (vgl. I Kor 1,12; 3,23 u.ö.). Der Satzbau von V 10 weist einen strengen Parallelismus auf. Wo der Geist Christi ist, ist er selbst gegenwärtig; wohnt er im Glaubenden, dann steht zwar dessen Leib unter dem Gesetz des Todes um der Sünde willen (&a ~(av), ist aber die Gabe des Geistes Gottes Unterpfand des eschatologischen Lebens um der Gerechtigkeit willen (614 6LxaLOOi'MJv) 12. Der Gegensatz: oWJ.UI-xve'ÜJ.UI wird von den meisten Kommentaren anthropologisch verstanden; dann ist xve'ÜJ.UI )~as vom Körper zu unterscheidende Innenleben des Christencc (ZnR 391). Dagegen spricht die Tatsache, daß in unserem ganzen Abschnitt nur vom xve'ÜJ.UI iteoü, 1tVEÜJ.UI XQLatOÜ und XQLat6~ die Rede ist, also ein unvermittelter übergang in die anthropologische Denkfonn auffallend wäre". JtY2'ÜJ.UI ist auch hier eine Umschreibung der Wahrheit und Macht Gottes, die in dem Won und WerkJesu dem Menschen begegnen. Dil IAh,t l10m Geist Gotlts waJart die Botsclulfl DOll dn Ruhifmigrmg »txtra IIOS ft , GlclullJisint sit aber im komtlerI i,tlisclrm IAbm 14. Noch ein letztes Mal stellt Paulus in V 11 folgernd die in der Verkündigung formulierte Behauptung fest: ))Wenn das wahr ist ... cc (d 6t). Die auf Gott bezogene Prädikation 6 tye(Qa~ 'tOv "I1')ooüv tx v€XQÖlV weist ausdrücklich aufRöm 4,24 zurück. In Gebeten und Bekenntnissen findet sich dieser beschreibende und preisende Stil des Judentums und Christentums lS • Offenbar gehört auch die Wiederholung der Prädikation (6 tyd(K1~ tx v€XQÖlV) als Verstärkung zur feierlich hymnischen Redeweise. Liegt eine unmittelbare Anspielung aufdas Bekenntnis Röm 4,24 f. vor, so wendet Röm 8, 11 dies Bekenntnis auf die zukünftige Heilstat Gottes an: er wird unsere sterblichen (= dem Tode verfallenen) Leiber zum Leben erwecken 16. twoxoLetv ist in diesem Zusammenhang frühjüdisch und hymnisch festgelegt (Achtzehnbittengebet; Röm 4, 17). Daß Gott den hl. Geist gibt, damit die Menschen wieder lebendig werden, ist ein Glau benssatz des apokalyptischen Bildes Ez 37,14. In der Geschichte der Ausle12 ZnR. 389 wendet lich mitlUten Gründen gqeD die Deutung de. Vordersatzes auf du Sterben des ahm Mensc:ben in der Taufe, denn dies Sterben gachieht nicht »um der Sünde«, tondem »um der Gem:htipeit willeD4l. Auch sei Subjekt jenes Sterbau nicht der Leib, tandem du Ich des Men1Cben. 5au.A1TD, Gerecbapeit 262 lieht in Röm 8,10 einen AUldrucir. dafür, daß auch aufdem Glaubenden noch ein Zwieapalt liegt. Dieacr Zwiespalt zwiacben Geist und Leib, dies Urteil: »zu. gleich Sünder und Gerechter« wird erst dann aufsehoben, wenn der Leib erneuen wird. ~ ist vielleicht im Sinn von ~ au&ufuleD, ist allerdings noch ltärker (Röm 4,19; Hebr 11,12): der Leib des Menschen ist in Goues AUlen tot. U CJliJpa und KYripa lind keine Faktoren, aus denen der Christ »besteht«, tandem Faktoren, die ibm vorgegeben lind und die ihn daber bestimmen. Zum KVlÜpa-Bqrift'hat man vor allem die Parallelen der WJ.istisda M,ptiJ: herangezogen (R. RErrzENSTEIN, Hdlen. Myst., 3. Aufl. 1927, 321 8:). DerChristul extra noa (Röm 8,3) wird zum Chriltus in nobis (Röm 8,10). B-uTHR. 268 fF. letzt den .christus in UDS« mit dem göttlichen Wort an UDS gleich. I. E.FvcHl, a.a.O. 97 f[ webn lich ebenfalla mit RechtgegeD die Annahme, daß in Röm 8,10 eine anthropologische Auuage vorliegt und daß wir es hier mit dem Gegensatz äu8erlicb-innerlich zu tun haben. U Zum Stil der jüdischen Berakot YJI. J. EUOOEN, Der jüdische Gottesdienst in leiner geacbicbtlieben Entwiclr.lUDI, 3. Auf). Igs I; E. NORDEN, Agnc»101 Tbec., 2. Aufl. 1929. Zu den zahlreichen Varianten in der BezeichnWII des Jesua-Namena YJI. ZnR 392 Anm. 81. I. Die AuferweckWIIJeau Christi itt auch IOOIt bei Paulus Bürpcbaf\ und Vorbild UDlCfer" Den Auferweckuna (IKor 6,14; 2Kor 4,14; Pbil 3,21; ITbeu 4,14).
Röm 8,1-11
255
gung spielt das Nebeneinander der heiden Lesarten: »durch den in euch wohnenden Geist« (ÖLeI 'tO'Ü tvot.xo'Üvt~" A) bzw .••wegen seines in euch wohnenden Geistes« (ÖLit 'tO tvot.xoüv amO'Ü 1CVWJ.I(l BDGx lat sy) eine große Rolle. Der Genitiv drückt stärker die Verbundenheit von Geist und Auferweckung aus: im Geist liegt die Wahrheit und Macht des Wortes, darum ist im Geist auch die Verheißung und Möglichkeit der Auferweckung ~egeben. Der Akkusativ ist vorsichtiger, wahrt stärker einen bestimmten Abstand zwischen Geist und Auferweckung: weil Gott sich durch die Wahrheit und Macht seines Wortes an uns bezeugt hat, läßt er uns nicht los, sondern vollzieht die gleiche Machttat, die er an Jesus Christus getan hat, auch an uns. Der Geist ist Unterpfand, Bürgschaft für das zukünftige Geschehen. Einmal wird der Zwiespalt zwischen göttlichem Wort und menschlicher Existenz aufgehoben werden 17. Sieht man auf den ganzen Zusammenhang unseres Abschnittes zurück, dann wird man in dem Verständnis des ••Geistes Gottes« die entscheidende Antwort auf die Fragestellung von Röm 7,7-25 finden: der Geist Gottes ist die Voraussetzung für die Erlösung des Menschen. Er wird von Paulus als die Vergegenwärtigung der Sendung des Sohnes beschrieben (Röm 8,3) und an die Auseinandersetzung mit dem .. Fleisch« so gebunden, daß das ganze Problem des Menschseins ebenso angerührt wird wie im KlagerufRöm 7,24. Die Rechtfertigung ist die Bürgschaft für die leibliche Auferweckung. Ohne die kosmische überwindung des Todes wäre die Heilstat Gottes unvollständig.
Exkurs Zur Auseinandersetzung: Gesetz, Geist und zum Gegensatz: Geist und Fleisch 1. Die gegenwärtige Fragestellung, ob Paulus zu verschiedenen Gruppen in Rom spricht (P. S. Minear) oder in einer Art Rechenschaftsbericht seine eigene Position gegenüber einem gesetzesgebundenen Judenchristentum und einem das Gesetz abstoßenden Heidenchristentum abklärt, setzt verschiedene Aspekte frei. Dazu gehört die Frage nach der "Rechtsforderung des Gesetzes« (8,4). Es liegt Käsemann R daran, im zweiten Hauptteil (Kap. 5-8) stark den Freiheitsgedanken herauszustellen (Tod, Sünde, Gesetz) und gegenüber den Mächten des alten Äons die Macht des Geistes zu betonen. Das Leben im Geist ist nicht als Gesetzeserfüllung (etwa durch die Liebe), sondern als Erfüllung des Gotteswillens zu begreifen, der sich im ursprünglichen Gesetz kundtut (S. 210). Etwas anders liegt die Situation, wenn nach G. Friedrich, Das Gesetz des Glaubens (Röm 3,27), ThZ 10, 1954, 40 1-417 v6~ an den entscheidenden Stellen unseres Briefes die Tora bedeutet und im Sinn von 3,21.27 nicht nur Verdammnis, sondern auch den Glauben selbst bezeugt. Zum "Gesetz des Glaubens« kann die Tora erst nachträglich, von Christus her, 1'7 Daß Gott -die Toten belebt« (Achtzcbnbittengebet) ist rur daaJudentum ebenJO gewiß wie der Satz des Ezechiel: »Ich will meinen Geist in euch geben, daß ihr lebendig werdet« (37,14). Au. Ez 37,14 wird gefolgen: »In dieser Welt hat mein Geist in euch Weiaheitgegeben, aber in der Zukunft wird mein Geist euch wieder lebendig machen« (Ex r 48; Str-B 111 241). Der in Chriltul uni geIchenltte Geist ilt auch der Lebensgeiat, von dem Ezechiel redet.
256
Geist und neuea Leben
werden. P. von der Osten-Sacken (Röm 8 als Beispiel paulinischer Soteriologie, 1975,226 ff.) betont, daß das Gesetz die Struktur des Seins des U nerlösten wie des Erlösten ist. Tritt eine Änderung des Menschen im Verhältnis zum Gesetz ein, so verändert sich auch das Wesen des Gesetzes. Damit steht die Dialektik des Gesetzesbegriffes zur Diskussion: Liegt das Schwergewicht aufder Befreiung von der Gesetzesmacht oder auf der Forderung, die das Gesetz auch jetzt erheben kann? 2. Käsemann R 211 f. faßt in der Frage: Geist-Fleisch folgende Ergebnisse zusammen: I. Es handelt sich religionsgeschichtlich um die Ausdrucksform eines nichtjüdischen metaphysischen Dualismus (R. Meyer, ThW VII 113). Zugrunde liegt eine eschatologische Betrachtungsweise, die mit der Lehre von den heiden.Äonen eng verbunden ist. Es handelt sich um weltbeherrschende Mächte, die um jeden einzelnen Menschen kämpfen und von ihm volle Hingabe verlangen. 2. Die viel umstrittene Formel ))in Christuscc ist aufs engste mit der Antithese Geist-Fleisch verbunden; sie hat lokale, modale, instrumentale Bedeutung. Auch hier geht es um den eschatologischen Anbruch des neuen Äons und um einen Rahmen, der kosmisch universal, nicht anthropologisch verengt ist. Die Bindung der Geistlehre an die Christologie ist entscheidendes Merkmal paulinischen Denkens. In diesem letzten Punkt finden sich die verschiedenen theologischen Ansätze zusammen. Wird die Rolle des Gesetzes anders bestimmt, dann kann man in der religionsgeschichtlichen Vergleichung aufphilonische Texte zurückweisen, die zum Verhältnis Geist-Seele zu vergleichen sind (z.B. E. Brandenburger, Fleisch und Geist. Paulus und die dualistische Weisheit, 1968). In diesem Fall fragt man nicht so sehr nach der Fremdheit der kosmischen Macht als nach der Struktur der menschlichen Existenz (P. von der Osten-Sakken, a.a.O. 221 tr.). Der Mensch lebt im Anspruch des Gesetzes Gottes, aber Fleisch-Geist bestimmen den entgegengesetzten Antrieb, unter dem der Mensch steht. 3. In der gegenwärtigen Diskussion wird der eigentliche Ansatz im Gesetzesverständnis dann verfehlt, wenn man nicht vom mosaischen Gesetz und seiner halachischen Auslegung ausgeht, die Lebensordnung des Judentums war. Mit ihm war der eigentliche Rechtswille Gottes gegeben (ÖLXQ(o)JlQ too v6J.WU), der nach Paulus auf ein » Tun« ausgerichtet war (Röm 10,5 = Lev 18,4). Gottes eigentlicher Rechtswille wird aber im Annehmen, Gtltuiftwerdm, Mitltidm mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn bestätigt. Am Glaubenden vollzieht sich etwas, was über das )Tuncc hinausgeht. Der Rahmen, in dem das geschieht, ist der Neue Bund, die neue Lebensordnung, die mit der übernahme der Taufe gegeben ist. Die Verbundenheit von Geist Gottes und den ))Zeichencc von Taufe und Abendmahl ist für Paulus konstitutiv. Es ist also keineswegs selbstverständlich, den »Rechtswillencc des Gesetzes mit der Zusammenfassung der Gebote (Röm 13,8-10) gleichzusetzen. »)Rechtswillecc des Gesetzes ist eher das erste Gebot, dessen Ausdrucksform in der Sendung des Sohnes liegt. Der new GtJrorsQm ist ~t Erfüllung des mtm GtlHltts. 4. Der Gegensatz: Fleisch-Geist, der für die paulinische Theologie konstitutiv ist, steht im Zentrum des zweiten Hauptteiles des Römerbriefes (c. 5-8). Er hat die Aufgabe, die Auslegung des Rabbinates (PhiI3,3.8 f.) ebenso in Frage zu stellen wie die Sicherheit des hellenistischen Christentums (Röm 8,4). Religionsgeschichtlich steht das qumranitische Vergleichsmaterial den paulinischen Texten näher als das phiionische (gig. 29 ff.; leg. alleg. 131-42). Die Tatsache, daß Paulus den Gegensatz Fleisch-Geist auf alle Gebiete seines Denkens kritisch anwendet, ebenfalls gegenüber allen Gruppen in der Gemeinde,läßt darauf schließen, daß wir es hier mit einem von Anfang an mitgegebenen Zug seines apostolischen Zeugnisses zu tun haben (vgl. dazu G. Strecker, Befreiung und Rechtfertigung, Festschrift für E. Käsemann, 1976,478-508). 5. Der von H. Lietzmann eingeführte Einwurf eines zweifelnden Christen: »Ich merke
Röm 8,12-17
257
nichts davon, daß ich Gottes Kind bin« ist unnötig und die von ihm gegebene Antwort: "Wenn du nach den Geboten des Geistes handelst, bist du auch Sohn« ist theologisch unrichtig, weil ein falsches Geistventändnis dahinter steht. Es handelt sich in Röm 8 nicht um den an sich selbst verzweifelnden Christen, sondern um die Auseinandenetzung des Paulus mit venchiedenen Gruppen, vielleicht sogar in der römischen Gemeinde selbst. Die Gabe des Geistes Gottes bzw. die Kraft, die dem Evangelium eigen ist, wird von Paulus auf Ereignis und Wirkung: "Gott sandte seinen Sohn« (8,3) zurückgeflihrt. Im Annehmen des Wortes, im Getauftwerden, in der Weitergabe des Wortes, in der Nachfolge im LeidenJesu Christi liegen die Möglichkeit.en und Voraussetzungen Gottes, Menschen Heilsgewißheit zu geben. Die Jtitrliclu Aussage Röm 8,3 belriilt behmschende Stellung in Röm 8 /-J/. J
Röm 8,12-17: Geist und Kindschaft
Abo siad wir, meiDe Brüder, dem Fleische pgenüber Dicht verpflichtet, nach dem Fle_he zu leben! 13 DemI wenn ihr DaCh dem Fleiac:he lebt, werdet ihr aterben. Wenn ihr aber durch den Geilt die Taten da Leibes tötet, werdet ihr leben. 14 Denn alle, die vom Geiste Gottes ptrieben werden, die siDd Söhne Gottes. 15 Denn ihr .....t ja Dicht den Geist der Sklaverei empfanFn, so cIa8 ihr euch wieder fürchten müBtet, sondern dea Geilt der Sohn schaft, in welchem wir beteod .snalen: Abba! Vater! 16 Der Geist leIbat bezeugt ct.durch unserem Geist, da8 wir Gottel KiDder sind. 17 Sind wir aber KiDder, dann siDd wir auch Erben, uDd zwar Erben Gottes und Miterben Christi, wenn anders wir mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm verherrlicht werden. U
AnalYse: Der Gegensatz »Geist und Fleisch«, der den Abschnitt Rörn 8,1-11 beherrschte, wirkt in der hervorgehobenen Feststellung von V 12 nach; V 13 hat die Aufgabe, diese Forderung zu unterstützen. Beide Verse betonen die Notwendigkeit, sich dem Gesetz des Geistes und des Lebens (8,2) unterzuordnen; in diesem Sinn bilden beide Verse eine geschlossene Einheit. Die Pflicht zum Gehorsam, die aus dem Gesetz des Geistes und des Lebens entsteht, kann nur dann richtig verstanden werden, wenn man das neue Gesetz als Ausdruck der Sohnschaft und nicht der Knechtschaft auffaßt. In diesem Sinn haben V 14-17 die Aufgabe, den neuen Gehorsam als den Gehorsam des Kindes und des Erben Gottes zu beschreiben. Stilistisch fällt der übergang vom ))Wir« zum ))Ihr« in V 12.13 auf; ihm entspricht umgekehrt der Wechsel vom »Ihr« zum ))Wir« in V 15. V 14 fällt durch die Form einer Regel auf und ist sicherlich eine eigene, eingefügte Tradition (wie V 9b). Exegese: Paulus nimmt in unserem Abschnitt mit Nachdruck das Verständnis der Verpflichtung, des Dienstes, der Forderung des Gesetzes wieder auf (Röm 6,12-14.18-19; 8,2.4). Kann der Glaubende gewiß sein, daß der Geist Gottes in ihm wohnt, so gehört zu dieser Gabe notwendig der neue Gehorsam. V 12: Der neue Einsatz (llQa oUv wie in Röm 7,25) wird durch die Anrede äÖEMpo( betont. 6v (= unser Va• Man macht immer wieder darauf aufmerbam, daß du Judentum den griechischen Akt der Adoption nicht kennt (M.]. LAGIlANGE, E. GAUGLER). Paulul Itelluich also auf seine heUenistilchen Leser ein, wenn er diesen Vorgang aus dem Rechllleben erwähnt. Dabei liegt auch in diesem rechtlichen BegritTfür den Apostel du Moment der abloluten und uneingeschränkten Gnade, ebenlO wie in der Rechtfertigungslehre. Für Paulus gilt der Satz, daß im Ereignil des Kreuzes und in der Gabe der Taufe sowohl das Recbt Gottes wie auch seine Gnade zum Vollzug kommen. 9 nlAMv d~ ~ bedeutet, daß der Geist Gottes die Haltung der Angst auach1ießt. ~ meint hier nicht 10 sehr die Furcht im guten Sinn, die du Zeichen jedes echten Glaubens ist (Röm 11,20; 2Kor 5,10 f.; Phil2,12), all vielmehr die _Anglt«. Gesetz und Sünde rufen die -Angst« vor dem Gericht Gottes hervor, weil sowohl die unendliche Forderung Gottes als auch die unendliche Schuld des Menschen von keiner Vergebung gedeckt werden können. Der -Geist der Knechtschaft« ist hier, wie in 2Tim 1,7 der ..Geist der Feigheit«, nichts anderes all der Verfall des Geistes der Sohnschaft. l0-Vgl. dal charakteristische Merkmal des neuen Priestertums in TestLev 17,2: -Er spricht mit Gon 10 wie mit einem Vater.« Vgl. IQH 9,35.
Röm 8,12-17
261
ter) verwandt werden. Schlatter, Gerechtigkeit 265 erläutert: .. Im Rufen äußert sich die Gewißheit und Freude, mit der sich die vom Geist Bewegten an Gott wenden. Die Rede der Knechte ist dagegen das murmelnde Gebet, wie es die jüdische Gebetssitte vonchrieb. Ebenso kommt durch den Vokativ die Unmittelbarkeit des Verkehn zum Ausdruck. Daß der Anruf mit Abba ohne Pronomen einfach durch die Determination hergestellt wird, war fester palästinischer Gebrauch; 6 mn1)Q, das wie Abba Vokativ ist, ist daher Semitismus. Nicht der Abwesende wird herbeigerufen, sondern der Anwesende angerufen. Die ,Hinzufiihrung zur götdichen Gnadec (Röm 5,2) ist gesc:hehencc. Gal4,6 f. bringt denselben exegetischen Befund wie Röm 8,15, allerdings tritt d~ Objektivität des Sachverhaltes noch stärker heraus. U nprünglich wird ein derartiger Gebetsruf auch bekennblisartigen Charakter gehabt haben: der Getaufte nimmt die BotachaftJesu an. Vielleicht haben wir es hier mit einem Teil des TßJIlScIWrms zu tun (V 15: ~ne xveüpa).
V 16: Durch die Taufe werden wir in die Sohnschaft versetzt und empfangen den Geist, welcher der Sohnschaft entspricht. Gleichzeitig mit dem Gebetsruf spricht Gottes Geist zu unserem menschlichen Geist, daß wir Gottes Kinder sind 11 • OVJlf.1OQtUQELV kann hier ))bestätigencc oder »Mitzeuge seine< bedeuten; es entsteht exegetisch ein Entweder-Oder: 1. Mit unserem Gebetsruf zugleich erfolgt die Bestätigung des Geistes Gottes, daß wir Gottes Kinder sind. Der Bewegung nach ))obencc entspricht also eine Bewegung von oben nach »unten«. 2. Der Geist selbst bezeugt mit unserem Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Hier sind also Gebetsruf und Gottesgeist die heiden Zeugen, die den gleichen Dienst tun (Dt 19,15; Röm 8,26) 12. Nimmt man die zweite Deutung ernst. so erhebt sich die Frage, in welcher Form der Geist GOUes sich dem Gebetsruf des Getauften zugesellt. Handelt es sich um einen selbständigen Vorgang in der Gemeinde (zitiertes Schriftwort, prophetisches Zeugnis) oder um ein gleichzeitig mit dem Gebetsruf geschenktes Gewißwerden im Glauben. das lediglich die innere Seite des Vorgangs darstellt? Sicherlich ist das Erstere der Fall. »Ober die Weise, wie der Geist selbst zum Redenden wird, gibt Paulus keine Bestimmungen; die Sorge, mit der die reformatorische Lehrbildung alle inspirativen Vorgänge abwies, war Paulus fremd; ebenso fremd war ihm aber auch jede Anleitung, wie man die Inspiration und Vision hervorbringe«« (Schlauer, Gerechtigkeit 266). Aufjeden Fall ist »dn Gtist selbst« ein dem MmscJun Vlgts/ITochnvs Wort 13• Zwischen den beiden Zeugnissen des Geistes Gottes und des Gebetsrufes muß eine enge Verbindung bestehen: der Geist Gottes (amo 'to XVEÜJ.Ul) ist die Voraussetzung für jede christliche Gewißheit; er ist das objektive Wort, das dem subjektiven Bekenntnis vorgeordnet 11 -In der rabbinitc:hen Literat1D' ist Uni keine Srdle be&qnet. in der der heilise Geist mit dem Beten eines Israeliten in Verbindung &ebncht wird« (Str-B 111 243). ~v bqepet bei PulI.. noch in Röm 2,15; 9,1. U EI iat nicht zufällig, daß V 16 ohne Verbindung zu V 15 anfängt. Man hat dabalb ein lMm CD) oder hinter crbr6 ein y6Q eiJlldügt. Viele Exqeten entlCheiden .ieh dafür, an zwei venc:hiedme Zeupi.ue zu denken (ZnR 396; 5au.AnEa, Gerechtipeit 266; LaI'R 202). Du iat aber nur dann mötlich, wenn V 16 den Zuaammenhang zwiachen V 15 und 17 nicht zerreißt U EI ist auffallend, daß V 16 relativ Ielbetändil ist, und daß V 15 und V 17 gedanklich eDIJ anachließen. Man hat Ichon volJachlagat, V 16 al. du objektive ZeupiI des Geistes den Venen 15.17 vorzuordnen. Ein Verpich mit Gal4,6 f. zeist, daß der Prediltatolf V 15.17 ohne V 16 eine sacbloaene Einheit Iei.n kann. Wir werden annehmen dürfen, daS V 16 eine Steiaaual VOll V 15 Iein IOllte: Ja, der Geilt Gottes Ielbet pbt zUlaßUllen mit unterem Geiat ZeupiI ab.
262
Geist und Kindachaf\
bleibt 14• Man darf nicht vergessen, daß auch im Judentum der •• heilige Geist« eine Umschreibung dessen ist, was Gott selbst oder das autoritative Won der heiligen Schrift sagt (Str-B 11 135). Wenn Paulus in unserem Zusammenhang sowohl von den »Söhnencc ("lo() als auch von den •• K.indemc< ('ttxva) Gottes redet (8,14.16), so folgt er damit der semitischen Sprechweise, die keinen theologischen Unterschied macht. Wichtiger ist allerdings das vorangestellte und betonte tofAh': .>wir sind es tatsächlich« (ljoh 3,1). V 17 knüpft im Anschluß an den alttestamentlichen und semitischen Sprachgebrauch an die Gewißheit von V 15 an: das Sohnesverhältnis und Sohnesrecht verleiht die Erbschaft und das Erbrecht (GaI4,7; Mk 12,7; Hebr 1,2). Der Sohn allein {nicht der Sklave) erwirbt das Eigentum aufewig (Röm 4, 13): alle Verheißungen Gottes kommen zur Erfüllung. Die Form der Sätze V 17a und b ist in ihrer Verkürzung autTallend (keine Kopula!); sie erinnert an die Kurzform der Gesetzesauslegung in der Mischna. Wir dürfen annehmen, daß es sich um eine bestimmte Stilform handelt. Die Verbindung von •• Sohnschaftcc und •• Erbschaft« lenkt den Blick auf Gott selbst, der die Stellung und das Recht des Kindes bestimmt ("l06Eo(a). Er schafft auch die Gemeinschaft und die Gleichstellung mit dem Sohn und Erben Jesus Christus (ovyxA.T)QOVÖJ1OL). Dit RtchlsvtThiiltnisse sind gtlcliirt und liegen ausschließlich in der Hand Gottes. Der nachgestell te EUtEQ-Satz darf nich t als Bedingung (vulg.: si tamen) , die noch erfüllt werden muß, oder als indirekte Mahnung, die Leiden zu enragen, verstanden werden; er weist vielmehr auf das gegenwänige Geschehen hin, das Bürgschaft ist für die Zukunft (EUtEQ = si quidem) 15. Das gegenwärtige Leiden mit Christus (d.h. um Christi willen) ist das Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit; wie Jesus Christus jetzt schon verherrlicht ist, werden wir mit ihm verherrlicht werden. Schicksalsgemeinschaft ist Erbgemeinschaft. OUJUtaOXELV und ovvöo;atE06aL erinnern an 30). »Dasein für« ist eine zu dürre Formulierung (gegen KASEMANNR 235).
276
Der Ratschluß Gones
dann ist ihr dn besonderes Gewicht beigemessen. Die Liebenden sind die Heiligen und Berufenen, auf denen das göttliche Geheimnis ruht, die im Kampf gegen die Frevler und Gottlosen an dieser Liebe zu GOlt festhalten.ltclvta OUVEQ'YEl ~ zieht sich in erster Linie auf die Leiden und Anstöße, die Rätsel des Glaubens: auch sie dienen dem ))Gutencc. Das ))Gutecc ist hier jüdische Umschreibung für das Heilsame, aber auch für das Heil selbst (Röm 10,15). Man könnte den Abschluß unseres Verses kausal auflösen: »weil sie nach dem Vorsatz berufen sind«. In der Berufung verbirgt sich das Geheimnis des Heilsamen und des Heiles, das sich trotz aller Anstöße und Leiden auf Erden durchsetzr4. Der Heilsplan GOltes (seine ltQOitf:o~) steht unwiderruflich fest; er wurzelt in der Liebe Gottes, die eher da ist als die Liebe des Menschen zu Gott. Berufen ist nach Paulus derjenige, der den Ruf Gottes empfangen und angenommen hat. Der Ruf ist also wirksam geworden (xA.'ft~ Röm 1,1.6.7). 1CQ6&EOI.~ (:1") ist ein hier plötzlich auftauchender Begriff, der die freie, souveräne Art des göttlichen Heilshandelns zum Ausdruck bringt. Die )Heiligencc, ))Gou Liebendencc und ))Berufenen(c sind das, was sie sind, nicht aus sich selbst, sondern aus Gottes ewigem Ratschluß5. Das Geschichtliche ruht im Ewigen und Vorzddichen. In lockerem Zusammenhang (Ö'n) schließt sich eine Entfaltung dieses göttlichen Ratschlusses in Form eines Xttlmsclzlwsts an (V 29-50). Wir haben vier gldchgebaute Sätze vor uns (~ 1C()otyvw, OÜ~ 6t lt(KXi>QI.OEV, OÜ~ bauOEV, OÜ~ 6t t6I.xa( 'IY)CJOÜ sucht an V 39 anzugleichen. Vgl. zur Frageltellung Chrya. cat. 287.19.
Röm 8,31-39
283
führt werden. Nimmt man das personhafte 't(S, das in V 31.33.34.35 begegnet, ganz ernst, dann müßte man feststellen, daß erst die neue Aufzählung in V 38.39, die stark personhaft geformt ist, diesem 't(s gerecht wird. In der Reihe V 35b hängen sachlich itAL'I'LS und atEVOXOOOw (Röm 2,9), MJ.L6s und Y'JJ.LvlmJs zusammen 14. Man ist versucht, Öu.oyJ.L6s, x(VÖWoc; und J.LaxaLQ '" Subst. zurück (Röm 1,25: 6; lotl.V, 2Kor 11,31: 6 Mlia; Röm 11,36: airtq, '" 6~a). Außerdem geht das Prädikat immer voran, nicht nur in der heiligen Schrift, sondern auch in den semitischen Inschriften. Eine scheinbare Ausnahme bildet Ps 67,20 LXX. Diese venchiedenen Gründe sind nach M. J. Lagrange ausschlaggebend für eine Beziehung des Relativsatzes auf Christus. ~ darfin diesem Fall nur als Attribut Christi (= Gott von Art), nicht als Gleichsetzung mit Gott verstanden werden (beachte das Fehlen des Artikels!). Zum Verhältnis von xUQ~ und el als Gottesbezeichnungen vgl. jetzt die Darlegung von]. A. Fitzmyer, Der semitische Hintergrund des neutestamentlichen KyriOltitels (Festschrift H. Conzelmann, 1975,267-298). Barth R 3140". entschließt sich, für die schon vor 200 Jahren bekannte Konjektur: doppelte Akklamation .. KAsEMANNR 247. 15 Vonichtig bleibt auch GAUGLER R 11 19: •• Die Wahncheinlichkeit spricht dafUr, daß der Apostel auch hier Gott anbetend preisen will. Wer aber diese Lösung bejaht, darf nicht verheimlichen, daß die grammatikalische Fonn des Satz-Anschlusses eher fUr die andere Deutung spräche...
