AUFSTIEG UND NIEDERGANG DER RÖMISCHEN WELT GESCHICHTE UND KULTUR ROMS IM SPIEGEL DER NEUEREN FORSCHUNG
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AUFSTIEG UND NIEDERGANG DER RÖMISCHEN WELT GESCHICHTE UND KULTUR ROMS IM SPIEGEL DER NEUEREN FORSCHUNG
11 HERAUSGEGEBEN VON
HILDEGARD TEMPORINI UND WOLFGANG HAASE
WALTER DE GRUYTER . BERLIN . NEW YORK 1985
PRINCIPAT FüNFUNDZWANZIGSTER BAND (3. TEILBAND) RELIGION (VORKONSTANTINISCHES CHRISTENTUM: LEBEN UND UMWELT JESU; NEUES TESTAMENT [KANONISCHE SCHRIFTEN UND APOKRYPHEN], FORTS.)
HERAUSGEGEBEN VON
WOLFGANG HAASE
WALTER DE GRUYTER . BERLIN . NEW YORK 1985
CI P-KurztitelauJnahme der Deutschen Bibliothek
Aufstieg und Niedergang der römischen Welt: Geschichte u. Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung / hrsg. von Hildegard Temporini u. Wolfgang Haase. - Berlin, New York : de Gruyter. NE: Temporini, Hildegard [Hrsg.] 2. Principat. Bd.25. 3. TeiJbd. / Hrsg. von Wolfgang Haase. 1. Aufl. - 1984. ISBN 3-11-010370-2 NE: Haase, Wolfgang [Hrsg.]
© 1984 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das der übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin 30 Einbandgestaltung und Schutzumschlag: Rudolf Hübler Buchbinder: Lüderitz & Bauer, Berlin 61
Inhalt RELIGION (VORKONSTANTINISCHES CHRISTENTUM: LEBEN UND UMWELT JESU; NEUES TESTAMENT [KANONISCHE SCHRIFTEN UND APOKRYPHEN], FORTS.) Band 11.25.3:
STANTON, G. (London) The Origin and Purpose of Matthew's Gospel: Matthean Scholarship from 1945 to 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . 1889-1951 PAUL, A. (Paris) Matthieu 1 comme ecriture apocalyptique. Le recit veritable de la 'crucifixion' de l'EQO)~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1952-1968 POKORNY, P. (Prag) Das Markus-Evangelium. Literarische und theologische Einleitung mit Forschungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1969-2035 RAU, G. (Lorch [Württemberg]) Das Markus-Evangelium. Komposition und Intention der ersten Darstellung christlicher Mission . . . . . . . . . . . . . . . . 2036-2257 RESE, M. (Münster [Westf.]) Das Lukas-Evangelium. Ein Forschungsbericht .
2258-2328
DAUBE, D. (Berkeley, Calif.) Neglected Nuances of Exposition in Luke-Acts .
2329-2356
ENSLIN, M. S. t (Philadelphia, Penn.) Luke and Matthew, Compilers or Authors? . . .
2357-2388
KYSAR, R. (Reading, Pa.) The Fourth Gospel. AReport on Recent Research .
2389-2480
WHITELEY, D. E. H. (Oxford) Was John Written by a Sadducee? . . . . . . . . .
2481-2505
BEUTLER, J. (Frankfurt a. M.) Literarische Gattungen im J ohannesevangelium. Ein For. .. 2506-2568 schungsbericht 1919-1980 . . . . . . . . . . . . .
VI
INHALT
BRUCE, F. F. (Manchester) The Acts of the Apostles: Histori~al Record or Theological Reconstruction? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2569- 2603 LOENING, K. (Münster i. Westf.) Das Evangelium und die Kulturen. Heilsgeschichtliche und kulturelle Aspekte kirchlicher Realität in der Apostelgeschichte 2604-2646
Band 11.25.1: "orvvort. . . . . . . . . . . . STAUFFER, E. t (Erlangen) J esus, Geschichte und Verkündigung .
" 3-130
WILCOX, M. (Bangor, Wales) J esus in the Light of his J evvish Environment .
131-195
HOLLENBACH, P. W. (Ames, Ia.) The Conversion of J esus: From J esus the Baptizer to J esus the Healer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
196-219
LEIVESTAD, R. (Oslo) J esus - Messias - Menschensohn. Die jüdischen Heilandservvartungen zur Zeit der ersten römischen Kaiser und die Frage nach dem messianischen Selbstbevvußtsein Jesu . . . . . . ..
220-264
BIETENHARD, H. (Bern) "Der Menschensohn" - 6 lJ[o~ 'tOll av8QwnolJ. Sprachliche, religionsgeschichtliche und exegetische Untersuchungen zu einem Begriff der synoptischen Evangelien. 1. Sprachlicher und religionsgeschichtlicher Teil. . . . . .
265-350
PESCE, M. (Bologna) Discepolato gesuano e discepolato rabbinico. Problemi e prospettive della comparazione . . . . . . . . . . . . . . . . ..
351-389
SANDERS, E. P. (Hamilton, Ontario) Jesus, Paul and Judaism . . . .
390-450
CHARLESWORTH, J. H. (Durham, N. C.) The Historical J esus in Light of W ritings Contemporaneous vvith Hirn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
451-476
DERRETT, J. D. M. (London) Lavv and Society in Jesus's World .
477-564
BETZ, O. (Tübingen) Probleme des Prozesses J esu. . . .
565-647
INHALT
VII
KUHN, H.-W. (Heidelberg) Die Kreuzesstrafe während der frühen Kaiserzeit. Ihre Wirklichkeit und Wertung in der Umwelt des Urchristentums . ..
648 -793
BARTscH, H. W. (Frankfurta. M.) Inhalt und Funktion des urchristlichen Osterglaubens, mit einer Bibliographie zum Thema (hier: nämlich, denn) enden kann, hat unlängst VAN DER HORST durch den Hinweis auf den Schlußsatz des 32. Traktats Plotins (Enneaden V, 5) widerlegt. 76 Am Anfang der
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W, SCHMITHALS, Der Markusschluß 401ff. Vgl. auch sein Kommentar ad loc. Siehe J. GNILKA, Jesus Christus 117-136 u. vgl. R. PESCH, Das Markusevangelium 67. K. ALAND, Markusschluß 441; DERs., Der Schluß 461ff.; P. POKORNY, Der Anfang 116. R. PESCH, Das Markusevangelium 45f.; H. C. KEE, The Transfiguration 149f. Ihre Argumente betreffen auch T. J. WEEDEN, der die Verklärung auch für eine Erscheinung des Auferstandenen hält (Mark, Traditions 121-124). H. W. BARTSCH, Der Schluß 246; DERs., Der ursprüngliche Schluß 411ff. G. W. TRoMPF, Resurrection Appearance 314. Die Voraussagen der Erscheinung in 16,7 und 14,28, die von den Vertretern solcher Erklärungen meistens als sekundäre Einschübe betrachtet werden, sind als bewußte Einschübe des Evangelisten in die aus der Tradition übernommenen Stoffe zu erklären. Von den zahlreichen Kommentatoren, die Mark. 16,8 für den ursprünglichen Schluß des Markusevangeliums halten, nenne ich: J. WELLHAUSEN, Evang. Marci 136f.; J. WEISS, Das älteste Evangelium 345; R. H. LIGHTFOOT, Message 80; W. GRUNDMANN, Markus 326; J. SCHREIBER, Markuspassion 31; R. PESCH, Naherwartung 233; DERs., Das Markusevangelium 40-47. über den sekundärert Charakter des Ariston-Schlusses J. HUG, La finale 220ff. Dagegen neulich H. LUBCSZYK, Kyrios Jesus 146ff. VAN DER HORST, rAP; DERS., Musonius Rufus. R. H. LIGHTFOOT macht auch darauf aufmerksam, wie Markus das Y<X(l benutzt, z.B. 11,18 am Ende einer Perikope. Weiteres zur Frage R. PESCH, Das Markusevangelium 46.
DAS MAKK.U~t. Y ANu1:.LlUIYl
Evangelienbildung steht also ein Werk mit dem modern klingenden Schluß: "Und sie sagten niemand etwas davon, denn sie fürchteten sich sehr. "77
2. Die Eschatologie des ursprünglichen Markusschlusses Weshalb hat der Evangelist sein Werk mit diesen Worten und mit dieser Geschichte abgeschlossen? E. LOHMEYER hat die These geprägt, daß Mark. 16,7 auf die in Bälde erwartete Parusie hinweist. Das "Dort werdet ihr ihn sehen (ö1VE08E)" deutet dementsprechend die Theophanie an. 78 Durch das Werk W. MARXSENS ist diese These erst bekannt geworden. Nach ihm wird in den Versen 16,6-7 sowohl die geschehene Auferstehung (iJYEQ8'l1) als auch die bevorstehende Parusie (ö1VE08E) verkündigt. 79 "Da aber die Parusie noch aussteht, kann natürlich die Erfüllung von 16,7 nicht berichtet werden."80 Das Markusevangelium hat ihm zufolge während des jüdischen Krieges die Christen zum Auszug nach Galiläa aufgefordert, wo sie die Parusie erleben sollten. 81 Diese These haben auch einige andere Forscher aufgenommen,82 vor allem N. PERRIN, der das Markusevangelium daraufhin literarisch als apokalyptisches Drama charakterisiert hat. 83 Es wäre eine gescheiterte literarische Struktur, deren Intention unmittelbar zeitgebunden ist. Deshalb mußte Mattäus nach PERRIN dieses Drama in einen Gründungs mythos umwandeln. Aus der markinisch letzten Zeit ist demzufolge eine heilige Zeit geworden, auf die sich das Leben der Kirche ständig bezieht. 84 Diese packende Deutung kann jedoch nicht in den breiteren geschichtlichen Rahmen eingeordnet werden, und auch die Einzeluntersuchungen sprechen gegen sie. MARXSEN und PERRIN bestreiten nicht, daß sich das "er wurde auferweckt" (iJYEQ8'l1) auf die Auferstehung bezieht, also auf das Ereignis, das die Glaubensformel (Pistisformel) in 1. Kor. 15,3 b-5 verkündet (EYiJYEQ'tUL perf. pass. V.4) und das Markus in den drei von ihm bearbeiteten Leidensankündigungen (8,31; 9,31; 10,33f.)85 unterstreicht. Die nachträgliche Entdeckung der nach Mark. 16,8 verschwiegenen Parusiebotschaft, die an sich um das Jahr 70 gut denkbar 77 78
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Nach der deutschen Einheitsübersetzung. E. LOHMEYER, Markus 356. W. MARXSEN, Der Evangelist 74, vgl. 54; DERS., Einleitung 127. Auch E. TROCME setzt voraus, daß das Markusevangelium ursprünglich zur Parusie eingestellt war. Zu seinem ursprünglichen Bestand rechnet er jedoch nur die Kap. 1-13 (La Formation 188 u. a.). W. MARXSEN, Der Evangelist 77. Ebd. 142, vgl. 58. A. SUHL, Zitate 167f.; W. H. KELBER, The Kingdom 106.146; DERs., The Passion 172; N. Q. HAMILTON, The Resurrection 420f.; J. R. DONAHuE, Introduction 16f.; DERS., Temple 78; T. J. WEEDEN, Mark, Tradition 121-124. N. PERRIN, Interpretation 39; DERs., Introduction 162; DERS., Christology 174ff. C. G. HOBBS möchte dies lieber als den neuen Exodus interpretieren (Methodology 85f.) Das Modell des Exodus setzt in seiner eigenwilligen Monographie auch J. BowMAN voraus (Mare, bes. S. 310f.). N. PERRIN, Introduction 191. G. STRECKER, Voraussagen 66.
1984
PETR POKORNY
ist, paßt. nicht in die Struktur des Markusevangeliums. Zwischen dem "er ist auferweckt" (16,6) und dem "dort werdet ihr ihn sehen" (16,7) müßten die ersten Jahrzehnte des Christentums und der Anfang des jüdischen Krieges liegen. Man kann einwenden, daß Markus ein apokalyptisches Zeitverständnis hat, in dem die Vergangenheit mit der Gegenwart verschmilzt,86 oder daß er die Tradition der Erscheinungen des Auferstandenen bewußt unterdrückt, weil er in ihr eine ungebührliche Heroisierung Jesu gesehen hätte. 87 Aber die im Kap. 13 belegte Naherwartung des Markus ist gerade nicht apokalyptisch, denn im V. 32 wird die zeitliche Schätzung der Nähe der Parusie den menschlichen Maßstäben entzogen. 88 Auch die Angabe, daß "zuerst das Evangelium bei allen Völkern verkündigt werden muß" (13,10), kann man kaum als etwas damals schon Erfülltes betrachten. 89 Weil das "dort werdet ihr ihn sehen" (16,7) unmittelbar mit der Auferstehungsverkündigung verbunden ist (16,6) und da über die Auferstehung immer im Perfekt oder Aorist gesprochen wird (s. u. Kap. IV,l, S. 1993f.), muß sich das Sehen hier auf ein in der Zeit der Abfassung des Markusevangeliums schon geschehenes Ereignis beziehen. Der Auszug nach Galiläa in 16,7 ist keine gelenkte Fortsetzung der im jüdischen Krieg aktuellen Flucht in die Berge, von der in Mark. 13,14 gesprochen wird. 90 Es gibt bei Markus transparente Erzählungen mit Aufforderungen an die Leser, 91 aber durch die aktualisierte Darstellung wird die Einmaligkeit des berichteten Ereignisses nicht allegorisch verwischt (s. u. Kap. IV, 1, S. 1991ff.). So sollen z.B. die auch dem Leser geltenden Aufrufe zur Nachfolge (1,17; 2,14) vor allem Zeugnis und Belehrung über die Berufung der ersten Jünger bleiben,92 und nur als solche behalten sie auch ihre aktuelle Bedeutung. Auch die allgemeine Aufforderung zur Nachfolge des Menschensohns in Mark .. 8,34b gewinnt ihre Autorität durch die Verankerung in der ursprünglichen Jüngerbelehrung (8,34a). Das "dort werdet ihr sehen" gilt also auch vor allem Petrus und den ersten Jüngern. übrigens widersprechen die Aufrufe zur Nachfolge auch in ihrer transparenten Fassung der apokalyptischen Deutung des Markusschlusses. Es ist undenkbar, daß die Leser dadurch zur Nachfolge auf dem Weg nach Galiläa aufgefordert werden sollten. 93 - Es ist auch kaum vorstellbar, daß Markus in einer gespannten apokalyptischen Stimmung ein so mühevoll gesammeltes Werk geschrieben hätte.
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W. MARXSEN, Der Evangelist 128; N. PERRIN, Introduction 162f.; A. SUHL, Zitate 168. Zur Kritik R. PESCH, Das Markusevangelium 51. T. J. WEEDEN, Mark, Traditions 11-13. Neulich hat auch A. LrNDEMANN den 'abrupten' Schluß als Ausdruck einer Kreuzestheologie des Evangelisten erklärt (Die Osterbotschaft 315f.). R. PESCH, Naherwartungen 192f.207.239. So auch R. PESCH, Naherwartungen 131.238, vgl. 73 gegen A. SUHL, Zitate 22. So offensichtlich W. MARXSEN, Der Evangelist 130. Vgl. W. MARXSEN, Der Evangelist 128; DERS., Einleitung 129. Die erste Berufung stammt aus der Tradition, die zweite hat Markus gebildet: R. PESCH, Levi Matthäus (Me. 2,14/Mt. 9,9; 10,3), Z.N. W. 59/1968, 40-65; DERS., Das Markusevangelium ad loc.; P. POKORNY, Vyklad ad loc. So richtig E. SCHWEIZER, Eschatologie 45-48.
