Erle Stanley Gardner PERRY MASON
und Die Vertauschten Waffen Kriminalroman
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Erle Stanley Gardner PERRY MASON
und Die Vertauschten Waffen Kriminalroman
scanned by AnyBody corrected by JaBay Ein Mädchen und fünf Revolver. Kann das gutgehen? Einer liegt neben den starren Fingern der Leiche. Schon lange. Der zweite liegt in einem sicheren Versteck. Aber nicht lange. Den dritten schmuggelt Rechtsanwalt Perry Mason ein. Kurzerhand. Den vierten und fünften zieht sein Gegner je nach Bedarf. Und den kürzeren. Denn Mason kennt sich mit Revolvern aus - und mit Revolvermädchen. Doch beide haben es leider so an sich, daß sie unvermutet losgehen. Manchmal sogar nach hinten. (Backcover) ISBN 3 548 01421 6 Titel der amerikanischen Originalausgabe THE CASE OF THE SINGING SKIRT Übersetzt von Günter Eichel NEUAUFLAGE DER DEUTSCHEN ORIGINALAUSGABE im Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M - Berlin - Wien © by Erle Stanley Gardner Übersetzung © by Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M - Berlin - Wien Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany 1971 - Gesamtherstellung Ebner, Ulm
Inhalt Inhalt ................................................................................................ 2 1....................................................................................................... 3 2....................................................................................................... 6 3.....................................................................................................18 4.....................................................................................................30 5.....................................................................................................43 6.....................................................................................................54 7.....................................................................................................76 8.....................................................................................................83 9.....................................................................................................94 10.................................................................................................101 11.................................................................................................127 12.................................................................................................132 13.................................................................................................170 14.................................................................................................183 15.................................................................................................192
1 George Anclitas sah Ellen Robb mit dem abschätzenden Blick eines Viehhändlers an, der ein paar Zuchtkühe besichtigt. »Schwarze Strümpfe«, sagte er. Ellen nickte. »Lange schwarze Strümpfe, bis hierher«, sagte George und deutete mit einer Handbewegung auf seine Hüften. »Strumpfhosen«, fügte Slim Marcus beiläufig hinzu. »Das ist mir völlig schnuppe, wie die Dinger heißen«, sagte George. »Aber seidig-schwarzen Glanz müssen sie haben, wenn sie die Beine möglichst eng und hoch hinauf umspannen.« »Das ist die Masche«, sagte Slim. »Strumpfhosen.« »Und der Rock«, fuhr George fort und blickte Ellen abwägend an, »kurz, kürzer, am kürzesten, und mit einer winzigen weißen Schürze. Du weißt doch: nicht viel größer als ein Taschentuch, mit viel Spitze und großer Schleife hinten.« »Also heute abend?« fragte Slim. »Heute abend nehmen wir ihn aus«, sagte George. »Restlos?« »Warum sollen wir mittendrin aufhören?« Und zu Ellen sagte George: »Dich mag er besonders. Er frißt dich mit den Augen, wenn du dein Röckchen anhast. Sobald dein Auftritt zu Ende ist, schnappst du dir also den Bauchladen und kommst her. Aber schön auf der Seite des Tisches bleiben, wo er dich auch sehen kann; und ihn immer ablenken, solange ich dir kein Zeichen gebe.« »Und vergiß nicht das Zeichen!« sagte Slim. »George fährt sich mit der rechten Hand über den Kopf, als streiche er sich das Haar zurück.« George hob seine gepflegte Hand, fuhr sich damit über das schwarzgerollte Haar und probte den verabredeten Trick.
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»In diesem Augenblick«, erklärte Slim weiter, »kommst du sofort rechts an unseren Tisch, aber stellst dich hinter ihn. Und jetzt paß genau auf. Wenn er nur zwei Paare oder meinetwegen auch drei hat, sagst du: >Möchten Sie eine Zigarette, Mr. Ellis?< Das darfst du aber bloß sagen, wenn er höchstens drei Paare hat. Falls du ganz geschäftsmäßig >Zigarren, Zigaretten< rufst, und zwar zweimal, hat er sämtliche Bilder einer Farbe, aber wenn du es nur einmal sagst, fehlt ihm nur der Bube.« »Und wenn er sämtliche Bilder von mehr als einer Farbe hat«, fiel George ein, »oder vier gleiche Bilder, dann sagst du, du hättest keine ...« Zum erstenmal machte Ellen Robb den Mund auf. »Nein!« Die beiden Männer sahen sie ungläubig an. »Das mache ich nicht, George. Ich singe und zeige den Leuten meine Beine; aber euch zu helfen, wenn ihr Helman Ellis oder irgend jemand anderen ausnehmen wollt - ohne mich!« »Den Teufel wirst du!« sagte George. »Vergiß nicht, daß du hier angestellt bist, Schwester. Dies ist mein Laden, und du tust, was ich befehle. Was ist denn mit dir los? Hast du dich etwa in diesen Kerl verknallt?« Und nach einer kurzen Pause fügte er weniger grob hinzu: »Außerdem sollst du es auch nur, wenn ich das Zeichen gebe, Ellen. Ich glaube gar nicht mal, daß es überhaupt nötig ist. Wahrscheinlich schaffen wir es bei diesem Säugling auch auf die kalte Tour. Aber er mag dich. Er frißt dich fast mit den Augen auf. Allein deinetwegen taucht er doch immer wieder hier auf. Und wir haben ihn bisher ganz schön gemästet; erst hat er ein bißchen verloren, dann haben wir ihn ein bißchen gewinnen lassen, und wieder hat er ein bißchen mehr verloren. Dafür wissen wir jetzt wenigstens genau, wie er spielt. Aber heute abend sitzen noch ein paar andere mit am Tisch, und dadurch wird die Sache natürlich etwas schwieriger.« »Ich mache nicht mit«, wiederholte Ellen Robb. »Verdammter Mist!« sagte Slim. -4 -
George stieß seinen Stuhl zurück, sprang auf, und sein Gesicht war vor Wut dunkelrot. Dann holte er tief Luft und lächelte. »Also gut«, sagte er. »Zieh' dich an. Wenn du nicht willst - ich werde dich bestimmt nicht zwingen. Es bleibt also bei deiner Singerei. Vergiß das andere. Wir schaffen es auch ohne dich was, Slim?« Slim schien diese jähe Veränderung in Georges Benehmen nicht ganz geheuer zu sein. »Na ja«, sagte er, »sicher ... wahrscheinlich, wenn du es glaubst, George. Sicher werden wir ihn auch so vors Blatt kriegen.« »Das kannst du glauben«, murrte George. »Also vergiß das von vorhin, Ellen. Und zieh dich jetzt an. Und denk an die schwarzen Strümpfe.« Lautlos verließ Ellen Robb das Zimmer. Slim Marcus starrte auf ihre Hüften, bis der grüne Vorhang sich hinter ihr geschlossen hatte. »Gebaut ist sie ganz ordentlich«, sagte George. »Aber das ist nur für die Kundschaft, als Köder.« »Verdammt noch mal! Was ist eigentlich los?« polterte Slim. »Ich dachte vorhin, du hättest sie in der Hand und sie hätte zu parieren, sonst...« Anclitas schüttelte den Kopf. »Es wäre bei dem >sonst< geblieben«, sagte er. »Das Mädel ist nämlich nicht auf den Kopf gefallen.« »Und was ist jetzt?« forderte Slim Antwort. »Wer hat hier eigentlich zu bestimmen?« »Wir«, sagte George, »aber wir wollen ihr nicht verraten, daß wir diesem Ellis heute abend fünf Tausender abnehmen - und dann weiß sie es, rennt zu Ellis' Frau und verrät ausgerechnet ihr, daß das Spiel abgekartet war. Du weißt selbst, was dann passiert.« »Und nun?« fragte Slim. »Jetzt«, erklärte George Anclitas, »da sie sich weigert mitzumachen, ist sie für mich erledigt. Aber warum die
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Geschichte so plötzlich regeln? Wenn ich jemanden los sein will, dann richtig und für immer.« »Und was hast du jetzt vor?« »Hereinlegen werde ich sie«, antwortete George, und sein Gesicht rötete sich wieder. »Ich werde ihr nachweisen, daß sie gestohlen hat, und dann zum Teufel mit ihr! Die Drohung, sie einsperren zu lassen, genügt. Ich werde ihr das Fahrgeld nach Arizona geben unter der Bedingung, innerhalb vierundzwanzig Stunden unseren Staat zu verlassen. Sie weiß nämlich schon viel zuviel. Wir müssen ihr einen schlechten Ruf anhängen. Erinnerst du dich noch an das Mädel, das wir damals einsperren ließen? Die sitzt heute noch!« »Glaubst du eigentlich, daß wir Ellis auch ohne Tricks ausnehmen können?« fragte Slim. »Warum denn nicht? Das ist uns doch schon mehr als einmal geglückt, oder?« Slim nickte. »Na also. Nun mach dir bloß keine Gedanken.« »Das tue ich auch gar nicht. Ich möchte bloß sichergehen.« »Und das ist bei unserem Gewerbe immer etwas schwierig«, sagte George.
