Erle Stanley Gardner
Perry Mason und die eiskalten Hände Klassischer Krimi scanned by AnyBody corrected by JaBay Viel z...
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Erle Stanley Gardner
Perry Mason und die eiskalten Hände Klassischer Krimi scanned by AnyBody corrected by JaBay Viel zu kalt für eine frische Leiche ist Marvin Fremont, den der Tod im Bad ereilte. Denn: Er liegt nicht nur in seinem Blut, er liegt auch bis oben hin in Trockeneis. Viel zu kalt für eine junge Dame ist Nancy Banks, die das Glück am Turf überraschte. Denn: Sie setzt nicht nur alles auf einen Außenseiter, sie setzt sich auch ab, ohne ihren Riesengewinn zu kassieren. Viel zu kalt für einen alten Freund ist Leutnant Tragg neuerdings mit Perry Mason. Denn: Der Anwalt deckt offenbar nicht nur Betrüger, Diebe und Mörder, er deckt auch seine Karten nicht auf. Aber Perry Mason weiß, warum. Denn für die übliche Methode ist dieser Fall viel zu heiß. (Backcover) Herausgegeben von Bernd Jost Ullstein Krimi
So wichtig die forensische Medizin für die Öffentlichkeit auch ist - ihre Bedeutung kann noch erhöht werden durch Polizeibeamte, denen es Fähigkeit und Geist erlauben, mit den besten Köpfen der Gerichtsmedizin zusammenzuarbeiten. In Anerkennung seiner Gründlichkeit, Höflichkeit und fast unheimlich anmutenden Geschicklichkeit als Untersuchungsführer und seiner unerschütterlichen Treue zu seinen Idealen widme ich dieses Buch einem von ihnen: dem Deputy Superintendent des Boston Police Department, Joseph B. Fallen. ERLE STANLEY GARDNER (Aus dem Vorwort der Originalausgabe)
Inhalt Inhalt ................................................................................................ 2 1....................................................................................................... 3 2.....................................................................................................13 3.....................................................................................................17 4.....................................................................................................35 5.....................................................................................................41 6.....................................................................................................46 7.....................................................................................................58 8.....................................................................................................69 9.....................................................................................................77 10...................................................................................................88 11...................................................................................................97 12.................................................................................................109 13.................................................................................................116 14.................................................................................................119 15.................................................................................................137 16.................................................................................................143 17.................................................................................................168
1 »Jetzt kommt was ganz Neues, Chef«, meldete Della Street, Perry Masons Privatsekretärin. Mason sah von seinem Buch auf und schüttelte den Kopf. »Es gibt nichts wirklich Neues, Della.« »Diesmal doch. Im Vorzimmer wartet eine Mandantin, die behauptet, sie könne Ihnen nur zwanzig Minuten geben und nicht mehr.« »Sie kann mir zwanzig Minuten geben?« fragte Mason. »So sagt sie.« »Na, das ist allerdings eine neue Masche«, gab Mason zu. »Wie heißt sie, Della?« »Audrey Bicknell.« »Alter?« »Ende Zwanzig.« »Blond, brünett, rothaarig?« »Ein ausgesprochen brünetter Typ, sehr feurig, ausgeprägte Persönlichkeit - so etwas wie ein schwarzer Opal. Sie wird Ihnen gefallen.« »Anständig?« »Ich würde sagen, ja. Aber irgendwie steht sie schrecklich unter Druck. In den zwei oder drei Minuten, die ich mit ihr sprach, hat sie mindestens fünfmal auf die Uhr gesehen. Sie ist Sekretärin, zur Zeit ohne Beschäftigung, ledig und bewohnt ein Apartment. Bisher hat sie es allein finanziert, sucht jetzt aber eine junge Dame mit ähnlichem Beruf, die sich an den Unkosten beteiligt.« »Haben Sie gefragt, warum sie mich sprechen will?« »Ja. Sie sagt, sie habe nur die Zeit, alles einmal zu erklären. Das wolle sie lieber bei Ihnen tun, und die Sache sei ziemlich wichtig.« »Also gut«, erwiderte Mason, »holen wir sie herein, Della. Nur um zu sehen, um was es sich handelt. Ich nehme an, sie ist attraktiv?« -3 -