DAS MARKUSEVANGELlUM
1985
Das wirklich entscheidende Argument gegen die apokalyptische Auffassung des Markusevangeliums ist aber die Erwähnung des Petrus in 16,7. Petrus ist nach 1. Kor. 15,5 der erste Zeuge der Auferstehung Jesu. In der Urkirche hat man offensichtlich davon seine Autorität abgeleitet, und alle drei übrigen kanonischen Evangelien haben diese Tradition übernommen. In der Abfassungszeit des Markusevangeliums hat Petrus für die Christen keine spezifische aktuelle Bedeutung gehabt. Sein Name verrät also, daß sich Mark. 16,7 auf die Erscheinungen des auferstandenen Jesus bezieht. 94 Dadurch sind wir von der Polemik zu einer positi..,.:.cn Darstellung der Eschatologie und der ganzen Ausrichtung des Markusevangeliums übergegangen. Die Pistisformel in 1. Kor. 14,3 b- 5 scheint uns ein möglicher Schlüssel zur Komposition des ganzen Evangeliums zu sein, denn der Evangelist war wirklich von dieser oder einer ihr ähnlichen formelhaften Aussage abhängig. Sie hat schon die vormarkinische Passionsgeschichte beeinflußt. Die Berührungspunkte in den Schlußversen sind auffällig. In 1. Kor. 15, 3b-5 wird über das Kreuz, die Bestattung und die Erweckung Jesu am dritten Tag gesprochen. Dann wird bezeugt, daß Petrus und andere Jünger (die Zwölf) den auferstandenen J esus gesehen haben (Wep8y\). 95 Im Markusevangelium wird in 15,25 und 46 im Rahmen der Passionserzählung die Kreuzigung und Grablegung dargestellt. In 16,2 wird das Folgende mit dem ersten Wochentag verbunden, also mit dem dritten Tag seit der Kreuzigung nach der jüdischen Rechnung, in 16,6-7 werden die Ereignisse rekapituliert: "Ihr sucht ... den Gekreuzigten." Dann kommt das Neue; "Er wurde auferweckt 96 . • • , aber sagt seinen Jüngern und Petrus: Er geht euch voran nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen (01VE08E)."97 - Da die Pistisformel in 1.Kor. 15,1 als Evangelium bezeichnet wird und das Markusevangelium mit den Worten "Anfang des Evangeliums" beginnt (1,1), kann man diese Analogien nicht für Zufall halten. Markus wollte auf die durch die Pistisformel repräsentierte Tradition hinweisen. 98
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Zusammenfassend R. H. STEIN, Note 451 f. "Ü'l\JW8E weist zwar Mk. 13,26 und 14,62 (v gl. Offeng. 1,7) auf die Parusie hin. Die Aussage über die Auferstehung Jesu in Mark. 16,6 ist von der Pistisformel geprägt, zu der auch das wcp811 gehört (1. Kor. 15,4, vgl. Luk. 24,34). Will man auf das Ereignis des wcp811 in der Zukunft hinweisen, muß man das Futurum O'l\Jw8m benutzen. Grammatisch ist es also möglich, die Botschaft des Engels (16,6) auf die Erscheinungen des Auferstandenen zu beziehen: P. POKORNY, Der Anfang 118 f.; R. H. STEIN, Note 446 f. - übrigens bezieht Ap. Paulus das Perfekt EWQUKU in 1. Kor. 9,1 auch auf die Erscheinungen des Auferstandenen: E. BEST, The Temptation 176; A. E. J. RAWLlNSON, Mark 270. Vgl. auch Mark. 8,31; 9,31; 10.34. J. BLINZLER, Jesusverkündigung 102ff.; L. SCHENKE, Auferstehungsverkündigung 108; P. POKORNY, Der Anfang. So z. B. H. J. HOLTZMANN, Synoptiker 298; B. WEISS, Handbuch 12ff.; T. A. BURKILL, Revelation 249ff.; S. SCHULZ, Die Stunde 141; J. BLINZLER, Jesusverkündigung 102; N. R. PETERSEN, Composition 184; R. PESCH, Der Schluß 408; DERS., Markusevangelium II 534f.; TH. BOMAN hat diese Beziehung unterstrichen (Die Jesusüberlieferung 100). Auch W. SCHMITHALS rechnet damit, daß 16,7 auf die Ostererscheinungen hinweist (Der Markusschluß 386). Er hält es jedoch im Vergleich zu der markinischen Vorlage für eine sekundäre Entwicklung (s. o. Kap. III,1, S. 1981f.).
PETR POKORNY
Begreift man Mark. 16,7 und den damit zusammenhängenden vormarkinisehen Einschub 14,28 als Hinweise auf die Ostererscheinungen Jesu, kann man auch das rätselvolle Schweigen der Frauen erklären. Die Auferstehungsverkündigung mit den Zeugnissen über die Erscheinungen des Auferstandenen hat in der Kirche, wie 1. Kor. 15,3b-5 zeigt, schon vor Paulus und vor Markus grundlegende Bedeutung gewonnen. Erst später hat die Erzählung vom leeren Grab einen breiteren Einfluß gewonnen. Paulus argumentiert mit ihr noch nicht, obwohl er das leere Grab voraussetzt (1. Kor. 15,12.42ff.). Wenn die Schlußperikope des vormarkinischen Passionszyklus (s. u. Kap. V,1, S. 1998) diese Elemente verbindet, muß erklärt werden, weshalb die Grabesgeschichte nicht früher bekannt war. Die Erklärung ist folgende: Die Frauen haben geschwiegen. 99 ,100 Der Hörer der Ostergeschichte setzt voraus, daß die Frauen diese Geschichte erst nachträglich erzählt haben, nachdem die Jünger die Erscheinungen erlebt hatten. 101 Der Aufruf zum Auszug nach Galiläa, wo die Erscheinungen stattfinden sollen (16,7), relativiert gleichzeitig die Verehrung des Grabes auf dem Grundstück des Joseph von Arimatäa. Dort ist der Auferstandene nicht zu finden. In der Zeit nach dem Fall Jerusalems (s. u. Kap. VII,2, S. 2022) war dies auch ein Trost für die Christen: Jesus ist nicht an Jerusalem gebunden. Dort soll man ihn nicht suchen. Die Beziehung zum Evayy€:A.LOv, wie Paulus die Pistisformel nennt, 102 kann man durch die Untersuchung der Rolle des Begriffs Evayy€J... LOV bei Markus verifizieren (1,1; 1,14.15; 8,35; 10,29; 13,10; 14,9). Die meisten dieser Stellen sind von dem Evangelisten bearbeitet oder selbständig formuliert worden. 103 Er hat also an den in den paulinischen Kreisen üblichen EvaYYEALOv-Begriff bewußt angeknüpft. In Mark. 1,1 bezeichnet dieser Begriff offensichtlich nicht das Evangelium als christliche literarische Gattung. Der erste Zeuge für diese Bedeutung des Begriffs EvaYYEALOv ist erst Irenäus von Lyon. 104 Das Evangelium ist für ihn die mündliche Botschaft. Gleichzeitig begegnen wir bei Markus einer Akzentver99
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C. G. MONTEFIORE, Gospels I 408; R. BULTMANN, Tradition 308; T. A. BURKILL, Revelation 250; W. SCHENK, Der Passionsbericht 270f. und andere. J. SCHREIBER möchte darin die Erklärung des postulierten Tatbestandes sehen, wonach die Judenchristen in Jerusalem, die Jesus vor allem für einen Lehrer hielten, "keine Notiz von der Gegenwart des Erhöhten unter den Heidenchristen genommen haben" (Die Christologie 178). Diese Erklärung schließt nicht die Deutung des Schweigens der Frauen als Folge einer Begegnung mit dem Göttlichen (numinosum) aus, die Angst und Schweigen nach sich zieht: E. TROCME, La Formation 52f.; K. TAGAWA, Miracles 91 ff.; R. PESCH, Das Markusevangelium 46f. So schon A. MENZIES, The Earliest Gospel ad loc.; G. WOHLENBERG, Markus 385. Konstruiert ist die Annahme E. WINKELS, daß sich der Vers 16,8b auf die Jünger bezieht, die das Mitgeteilte zunächst nicht weitergesagt haben (Markus 90). Paulus benutzt jedoch den Begriff Evangelium im breiteren Sinne, als Bezeichnung aller traditionellen Formulierungen der Osterbotschaft, vgl. Röm. 1,1-4 (2. Tim. 2,8). G. STRECKER, Literarkritische überlegungen 88f.; W. MARXSEN, Der Evangelist 82; P. STUHLMACHER, Evangelien I 235; alle drei halten die EuaYYEALOv-Stellen für markinische Bildungen. R. PESCH hält Mark. 1,1 für eine redaktionelle Bildung, an den anderen Stellen rechnet er nur mit markinischer Bearbeitung (Das Markusevangelium 105ff.). Vgl. die übersicht bei J. A. BAIRD, Genre Analysis 15.
DAS MARKUSEVANGELlUM
1987
schiebung. Mark. 1,14 und 15 bezeichnen das 'Evangelium' nicht unmittelbar als die Botschaft über die Auferstehung J esu, sondern, mindestens im V. 14, als die Verkündigung J esu über das kommende Reich Gottes. G. STRECKER folgert daraus, daß Markus das Evangelium als Auferstehungsbotschaft vom Standpunkt der Verkündigung Jesu interpretiert. lOS Das "um meinetwillen und um des Evangeliums willen" in 8,35 und 10,29 spricht zugunsten dieser Deutung, weil die Person Jesu noch von dem Evangelium getrennt ist. "Markus schreibt sein Evangelium in der Absicht, die Gemeinde am Bild des in der Vergangenheit wirkenden Gottes- und Menschensohnes J esus Christus sich orientieren zu lassen. "106 Im Unterschied zu STRECKER möchte ich jedoch den Akzent verschieben. Für Markus ist das Evangelium grundsätzlich die Osterbotschaft. Eindeutig kann man das in 13,10 sehen; dort wird von dem Evangelium im Zusammenhang mit der Mission und in der Missionsterminologie gesprochen. 107 Dieselbe Bedeutung hat das Evangelium in der Perikope über die Salbung Jesu in Betanien: "überall auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man auch an sie denken und erzählen, was sie getan hat." Die Salbung wird als Salbung zum Begräbnis (das Balsamieren) Jesu gedeutet (V. 8). über die Verkündigung des Evangeliums wird dabei im Futurum gesprochen, es bezieht sich also auf die Auferstehungsbotschaft im Rahmen der Völkermission. Zu ihr gehört als Erinnerung (vgl. das ~VrH.l6olJvov 14,9), d.h. als der an die Vergangenheit gebundene Teil, auch das Zeugnis über den Tod Jesu, das "er starb ... und wurde begraben." Zu diesem Teil ist auch die Salbung in Betanien als die Vorgeschichte der Passion zu zählen. lOB Und Markus dehnt den ersten Teil des Evangeliums noch weiter nach hinten aus - auf die Zeit der öffentlichen Wirkung Jesu. Das 'AQxi] LOV EvaYYEALOlJ in Mark. 1,1 bezieht sich hier nicht unmittelbar auf die vorösterliche Botschaft Jesu. 109 Es handelt sich um die Auferstehungsbotschaft, wie die eben besprochenen Stellen signalisieren.1 1o Auch das "um meinetwillen und um des Evangeliums willen" (8,35; 10,29) muß man nicht in einem vorchristologisch apokalyptischen Sinne verstehen. Das zweite Glied kann man epexegetisch begreifen, 111 so daß es sich dann 'prophetisch' um das künftige Leiden um der Osterbotschaft willen handelt, zu der auch der irdische J esus gehört (v gl. den Kontext, bes. 8,31; 10,34).112 In 1,14 kann man das Wort EvaYYEALOv nicht auf die Auferstehungsbotschaft beziehen. Darüber spricht Jesus nach Markus nur in den Leidensvoraussagen, die zur Jüngerbelehrung gehören. Das Evangelium ist also in Mark. 1,14.15 die Verkündigung Jesu über das Reich Gottes. Im Rahmen des eben Festgestellten muß man jedoch in der Verkündigung und der ganzen irdischen Existenz J esu 105 106 107 108 109
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G. STRECKER, Das Evangelium 217. Ebd. 537. P. STUHLMACHER, Evangelium I 284-289. Vgl. R. SCHNACKENBURG, Das Evangelium 315-318. Anders CH. E. B. CRANFIELD, Mark 36; D. STRECKER, Das Evangelium 215ff. (bes. Anm.134). R. PESCH, Das Markusevangelium 75; .H. BAARLINK, Anfängliches Evangelium 48ff. W. GRUNDMANN, Markus 176; W. MARXSEN, Der Evangelist 84f. Anders G. FRIEDRICH, ElJaYYEALSw8m 726.
1988
PETR POKORNY
einen Teildes Evangeliums als nachösterlicher Verkündigung sehen. Das Interesse des Markus an den Worten und Taten Jesu, an der Vergangenheit des Auferstandenen, ist also vom Evangelium als Osterbotschaft abgeleitet, zu dem Jesus auf seinem Wege zum Kreuz gehört. 113 Im Hintergrund der zusammenfassenden Formulierung in 1,14.15 klingt die nachösterliche Bedeutung in dem Verb "verkünden" (K'YIQUOOELV) an (vgI. GaI. 2,2; 1. Thess. 2,9 oder KoI. 1,23)114, ebenso in dem absoluten Gebrauch des Terminus EvnyyE'J...wv im V. 15. 115 Das Verhalten und die Botschaft Jesu gehören also zum Evangelium, zur Osterbotschaft. Die Anspielung auf die Pistisformel (das Evangelium) in Mark. 16,6-7 hängt mit der Anwendung des Evangeliumbegriffs in Mark. 1,1 und in dem ganzen Buch zusammen. Die Eschatologie des Markusevangeliums ist also nicht durch die apokalyptische Naherwartung bestimmt. Die apokalyptische Verkündigung des Johannes des Täufers wird auf Jesus bezogen. Mit ihm bricht das Eschaton in diese Welt hinein. Ihm als Gottessohn zu begegnen, das heißt für den Leser, durch die anbrechende Gottesherrschaft hingerissen zu werden (s. u. Kap. III,3, S. 1990 und Kap. VI,4, S. 2017). Die Eschatologie des Markusevangeliums ist also keine Alternative zur Auferstehungsbotschaft. Der Evangelist hat die älteren Traditionen und kleinere vorliterarische schriftliche Einheiten im Namen des Evangeliums als zweigliedriger (Sterben + Erweckung) Pistisformel gesammelt, deren ersten Teil er ausgedehnt hat (s. u. Kap. IV,2, S. 1995).
3. Von der Eschatologie zur Christologie Markus hat an die übernommenen Traditionen angeknüpft, und obwohl er sie bearbeitet hat, kann man seine Theologie nicht als ein logisch und begrifflich einheitliches System betrachten. Man kann jedoch klare Tendenzen erkennen, die von dem mündlichen Evangelium als Kompositionsprinzip (s. o. Kap. III,2, S. 1987) ab'geleitet sind. Man kann aber auch konkrete Eingriffe beobachten, die die Diskrepanzen älterer Stoffe beseitigen. Es gibt zum Beispiel Worte von dem kommenden Menschensohn, die Markus aus der Tradition übernommen hat (2,10.28; 8,38; 10,45; 13,26). Es ist nicht ausgeschlossen, daß es sich in 8,38 im Grunde um ein Wort Jesu handelt. Die Gestalt des Menschensohns war in der jüdischen Apokalyptik mit dem Jüngsten Gericht (Äth.Hen. 62) und mit der Ankunft des neuen Äons (Dan. 7,13f.) verbunden. Die Menschensohnvorstellung war in der Zeit Jesu verbreitet,
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R. PESCH, Das Markusevangelium 106. Anderer Meinung ist G. DAUTZENBERG, Die Zeit, der den markinischen EvaYYEALOv-Begriff von der Basileia-Verkündigung Jesu ableitet (221-334.76.78-90). R. SCHNACKENBURG, Das Evangelium 311. S. SCHULZ, Die Stunde 33; R. SCHNACKENBURG, Das Evangelium 321 und G. DAUTZENBERG, Die Zeit 76.78, rechnen damit, daß Mark. 1,15 aus der Tradition stammt, während G. STRECKER, überlegungen 81 ff., nur mit älterer christlicher Begrifflichkeit rechnet, die Markus redaktionell bearbeitet hat.