2 Della Street, die Privatsekretärin Perry Masons, stand in der Tür, die vom Privatbüro des Anwalts in den Gang hinausführte, an dem das Empfangszimmer lag. Ein amüsiertes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Schließlich spürte Mason, daß sie sich nicht von der Stelle rührte, und blickte von dem Buch auf, in dem er las. »Sie haben immer gesagt«, bemerkte Della Street gerissen, »Fälle, in die junge und alleinstehende Mädchen verwickelt wären, lägen nicht auf Ihrer Linie.«
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»Stimmt«, bemerkte Mason nachdrücklich. »Ich will dramatische Fälle, Fälle, an denen ich die menschliche Natur studieren kann.« »Aber im Vorzimmer sitzt ein derartiger Fall«, sagte Della Street. »Mit einer phantastischen Figur und anderen Reizen«, fügte sie boshaft hinzu. Mason schüttelte den Kopf. »Wir sind völlig ausverkauft, Della. Und Sie wissen, daß mir Routine-Angelegenheiten keinen Spaß machen. Ich ...« Irgend etwas in ihrem Verhalten löste bei Mason eine verzögerte Reaktion aus. »Um was, sagten Sie, handelt es sich?« »Um eine fabelhafte Figur.« Mason schob das Buch zur Seite. »Verraten Sie mir noch eins, handelt es sich um ein attraktives Mädchen?« »Um ein sehr attraktives«, sagte Della Street. Mason grinste. »Meinen Sie damit, daß sie aufregend ist?« »Aufregend?« wiederholte Della Street nachdenklich. »Ich würde sagen: hinreißend!« »Wie alt?« »Vierundzwanzig, fünfundzwanzig, vielleicht auch sechsundzwanzig.« »Figur?« »Atemberaubend.« »Name?« »Ellen Robb, ehemaliges Fotomodell, jetzt Sängerin in einem Nachtklub und gleichzeitig Zigarettenverkäuferin.« »Herein mit ihr!« rief Mason. »Sie werden einen einmaligen Auftritt erleben«, warnte Della Street ihn. »Sie ist kostümiert.« »Das sind die meisten Frauen«, sagte Mason und fügte dann hinzu: »Zumindest, wenn sie ein Büro betreten.« »Dieses Mal«, bemerkte Della Street, »ist es aber doch anders.« -7 -
Mason legte die Finger seiner linken Hand auf das rechte Handgelenk und beobachtete dabei seine Armbanduhr. »Puls hundertzwanzig«, sagte er, »Atmung beschleunigt und flach. Wie lange lassen Sie mich noch warten, Della? Erst reizen Sie mein Interesse bis zur Unerträglichkeit, und dann...« »Wie hoch war der Puls?« fragte sie. »Hundertzwanzig.« »In genau fünf Sekunden«, sagte Della Street, »messen Sie ihn noch mal, und wenn er dann nicht auf hundertachtzig gestiegen ist, dürfen Sie mein Gehalt kürzen.« Sie verschwand für einen Augenblick und kehrte dann mit Ellen Robb zurück. Fragend blickte Mason auf die selbstsichere junge Frau im großkarierten Mantel. »Mr. Mason, das ist Miss Robb«, sagte Della Street, und dann wandte sie sich an Ellen. »Wenn Sie Ihren Mantel ausziehen wollen, um Mr. Mason sehen zu lassen, was Sie mir vorhin zeigten ...« Ellen Robb schlug den Mantel auseinander. Della Streets Hände griffen nach dem Kragen und nahmen dem Mädchen den Mantel ab. Anmutig und ohne die geringste Befangenheit stand Ellen Robb vor Mason. Sie trug einen knappsitzenden Pullover, einen Rock, der etwa zwanzig Zentimeter oberhalb der Knie aufhörte, und schwarze Strumpfhosen. Eine kleine Schürze in der Größe eines Taschentuchs und mit reichlich Spitze umsäumt war um ihre Taille gebunden. Ohne es zu wollen, machte Mason große Augen. »Miss Robb«, erläuterte Della Street, »gewann bei einem Schönheitswettbewerb den ersten Preis einschließlich einer Fahrt nach Hollywood, einer Probeaufnahme und eines gewissen Anspruchs auf Publicity.« »Eine Probeaufnahme?« fragte Mason.