Della Street zeichnete mit den Händen bedächtig Kurven und Konturen in die Luft. Mason grinste. »Also, worauf warten wir noch, Della?« »Ein Instinkt warnt mich«, entgegnete Della Street. »Ich habe den Eindruck, dieses Mädchen ist es gewöhnt, mit ihrer dynamischen, schillernden Persönlichkeit alle im Sturm zu nehmen. Und sie glaubt offenbar, ihr Auftreten wirke auf einen Mann mehr als auf eine Frau.« »Na gut, wir wollen sehen«, sagte Mason. »Jetzt haben Sie mich so neugierig gemacht, daß ich das Mädchen nicht mehr fortlassen würde, selbst wenn wir dadurch mit unserem VierUhr-Termin ins Gedränge kämen.« »Sie haben genau zehn Minuten«, stellte Della fest. »Und sie will mir zwanzig geben.« Della sah auf die Uhr, ging ins Vorzimmer und kehrte gleich darauf mit Audrey Bicknell zurück. »Miss Bicknell - Mr. Mason«, stellte sie vor. Audrey Bicknell ging Mason mit einer raschen, impulsiven Bewegung entgegen, gab ihm die Hand und sah mit ihren ausdrucksvollen schwarzen Augen lächelnd zu ihm auf. »Sie sind sehr liebenswürdig, Mr. Mason, daß Sie mich gleich empfangen. Ich weiß, man braucht sonst einen Termin, aber meine Sache ist von größter Dringlichkeit, und ich ...« - sie brach ab, um auf ihre Uhr zu sehen, und lächelte - »... muß mich überaus kurz fassen. Ist es Ihnen recht, wenn ich gleich anfange und ... nun, mich nicht erst bei der Vorrede aufhalte?« »Bitte sehr«, sagte Mason. »Ich habe Ihrer Sekretärin schon meinen Namen und meine Adresse angegeben«, fuhr sie fort. »Was ich von Ihnen will, kann ich Ihnen in wenigen Worten sagen. Ich nehme an, Sie besuchen gelegentlich Pferderennen?« »Ja.« »Und kennen sich im Wettverfahren auf der Rennbahn aus?« Mason nickte. -4 -
»Ich habe hier fünf Wettscheine zu je hundert Dollar auf Pferd Nr. 4 mit dem Namen >LandserLandser< das Rennen gemacht hat.« Della Street hob die Augenbrauen. »So sicher sind Sie?« »Die Wetten müssen am Platz gebucht werden«, erklärte Mason. »Es kann erst jeweils nach dem vorhergehenden -8 -
Rennen gesetzt werden. Dann hat also unsere mysteriöse Mandantin ihre Wette über fünfhundert Dollar auf ein Pferd placiert, das ziemlich am Ende der Liste stand. Können Sie sich irgendwelche Umstände vorstellen, die sie bewogen hätten, den Platz vor dem Rennen zu verlassen?« »Höchstens einen Mord«, gab Della Street zu. Mason quittierte diese Bemerkung mit nachdenklichem Stirnrunzeln. »Nun?« fragte sie. »Ich wollte sagen«, fuhr Mason fort, »daß wir >Landsers< Sieg wohl als gegeben voraussetzen können; ebenso dürfen wir annehmen, daß unsere Mandantin auf dem Rennplatz blieb, bis das Ergebnis feststand, daß sie es aber aus irgendwelchen, nur ihr bekannten Gründen nicht wagt, die Gewinnscheine am Wettschalter vorzulegen. Wir können unsere Theorie durch die Feststellung untermauern, daß ein junges Mädchen in mittleren Verhältnissen andernfalls wohl kaum einen Anwalt bemühen würde. Ferner hätte sie, falls etwas passiert war und sie vor dem Rennen fort mußte, die zwanzig Dollar sparen können, indem sie die Rundfunkdurchsage der Rennergebnisse abgewartet hätte und danach zum Anwalt gegangen wäre ... allerdings konnten die Anwaltsbüros dann schon geschlossen sein - wir haben Freitag nachmittag.« »All das ist so logisch, daß Sie mich völlig überzeugt haben«, sagte Della Street. »Das Dumme ist nur«, setzte Mason seine Überlegungen fort, »daß wir hier von >gegebenen Voraussetzungen< ausgehen. Nichts ist gefährlicher in der juristischen Praxis, als Dinge für selbstverständlich zu halten.« Das Telefon läutete. Della nahm ab und legte kurz darauf den Hörer wieder auf. »Ihre Besprechung um vier Uhr fällt aus. Darf ich vorschlagen, daß wir bis 5.30 Uhr Post erledigen und dann die Reportage vom Pferderennen einschalten?« Mason nickte.