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und Jesus hat daran in seinen Selbstaussagen angeknüpft. 116 In 14,62, ähnlich wie in 8,31; 9,9.12.31; 10,33f.; 14,21 und 41, hat Markus die mit der Passion zusammenhängenden Menschensohnworte übernommen. 117 Der verhörte Jesus verkündigt seinen Richtern das Gericht Gottes,118 das in der Endzeit kommen wird. Das Christliche besteht darin, daß es Jesus ist, der dies Gericht verkündet, so daß der Hörer schon seine Vollmacht spürt. Ich lasse die Frage offen, wieweit die Verse 14,61-62, in denen drei christologische Titel auftauchen, authentisch und wieweit sie überarbeitet sind. 119 Entscheidend ist, daß die Bestätigung dieser auf die Endzeit bezogenen Aussage noch im Rahmen desselben Passionszyklus in 16,6 kommt, wo der Bote Gottes die Erweckung Jesu verkündigt. 120 Mit diesem Grundanliegen des Passionszyklus verbindet Markus die anderen Menschensohnaussagen. Das Logion in 8,38 hat seine Parallele in der Spruchquelle in Luk. 12,9: Matt. 10,33. Dort ist es ein Doppelspruch mit Verheißung und Drohung. Markus übernimmt nur die Drohung, denn die Rolle der Verheißung spielt der nächste Vers (9,1), den er als Einleitung eines weiteren Stückes des Passionszyklus benutzt: "Und er sagte ihnen: Amen, ich sage euch: Von denen, die hier stehen, werden einige nicht sterben, bis sie gesehen haben, daß das Reich Gottes mit Macht gekommen ist." Es ist wahrscheinlich, daß dieser Vers ein Ausdruck vormarkinischer relativer Verschiebung der Naherwartung ist (vgl. 4. Esra 6,25). Markus sieht jedoch die Erfüllung in der nachfolgenden Verklärungsgeschichte, und die "Einigen" sind Petrus, Jakobus und Johannes. 121 Sie erkennen ihn als den Gottessohn (9,7, vgl. 1,11; vgl. u. Kap. VI,4, S. 2015) und als den Menschensohn, dessen Auferstehung der Schlüssel zum Verständnis ihrer Vision ist (9,9). In Jesus erfüllt sich also schon die Enderwartung (9,11-13).
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Eine übersicht der Forschung und des Problems siehe bei C. COLPE, Ö ulo~ toll av8goJ]tou, Theol.Wb.z.N.T. VIII, 1969, 403-481; vgl. jetzt auch H. BIETENHARD, "Der Menschensohn" - Ö ULO~ tOll av8g6mou. Sprachliche, religions geschichtliche und exegetische Untersuchungen zu einem Begriff der synoptischen Evangelien, I. Sprachlicher und religions geschichtlicher Teil, ANRW II 25.1 (1982), 265-350 (Forts. demnächst in ANRW II26) sowie R. LEIVESTAD, Jesus - Messias - Menschensohn. Die jüdischen Heilandserwartungen zur Zeit der ersten römischen Kaiser und die Frage nach dem messianischen Selbstbewußtsein Jesu, ANRW II25, 1, 220-264. R. PESCH, Die Passion 166ff.; vgl. u. Kap. V,1, S. 1996. J. GNILKA,Jesus Christus 133f.; R. PESCH, Die Passion 184ff. R. PESCH behauptet unter Anknüpfung an U. B. MÜLLER nicht unberechtigt, daß es sich hier und in 9,31 um Worte handeln kann, die im Grunde authentisch sind, d. h. von J esus selbst stammen (Die Passion 192 ff.). V gl. K. SCHUBERT, Das Verhör J esu vor dem Hohen Rat, in: J. SINT (Hrsg.), Bibel und zeitgemäßer Glaube 11, Klosterneuburg 1967, 97-130, bes. S. 118ff. In diesem Sinne kann man F. C. GRANT, The Earliest Gospel, New York 1943,125-147, zustimmen, der die sachliche Zusammengehörigkeit der Erscheinungen des Auferstandenen und der Parusie bei Markus betont. R. PESCH, Das Markusevangelium 46; DERs., Naherwartungen 187, dort weitere Literatur, neulich auch J. M. NÜTZEL, Hoffnung 88f. Zur Auslegungsgeschichte M. KÜNZI, Markus 9,1 par. passim. Dagegen P. J. ACHTEMEIER, "He Taught Them Many Things" 469f., der den Spruch für eine markinische Bildung hält, die die Parusieerwartung aufrechterhalten soll. ANRW II
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Ihre universale Erfüllung wird dadurch jedoch nicht in die weite Ferne verschoben oder vergessen. Die Naherwartung wird nicht aufgegeben,122 aber die Auferstehung J esu wird schon nicht mehr als ein apokalyptisches Vorzeichen der Wandlung begriffen, sondern sie wird zum Grund der eschatologischen Erwartung. Man weiß nicht, wann genau der Tag kommen wird (13,28-31), selbst der Sohn nicht (13,32ff.). Außer den Worten Jesu ist der Gemeinde kein Zeichen seines künftigen Kommens gegeben. 123 "Gebt acht" (13,5.9.23.33) und "Wacht" (13,35.37) sind die durch den Evangelisten formulierten Aufrufe, welche den roten Faden des 13. Kapitels bilden. Das Kommen des Menschensohns zum Gericht (13,26) und zur Sammlung seiner Gemeinde (13,27) kann man also nicht berechnen, obwohl der Vers 30 die Erfüllung noch zu Lebzeiten der Zeitgenossen J esu ankündigt. Da dieser Vers die schon erwähnte Parallele in 9,1 hat - die Erfüllung sieht der Evangelist in der Verklärung Jesu -, ist es wahrscheinlich, daß er beide Sprüche von einer apokalyptischen Gruppe übernommen und durch den Kontext neu gedeutet hat. Zur Vergangenheit gehört das proleptische Sehen der künftigen Herrlichkeit Jesu während seiner Verwandlung (9,2-8) und die angekündigte Erscheinung vor den Jüngern (16,7), in die Zukunft das Kommen des Menschensohns,124 Das Entscheidende ist jedoch, daß der end zeitliche Richter schon bekannt ist (8,38-9,8 vgl. 10,29f.). Man kann die markinische Eschatologie mit der Struktur der alten Verbindung der Gottessohn- und Parusieaussage (1. Thess. 1,10)125 vergleichen, wo das Kommen des Gottessohns als Enderwartung auf die Erweckung J esu von den Toten gegründet ist. Die zeitliche Gliederung ist ein Ausdruck der Dynamik des Geschehens, in dessen Mitte er steht. Eine ähnliche Spannung zwischen der verwirklichten und noch ausstehenden Eschatologie kann man in der Kombination der Sprüche über das Reich Gottes sehen, das durch Jesus nahegekommen ist (1,14f.), sich in den Dämonenaustreibungen Jesu gegen das Reich des Bösen durchsetzt (3,22-30)126 und nach 9,1 in der Verklärung Jesu für die Jünger offenbar wird. 127 Die Verwirklichung dieser vorweggenommenen Hoffnung ist 122
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W. SCHENK meint, sie sei polemisch gegen die gnostisierenden Enthusiasten hervorgehoben (Gnostisierende Deutung 242f.). Auch J. SCHREIBER akzeptiert die Naherwartung (Theologie 133 Anm. 201), obwohl er sonst die präsentische Dimension der Eschatologie betont (Theologie 85.129ff.). R. PESCH, Naherwartungen 188. N. R. PETERSEN, Composition 184f.; P. O. G. WHITE, The Resurrection 615ff. gegen J. SCHREIBER, Christologie 161 und H. WEINACHT, Die Menschwerdung 53ff., die die Verklärung als vordatierte Erscheinung des Auferstandenen begreifen. W. KRAMER, Kyrios 120-123. J. M. ROBINSON, Das Geschichtsverständnis 28-30; E. STEGEMANN, Das Markusevangelium 217.231 und K. KERTELGE, Die Wunder 55-60, betrachten die markinischen Exorzismen als direkte Zeugnisse des kosmischen Konflikts, den das Kommen des Reiches Gottes hervorruft. D. A. KOCH ist viel behutsamer (Wundererzählungen 173 -179) und stimmt nur einem mittelbaren Bezug der Wundergeschichten auf den "eschatologischen Verstehensrahmen" zu (175). Siehe auch R. PESCH, Das Markusevangelium 220. Vgl. T. A. BURKILL, Revelation 167. Auch H. C. KEE betont, daß die Verklärung eine proleptische Vision sein soll, die die apokalyptische Naherwartung zwar relativiert, aber als das Endziel bestätigt (The Transfiguration 149f.).
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mit der vollen Gegenwart des Reiches Gottes verbunden, auf welche die gemeinsamen Mahlfeiern mit Jesus hinweisen (14,25).128 Die Hoffnung entscheidet sich dort, wo Jesus zum Tisch einlädt, das Reich Gottes verkündet und zur Nachfolge ruft. 129
IV. Das Evangelium als Erinnerung
1. Der irdische Jesus im Markusevangelium Wir haben schon die sog. transparente Darstellung der Vergangenheit erwähnt, die bei Markus öfters vorkommt. Durch die mit dem irdischen J esus verbundenen Worte und Geschichten soll gleichzeitig der Leser unmittelbar angesprochen werden. In Mark. 9,37 wird z. B. die Aufnahme des Kindes bildlich als Aufforderung zur Aufnahme der hilfsbedürftigen christlichen Apostel und Missionäre aufgefaßt (nuLÖ(u, ÖEXE08uL, -co ovof.lu, anoo-cOJ... ELV).130 In Mark. 8, 14-21 wird, wenn die Jünger feststellen, daß sie kein Brot haben (V. 16), der Leser darauf aufmerksam gemacht, daß sie doch ein Brot mit sich im Boot hatten (V. 14). Es ist Jesus selbst. Dadurch eröffnet sich ein neues, aktuelles Verständnis der zwei vorangehenden Speisungswunder (V. 18-20)131 und gleichzeitig ein tieferes Verständnis für die christliche kultische Tischgemeinschaft, die Eucharistie. Mattäus hat diesen Hintergrund nicht begriffen (Matt. 16,5 -12), während das spätere J ohannesevangelium das Bild des Erlösers als das des Brots der Welt aufnimmt und entfaltet Goh. 6,22-59). Der blinde Bartimäus, der das Augenlicht wieder gewinnt und als Gläubiger Jesus folgt (10,46-52), ist gleichzeitig das Vorbild des Jüngers. 132 Auch das Gleichnis über die bösen Winzer (12,1-12) begreift Markus gleichzeitig allegorisch: Der Sohn ist Jesus selbst. Diese allegorischen Modalitäten der Erzählungen, die an hellenistischjüdische Tradition der allegorischen Auslegung anknüpfen und die die Christen schon vor Markus übernommen hatten (Mark. 4,13-20), basieren auf einem synchronischen Zeitverständnis. Einige Forscher haben daraus den Schluß gezogen, daß das Markusevangelium als ein unmittelbarer Aufruf an die Leser zu verstehen sei. Die Hervorhebung Galiläas soll demzufolge die christliche Heiden128
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Nach W. H. KELBER, The Kingdom 105 u. a., liegt bei Markus der ganze Nachdruck auf der endzeitlichen apokalyptischen Ankunft des Reiches Gottes. Vgl. E. SCHWEIZER, Eschatologie 47f. Vgl. E. SCHWEIZER, Markus ad loc.; DERs., Anmerkungen 93f. Im Zusammenhang mit der Verkündigung des Evangeliums wird bei Markus auch die Rolle Jesu als des Lehrers betont: H. BAARLINK, Anfängliches Evangelium 148 ff.; P. J. ACHTEMEIER, "He Taught Them Many Things" 474ff. J. MANEK, Mark. VIII 10ff.; B. E. THIERING, "Breaking of Bread" and "Harvest" in Mark's Gospel, Nov.Test. 12/1970, 1-12; Q. QUESNELL, The Mind of Mark 27Sff.; R. PESCH, Das Markusevangelium ad loc. - Dort weitere Literatur. V. K. ROBBINS, The Healing 241ff. Zum Glauben der Jünger: E. SCHWEIZER, The Portrayal of the Life of Faith in the Gospel of Mark, Interpretation 32/1978, 387-399.
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mission zum Ausdruck bringen. 133 Die Beziehung Jesu zu seinen Jüngern ist folglich ein Ausdruck der aktuellen Gegenwart des Auferstandenen bei den Seinen,134 die Einsetzung der Zwölf das Urbild des gegenwärtigen christlichen Apostolats, 135 die Seesturmerzählung (4,35-41) ein Symbol der zeitgenössischen Kirche in den Stürmen der Zeit. 136 In einigen Arbeiten wird sogar der abrupte Schluß als Aufforderung zur Re-Lektüre des Evangeliums (16,7) gedeutet, bei der die Geschichte Jesu im Rahmen der Auferstehungsbotschaft gesehen werden sol1. 137 Man hat auch die Vermutung geäußert, daß Markus seine Gemeinde über die ständige Geltung des Messiasgeheimnisses belehren will. 138 Dadurch wäre die Einmaligkeit der Auferstehung relativiert. Alle diese Schlußfolgerungen basieren auf einigen richtigen Beobachtungen. Markus ist kein Chronist; er will seine Leser durch sein Werk anreden. Aber er will nicht die Grenze zwischen dem historischen und dem auferstandenen Jesus verwischen. 139 Er will seine Leser indirekt anreden, indem er den irdischen Jesus in seiner Einmaligkeit, d. h. auch in seinem Ort und in seiner Zeit, darstellt: In Galiläa und Jerusalem der Vergangenheit. Viele von den zeitgenössischen Problemen hat er in den prophetischen Aussagen J esu zu Wort gebracht (die prophetische Gabe hat er bei Jesus vorausgesetzt), und vieles von der aktuellen Deutung der Geschichte hat er seinen Lesern direkt oder durch die transparente Darstellung angedeutet. Das Entscheidende ist jedoch, woher und wohin der Strom des Verständnisses kommen bzw. laufen soll. Offenbar soll nicht die Gegenwart zum besseren Verständnis der Geschichte J esu dienen, sondern an der Geschichte Jesu soll das Leben der Gemeinde gemessen werden, die sich zum Auferstandenen bekennt. 140 Die meisten Einseitigkeiten der Interpretation hängen mit der Verwechslung der Abhängigkeit zusammen. Die Auferstehung (16,6) trennt die Zeit Jesu von der Gegenwart. Die Auferstehung bezeugt, daß Jesus entscheidende Bedeutung hat; die Geschichte des irdischen Jesus, die Markus erzählt, sagt, wer der Herr ist und was die endgültige Zukunft bringt. Im hellenistischen Judenchristentum hat man wahrscheinlich vieles von dem Leben Jesu direkt vergegenwärtigt. Mindestens die Worte des irdischen Jesus hat man eine gewisse Zeit als Worte des Auferstandenen weitertradiert. Beim Apostel Paulus kann man es noch deutlich sehen. In der Pistisformel (s.o. Kap. III, 2, S. 1983f.) und in der Einsetzung des Herrenmahls (1. Kor. 11,23-25) kann man 133
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J. SCHREIBER, Theologie 170-184.208ff., vgl. M. KARNETZKI, Redaktion 249; H. PAULSEN, Mk xvi,1-8, 168 gegen A. LINDEMANN, Die Osterbotschaft 307. J. SCHREIBER, Theologie 8sf.140f. W. SCHMITHALS, Markusschluß 398. G. SCHILLE, Die Seesturmerzählung 37-39. R. H. LIGHTFOOT, Message 116; M. HORSTMANN, Studien 131f.; J. BOWMAN, Mark 311f.; E. STEGEMANN 330f. J. R. DONAHUE, Jesus as the Parable of God in the Gospel of Mark, Interpretation 32/1978, 369-386. Nach H. WEINACHT, Die Menschwerdung 142 u. a., begreift Markus das ganze Leben Jesu als seine königliche Inthronisation. H. WEINACHT, Die Menschwerdung 177. Der markinischen Unterscheidung zwischen Gegenwart und Vergangenheit ist er sich jedoch gut bewußt (120f.). Gegen G. SCHILLE, Offen 78f. G. STRECKER, Das Evangelium 217.