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Ellen Robb lächelte und sagte: »Sie gehörte zur Publicity. Später habe ich nie wieder etwas gehört. Ich glaube manchmal, daß überhaupt kein Film in der Kamera war.« »Und die Reise nach Kalifornien?« »Die gab es tatsächlich«, sagte sie. »Ich mußte nur warten, bis das Flugzeug nicht voll besetzt war. Aber schön war es trotzdem.« Und dann fügte sie noch hinzu: »Solange es dauerte.« »Wann hörte es auf?« »Vor etwa sechs Monaten.« »Was haben Sie seitdem gemacht?« »Verschiedenes.« »Zuletzt«, sagte Della Street, »war sie als Zigarettenverkäuferin und Sängerin in Rowena beschäftigt.« »Rowena«, sagte Mason nachdenklich, »das ist doch die kleine Stadt, wo...« »Wo alle Spiele, die nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen, durch eine städtische Verordnung zugelassen sind«, sagte Della Street, »Der Ort ist gerade so groß, daß er derartige Verordnungen erlassen kann. Die gesamten Ausgaben der Stadt werden von den Spielsalons und durch die Bestrafung unaufmerksamer Touristen aufgebracht, die nicht auf die Geschwindigkeitsbegrenzung in den einzelnen Stadtvierteln achten.« »Die gesamte Polizei«, ergänzte Ellen Robb lächelnd, »besteht aus einem einzigen Mann. Wenn er sich im Osten der Stadt aufhält, achtet er streng darauf, mindestens einen Strafzettel während der Fahrt in den Westteil auszustellen. Alle Leute, die in dieser Zeit in Richtung Osten fahren, bleiben unbehelligt, einerlei wie rasend sie fahren. Wenn die Polizei sich anderer seits im Westen der Stadt aufhält, ist es besser, wenn die gleichen Leute nur im Schneckentempo dahinkriechen, weil sie sonst eine Vorladung bekommen.« »Wenn ich richtig verstanden habe, ist der Beamte also äußerst unparteiisch«, sagte Mason. -9 -
»Vollkommen unparteiisch. Ob er nun in Richtung Osten oder Westen fährt - jedesmal wird nur ein einziger Fahrer aufgeschrieben. Da der Bezirk ziemlich klein ist, hat der Beamte auch Gelegenheit, diese Quote zu steigern.« »Ich stelle jedenfalls fest, daß Sie Humor haben«, sagte Mason. »Und da Della alles für den dramatischen Auftritt der Hauptperson dieses Falles vorbereitet hat, können Sie sich jetzt ruhig hinsetzen und mir erzählen, was Ihnen Kummer macht.« Ellen Robb ging ganz ungezwungen durch das Büro, ließ sich in dem großen Ledersessel nieder, schlug ihre langen Beine übereinander und sah Perry Mason lächelnd an. »Schließlich«, sagte sie, »habe ich mich langsam daran gewöhnt, mich so anderen Leuten zu zeigen. Manchmal haben die Leute mich derart angestarrt, daß ich glaubte, es würde mir auch nicht das geringste ausmachen, mitten auf dem Broadway in einer gläsernen Badewanne zu baden ... Auch das könnte mich nicht hindern, dumm und verrückt zu sein, Mr. Mason.« »Und in welcher Beziehung sind Sie dumm und verrückt?« fragte der Anwalt. »Vor fünf Monaten«, antwortete sie, »bekam ich eine Stellung bei George Anclitas. Er hat ein Lokal in Rowena, einen kleinen Nachtklub mit einem Nebenzimmer, in dem erlaubt gespielt wird.« »Und wann endete Ihre Beschäftigung dort?« »Gestern abend, und zwar sehr plötzlich.« »Was war los?« »George und Slim Marcus, seine rechte Hand, waren ...« »Slim?« fragte Mason. »In Wirklichkeit heißt er Wilton Winslow Marcus, aber genannt wird er immer nur Slim.« »Weiter«, sagte Mason und sah, daß Della Street die Namen notierte. »Ich sollte eine krumme Sache mitmachen. Sie wollten mich hinter einem Neuling postieren, und ich sollte ihnen angeben, welche Karten er in der Hand hatte.« -1 0 -
»Und das haben Sie getan?« »Eben nicht.« »Was passierte daraufhin?« »Ich hätte es mir vorher überlegen sollen«, sagte sie. »George ist gefährlich. Er ist jähzornig, und gestern war er ausgesprochen wütend. Ganz plötzlich hatte er sein schmieriges und dreckiges Grinsen aufgesetzt und meinte, es sei alles in Ordnung, sie kämen auch ohne mich zurecht.« »Kam man dann ohne Sie zurecht?« »Das weiß ich nicht. Ich war nicht mehr lange genug da.« »Was geschah also - mit Ihnen, meine ich?« fragte Mason. »George sagte, dem Mädel von der Kasse sei schlecht geworden, und er müsse sie nach Hause schicken. Ich sollte die Kasse übernehmen; dafür sollten ein paar meiner Auftritte ausfallen. Und dann fehlten plötzlich hundertzwanzig Dollar.« »Für die Zeit, die Sie an der Kasse saßen?« »Ja.« »War das Geld wirklich verschwunden oder ...« »Das Geld war weg. Die Abrechnung stimmte einfach nicht.« »Wie kam das?« »Offen gesagt: ich weiß es nicht, Mr. Mason. Ich glaube, George hatte irgendwie seine Finger drin, als er die Kasse abrechnete, bevor er sie mir übergab. George ist sehr flink und hat eine geschickte Hand. Er kann die Karten von unten oder auch jede zweite geben, und es ist fast unmöglich, ihn dabei zu erwischen. Ich glaube, daß er etwas Ähnliches machte, als er die Scheine in der Kasse mit mir durchzählte. Ich weiß nur, im ganzen fehlten hundertzwanzig Dollar, als ich die Abrechnung machte.« »Wer hat es gemerkt?« »Ich.« »Und was taten Sie daraufhin?«
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»Ich ging sofort zu George und erzählte es ihm - das heißt, ich ließ es ihm durch eine Kellnerin sagen. Er saß gerade bei einem Spiel.« »Und was passierte?« »Er schmiß mich raus. Ich hatte noch ungefähr hundert Dollar von ihm zu bekommen; davon gab er mir vierzig Dollar. Nach seiner Meinung reichte es, aus der Stadt zu verschwinden. Er drohte, mich anzuzeigen, wenn ich den Bundesstaat nicht in vierundzwanzig Stunden verlassen hätte. Eine Diebin nannte er mich und noch verschiedenes anderes ...« »War jemand dabei?« fragte Mason. »Ein paar Leute im Lokal haben es bestimmt gehört«, antwortete sie. »Er sprach nicht gerade leise.« »Kennen Sie ihre Namen?« »Nur ein paar. Sadie Bradford war dabei.« »Wer ist das?« »Eines der Mädchen, die überall einspringen müssen, mal in der Damentoilette, mal in der Garderobe. Manchmal arbeitet sie auch im Büro des Motels.« »Ein Motel gibt es also auch?« fragte Mason. »Ja. George und Slim sind Besitzer von zwei ganzen Straßenvierteln. Ein Motel mit Swimming-pool, eine Forellenzucht, ein Nachtklub mit Bar und dann noch so eine Art Casino gehören dazu. Ein Teil der Gebäude ist modern, andere sehen wacklig aus und sind altmodisch. Der Nachtklub zum Beispiel war ursprünglich eine Scheune. George hat sie ausgebaut, einiges hineingesteckt, aber die Atmosphäre einer Scheune bewahrt, und jetzt heißt das Lokal The Big Barn.« »Könnte man Sadie als Zeugin anführen?« »Das weiß ich nicht. Immerhin verdient sie bei George ihre Brötchen.« »Was geschah, nachdem er Sie als Diebin bezeichnet und Sie aufgefordert hatte, den Bundesstaat zu verlassen?« fragte Mason. -1 2 -