Röm 9,6-13
299
ist es nicht zufällig, daß ein gewisser heilsgeschichtlicher Verlaufin der Zitatenreihe gewahrt ist (Abraham-Isaak, Isaak-Jakob, Moses-Pharao, Prophetenzeugnis) . Die Schriftzitate werden midraschartig ausgelegt, stützen paulinisehe Sätze, haben aber ihrerseits aufdie Formung des paulinisehen Gedankens keinen geringen Einfluß. Logik und Gedankenführung unseres Abschnittes verraten rabbinische Schulung. Geschichtliche Ereignisse und biblische Zitate werden unter einen bestimmten theologischen Gesichtspunkt gestellt (V 11). Es kurnml Paulus auf die Htf'ausstellung dtf' SOIlVtf'änitiit Gottes gegmiibtf' den Vor~iigen lsrlltls an, und darum liegt auf dem Abschluß unseres Abschnittes V 11-13 ein ganz besonderes Gewicht. Einzelne Motive wie das der ))Sohnschaft Abrahams« sind paulinisches Predigtthema (Gal 3,29; 4,21 f.) und verraten auch in anderen Zusammenhängen eine bestimmte polemische Zuspitzung. Exegese: Paulus sieht mit Trauer und Schmerz, daß Israel den Messias und seine Gemeinde abweist. An dieser geschichtlichen Tatsache kann der Apostel nicht vorbeigehen, er muß sie vielmehr in sein Denken einordnen. Was bedeutet diese Ablehnung Israels für das ihm einst gegebene Gotteswort? Paulus wehrt in V 6 den Verdacht ab, daß Gottes Wort hinfällig geworden ist. OOX otov ö~ ML (vulg.: non autem quod) ist ähnlich gebrauch t wie 00 öiptou und OÜX ML (»nicht als obcc)1. bCJtUrtELV erinnert an Gal 5,4; IKor 13,82. Im hellenistischen Griechisch kann nUnELv (bzw. tX3tUnELV) ))hinfällig werden, versagen« bedeuten (bzw. vom Redner und Schauspieler: ))abfallen«)3. Einzelne Kommentare deuten: das Wort Gottes als Verheißung kann nicht ))hinfillig werden« (Lagr R 228). Aber Ä.6'(o XQ(IAClU 00\1; I. ~OÜVYE steht hinterW~E bei. A(B) Orig.,vorw ~ bei l( und fehlt völlig bei p46 D·FG. Zur Stellung am Anfang des Satzes vgl. auch Luk 11,28; Röm 10,18; Phil 3,8.
312
Di~ Fr~iheit
und
di~
Erwählung
V 20 an dieJesajarolie (29,16; 45,9) und an die Weisheitsliteratur (Sap 12,12). Jes 29,16 schilt über die VtrUltrllwil. daß du Geschöpfden Schöpfer verleugnet und daß du Gebilde den Bildner verachtet. Jes 45,9 spricht ein Wehe über den, der mit seinem Bildner hadert, obwohl er nur Scherbe unter irdenen Scherben ist. Derselbe Stoffwird in venchiedenen Abwandlungen immer wieder benutzt, um die Auflehnung des Geschöpfes gegen den Schöpfer zu treffen. Vor allem schildert Sap 15,7 das R.echt des Töpfers, Gefäße zu allen möglichen Zwecken zu schaffen und zu verwenden. Im Rabbinat und im hellenistilchenJudentum ist dieser Bildstoflbekannt und beliebt gewesen, 10 daß Paulus weniger zitiert als vielmehr einarbeitet (»Anspielungen«). Erwählung und Verwerfung sind für Paulus AUldruck seiner SdIiiI/tIJtIshIn. Auch du menschliche Handeln wird in den Rahmen dieses Geschehens eingespannt. Nur wenn du Eigmrecht des Schöpfers heraustritt, ist der biblische Schöpfunpgedanke gewahrt. Da Gott für du Alte Testament immer der Gerechte bleibt, wird die Erwählung des Menschen nie zur Willkür. Wer Widerrede gibt (~vm&cu upOap), greift damit seinen Schöpfer an und setzt sich dadurch selbst ins Unrecht.
Wir haben in V 20 f. ein DoJIIHlgltichnis vor uns, von dem das eine das ande~ ergänzt und erläutert. Die Gegenüberstellung tb ~ - /) KA.aa~ entstammt J es 29,16 und geht letztlich auf den Schöpfungsbericht selbst zurück (Gen 2,7) 15. Die andere GegenübentelJung /) ~ - /) mJA.6c; erinnert anJes 29,16; 45,9 und hat eine altorientalische Tradition hinter sich. Wir haben wohl den Genitiv tOÜ m)Aoü auf ~o(av zurückzubeziehen: hat nicht der Töpfer Vollmacht über den Ton? ~(a (hebr. n•..,) umschreibt wie 6iMq&~ (V 17) die Freiheit Gott~ als des Schöpfen. Es kommt Paulus daraufan,jede Selbstherrlichkeit des Geschöpfes zu zentören. Der Töpfer kann aus demselben Ton Gefäße zu ehrenhaftem oder unehrenhaftem Gebrauch hentellen, je nachdem, wie er das Gefäß benötigt. Es ist wichtig, auf die stilistische Form zu achten: wie der Einwurf des Gegnen in V 19 in einer doppelten Frage besteht, so antwortet Paulus selbst in V 20 ff. mit einer Reihe von Gegenfragen. Er kann sich dabei schon aufdie prophetische Form des Alten T~taments berufen Ues 29,16; 45,9), aber ohne Zweifel zeigt dies Spiel und Gegenspiel von Fragen die Erregtheit in der Argumentation an. Paulus steckt hier nicht die Grenzen der göttlichen Gerechtigkeit ab, wie man dies nach V 14 erwarten würde, sondern er greift aufdie letzten Voraussetzungen der menschlichen Existenz Gott gegenü ber zurück. Nur in diesen Voraussetzungen liegt die Möglichkeit, Gottes Gerechtigkeit zU.ventehen und anzuerkennen. Paulus weicht also nicht aus, sondern spricht auch hier zu seinem Thema. Im Einzelnen zeigt jeder Begriffseinen festen Sitz in alttestamentlichen und orientalischen T,tUliJionm:~, mJA.6c;, ~ m>Wv (im Sinn von ~LV), oxriJ~ (hebr. ''?i'), tLf1yt-Qt..,.ua; lediglich cpUQ-17.
xata
Röm 9,14-29
315
zum Schluß bestimmt. j.WXQO'Ö'UJALa und fÄWS dürfen nicht miteinander verwechselt werden (Kühl R 334): Gott läßt die Schuld des Menschen geschehen, ohne einzugreifen, nicht nur deshalb, weil er dem Menschen Zeit und Raum gönnt, sondern auch, weil er das endgültige Verderben erst dann durchführt, wenn seine Stunde gekommen ist11 • Es ist nicht zufällig, daß V 22 alttestamentlich gefonnt und mit biblischen Begriffen gefüllt ist, um eine gewisse Feierlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Der Begriff»Gefäße des Zornes« (V 22)13 zieht den entsprechenden Begriff der »Gefäße der Barmherzigkeit« (V 23) nach sich: Gott offenbart in diesen Gefäßen nicht nur seinen Zorn und seine Barmherzigkeit, sondern sein Zorn und seine Barmherzigkeit schaffen derartige sichtbare Zeichen seines Wirkens. ÖQyi) und cbtmAew gehören zueinander: im Zorn Gottes tut sich das zukünftige Verderben ebenso kund wie in der Bannherzigkeit die zukünftige Herrlichkeit; also sind auch fÄ.E~ und ö6!;a eng miteinander verbunden. Der Auftau in heiden Versen mlspricht sich daher gnuzu. Auch die beiden Verben XO't(lQ'tet;ELv (V 22) und 1I:{)OE'tOLJ,Uit;ELv (V 23) gehören eng zueinander; beide weisen auf das vorzeitliche und vorgeschichtliche Handeln Gottes zurück14. Ein sachlicher Zusammenhang besteht zwischen der Denkform von Röm 9,22 und der von Röm 3,25 (tvöEc;aa6w - Et; fvÖa.;LV, tv 1I:oUfI JA.aXQO'Ö'UJAL(l- tv 'tfI avOX'Ö 'too &00). Gottes Weltregiment vollzieht sich in Manifestationen seiner Gerechtigkeit; auch dort, wo er seine Gerichte herausstellt, sind seine Langmut, sein Zuwarten, seine Geduld nicht verleugnet. Strenggenommen stellt Paulus nicht »Gefäße des Zornes« und »Gefäße der Barmherzigkeit« gleichgeordnet einander gegenüber, als wolle er die Geschichte der Menschheit in einen Dualismus auflösen, sondern er denkt vom Heilsplan Gottes aus, der sich der Gerichte bedient, um den Weg der Barmherzigkeit zu Ende gehen zu können. »Der Zorn zerbricht die, die er trifft, damit geschehe, was der Erbarmer will« (Schlauer, Gerechtigkeit 305). Den Begriff)>Gefäße der Barmherzigkeit« biidet Paulus antin Ein besonderer Ton liegt auf dem Verbum t,vE"'(Xn' (V 22): dies ))Tragencc (Enragen) Gottes ist eine Ausdrucksform der göttlichen Langmut, die Paulus in belOnderer Weise rühmt (MAAn fällt daher auf). Der alttestamentliche Zusammenhang Uer 27 ,25: ~EYXE'Y ~a oxt\rr) ÖQYiIC;) gehön sachlich nicht hierher. 1JoxeUrj ÖVftlc;erinnert als BegrifTanJer 27,25 LXX (auchJes 13,5), doch hat erim alttestamentlichen Zusammenhang eine andere Bedeutung. Bei Jeremia ruft Gott zu einem Gericht über Babel auf, das sich wider Gott aufgelehn t hat. Gott 6i.ngt Babel, ohne daß es Babel merkt. Er hat seine Rüstkammern aufgetan und seine Zorneswaffen herausgeholt (ähnlichJes 13,5). Die Zorneswaffen sind die Mittel der Züchtigung in der Hand des Herrn (Targ,Jes 13,5 LXX umschreiben den Begrift). Auch rur Paulus sind die ..Gefäße des Zornes« Gottes Werkzeuge, die seinem Heilsplan eingeordnet sind. Was Zorn Gones ist, wird an ihnen offenbar. Aber der Begriff nimmt noch eine neue Färbung an: Gott läßt an diesen Werkzeugen seinen Zorn aus, weil sie sein Gericht verdienen. ScHI.AlTEa, Gerechtigkeit 305 bestimmt den Begriff umfassender, als es gewöhnlich geschieht: ..Schwerlich entspräche es der Absicht des Paulus, wenn wir deuteten: Gefaße ftir den Zorn, Gefäße, in die er seinen Zorn hineinlegt. Der Genitiv wird angeben, wer diese Gefaße geformt hat. Die Ereignisse, an die Pautus denkt, stehen unter der göttlichen Absicht, den Zorn zu zeigen. Diese Absicht ist das, was diesen Gefäßen das Dasein, die Wirksamkeit und die Macht verleiht.cc l4 xatcl{rttt;av und ~ol.f&l1tav dürften in liturgischen Zusammenhängen eine besondere Bedeutung gehabt haben (Eph 2,10); sie stammen aus alten Traditionen und entsprechen sogar hebr. Äquivalenten (Str-B I 981 0:).
316
Die Freiheit und die Erwählung
thetisch neu; gemeint sind die Menschen, an denen Gott seinen ganzen Reichtum kundtun wird. Die doxologische Wendung »Reichtum der Herrlichkeit« erinnert an den liturgischen Zusammenhang von Eph 1,18. Nennt Paulus den Menschen nach semitischem Sprachgebrauch »Gefäß« oder »Gerät«, dann erinnert er ihn daran, daß er lediglich vom Heilsplan Gottes aus, nicht dagegen von sich selbst her verstanden werden kann. Der Begriff reißt den ganzen Abstand zwischen Schöpfer und Geschöpfauf. Der Relativsatz 1I:QOI1'to4&aaEV ~ ö~av schließt den Gedankengang eschatologisch ab und erinnert an den göttlichen Ratschluß (Röm 8,30)25. Der relativisehe Anschluß V 24 geht von der theologischen Interpretation des Schaffens und Handelns Gottes in eine Art Bekenntnisstil über: Diese Gefäße des Erbannens sind wir, die Gott nicht nur aus dem Judentum, sondern auch aus dem Heidentum berufen hat. Es ist also nicht so, daß die Heiden Gefäße des Zornes, diejuden Gefäße der Barmherzigkeit wären, sondern der Ruf Gottes geht quer durch die gesamte Menschheit hindurch. Die These wird durch die nachfolgenden Schriftzitate erhärtet; der Jude setzt gern das Ergebnis der Schriftzeugnisse vor das Zitat selbst26 • Der Gegensatz Jude und Heide fand sich zuletzt innerhalb der Darlegung der Rechtfertigungslehre (Röm 3,298".), wo die Frage gestellt wurde, ob Gott lediglich der Juden Gott sei. Die Gleichstellung der Juden und Heiden zeigt sich sowohl in der Rechtfertigung als auch in der Berufung und Heiligung. Wie stark die These V 24 mit dem folgenden Hoseazitat V 25 f. verknüpft ist, zeigt sich darin, daß das Motiv tX6AtOEV zweifach (am Anfang und am Schluß) wieder aufgenommen wird (xaUaw - dtr6'flOOVtaL) ;ja, es ist sogar wahrscheinlich, daß es die Folge beider Hoseastellen (2,25 vor 2,1) bestimmt hat. Paulus will sagen, daß sich der Ruf Gottes vollzogen hat, und daß dies Ereignis die Erfüllung alttestamentlicher Weissagungen ist. So stellt Paulus das machtvolle xaÄ.taw an den Anfang (statt LXX tQö» und läßt mit ihm die Zitatenkollektion beginnen. Sie ist selbst wieder eine Interpretation des Hoseawortes und hat im Unterschied zu den bisher verwand ten al ttestamen tlichen Worten (V 15.17.20) nicht so s~hr dialogisch~n als vielmehr feierlich kerygmatischen Charakter. Sieht man auf den Inhalt der Zitate, dann gewinnt man den Eindruck, daß sie den Ruf Gottes an die Heiden in den Vordergrund stellen, daß sie aber Israels Vorrechte in der Bewahrung eines kleinen Restes wiedererkennen. Es fällt auch auf, daß die drei großen Zitate ausdrücklich den Namen des Verfassers bzw. des prophetischen Buches in einer Einführung nennen (V 25: Hosea, V 27.29: Jesaja); so kommt die biblische Reihe der Zeugen zum Abschluß 27 •
a
Auf~in~ bestimmte Entwicklung desG~tuagu muß aufinerksam gemacht werden: 2S Zum Relativsatz V 23 vgl. die Anmerkung von SANDAy-HLU)(.AMR 263: »der beste Kommentar zu die.en Worten ist Röm 8,~3Ooc. Man muß aber die einzigartige Betontheit des Bekenntnisses Kai. ~ t'lJ&C% in dieaem Zusammenhang hervorheben. 26 O. MICHEL, PaulUl und seine Bibel, 1929, 159-172 (Nachdruck 1972). 27 V 25: ~ xal tv up • Oartl AtyEL führt die folgende Zitatenverbindung Hos 2,25 und 2, I ein; tv up' OCJr)t bezieht lieh ausdrücklich auf den Text des Hoseabuches, der allerdings von Paulus stark verändert wiedergegeben wird. Zu Uya ist Gott als Subjekt zu ergänzen (V 15). ZnR 464 glaubt irrtümlich, daß das ~ xal AtytL weniger wichtig sei als andett Zitationsfonneln wie ~ ytyoamQL bzw. ytyvamaI. Y6o. So kommt er zu der Abschwächung, daß Paulul nicht einen wirklichen Schriftbeweis geben will. sondern einen lehrreichen Vergleich.
Röm 9,14-29
317
man darf den engen Zusammenhang von V 22 und V 17 nicht aus den Augen verlieren. Paulus nimmt auffillienderweise das venchärfende Motiv des oxÄY)QVvEIoV hier nicht auf, sondern führt den Gegensatz ÖVftl und ~fIla ein, der dem Gottesbild »Gerechtigkeite( und »Barmherzigkeitee entspricht. V 22 denkt zunächst an Pharao und seine Schicksalsgefährten in der Heilsgeschichte, droht aher auf Grund der geschehenen Wende auch dem nichtglauhenden Israel; nach Gottes Willen sind jetzt nicht mehr nur Heiden wie Pharao verworfen und nicht nur Israeliten erwählt. Wenn Israel den Glauben verweigert, verfällt es trotz der Langmut Gottes seinem Gerichtsuneil (~ &t.oü) und dem eschatologischen Verderben (4mUAaa). Es wäre nicht ausgeschlossen, daß der Feind Israels (Pharao) und Israel selbst im Widentand gegen Gottes konkreten Anrufsich als »Gef.lße des Zornesee enthüllten. Paulus wagt aber einen derartigen Gedanken nicht anzudeuten, geschweige denn auszusprechen, sondern er begnügt sich mit der Feststellung, daß zu den »Gefäßen des Erbarmensee nicht nur Juden, sondern auch Heiden zählen. In tim ktrnIcJwtm FoIgmmgm von Röm 9,22 f. bleibt Paulus iiujJerst uorsiclalig,. I~lich die Schriftzitate zeigen, daß er bereit war, weiterzudenken. Der eigmdiclu Angriff af das jwJmlrun liegt im Sclrrift;Jl4I· Aus dem Vergleich ~clrm Septuginltl rmd PtlUlw- Text ergibt sich: 1. Zwischen den Zitaten V 25-29 müssen ganz bestimmte Zusammenhänge bestehen, da z.B. der Anfang von Jes 10,22 = Röm 9,27 an den von Paulus nicht erwähnten Anfang von Hos 2,1 LXX erinnen (xat Itv 6 iaQl~ 'tÖ)'y ulOrv 'ICJOO'IIA), da außerdem bestimmte Sticlrworte auftauchen, die ebenfalls die Zitate verbinden ( •• Nicht mein Volk« bzw. »Same« und »Rest«); man muß also auf den ganzen alttestamentlichen Zusammenhang und aufdie von Paulus gewählte Reihenfolge achten, da die ganze Zitatenkollektion offenbar in einen bestimmten Z&sillnmlrllumg der Verkündigung hineingehön. Aufkeinen Fall ist diese Zitatenkollektion V 2'>-29 zufällig entstanden. 2. Die heiden Hoseazitate 2,25 und 2,1 (nach A LXX) stehen unter dem Stichwon: •• Nicht mein Volkee und sind offenbar Verheißungswone, die einem verworfenen Volkstei1 galten; Paulus hat die heiden Zitate auf dieHeidett bezogen, die berufen, geliebt und Söhne des lebendigen Gottes genannt werden. 3. Die Voranstellung der heiden Hoseazitate zeigt deutlich, daß es Paulus zunächst auf das Erbarmen Gottes ankommt, das gerade den Heiden zuteil geworden ist; ent mit V 27 wendet.sich Paulus der Ventockung Israels und dem prophetischen ).Rest« und .>Samen« zu, von dem übrigens auch Hos 2,25 reden kann. Das Motiv des Erbarmens steht vor dem der Ventockung (Röm 9,18).
Es ist wahrscheinlich, daß derartige Zitatenkollektionen, die das biblische Won paraphrasieren, sowohl in der Verkündigung als auch in der Liturgie eine besondere Rolle gespielt haben. Es war ja auch im Judentum üblich, aus verschiedenen Textteilen einen einheitlichen neuen Grundtext so zu gestalten, wie es hier geschieht28 • Strenggenommen ist der paulinische Schriftbeweis nur dann gültig und unanfechtbar, wenn Paulus im Nordreich einen Typos der Nichterwählung oder der Verwerfung gesehen hat29 • Aber es bleibt die Frage offen, ob ein deraniger geschichtlicher Zusammenhang für die paulinische Exegese noch wichtig ist. Vor allem steht ihm das göttliche Handeln selbst vor Augen: Gott hat die Macht und die Freiheit, aus einem verworfenen Volk ein auserwähltes zu machen. Dabei ist die xA.f)OLC; der geschichtliche Vollzug der~; in der Berufung vollzieht sich die Erwählung. In der Berufung der Heiden liegt die Umkeh28 29
Vgl. Stt-B 111 274. Vgl. LAGIlR 274.
318
Di~ Fr~ihcit
und
di~
Erwählung
rung und verändene Durchführung des göttlichen Ratschlusses. Erwählung und Liebe Gottes sind eine letzte Einheit, ebenso Nichterwählung und Haß (= Verweigerung der Liebe). Die •• Nichtge1iebtecc (ein ergänzendes Fern., vgl. Gal4,27 =Jes 54, I) wird zur •.Geliebtencc werden (Röm 9,13 hat den Gegensatz: ciymtäv - t'LOELV). Besondere Schwierigkeiten macht die lokale Färbung: tv 'tcp 't6mp ... btEi, und man venucht daher, die Landschaft festzulegen, in der einst die Verstoßung (O'Ö ~ J1O" 'ÖJ&e~) ausgesprochen warl°. Gerade don, wo sich diese Ausstoßung abspielte, soU die endgültige Annahme an Sohnes Statt ausgesprochen werden. Das Zitat spricht von einer bedeutsamen Situation, in der ein früherer Gottesspruch aufgehoben wird. Sprache und Stil klingen feierlich und nehmen alte Anschauungen auf. Besonden eindrucksvoU wirkt der Abschluß, der wieder zum Anfang zurücklenkt (~ tciJv ist zudem Bekenntnisformel) . Neben das Hoseazitat, das den Heiden die Verheißung Gottes zuspricht, stellt Paulus in V 27 f. ein doppehesjesajawon (V 27 f. = Jes 10,22; V 29 = Jes 1,9), das an Israels Adresse gmchtet ist. Die Verdoppelung des Zitates zeigt, wie stark Paulus am Schicksal Israels beteiligt ist und welche Bedeutung er der JetajaRolle zwnißt. V 27 f. klingt wie ein Gerichtswort, während V 29 als Ausdruck der Hoffnung angesprochen werden kann l t . Gemeint ist, daß Gott sich nur an den •• Rest«, nicht an die große Zahl Israels halten wird. Nur diesem Rest gilt die Verheißung, daß er gerettet wird. Dies »Resttnotiv«, das aus der prophetischen Verkündigung stammt, wird den paulinischen Gedanken bis Röm 11,3 fT. begleiten (11,5: AdJ1l.&O)32. Paulus denkt hier nicht an die Rettung aus einer irdischen Katastrophe, sondern an das eschatologische Heil. Die Fonsetzung des Zitates ist gegenüber der Septuaginta verkürzt, nimmt aber eine alte prophetische Wendung wieder aufUes 28,22; Dan 5,27: mrvtwiv - CJ'UV'tq.&veLv). Es handelt sich um ein beschlossenes Strafgericht, das Gott hier auf Erden vollziehen wird. Nur so wird ein voller Gegensatz zu V 25 f. erreicht. Während das Nichtvolk an Kindes Statt angenommen wird, wird die Vollzahllsraels durch das abschließende Handeln Gottes dezimiert 33 • In V 29 folgt ein weiteresJesaja-Zitat Ues 1,9), das Ja-Man hat in du Exegewc an Palästina gedacht, wo lich di~ Ausstoßung der H~idm voUzOl und wo man im Lehrbetri~b lich von dem Heidentum schied, oder an die LandM:haft, in der du Heidmtum zu Hause ist. Man könnte daran denken, daß nach alttestamentlicher AnlCbauung die Heiden zum Zionlberg wallfAhren werden Ues 2,2 ff.; Mi 4, I n:). ZnR 465 bezieht Röm 9,25 f. auf du ung~ treue, leiner Würde buaubt~ Israel, das inl Land d~r Heidm verbannt ist. KAsEMANNR 2621Ö1t du geographisch~ Interesse auf: die jüdischen Hoflhungen werden z~ntö" undjedu Anspruch Israels zunichte gemacht. 11 Wie es in du rabbinischen O~rliefmmg häu6g heißl: .Der Prophet ruft.. od~r ..Jeaaja ruft .. , 10 entspricht dies proph~tisch~ ~v Uoh 1,15; 7,28.37; 12,44) dem hebr. Verbum "." (Str-B 111 275). PaulUi will ü Heilspchichte in d~ Au&ählung der Zitate fortführen, wenn ~ di~ Prophetm JIGIftnIlIicA nennt. Du O~rpng von V 25 f. zu V 27 ist vielleicht als Gegmuu gemeint, (mfQ entlpricht hiu JUQ( (.u ruft ü~r land.). Vielleicht wirkt bei du Zitation vonJes 10,22 f. noch du Hoteatext nach (HOl 2,1: 6 .~ uäY ulciJv 'IOQCI'ftA ltall Jes 10,22: 6 ~ 'IOQCIft).). J2 Paulus hat stall xat6AeLIAfIO (LXX) du gleichbedeutend~ ö~~ gelesen. Statt Mu.: »der Rest wird sich bekehren.. bzw .•wird zurückkehren, wieduhergcste1h wuden.. las Ichon di~ LXX: .wird Heil empfangen (~aL). I I Di~ beiden n~ben einand~r stehenden, mit dem Objekt).(yyov v~bundmen Partizipim auvttl.ciJv und CJuvdJMI)'V können v~nchiedmen Sinn haben: I. Gon müllt und verkürzt seine Verhci-
319
Röm 9,30-33
nach dem Septuaginta-Text geformt ist. Das Motiv des nRestesc( wird hier zu dem des nSamenscc, und damit tritt sein Verheißungscharakter stärker heraus. Der Einführung ~ 'lQOdQtlXE'V 'Hoa~ möchte man am liebsten ein ytyoVa' oder y(vnaL zufügen: auch dies Schriftwon hat sich in der Gegenwan erfüllt. Wiejesaja, so bekennt auch Paulus sich zum judentum, dessen ))Samecc die Katastrophe überdauen hat. Das Gericht hat sich ereignet, hat aber nicht jede Hoffuung zerstön. Die Entwicklung des Textes Ues 1,9 Mas.: ))überbleibsel, Rest«, LXX: »Same«) zeigt, daß Paulus auch in unserem Zitat das Motiv des Restes noch nachempfunden hat, daß also die Zusammenstdlung der beidenjesaja-Wone für ihn nicht willkürlich ist34 • Blickt man auf den Gedankengang zurück, dann hat Paulus zunächst beweisen wollen, daß Gottes Ruf nicht nur juden, sondern auch Heiden triffi (V 24). In Wirklichkeit haben diese Schriftzeugnisse mehr bewiesen: während die Heiden zu einem nauserwählten Volkcc berufen wurden, traf Gottes Strafgericht Israd so, daß nur ein »Restcc, ein nSame« eingeglieden werden kann. Es ist daher zu vermuten, daß dieser alttestamentliche Beweisgang eher da war als der Zusammenhang, in den er heute eingefügt ist. Der alttestamentliche Beweisgang ist schärfer als die These, um derentwillen er angefühn wurde: er spricht ausdrücklich von dem Strafgericht Gottes über Israel. Röm
9,~33:
30WU 100m wir - - . folpral
Der Stein des Anstoßes
Heidea, die Dicht DKh der Genchtipeit'"
I'"
teil, t.bea Genchtipeit erJaaat, Dimlich die Gerechdpeit, die ... dem GIaaIIea
kommt. 31 1Iber, daadem Ge8eta aach,Pit, daa.oa clerGerechtipeitlwndeJt, "t daa Ge.eta in Wirldichbit Dicht erreicht. 32Wauml Weil _ Dicht ... Ga.beB, eoadera ... Wedea precht .....dea.achte. So ........... dea s.em.se. Aa..... ,utaaea, 33wie ~ Iteht: ~iehe, ich . . in Zioa elDea SIeiD .se. Aa..... aad eiaeD FeI8ea .se. XrJenU-; ...... Um .u. Vabwea ...., wird Dicht ZII.........ea wercleal.
wer'"
AMlyst: Röm 9,30-33 erscheint einerseits wie ein Abschluß von Röm 9, ander-
seits wie eine Einleitung zu Röm 10. Der Abschnitt beginnt mit der rhetorischen Frage t( oW tQo'ÜJ.LEV. die sich auf das verwunderliche Handeln Gottes bezieht, ßung Israel jlqmübcr; 2. Gott erfüllt sein Won und verkünt die große Zahllsraela; 3. Gott erfilllt sein Won und richtet es zu (,. faßt CI zusammen, schlie8t es ab). Vulg. übcnctzt: vcroum mim conSUmmanl et abbreviaru in acquitate: quia verbum breviatum faciet DominUi luper ternm. KAsENANNR 263 übcnctzt: ..denn AbRchnung wird voUcadend und einachränkeod der Herr auf Erden halten« und argumentiert: der Sinn IOn drohend sein (- .nur t'in Rest wird gerettet«). CJUYund ouvUJ'VOJV werdm mit Dan 5,27 LXX (Theod. 9,24) eine apoka1yptiacbc Ausdrucbweist' vt'1T<'n (..durchfuhren« und ..abgekürzt handeln«). BAuETR 191 verweist aufJes 10,22 r. (.t'I'fUllen« und .. reduzieren.. ). leb achIie8t' mich ausdrücklich an dir von E. KAsEMANN abgelehntt' Deutung (- Won, Verheißung) an. Erwählungist immer ein Verwirklichungs- und Reduktionaprozeß. M Ein ähnlicher Zusammenhang findetlich auch inJes6, 13: »ein heiliger Same wird lein Wurzelstock sein«; doch fehlt gcndt' diese Verheißung in der LXX.