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jedoch gleichzeitig Hinweise zum vergangenen, irdischen Leben Jesu finden. Und diese Unterscheidung hat Markus durch sein Werk deutlich gemacht. Nach J. ROLoFF setzt die Intention des Verfassers des Markusevangeliums "ein zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Heils differenzierendes Denken voraus, zugleich aber ein Wissen um die besondere Relevanz eines bestimmten Zeitraums der Vergangenheit für die Gegenwart. Dieser Zeitraum, den Markus als vergangene Geschichte beschreibt, reicht vom Auftreten des Täufers bis zum Ostermorgen. Vielleicht findet von dieser Feststellung auch der Abbruch des Evangeliums nach 16,8 seine nächstliegende Erklärung: Was am Ostermorgen folgte, läßt sich nicht mehr in gleicher Weise als vergangene Geschichte darstellen." 141 Die Forscher, die ähnlicher Meinung sind,142 sind nicht einig in der Beantwortung der Frage, warum es Markus so gemacht hat. Insgesamt kann man sagen, daß die Predigten, die die Tradition über Jesus aktualisiert haben, falsch verstanden werden konnten. Weil sich sowohl das geographische als auch das geschichtliche Milieu geändert hat, war es schon nicht mehr möglich, jene Stoffe direkt als Predigt und als Erbauung zu benutzen. Markus hat die ihm vorliegenden Stoffe in die mit dem irdischen J esus verbundene Vergangenheit gesetzt, die er als die für die Zukunft entscheidende Zeit erkannt hat. Dadurch hat er den ersten Schritt auf jenem Weg getan, dessen Ende die Wandlung der urchristlichen Predigten in den Predigttext ist. Der Weg in die Zukunft führt jetzt über die Beschäftigung mit der Vergangenheit; das Evangelium als literarisches Werk ist also eine Erinnerung an die Zukunft. 143 Der Beginn des Markusevangeliums (1,1-15) macht darauf aufmerksam, daß dabei das Vorbild der alttestamentlichen Geschichtserzählung einen Einfluß ausgeübt hat. Daß auf diese Weise auch wertvolle historische Informationen aufbewahrt worden sind, muß nicht besonders hervorgehoben werden. 144 Die wichtigsten Punkte der Erzählung sind im Grunde historisch: Die Taufe Jesu durch Johannes, die Berufung der Jünger, das Petrusbekenntnis (wie verschieden man es auch deuten kann), die Verhaftung und Kreuzigung in Jerusalem. An historische Ereignisse knüpfen auch die Erzählungen über die Krankenheilungen, über die Mahlfeier und die Verkündigung des Reiches Gottes an. 145 Zusammenfassend darf man die der Redaktion des Markusevangeliums innewohnende Tendenz weiter ziehen und sagen, daß mutatis mutandis auch für 141
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ROLOFF, Das Markusevangelium 92, vgl. hier o. Kap. III,3, S. 1990 und vgl. G. STRECKER, Zur Messiasgeheimnistheorie 50f.; G. DAuTZENBERG, Die Zeit 228f. Z.B. R. SCHNACKENBURG, Das Evangelium 317; R. P. MARTTN, Mark 107; S. SCHULZ, Die Stunde 9ff. 35ff.; M. E. GLASSWELL, The Beginning 36f.; H. WEINACHT, Die Menschwerdung 120f.; R. PESCH, Das Markusevangelium 48.51; vgl. auch K. KERTELGE, Die Wunder 187; E. HAENcHEN, Historie 156ff.; E. SCH\\;lEIZFR, Leistung 36-42. Anders MARXSEN, Einleitung 148f.; siehe auch hier Kapitel 1,4, S. 1975 und Kapitel III,2, S. 1987. Zum Problem P. BONNARD, Die Anamnesis, eine grundlegende Struktur des Urchristentums, Zeichen der Zeit 25/1971,81-88. Betont durch CH. E. B. CRANFIELD, Mark 18. S. o. Kap. V,2-3, S. 1998ff., vgl. M. J. LAGRAN(;I~, tvangile CXXXII -CXLI.
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Markus und seine Theologie gilt, was E. KÄsEMANN im Zusammenhang mit der neueren Jesus-Forschung gesagt hat: "Der irdische Jesus mußte den gepredigten Christus davor schützen, sich in der Projektion eines ethischen Selbstverständnisses aufzulösen und zum Gegenstand einer religiösen Ideologie zu werden. "146 Man kann sagen, daß für Markus der irdische Jesus, ähnlich wie der historische Jesus für die moderne Theologie, der Schlüssel zur Christologie ist.1 47
2. Der Anfang des Evangeliums Wir haben festgestellt, daß Markus das mündliche Evangelium in eine Erzählung umsetzt (s. o. Kap. III,2, S. 1986f.). Eigentlich wird jedoch nur der erste Teil des Evangeliums (1. Kor. 15,3b-15) erzählt. Der Rest kommt nur in den Hinweisen vor (Mark. 16,6-7). Wenn man das Markusevangelium mit dem EVayyfALOv nach Röm. 1,3 f. (vgl. Röm. 10,9) vergleicht, das die Form einer Erhöhungsformel hat, stellt man fest, daß auch in diesem Fall das Markusevangelium die Ausdehnung des ersten Teils der Formel ist. In beiden Fällen bearbeitet Markus die auf das irdische Leben bezogene Vorstufe, den "Anfang des Evangeliums" . Es ist sehr wahrscheinlich, daß der erste Satz des Buches dies programmatisch ankündigen will: "Anfang des Evangeliums von Jesus Christus." Das Problem des Anfangs und des Schlusses gehören also zusammen. Mehrere Beobachtungen sprechen zugunsten dieser These. 148 Es ist unwahrscheinlich, daß es sich in Mark. 1,1 um die spätere Glosse eines Schreibers handelt. Eine solche Glosse hätte sich kaum in der ganzen Tradition durchsetzen können. 149 Ernster zu nehmen ist die Deutung, wonach mit dem "Anfang" die ersten Verse (Mark. 1,4-8 150 oder 1,4-13) gemeint sind. Gegen eine solche Auslegung des ersten Satzes spricht das Fehlen einer ähnlichen Hervorhebung vor dem entscheidenden Teil, etwa vor dem Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu, zu der 1,14f. schon gehört,151 oder vor der Kette der 146
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E. KÄSEMANN, Sackgassen im Streit um den historischen Jesus, in: DERs., Exegetische Versuche und Besinnungen II, Göttingen 1965 2 , 31-68, Zit. S. 69. Vgl. R. FENEBERG, Passafeier 90. Vgl. G. EBELING, Theologie und Verkündigung (Hermen. Unters.z.Theol. 1), Tübingen 1962, 52. R. PESCH, Anfang 138.144; DERs., Das Markusevangelium 73.75; P. POKORNY, Der Anfang; W. SCHENK, Der Passionsbericht 273; H. BAARLINK, Anfängliches Evangelium 291-295. Auch wenn es so wäre, dann stünde dort eher äeXELaL oder äeXol1aL, vgl. G. WOHLENBERG, Markus 14f. Auf das Auftreten Johannes des Täufers bezieht den Anfang F. HAUCK, Markus 11, mit Hinweis auf Hos. 1,2. Vgl. B. WEISS, Handbuch ad loc.; vgl. auch G. DAuTZENBERG, Die Zeit 228. Mark. 1,1-15 bildet übrigens ein Ganzes, in dem Jesus dem Leser vorgestellt wird. So L. E. KECK, Introduction 358ff.; R. PESCH, Der Anfang 138ff.
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Erzählungen, in denen J esus schon das Subjekt ist. 152 Die Tätigkeit J esu gehört also noch zu dem "Anfang des Evangeliums" .153 Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß in dem Wort uQxiJ (1,1) auch die Bedeutung "Anfangsstufe" im Sinne der Grundlage des Evangeliums (vgl. Phil. 4,15; 1. Klem. 47,2) anklingt,154 aber vor allem handelt es sich um den Anfang als um das, was vor der Auferstehung Jesu geschehen ist und was doch zum Evangelium gehört, also um den irdischen Jesus. Die uQxiJ kann hier nicht das katechetisch Leichtere bedeuten, 155 weil der leichtere, der für die Mission bestimmte Teil des Evangeliums die Auferstehungsbotschaft als sein Schluß oder Höhepunkt war. 156 Einen zweiten Teil wollte Markus wahrscheinlich nicht schreiben. Das eigentliche Evangelium war in seiner Gemeinde gut bekannt. Die Freude über die Auferstehung hat man in der Eucharistie erlebt, das Zeugnis über die Erscheinungen des auferstandenen Jesus war in den Bekenntnis- und Glaubensformeln schon fest verankert. Diese 'funktionierenden' Formeln der Tradition wollte er nicht ersetzen (s. o. Kap. n,2, S. 1980). Seine Erzählung hört am Ostermorgen auf. Das eigentliche Evangelium sollte sein Leser in der Versammlung der Gemeinde hören und wiederholen, für welche er seinen "Anfang des Evangeliums" geschrieben hat. Sein Werk ist eine Art Bereicherung und vor allem 'Erdung' des Evangeliums als Auferstehungsbotschaft. Das Material des erzählten "Anfangs" war im hellenistischen Raum offensichtlich nicht allgemein bekannt, und der Evangelist hat es z. T. aus der palästinischen Tradition übernommen. 157 Wenn Lukas sein erstes Buch als JtQmto~ A6yo~ bezeichnet (Apg. 1,2.22), bringt er dadurch noch das Bewußtsein des Umbruchs zwischen Jesus als dem Zeugen und als dem Bezeugten zum Ausdruck, obwohl für ihn erst der Pfingsttag die Verkündigung des Auferstandenen bringt (Luk. 24,49). In Apg. 10,
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L. E. KECK, Introduction 359, folgert daraus, daß sich der Terminus 'Anfang' vor allem auf Mark. 1,1-15 bezieht (vgl. ebd. 366). R. PESCH denkt grundsätzlich an das ganze Buch (Der Anfang 144, anders ebd. 138; DERs., Das Markusevangelium 73.75). Vgl. M. E. GLASSWELL, The Beginning 40. Daß sich der erste Satz auf das ganze Markusevangelium bezieht, haben mehrere Forscher erkannt. So in ihren Kommentaren z.St. H. B. SWETE, A. MENZIES, E. KLOSTERMANN, C. G. MONTEFIORE, V. TAYLOR, P. POKORNY, R. PESCH u.a. Siehe auch R. SCHNACKENBURG, Das Evangelium 322f. CH. DEMKE, Die Einzigartigkeit Jesu, Berlin 1976, 46, dagegen vor kurzem E. STEGEMANN, Das Markusevangelium 72f. Eine übersicht möglicher Auslegungen des Begriffs APXH bietet CH. E. B. CRANFIELD, Mark 34f.; G. WOHLENBERG, Markus 14-22; A. WIKGREN, APXH 16-20; R. PESCH, Das Markusevangelium 76 - die zeitliche Dimension schließt er nicht aus. Gegen G. WOHLENBERG, Markus 36. R. TREVIJANO ETCHEVERRIA, Comienzo, begreift nach der Besprechung G. BERTRAMS (Theol. Litztg. 99/1974, Sp. 513 f.) den 'Anfang' historisch als den Anfang der Kirche. Zu der hier vorgelegten Auffassung ist unabhängig von mir H. BAARLINK, Anfängliches Evangelium 291 H., gekommen. Hier bin ich mit G. SCHILLE (Bemerkungen 4) und W. SCHMITHALS (J esus Christus in der Verkündigung der Kirche, Neukirchen 1972, 68) einig. Markus wollte jedoch nicht die J esusleute für das Christuskerygma gewinnen (W. SCHMlTHALS, ebd. 73), sondern die 'Christusleute' an den irdischen Jesus erinnern.
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37-43 kann man noch beobachten, daß in der Erzählung der Geschichte Jesu die Auferstehung einen Umbruch bedeutet, bei dem Gott als das grammatische Subjekt auftritt (10,40-42).158 Damit befinden wir uns jedoch in einer späteren Etappe, in welcher man auch die bewahrten Formen der Tradition in die christliche Literatur aufgenommen hat, aus der die Groß evangelien entstanden sind. Das Markusevangelium als literarisches Zeugnis ist noch direkt an das lebendige soziale Milieu der betenden und bekennenden christlichen Gemeinde gebunden. 159
V. Das Material und die Gliederung
1. Die Passionsgeschichte Wir haben schon erwähnt (s. o. Kap. II,1, S. 1978), daß der Evangelist an kein Urevangelium anknüpfen konnte. Er hat ältere christliche Traditionen gesammelt und bearbeitet. Hervorgehoben hat er jedoch die Passionsgeschichte, die in Palästina erzählt wurde und die sich erst allmählich in den hellenistischen Gemeinden durchgesetzt hat. Die Passionsgeschichte ist durch die Vorstellung des leidenden Gerechten (Sap.Sal. 2,12 -22) beeinflußt; schon in der vormarkinisehen Gestalt setzt sie jedoch vor allem das Auferstehungskerygma der Pistisformel voraus. Die Passionsgeschichte hat man nicht von Anfang an als einen zusammenhängenden Zyklus erzählt. Der Apostel Paulus kennt zwar den Bericht über die Einsetzung des Herrenmahls (1. Kor. 11,23-25), aber die Grabesgeschichte hat er offensichtlich nicht gekannt, sonst hätte er sie als Belege für seine These zur apokalyptischen Umwandlung der sterblichen Leiber in die geistigen Leiber benutzt (1. Kor. 15,35-49). Inzwischen hat sich in Palästina ein Zyklus von Erzählungen gebildet, dessen Höhepunkte die Einsetzung des Herrenmahls, das Verhör Jesu und die Kreuzigung waren. Als Markus ihn kennengelernt hat, war der Passionszyklus schon z. B. um die Salbungsgeschichte (14,3-9)160 und um das Verhör vor Pilatus bereichert. Die Passionsgeschichte in Mark. 14,1-16,8 hat also schon vor der markinischen Bearbeitung und Glossierung ein Ganzes gebildet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diesem Ganzen auch weitere bei Markus verarbeitete Stücke angehört haben. Nach R. PESCH waren es Mark. 8,27-33; 9,2-13. 30-35; 10,1.32-34.46-52; 11,1-23.27-33; 12,1-12.35-37.41-44; 13,1f. 161 Es handelt sich um Stücke, die durch die Themen Messianität, das Leiden des 158
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P. STUHL MACHER, Evangelium I 278; vgl. hier oben Kap. III,2, S. 1985. Es bedeutet nicht, daß diese Formel eine Vorstufe des Evangeliums als literarischer Gattung ist, sondern daß Lukas das Markusevangelium auf diese Weise verstanden hat. Betont bei W. FENEBERG, Der Markusprolog passim. Die Parallele Luk. 7,36-50 ist wahrscheinlich der historischen Wirklichkeit näher. R. PESCH, Das Markusevangelium 67; II 1-27 vgl. D. DORMEYER, Die Passion 270ff. Eine weniger umfangreiche vormarkinische Passionsgeschichte setzt L. SCHENK voraus (Der gekreuzigte Christus).
DAS MARKUSEVANGELIUM
Menschensohns, Jerusalem und Tempel verbunden sind. Sie sind miteinander durch ein "gehen" (EQXE08uL) verbunden. Zahlreich sind in diesem Zusammenhang die alttestamentlichen Zitate und Anspielungen. 162 Die 'Erweiterung nach vorne' kann man jedoch auch der markinischen Redaktion zuschreiben, und die meisten Forscher rechnen deshalb bisher mit einer kürzeren vormarkinischen Passionsgeschichte (Kap. 14-16). Der Passionszyklus, wenn man zu ihm nur die letzten drei Kapitel des Markusevangeliums rechnet oder wenn man ihn wie PESCH weiter faßt, bildet eine paränetische Legende, die für uns historisch sehr bedeutend ist. Mit einem modernen historischen Interesse kann man bei diesem vorliterarischen Text zwar nicht rechnen, aber die Absicht, Erinnerung zu vermitteln, hat sowohl zur Paränese als auch zur Katechese gehört. Der Passionszyklus hat offensichtlich diese beiden Funktionen gehabt. 163 Es ist nicht wahrscheinlich, daß es sich um einen Teil der Osterliturgie handelte,164 wenn auch B. H. M. G. M. STANDAERT diese Hypothese neulich wieder als eine mögliche Lösung vorgelegt hat. 165 Ihm zufolge hat man das Markusevangelium in der Osternacht als Vorbereitung für die Taufe vorgelesen. Die christliche Osterfeier ist jedoch erst im zweiten Jahrhundert nachzuweisen, und die einheitliche Komposition des Markusevangeliums muß nicht durch die Hypothese einer praktisch ununterbrochenen Lektüre während einer Nacht erklärt werden. Solcher Brauch hätte angesichts der Beharrlichkeit liturgischer Formen deutlichere Spuren hinterlassen. Man muß eher von der Vorlesung einzelner Perikopen in der lectia cantinua anläßlich der täglichen oder wöchentlichen Versammlungen ausgehen, in die die Anspielungen auf das Getauft-Sein der Hörer und auf die Eucharistie, die nicht nur zu Ostern gefeiert wurde, gut passen. Den übernommenen Passionszyklus hat der Evangelist nach rückwärts erweitert - bis zur Taufe Jesu. Richtig ist also die bekannt gewordene These M. KÄHLERS, wonach die Evangelien "Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung" sind. 166 Weiter hat Markus diesen Erzählzyklus durch andere Traditionen über Worte und Taten Jesu bereichert. Die Verbindung aller dieser Traditionen durch das mündliche Evangelium als Leidens- und Auferstehungsverkündigung ist der Höhepunkt seiner theologischen und literarischen Arbeit.