»Ich wollte meine Straßensachen aus dem Schrank holen, aber er sagte, daß das, was im Schrank sei, als Beweis zu bleiben hätte und daß er annähme, ich hätte dort Geld versteckt. Er gab mir nur meinen Mantel, und ich mußte verschwinden.« »Eine ziemlich merkwürdige Art, Angestellte zu entlassen«, sagte Mason. »Er hatte dabei eine bestimmte Absicht«, entgegnete Ellen Robb. »Wollte er die Sachen als Pfand behalten ?« »Das auch. Aber während der letzten Wochen hatten sie immer mit Helly Ellis gepokert - sein richtiger Vorname ist Helman, Helly ist nur sein Spitzname.« »Und dieser Helman Ellis war dann wohl auch derjenige, dem Sie in die Karten sehen sollten?« »Ja. Gestern abend hatten sie beschlossen, Ellis endlich auszunehmen, und George hatte natürlich Angst, daß ich verraten würde, was für eine Rolle ich dabei spielen sollte, und daß es deswegen Ärger geben würde. Deshalb benutzte er die Gelegenheit, mich hineinzulegen, mich möglichst geräuschvoll rauszuwerfen und mir nur so viel Geld zu geben, um aus der Stadt zu verschwinden. Meine Sachen wollte er in einen Koffer packen und an das Greyhound Bus Depot in Phoenix, Arizona, nachschicken. Dort sollte ich sie abholen.« »Und was ist, wenn er Ihren Schrank ausräumt?« fragte Mason. Sie blickte ihn offen an. »Sie kennen George nicht«, sagte sie. »Aber ich. Wenn er meinen Schrank ausräumt, tut er es nur vor Zeugen und findet dabei bestimmt ein ganzes Bündel Geldscheine.« »Saßen Sie zum erstenmal an der Kasse?« »Nein, das habe ich schon ein paarmal getan.« »Hat schon einmal was gefehlt?« »Das glaube ich sicher«, antwortete sie, »aber nie beim Bargeld. Ich habe mehrere Male gehört, wie George sich beklagte, daß die Abrechnungen kleiner würden, obgleich das Geschäft gut ginge. Er deutete an, irgend jemand unterschlage -1 3 -
Geld, indem er nur einen Teil der Rechnungen durch die Registrierkasse laufen lasse. Er drohte sogar, Privatdetektive holen und alle mit einem Lügendetektor untersuchen zu lassen.« »Demnach war er also bei seinen Angestellten nicht allzu beliebt«, meinte Mason. »So kann man es nennen«, sagte Ellen Robb trocken. »Und irgend jemand hatte also Geld unterschlagen?« fragte Mason. »Er schien es zu glauben, und meiner Meinung nach hat er damit wahr scheinlich sogar recht.« »Könnten der oder die Betreffenden vielleicht auch in Ihrem Fall beteiligt gewesen sein?« Sie schüttelte den Kopf. »Die meisten Unterschlagungen sind in der Bar vorgekommen. Die Leute, die an der Bar sitzen, bezahlen sofort; wenn nun sehr viel los ist und der Barmixer von vier oder fünf Gästen gleichzeitig kassiert, kann er falsche Beträge auf der Kasse registrieren, ohne daß es auffällt.« »Haben Sie auch an der Bar gearbeitet?« »Gestern abend nicht. Ich hatte die Hauptkasse. Solange ich Dienst hatte, hatte ich auch den einzigen Schlüssel für die Kasse - wenigstens soll es angeblich der einzige Schlüssel sein. Dabei sitzt man auf einem Stuhl, und die Gäste kommen mit ihren Schecks, oder die Kellnerinnen kommen und schreiben die Rechnungen für ihre Tische aus. Dann nimmt man das Geld in Empfang und gibt das Wechselgeld heraus.« »Konnten Sie nicht ebenfalls kleine Beträge unterschlagen, wenn Sie wollten?« fragte Mason. »An der Hauptkasse hat man mehr mit Schecks zu tun. Die Kellnerinnen geben ihre Bestellungen schriftlich weiter und behalten einen Durchschlag; diese Durchschläge werden bei der Abrechnung verglichen. Theoretisch muß die Hauptkasse einen Betrag aufweisen, der der Gesamtsumme jener Rechnungen entspricht, die die Kellnerinnen ausgestellt haben.
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Aber trotzdem gibt es Möglichkeiten, kleinere Beträge unter den Tisch fallen zu lassen.« »Wie denn?« fragte Mason. »Durch Bluffen, zum Beispiel.« »Bluffen?« »Ein Gast bezahlt seine Rechnung selbst an der Kasse. Die Rechnung beträgt zwei Dollar fünfundachtzig; er bezahlt mit einem Zwanzig-Dollar-Schein. Man rechnet zum Schein die einzelnen Beträge noch einmal durch, plötzlich scheint irgend etwas mit dem Schlüssel der Registrierkasse nicht zu stimmen, und man konzentriert sich ganz auf den Fehler. Schließlich bucht man zwei Dollar fünfundachtzig, und ohne scheinbar allzu genau hinzusehen, gibt man erst fünfzehn Cents heraus, dann zwei Ein-Dollar-Scheine, dann einen Fünf-Dollar-Schein, dann starrt man in die Kassenschublade, und in neun von zehn Fällen steckt der Gast das Wechselgeld ein und geht. Wenn er plötzlich zögert, einfach stehenbleibt, nimmt man zwei FünfDollar-Scheine und gibt sie ihm mit einem strahlenden Lächeln; dann beschäftigt man sich wieder mit der Schublade.« »Sie scheinen sämtliche Tricks zu kennen«, meinte Mason nachdenklich. »Einige kenne ich bloß vom Hörensagen«, antwortete sie. »Und singen tun Sie also auch?« »Ja.« »Dann lassen Sie uns mal etwas hören«, sagte Mason. Sie legte den Kopf zurück, sang einige Zeilen eines Schlagers, hörte wieder auf und sagte: »Morgens bin ich immer etwas heiser. Ich singe gern, ich liebe Musik, schon immer, aber wenn man immer in völlig verqualmten Räumen singen muß, geht das auf die Dauer auf die Stimmbänder.« Mason nickte und betrachtete prüfend das Gesicht der jungen Frau. »Ihr Leben ist also ein ziemliches Auf und Ab gewesen?« fragte er. -1 5 -
