Wortarten und Grammatikalisierung
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Linguistik ⫺ Impulse & Tendenzen Herausgegeben von
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Wortarten und Grammatikalisierung
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Linguistik ⫺ Impulse & Tendenzen Herausgegeben von
Susanne Günthner Klaus-Peter Konerding Wolf-Andreas Liebert Thorsten Roelcke 12
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Wortarten und Grammatikalisierung Perspektiven in System und Erwerb Herausgegeben von
Clemens Knobloch Burkhard Schaeder
Walter de Gruyter · Berlin · New York
앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪
das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN 3-11-018411-7 ISSN 1612-8702 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ⬍http://dnb.ddb.de⬎ abrufbar.
쑔 Copyright 2005 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz: Bastian Pohl, Siegen Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin
Clemens Knobloch & Burkhard Schaeder Wortarten und Grammatikalisierung: ein Vorwort Die Fragestellung Traut man der zusehends sich einbürgernden Rede von der „Grammatikalisierung“, so scheint der elementare Gegensatz von Grammatik und Lexikon in der Sprachwissenschaft viel von seiner Schärfe zu verlieren. Was heute als „Grammatik“ imponiert, das wirkt weniger fremd und eigenständig, wenn es als diachron transformierte, kontextgeneralisierte und semantisch verdünnte Lexik reinterpretiert werden kann. Je näher man indessen dem harten Kern der grammatischen Tradition kommt, desto deutlicher werden die Paradoxien des Grammatikalisierungsgedankens. Aus dem diachronen Faktum der Grammatikalisierung (bestimmter, spezifischer) lexikalischer Bestände wird die Frage nach den Triebkräften, die aus dem grenzenlosen Fundus der lexikalischen Semantik wenige Bestände als „grammatikalisierungsfähig“ auslesen und sie in allgemein-darstellungstechnische Funktionen überführen können. Und unter den harten Kernen der härteste steckt in der grammatischen Einteilung des Wortschatzes nach „Wortarten“. Mustert man die klassischen Felder der Grammatikalisierung, der Entstehung grammatischer Bedeutungen bzw. Funktionen aus lexikalischen (für einen Überblick Lehmann 1995), so zeigt sich deutlich, dass die systemische Anatomie der klassischen Wortarten mit ihren Feld- und Prägekräften eigentlich immer als bereits etabliert und wirksam vorausgesetzt wird, wenn von „Grammatikalisierung“ die Rede ist. „Grammatikalisieren“ kann sich ein stärker lexikalisches Element dann und nur dann, wenn die darstellungstechnischen Kraftfelder der Grammatik bereits hinreichend abgesetzt und verselbständigt sind gegenüber der Nenn-, Prädikations- und Deskriptionslexik. Damit ein Verb zum Hilfsverb und schließlich zum TAM-Affix werde, muss das Kraftfeld der verbalen Kategorien immer schon vorausgesetzt werden. Und wenn ein Demonstrativum zum grammatisch obligatorischen bestimmten Artikel (und vielleicht nach und nach zum bloßen Anzeiger von Nominalität) sich abschwächt, dann muss das Bezugssystem zwischen referentiell spezifizierenden und konzeptuell modifizierenden Attributiva, das die Wortart (attributives) „Adjektiv“ zu definieren pflegt, bereits wirksam etabliert sein (vgl. Seiler 1978, Himmelmann i.d.B.). Wenn aber diachrone Grammatikalisierungsprozesse die „Grammatik“ im Kern bereits voraussetzen, dann erhebt sich die Frage, ob wir es nicht allein mit sekundären, mit lediglich „readjustierenden“ Prozessen zu tun haben, wenn wir von der „Grammatikalisierung“ sprechen, von einem „drift“, der ausgewählte lexikalische Sphären erfassen kann unter
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der Voraussetzung, dass die kategoriale Systematik der jeweiligen Sprache ihre systemische Festigkeit bereits erlangt hat. Zugespitzt: Theorien der Grammatikalisierung erklären nicht die Entstehung von „Grammatik“ aus „Lexik“, sie erklären nur, wie „Grammatik“ aus „Lexik“ entstehen kann unter der Voraussetzung, dass der Gegensatz von „Grammatik“ und „Lexik“ bereits systemisch etabliert ist. Selbstverständlich gibt es eine höchst respektable linguistische Tradition, die (schrift-)sprachliche grammatische Schematisierungen konsistent auf den Medienwandel von pragmatisch-sympraktischer und hochgradig indexikalischer Mündlichkeit zu exklusiv synsemantischer, darstellungsdominanter Schriftlichkeit zurückführt (vgl. z.B. Givon 1979).1 Allerdings wird auch in diesem Zusammenhang selten die Frage gestellt, an welche „oral“ und diskursiv geprägten darstellungstechnischen Schematisierungen sich die „neuen“ und sophistizierten grammatischen Bezugssysteme anlehnen, wenn sie ihre pragmatischen Krücken abwerfen und zunehmend konzeptionell schriftlich werden, wenn sie sympraktische Verweisungsräume abbauen und synsemantische Verweisungsräume ausbauen. Der Grammatikalisierungsgedanke, so lässt sich resümieren, kann nur entfaltet werden, wenn es gelingt, ihn gegen die petitio pricipii zu schützen, die darin besteht, dass „Grammatik“ immer schon unterstellt werden muss, damit sich Motive für die „Grammatikalisierung“ lexikalischer Bestände finden lassen. So ist es nicht verwunderlich, dass man im Inneren, in der Binnengliederung der Hauptwortarten sehr oft ein Kontinuum von schwächer und stärker grammatikalisierten Elementen findet: Auxiliare sind stärker grammatikalisiert als Vollverben und dienen ihrerseits als Ausgangspunkt für die Herausbildung noch stärker grammatikalisierter Verbkategorien, adjektivische Pronomina und Determinantien sind „grammatischer“ als lexikalische Adjektive, und substantivische Pronomina imponieren häufig als grammatikalisierte Nomina. Lehmann (1995: 40) notiert, dass Personalpronomina der dritten Person häufig aus demonstrativen Quellen stammen, Personalpronomina der übrigen Personen aus grammatikalisierten Bezeichnungen sozialer Relationen (Honorifikativa etc.; etwa im Spanischen usted aus vuestra merced). So entsteht ein Bild des Verhältnisses zwischen Wortarten und Grammatikalisierung, an dem zwei Züge hervorstechen: einerseits das Grammatikalitätsgefälle innerhalb der „großen“ Wortarten, andererseits der Umstand, dass die selbst stärker grammatischen (und relativ geschlossenen) Wortklassen (Pronomina, Artikel, Präpositionen etc.) qua Grammatikalisierungsbeziehung aus den „großen“ Wortarten abgeleitet sind oder abgeleitet werden können. Im Ergebnis können wir uns
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Einschlägig für diesen Bereich sind auch die zahlreichen Untersuchungen, die im Zusammenhang mit dem Forschungsschwerpunkt „Übergänge zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit“ an der Universität Freiburg in den letzten 20 Jahren zustande gekommen sind.
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(wie Lehmann i.d.B. diskutiert) die Hauptwortarten als „Input“ für einen Grammatikalisierungskanal vorstellen, dessen „Output“ in der gleichen Wortklasse bleibt (Verb ĺ Auxiliar) oder in eine andere Wortklasse übergeht (Nomen ĺ Präposition) oder aber den Wortstatus verliert und zum Affix wird (Personalpronomen ĺ Verbendung). Was wir uns nicht vorstellen können, ist, dass die Hauptwortarten selbst Resultat von Grammatikalisierung sind, „Output“ diachroner Verschiebungen vom „Lexikalischen“ zum „Grammatischen“. Als grammatisch relativ homogene Klassen von Lexemen unterliegen die Hauptwortarten ohnehin anderen Bedingungen als einzelne Elemente im Grammatikalisierungskanal. Ein dynamisches Grammatikalitätsgefälle innerhalb der Hauptwortarten muss nicht unbedingt mit der (von generativen Grammatikern verständlicherweise stark perhorreszierten; vgl. Baker 2003) Vorstellung einhergehen, die Wortarten seien „prototypisch“ (mit Kern-RandGefälle und fließenden Übergängen und Grenzen) organisiert und ergo auch so zu modellieren. Ein solches Gefälle taugt aber möglicherweise dazu, verständlicher zu machen, wie Lerner das notorisch schwierige Problem lösen, strukturell-grammatische und idiosynkratisch-lexikalische Eigenschaften „ihrer“ Sprache gemeinsam zu erwerben.2 Was strukturell als Anordnung ähnlicher Instanzen um eine „fokale Instanz“ (Seiler 1985) herum imponiert, das ist prozessual ein Arrangement, das dem Lerner beim Einstieg an jeder Stelle Zugang zu strukturellen und lexembezogenen Mustern erlaubt, weil alle „Fälle“ durch Ähnlichkeitsbeziehungen verknüpft sind. So ließe sich durchaus argumentieren, dass es seinen guten Sinn hat, Wortklassen „nach innen“ als Kontinua mit fließenden Übergängen zu modellieren und zugleich „nach außen“ als diskrete Klassen oder Mengen (vgl. für eine Diskussion Böhm 1998). Hansjakob Seilers Engführung von „Kontinua“ und „Wendepunkten“ (vgl. Seiler 1985, 1994) liefern ein vorerst bloß metaphorisches Denkmodell für die Darstellung von Verhältnissen, die zugleich „kontinuierlich“ und „diskret“ sind. So wäre etwa im Deutschen der Übergang zwischen einem (nukleusadjazenten) Relationsadjektiv und dem Bestimmungselement eines Determinativkompositums einerseits als Kontinuum zu modellieren (beide Konstruktionen tendieren zur Konzeptmodifikation und zu lexikalischen Befestigung), anderseits aber durchaus als kategorial diskret, weil die Grenze zwischen dem „Adjektiv“ mit all seinen morphosyntaktischen Eigenschaften und dem autonomen Wortstatus überschritten wird. Erkennbar wird indes bereits aus dieser Perspektive, dass die linguistische Erwartung, man müsse allenthalben auf Varianten eines allgemeinen, eines „universalen“ Wortartensystems stoßen, einen starken Denkzwang ausübt. Tatsächlich könnte es eher sein, dass es strukturell sehr unterschiedliche Lösungen für das Problem gibt, auf das die „Wortarten“ antworten, auch Lösun2
Vgl. zu diesem Komplex Feilke/Kappest/Knobloch (2001) und Knobloch (2000).
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gen, in denen „Wortarten“ im Sinne grammatisch homogener Lexemklassen so gut wie gar nicht vorkommen. Da Diskursfunktionen wie „Referenz“, „Prädikation“ und „Modifikation“ auf unterschiedlichen Strukturebenen implementierbar sein müssen, brauchen kategoriale Bedeutungen3 nicht unbedingt prototypisch und fest auf Lexemklassen verteilt oder „montiert“ zu werden. Im Grundsatz wäre auch ein System denkbar, in dem grammatische „Feldwerte“ (Bühler; vgl. Redder i.d.B.) und lexikalisch-semantische Bestände überhaupt nur fallweise und konstellativ auf der Ebene der Zeichenverkettung mit einander in Verbindung treten. Der Lexembestand einer solchen Sprache könnte, zugespitzt, „grammatisch neutral“ sein. Flankierend wäre ein Instrumentarium nötig, mit dessen Hilfe man die „neutralen“ Lexeme bzw. Stämme von Fall zu Fall in wechselnde grammatisch-kategoriale Funktionen wie „Prädikat“, „Referenz“, „Modifikation“ einfädeln kann. Es wäre eine Frage der Konvention und der vereinbarten Terminologie, ob es in einer solchen Sprache „Nomina“, „Verben“ etc. gäbe oder ob es bloß „Nominalisatoren“, „Verbalisatoren“ etc. sein sollten. Der Beitrag von Angelika Redder (i.d.B.) legt die Frage nahe, ob nicht auch die traditionellen, auf den Erfahrungen der indoeuropäischen Sprachen beruhenden Wortartsysteme vielleicht besser im Sinne von „Feldern“ und „Feldtranspositionen“ zu reanalysieren wären. Eine funktionale Klasse von Ausdrücken (so Lehmann i.d.B.) geht dann, und nur dann, in eine grammatische Kategorie über, wenn es einerseits schematisierte und standardisierte Kontexte gibt, die eine solche Strukturklasse definieren, wenn es andererseits Stämme gibt, die ausschließlich in solchen Kontexten auftreten. Die tradierte Wortartenlehre als „Lexemklassifikation“ ist auf den zweiten Fall eingestellt und geht davon aus, dass die erforderliche Flexibilität durch syntaktische Derivation (auf der Ebene der Wortbildung und/oder auf der Ebene des Syntagmas) organisiert wird. Sofern die tradierte Wortartenlehre „syntaktische Wörter“ (und eben nicht Lexeme mit ihren Paradigmen) klassifiziert, nimmt sie mehr oder weniger unreflektiert konstellativ erteilte „Feldwerte“ in ihren Gegenstandsbereich auf (hierzu Eisenberg i.d.B.). Darunter leidet die praktische Brauchbarkeit und Eindeutigkeit der Wortartenklassifizierung, wie jeder bestätigen wird, der je versucht hat, in einem Einführungskurs zu vermitteln, dass man im Satz Zitternd überquerten sie den Gletscher den Ausdruck zitternd syntaktisch als „Adverb“, morphologisch als „Partizip I“ (und ergo als Verbform), Partizipien aber überwiegend als „Adjektive“ zu klassifizieren habe. Und sind sekundäre (d.i. morphologisch als Ableitungen aus anderen Wortklassen erkennbare) Lexeme innerhalb einer Wortart stärker oder schwächer grammatikalisiert als ihre „primären“ Brüder und Schwestern? Die Klasse der Adjektive im Deutschen besteht zu wenigstens 90% aus „sekundären“, als Ableitung erkennbaren Mitgliedern. Und wer nach 3
Im Sinne von Coseriu (1987).
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der schieren Anzahl und nach der Präsenz grammatischer Formative (wie -bar, -lich, -ig, -isch) ginge, der müsste (horribile dictu) die „sekundären“ Adjektive für die eigentlichen und prototypischen erklären. In so und ähnlich strukturierten Wortartensystemen erzeugt Grammatikalisierung Formative zur Kennzeichnung „sekundärer“ Wortartzugehörigkeit, während die „primäre“ nicht eigens gekennzeichnet ist.4 Umgekehrt gibt es Sprachen, in denen die Spezialisierung der Stämme bzw. Lexeme auf bestimmte Kontexte weitgehend unterbleibt. Lehmann (i.d.B.) untersucht Nootka als Beispiel für eine Sprache, in der „nominale“ und „verbale“ Elemente insgesamt beinahe die gleiche Distribution aufweisen. Als „Pendant“ einer Lexemklassifikation bleibt dann die Beobachtung, dass ein Teil der Stämme ohne weiteres in referentieller Funktion gebraucht werden kann („Nomina“), ein anderer Teil aber nur dann, wenn er mit einem (quasi nominalisierenden) Artikelwort verbunden wird („Verben“). Auf die oben umrissene Logik der Lexemklassifikation übertragen hieße das: Alle Stämme sind entweder „primäre“ oder „sekundäre“ Nomina, die „sekundären“ Nomina sind zugleich „primäre“ Verben und vice versa. Auch im Indonesischen (vgl. Sneddon 1996) scheint lediglich eine Einteilung der formal nicht unterschiedenen lexikalischen Stämme in „primär nominativ“ und „primär prädikativ“ möglich zu sein. Die grammatische Organisation dieses „Stoffes“ geschieht einerseits durch syntaktisch-konstellative Schemata, andererseits durch ein System von Prä- und Suffixen, das die Prädikate grammatisch-semantisch modifiziert und mit Hinweisen auf die semantischen Rollen der Partizipanten versieht. Eine klassische Lexemklassifikation würde auch hier in die Aporie führen, während z.B. der Feldgedanke bei derartigen Gegebenheiten an explanativem Charme gewinnt. Petra Vogel (2000, i.d.B.) spricht in diesem Zusammenhang von gering oder nicht grammatikalisierten Wortartensystemen und möchte „Grammatikalität“ in diesem Zusammenhang als geordnete Entsprechung zwischen Lexem/Stamm und syntaktischen slots verstanden wissen. In grammatischen Nomen-Verb-Sprachen ist die Opposition [plus/minus prädikativ] Teil des Lexikons. In type-token-Sprachen dagegen (zu denen das Indonesische dann wohl zu rechnen wäre) besteht die funktionale Hauptopposition zwischen „lexikalischem type“ und „syntaktischem token“ (Vogel 2000: 264). Eine relativ feste Zuordnung von Lexem und syntaktischer Funktion bzw. syntaktischem slot erscheint aus dieser Sicht eigentlich nur als „zweitbeste“ Lösung eines darstellungstechnischen Problems. Denn was zuerst fixiert wird, das muss in einem zweiten Schritt (durch syntaktische Derivation auf der Ebe4
Die Beiträge von Frevel (i.d.B.) und Frevel/Knobloch (i.d.B.) untersuchen unter diesem Gesichtspunkt einen Typ von Adjektiven, der innerhalb der Wortklasse durch dezidierte grammatisch-semantische, morphologische und syntaktische Eigenheiten konturiert ist: die Relationsadjektive.
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ne der Wortbildung bzw. durch Operatoren auf der Ebene des Syntagmas) wieder in Bewegung gesetzt, gewissermaßen reflexibilisiert werden. Ein System, das lexikalische Bedeutungen fest an eine bestimmte syntaktische Funktion binden würde (das also gewissermaßen nur aus monofunktionalen Wörtern – wie im Deutschen z.B. den Adverbien – bestünde), wäre viel zu starr und zu nichts zu gebrauchen. Aus dieser Sicht hätten Systeme, die auf jedwede Zuordnung zwischen Lexem/Stamm und grammatischer Spezifik auf der Ebene lexikalischer Klassen verzichten, einen architektonischen Vorteil: Sie benötigen kein sekundäres „Umwandlungssystem“, weil sie das Lexikon von grammatischen Auszeichnungen von vornherein freihalten. Es ist jedoch evident, dass auch in ausgeprägt „grammatischen“ Wortartensystemen die Eins-zu-eins-Passung zwischen Lexem und syntaktischem slot eine seltene Ausnahme ist. Sie kommt eigentlich nur vor bei Wörtern, die selbst am Ende der grammatischen Bestimmungshierarchie stehen, d.h. die nur von „Ihresgleichen“ näher bestimmt werden können. Im Übrigen imponieren die Hauptwortarten in „grammatischen“ Wortartensystemen in der Regel eher als geordnete Bündel von syntaktischen slots und paradigmatisierten Formen. Die Nomina im Deutschen sind syntaktische „Nichtspezialisten“, an sich auf keinen bestimmten slot festgelegt und mit einer „Feldapparatur“ versehen, die sie für jeden slot geeignet macht: Kasus, Artikelwörter, Kopula etc. Die Verben sind umgekehrt zwar in ihren finiten Formen (und in deren Rektionsbeziehungen auf infinite) auf den Prädikatsslot eingestellt, verfügen aber ebenfalls über sekundäre, infinite Formen, die als „nominal“, „adjektivisch“ etc. beschrieben werden können.5 Grammatikalisierungsprozesse innerhalb einzelner Wortarten gehen immer mit erheblichen Einbußen an dieser syntaktischen Vielfalt einher, also mit dem partiellen Verlust wortartspezifischer Verwendungsvielfalt und der gleichzeitigen Hypertrophierung bestimmter Verwendungen. Peter Eisenberg (i.d.B.) zeigt am Vergleich komplexer periphrastischer Formen der Verbalgruppe im Deutschen mit der (für morphologische Verbalkategorien konzipierten) Bybee-Hierarchie, dass die syntaktische und die morphologische Serialisierung bzw. Hierarchisierung „sekundärer“ Verbalkategorien in der Tat den gleichen Regeln folgt. Die (ansonsten einigermaßen beunruhigende) Tatsache, dass in der traditionellen Grammatik auf weite Strecken periphrastische Tempus-, Modus-, genus-verbi-Formen (also faktisch Syntagmen) genau so behandelt werden wie morphologisch komplexe „einwortige“ Formen, lässt sich somit rechtfertigen. Und auch die traditionelle Annahme der diachronen Grammatikalisierungstheorie, wonach die Morphologie von heute die Syntax von gestern ist, gewinnt zusätzliche Evidenz. Weit weniger eindeu5
Vgl. für eine solchermaßen axiomatisierte Untersuchung des deutschen Wortartensystems Sandmann (1940), wieder abgedruckt in Schaeder/Knobloch (1992: 221–252).
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tig sind die Schlussfolgerungen, die sich aus diesen Befunden für das Verhältnis der Hauptwortarten zur Grammatikalisierung ziehen lassen. Allerdings lassen sich Argumente über die Schlüsselrolle syntaktischer Musterbildung und syntaktischer Musterdifferenzierung aus diesen Beobachtungen gewinnen. Sprachtheoretisch noch interessanter sind womöglich die von Eisenberg selbst angedeuteten Schlussfolgerungen zum Verhältnis von Derivation und Flexion: Derivationssuffixe stehen dem Stamm näher als Flexionssuffixe. Bei massiver Kopräsenz beider Elemente in einer Wortform entsteht6 ein Externalisierungsdruck auf die Flexionselemente, der tendenziell den Charakter beider verändert und womöglich „Treibstoff“ für Prozesse liefert, die wir als Reorganisation des Wortartensystems im Rahmen des GrammatikalisierungParadigmas beobachten können. Himmelmann (i.d.B.) plädiert für einen „engen“ und streng operationalisierten Begriff von Grammatikalisierung, der sich nur auf ein (zunächst mehr oder minder lexikalisches) Element in dem ihm zugeordneten Konstruktionskontext beziehen kann. Aus seiner Sicht können Grammatikalisierungsprozesse nur indirekt Konsequenzen für die innersprachliche Ausbildung von Wortklassen haben, dergestalt etwa, dass die Herausbildung eines Artikels aus einem Demonstrativum die Klasse derjenigen (nominalen) Elemente zu definieren hilft, die syntaktisch mit dem neuen Artikel kombiniert werden können oder müssen. Grammeme, so könnte man fortfahren, definieren ipso facto die Klasse der (konstruktionellen und/oder lexikalischen) Umgebungen, in denen sie vorkommen können. Und in der Tat besteht ja das Alltagsgeschäft der Wortartenbestimmung vielfach darin, eine Klasse dadurch zu bestimmen, dass man sie distributionell einem bestimmten Formativ zuordnet, etwa: „Verb“ ist im Englischen, was mit /-ing/ gekoppelt vorkommen kann, „Nomen“, was mit dem Artikel /the/ ein Syntagma bildet. Erkennbar ist jetzt freilich auch die inhärente Ambivalenz dieser Praxis, die uns nicht darüber belehren kann, ob ein Element einer Klasse zugehört, weil es mit diesem Formativ kookkurriert, oder ob die Kookkurrenz mit diesem Formativ es bloß syntaktisch und „okkasionell“ dieser Klasse einverleibt, während es „an sich“ zu keiner (oder zu einer anderen) gehört. Dieses Problem ist durchaus real, etwa in den usuellen Bestimmungsverfahren, die „Artikel“ und „Nomen“ reziprok, also gewissermaßen „durch einander“ definieren. Zu den halbwegs unkontroversen Ergebnissen der „kognitiven“ Wende in der Linguistik gehört die Einsicht, dass die kategoriale Strukturierung natürlicher Sprachen eng mit der Lernbarkeit und Automatisierbarkeit grammatischer „Techniken des Sprechens“ zusammenhängt. Alternative strukturelle Optionen
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Es wäre zu prüfen, ob diese Beobachtung auf Flexionssprachen zu beschränken ist oder ob sie auch in „agglutinierenden“ Sprachen mit ihren notorisch langen und komplexen Affixketten zu bestätigen ist.