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Eine vormarkinische Verbindung der Passionstraditionen, die in Mark. 14-15 enthalten sind, setzen S. SCHULZ, E. SCHWEIZER, J. GNILKA, W. SCHMITHALS, W. TRILLING, G. STRECKER u. a. voraus. E. LINNEMANN, Passionsgescbichte 154.158, schreibt dem Evangelisten einen größeren Einfluß zu. W. H. KLEIBER, The Passion 42 H., und J. R. DONAHuE, Temple 78, halten die Passionsgeschichte im Grunde für eine markinische Bildung. E. SCHWEIZER, Markus 164; J. GNILKA, Jesus Christus 127. So J. BowMAN, Mark 99-102; E. TROCME, La Formation 51, vgl. G. SCHILLE, Das Leiden 161ff.176 u.a.; vgl. R. FENEBERG, Passafcier 107.118ff. B. H. M. G. M. STANDAERT, L'Evangile 541-618, vgl. auch E. F. GLUSMAN JR., The Shape of Mark and John, Diss. Durham (N.C.) 1977 (nach dem Bericht in: Diss.Abstr. Intern. 39/1978, 1651A). M. KÄHLER, Der sog. historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus (1892) (Theol.Bücherei 2), München 1956 2 ,60 (Anm. I von S. 59); vgl. S. SCHULZ, Die Stunde 114; W. THIssEN, Erzählung 338ff.; M. ]. COOK, Mark's Treatmcnt 29ff.
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Diese Verbindung hat er durch die Idee des Messiasgeheimnisses, durch die Wiederholung der Leidensvoraussagen und durch die geographische Gliederung des. Stoffes erreicht. - Der Grundstein seines Werkes, der Passionszyklus, wird im Rahmen des neuen Ganzen zum Gipfel des Weges, der mit der Taufe anfängt und dessen Ziel die Auferstehung ist, deren Kraft beim Herrenmahl erlebt wird. 167 Die Bindung dieser Katechese an den irdischen Jesus und an seine einmalige Geschichte gehört zu ihrer katechetisch-paränetischen Funktion. Sie soll vor einem geschichtslosen Enthusiasmus warnen.
2. Anderes Material und Vorstufen Außer dem Passionszyklus hat Markus auch andere Traditionen benutzt, vor allem 16 Wundergeschichten (davon 4 Naturwunder: 4,35-41; 6,32-44; 6, 45-52; 8,1-9 und eine Totenerweckimg: 5,21-23.35-43). Eine weitere Gattung sind die Streitgespräche in den Kapiteln 2, 3, 7 und 11, drei davon sind Mischformen zwischen Streitgespräch und Wundergeschichte (3,1-6; 7,24-30 und 2,1-12 - hier sind beide Teile sekundär, aber schon vor Markus verbunden). 168 Sonst hat der Evangelist hagiographische (1,2-8.9-11.12-13; 6,14- 29) und paradigmatische (= mit einem Spruch gipfelnde) Erzählungen (3,31-35; 6, 1-6a; 9,38-40; 10,13-16.35-45; 12,14-44) benutzt. Mit den Jüngern sind vor allem die Berufungsgeschichten (1,16-20; 3,13-19) und die Missionsinstruktionen (6,7 -13) verbunden. Vormarkinisch sind auch die Summarien in 1,32-34; 3,7-12; 6,53-56. 169 Die Wortüberlieferung zerfällt begreiflicherweise in kleinere Stücke, von denen die Gleichnisse, Bildworte und verwandte Formen die umfangreichsten sind: 4,3-9.14-20.21-25.26-29.30-32; 12,1-9; 13,28-29.34-37. Sonst begegnen wir den prophetischen, paränetischen und apokalyptischen Sprüchen, von denen wir die Menschensohnworte schon früher (s.o. Kap. III,3, S. 1988f.) erwähnt haben. In 1,14f. hat Markus ein Summarium der Predigt Jesu benutzt. Wenn auch der Anteil des Erzählstoffes höher ist als in den Großevangelien, bilden die Worte Jesu doch etwa 48% des gesamten Stoffes. Markus spricht von der "Lehre Jesu" (4,1; 12,38 vgl. 12,1), und es ist nicht ausgeschlossen, daß er aus einer zusammenhängenden überlieferung schöpft. Mit der Spruchquelle ist diese Schicht nicht identisch (s. o. Kap. II,2, S. 1980). Das ältere Material hat Markus z. T. schon in Sammlungen zur Verfügung gehabt: 170 1,9-13 (Taufe und Versuchung Jesu); 1,21a.29-39 (Der Tag in Kafarnaum);171 2,1-12; 2,15-3,6 (Die Streitgespräche des Charismatikers); 4,2-10.
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Nach P. J. ACHTEMEIER haben auch die Wundererzählungen zur eucharistischen Liturgie gehärt (The Origin 209). Zur Bedeutung der Eucharistie bei Markus siehe auch Q. QUESNELL, The Mind. Zum Ganzen R. PESCH, Das Markusevangelium 63-68. Ebd. 64f. Insgesamt dazu s. W. EGGER, Frohbotschaft. Zum Problem siehe schon A. MENZIES, The Earliest Gospel 21 H. R. PESCH, Das Markusevangelium ad loc.; P. POKORNY, Vyklad ad loc.
DAS MARKUSEVANGELlUM
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13-20.26-33 (Gleichnisse); 4,35-5,43; 6,32-44 (Wundergeschichtensammlung)172 und 10,1-45 (Die Gemeindeunterweisung).173, 174 Die bedeutende Rolle, die die Wundergeschichten im Markusevangelium spielen, und die Tatsache, daß ähnliche Wundertradition auch im Johannesevangelium bearbeitet ist, hat in der letzten Zeit zu überlegungen über das Milieu geführt, in dem man diese Geschichten erzählt und gesammelt hat. Man setzt die Existenz christlicher Gruppen voraus, die in ihrer Propaganda Jesus als Wundermann und Gottmensch geschildert haben. 175 P. J. ACHTEMEIER ist der Meinung, daß die durch das Thema Brot verbundenen Wundergeschichten (6,32-44; 7,24-30) mit der Eucharistie zusammenhängen 176 (s. o. Kap. V,1, S. 1998 unds.u. Kap. VI, 1-2, S. 2008ff.). Eine besondere schriftliche Quelle hat der Evangelist im Kap. 13 benutzt. 177 Die meisten Forscher gehen davon aus, daß zu dieser Quelle etwa die Verse 7 - 8, 12, 14-20 und 24-27 gehören. 178 Es handelt sich wahrscheinlich um eine jüdische Schrift. 179 Die "Greuelgestalt der Entweihung" (13,13), die Markus auf den Fall Jerusalems im Jahre 70 appliziert, hat sich wahrscheinlich ursprünglich auf die beabsichtigte Aufstellung der Statue des Kaisers Caligula im Jerusalemer Tempel bezogen. 180 Markus hat in diesem Zusammenhang vielleicht ein um ~as 172
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Vgl. H. W. KUHN, Sammlungen 191-213; D. A. KOCH, Wundererzählungen 37f. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Markus in 6,45-8,26 eine ähnliche Wundersammlung bearbeitet hat (Seesturm, Fernheilung, Speisung der Menge - vgl. P. J. ACHTEMEIER, Isolation 209f.). Die Bearbeitung ist jedoch in der 'zweiten Runde' tiefer. Es ist wahrscheinlich, daß Mark. 8,1-26 einige Stücke aus theologischen Gründen neu erzählt. So deutet z.B. das zweite Speisungswunder (8,1-9) die Zulassung der aus den vier Himmelsrichtungen kommenden Heiden (V. 9 die symbolische Zahl 4.000) zur christlichen Eucharistie. Näheres P. POKORNY, Vyklad ad loc.; R. PESCH, Das Markusevangelium ad loc. In groben Umrissen konvergieren in diesem Ergebnis die Arbeiten von H. W. KUHN (Sammlungen), L. E. KECK (Mark 3,7-12), P. J. ACHTEMEIER, D. L. TIEDE und R. PESCH (Das Markusevangelium 67). Vgl. schon A. MEYER, Die Entstehung 36-46, T. W. MANSON, The Foundation, and W. THIssEN, Erzählung 186H. Die Forscher, die die Strukturanalyse betonen, sind in dieser Hinsicht mehr zurückhaltend. Aus dem eben Gesagten geht hervor, daß die oft untersuch ten symmetrischen 'Sandwich'Kompositionen (Themen A B A) als Erzählmittel meistens den vormarkinischen Schichten zuzuschreiben sind (2,1-12; 5,21-43; 11,12-35; 14,53-72 - R. H. STEIN, Methodology 193f. schreibt 11,12-25 Markus zu), obgleich der Evangelist diese Technik gelegentlich auch benutzt (3,20- 35; 4,1-20). J. M. ROBINSON, On the Gattung 118f.; D. L. TIEDE, The Charismatic Figure 276-282; R. T. FORTNA, The Gospel of Signs (Soc.Nov.Test.Stud.Monogr. 11), Cambridge 1970, 228f.; vgl. die zurückhaltende Beurteilung bei R. PESCH, Das Markusevangelium 277-281. P. J. ACHTEMEIER, The Origin 208. Eine Forschungsübersicht: R. PESCH, Naherwartungen 27-47.208, bes. Anm. 9. R. PESCH, Naherwartungen - Beilage; W. GRUNDMANN, Markus ad 10c.; S. SCHULZ, Die Botschaft 99ff.; N. WALTER, Tempelzerstärung und synoptische Apokalypse, Z.N.W. 57/1976, 38-49; H. J. LANGKAMMER, Paruzja 61H., dagegen Bo REICKE, Synoptic Prophecies on the Destruction of Jerusalem, in: D. E. AUNE (Hrsg.), Studies in New Testament and Early Christian Literature (FS A. P. Wikgren), Leiden 1972, 121-134. J. LAMBRECHT, Die Redaktion, und L. HARTMAN, Prophecy, rechnen mit christlicher Tradition. Joseph. Bell.Jud. 2, 184-204.
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Jahr 70 wieder aktuell geworden es apokalyptisches Flugblatt benutzt. Seine Aussagen hat er in den christologischen Kontext gesetzt, und die apokalyptische Naherwartung hat er umgedeutet (s. o. Kap. III,3, S. 1990).181 Zuletzt müssen wir noch die Hypothesen erwähnen, die eine breitere und kompaktere Vorstufe, einen Ur-Markus, voraussetzen. Im Kap. II, S. 1978, haben wir schon gezeigt, daß wir von einer überlieferten Struktur (pattern) des Evangeliums als späterer literarischer Gattung nicht ausgehen können. Einige Forscher setzen jedoch voraus, daß unser Markusevangelium eine sekundäre Bearbeitung einer Schrift ist, mit welcher die neue Gattung Evangelium wirklich beginnt. E. WENDUNG hat eine solche Schrift rekonstruiert. 182 Seine Rekonstruktion ist jedoch mehr auf Vermutungen als auf literarischer Analyse gebaut. Eine Grundschrift setzt auch W. SCHMITHALS in seinen oben (S. 1981f.) charakterisierten Arbeiten voraus. Die bekannteste Hypothese über die zweistufige Entwicklung des Markusevangeliums stammt von E. HIRSCH, der mit Markus I, einer Erzählung des Augenzeugen (ursprünglich aramäisch), rechnet und mit Markus II, der theologische Reflexion hinzugefügt hat. 183 Mattäischen Einfluß auf die Endredaktion setzt M. E. BOISMARD voraus,184 G. W. TROMPF schreibt dem Endredaktor eine materialisierte Auffassung des leeren Grabes und einen verlorenen Markusschluß ZU,185 M. KARNETZKI den Gedanken der Jüngerschaft, der Nachfolge im Leiden, der Mission und die Auffassung der Schrift als Evangelium. 186 E. TROCME ist der Ansicht, daß der Endredaktor die ganze Passionsgeschichte (14,1-16,8) hinzugefügt hat. l87 Diese Hypothesen über die zwei Redaktionen unterschätzen den Einfluß übernommener Traditionen und Sammlungen, die der Evangelist benutzt hat. Bei W. SCHMITHALS handelt es sich um eine bewußte Abkehr von der form geschichtlichen Methode. l87a Die Arbeit des Markus darf man nicht an der literarischen Leistung anderer Evangelisten messen. Anderer Art ist die Hypothese von M. SMITH, der 1958 im Kloster Mar Saba die neuzeitliche Abschrift eines Briefes des Klemens von Alexandrien über die zweite Fassung des Markusevangeliums gefunden hat, in welcher der Evangelist die angebliche Geheimlehre J esu niedergeschrieben hat. Ein Teil der Geheimschrift wird von Klemens zitiert. Es handelt sich um eine Geschichte über die Totenerweckung, die zwischen Mark. 10,31 und 32 gestanden haben sollte. Außer R. PESCH, Naherwartungen passim, betont es A. SAND, Zur Frage nach dem "Sitz im Leben" der apokalyptischen Texte des Neuen Testaments, N.T.S. 18/1971-72, 167-177. 182 E. WENDUNG, Ur-Marcus 42-60. Mit einem Ur-Evangelium rechnet auch eH. MASSON, L'Evangile 13ff., und neulich H. BINDER, Von Markus zu den Großevangelien, Th. Zeitsehr. 35/1979, 283-289. 183 E. HIRSCH, Frühgeschichte I 188-206; zur Kritik M. LEHMANN, Synoptische Quellenanalyse 112ff. u. a. 184 M. E. BOISMARD, Influences 93ff.; zur Kritik F. NEIRYNCK, Urmarcus 144f. 185 G. W. TRoMPF, Appearance 318ff. Siehe dagegen K. ALAND, Der Schluß 470. 186 M. KARNETZKI, Die Gegenwart 102f.l06f.; DERs., Redaktion 249ff. 187 E. TRocME, La Formation 169ff.188. Zur Kritik E. WEILL-RAYNAL, L'Evangile de Mare, Cahiers du Cercle Ernest-Renan 22 (85)/1974, 1-20. 187a Markusevangelium 36.42.117 u. bes. DERs., Kritik der Formkritik, Z.Th.K. 77/1980, 149-185. Zu seiner Kritik s. U. Luz, Markusforschung 650ff.