»Meistens ein Ab«, sagte sie. »Aber ich gebe nicht auf. Wahrscheinlich werde ich wieder als Modell arbeiten. Man kann dabei ganz gut verdienen - nur weiterkommen nicht.« »Was hält man in Rowena von George Anclitas?« bohrte Mason weiter. »Das hängt davon ab, wen Sie fragen. Der Friedensrichter ist völlig von ihm abhängig. Mit Miles Overton, dem Polizeichef, steckt er auch irgendwie unter einer Decke. In den offiziellen Kreisen ist sein Ruf unantastbar. Ein paar Leute mögen ihn nicht besonders, aber sie dienern alle vor ihm. Er hat sehr viel Macht.« »Ich glaube«, sagte Mason, »wir sollten uns trotz der vielen Arbeit aufmachen und diesen George Anclitas besuchen. Kennen Sie zufällig seine Telefonnummer?« »Rowena 6 94 81.« Mason nickte Della Street zu. »Verbinden Sie mich bitte mit Anclitas, Della. Mal sehen, was er dazu meint.« Wenige Augenblicke später gab Della Street, als sie durchgewählt hatte, Perry Mason ein Zeichen. Mason nahm den Hörer ab. »George Anclitas?« fragte er. »Klar«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Wer ist da? Was wollen Sie?« »Hier ist Perry Mason. Ich bin Rechtsanwalt.« »Und? Was will ein Rechtsanwalt von George Anclitas?« »Ich möchte Sie sprechen.« »Um was geht es?« »Um eine Angestellte.« »Wer ist das?« »Ellen Robb, eine Sängerin.« »Ach, diese Schlampe. Was ist mit der?« »Ich komme zu Ihnen hinaus«, sagte Mason. »In etwa einer halben Stunde bin ich bei Ihnen. Miss Robb wird mich begleiten. Ich verlange die Herausgabe ihres gesamten -1 6 -
persönlichen Besitzes, ich verlange femer das ihr noch zustehende Gehalt, über das übrige reden wir anschließend.« »Schön, schön«, sagte George. »Jetzt will ich Ihnen mal etwas sagen. Wenn Sie Ellen Robb mitbringen, lasse ich sie sofort verhaften. Wenn sie die nächsten sechzig Tage unbedingt hinter Gittern sitzen will - Platz ist genügend da. Sagen Sie ihr nur, daß ich für sie ein Begrüßungskomitee auf die Beine stellen werde.« »Wie Sie wollen«, sagte Mason. »Wenn Sie sie von einem Komitee empfangen lassen wollen, können Sie bei der Gelegenheit auch gleich zehntausend Dollar von Ihrem Konto abheben.« »Zehntausend Dollar? Wovon reden Sie eigentlich?« »Im Namen Ellen Robbs werde ich Anklage erheben wegen Diffamierung, wegen Verleumdung und falscher Beschuldigung. Sollten Sie zehntausend Dollar in bar bereit haben, werde ich Miss Robb eventuell raten, eine finanzielle Entschädigung anzunehmen und auf eine strafrechtliche Verfolgung zu verzichten.« »Verdammt noch mal! Wovon reden Sie eigentlich?« brüllte Anclitas in das Telefon. »Von den geschäftlichen Dingen, die ich mit Ihnen besprechen will«, sagte Mason und legte den Hörer auf. Über seinen Schreibtisch hinweg blickte der Anwalt in Ellen Robbs aufgerissene Augen. »Wollen Sie nicht lieber Ihren Mantel überziehen, damit wir fahren können?« Sie holte tief Luft. »So hat noch kein Mensch mit George Anclitas geredet. Meinetwegen können wir sofort fahren.« Mason nickte Della Street zu. »Nehmen Sie einen Stenogrammblock mit, Della.«
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3 The Big Barn in Rowena war ein zweistöckiger Fachwerkbau, dessen Vorderseite einer Scheuneneinfahrt ähnelte. Das große Scheunentor war halb geöffnet. Unmittelbar hinter dem Tor war eine Zwischenwand gezogen, die mit Stroh verkleidet war, wodurch der Eindruck entstand, es handele sich um eine mit Garben vollgestopfte, riesige Scheune. Unter anderem gehörte auch ein Motel zu dem Betrieb. An der Straße verkündete ein Schild: »Forellenzucht. Vermietung von Angelgerät. Verkauf von Köder. Kein Angelschein erforderlich.« Perry Mason parkte, half Della Street sowie Ellen Robb aus dem Wagen und ging dann auf die geöffnete Tür des Nachtklubs zu. Nach dem hellen Sonnenlicht draußen schien das Innere des Gebäudes in undurchdringliche Dunkelheit gehüllt zu sein. In dieser Dunkelheit bewegten sich ein paar Schatten. »Ich bin Miles Overton, der Polizeichef von Rowena«, sagte eine männliche Stimme. »Was wollen Sie hier?« Ellen Robb unterdrückte einen Aufschrei. »Wo ist George Anclitas?« fragte Mason. »Ich bin hier.« George Anclitas drängte sich streitlustig nach vorn; seine tiefliegenden Augen funkelten Mason feindselig an. Masons Augen hatten sich schnell an das Dämmerlicht gewöhnt. »Mein Name ist Perry Mason. Ich bin Rechtsanwalt«, sagte er. »Ich vertrete Miss Ellen Robb. Sie haben Miss Robb gestern abend hinausgeworfen, ohne ihr Gelegenheit zu geben, ihre Sachen mitzunehmen. In erster Linie möchten wir daher die ihr gehörenden Sachen aus dem Schrank holen.« »Gut, gut«, sagte George. »Sie wollen an ihren Schrank. Der Polizeichef ist gerade hier. Er wird den Schrank durchsuchen.« »Ohne Durchsuchungsbefehl wird es leider nicht möglich sein.«
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»Das glauben Sie vielleicht«, sagte der Polizeichef. »Wenn Ellen Robb die Schranktür aufmacht, werde ich einen Blick hineinwerfen. Dieses Haus gehört George Anclitas. Er hat mir die Erlaubnis erteilt, jeden Teil seines Hauses wie ich will zu durchsuchen.« »Der Schrank ist Eigentum meiner Klientin«, entgegnete Mason. »Hat sie das schriftlich?« fragte George. »Er wurde ihr als Aufbewahrungsort überlassen«, erwiderte Mason. »Solange sie hier arbeitete. Jetzt arbeitet sie nicht mehr hier. Ich verlange Einsicht, ich will sehen, was er enthält, und ich wette, ein Teil des Geldes, das bei der Abrechnung fehlte, fällt mir entgegen.« »Sie meinen«, sagte Mason, »Ellen Robb hat Geld aus der Kasse genommen, ist an ihren Schrank gegangen, hat aufgeschlossen, das Geld in den Schrank getan und dann wieder abgeschlossen?« »Wo soll sie es denn sonst gelassen haben?« fragte George. Mason sah seine Klientin an und kniff ein Auge leicht zu. »Das«, sagte er, »ist die Frage.« »Und damit haben Sie verdammt recht«, bellte George. »Haben Sie einen Schlüssel zum Schrank?« fragte Mason. »Warum sollte ich denn?« »Ich dachte, Sie hätten vielleicht einen Hauptschlüssel, der zu allen Schränken paßt.« »Da haben Sie sich eben getäuscht.« »Sie können diesen Schrank also nicht öffnen?« »Natürlich nicht. Den Schlüssel habe ich ihr gegeben. Sie hat ihn in der kleinen Handtasche, die sie unter dem Mantel versteckt. Ich habe selbst gesehen, wie sie ihn in die Handtasche steckte.« »Also konnten Sie den Schrank nicht öffnen?« »Natürlich nicht. Den Schlüssel hat sie doch.« -1 9 -