'tu.mv
320
Der Stein des Anstoßes
der die Heiden annimmt, diejuden dagegen unter sein Gericht stellt. V 32 setzt dies dialogische Spiel fort und gibt eine Begründung für das göttliche Handeln, geht aber dann auf die dahinter stehende göttliche Absicht ein, die sich in diesem Handeln verbirgt. Den Abschluß bildet ein Schriftzitat, das in gewisser Weise den ganzen Gedankengang trägt. Es unterstreicht auch den Charakter des übergangs. Die Freiheit des göttlichen Handeins liegt darin, daß Gott den ••Stein des Anstoßes« aufstellt (V 33). Dieser »Stein des Anstoßes« ist in gewisser Weise der Schlüssel für den schweren Fall Israels, so daß der Hinweis aufihn die ganze Zitatenkollektion Röm 9,24-29 gut abschließt. Wenn das Gotteswon zum Vertrauen auf diesen Stein aufforden, dann ist damit die überleitung zu Röm 10,1-13 gegeben. Daß mit Röm 10,1 ein neuer Abschnitt beginnt, zeigt sowohl die neue Anrede Md.qlo(, die betont am Anfang steht, wie auch der verändene Stil. Aus allen diesen Gründen wird man in Röm 9,3~33 einen Abschluß sehen, der gleichzeitig zur überleitung für das folgende Kapitel wird. Man darfihn weder aus c. 9 herausnehmen noch auch ohne c. 10 entfalten. Exegese: V 50: Die einleitende Frage'ri obv tQoÜJ'EV, die eine gewisse Parallele zum Eingang des vorangehenden Abschnittes in 9, 14 darstellt, zeigt an, daß Paulus auf den Einwand eines jüdischen Gegners gefaßt ist, der daran Anstoß nimmt, daß dasselbe Handeln Gottes die Heiden annimmt, die Juden aber als Volle unter das Gericht stellt. Paulus bekennt sich ausdrücklich zu diesem Ergebnis der alttestamentlichen Schriftzitate (daher das Ö'n) 1. »Heiden« (HvT) ohne Anikel!) haben das Ziel der Gerechtigkeit erlangt, ohne daß sie der Gerech tigkei t nachgejagt haben, wie es Israel tut. Israel dagegen, das sich abmüht, dem Gesetz Gottes Genüge zu tun, hat das Ziel des Gesetzes nicht erreicht2 • Dieser paradoxe Tatbestand darfnichtabgeschwächt werden. ErwählungundVerwerfungwaren in Röm 9 als Zeichen der göttlichen Freiheit und Macht geschilden, sahen also den geschichtlichen Vorgang von seinem Ursprung her; jetzt dagegen tritt dasselbe Geschehen in das Licht eines bestimmten Ergebnisses. Die Heilsgeschichte nimmt die Gestalt von menschlichem Gehorsam und Ungehorsam, Glauben und 1 In der patristischen Exegese fragt man, ob Röm 9,30 f. als Frage oder als Aussage zu verstehen sei. Faßt man die beiden Verse als Frage auf, dann ist zu entscheiden, ob Paulus leibst oder lein Gegner diese Frage tDnnulien hat. Andere Ausleger betonen, daß nach der rhetorischen Frage "t( oliv tQoü~ die Fortsetzung in V lOb und 31 als theologische Aussage aufzufa.ssen sei (z.B. Thdn, Aug.). Die Parallele zu V 32 zeigt, daß wir eine Aussage vor uns haben. Die Eigenart der paulinischen Gedankenführung wird abgeschwächt, wenn man in V 31 d~ v6~ Ö~XQI.OC7iMJ~ (vulg.,lt) bzw. d~ ö~ xClWO"CMJv (Konjektur P. SatMIEDEL) liest. LTZMR 94 uneilt: It~ v6twv ist aus rhetorischen Gründen wegen des Parallelismus gewählt und deshalb inhaltlich mißverständlich; gemeint ist ~ "tEAI!lWO\V v6twu oder vielmehr ganz prizise: ~ ~... PALLISR 118 nimmt eine textliche Verderbnis an und schlägt vor, E~MbvO~!; oUx fcp6axev zu leien. In V 32 wird der paulin.ische Gegensatz b xlamo!;~ fv(covebenfalls abgcschwächt,wenn man v6f.aou mit Dlt nach Röm 3,20 hinzufügt. Im Zitat selbst verschiebt sich der Gcdanke,wenn ~ zu 6 ~ hinzutritt ( 'X vulg.); auch LAGaR 251 tritt für Streichung von xci; ein. 2 V 30 und 31 sind weithin parallel aufgebaut: J1'iI ~ - ÖWJxwv; xm~EV OI.XCIWC7CM)v - E~ v6twv oUx bptaaev. oLCimnv und xm~nv (bzw. cp6avnv) beziehen sich aufeinander (»erstreben .. und ..erreichen.. ): beide Verben finden sich auch sonst nebeneinander (Ex 15,9; Sir 11,10; 27,8; Phi13, 12-14). Man vergleiche den paulinischen Text mit Prov 15,9 LXX! O~W xuv O&.XCll.OCJ"fMtv ist eine bekannte alttestamentliche Wendung.
m
Röm 9,30-33
321
Unglauben an. Entscheidend ist die Erkenntnis, daß wir es in V 30 f. wieder mit dem Bild des Wettlaufes zu tun haben ( I Kor 9,24; Phi13, 12-14). Damit wird aber eine Beziehung unseres Textes zu Röm 9,16 aufgedeckt: die eigentliche Entscheidung fällt in Gottes Erbarmen, nicht im ))Willen« oder ))Laufen« des Menschen3 • Paulus will andeuten, daß die Heiden nicht wie dieJ uden ihr Leben unter das Ziel einer gesetzlichen, vom Menschen zu erwerbenden Gerechtigkeit gestellt haben. Der Gerechtigkeit nachzustreben war jüdisches Ideal, das dem Heidentum fremd war. Um so auffallender ist dann die Tatsache, daß Menschen, die der ))Gerechtigkeit nicht nachstrebten« (um mit dem Juden zu reden), die »)Gerechtigkeit erreichten«, freilich eine andere Gerechtigkeit als die, die der Jude kannte, nämlich eine Gerechtigkeit auf Grund des Glaubens. Eine Gerechtigkeit auf Grund des Glaubens ist aber eine Gerechtigkeit aus Gnaden und widerspricht ganz dem menschlichen Streben und Denken. Die Eigenart der eschatologischen Gerechtigkeit tritt also gerade an dem heraus, was an den Heiden geschieht4. ÖLxal.OCJ'ÖV1l tx :rtLan:~ ist eine Gerechtigkeit, die im Verzicht auf die eigenen Werke, d.h. auf das eigene Recht vor Gott besteht. Darum ist diese Glaubensgerechtigkeit nicht auf dem Wege des ))Nachstrebens der Gerechtigkeit« erreichbar. Paulus denkt also an den Einwand desjudentums, daß es selbst ausgeschlossen sein soll, während das Heidentum angenommen werden sollS. Schlatter, Gerechtigkeit 300 f. meint, daß es im Wesen des Gesetzes liege, daß es dem Menschen fern bleibe; könnte der Mensch glauben, so wäre er nicht mehr fern vom Gesetz und nicht mehr der, der nach der Gerechtigkeit läuft, sondern der, der sie hat. Auch ZnR 471 glaubt, daß der Gegensatz darin bestehe, daß der Jude nach dem Gesetz strebe, daß aber der Vorzug des Evangeliums darauf beruhe, daß man sich im Einklang mit dem Gesetz wisse (als fvvot.aoc; 6roü). Aber damit wird die paulinische Perspektive verkürzt: auch für Paulus ist die Gerechtigkeit Gottes in dem Sinn eschatologisch, als sie immer wieder über den Menschen selbst hinausweist (PhiI3, 12). Paulus scheut sich davor, die neue Gerechtigkeit seine eigene zu nennen; sie bleibt die im Glauben an Christus geschenkte Gerechtigkeit.
Die kurze Frage, wie der in V 30 geschilderte Sachverhalt möglich ist, beant) KUHLR 342 f.; SANDAy-HEADLAMR 279; LAGI.R 249. Ein besonderes Problem besteht theologisch zwischen den Aussagen über die Stellung des Heidentums zum Gesetz Röm 2,14 ff. und 9,30. In Röm 2,14 ff. geht es um eine konkrete Möglichkeit im einzelnen Fall, in Röm 9,30 um eine vom Standpunkt desjudentums aus gesehene berechtigte Unterscheidung. KUHLR 243 venucht ebenfalls, Röm 9,30 mit 2,14 0: zu vergleichen. Er meint (im Hinblick aufRöm 9,30): "Immerhin warnuie uns, ausjencr Stelle (Röm 2,140:) ein allzu günstiges Urteil des Apostels über das sittliche Streben des Heiden abzuleiten.tc Aber CI geht Paulus nicht um die Sittlichkeit der Heiden, lOIldern um ihre Stellung zum alttestamentlichen Gesetz. 5 Wie bWntnv bLXCJl.OCJiM)v eine alttestamentliche, dem Judentum bcJwmte Wendung ist (1fT:' so ist auch vOl'OC; 6~~ das Gesetz, das dem Israeliten die Verheißung der Gcrechtigkeit vorhält (Röm 10,5). Die Auslegung der schwierigen Vene 30 und 31 muß berücksichtigen, daß die heiden Begriffe 6LXC1&OC1CM1 und v6f,&oc; ~'" gebraucht werden. Israel strebt nach eigener Gerechtigkeit, weiß aber nicht, daß es gerade mit diesem Streben der von Gott geschenkten Gerechtigkeit im Wege steht; Israel bemüht sich um das Gesetz, das von der Gerechtigkeit spricht, und verkennt, daß der eigentliche Sinn des Gesetzes außerhalb seiner selbst in Christus liegt (Röm 10,4). L TZMR 94 deutet t~ vOtwv IIptaatv im Sinn von ~ 'tWUoot.v v6faou oder von ~ b~. Tatsächlich sollte man in diesem Zusammenhang den Bcgriffdes ~ v6tWu (Röm 10,4) nicht umgehen (dAoc; eschatologischer Abschluß und Ziel). Rim 9,31 wtist tIM! Rim 10,4 1tUa. 4
:1""),
=
322
Der Stein des Anstoßes
wortet V S2; dem »)Warumcc (bLil d) entspricht die Begründung; )~arum, weil (6'tL) Israel das Gesetz, das die Gerechtigkeit verlangt, aufGrund der Werkt erfüllen wollte, und nicht aufGrund des Gltmbms« (vgl. Röm 3,27 f.; 4,5) . ~ M; fQyuJv klingt subjektivierend und stellt sich auf den Standpunkt Israels ein (2Kor 2,17; 11,16). Israel will die »eigene Gerechtigkeit« auf Grund der Verdienstlehre erwerben; aber eine Gerechtigkeit, die von Gottfestgesullt wird, steht im Gegensatz zu einer Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus hergesuUt wird. Der Widerstand Israels gegen diese Gerechtigkeit ist nicht zufiillig, sondern liegt seit langem im Heilsplan Gottes, entspricht auch der Eigenart des Christusgeschehens. Vorangestellt ist das betonte Urteil: »sie haben sich gestoßene< (und sind dabei zu Fall gekommen). Das Verbum bezieht sich auf den »Stein des Anstoßes« Ues 8,14), setzt aber vielleicht auch das Bild des Wettlaufes fort. Das nachfolgende Zitat ist eine Verbindung vonJ es 28,16 und 8, 14 und gehört theologisch in die polemische Auseinandersetzung mit Israel 6 • Vorausgesetzt ist das Bild des »Steines«, das verhüllt aufJesus Christus angewandt wird. Diese Selzung Gottes hat eine doppelte Wirkung: einerseits wird er zu einem gefiihrlichen Hindernis, über das Israel zu Fall kommt, anderseits zu einem Heilszeichen, auf das der Mensch vertrauen darf. Mit dem Motiv des »Vertrauens« (nLmEUELv) erhält Paulus ein Stichwort für den folgenden exegetischen Zusammenhang (Röm 10,8 ff.). In diesem Vertrauen liegt die einzige Möglichkeit, im Gericht nicht zuschanden zu werden.Jes 28,16 hebt die Autorität des göttlichen Handelns hervor: Wieder begegnet der freie Gott, der sich gerade im eschatologischen Ereignis gegm Israel wendet und ihm zur Gefahr wird. Die paulinische ZitatDwerhindung stellt (gegen LXX) die Gefihrlichkeit des Christusereignisses heraus, so daß die zweite Vershälfte geradezu einschränkenden Sinn gewinnt: »nur der, welcher gerade auf ihn sein Vertrauen setzt, wird im Gericht nicht zuschanden werdencc (Fut. gegen LXX). Diese Zitatenvennischung ist Ausdruck bewußter Polemik und schließt sich einer älteren Tradition an. überblickt man das ganze Kap. 9, dann fällt die Zusammengehörigkeit von Röm 9,1-5 und Röm 9,30-33 auf: der Schmerz um Israel besteht darin, daß Israel am »Stein des Anstoßes« und am »Fels des Ärgernisses« zu Fall gekommen ist, und daß es die einzige Möglichkeit, auf den »)Stein des Anstoßes« das Vertrauen zu setzen, nicht venteht. Gegenüber dieser Haltung Israels verkündigt Paulus die absolute Freiheit Gottes als des Schöpfen, d.h. alle Bundessch1ießungen und Verheißungen heben diese absolute Freiheit nicht auf. 6 Unser Text weicht von der hebr. Grundlage und von LXX erheblich ab, ist aber nahe verwandt mit der ZitatenkoUektion IPetr 2,fHI. Diese Verbindung von »Stein«-Zitaten gehört wohl zum ältesten StofTder ~lemischen Verkündigung (R. HAUIS, Testimonies I, 1916, 18 f. 26 f.;J.JEIlEMlAS, Art. U~, ThW IV 275 f.). Wenn Paulus die Zitatenverbindung übernommen hat, dann ist Jes 28, 16 als HfIII/JISUlll anzusehen, die durch Jes 8,14 in einen ganz anderen Zusammenhang hineingestellt wird. Auch der Targum deutetJes 28,16 auf einen »starken König«, den Gott aufZion einsetzen wird, also aufden Messias. Durch den Einschlag von 8,14 kommt das richtrnde und strafende Walten Gottes in das Zitat hinein. ~ und CJXl.rvOO).oy gehören auch IOnst bei Paulus zusammen (Röm 14,13). CJXl.rvOO).oy ist Anlaß zum Straucheln, zu Verführung und Sünde, muß aber hier auch in die al ttes tarnen tliche Bildsprache hineingezogen werden. I n der T extfonn von J es 8, J4 berühn sieh Paulus weniger mit LXX als mit der griech. übersetzung des Aquila und des Theodotion. Der Zusatz~zu6KtDtE6aJy iattextlich nicht gesichert (gegen vulg.). Vgl. K. H. MOLLEIl, Anstoß und Gericht, 1969, 78 fT.
Röm 10,1-21
323
Wie in der Rechtfenigungslehre stellt Paulus letztlich Gott und Mensch penonhaft einander gegenüber und löst dadurch alle geschichtlichen Vorrechte Israels bewußt auf, obwohl er sie in ihrer historisch relativen Bedeutung durchaus anerkennt (Röm 9,~5). In dieser Zuspitzung des Gedankenganges aufdie absolute Freiheit Gottes wagt Paulus Thesen und Formulierungen, die für das frühjüdische Denken anstößig waren (z.B. Röm 9,16). In den Schriftzitaten schließt er sich an Textüberlieferungen an, die härter sind als die Septuaginta (Röm 9, 17.33). Es wäre nun ganz falsch, diese Verkündigung der absoluten Freiheit Gottes als eine theologische Theorie anzusprechen, die auf sich selbst steht; Paulus will vielmehr in der Auseinandenetzung mit Israel die Stimme des Alten Testaments zu Gehör bringen. Es geht ihm nicht nur um eine aufweisbare Scheidung zwischen Begnadigten und Verworfenen, sondern er stellt vor allem beide, Verworfene und Begnadigte, einander gegenüber, um an beiden die Freiheit des Schöpfers aufzuweisen, der jeden in seinen geschichtlichen Dienst stellt. Gott ist nicht gebunden an Israel und frei gegenüber den Heiden, sondern er kann sich immer wieder aufs Neue binden und lÖlen. In der paulinischen Rechtfenigungslehre geht es vor allem um das Eigenrecht Gottes in seinem Handeln, nicht nur um die Auswirkung dieses Handelns an dem Menschen. Man darfnicht die Verbindungslinien zwischen der Rechtfenigungslehre und der Erwählungslehre übenehen: heide behaupten die Gerechtigkeit und die Gnade Gottes, beide wissen um die Verwerfung und das Gericht Gottes, beide stehen im Kampfgegen die rabbinische Verdienstlehre und die Sicherheit Israels, beide wenden sich an den Menschen schlechthin, anJuden und Heiden zugleich, heide arbeiten stark polemisch mit bestimmten alttestamentlichen Zitatenreihen, die vorgeformt sind, beide Lehren kämpfen auch mit einzelnen Denkschwierigkeiten, die schon bei Paulus ungelöst bleiben. Vor allem läßt sich erkennen, daß heide ein geschichtliches Handeln Gottes am Menschen beschreiben, das sich durch das Evangelium vollzieht (Röm 9,24). Es ist darum nicht zufiillig, daß am Schluß des Kapitels der in der Weissagung verhüllte Christus - er bleibt ungenannt - als der einzige Weg zum Heil herausgestellt wird (Röm 9,33). Die Art der Auseinandersetzung trägt die Spuren des Gespräches mit Israel. Zur Literatur vgl. jetzt: K. H. Müller, Anstoß und Gericht, 1969; Chr. Plag, Israels Wege zum Heil, 1969; G. Maier, Mensch und freier Wille nach den jüdischen Religionsparteien zwischen Ben Sira und Paulus, 1971; B. Mayer, Unter Goues Heilsratschluß, 1974.
Röm 10,1-21: Die Schuld Israels a) Röm 10,1-13: Die Stimme der Glaubensgerechtigkeit im Alten Bund 1 Meiae Brüder! Der WUlUCh meiDea Hene... und mein Gebet zu Gott für Iie .mct auf ihre Rettuaa prichtet. 2 Denn ich bezeup ilmen, da8.ie Eifer um Gott haben, . . . Dicht pmä8 richtipr ErkelmtDia. 3 Da lie ja die Gerechtipeit Gotta verkeimen und die eipae m.fmrichten ..eben, haben lie lieh der Gerechtipeit Gottea nicht UIdeI'pOI'dDet. 4 Denn du Ende da Gaeaa iat Chri..... zur Gerechqkeit fürjeden, der pauk 5 Denn Mo.eIlChreibt, cIa8 der Meuch, der die Gerechtipeit au. dem Gaetz tut, durch Iie leben wird. 6 Aber die Gerechtipeit aua Glauben .,ncht 10: ~ Dicht in deinem Henen: Wer wird in den Himmel aufIteipn1c DaI bedeutet, Chriatu. henbmhoIen. 7 Oder: .wt!I' wird in den AbpuDcI hi~1c Du bedeutet, CIuiatua au. dem Toteareich berauauholen. 8Soadem wu . . . . .1 .Nabe bei dir iat du Won, in cIeiaem MUDde und in deinem Her-
324
Die Schuld Israels
zen.. Damit btdu Wort vom GImbea pmeint, du wir vaküaclipa. 9Dean weDD
du mit deinem Muade Jau ... clea Herrn bekennet UDCl in deinem Henea ........, cIa8 Gott Um .... dem Toteareich auferweckt hat, 80 wint du preUet werdea. l°DeaD mit dem Henen .....k man zur Gerechtipeit, mit dem MUDde bekeimt man zum Heil. 11 Denn die Schrift lall ja: .Jeder, der UI Um &Iaubt, wird nicht machanden werden.. llDenn a Ut kein Untenchied zwUchenJuciea uad Griechen: deneIbe Ut Herr über alle wad el'Wei8t lieh ... Herr für alle, die Um .... rufen. 13.Delmjeder, der den Namea da Herrn aanafen wird, winlpaeuet wer· dea..
AlI4Iyse: Man darfRöm 10 nicht von Röm 9 t30-33 und dem ganzen Inhalt des vorangehenden Kapitels lösen. Erwählung und Verwerfung vollziehen sich in der Begegnung mit dem Evangelium t stehen nicht losgelöst und abseits von dem t was hier auf Erden von Menschen getan oder nicht getan wird. Das neue Kapitel beginnt mit einer für Israel eintretenden starken Versichnung, die an den Anfang von Röm 9 erinnert (V 1-2)t erhebt aber dann den durch Röm 9,30-33 vorbereiteten Vorwurf, daß Israel in der Verkennung der Gerechtigkeit Gottes seine eigene Gerechtigkeit behaupten will (V 3). Er wird durch die These, daß Christus Ende des Gesetzes sei (V 4), unterstrichen. Mit dieser These ist ein Höhepunkt des Abschnittes tTTeicld. Es folgt von V 5 an eine Gegenüberstellung von Werkgerechtigkeit und Glaubensgerechtigkeit in Form von Schriftzitaten, in der die Eigenart der Glaubensgerechtigkeit heraustritt. Es ist nicht von ungefähr, daß Worte der wichtigsten Bücher des Alten Testaments nebeneinander stehen (Deuteronomium, Psalter, Jesaja undJoel), und daß Anspielungen aufdas Bekenntnis zuJesus Christus eingefügt werden (V 6 f.,9). Durch die zahlreichen Worte des Alten Testaments und die urchristlichen Bekenntnisformulierungen bekommt der sprachliche Charakter dieses Unterabschnittes V ~13 etwas Feierliches und Gehobenes. Er ist ein besonders wichtiges Glied in der Gedankenführung des Römerbriefes. Exegese: VI: Die Anrede •• Brüdercc (zuletzt in Röm 8,12) wendet sich an die christliche Gemeinde, der das Verständnis des Problems »Israel« am Herzen liegen soll; Paulus spricht also in Röm 9-11 über Israel zur Gemeinde; Israel selbst nimmt als Partner an der Diskussion teil (9,14.19). Eine feierliche, in Form des semitischen Parallelismus aufgebaute Versicherung leitet den folgenden Angriff auf Israels Haltung ein (vgl. 9,1-5). Es ist der persönliche Wunsch des Paulus, aber auch seine Fürbitte vor dem Angesicht Gottes, daß der Anstoß und der Fall Israels nicht das letzte Wort Gottes bleiben, sondern von einem Heilswort abgelöst werden 1. Das Ziel Israels ist seine kommende Rettung (d; OO>lTIQ(av = tva oorihi)(JLv)2. Paulus rechnet mit der Möglichkeit, daß die eingetretene »Verhärtung« noch kein endgültiges und letztes Geschehen darstellt. Insofern ist Röm 10,1 überleitung zum »Geheimnis« von Röm 11,25 f. Weder der gegenwärtige Widerstand noch auch die auf die Zukunft gerichtete Hoffnung entbinden den 1
~ta
ist Semitismus (= hebr.1il1l und bedeutet hier: »Wunsch, WilIecc (ThW 11
JA.tv steht rur sich allein ohne ein korrespondierendes öt. 1
J.
A.
BENGEL
bemerkt z.St.: »non oraslet Paulus, si absolute reprobati essent«.
73~745).
Röm 10,1-21
325
rür
Apostel von seinem ernsten Eintreten das Heillsraels3 . Wurde Paulus von jüdischer Seite als Feind Israels bekämpft, so bleibt er doch unverändert in der Haltung des Fürbittenden. V 2: Mit der Fürbitte verbindet sich das öffentliche Zeugnis (f.UlQ"t\JoW): so wie Paulus selbst ein Eiferer (Gall, 14) und Unwissender (lryv<Xirv ITim 1,13) war, kann er auch von Israel bezeugen, daß es zwar um Gott eifen (tTJA.oI; 'tO'Ü &00 Gen. obj.), aber ohne rechte Erkenntnis. Auch Apg 22,3 schilden Paulus als •• Eiferercc. Der BegriW •• Eifer um Gottcc (bzw .•• Eifer um das Gesetzce) begegnet schon in der alttestamentlichen Tradition (~P.)". bdYV(OOL!i ist mehr als YVWcnI;; der •• Eifercc Israels um Gott geht fehl, weil er den konkreten Willen und Anspruch Gottes in seinem Heilsgeschehen ablehnt. bdyY(OOLI; bedeutet soviel wie die konkrete Erkenntnis und Anerkennung des Willens Gottes (Koll,9 f.; 2,2; 3,10). Mit der Anerkennung des konkreten Willens Gottes verbindet sich das rechte Verständnis dessen, was als Glaube und Heil zwischen Judentum und Christentum diskutiert wird. V S: Der Irrweg israels wird negativ und positiv beschrieben, aber diese Beschreibung wird ausdrücklich zu einem Vorwurf.lryvooüvtEli steht betont am Anfang und drückt nicht nur ein einfaches •• Nichtwissencc aus (da Röm 10,19 ausdrücklich von einem ).Erkennencc Israels spricht), sondern beschreibt ein/GIschts Verstehen, einen Irrweg im Erkennen und Denken (Lagr R 253). Paulus stellt betont einander gegenüber:" 'too troü ÖLXClLOOiM') (die Gerechtigkeit, die dem Willen und der Souveränität Gottes entspricht) und" lö(a &xaLOeJiM) (PhiI3,9: " tt'fI &)CQL()O'ÖYY) die Gerechtigkeit, die der Mensch auf Grund seines Werkes beansprucht}. Es geht in diesem Gegensatz um Gottes Gottheit und um des Menschen Widerspruch gegen Gott. Gottes Gerechtigkeit ist eine Gerechtigkeit eigener An und bleibt auch als ••Gnadengabecc ein Geschehen, in dem Gott den Menschen anerkennt und erlöst. Die .)eigenecc Gerechtigkeit dagegen ist nichts anderes als der menschliche Versuch, auf Grund eigenen Handelns Gottes richkrliches Urteil beeinflussen zu wollen5. Phil 3,9 zeigt deutlich, daß der Genitiv 'tO'Ü haü als Gen. auct. verstanden werden muß (= tx 'to,; haü)6. Gottes Gerechtigkeit ist
=
1 Es gehön zum Amt des Propheten, Fürbitter für sem Volk zu lein (z.B. Ex32,31; Am 7,1~). Es bedeutet ein beIonderes Gericht über Israel, wenn dem Propheten die Fürbitte verboten wird Uer 7,16-20).G. v. RAD, Theologie 11,63 fT. t~ entsprich t dem hebr. Begriff:'l\l~P und hat sonst eine andere Bedeutung ( I Makk 8,16). Es gibt einen .. Eifer- des Herrn um .ein Volk (Ex 20,5; Ez 16,38; 23,25); ihm entspricht von seiten des Israeliten ein t'ilA.oc; um Gott Udth 9,4; ",68,10; '" 118,139; IMakk 2,58; Phil3,6; vgl. auch Philoleg. ad Gaium 117). Dieser Eifer um den Herrn ist I.rad aufFlragen, und an ihm ist die beIondere Berufung Israel. erkennbar. Paulus bestreitet nicht Israd•• Eifer.. , schilt auch nicht darüber, daßlsrad -eifen.. ,sondem beklagt lediglich die Blindheit seines Eifers. AuchJesUi sdblt Uoh 2,17) und Paulus (2Kor 11,2) sind .Eifem-4C, allerdinp im Sinn des Evangeliums. Der falsche Eifer Israels richtet .ich gepCbristUi und sein Wen (Gall,14; Phil3,6;Apg5,17; 13,45).IHrK..",_lmuJistasDliIVAIuritta.s"~"" •• tlil RicAbov üs Elf.s. Zum Verständnis des .EifeR« vgt. Ab 5,20Juda b. Tema und B.uaE1TR 196: -enthusiasm.. ; ThW 11 879-890; M. HENGEL. Die Zeloten, Arbeiten zur Geschichte des SpätjudenlUmI und Urchristentums I, 1961, 151-234. S Die Wendung liav [b(av (6LXaWCJCMtv) cnftoaL (vgl. Röm 3,31; 14,4) klingt semitisierend (im Sinn des hebr. D'~). Ein ergänzendes 6LXQU)(J("Mp wird von. JM6 GKL empfohlen. 6 Zum Problem der -Gerechtigkeit Goue.« vgl. G. SaulENK, ThW 11 208 fT.; LtzmR. 95 f. (Exkurs); LagrR 253; KAsEMA..·.NR 272 (entscheidende Zusammenfaaung der Problematik).
•
326
Die Schuld Israels
ein eschatologisches Geschehen (nicht ))Eigenschaftcc, wie Ltzm R 95 meint), das schon jetzt enthüllt wird. Auch in der Rechtfertigung liegt also eine Vorwegnahme des eigendichen, eschatologischen Ergebnisses vor: sie ist beides zugleich, richterliches Urteil und heilschaffende Tat. Im Ton der Anklage stellt der Abschluß fest: sie haben den Gehorsam gegen die Gerechtigkeit Gottes verweigen. Der Glaube ist ein Akt des Gehorsams gegen die Botschaft Gottes (Röm 1,5; 10,16) und ist ebenfalls ein Geschehen eigener Art: er entspricht dem rechten Hören {cixofl} und der verstehenden Anerkennung (bt(YVU)(JLC;) des Evangeliums. Trotz aller Betonung des ))Eiferscc Israels bezeugt Paulus den Irrweg seines Volkes, und sein prophetisches Eintreten für sein Volk kann die Anklage nicht beschwichtigen, daß es im letzten Sinn ungehorsam gegen Gottes konkreten Willen ist. Ähnlich klagten auch die Propheten über den Ungehorsam ihres Volkes. Die Anku"t tIM! Ungtlwrstlm (OÜX 'ÖnnciyYJoav) ist also slll1k bllmtl. V" klingt wie eine eingefügte lehrhafte These, die einerseits den Gedankengang abschließt, anderseits aber auch zum Folgenden überleitet 7• Die Tatsache, daß der Vers beide Aufgaben erftillt, verrät, wie wichtig diese These in unserem Zusammenhang sei~ muß. Da von V 2 ab jeder Vers durch ytiQ angeschlossen wird, ist das erneute y6Q an sich nicht auflällig. 'ttAoc; v6twu kann sowohl ))Endecc wie auch ))Zielcc des Ges~tzes bedeuten, und schon die Auslegung der Kirchenväter ist sich keineswegs einig, obJesus Christus nach der Aussage unseres Verses ein Ende gesetzt hat oder Erftillung und Ziel des Gesetzes sein soll (dAoc; vÖfWU = nl.dOKJLC; oder nAftQmf.Ul). Nun kann kein Zweifel sein, daß der Kontext nur die erste Auslegung zuläßt: Christus ist das Ende, das eschatologische Ereignisjmstitr des Gesetzes. Der Satz will also polemisch verstanden werden: diejuden wissen nicht, daß die alte Weltzeit zu Ende und die Herrschaft des Gesetzes abgeschlossen ist. Dazu paßt auch der sonstige Sprachgebrauch von 'ttAoc; in den paulinischen Briefen'. Man hat versucht, hinter der hellenistischen Wendung 't~ vÖIWU eine frühjüdische Vontellung zu erkennen. Daß ein Rabbi als letztes Glied einer Reihe die Mischna bzw. die Gemara abschließt und so zum Ende (.,~) der Mischna oder Gemara werden kann, ist nicht ungewöhnlich (BM 85-86a). Mischna und Gemara sind dann keineswegs aufge~ ben, sondern zum Abschluß gekommen, so daß weiteres Material nicht mehr eingeiugt werden darf (Str-B 111277). Nach der Meinung des R.JOIeph (Nidda 6tb) werden die Gebote der Tora in der Messiaszeit teilweise ohne praktische Bedeutung sein (Str-B 1 241; GaugIer R 11 99). 7 GAUGLER R 1195 IteUt fest: .. V 4 gibt gleichsam die Obenchrift zu diesem ganzen Ablchnith' (= 10,4-13). • Zum V nständnis dei ~-BcgritTes bei PaulUi vgl. Röm 6,21 C.; 2Kor 3,13; Phil 3,19; I Tim 1,5, wenn man von den alJllnprochen eschatologischen Stellen ablieht. Grundsätzlich ist anerkannt, daß ~ v6twu auf keinen FalllOviel bedeutet wie ~ (SANoAY-HE.\DL.U(R 285). Wenn PaulUi von ~ miet, dann licht er aufdas Ende eines Prozcucs, das Gott selbst hcrauftühn. Auf diesem gesdUchdichcn .. Endc-licgt bei Paulus ein ganz bestimmter Nachdruck. VOll diamt "EMU" ,." wird d" l~t Itsc,,"Atlidtl p,~fj V6sl4ruJlicA fIIt{/ "lclllllbtll. Dies Gcschichtldcnken ist Ichon alttestamentlich, aber der Jude spricht nicht vom .. Ende des Gesetzes«. BAUETTR 197 übcnetzt t~ mit "Absich tce und ..ZielllCtzu~« (V erwirldichung der Ge~chtigkeit des Neucn Bundes). Du ist deshalb beachtlich, weil damit die GcgenübenlCllung von sYltematischer und exegetischer Deutung (KAsEMAlIINR 270) in Fr. gestellt wird.