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Der erweckte Jüngling wird in die Geheimnisse des Reiches Gottes eingeweiht. M. SMITH setzt voraus, daß der Brief eine alte Tradition enthält, die auch u. a. hinter dem Johannesevangelium (Kap. 11 und 20) steht. 18R H. MERKEL, E. L. PRYKE, R. H. GRANT u. a. haben darauf aufmerksam gemacht, daß die Perikope aus dem geheimen Markusevangelium Motive enthält, die aus den kanonischen Evangelien bekannt sind, und von ihnen abhängig sein kann. Das bedeutendste Argument gegen ihre Authentizität ist die Beobachtung, daß die Tradition über eine Geheimlehre Jesu erst nachträglich auftaucht (v gl. Mark. 4,10-12; vgl. u. Kap. VI,2, S. 201H.) und man ihre spätere Entwicklung belegen und erklären kann. Das geheime Markusevangelium ist also höchstwahrscheinlich eine spätere Komposition, die man, auch wenn der Text des Briefes echt sein sollte, 189 in die Mitte des zweiten Jahrhunderts datieren muß. 190
3. Die Technik der Bearbeitung Aus dem im Kap. 7,1-2 Gesagten kann man folgern, daß die literarische Leistung des Evangelisten im Grunde in der Verbindung des Passionszyklus mit den Wundersammlungen, mit den Worten Jesu, mit dem apokalyptischen Fragment und mit anderen kleineren Traditionseinheiten besteht. Er hat es nicht mit literarisch geschulter Kompositionskunst, wohl aber mit ziemlich klarem Konzept gemacht (s. o. Kap. V), das durch seine Theologie bestimmt ist (s. o. Kap. III und IV und u. Kap. VI). Diese Kompositionstechnik knüpft an die Technik mündlicher Tradition und vorliterarischer Sammlungen an. G. THEISSEN beschreibt fünf Möglichkeiten der Verbindung kleinerer mündlicher Einheiten (verbindende Komposition): den Zeitanschluß (z.B. Mark. 9,2; 1,9), den Orts anschluß (z.B. 1,29; 9,30), den bei Markus seltenen Geschehensanschluß (14,22.43), den Motivanschluß (6,14; 12,28) und die Einleitung durch eine allgemeine Notiz (1,4.9; 8,1; 10,13.32).191 Die Einzelmotive werden mit Hilfe der Summarien typisiert. 192 Neben den übernommenen Summarien (1,14f.32-34; 3,7-12; 6,53-56) formuliert Markus auch eigene Notizen (z. B. 1,22; 2,13; 4,34). Ausführlicher hat er die Perikope über die dritte Seeüberfahrt (8,17c-21) bearbeitet,193 in der Jesus allegorisch als das einzige Brot bezeichnet wird (s.o. Kap. IV,l, S. 1991).194 Als dritte Technik erwähnt G. THEISSEN die gliedernde Komposition. Es handelt sich um 188
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M. SMITH, element of Alexandria 99-194; DERS., The Sccrct Gospel (eine für breitere Leserkreise bestimmte Fassung des Ersteren). P. PARKER, Find at Mar-Saba 53ff., bestreitet es. M. MERKEL, Auf den Spuren 123ff.; R. M. GRANT, Two Books 5sff. G. THEISSEN, Wundergeschichten 198f.; vgl. R. PESCH, Das Markusevangelium. Zum Ganzen R. BULTMANN, Die Geschichte 347-376. G. THEISSEN, Wundergeschichten 205; R. H. STEIN, Redaction History 184f. R. PESCH, Das Markusevangelium 20. Zur Exegese dieser Stelle und zum Problem der Markusauslegung siehe noch die mir nicht zugänglichen Arbeit von Q. QUESNELL, The Mind of Marle Interpretation and Method Through Exegesis of Mark 6,52 (Analeeta Biblica 38), Rome 1969.
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eine programmatische Unterscheidung und Anordnung der Tradition entsprechend ihren Themen. In Mark. 1,22 z. B. führt das Summarium nach der Jüngerberufung als neues Thema ein: die "Heilungen mit Kontroversen".195 THEISSEN spricht auch von der übergreifenden Komposition - d. h. von der Verbindung verschiedener Traditionselemente durch ihre Unterordnung unter ein übergreifendes Thema. 196 So ist z. B. der ganze zweite Teil des Markusevangeliums durch das Thema der Passion verbunden. Der erste Teil wird als Lehre mit Vollmacht (1,22) charakterisiert, wobei die Wunder als Illustration der Vollmacht dienen. Zunächst weiß nur der Leser (Hörer), daß es die Vollmacht des Gottessohns ist. Erst bei der Kreuzigung wird dies öffentlich gesagt und durch die Osterbotschaft rehabilitiert (16,6). Daß die Wundergeschichten dem Anliegen des Passionszyklus untergeordnet sind, geht aus der Bearbeitung der Perikope von dem blinden Bartimäus hervor (10,46-52), der letzten Heilung im Markusevangelium. Bartimäus folgt Jesus auf seinem Wege nach Jerusalem zur Passion und Auferstehung. 197 Auf dieser Ebene berührt sich die literarische Leistung des Evangelisten mit seiner Theologie. Wir haben es an seiner Eschatologie gesehen, und wir werden es noch an seiner Christologie in Kap. VI sehen. Die Mittel seiner übergreifenden Komposition sind das Messiasgeheimnis (s. u. Kap. VI,2, S. 2010) und die erweiterte Auffassung des Evangeliums. Der kompositionelle Spannungsbogen des Begriffs Evangelium reicht von Mark. 1,1 bis zu den letzten Versen. Die ganze Schrift ist demzufolge die Erzählung über den Anfang des Evangeliums, die in dem Hinweis auf seinen Kern gipfelt (16,6-7; s. o. Kap. III,2, S. 1987). Ist auf der einen Seite die übergreifende Komposition durch das theologische Konzept des Evangeliums beeinflußt, so daß ihre Beurteilung ohne theologische Analyse nicht möglich ist, so kann man auf der anderen Seite die literarische Gestalt des Markusevangeliums nicht als logisches Ergebnis der theologischen Absicht und der beschriebenen literarischen Mittel charakterisieren. Man muß eher von einem ganzen "cluster" von Ideen, Motiven, literarischen Techniken und übernommenen Stoffen sprechen, die man durch ihre Analyse nicht völlig beschreiben kann, sondern die man auch als ein Ganzes, als Struktur charakterisieren muß.198 Als solches kann man das Markusevangelium auch durch den Vergleich mit anderen Modi und Gattungen bestimmen. Man kann es z.B. mit der antiken Biographie vergleichen. 199 Die zeitliche und räumliche Giiederung 200 ist den Bewegungen Jesu, der Hauptperson, untergeordnet. 201 195
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G. THEISSEN, Wundergeschichten 208ff.; K. TAGAWA, Miracles 82-92 sieht in 1,27f. das Programm des ganzen Evangeliums. G. THEISSEN 211-221. V. K. ROBBINS, The Healing 224ff. Zum Problem: J. A. BAIRD, Genre Analysis 1-28. Manche Forscher führen als die nächstverwandte Gattung die Aretalogie an (N. PETERSEN, M. SMITH). Ich bin nicht überzeugt von der Existenz der Aretalogie als einer selbständigen Gattung. Siehe auch Kapitel VI,l, Anm. 215, S. 2007. R. PESCH, Das Markusevangelium 25f. Das Grundschema: Wirkung in Gali1äa - Tod in Jerusalem entspricht der historischen Wirklichkeit. Vgl. M. DIBELIUS, Die Formgeschichte 293f.
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In der letzten Zeit wird auch die rhetorische und dramatische Komposition des Markusevangeliums hervorgehoben. 202 Die elementare rhetorische Bildung war damals allgemein verbreitet und das Theater populär. Es ist wahrscheinlich, daß z. B. die konzentrische Gliederung des Markusevangeliums von der Rhetorik beeinflußt ist. 203 Eindeutiger ist der Einfluß der dramatischen Kunst. Man kann vor allem mit Sicherheit von der bewußten Anwendung des Prinzips der Anagnorisis ausgehen: Die anderen dramatis personae wissen bis zu der katastrophischen lysis (Passion) nicht, wer Jesus in der Rolle des Helden eigentlich ist. Verschiedene Vermutungen tauchen schon im ersten Teil auf (3,21.22.30; 6,3. 14-16), vor Jesus werden jedoch die mit dem Messiastitel gipfelnden Identifizierungen erst im Kap. 8,28-29 ausgesprochen. Das ist die Wende. Der Messiastitel wird durch die dreifache Leidensankündigung umgedeutet,204 und drei Jünger erfahren in 9,7 von Gott, daß die Messianität im Sinne der wahren Gottessohnschaft zu begreifen ist. Aber die darauffolgenden Peripetien führen schon unausweichlich zu der tragischen Auflösung, in deren Rahmen nach der Zuspitzung der Frage in 14,61 f. die wahre Identifizierung in 15,39 geschieht. Ein Mensch (Heide) erkennt Jesus als den Gottessohn. Das ist die wahre Antwort, mit der sich der Hörer identifizieren soll, will er die dramatische Handlung als seine katharsis erleben. Weil J esus wirklich der Gottessohn ist, ist die Bestätigung der anagnorisis durch die göttliche Handlung (deus ex machina) in 16,1-8 kein gewaltsames happyend, wie es übrigens auch in den klassischen Tragödien nur selten der Fall ist. Die Boten im Prolog und im Epilog, die im Namen der Gottheit den Helden vorstellen, ergänzen den dramatischen Rahmen. Gesprengt wird dieser Rahmen durch die nicht in der mythischen Ferne liegende Geschichte, auf welche hingewiesen wird, und durch die Tatsache, daß der Held nicht wegen des eigenen Fehltritts (hamartia) sterben muß, sondern wegen der Sünden anderer Menschen (9,45; 14,24) in diesen tragischen Konflikt verwickelt ist. Der abschließende göttliche Eingriff zugunsten J esu bedeutet deshalb den Sieg über Sünde und Tod. Das Markusevangelium ist jedoch weder ein Drama, noch eine Rede, noch eine Biographie. Die literarische Gattung ist nämlich nicht nur durch die Kombination ihrer literarischen Merkmale charakterisiert, sondern durch die gemeinsamen inhaltlichen Züge. Das Markusevangelium paßt in keine der benachbarten Gattungen, von denen es einige Merkmale übernommen hat. Es bildet eine Gattung sui generis. In die Gattung <Evangelium' kann man es jedoch nur a posteriori und approximativ einordnen, denn kein Schöpfer läßt sich durch die Merk-
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N. PERRIN, The New Testament 162f.; D. O. VIA, Kerygma and Comedy in the New Testament, Philadelphia 1975; F. G. LANG, Kompositionsanalyse 18-24; B. H. M. G. M. STANDAERT, L'Evangile 38-108 gegen G. DAUTZENBERG, Die Zeit 230f. B. H. M. G. M. STANDAERT, L'Evangile, bes. S. 51, dort auch weitere Literatur; H. C. KEE, Community 18ff. Zu den Jüngern, die die Identität Jesu suchen, s. K. STOCK, Boten aus dem Mit-Ihm-Sein, Rom 1975, 70.143 u. a.
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male einer Gattung bestimmen. Man kann also Markus mit Vorbehalt 20s als Gründer der literarischen Gattung Evangelium bezeichnen. 206 Die anderen Evangelienschriften sind von ihm direkt oder indirekt abhängig. 207
4. Die Gliederung und der Inhalt Das Petrusbekenntnis und die darauffolgenden Sprüche bis zu der Verklärungsszene bilden eindeutig die Mitte des Markusevangeliums und den Ausgangspunkt der weiteren Gliederung. Hier fangen die meisten Gliederungsversuche an, die auch mehrere Gemeinsamkeiten haben. Einen überzeugenden Entwurf hat man jedoch bisher nicht erreicht. Auch die Entdeckung der dramatischen Züge, wie hilfreich sie auch sonst sein kann, hat zur Konvergenz der Gliederungsversuche nicht beigetragen. 208 Sie hat jedoch den Zusammenhang zwischen den formalen und inhaltlichen Aspekten der Gliederung angedeutet. Ähnliches gilt für die Ortsangaben, die ebenfalls zur Kompositionstechnik des Evangelisten gehören. Die Vertreter der Strukturanalyse verschiedener Prägung heben sie als den topographischen Kode hervor. 209 Die Strukturanalyse versucht zwar die formalen und inhaltlichen Aspekte zu integrieren, aber sie unterschätzt den Unterschied zwischen dem Text und der in ihm erzählten Geschichte. - Nach allen diesen Erfahrungen ist es ratsam, nur eine bewußt vorläufige Gliederung der Hauptabschnitte vorzulegen und vor allem die inhaltlichen Kriterien zu berücksichtigen. 21o Außer dem Umbruch in 8,27-9,13 gibt es andere Einschnitte, die in der Gliederung eine Rolle spielen können. Nach dem Prolog kommt ein neuer Anfang, wenn Jesus nach Galiläa geht und dort seine öffentliche Wirkung beginnt (1,14). Einen größeren Abschnitt schließt dann der Tod des Täufers Johannes ab (6,14-29), der schon in 1,14 erwähnt ist. Der Einzug nach Jerusalem (11,1 ff.), der Anfang der Pass ions geschichte (14,1) und des Epilogs (16,1) führen weitere große Abschnitte ein. Wir müssen jedoch damit rechnen, daß einige 205
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Nicht jede Schrift, die als Evangelium bezeichnet wird, gehört zu dieser Gattung. Das Thomasevangelium ist z. B. eine Spruchsammlung, und die Bezeichnung Evangelium hat man wegen des Prestiges der kanonischen Evangelien aufgenommen. W. SCHNEEMELCHER, Evangelien 45; PH. VIELHAUER, Literatur 349ff. Diese Bezeichnung wird meistens von den Anhängern der apokalyptischen Deutung abgelehnt, S. 1983 f., weil sie im Mattäus- und Lukasevangelium eine grundlegende Umdeutung des Konzepts des Markusevangeliums sehen: W. MARXSEN, Der Evangelist 101 Anm. 4; 104. So z. B. J. KONINGS, The Pre-Marcan Sequences in Joh. VI: A Critical Re-examination, in: M. SABBE (Hrsg.), L'Evangile 147-177 gegen J. M. ROBINSON, On the Gattung 103f. u.a. Vgl. die Gliederung bei N. PERRIN, F. G. LANG und B. H. M. G. M. STANDAERT. Zum Problem J. RADEMAKERs, L'Evangile 234n; DERs., La Bonne Nouvelle 41-45. Die Stichometrie darf man also nicht überschätzen. über die Stichometrie allgemein: W. SCHUBERT, Das Buch bei den Griechen und Römern, Leipzig 196P, 68-70. Die Stichometrie bei den Versuchen um die Gliederung des Markusevangeliums: R. PESCH, Naherwartungen 48-53; DERs., Das Evangelium 32-40; F. G. LANG, Kompositionsanalyse passIm.
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kompositionelle Elemente quer durch die gewissermaßen symmetrische Gliederung laufen. Z. B. die drei Erzählungen über die Seefahrt (Kap. 4,6 und 8) hängen inhaltlich zusammen, wobei in der letzten (8,14-21), in der sich Jesus als das wahre Brot offenbart, auch das Thema des dritten Abschnittes gipfelt, der mit dem ersten Brotwunder anfängt. 211 B. H. M. G. M. STANDAERT hat richtig erkannt, daß in einem "erzählten Drama" das rhetorische Prinzip eines glatten übergangs von einem Teil zum anderen (transitus, siehe Quintilianus Instit. IV, 1,77) gilt. 212 Die Gliederung: 213 1,1 Die überschrift: Anfang des Evangeliums 1,2-13 Der Prolog: Nach mir kommt einer, welcher stärker ist als ich (in der Wüste) - Auftreten und Predigt Johannes des Täufers, die Taufe und die Versuchung Jesu. 1,14-3,6 I.Teil: Neue Lehre mit Vollmacht (in Galiläa) - Die programmatische Zusammenfassung der Predigt J esu, die Berufung der ersten Jünger, ein Tag in Kapernaum, die Wanderpredigt in Galiläa, die Heilung eines Aussätzigen. Kap. 2: Die Heilung eines Gelähmten und die Sündenvergebung, die Berufung des Levi und die Frage des Verkehrs mit den Sündern, die Fastenfrage, das Ahrenraufen am Sabbat und die erste Frage der Sabbatheiligung. Kap. 3: Die Heilung am Sabbat und die zweite Frage nach der Sabbatheiligung. 3,7-6,29 II.Teil: Wer ist dieser? (in Galiläa und auf der ersten Reise unter den Heiden) - Summarium, die Berufung der Zwölf, die Verwandten Jesu - der Belzebulstreit - die wahren Verwandten Jesu. Kap. 4: Das Gleichnis vom Sämann, der Sinn der Rede in den Gleichnissen, die Deutung des Gleichnisses vom Sämann, die Sprüche von der Lampe und vom Maß, das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat, das Gleichnis vom Senfkorn, der Schluß der Gleichnisrede, - die Sturmstillung (die erste Seefahrt). Kap. 5: Die Heilung des Besessenen von Gerasa, die Erweckung der Tochter des Jairus und die Heilung einer blutflüssigen Frau. Kap. 6: Die Verwerfung Jesu in Nazareth, die Aussendung der Zwölf, die Meinungen über Jesus, das Martyrium des J ohannes des Täufers.
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Vgl. J. M. VAN CANGH, La Multiplication des pains dans I'Evangile de Mare, in: M. SABBE (Hrsg.), L'Evangile 309- 346. B. H. M. G. M. STANDAERT, L'Evangile 109ff. Methodisch vgl. J. RADEMAKERS, L'Evangile passim. Vieles habe ich von der Gliederung R. PESCHS (s. o. Anm. 161) gelernt und übernommen. Siehe auch H. BAARLINK, Anfängliches Evangelium 83 H. Eine andere sechsteilige Gliederung bietet V. K. ROBBINS, Summons and Outline in MarIe The Three-Step Progression, Nov.Test. 23/1981, 97-114. Er setzt voraus, daß die markinischen Texteinheiten eine dreiteilige Gliederung haben. Er übersieht jedoch die inhaltlichen und geographischen Umbrüche, z. B. zwischen dem 10. und 11 Kapitel. Nach ihm fängt der fünfte Abschnitt mit 10,46 an. .