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etwa in der grammatischen Gliederung des Wortschatzes („lexikalisch“ vs. „fallweise“) müssen grosso modo auf die gleiche Weise lernbar, beherrschbar, automatisierbar sein. In diesem Zusammenhang weist Ágel (i.d.B.) darauf hin, dass die Probleme der Herausbildung und Beschreibung von Wortklassen auch am gleichermaßen prekären wie schriftlastigen Wortbegriff hängen. Gegenüber den holistischen und pragmatischen Verfahren primärer Oralität imponiert die „Gliedrigkeit“ eines schriftbasierten, auf semantischer Ausgliederung und grammatischer Recodierung beruhenden Wortbegriffes in der Tat auf gänzlich neuen Grundlagen, und gerade für genuine Gesprächselemente erweist sich die herkömmliche Wortartensystematik als ganz und gar unpassend. Sogar der Wortstatus dieser Elemente kann in dem Maße in Frage gestellt werden, wie ihnen ein von der gesprächslokalen Indexikalität absetzbarer Inhalt, ein signifié im Sinne Saussures, gar nicht zugeordnet werden kann. Auf der anderen Seite dürften pragmatische oder diskursive Paradigmatisierungsprozesse des von Ágel untersuchten Typs mit ihren strikt interaktiven Systematisierungen auf der Ebene „unterhalb“ oder „jenseits“ des (schrift-)sprachlichen Minimalzeichens einen wichtigen „Input“ für grammatische Recodierungsprozesse abgeben. Mit den „Feldzeichen“ Bühlers haben sie gemein, dass ihnen die semiotische Dimension der Darstellung von „Gegenständen und Sachverhalten“ abgeht. Als interpersonelle und interaktive Nähe- oder Distanzzeichen sind sie vor-grammatisch und vor-kompositionell, aber möglicherweise modellbildend für die sprachtechnischen und sekundären Zeichenbildungen in der Grammatik. Die pragmatischen Orientierungs- und Steuerfunktion in der geteilten Aufmerksamkeit des face-to-face-Orientierungsfeldes, die von „Gesprächswörtern“ wahrgenommen wird, nimmt die textuellsyntagmatischen Steuerzeichen der Grammatik vorweg, die ja oft ebenfalls „lokal“ bleiben und ohne ihren „Ort“ keinerlei signifié aufweisen. Insofern handelt es sich hier um einen Beitrag zu der Frage Lehmanns (i.d.B.) nach dem möglichen Input für Grammatikalisierungsprozesse, „bevor“ es kategorisierte Wörter gibt. Wie sehr die grundlegenden Impulse grammatischer Strukturbildung in den Bereich konzeptueller Mündlichkeit (vgl. Scheerer 1993) zurückverlegt werden müssen, darüber wird künftig wohl noch häufiger zu reden sein. Bezüglich der Diachronie bleiben diese Fragen freilich spekulativ, aber für die Aneignung des grammatischen Systems einer Einzelsprache im Erstspracherwerb sind sie sehr real. Denn als kognitive Aufgabe des Sprachlerners steht die „Grammatikalisierung“ zunächst einzelner, dann unverbundener und schließlich nur sehr begrenzt variabler, aus dem Redestrom der Umgebung ausgegliederter „Blöcke“ ständig auf der Tagesordnung. Da Kinder (ganz anders als Linguisten!) nicht mit den einzelnen, per Schrift bereits ausgegliederten Lexemen konfrontiert sind, sondern mit syntagmatisch verketteten Elementen des Redestromes, erfahren sie (Proto-)Wörter entweder als komplette
Wortarten und Grammatikalisierung: ein Vorwort
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Äußerungen oder als Teile von Konstruktionen. Heike Behrens (i.d.B.) argumentiert vom Standpunkt der „construction grammar“, dass die praktische Aneignung der kategorialen Unterschiede zwischen „Wörtern“ durch induktive Generalisierung ihrer konstruktionellen Verwendungsweisen vonstatten gehe. Etwas zugespitzt: Kategoriale Unterschiede beginnen als Epiphänomene der syntaktischen Distribution. Und sie beginnen lexemspezifisch, d.h. Kinder erwerben das „Strukturelle“ und „Kategoriale“ zunächst in seiner lexikalischen Besonderung, bevor sie allgemeine Muster aufbauen, in die auch „neues“ lexikalisches Material problemlos eingebaut werden kann. Während die traditionelle Spracherwerbsforschung (weitgehend ohne die Aporie dieses Gedankens zu bemerken!) davon auszugehen pflegte, dass „Nomina“ vor „Verben“ und die Wortarten also in einer „Reihenfolge“ angeeignet werden, obwohl sie doch erst durch ihre Kontraste und Oppositionen als solche definiert werden können, zeigt sich neuerdings eine weitgehende (und relativ undynamische) Entsprechung zwischen den numerischen Verhältnissen der Zielsprache und des Inputs auf allen Ebenen der kindlichen Sprachentwicklung – was einmal mehr die Einsicht bestätigt, dass man gerade in Fragen des kindlichen Spracherwerbs nur „sieht“, was man „weiß“. Auch für das Problem einer adäquaten synchronischen Analyse und Beschreibung von Wortartensystemen sind vergleichende Erwerbsdaten höchst interessant. Es wäre z.B. wichtig zu untersuchen, ob die von Petra Vogel typologisch beschriebenen Unterschiede (Nomen-Verb-Systeme bzw. Systeme, die auf der Opposition zwischen lexikalischem type und syntaktischem token basieren) auch einen Unterschied für die Erwerbsprozesse ausmachen. Umgekehrt kann man wohl vermuten, dass in Systemen mit starker syntaktischer Derivation (mit vielen markanten „sekundären“ Mitgliedern der Hauptwortklassen also) die Aneignung dieser Systeme zu einer Restrukturierung und Reorganisation kategorialen Wissens beiträgt. Spekulativ, aber darum keineswegs uninteressant (und sowohl im Blick auf synchrone Systeme als auch mit Bezug auf deren Aneignung im Erstspracherwerb zu untersuchen) wäre weiterhin die Frage, ob die Hauptwortarten in Systemen des eher „grammatischen“ Typs untereinander in Beziehungen stehen können, die durch grammatische „Spezialisierung“ miteinander verbunden sind. „Prädizieren“, „Nennen“ und „Beschreiben“ dürften auf der Ebene kindlicher Monorheme (Einwortäußerungen) kaum zu unterscheiden sein, wohl aber, sobald sich strukturell komplexere Äußerungstypen etablieren. Da „Verben“, wenn sie grammatisch angeeignet sind, auch über sekundäre „Nennformen“ verfügen und „Nomina“ über sekundäre Prädikatskonstruktionen (Kopulaverben etc.), wäre eine Grammatikalisierungshierarchie denkbar, in der Ordnung durch den graduellen Verlust semiotischer (und distributioneller) Heterogenität und Vielfalt aufgebaut wird. Aus dieser Sicht sind „Wortarten“ so etwas wie komplementäre Muster der darstellungstechnischen Spezialisie-
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Clemens Knobloch & Burkhard Schaeder
rung, die sowohl „zwischen“ den einzelnen Wortarten stattfindet (mit dem Verb als der umfassendsten Kategorie, die vom „Prädizieren“ bis zum syntaktischen „Verbinden“ alle Optionen umfasst, bis hin zu grammatisch hoch spezialisierten „Verbindern“ (wie Artikel, Präposition, Konjunktion) als auch „innerhalb“ der Hauptwortarten (vom lexikalischen „Vollverb“ über die Modalverben, Kopulaverben bis hin zu den reinen Hilfsverben). Zu den Beiträgen Der Band enthält die Beiträge eines Kolloquiums, das die Herausgeber am 11. und 12. Juli 2003 unter dem Titel „Wortarten und Grammatikalisierung – Perspektiven in System und Erwerb“ an der Universität Siegen veranstaltet haben. Über den Verlauf dieses Kolloquiums berichtet Matthias Krell in der Zeitschrift für germanistische Linguistik (31/2003, 406–411). Ziel der Veranstaltung war es, mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmen die Frage zu erkunden, ob sich der in der diachronen Linguistik verwurzelte Grammatikalisierungsgedanke fruchtbar und erklärungskräftig ausweiten lässt auf Fragen der synchronen Architektonik des Sprachsystems, der Begründung und Erklärung von Wortarten, der geordneten Koexistenz unterschiedlicher stark grammatikalisierter Optionen in ein und derselben kategorialen Domäne, des sukzessiven Aufbaus von „Grammatikalität“ im kindlichen Erstspracherwerb. Danksagungen Zu danken haben wir zuerst den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kolloquiums, die durch ihre Vorträge und Diskussionsbeiträge die Debatte zum Thema „Wortarten und Grammatikalisierung“ eröffnet haben. Wir danken weiterhin dem Fachbereich 3 („Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften“) der Universität Siegen und dem „Siegener Institut für Sprachen im Beruf“, die uns Mittel für die Durchführung des Kolloquiums zur Verfügung gestellt haben. Bedanken möchten wir uns gleichfalls bei den Herausgebern der Reihe „Linguistik – Impulse und Tendenzen“, die den Band zur Veröffentlichung angenommen haben, sowie bei Bastian Pohl, der die Manuskripte für den Druck eingerichtet hat. Editorische Notiz Der Beitrag von Peter Eisenberg ist die überarbeitete Fassung eines Vortrags, der unter dem Titel „Kategorienhierarchie und verbales Paradigma“ veröffentlicht wurde in Oddleif Leirbukt (Hrsg.) (2004): Tempus/Temporalität und Modus/Modalität im Sprachvergleich. Tübingen: Stauffenburg. Der Beitrag von Petra Vogel ist eine überarbeitete und gekürzte Fassung von „Grammaticalisation an part-of-speech systems“, veröffentlicht in Petra Vogel & Bernard Comrie (Hrsg.) (2000): Approaches to the Typology of Word classes. Berlin/New York: Mouton de Gruyter.
Wortarten und Grammatikalisierung: ein Vorwort
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Siegen, im Februar 2005
Inhalt CHRISTIAN LEHMANN (Erfurt) Wortarten und Grammatikalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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PETER EISENBERG (Potsdam) Das Verb als Wortkategorie des Deutschen. Zum Verhältnis von synthetischen und analytischen Formen . . . . . . 21 ANGELIKA REDDER (Hamburg) Wortarten oder sprachliche Felder, Wortartenwechsel oder Feldtransposition? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 PETRA M. VOGEL (Bern) Conversion and derivation in different part-of-speech systems . . . . 67 NIKOLAUS HIMMELMANN (Bochum) Gram, construction, and class formation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 VILMOS ÁGEL (Kassel) Wort-Arten aus Nähe und Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 CLAUDIA FREVEL (Siegen) Verwendungen und Funktionen des Relationsadjektivs im Spanischen und Deutschen, einige kontrastive Betrachtungen . . . . . 131 CLAUDIA FREVEL (Siegen) & CLEMENS KNOBLOCH (Siegen) Das Relationsadjektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 HEIKE BEHRENS (Groningen) Wortarten-Erwerb durch Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Ausgewählte Literatur zum Problemkreis Wortarten und Grammatikalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
Christian Lehmann (Erfurt) Wortarten und Grammatikalisierung Abstract Within each of the major word classes, a more lexical subclass must be distinguished from a more grammatical subclass. Grammaticalization may then change the word class system in two ways: 1) It may create a class of grammatical words (formatives or “function words”) by pressing a subclass of a lexical class into a new function. 2) It may introduce a new lexical class into the language system, either by imposing a constraint on the distribution of a subclass of some existing lexical class, or else by condensing phrases of a certain syntactic category into words. Evidence comes from the genesis of numeral classifiers, possessive classifiers, adjectives and nouns in some selected languages. 1. Einleitung In der allgemein-vergleichenden Sprachwissenschaft hat die Grammatikalisierung eine bemerkenswerte Karriere gemacht. Sie ist in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, vor allem von Talmy Givón, wiederentdeckt worden. Die Bedeutung des Phänomens und die Fruchtbarkeit des Begriffs für die linguistische Analyse sind sogleich von anderen erkannt worden, und in den achtziger Jahren floss bereits ein nennenswerter Strom empirischer Studien, die von dem Begriff Gebrauch machten. Am Ende des Jahrhunderts war die Grammatikalisierung das neue Paradigma der Linguistik geworden. Man arbeitet nicht mehr „in generativer Grammatik“ und auch nicht mehr „in Typologie“, man arbeitet „in Grammatikalisierung“. Alle Sorten linguistischer Probleme werden unter dem Gesichtspunkt der Grammatikalisierung angegangen. Der Terminus hat eine enorme Inflation erfahren, und wie immer in solchen Fällen ist der Begriff ausgeweitet und dabei immer unklarer geworden. Unter diesen Auspizien werde ich mich den Wortarten unter dem Gesichtspunkt der Grammatikalisierung zuwenden. Das ist noch nicht gemacht worden, und ebenso wenig wie bei anderen jüngeren Anwendungen des Begriffs ist hier garantiert, dass die Anwendung fruchtbar ist. Auf den ersten Blick erstaunt die Kombination im Titel des Kolloquiums. Grammatikalisierung ist ein dynamisches Phänomen, sie involviert fließende Grenzen und graduelle Übergänge von einer Kategorie in die andere. Das scheint es in der Sphäre der Wortarten nicht zu geben.
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Im Folgenden werde ich zunächst an die wesentlichen Eigenschaften der Grammatikalisierung und an die für die Analyse von Wortarten notwendigen Begriffe erinnern. Der empirische Teil besteht in der Untersuchung von Daten aus dem Persischen, dem yukatekischen Maya, Quechua, Tamil, Nootka und Haussa und betrifft die Genese von Klassifikatoren, Adjektiven und Substantiven. Am Schluss werden wir sehen, ob diese Analysen die Hypothese von der Genese von Wortarten durch Grammatikalisierung rechtfertigen. 2. Grammatikalisierung Die Grammatikalisierung einer sprachlichen Einheit ist vor allem ihre Verfestigung, d.h. ihre Unterwerfung unter Beschränkungen des Sprachsystems. Die fragliche Einheit verliert an struktureller Autonomie. Das besagt für den Sprecher, dass er die Freiheit, sie nach seinen kommunikativen Absichten zu manipulieren, verliert und ihm stattdessen die Grammatik diktiert, wie er damit verfahren muss. Als Beispiel betrachte man das System des definiten und indefiniten Artikels, le und un, im Französischen. Als sie noch das Demonstrativum ille und das Numerale unus des Lateinischen waren, wählte der Sprecher sie nach ihrem Sinn. Wenn er „jenes Pferd“ ausdrücken wollte, sagte er ille equus oder equus ille; und wenn er „e i n Pferd“ (im Gegensatz zu „zwei Pferde“) ausdrücken wollte, sagte er unus equus oder equus unus. Er konnte auch ille unus equus und alle denkbaren Permutationen dieses Syntagmas sagen. Er sagte nichts von alledem, wenn er bloß „ein Pferd“ oder „das Pferd“ ausdrücken wollte, denn in diesen Fällen sagte er einfach equus. Heute ist die Situation völlig verändert (vgl. Kabatek 2003). Zwar kann der Sprecher immer noch wählen, ob er j’ai vu un cheval oder j’ai vu le cheval sagen will. Aber er kann nicht mehr cheval un oder cheval le sagen, und auch nicht un le cheval, und er kann auch nicht auf den Artikel verzichten und j’ai vu cheval sagen. Tatsächlich ist der Artikel in den meisten Kontexten obligatorisch. Noch schlimmer, die Wahl zwischen den beiden Artikeln ist in vielen Kontexten durch die Grammatik vorgeschrieben. In Domino est le cheval le plus furieux que j’ai vu kann man den definiten Artikel nicht ersetzen; und in Domino est un des chevaux les plus furieux que j’ai vus kann man den indefiniten Artikel nicht ersetzen. Der Artikel besetzt eine fixe Strukturposition im Nominalsyntagma, die Kategorie des Artikels als solche ist fast immer obligatorisch, und die Wahl zwischen ihren beiden Gliedern ist in vielen Fällen ebenfalls nicht frei. Wichtig ist im Moment, dass eine neue Kategorie geschaffen wurde. Da wo das Französische über die Kategorie des Artikels verfügt, hatte das Lateinische nichts. Wenn wir die Wörter des Französischen klassifizieren, müssen wir zugeben, dass der Artikel eine Wortart ist. Gewiss, man kann ihn zu den pro-
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nominalen Elementen gruppieren, so wie man die Hilfsverben être und avoir zu den Verben zählt. Aber wenn die Kriterien der Klassifikation der Wortarten syntaktisch sind, stellt man fest, dass die Artikel ihre Distribution mit keinem anderen Element der Sprache gemeinsam haben, ebenso wie die Hilfsverben ihre Distribution mit keinem anderen Verb gemeinsam haben.
3. Wortarten Dies bringt uns zum Problem der Wortarten. Natürlich handelt es sich hier nicht darum, eine Theorie der Wortarten zu entwickeln. Es sind jedoch zunächst einige relevante Begriffe zu klären. 3.1 Die Kriterien Neben ihrer Extension hat eine Klasse eine Intension, was eben ihre Kategorie ist. Bekanntlich stehen die Intension und die Extension einer Klasse in umgekehrt proportionalem Verhältnis. Die Informationsmenge, die in der Kategorie einer Wortart liegt, ist nicht schwer zu berechnen (vgl. Lehmann 1978). Nehmen wir der Einfachheit halber ein traditionelles Wortartensystem an, das solche Klassen wie Substantiv, Adjektiv, Zahlwort, Verb, Präposition usw. vorsieht. Das liefert uns eine Menge von nicht mehr als 16 Wortarten auf der obersten Klassifikationsebene. Um nun 16 Elemente zu unterscheiden, genügen vier binäre Entscheidungen; die Informationsmenge einer Wortkategorie beträgt höchstens 4 Bit. Mit anderen Worten, wenn man die Intension einer Wortart durch binäre distinktive Merkmale beschreiben wollte, so wäre das mit vier binären Merkmalen abgemacht. Wiewohl das selbstverständlich eine höchst schematische Berechnung ist, reicht sie doch hin, um uns eine Vorstellung von der Größenordnung der Intension einer Wortart, oder eher, ihrer extremen Generizität, zu geben. Wortarten sind grammatische Klassen. Das heißt, in einer gegebenen Sprache ist eine Wortart durch ihre Distribution abgegrenzt. Das schließt, wohlgemerkt, nicht aus, dass sie eine semantische Basis hat. Diese ist jedoch normalerweise dermaßen allgemein, dass sie uns kein operationales Kriterium liefert, um die Zugehörigkeit eines beliebigen Wortes zu entscheiden. Die erwähnte Intension betrifft also eher das kombinatorische Potential der Wortart als ihr Significatum. Wortarten sind grammatische Phänomene und als solche nicht universal, sondern sprachspezifisch (vgl. DeLancey 1997). Grammatische Phänomene mehrerer Sprachen können auf typologischer Ebene auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. In diesem Sinne entsprechen Wortarten wie der Zahlklassifikator oder das Adjektiv typologischen Begriffen. Diese Analyse-
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ebene ermöglicht es uns, allererst von Adjektiven in mehr als einer Sprache zu sprechen. Wenn man über einen Begriff der typologischen Ebene, z.B. den Begriff des Substantivs, verfügt, kann man für eine gegebene Sprache eine operationale Definition des Substantivs entwickeln, die es gestattet, die Elemente dieser Klasse durch ihre Distribution zu identifizieren. Die Distribution eines Elements ist die Menge der Kontexte, in denen es auftritt. Je kleiner diese Menge, desto beschränkter ist die Distribution des Elements, d.h. desto mehr ist sie Beschränkungen der Grammatik unterworfen. 3.2 Die Klassifikation Die Klassifikation von Wörtern wird gelegentlich als flache Klassifikation von nur einer Ebene behandelt. In Wahrheit handelt es sich um eine mehrfache Klassifikation, welche zum Teil eine hierarchische, zum Teil eine Kreuzklassifikation ist. Um zwei Beispiele zu geben: Einerseits (hierarchische Klassifikation) haben wir nur innerhalb der Klasse der Substantive Eigennamen und Appellativa; aber andererseits (Kreuzklassifikation) könnte dasselbe Kriterium, welches Präpositionen von Adverbien unterscheidet, bivalente von monovalenten Verben unterscheiden. Der Terminus ,Wortart‘ im Titel dieses Beitrags bezieht sich folglich auf Klassen einer beliebigen hierarchischen Ebene. Man teilt manchmal die Wortarten in primäre und sekundäre Wortarten ein. Substantiv, Adjektiv und Verb würden die primären Wortarten bilden, während Präposition, Adverb, Konjunktion und Partikel die sekundären Wortarten bilden würden. Als Korollar einer solchen Einteilung nimmt man oft an, dass die primären Wortarten lexikalische Klassen sind, während die sekundären Wortarten Klassen grammatischer Elemente sind. Damit hat es nichts auf sich. In Wahrheit hat jede (Haupt-)Wortart mehr lexikalische und mehr grammatische Mitglieder, wie T1 illustriert. lexikalische Kategorie Substantiv Adjektiv Verb Adverb Präposition Konjunktion T1
Beispiel Besitz rot existieren hinten hinter wohingegen
grammatische Kategorie Pronomen Proadjektiv Hilfsverb deiktisches Adverb grammatische Präposition universeller Subordinator
Beispiel mein solch sein da von daß
Lexikalische und grammatische Teilklassen der Wortarten
Eine Lektüre von T1 in der Senkrechten zeigt, dass die Wortarten sich nicht dadurch unterscheiden, dass die einen lexikalisch und die anderen grammatisch wären. Stattdessen ist das Kriterium ,lexikalisch vs. grammatisch‘ von
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den Wortarten unabhängig und erzeugt innerhalb jeder von ihnen zwei Teilklassen. Unnötig zu sagen, zwischen diesen beiden Teilklassen gibt es keine scharfe Grenze. In jeder Zeile von T1 ist die grammatische Teilklasse mit der lexikalischen durch Grammatikalisierung verbunden. So ist z.B. das Hilfsverb haben aus dem gleichlautenden Vollverb grammatikalisiert, und die grammatische Präposition zu ist aus der gleichlautenden direktionalen Präposition grammatikalisiert. In Übereinstimmung mit den prinzipiellen Grammatikalisierungskriterien (s. Lehmann 2002, Kap. 4) unterscheidet sich die grammatische Teilklasse von ihrem lexikalischen Gegenstück so, wie es T2 zeigt. Kriterium
lexikalische Teilklasse
grammatische Teilklasse
Struktur der Klasse Menge der Mitglieder Wahl eines Mitglieds syntagmatische Position syntagmatische Kohäsion
heterogen offen frei beweglich locker
homogen geschlossen beschränkt fest eng
T2
Strukturunterschiede zwischen lexikalischer und grammatischer Teilklasse
Tatsächlich ist die Distribution der mehr oder weniger grammatikalisierten Teilklassen einer Hauptklasse normalerweise ziemlich unterschiedlich. Das bedeutet, dass reine Distributionskriterien uns nicht dazu brächten, z.B. das Adjektiv und das Pro-Adjektiv unter eine einzige Hauptklasse zu subsumieren. Man kann zwar die Distributionskriterien lockern und alles, was zwischen einem Artikel und einem Substantiv stehen kann, in eine Hauptwortart tun. Aber der Sinn, in dem man dann die Kriterien lockern müsste, ergibt sich nicht aus dem Distributionalismus; er wird uns durch den von der Grammatikalisierung hergestellten Zusammenhang nahegelegt. Früher hat man in der Grammatikalisierung bloß die Reduktion eines Wortes zu einem Affix gesehen, ungefähr so, wie es S1 zeigt. Grad der Grammatikalisierung Status des grammatikalisierten Elements S1
niedrig Wort
hoch Klitikum
Affix
innere Modifikation
0
Vereinfachte Grammatikalisierungsskala
In einer solchen Sicht ist der im Titel dieses Beitrags hergestellte Bezug sehr einfach: Eine Wortart kann als Input zu einem Grammatikalisierungskanal dienen, aber sie kann nicht sein Output sein, denn der Output der Grammatikalisierung sind Paradigmen von grammatischen Markern. Folglich müssen Wortarten auf irgendeine Weise entstehen, aber nicht durch Grammatikalisierung.
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Diese Sicht ist aus mehreren Gründen zu simpel. Zunächst ist eine Auffassung der Grammatikalisierung, die auf das isolierte Zeichen zentriert ist, partikularistisch und muss durch eine integralere Auffassung ersetzt werden (vgl. Lehmann 2002, §2.3). Zweitens schiebt die Grammatikalisierung Elemente die Hierarchie der grammatischen Ebenen hinunter, einschließlich der Ebenen des Wortes und des Affixes, die in S1 erscheinen. Aber es gibt durchaus höhere grammatische Ebenen wie den Satz und das Syntagma. Es ist folglich sehr wohl vorstellbar, dass die Stufe, welche in S1 als initiale erscheint, bloß eine Zwischenstufe in einem Prozess ist, der „weiter oben“ anfängt. Drittens haben wir soeben gesehen, dass die Wortarten Teilklassen haben, insbesondere grammatikalisiertere Teilklassen. Diese letzteren sind jedenfalls ein Produkt der Grammatikalisierung mehr lexikalischer Teilklassen. Wir gehen die Frage der Genese von Wortarten in zwei Schritten an. Zunächst sehen wir Klassen an, die auf der rechten Seite von T1 figurieren, und danach solche von der linken Seite. 4. Die Genese grammatischer Wortarten Die kleinen und geschlossenen Paradigmen grammatischer Wörter wie der Hilfsverben oder der Artikel werden im Allgemeinen nicht als Wortarten angesehen. Da dieser Typ von Paradigma schon ausführlich unter dem Gesichtspunkt der Grammatikalisierung untersucht worden ist, verzichte ich hier auf die Diskussion, ob diese Ansicht gerechtfertigt ist, und wähle zwei Beispiele von Klassen von Funktionswörtern, die ziemlich umfangreich sind und deren Mitglieder phonologisch und morphologisch autonom sind. 4.1 Zahlklassifikatoren Das Persische hat während seiner ganzen Geschichte seit dem Urindogermanischen keine Zahlklassifikatoren gehabt. Aber es hat sie heute. T3 enthält das komplette Paradigma.
Wortarten und Grammatikalisierung
Klassifikator Form Grundbdtg.
Klassen
Beispiel Form
Bedeutung
VHWÃDVE
drei Pferde
WÃ
Stück, Einheit
Mensch, Tier, Pflanze, Gegenstand
QDIDU
Person
Mensch
WDQ
Körper
Mensch
UDȚV
Kopf
Tier
GÃQH
Korn, Stück
țDGDG
Zahl
ģRPÃUH Nummer
kleines Tier/Pflanze/Gegenstand kleines Tier/Pflanze/Gegenstand Periodikum
ƲHOG
Band, Einband Buch
WD[WH
Brett, Stück
IDUYDQG Holzriegel
länglicher Gegenstand Maschine
SÃUÏH
Stück
Gebrauchsgegenstand
EÃE
Tür
Lokal
DONʋH
Ring
Schmuck
GDVW
Hand
Set
T3
7
\HNQDIDU NHģÃYDU] GRWDQ PR]GĭU \HNUDȚV JÃY
ein Bauer zwei Arbeiter ein Rind
VHGÃQHVíE drei Äpfel GRțDGDG PHGÃG GRģRPÃUH PDƲDOOH ÏDKDUƲHOG NHWÃE \HNWD[WH IDUģ VHIDUYDQG KDYÃ SH\PÃ GDKSÃUÏH ]ʋDUI VHEÃE GRNÃQ GRDONʋH DQJRģWDU \HNGDVW OHEÃV
zwei Bleistifte zwei Zeitschriften vier Bücher ein Teppich drei Flugzeuge zehn Gefäße drei Läden zwei Ringe ein Anzug
Zahlklassifikatoren im Persischen (Moinfar 1980)
Wie man feststellt, stammen alle Klassifikatoren von Substantiven. Ihre Bedeutung ist durch Grammatikalisierung verallgemeinert worden. Im gegebenen Zusammenhang ist freilich wichtiger, dass ihr kombinatorisches Potential sich geändert hat. B1a. zeigt das Wort ƲHOG „Einband“ in substantivischem Gebrauch, während B1b. den Gebrauch als Zahlklassifikator zeigt.
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8 B1 PERS
a.
þahar ƲHOGH ketƗb vier Einband-AT Buch „vier Bucheinbände“
b.
þahar ƲHOG ketƗb vier KL.Band Buch „vier Bücher“
Wenn ein Substantiv der Nukleus einer modifikativen Konstruktion ist, muss es von dem attributiven Suffix –e (Izafat) gefolgt sein, so wie in B1a. Wenn es dagegen als Zahlklassifikator fungiert, wie in B1b., nimmt es dieses Suffix nicht, sondern kombiniert sich direkt mit dem gezählten Substantiv (Moinfar 1980: 317 f.). Im Zusammenhang damit ändert sich die Konstruktion: in B1a. ist ƲHOG Nukleus, in B1b. ist es NHWÃE. Die Zahlklassifikatoren sind folglich aus der Strukturklasse der Substantive hervorgegangen und haben eine eigene Wortart mit klärlich unterschiedlicher Distribution gebildet. 4.2 Possessivklassifikatoren Die Mayasprache von Yukatan hat eine Wortart, die sich ,Possessivklassifikator‘ nennt (vgl. Lehmann 2002, Kap. 3.2.2.2.3.1.3). B2 zeigt zwei Beispiele: B2 MAYA
a.
a wo’ch [POSS.2 KL.ess] „dein Ei“
he’ Ei
b.
in mehen arux [POSS.1.SG KL.mach] Kobold „mein Kobold“
Der Possessivklassifikator wird verwendet, wenn eine possessive Relation zwischen einer Person und einem Gegenstand im Spiel ist, dem die Art der Beziehung zum Menschen nicht semantisch inhäriert. Z.B. ist der genuine Besitzer eines Eis eine Henne und nicht eine Person; und ein Kobold gehört normalerweise niemandem. In einer solchen Situation klärt der Possessivklassifikator die Beziehung zwischen dem menschlichen Wesen und dem Gegenstand: in B2a. hat der Besitzer eine Beziehung des „Essens“ zu dem Gegenstand; in B2b. ist es eine Relation des Herstellens. Der Possessivklassifikator kombiniert sich unmittelbar mit dem Possessivpronomen und bildet zusammen mit ihm ein elementares Possessivsyntagma. Dieses wiederum kombiniert sich in Apposition mit dem Possessum-Substantiv. Diese Distribution der Possessivklassifikatoren unterscheidet sich von der der anderen Wortarten und kann zu ihrer Definition dienen.