»Wie«, konterte Mason, »wollten Sie dann die Sachen herausholen und sie nach Phoenix schicken?« George zögerte einen Augenblick: »Ich hätte einen Schlosser kommen lassen.« »Laß dich nicht mit ihm ein, George«, sagte der Polizeichef. »Er will dir doch bloß ein Geständnis entlocken.« »In erster Linie«, sagte Mason, »möchte ich die Sachen meiner Klientin abholen. Ich mache Sie schon jetzt darauf aufmerksam: jeder Versuch, die Sachen meiner Klientin ohne einen Durchsuchungsbefehl zu untersuchen, wird als gesetzwidrige Verletzung der Rechte meiner Klientin angesehen. Ferner verlange ich von Mr. Anclitas eine Entschuldigung für die Bemerkungen, mit denen er die Ehrlichkeit meiner Klientin anzweifelte. Eine derartige Entschuldigung wird von meiner Klientin nicht als Schadenersatz angesehen, aber wir sind der Ansicht, daß der Schaden dadurch gemindert wird.« George wollte etwas sagen, aber der Polizeichef kam ihm zuvor. »Nicht aufregen, George. Wo ist Jebley?« »Das möchte ich auch wissen«, ärgerte sich Anclitas. »Ich habe meinen Anwalt hierherbestellt. Diese Schlampe taucht hier plötzlich mit einem Anwalt auf, aber ich habe auch einen. Ich ...« Die Tür öffnete sich. Einen Augenblick lang drang helles Licht herein, und von dem hellen Hintergrund hoben sich ein kräftiger Hals, die Schultern eines Ringkämpfers und ein dichter kraushaariger Haarschopf ab. Die Tür schloß sich wieder; der Schattenriß entpuppte sich als ein Mann von etwa siebenunddreißig Jahren mit dunkler Hornbrille, einem zähnefletschenden Grinsen und harten, prüfenden Augen. »Das hier«, verkündete George Anclitas, »ist Jebley Alton, der City Attorney von Rowena. Der Beruf des City Attorneys ist kein Hauptberuf. Er hat noch Privatklienten. Dazu gehöre ich.« George wandte sich an seinen Anwalt. »Jeb«, empörte er sich, »der Mann heißt Mason. Er behauptet, Rechtsanwalt zu sein und ...« -2 0 -
Er wurde von Altons Zwischenruf unterbrochen: »Etwa Perry Mason?« Mason nickte. Alton streckte ihm seine Hand entgegen. »Menschenskind! Ich freue mich, Sie endlich kennenzulernen. In der Hall of Justice habe ich Sie schon ein paarmal gesehen, und einige Ihrer Fälle habe ich sehr aufmerksam ver folgt.« Altons Finger drückten Masons Hand. »Verbrüderung könnt ihr später feiern«, brüllte George. »Dieser Mason vertritt die Frau, die mich erpressen will, und ...« »Langsam, George, langsam«, warnte Alton. »Nimm die Angelegenheit doch nicht so tragisch.« »Ich soll sie nicht tragisch nehmen? Ich werde dir helfen!« »Das hier ist Perry Mason«, sagte Alton, »einer der berühmtesten Strafverteidiger des Landes.« »Na und?« sagte Anclitas. »Er vertritt ein Weibsbild, das versucht, mich zu erpressen. Sie behauptet, ich hätte sie als unehrlich bezeichnet!« »Aber, aber, so etwas würde George niemals tun«, lächelte Alton zu Mason. Sich verbeugend, wandte er sich dann an Della Street, drehte sich noch ein Stückchen weiter und sah Ellen Robb an. »Ach ja«, bemerkte er, »die kleine Zigarettenverkäuferin.« »Das ist sie«, sagte George. »Welche sie?« »Die den ganzen Ärger hier ausgelöst hat. Ellen Robb, die hier.« »In diesem Lokal«, sagte der Polizeichef, »ist seit längerem regelmäßig Geld gestohlen worden. George hat mich gebeten, die Angelegenheit zu untersuchen.« Skeptisch und prüfend wanderte Altons Blick zu dem Polizeichef. »Die Durchsuchungsbestimmungen sind ziemlich kompliziert, Chef«, warf Alton ruhig ein. »Verschiedene Entscheidungen des Obersten Gerichts von Kalifornien haben die Sache auch nicht gerade vereinfacht. Ich werde mich der Angelegenheit selbst annehmen.« -2 1 -
Mason wandte sich an Ellen Robb. »Haben Sie den Schlüssel zu Ihrem Schrank bei sich?« Sie nickte. »Holen Sie ihn heraus«, forderte Mason auf. Sie griff unter ihren Pullover und hielt dann eine kleine Geldtasche in der Hand; sie öffnete sie und nahm einen Schlüssel heraus. »Also dann los«, sagte Mason. Ellen Robb ging voraus. Hinter ihr folgten Mason und Della Street, anschließend kam der Polizeichef. George Anclitas, der sich nach vorn drängen wollte, wurde von Jebley Alton zurückgehalten, der eine Hand auf den Arm seines Klienten gelegt hatte, ihn plötzlich in eine Ecke zog und sehr leise, jedoch unheimlich schnell auf ihn einredete. Ellen führte die übrigen in einen Raum, an dessen Tür das Schild »Für Angestellte« hing, dann durch eine mit einem Vorhang verhängte Tür mit der Aufschrift »Damen« und blieb schließlich vor einem Schrank stehen. »Schließen Sie auf«, sagte Mason. Sie steckte den Schlüssel in das Schloß und öffnete die Schranktür. In dem Schrank befanden sich ein billiger Koffer, ein Paar Schuhe, ein Kleid und ein Regenmantel. »Gehört das alles Ihnen?« fragte Mason. Sie nickte. »Wollen Sie die Sachen in den Koffer packen?« »Ich habe sie im Koffer mitgebracht, und genauso nehme ich sie wieder mit«, sagte sie. »Haben Sie noch andere Sachen hier?« »Ja.« »Wo?« »Wir Mädchen wohnten in einem Raum des Motels. Wir haben da geschlafen. Es ist eine Art Schlafsaal. Sadie Bradford, ein anderes Mädchen, und ich schliefen da. Gestern abend ließ er mich meine Sachen nicht holen. Richtig rausgeschmissen hat er mich.« -2 2 -
»Packen Sie jetzt lieber die Sachen ein«, sagte Mason. Sie nahm den Koffer aus dem Schrank und klappte den Deckel hoch. »Ich glaube, Miss Robb ist es lieber, wenn sie sich ungestört umziehen kann«, sagte Mason. »Miss Street, meine Sekretärin, wird hierbleiben und...« Mason unterbrach sich, weil Ellen Robb plötzlich erschrocken aufgeschrien hatte. »Was ist denn?« fragte er. Instinktiv wollte sie den Kofferdeckel zuklappen, beherrschte sich dann aber. »Lassen Sie mich mal sehen«, sagte Mason. »Mich auch«, drängte sich der Polizeichef nach vorn. »Was ist denn, Ellen?« Ellen Robb klappte den Kofferdeckel ganz zurück und zog das Gummiband nach vorn, das die eine Tasche im Kofferfutter zusammenhielt. Ein Bündel Geldscheine war flüchtig in die Tasche gestopft worden. »Das Geld nehme ich an mich«, sagte der Polizeichef sofort. Mason machte eine Bewegung, so daß sich seine Schulter zwischen den Beamten und den Koffer schob. »Zuerst werden wir es zählen«, entgegnete er. Ellen Robb blickte fragend und verängstigt zu ihm hoch; dann zählte sie mit zitternden Fingern das Geld. »Fünfhundertachtundsechzig Dollar«, sagte sie schließlich. »Gut«, meinte Mason. »Diesen Betrag werden wir mit dem noch ausstehenden Lohn und unseren sonstigen Forderungen an George Anclitas wegen Diffamierung verrechnen.« George, der den Raum in Begleitung von Alton ruhig betreten hatte, schien etwas sagen zu wollen; aber in genau demselben Augenblick wurde der Vorhang an der Tür so heftig beiseite gerissen, daß die Schiene fast herunterfiel. Eine Frauenstimme rief wütend: »Diffamierung, so! Das ist wirklich zum Lachen! Eine Krähe hackt der andern doch kein Auge aus!« -2 3 -