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»Wunderbar«, sagte Della lächelnd, »daß wir einiges an Korrespondenz aufholen können. Es wird höchste Zeit.« Mason öffnete einen Ordner mit dem roten Schild DRINGEND und nahm einen Brief heraus. Er überflog ihn kurz und reichte ihn Della hinüber. »Schreiben Sie diesem Mann, ich sei nicht interessiert.« Er las den nächsten Brief, gab ihn Della und bestimmte: »Sagen Sie diesem hier, ich müsse mehr über die näheren Umstände des Falles wissen und besonders über den Zeugen.« Della Street nahm Brief für Brief entgegen und machte sich stenografische Notizen über die Art der Antworten. Um 5.15 Uhr war der Stapel aufgearbeitet. »Hier, dieses Schreiben ist zwar nicht dringend, aber doch einigermaßen wichtig«, versuchte es Della weiter. Mason schüttelte energisch den Kopf. »Für heute reicht's mir mit der Korrespondenz. Ich schreibe gern Briefe an Freunde, aber ich hasse Geschäftspost. Die Antworten kommen ebenso schnell herein, wie die Briefe herausgehen. Holen Sie die Kaffeemaschine, Della, wir wollen uns eine Tasse machen. Und rufen Sie Paul Drake an, ob er rüberkommen und mittrinken will. Sagen Sie ihm, wir wollen eine Aufzeichnung, oder was das ist, vom Pferderennen hören.« Della nickte und ging zum Schrank, in dem die elektrische Kaffeemaschine, der Kaffee, Tassen, Zucker und Sahne aufbewahrt wurden. Dann rief sie Paul Drake an. »Er kommt«, sagte sie. »Angeblich hat er einen tollen Tip für das dritte Rennen und noch eine kleine Wette gebucht.« »Für das dritte?« fragte Mason. »Da läuft doch auch >LandserLandser< als Sieger hätte?« »Aha«, sagte Della, als sie Drakes Klopfzeichen an der Tür hörte, »da ist schon unser Glücksritter.« Sie öffnete. -1 0 -
»Tag, Süße«, begrüßte Drake sie. »Wieso das plötzliche Interesse am Rennsport?« Della blickte in Perry Masons Richtung und sagte: »Kein Kommentar.« Mason grinste. »Wir wollen uns nur ein bißchen entspannen, Paul. Die Arbeit artet allmählich in Schinderei aus, nach dem Schema: morgens ins Büro kommen, ringen mit Telefon und Korrespondenz, ins Gericht jagen zur Verhandlung, zurück ins Büro, und . ..« »Es ist herzzerreißend«, stimmte Paul Drake zu. »Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet.« »Seit wann interessierst du dich denn für Pferderennen?« fragte Mason. »Ein Hobby«, erwiderte Drake, »es soll mich vom Geschäft ablenken. Ich übertrete die Gesetze, indem ich einen Buchmacher beschäftige. Zum Rennplatz kann ich nicht gehen. Gelegentlich kriege ich auch einen heißen Tip. Aber du weichst meiner Frage aus: Wie steht es mit deinem Interesse am Rennsport?« »Nur ein Hobby«, echote Mason, »zur Ablenkung vom Geschäft.« »Ich sollte eine Patentgebühr von dir fordern«, sagte Drake. »Haben wir eigentlich Pfannkuchen zum Kaffee, Della?« »Wenn Sie runtergehen und welche holen.« »Ich gehe. Dieser Laden um die Ecke hat sich auf frische Krapfen spezialisiert. Ich nehme Schokoladenguß, Puderzucker und...« »Keinen Schokoladenguß für mich«, unterbrach Della. »Für mich auch nicht«, stimmte Mason ein. »Dann passe ich auch«, sagte Drake widerstrebend. »Wie heißt dein Pferd, Perry?« »Es läuft im dritten Rennen und heißt >LandserLandser< !« rief Drake.