Wortarten und Grammatikalisierung
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Die Klasse der Possessivklassifikatoren im Maya ist offen. Sie hat einige zentrale Mitglieder, die monomorphematisch sind und auf synchroner Ebene keine Basis außerhalb dieser Klasse haben. Der Großteil der Possessivklassifikatoren ist jedoch von Verben abgeleitet. B3 zeigt, wie man einen Klassifikator wählt, um eine spezifische Beziehung des Possesssors zum Posssessum anzuzeigen. Der erste Klassifikator der Gruppe ist derselbe wie in B2a.; die anderen beiden sind nominalisierte Verbstämme. B3 MAYA
in wo’ch / pàay / ch’a’ ha’ POSS.1.SG KL.ess / KL.schöpf / KL.hol Wasser „mein Wasser (das ich trinke/schöpfe/hole)“
Die Sprache verfügt über einen produktiven Derivationsprozess, der eine transitive Basis mit Tiefton versieht und sie in ein Substantiv konvertiert, welches auf die direkte Objektstelle ausgerichtet ist, wie in pay „schöpfen“ – pàay „Geschöpftes“. Jedes solche Verbalnomen, welches eine spezifische Weise der Kontrolle bezeichnet, die eine Person über eine Sache ausübt, kann als Possessivklassifikator verwendet werden. Und eben diese Reanalyse bringt die Grammatikalisierung mit sich. Gleichzeitig zeigt das Beispiel, wie es passieren kann, dass praktisch alle Mitglieder einer Wortart eine formale Marke – hier den Tiefton – aufweisen. 5. Die Genese des Adjektivs Wir haben gesehen, wie eine Klasse grammatischer Wörter entstehen kann durch Grammatikalisierung, die durch eine Teilklasse einer lexikalischen Klasse gespeist wird. Sehen wir nun, was sich über die Entstehung der lexikalischen Klassen selber sagen lässt. Gewisse Wortkategorien sind universal in dem Sinne, dass die Kategorie, so wie sie auf typologischer Ebene definiert ist, sich in allen Sprachen findet. So haben alle Sprachen Ideophone. Folglich ist es unmöglich, die Genese einer solchen Wortart in der Geschichte einer Sprache zu beobachten. Ihre Evolution ist Teil der Genese der menschlichen Sprache. Andere Wortarten sind zu verschiedenen Graden verbreitet. Z.B. haben nicht alle Sprachen Adjektive. Das Wayãpi (Tupi-Guaraní, Französisch-Guyana und Brasilien; Grenand 1980: 47) ist eine Sprache ohne Adjektive; entsprechende Begriffe sind dort als Substantive kategorisiert. Im Koreanischen (Evans 2000: 714) gibt es zwei grammatische Klassen von Verben, genannt Aktionsverben und deskriptive Verben. Die letzteren haben defektive Aspekt-Modus-Flexion und haben Bedeutungen, die im Deutschen durch Adjektive ausgedrückt werden. Mitglieder beider Klassen werden zum attributiven Gebrauch in eine partizipiale Form gesetzt. Im Fol-
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genden betrachten wir zwei Sprachen, in denen die Kategorie des Adjektivs nur schwach ausgeprägt ist. 5.1 Das Adjektiv im Quechua Das Quechua besitzt die Kategorie des Nomens im traditionellen weiten Sinne des Wortes. Die Beispiele B4–B6 illustrieren drei verschiedene Kontexte, in denen Nomina auftreten, darunter (in den b-Beispielen) Wörter, die als Adjektive übersetzt werden. B4 QUECH
a. b.
B5 QUECH
a. b.
B6 QUECH
a. b.
rumi ñan Stein Straße „Steinstraße“ yuraj wasi weiß Haus „weißes Haus“ (Cole 1982: 77) Juan-ka mayistru-(mi) (ka-rka Hans-TOP Lehrer-VAL KOP-PRT(3.SG) „Hans ist (war) Lehrer.“ ñuka wasi-ka yuraj-(mi) (ka-rka) ich Haus-TOP weiß-VAL KOP-RT(3.SG) „mein Haus ist (war) weiß“ (Cole 1982: 67) runa-kuna-ta riku-rka-ni Mensch-PL-AKK seh.PRT-1.SG „ich habe Leute gesehen“ yuraj-kuna-ta riku-rka-ni weiß-PL-AKK seh-PRT-1.SG „ich habe Weiße gesehen“ (nach Cole 1982)
Wie man sieht, treten die Nomina, die wir durch Substantive übersetzen, und diejenigen, die wir durch Adjektive übersetzen, in denselben Kontexten auf. Aufgrund von Beispielen dieser Art hat man den Schluss gezogen, dass das Quechua keine Adjektive besitzt und dass die Nomina, die die diesbezüglichen Bedeutungen ausdrücken, Substantive sind (Cole 1982: 186; Schachter 1985: 17 f.). Die Substantive und Adjektive sind aber nicht in allen Kontexten austauschbar. Einer davon wird bereits durch B4 illustriert: man kann Substantive oder Adjektive an die erste Stelle solcher Syntagmen setzen; aber die zweite Stelle muss von einem Substantiv besetzt sein. Ein zweiter Kontext wird durch das Suffix -ya definiert, welches inchoative Verben von Adjektiven deriviert, wie in B7b., aber nicht von Substantiven, wie in B7a.1 1
Es handelt sich jedenfalls um eine grammatische, nicht um eine semantische Beschränkung,
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B7 QUECH
a. b.
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*wasi-ya-rka Haus-werd-PRT(3.SG) „es ist ein Haus geworden“ jatun-ya-rka groß-werd-PRT(3.SG) „es ist groß geworden“ (Cole 1982: 179)
Wir können diese Kontexte nunmehr in T4 systematisieren, wo sie in der Reihenfolge der zugehörigen Beispiele aufgezählt sind. Nr. Kontext K1 [ X _ N ]NS K2 _ (VAL)(KOP)##
K3 _ AKK
K4 [X N _ ]NS
Beschreibung der Position vor dem terminalen Nomen eines Nominalsyntagmas vor der optionalen Sequenz von Validator und Kopula am Satzende vor dem Akkusativsuffix
Rolle der Position Position des Attributs Position des Prädikatsnomens Position des Nukleus eines Nominalsyntagmas Position des durch Attribut modifizierten Nomens Position der Adjektivbasis
hinter einem Nomen in einem Nominalsyntagma
K5 [X _ INCH Y ]V vor dem Inchoativsuffix T4. Distribution von Substantiv und Adjektiv im Quechua
Gegeben diese Kontexte, so kann man zwei Distributionen und, auf deren Basis, die zwei Distributionsklassen von T5 definieren. Distribution D1 D2
Kontexte K1, K2, K3, K4 K1, K2, K3, K5
Wortart Substantiv Adjektiv
T5. Substantiv und Adjektiv des Quechua als Distributionsklassen
Die Vereinigungsmenge der Kontexte der beiden Distributionen umfasst alle Kontexte K1–K5. Theoretisch könnte jedes Nomen an dieser Gesamtdistribution teilhaben, und dann gäbe es keine Basis für eine Unterscheidung zwischen Substantiv und Adjektiv. Auf dem Hintergrund dieser hypothetischen Situation
–––––––— wie Cole 1982: 179 f. für das Quechua zeigt und wie es übrigens auch inchoative Suffixe in anderen Sprachen (wie yukatekisches Maya) zeigen würden, die sich frei mit substantivischen Basen wie in B7a. kombinieren.
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kann man die tatsächliche Situation so beschreiben: Es gibt eine Teilklasse von Nomina – genannt Substantiv –, deren Distribution einer Beschränkung unterliegt, die sie aus dem Kontext K5 ausschließt; und es gibt eine weitere Teilklasse – die Adjektive –, deren Distribution einer Beschränkung unterliegt, welche sie vom Kontext K4 ausschließt. Nun hatte ich eingangs gesagt, dass die Grammatikalisierung einer sprachlichen Einheit ihre Unterwerfung unter Beschränkungen der Grammatik ist. Wenn man also hier den Terminus ,Grammatikalisierung‘ anwenden will, so kann man sagen, dass die Unterscheidung zwischen den Klassen Substantiv und Adjektiv durch einen Grammatikalisierungsprozess herbeigeführt worden ist. Gleichzeitig müsste man feststellen, dass diese Unterscheidung im Quechua nur schwach grammatikalisiert ist. 5.2 Das Adjektiv im Tamil Im folgenden betrachten wir die Situation des Adjektivs im Tamil. T6 führt die Menge der nicht-derivierten Adjektive des Tamil auf (nach Asher 1982: 187). Sie sind übrigens mit ihren Bedeutungen völlig repräsentativ für die prototypischen Adjektive nach Dixon 1976. Form nalla periya cinna putu paȖaiya karuppu vedzdza cevappu pacce
Bedeutung gut groß klein neu alt schwarz weiß rot grün
T6. Primitive Adjektive des Tamil
Alle anderen Adjektive der Sprache sind von Verben oder Substantiven abgeleitet. Sehen wir zunächst, in B8, diejenigen Adjektive, die eindeutig auf der Basis von Verben gebildet sind: B8 TAMIL
a. b.
taccan aȎicc-a vaǹǹaan [Tischler schlag: PRT-PART] Wäscher „Wäscher, den der Tischler schlug“ (Asher 1982: 28) keȎȎ-a kaǹǹaaȎi [verderb:PRT-PART] Spiegel „schlechter Spiegel“ (wörtl. „verdorbener Spiegel“)
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B8 zeigt einen Relativsatz, in der Beschreibungstradition der Sprache „Relativpartizip“ genannt, weil die Verbform infinit und die Funktion des Nukleus innerhalb des Relativsatzes nicht bezeichnet ist. Das Suffix -a wird einem Verbstamm angefügt, der für Tempus und Aspekt, aber nicht für Person und Numerus des Subjekts spezifiziert ist, und konvertiert den Satz in ein Partizipial. B8b. zeigt das Adjektiv keȎȎa, das elementarste Wort der Bedeutung „schlecht“. Wie man sieht, hat es exakt die Struktur eines Relativsatzes. Der andere produktive Prozess zur Bildung von Adjektiven basiert auf Substantiven. B9 illustriert die beiden in dieser Funktion auftretenden Suffixe. B9 TAMIL
a. b.
aȖak-aana Schönheit-ADJVR „schöner Spiegel“ ganam-udzdza Gewicht-ADJVR „schwerer Spiegel“
kaǹǹaaȎi Spiegel kaǹǹaaȎi Spiegel
Wenn man sie etymologisch analysiert, wie in B10, sind beide adjektivierenden Suffixe Partizipien von grammatischen Verben (oder „Funktionsverben“), von denen die nominalen Basen abhängen: B10 TAMIL
a. b.
aȖak-aan-a [Schönheit-werd:PRT]-PART „schön“ (wörtl. „Schönheit geworden“) ganam-udzdz-a [Gewicht-EXIST]-PART „schwer“ (wörtl. „Gewicht habend“)
Das heißt, dass diachron die denominalen Adjektive Relativsätze auf verbaler Basis sind, gerade so wie die Adjektive des Typs B8b. Nachdem wir das erkannt haben, sehen wir noch einmal T6 an und stellen fest, dass fünf von den neun primitiv genannten Adjektiven auf -a enden, zweifellos dasselbe Partizipialsuffix. Die anderen enden auf -u und -e < -ai. -U und -i sind aber die beiden Allomorphe des Suffixes einer weiteren infiniten Form des tamilischen Verbs, die eher ein Gerundium als ein Partizip ist (Asher 1982: 40–42 und 176). Das besagt, dass a l l e Adjektive des Tamil synchronisch oder diachronisch herabgestufte Verbformen sind.2 In einem Sprachstadium, das vor dem heutigen Tamil liegt, – sagen wir im Urdravidischen – gab es folglich Operationen zur Schaffung von Ausdrücken, 2
Asher (1982: 186 f.) berichtet, dass „the question of whether it is appropriate to recognize a separate morphological category of adjective in Tamil has long been debated“.
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die die Funktion eines Attributs erfüllten. Diese Operationen stuften einen Satz oder ein Verbalsyntagma auf die Ebene eines Modifikators hinunter. Es existierte folglich die syntaktische Kategorie des (adnominalen) Modifikators. Aber es gab vielleicht keine Wortart dieser Kategorie, also kein Adjektiv. Das Fehlen dieser Kategorie im Urdravidischen ist unmöglich zu beweisen, aber jedenfalls gibt es von ihr keine Spur im heutigen Tamil, und es ist auch für das folgende nicht nötig, sie anzusetzen. Die Operation, die Modifikatoren schafft, wird ebenso auf komplexe Syntagmen (wie in B8a. und B10) wie auf Stämme (wie in B8b. und T6) angewandt. Eine Bildung des letzteren Typs wird leicht lexikalisiert, und eine Bildung des ersteren Typs kann ebenfalls lexikalisiert werden, wie die Beispiele B9 bezeugen. Auf diese Weise entstehen Wörter der syntaktischen Kategorie des adnominalen Modifikators, d.h. Adjektive. So entwickelt sich eine Wortart im Tamil. Wir stehen also vor einer dynamischen Beziehung zwischen drei Zuständen, die den Abschluss einer Grammatikalisierungsskala bilden und in S2 repräsentiert sind. Grammatikalisierung Konstruktion Stadium
[ [X]V ADJEKTIVATOR ]A
[ X-ADJEKTIV-KENNZEICHEN ]A
[ X ]A
a
b
c
S2. Grammatikalisierung des Adjektivs
Im Stadium S2a. wird ein Adjektivator mit einem Ausdruck einer verbalen Kategorie und von beliebiger Komplexität kombiniert und transferiert diesen in die adjektivische Kategorie. Im Stadium b reduziert sich das Element auf ein Kennzeichen, das an Adjektiven erscheint. Im Stadium c dematerialisiert sich dieses Zeichen, und es bleibt die reine Kategorie des Adjektivs. Das heutige Tamil befindet sich im Stadium b. Die Entwicklung des Adjektivators ist ein relativ banales Beispiel für Grammatikalisierung. Aber sehen wir noch, was gleichzeitig mit dem Ausdruck passiert, der den Operanden des Adjektivators bildet (vgl. Lehmann 2002: 157–159). Am Anfang repräsentiert X eine Menge von Ausdrücken, die ebenso umfangreich wie heterogen ist. Am Ende ist X die kleinere und homogenere Klasse der Adjektive. Wir beziehen hieraus eine vorläufige Berechtigung für die Hypothese, die bereits am Ende von §3.2 angedeutet wurde: Eine Wortart kann als das Produkt der Grammatikalisierung einer syntaktischen Kategorie betrachtet werden.
Wortarten und Grammatikalisierung
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6. Genese des Substantivs 6.1 Das Substantiv im Nootka Jede Sprache verfügt über Ausdrücke zur Referenz. Unnötig zu sagen, ein referentieller Ausdruck braucht keinen nominalen Kern zu haben. Die Funktion eines Substantivs wie Arbeiter kann von der Nominalisierung eines verbalen Ausdrucks wie derjenige, der arbeitet erfüllt werden; und auf den zweiten Blick ist Arbeiter eben eine solche Nominalisierung. Mit einer Menge produktiver Nominalisierungsprozesse kann das Inventar primitiver Substantive sehr klein sein (vgl. Seiler 1975 zum Cahuilla). Aber die Existenz solcher Prozesse genügt natürlich nicht, um eine Klasse von Substantiven zu konstatieren. Eine funktionale Klasse – hier die des referentiellen Ausdrucks – geht in eine grammatische Kategorie über – hier die Klasse der Substantive – in dem Maße, in dem es 1) Kontexte gibt, die eine solche Strukturklasse definieren, und es 2) Stämme gibt, die ausschließlich in solchen Kontexten auftreten. Im Nootka (vgl. Evans 2000: 721–724) besteht der einfache Satz aus Prädikat und Subjekt in dieser Reihenfolge. Das Prädikat enthält mindestens ein Enklitikum, das Tempus markiert. Das Subjekt kann einen suffixalen definiten Artikel enthalten. Damit haben wir das folgende Schema: [ [ X-TEMPUS ]Präd [Y(-DEF) ]Subj ]S S3. Satzstruktur im Nootka
Jedes Wort einer Hauptwortart, d.h. Substantiv und Verb, kann in der Funktion von X oder Y auftreten, so wie in B11 f: B11 NOOTKA
a. b.
B12 NOOTKA
a. b.
mamu:k-ma qu:Țas-Ți arbeitend-PRS Mensch-DEF „der Mensch arbeitet“ qu:Țas-ma mamu:k-ȚL Mensch-PRS arbeitend-DEF „der Arbeitende ist ein Mensch“ mamu:k-ma qu:Țas arbeitend-PRS Mensch „ein Mensch arbeitet“
qu:Țas-ma mamu:k Mensch-PRS arbeitend „ein Arbeitender ist ein Mensch“ (Jacobsen 1976 ap. Schachter 1985: 11 f.)
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Wie man sieht, haben Substantive und Verben in dieser Sprache dieselbe Distribution, außer dass ein Verb nur dann einen referentiellen Ausdruck konstituieren kann, wenn es mit dem definiten Artikel kombiniert – und also nominalisiert – ist. Anders ausgedrückt, die Substantive dieser Sprache sind dadurch identifiziert, dass sie in referentieller Funktion ohne Artikel auftreten können. Formalisieren wir nunmehr die Distributionsanalyse. T7 resümiert die Kontexte, die wir soeben gesehen haben. Nr. Kontext K1 _ TEMPUS K2 _ DEF ## K3 _ ##
Beschreibung der Position vor Tempusklitikum in letzter Satzposition, vom Definitheitssuffix gefolgt in absolut letzter Satzposition
Rolle der Position Position des Prädikats Position des definiten Subjekts Position des indefiniten Subjekts
T7. Distribution von Substantiv und Verb im Nootka
Mit diesen drei Kontexten kann man zwei Distributionen definieren und auf deren Basis die beiden Distributionsklassen von T8. Distribution D1 D2
Kontexte K1, K2, K3 K1, K2
Wortart Substantiv Verb
T8. Substantiv und Verb des Nootka als Distributionsklassen
Wie man sieht, ist das Nootka-Verb in gewissem Sinne ein Substantiv mit defektiver Distribution. Der Unterschied zwischen den beiden Wortarten entsteht also aus einer Beschränkung über die Distribution einer Teilklasse der Hauptklasse. Auch hier kann man wieder sagen, dass, da die Unterwerfung unter eine grammatische Beschränkung einem Schritt in der Grammatikalisierung gleichkommt, die Unterscheidung der Klassen Verb und Substantiv im Nootka das Ergebnis eines Grammatikalisierungsprozesses ist.3 6.2 Das Substantiv im Haussa Nach dieser Analyse könnte es scheinen, als ob es der Kontext K3 wäre, der aus einem Vollwort ein Substantiv macht. Das wäre ein Fehlschluss. K2 und K3 enthalten referentielle Ausdrücke, aber während K3 die Kategorisierung des fraglichen Elements als Substantiv v o r a u s s e t z t , e r z w i n g t K2 sie. 3
N. Himmelmann (p.c.) erinnert an den ganz ähnlichen Fall des Indonesischen: Substantive und Verben haben dieselbe Distribution, abgesehen von den beiden Kontexten ,ada __ (EXIST __)‘ und ,NEG __‘. Im ersten kommen nur Substantive vor; im letzteren lautet der Negator vor Substantiven bukan, vor Verben tidak.
Wortarten und Grammatikalisierung
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Infolgedessen wird in vielen Sprachen der Welt ein Muster ähnlich dem von T7/T8 wie folgt interpretiert: Um sicherzustellen, dass ein Ausdruck der nominalen Kategorie angehört und also referenzfähig ist, ist ein definiter Artikel nötig. Auf diese Weise entwickelt der definite Artikel sich in eine Art Substantivierungsoperator (vgl. Greenberg 1978, vor allem Abschnitt 3.5). Dies ist ein typischer Grammatikalisierungsprozess. Man kann hier das von Greenberg (1978: 71 f.) gegebene Beispiel in Erinnerung bringen: Das Urtschadische hatte einen suffixalen definiten Artikel, der aus einem Vokal bestand. Im Laufe seiner Grammatikalisierung zum Substantivmarker wurde dieser mit dem auslautenden Vokal des Nominalstamms zu einem Langvokal kontrahiert und in fast allen Kontexten obligatorisch.4 Das Ergebnis ist, dass praktisch jedes Haussa-Substantiv auf Langvokal endet, so dass diese Wortart ein formales Kennzeichen hat. Das ist also ein Fall, wo die Kategorie, als Intension einer Klasse genommen, das Significatum eines Zeichens ist. Wir stehen also vor einer dynamischen Beziehung zwischen drei Stadien, die den Abschluss einer Grammatikalisierungsskala bilden: Grammatikalisierung Konstruktion [ [X]Y NOMINALISATOR ]N [ X-NOMENKENNZEICHEN ]N Stadium a b
[ X ]N c
S4. Grammatikalisierung des Nominalisators und Substantiv
Im Stadium S4a. kombiniert sich ein Nominalisator mit einem Ausdruck, der einer beliebigen Kategorie (Y) von beliebiger Komplexität angehört, und überführt ihn in die nominale Kategorie. Im Stadium b wird das Element auf ein nominales Kennzeichen reduziert, das an Substantiven auftritt. Im Stadium c dematerialisiert sich dieses Zeichen, und was davon bleibt, ist die reine Kategorie ,Substantiv‘. Das Haussa-Substantiv befindet sich auf dem Wege vom Stadium b nach c. Die Entwicklung des Nominalisators ist ein relativ banales Beispiel für Grammatikalisierung. Aber sehen wir noch, was gleichzeitig mit dem Ausdruck geschieht, der den Operanden des Nominalisators bildet. Zu Beginn repräsentiert X eine ebenso umfangreiche wie heterogene Menge von Ausdrücken. Am Schluss ist X die kleinere und homogenere Klasse der Substantive. Dies ist also, nach den Tamil-Adjektiven, der zweite Fall, der uns eine Wortart als Ergebnis der Grammatikalisierung einer syntaktischen Kategorie auffassen lässt.
4
Die Ausnahmen von solchen Substantiven oder Nominalformen, die den Marker nicht aufweisen, haben eine wichtige Funktion in der Methodologie der inneren Rekonstruktion des urtschadischen Artikels, werden aber hier übergangen.
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7. Schluss Man wird einen gewissen Parallelismus in der Darstellung der Genese des Adjektivs und des Substantivs bemerkt haben: Das Adjektiv des Quechua und das Substantiv des Nootka entwickeln sich dadurch, dass einer Teilmenge einer umfassenderen Wortart gewisse Distributionsbeschränkungen auferlegt werden, so dass letztere sich spaltet. Das tamilische Adjektiv und das HaussaSubstantiv dagegen entwickeln sich aus syntaktischen Kategorien, die von Wörtern repräsentiert zu werden beginnen, so dass der Operator, der die syntaktische Kategorie schafft, als Wortkategorie endet. Wie sind die beiden Vorgänge aufeinander bezogen? Ein Wortartmarker ist ein Operator über einem Stamm, der entweder unkategorisiert ist oder dessen Kategorie irrelevant ist. Der Operator gehört einem kleinen Paradigma an. Je stärker er grammatikalisiert wird, desto kleiner wird sein Paradigma, d.h. desto weniger Wortarten gibt es. Gleichzeitig werden seine Selektionsrestriktionen immer schwächer, d.h. er kombiniert sich mit immer mehr Elementen. Mit anderen Worten, die einzelne Wortart wird umfangreicher. Entsprechend haben die Elemente einer Wortart eines kleinen Wortartsystems eine relativ breitere Distribution. Wenn dagegen eine neue Wortart durch Spaltung einer vorhandenen eingeführt wird, so geschieht dies durch Einführung zusätzlicher Distributionsbeschränkungen für die neuen Klassen im Vergleich zur Herkunftsklasse. Es gibt dann mehr Wortarten, die relativ weniger umfangreich sind. Insoweit Grammatikalisierung Einführung zusätzlicher Beschränkungen und Verkleinerung von Klassen mit sich bringt, kann man auch hier von Grammatikalisierung sprechen. Aber es ist nicht, wie im ersten Fall, Grammatikalisierung des Markers, der die Kategorie der Wortart repräsentiert, sondern Grammatikalisierung der Klasse von Wörtern selbst. Und Grammatikalisierung selbstverständlich auch nur in einem stark ausgeweiteten Sinne. Die Mitglieder der so entstandenen Wortart sind ja keine grammatischen Formative. Es handelt sich lediglich um eine analoge Anwendung einiger der Kriterien für zunehmende Grammatikalisierung. Man hat viel von einem Konflikt zwischen notionellen und formellen Wortartentheorien gesprochen. Wir haben gesehen, dass dieser Konflikt – wie überhaupt jeglicher Gegensatz zwischen funktionaler und formaler Linguistik – überflüssig ist. Die Grammatikalisierung liefert den Bezug zwischen der notionellen Motivation einer sprachlichen Einheit und ihrer strukturellen Manifestation. Die Hauptwortarten sind durch Diskursfunktionen wie Referenz, Prädikation und Modifikation motiviert (vgl. Croft 1991). Die Sprache hat folglich Bedarf an Zeichen, die diese Funktionen kraft ihrer Zugehörigkeit zu einer syntaktischen Kategorie erfüllen. Diese kategorialen Funktionen müssen auf verschiedenen Komplexitätsebenen erfüllt werden, auch auf der Wortebe-
Wortarten und Grammatikalisierung
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ne. Das ist allerdings schon eine relativ niedrige Ebene grammatischer Strukturierung, wo Strukturbeschränkungen funktionale Motivationen zerstören. Die Abnahme der Intension einer Diskurskategorie im Laufe ihrer Überführung in eine Wortart kann am Schicksal des Operators abgelesen werden, der die syntaktische Kategorie bildete und der auf ein Kennzeichen der Wortkategorie und schließlich zur schieren (ausdruckslosen) Intension dieser Wortkategorie zusammenschrumpft. Auf diesem Niveau umfasst diese Intension kaum noch semantische Merkmale und reduziert sich im Wesentlichen auf das kombinatorische Potential der betreffenden Wortart, d.h. ihre Distribution. Oben (zu Beginn von Abschnitt 5) wurde erwähnt, dass die Genese gewisser Wortarten nicht in der Geschichte von Sprachen beobachtbar und folglich dem Ursprung der menschlichen Sprache zuzuschreiben ist. Das schließt die Möglichkeit nicht aus, dass universale Kategorien wie die des Ideophons sich entlang denselben Bahnen entwickelt haben, die ich gerade für partikuläre Kategorien skizziert habe. Die Genese grammatischer Kategorien in der menschlichen Sprache kann als ein Grammatikalisierungsprozess aufgefasst werden. Und damit wären wir wieder bei dem Slogan „alles ist Grammatikalisierung“. Bibliographie Asher, Ronald E. (1982): Tamil. Amsterdam: North-Holland (Lingua Descriptive Studies, 7). Cole, Peter (1982): Imbabura Quechua. Amsterdam: North-Holland (Lingua Descriptive Studies, 5). Croft, William (1991): Syntactic categories and grammatical relations. The cognitive organization of information. Chicago: University of Chicago Press. DeLancey, Scott (1997): „Grammaticalization and the gradience of categories.“ Bybee, Joan L. & Haiman, John & Thompson, Sandra (eds.), Essays on language function and language type. Dedicated to Talmy Givón. Amsterdam & Philadelphia: J. Benjamins; 51–69. Dixon, Robert M.W. (1976): „Where have all the adjectives gone?“ Studies in Language 1: 19–80. Evans, Nicholas D. (2000): „Word classes in the world’s languages.“ Booij, Geert & Lehmann, Christian & Mugdan, Joachim (eds.), Morphologie. Ein internationales Handbuch zur Flexion und Wortbildung. 1. Halbband. Berlin & New York: W. de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, 17.1); 708–732. Greenberg, Joseph H. (1978): „How does a language acquire gender markers?“ Greenberg, Joseph H. (ed.), Universals of human language. 4 vols. Stanford: Stanford University Press; 3: 47– 82. Kabatek, Johannes (2003): „Gibt es einen Grammatikalisierungszyklus des Artikels in der Romania?“ Romanistisches Jahrbuch 53: 56–80. Lehmann, Christian (1978): „On measuring semantic complexity. A contribution to a rapprochement of semantics and statistical linguistics.“ Georgetown University Papers on Languages and Linguistics 14: 83–120. — (2002): „New reflections on grammaticalization and lexicalization.“ Wischer, Ilse & Diewald, Gabriele (eds.), New reflections on grammaticalization. Amsterdam & Philadelphia: J. Benjamins (TSL, 49); 1–18. Moinfar, Moh. Djafar (1980): „Les classificateurs en persan.“ Brettschneider, Gunter & Lehmann, Christian (eds.), Wege zur Universalienforschung. Sprachwissenschaftliche Beiträge zum 60. Geburtstag von Hansjakob Seiler. Tübingen: G. Narr (TBL, 145); 317–320.