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6,30-8,26 IH. Teil: Und alle aßen und wurden satt (in Galiläa und auf der zweiten Reise unter den Heiden) - Die Rückkehr der Jünger, die Speisung der Fünftausend, Jesus geht auf dem Wasser (die zweite Seefahrt), die Krankenheilungen in Gennesaret. Kap. 7: Die Aufhebung der Grenze zwischen rein und unrein, die Fernheilung der Tochter einer Heidin, die Heilung eines Taubstummen in der Dekapolis. Kap. 8: Die Speisung der Viertausend, die Ablehnung der Zeichenforderung, das Gespräch über das Brot (die dritte Seefahrt), die Heilung eines Blinden bei Bethsaida. 8,27-10,52 IV. Teil: Dies ist mein Geliebter Sohn - Christologie und Gemeindeunterweisung (bei Caesarea Philippi und unterwegs nach Jerusalem) - Das Messiasbekenntnis des Petrus, die erste Leidens- und Auferstehungsankündigung, 8,34-9.1: Die Sprüche von der Nachfolge und Selbstverleugnung, - die Verklärung J esu, die Heilung eines besessenen Jungen, die zweite Leidens- und Auferstehungsankündigung, Jüngerbelehrungen. Kap. 10: Der Abschied von Galiläa, über die Ehe, über die Kinder, über das Eigentum, die dritte Leidens- und Auferstehungsankündigung, der Rang unter den Jüngern, die Heilung des Blinden in Jericho. 11,1-13,37 V.Teil: Mein Haus soll ein Haus des Gebets für alle Völker genann t werden (Jerusalem) - Der Einzug in Jerusalem, die Tempelreinigung und Verfluchung des Feigenbaums, über den Glauben und über das Gebet, die Vollmachtfrage. Kap. 12: Das Gleichnis von den bösen Winzern, die Pharisäerfrage (die Steuer), die Sadduzäerfrage (die Auferstehung), die Auseinandersetzung mit den Schriftgelehrten (das erste Gebot; Messias als Davidsohn?), das Opfer der Witwe. Kap. 13: Die Vorhersage der Tempelzerstörung, der Anfang der Wehen, die Verfolgungen, der Höhepunkt der Drangsal, das Kommen des Menschensohns, der Feigenbaum als Gleichnis, Mahnung zur Wachsamkeit. 14,1-15,47 VI. Teil: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn (Jerusalem) - Der Todesbeschluß des Synedriums, die Salbung zum Begräbnis in Betanien, der Verrat des Judas, die Vorbereitung des Paschamahls, das Mahl, die Vorhersage der Verleugnung des Petrus, das Gebet in Gethsemane, die Gefangennahme, Jesus vor dem Synedrium, die Verleugnung des Petrus. Kap.15: Jesus vor Pilatus, die Freilassung der Barabbas, die Verspottung Jesu, der Tod Jesu, das Begräbnis. 16,1-8 Der Epilog: Er ist auferstanden = das Evangelium (mit Hinweis auf Galiläa) - Die Auferstehungsbotschaft am leeren Grab.
VI. Die Christologie des Markusevangeliums In Kap. V, 1-2 haben wir über die älteren Traditionen und in Kap. III,2 über die Pistisformel gesprochen, die der Evangelist bearbeitet hat. In diesem
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Kapitel werden wir vor allem über die Bearbeitung älterer christlicher und jüdischer Ideen sprechen, die ihm zur Gestaltung der Aussagen über Jesus gedient haben.
1. Die Wunder Jesu
Wie wir gesehen haben, hat Markus die Wundergeschichten mit dem Passionszyklus verbunden (s.o. Kap. V,2-4, S. 1998ff.). Es handelt sich um zwei verschiedene Schichten, und die Forschung hat sich die Frage gestellt, welche von ihnen die Oberhand gewonnen hat und für welche Seite das Herz des Evangelisten schlug. In der Sicht der klassischen christlichen Glaubenslehre ist der letzte Teil das Entscheidende. Unsere bisherigen Beobachtungen (s. o. Kap. III, 2, S. 1986; Kap. IV,2, S. 1995), die von dem mündlichen Evangelium ausgehen, haben gezeigt, daß dies auch für Markus gilt. Die Passion ist der Kern des "Anfangs des Evangeliums" - d. h. des ganzen Buches. Es bedeutet jedoch nicht, daß Markus die Wunderüberlieferung grundsätzlich umdeutet oder gegen sie polemisiert. In der letzten Zeit hat man Ähnlichkeiten zwischen den spätantiken Wundertäter- und Gottmensch-Traditionen und der christlichen Wunderüberlieferung gefunden. 214 Für solche überlieferungen ist die Form der mündlich überlieferten Novelle bezeichnend. Auch im Markusevangelium gibt es Novellen, in denen die Absicht, Jesus zu glorifizieren, den historischen Kern völlig verdeckt (z. B. 4, 35-41). Man kann jedoch sehr schwer die Existenz der sog. Aretalogie als literarischer Gattung 215 und noch schwerer die einer Wundermann-Christologie nachweisen, die in dem markinischen Milieu lebendig gewesen wäre. 216 Aus einigen Anspielungen in den Korintherbriefen kann man zwar schließen, daß es 214
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Zur Gestalt des Gottmenschen in der Spätantike: L. BIELER, 8EIOL ANHP I-lI, Wien 1935-36; G. PETZGE, Die Traditionen über Apollonius von Tyana und das Neue Testament (Studia ad Corp.Hellen. Novi Test. 1), Leiden 1970; D. EssER, Formgeschichtliche Studien 112-148; D. L. TIEDE, The Charismatic Figure 241-292; P. J. ACHTEMEIER, The Origin 198ff.; H. D. BETZ, Lukian von Samosata und das Neue Testament (Texte und Unters. 76), Berlin 1961. In diesem Zusammenhang müssen wir noch einmal auf die Hypothese über die Jesusleute aufmerksam machen, die W. SCHMITHALS geprägt hat, siehe Kapitel V Anm. 187. Man hat auch nachzuweisen versucht, daß es eine literarische Gattung der Aretalogie gab, die die Thaumaturgen und Philosophen als Gottmenschen geschildert hat (M. HADASM. SMITH, Heroes and Gods. Spiritual Biography in Antiquity, New York 1970 2 ; D. L. TIEDE, The Charismatic Figure 1-13). Zu dieser Gattung gehören angeblich auch die Evangelien, bes. das Lukasevangelium (HADAS-SMITH 102). Ich würde nur von den aretalogischen Tendenzen sprechen. Von den angeführten Beispielen kann man keine literarische Gattung ableiten. Siehe G. THEISSEN, Wundergeschichten 211-221; H. C. KEE, Aretalogy 422. So H. KÖSTER, Grundtypen und Kriterien frühchristlicher Glaubensbekenntnisse, in: DERS. - J. M. ROBINSON, Entwicklungslinien durch die Welt des frühen Christentums, Tübingen 1971, 191-215, bes. S. 202f. KÖSTER sieht den Anlaß zur Entfaltung solcher Christologie in Jesu eigenen Worten: Mark. 3,24ff.; Luk. 11 ,20 par.; Matt. 11,5 par.
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solche Tendenzen in Korinth in der Zeit des Apostel Paulus gegeben hat,217 aber Markus ist auf diese Traditionen nicht in solch geprägter Form gestoßen, und vor allem hat er sie nicht so kritisch qualifiziert wie Paulus. Die Arbeiten, die das Markusevangelium für eine Polemik gegen die Gottmensch-Christologie halten, sind also einseitig. 218 T. J. WEEDEN 219 und L. SCHENKE 220 sehen die Polemik gegen die Gottmensch-Christologie auch in den Vorwürfen gegen Jesus in Nazareth, die seine Herkunft aus niedriger Schicht betreffen (Mark. 6,3).221 W. SCHENK sieht eine Polemik gegen das apokalyptische und zugleich doketisch-heroische Bild Jesu auch innerhalb der Passionsgeschichte, in der es nach ihm solche heterodoxe Schichten gibt. 222 Da die Passionserzählung schon vor Markus bearbeitet worden war (s.o. Kap. V,1, S. 1996), kann es sich kaum um eine Polemik handeln. Man muß die Arbeit des Evangelisten deshalb mehr für eine Integration der Traditionen als für eine Polemik halten. Markus hat die Wundertradition durch die Verbindung mit dem Passionszyklus und mit den Worten Jesu (der Lehre)223 gedeutet, aber es war nach seiner Meinung keine grundsätzliche Umdeutung. Er sieht die Wunder als eine Bereicherung der Passionserzählung, die mit der Verkündigung des Kreuzes und der Auferstehung die umfassendste Perspektive bildet. 224 Die Wirkung der Wunder ist manchmal sogar hervorgehoben,225 aber
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1. Kor. 1,22f.; 2.Kor. 4,5; D. GEORGI, Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief (Wiss.Monogr.z.A.u.N.T. 11), Neukirchen 1964. Die Erforschung der Gottmensch-Vorstellungen hat jedoch unsere Kenntnis des Denkens des hellenistischen Christentums bzw. Diasporajudentums bereichert. Man hat z. B. die tiefe Verbindung der hellenistischen und jüdischen Vorstellungen (z. B. in Philos 'Vita Mosis') nachgewiesen: M. HADAS-M. SMITH (s. o. Anm. 215) 129; D. L. TIEDE, The Charismatic Figure 101-240. T. J. WEEDEN, The Heresy 145ff., zusammenfassend: DERs., Mark. 103ff. So auch N. PERRIN, Towards an Interpretation 66; U. B. MÜLLER, Die christo1. Absicht 193 u. a.; R. P. MARTIN, Mark. 161. Sie setzten einen direkten paulinischen Einfluß bei Markus voraus, vgl. U. Luz, Theologia crucis 131 ff. L. SCHENKE, Die Wundererzählungen 407ff., so auch schon G. DEHN, Der Gottessohn 309; siehe die Polemik bei R. PESCH, Das Markusevangelium 56f., mit Hinweis auf D. DORMEYER, Die Passion Jesu als Verhaltensmodell (Neutest.Abh.N.F. 11), Münster 1971,302-317. G. SCHILLE hält die Wunder für den Teil einer galiläischen Lehrtradition (Anfänge 218ff.), die Markus im Sinne der Auferstehungs-Christologie interpretiert (Offen 78f.), wenn auch die christologische Deutung der galiläischen Tradition schon vormarkinisch ist (Wundertradition 46 f. 51 ff.). W. SCHENK, Die gnostisierende Deutung 237; DERs., Der Passionsbericht. N. Q. HAMILTON betrachtet dagegen die ganze markinische Passionserzählung als eine apokalyptischdoketische Heroisierung Jesu, die durch das leere Grab demonstriert werden soll (Resurrection 419; vgl. o. Kap. 111,2, S. 1985). über den Markus-Schluß als Heroisierung hat schon E. BICKERMANN, Das leere Grab, Z.N.W. 23/1924,281-291 geschrieben. K. KERTELGE, Die Wunder 201 f. K. KERTELGE, Die Wunder 210; U. Luz, Theologia Crucis 132; DERs., Das Geheimnismotiv 28ff. U. Luz, Das Geheimnismotiv 17; G. THEISSEN, Wundergeschichten 65.
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das Messiasgeheimnis (s. u. Kap. VI,2, S. 2011) verbindet das wahre Verständnis der Wunder mit Kreuz und Auferstehung. 226
2. Das Messiasgeheimnis Der Evangelist schildert den Weg J esu als eine Kette bedeutender und mächtiger Taten, die ihn vor dem Leser als den Gottessohn legitimieren. Der Leser weiß von seiner Sendung und Würde als der des Gottessohnes von Anfang an (1,11). Von seinen Zeitgenossen wird Jesus jedoch mißverstanden, und seine wahre messianische Würde hält er geheim. Deshalb spricht man von dem Messiasbzw. Gottessohngeheimnis im Markusevangelium. In Mark. 1,25.34.44; 3,12; 5,43; 7,36; 8,26.30; 9,9 wird ausdrücklich das Schweigen geboten,227 in 4,10-12 werden die Gleichnisse als eine Art Chiffre gedeutet, und an einigen Stellen, vor allem in 8, 16ff., begegnen wir Anspielungen auf das Unverständnis selbst der Jünger. Erst in dem zweiten Teil, von 8,27 ab, werden die Jünger in das Geheimnis Jesu eingeweiht (9,7). Sein volles Verständnis eröffnet sich jedoch erst als Zuspruch (16,7, vgl. 9,9), in der Begegnung mit dem Auferstandenen. Das Evangelium als persönliches Auferstehungszeugnis ist auch der Schlüssel zum Messiasgeheimnis. Die Lektüre des Markusevangeliums öffnet dem Leser (Hörer) die Augen für das irdische Leben des Gottessohns, zu dem er sich schon bekennt. Für einen unmittelbaren Ausdruck historischer Wirklichkeit kann man das Messiasgeheimnis nicht halten. Jesus hat sich wohl mit dem Menschensohn identifizieren können. Er hat mit großer Autorität gesprochen, gleichzeitig hat er aber sicher eine direkte messianische Selbstpredikation vermieden, eine programmatische Geheimhaltung seines Auftrages widerspricht jedoch seiner Botschaft und ist auch aus den zeitgenössischen Vorstellungen heraus nicht zu erklären. 228 Als W. WREDE im Jahre 1901 zum erstenmal die Theorie des Messiasgeheimnisses formuliert hat, hat er das Messiasgeheimnis als einen Versuch erklärt, das ursprünglich unmessianische irdische Leben Jesu 229 zu glorifizieren. Das Messiasgeheimnis soll den dogmatischen Anspruch mit der historischen Tatsache versöhnen. 230
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U. Luz, Das Geheimnismotiv 28. Vor kurzem hat D. A. KOCH in seiner Untersuchung (Wundererzählungen 192 ff.) die markinische Interpretation der Wundertradition im Rahmen 'des Konzepts des Messiasgeheimnisses nachgewiesen, vgl. H. BAARLINK, Anfängliches Evangelium 108H. Zum Ganzen auch G. THEISSEN, Wundergeschichten 220; R. PESCH, Das Markusevangelium 277-281, vgl. L. E. KECK, MarIe 3,7-12 358. S. SCHULZ (Die Stunde 64-79), E. TROCME, (La Formation 38 H.) und K. TAGAWA (Miracles 174-185) meinen dagegen, daß Markus die Gottmensch-Vorstellungen und die Wundertradition bewußt entfaltet habe. In 7,24 und 9,30f. wird die Absicht geäußert, das Inkognito zu wahren. Die Vorstellung des verborgenen Menschensohns (z.B. 1. Hen. 48,6; 71,14) kann man nicht direkt messianisch begreifen. Gegen E. SJÖBERG, Menschensohn 128; A. SCHWElTZER, Leidensgeheimnis 60-80, und V. TAYLOR, Mark. 14ff. W. WREDE, Das Messiasgeheimnis 229. Ebd. 66f.