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Mason nickte, beobachtete aber Drakes Gesicht genau. Drake warf den Kopf zurück und brach in Gelächter aus. »Was ist denn?« erkundigte sich Mason. »>LandserLandser< hat auch nicht die kleinste Chance. Der hat noch keine Viertelrunde gedreht, wenn der Sieger schon am Ziel ist. Nein, >Donnerwetter< heißt der Gaul, auf den man setzen muß. Du lieber Himmel, Perry, erzähl mir nicht, du spielst einen von diesen Außenseiter-Tips; sie sind keinen Cent wert.« »Ich verstehe wenig davon«, sagte Mason bescheiden. »Das kann man wohl sagen. Du bist auf den ältesten Dreh im Rennsport reingefallen. Jetzt hör zu und laß dich aus erster Quelle informieren: Alle möglichen Sorten von Tips schwirren herum, gute und schlechte. Wenn du einen regulären Tipster beschäftigst, der weiß, daß du seine Tips benutzt, versucht er, dir einen Sieger zu nennen. Bist du aber kein Stammkunde, und der Tipgeber glaubt, er kann dich nur einmal bedienen, dann sucht er dir einen hoffnungslosen Außenseiter aus. Die einzig richtige Methode ist, ein Pferd auf Grund seiner vorherigen Leistungen, des Gewichts, das der Gaul trägt, des Zustands der Bahn und vor allem des Jockeis... Sag mal, Perry, wer war dein Tipster? Kennst du ihn?« »Nein.« »Ein ziemlich schäbig aussehender Kerl, der ...« »Eine elegant gekleidete Frau.« »Eine Frau?« »So ist es.« »Attraktiv?« »Und ob.« »Wie alt?« »Fünf- oder sechsundzwanzig.« Drake lachte wiehernd. »Erzähl das bloß keinem, Perry. Der gerissenste aller Anwälte fällt auf einen Dreh rein, der so alt ist, daß er einen Bart hat. Du kannst wetten, diese Frau hat noch zwei Dutzend weiteren Anfängern denselben Tip verkauft. Als hübsche Puppe kann sie überall aufkreuzen - oh, Perry!« Mason sah auf seine Uhr. »Schönen Dank für die nützlichen Hinweise, Paul. Und jetzt - wenn wir losgehen sollen, diese Krapfen holen . ..« -1 2 -
Drake feixte. »Soll heißen, mach dich besser auf den Weg. Okay, bin schon weg.« Mason sah Della Street an und lachte. »Wir dürfen wohl getrost annehmen, daß Paul Drake nicht auf >Landser< gesetzt hat.«
2 Die Stimme des Sportreporters dröhnte aus dem Lautsprecher: »Im dritten Rennen sind sie los. Ein guter Start. Sie laufen noch dicht gedrängt. >DonnerwetterEisenfresser< ist Zweiter, >Stilles Wasser< Dritter, >Carte Blanche< liegt auf dem vierten Platz. >Landser< ist Fünfter. In der Gegenkurve führt >Donnerwetter< jetzt mit einer Länge. >Stilles Wasser< folgt, >Eisenfresser< ist Dritter. Beim Einbiegen in die Gegengerade führt >Donnerwetter< noch mit einer Länge Vorsprung. >Stilles Wasser< und >Eisenfresser< laufen Kopf an Kopf als Zweite. >Goldgrube< liegt um Halslänge vor >Carte BlancheLandserStilles Wasser< fällt zurück. >Landser< kommt jetzt rasch aus dem hinteren Feld heran. Er hat >Carte Blanche< überholt, jetzt auch >Stilles WasserEisenfresser< an!« Paul Drake legte langsam seinen Schokoladenkrapfen weg, setzte die Kaffeetasse ab und schielte zu Perry Mason hinüber. »>Donnerwetter< und >Eisenfresser< laufen Kopf an Kopf, dann folgt >LandserStilles Wasser< liegt um Halslänge hinter ihm. >Goldgrube< fällt um eine ganze Länge zurück. Hinter ihr >Carte BlancheEisenfresser< zieht an >Donnerwetter< vorbei. >Eisenfresser< führt jetzt mit Halslänge, >Donnerwetter< an zweiter, >Landser< an dritter Stelle. >Landser< schiebt sich nach vorn. >Landser< und -1 3 -