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Schachter, Paul (1985): „Parts-of-speech systems.“ Shopen, Timothy (ed.), Language typology and syntactic description. 3 vols. Cambridge etc.: Cambridge University Press; 1: 3–61. Seiler, Hansjakob (1975): „Die Prinzipien der deskriptiven und der etikettierenden Benennung.“ Seiler, Hansjakob (ed.), Linguistic workshop III. Arbeiten des Kölner Universalienprojekts 1974. München: Fink (Structura, 9); 2–57.
Peter Eisenberg (Potsdam) Das Verb als Wortkategorie des Deutschen. Zum Verhältnis von synthetischen und analytischen Formen∗ Abstract: Of the part of speech categories which are normally set out for a language like German, the verb is the most complex internally and is at the same time more difficult to mark off than all other categories. Even for the traditional analytic categories like the passive, the perfect and the analytic subjunctive it is still controversial whether they should be considered as part of the verbal word paradigm or not. The following contribution compares analytic and synthetic forms of German main verbs with respect to the order of verbal categories known as the Bybee Hierarchy. It will be shown to what extent both kinds of units are analogically structured in this respect. Since Bybee developed the hierarchy as a tool to express generalizations on the morphological level, we can at least conclude that analytical verb forms have certain morphological properties.
1. Wortartenprobleme Keine Wortarten ohne Wörter, aber wie viel muss man über den Wortbegriff sagen, um über Wortarten sprechen zu können? Klammern wir gleich einmal die Frage aus, wie sich das Wort in einer Sprache wie dem Deutschen als Einheit des Gesprochenen im Unterschied zum Geschriebenen konstituiert. Wir bleiben im Folgenden wie üblich beim Geschriebenen. Auch dann hat das Wortartenproblem noch immer mehrere Seiten. Auf die Wortarten herrscht traditionell eher eine am Lexikon ausgerichtete Sichtweise vor, in jüngerer Zeit eher eine syntaxorientierte. Das Denken in Lexikoneinheiten schreibt einem Wort eine Wortartenkategorie zu, die es bei gegebenem Begründungszusammenhang eben hat. Dabei können die Kriterien für Kategorienzuschreibungen durchaus unterschiedlich sein, ihr Ergebnis ist immer eine Klassifikation für das Lexikon. Das Lexikon erfordert eine Klassifikation in eigenem Recht. Beispielsweise wird in Nerius (2000: 189) für die ∗
Überarbeitete Fassung eines Textes, der im September 2000 in Bergen und im Juli 2003 in Siegen vorgetragen wurde. Die Veröffentlichung des Bergener Vortrags erfolgte im Herbst 2004 unter dem Titel „Kategorienhierarchie und verbales Paradigma“ In: Leirbukt, Oddleif (Hg.): Tempus/Temporalität und Modus/Modalität im Sprachenvergleich. Tübingen: Stauffenberg. Oddleif Leirbukt bin ich für seine freundliche Kooperation in dieser Sache besonders dankbar. Elisabeth Berner danke ich für die Durchsicht eines Teils der Glossen.
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Großschreibung im Deutschen ausdrücklich ein syntaktisches Prinzip (Kennzeichnung der Satzanfänge) einem lexikalischen Prinzip (Kennzeichnung der Substantive) gegenübergestellt. Beide sind verschieden und dienen unterschiedlichen Zwecken. Ganz vergleichbar ist Gallmanns lexematischparadigmatisches Konzept von Nominalität, das wie Nerius’ ausschlaggebend für eine Reihe von Fehlgriffen in der Neuregelung der Orthographie war: „Ein morphosyntaktisches Wort, das einem nominalen Lexem zugewiesen werden kann, hat nominalen Charakter.“ (Gallmann 1997: 220) mit heute Abend, Kopf stehen, Leid tun usw. als Folgen eines syntaxfreien Begriffs von Wortkategorie. Ein syntaktischer Zugriff hat zwei Grundprobleme zu lösen. Das erste ergibt sich unter der Voraussetzung, dass die Wörter gegeben sind, als Klassifikationsproblem. Für das Deutsche ist es noch lange nicht gelöst. Fuhrhop (2004) etwa geht der Frage nach, welcher Wortart das Partizip1 angehöre (das als solches ja von kaum jemandem als Wortart angesehen wird), welcher Wortart Berliner in Berliner Bürger und welcher tanzen in tanzen lernen wohl zuzuschreiben sei. Im Prinzip geht es um eine Evaluierung von Alternativen nach dem Muster „Welche verbalen und welche adjektivischen Eigenschaften hat das Partizip1 ?“ Anschließbar ist die Frage, ob es überhaupt für jedes Wort eine Wahl aus dem Inventar der Wortarten gibt: Keiner der vorgelegten Vorschläge zur Beschreibung von Wortarten ermöglicht auch nur für eine einzige Sprache eine Zuordnung jeder sprachlichen Einheit zu mindestens einer der jeweils definierten Wortarten. (Rauh 2000: 487).
Diese Feststellung bleibt auch dann zutreffend, wenn man nicht ungenau von „jeder sprachlichen Einheit“, sondern einfach von „jedem Wort“ spricht. Lassen wir das Klassifikationsproblem auf sich beruhen und wenden wir uns der vorgängigen, jedoch auf das Geschriebene eingeschränkten Frage „Was ist ein Wort?“ zu (Wurzel 2000). Welches sind die Einheiten, die einer Klassifikation zu unterwerfen sind? Aus syntaktischer Sicht hat die Frage wieder zwei Seiten. Es geht einmal um das Interface von Morphologie und Syntax, wie es im Deutschen bei den meisten Zweifelsfällen der Getrennt- und Zusammenschreibung sichtbar wird. Ist kennenlernen ein Kompositum oder gibt es nur eine syntaktische Phrase kennen lernen? Enthält Kopf stehen einen verbpartikelähnlichen Bestandteil, der in Sie steht kopf als solcher in Erscheinung tritt, oder gibt es nur Syntagmen entsprechend Kopf stehen und Sie steht Kopf? (Jacobs 2001; Fuhrhop 2004). Wie fast jeder weiß, sind diese Fragen nicht trivial, selbst wenn man sie rein syntaktisch angeht. Die zweite Seite der Konstitution von ‚Wort‘ betrifft den Status von Einheiten, die zweifellos nicht nur aus einfachen morphologischen Einheiten aufgebaut sind, sondern auch einfache syntaktische Wortformen enthalten. In Hinblick auf den Wortbegriff sind sie von Bedeutung, insofern sie einem Wortparadigma zugeschlagen werden. In Beschreibungen des Deutschen findet man das vorwiegend, aber keineswegs ausschließlich, für das Verb (zu
Das Verb als Wortkategorie des Deutschen
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nominalen Einheiten z.B. Lieb 1992; Ágel 1996). Beim Verb können die beiden gerade angesprochenen Seiten der Frage nach dem Wort sogar in Berührung kommen. So lässt sich zeigen, dass kennenlernen ein Kompositum und sprechen/Sprechen lernen auf jeden Fall ein Syntagma ist, unabhängig davon, ob ihr erster Bestandteil sich als nominal oder als verbal erweist. Aber arbeiten lassen und baden gehen stehen auf je spezifische Weise dazwischen (Fuhrhop 2004: 25 ff.). Man ist hier mit der ganzen Breite der überhaupt denkbaren grammatischen Analysemöglichkeiten konfrontiert. Die Untersuchung von Worteigenschaften syntaktischer Phrasen ist eine der Voraussetzungen für die Bearbeitung des Wortartenproblems, sie ist aber auch unabhängig davon von Interesse. Selbst wenn man der Auffassung ist, Wortarten seien „syntaktische Kategorien wie andere auch“ und es sei sinnlos, den Versuch zu machen, die Wörter einer Sprache auf sieben oder neun Wortartenkategorien aufzuteilen (Eisenberg 2004: 35), bleibt die Zuordnung oder Nichtzuordnung einer Kette verbaler Formen zum Wortparadigma notwendig. Zumindest bleibt es notwendig, auf beiden Seiten einer Übergangszone klare Fälle der Zuordenbarkeit von klaren Fällen der Nichtzuordenbarkeit zu trennen. Der Diskussionsstand in der Literatur ist, was diese Frage betrifft, von höchster Diversität gekennzeichnet. Die meisten Grammatiken halten an einem Vollverbparadigma mit zwei Genera verbi und sechs Tempora fest, wobei am ehesten das Futur mit seinem Hilfsverb werden infrage gestellt wird. In Eisenberg (2004: 197 ff.) wird eine Rechtfertigung dieser Kanonisierung gefordert, aber nicht gegeben. In Zifonun u.a. (1997: 1242 ff.) und Zifonun (2000) wird im Anschluss daran sowohl die Blickrichtung vom Wort her als auch die Blickrichtung von der syntaktischen Phrase her thematisiert, entschieden wird aber nichts. Zahlreiche Untersuchungen verbaler Komplexe behandeln ausdrücklich den Grad ihrer Grammatikalisierung, teilweise sogar ihren Bezug auf die Semantik verbaler Kategorien, machen aber keine Vorschläge zur Integration ins verbale Paradigma (z.B. Diewald 1999; Askedal 1999; Leirbukt 2000). Andere lassen auch Grammatikalisierungsgesichtspunkte am Rande, weil es zunächst einmal darum geht, die Struktur verbaler Ketten überhaupt zu verstehen (z.B. Schmid 2000; Eisenberg/Smith/Teuber 2001; Müller 2002). Das gilt sogar für eine ‚klassische‘ analytische Verbkategorie wie das Perfekt. Gerade für das Perfekt werden aber auch fast anderen denkbaren Standpunkte vertreten. Klein (2000) stellt die Frage nach der Integration nicht. Mariller (1998: 34) will die Perfektformen „auch für das gegenwärtige Deutsch als syntaktische Konstruktionen“ beschreiben. Gunkel bezeichnet die Perfektformen einerseits als Periphrasen, möchte aber trotzdem zeigen, dass „sie den gleichen syntaktischen Konstruktionsprinzipien unterliegen wie andere polyverbale Fügungen, die nicht den Status von Periphrasen haben und somit nicht als Wortformen eines
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Peter Eisenberg
Paradigmas gelten können.“ (2003: 66). Teuber (2002: 43 ff., 78 ff.) schließlich vertritt dezidiert die Auffassung, das haben-Perfekt sei eine Periphrase, das sein-Perfekt aber nicht. Vergleicht man nun die gängigen analytischen Verbkategorien Passiv, Perfekt und Konjunktiv in Hinsicht auf mögliche Konstruktionstypen, dann erweist sich das Passiv als bei weitem heterogensten. Mindestens seit Höhle (1976) wird eine große Zahl von Passivdiathesen systematisch in Rechnung gestellt. Beschränkter ist die Zahl der Aspekt/Tempus-Periphrasen um das Perfekt herum. Hier geht es neben dem Plusquamperfekt vor allem um Doppelperfekt-Konstruktionen (Litvinov/Radcenko 1998). Am beschränktesten ist der Modus: als analytischer Konjunktiv kommt neben einigen Verwendungen von sollen vor allem die würde-Konstruktion in Betracht (Fabricius-Hansen 2000). Die Zuspitzung vom Genus verbi über Aspekt/Tempus zum Modus dürfte nicht zufällig, sondern durch die Kategorienordnung der Bybee-Hierarchie motiviert sein. Von den bei Bybee (1985: 24) genannten verbalen Kategorisierungen kommen für das Deutsche maximal Genus verbi, Aspekt, Tempus, Modus, Numerus und Person infrage (Genv > Asp > Temp > Mod > Num > Pers). Unsere erste Feststellung ist dann, dass die Zahl der analytischen Konstruktionen analog der Stellung einer Kategorisierung in der Hierarchie ist. Die Hierarchie soll im Folgenden das Maß für einen Vergleich synthetischer und analytischer Formen setzen. Für den Prototyp des analytischen Genus verbi (werden-Passiv), Aspekt/Tempus (Perfekt) und Modus (würdeKonjunktiv) wird nach der Wirksamkeit der Hierarchie gefragt. Die Integration einer Periphrase in ein Wortparadigma ist am einfachsten, wenn jene eine paradigmatische Lücke füllt oder wenn ihr wenigstens äquivalente synthetische Formen gegenüberstehen (wie bei engl. more beautiful vs. nicer). Eine ‚suppletive Periphrase‘ dieser Art könnte allenfalls würde + Inf sein. Man hätte sie dann als paradigmatischen Ersatz für den Konj Prät bei bestimmten Verben anzusehen (dazu und zur Begrifflichkeit Haspelmath 2000: 655; 659). Weil das kaum zu rechtfertigen ist, hat man würde + Inf wohl wie das werden-Passiv und das Perfekt als ‚kategoriale Periphrase‘ anzusetzen, deren Wortnähe letztlich nur über die Spezifik ihrer Grammatikalisierung zu rechtfertigen ist. Die Hierarchie der verbalen Kategorisierungen ist von Bybee ursprünglich im Rahmen einer morphologischen Theorie entwickelt worden, sie wird aber längst nicht mehr auf diesen Bereich beschränkt. Trotzdem unterstellen wir, dass die Hierarchie in komplexen morphologischen Einheiten ihren striktesten Ausdruck findet. Unter dieser Voraussetzung ist es sinnvoll, den Wortstatus analytischer Einheiten an der Wirksamkeit der Hierarchie zu messen. Damit wird dem Verhalten der gebundenen (morphologischen) Einheiten ein Primat zugesprochen. Das kann sich als falsch herausstellen. Die folgenden Ausfüh-
Das Verb als Wortkategorie des Deutschen
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rungen wären dann nichts anderes als die Demonstration, dass gewisse synthetische und gewisse analytische Einheiten in gewisser Hinsicht analog strukturiert sind. Ein sicherlich interessanter Tatbestand, der aber noch zu interpretieren wäre. 2. Analytischer Bau: Kopfflexion Die Systematik des Verhältnisses von synthetischen und analytischen Formen lässt sich historisch als Veränderung der Mechanismen zur Kodierung grammatischer Kategorien rekonstruieren. Nach verbreiteter Auffassung folgt das Deutsche einer Tendenz zum analytischen Sprachbau bereits so lange, wie es gut dokumentiert ist. Legt der synthetische Bau das „Schwergewicht auf die Wortflexion“ und der analytische auf „Wortfügungen mit Geleitwörtern“ (Ebert 1978: 18), dann gehört zum Wandel als typisch ein Ersetzungsmechanismus „Wortgruppen statt Flexionsformen“ (Polenz 1999: 342). Die Gegenüberstellung von Wortgruppen und Flexionsformen trifft einerseits etwas Offensichtliches. Sie führt aber zu Problemen, wenn daraus auf einen direkten und allgemeinen Zusammenhang zwischen dem Aufkommen analytischer Formen und dem Abbau von Flexion geschlossen wird. Irgendwo feststellbarer Abbau von Flexion gilt dann schon als Anzeichen für den Übergang zum analytischen Bau und man schließt daraus weiter auf einen generellen Flexionsverlust. Aus einer derartigen Sicht erscheinen analytische Formen in einem Sprachtyp, der die Tendenz zeigt, grammat. Beziehungen nicht durch Flexion oder Agglutination, sondern außerhalb des Wortes durch Partikeln oder Wortstellungsregularitäten auszudrücken. (Glück 2000: 41; ebenso Schmitz 2000 u.v.a.)
Mit der Perspektive des isolierenden Baus wird man jedoch dem Deutschen nicht gerecht, auch nicht in der Tendenz, so weit gegenwärtig eine erkennbar ist. Der stärkste Flexionsabbau findet sich beim Substantiv. Deshalb und weil der Bau der Nominalgruppe (NGr) noch vergleichsweise übersichtlich ist, lassen sich Grundfragen des Verhältnisses von synthetischem und analytischem Bau hier gut demonstrieren. Insbesondere kommt es beim Substantiv nicht einfach zu Flexionsabbau, sondern dieser betrifft lediglich die Markierung des Kasus. Die Numerusmarkierung ist stabil und scheint sogar an Stabilität zu gewinnen. Dazu gehört etwa, dass man den Abbau des Genitivmarkers im Singular der s-Flexion (des Fiaskos/Fiasko) als Vermeidung eines Formzusammenfalls mit dem Plural interpretieren kann (des Fiasko – die Fiaskos), und ähnlich bei den obliquen Kasus der schwachen Maskulina (des/dem/den Automat – die Automaten; Wegener 1995: 154 ff.; 2002). Der Kasusverlust würde die Numerusmarkierung nicht nur nicht tangieren, sondern teilweise sogar stärken. Das ist das Eine. Zum anderen führt der Kasusverfall am Sub-
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stantiv keineswegs zum Kasusverlust überhaupt. Innerhalb der Nominalgruppe mit den Grundbestandteilen Determiner und Substantiv findet nach Auffassung fast aller Grammatiken nicht ein Flexionsabbau, sondern eine Trennung von Kasus- und Numerusflexion statt. Erstere wird am Determiner, letztere am Kernsubstantiv markiert. Unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Deutschen wurde eine in Einzelheiten unterschiedliche, von der Grundidee her übereinstimmende Explikation des Begriffs ‚analytischer Sprachbau‘ von Ágel (1996) und Primus (1997) entwickelt. Sie stützt sich neben dem Flexionsverhalten einzelner Wörter auch auf die Gegebenheiten in der übergeordneten Phrase, hier der NGr mit den konstitutiven Bestandteilen Determiner (vorrangig Artikel oder Pronomen) und Kernsubstantiv. Der Determiner gilt als syntaktischer Kopf der Phrase. Er ist ein Funktionswort, von dem ein Substantiv als Phrasenkern kategorial regiert wird, das in der NGr typischerweise linksperipher steht und für wesentliche nach außen wirksame grammatische Eigenschaften der Gesamtphrase verantwortlich ist. An dieser Stelle kommt die Hierarchie der grammatischen Kategorisierungen ins Spiel. Beim Übergang zum analytischen Bau übernimmt der Phrasenkopf eine oder mehrere der äußeren Flexionskategorisierungen. Die Hierarchie der nominalen Kategorisierungen kann ja für Sprachen wie das Deutsche angegeben werden als Genus > Numerus > Kasus mit Genus als innerer und Kasus als äußerer Kategorisierung. Die äußere geht auf den Determiner über, die weiter innenliegende bleibt beim Kern, einem Wort aus einer offenen Klasse. Historisch geht die syntaktische Spezialisierung mit der flexionsmorphologischen Hand in Hand. Die Herausbildung der Determinatoren im Althochdeutschen ist verbunden damit, dass sie die Kasusflexion übernehmen (ausführlich Demske 2001). Ein theoretischer Vorteil des Konzepts ist, dass der Parameter synthetischanalytisch nicht an morphologische Einheitlichkeit im Sinne der typologischen Unterscheidung von isolierenden, agglutinierenden und flektierenden (fusionierenden) Sprachen gebunden ist. So attestiert Wurzel (1996) dem Deutschen eine Entwicklung zum morphologischen Mischtyp, stellt aber die Tendenz zum analytischen Bau nicht infrage. Mit der Zunahme analytischer Formen gelange „ein starkes isolierendes Potential in das grammatische System des Deutschen“ (1996: 504). Strikt isolierende Konstruktionen seien aber unmöglich, eben weil das Deutsche nach wie vor flektiert. Beim Verb sind die Verhältnisse aus zwei Gründen etwas komplexer als beim Substantiv. Einmal sind nicht drei, sondern fünf oder sechs Kategorisierungen zu berücksichtigen. Zum Zweiten vollzieht sich die Kopfbildung beim Verb auf mehreren Ebenen der Phrasenbildung oder Ebenen der Konstituentenhierarchie. Als analog und parallel zur Herausbildung der Determiner in der NGr sieht Ágel (1996: 16 f.) unter Berufung auf Norbert Richard Wolf (1981)
Das Verb als Wortkategorie des Deutschen
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die Entwicklung des Subjektpronomens an. Das Subjektpronomen, ein Funktionswort, verhält sich im Satz zum Verb wie der Determiner in der NGr zum Substantiv. Eine konsequente Gegenüberstellung von Kopf und Kern als Grundbestandteile einer Phrase wird das Subjektpronomen als Kopf und das Verb als Kern des Satzes sowie den Determiner als Kopf und das Substantiv als Kern der NGr ansehen (Eisenberg 2004a: 51 ff.). Mit Num und Pers kodiert das Subjektpronomen als Kopf die äußeren Kategorien, die hier allerdings am verbalen Kern nicht einfach abgebaut werden, sondern mit bestimmten Synkretismen als Kongruenzkategorien erhalten bleiben. Die tiefere Ebene der Phrasenbildung betrifft den engeren Verbalkomplex, der im einfachsten Fall aus finitem Hilfsverb (Kopf) und infiniter Vollverbform (Kern) besteht. Wir stellen diesen Fall in den Mittelpunkt. Die Zuschreibung der Kopffunktion an das Hilfsverb wie der Kernfunktion an das Vollverb liegt auf der Hand. Ersteres ist ein Funktionswort und kodiert erwartungsgemäß die äußeren Kategorien von Numerus und Person. Auch die Rektion des Kerns ist gegeben. Das Hilfsverb regiert die infinite Vollverbform in Hinsicht auf Status (Bech 1983). 3. Hierarchie: Wort und Phrase Aus der in Bybee-Hierarchie kommen, wie gesagt, im Deutschen höchstens die Kategorisierungen in (1) zum Zuge. In manchen Fällen ist es einfacher, nicht die Kategorisierungen, sondern eine der zugehörigen Kategorien hinzuschreiben (1b). (1) a. b.
Genv Pas
> >
Asp Pf
> >
Temp Prät
> >
Mod Konj
> >
Num Pl
> >
Ps 2. Ps
Im Allgemeinen wird das die markierte aus der jeweiligen Kategorienmenge sein. Mit Schreibweisen wie (1b) streben wir lediglich eine einfache Präsentation an und nicht etwa eine inhaltliche Festlegung bezüglich der Frage, ob das Perfekt eine Aspekt- oder eine Tempuskategorie oder nichts von beiden sei. Der mittlere Bereich der Hierarchie (Asp, Temp, Mod) umfaßt die sog. inhärenten Kategorisierungen und ist hinsichtlich seiner universellen wie sprachspezifischen Gliederung der umstrittenste. Während das Passiv eindeutig die Argumentstruktur des Verbs betrifft (‚relationale Kategorie‘) und Numerus wie Person Kongruenzkategorien umfassen, ist die syntaktische Relevanz der inhärenten Kategorien von anderer Art. Das Vorkommen von Einheiten solcher Kategorien kann syntaktisch restringiert sein, etwa durch eine Consecutio temporum oder die Regiertheit des Konjunktivs wie in der indirekten Rede. Es
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kann aber auch syntaktisch vollkommen unrestringiert sein, wie man das wohl für die Indikative des Prät und Pf im Deutschen anzunehmen hat. Beim Explizitheitsgrad unserer Analyse kann im übrigen jede weitere Festlegung bezüglich der wahren Natur der für das Deutsche relevanten inhärenten Kategorisierungen vermieden und einfach die Kategorienfolge angesetzt werden, die wir brauchen. Soweit möglich, ziehen wir bei Formvergleichen nicht jeweils sämtliche Personalformen, sondern nur die 2.Ps Sg heran. Abschnitt 3.1 kontrastiert den Übergang zur regulären (schwachen) Flexion mit der Herausbildung irregulärer Verbparadigmen, wie sie als Hilfsverben anzutreffen sind. 3.2 thematisiert die Abfolgeregularitäten innerhalb von Wort und Periphrase, in 3.3 geht es um Probleme des Paradigmenaufbaus beim Übergang zu analytischer Kodierung. Abschnitt 3.4 fragt nach dem morphologischen Status der in Rede stehenden Einheiten. 3.1 Regularisierung und Irregularisierung Der Übergang von Vollverben zur schwachen Flexion kann grosso modo als Prozess der Linearisierung von Flexionsmarkern angesehen werden. Mit dem Abbau von Vokalwechsel geht ein Aufbau der Kodierung durch Suffixe einher. Beides bedingt sich auch im Detail, etwa wenn in der 2.Ps Sg der Stammumlaut des starken Verbs zu nichtsilbischem Suffix führt (du rätst), der nicht umgelautete Stammvokal beim schwachen Verb dagegen die zweite Silbe fordert (du watest). Das morphologische Gewicht der Formen bleibt insgesamt konstant (Wiese 1994). Die Linearisierung und damit einfache syntagmatische Kodierung morphologischer Information ist im gegenwärtigen Deutsch für einzelne Verbklassen unterschiedlich weit fortgeschritten. Im Kontinuum stark – schwach sind nach Bittner 1996 (ohne Berücksichtigung der letzten Rückumlautverben und einiger singulärer Fälle) folgende Verbklassen zu unterscheiden. (2) 1 stark
2 -Vokalw. Imp Sg Imp
3 -Vokalw. 2./3. Ps Sg Pers/Num
4 -1. Ablaut Prät Mod/Temp
5 -2. Ablaut Part 2 Asp/Genv
werfen geben helfen
fahren laufen raten
heben stehen schallen
backen mahlen melken
legen sagen drehen
Die Verben in Klasse 1 haben sämtliche Vokalwechsel im Präs und Prät. Denen der 2. Klasse fehlt der Vokalwechsel im Imperativ Sg (fahren – fahr(e)), der Klasse 3 auch der in der 2./3.Ps Sg des Präs (heben – du hebst). Klasse 4
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kommt ohne Ablaut im Prät (backen – backtest), Klasse 5 auch ohne das starke Partizip 2 aus (legen – gelegt). Die Ordnung besagt, dass ein Verb einer höher eingestuften Klasse nicht die Eigenschaften einer niedriger eingestuften haben kann. Sie bezieht sich auf Vokalwechsel und damit verbundene Änderungen im Endungssystem. (Zur Einbeziehung von Imp in die Hierarchie Wunderlich/Fabri 1995). Die Menge der Eigenschaften starker Verben nimmt von rechts nach links ab, und zwar so, dass die jeweils betroffenen Kategorien entsprechend der Bybee-Hierarchie geordnet sind. Bittners Klassenbildung findet ihre Interpretation darin, dass der Abbau der Eigenschaften starker Verben schrittweise und im Einklang mit der Hierarchie der Kategorisierungen erfolgt. Diese sind so zu Paaren zusammengefasst, wie sie fusionieren können. Für Genv/Asp ist damit gemeint, dass sie das Partizip2 gemeinsam haben. In dieser Festlegung steckt bereits eine Hypothese über Kodierungsanalogien. Was bei synthetischem Bau fusionieren kann, hat bei analytischem möglicherweise dieselbe infinite Form. Für ein Verb wie fechten, das noch alle starken Formen haben kann, würde sich der Übergang zum schwachen Verb gemäß 3 vollziehen. (3) 1. 2. 3. 4.
stark Imp Ps Mod/Temp
5.