327
Röm 10,1-21
K. Banh sucht in -c~v6twu eine Umschreibung des hebr. Begriffes ~ (= d .. Allgemeine, das Prinzip, die Gesamtheit, die Summe). Nach ihm ist -c~ v61W" eine Art ))Zusammenfassungc( (ä~) des Gesetzes. Es geht also um jesUi Christus allein, wenn man sich um das Gesetz bemüht (Kirchliche Dogmatik 11 2, 1946, 269). Die Auslegung der Kirchenväter von -c~ v6f,wu ist nicht eindeutig. lrenaeus adv. haer. 4,12,4 bezeichnet Christus als ))Anfang und Ende des Gesetzes« (nach Röm 10,4). Clem. Al. venteht d~ als »Erfüllung« und als »Ziel« (strom. 2,42,5; 4, 130,3; 6,94,6). So gebt ~ geradezu in die Bedeutung von n).~ über. Origenes paraphrasiert: »Finis enim legis Christus: hocest perfectio legis etjustitiaCbristus est« (Ruf. 1160B). In seinen Kommentaren wird allerdings auch behauptet, daß Christus des Gesetzes Ende und Ziel sei. Nach Euseb. demonstr. ev. 8,2,33 ist Christus des Gesetzes Ziel, indem er es vollendet, wie es in Mt 5,17 heißt'. Gegen die zahlreichen Venuche, ~ sprachlich in venchiedene Möglichkeiten aufzuspalten, wendet sich Käsemann R 273 mit Recht: die Botschaft des Neuen Testaments würde nicht mehr zu erkennen sein, wäre es der Auslegung erlaubt, vorhandene sprachliche Möglichkeiten durchzuspielen.
Paulus will sagen, daß in Jesus Christus das Gesetz als Heilsordnung Gottes seinen Abschluß und seine Grenze gefunden habe, daß also mit ihm eine neue Weltzeit begonnen hat, in der das erfüllte Gesetz und die Erfüllung des Gesetzes regieren 10 ; Es ist nicht sicher, daß hinter diesem 'ttl~-Begriffwirklich eine semitische Wendung zu finden ist. Daß die alte Weltzeit mit dem KreuzJesu vergangen ist, deutete schon Röm 7,1-6 an; mit dem Einbruch der neuen Weltzeit beginnt gleichzeitig die Herrschaft der Gerechtigkeit fiir jeden, der glaubt. xavtt t4> XLatEVOVtL klingt formelhaft und erinnert an Röm 1,16; 3,22. Aaifjedm Fall haben wir es in V -I mit einer paulinischtn GrundtheSt ~u tun. Damit wird der »Stein« des Jesaja-Zitates (Röm 9,33) mit Christus gleichgesetzt. V 5 und 6 stellen einander gegenüber: »Moses schreibt« und »die Gerechtigkeit aus Glauben sagtC(. Dem »Schreiben« des Moses entspricht das Gesetz, wie dem »Reden« der Gerechtigkeit aus Glauben das Wort des Evangeliums l l . Im Gesetz des Moses war die Gerechtigkeit auf Grund der Werke nach Lev 18,5 bezeugt: xOLTioas dvDQom~ ~TiaetQL b Qi,.toi; (= Lev 18,5; GaI3,12). Paulus paraphrasiert hier das Wort des Alten Testaments und bezieht es nicht auf die Gebote, sondern auf die Gerechtigkeit, die aus der Beobachtung des Gesetzes entsteht 12• Sie hat es mit dem »Tun« zu tun, und dieses Tun lenkt den Blick des Menschen auf sein eigenes Vermögen: sie macht das zukünftige »)Leben« von dem Urteil über dies ) Tun« abhängig. An dieser Entscheidung der Gerechtigkeit aus dem Gesetz muß der
a
Paulus 36>-368. 11 95 ff. setzt sich ausdrücklich mit der Deutung K. BARlltS auseinander und hebt hervor, daß unser Vers heilsgeschichtlich verstanden sein will: »Es ist eine umfassende, eschatologische Botschaft. Es meint: Jetzt ist heimlich-öffentlich, unsichtbar, aber doch schon ausgerufen, das Neue schon da« (GAUGLEI R II 117). 11 So richtig 5 172 spricht von einem »AppcU an die Urteilskraft .. in 12.1-2 und trennt bcide Vcrsevon der eigentlichen Paränese. ParuaJc>.Sätze entsprechen dem Einging der Danksagung in der paulinischcn BrieOitcratur; an lich gehören sie in den antiken Briefstil und tragen oft oflizic1len Charakter. Bei PaulUilind lie stark alDrilatilJ (Röm 12.1-2; 15.30 ff.; 16.17). - C. H. Dooo macht ferner aufdcn grundsätzlichen Unterschied der paulinischen Paränese von der griechisch-philosophischen Ethik einerseits. der jüdisch-rabbinilchen Halacha andcncits au6ncrksam. Es kommt PaulUi vor aUem daraufan. daß der Mensch in leinem konkreten Leben. in seinem Verhiltnis von Mensch zu M msch bewahrt. was ihm von Gott geschenkt wurde. Das menschliche Tun ist nicht mehr der Weg zur SclbetvoUcndung in Verdienst und Tugend. sondern cin Zeugnis für die Gnade. die der Menach empfangen hat. Entscheidend ist. daß PaulUi auch in seinft' Ethik das Gesetz des MOles nach der AUllcgungJcsu auf. richtet (Röm 3.31). Zur Literatur: C. H. DoDD. The Primitive Catechism. Ncw Test. Essays T. W. Manson. 1959. 1~108; H. ScHLIER. Vom Wesen der apostolischen Ermahnung nach Röm 12.1-2. Zeit der Kirche. 2. AuO. 1958. 7~9; den .• Die Eigenart der christlichen Mahnung nach dem Apostel PaulUi (Besinnung aufdas NT. 1964. ~357); E. KAsEMANN. Gottesdienst im AUtag. EVB H. 198-204.
368
Der neue GotteadienJt
.eil peich, 80Ddem wudelt euch durch die ErDeaenuIi" Sin...., damil ibrprü. fea könnt, wu der WUIe Gaue. 8ei, du Gate, du WohIpfiII.ip und du VoU· kommenet
"Q-
Exegese: Am Eingang des paränetischen Hauptteiles steht ein wuchtiges Q zu E'ÜcioEat~ zu ziehen ist l2 . Es gab unter Heiden und Juden das dargebrachte Opfer, das den Bestimmungen der Opfergesetze genügen mußte. Die Dreizahl der Adjektive stellt die Eigenart des urchristlichen Opfers heraus. Jetzt erst entsteht die Möglichkeit des wahren Opfers, bei dem der Opfernde sich selbst und sein Leben anbietet, bei dem sich die Heiligung des Menschen vollzieht, und das allein dem Willen Gottes entspricht. Indem der Glaubende sich selbst und sein Leben anbietet, offenbart er die eschatologische Freiheit, die neue Situation, von der Röm 6,13 spricht. Man könnte auch sagen, daß hata ~OOaa das eschatologische Leben offenbart, das dem Glauben eigen ist. Es darfkeinesfalls übersehen werden, daß die Formel &ua(a ~(OOa mit einem besonderen Nachdruck verwandt wird 13 • Es fragt sich, inwieweit diese Tenninologie und Vorstellung von Paulus übernommen ist, und inwieweit er selbst sie mit neuem Inhalt erfüllt hat; vor allem die nachfolgende Ergänzung: »welches sei euer vernünftiger Gottesdienst« (M. Luther), die als Apposition zum ganzen Satz aufgefaßt werden muß14, fiihn in einen weiten Bereich des religionsgeschichtlichen Vergleichs. Die paulinische Auffassung vom menschlichen Ganzopfer und der Loslösung von der Gebundenheit an den alten Äon hat jetzt eine sachliche Parallele in der Qumranliteratur. 1QS 9.3-6: Wenn die Gebote der Sektenregel gehalten werden, 10 bedeutet dies »ein Fundament heiligen Geistes. ewige Wahrheit. Sühnung der Sündenschuld und des sündhaften Abfalls. (göttliches) Wohlgefallen an der Welt. was mehr ist als das Fleisch von Brandopfern und das Fett von Schlachtopfern; aber das Opfer der Lippen ist das Richtige wie ein Opferr:luft der Gerechtigkeit, und voUkommener Wandel ist wie ein wohlgefälliges Macht, und der Retter der Menschheit istJesus dadurch, daß er getötet und auferweckt worden ist und die ihm Glaubenden zum Abbild seines Todes und seines Lebens macht, 10 daß sie nicht mehrim FleUche sind. Darum beginnt der Unterricht über das chrisdiche Handeln mit dem Gebot, das angibt, was mit dem Leibe geschehen soll. Die Leiber werden Gott als sein Eigentum übergeben.« BAIlTHR. 415: -Denn der Mensch selbst, der anschauliche, der geschichtliche Mensch, den wir allein kennen, ist eben der Leib.« Vgl. auch &NDAY-HEADLAMR 352; KAsEMANNR 312 a: 9 Vgl. Röm 13,13 f.; lKor 1,10. 10 Allerdings nicht der LXX, die dafür ~V oder KQOCJIPtQeLV hat. ~QL toof.av findet sich häufig im Hdlenismus: Dill. Or. I 332,& 7 .42; 11 456,20 f.; 764,23 f[ Ditl. SyU. 11 2. Auß. 554,5 f.; 11 3. Auß. 736,65.70 f.; 589,46; 694,49; Jos. Ant. 4,113 u.ö. 11 Zur Dreigliederung der Adjektive vgl. Röm 7,12. u ~O!;'tlP&lP begegnet bei Paulusin Röm 14,18; Phil4,18; Eph 5,10. ~ hatdaa Bedürfnis, ergänzt zu werden. Die Wendung dürfte aus dem Semitischen übernommen sein. u KOHLR 416 nennt t«öaa das vornehmste Attribut zu &ucJ(aj diese Hervorhebung von tÖMJa ist verbreitet (CaANFIELD, Commentary 9). 14 Es handelt sich nicht um eine erklärende Apposition zu oOJt,u11Q oder zu ihJo(av, auch nicht um ein weiteres Objekt zu ~(JQL (LAGIlR 292 f.)
370
Der neue Gottesdienst
freiwilliges Opfer - zu jener Zeit sonen sich die Männer der Gemeinde absondern als ein heiliges Haus für Aaron, um vereint zu sein als Allerheiligstes und als ein Haus der Gemeinde für Israel, das in Vollkommenheit wandelt.« A.oytxil AatQEU1 ist in der hellenistischen Literatur ein Ausdruck für das DG1Ik,tlItt, das an die Stelle des Dankopfen trat. ~ selbst findet sich als philosophischer Ausdruck seit Aristoteles, nicht dagegen in der Septuaginta. Es gehön freilich in den Sprachgebrauch der hellenistischen Synagoge (Const. apost. VII 34,6; 35,10; 38,S; VIII 9,8; 12,17; 15,17; 37,6). Vom Kult der Engel sagtTestLev 3,6: ~~UPXUQUpÖCJJ&flvEOOr 6~ AoyLxfIv xa1 c'tv~OY &ooUzv. Wichtig ist vor aDem der Sprachgebrauch der Hermetik (131; XIII 18). »Das Eigentümliche dieser Stellen ist nicht die Oberordnung des Sittlichen über das Kultische - das ist ja bereits für die Propbetenprcdigt typisch und auch der griechischen Polemik der Philosophen wohlbekannt - sondern die Betonung, daß die Art des Opfen dem Wesen des Logoa entsprechen muß. Dieser Gedanke ist auch unpfÜnglich auf dem Boden der späteren Stoa gewachsen, dann in der hellenistilchen Mystik entwickelt und wahnebeinlich durch jüdische Vennittlung zu Paulusgekommencc (Ltzm R lOS). R. Reitzenstein, Hell. Myst. 328 f. zieht I Petr 2,5 heran: ävEVtyxm m'nJJ.IO'tL~ &oo~ rimQoo6txtO"~ &ap und setzt AoyLx6c; und m'EUJ,IO'tLx6c; gleich. Wir haben offenbar.in Röm 12,1 und I Petr 2,5 tim ,ltiehnt liturgisch-hymnischen Stil vor uns. Zugrunde liegt die Von teilung von einem rechten Priesterdienst und einem offenbarunpgemäßen Opfer, das in der eschatologischen Gemeinde dargebracht wird. Röm 12,1 setzt die Mahnungen von Röm 6,13 fort: das Opfer des Christen besteht in der Hingabe des Leibes zu einem neuen Leben, und nur dies eine Opfer entspricht dem Willen Gottes (= A.oytxil AatQEla). Aoy""" Ä.cnQela und AoyLxiI too(a gehören offenbar in die liturgische Sprache des hellenistischen Judentums, die auch philosophische Motive verarbeitet hat. Vielleicht dachte man schon hier an ein von Gott verordnetes, seinem eigentlichen Willen und dem Wesen des Menschen entsprechendes Geschehen, das dem Menschen einsichtig geworden ist. Die Antithese zum Tieropfer ist durch die Tradition gegeben, die Betonung des Einsichtigwerdens entspricht dem philosophischen Einschlag. Nicht nur das rechtliche, sondern auch das kultische Denken kommt in unserem Briefunter dem eschatologischen Gesichtspunkt zur Entfaltung. Die pau1inische Vonte1lung ist eigenartig und setzt sich von der Hermetik ab. Don ist Gott unauadfÜckbar, und man darfihm nur die ebenso unauuprechliche Verehrung der Gedanken und Gefühle darbringen (AoyLXII tuma). Paulus dagegen geht es um den konkreten und völligen Gehorsam gegen den Anspruch des Evangeliums in der ganz unmystisehen Sphäre des »Leiblichen«.
Sprach V I vom ))Iebendigen Opferce, das der Mensch um der Barmherzigkeit Gottes willen darbringen soll, so setzt V 2 mit dem eschatologischen Gesichtspunkt ein und verdeutlicht das Gegenüber von alter und neuer Weltzeit. Voraussetzung ist, daß mitJesus Christus der neue Äon nahe herbeigekommen ist, daß man sich nach ihm richtet und sich nicht dem vergehenden alten Äon anpaßt. Es scheint so, als habe Paulus auch in V 2 sich an eine feste Terminologie angeschlossen, die zunächst vergeistigt gedacht war l5 , die aber in unserem Zusam15 Die urchristliche -II, EVB 1,51-95. oxiIJ.Ul ist »Haltung, äuße~ Erscheinung«, !WQCP'f) dagegen die .. Existenzweisecc (vgl. Phil 2,6-7). Der paulinische Sprachgebrauch schließt sich an den hellenistischen an, der eine gewisse Diffe~nzie rung von oxiIJ.Ul und ~ zuläßt. OUOXTIlMldtro&m (Ariltot., Plut.) heißt: ..die gleiche Gestalt annehmen, sich anpassen«. Zum sprachlichen Vergleich ilt die christologische »Metamorphose« in Phil 2,'>-11 und Mk 9,2~ heranzuziehen. j.lE'tCIJ&OQCPO'ÜO'6aL steht bei Paulul im Sinn von ~Qt cpmOClI. und j.lE'tQ'YOELV. U Zu j.lE'tQf.IOQcpOOO&CIL vgl. BI-Debr 314;J. BEHM, ThW IV 766; R. REITZENSTEIN, Hell. M Ylt., 3. Auß. 1927,39 ff. 354.357. Zu lcvaxa(v~ vgl.J. BEHM, ThW 111455 f.; vgl. dazu E. SCHWEIZER, Erniedrigung und Erhöhung, 2. Auf). 1962,95 f.; KAsEMANNR 317.
372
Der neue Gottesdienst
stellt. Der angefügte Zwecksatz (d; 't0 = Iva) 19 ist an den letzten Imperativ (J.LE'tatwQCPO'Üa6E) anzuschließen, so daß die Erneuerung des Sinnes dazu dient, die durch das Evangelium aufgegebene Frage nach dem eigentlichen Willen Gottes zu beantworten 20• Wichtig ist für alles »Prüfencc die Unvoreingenommenheit des Urteils und die Möglichkeit, in der konkreten Situation das überlieferte Wort recht anwenden zu können. Die Freiheit des Christenstandes bewährt sich in der Situation der Entscheidung. Jede Gesetzlichkeit im jüdischen Sinn ist damit aufgehoben 21 • Mit der Feststellung des Willens Gottes verbindet Paulus den neuen Gehorsam und die Zustimmung des Glaubenden, ohne sie ausdrücklich zu nennen. Er setzt voraus, daß Erkennen, Wollen und Tun miteinander verbunden sind 22 • Vielleicht ist der Inhalt des Zwecksatzes durch eine vorgegebene Tradition schon festgelegt 23 . Die angefügten drei Adjektiva können als Attribute zu ittA'IJ.UI oder selbständig als Apposition an dieses angefügt sein. Was nach göttlichem Willen gut ist, was Gottes Wohlgefallen hat, und was vollkommen ist (= was Gottes Absicht entspricht)24, soll der Glaubende prüfen und erfragen. Die Vorsicht, mit der Paulus den Willen Gottes bestimmt, fällt in diesem Zusammenhang auf. M. Luther sieht als die eigentliche Aufgabe der christlichen Ethik an, die eigene Klugheit und den Eigensinn auszurotten. Die Veränderung durch Erneuerung wird als »Bet9
81-Debr 402,2.
1°6ox&.t.&6tuv ist die eigendiche Funktion des ~ (daher auch die Autgabe des Pneumatikers nach Paulus!) , so daß der angefügte ZWecUatz zunächst an den 8egrifT6vaxa(~ toV vo6; anzuschließen ist. Schon sehr früh hat es eine feste Taurparänese in folgender Gestalt gqeben: Kinder des Lichtes, Prüfung des Willens Gottes, Absage an die Werke der Finsternis (Eph 5,8 0:). 21 Der jüdische Toralehrer bindet die Erkenntnis des Willens Gottes an die Tora und ihre Auslegung, während der Apostel Paulus die Freiheit des Geistes Gottes darin zum Ausdruck bringt, daß der Glaubende die Ikdeutsamkeit des geschichtlichen Augenblicks erkennt, in dem Gottes Wille ihm aufgegeben ist. Vgl. BIlUNNEIlR. 90: »Darum muß die Erneuerung im Zentrum beginnen, bei der Erkenntnis des göttlichen Willens, wobei Gottes Wille jetzt ganz kmkret zu verstehen ist: das, Wal Gott jetzt, heute und hier von mir will... 23 SalLATTEIl, Gerechtigkeit 334 f; C. J. BJEaKELUNO, Parablö 172 f. 23 V gl. ToaScheq 2,1 : »So tue denn, was recht ist und gut ist in Goues Augen, d.h. Wal gut ist in den Auam Gottes, und Wal recht ist in den Augen der Menschen; das sind Worte des R. Aqiba... Eine ähnliche Tradition findet sich auch in Sap 9,9: »(die Weisheit) ... die weiß, was in deinen Augen wohlgefällig ist, und was recht ist nach deinen Geboten«; vgl. I QS 1,2: »zu tun das Gute und Rechte vor Gou, wie er es befohlen hat ... cc Wir haben hier eine feste FflnfUufJr«1rt der Weisheitslehre vor UDS. 24 Sau.AITEIl, Gerechtigkeit 335 interpretiert "ttAaov auf die Ganzheit und das Ziel Goues hin (..zur Ganzheit Gebrachtes, was nicht im Anfang stecken bleibt und nicht dem Wechsel verfällt, sondern du Ziel erreicht und bleibt«). Wir haben es in dieser Aufzählung der drei Adjektiva mit übernommenen hellenistischen Formeln zu tun (PhiI4,8; vgl. M. Aou:as Index zu v. AIlNIMSStoicorum veterum fragmenta IV 2 f.; W lrya&Ov ~OY I 127,8; "tO ~ Qyat6v 11 I 20,20). Paulus benutzt die Nüchternheit der philoeophischen Ausdrucksweise zur Auseinandenetzung mit den bellenistischen Chariamatikern. Der Wille Gottes ist immer exakt (- genau) und konkret (dem Menschen perlÖnlich zupprochen und in eine bestimmte Situation hineingestellt). Er hat unprünglich mit der Weglehre und dem Wandel im Licht zu tun (Taufparäneae). Das ethische Gebiet ist einbezogen, aber der Wille Gottes ist weiter als das ethische Gebiet. Das Gebiet des ItHumanum« (Popularphiloeophie) ist nicht unwichtig, aber die Umwandlung des Denkena (Taufparänese) vollzieht sich als Neuschöpfung Gottes. »Man traut dem Geist zu, daß er jedem und allen das Nötige und Richtige aufdeckt« (KAsEMANNR 313).
Röm 12,3-8
373
wegung vom Guten zum Besserencc geschildert (Beispiel des Kranken, der auf dem Weg der Genesung ist; des Baumes, der grünt und blüht, aber nun auch Frucht bringt; aristotelische Lehre von den Stufen des Seins). M. Luther kommt alles auf die geschichtlich sich vollziehende Btwtpng an, und er weist dabei aufRöm 8,14 zurück (= vom Geist getrieben werden). Christen sind ihm Menschen von biegsamem Sinn und Urteil. »Die Rechte Gottes führt sie wunderbar, nicht dahin, wohin sie wollen und denken, sondern über alles Ventehen. Daher sieht der Wille Gottes, wenn sie geführt werden, wider sie hart und mißfällig, ja ganz und gar verzweifelt auscc (E. Ellwein 431 ). Der Glaube schickt sich in harter Prüfung in den Willen Gottes, während die Ungläubigen den Rat Gottes nicht ertragen; darum prüfen sie nicht, welches da sei der gute Wille Gottes, sondern sie stellen sich dieser Welt gleich und bauen allein auf das, was sie fühlen und erfilhren. »Allein der Glaube nämlich bildet den Sinn um und führt uns dahin, daß wir Gottes Willen erkennen« (E. Ellwein 432). M. Luther interpretiert also den Willen Gottes durch das Kreuz Christi und nimmt die Erneuerung des Sinnes als Umdenken besonden ernst. Röm 12,3-8: Der Dienst der Gnadengaben
350 -ce ich auf Gnmd der mir ftI'IieheDen Gaade jedem eiazelDen UDter euch, nicht in .einem Denken über du hinaq . . . .ben, Wal er cIeakea darf, lOIIdem zu cIeakeo ia der Abeicht, beIoaDea zu bleiben, einjeder 10, wie ihm Gouda Mal cIee G ....beaa zupteilt hat. 4 Dema peich wie wir in einem Leibe viele GHeder t.ben, weDD auch nicht alle Glieder dietelbe VerrichtuJII Ubea, '10 liDd wir in UD8eI"eI' Vielheit ein Leib in CIuUtua, wenn wir ..... auch a1a Ehnelae zueiuader verbalten wie Glieder. 6Wir hüea aber venchiecIeDe G........pbea pmä8 der UD8 ppbeDeD GIIIIde, 10 etwa du propbetUche Wort: a pKhebe in 'Obereiutimm.... mit dem Glauben; 7 oder etwa Dienat an den Armen, dann pechehe er im rechten GeUt da Dieuta; Iei a, cIa8 einer lehrt, 10 halte er fat UD Lehramt; I Iei a, cIa8 eiDer Zuapruch zu pbea hat, lO,.er ihnJ Gibtj"""ncI aualeiDem Beeitz, der tue a in Einfalt! Steht j"""ncI in der FünorJe, der tue pa mit Eifer! Vbt einer Bumhenipeit, der tue a mit Freudipeit!
Ana!1se: Mit Röm 12,3-8 setzt eine unmittelbare Mahnung an dieCluJrisrnatikn ein. Wir haben also keinen selbstverständlichen übergang zwischen V 1-2 und V 3-8 vor uns, sondern lediglich ein bestimmtes Beispiel rur die Notwendigkeit der ))Erneuerung des Sinnes«l. Daß kein glatter übergang von V 2 zu V 3 besteht, erkennt man an der feierlichen Einleitung von V 3, die ausdrücklich auf das apostolische Lehramt Bezug nimmt. V 4--5 verstärkt die wichtige Mahnung von V 3 durch ein Bild, das zum Gleichnis 1Kor 12,12 ff. eine Verbindung hat. In V 6-8 schließt sich eine Aufzählung der Gnadengaben an, die wie V 3-5 auf das Motiv der Selbstbeschränkung ausgerichtet ist 2 • Es scheint so, als werde die paulinische Paränese in V 6-8 ganz konkret und besage, in welche Richtung 1 Vgl. SANDAy-HEADLAMR 355. BAIlRETTR 235. Der ganz~ folgcnd~ Abschnitt ist gegen den Enthusiasmul gcricht~t. Enthusiastisch istjed~ Betrachtungsweise, di~ di~ Seele des MenlCh~n erh~bt, ohne die G~bundenh~it auch des Glaubenden an die altt Weltteit ernst zu n~hmen. 2 Vgl. SCHLAT1l:Jl, G~rechtigk~it 336 f.: .. Di~ Gefahr, der sich Paulus widersettt, entsteht aus der verführerischen Kraft dei Gleichheitsideales.Jed~r will da.aelbe sein und tun wi~ die anderen; k~in~r will weniger gläubig sein als der andere.ce Es geht jedoch um den Versuch, sich das Charisma des an aufgelöst werden, ist daher von ttAtQLOEV abhängig. ~LOEV-~ ist Alliteration, die auch sonst bei Paulus vorkommt (2Kor 10,13); GOlt teilt dem Menschen ein bestimmtes »Maß« (:'Ill;)) zu. Der Begriffdes »Maßesc( umfaßt die Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit der Gnadengabeni. Schon dasjudentum spricht davon, daß der heilige Geist nach verschiedenem Maß oder Gewicht gegeben wird 9 • So hat auch Paulus in der Auseinandersetzung mit den Schwännern sich immer wieder darauf berufen, daß dem Glaubenden ein bestimmtes »Maß« gegeben sei, nach dem er sich auszurichten habe (2Kor 10,13; Eph 4,7). Der Begriffdes »Maßes« schließt die Beschränkung dem anderen gegenüber ein. In dieser Zuweisung (J.LEQ(tELV) liegt ein Akt der Gnade, aber auch ein bestimmter Auftrag. f,LftQOV XtatE~ ist ebenso zu verstehen wie f,LftQOV XclQLtoc;10; Die Grenze in der Geistbcgabung ist durch den Glauben erkennbar; der Glaube bejaht die Begrenzung, die dem Geist gesetzt ist. Die Verschiedenheit der Geistesgaben ist durch die An des Glaubens gegeben und bestimmt. Wenn Paulus von ~ x(O't~ spricht, mahnt er zur kritischen Selbstbesinnung, die es venneidet, die eigene Gabe falsch einzuschätzen und über sie hinaus sich etwas anzumaßen (Röm 12,6; 14,23b)11. V" f.: Paulus geht anschließend, um den Begriff »Maß des Glaubens« zu klären, auf den hellenistischen Bildstoff vom »Leibcc und den »Gliedern« ein; er bringt s0wohl die Mannigfaltigkeit wie auch die Zusammengehörigkeit der Gnadengaben zum Ausdruck 12 • Im Bilds toff fällt die Hinzufügung von xllvta auf. Die Glieder bilden ein Ganzes, wie auch die Charismatiker »in Christus« ein Ganzes bilden. • Vgl. K. DEISSNER, ThW IV 637; KAsEMANNR 320. 'Vgl. Str-B 11 431. Paulus hat oß'enbar eine auch imJudentum bekannte Sentenz vor Augen, die auch IOnst bezeugt ist. IOJe nach der Exegese wird der Genitiv bestimmt: "ein im Glauben bestehendes Maß oder Maßstabte (Gen. appos.) oder »ein Maß an Glauben« (Gm. part.). Es ist beachtlich, daß Paulus ziemlich unvermittelt vom IAhP nWuWt; miet und nicht vom j.&ttp nveu~ oder j.&ttQOY x6Q\~, was in diesem Zusammenhang doch näher ~legm hätte. Es handelt sich nicht 10 sehr um den reduferti~nden oder charismatischen Glauben. als vielmehr um dir Teilhabe am Leib des Christus, diedurch den Glauben gegeben ist. Es ist sehr bezeichnend. daß Paulua in der Auseinandersetzung mit den Pneumatikern auf diesen Glauben, der eine beschränkende und kritische Bedeutung dem Menschen gegenüber entfal tet, zurückweisL Zu j.&ttQOY n~ bietet Röm 12,6: xenta Tiav ~ Tii~ xl· auWt; eine beachdiche Parallele (vgl. auch Röm 14.23b). Die beste Erläuterung findet sich in Eph 4,7: M bt txcimtp "'f'ÖJV tb66Y) '" X~~ xenta tb j&ttQOY t'it~ bwQ~ tOÜ XQ~. 11 PALUsR 134 denkt bei j.&ttp n(m~ an einen passivischen Sinn: das Maß deueD, was uns von Gott anvertraut isL Vgl. IPetr 4.\0 als Nachwirkung der gleichen paränetischen Tradition. 12 In I Kor 12,12 0: beginnt Paulua mit dem gleichen xaOcmt()y6Q. Du Bild des "Leibes. ist eine Vontufe rur den Bildatoff .. Leib Christi. (BAUEITR 236).