>Eisenfresser< laufen Hals an Hals. Und jetzt führt >Landser< mit Halslänge! >Landser< im Finish. >Landser< mit Halslänge! Erster >LandserEisenfresserDonnerwetterLandser< - ausgerechnet der! Der hatte doch gar kein Recht zu gewinnen. Das ist das Letzte!« Della Street stellte das Radio wieder an und zückte ihren Bleistift, um die Wettergebnisse zu notieren. Dann gab sie Mason den Zettel. Paul Drake schüttelte den Kopf und pfiff durch die Zähne. »Siebenundfünfzig Dollar für zwei!« rief er. »Macht siebenundzwanzigeinhalb zu eins. Hast du zwei Dollar gesetzt?« Mason lächelte rätselhaft. »Ich hatte nur ein mehr oder weniger geschäftliches Interesse an dem Rennen, Paul.« »Siebenundfünfzig Dollar«, wiederholte Drake andächtig. »Du meine Güte, wißt ihr Unschuldsengel, was das heißt? Wenn jemand den Nerv gehabt hätte, hundert Dollar auf >Landser< zu setzen, hätte er jetzt 2750 draus gemacht.« Drake schüttelte den Kopf, seufzte wehmütig und sagte noch einmal: »2750 Piepen. Und selbst eine Fünfzig-Dollar-Wette hätte ...« »Und wie wäre es bei zwei Dollar gewesen?« unterbrach Mason. Drake lächelte. »Eine Zwei-Dollar-Wette hätte dir 55 Dollar netto eingebracht. Damit wären deine gesamten Spesen auf dem Rennplatz gedeckt gewesen einschließlich Abendessen mit Kerzenlicht, Sekt und einer schicken Puppe, dazu ein -1 4 -
bißchen Tanz ...« Dann schüttelte er energisch den Kopf. »Aber ich hab' ja keine zwei Dollar auf ihn gesetzt, ich hab' sie auf >Donnerwetter< verloren. Dafür verspeise ich jetzt einen Pfannkuchen mit Schokoladenguß. Aber du und Della, ihr werdet jetzt wohl toll ausgehen.« »Keine schlechte Idee, Della«, sagte Mason. »Warum sollten wir nicht bei Kerzenschein soupieren und uns ein hübsches Filet mignon mit gebackenen Kartoffeln leisten?« »Weil meine Figur die Beziehung zu Kartoffeln abgebrochen hat. Sagen Sie junge Erbsen, und die Sache ist perfekt.« Drake seufzte wehleidig. »Nett zu hören, wie die andere Seite lebt«, sagte er und schob seine Tasse zurück. »Na denn, ich hab' noch einen Riesenhaufen Arbeit, ehe ich Feierabend machen kann. Wie bist du eigentlich an den Tip gekommen, Perry?« »Er hat ein neues System«, erklärte Della. »Es scheint unfehlbar zu sein.« Drake bekam große Augen. »Er kümmert sich überhaupt nicht um Odds oder Gewicht«, fuhr Della fort. »Auch nicht um den Zustand der Bahn oder um den Jockei. Er sieht einfach die Liste durch und pickt sich ein Pferd heraus, dessen Name ihm gefällt. Und >Landser< ist ja ein hübscher Name. Er hat so was Solides, Zuverlässiges ...« »Du meine Güte«, rief Drake verächtlich, »ihr Anfänger! Pleite machen werdet ihr mit dieser Methode. Nicht die kleinste Chance habt ihr dabei.« »Wissen wir«, sagte Mason. »Und wie bist du auf >Donnerwetter< gekommen, Paul?« »Auf Grund seiner früheren Leistungen, seines Exterieurs im Führring, seines ... ach, zum Teufel, mir langt's! Jedenfalls werden deine fünfundfünfzig Dollar bald im Eimer sein - bei diesem System.« Mason zog lässig die fünf Hundert-Dollar-Wettscheine heraus. »Ich halte nichts von kleinen Fischen. Das sind Tickets für insgesamt fünfhundert Dollar, auf Sieg.« -1 5 -
Drake betrachtete die Scheine sprachlos. »Über vierzehntausend Dollar«, sagte er beinahe ehrfurchtsvoll. Er sah dem Anwalt in die Augen. »Perry, du hast doch nicht na, jetzt weiß ich Bescheid.« Er riß die Tür auf. »Ehrliche Anstrengung ... hübscher Name - schert euch zum Teufel!« Damit schoß er durch die Tür. Mason lachte zu Della Street hinüber. »Also«, sagte sie, »wohin gehen wir von hier aus?« »Zum Essen«, erwiderte Mason. »Und morgen nachmittag zur Rennbahn. Zum Schalter, an dem die Wettgewinne vom Vortag ausgezahlt werden. Ich werde mit fünf Hundert-Dollar-Scheinen aufkreuzen. Nach Paul Drakes Rechnung muß ich dann wieviel bekommen, Della?« Della Street schrieb eilig ein paar Zahlen hin. »Eine hübsche runde Summe von 14 250 Dollar«, sagte sie. »Darin sind die gesetzten fünfhundert enthalten.« »Das wäre natürlich ein warmer Regen für eine junge Sekretärin ohne Job, die eine Mitbewohnerin für ihr Apartment sucht ... Ich habe übrigens gehört, daß das Finanzamt immer einen Vertreter zur Stelle hat, der Namen und Anschrift der großen Gewinner notiert.« »Wie reizend«, meinte Della, »das reinste Empfangskomitee. Sicher brauchen Sie einen Zeugen?« »Ganz bestimmt.« »Und wir müssen den Gewinn ja persönlich kassieren.« »So ist es«, bestätigte Mason. »Na, und die dringende Korrespondenz haben wir aufgearbeitet. Wir nehmen am besten eine Aktentasche für das Geld mit.« »Ob Sie mir wohl morgen ein Pferd aussuchen, auf das ich wetten kann? Eins mit einem netten, soliden Namen?« »Aber gewiß doch«, versprach Mason, »es wird mir ein Vergnügen sein.«