Asp/Genv
ficht, fichtst, fochtest, föchtest, gefochten Æ ficht fecht (e) Æ fichtst fechtest Æ fochtst fechtetest Æ föchtest fechtetest Æ gefochten gefechtet
Der Übergang führt insgesamt zu längeren Formen sowie zum strukturell folgenreichen Zusammenfall der Modi im Prät. Interessant und für unsere Fragestellung von Bedeutung ist nun, dass nicht nur die Regularisierung, sondern auch die Irregularisierung der Verbflexion entlang der Kategorienhierarchie erfolgt. Die in analytischen Formen vorkommenden Hilfsverben bilden mit anderen dem Nahbereich zugehörigen hochfrequenten Verben ein Irregularitätskontinuum, das detailliert in Nübling 2000 beschrieben ist. Was die Kategorien betrifft, beruht es auf zwei Prinzipien: 1. Je höher eine Kategorie in der Hierarchie steht, desto eher wird sie irregulär kodiert. 2. Ist eine Kategorie regulär kodiert, so sind es alle rechts von ihr (alle niedrigeren) ebenfalls.
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Bei den starken Verben beispielsweise ist das Tempus irregulär kodiert (Ablaut), der Modus teilweise ebenfalls (Vokalwechsel im Prät). Dagegen sind Num und Ps im Prät regelmäßig. Die Modalverben bilden, bezogen auf ihr Präsens, ein unregelmäßiges Prät, den Konj und die Personalendungen dagegen regelmäßig. Die phonologische Realisierung von Irregularitäten ist außerdem bestimmten Constraints unterworfen. Reduziert und verändert werden zuerst Konsonanten im Stammauslaut, danach können Stammvokale geschwächt und erst zuletzt der Onset bzw. Flexionssuffixe betroffen sein. Es würde zu weit führen, die Prinzipien an dieser Stelle im Einzelnen mit ihrer Reichweite und ihren Beschränkungen vorzuführen. Ein für das Weitere wichtiger Sachverhalt soll aber am Verhalten der Hilfsverben haben, werden und sein als Trägern der Kopfflexion verdeutlicht werden (jeweils 2.Ps Sg und 1./3.Ps Pl). (4)
a. Präsens Ind hast haben
Konj habest haben
Ind wirst werden
Konj werdest werden
Ind bist sind
Konj seist seien
Ind wurdest wurden
Konj würdest würden
Ind warst waren
Konj wärest wären
b. Präteritum Ind Konj hattest hättest hatten hätten
Alle drei haben unregelmäßige Tempusmarkierung, wobei werden mit dem Vokalwechsel die geringste und sein mit dem suppletiven Präteritalstamm die stärkste Veränderung aufweist. Im Präsens setzt sich diese Irregularitätsrelation fort. Nur bei sein liegt echte Suppletion vor, während bei haben und werden jeweils der Stammauslaut und der Stammvokal (Schwächung und Hebung) betroffen ist. Die für synthetische Formen gültigen Synkretismusverhältnisse bestehen ohne Einschränkungen. Was den Konjunktiv betrifft, so hat nur sein im Präs Sg Formen ohne Schwa, im Übrigen ist Schwa wie bei anderen (regelmäßig und unregelmäßig flektierenden) Verben in den Formen des Konj vorhanden. Wichtig ist aber, dass der Konj Prät der drei Verben eindeutig kodiert ist. Er unterscheidet sich formal sowohl vom Ind Prät als auch von beiden Modi des Präs. Bei den Hilfsverben liegt eindeutige Markierung von Tempus und Modus vor. Regularisierung und Irregularisierung der synthetischen Verbformen sind die Seiten derselben Medaille. Bezüglich der Hierarchie verlaufen sie spiegelbildlich, erstere von außen nach innen, letztere von innen nach außen. Tempus und Modus sind bei allen irregulären Verben eindeutig markiert.
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Dem Prototyp des regulären Verbs fehlt die Modusopposition im markierten Tempus. Schwache Verben haben nur eine Flexionsreihe im Prät, und darüber hinaus weisen sie auch im Präs die weitestgehenden Modussynkretismen auf (Eisenberg 2004: 192 ff.). Es ist nun aber nicht so, dass damit einfach die Funktionen des markierten Modus verschwinden. Fabricius-Hansen (1999: 154) kommt zu dem Schluss, dass die Präteritumsformen im Kernbereich „die wesentlichen Funktionen des im Randbereich existierenden Konjunktivs... übernommen haben“. Im Kernbereich der synthetischen Formen steht das Präteritum danach partiell in funktionaler Modusopposition zum Präsens, und zwar zu den Formen des Präs Ind. Damit ist ein direkter Bezug des Prät in konjunktivischer Funktion auf den Indikativ des Präsens hergestellt. Wir kommen darauf zurück. 3.2 Reihenfolge Ob aus den Reihenfolgebeziehungen im Verbalkomplex etwas über das Verhältnis von Wort und Phrase geschlossen werden kann, ist m.W. nicht genauer untersucht. Gut untersucht sind die Reihenfolgebeziehungen selbst. Die seit Beginn der generativen Syntaxforschung weithin als grundlegend angesehene Verbendstellung hatte schon für Bech (1983) einen besonderen Status in Hinsicht auf die Topologie der Verbalfelder. In seiner Redeweise erscheint im Verbletztsatz ein verbales Schlußfeld mit Finitum, das nur ein sog. Unterfeld aufweist. Ein Verbkomplex wie in (5) enthält die Verbformen in „umgekehrter Reihenfolge“, d.h. so, dass das statusregierte Verb Vn+1 dem regierenden Vn unmittelbar vorausgeht. Die Verbkette bildet insgesamt eine natürliche Kopflinie. Das Unterfeld ist Voraussetzung und in diesem Sinne grundlegend für andere Konstruktionen, nämlich solche mit einem Oberfeld, die als Rattenfängerkonstruktion aus dem Unterfeld hervorgehen (5b, 5c; Bech 1983: 62 ff.). (5) a.
daß der Fall erledigt worden sein muß V4 V3 V2 V1 Unterfeld
b.
daß der Fall muß erledigt worden sein V1 V4 V3 V2 Oberfeld
c.
Unterfeld
daß der Fall muß sein erledigt worden V1 V2 V3 V4 Oberfeld
Unterfeld
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Zifonun (2000: 46 f.) weist darauf hin, dass Verbalkomplexe der Form 5a bei Kategorisierung der Verbformen in der Abfolge der Kategorienhierarchie entsprechen und dass entsprechende Regularitäten sowohl vor Etablierung als auch unabhängig von der Hierarchie formuliert worden sind. So setzt Bierwisch für die infiniten Formen in 5a die Kategorienfolge Pas-Pf-MV (PassivPerfekt-Modalverb) an, wobei aber „die Elemente des finiten Verbs – Tempus, Modus und Personalendung – „ ausdrücklich ausgeklammert bleiben (1963: 71). Bei Cinque (1999: 57) wird für im engeren Sinn flektierende Sprachen, in denen ja nur jeweils ein Flexionssuffix pro Wortform möglich ist, die Reihenfolge der Wortformen direkt aus der Reihenfolge der Suffixe herleitbar: „As a consequence, when more suffixes occur in a sentence, more verbs are needed to ‚bear‘ them (typically, one for each functional suffix).“ Damit sind die Reihenfolgebedingungen des Verbalkomplexes insgesamt klar. In der Grundreihenfolge des Verbletztsatzes folgen die infiniten Formen der Hierarchie, die Morphologie der finiten ebenfalls. Die finite Form in 6 ist in der üblichen Weise flektiert (obere Zeile von Kategorien). Sie ist Form eines Modalverbs, das sich entsprechend den kategorialen Angaben der unteren Zeile in die Gesamthierarchie einfügt. (6) daß der Fall erledigt worden sein müßte Prät Konj Sg 3.Ps VV Pas Pf MV Diese umfaßt infinite Verbformen wie morphologische Bestandteile der finiten ohne Bruch. Am Übergang zwischen analytischer und synthetischer Kodierung gibt es eine Überlappung zwischen Tempus- und Moduskategorien. Am Modalverb, das ‚von oben‘ gesehen den Modalitätsslot besetzt, können Tempus und verbaler Modus als Flexionskategorien realisiert sein. Eine genauere Analyse müsste zeigen, welche Arten von derartigen Überlappungen möglich sind. Der tatsächlichen Komplexität des verbalen Schlußfeldes ist mit Konstruktionen wie in 5 natürlich weder in Hinsicht auf die Zahl der zu berücksichtigenden Positionen noch in Hinsicht auf die in den einzelnen Positionen vorkommenden Formklassen entsprochen. Nach Askedal 1991 lassen sich – hier noch immer etwas vereinfacht – im Beispiel 7a die Positionen in 7b unterscheiden.
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(7) a.
daß der Fall erledigt worden können sein müßte V5 V4 V3 V2 V1
b.
V5 VV
V4 Pas sich lassen sein+zu-Inf
V3 V2 MV,obj Pf brauchen haben+zu-Inf
V1 MV, subj HMV
Position 4 enthält außer dem Passiv-Hilfsverb die Medialkonstruktion mit sich lassen (Das lässt sich erledigen) und den modalen Infinitiv (Das ist zu erledigen), Position 3 die Modalverben in objektivem Gebrauch, brauchen und den modalen Infinitiv mit haben (Er hat den Fall zu erledigen). In Position 1 finden sich Modalverben in subjektivem Gebrauch sowie die Halbmodale scheinen, pflegen, drohen und versprechen. Askedal betont, dass die Zuordnung von Formklassen zu einer bestimmten Position nichts über ihre funktionale Äquivalenz aussage, d.h. eine Interpretierbarkeit in Hinsicht auf die Hierarchie wird nicht unterstellt. Sie liegt auch keineswegs durchweg auf der Hand. Immerhin lässt sich aber feststellen, dass ein Diathese-Pol einem Modus-Pol gegenüberzustehen scheint. In der verbnächsten Position 4 finden sich neben dem Passiv das Medium mit lassen sowie der passivisch interpretierbare modale Infinitiv. In der verbfernsten Position finden sich die Modalverben im am weitesten grammatikalisierten Gebrauch. Als Faktizitätsbewerter sind sie funktional sowohl den Halbmodalverben als auch den verbalen Modi vergleichbar. Die Tatsache, dass innerhalb des Wortes wie innerhalb der Phrase zumindest teilweise vergleichbare Abfolgeregularitäten herrschen, sagt für sich noch nichts über die Wortnähe einzelner Kategorien wie Passiv und Perfekt. Man müsste ihnen vielmehr einen Sonderstatus als implikativ vorrangig, typischerweise synthetisch kodierbar oder ähnliches zuweisen können. Ob und in welcher Weise das möglich ist, muss offen bleiben. 3.3 Übergang synthetisch – analytisch Das in Abschnitt 3.1 beschriebene Kontinuum von Regularität und Irregularität synthetischer Formen setzt sich bei den analytischen fort. In einem (bisher leider nicht veröffentlichten) Vortragsmanuskript zeigt Thieroff, dass der Übergang von synthetischer zu analytischer Kodierung an die Kategorienhierarchie gebunden ist. Höhere Kategorien sind im Sprachenvergleich statistisch signifikant häufiger analytisch kodiert als weniger hohe. Entsprechend gehen höhere Kategorien im Sprachwandel eher zur analytischen Kodierung über als weniger hohe (Thieroff 1997). Mit dieser Aussage bezieht man sich auf Kategorien, die nicht Kongruenzkategorien sind. Für Kongruenzkategorien gelten
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andere Übergangsbedingungen, weil ihre Externalisierung nicht nur den Kopf des Verbalkomplexes, sondern auch das Subjektpronomen betreffen kann. Die oben für die Anordnung regulär kodierter im Verhältnis zu irregulär kodierten Kategorien angegebenen Constraints sind aus denen abgeleitet, die Thieroff für die Anordnung analytisch und synthetisch kodierter ansetzt: 1. Je höher eine Kategorie in der Hierarchie steht, desto eher wird sie analytisch kodiert. 2. Rechts von einer synthetisch kodierten gibt es keine analytisch und links von einer analytisch kodierten gibt es keine synthetisch kodierte Kategorie. Über den Zustand des Althochdeutschen unter dem hier relevanten Aspekt schreibt Eroms: Mit dem Althochdeutschen ist die Ansatzstelle für die Erklärung des gegenwärtigen deutschen Systems erreicht... . Das Althochdeutsche verfügt nur im Ansatz über ein Tempussystem, das über das morphologische Präsens und Präteritum hinausgeht. Passivformen sind nicht davon betroffen. (Eroms 1992: 232)
Formen des synthetischen Passivs oder Medio-Passivs, die im Gotischen noch als ‚Rückzugsformen‘ vorhanden waren, sind im Althochdeutschen verschwunden. Das Passiv wird mit den Hilfsverben werdan (werden) und wesan (sein) realisiert, wobei das sein-Passiv dominant ist. Der Unterschied wird teilweise temporal, sehr häufig aber auch aspektuell interpretiert (z.B. Eroms 1992; 2000; Kotin 1998). In (8) und (9) finden sich Beispielformen mit dem werden-Passiv für ein starkes (werfan = werfen) und ein schwaches (horen = hören) Verb. Mitnotiert ist das t der 2.Ps Sg (ab 9./10. Jhdt). Einige der Formen sind konstruiert. Die Nachstellung des Finitums dient der einheitlichen Präsentation und sagt nichts über den Gebrauch. (8)
Präs Prät
Aktiv Ind wirfist wurfi
Präs Prät
Aktiv Ind hǀrist hǀrtǀst
Konj wërfƝst wurfƯst
Passiv Ind Konj giworfan wirdist giworfan wërdƝst giworfan wurti giworfan wurtƯst
Konj hǀrƝst hǀrtƯst
Passiv Ind gihǀrit wirdist gihǀrit wurti
(9) Konj gihǀrit wërdƝst gihǀrit wurtƯst
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Wurzel (1996: 495 f.) beschreibt die Verhältnisse so, dass die Flexionsendungen beim starken Verb fusionierend Tempus, Modus, Numerus und Person signalisieren, der Ablaut habe als Tempusanzeiger „(noch) den Status eines Nebenmarkers.“ Bei den schwachen Verben ist das Tempussuffix vorhanden, während die Flexionssuffixe fusionierend Modus, Numerus und Person signalisieren. Was für die starken Verben gilt, trifft cum grano salis auch noch für das Hilfsverb zu. Das Endungssystem ist so aufgebaut, dass es ohne Unterstützung durch Vokalwechsel des Stammvokals eindeutig Tempus und Modus differenzieren kann, wobei es weder eine einheitliche Tempus- noch eine einheitliche Modusmarkierung gibt. Der Eindruck, dass ausgerechnet Ind Präs (wirdist) und Konj Prät (wurtƯst) durch den Stammvokal und nicht die Flexionsendung zu unterscheiden sind, erweist sich bei Betrachtung des Gesamtparadigmas für dieses Stadium als nicht zutreffend. Trotzdem wird hier ein gravierendes und für die weitere Entwicklung folgenreiches Kodierungsproblem sichtbar. Der Zustand des verbalen Flexionssystems im Althochdeutschen ist dadurch charakterisiert, dass bezüglich des fusionierenden Potentials zwischen starken und schwachen Verben Einheitlichkeit hergestellt wird. Dem Präteritalsuffix auf der einen entspricht mehr und mehr der Ablaut auf der anderen Seite, so dass Mod/Num/Pers als fusionierend übrig bleiben. Die übergreifende Tendenz, nach dem markierten Tempus nun auch den markierten Modus einheitlich und per Suffix zu kodieren, führt zu Herausbildung von Schwa als Konjunktivmarker. Dies hat aber für die regulären und irregulären Verben ganz unterschiedliche Konsequenzen. Bei den regulären bricht die Modusopposition im Prät zusammen. Die irregulären erhalten die Modusopposition im Prät durch Vokalwechsel (regelmäßiger Umlaut) und durch Schwa aufrecht. Da aber Konj Präs und Konj Prät nur durch den Stammvokal unterschieden sind, entsteht ein neuer Typ von Kodierungsanforderung. Er wird virulent, wo die allgemeinen Ablaut- und Umlautbildungen beim Konj Prät zum selben Stammvokal führen müßten wie dem des Präs. Zu unterscheiden sind vier Fälle (vollständigere Verblisten dazu in Eisenberg 2004: 195): (10) a. b. c. d.
gebe treffe werfe berste
– – – –
gab traf warf barst
– – – –
gäbe träfe würfe *bärste
Als Beispiel ist jeweils die 1.Ps Sg Präs (Ind oder Konj) zusammen mit der 1.Ps Sg des Prät im Ind und Konj aufgeführt. In 10 wird für die phonologischen Wörter Distinktivität des Konj Prät gegenüber dem Präs allein durch Öffnen des Stammvokals erreicht. In 10b muß der Stammvokal des Prät ge-
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dehnt werden, in 10c erhält sich im Konj Prät der alte Umlaut. In 10d ist eine Distinktion gar nicht möglich, der Konj Prät ist deshalb ebenso wie bei den Rückumlautverben blockiert. Es kommt hier nicht auf die phonologischen Einzelheiten der mit 10 illustrierten Zusammenhänge, sondern nur auf die Demonstration des Faktums an, dass der Konj Prät strukturell direkt auf das Präs bezogen ist. Es ist eben dieser Zusammenhang, der am Ende der gegenwärtig absehbaren Entwicklung des verbalen Paradigmas eine herausragende Rolle zu spielen scheint. In groben Zügen ist die weitere Entwicklung durch den Übergang von 11a (Althochdeutsch) zu 11b mit analytischem Tempus und 11c mit analytischem Modus gekennzeichnet. (11) Genv a. b. c.
Å
> ||
Temp Æ Å
> ||
Mod
>
Num
>
Ps
Æ Å
||
Æ
Der Zustand 11b wäre dann erreicht, wenn das Perfekt als Vergangenheitstempus anstelle des Prät getreten ist. 11c schließlich hat nur analytische Konjunktive. Gemeint ist ein Systemzustand, den Thieroff (1992: 296) als „den... nicht weiter reduzierbaren... Kernbereich der finiten Verbformen der gesprochenen Sprache“ bezeichnet. Für das Aktiv und ein Verb mit haben-Perfekt sieht er so aus: (12) Präs Pf
Ind hörst gehört hast
Konj hören würdest gehört hättest
Mit dem Paradigma in 12 befindet man sich am Rand dessen, was an analytischer Kodierung möglich ist. Ein weiterer Abbau des Flexionssystems der Vollverben würde ja Numerus und Person betreffen und nicht mehr innerhalb des Verbalkomplexes kodiert. Die im Althochdeutschen erkennbare Tendenz, die Formen des höchstmarkierten Teilparadigmas (Konj Prät) gegenüber dem unmarkierten (Ind Präs) nicht allein durch das Endungssystem, sondern durch weitere Mittel formal zu ‚überdifferenzieren‘, ist zum Prinzip der Modusunterscheidung geworden. Vom System her angemessen erscheint auch die Wahl der unmarkierten infiniten Form, des Infinitivs, für den Konj des unmarkierten Tempus, ganz unabhängig davon, dass die Form mit Partizip (gehört würdest) als Passivform fungiert und deshalb gar nicht zur Verfügung steht.
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Selbstverständlich bin ich mir zahlreicher Fakten bewusst, die gegen eine Reduzierung des verbalen Formensystems auf den Bestand in 12 sprechen, selbst wenn man sämtliche überhaupt denkbaren Verfalls- und Verarmungstendenzen unserer geplagten Sprache in Rechnung stellt. Es kommt auf etwas anderes an. Ein reduziertes Verbparadigma des Typs 12 ist nicht eine Chimäre, sondern ist strukturell wirksam in Varietäten des Deutschen, die alles andere als peripher sind. Wenn es eines Beweises bedürfte, könnte er in den nach wie vor virulenten Normierungsbestrebungen bestehen, die es zugunsten synthetischer Formen niederhalten wollen, z.B. „In der Standardsprache sollten die würdeFormen nur unter folgenden Bedingungen gewählt werden.“ (Duden 1997: 472). Dem ist immerhin zu entnehmen, dass der analytische Konjunktiv auch in der Standardsprache unvermeidlich geworden ist. Das reduzierte Verbparadigma mit analytischem Konjunktiv und analytischem Perfekt ist mehr oder weniger explizit seit langem diskutiert und unabhängig von der Hierarchie der verbalen Kategorien formuliert worden. Es passt aber auf das Genaueste zu dem, was aufgrund der Hierarchie erwartbar ist. Vorausgesetzt natürlich, das Passiv ist eine Kategorie des Genus verbi, das Perfekt eine des Tempus (oder Aspekts) und die würde-Konstruktion eine des verbalen Modus in ihrem Sinn. So weit sie das sind, spricht erst einmal einiges dafür, den Begriff des verbalen Wortparadigmas mit analytischen Formen nicht einfach aus der Grammatikschreibung auszuschließen. 3.4 Derivation und Flexion Treten Derivations- und Flexionssuffixe gemeinsam in einer Wortform auf, so stehen erstere dem Stamm näher als letztere. Diachron unterliegen Flexionsaffixe einem erheblichen Externalisierungsdruck, wobei aus der Tatsache, dass ein solcher Druck besteht, schon auf das Vorliegen von Flexion geschlossen werden kann (Haspelmath 1993). Im Prinzip lassen sich die kategorial (verbal, adjektivisch, substantivisch) gebundenen Suffixinventare einer Sprache entlang von Kontinua mit den Polen ‚prototypisch derivativ‘ und ‚prototypisch flexiv‘ ordnen. Die Relativität der Unterscheidung von Derivation und Flexion scheint vielfach und in recht unterschiedlicher Weise in der Grammatik auf. Man denke nur an die Feststellung, dass substantivische Numerusparadigmen eher lexikalischen Charakter haben als Kasusparadigmen (Booij 1996; Baayen u.a. 1997), dass umgekehrt äußere Derivationssuffixe wie bei Diminutiva dem Verhalten von Flexiven nahe kommen (Dressler 1994) und dass bei einer Zwischenposition wie den Komparationssuffixen der Streit über Derivation vs. Flexion programmiert ist und kaum ein Ende finden kann (zu den Derivationssuffixen des Deutschen unter diesem Aspekt insgesamt Eisenberg/Sayatz 2004).
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... the differences that can be observed between inflectional and derivational expression are just more prominent instances of the differences identifiable among inflectional categories. (1985: 82)
Muysken überprüft die Kategorienhierarchie an seiner Referenzsprache, dem Quechua. Ein Kausativierer, ein Passivierer und ein Reflexivierer „can vary in order in many ways“ (1986: 639), so dass in dieser Sprache etwa Passiv und Kausativ in Hinsicht auf Wortbildung und Flexion kaum unterscheidbar sind. Sind Bestandteile analytischer Verbformen mit Suffixen unter diesem Gesichtspunkt vergleichbar? Das werden-Passiv weist die für deverbale Derivationen typischen Basisbeschränkungen auf. Es ist bildbar von Verben mit agentivischem Subjekt und als Zweischrittpassiv mit Subjekt- und Objektkonversion von transitiven Verben. Diese Beschränkung ist in Sprachen wie dem Deutschen charakteristisch für Deverbativa überhaupt (Toman 1983). Im Gegensatz dazu ist das Perfekt von allen Verben bildbar. Seine Formative kommen dem Verhalten von Flexionsaffixen näher als die des Passivs. Zwischen Passiv und Perfekt liegt damit möglicherweise eine qualitative Grenze, was Wortform und Wort, Flexion und Derivation, Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit zum Wortparadigma betrifft. Zieht man die Grenze so, dann wäre allerdings wahrscheinlich manches synthetische Passiv oder Medium nicht der Flexions-, sondern der Wortbildungsmorphologie zuzuschlagen. Mit seiner aller Wahrscheinlichkeit nach aktionsartlich fundierten Auxiliarselektion weist das Perfekt ein Analogon zu semantisch fundierten Flexionstypen auf. Dies dürfte eher für eine mittlere (inhärente) als für eine der äußeren Kategorien typisch sein. Sieht man mit Teuber (2002) nur die haben-Periphrase als Perfekt an, die Form mit sein aber als Kopulasatz, stellen sich die Verhältnisse anders dar. Es gibt dann perfektfähige und nichtperfektfähige Verben, und das Perfekt rückt weiter vom Verhalten einer Flexionskategorie ab. Ein relevanter Unterschied zum Passiv bleibt jedoch erhalten, insofern das ‚normale‘ Verb ein Perfekt bildet. Diese Feststellung greift darauf zurück, dass das haben-Perfekt als unmarkiert anzusehen ist. Dem Verhalten eines Flexionssuffixes am nächsten kommt ohne Zweifel und im Einklang mit der niedrigsten Position in der Hierarchie das Formativ des analytischen Konjunktivs. Die würde-Konstruktion ist ohne Einschränkungen und vollkommen regelmäßig von jedem Verb bildbar. Sie übertrifft in dieser Beziehung, wie oben angedeutet, sogar den synthetischen Konj Prät. Lassen wir es vorläufig bei dem Schluss bewenden, dass es manche Analogie im Bau analytischer und synthetischer Verbformen gibt. Erwiesen ist damit nichts außer vielleicht die Notwendigkeit, schnelle Entscheidungen über die Zugehörigkeit zum Wortparadigma zu vermeiden. Wir haben die Wortart Verb, aber wir wissen nicht, welche Formen ein ganz normales Wort dieser Wortart hat.
Das Verb als Wortkategorie des Deutschen
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Angelika Redder (Hamburg) Wortarten oder sprachliche Felder, Wortartenwechsel oder Feldtransposition? Abstract Within the framework of Functional Pragmatics, so it is argued, conventional part-of-speech systems should be reinterpreted in terms of linguistic field mechanisms and field transposition procedures. Word formation involving word-class change (syntactic transposition) in German is taken as an example, illustrating the fact that the concept of field transposition provides a viable alternative to the common concept of word-class as well as grammaticalization. Karl Bühlers theory of “Zeigfeld” (deictic field) and “Symbolfeld” (field of symbolic operations) is somewhat extended to account for the procedures and operations combined in linguistic actions.