376
Christus ist hier der in seinem Leibe gegenwärtige Herr, in den jeder einzelne Glaubende eingeglieden ist 13 • Das Motiv des OOIA4 ist durch eine gegebene thec> logische Vontellung vom CJCÖI.UI XQunoü geprägt, wird aber hier durch das Bild von der Vielheit der tdA'1 und der Einheit des CJli)1A4 ausgelegt. 01 xoUo( ist ähnlich wie in Röm 5,15.19 semitisch und entspricht hier einem "'I...d~ n;civt~ (»wir in unserer Gesamtheitce) . Aus xait' fva (1 Kor 14,31; Eph 5,33) ist das indeklinable xait' EI; entstanden, das han klingt 14. Wir haben ein allegorisierendes Gleichnis vor uns, das zwei ,Tendenzen hat, die Paulus wichtig sind: a) die Glieder haben nicht alle die gleiche Funktion, b} sie sind aber untereinander zum gegenseitigen Dienst verpflichtet. Die Venchiedenheit des Dienstes muß ebenso anerkannt werden wie das Mit- und Füreinander-Sein; heides ist nur möglich unter der Voraussetzung der vorgegebenen Einheit. Du 0ÖlJIa XQunoü beschreibt allerdings eine soziologisch und organisch verstandene Einheit. Aber außerdem umfaßt es die durch die Charismen wirksame Gegenwan des gekreuzigten und erhöhten Herrn. Es dient dem Aufeinander-Gewiesen-Sein von Mensch zu Mensch. V 6: Mit fIovt~ beginnt ein neuer, ungewöhnlich konstruiener Satz; das weiterleitende 6t verbietet, dies Panizip attributiv an das Vorangehende anzuschließen. Daher venritt es den Indikativ fIOf.II:V. Paulus legt nun das Gleichnis vom Leib und den Gliedern für die konkrete Situation der Gemeinde und der Charismatiker aus. Der Begriff xllQwl.&a, der im allgemeinen Sinn (konkreter Ausdruck der Gnade) schon öfter in unserem Brief verwandt wurde 15 , wird ent an unserer Stelle im Sinn des Dienstes und der Vollmacht des Geistträgen gebraucht. Alle Charismen entstammen dem lebendigen Won und bleiben auch mit dem Vollzug der Verkündigung verbunden. Paulus nennt eine Reihe von Charismen, die allerdings kürzer ist als die von 1Kor 12,8-11, ohne daß er in seiner Anordnung an ein bestimmtes Schema gebunden wäre. Er vermeidet jedenfalls eine hierarchische oder gesetzliche Ordnung, die in charismatischen Kreisen hätte mißbraucht werden können 16. So entstehen 7 Beispiele, von denen 4mit d'tE eingefühn werden, während die 3 letzten asyndetisch nebeneinanderstehen l7 • Der Stil unserer Aufzählung ist stark verkürzt; er hat seine Parallelen in U Dem xattauQ in V 4, du die BiIdhälfte einleitet, entapricht in V 5 das 06t~ du die Sachhälfte einfühn. Beide Teile des Gleichni.ues lind zweizeiljg und weiten auf einen bestimmten Rhythmus hin. In der BiId- und in der Sachhälfte tritt du .. Wir. in einem ganz bestimmten Stilltark hervor (fxoI&ev, t.cJt&tv). Bild und Sache gehen ltark ineinander über: der Christ ilt in du CJÖ)t.&Q XQt,cnoü, du mit dem Christus ident.iac:h ist, eingegliedert. Der Leib des Chriltus tch1ie8t du Eiagqliederuein in Christus (tv XQump) ein; beide VonteUungcn bedingen sich gegenseitig (I Kor 12,13). VgL zum Ganzen E. KAsEWANN. Leib und LeibChriati, 1933; KAsEWANNR323 f.; BAUETTR 236 f. •• Vgl. Bl-Debr 305; L RADUWACHD, 2. AuS. 1925, 71. .. Riim 1.11; 5,15 f.; 6,23; 11.29. •• Ea ist bezeichnend für Paulut, daß der Begrifrx6Qt.opa nicht an ein Amtabewu8C1ein oder an eine InIlitution denkt, sondern an eine Manifestation des Geiltet, an eine Glicdlchaft in der Gemeinde und an eine VerantwortunsvorChriatus. Der Bepiffumlchreibt mehr du Gemeinte. alt daß er seinen Sinn umf.utend danteUt. Vgl. ThW IX 3938".; vor aUem KAsENANNR 324, der du Pr0blem \IOD der Differenzierung, alto vom Einzelnen aUI an~t. 17 Au&ählqen mit dn &nden lich bei Paulul in IKor 10,31; 13,8; 2Kor 8,23; auBerhalb des Neum Testamenll in Plato Apol. Socr. 23 p. 35A; Maximua Tyr. philOll. 1,7.
Röm 12,3-8
377
der Diatribe (auch beiJosephus!). Umstritten ist die Frage, ob die Nachsätze indikativisch oder imperativisch ergänzt werden müssen. Paulus hat aber nicht eine Beschreibung geben wollen, wie die Gnadengaben sich auswirken, sondern eine Anweisung, wie man sie ausüben soll: » ••• der weissage nach dem Maßstab des Glaubens« bzw. »der Lehrende soll sich aufsein Lehramt beschränken, soll sich in seinem Lehramt betätigen«. Unausgesprochen bleibt der Gedanke: jede Gnadengabe will als solche ernst genommen werden, und der Charismatiker soll darauf achten, daß er sie recht anwendet 18• Es fällt auf, daß Paulus in der AufZählung der Charismen die eigentlich ekstatischen Elemente nicht erwähnt und dafür das prophetische Wort voranstellt 19• Der Begriff"'QOtin Entsprechung, in Proportion, in Obereinstimmung mit dem Glauben« (Plato Polit. 257B; Tim. Loa. 3, p. 95; Eplkur Epiat.117; Philovin. 95). Die Peschitta übersetzt ~ und l.rva).oy(a mit dem gleichen lyrischen Won. Zur Auslegungsgeschichtr vgl. das Material bei C. E. B. CIlANFIELD, Commentary 30; GAUGLEJ.R 11 243 (..nicht hinzufügen, nicht bereichern«). 20·Vgl. Plato Polit.257B; Tim. Loa. 3 p. 95b; Epikur Epist. I 17.
378
Der Dienst der Gnadengaben
nicht an eine theologische Abweichung des Charismatiken, sondern an die schwärmerische überschreitung der Grenzen, die mit der Gnadengabe gegeben waren. Paulus will das CJlI)(JIQOYäv des Glaubens einschalten, das den Besitz der Gnadengabe gesund erhält. Das Motiv der ilvaAoyta ~ nUn~ hat hellenistischen Klang, während J,LttQOV n(O't~ in Röm 12,3 dem jüdiach-pa1ästinischen Denken näher steht.
V 7: ÖLaxov(a als weiteres Glied der Gnadengaben bezieht sich entweder auf allgemeine Dienste innerhalb der Gemeinde (Röm 16,1; I Kor 12,5; 16,15) oder auf die Versorgung der Gemeindeglieder in ihren jeweiligen Bedürfnissen (z.B. bei der Tischmahlzeit Apg 6,1 f. oder bei der Versorgung der Schwachen und Annen Röm 15,25.31; 2Kor8,4). Eigentlich ist jede Gnadengabe ))Dienstcc, aber es gibt neben dem prophetischen Wort eine spezifische Diakonie. Auch sie hat Anteil an der Wonverkündigung (Apg 6,4), vielleicht in Lehre und Unterricht, wie die Stellung zwischen ltQOCPYl'tECa und ÖLbaaxa).(a nahelegt21. In der Anordnung der Charismen liegt eine Hervorhebung von prophetischem Wort und Diakonie, wie die Satzkonstruktion beweist. Es folgen zwei weitere Glieder, die stilistisch enger miteinander verbunden sind: ÖLÖaaxa>J:a und ltaQ«xA.'I~22. Das Lehramt findet sich auch in I Kor 12,29 nach Nennung der Apostel und Propheten und weist auf die Bewahrung der geschichtlichen und paränetischen Traditionen hin, die mit der Verkündigung verbunden sind. ltaQl&xA.'IaL~ als Zuspruch gehört ebenfalls zur Mahnrede und zum Unterricht. Die ltCpQOVELV (V 3.16). Was hier bestimmten Menschen aufgetragen wird, ist eigentlich eine Aufgabe, die jedem Christen gestellt ist, ein Glaubensakt, in dem sich das Christsein als solches bewährt. Dadurch wird der Kreis der Charismatiker geradezu gesprengt; die Gnadengabe wird zu einer Äußerung des Glaubens im Verkehr zwischen Mensch und Mensch innerhalb der Gemeinde. V 8b ist also überleitung zum folgenden Abschnitt V ~21. Selbstverständlich steht dieser Zusammenhang V 8b in einer breiten paränetischen Oberlitjmmg. J!E'taöL66vw. ist ))Anteilgeben« am Besitz (Prov 11,26; Eph 4,28); ein entsprechender Imperativ ist zu ergänzen (f1E't4IÖLÖOtOO). Wer einem anderen Anteil an Nahrung oder Kleidung gibt, tue es nin Einfalt«, d.h. ohne Hintergedanken, in Selbsdosigkeit24 • Das Motiv des ))einfältigen GebeOS« hat eine verbreitete Tradition. xoo(enaaftaL kann zweierlei bedeuten: »)({er Gemeinde vorstehen« (M. Luther: »wer regieret«) oder: )sich um jemand kümmern, für jemand sorgen« (= procurare)25. Zwischen J.LE'taÖLÖoU~ und aE6Jv wirkt xQOLenaf.1EV~ isoliert, wenn man an der ersten Deutung festhält. Bei der zweiten Deutung könnte man geradezu an ein Patronat für Schutzlose denken (Witwen, Waisen, Sklaven, Fremde); sie würde dann besonders gut für die römischen Verhältnisse passen16• 6 tA.EWv erinnen an den Sprachgebrauch von tA.E1}J.LOV 6yLwv )('()l.v(OVO'ÜVt~ - 'ritv cpllo!;EVLaV öui>XOV't~. Paulus denkt an die Unterstützung nodeidender und an die Gastfreundschaft für zu reisende Brüder. aL XQELm bezeichnet die jeweiligen Bedürfhisse und Notstände21 , während at j.1VELal. zunächst nichts anderes als das ))Gedenken« an den Notstand im Auge hat. Man hat an die Kollekte in Jerusalem gedacht (ot llyl.ol. = die Glieder der palästinischen U rgemeinde 22 ), auch an die besondere Nodage der Verfolgten, die deshalb der brüderlichen Hilfe bedürfen. Jedenfalls ist der enge Anschluß an die Mahnung zur cp~EV(a zu berücksichtigen: die Gemeinde ist aufgerufen, brüderliche Notstände zu beseitigen. So ist die LA 'taL~ XQE(al.~ vorzuziehen. Die Mahnung zur Gastfreundschaft steht in einer breiten urchrisdichen Tradition (Hebr 13,1) und zeugt ebenfalls für konkrete Bruderliebe. öuoxav muß im Sinn des hebr. '1'" verstanden werden und bezeichnet den Eifer in der Ausübung. Die christliche Gemeinde empfand sich selbst als eine große Familie innerhalb einer ihr fremden Welt und bewies daher durch die Ausübung der Gastfreundschaft ihre enge Zusammengehörigkeit. Die Frage nach der Grenze dieser Gastfreundschaft (Christen oder Nichtchristen) ist hier nicht gestellt. V 14 steht aufsich allein, erhält aber in V 17-21 eine Fortführung. Wir haben einen Dopptls;ruch vor uns, der in den beiden Hälftenjedesmal mit eUAoyEL'tE beginnt. Es handelt sich also um eine Anweisung zum »SegnnllXELV mit V 13 verbunden ist. Eine gewisse Ähnlichkeit mit einem synoptischenJesuswort (Lk 6,28; Mt 5,44) ist unverkennbar 23 • Wir haben eine gen aue Wiedergabe oder eine targumartige Paraphrase des Jesuswortes vor uns. Diese Anweisung zum )Segnenc< der Feinde richtet sich vor allem gegen die synagogale Sitte, gegen den Gegner Fluchworte auszusprechen 24 • Die Anweisung zur »Lie19 ZnR 550; SANDAY-HEADLAMR 362. 200rig. lat. 7,315 (memini in Latinis exemplaribus magis haberi ,memoriis.) hält beide Lesarten für möglich. Die griechisch venaßten Acta Pionii zeigen die Verbreitung der LA ta~ J.&VElaa.; an (c. I). Auch Theod. Mopev. kenn t einige Handschriften, die sich für die LA ~ J.&vt:laa.; einsetzen. Der Venauer der Acta Pionii dachte dabei an Gedächtnisfeiern zur Erinnerung an die Märtyrer. Diese Auffiusung läßt sich auch bei Seduli us Scotus später venolgen. P ALLIsR 139 entscheidet sich für die LA ta~ J.&VElaa.; und denkt an Sammlungen zur Unterstützung der Heiligen bei den Mahlzeiten. 21 Apg 2,45; 6,3; 20,34; 28,10; Phil 2,25; 4,16.19. 22 IKor 16,1.15; 2Kor 8,4; Röm 15,25. 2J DasJesuswort, aufdas Paulus Bezug nimmt, ist nicht als Zitat gekennzeichnet (vgl. V 21). Entscheidend ist die Weitergabe der Tradition in der Autorität des Geistes Gottes, die schon früh eingesetzt haben muß (B. GEItHAIlDSSON, E. E. ELLIS). Das Wort ist offenbar zur festen katechetischen überlieferung geworden, die als lOlche Autorität besitzt. DieseJesusworte der Paulusbriefe beziehen sich vor allem auf konkrete Lehrentscheidungen und ethische Anweisungen (Halachot). 24 ..Segnen« bedeutet: in leierlichen, oft feststehenden Worten Heil erbitten und mitteilen, während das »Fluchen .. Unheil erfleht und heraufführt. Im Hebräischen bezeichnet ~: Gott anrufen. segnen und fluchen. Segnen und Fluchen gehören durchaus in die alttestamentliche Frömmigkeit, wie auch Segen und Fluch nach dem Alten Testament das Schicksal des Menschen bestimmen können. Zur überwindung des Fluches vgl. auchjak 3,9 f[: der Lobpreis Gones schließt das Fluchwort über den Menschen aus. Eine weitere Paraphrase der urchristlichen Anweisung zum Segnen verbirgt
Röm 12,9-21
387
be« (V 9) wird also ausdrücklich zut Einschärfung der Feindesliebe; sie macht an den Grenzen der christlichen Gemeinde nicht Halt, sondern umfaßt auch die Außenstehenden (ol f;ro), ja sogar die Widerstrebenden und die Verfolger25. V 15 und 16 beziehen sich wieder auf das Verhältnis der Gemeindeglieder untereinander; die beiden Verse sind ganz verschieden stilistisch konstruiert und gehören ursprünglich wohl nicht zusammen. V 15 besteht aus zwei einander entsprechenden Infinitiven, die auf verschiedene Situationen Rücksicht nehmen z6 . V 16 ist dagegen aus drei selbständigen Mahnungen im Partizipialstil zusammengesetzt, die durch das Stichwort cwovEiv (bzw. cpQ6vLJAOV dvaL) zusammengehalten werden. Offenbar hat das Mittelglied, das negativ und positiv entfaltet wird, ein bestimmtes Gewicht und treibt den ganzen Zusammenhang in eine bestimmte Richtung. V 15 klingt sentenzartig und verlangt von jedem Gemeindeglied, daß es sich in der Bruderliebe auf den anderen einstellt; V 16 dagegen nimmt Rücksicht auf eine ganz bestimmte Schwierigkeit im Gemeindeleben: die Eintracht des Glaubens und die Gemeinschaft untereinander sind durch das Selbstbewußtsein der Pneumatiker gefährdet, so daß die Bruderliebe aufgerufen werden muß. Die jüdischen Parallelen zu V 15: Sir 7,34 und Derech erez 6 warnen davor, daß sich der Mensch dem Anspruch des Mitmenschen entzieht, während Paulus über die Warnung hinausgeht und eine entsprechende Einstellung des Bruders auf den Bruder verlangtz7. Dabei stellt er das •• Sichfreuen« voran, denn das •• Sichfreuen« ist das Schwierigere (ChryS.)Z8. Äußerlich erinnert V 16a mit seinem Stichwort q>QOVEiv an den Zusammenhang von V 3 (q>QOVEiv). Die Mahnung, auf das Gleiche gesinnt zu sein, kehrt bei Paulus öfter wieder29. Man könnte V 16 als Fortsetzung von V 15 auffassen, so daß auch weiterhin an ein sich in I Kor 4, 12; 1Petr 2,23. Wir haben es hier mit festem Traditionsgut zu tun. Zum Ganzen vgl. W. ScHENK, Der Segen im Neuen Testament, 1967, 74-80. 2S Stark verbreitet ist die Hinzufl.igung von iJ~ nach buj)XovtClli (. A1Gutencc erziehen soll, geht die Diatribe in V 3b-4b zur persönlichen Anrede in die 2. Pers. Sing. über (Ml.E~, ltOLEL, f;EL~ usw.). In dieser paränetischen Form liegt eine besondere Eindringlichkeit. V 5 wiederholt den Befehl der Unterordnung (ultotaoc:rtaDro V 1), verschärft ihn aber durch den Begriff des ))Gewissenscc, der in V 2-4 vorbereitet ist. V 5 bestimmt sowohl den Beweis für den göttlichen Dienst, den die Obrigkeit leistet (V 6), als auch den/mpnGtiv, der diesem Beweis zugeordnet ist (V 7). Der Imperativ geht über den vorangehenden Vers hinaus, weil er nicht nur von den Steuern, sondern auch von der Furcht und von der Ehrerbietung spricht. Wichtig ist vielleicht auch, daß in V 6 der Begriff des [)Laxovoc; durch den des AELtouQY6s ersetzt wird (V I: t;ouota, V 4: [)LclXOVoc;, V 6: AELtouQY6s): da der letzte Begriffeine gewisse Feierlichkeit in sich schließt, ist dieser übergang auch eine Art Steigerung. Das Schwergewicht der ganzen Einlage liegt auf den Vtrsnz I und 5. Der ganze Abschnitt spricht im Stil der jüdischen Weisheitslehre und wendet sich 1 Zur Literatur über Röm 13,1-7: H. ScHLIER. Mächte und Gewalten im Neuen Testament, ThBI 9, 1930.289 0:; den., Die Bedeutung des Staates im Neuen Testament, ZZ 10, 1932, 3126".; E. STAUFFER, Gott und Kaiser im Neuen Testament, 1935; G. DEHN, Engel und Obrigkeit, Theo!. Aufs. für K. BAlllll, 1936. 90 6".; K. L. ScHMIDT, Das Gegenüber von Kirche und Staat in der Gemeinde dea Neuen Testaments. ThB116. 1937; K. BAIllll. Rechtfenigungund Recht. 1938;G. KITIEL, Christus und Imperator, 1939; O. EcK, Urgemeinde und Imperium, BFchrTh 42, 1940; M. DIBELIUS, Rom und die Christen im ersten Jahrhunden, Sitzgsber. Heid. M. phi!. hist. K!. 1941/42; O. CULLMANN. Christus und die Zeit, 1946;J. KOCH-MEHIlIN, Die Stellung des Christen zum Staat naeh Röm 13 und ApkJoh 13, EvTh 7,1947-48,378-401; W. ScHWElTZEll, Die Herrschaft Christi und der Staat im Neuen Testament, 1948; H. V. CAMPENHAUSEN, Zur Auslegung von Röm 13: Die dämonistische Deutung des ~(a-Begriffes, Festschrift für A. 8ertholet, 1950. 97 IT.; E. GAUGLEIl, Der Christ und die staatlichen Gewalten nach dem Neuen Testament, Intern. lUrchI. Zeitschr. 1950, 133-153; O. CULLMANN, Zurneuesten Diskussion über die l;oumQL in Röm 13,1, ThZ 10, 1954,321-337; O. Kuss. Paulus und die staatliche Gewalt, Theol. u. Glaube 45, 1955, 321-394; E. KAsEMANN. Röm 13,1-7 in unserer Generation, ZThK 56, 1959,316-376; ders., Grundsätzliches zur Interpretation von Röm 13, EVB 2,204-222; A. STROBEL, Zum Verständnis von Röm 13, ZNW 47, 1956,67-93; den., Furcht, wem Furcht gebühn. Zum profangriechischen Hintergrund von Röm 13,7, ZNW 55, 1964,58-62; C. MOllIlISON, The Powers that be, 1960; O. CULLMANN, Der Staat im NT, 2. AuO. 1961; E. BARNIKOL, Röm 13, Festschrift f. E. Klostermann, 1961,65-113; G. DELLING, Röm 13,1-7 innerhalb der Briefe des NT, 1962;J. KOSNETIER. Röm 13,1-7. Zeitbedingte Vorsichtsmaßregel oder grundsätzliche EinsteUung, Stud. Paul. Congr. 1,347-355; F. NEUGEBAUEIl, Zur Auslegung von Röm 13,1-7. KuD 8, 1962, 151-172; R. WALKER. Studie zu Röm 13,1-7, ThExheute NF 132,1966; W. ScHRAGE, Die Christen und der Staat nach dem NT, 1971;J. FRiEDIlICH, W. POHLMANN, P. STUHLMACHER. Zur historischen Situation und Intention von ROm 13,1-7, ZThK 73,1976,1316". L. GoPPELT, Die Freiheit zur Kaisersteuer, Ekklesia und Res publica, 1961,40-50.
Röm 13,1-7
395
daher ausdrücklich an das kritische Uneilsvermögen des Lesers (den voü;). Vorausgesetzt ist die rationale Einsichtigkeit des göttlichen Handelns und der Ordnungen Gottes. Paulus geht von einer schöpfungsmäßigen Setzung aus, weist aber dann auf eine dem Menschen zugewandte Bestimmung dieser Setzung hin. Für den Apostel hat jedes schöpfungsgemäße Geschehen seinen teleologischen Bezug. Diese beiden Motive der schöpfungsmäßigen Setzung und ihres von Gott gewollten Sinnes sind eng miteinander verbunden. Entsprechend wechseln in dieser Einlage Thesen und Anordnung. Die Gedankenftihrung der Einlage entfaltet sich nach verschiedenen Richtungen auf Grund der These V 1, entwickelt sich aber doch zielstrebig auf den Abschluß V 7 hin. AUfSc/daggebmd bleibt V I, und auch die Wiederholung des Befehles von V 1 in V 5 ist für die logische Folge des Abschnittes bedeutungsvoll. Wie auch sonst sind Logik und Komposition des Paulus bzw. der ihm vorgegebenen Tradition Iwnstvoll. Exkurs Zur EigtrllD't der T,tuiiliotl Riim 13,1-7
Man hat versucht, den Zusammenhang von Röm 12,19 ()micht vergeltencc) mit Röm 13,1-7 hervorzuheben: Gott hat die Obrigkeit eingesetzt, um die persönliche Vergeltung zu verhindern (Sanday-Headlam R 366; Lagr R 3(0). Oder man hat auf den Zusammenhang von Röm 12,21 mit unserem Abschnitt hingewiesen: Die Ordnung der kommenden Welt zerbricht die Ordnungen des menschlichen GemeinachafWebens nicht (Banh R 460). Wahrscheinlicher ist die Verbindung von 12,21 mit dem Wissen um den Kampf gegen das Böse (13,4). Die Selbständigkeit der Paränese Röm 13,1-7 läßt eine andere Oberleitung nicht zu. Es ist bezeichnend, daß wir es in Röm 12,9 ff. und 13,8 ff. mit der Einschärfung der Liebe zu tun haben und daß in der Einlage Röm 13,1-7 serade dieser Klang fehlt. Im Verhältnis zur Obrigkeit geht es um den Gehorsam, den der Christ zu leisten schuldig ist. Es wäre also nicht ganz ausgeschlossen, daß ein nicht ausgesprochenes Motiv von 12,21 zu 13,1-7 hinüberläuft. Auflehnung gegen die Träger obrigkeitlicher Gewalt verführt leicht dazu, das Böse nicht zu besiegen, sondern zu vermehren. Entscheidend ist die Beobachtung, daß der Zusammenhang 13,1-7 sich an Christen wendet, deren Verhältnis zu Trägern der Gewalt geregelt werden soll; es handelt sich also nicht in erster linie um eine Darstellung der Würde des Staates mit Hilfe naturrechtlicher oder geschichtstheologischer Begriffe und Vorstellungen. Die übergeordnete Tatsache, daß der Christ zur eschatologischen Verwandlung des Sinnes aufgerufen wurde, darfnicht außer ach t gelassen werden (12,2). Dieser eschatologische Aufruf trägt den ganzen Zusammenhang der Paränese und verwandelt sich nicht unter der Hand in eine grundsätzliche Unterordnung unter eine metaphysische Seins- oder Gesellschaftsordnung. »Denn christlicher Gehorsam ist niemals metaphysische Notwendigkeit, weil er dann Antwon auf ein Naturgesetz statt dankbare Bewahrung und Bewährung der Gnade wärecc (E. Käsemann, ZThK 56 (1959) 345). Auch darfder kritische Vorbehalt Apg 5,29: »Man muß Gott gehorchen, nicht den Menschen« nicht außer acht gelassen werden, denn er bleibt das kritische Maß der urchristlichen Gemeinde. Man wird also Röm 13,1-7 nicht als die ausschließliche und ausreichende neutestamentliche »Staatslehrecc betrachten dürfen, sondern als eine aus gegebenem historischen Anlaß im Stil der jüdischen Weisheitslehre weitergegebene, apodiktisch und vorbehaltlos klingende apostolische Paränese anzusehen haben.
396
l>eT Gehonam gegen die Träger der Gewalt
Man wird daraufhinweisen müssen, daß jede spezifische EinsteUung in dieser Paränese fehlt und daß wir es mit einer vorgeformten Tradition zu tun haben, deren Elemente im Alten Testament und im Frühjudentum vorgebildet sind (Str-B III 303 ff.). »Jeder Mensch« untenteht dieser göttlichen Setzung, deren Anspruch offenbar durch die Vernunft einsichtig gemacht werden kann (6LO'tayf) = Anordnung). Der Bereich »dieser Ordnung« reicht also auch in die Gegenwart hinein und ist durch den neuen Äon keineswegs aufgehoben. In ihm meldet sich der Gott der Anordnung, des Rechts, der gebietenden Autorität an. Ordnung, Recht, gebietende Autoritäten können auch von der christlichen Gemeinde anerkannt werden, nicht anden als es von jedem anderen Glied des römischen Imperiums geschieht. Dj~ Vertreter der staatlichen Macht haben von Gott her das Recht, den Willen des Staates zu vollziehen; in diesem Sinn sind sie 6Lll~ und A.€L't0UQ"fÖC; hoü; die feierlich und autoritativ klingenden Genitiv-Verbindungen sind sicherlich bcsonden betont, haben aber schwerlich kultische Bedeutung. Denkform und Stil dieser Weisheitslehre sind nicht ohne weiteres eschatologisch. Der Abstand zwischen der christlichen Gemeinde, die sich im Gehonam der Ordnung des schaffenden Gottes ein- und unterordnet, und den heidnischen Amtsträgern, die durch das Wort der Weisheitalehre gedeckt werden, darfnicht verkannt werden. Es handelt sich also um einen Gehonam, der trotz des Abstandes zwischen Gemeinde und Amtsträger willig aufgebracht werden IOU. Der Kampf gegen das Böse, zu dem die Gemeinde aufgerufen wurde, widerspricht diesem Gehonam nicht. Wie verhält sich Köm 13,1-1 zur Themastellung von Röm 12,1-2? Daß Köm 13,1-1 dem eigentlichen Thema Köm 12,1-2 untergeordnet ist, steht außer Frage. Die exegetische Schwierigkeit besteht darin, daß Köm 12,1-2 von dem »SichnichtgleichsteUen« und von der »Erneuerung des Sinns« redet, während Köm 13,1-1 diesen eschatologischen Vorbehalt scheinbar nicht kennt und die Gefahr in sich trägt, als »Weisheitslehre« im WItfHItIIllisc,"" Si",. mißventanden zu werden. Wird nicht der in Köm 13,1-1 geforderte Gehonam gegen die Obrigkeit zu einer gefährlichen Angleichung an diese Weltzeit, wie sie in Köm 12,1-2 gerade untersagt wird? Von dieser Voraussetzung aus venuchte K. Barth die christliche Freiheit jenseits von Reaktion und Revolution aufzurufen: »Es gibt keine energischere Unterhöhlung des Bestehenden als das hier empfohlene sang- und klangund iIIusionalose GeJtenlauen des Bestehenden« (a.a.O. S. 461). Allerdings wird es richtiger sein, das Motiv der eschatologischen Gerechtigkeit nicht aus dem Blickpunkt zu verlieren: Die Gemeinde 1011 nicht den Gehonam gegen die Provisorien weltlicher Obrigkeit, die Ordnung, Recht und Autorität aufrechterhalten, gering achten. Die eschatologische Gerechtigkeit schließt diesen Gehonam nicht aus. Daß PauluslO kategorisch und vorbehaldOl redet, wie es hier geschieht, muß mit der Besonderheit der römischen Gemeinde zusammenhängen. Paulus verwendet dte ganze Kraft des objektiven Weisheitsstiles dazu, die Grundsätzlichkeit des geschuldeten Gehonams gerade in diesem Briefzu betonen. Die eschatologische Ausrichtung von Köm 12,1-2 ist eine Voraussetzung für den Gehonam von Köm 13,1-1. Man darfnicht verkennen, daß der behernchende Imperativ umnaootcriko (V I), der durch die Feststellung iIv{ryxYJ imot6oor.otaa. ventärkt wird (V 5), nicht ein verbindlicher Rat eines Weisheitslehren ist, sondern der uneingeschränkte Appell des Apostels Paulus, der im Stil eines Wtislreitslelrrers zur Gemeinde sprichL Unter der Voraussetzung der eschatologischen Umwandlung (12,1-2) kommt Paulus zur erneuten Geltendmachung der schöpfungsmäßigen Anordnung Gottes (vgl. Köm 1,20), ohne die Spannung zwischen neuem und altem Äon aufzuheben. Kaum ein Paulus-Text hat 10 swken Anklang und solche geschichtliche Bedeutung gewonnen wie Köm 13,1-1; doch gehen parallele überlieferungen mit dem paulinischen Text konform. Es entspricht dem Stil der
Röm 13,1-7
397
Weisheitslehre, daß Paulus von den Pflichten des einzelnen Menschen gegen die Obrigkeit redet und sich an den nüchternen Ventand seines Zuhörers wendet; dabei ist,.", sclaeinlJ. von der geschichtlichen Situation der Gemeinde abgesehen. An eine systematische Untenuchung über das Verhältnis des Christen zur Obrigkeit darfman nicht denken, fehlt doch z.B. umgekehn eine Warnung an die Obrigkeit, ihr Amt dem einzelnen Menschen gegenüber zu mißbrauchen. Es scheint so, als bringe Paulus einegtJomau T,tulititm zur Geltung, deren Spuren sich im Judentum (vielleicht auch in der Jesustradition) nachweisen lassen. Sie wehne schon im Judentum eine zelotische Denkweise ab. Paulus zeichnet sie im Gegensatz zu aller heidnischen Verherrlichung und zur apokalyptischen Gerichtspredigt nach und wehn jeden gewaltsamen Widentand gegen Rom ab1 . Die Abwehr des Enthusiasmus in Röm 12,~21 legt es nahe, daß Paulus auch in Röm 13,1-7 einen filbchen Ansatz des Pneumatikenums bekämpfen will. Man denke z.B. an ein zugespitztes Wort des scilitanischen Märtyren: »ego imperium huius saeculi non oognoscocc 3 • Der Stil der Paränese läßt sich am besten mit einer Abwehr des bewaffneten Widentandes in Verbindung bringen (13,2.6 f.). Wir werden Röm 13,1-7 geschichtlich zu ventehen haben: es geht nicht nur um den Gehonam selbst, sondern auch um seinen Grund und seinen Sinn, seine Bedeutung und seine Be-
grenzung'.