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3 Mason schlängelte sich durch den dichten Verkehr bis zu den Parkplätzen an der Rennbahn und fand schließlich noch eine Lücke. Er half Della Street aus dem Wagen. Sie gingen zur Haupttribüne. »Haben Sie schon ein Pferd für mich ausgesucht?« fragte Della. »Ein Pferd mit dem richtigen Namen, das sein Bestes geben wird?« »Habe ich«, sagte Mason. »Welches ist es?« »Es heißt >Pound SterlingsPound Sterlings< «. »Zwei Dollar?« fragte Della Street. »Auf ein Pferd mit solchem Namen? Ein Pferd, das der große Perry Mason ausgesucht hat? Zwei Dollar wären eine Beleidigung! Zehn werde ich setzen.« »Hören Sie, Della«, belehrte Mason sie, »ein Jux ist ein Jux, aber zehn Dollar sind zehn Dollar.« »>Pound Sterling< ist kein Jux«, widersprach sie, »er ist ein dickes Bankkonto. Der Name klingt danach.« »Nach zwei Dollar klingt er.« »Zehn Dollar.« »Zwei.« »Aber wenn er gewinnt, und Sie haben mir die Zehn-DollarWette ausgeredet, wie kämen Sie sich dann vor?« Mason seufzte. »Mit einer Frau zu argumentieren, ist Zeitverschwendung. Also zehn Dollar.« »Abgemacht«, sagte sie. Auf der Haupttribüne fanden sie noch Plätze. Die Wettschalter für das erste Rennen wurden geöffnet. Della Street kehrte vom
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Zehn-Dollar-Schalter mit einem Schein auf >Pound Sterling< zurück. »Auf Sieg«, sagte sie. »Nun, wir könnten auch gleich unsere geschäftlichen Pflichten erledigen«, schlug Mason vor. »Ich gehe zum Schalter, an dem die Gewinne von gestern ausgezahlt werden, und lege die Scheine vor. Sie begleiten mich als Zeugin, falls es zu einem Wortwechsel kommt.«. »Lassen die Leute sich denn auf Gespräche ein?« fragte Della Street. »Nicht der Mann am Schalter«, erklärte Mason. »Aber vielleicht ein anderer.« »Wer?« »Die Person, der unsere Mandantin ausweichen wollte. Kommen Sie.« »Wäre es nicht eine gute Idee«, meinte Della, »wenn ich mit einem Schein zum Schalter ginge und Sie im Hintergrund blieben, um die Lage zu peilen?« Mason schüttelte den Kopf. »Die Instruktionen unserer Mandantin lauten nur, die Scheine einzulösen. Wir können sie genausogut alle gleichzeitig vorlegen, und ich kann es selbst tun. Sollte es Ärger geben, will ich versuchen, die Sache so natürlich wie möglich hinzustellen. Niemand soll sagen können, ich hätte ein schlechtes Gewissen und versuchte deshalb, Sie vorzuschieben.« »Falls etwas passiert, soll ich dann so tun, als kenne ich Sie nicht, und mich abseits stellen?« »Nein«, sagte Mason, »Sie sind meine Sekretärin und besuchen ganz zwanglos mit mir den Rennplatz. Wir amüsieren uns heute nachmittag und kassieren unsere gestrigen Gewinne.« »Auf Wetten, die wir gebucht haben?« fragte Della. »Das sollte man doch annehmen.« »Betonen wir es bei einem Gespräch mit anderen?« »Wir betonen überhaupt nichts. Wir kassieren und gehen wieder. Möglicherweise ist ein Vertreter des Finanzamts da und will Namen und Adresse von mir haben.«, »Und geben Sie ihm die?« »Meinen Namen und die Anschrift - natürlich.« Sie marschierten schweigend zum -1 8 -