1. Zum Kontext der Fragestellung Systematische Basis meiner Argumentation ist das Konzept der ,sprachlichen Felder‘, wie es durch Karl Bühler (1934) begründet und im Rahmen der Funktionalen Pragmatik (FP) weiter ausgeführt wurde (cf. Ehlich 20002). Die FP stellt – im Anschluss an Austin – eine konsequente Handlungstheorie von Sprache dar und geht damit über Bühler hinaus, der lediglich für Ausdrucksmittel des Zeigfeldes deren Handlungsqualität, eben das sprachliche Zeigen, erkannte; im übrigen behielt er eine semiotisch verfestigte Sprachauffassung bei, so dass insbesondere sein Konzept des Symbolfeldes von Sprache komplexen referenzsemantischen Überlegungen verpflichtet bleibt. Zudem rechnet Bühler nicht mit dem Erfordernis, bei genauerer Betrachtung des Ausdrucksbestandes weitere sprachliche Felder differenzieren zu müssen. Eine handlungsanalytische Theorie sprachlicher Felder bietet relativ dazu einen Vorschlag, der die Ausdrucksmittel einer Sprache differenzierter feldspezifisch systematisiert (§ 2) und so zugleich übereinzelsprachlich eine kritische Rekonstruktion von Wortklassen ermöglicht (§ 3). Damit wird, wie in Redder (1990, § 4.2) bereits skizziert ist, eine Alternative zum basalen Konzept der Wortarten verknüpft (§ 4). Im Fokus der Argumentation soll sodann (§ 5) ein besonderes Problem der Wortarten- und Grammatikalisierungsdiskussion stehen, nämlich das des Wortartenwechsels, auch Konversion oder – mit Tesnière (1959) – Translation genannt. Vor dem Hintergrund der funktional-pragmatischen Feldertheorie von Sprache wird allgemein und im Besonderen zu fragen sein:
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I. Welche sprachlichen Felder sind für das Deutsche zu differenzieren? II. Welchen Abstraktionsgrad weisen die feldspezifischen Form-FunktionsRelationen systematisch auf – für eine Einzelsprache und für Sprachen? III. Wie verhalten sich die traditionellen Klassifikationen nach Wortarten dazu? IV. Welche Erklärungskraft hat das Konzept der Feldtransposition relativ zu dem des Wortartenwechsels? Die Diskussion wird an ausgewählten Phänomenen und mit Bezug auf das Deutsche geführt (§ 6). 2. Sprachliche Felder In der Theorie der Funktionalen Pragmatik werden insgesamt fünf sprachliche Felder differenziert. Sie sind jeweils funktional bestimmt. Die zugehörigen Formen sind also funktional kategorisiert. Jedes Feld umfasst formal durchaus unterschiedliche sprachliche Mittel, insbesondere lexikalische Ausdrücke, Morpheme, im weiten Sinne intonatorische Mittel und die Wortstellung, d.h. topologische Mittel. Hierin liegt eine erste Differenz zur Konzeption der Wortarten, welche lediglich Wörter, also lexikalische Mittel, in die Betrachtung einbezieht. Die feldspezifischen Ausdrucksmittel dienen zum Vollzug je charakteristischer Prozeduren. ,Prozeduren‘ sind, soweit wir sehen, die kleinsten Einheiten sprachlichen Handelns. Es sei nun eine grobe tabellarische Übersicht für das Deutsche gegeben, wobei die erstmals in Ehlich (20002) und, dem folgend, in Zifonun, Hoffmann, Strecker et al. (1997; vgl. Hoffmann 2003) gebotenen Zuordnungen nach meiner Auffassung für die Präpositionen modifiziert sind. Aus Gründen der verständlichen Darstellung werden die sprachlichen Mittel hier zunächst traditionell benannt und dazu eckig geklammert. Sie sind zudem nicht vollständig angeführt, sondern auf die markanten und in der FP bislang am besten untersuchten Mittel konzentriert.
Wortarten oder sprachliche Felder, Wortartenwechsel oder Feldtransposition?
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Feld Lenkfeld (expeditives F.)
Prozedur expeditive Prozedur
sprachl. Mittel [Interjektionen, Imperativ]
Zeigfeld (deiktisches F.)
deiktische Prozedur
[1. + 2. Personalpronomina, 1. + 2. Personalmorpheme, 1. + 2. Possessivpronomina, Demonstrativpron., Proadverbien, Temporalmorpheme, ,kommen‘]
Symbolfeld
nennende Prozedur
[Substantive, Adjektive, Verben (außer ,kommen’), Basispräpositionen, teilw. Adverbien]
Arbeitsfeld (operatives F.)
operative Prozedur
[Konjunktionen, Partikeln, Artikel/Det., Phorik = 3. Personalpron. + 3. Possessivpron., Fragewörter, Kasusmorpheme, Modusmorpheme, Pluralmorpheme, Satzintonation, Wortstellung]
Malfeld
malende Prozedur
[intonat. Modulation, Riesen-]
Abbildung 1: Sprachliche Felder und ihre Ausdrucksmittel im Deutschen
Die Reihenfolge der Felder habe ich so gewählt, dass einerseits eine gewisse Folge im Spracherwerb – umgekehrt auch beim Sprachverlust – darin in Erscheinung tritt, soweit dies bekannt ist. Andererseits drückt sich darin die abnehmende Selbständigkeit der Form-Funktions-Relationen aus. Expeditive Prozeduren fungieren im Allgemeinen selbstsuffizient. Das bedeutet, dass der Vollzug expeditiver Prozeduren kommunikativ hinreichend und funktional ist, ohne dass eine Kombination mit anderen Ausdrucksmitteln erfolgt, insbesondere ohne dass eine syntaktische Anbindung erforderlich ist; eben deshalb gelten die sog. Interjektionen satzzentrierten Grammatiken als
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marginal und syntaxfrei „dazwischengeworfen“ (ausführlich dazu Ehlich 1986). Nach meinen in den achtziger Jahren gemachten Beobachtungen von Aphasikern (vgl. Andresen & Redder 1985) bleiben die Ausdrucksklassen HM und ÄH, partiell auch OH, sowie die mit expeditiven Prozeduren im Deutschen verbundenen Töne in ihrer Systematik am weitesten erhalten – und damit rudimentäre kommunikative Möglichkeiten der PatientInnen. Deiktische Prozeduren können selbstsuffizient oder biprozedural suffizient verwendet werden. „Da“, insbesondere wiederholtes „da, da“ bildet dementsprechend eine der frühesten Äußerungsformen von Kindern – damit nicht zuletzt ein Sachpräsentationen begleitendes „da!“ der Erwachsenen ausprobierend (Garlin 2000). Das sprachliche Zeigen stellt eine elementare Kommunikationsform dar, die sich Sprecher auch in einer fremdsprachigen Praxis am ehesten zueigen machen, jedenfalls in lokal- und objektdeiktischer („das“) Hinsicht. Unter dem Aspekt der prozeduralen Suffizienz bilden Ausdrucksmittel des operativen oder Arbeitsfeldes gleichsam das Gegenstück, denn operative Prozeduren arbeiten stets über anderen, insbesondere über nennenden oder deiktischen Prozeduren. Die Übersicht dokumentiert bereits, dass sich im operativen Feld die vielfältigsten Formen finden lassen und eine reiche, meist im grammatischen Zusammenhang diskutierte Binnendifferenzierung vornehmen lässt. Malende Prozeduren dienen der Kommunikation von im weiten Sinne atmosphärischen, emotionalen Gegebenheiten und sollen hier nicht näher diskutiert werden (vgl. Redder 1994). Das Symbolfeld im Sinne der FP – im Unterschied zu Bühler erkennbar gegenüber den anderen Feldern abgegrenzt – umfasst insbesondere die ontologisch basierten Wortarten und wird daher unten eigens diskutiert. Für die sprachtheoretische Systematik ist die elementare Größenordnung der feldspezifischen Kategorisierung sprachlicher Mittel relevant. Prozeduren stellen, wurde gesagt, die kleinsten Einheiten sprachlichen Handelns dar. Prozeduren sind insbesondere kleiner als Sprechhandlungen und deren drei konstituierende Akte (Äußerungsakt, propositionaler Akt, illokutiver Akt). Insofern lassen sich Prozeduren als Konstituenten von Akten, diese als Konstituenten von Sprechhandlungen und diese wiederum – im funktionalen Ensemble – als Konstituenten von Diskurs (bei Kopräsenz von Sprecher S und Hörer H) oder Text (bei fehlender Kopräsenz von S und H und somit systematisch zerdehnter Sprechsituation) auffassen. Im Unterschied zu syntaktischen Konstituentenanalysen zeigt sich allerdings anhand neuerer Untersuchungen zum Deutschen, dass keine strikte Hierarchie anzusetzen ist; vielmehr erweisen sich spezifische Zwischengrößen, die so genannten partikularen Handlungsformen, als mögliche Ensembleeinheiten für ganze Phasen von Diskurs und Text und keineswegs nur als syntaktisch divergente Bestandteile von Sprechhandlungen (Redder 2003).
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Die Übersicht über Einheiten des sprachlichen Handelns kann demnach folgendermaßen graphisch dargestellt werden: Diskurs
Text
Sprechhandlung
Äußerungsakt
propositionaler Akt
partikulares
illokutiver Akt
sprachliches
Handeln
PROZEDUREN expeditives/ Lenk-Feld
deiktisches/ Zeigfeld
Symbol-Feld
operatives Feld
Mal-Feld
sprachliche Handlungseinheiten größerer Ordnung, eigenständig unselbstständige Konstituenten von Handlungen Sprachfeld
prozedurale Selbstuffizienz möglich
elementare Handlungseinheiten
Abbildung 2: Einheiten des sprachlichen Handelns (aus: Redder 2003, 164)
3. Sprachspezifik und Abstraktionsgrad der Felder Für die deutsche Sprache lässt sich formulieren: Sprachliche Mittel des Deutschen gehören gemäß ihrer funktionalen Charakteristik einem der fünf sprachlichen Felder zu. Der Abstraktionsgrad der Feldfunktionen ist hoch genug, um eine feldkategoriale Klassifikation auch für künftige, neue Ausdrucksformen zu behaupten, insbesondere auch für Grammatikalisierungsphänomene (§5.1– 3). Zuweilen weisen die Mittel im Deutschen auch eine feldspezifische Formcharakteristik auf: Mit Ausnahme des morphematischen Imperativs sind alle Mittel des expeditiven Feldes durch Töne über einer minimalen, überwiegend
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vokalischen Monembasis gekennzeichnet, d.h. durch eine für den Sprachtyp ungewöhnliche, insofern marginale semantische Differenzierungsform. Charakteristisch für die Formen des Symbolfeldes im Deutschen ist, dass ein erheblicher Anteil, wenn nicht gar alle, aus lexikalischen Ausdrücken besteht. Der quantitative Ausbau der sprachlichen Felder ist freilich einzelsprachspezifisch. So weist das Deutsche beispielsweise ein besonders differenziertes deiktisches Ausdruckssystem auf, während Ehlich (1979) für das Zeigfeld des Hebräischen ein äußerst sparsames Repertoire analysiert, das gleichwohl das funktionale Spektrum abdeckt. Für das Englische darf man vermuten, dass zwar das operative Feld weniger vielfältig entwickelt ist, dafür aber umso mehr das Symbolfeld. Bekanntlich liegt die Besonderheit des Englischen gerade im Feinheitsgrad der nennenden Prozeduren und weniger im klassischen Bereich der Flexions- oder Wortbildungs-Morphologie, welche zu erheblichen Teilen operativer Qualität ist. Welche Reichweite besitzt das Konzept der sprachlichen Felder für Sprachen allgemein? Innerhalb der Funktionalen Pragmatik sind inzwischen zu verschiedenen Sprachen empirische Analysen durchgeführt worden, insbesondere zum Hebräischen und Arabischen, Deutschen und Englischen, zum Türkischen und Japanischen sowie zum Spanischen, Romanes, Griechischen und Madagassischen. Es stabilisieren sich für diese entwickelten flektierenden und agglutinierenden Sprachen die Befunde zur Differenzierung der fünf Felder. Insofern lässt sich die These vertreten: Die genannten sprachlichen Felder erweisen sich als einzelsprachübergreifende Kategorien. Damit ist allerdings keine Aussage über „Universalität“ verbunden. Bedenkt man die jeweilige Zweckcharakteristik der Felder, wird man unterschiedliche Relevanzen dieser Zwecke für das sprachliche Handeln der verschiedenen Sprachgemeinschaften in historisch-gesellschaftlicher Entwicklung vermuten. Welche Relevanzen dürften dies sein? In allen Sprachtheorien gilt eine Funktion von Sprache gemeinhin als fundamental, nämlich die des sprachlichen Benennens von Wirklichkeitselementen, mithin der durch nennende Prozeduren vollzogene Zweck. Deshalb erscheinen die Ausdrucksmittel des Symbolfeldes zumeist als sprachliche Mittel par excellence – so auch im Primat der Darstellungsfunktion von Sprache bei Bühler. Gewöhnlich gelten Symbolfeldausdrücke als situationsentbundene, kontextunabhängige Zeichen, eben als Symbole im Sinne der Semiotik. Handlungstheoretisch wird demgegenüber der Zeichenbegriff für Symbolfeldausdrücke wie auch für die anderen sprachlichen Mittel verflüssigt, wenn Zeichen nicht als Basisgrößen gelten, sondern als Mittel zum Vollzug von Prozeduren zwischen S und H. Der Zeichenbegriff gewinnt daher in der FP eine abgeleitete Qualität. Symbolische Ausdrucksmittel, Ausdrücke des Symbolfeldes also, gelten dann auch nicht länger als Leitgrößen für semantische Kon-
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zepte, für Bedeutungshaftigkeit schlechthin. Vielmehr haben alle sprachlichen Ausdrucksmittel gleichermaßen eine prozedurale Bedeutung. Beispielsweise besteht eine symbolische, nennende Prozedur in der Aktualisierung von sprachlich verfasstem Wissen über Wirklichkeit(selemente) (vgl. Knobloch 1994, Thielmann 2004); das ist die kategoriale Bedeutung einer nennenden Prozedur. Die besondere, ausdrucksspezifische Prozedur ist im Falle von Symbolfeldausdrücken als das spezifisch zu aktualisierende Wissen zu rekonstruieren. Der Zweck des Lenkfeldes (expeditiven Feldes) besteht in der Herstellung eines „direkten Drahtes zu H“ und hat somit seinen Ort in der expliziten Kommunikativität und Prozessierung sprachlichen Handelns auf der Basis minimaler Kooperation. Dieser feldspezifische Zweck ebenso wie die Vermittlung psycho-physischer Befindlichkeiten als Zweck des Malfeldes brauchen nicht notwendig verbal realisiert zu werden. Insofern müssen Lenkfeld und Malfeld nicht in allen Sprachen ausgebaut sein; nonverbale Mittel mögen beispielsweise an ihrer Stelle fungieren. Allerdings kann vermutet werden, dass eine bestimmte Komplexität der Kommunikationsbedürfnisse eine Ausdifferenzierung derartiger Zwecke und mithin dafür geeigneter sprachlicher Formen nach sich zieht. Dass recht weitgehend ohne derartige Mittel sprachlich gehandelt werden kann, beweisen die systematischen Reduktionen solcher Handlungszwecke und Handlungsmittel unter den Bedingungen der Schriftlichkeit. Der Zweck einer Hörerorientierung mit dem Effekt der Neufokussierung seiner Aufmerksamkeit ist dem Zeigfeld und dessen sprachlichen Mitteln zu Eigen. Der sprachvergleichende Forschungsstand zur Deixis ist mittlerweile so breit, dass demnach kaum eine Sprache bzw. ein Sprachtyp gänzlich ohne Mittel des sprachlichen Zeigens auszukommen scheint, wenngleich sich die qualitative Struktur und die quantitative Differenziertheit als äußerst verschieden erweist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Forschung keineswegs ein einheitlicher Deixisbegriff zugrunde liegt. Insbesondere scheinen „Kontextabhängigkeit der Bedeutung“ und „Sprecherbezug“ sich derart als Kriterium verselbständigt zu haben, dass Bühlers ,Origo‘ nicht mehr als spezifischer Nullpunkt – eben sprechsituativ verankert für sprachliches Zeigen – erkannt, sondern als genereller Nullpunkt jeglicher Perspektivierung mißverstanden und so verallgemeinert wird. Das Zeigen mittels Sprache gerät besonders semiotisch verfassten, physikalistisch lokalisierenden Konzeptionen – etwa in der sprachübergreifenden Raum-Diskussion – für die Bestimmung der deiktischen Mittel weitgehend aus dem Blick – mit der Konsequenz, dass referenzsemantisch Orte, also Verweisobjekte, und nicht das Zeigen zum Kriterium für Lokaldeiktika werden, so dass auch symbolisch verfasste Mittel in Lokalangaben als deiktisch klassifiziert werden (so z.B. für das Deutsche: V. Ehrich 1992). Die systematisch ableitbare, abstraktive Leistung der ,Textdeixis‘ (zusammen-
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fassend Redder 2000) und das Zeigen bei Schriftlichkeit stellen gewiss keine für alle Sprachen entwickelten Zweckbereiche und also Mittelbereiche dar. Bleibt unter dem Aspekt der Relevanz der Zweck des operativen Feldes. Er besteht in der Bearbeitung von Sprache als Sprache, insbesondere in der mentalen Bearbeitung des Propositionalen. Diesem Erfordernis sehen sich – nicht zuletzt wegen der notwendigen Linearisierung von Sprache – alle Sprecher ausgesetzt. Daher dürften in allen Sprachen Mittel zum Vollzug operativer Prozeduren ausgebildet sein. Der Teilbereich der Mittel, der zur Linearisierungsbearbeitung geeignet ist, darf nun allerdings nicht linguozentrisch in Formen der Wortstellung oder gar Kasusflexion erwartet werden, wie polysynthetische Sprachen zeigen. Phorische Fokuskontinuierung und Konnektivität werden bekanntlich in den Sprachen sehr divergent formuliert, falls überhaupt expliziert (z.B. Rehbein 1999, Herkenrath et al. 2003). 4. Sprachliche Felder und Wortarten Bereits bei der tabellarischen Übersicht (Abb. 1) zeigte sich, dass die funktionale Klassifikation sprachlicher Mittel nach Feldern keine Einschränkung auf bestimmte Formen vornimmt. Vielmehr werden auch nicht-lexikalische Mittel wie Morpheme sowie Formen berücksichtigt, die traditionellerweise der Phonologie (intonatorische Mittel) oder der Syntax (topologische Mittel) zugewiesen werden. Demgegenüber ist die aus der griechisch-lateinischen Tradition überkommene Lehre der Wortarten auf lexikalische Ausdrücke als „Wörter“ beschränkt. Darin deutet sich bereits ein differenter Abstraktionsgrad der Kategorien an. Die sprachlichen Felder erlauben eine Klassifikation der Formen auf höherer Abstraktionsstufe. Damit gewinnen sie eine größere Unabhängigkeit von Ausdrucksgegebenheiten einer Einzelsprache, insbesondere Unabhängigkeit vom Sprachtypus. Wenn die deutsche Tradition sich terminologisch auf Wörter als zu klassifizierende Einheiten konzentriert, wird über die formale Selektion hinaus eine sprachspezifische, möglicherweise eine sprachtypspezifische Geprägtheit („kategoriale Implikation“ bei Coseriu 1987) der Ausdrucksmittel präsupponiert. Abgesehen von der theoretischen Komplexität des Wortbegriffs (Eisenberg 1998 und in diesem Band) zeugen wiederum die polysynthetischen Sprachen davon, dass die Wortkategorie gar obsolet werden kann (Nowak 1996). In der modernen Sprachtypologie – einschließlich der Generativen Theorie – betrachtet man gleichwohl bestimmte Wortklassen als übereinzelsprachliche, ja universale, insbesondere die sog. Hauptwortarten N (,Nomen‘, oft irreführend auf ,noun‘ = ,Substantiv‘ eingeschränkt) und V (,Verb‘). Genauer noch: N und V werden nunmehr als Pole einer Skala betrachtet, die je nach Grammatikalisierungsgrad qualitative Zwischenklassen – wie Adjektive, Partizip I und Partizip
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II – in den Sprachen zu erfassen vermag (vgl. Lehmann 1995 und in diesem Band). Damit erfolgt eine Konzentration auf die ontologisch basierten Wortklassen. Die vieldiskutierte Problematik der Wortartenbestimmung seit dem 18. Jahrhundert (Schaeder & Knobloch 1992), besonders die kriteriale Heterogenität (Knobloch & Schaeder 2000), kann dann in den Hintergrund treten. Aus Sicht der FP werden so – jedenfalls für das Deutsche – Subklasssen von Symbolfeldausdrücken kategorial in den Blick genommen. Fragen wir, ausgehend vom Symbolfeld von Sprache, in welcher Relation die Wortarten zum handlungstheoretischen Konzept von sprachlichem Feld und feldspezifischer Prozedur stehen. In der dreibändigen IdS-Grammatik des Deutschen heißt es diesbezüglich einführend: „Eine solche Fundierung im Handlungsprozeß liegt noch vor einer syntaktischen oder auch propositional-semantischen Differenzierung von Ausdrucksklassen, wenngleich sie dort hineinspielt.“ (Zifonun, Hoffmann, Strecker 1997, 27) Feldzugehörigkeiten sind abstraktere und zugleich – im Sinne der bei Schaeder & Knobloch (1992, 2 f.) angeführten Forderungen – systematischere Bestimmungen als solche nach Wortarten. Die Kategorie des sprachlichen Feldes selbst ist, wie gesagt, handlungstheoretisch bestimmt, und zwar als Zweckcharakteristik von Prozeduren im Sinne kleinster Einheiten sprachlichen Handelns, zu deren Vollzug sprachliche Mittel als Formen dienen. Mit der klassischen Lehre des pars orationis bzw. méros lógou teilt sich diese Bestimmung lediglich die grundsätzliche Funktionalität für die oratio bzw. den lógos. Eine Kategorisierung der Mittel nach sprachlichen Feldern liegt systematisch vor einer Kategorisierung nach Wortarten. Insofern lässt das handlungstheoretische Konzept sprachlicher Felder es zu, dass 1. Sprachen existieren, die nahezu oder gänzlich auf eine Binnenklassifikation nach Wortarten verzichten (vgl. Himmelmann in diesem Band), 2. nicht innerhalb aller Felder gleichermaßen Wortarten zu differenzieren sind, 3. für Einzelsprachen historisch differente Ausprägungen auszumachen sind. Die Differenz zwischen einem Wort und seiner morphologischen, syntaktischen und intonatorischen Einbindung im konkreten Gebrauch ist ernst zu nehmen. In einer funktionalen Syntax heißt das: Zwischen prozeduraler Eigenbestimmtheit eines Ausdrucksmittels einerseits und seiner prozeduralen Kombination, Integration oder Synthese (Hoffmann 2003) andererseits ist zu differenzieren. Demnach dürfte sich so manche Klassifikation nach Wortarten für so manche Sprachen erübrigen.
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Das Deutsche fällt synchron unter den in 2. genannten Fall und gehört diachron unter Fall 3. Das bedeutet, dass die sprachlichen Mittel des Deutschen keineswegs durchweg nach Wortarten zu kategorisieren sind, auch nicht lexikalische Einheiten des Typs Wort. Ehlichs Analysen zu den sog. Interjektionen und exemplarische funktionalpragmatische Studien zu lexikalischen operativen Ausdrücken lassen sich als Belege dafür lesen. Für das Lenkfeld (expeditive Feld) erweist sich eine Wortartenbestimmung als unangemessen; Ehlichs Kritik kann als Aufhebung der Wortart „Interjektion“ im Begriff der expeditiven Prozedur gelten. Die Ausdrücke lexikalischer Art, die dem Vollzug einer expeditiven Prozedur dienen, sind mit dieser Feldkategorisierung notwendig und hinreichend bestimmt; das Imperativmorphem – ohnehin kaum wortartenverdächtig – ebenfalls. Ausdrücke, die traditionell als Modalpartikel oder als Konjunktion gelten und insofern zweifach (,denn‘) bis dreifach (,da‘ inkl. Relativum) kategorisiert werden, lassen sich gemäß Redder (1990) einheitlich und einfach als operativ – zuweilen paraoperativ – qualifizieren. Das, was traditionell eine Wortartenunterscheidung nahe zu legen scheint, ist hierfür als Kombination mit anderen operativen Mitteln, insbesondere mit solchen der Wortstellung, oder als prozedurale Integration zu rekonstruieren. Der Gewinn besteht darin, dass die Einheitlichkeit der Bedeutung anstelle polysemer Bestimmungen gewahrt werden kann. Sog. Konjunktionen oder Junktoren (Weinrich 1993) dürften sich hinreichend und notwendig als operative Ausdrucksmittel bestimmen lassen, Partikeln größtenteils als operativ (z.B. Bührig 1996, Cárdenes Melián 1997, Graefen 2000), einige wenige als expeditiv (Liedtke 1994, Rasoloson 1994). Im Symbolfeld kann sich – für das Deutsche – eine Subklassifikation nach Art der ontologisch basierten Wortarten als angemessen erweisen. Allerdings ergibt sich eine gegenüber traditionellen Kategorisierungen differente Binnenstruktur des Feldes. Symbolfeldausdrücke sind grundsätzlich, auch für das Deutsche, abstrakter aufzufassen. Sprachangemessen im Deutschen sind formal vor allem, jedoch nicht ausschließlich, Stämme, obwohl wir aufgrund der Zitierformen schon Wortartenidentifizierungen vorzunehmen gewöhnt sind. In dieser abstrakten Weise sind die Mittel zum Vollzug einer nennenden Prozedur systematisch an der Bildung einer ,elementaren propositionalen Basis (epB)‘ beteiligt, die als mentale Tiefenstruktur von Prozedurenintegrationen, insbesondere von Sätzen, fungiert (Ehlich 1997). Die kategoriale Spezifizierung (im Sinne von Coseriu 1987) und insofern Subklassifikation innerhalb des Symbolfeldes erfolgt sodann nach drei Alternativen: (a) keine weitere Form-Funktions-Spezifikation und also keine Subklassifikation: purer Symbolfeldausdruck;
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(b) standardisierte prozedurale Kombination im Sinne einer biprozeduralen Fusion; (c) standardisierte Kombination mit einer weiteren Prozedur. Pure Symbolfeldausdrücke gemäß (a) sind gewiss solche, die Eisenberg (2002) als eine besondere Gruppe innerhalb der traditionellen Adverbien nach formalen, besonders wortbildungsmäßigen Kriterien ausgliedert und die als Zwitter oder Wechselbälge zwischen Adjektiv und Adverb erscheinen (z.B. ,rund‘, ,grün‘; ,schnell‘). Eine argumentativ gut abgeleitete, jedoch traditionell provokante Bestimmung dieser Ausdrücke als ggf. „flektierende Adverbien“, wie Eisenberg sie nahe legt, erübrigt sich, wenn man diese Ausdrucksmittel als solche anerkennt, die systematisch vor einer Distinktion der beiden Wortarten zu kategorisieren sind, eben als reine Symbolfeldausdrücke. Es ist hier nicht der Raum, um nach weiteren puren Symbolfeldausdrücken im Deutschen zu fragen; ich vermute, dass eine Reihe morphologisch elementarer Substantive, Basisverben und grundlegende Präpositionen dazu gehören. Gemäß (b) sind für das Deutsche die meisten Subklassen zu verzeichnen. Dies liegt erstens an der ausgeprägten Wortbildung (Derivation) (Eisenberg 1998, § 6). Die Symbolfeldausdrücke fusionieren (Matras 1994) dabei mit verschiedenen Klassen von operativen Ausdrücken wie z.B. ,-heit‘ und ,-ung‘, ,-ig‘ und ,-lich‘ oder operativ funktionalisierten (puren) symbolischen Ausdrücken wie ,-bar‘ und ,-weise‘. Zum einen bilden sich aus der Fusion Ausdrucksmittel, die als Substantive zu kategorisieren sind, zum anderen Adjektive und schließlich eine Gruppe klassischer Adverbien. Die genannten operativen Ausdrücke („Derivationsmorpheme“) identifizieren zwar hinreichend Subklassen nach Wortarten und leisten darüber hinaus wiederum bestimmte semantische Spezifizierungen, sie sind aber, wie prozedurale Kombinationen mit Mitteln aus (a) zwecks Flexion retrograd erweisen, nicht notwendig für die Bildung dieser Wortarten, d.h. sie können nicht als „Wortartenmacher im Symbolfeld“ gelten. Eine wortartenbildende Fusion kann zweitens mit bestimmten Affixen erfolgen, insbesondere mittels operativem ,-er‘ und ,-s‘ (ursprünglich Genitivmorphem). Durch Fusion mit ,-er‘ leiten sich, bezogen auf bestimmte, morphologisch einfache Symbolfeldausdrücke (,-arbeit-‘, ,-les-‘), Substantive, genauer: nomina agentis, ab; durch Fusion mit ,-s‘ entstehen Adverbien als verbale Modifikatoren (z.B. ,anfangs‘, ,abends‘) oder Präpositionen (,längs‘). Des Weiteren fungieren derart die operativen Affixe ,-end‘ und ,ge-...-t‘ zur Klassifikation infiniter Verben, die als solche Wirklichkeit unter dem Aspekt ihrer Veränderung in bestimmten Konstellationen benennen (vgl. Redder 1992). Eine Fusion purer Symbolfeldausdrücke mit ,-en‘ führt zur Subklasse der Verben (,arbeiten‘) in der Form des verbalen Infinitivs, so dass Wirklichkeit unter dem Aspekt ihrer Veränderung benennbar wird.