Mit haßerfülltem Blick funkelte sie Ellen an, bis sie sich an George wandte. »Aber ich bin nicht hergekommen, um mich mit dieser Ehebrecherin zu unterhalten, sondern um Sie zu sprechen. Was haben Sie mit meinem Mann angestellt?« »Aber Mrs. Ellis!« George trat einen Schritt vor und lächelte herzlich. »Das hier - wir - eigentlich haben wir gar nicht geöffnet. Ich hatte nur Besuch bekommen ... Kommen Sie mit, ich werde uns ein Gläschen besorgen.« Sie übersah die ausgestreckte Hand des Mannes und wütete: »Sie haben meinem Mann im Falschspiel das Geld weggenommen. Ich habe keine Lust, das mir noch länger mit anzusehen. Er hat mir erzählt, gestern abend hätten Sie ihm sechstausend Dollar abgenommen. Soviel Geld haben wir nun auch wieder nicht! Ich lasse es mir einfach nicht gefallen, meinen Mann wie einen dummen Jungen zu behandeln! Ich will das Geld zurückhaben.« »Das Geld wollen Sie zurückhaben?« fragte George ungläubig. »Ja - Sie haben ganz richtig verstanden. Ich will es zurückhaben.« George besänftigte: »Ihr Mann hat gestern abend hier ein privates Spielchen gemacht, Mrs. Ellis. Wie es ausging, weiß ich nicht. Ich denke mir, er hat dabei verloren. Wieviel etwa? Darum habe ich mich nicht gekümmert. Ich kann Ihnen dagegen versichern, daß das Spiel in Ordnung war. Ich war selbst beteiligt. Wenn wir abends mit unseren Gästen ein kleines Spielchen machen und ihnen die Chance geben, den ganzen Laden hier zu gewinnen, und wenn sie dann Pech hatten und wir geben ihnen am nächsten Tag das verlorene Geld zurück, dann dauert's nicht lange, und ich kann an der nächsten Straßenecke Schnürsenkel verkaufen.« Er lachte bei dieser Vorstellung; aber nur sein Mund lachte, während seine Augen sie aufmerksam beobachteten. »Meiner Ansicht nach wäre das genau das Richtige für Sie«, erboste sich Mrs. Ellis. »Ich will das Geld zurückhaben. Mein Mann hat das Geld verdient, ich kann es besser verwenden, als -2 4 -
es ausgerechnet Ihnen in die Klauen zu geben. Ich habe wirklich keine Lust, euch lausigen Gaunem unser Geld in den Rachen zu schmeißen, und ihr verschwindet dann damit.« »Ich hoffe«, warnte der Polizeichef, »Sie nicht wegen Hausfriedensbruch verhaften zu müssen, Mrs. Ellis. Wenn Sie weiterhin derartige beleidigende Äußerungen in der Öffentlichkeit machen, wird mir nichts anderes übrig bleiben.« »Sie!« fuhr sie auf ihn los. »Sie dämlicher Trottel! Sie stecken doch mit diesen Leuten unter einer Decke! George Anclitas hat Sie doch schon lange in seiner Hand! Wenn er es nicht erlaubt, dürfen Sie doch noch nicht einmal husten! Ausgerechnet Sie wollen mir sagen, was ich tun darf?« »Sie gebrauchen in der Öffentlichkeit harte und gemeine Wörter«, bullerte der Polizeichef. »Bis jetzt bin ich überhaupt noch nicht gemein geworden«, erwiderte sie. »Aber ich bin kurz davor, und wenn ich dann erst anfange, werden Sie Dinge zu hören bekommen, die Ihnen wahrscheinlich die Sprache verschlagen, Sie ... Sie ...« »Einen Augenblick, bitte«, unterbrach Mason sie. »Vielleicht kann ich Ihnen in dieser Angelegenheit behilflich sein.« »Wer sind Sie denn eigentlich?« Mrs. Ellis drehte sich zu Mason um und betrachtete ihn kampflustig. »Sie ... ich habe schon Aufnahmen von Ihnen gesehen ... jetzt weiß ich: Sie sind Perry Mason. Würden Sie meinen Fall gegen diese Gauner übernehmen?« Mason lächelte und schüttelte den Kopf. »Es liegt nicht auf meinem Gebiet«, erwiderte er, »und außerdem bin ich augenblicklich vollkommen besetzt. Ich möchte Ihnen jedoch vorschlagen, sich einen anderen Anwalt zu nehmen.« »Was wollen Sie eigentlich damit sagen?« brüllte Jebley Alton wütend. »Sie wissen doch genau, daß auch ein Anwalt hier nichts ausrichten kann. Man kann kein beim Spiel verlorenes Geld zurückfordern. Das ist eine der grundlegendsten Tatsachen des Gesetzes.«
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»Stimmt genau, Jeb«, bestätigte George. »Nun sorge endlich dafür, daß dieser Kerl seinen Mund hält oder verschwindet. Sehr einfach zu behaupten, ein Anwalt könne das Geld zurückholen, aber er selbst traut sich nicht.« »Haben Sie ein Notizbuch bei sich?« fragte Mason Mrs. Ellis. Sie sah ihn verblüfft an und sagte schließlich: »Doch, in meiner Handtasche.« »Dann schreiben Sie sich folgendes auf und teilen Sie es Ihrem Anwalt mit. Auch Sie, Mr. Alton, sollten sich vielleicht einmal näher mit diesem Thema befassen.« »Das habe ich bereits«, sagte Alton. »Was wollen Sie uns eigentlich weismachen? Ellis kann sich nicht hinsetzen und spielen, um gewinnen zu wollen, und dann am nächsten Tag das verlorene Geld zurückfordern!« »Mrs. Ellis«, wurde Masons Stimme eindringlicher, »wenn Sie das, was ich Ihnen jetzt sage, Ihrem Anwalt mitteilen, sieht die ganze Geschichte erheblich anders aus. Die kalifornische Rechtsprechung kennt eine besondere Situation. Spielschulden können normalerweise nicht zurückverlangt werden, und da jedes Spiel gegen die allgemeinen Grundsätze verstößt, mischen sich die Gerichte in Streitigkeiten dieser Art nicht ein. Wie Ihr Anwalt Ihnen jedoch bestätigen wird, kennen wir hier in Kalifornien das sogenannte Gemeinschaftsvermögen: das durch die gemeinsamen Bemühungen der beiden Ehegatten erst nach der Eheschließung erworbene Vermögen, dessen Erhaltung und Verwaltung dem Ehemann obliegt. Bei geschäftlichen Transaktionen geht man von der Voraussetzung aus, daß seine Entscheidungen auch für die Ehefrau bindend sind. Der Ehemann hat jedoch nicht das Recht, das gemeinschaftliche Vermögen zu verschleudern, ohne auf seinen Ehepartner Rücksicht zu nehmen. Wenn demnach Ihr Mann das gemeinschaftliche Vermögen beim Spiel verloren hat, sind Sie sehr wohl in der Lage, es zurückzubekommen.« »Wovon, zum Teufel, reden Sie eigentlich?« polterte Jebley Alton. »Damit wäre jedes Spiel doch einfach erledigt.« -2 6 -