Schalter. Mason zog die fünf Scheine heraus und reichte sie durchs Fenster. Der Mann kontrollierte die Wettscheine, sah Mason an und sagte: »Drittes Rennen von gestern, Nr. 4, Siegwette.« Mason nickte. »Wie wollen Sie das Geld?« fragte der Mann. »In großen Scheinen?« »Gern«, antwortete Mason, »aber bitte größer als hundert Dollar.« Der Mann fing an, das Geld abzuzählen, und schob Mason den Stoß Scheine hin. »Bitte sehr«, sagte er. Mason nahm das Geld und öffnete seine Aktentasche. Ein ziemlich kleiner Mann Anfang der Fünfzig mit fahlem Teint, stechenden Augen und nervösen Gesten stürzte auf ihn zu. »Da ist er!« rief er. »Er ist es. Verhaften Sie ihn!« Ein breitschultriger, schwerfälliger Bursche folgte dem kleinen aufgeregten Mann auf dem Fuße. Er zog eine Ausweishülle hervor, öffnete sie und zeigte die Marke. »Polizei.« »Darf ich mal sehen?« fragte Mason. Er nahm dem Mann Hülle und Marke aus der Hand und hielt beides so, daß Della Street die Nummer notieren konnte. »In Ordnung«, sagte er. »Sie sind von der Polizei.« »Woher hatten Sie diese Wettscheine?« fragte der Beamte. »Er weiß genau, woher sie stammen. Von Rodney Banks hat er sie, und es ist mein Geld!« schrie der Kleine. »Halten Sie den Mund«, sagte der Polizeibeamte. »Vielleicht möchten Sie meine Karte sehen«, wandte Mason sich an den Beamten. Der warf einen Blick auf die Karte. »Perry Mason, was? Ihr Gesicht kam mir gleich bekannt vor. Hätte Sie erkennen müssen. Ich habe Fotos von Ihnen in der Zeitung gesehen.«
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»Das Geld«, fuhr der kleine Mann gereizt dazwischen. »Nehmen Sie ihm das Geld ab, Inspektor. Lassen Sie es sich nicht ausreden.« »Mund halten«, befahl der Beamte. Mason drehte sich zu dem aufgeregten Mann um. »Mein Name ist Mason«, sagte er und lächelte ihn aus seiner Höhe freundlich an. »Und wer sind Sie?« »Sie wissen genau, wer ich bin. Ich bin Marvin Fremont.« »Und weshalb glauben Sie, ein Recht auf dieses Geld zu haben, Mr. Fremont?« »Das wissen Sie doch genau. Das Geld stammt aus einer Wette, die Rodney Banks gemacht hat. Und die fünfhundert Dollar, die er setzte, hat er mir unterschlagen. Also, Inspektor, ich will mein Geld.« Der Beamte zögerte. »Los, nehmen Sie es ihm ab. Verhaften Sie ihn. Er ist sein Komplize!« schrie Fremont. Mason lächelte dem unschlüssigen Beamten zu. »Wie heißen Sie?« fragte er. »Sid Burdett.« Der Anwalt streckte die Hand aus. Die beiden tauschten einen Händedruck. »Ich ermittle in einer angeblichen Diebstahls- oder Unterschlagungssache«, erklärte der Beamte. »Fraglos hat Banks das Geld gesetzt. Und es sieht auch sehr danach aus, als ob Banks in die Kasse gelangt hätte. Er arbeitet für Marvin Fremont hier. Das heißt, er hat für ihn gearbeitet.« »Jetzt machen Sie endlich voran, unternehmen Sie was! Holen Sie das Geld«, drängte Fremont den Beamten. »Dazu sind Sie doch da. Er ist Mittäter, sperren Sie ihn ein, zusammen mit dem andern. Da steckt wieder mal so'n krummer Anwalt mit einem Gauner unter einer Decke. Immer die alte ... he, Inspektor, sie schreibt was auf.« »Schon gesehen«, sagte Burdett. -2 0 -
»Meine Sekretärin«, erklärte Mason. »Warum macht sie sich Notizen?« »Ich bin gerade in Gegenwart von Zeugen >krummer Anwalt< genannt worden. Das gibt mir, glaube ich, einen Klagegrund gegen diesen Herrn hier.« »Wovon reden Sie da? Klage?« fragte Fremont. »Wenn hier irgend jemand Grund zur Klage hat, bin ich das. Diese Wette ist mit meinem Geld bezahlt worden.« Burdett fragte Mason: »Ich nehme an, Rodney Bank ist Ihr Mandant?« »Nehmen Sie lieber nichts an«, riet Mason. »Sie meinen, er ist es nicht?« »Das habe ich nicht gesagt.« »Na ja, ich ermittle nur, weiter nichts. Dieser Rodney Bank sitzt wegen Unterschlagung im Gefängnis. Er hatte offenbar häufig gewettet und steckt ganz schön im Schlamassel. Dann bekam er beim gestrigen Rennen einen heißen Tip auf >LandserLandser< groß als Sieger rauskommen. Deshalb haben wir an den Wettschaltern gewartet. Und natürlich ist Banks am Fünfzig-Dollar-Schalter aufgekreuzt und hat ein Ticket vorgelegt. Aber vor der Auszahlung konnte ich zufassen.« »Hat er irgendwelche Aussagen gemacht?« fragte Mason. »Er hat alles bestritten und sich dann ausgeschwiegen.« »Sie haben ihn durchsucht?« »Natürlich.« , »Und keine weiteren Wettscheine gefunden?« »Nein. Nur diesen einen zu fünfzig Dollar.« -2 1 -