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Eine standardisierte Kombination mit weiteren Prozeduren gemäß (c) liegt beispielsweise dann vor, wenn durch die operativen Mittel der Determination aus puren Synbolfeldausdrücken ontologisch bestimmte Substantive werden (,das Arbeiten‘). Wenn in einem anderen Fall Ausdrücke der relationalen Bedeutungsgruppe purer Symbolfeldmittel (,in-‘, ,an-‘) standardmäßig mit einem weiteren symbolischen Ausdruck einer substantivischen Subklasse kombiniert werden (,in-‘ + Subst), können erstere als Klasse der Präpositionen (,in‘) innerhalb des Symbolfelds ausgegliedert werden; das Konzept der Rektion läßt sich als standardisierte operative Bearbeitung dieser Kombination (mittels der obliquen Kasusmorpheme) zu einem Prozedurenintegral mit (+ Akk) oder ohne Dynamisierung (+ Dat) rekonstruieren (vgl. Grießhaber 1999). Die Kombination von ,in-‘ mit einem Symbolfeldausdruck der verbalen Subklasse ergibt die Klasse der sog. Partikelverben; erstere Ausdrucksmittel gelten dann traditionell als aus Präpositionen abgeleitete Partikeln statt gleichermaßen als pure relationale Symbolfeldmittel vor einer Subklassifikation, wie sie in den jeweiligen Prozedurenkombinationen erst erfassbar werden. Das Symbolfeld lässt sich nach diesem Überblick grob binnenstrukturieren in: –
– –
pure Symbolfeldausdrücke, also Mittel zum Vollzug nennender Prozeduren vor jeglicher Wortartendifferenzierung (Wortstämme polyfunktionaler Art inkl. traditionell als einfache Substantive, Verben oder Präpositionen bestimmter Mittel), mittels Prozedurenfusion klassifizierte Ausdrücke gemäß der traditionellen ontologisch basierten Hauptwortarten (derivierte Substantive, Verben, Adjektive, klass. Adverbien), mittels standardisierter Prozedurenkombination retrograd klassifizierte Ausdrücke (Präpositionen; determinierte bzw. flexionsmarkierte Substantive, Verben, Adjektive).
Es erweist sich bereits an der Substruktur des Symbolfeldes, dass für sprachinterne Zwecke im Sinne von Ehlich (1980) – und darauf sind die traditionellen grammatischen Phänomene und insofern die Grammatikalisierungsdiskussion konzentriert – Mittel des operativen Feldes eine wichtige Rolle spielen. Pure Symbolfeldausdrücke sind demgegenüber als ausgezeichnete Grundlage für Wortfelder zu betrachten. 5. Wortartenwechsel oder Feldtransposition Historizität ist Sprache immanent (Österreicher 2001) – ebenso wie Gesellschaftlichkeit, lässt sich funktional-pragmatisch präzisieren, so dass beispielsweise in der Auseinandersetzung, die Haspelmath (1999) artikuliert, Itkonen
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(1999) zuzustimmen ist. Phänomene, die traditionell als Wortartenwechsel bzw. Konversion diskutiert werden, sind Zeugen eines systematischen FormFunktions-Ausbaus durch die Sprecher einer Sprache. Unter derartiger Perspektive ist für das Deutsche funktional-pragmatisch besonders interessant, dass Subklassen des operativen Feldes zu einem außerordentlich großen Teil systematisch aus deiktischen Mitteln abgeleitet sind, so dass man von einem deiktischen Strukturausbau des Deutschen sprechen kann (Redder 2001). Dies mag im Wege einer Prozedurenkombination geschehen (komplexe Konjunktionen, Korrelate und Partikeln, Ehlich 1986a, Redder 1986, Eggs 2003) oder durch einfache funktionale Transposition (z.B. einfache Konjunktion, Partikel, Relativum, Determination; Konjunktiv II-Morphem -t- gemäß Bredel & Lohnstein 2003). Rehbein (1995) spricht deshalb für den kombinierten Teil dieser Mittel von „zusammengesetzten Verweiswörtern“, wodurch allerdings die operative Funktionalisierung kategorial nicht durchsichtig wird. Was bedeutet „Feldtransposition“ oder „Funktionalisierung“ für die Zwecke eines anderen Feldes? Es gibt das Phänomen der bedürfnisgeleiteten Funktionalisierung eines Mittels von Feld X mit genuiner Funktion x zu Zwecken von Feld Y mit Funktion y, so dass das genuine x (genauer: X-Mittel) im Laufe der Zeit für alle Sprecher die Funktion y erfüllt (Ehlich 1994). Wird diese Funktionalisierung standardisiert, spricht man von der Feldtransposition dieses Mittels; es gehört dann – gemäß einer funktional-etymologischen Rekonstruktuktion – als para-y dem Feld Y zu. Ehlich (1986a) entwickelt das Konzept der Feldtransposition an der Funktionalisierung der Aspektdeixis ‘so’ für operative Zwecke (Kombination ,...so, dass‘ bis zu ,..., so dass‘) oder für expeditive Zwecke (isoliertes ,so‘ mit tonaler Differenzierung). Meine These lautet nun: Es lassen sich aus einer sprachgeschichtlichen Sicht, wie sie die Grammatikalisierungsforschung einnimmt, drei Typen von Feldtransposition unterscheiden: (1) Transposition in historia / historische Transposition (2) Transposition in actu / aktuelle Transposition (3) Transposition in potentia / potentielle Transposition Dies soll am Deutschen genauer ausgeführt werden. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt im Folgenden bei der aktuellen und potentiellen Transposition. 5.1 Beispiele für historische Transposition Eine historische Transposition (Typ 1) liegt dann vor, wenn der para-Ausdruck gesellschaftlich fest etabliert und – sei es parallel zum genuinen, sei es abge-
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koppelt und verselbständigt – so an die nächsten Generationen von Sprechern vermittelt wird. Beispiele dieser Art finden sich, wie gesagt, besonders zahlreich im operativen Feld des Deutschen. Ich nenne einige und verweise im Detail auf die Literatur dazu. • Die traditionell als Partikel bzw. Proadverb einerseits und Konjunktion andererseits bestimmten Ausdrücke ,denn‘ und ,da‘ lassen sich funktionaletymologisch rekonstruieren als operativ funktionalisierte einfache Deixeis; des weiteren erweisen sich im Rahmen der funktionalen Etymologie ,weil‘ und ,nämlich‘ als operativ funktionalisierte Symbolfeldausdrücke (cf. Redder 1990). Wir haben jeweils also Para-Operativa vor uns, wobei diese Genese für ,weil‘ und ,nämlich‘ am meisten aus dem Bewusstsein der Sprecher geraten ist, weil keine parallelen genuinen Nutzungen mehr zu verzeichnen sind – anders als bei ,denn‘ (bes. in norddeutscher Varietät) und vor allem ,da‘. • Die genusneutrale Objektdeixis ,das‘ machte eine Feldtransposition ins operative Feld durch. Ergebnis ist das orthographisch gekennzeichnete para-operative Mittel ,dass/daß‘ (Ehlich 1986a). Fixiert und operativ aufgehoben wurde dabei die katadeiktische Verweisung auf den gesamten propositionalen Gehalt des in Rede oder Text unmittelbar folgenden „Nebensatzes“, also der desententialisierten Folgeäußerung. • Alle Genusformen der Objektdeixis wurden operativ funktionalisiert zum sogenannten Relativpronomen ,..., der/die/das‘, welches im Hochdeutschen standardmäßig jegliche desentential ausgeführte Attribution erlaubt (Redder 1990; zum deutsch-arabischen Vergleich Eissenhauer 1999). Voraussetzung war die Stillstellung eines anadeiktischen Verweises auf relativ nahe genusidentische nominale Elemente des propositionalen Gehaltes im Rede- oder Textraum als Verweisraum. Demgegenüber nutzt das Bayerische z.B. operatives ,wo‘ (Bayer 1984). Vermag infolge der Äußerungsabfolge keine anadeiktische Verweisung oder zwecks angemessenem Verstehen nur eine katadeiktische Verweisung auf bereits mental verarbeitete substantivische propositionale Elemente (als π-Elemente statt p-Elemente) operativ aufgehoben zu werden, treten auch im Hochdeutschen die operativen Mittel der Vorkategorisierung von bestimmtem Nicht-Gewußten an die Stelle (,wo‘, ,wer‘, ,was‘, ,welcher/welche/welches‘, Redder 1990 im Unterschied zu relativischem ,..., da‘ mit Bezug auf temporale πElemente). • Die Objektdeixeis wurden des Weiteren, auf katadeiktischer Basis im Textraum, operativ funktionalisiert für Zwecke des Wissensmanagements. So wird DET bzw. der bestimmte Artikel als Paraoperativum standardisiert, und zwar in unmittelbarer (adjazenter) Kombination mit substantivischen nennenden Prozeduren (Ehlich 2003, Kovtun 2003, Redder 2001a,
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Stark 2003); Himmelmann spricht – im Anschluß an Bühlers topomnestisches Zeigen – von emergent „anaphorischen“ Mitteln (1997). Deixeis wurden in zahlreichen biprozeduralen Einheiten operativ funktionalisiert (,deswegen‘, ,damit‘, ,demnach‘ etc., Rehbein 1995). Ehlich & Rehbein (1972) erwägen die Verselbständigung des Konjunktivs II von ,mögen‘ als ein neues Modalverb ,möchten‘. Dies lässt sich m.E. im Rahmen der funktionalen Etymologie als eine feldinterne Transposition rekonstruieren, und zwar innerhalb des Symbolfeldes, indem eine bestimmte biprozedurale Form eingefroren und verselbständigt wird innerhalb einer bestimmten, modalen Subklasse von verbalen nennenden Ausdrücken.
Bis auf den letztgenannten Fall würde die Grammatikalisierungsforschung wohl für alle Beispiele eine gelungene Grammatikalisierung konstatieren. Traditioneller Wortartenwechsel oder Translation könnte nur für einfache, nicht prozedural kombinierte Funktionalisierungen, also nicht für „zusammengesetzte Verweiswörter“, angesetzt werden und entfiele ebenfalls für das letzte Beispiel einer feldinternen Transposition. 5.2 Beispiele für aktuelle Transposition Aktuelle Feldtranspositionen (Typ 2) sind nicht ganz so zahlreich, aber doch deutlich. • In zunehmend standardisierter prozeduraler Kombination von ,werden‘ mit dem Modusmorphem des Konjunktiv II als Mittel der Π:p-Qualifizierung des Prädikats (in Opposition zur P-Qualifizierung, Redder 1992, 134) wird ,werden‘ vom Symbolfeld ins operative Feld transponiert, so dass ein verselbständigtes (para)operatives Ausdrucksmittel ,würd-‘ entsteht (Redder 1999, § 5.3). Argumentationsbasis für Indikativ, Konjunktiv I und Konjunktiv II: sprachtheoretisches Grundmodell (Ehlich & Rehbein: Muster und Institution. Tübingen 1986, 96) mit der Differenzierung dreier Wirklichkeitsqualitäten: P = außersprachliche, Π = mentale, p = sprachliche Wirklichkeit
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(Temp.) Ind.
ΠS
ΠH K II
p
KI
Abb. 3: Funktion der Modus verbi relativ zum sprachtheoretischen Grundmodell (aus Redder 1992, 134)
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Gegenwärtig (vgl. Eisenberg 1986, § 1.1), d.h. aktuell, ist eine feld-interne Transposition von paraoperativem ,weil‘ und ,obwohl‘, ,trotzdem‘ zu beobachten, indem diese Ausdrücke in Kombination mit einem Hauptsatz, d.h. mit Zweitstellung des finiten Verbs, anstelle eines sog. Nebensatzes auftreten. Die Transposition innerhalb des operativen Feldes hat den Zweck einer Diskurs-bezogenen, allgemeiner also p-bezogenen Relationierung von Sprechhandlungen und, wie Redder (2004) zu zeigen versucht, den Zweck einer nicht-linearen propositionalen Anknüpfung von differentem Wissenstyp zum Vorhergesagten. In der Ethnographie des Sprechens werden diese transponierten Ausdrücke als discourse marker qualifiziert, z.B. bei Günthner (1993).
Für das Beispiel ,weil‘ ergeben sich so folgende funktional-pragmatische Bestimmungen: (α) Historisch wird ein Symbolfeldausdruck (,wile‘) ins operative Feld transponiert, so dass im Gegenwartsdeutschen ein para-operatives Mittel ohne Bewußtsein der Transposition (Typ 1) vorliegt (s.o. § 5.1), also eine erfolgreiche ,Grammatikalisierung‘ im Sinne von Lehmann. Darauf basiert eine stabilisierte (para-)operative Nutzung zum Zweck der schwerpunktmäßig P-bezogenen Darlegung von Sachzusammenhängen im Grund-Folge-Denken (Redder 1990, 321).
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weil
P
da
ΠH
ΠS
denn
p nämlich
Abb. 4: Funktion der kausalen Ausdrücke ,weil‘, ,da‘, ,denn‘, ,nämlich‘ relativ zum sprachtheoretischen Grundmodell (aus: Redder 1990, 321)
Die Funktionalität innerhalb dieses operativen Feldbereichs hat für die illokutive Entfaltung der komplementierten Konstituentenstruktur (vgl. ForceP bei Rizzi 1997) die Konsequenz, dass ,weil‘ in sog. Nebensätzen als „Illokutionsstopper“ fungiert (Redder 2004). (β) Aktuell erfolgt eine intra-operative Transposition zum Zweck der Diskursbezogenen Sprechhandlungsrelationierung. Im Zuge dieser internen Transposition wird die Illokution der komplementierten Konstituentenstruktur nicht gestoppt, sondern durchlässig gemacht. Aktuell intra-operatives ,weil‘ fungiert demnach als „Illokutionstransmitter“ und läßt die Illokution des nunmehrigen Hauptsatzes zur Geltung kommen. Daraus ergeben sich die vielfach diskutierten pragmatischen Differenzierungen als Mittel zur Äußerungsbegründung etc; und es resultiert daraus die Möglichkeit, nunmehr qualitativ anderes Wissen, einen anderen Wissenstyp im propositionalen Gehalt anzuschließen. Diese aktuelle feldinterne Transposition scheint des Weiteren eine Drift hin zur potentiellen Transposition aufzuweisen, indem sich eine Differenzierung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit der Mittelverwendung abzeichnet. Der Ausdruck ,weil‘ tendiert demgemäß für Mündlichkeit – besonders in intonatorisch isolierter Verwendung – zu einer Re-Transposition in das Symbolfeld im Sinne eines Symbolfeldausdrucks 2. Stufe (anstelle der genuinen Ausgangsbasis eines puren Symbolfeldausdrucks) (Redder 2001).
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5.3 Beispiele für potentielle Transposition Potentielle Transpositionen (Typ 3) sind empirisch nicht leicht zu bestimmen. Zwei Ausdrucksklassen scheinen allerdings unter diesem Aspekt besonders produktiv zu sein: Modalverben und lokale Präpositionen. Modalverben (α) In einfacher (sog. „deontischer“) Verwendung fungieren die Modalverben als Mittel des Symbolfeldes. Im Einzelnen benennen sie spezifische Etappen in der mentalen Vorgeschichte einer Handlung bzw. in der latenten Vorgeschichte eines Prozesses (Ehlich & Rehbein 1972, Redder 2000a). (β) In abgeleiteter (sog. „inferentieller/epistemischer“) Verwendung, d.h. auf zweiter Stufe (Redder 1984), dienen die Modalverben im Deutschen als Mittel des operativen Feldes. Im Wege der Feldtransposition werden sie – und zwar im Gegenwartsdeutschen ständig latent, mithin potentiell – zum para-operativen Mittel. Die Modalverben operieren dann über den illokutionssspezifischen mentalen Prozessen von Assertionen; je nach Modalverb differiert die assertive Sprechhandlungssituation hinsichtlich S und H. Nicht formale Differenzen, sondern semantische Selektionsbeschränkungen und aktuelles Diskurswissen von S und H bedingen das Verstehen bzw. Erkennen der operativen Transposition. Sie ist als Potential der Ausdrucksmittel produktiv, nicht standardisiert historisiert oder grammatikalisiert, auch nicht im aktuellen Übergang dahin. Diewald (1999) mißinterpretiert m.E. Bühler, wenn sie (β) als Verschiebung ins Zeigeld interpretiert, abgeleitete Modalverbverwendung bzw. „epistemische“ Modalverben also als grammatikalisierte Deixeis (m.a.W. paradeiktisch) bestimmt. Grund für diese Fehlbestimmung ist eine Konzentration auf das Origo-Konzept und ein Ausblenden der Handlungsfunktion des (sprachlichen) Zeigens von Deixeis gemäß Bühler zugunsten einer Resemiotisierung. Eine klassische Wortartenbestimmung kann die beiden prozeduralen Potentiale nicht differenzieren. Sie traktiert die Modalverben als solche (i.a. grammatisch motiviert) und fixiert die Nutzung durch semantisierende Charakterisierungen, wie sie in der namentlichen Attribution (deontisches vs. epistemisches / inferentielles ,können‘ etc.) deutlich werden; daraus entsteht tendenziell eine polysemische Auffassung und Vervielfältigung der Mittel. Die funktional-pragmatische Rekonstruktion von Transpositions-Potentialen oder potentieller Transposition der Modalverben eröffnet m.E. neue Perspektiven für kontrastive Analysen (vgl. Redder 2000a; 2001a).
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Bereits in § 5.1 stellte sich die Frage, ob es flektierende Adverbien [z.B. ,rund‘, ,grün‘; ,schnell’ etc.] gebe (Eisenberg 2002)? Die Ausdrücke gehören dem Symbolfeld als pure Symbolfeldausdrücke vor jeglicher Wortartendifferenzierung zu, wurde gesagt.
(α) Deren kombinatorische Verwendung mit Bezug auf Substantive, insofern als Konstituente von NP/DP und also dekliniert im Sinne der nominalen Monoflexion des Deutschen sowie syntaktisch attributiv, kann dann zur Nennung von Eigenschaften von Objekten dienen und von dieser Kombination her, retrograd gedacht, als Zugehörigkeit zu einer Klasse des Symbolfeldes erscheinen, die wir wortartenmäßig Adjektive nennen. (β) Deren kombinatorische Verwendung mit Bezug auf das Prädikat, also als Specifier von V in VP bzw. IP und insofern nicht flektiert sowie syntaktisch adverbial oder prädikativ, kann demgegenüber zur Nennung von Eigenschaften von Handlungen oder Prozessen dienen. Relativ zu (α) erscheint das Mittel von dieser Kombinatorik her gedacht als feld-intern transponiert, und zwar in die Klasse der traditionellen Adverbien. Da jegliche Fusion – durch Flexionsmorpheme etwa wie in (α) – fehlt, bleibt es funktional-pragmatisch gesehen bei der Zugehörigkeit zu den puren Symbolfeldmitteln vor einer Wortartendifferenzierung. (γ) Tatsächlich lässt sich eine potentielle Transposition ins operative Feld ausmachen, wenn diese puren nennenden Prozeduren zwecks standardisierter (Um-)Kategorisierung des Prädikats bzw. der Prädikation paraoperativ genutzt werden. Auf eine solche Funktionalität von Adverbialen für die Verb-Klassifikation wies bereits Bartsch (1972) hin – eine typische Leistung operativer Mittel. Ein Wortartenwechsel ist für Fall (α) und (β) nicht anzunehmen, da im Deutschen die zugrunde liegenden symbolischen Ausdrucksmittel vor einer Opposition in symbolisierende oder operative Prozeduralität ausgebildet sind. Aus Sicht der klassischen Wortartenzuordnung wären sie also als ‘Neutralisationsformen‘ gegenüber der Adjektiv-Adverb-Opposition anzusprechen. Mit dem Konzept der potentiellen Transposition soll das inhärente und produktive Potential für – in diesem Fall operative – Funktionalisierungen systematisch erfasst werden. Eine Deskription als flektierendes Adverb oder nichtflektierendes Adjektiv mit ihren inhärenten kritischen Dissonanzen erübrigt sich dann.
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Präpositionen Auch sog. Präpositionen bergen ein Potential nach zwei funktionalen sprachlichen Feldern hin. (α) In einfacher Verwendung handelt es sich um Mittel zum Vollzug symbolischer, nennender Prozeduren. Quasi-empirische Beispiele sind: >Die Dachterrasse auf der Schule dient als Pausenhof.Im Buch liegt eine Postkarte als Lesezeichen.< (β) In kategorisierender Verwendung handelt es sich um Mittel zum Vollzug para-operativer Prozeduren, d.h. um eine Transposition ins operative Feld mit der Konsequenz einer Umkategorisierung des Substantivs in eine höhere Abstraktionsstufe. Quasi-empirische Beispiele sind: >Auf der Schule/Universität verlieren sich häufig die Einzelinteressen.Im Buch stehen interessante Ausführungen zu XY.< Selektionsbeschränkung und Diskurswissen klären für den Hörer weitgehend die Verwendung, d.h. das der Äußerung angemessene prozedurale Verständnis. Grießhaber (1999) verallgemeinert m.E. zu weit reichend die umkategorisierende Leistung als kategorisierende par excellence, wenn er (lokale) Präpositionen generell als Mittel des operativen Feldes bestimmt. 5.4 Vorteile der feldtheoretischen gegenüber der wortartspezifischen Argumentation 1. Die funktionale Handlungsanalyse erlaubt eine konsistente Darstellung der Ausdrucksverhältnisse. Grundlegend sind die Kategorie des sprachlichen Feldes und die funktional-etymologische Rekonstruktion von Feldzugehörigkeit und Feldtransposition sprachlicher Mittel zum Vollzug von Prozeduren. Die mehrfach kritisierten Inkonsistenzen der Klassifikation sprachlicher Ausdrücke nach Wortarten (cf. Knobloch & Schaeder 2000) entfallen. Zudem ist keine Beschränkung auf wortförmige Ausdrücke einer Sprache erforderlich. Form-Funktions-Relationen wird systematisch Rechnung getragen. 2. Es ergibt sich eine dynamisch-prozessuale Argumentation anstelle einer statisch fixierenden Argumentation, wie (zeichenzentrierte) Wortartenzugehörigkeit dies impliziert. Somit sind auch aktuelle und potentielle Funktionalisierungen als Transpositionen rekonstruierbar und keine Entweder-Oder-Entscheidungen im Sinne von Wortartenwechsel bzw. Konversion oder von wortartdifferenten Homonymieannahmen induziert.
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Als Besonderheit ist zu konstatieren: Es gibt feld-interne Transpositionen. 3. Das Zusammenwirken (die „modulare Interaktion“), genauer: das Wechselverhältnis zwischen Syntax, Semantik und Pragmatik ist systematisch in die prozedurale Analyse einbegriffen. 4. Die Argumentation mittels funktionaler Feldzugehörigkeiten erfolgt auf breiter sprachtheoretischer Basis und stellt keine ad hoc- oder Einzelbestimmung dar. 5. Da Feldcharakteristika tendenziell universale Funktionskategorien darstellen, können typologische Festlegung oder linguozentrische Analyse vermieden werden. 6. Historische Entwicklung, insbesondere die Emergenz sprachlicher Strukturen bzw. Ausdrucksmittel, kann in ihren qualitativen Umschlagpunkten rekonstruiert und systematisiert werden. Die vorgeschlagene Differenzierung dreier Transpositionstypen soll der Komplexität historischer Veränderung sowie der unterschiedlichen Formqualität ihrer Erscheinungsweise Rechnung tragen. 7. Es erfolgt keine Bevorzugung einer Entwicklungsrichtung (Unidirektionalität), wie dies die Kategorie der „Grammatikalisierung“ – zumindest in ihrer orthodoxen Form – bislang nahelegte. Das Konzept der ,Grammatikalisierung‘ betrifft aus der funktionalpragmatischen Perspektive: – historisch standardisierte Veränderungen, besonders historische Transpositionen; – vor allem para-operative Prozeduren, d.h. Funktionalisierungen zu operativen Zwecken; – morphologisch oder syntaktisch kategorisierbare Feldtranspositionen. (vgl. Redder 1999 zu ,werden‘). Diese größere Differenzierung im Rahmen der Konzeption sprachlicher Felder und der ihnen eigenen Form-Funktions-Relationen mag als kritische Einschätzung der Reichweite und analytischen Schärfe des Konzepts der Grammatikalisierung gelten. Das traditionelle Konzept der Wortarten lässt sich im Rahmen der Felderkonzeption reanalysieren. Es erweist sich als ungeeignet für eine basale Klassifikation sprachlicher Ausdrucksmittel – für das Deutsche ebenso wie einzelsprachübergreifend. Insbesondere zeigt sich an der Binnenstruktur des Symbolfeldes (s.o. §4), dass die durch Wortarten kategorisierten Ausdrucksklassen auf verschiedenen prozeduralen Ableitungsstufen (Fusionen, Kombinationen, Integrationen) angesiedelt sind. Während die ontologisch basierten Wortarten funktionalpragmatisch ableitbar sind, verlieren Wortarten wie Interjektion und Pronomen
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ihre analytische Distinktionskraft; sie werden angemessen durch Bestimmungen der einerseits expeditiven und andererseits deiktischen Feldzugehörigkeit ersetzt bzw. im Falle der sog. Fragepronomina und Indefinitpronomina sowie der traditionellen Personal- und Possessivpronomina der 3. Person durch Bestimmung der genuin operativen Feldzugehörigkeit. Die pragmatische „Verlegenheitskategorie“ der Partikeln, aber auch die der Konjunktionen bzw. Junktoren sind angemessener als operative Subklassen in spezifischer syntaktischer Umgebung, mit Hoffmann (2003): in spezifischer syntaktischer Prozedurenkombination, zu analysieren. Die Wortarten Relativpronomen und Determination (best. Artikel) sind angemessener im Rahmen von Feldtranspositionen (im Hochdeutschen genauer: vom Zeigfeld zum operativen Feld) zu bestimmen – im Falle der „w-Relativa“ handelt es sich um eine intra-operative Transposition. Von der notorisch problematischen Kategorie der Adverbien verbleibt lediglich der deutlich derivierte Ausdrucksbestand als Subklasse des Symbolfeldes, während Eisenbergs „flektierte Adverbien“ (2002) sich als pure Symbolfeldausdrücke vor jeglicher Wortartendifferenzierung erweisen und die sogenannten Proadverbien als genuine Deixeis. Eine Reihe von Phänomenen und Fragen konnten in diesem Rahmen freilich gar nicht oder nicht ausführlich behandelt werden. Dazu sind detaillierte Einzeluntersuchungen im Deutschen wie sprachvergleichend erforderlich. Es sollte jedoch die Verhältnisbestimmung zu Wortartenkonzeptionen und zur Grammatikalisierungsforschung deutlich geworden sein. 6. Literatur Andresen, H. & Redder, A. (Hrsg.) (1985): Aphasie. Kommunikation von Aphatikern in Therapiesituationen. Bremen: OBST 32. Bartsch, R. (1972): Adverbialsemantik. Frankfurt/M.: Athenäum. Bayer, J. (1984): Towards an explanation of certain that-t-phenomena: The COMP-node in Bavarian. In: de Geest, W. & Putseys, Y. (eds.) Sentential Complementation. Dordrecht: Foris, 23– 32. Bredel, U. & Lohnstein, H. (2003): Die Verankerung von Sprecher und Hörer im verbalen Paradigma des Deutschen. In: Hoffmann, L. (Hg.), 122–154. Bühler, K. (1934; 19652): Sprachtheorie. Jena/Stuttgart: Fischer. Bührig, K. (1996): Reformulierende Handlungen. Tübingen: Narr. Cárdenes Melián, J. (1997): Aber, denn, doch, eben und ihre spanischen Entsprechungen. Münster: Waxmann. Coseriu, E. (1987): Formen und Funktionen. Tübingen: Niemeyer. Diewald, G. (1999): Die Modalverben im Deutschen. Tübingen: Niemeyer. Eggs, F. (2003): „Weiß sowieso jeder“ – Eine funktional-grammatische Analyse der Ausdrücke sowieso, eh, ohnedies und ohnehin. In: Hoffmann, L. (Hg.), 270–306. Ehlich, K. (1979): Verwendungen der Deixis beim sprachlichen Handeln. 2 Bde. Frankfurt/M.: Lang. — (1981): Sprachmittel und Sprachzwecke. Antrittsvorlesung Universität Düsseldorf (= 1982 als TILL 1 (Tilburg Papers in Language and Literature)).