Exegese: Knapp und prägnant klingt die These V I., während ihre Begründung in V Ib und Ic ausführlicher gehalten ist. miaa "PvxTI wirkt semitisch (= W!r'i) und ist hier, am Anfang des Satzes stehend, betont'. Gemeint ist kollektiv: »jeder Menschce. Der Plural t;ouotaL spricht von den menschlichen Werkzeugen der staadichen Gewalt (Autorität, Amt, Amtsträger)6; man fiihlt sich an die häufige Verbindung i&Qxal xal t;ouotaL erinnert'. 2 Die Entwicklung der jüdischen Situation im Verhälblis zum römischen Imperium (nach dem Regierungaan tri tt Neros 54 n .Chr.), die erneute Tätigkeit der zdotischen Bewegung in Palästina, die allgemeinen AuOösungsencheinungen UOIephus) bilden einen bestimmten Hintergrund (80 REIKKE, Neutestamentliche Zeitgeschichte, 1963, 151 11'.). Gleichzeitig venchärft sich der judaistiache Druck aufdie Heidenmission. Die Steuerpolitik in Rom und im Imperium, die auch berücksichtigt werden muß (etwa für den Zeitraum 54-59 n.Chr.), darf nicht vernachlässigt werden. DoDoR 202 macht daraufaufinerksam, daß wenige Tage nach Abfaasung des Römerbriefes die neronische Verfolgung des Jahres 54 n.Chr. einen ernsten Kommentar zu UMerem Abschnitt geschrieben hat, doch stehen wir noch in einem geschichtlichen Vontadium, das zu beachten ist. Vgl. zur Zeitgeschichte Tacitus ann. XIII 50 0:; Sueton Nero 10. 3 R. KNOPF- G. KaOGER. Ausgewählte Märtyrerakten, 3. AuO. 1929,29. E. GAUGLEIl (Intern. kirchi. Ztlchr. 1950, 133 ff.) vermutet, daß in Rom auch den staatlichen Gewalten gegenüber etwas von jener falschen überheblichkeit und Selbstgenügsamkeit erkennbar wurde, die Paulus schon vorher gerügt hatte (11.20; 12,3). Die Frage nach der Willkür und der Ungerechtigkeit der Pächter darf nicht auageschlossen werden (ThWb 87-106; M. ROSroVfZEFF, Geschichte der Staatspacht in der rom. Kaiserzeit, Philo. Suppl. 9,3 (1904) 312-512. • PALLISR 141 nimmt an, daß wir es in Röm 13,1-7 mit einer apologetischen Haltung zu tun haben, die in die spätere (hadrianische) Zeit gehön. Röm 13,1-7 sei nach 133 n.Chr. in unseren Text eingefügt worden. Derartige Interpolationsthesen scheitern. Die gleiche apologetische l;Ialtung findet sich inJoh 19,10 f. und in I Petr 2,13-17: Sie ist aUgemeinchristlich. Die historische Frage, wo die paulinische Tradition nachwirkt, bleibt ein Teilproblem (au&rdem vgl. Tit 3,1 0'.; ITun 2,1 0:). 5 Vgl. Röm 2,9; Apg 2,43; 3,23; ApkJoh 16,3. 6 Vgl. W. FOuTU. ThW 11 560; O. EcK., a.a.O. 34. E. GAUGLEIl (a.a.O. 134) formuliert: .Du Won, das wir hier mit )(fie (staatlichen) Gewaltene übenetzt haben, bedeutet in der Einzahl vor allem ldie Macht, die zu sagen hate, d.h. das, was wir )Aumritäte heißen, dann aber auch du staatliche Amt. in der Mehrzahl ganz konkret »die Amtsträger, die Behördene. Dagegen läßt sich im au8erbibli-
398
Der Gehorsam gegen die Träger der Gewalt
~(a bezeichnet zunächst die übertragene Vollmacht, wird dann aber auch von
Menschen bzw. der Instanz, der sie übertragen ist, gebraucht. Der Plural ist zwar auftällig, aber keineswegs ungewöhnlich (vgl. Plut. Philop. 17; Jos. bell. 2,350). ~ als »Macht« oder »Autorität« dürfte hier fiir das rabbinische n•., (n•.,) eintreten, das eine • • ähnliche Bedeutung hat. Auf griechischem Boden wird das Wort häufig im Zusammenhang mit staatlichen Verhältnissen verwandt (z.B. für Macht oder Vollmacht eines Königs); nur selten bedeutet es soviel wie »Behörde« oder staatliches »Amtcc (vgl. die Wörterbücher). a1 ~(aL ist offenbar dasselbe wie in V 3 oL 6QxovtE;. Paulus redet eigentlich nicht von einer abstrakten Staatsgewalt, sondern von den konkreten Trägem der öffentlichen Macht (z.B. Regierende, Richter, Steuerbehörden). Der auffallende Plural hat dazu geführt, an dämonische oder engelartige Mächte zu denken (G. Dehn, K. L. Schmidt, K. Barth); dann würde der Begriff a1 ~oumaa. aufder gleichen Stufe stehen wie iioxm, bwcit&E~, XUO'~E;, &Q6vo.. (vgl. I Kor 15,24; Koll,16; 2,10.15), doch ist dieser Auslegung mit Recht widenprochen worden.
Die staatlichen Gewalten werden als UltEQI;xOUOQL (»Vorgesetzte«) beschrie-bene. Das Partizip bezeichnet die gehobene Stellung (vgl. UltEQOXfl) 9. Das starke Verbum \JmrtaaoE0'6aL bezeichnet den Gehorsam gegenüber verschiedenen Autoritäten und wird auf das Verhältnis zum Gemeindeleiter, zum Ehemann (von der Frau gesehen) und zu staatlichen Gewalten angewandt 10; Schon die Form des Satzes erinnert an den Gesetzesstil. Auffallend ist, daß die ganze \Vortgruppe: \JltMaooEO'6aL, itvtL'taooro&aL, 'taooELV, ÖLa'tayfJ in unserem Abschnitt vertreten ist l l . Die Begründung der These V la erfolgt durch die Negation V I b und die Position V I c; in heiden Gliedern liegt der Ton aufum awü, das trotz aller textlichen Schwankungen beibehalten werden sollte l2 • Daß die schen Griechisch nirgends mit Sicherheit die Bedeutung .obrigkeitdie tatsächlich vorhandenen Gewalten sind von Gott eingesetzt«tJ. taam:l.v bedeutet hier: ))jemand auf einen bestimmten Platz stellen, einsetzen«. Exkurs Die göttliche Setzung der staadichen Gewalt Daß Gott Zeiten und Verhältnisse sich ändern läßt, Könige a~ und einsetzt, ilflen auf Erden Macht und Herrschaft verleiht, bringt das DtmÜlbwla immer wieder zum Ausdruck (2,21.37 f.; 4,14.29). Gottes Herrschaft ist ewig, menschlichedagcgen abgeleitet und zeitlich begrenzt. Gott verleiht das menschliche Königtum, wem er will. Diese Grundhaltung wird später in den verschiedenen Traditionen des Judentums beibehalten. Selbst wenn die römische Obrigkeit den Tempel zentört, die Frommen tötet, bleibt sie Herrscherin vom Himmel her (AZ 18a Bar = Str-B 111 303 f.). Auch dann, wenn der Rabbi mit der heidnischen Obrigkeit in Konflikt gerät, spricht er den Segensspruch aus, der die Herrschaft auf Erden anerkennt (Ber 58a,32 = Str-B 111 304). Ausdrücklich wird auch im&bhintat auf das Danielbuch Bezug genommen: Gott wird einst unter den Völkern Gericht halten, wie er auch den überheblichen Nebukadnezar daran erinnert, daß das bißchen Herrschaft, das ihm gegeben ist, von Gott stammt (nach Dan 2,37 in Ex r 30 (89a) = Str-B I I I 45). Wie der König der Richter ist, der Gewalt von Gott hat, so verfällt er selbst, wenn er seine Gewalt mißbraucht, dem gätdichen Gericht. So findet sich in den verschiedenen Traditionen auch die Gerichtspredigt vor den Herrschern (z.B. Sap 6,1-11; aeth Hen 46,5; ApkBar 82,9). Dabei erkannte das Rabbinat vor allem den Segen der Ordnung an, der durch das obrigkeitliche Amt gewährleistet ist. AufR.Jochanan ( t 279) wird der Satz zurückgeführt: ••Selbst einen Brunnenaufseher setzt man vom Himmel aus ein« (Ser 58a,40 = Str-B 111 304). Das Königtum auf Erden wird zum Abbild des Königtums der Himmel (Ber 58a,20 = Str-B 111 303). Gelegentlich bringt man zum Ausdruck, daß die Furcht vor der Obrigkeit das Chaos verhütet (Ab 3,2: .)Bete für das Wohl der Regierung; denn wenn nicht die Furcht vor ihr wäre, hätten wir einer den anderen lebendig verschlungen«). Diese apokalyptische Tradition führt die prophetische Linie fort, nach der die heidnische Weltmacht zur» Rächerin zum Zornee werden konnte (Röm 13,4). Gott gibt König und Volk in die Hände des Nebukadnezar Uer 21,7.10 u.ö.). Die Vertriebenen werden zur Fürbitte für die Wohlfahrt Babyions ermahnt Uer 29,7). Die rabbinische Anerkennung der Obrigkeit steht im Gegensatz zu einer ~ewtischen Auffassung des Gesetzes und der Gottesherrschaft 14 • Politische Aufstände brachen in Palästina aus, weil die Herrschaft Gottes durch menschliche Fremdherrschaft gefährdet schien; aber auch die Diaspora (Rom, Alexandria) wurde immer wieder in ähnliche Unruhen hineingezogen. Die Zoll pächter und Steuereinnehmer konnten zur Plage werden. Aber auch in der rabbinischen Literatur wird zuweilen vor einer zu engen Verbindung mit 13 ai bt olJoaa. bedeutet nach PALUsR. 141 die ..gegenwänige«, nach DoooR 202 die »wirklich vorhandene« staadiche Gewalt. •• Die Essener verpflichten sich in ihrem Schwur, daß sie Treue gegen jedermann halten, be.onden aber gegenüber der Obrigkeit, weil niemand Gewalt habe, ohne daß sie von Gott gegeben sei Uos. bell. 2,140).
400
Der Gebonam gegen die Träger der Gewalt
der Obrigkeit gewarnt (Ab 1,10; 2,3; 3,5). Daß die Obrigkeit Fremdherrschaft ist, darf nicht vergessen werden. Auch im Gri«1IeMma findet sich von Anfang an die überzeugung, daß Könige ihre Herrschaft von den Göttern haben (Hom. 11.9,38.98), und daß menschliche Gesetze von den Göttern eingegeben werden; selbst der demokratische Staat beruft sich aufgöttliche Autorität. Griechen und Orientalen sehen im Kaiserkuh kein Element, das ihrer Religion widerspricht, sondern nehmen diesen mit besonderem Eifer auf. Paulua beruft sich in dieser Diatribe nicht ausdrücklich autein Logitm}uu, obwohl eine gewisse Berührung mit derJesuatradition unverkennbar ist (Mk 12,17 = Röm 13,7). Es entsteht die Frage, ob Paulus in Röm 13,7 einen SatzJesu übernimmt, oder ob dasJesuawort in Mk 12,17 in die von Paulus zitierte allgemeine Tradition gehört. Neben der gedanklichen Entfaltung steht die konkrete Verkündigung derselben überlieferung in Joh 19,11. Desgleichen findet sich ein apokalyptisches Gegenstück in U 4,6, wo der Satan in dämonischer Verkehrung eine ~ von Gott her beansprucht und sie ab Leben weitergeben will. Mit dem Rückgriff aufdiese alte Tradition will Paulua keine Theorie über die staatliche Gewalt geben. Die konkrete luapitzung der paulinischen Mahnrede weist auf einen bistorischnl ArtUJjJ hin, der entweder in jüdischen U nrohen oder in pneumatischer überheblichkeit liegen kann. Interessant ist, daß der Römerbriefin die leit f.illt, in der Nero noch unter dem philOlOphischen Einfluß Senecas stand.
V 2 zieht die Konsequenz aus der These V la und ihrer Begründung; er ist zweizeilig, stufenfcirmig und weiterführend aufgebaut. Es stellt sich heraus, daß unsere Diatribe über ein eigenes Begriffsmaterial verfügt, das sonst in der paulinischen Literatur fehlt. Vielleicht ist zwischen lrvtL'taoawtku ()sich widersetzence) und ch&U:na06aL (»sich auflehnence) ein bestimmter Unterschied zu erkennen 15. Auf jeden Fall hat die Verbindung: ÖLa't~ 'toü &oü einen feierlichen, amtlichen Klang (Einsetzung, Verordnung, Gebot) 16: wer der staatlichen Gewalt widerstrebt, lehnt sich gegen Gottes Verordnung auf, vergeht sich also gegen Gott selbst 17 • An einen bestimmten antiken Staatsgedanken hat Paulus nicht gedacht, wie er auch kein Staatsideal im modernen Sinn zeichnet. Es kommt ihm lediglich auf die Erfüllung ganz konkreter Aufgaben an, die in den Bereich des Glaubenden gehören. )CQtt'« ~E(rlklL scheint eine ungriechische, semitische Wendung zu sein 11; gemeint ist ein göttliches Strafgericht, das sich aus dem Verstoß gegen das Gebot ergibt. Es ist nicht identisch mit der Reaktion der Staatsgewalt. Das Futurum könnte auf ein eschatologisches Gericht 15 Vgl. 6va:tCJD06ta,evoe; Esth 3,4. Vulg. üheneat heide Male .. resistere«. ol6vhan}x6te; (»die Aufrührer«) begegnet auch beiJos. ant. 14,424 8".; 18,10. DooDR 203 stelh schon in seiner übersetzung einen gewissen Unterschied beraus. mit Indikativ (BI-Dcbr 391,2) steUt die Verbindung mit V I her. Zur politischen Terminologie vgl. G. DEu.ING, 44-48. 16 Vgl. Esr 4,11; Apg7 ,53; IClern 20,3. 6&a'"CClYf1 ist mit 6Uhcryt&a verwandt (Hebr 11,23). Es empfiehlt sieh, 6,enayfl. 6unaYJAO und 6unal;L; rechtlich voneinander zu untencheiden. 61AhayJ&a edictum, 6t1n~ - constitutio, 6unayfJ - Anordnung. 6unayfJ findet sich häufig auflnacbriften und Papyri (vgl. DEISSMANN, Licht vom Osten,". AuO. 1923, 70 f.; b6una~ = ltaufAnordnung« (CIG 34,65; 35,8; P. Oxy I 92,3; 93,2). Zu 6unayfl vgl. CIG 4300,6 und J. f'RIEDRlCH, W. PoHLMANN, P. SroHLMACHER, ZThK 73, 1976, 137. 17 Wie srarkdiejüdiachc überlieferung nachwirkt, zeigt Gen r94 (6Oa): R.Judan bat gesagt: .. Wer sich frech gegen den König benimmt, ist wie einer, der sich frech gegen die Scbechina benimmt« (auch DELITZSaIR. 95; Str-B 111 3(4). 18 Mk 12,40; Lk 20,47; Jak 3,1. tau~ (Dat. incomm.) ist reßektiv gebraucht.
mau
Röm 13,1-7
401
hinweisen, doch bleibt die Fonnulierung allgemein. Man könnte an einen bestimmten Gestt.(.esstil denken, der sowohl V 2a wie 2b bestimmt 19. V ! und" setzt eine Beschreibung der Aufgabe des Staates ein20; ot llQxovte; venritt nunmehr den Begrifft;ouma und erinnen an den Sprachgebrauch von Apg 3,17; 4,8. Die Herrscher sind ))Objektcc der Furcht fUr das böse Werk21 • Als Dativ erwanet man eigentlich: ))dem, der Böses tut«, aber unsere Diatribe ersetzt den Täter durch die Tat. Gut und böse wird die Tat des Menschen durch seine Entscheidung fiiroder gegen seine Pilicht. Die staatliche Gewalt ist also als Hüterin des Gesetzes Gottes und als Richterin über Gut und Böse vorgestellt. Mit V 3b beginnt die persönliche Anrede in einer rhetorischen Frage (im Sinne eines abgekürzten Bedingungssatzes)22. Vorausgesetzt ist, daß die Obrigkeit die Aufgabe erfiillt, dem Bösen Furcht einzujagen und dem Guten Lob zu spenden23 • So regt sie den Menschen zur guten Tat an. Das ))Gute« ist hier nicht die christliche Liebe, sondern die allgemeine Ehrbarkeit, von der auch der Heide wissen kann. Das Böse besteht ganz entsprechend in der Zentörung der menschlichen Gemeinschaft (vgl. Phi14,8). In diesem nüchternen Sinn ist die Staatsgewalt Goues Dienenn (so wiederholt in V 4)24. Sie steht also in einem ganz bestimmten Sinn im Dienst für das göttliche Recht. Das Furchtmotiv ist in unserem Zusammenhang besonden wichtig. Wenn der Böse die staatliche Gewalt fUrchten muß (V 4: beachte den Imperativ!) und der Rechtschaffene sie nicht zu fürchten braucht (V 3), dann handelt es sich um die Furcht vor Strafe. In diesem Sinn ist auch der Hinweis auf das Schwert zu ventehen: es ist nicht das Zeichen des Krieges, sondern des Rechtes (jus gladii) 25. dxfl kann heißen: ))ohne Grund«, ))ohne Rechtstitel« oder: ))Qhne Absicht, ohne das Schwert tatsächlich anzuwendencc. Gemeint ist hier: ))ohne ein bestimmtes Recht«. Am Schwert wird der Auftrag der Gewalt, zu strafen, erkannt. cpoQELV ist stärker als cptQEl.V (= gestare, gerere) . Mit dem Schwerttragen ist das Recht auf die Todesstrafe gemeint, die eine Zuspitzung des Strafrechtes ist; des"Wir haben es mit kurzen Hauptsätzen zu tun, die durch wichtige Partizipien eingeleitet werden. 2O·Beachte die häufige Anknüpfung durch y(IQ in V Ib.3.4a.b.c.6a.b. 21 cpöPOC; ist metonymisch gebraucht wie inJes8, 13; Ditt. Syll. 442,10. VgL LtzmR 112; BAU EIl Wb S.v. 22 Vgl. I Kor 7,18.21.27;Jak 5,13 f.; P. WENDLAND, Die urchristlichen LiteraturiOrmen, 1912,356 Anm. 4; R. BULTMANN, Stil der paulinilchen Predigt, 1910, 150: 69. 2l Man darfwohl an die antike Sitte denken, eine öffendiche Anerkennung durch eine Inschrift auf Marmor oder Erz zu verewigen. 24 Der Genitiv hoü wird betont vorangestellt: 6~ ist hier als Feminin gebraucht (Röm 16,1), weil ~SubjektderAusaageist OOListmitdt;~lryat6Yzu verbinden. LtzmR 112 überletzt: ltdie dich zum Guten erzieht«, während O. EcK, U rgemeinde und Imperium, 1940, 41 an den Schutz und die Sicherung des Lebens und Eigentums denkt. Die Wendung dt; ~ lryat6Y in 13,4 erinnert an 8,28. 2S Man trägt in Rom dem Prätor das Rutenbündel mit dem Beil, im Lager dem Feldherrn du Schwen voran. Im römischen Recht spidt es eine Rolle, welche Behörden du jus gladü haben. Du Sdlwen ist also du Zeichen der richterlichen Vollmacht (Ulpian, Digest I 18,6; 11 1,3; Ael. Perpetuae 6,3). In der späteren römiacben Zeit bildete sich die Sitte heraus, ein Kleinachwert oder einen Dolch als Zeichen der Macht und der Strafgewalt zu tragen (Dio Cus. 42,27; 68,16; Tac. bist. 3,68; Aurel Viel. 13). ~ bedeutet die Kriminaljusliz des Beamten bzw. die staatliche Straf- und P0lizeigewalt. T. MONNSEN, Römisches Staatsrecht 1,433-435; 11,806; AN. SHEIlVIEIl WHITE, Roman Society and Roman Law in the New Testament, 1963; CllANnELD, Commentary, 7>-76.
Der Gehorsam
g~en
die Träger der Gewalt
halb wiederholt Paulus noch einmal ausdrücklich den Dienstcharakter der staatlichen Gewalt, der sich selbst in der Todesstrafe ausweist. Damit vollstreckt die staatliche Gewalt das Recht (b6L~) im Dienst des Zornes (~ ÖVf'Irv sc. hoü)26. Der Staat hat an dem Recht Gottes, Vergeltung zu üben, teil. •• Zom Gottes« ist ein Begriff, der bei Paulus vielschichtig ist27 • V 5: So ergibt sich die logische und sachliche Folgerung (chro"fXTI)21, zu gehorchen, nicht nur aus Furcht vor dem göttlichen Strafgericht, sondern auch aus dem Verpßichtetsein, das den Auftrag der Obrigkeit anerkennt. 614 'riIv ÖVf'Irv und 614 'riIv ouvd6r)mv sind in diesem Sinn einander zugeordnet, obwohl eigentlich bt.Q 'tbv ~ und 6..a 'riIv ouvElm1mv einander entsprechen sollten. Das Gewissen des Menschen bezieht lieh hier auf die Anerkennung des göttlichen Gebotes und auf das von Gott stammende Recht des Staates. Auch diese scheinbar rationale Gedankenführung ist letztlich glaubensmäßig bestimmt. V 6: Als eine Anerkennung der Staatsgewalt ist auch die Bezahlung der Steuern anzusehen; deshalb benutzt Paulus diese Tatsache als Beweis für die Notwendigkeit des Gehonams. In diesem FaU ist 'tWL'tE indikativisch aufgefaßt 29• ~ ist hier die direkte Steuer (= Kopfsteuer ~ 20,22; 23,2), während 't~ die indirekte (= den Zoll) meint 30; In der Steuerzahlung liegt die Anerkennung des Staates als des Dienen Gottes. Auf: fallend ist die Bezeichnung •• Liturgen« für die Staatsbeamten; sie meint hier sicherlich nicht ein Priestertum (wie in der Septuaginta), sondern den Amtsträger überhaupt. Das Wort behält feierliche und autoritative Färbung, geht daher in der äußeren Form über den Begriff 6L6~ hinaus l t . Als Kennzeichnung dieses Amtes wird angeführt, daß die Liturgen •• zu diesem Dienstee (~airtb 'toVto) 26 h&~ ohne eL;ÖQ'v'fIv lesen: D- G it, ~ ~v fxbuc.o~ .·E. fxbuc.o~ findet sich in I Theas 4,6; Sir 30,6; Sap 12,12; 2Mill15,29, auch auflnschr. und Papp. he6Lxo; =0 ..Anwalt.. (A. STROIEL, ZNW 47, 1956,89 fI'.). Als enge Sachparallele zu Röm 13,4 muß IPetr2,I4 beachtet werden (~~ ~v xaXOlrol.ÖJY). Wir haben es in I Petr 2,13 a: mit der gleichen Tradition zu tun wie in Röm 13,1-7. 27 Seltener ist die ~utu,. auf das menschliche Zomgericht (vgl. LAoRll 314). • Der weltliche Text läßt ÖV{ryx1t aus und ersetzt den Infinitiv 6Kot6oumhLCiurch den Impera. tiv unot6ocm7&e (DGF Amb.tr). lIvQyxyJ = -du Sollen.. (KAsEMANNR 343). 29 'twin kann als Imperativ oder als Indikativ aufgd'aßt werden. Die Partikeln"t6Q und xa( legen nahe, daß Paulus an die Sine der chris dieben Gemeinde erinnert, dem Staat die gefOrderte Steuer zu zahlen. 30 Neben der bekannten Wendung cp6Qov 6lb6vaL I Mill8,4.7; Lk 20,22; 23,2 findet sich auch cp6Qov uMLV (Plat. Ale. I p. 123A) bzw. ~ 'tWLV (Mt 17,24). 11 An'tO\lgyelV ist eine hellenistische Bezeidmu,. für eine Leistung des Einzelnen im Dienst des Staates, auch fürdi~ Obernahme eines Amtes (Din. Or. inscr. IIlndexp. 679; U. WILCKEN,Grundzüge und Chrestomathie I I, 1912,3398:). Wer ein~ An~ übernimmt, kann An~ genannt werden. In der LXX wird Ml't(nlQ"t6l; aufden Priester bezogen Ues6I,6).ln uuerer Diatribe ist schWtttich an einen sakralen Sinn gedacht (Vergleich der Steuer mit der Einsammlu,. von ~ fergaben).lmmerhin erhält der &ep;ffeine gewiuc Feierlichkeit und Amtlichkeit. Er bezeichnet eine Autorität, die vom Amt abzuleiten ist. Allerdings ist auch der Verkünder des Evangeliums .. Litursim sakralen Sinn (Röm 15,16) .• Die wohl auch damals nicht besonders beliebten Steuerbeamten werden also nicht zu Priest~rn idealisiert, und von den Steuern wird nicht als wie von Opfergaben gesprochen, es wird einfach festgestellt, daß sich auch in diesem Geschehen ein Stück der götdichen WdlOrdnung verwirklichet< (GAUGLER R 11 138). Vgl. ThW IV 236 f.; KAsEMANNR 343 (Hinweis auf Xenophon Hell. VII 14).