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Dagegen hat die formgeschichtliche Forschung darauf aufmerksam gemacht, daß zwischen Markus und Jesus die mündliche überlieferung liegt. Jede Perikope hat man im urchristlichen Gottesdienst im Rahmen der Auferstehungsbotschaft weitergegeben bzw. direkt als Predigt benutzt. Sollte die biographisch gestaltete Sammlung dieser Einzeltraditionen (s. o. Kap. V,2, S.1998ff.) in der Kreuzigung und Auferstehung gipfeln, müßte man erklären, weshalb der nach jeder seiner Taten (von der christlichen Versammlung) gelobte Jesus den Römern ausgeliefert wurde und von den Jüngern verlassen am Kreuz gestorben ist. Der Evangelist antwortet: Es war deshalb so, weil die Menschen während seines irdischen Lebens die Messianität Jesu nicht begreifen konnten und nicht begriffen haben. Nicht das unmessianische Leben Jesu, sondern der direkt messianische Charakter der überlieferung der Einzeltraditionen aus seinem irdischen Leben hat zur Bildung der Idee des Messiasgeheimnisses den entscheidenden Impuls gegeben. Ohne das Messiasgeheimnis könnte das Markusevangelium entweder nicht in Kreuz und Auferstehung gipfeln oder müßte die einzelnen Perikopen tiefer bearbeiten. "So ward Markus als ein Buch der geheimen Epiphanien geschrieben. "231 Diesen Befund muß man jedoch noch spezifizieren. Vor allem sind die Schweigegebote nach den Heilungen von den Schweigegeboten an Dämonen und an die Jünger zu unterscheiden. 232 Nach den Wunderheilungen gehören sie meistens zur übernommenen Tradition (5,40; 7,43; 8,23) und in deren Rahmen zu den damaligen religiös-medizinischen (thaumaturgischen) Praktiken. 233 Man kann aber nicht sagen, ob Jesus solche Praktiken wirklich benutzt hat. Man kann nur davon ausgehen, daß im Laufe der mündlichen überlieferung seine Heilungen in diesen Kontext gesetzt worden sind. Die Schweigegebote an die Dämonen sind im Grunde auch vormarkinisch. Sie beziehen sich auf den Namen, dessen Kenntnis im Altertum eine magische Bedeutung gehabt hat; sie sollen in diesem Zusammenhang die apotropäische (also nicht bekennende) Anwendung des Namens und der Würdetitel Jesu vermeiden (1,24f.34; 3,11f.).234 Markus hat bei dieser Gelegenheit lediglich angedeutet, daß der wahre Titel Jesu der des Gottessohnes ist (3,11, vgl. 1,24; 5,7).235 Die an die Jünger gerichteten Schweigegebote (8,30; 9,9, vgl. das Jüngerunverständnis 6,52) sind dafür redaktionell. Als literarische Elemente hat sie Markus zwar in den Wundergeschichten kennengelernt, aber er bezieht sie hier auf die Messianität Jesu, deren Art erst vom Kreuz und der Auferstehung her zu 231
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234 235
M. DIBELIUS, Die Formgeschichte 232, vgl. R. BULTMANN, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 1958 3 , 33f.; H. CONZELMANN, Grundriß der Theologie des Neuen Testaments, München 1967, 159. Zur Forschungsgeschichte: H. J. EBELING, Das Messiasgeheimnis; G. STRECKER, Zur Messiasgeheimnistheorie 38f. über die Historisierung im Dienste der Botschaft G. MINETTE DE TILLIESSE, Le Secret; G. STRECKER, Zur Messiasgeheimnistheorie sof. R. PESCH, Das Markusevangelium 148f. Auf die Belege aus K. PREISENDANZ, Papyri Graecae Magicae I-lI, Leipzig 1928 -1931, hat G. THEISSEN, Wundergeschichten 144ff.152f. aufmerksam gemacht. U. Luz, Das Geheimnismotiv 20, vgl. R. PESCH, Das Markusevangelium 135f. Zum Problem G. MINETTE DE TILLIESSE, Le Secret 77ff.; E. STEGEMANN, Das Markusevangelium 81 H.
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begreifen ist. Das Geheimnis konzentriert sich auf die Person Jesu. 236 Das Wundergeheimnis wird manchmal durchbrochen (z.B. 7,36f.), und die Wirkung des Wunders wird dadurch nur unterstrichen, aber das eigentliche Messiasgeheimnis bleibt bis zu Ostern bestehen. Dies bedeutet nicht, daß Markus zwischen den Geheimhaltungsgeboten an die Jünger und den Schweigegeboten nach den Wundern keinen Zusammenhang sieht. 237 Die Popularität Jesu ist nämlich mit dem Mißverstehen seiner Messianität verbunden, sie kann sogar eine Art Verhüllung der wahren Sendung und Würde Jesu sein. Markus läßt vielleicht die Würdetitel Jesu in den Akklamationen (z.B. 1,28; 2,12; 4,41; 7,37) oder die Akklamationen selbst (5,43) bewußt aus, damit die wahre Antwort erst mit dem Ausruf des heidnischen Hauptmanns unter dem Kreuz kommen kann: "W ahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn" (15,39). Als eine direkte Wunderkritik kann man dies nicht begreifen. Der Hauptmann preist J esus als den "Sohn Gottes", wie ihn das Markusevangelium dem Leser von 1,11 an vorstellt, d. h. auch als Lehrer und Wundertäter. Er bekennt sich zum Jesus der Erinnerung (Er WAR Sohn Gottes), die man ernst nehmen muß, will man die Auferstehungsbotschaft (16,6) verstehen. Die Auferstehung wird eigentich auch als ein Wunder aufgefaßt. Es ist jedoch eine Vertiefung der früheren Wunder, eine Vertiefung, die gleichzeitig die Umdeutung impliziert. 238 Die Grenze der Hoffnung, die man mit Wundertätern verbunden hat, ist hier überschritten. Statt der Rettung als Verlängerung des sterblichen Lebens wird hier die Hoffnung als Eröffnung neuer Dimensionen des Lebens angedeutet, die sich an dem leidenden und sterbenden Jesus ge offenbart haben (16,6). Die Reich-Gottes-Verkündigung J esu wird zuletzt von Gott als Subjekt des f)YEQ811 bestätigt und verwirklicht. Die früheren Wunder, die unmittelbar auf die vollmächtige Lehre Jesu hinweisen,239 werden gleichzeitig zu Zeichen dieses Umbruchs. Mit dem Messiasgeheimnis wird auch die sog. Parabeltheorie verbunden, die in Mark. 4,10-12 ihren Ausdruck findet. Im Gegensatz zu der ursprünglichen Intention der Gleichnisse wird hier erklärt, daß die vor der Menge erzählten Gleichnisse (4,1- 2) eigentlich eine verschlüsselte allegorische Lehre sind, die nur den Jüngern erklärt wird (4,10.13-20.33-34). Die ursprüngliche Bedeutung von Mark. 4,11-12 hat G. HAUFE erklärt. 240 Das Logion hat sich ursprünglich mit der Ablehnung des Evangeliums durch die Juden auseinandergesetzt. Es gehört 236
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U. Luz, Das Geheimnismotiv 23; G. THEISSEN, Wundergeschichten 153. Nach THEISSEN überschätzt Luz den Unterschied beider Geheimnismotive innerhalb der markinischen Theologie. Siehe U. Luz, Das Geheimnismotiv 23f.; C. G. HOBBs, Methodology 87-90. E. SCHWEIZER, Zur Frage 12ff.; U. Luz, Das Geheimnismotiv 21; DERS., Theologia Crucis 135 f.. M. E. GLASSWELL, St. Mark's Attitude to the Relationship between History and the Gospel, in: Studia Biblica II, 1978 (= ].St.N.T.Suppl.Ser. 2), Sheffield 1980, 115 -127 gegen S. SCHULZ, Die Stunde 48. SCHULZ betont, dag für Markus die Auferstehung mit den anderen Wundern zusammenhängt. D. A. KOCH, Wundererzählungen 182. G. HAUFE, Erwägungen zum Ursprung der sogenannten Parabeltheorie des Markus 4, 11-12, Evang,.Theol. 32/1972,413-421.
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zu'der ·Verstockungstheorie' (vgl. Röm. 11,5-8). Vielleicht schon in der vormarkinischen Gleichnissammlung hat dies Logion die allegorische Deutung eingeleitet. 241 Mit dem Messiasgeheimnis hängt es deshalb nicht unmittelbar zusammen. 242 Der Evangelist bezieht jedoch das Verstockungslogion auf das Ganze der öffentlichen Wirkung Jesu, weil das göttliche öd seines Weges nicht verstanden wird (z. B. 8,17.31).243 Unhaltbar ist die Hypothese, wonach das Verstockungslogion und das Motiv des Jüngerunverständnisses apologetische Mittel sind, die den ursprünglich politisch -messianischen Charakter der Wirkung J esu umdeuten. 244 Wenn Markus durch die Idee des Messiasgeheimnisses ein 'historisches Element zum Ausdruck bringt, dann ist es gerade die Tatsache, daß Jesus die politisch-messianischen Erwartungen seiner Anhänger abgelehnt hat (s. u. Kap. VI,4, S. 2014).245
3. Das Verhältnis zum Alten Testament Im Markusevangelium sind 63 Anspielungen und Zitate des Alten Testaments, 45 davon im Munde Jesu enthalten. 246 Die meisten Zitate gehören in das übernommene Gut. Markus betrachtet die Geschichte Jesu nicht als Erfüllung alttestamentlicher Weissagungen wie Mattäus. 247 Die ausdrücklichen Zitate in den Streitgesprächen des 12. Kapitels spiegeln auf der einen Seite die Autorität des Alten Testaments wider, vor allem aber belegen sie die MessianitätJesu, die in der souveränen Kritik der Schriftbeweise seiner Gegner zum Ausdruck kommt (12,18-27.35-37a, vgl. 11,15-19). Als Gottessohn entscheidet Jesus über die rechte Auslegung des Alten Testaments. Er unterscheidet im Alten Testament zwischen den "menschlichen Satzungen" (nueaÖoaq;, EV'tUAJ.tU: 7,3.7.8.13) und dem Wort Gottes (7,13),248 das in seinen Worten vergegenwärtigt wird. Das Doppelgebot der Liebe (12,28-34) ist die messianische Deutung des Dekalogs und des mosaischen Gesetzes, die der Schriftgelehrte anerkennen muß (12,32f.) und die zu den Ordnungen des Reiches Gottes gehört (12,34). Markus 249 wollte dadurch seinen Lesern andeuten, was von dem jüdischen Gesetz verbindlich sei.
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H. RÄISÄNEN, Das "Messias geheimnis" 48-113; E. SCHWEIZER, Zur Frage 17; R. PESCH, Das Markusevangelium 236, dagegen M. HORSTMANN, Studien 117. H. RÄISÄNEN, Das "Messiasgeheimnis" 126; R. PESCH, Das Markusevangelium 240; S. BROWN, The Secret 60ff. T. A. BURKILL, Revelation 96ff.; C. MAURER, Das Messiasgeheimnis 525f.; K. KERTELGE, Die Wunder 191; M. HORSTMANN, Studien 117f. S. G. F. BRAND ON, Zealots 274-280. J. ROLOFF, Das Markusevangelium 88. J. BOWMAN, Mark 9. A. SUHL, Zitate 157-161. S. SCHULZ, Markus I92f.; J. LAMBRECHT, Jesus 78. Die Rolle des Redaktors bei der Gestaltung der Perikope betont A. SUHL, Zitate 80; deutlicher H. HÜBNER, Das Gesetz in der synoptischen Tradition, Witten 1973, 226. Vgl. K. BERGER, Die Gesetzesauslegung Jesu (Wiss.Monogr.z.A.u.N.T. 40), Neukirchen 1972, 202, der die Kontinuität zur jüdischen Tradition betont.
DAS MARKUSEVANGELIUM
LUD
Der Tempelkult ist es nicht (11,17), und es ist erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun (3,4).250 Hier (3,1-6, vgl. 2,23'-28) und in den Gesprächen über die Reinheitsvorschriften (7,1 -13.14 - 23) spiegelt sich gleichzeitig das authentische Verhalten Jesu wider. 25t Bei Markus ist kein heilsgeschichtlicher Entwurf zu erkennen, aber seine Deutung Jesu als des Stärkeren, den der eschatologische Prophet Johannes der Täufer verkündigt (1,7, vgl. 3,27) und in dem sich die eschatologische Erwartung verwirklicht (9,13), deutet darauf hin, daß er das Alte Testament christologisch versteht. Die Zitate und Anspielungen, die in Mark. 15,23-36 vorkommen (Psalm 69,22; 22,19; 22,8; Jes. 53,12; Ps. 22,2),252 illustrieren das Leiden Jesu als das Leiden des Königs oder des Gottesknechts. Mit Jesus kommt die neue Wirklichkeit, auf die das Alte Testament hingewiesen hat und die im Verhältnis zu dem in der Schrift und in den Propheten bezeugten Geschehen eine neue Tat Gottes ist. 253 Das schriftliche Zeugnis von dieser Tat Gottes, die in der Auferstehung J esu gipfelt, kann also im Gottesdienst der christlichen Gemeinde eine ähnliche Rolle spielen wie die jüdische Bibel. 254 In diesem Sinne hat Markus Voraussetzungen zur christlichen Kanonbildung geschaffen. Der "Anfang des Evangeliums" ist der Anfang der neuen Zeit, die mit Jesus in diese Welt hereinbricht. 255
4. Messias - Menschensohn - Gottessohn Messias (hebr. masial?) oder Christus (griech. XQw't6llV, nhpCXYEV CXVTOV Kcxl TOUS 1TEVTtlKOVTCX cxliTov with nvp KCXTCXßiivCXI a1To TOV ovpcxvov Kcxl avcxAwacxI CXVTOVS is scarcely accidental, and was early noted; cf. the apt gloss, OOS Kcxl 'HAlcxS' ~1TolllaEV (C D pm it). Luke 10.1-16, 17-20. There can be little question that the seven "deacons" (Acts 6.3), who speedily become preachers, in some way correspond to these seventy. In this connection it is not without interest to remember the 120 (10 X 12) brethren of Acts 1.15, and that according to the Mishna (Sanh. 1,6) 120 is the smallest group to be able to have a sanhedrin and that the chiefs in the community are in the ratio of one to ten.
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LUKE AND MATIHEW: COMPILERS OR AUTHORS?
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it is in a real sense his scrap basket, composed of several stories which he wants to preserve. On the other hand, the more I study this seetion the less confident I am that this accounts for all the stories. Several of them appear to have been of his own composition; some are palpable doublets to stories which he utilizes elsewhere - and regularly Luke avoids doublets! Not infrequently interpreters of this gospel ha ve detected a similarity between the so-called cxpvcxov~ (1. 21) and by no means suggests that in the story itself there was any reference to Capernaum as the site. Luke's similar setting eicrflA6ev eis Kcxtic Series 5). New York, 1915.
J. H. ROPEs, The Synoptic Gospels, Cambridge (Mass.), 1934. E. P. SANDERS, The Tendencies of the Synoptic Tradition (Society for NEW Testament Studies, Monograph Series 9). Cambridge, 1969. K. STENDHAL, The School of St. Matthew and its Use of the Old Testament, Diss. Uppsala, 1954. B. H. STREETER, The Four Gospels. A Study of Origins, London, 1924. V. TAYLOR, The Gospel According to St. Mark, New York, 21966. L. VAGANAY, Le probleme synoptique, une hypothese de travail (Bibliotheque de Theologie, 3, 1), Paris, 1954.
In addition see studies in footnote 16 (p. 2365) and chapters in the several standard New Testament Introductions, no-tably, M. S. ENSLIN, Christian Beginnings, New York, 1938; W. MICHAELIS, Einleitung in das Neue Testament, Bern, 21954; J. MOFFATT, Introduction to the Literature of the New Testament, Edinburgh, 1911.
The Fourth Gospel. AReport on Recent Research by ROBERT KYSAR, Reading, Pa. Contents 1. Literary Criticism . . . . . . . . . . . . . . . A. Structural Analysis and Literary Methods B. Source and Tradition Analysis . . . . . . 1. Methods Used in Theories of Composition . 2. Source Theories . . . . . . . . . . . . . . . 3. Developmental Theories . . . . . . . . . . . 4. Form and Traditional Criticism - the Relationship of FG and the Synoptics.
II. Historical Criticism .. A. History of Religions Analysis 1. Gnosticism 2. The Old Testament and Rabbinical Judaism 3. HeUenism and HeUenistic Judaism . . . . 4. Heterodox Judaism . . . . . . . . . . . . B. Sitz im Leben Analysis (The Purpose of the FG) 1. A Dialogue with the Synagogue . 2. An Anti-docetic Polemic . . . . 3. A Samaritan Mission. . . . . . . 4. A Universal Appeal to Christians . C. History of the Johannine Community . D. Date and Authorship . 1. Date . . . . 2. Authorship. . . III. Theological Criticism . . . . . . . . A. History of Theological Analysis. B. Theological Theme Analysis. 1. Christology 2. Eschatology 3. Dualism 154
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ROBERT KYSAR 4. 5. 6. 7.
Witness, Signs, and Faith . The Spirit-Paraclete The Church .. The Sacraments
Bibliography. . . . . . . .
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The piece of literature known as