Aufgeregt sagte Mrs. Ellis: »Wenn das Gesetz einer Ehefrau wirklich erlaubt, die Spielverluste des Ehemannes wieder zurückzufordern, dann wird es hier in Rowena ein gewaltiges Reinemachen geben. Ich kenne ungefähr ein Dutzend Frauen, die über die Art, wie ihr Bankkonto sich langsam auflöst, mit der Zeit wahnsinnig werden. Das ganze Geld taucht bloß immer wieder in den Händen dieser Leute auf, denen Spelunken wie diese hier gehören.« »Das läßt sich denken«, bestätigte Mason. »Die Situation enthält sehr große Möglichkeiten. Vielleicht hat Ihr Anwalt sogar die Absicht, vor einem der örtlichen Frauenvereine zu erscheinen und einen Vortrag über die kalifornische Rechtsprechung sowie über die Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens zu halten.« »Ich bin Ihnen so von Herzen dankbar, Mr. Mason«, sagte Mrs. Ellis. »Dazu haben Sie nicht den geringsten Anlaß«, wehrte Mason ab. »Der Kerl ist verrückt«, sagte George Anclitas zu Mrs. Ellis. »Ich habe keine Ahnung, warum er Ihnen solche Sachen in den Kopf setzt; aber ich kenne mich in den Gesetzen ebenfalls aus. Ich bin schon eine ganze Zeit in diesem Gewerbe und ...« Seine Stimme versiegte, als er flüchtig zu Jebley Alton hinüber sah und dessen Gesichtsausdruck erblickte. »Was ist denn, verdammt noch mal, los, Jeb!« schnauzte er. »Du glaubst doch nicht etwa, daß an diesem Blödsinn was dran ist, oder? Ich weiß genau, wie die Bestimmungen über die Veranstaltungen von Spielen lauten!« Nachdenklich erwiderte Jebley Alton: »Anscheinend geht es um das Gemeinschaftsvermögen. Es kann gut möglich sein, daß das Gesetz irgendeinen Kniff enthält, der ... Ich werde mal schnell ins Büro gehen und mir dieses Problem selbst ansehen.« »Tun Sie das«, sagte Mason. »Es ist hochinteressant.«
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George wandte sich an Mrs. Ellis. »Hören Sie zu, Mrs. Ellis«, sagte er. »Wir beide werden uns nicht gegenseitig die Schädel einschlagen. Mein Anwalt wird sich jetzt erst mal mit der Sache befassen. Sie brauchen sich also wirklich keinen Anwalt zu besorgen, genausowenig brauchen Sie in irgendeinem Frauenklub die Rede auf diese Angelegenheit zu bringen. Beides wäre völlig sinnlos.« Mrs. Ellis lachte dunkel. »Ein wirklich seltsames Zusammentreffen«, sagte sie. »Zufällig muß ich für den Rowena Women's Club das Unterhaltungsprogramm für die nächsten drei Monate zusammenstellen. In zehn Tagen findet unsere regelmäßige Monatsversammlung statt; ich hatte mir schon das Gehirn zermartert, ein wirklich unterhaltsames Programm von allgemeinem Interesse zu finden. Jetzt aber habe ich eins, das alle auf die Beine bringen wird. Bestimmt gibt es hier Dutzende von Frauen, die wissen wollen, wie sich das Gesetz über das Gemeinschaftsvermögen besonders bei Spielverlusten auswirkt.« »Und jetzt«, Mason machte eine knappe Verbeugung vor George Anclitas und dessen Anwalt, »sollten wir vielleicht lieber draußen im Wagen warten, bis sich unsere Klientin angekleidet hat. Sie kann ihre Sachen zusammen packen und sie später irgendwann abholen lassen.« Mason wandte sich an Ellen Robb. »Ich bin überzeugt, daß Sie keine neuen Aufregungen mehr erleben werden, Miss Robb.« »Was ist mit dem Geld?« fragte sie und deutete auf den Koffer. »Merken Sie sich den Betrag«, erwiderte Mason. »Betrachten Sie es als Abschlagszahlung auf die Beträge, die George noch an Sie zu zahlen hat. Fahren Sie in ein Hotel, nehmen Sie sich dort ein Zimmer und geben Sie mir Bescheid, wo Sie gelandet sind.« »In dem Augenblick, in dem Sie weggehen, wird man mich verhaften«, bangte sie. »Das glaube ich kaum«, erwiderte Mason lächelnd. »Ich glaube vielmehr, daß man Sie äußerst rücksichtsvoll behandeln wird.«
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Mason drehte sich so, daß die anderen ihn nicht sehen konnten, und kniff das eine Auge leicht zu. »Miss Robb, mich interessiert in erster Linie, daß dem Recht genüge getan wird, nicht so sehr mein Honorar. Ich kann es nicht leiden, wenn Menschen ungerecht behandelt werden, weil sie selbst leider keinen Einfluß haben. Falls Sie von sich aus zu einer gütlichen Regelung mit George Anclitas kommen wollen, bin ich selbstverständlich einverstanden. Tun Sie, was Sie für richtig halten, und machen Sie sich wegen meines Honorars keine Gedanken. Unkosten sind Ihnen nicht entstanden. Wenn man sich Ihnen gegenüber jedoch unpassend benehmen oder Ihnen sogar drohen sollte, rufen Sie mich bitte sofort in meinem Büro an.« Mason griff nach Dellas Arm, und zusammen verließen sie The Big Barn. Der Anwalt lachte leise, als sie Rowena hinter sich ließen. »Irgendwie habe ich das Gefühl, Della, daß wir kurz nach der Rückkehr ins Büro einen Anruf von Ellen Robb bekommen werden.« »Weil sie wissen will, auf welcher Basis sie sich einigen soll?« »So ungefähr«, sagte Mason. »Und was haben Sie sich vorgestellt?« »Sie soll nehmen, was sie bekommen kann«, antwortete Mason. »Ich glaube, George Anclitas hat sich den Denkzettel hinter die Ohren geschrieben. Ellen Robb hat einen anständigen Ausgleich für ihren Hinauswurf - und das in einem Aufzug, der lediglich aus einem Pullover und Strümpfen bestand.« »Das hat ihr nicht viel ausgemacht«, sagte Della Street. »Sie ist es gewöhnt, in der Öffentlichkeit so zu erscheinen. Es gefällt ihr sogar.« »Na, na«, sagte Mason, »machen Sie unsere Klientin nicht allzu schlecht.«
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»Hätten Sie das alles im Interesse der Gerechtigkeit auch getan, wenn es sich dabei um einen Mann gehandelt hätte?« fragte Della Street. Mason überlegte einen Augenblick und sah sie dann an. »Verdammt noch mal - nein!« gab er schließlich zu. »Strumpfhosen«, sagte Della, »können für ein Mädchen wirklich eine große Hilfe sein.«
4 Perry Mason schloß die Tür zu seinem Privatbüro auf. Della Street, die gerade die Post sortierte, sah lächelnd auf. »Na, Della«, sagte der Anwalt, »ich bin gespannt, welche Abenteuer uns dieser Tag bringen wird.« »Hoffentlich nichts, was Sie von dem Brief in dem Fall Rawson oder von dem Briefstapel ablenkt, den ich mit >Dringend< bezeichnet habe und auf den ich Sie schon seit zwei oder drei Tagen aufmerksam zu machen versuche.« Mason seufzte und griff nach dem Aktenordner mit dem Vermerk >Dringendversuchen