Röm 13,1-7
403
beharrlich anleiten bzw. diesen Dienst mit Beharrlichkeit verrichten. nQO<JX.fJ~ X1JQCou tl')OOiJ. 22 Vgl. die Beobachtung von C. Y. TIJCHENDOIF: JtObeervatwn est Paulum conataDter 6u\ ~, tv U; Otl.fpm, __ tb et1ty.Ia wü hoü dixiue; nUlqU&m xmtt tb tfA1pI wU XQunoü velsimiliter dictum esL« Trotz aller Schwankungen wird auch an unaem- Stelle dir LA wU hoü ursprünglich Iein (YRI. LTZMR 123). uD liest: xa1 ~ Jod' 6jMiJY (YRI. vuIg.: rd'rigerer vobiacum). 201 Die Wendung: »der Gott des Friedens« bat eine lange Tradition im antikenjudentum und Urchristentum au&uweiten. Sie findet sich schon in TestDan 5,2; SNum 6,26 § 42 (don unter Berufung aufRi 6,24: Der Herr ist Friede - der Name Gottes heißt Friede). Paulua verwendet sie gern (z.B. Röm 16,20; 2Kor 13,11; Pbil4,9; ITbesa 5,23; 2Thesa 3,16); auch Hebr 13,20 setzt dicar Gebeuwendung voraus. Sie gebön in dir Gebetupracbe und in den Segmawunach.
eu.tt-
Röm 15,14-33
469
Frieden mit den Menschen ringt Paulus im Gebet vor Gott, Frieden erbittet Paulus für die Menschen. Aber Gott selbst ist mehr als seine Heilsgaben, und er schließt in seiner Gegenwart alle Heilsgaben zur Einheit zusammen. Er umfängt auch jeden Einzelnen der Gemeinde, so daß alle Streitfragen zur Ruhe kommen 25 • Feierlich schließt sich das bestätigende ))Amen« als Abschluß des Gebetes an 26 • Zur gegenwärtigen Bedeutung von Röm 15,30-32 In der Gegenwan kommt man zu einem neuen Verständnis von Röm 15,30-32. a) Ausgebend von dem Artikel ~~ K. G. Kubna (ThW VI 727-747) bat man daraufhingewiesen. daß die judencbristlichen Gegner des Paulus in den von ibm gewonnenen Heiden lediglich ..Gottesfürchtige« sehen konnten, die nicht in die volle Zugehörigkeit zur Kirche bzw. zu Israel ab Volk treten konnten. Diese judencbristlichen Gegner waren schon in Galatien aufgetreten, waren aber jetzt im Begriff, die römische Gemeinde au&usuchen (16,17-20). Gelang es ihnen. hier Boden zu gewinnen. waren die Pläne des Apostels gefährdet: er mußte ihnen mit der Abfassung des Briefes, eines Traktates zuvorkommen. Dieser geachichtltheologiache Ansatz ist wichtig. b) Fraglich bleibt aber die Art und Weise, wie man die Dreiheit: Spanien, Rom,jeruaalem miteinander verbinden soU. Nach Röm 15,23 fr. ist die Lage im Osten (bis aufjerusalem selbtt) geklärt; offenbar hat sich Paulus auch in Galatien durchgesetzt (obwohl in 15,26 keine Gaben aus Kleinuien aufgezählt werden). Paulus verlangt kein Eingreifen der römischen Gemeinde im Konflikt mitjeruaalem (M. Kettunen). c) Man verlegt nunmehr du gesamte Interesse auf die kirchenpolitische Situation und die Auseinandersetzung mitjeruaalem (G. Bornkamm,j. jervell): Die Oberbringung der KoUekte muß ab Provokation der juden injerusalem erscheinen und den Apostel selbtt gefährden (vgl. dazu Apg 20,21 ff.). Paulus bereitet in dieser Situation seinen Rechenschaftabericht vor. E. Käaemann lehnt derartige Konstruktionen ab, nimmt dafür die Spanienreise des Apostels ernst (Röm 15,24 encbeint in apokalyptischer Perspektive). Der Apostel muß alles daran setzen, um du in der Diaspora gegen ihn verbreitete Mißttauen gegen sein Apostolat und gegen seine Lehre zu zerstreuen. Allerdings bricht er zu schnell ab, weil er nicht mit der römischen Situation nach Röm 16,17-20 ernst macht (M. Kettunen). Zur ganzen Situation vgl. U. Wilckens, Ober AbfUlungszweck und Aufbau des Römerbriefes (Rechtfertigung ab Freiheit, 1974, 110-170). U. Wilckens (a.a.O.) zeigt ansprechend, wie eine auch literarisch festatellbare Entwicklung innerhalb der pauliniachen Literatur bis bin zum theologischen Traktat aufweisbar ist. Dabei kommt er zur hermeneutischen Regel. daß christliche Theologie aus dem Leben erwächst und alle Reflexion ein elementares Mittel aktiver Teilnahme an der Geschichte der Kirche ist (unter Berufung aufF. Chr. Baur S. 140 Anm. 74). Du Emltnehmen der Geschichte ab Vollzug der Geschichte und ab Wiuen um Verantwortung im Raum der Kirche lernte man aber an dem Beispiel A. Schlauers, der sich gerade hier im Gegensatz wußte zu F. Chr. Baur. Die verschiedene Arbeit E. KäaemannJ und H. Schliers wollte gerade an diesem entscheidenden Punkt mehr. DM Uba tIIIUr tÜIft X~ tüs Hmrc.u Üt &1U Du griechiscbe I&EM nimmt du hetriiache ~ wieder aufund zeiat damit seine temitische Herkunft an. JIltli KlImov 'ÖI.IÖW gehön abo in einen bestimmten GruBatil (vgl. 2Kor 13,11; 2Theu 3,16; Ga16,18). M Vgl. Röm 1,25; 9,5; 11,36. ,... AG leim hier kein citdIv; ""lelZt dagegen den feierlichen Ab1Cb1u8 von R.öm 16.2>-27 an u~r Stelle ein.
470
Empf~hJung, Grußlist~
und
Sq~nswunsch
1rülI''''I dIJ lebtNJ;,m Gotlu ist mlItr GIs dwt c/,ristliclu Rlflaion rurJ Derlatt twlnt KllÜlorin. Di~ Freiheitaparole, unter der E. K.äsemann und U. Wilckens stehen, ist mißventändlieh; sie ~ntspricht zwar der Loslösung von der jüdischen Interpretation des Gesetzes, aber si~ genügt nicht gegenüber d~m Text. Paulus ist gebunden an ein~ eschatologisch~ Tora, di~ der Christus selbst in seiner Pe non ist (Gali, 16; 2Kor 4,6). Di~ neu~ Form d~r Tora tritt an die Stelle aller Vorformen (Röm 10,4: 'tUe:>; v6f.1OU). F. Chr. Baur steht unter dem Zeichen idealistischer Geschichtsphilosophie und gefährdet die gegenwäni~ theologische Arbeit. Gottes Geist und Gottes Bindungen werd~n in der Gegenwan falsch ventand~n. Die Loslösung von Sünde, Gesetz und Tod (Röm 5,8) ist damit zu etwas Selbstv~ntändlich~m geword~n, statt etwas Ungeheuerliches, Nichtgelöstes zu bleiben. Di~ mosaisch~ Form der Tora trug den Willen Gottes in sich, war aber zu schwach~ genüber d~m Fleisch des M~nschen: nur di~ eschatologisch~ Form der Tora ist imstande, die Ford~rung Gottes zu erfiilJen. Wir stehen vor einem offenbarungsgeschichtliehen Verständnis des Gesetzes. Paulus nimmt das w~ilheitliche Denken des Rabbinates ernst, verw~nd~t es aber in einer n~u~n apokalyptischen Gestalt (vgl. H. Gese, Zur Biblischen Theologie. Das Gesetz, 55-84). Damit ist eine Auseinandersetzung über Biblische Th~ logie gegeben, die auch das Problem F. Chr. Baun erfaßt. Du GesclUchtsprohimu wtrden mcht Uichur, wohl aber anthrs.
Röm 16, 1-24:
Empf~hlung, Grußlist~
und Segenswunsch
1 Ich empfehle euch aber uuere Schwaler Phöbe, die DieaeriD der Gemeiacle iD Kenchrei iat, zda8 ihr. aufaehmt im Herrn, wie e. der Heillpa WÜI'dii iat, UDd ihr injecler5Khe beUleht, bei der Re euer bedarf; deDa auch . . . . . . iat Beiataad für viele pwon:lea, ja ~ für mich..... JGrii8et PriMa aad AqaiIa, meiDe Milalbeiter in CuUbuJema, "die für meiD LebeD ihreDeipaea Hab ......... babea, deaea Dicht ich aUeia denke, lODdea a auch alle GemeiDdea der Heidea, 5aad püJk auch ihre a.upmeiadel Grii8et meiaea p1iebtea EpiaeIaa, welcher der EntliDc A.8ieaa für Chriatu. iatl 6Grüßt Maria, die aich viel für euch pmübt hat! 'Grüßt Aadroaikua uacl JuDiu, meiDe VolbpJto •• l!a aad Mitpfaapaea, die uater dea AJtc-teia heno. . . .a, die lChoa vor mir in Chriatua . . waea aiDdl IGrüßt meiaea im Herra p1iebtea Amplialual 9Grüßt Urt.aua, UDeerea Milalbeiter in ChriaIua, uad meiaea pliebtea Smchy.1 l°Grüßt dea iD Cbriaaua bewibrtea ApeUe.1 GriiJk die Leute ... dem Hau_ . . ArUtoINIa.! llGrü8t meiaea Volbp....... Herodioal Grüßt die yoa dea Leutea . . Nuduua, die im Henu aiadl 12Grü8t Trypbiaa uad Tryp..... die im Henu .... beiteal Grüßt die pUebte Penia, die viel pubeitet hat im Henul lJGrüßt dea im Henu ...aerwihltea Rufua UDd leiDe Mutter, eHe .ch die meiDe pwonlea UtI l"Grüßt AayaDi..... PbIepa, Hermea, Patrobu, Henau UDd die Brüder bei ihaeal 15Grä8t PhiIoIopa aad JuIia, Nereua uad leiDe Schwwtel aad OIympu aad alle Heilipa bei ihaeal 16Grä8t ei...ader mit dem heillpa KuSl Ea pü8ea euch alle Gemeiadea CIuiati. l ' Ich ena-hae euch 1Iber, ihr Brüder, Kh....... auf die, welche die Eaazweiuapa uad die Lpraiue ppa die Lehre, die ihr plerat luIbt, errepa, UDd weichet ihaea auaI 'I Dean lOlche clieaea Dicht UII8eI'em Henu ChriaIua, . . . . . a ihrem eipaea Bauch, UDd durch ihr WobIrecIea UDd Schöareclea betrüpa Be eHe Herzell der ArJIoeea. 19Deaa die N.:hricht YOll eurem Gebor-.m iatja bei a1Iea bebaDt pwonlea; cIenua freue ich mich euretwepa, ich wiiDache 1Iber, da8 ihr
Röm 16,1-24
471
webe eeid mm GuteD, eiDfilda ........,i...... dem ScJaIec....... -Der Gau" Friedeu . . . wird dea ..... iD Bilde uaterearea Fi8ea _ _...... Die G.de ...... Herna Jau 8ft mit euchl 21 Ea pä8ea euch meiae Mi....w_ TiIIIadIea.1UId lDeiIIe V ' " [ Da •• [ a Luc:iu UDd Juoa UDd SoeipatroL U leb, TerIiua, der ich cIea Brief pKIuiebea WIe, pü8e euch im Herm. J3 Ea pü8t euch G.ju, der' micb lUId die . . . . GemeiDde beberl»etIL r.. pä8ea euch EruIua, der Scha....... der s..da, UDd der Bnder Quartu.. J4 Die GD8de UD8eI'a Herna Jau ChrUbu - ' mit euch .ueal Amea.
Analyst: Daß eine neues Kapitel mit einer Empfehlung und einer Grußliste angefügt ist, braucht an sich nicht zu überraschen. DerGIItW Briefschloß gewöhnlich mit guten Wünschen fiir den Empfänger und besonderen Grüßen an die Freunde. Nicht ausgeschlossen waren bestimmte Angaben über Datum und Ort der Abfassung oder die Art der übermittlungi. Allerdings sind die Abschlüsse einesJHUdiniscllm Briefes sehr mannigfaltig. Manchmal fehlt ein Gruß überhaupt (z.B. am Schluß des Galater- und Epheserbriefes). Gelegentlich grüßt Paulus allgemein, ohne Namen hervorzuheben (z.B. im 2. Korintherbrief, im Philipperbrief, in den Thessalonicherbriefen), gelegentlich aber auch unter ausdrücklicher Nennung der Namen (1. Korintherbrief, PhilemonbrieO. Ausführliche GnifJlislnl finden sich in Röm 16, aber auch in Ko14,10-17 und 2Tim 4,19-22 2 • Man hat die Beobachtung gemacht, daß Paulus in Briefen an seine eigenen Gemeinden niemals einzelne Personen besonders grüßen läßt; anders dagegen steht es in Gemeinden, die ihm persönlich unbekannt sind (Th. Zahn, H. Lietzmann). Durch die Weltbedeutung der Stadt Rom war es möglich, daß vornehme Leute eine größere Dienerschaft aus dem Osten mitbrachten, die nun den östlicllm Kult auch nach Rom verpflanzten oder ihm auch dort treu blieben (vgl. die Inschrift von Tusculum}3. Trotz mancher kritischer Bedenken, die durchaus anzuerkennen sind, ist anzunehmen, daß auch dies Kapitel zum ursprünglichen Bestand des Römerbriefes gehört4 • I Wenn eine lubacriptio in einzdnen Minuskeln am Schluß von Röm 16 auftaucht (z.8. ~ 6Kb KOQ(vOou 6U& cto~ bzw.ly~ 6Ib T~lou, ~ 6l6&b ~ iarb K.vt{QJv) , dann haben wir el allerdings mit Schlußfolgerungen lpäterer Leaer zu tun.
2 Vgl. zum Stil in Ko14,10-17: ~f;nal ... (4,10-14); ~ ... (4,1>17) und 2Tun 4,19-22 (aomwa... . . 4,19; cWx6l;no.L 4,21 ). Auch eine derartige Grußliate ist offenbar nach einem festen Schema oder nach einer bestimmten Ordnung aufgebaut. Daß der Römerbrief unter Mitwirkung eines in der hellenistischen (und lateinischen) Wdt bewandenen »SekretäR« geachrieben ätt, gibt V 12 auadrücklich zu. In Röm 16,17-20 Icheint die Stimme des Paulua adblt zu Gehör zu kommen (vgl. die Semitiamen). 1 Vgl. den Exkurs von LTZMR 128 f[ überdaa Problem der Abfaaaungvon Röm 16 und seinen Exkun 4 (a.a.O. (34) über die lnachrift von Tuacuhun; außerdem F. CUWONT, Die orieotalilchcn Rdigienen im römiacheo Hridentum, 3. AuO. 1931, I98;J.l. H. McDoNALD, Wu Romana XVI aseparate letter?, NTS 16, 1969-70, 369-372; K. H. RENosrou, Paulul und die älteste römiac::be Cbriatenheit. Studia Evangelica 11. TU 87, 1964, 447~; U. WILCKENS, über Abfusunguweck und Auf: bau des Römerbriefs 124 f[ (Grußliste). • Es erheben .ieb bestimmte EittwitttU: Ist es wahnebein1ich, daß PaulualO vide Bekannte in einer ihm IOnat unbekannten Gemeinde hatte? Weilen Epänetua, der EntlingAaiena (Röm 16,5), unddaa Ehepaar Priaka und Aquila (Röm 16,3 - IKor 16,19; 2Tim 4,19; Apg 18,2.18.26) wirklich nach Rom, oder lind diese Chrilten nicht in Ephesua zu luchen? Der polemiache Ablchnitt Röm 16,17-20
472
Empfehlung, GruBliste und Segemwunsch
Blickt man auf das Ganze von Röm 16,1-23 (bzw. 16.24), dann tritt zunächst die Selbständigkeit von V 1-2 heraus: Paulus empfiehlt Phöbe, die dienende ))Schwestercc aus Kenchreä, für den Dienst in einer auswärtigen Gemeinde. Es folgt in V 3-16 eine längere Grußliste, die mit dem Imperativ cUm6cJao&E (V 3) eingeleitet wird; er kehrt 15mal wieder. Im Folgenden herrschen die indikativm Grußfonnen (itmatovtaL V 16b; cUmatE'taL V 21.23a.b; itmtcitOf.&aL V 22). Schon äußerlich tritt die Besonderheit der apostolischen Verwarnung V 17-20 heraus, die statt des persönlich-verbindlichen Tones der Umgebung einen sachlich-amtlichen Charakter tdgt. Die Sprache dieses kleinen Exkurses ist leidenschaftlich und bewegt'. Allerdings sind die einzelnen Verse stilistisch keineswegs einheitlich und bedürfen einer besonderen Untersuchung. Es scheint so, als stelle sich noch einmal der jüdische Grundcharakter unseres Briefes deutlich heraus (vgl. die zahlreichen Semitismen!). Im ersten Teil der Grußliste V 3-16 findet sich mehrfach die Erwähnung einer persönlichen Beziehung zwischen dem mit Namen Genannten und Paulus als Brie&chreiber (V 2 ff.)6. Es ist anzunehmen, daß diese mit Namen Genannten in der Lage waren, sowohl über Paulus zu berichten, als auch umgekehrt Paulus über die Gemeinde zu berichten. V 16 bildet einen gewissen Abschluß des ersten Teiles, V 21-23 dagegen beziehen sich auf die Grüße der Gefährten des Paulus; auf ihre Verbundenheit mit ihm legt der Apostel in diesem Zusammenhang gesteigertes Gewicht. Auch diese Gefahrten des Paulus sind imstande, den Apostel zu legitimieren. Wieweit sie in Wirklichkeit der römischen Gemeinde bekannt waren, ist ungewiß. V 24 bringt einen Segenswunsch, der dann notwendig wird, wenn die Doxologie Röm l6,2!)'-27 wegBUlt oder an den Schluß von 14,23 rückt. Aufjeden Fall bleibt das Verhältnis von V 24 zu V 20b ganz ungeklärt. Das Problem der Doxologie meldet sich auch hier zu Wort'. macht zwar einen durchaus pauliniachen Eindruck, erweckt aber die Frage, ob er sich dem Ganzen des Briefes gut einordnet (vgl. dazu LAGRR 372 f. und DoDDR XVII ff.). Dort, wo man Röm 16 vom Briefganzen abtrennen will. denkt man an ein selbständiges Empflhlwttsscl,,,ib,,, für Phöbe, das vielleicht nach Ephesus gerichtet ist, oder an ein BriflJrfll"ll'll. du aus irgendwelchen Gründen mehr zufällig an den Abschluß des bekannten Römerbriefes angefügt wurde. Der Eingang Röm 16,1 (auvCantI'L bt) ist zwar nicht ganz ungewöhnlich für ein selbständiges antikes Schreiben (Ps. Xenoph. Reap. Atb. 1), spricht aber mehr für die Weiterfiihrung eines brieflichen Kontaktes. t Ea liegt zwar nahe, V 17-20 gegenjudaiatiache Agitatoren gerichtet sein zu lauen, doch bleibt die Aufgabe bestehen, unseren Zusammenhang mit Gal5,1 8'.; 2Kor 11,13 f.; Phil3,18 f. zu einem einheitlichen Bild zu verbinden. Der Ton und die Auadrucbweiae erinnern an Gal6,11-16; Phil3,17 8'. Man darfin den pauliniachen Sätzen keine -BudruiJJ""lf des gqrneriachen Standpunktes sehen,lODdern eine ganz bestimmte polemiache CharakterUierung des Gegners, die ihn karikiert; vgl. die Schandpunktation der Wuoreten. Paulus liebt es, seine poIemiache Abwehr in die P&räneae einzustreuen oder sie mit dem SchluBgruB zu verbinden (I Kor 16,22). Mit dem SchluBgruß verbindet sieh nicht nur der Segen, sondern auch der sdlilQNJ, FIwIt. Die Frage entsteht, ob Paulus den Kamp( um Galatien verloren hat (U. WIl.cKENS 136.144). Allerdings bedürfen die weltanschaulichen Aspekte einer Ergänzung. 6 Vgl. die penönlichen Bemerkungen und Bekenntniue V 2.4.7.8.9.10.13. Paulus hat also eine gröBere Anzahl Bekannte und Freunde in Rom, die ihm perlÖnlich nabestehen. Dieser Umstand ist auch für die Abfaaaung des Römerbriefes von Wichtigkeit. Paulus muß genaue Kenntnis der römisehen Verbältnisse gehabt haben: er will konkret aufweisen. nicht nur reflektieren. 7 JM6 • ABC haben V 24 nicht gelesen, KDG kennen den Segenswunsch von V 24, DG nicht aber
Röm 16,1-24
473
Exegese: VIf.: Das Kapitel beginnt mit der Empfehlung der Diakonisse Phöbe, die vielleicht dazu bestimmt ist, den Römerbrief zu überbringen. Solche Schreiben waren in der damaligen Zeit durchaus üblich (2Kor 3,1: OUata'tLxat btLO'tOAa(). Der Name der Frau weist daraufhin, daß sie Heidenchristin ist; eine Jüdin wird einen derartigen Namen, der in der Mythologie eine Rolle spieltI, kaum getragen haben. Wenn Paulus sie als »unsere Schwestercc vorstellt, dann bezeichnet er sie damit als Glied der christlichen Gemeinde (Philem 2). Sie ist »auch(c als »Diakonisse« (6LQXO'V~; vgl. lTim 3,1l?) einer bestimmten Gemeinde, und zwar der Gemeinde Kenchreä, des östlichen Hafens von Korinth, zugeordnet9 • 6..aXO'V~ ist hier schon als Amtstitel anzusehen. Ein weiblicher 6..aXO'V~ ist auffallend, vielleicht sogar im Neuen Testament hier allein belegt. Es ist möglich, daß Phöbe an Prauen, Kranken und Fremden ihren »Dienst« versah, vielleicht sogar bei der Taufe von Frauen Beistand leistete 10; Ziel der Empfehlung ist, daß die Gemeinde Phöbe aufuimmt und ihr beisteht (vgl. auch Phil 2,29). Wenn Paulus schreibt: »daß ihr sie aufuehmt im Herrn«, dann beruft er sich auf die besondere Würde und Sitte der christlichen Gemeinde U. A. Bengel: Christiano more). Die Wendung tv xUQ(.qJ bzw. tv XQunti> findet sich in Röm 16 besonders häufig. Der Beziehung aufden »Herrne< entspricht die Würde der Heiligen: »wie es sich für Heilige geziemt« (d;~ 'tWv lIy(rov). Die Gemeinde soll sich bewußt sein, was sie einer Frau im Dienst um Christi willen schuldig ist (A. Pallis). "QOO'tQ'tLS (Fem. zu "QOO'tQ'tTI~) hat ähnlich wie das Maskulinum amtlichen Klang. Es entspricht eigentlich dem lat. Begriffpatrona und bezeichnet ursprünglich die Frau, die den rechtlichen Schutz Fremden und Freigelassenen gegenüber ausübt l l . Hier in unserem Zusammenhang kann "QOOtQ'tL~ nur überden von V 2Ob; in V 20b und V ~4 taucht er bei L auf, während peach. ihn an den Schluß von V 27 stellt. Ein endgültiges Urteil über diesen Textbefund ist nur im Zusammenhang mit dem Problem der Doxologie zu Sillen: V 24 ist kaum ursprünglich. 'ZumNamen~ vgl. Ditt. SyU. 3. AuO., 805,10; P. Flor 50,61; Sueton, Div. Aug. 65,2. Vgl. M. D. GIISON, Phöbe, The Expoeitory Times 23, 1912,281. Der Name deutet vielleicht darauf, daß Phöbe eine Freigelaaaene war. t xa( ist nicht sicher bezeugt - es findet sich in JM6 Be· -, ist aber sicher ursprünglich. Es so1l61llXOYOY hervorheben. Später wurde es gelegentlich weggelaasen (vgl. auch Röm 8,24). Statt lesen p46 AG "'J&ÖJY besagt in diesem Zusammenhang wohl nicht, daß Phöbe zur Umgebung des Paulus oder zur Gemeinde seines damaligen Aufenthaltes gehön, IODdem allgemein, daß sie durch Taufe und Bekenntnis allen Glaubenden ab »Schwester« zugeordnet ist (TH. ZAHN). Daß 6~ in Röm 16, I Amtsbezeichnung ist, erkennt man sowohl an dem Partizip oOOav ab auch an dem Genitiv ~ bxbt~. Zur Amtsbezeichnung 6~ für Frauen vgl. Plinius ep. X 96,8 (»miniatrae«); Const. apoet. 11 26,57; 111 7,15; Pseud. Ign. ad Antioch. 12,2. In der späteren Zeit untenc:hied man die .Witwen« von den ihnen übergeordneten .Diakonissen« (Const. apoIlllI 7). Nach einerinJeruaalem auf dem Olberg gefundenen Inschrift aus dem 6.Jahrhunden wird eine Diakoniaae Sophie '" 68\Jdoa ~ genannt (RevBibi 1904, 240). IO.ygl. GAUOLER R 11 395. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß ITim 3, II aufweibliche »Diakonegedeutet werden darf. u ~ heißt Anf'uhrer, Vorstand, Vorgesetzter und ist ab allgemeine Bezeichnung für die leitenden Behörden (besonders in der Demokratie) angewandt. All Beiname der Götter heißt KQOmlraK »Beschützer«, »Verteidiger«. In Athen bezeichnet ~~ den Bürger, der Vontand und Vet'tnter der Metöken ist. Phoebe (Heidenchriatin) hat ab Schwester, Diakoniue und als Beistand (picht rechtlich: patrona) sich bewährt, und ihre Unterstützung wird dringlich gemacht.
ö.wv.
",.wv
474
Empfehlung, Grußliate und Segenswunsch
tragene Bedeutung haben: sie hat vielen Beistand geleistet, hat auch den Apostel selbst unterstützt. Zwischen dem Beistand, den die Gemeinde geben soll (xaQ am Anfang der Satzperiode betont die paulinische Autorität (vgl. 12,1; 15,30). 6t ist adversativ gemeint, bezeichnet hier also den Umschlag in Stimmung und Stoff. Der Infinitiv axwtEiv klingt besonders stark43 : Man soll Acht geben auf Menschen, die die Gemeinde derartig verwirren (Phil3, 17: axoXEL'tE ist positiv). Es gehört zum Stil der Polemik, daß keine Namen der Gegner genannt werden, sondern daß Paulus vor ihren Wirkungen warnt. Ihre Tätigkeit zen tön die Einheit der Gemeinden, ruft Ärgernisse hervor und widerspricht der übernommenen Lehre. 6LXOOtamaL (Gal5,20 neben alQtOEL~) und axavöaA.a (Handlungen, die den Glauben in der Gemeinde zerstören) treten also dort auf, wo diese Gegner als Lehrer anerkannt werden44 • Was sie lehren und tun, vollzieht sich im Widerspruch zur überlieferung, die die Gemeinde empfangen hat. Entscheidend ist die Erkenntnis, daß Paulus sich mit seinen Lesern in der Lehre einig weiß. Zum Stil gehön auch die eigenartige Verwendung des Anikels ('toU~ 't0; ... xat 't11 axlIv6aA.a). Sind damit bestimmte Zwistigkeiten und Ärgernisse gemeint, die den Lesern bekannt sein müssen? Die Gemeinde soll die Irrlehrer nicht nur nicht aufnehmen, sondern soll darüber hinausjeden Verkehr mit ihnen meiden (ebenso 2Thess 3,6; Tit 3,10; Mt 18,17)45. Es gehön offenbar zur Kirchtn~u&1u und zur Wahrung der »Heiligleeit«, in schweren Fällen den Verkehr mit den Schuldigen abzubrechen (ähnlich 1Kor 5,9). In diesem Fall greift Paulus sogar rechtlich in die Freiheit der römischen Gemeinde ein, allerdings wohl gestützt auf die Gesamtheit der übrigen Gemeinden (vgl. V 16). V 18: Ein weiterer Zug der Polemik soll den Irrlehrer bloßstellen. ol 'tOLo\rtOL (= Männer dieser An) klingt verächtlich und abwehrend. Die Gegner stehen nicht im rechten Dienst für den gemeinsamen ))Herrn« Christus. 6QuÄE'ÖELV ist hier ebenso betont wie in 14,18 (= hebr. 1;'). Sie dienen im Gegenteil ihrem eigenen »Bauche( (Phil 3,19). Der Begriff))Bauch« (xoLMa) beschreibt das Verhaftetsein an die Eigenart und Gebundenheit der menschlichen Leiblichkeit in dieser Weltzeit; er drückt also vergröbernd das aus, was Paulus sonst mit »Fleisch« bezeichnet. ))Bauchcc, ))Fleischcc und ))Irdischescc gehören eng zusammen (Phil 3,19). Das Triebhafte tritt stark hervor46. Paulus stellt gern den Gegensatz zwischen Christus und der menschli42 Beachte du beschwörende K~, du betont &In Antang von V 17 Iteht. Man könnte den unvermittelten Einbruch der Polemik mit dem übergang von Phil 3, I zu 3.2 vergleichen. Es gehön offenbar zum paulinischen Stil, an den Briefschluß eine bestimmte Polemik anzufügen (SANDAY-
HEADLAMR 429).
Es liegt zwar nahe, V 17-20 gegen judaistische Agitatoren gerichtet sein zu lassen und unseren Zusammenhang anGal5,IO; Phil3,18 ff.; 2Kor 11,13 f[ anzugliedern (vgl. U. WILCKENS, über Abfu.. IUngszweck, 118 ff.). Formal entsteht die weitere Frage, ob die Sch1ußpolemik mit den letzten Kapiteln 14,1-15,13 zusammenhängt; P. S. MINEA& denlr.t dabei an die verschärfenden Führcrder in Rom befindlichen Gruppen, die dem Zusammenwachsen zu einer einheitlichen Gemeinde enlgegenstehen. Neuerdings schlägt man vor, 16,17-20 als enthüllende Sch1ußpoIemik anzusehen, die in Wirklichkeit vemüUl im ganzen Briefgemeinl sei (M. KETruNEN). 43 DG iL Ieten den ventärkten Imperativ: ~ OXOKäu. 44 Wamuqen vor6LXocnacna.. 6nden lich auch in Henn via 1119,9; mand 2,3; sim VIII 7,5; 10,2. ... Statt bx)Jvne lesen p46 AxDG den Aorilt bxA(vau. Neben bMlvuv begegnet im gleichen Zusammenhang atf.lleo6uL und KOQCIL'täota&.. 46.Ventris, inquit, graria: hoc est quaestUi el cupiditatis« (Orig.). Streitigkeiten, Spaltungen und Irrlehren gehören nach Gal 5,19 ff. in den Bereich des .Fleisches«. Man darf an die Schell- und Ge-
Röm 16,1-24
481
chen Triebhaftigkeit heraus (1 Kor 6,12 ff.). Wir haben es mit einem polemischen SCMma zu tun, das sowohl aufJudaisten als auch auf Gnostiker angewandt werden kann. Man kann an die bekannte Polemik gegen Gesetzeslehrer und Pharisäer (AssMos 7,4-7), aber auch an libertinistiache Gnostiker denken, die durch ihre Freiheitspredigt die Gemeinden verwirren ( 1Kor 6,12 ff.). Was in Wahrheit Leben im Geist Goues ist, zeigt Röm 12,1-15,13; gegenüber den dort aufgestellten Normen und Kriterien ist der Gegner des Paulus ein Diener seiner Triebhaftigkeit. Ein neuer Zug in dieser Polemik besteht darin, daß ihre Verkündigung als »einschmeichelnde, wohlwollende Rede« (XQTlOtoA.oy(a) und »wohlgeformte Sprache« (E6A.oyta) das Herz der »Arglosen« betön47 • Es kommt wohl nicht auf die Hervorhebung der formvollendeten Rede (im Gegensatz zum Tun) an, sondern auf die Verfiihrung der »Arglosen« durch rhetorische Möglichkeiten, die gefährlich sind48 . Die »Arglosen« (cixaxoL) sind solche Leute, die keine Erfahrung vom Umfang und den mancherlei Gestalten der Schlechtigkeit haben (A. Schlauer). Wenn die Arglosen betört werden, dann gehön das zum satanischen Werk (2Kor 11,3; Röm 16,20). Die Verbindung von V 18 mit V 19 durch yciQist nicht leicht verständlich. Aufjeden Fall will der Apostel vermeiden, daß die ~ mische Gemeinde zu den »Arglosen« (cixaXOL) gehön. Die »Arglosen« sind nicht weise, allerdings ohne Falsch; die römische Gemeinde dagegen soll ihren Glauben (uxaxoft) als Weg zur Weisheit, ja als Weisheit selbst auffassen, die positive Einfalt (= das Geschiedensein vom Bösen) aber bewahren49• Noch einmal betont Paulus die besondere SitJuation der angeredeten Leser; jeder hat von ihrem Gehonam gehön50 • Die wiederholte Beziehung auf die römische Gemeinde fällt richtsworte gegen das Wohlleben der Geaetzeslehrer erinnern (LAaaR. 374). XOIÄUI drückt die iuSerste Weltverfallenheit, besonden das Verfallensein an das Fleisch aus. Die Parallele zu Phil 3,19 springt in die Augen. Ist der Christus der Herr, dann erleichtern alle, die ihn nicht die eschatologische Tora sein lassen, in unzulänglicher Weise ihr Leben. W. ScHMITHALS, Die Irrlehrer von Röm 16,17-20, StTh XIII, 51-69, denkt an libertiniatische Neigungen. 47 ~Q findet sich im Neuen Testament nur hier. Zur Erklärung von ~ vgl. Julius Capitolinus, Pertinax 13: »XQ"1O'toA.6yov eum appellantes, qui bene loqueretur et male faeeret." wÄ.oy(a kann an sich im guten und bösen Sinn verwandt werden. Im bösen Sinn findet es sich, wie an unserer Stelle, in Aesop fab. 229. Daß rlIÄ.oy(a der Gegensatz zum Fluch, XQIIC7toAoy(a der Gegensatz zur Gerichtsrede ist, betont ScHLATTER, Gerechtigkeit 402. Die Gegner stehen im Gegensatz zur Kreuzespredigt und verhüllen das Ärgernis. Zu ~ vgl. die Bestimmung Diod. Sie. 13,76: ~ xa1 "riri ~v ~. 4xa~ bedeutet: arglos, auf das Böse nicht gefaSt (anders Hehr 7,26); das Wort gewinnt später gesteigerte Bedeutung (christlic:he Tugend; Hirt des Hermas). Es steht neben ~ (BAUU Wb 57 (). Gegensatz ilt das eindringliche ~. Für Paulus, dessen Leben äußerste Hingabe an Christus ilt, erscheinen die Gegner leicht als erleichternde Erklärer der Weisung Gottes. Der Satz ist kunstvoll nach der ZweigI"""",, aufgebaut: dem ~ entspricht ergänzend das taw, dem aocpOv uVQ&. das cbetQaLO'V u'Va&., dem äyat6v das xaxbv. üxtQa~ klingt hier .ehr wörtlich: »unvennischt mit dem Bösen... Ober seine Bedeutung gibt vor allem Phil2,15 thetisch und antithetisch Auskunft. Wir stoßen auf eine festgefiigte Tradition. 50 Paulus wiederholt also Röm 1,8. Er beschwört die Gemeinde: euer Ruf, der zu aUen gedrungen ist, steht auf dem Spiel. Allerdings ist die gegenwärtige Situation nicht unbedenklich. Der »Gehorsam.. erinnert an den »Gehonam des Glaubens.. (1,5), aber auch an 6,17; 10,16; 15,18. Du E.vangelium wird zur eschatologischen Richtschnur, zur eschatologischen Tora. Die Gegner erleichtern! Gehorsam ist beides, Ja zur Botschaft und zur Lehmnn (vgl. dazu KAsENANNR 398).