»Aber Sie glaubten, es müßten noch weitere vorhanden sein?« »Wir waren ziemlich sicher. Offenbar hat er sie einem Komplizen zugesteckt.« Mason wandte sich Fremont zu. »Wie hoch ist der veruntreute Betrag, Mr. Fremont« »Weiß ich nicht.« »Wieso wissen Sie das nicht?« »Weil alles durcheinander ist.« »Was ist durcheinander?« »Die Bankbücher. Jemand hat mich begaunert. Ich werde meine Bücher prüfen lassen. Aber eins weiß ich genau: Das ganze Geld gehört mir. Wieviel wirklich fehlt, ist egal. Die fünfhundert stammen aus meinem Geschäft und sind gestohlen. Sie gehören mir immer noch.« Mason sagte nachdenklich: »Vielleicht hat Banks so viel gewonnen, daß er alle Fehlbeträge ersetzen kann; vorausgesetzt natürlich, es fehlte tatsächlich etwas, und ich meine jetzt das Geld, das er auf seinen Fünfzig-DollarWettschein gewann.« »Es ist nicht sein Geld, es ist meins«, sagte Fremont. »Ein bißchen verstehe ich auch vom Gesetz. Mein Geld ist es, ich habe Anspruch darauf. Er hat es unterschlagen, und damit wird es nicht sein Geld. Er hat es auf ein Pferd gesetzt und Dusel gehabt. Das ändert die Lage überhaupt nicht, soviel ich weiß. Er steht in meinen Diensten, es ist mein Geld, und auch die Gewinne gehören mir.« »Sie hätten sich besser einen Rechtsanwalt genommen«, stellte Mason fest. »Ich war beim Anwalt.« »Dann hätten Sie sich gründlicher beraten lassen sollen.« »Sperren Sie ihn ein«, forderte Fremont und zupfte Burdett am Ärmel. »Er ist Komplize.« Burdett schüttelte den Kopf. »Ich verhafte diesen Mann nicht. Er ist Rechtsanwalt.« -2 2 -
»Wenn Sie wieder mit Ihrem Anwalt sprechen«, sagte Mason zu Fremont, »fragen Sie ihn gleich, was er von meinen Aussichten auf Schadenersatz hält.« »Schadenersatz?« »Sie haben mich einen >krummen Anwalt< genannt«, klärte Mason ihn auf. Burdett grinste. »Sie . .. Sie Winkeladvokat!« schnaubte Fremont. »Haben Sie das notiert, Della?« fragte Mason. Sie nickte. »Okay, Mr. Fremont«, sagte Burdett, »Sie wissen Bescheid. Gehen Sie zum Anwalt.« »Ich habe schon einen und dazu einen Privatdetektiv. Auf die beiden hätte ich mich verlassen sollen, statt auf Sie. Dabei hat mir der Anwalt erzählt, ich sollte einen Polizeibeamten holen und den Komplizen verhaften lassen. Und jetzt sage ich Ihnen: Wenn diese Moneten mir entgehen, mache ich Sie beide verantwortlich.« »Tun Sie das«, riet Mason. An der Rennbahn wurde es laut. »Sie sind los!« rief jemand. Mason und Della Street ließen Fremont mit dem Beamten stehen und liefen zur Bahn hinüber, um die Pferde zu beobachten. »Eine wundervolle Persönlichkeit, dieser Kerl«, stellte Della fest. »Nicht schlecht - wie Chefs nun mal sind. Ich wollte Sie gerade erinnern, Miss Street, daß Sie dagegen für einen wahrhaft vorbildlichen Chef arbeiten.« Sie lachte und drückte seinen Arm. »Immerhin ein kleiner Trost. Und jetzt feuern Sie bitte >Pound Sterling< an, damit er gewinnt.« »Bei so einem Namen kann er ja gar nicht verlieren«, sagte Mason.
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Sie folgten den Pferden bis zum Finish mit den Augen. Für »Pound Sterling« gab es nicht einmal den Einsatz zurück. »Und das bei diesem Namen«, sagte Della Street enttäuscht. »Versuchen wir unser Glück noch mal beim nächsten Rennen«, schlug Mason vor. »Sie haben jetzt wohl genug von Pferden mit netten, vertrauenerweckenden Namen. Probieren wir's mal mit einem ganz verrufenen Gaul. Hier ist einer im zweiten Rennen: >FalschgeldPound Street< hat uns wenig eingebracht. Wie war's mit Nr. fünf, >Falschgeld