4'
4'
482
Empfehlung, Grußlilte und Sqenlwunac:h
auf: vJ.Ui)v, bp' UJlLV, '6f.&C%Sl. Otrenbar ist sie selbet noch nicht angegriffen oder verwirrt. Einerseits gibt ihre Bedeutung An1aß zur Freude, anderseits liegt in ihr auch ein Grund der Besorgnis des ApostelsS2 • Paulus selbet hat als KVEUf.IOU~ den Gegner ent1arvt, während die römische Gemeinde diesen Kampfnoch nicht ausgefochten hat. Das ))Weisesein« (CJOq)bv dvCII.) besteht hier im Erprobt- und Geübtsein, das »Geschiedensein vom Bösen« (dxtQcuov ElvaL) in der überwindungder drohenden Gefahr (vgl. Mt 10,16; Phi12,15). V 10 klingt zunächst wie eine apokalyptische Weissagung, die den baldigen Sieg Gottes über die Pläne des Satans verkündigt. Das Wort ist offenbar ein feierlicher Prophetenspruch mit deutlichem liturgischen Klang. Die mythologische Sprache weist auf den hebräischen Text von Gen 3,15 hin". Ein ähnliches Bild findet sich übrigens in TestLev 18,12, einem StofT, der offenbar aus dem gleichen Traditionsstrom stammt. Auch in TestLev 18,12 erinnert die Sprache an die Paradieserzählung (Tore des Paradieses, Schwert des Cherub, Lebensbaum). Tritt man aufdie bösen Mächte, dann liegt in diesem Akt das Zeichen des Sieges und der Unterwerfung der bösen Mächte. Der Gegner wird seiner Macht beraubt (vgl. Mk 3,27 &:)54. Der Satan selbst verbirgt sich also letzten Endes hinter dem Gegner, und Gott selbst wird in Bälde den Sieg über ihn geben. Altertümlich klingt auch die Wendung: CJW"CQ'~eLv um) wUC; K66a; '6t.uiJv (vgl. T estLev 18,12: »er wird seinen Kindern Gewalt geben, auf die bösen Geister zu treten«)Ss. Der eschatologische Sieg Gottes wird der Gemeinde Vollmacht und Hernchaft über dämonische Mächte schenken. Gemeint ist eigentlich zweierlei: Gott wird den Satan unter eure Füße niederzerschmettern), so daß ihr ihn zertreten könnt. Die zwingen (OU'VtQ'ßav Weissagung ist also verkürzt. Offenbar ist sie älter, und Paulus .titi"t sie in diesem Zusammenhang. Sie ist aber nicht nur WeissGpIfI, sondern auch GlbUsWlUlSC/a, wie der Anfang deutlich macht. Die Wendung: »Der Gott des Friedens« (Röm 15,33) klingt liturgisch und deutet hier auf die überwindung aller Spaltungen und Anstöße hin. Er schafft durch seinen kosmischen Sieg Frieden durch überwindung des Satana. der hinter den U nruhestiftem Iteht. und er macht aUi
=
1I Nach LTZWR 128 lind 61ÜV und 6taiv beIonden betoat: .An euch habe ich nichuauaUle1ZeD«. Oder dürfen wir aasen: .Gerade der Ruhm der römilc:hen Gemeinde mahnt zur Vonicht«? (vsl. ScHUTTE" Gcrecbtigkeit 402.). Ea iat wahncbeinlich, daß der Gqenaarz: ~ in die gleiche Tradition gehön wie der Gqenaarz: ~ in Mt 10,16; vielleicht apie1t Paulua
auf die Jesuatradition an. Vgl. SANDAY-HEADUMR 430; LAoaR 374; gut ScHuult 449. 5) ~v; vgl. .,. .,.,., - zerreiben, dann zendunettem, vernichteod IchlaBen. Daß diae apob1yptiac:he Weiuasunlauf den Itmiisc'- Text von Gen 3,15 zurüc:kweiat, wird in den Konuneawen gelqcndich h~ (ZnR 613, Änm. 73 und LAoaR 375); doch vgI. auch den hdlaüatiachen Spracbsebrauch (I Makk 3,22). Die Semitiamen dea Scbhaßabecbnitta biuh lieb. M TestLcv 18,12 lautet: .Beliar wird von ibm (- dem Hohenpriester der mellianitcbrn Zeit) ~ bunden werden, und er wird aeinen K.indem Gewalt geben, auf die böeen Geister zu treten« (_ _v bl ~ KVriJlG1U). Zu.mv ba vgI. U 10,19. Vgl. die verwandten cbiliMriKhen Traditionen in ~ob 20,1-6.7-10. Wlrs'" off--;' __ n.MiIJic_.,.w~ Tr~! SI Man darfnicht verkennen, daß du Futurum cnMQ€~ eachatolopchen Klang hat. AUerdinp iat dieaer Indikativ futuri durch NeberOOrmen wie oder cnMQ€.- enetzt worden, 10 daß der GebetlWUnlch ltirker herauatriu. Dazu pb die feierliche Gottesbezeidmung am ÄnfAnI des Venea Veranlaaung. Vgl. SctwEaR 450. lOpI" U
m
cnmo'w
Köm 16,1-24
483
der angefochtenen Gemeinde überwinder, die den Satan ))in Bäldec< (= eschatologische Formel) zenreten werdenS6• Das irdische Zeitmaß ist bald abgelaufen und die Endvollendung steht bevor57 • Der Ven schließt mit dem Segenswunsch V 20b ab. Er entspricht den profanen Wünschen, die dem antiken Brief angehängt werden (fQQ ist sicherlich ursprünglich, obwohl es in B pesch. fehlt. Es gehört aber zum Stil der Doxologie, als die Verhüllung gedeutet, die aufdem eschatologischen Ereignis auch im Zeitraum der Weissagung liegt. (Pseud. Primasius: Quamvis mim hoc ante prophetae praedic:arent, tamm quomodo futurum esset, nec ipei quidem prophetae sciebant.) Die gegenwänige Exegese ist in der Bestimmung der »prophetischen Schriftencc wesentlich unsicherer (KAsEMANNR 4(6). Ist die Wendung in der Vorlage enthalten, dann ist der Hinweis aufdu Alte Testament se1betventändlich. Der Zusammenhang sichert auf jeden Fall den Zusammenhang zwischen Verhüllung und Offenbarung. 20 Sicherlich ist die Dreizahl der Partizipien: Of.OL'Y'IJ&.tvou, cpav~, yY(I)()~ ursprünglich (vgl. Kol1,26 f.). Zwischen dem alten apokalyptischen Schema und den Bearbeitungen unseres Textes muß untenchieden werden. 21 Du wichtige Material zur Gotteaauuage findet sich beiJ. DUPONT, M6YoL ho( (Röm 16,27), Ephem. Tbeol. Lov. 22,1946,362-375 und G. DElJ.ING, M~~, TbLZ 77,1952,469-476. Der ~ ~ ist der ~r., tU., des antiken Judentums. Er begegnet häufig in allen Zweigen der jüdischen Literatur (z.8. Gen 21,33;Jes 26,4; 40,28; Bar 4,8 tr.; äthHen 75.3;Jub 12,29; 13,8; 25,15; SUI 42; 2Mill 1,25). Vgl. BoUSSET-GIlE8SMANN, a.a.O. 311; Bauer Wb IV. u.Unprünglicb bezeichnetdieae Näherbestimmungden KönigderAonen, meintallonicbtganz du, was wir aus dem Won heraUlhören« (GAUGLD R 11 418). U Es ist gut möglich, daß heide Adjektiva selbatändig .ind (»der einzige und weise«). aber auch, daß sie abwehrend aufeinander bezogen .ind (»der allein weise ist«). Im enteren Fall wäre die Beziehung aufStil und Bekenntnis entBcbeidend Uud 25), im letzteren die theolopcbe Verbundenheit mit Röm 11,33 ff. Die Kommentare entBcbeiden lich vencbieden. Vgl. den Sprachpraucb PhilOI: ~ VO)~~ (E. KAMLAH83 f.).
490
Exegetische Grundfragen
wie ein Vergleich mit Gall,5; 2Tim 4,18; Hebr 13,211ehrt24• Man könnte es als störend empfinden, weil durch seine Einfügung der sinngemäße Bezug der Doxologie auf Gott undeutlich werden könnte. Der Lobpreis Gottes vollzieht sich durch die VennitdungJesu Christi, der durch seine Sendung diese »Ehre« erst ermöglicht hat. Auch dies Motiv ist festes Gut und gehön zum ursprünglichen Bestand der Doxologie. Das gleiche gilt von dem abschließenden Ausblick: »von Ewigkeit zu Ewigkeit« (d~ 'to,,~ aLöJv~ 't(ÖV aLciMaJv ADP vulg. pesch.), der keineswegs auffallend zu sein braucht (Gall,5; 2Tim 4,18; Hebr 13,21). Neben ihm steht eine Kurzform: »in alle Ewigkeit(( (~'toU~ aLöJv~ p46 BCL Chrys.), die mit Röm 11,36 übereinstimmt. Nach fester paläatinischer und semitischer Tradition endet die Doxologie mit der hebräischen Bekräftigung iq.Lftv. überblickt man das Ganze des doxologischen Zusammenhanges, so stellt man fest, daß ein älteres liturgisches Schema zugrunde liegt, das vom »Geheimnis Gottes« spricht. Es ist in äonenhaften Zeiten verschwiegen, jetzt aber geoffenban und allen Völkern kundgetan (IKor 2,7; Koll,26; Eph 3,4-5.9; Tit 1,2 f.). Dies Schema ist echtes apokalyptisches Gut und sicherlich alt. Der Verfasser unserer Doxologie hat aber dies Schema in seine Interpretation der paulinischen Theologie eingearbeitet und bestimmte Begriffe des Römerbriefes mit ihr verbunden. Er preiat den göttlichen Heilsplan, der sich jetzt erfiillt hat, und der in der paulinisehen Verkündigung zur Stärkung der Gemeinde niedergelegt iat. In der Doxologie redet vielleicht nicht mehr Paulus selbst, sondern ein späterer Bear~iter des paulinischen Textes. Er spricht wohl nicht polemisch und antignOitiach, wohl aber bestätigend und legitimierend. Das paulinische Won und die Autoritäten, auf die es sich beruft, sind rur die römische Gemeinde und die Gesamtkirehe verbindlich.
Die Weiterarbeit an der Exegese hat gemeinsame Ergebnisse ergeben, aber auch bestimmte Fragen offengdassen. Dazu gehört die Bestimmung der Gerechtigkeit als Macht und Gabe in der Struktur bei E. Käaemann und P. Stuhlmacher. Macht und Gabe lind für E. Käsemann keine echten Gegensätze. Gnade und Gerechtigkeit müssen als Erscheinung und Auswirkung Gottes selbst ventanden werden. Auch H. Schlier verweist darauf, daß mit dem Evangelium Gottes Macht, Gottes Möglichkeit und seine Hernchaft gegeben sei (R 42 f.). Anden versteht E. Lohse den umkämpften Zusammenhang. Er betont den forensischen Grundcha34 ZnR 586 möchte in V 27 du kleine Pronomen ., du die vorangehenden Dative wieder aufnimmt. aIa unecht Itreichen. Wir haben aber anzunehmen, daß Stil und Geruge der Doxologie schon ate Formen angenommen haben, daß aIao auch unser Zusammenhang ltark von ihnen bestimmt ist. Vgl. Ga! 1,15; 2Tun 4,18; Hehr 13,21; 4Makk 18,24 (H. ScHLIER).
Exegetische Grundfragen
491
rakter der Wortgruppe und bestreitet, daß von einem Machterweis Gottes die Rede sei, daß also ein allgemeiner Sprachgebrauch von Gott als Schöpfer und Stifter vorliegei. Im Zusammenhang mit der alttestamentlichen Theologie ist aber Gottes Handeln immer ein Eingriff in seine Schöpfung.
Verschieden ist die Art, wie das Verständnis des zweiten Hauptteiles in c. 5-8 sich in den Kommentaren von E. Käsemann und H. Schlier darstellt. E. Käsemann geht von der Frage aus, ob die angebotene Gnade, die mit dem regnum Christi zugleich geschenkt wird, der Lebenswirklichkeit des Glaubenden gerecht wird. Der Jude müsse einwenden, daß erlangte Gerechtigkeit von Tod und Sünde befreit und mit dem Leben aus dem Geist zusammen1ällt (S. 120f.). Es bleibt immer noch besser, den zweiten Hauptteil c. 5-8 als Weiterfiihrung und Entfaltung des Zitates Hab 2,4 anzusehen. Die sogenannte Lebenswirklich.keit entspricht der modemen Fragestellung, nicht der Situation des Judentuma, du nach der Geltung von Exegese, Halacha und Weiaheitsliteratur fragt. Urchristlich ist aber der Zusammenhang von Glaube und Taufe, weil mit der Verkündigung der Botschaft sowohl der Glaube wie auch die Erneuerung des Menachaeina vorgegeben sind (Apg 2,38; Mk 16,16;Joh 3,3). Glaube und Erneuerung des Menachseina gehören schon in frühchristlicher Tradition vor Paulus zusammen, wachJen also nicht ent in späterer Zeit zuaammen2 • Nach H. Schlier setzt mit dem zweiten Hauptteil c. 5-8 der wichtigste Klä-
rungsprozeß des ganzen Briefes ein. Die Verkündigung der Rechtfenigung soll jetzt die Gaben entfalten, die in ihr beschlossen sind (S. 139). Die Rechtfertigung ist mit dem Taufgeschehen notwendig verbunden; es geht um das Sein, Dasein und die Existenz des Christentums, um ontologisch zu reden. Wir sind mit Glaube und Taufe in ein neues Sein, Dasein und in eine neue Existenz gestellt. Das Geheimnis des Christseins wird also nicht allein vom Glauben als Akt menschlicher Entscheidung bestimmt. Der Glaube ist wohl die rechte Disposition für die Taufe und in diesem Sinn die Bedingung, unter der getauft wird. Er ist aber nicht das, was das Geschehen der Taufe als solches erst wirksam werden läßt und ersetzt3 • Damit hön der Glaube auf, ein einheitliches ))PrinziPCC zu werden. Echte Subjektivität und falsche Subjektivierung müssen geschieden werden. Die Fragestellung spitzt sich zu im Gespräch über den Gottesdienst im Alltag'. Wichtig ist, daß nach dem Alten Testament :w,-;~ und t)'~ hebräische Entsprechungen rür den Kultus sind: Seide Begriffe betonen das Recht Gottes zu bestimmter Zeit, an bestimmtem On und in bezug auf bestimmte Personen. Ziel des Gottesdienstes ist die Begegnung mit Gott, die Gemeinschaft mit ihm unter
1 E. LoHSE, Die Gerechtiglr.eit Gottes in der paulinia.chen Theologie, in: Die Einheit des Neuen Testaments, 1973,209-227; zur Dialtuuion vgl. die aufS. 222 Anm. 27 genannte Literatur. 2 Zum vorgegebenen urchristlichen Zuaanunenbang vgl. E. LoHSE, Taufe und Rechtfertigung bei Paulus, in: Die Einheit des Neuen Testaments, 1973,228-244; vgl. die aufS. 231 Anm. 14 und 15 angegebene Literatur. 3 Zum Ventändnia von H. ScHLIER vgI. Die Tawe- Nach dem 6. Kapitel des Römerbriefes, in: Die Zeit der Kirche, 4. Aufl. 1966,47-56 (vgl. die ZuaanunenfAuung der The.en aufS. 55 f.). 4 Zum Stichwort vgl. E. KAsEMANN, Gottesdienst im Alltag der Welt, ExVen. 11 1~204; H. ScHUER, Vom Wesen der apoltolischen Ermahnung-Nach Röm 12,1-2, in: Die Zeit der Kirche, 4. Auo. 1966,74-89; G. v. RAD, Theologie des Alten Testamentes Bd. 1,4. AuS. 1957,254-285; 370 (; 409 f. (Einbruch des rationalen Denkena).
492
Exegetische Grundfragen
Voraussetzung der Venöhnung, der Reinigung, der Sühne'. Man weiß auch von einer Entsprechung zwischen kultischem Dienst auf Erden und im Himmel (TestLev 3,6; Qumran; ApkJoh 8,3-5). Im Unterschied von hellenistischer Philosophie und Mystik ist urchristlicher Gottesdienst nach E. Käsemann eschatologisch; die kultische Sprechwei.~e dient dabei antikultischer Tendenz (R. Bultmann). Es geht um die Hingabe der leiblichen Existenz in dem sonst profanen Raum und im Alltag des Christen. Damit wird das allgemeine Priestenum der Gläubigen proklamien (IPetr 2,9). Der Apostel kennt nicht das Dasein als private Existenz; es hat öffentlichen, für die Welt gewichtigen, nämlich eschatologischen Charakter (Käsemann R 314). Es fragt sich, ob diese Argumentation begriftlich klar isL H. Schlier hatte fonnuliert: »Jetzt sollen sie ihr verborgenes Leben offenbaren im lebensträchtigen Opfer für Gott«6; dieser Begriff der Verborgenheit wird von Küemann R 312 in die Gegenüberstellung: privat - öffentlich umgedeutet - schwerlich mit Recht. Ausführlich nimmt H. Schlier in seinem Kommenw auf S. 385 Anm. 6 zu den entsprechenden Ausführungen E. K.ücmanns über Gottesdienst im Alltag Stellung: Röm 12,1-2 findet sich keine antikultiache oder antiamtliche Stellungnahme. Der vernünftige Gottesdienst steht im Gegensatz zu rationalen, moralischen oder mystischen Tendenzen. Auch die Aussagen Röm 12,3ff. 9ft: zielen nicht auf ein allgemeines Priestertum, sondern auf den rechten Gebrauch der Charismen und den Erweis echter Liebe.
H. Schlier hat recht Paulus denkt weder antikultisch noch im Gegensatz zum Amt. Auch ist das Amtsverständnis nicht aus dem Gegensatz zur Institution zu verstehen, wie es gewöhnlich geschieht, sondern aus der geschichtlichen bzw. soziologisch bestimmten Situation und dem Auftrag mit seiner Legitimation. Auftrag und Legitimation treten in den Vordergrund eines durch Dauer, Anerkennung und Abgrenzung gekennzeichneten Amtes, während das im hellenistischen Raum sich ausbreitende Charismatikenum im Zusammenhang mit penönlicher Begabung, Inspiration und Weisheitslehre steht'. Das amtliche Element ist von Anfang an dem Urchristentum mitgegeben: es verbindet sich mit dem Bewußtsein des Boten, der gesandt ist (bBer 5,5). Du urchristliche Amt weiß also um seine Sendung, darum ist es zunächst mit der Sendung verbunden. Es weiß um seinen Auftrag und ist bereit, sich zu legitimieren. Legitimation und Traditionsbildung sind nicht voneinander zu trennen. Gleichzeitig ist das Amt eine Spezifizierung des Geistes Gottes, der durch das Amt sein Werk an der Gemeinde tut. Apostel, Propheten und Lehrer gehören zwar in die Gliederung der Charismen, sind aber von Haus aus mehr als ein Charisma (Did 11,1-3; IKor 12,28). Verwandt ist auch die Ausbildung des alttestamentlichen Ähestenverständnisses: sie nehmen ausdrücklich am Heillgeschehen teil, tragen mit Moses zusammen die Last der Verantwortung und haben Geist vom Geist des Moses empfangen (Num 11,16 ft:). Daher können auch Apostel selbst Älteste genannt werden (Lk 10, I 8:; I Pett 5, I ff.). Amtlichen Charakter haben die hellenistischen Annenpfleger (Apg 6,1-6); vielleicht sind sie selbst »Ä1test~c und »Vonteher« im biblischen Sinn. Die soziologische Situation tri tt hier besonden heraus. Auch der Kreis der»Vonte5 G.
v. RAD, Theologie Bd. 1,255 geht von dem Kultus als Ausdrucbfonn ftirdas Recht Gottes aus. H. ScHUß, Vom Wesen der apostolischen Ermahnung, 83. Wichtig ist auch Anm. 14 (Gespräch mit der Exegese). 1 Der nun folgende Abechnitt ist eine ausdrückliche Auaeinandenetzung mit H. ScHLID., Ober du Hauptanliegen des I. Briefes an die Korinther, in: Die Zeit der Kirche, 147-159. 6
Exegetische Grundfragen
493
her« (1 Thess 5,12; Köm 12,8) muß hier erwähnt werden. Paulus setzt sich in seiner Mission selbstventändlich nicht über die soziologischen Gegebenheiten hinweg. Daß diese Ansätze schweren Einbrüchen neuer Strömungen des »Geistescc und der » Weisheit« nicht gewachsen sein können, dürfte zu vennuten sein. Einbrüche des Geistes, die mit der Entfaltung der Weisheitslehre zusammenhängen und enthusiastisches Gepräge aufweisen, setzen andersartige Begabungen und Ansprüche voraus, die nicht den Grundlagen der apostolischen überlieferung entsprechen. Du Kerygma kann seine eigene Weisheit entfalten, aber diese mUt aus dem Rahmen des Kreuzesgeschehens nicht heraus. Der Abwehr nomistischer Gesetzesinterpretation des Judentums entspricht bei Paulus die Abwehr schwärmerischer Weltweisheit, setzt aber eine intensive Bindung an eine eschatologische Weisung voraus (vgl. H. Gese, Zur biblischen Theologie, 1977)1.
In seinem Aufsatz: ).Geist und Buchstabec< (Paulinische Perspektiven, 1969, 263 ff.) wirft E. Käsemann der heutigen Theologie vor, daß sie im allgemeinen vergessen habe, daß ihr eigentlicher Gegner nicht der Unglaube sei, sondern der Aberglaube. Die christliche Gemeinde sei der Kampfplatz, auf dem christliChe Verkündigung sich mit dem Aberglauben auseinanderzusetzen habe. Ein kirchliches Institutionsdenken, das sich nach außen gegen den Unglauben abgrenzt, vergiBt häufig, wieviel der Aberglaube zur Kontinuität der Kirchengeschichte, der Theologie, der Institutionen beigetragen hat. Man darfnicht den Glauben aus einem besseren historischen Verständnis, den Geist nicht als das neue Gesetz betrachten. Es geht E. Käsemann um die Abwehr der Perversion des eigentlichen Gotteswillens. Ganz entsprechend stellt S. Schulz in seinem Aufsatz ••Die Charisrnenlehre des Paulus. Bilanz der Probleme und Ergebnisse« (Festschrift E. Käsemann, 1976, 443-460) die Charismenlehre in den Gegensatz zum Amts-, Rechts- und Ordnungsdenken der Antike Uudentum, Judenchristentum, Heidentum und Früh~ katholizismus) und erklärt sie als direkte ekklesiologische Entsprechung zur Rechtfertigungslehre (S. 450). Ausdrücklich wird damit die Konzeption von E. Käsemann aufgenommen. Paulus nimmt den Begriffder XYE'UJUl'tLxß in Korinth auf und ersetzt sie durch xaQfOJ.Ul'tQ (= Konkretion und Manifestation der Gnade). Allerdings bleibt die Tatsache bestehen, daß •• Apostel, Propheten und Lehrer« (IKor 12,28; Röm 12,6 f.) amtlichen Charakter behalten (Dauer des Auftrags, Autorität und Abgrenzung gegen andere) und daß die Unterordnung der Stände (Sklaverei, politischer Gehorsam der Bürger) von Bedeutung bleibt (S. 460). Die konkrete Unterordnung im jeweiligen Stand ist charismatisches Handeln und daher eschatologische Ermöglichung des Dienstes in den Ordnungen dieser Welt (S. 460). Allerdings ist die paulinische FragesteUungjetzt nicht mehr ausreichend: erst der freigelassene Sklave, die gleichberechtigte Frau, die Mün• Ich verweise aufdie Aufsätze »Das Gesetz« (S. 55 f[) und .Die Sühne« (S. 85 ff.) in dem Aufsatz-
band H. GESES.
494
Exegetische Grundfragen
digkeit des christlichen Staatsbürgers leben im Vollsinn charismatisch und in christlicher Freiheit (S. 460). Damit tritt die Frage der Veränderung und Umgestaltung der irdischen Strukturen in den Vordergrund. Röm 12,1-2 setzt bei der Preisgabe des menschlichen Ich und der Umgestaltung des Denkens ein. Diese Preisgabe und Umgestaltung müssen aus eigenen Voraussetzungen erklärt werden, stehen aber unter dem Vorzeichen des kommenden Endes und Zieles, das Lieht wirft auf die jeweilige Situation, in der das Christsein sich zu bewähren hat. Der gegenwärtige Gebrauch des Freiheitsvenländnisses entstammt venchiedenen geistigen Strömungen. Er ist geradezu die Kemidee des abendländischen Denkens und ist daher ebenfalls gefährdet. Christliche Freiheit entsteht aus dem Bereich der biblischen Transzendenz, griechische aus dem der 7E6A~. Das neue Dasein der Freiheit begegnet uns im Geist des Lebens und ist Ablösung des Gesetzes der Sünde und des Todes (Röm 8, I f.). Der Glaubende kehrt um zur Gerechtigkeit Gottes und verzichtet 10 auf die eigene Freiheit. Das gibt ihm die Freiheit der Demut (H. Schlier, Das vollkommene Gu,~ der Frei1ui19).
Die Dialektik als Beschreibung des Christseins, als Voraussetzung menschlicher Gedankenbildung und als geschichtlicher Ablauf bedarfder Hinterfragung. Damit ist der Weg frei zu einer ernsthaften Betonung der konkreten Herrschaft Jesu Christi hier und jetzt. Das Schwergewicht verlagert sich von einer falschen Subjektivierung weg auf ein objektives Geschehen, das weder durch Rationalismus noch durch Mystik sachkritisch erfaßt werden kann. Charismatische Existenz vollzieht sich im Bereith des »Leibes Christi«. Barrett R 235 entwickelt eine klare Konzeption, die aufgebaut ist auf das Mahnwort »Nüchternheit, Besonnenheit, Ernsthaftigkeitcc (12,3: ~)10. Es geht dabei unter Betonung der apostolischen Autorität (»)mir gegebene Gnadecc) um einen besonderen Einsatz (vgl. auch das »priesterliche Handelncc 15,16). In Rom gab es Heidenchristen, die sich pneumatisch gegen andere Christen absetzten. Die enge Verbindung der Gnade mit dem Glauben, der Wunder tut (Mk 9,23; Lk 17,6; I Kor 13,2), wird hervorgehoben: man soll sich aber nach Paulus nicht mit Gaben brüsten, sondern sich den Verheißungen Gottes ausliefern. Die Metapher des »Leibes«, die der Antike wohlbekannt ist (Livius), wird von Röm 12,5 aufgenommen: Sie ist eine Vorstufe für das Geheimnis des »)Leibes Christi«, das noch nicht angesprochen wird. Aus bestimmten eschatologischen Voraussetzungen entwickelt sich sowohl die Sakramentslehre wie auch das Geheimnis des »)Leibes Christi« bzw. des »Seins in Christus«. Der einzelne Christ soU sich in diese Relations- und Umgestaltungsprozesse einbeziehen lassen. Dabei darf man an eine k01llcrete Christologie denken: Es geht um den gekreuzigten und auferweckten Christus, der hier auf Erden in die messianischen Wehen gezogen wurde. Der BegriffXlxQt.OJ.LQ drängt nach zwei Richtungen: eineneits zur Zusammenfassung, zur Gabe als einer ganzen Einheit, anderseits zur Differenzierung und Unterscheidung. Wichtig bleibt die andersartige Differenzierung der verschiedenen Möglichkeiten in Käsemann R 323 ff., den O