Wortarten oder sprachliche Felder, Wortartenwechsel oder Feldtransposition? — —
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Petra M. Vogel (Bern) Conversion and derivation in different part-of-speech systems1 Abstract It is argued that there are two types of conversion and derivation, namely lexical conversion and derivation on the one hand, syntactic conversion and derivation on the other hand. Formally unmarked transfers in lexicon and syntax are called conversion, formally marked transfers derivation. Speaking of parts of speech or word classes, one has to differ between the word level and the syntactic level. This becomes evident when looking at languages with different part-of-speech systems. In principle, there are two extreme systems. Languages like Chinese, for example, are said to have no word classes because any word can be used in any syntactic position (low degree of grammaticalization). In contrast, we have languages like Classical Latin where every word seems to occupy a specific syntactic position (highly grammaticalized part-of-speech system). Section 1 of this paper will show how lexicon and syntax are related and why there are two extreme part-of-speech systems that will lead to so-called type-token and noun-verb languages (following Broschart 1997). Using Tongan as an example of a type-token language in Section 2 and German as an example of a noun-verb language in Section 3, an investigation will be undertaken into what processes can be classified as lexical / syntactic conversion and lexical / syntactic derivation, respectively.
1. The preliminaries: lexicon, syntax, and parts of speech It is undeniable that with regard to parts of speech or word classes there seems to be some relationship between lexicon and syntax or between syntactic slot and lexeme. Given that there are at least two syntactic slots signalling, for example, ‘nominal’ identifying reference and ‘verbal’ predication (cf. Broschart 1997), it seems natural, at any rate with regard to the classical IndoEuropean languages, that lexemes are specified for a particular syntactic slot. In this case, the assignment to a particular syntactic category is already an obligatory and integrative characteristic of the lexeme itself and words are grouped according to their syntactic slots (and their inflectional endings that 1
This is a modified and shortened version of my paper ‘Grammaticalisation and part-ofspeech systems’ (Vogel 2000).
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Petra M. Vogel
are characteristic for the respective lexeme group). One could speak here of ‘syntactically determined’ lexeme classes, which is exactly what is traditionally meant by ‘word classes’ as morphosyntactic categories of a particular inflectional paradigm and syntactic slot characterizing the ‘lexeme’. According to the definition that grammaticalization is, among other things, “concerned with the question ... of the fixed and the less fixed in language” (Hopper/ Traugott 1993: 1) it is possible to speak here of a highly grammaticalized partof-speech system (because lexeme and syntactic slot represent a fixed unit). The concept of word classes (and subclasses like verbs or nouns) is important in traditional grammar writing, especially since the classical IndoEuropean languages are characterized by such syntactically determined lexeme classes. In fact, only these should be called ‘word classes’ (as a specific partof-speech system), just as terms like ‘verb’ or ‘noun’ should only be used within the ‘word class’ framework. Languages of this type could be called ‘noun-verb languages’ (cf. Broschart 1997). But theoretically there may be other types of categorization. For instance, there are languages where the greatest part of the lexemes can appear in quite different syntactic slots (signalling, for example, predication and identifying reference) without any further measures being obligatorily taken. In this case, lexemes are neutral or multifunctional with regard to identifying reference or predication and are syntactically not specified in the lexicon. They are unspecified types, not specified tokens. Only the syntactic phrases are determined (and thus tokens) and not the lexemes themselves. Languages of this type, for example Tongan, are called ‘type-token languages’ by Broschart (1997). Accordingly, their part-of-speech system can be described as ungrammaticalized. Apart from this parameter of (non-)fixedness between syntax and lexicon, there is another important point that must be taken into consideration. Hengeveld (1992: 58) shows that with regard to parts of speech there is an implied markedness dichotomy of ±inherent predicatability. – –
A verbal predicate is a predicate which, without further measures being taken, has a predicative use only. A nominal predicate is a predicate which, without further measures being taken, can be used as the head of a term.
This means that verbal predicates are inherently predicatable ([+pred]), while nominal predicates are not ([–pred]). Thus, the latter group may or may not need additional material in order to be predicatable, while verbal predicates definitely do in order to appear in another than the predicative use (cf. also Broschart 1997: 154). From this and from what we have said earlier follows that in type-token languages where the predominant distinction lies in the opposition lexical type
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vs. syntactic token, the differentiation regarding predicatability is confined to the syntactic level because most lexemes are neutral with regard to [±pred]. Thus, it is not the lexemes, but the phrases that are either [+pred] and ‘verbal’ or [–pred] and ‘nominal’. In noun-verb languages, the differentiation [±pred] is already part of the lexicon; the predominant distinction here is [+pred] vs. [–pred] or verb vs. noun. The majority of lexemes is not neutral with regard to this distinction. The crucial point, however, is that [–pred] is ambiguous. It can either imply that an item is strictly non-predicatable, or it can imply that it is neutral with regard to predicativity: ‘nothing is positively said about the presence of the property in question’ (Broschart 1997: 154). A shift from [+pred] to [–pred] is necessarily marked or even impossible (case A). Two options, however, arise with transfers from [–pred] to [+pred]. Such a shift may also either be marked or impossible (case B) or it may even be unmarked (case C). This means that in case C items can simply change from one category to another, while in case A and case B they need specific markers to do this. A formally marked transfer from [+pred] to [–pred] (case A) or from [–pred] to [+pred] (case B) will be called lexical derivation on the lexical level, and syntactic derivation on the syntactic level. A formally unmarked transfer from [–pred] to [+pred] (case C) will be called lexical conversion on the lexical level, and syntactic conversion on the syntactic level (remember that there is no formally unmarked transfer from [+pred] to [–pred]). Note that derivational processes are called ‘lexical’ when they operate on the lexical level and thus create new words or lexemes. As in its traditional use, ‘derivation’ here refers to a formally marked process that results in the formation of new lexemes. To stress the structural parallel, namely the formal markedness, between the formation of ‘new’ lexemes on the one hand and ‘new’ syntactic phrases on the other hand, the term ‘syntactic derivation’ is used. This also holds for ‘conversion’ (lexical and syntactic) when there is no formal markedness implied. In the following two chapters I will show what functions conversion and derivation have in a noun-verb and a type-token language exemplified by German and Tongan, respectively. I will concentrate here on nouns and verbs only, for information regarding other word classes, see Vogel (2000). 2. Conversion and derivation in a typical type-token language The greater number of the lexemes in a type-token language can, without any further measures being obligatorily taken, appear in different syntactic slots signalling, for example, syntactic functions like predication and identifying reference. A type-token language is characterized by lexical multifunctionality
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with regard to syntactic functions because the lexemes themselves are syntactically not specified (this is the reason why we do not talk of lexical conversion here, no transfer takes place). Without any further measures being taken, most Tongan lexemes may appear in ‘nominal’ phrases or ‘verbal’ phrases regardless of whether they refer to ontological objects or events. ‘Nominal’ phrases are characterized by article (ART) elements and signal identifying reference in discourse while ‘verbal’ phrases are characterized by tense / aspect / mood (TAM) elements and signal predication. (1) ‘Verbal’ phrases (1a) object (Broschart 1997: 133) ’e ’uha. FUT 2 rain ‘It will rain.’ (1b)
event (Broschart 1997: 134) na’e kata (e PAST laugh ART.SPEC ‘(The man) laughed.’
tangatá). man.DEF
(2) ‘Nominal’ phrases (Broschart 1997: 133) (2a) object e tangatá ART.SPEC man.DEF ‘the man’ (2b)
event e ’alu ART.SPEC go ‘the (act of) going’
In contrast to lexemes the phrasal tokens themselves cannot be used in all syntactic contexts without further measures being taken. TAM phrases are inherently predicatable [+pred] or ‘verbal’ and may never be used in an identifying referential phrase [–pred] (not even with an additional marker). Thus, syntactic derivation (case A) is excluded. ‘Nominal’ ART phrases, on the other hand are [–pred] and may be used as a predication in connection with a special ‘presentative marker’ ko. Thus, syntactic derivation on the [–pred] side is pos2
The following abbreviations are used: 1 = first person, ACC = accusative, ALL = allative, ART = article, CL = classifier, DEF = definite, FUT = future, GEN = genitive, POSS = possessive, PRST = presentative, SG = singular, SPEC = specific, SUBJUNCT = subjunctive, TAM = tense-aspect-mood.
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sible (case B) while case C (unmarked transfer, syntactic conversion) is nonexistent. (3) Syntactic derivation [–pred] > [+pred] (case B) (3a)
object (Broschart 1997:136) ko e puaka. PRST ART.SPEC pig / pork ‘(It is) a pig / pork.’
(3b)
event (Broschart 1997:140) ko e ’alu PRST ART.SPEC go
’a Sione GEN.AL Sione
ki kolo. ALL town
Lit. ‘(It is) a going of Sione to town.’ = ‘Sione is presently / visibly going to town.’
In such a type-token language, the primary categorial distinction holds between lexical types and phrasal tokens. Furthermore, syntactic phrases can be distinguished according to whether they are, for example, TAM-marked [+pred] or ART-marked [–pred]. Only ART phrases can be transferred. Moreover, they need an additional marker ko in order to be predicatable (syntactic derivation).
[+pred]
[–pred] ART-PHR
SYNTACTIC DERIVATION [+pred]
[+pred] TAM-PHR
Figure 1. Syntactic derivation in Tongan
However, what about inflection and lexical derivation in Tongan? There is no inflection and, accordingly, no finite and nonfinite word forms. TAM and ART items, for example, are phrase markers and do not form an inflectional paradigm characteristic of a specific group of lexemes. As for lexical derivation, there are lexical classes in Tongan defined on semantic and formal grounds whose members can be transferred with the help of affixes. Still, the affixes can combine with words from a wide range of
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semantic domains and do not set off one ‘word class’ from another (Broschart 1997: 146). For example, pule’anga ‘government’ is definitely derived from an action word pule ‘govern’ and itself no longer expresses any action. But as most simple words in the Tongan lexicon it is syntactically not specified and can appear in a TAM phrase (Broschart 1997: 145). (4) ‘oku ‘ikai ke pule’anga PRST not SUBJUNCT government ‘It does not belong to the government.’ (lit. ‘It is not that it government-s.’) Moreover, many meanings expressed with the help of derivation markers in a noun-verb language will be understood from the lexical content or the context in a type-token language. For example, this is true of the so-called ‘nominalizations’, ko + ART phrases. Although ko’ene katá [ko POSS laugh] can refer to the whole proposition ’(it is) the fact that he laughs’, it can also mean ’(it is) his action of laughing’. And although ko e fu’u (CL) katá [ko ART.SP CL laugh] can mean ‘(it is) the one who always laughs’, thereby even referring to one of the arguments of the proposition, it can also refer to the action itself, ‘(it is) the big laughter’ (Broschart 1997: 142). Broschart (1997: 141–142) also points out, that TAM markers do not operate on specific ‘hidden predicates’. te u puaka [FUT 1SG pig / pork] ‘I will provide pork’ does not involve a verb with a fixed cluster ‘object + inherent action’; instead, it comprises an instantiation of the object in time as in ‘in the future (there will be) (non-referential) pig-manifestation (as provision) of me’ (Broschart 1997: 142). The respective predication results from lexical knowledge, because body parts, for example, induce a possessed-by-one relation, names refer to a held-by-one relation, actions to a performed-by-one relation, etc. 3. Conversion and derivation in a typical noun-verb language In noun-verb languages the syntactic category is an integrative part of the lexicon. Syntactic category and lexeme are fixed clusters as opposed to the lexemes in Tongan, which are neutral and can combine with different syntactic categories. Thus, on the type level, lexemes (or to be more exact: stems) are either ‘verbal’ [+pred] or ‘nominal’ [–pred]. Lexical transfers from [+pred] to [–pred] would be impossible or marked (case A), while transfers from [–pred] to [+pred] would be marked (or impossible, case B) or unmarked (case C). An unmarked transfer from [–pred] to [+pred] represents lexical conversion, and a marked transfer from [–pred] to [+pred] or from [+pred] to [–pred] lexical derivation. First of all, we will turn to lexical derivation.
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NOMINAL [–pred]
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VERBAL [+pred] LEXICAL DERIVATION
Figure 2. Lexical derivation in a noun-verb language
I will assume for the time being that the lexical noun-verb concept exemplified in Figure 2 is the one we find, for example, in German. When a verbal stem [+pred] is transferred to the nominal side [–pred] it must be marked (case A). In that case the stem can be combined with nominal inflectional markers and syntactic categories. These marked transfers are lexical derivations, i. e. marked stems in noun-verb languages. In contrast to Tongan, derivations are connected to word classes, because the stem itself is already categorized as belonging to a certain syntactically determined lexeme category. A transposition from [+pred] to [–pred] will typically result in marked verbal abstract nouns and clusters of features with [+pred] as the lexical ‘nucleus’ and [–pred] as the inflectional and syntactic ‘shell’ (for example, Beschreib-ung ‘description’, Reinig-ung ‘cleaning’, Zubereit-ung ‘preparation’). However, deverbal nouns constitute a continuum with regard to ‘nouniness’, which is why some are more ‘nouny’ and others are more ‘verby’. The more nominal the deverbal noun, the more features it shares with ‘typical’ nouns with respect to inflection and syntax. On the other hand, as lexeme and syntactic context are a fixed cluster, a stem transfer from one word class to another may also result in a transfer of the original syntactic context. Therefore, it is possible and even necessary to distinguish an inner and an outer syntactic ‘shell’, with only the outer shell corresponding to the ‘new’ syntactic context. Because of these two kinds of syntactic distributions, Haspelmath (1996: 52) distinguishes between ‘word-form word-classes’ (concerning elements outside the phrase = external syntax) and ‘lexeme word-classes’ (concerning combinations with elements inside the phrase = internal syntax). In an expression such as der im Wald laut SINGENDE Wanderer [the in+the forest loudly singing hiker], the present participle is adjectival with regard to its word-form word class (modification of head noun: (der) ... Wanderer [(the)… hiker]), but it is verbal with regard to its lexeme word class (valency-connected locative and manner adverbial: im Wald [in+the forest], laut [loudly]) (Haspelmath 1996: 52).
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Besides, primary, non-derived nouns in noun-verb languages imply a kind of ‘limitedness’ in the wider sense, resulting in inherent definiteness, concreteness and individuality; this is why they are often nouns with the feature [+count]. Very ‘nouny’ deverbal nouns should resemble primary nouns with the feature [+count] and should thus have singular and plural inflectional forms. Syntax-externally they should be combinable not only with the definite, but especially with the indefinite article (as a sort of ‘counter’). Because of the verbal ‘core’, ‘nouny’ deverbal nouns should refer to the whole predication, including its valency-dependent arguments, rather than only describe the action as such. However, these syntax-internal arguments should be connected not by verbal but by nominal government (e.g. genitive or prepositional von ‘of’ phrase): etwas beschreiben ‘to describe something [ACC]’ vs. die Beschreibung von etwas ‘the description of something’, but not *die Beschreibung etwas ‘the description something [ACC]’. Because of the inherent valency feature, nominalizations can even ‘turn’ into one of their own arguments – a process called ‘reduction’ (Iturrioz 1982). Consider, for example, Bedienung ‘service / staff’ as an abstract noun (die Bedienung ist ausgezeichnet ‘the service is excellent’) and as its ‘own’ agentive argument (die Bedienung ist sehr freundlich ‘the staff is very friendly’; here, Bedienung stands for the agent ‘someone who serves someone’). Interestingly, maximally ‘nouny’ deverbal nouns are often unmarked. They show typical nominal features such as pluralization, combination with the indefinite article, reduction and concretization: (der) Treff ‘meeting’ or ‘place where one meets (locative reduction)’, (der) Abwasch ‘washing-up’ or ‘things that one has to wash up’. Because of their unmarkedness and the semantic and syntagmatic parallel to marked verbal abstract nouns, they should be called zero-derivations rather than (lexical) conversions. Moreover, the unmarkedness of zero-derivations may establish an iconic relation to the conceptually similar primary count nouns. In section 3 we have seen that Tongan ko marked phrases display similar characteristics as the derived verbal nouns in noun-verb languages (which may be the reason why they are sometimes called ‘nominalizations’). Predominantly due to lexical and contextual knowledge, a Tongan ‘nominalization’ can refer either to the action described in the verbal noun itself, to the entire proposition, or to one of the ‘verb’s’ own arguments (‘reduction’). However, due to the fixedness parameter between syntax and lexicon, in noun-verb languages derived verbal abstract nouns are mostly ‘complex’ and refer to the entire proposition (or to one of the inherent propositional arguments in case of reduction) – but rarely to the action itself. When a nominal stem [–pred] is transferred to the verbal side [+pred] it can be marked (lexical derivation, case B) or unmarked (lexical conversion,
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case C) because noun stems are neutral with regard to the feature [pred]. Marked transpositions (lexical derivation) can result in perfectives (aspect or ‘aktionsart’), not only in the narrower sense of temporal limitation but also in the wider sense of extensionally more limited by the addition of further features. Derived denominal verbs represent clusters of features with [–pred] as the ‘nucleus’ and [+pred] as the inflectional and syntactic ‘shell’. A denominal verb will be paraphrased by an object encoded in the stem and an action specified in the marker (e.g. ent-waffn-(en) = ‘take away the weapons’, be-pflanz(en) = ‘to put plants somewhere’, ent-kleid-(en) = ‘take off clothes’, etc.). Unmarked transpositions from [–pred] to [+pred] are quite frequent in many languages and also in child language (cf. Clark and Clark 1979; cf. also Hopper and Thompson 1984). ‘Instrumental’ verbs like these consist of complexes of an object and an action that is lexically or contextually connected to the respective object: fisch-(en) = ‘catch fish’, urlaub-(en) = ‘take a vacation’, bomb-(en) = ‘throw a bomb / bombs’ etc.; English to bike = ‘go by bike’, to microwave = ‘prepare in the microwave’, etc. They may represent (lexical) conversions, but in a noun-verb language with predominant derivational transpositions in the lexicon such verbs should be integrated into the derivational system as zero-derivations because of similar semantic and syntactic structures (consequently, they represent a pattern for productive derivations). Only when the majority of derived verbs in a language is made up of unmarked verbs, it is advisable to speak of lexical conversions instead of zero-derivations. A language in case is Modern English that underwent a ‘break-down’ of its part-ofspeech system in Middle English. The result is that English may be characterized as a language with conversion in the lexicon at least in the verbal realm (for more information on English, see Vogel 2000). We will now consider the syntactic level in German. In a noun-verb language the inflected word form alone may qualify as the verbal or nominal phrase (in our understanding) because it is syntactically ‘satisfied’, no additional marker is necessary (it might be even argued that inflectional markers are historically ‘old’ syntactic markers that have become ‘glued’ to their lexemes).3 Syntactic transfers are thus not characterized by stem-formation and the change to the inflectional and syntactic features of their ‘new’ word classes. Instead, they keep their own inflection and are only transported into new syntactic contexts. Firstly, I will concentrate on syntactic transfers from [–pred] to [+pred]. [–pred] nominal phrases are predicatable with or without an additional marker.
3
It may be argued that in some noun-verb languages, for example, German, there are elements that should be considered historically ‘new’ syntactic markers, namely obligatory ART elements on the nominal side and obligatory-external subject elements on the verbal side. This is a very interesting aspect which cannot, however, be investigated here.
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Notice that they are functionally [+pred], but they are not ‘verby’ because they have nothing to do with the lexemes which are inherently [+pred].
NOMINAL [–pred]
VERBAL [+pred]
SYNTACTIC DERIVATION [–pred]
[+pred] SYNTACTIC CONVERSION
Figure 3. Syntactic derivation and syntactic conversion in a noun-verb language
Transfers from [–pred] to [+pred] result in [+pred] phrases. As such they are usually called predicate nouns or nominal predications. When marked (case B, syntactic derivation), they are mostly combined with syntactic markers such as the copula: (er) IST der König ‘(he) is the king’, (ich) BIN König ‘(I) am king’. In the case of unmarked nominal [–pred] to [+pred] phrasal transfers (case C, syntactic conversion), the noun alone may serve as a complete predication: Hungarian ember ‘(it) is a man / human being’ (Broschart 1997: 154). What motivates a marked and what an unmarked transfer is a very interesting question, which cannot, however, be investigated here. (For a detailed study on nominal predications, see Hengeveld (1992: chapter 5.1)). On the other hand, transfers of verbal phrases from [+pred] to [–pred] are not possible, not even with a marker: *(das) singe ‘(the) (I) sing’. The system is even more complex, however. There is one inflectional form that is very special: the infinitive. It is a so-called nonfinite verbal form because the verbal categories remain unspecified and the feature [+pred] is secondarily neutralized (> [–pred]). Although the notion of non-finiteness is equally as vague as that of finiteness, it is the category of person that seems to be the one most likely to be absent (Koptjevskaja-Tamm 1994). Because of the feature [–pred] every infinitive can be transferred to the [–pred] nominal side without any marker (das) (Bücher) Lesen ‘(the) (books) reading’ (notice that I mentioned above that a stem transfer from one word class to another may result in a transfer of the original syntactic context). Even secondarily predicatable nominal phrases may now even be transferred ‘back’ to the nominal side by using the infinitive form of the copula: (das) König Sein ‘(the) being king’ (see above). I will call this type of transfer syntactic conversion because no
Conversion and derivation in different part-of-speech systems
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addi-tional marker is necessary. This concept is, for example, characteristic for Germanic languages such as German, Dutch, and the Germanic languages of Scandinavia.
NOMINAL [–pred]
INFINITIVES (secondarily [–pred]) SYNTACTIC CONVERSION
Figure 4. Syntactic conversion in a noun-verb language
There is one interesting historical fact. Until the end of the Middle High German period the infinitive still had verbal government only (Koning 1933: 91). In Modern German, however, a split occurred. After that split we still have infinitives with verbal government in argument position: Bücher lesen macht Spaß ‘reading books is fun’ (syntactic conversion). On the other hand, infinitives in argument position have also acquired nominal government now (e.g. genitive): (das) Lesen dieses Buches ‘(the) reading of this book [GEN]’. Therefore it may be more appropriate to speak of -en as a derivational suffix in the latter case (and thus lexical derivation) because in these constructions the so-called ‘substantivized infinitive’ has acquired features of verbal nouns. That they are still quite ‘un-nouny’ is shown by the facts that they cannot be used in the plural (*die Lesen lit. ‘the to reads’) and the combination with indefinite articles is either impossible or unusual (?ein Lesen lit. ‘a to read’). Moreover, they are semantically simple and not complex as they refer to the action as such without its arguments. As a consequence, they rarely undergo the process of reduction (but compare: das Schreiben = lit. ‘the to write’ = ‘what is written’ = ‘letter’). 4. Conclusion Type-token and noun-verb languages represent ungrammaticalized and grammaticalized part-of-speech systems that are based on different but similar concepts. However, in noun-verb languages like German, most lexical types are also specified for inherent predication ([+pred] = ‘verbal’) or are neutral with regard to this feature ([–pred] = ‘nominal’). But in type-token languages like Tongan, this specification is not part of the lexicon because most lexemes are [–pred]). Instead, in such languages this specification is part of the syntactic level where phrases, syntactic tokens, are marked as [+pred] or [–pred].
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The representation of the symbol ‘+’ as the marked term and ‘–’ as the unmarked or neutral term implies also that the transfer of a specified ‘+’-category is impossible or must be marked, while the transfer of a neutral ‘–’-category can but need not be marked. Unmarked transfers may be called syntactic or lexical conversion; marked transfers may be called lexical or syntactic derivation. Thus, in Tongan the transfer of [+pred] to [–pred] syntactic tokens is not even possible, while a token shift from [–pred] to [+pred] is marked. As most lexemes are [–pred], they may appear in [+pred] as well as in [–pred] phrases; there are no ‘word classes’, at least not with respect to syntactic categorization. Tongan is characterized by lexical conversion (better: multifunctionality) and syntactic derivation. Noun-verb languages, on the other hand, are first of all characterized by lexical derivation with the help of which a stem is transferred to another ‘foreign’ word class. This is typical for verb-to-noun transfers. A special case are zero-derivations. They have no overt marker but correspond semantically to ‘real’ derivations. On the syntactic level we find so-called nominal predications which represent not only derivational transfers (with marker) but also conversional transfers (without marker). Nominal predications are typical of noun-transfers into the verbal realm. There is another type of syntactic conversion because infinitives, nonfinite and thus ‘un-verby’ word forms, have a secondary feature [–pred] and can be turned into nominals without any marker being taken. References Broschart, J. (1997): Why Tongan does it diff erently: Categorial distinctions in a language without nouns and verbs. – In: Linguistic Typology 1, 123–165. Clark, E. V. / Clark, H. H. (1979): When nouns surface as verbs. In: Language 55, 767–811. Haspelmath, M. (1996): Word-class-changing inflection and morphological theory. – In: G. Booij & J. van Maarle (eds.): Yearbook of Morphology 1995, 43–66. Dordrecht: Kluwer. Hengeveld, K. (1992): Non-verbal Predication: Theory, Typology, Diachrony. – Berlin, New York: Mouton de Gruyter. (= Functional Grammar Series 15). Hopper, P. J. / Thompson, S. A. (1984): The discourse basis for lexical categories in universal grammar. In: Language 60, 703–752. — / Closs Traugott, E. (1993): Grammaticalization. – Cambridge: Cambridge University Press. Iturrioz, J.-L. (1982): Abstraktion: Kategorie und Technik. – In: H. Seiler & Ch. Lehmann (eds.): Apprehension: Das Sprachliche Erfassen von Gegenständen, Teil I: Bereich und Ordnung der Phänomene, 49–65. Tübingen: Narr. (= Language Universals Series 1/I). Koning, W. (1933): Substantivierte infinite Verbformen mit verbaler Rektion. – In: Die neueren Sprachen 41, 90–98. Koptjevskaja-Tamm, M. (1994): Finiteness. – In: R. E. Asher (ed.): The Encyclopedia of Language and Linguistics 3, 1245–1248. Oxford: Pergamon Press. Vogel, P. M. (2000). Grammaticalisation and part-of-speech systems. In: P. M. Vogel & B. Comrie (eds.): Approaches to the Typology of Word classes, 259–284. Berlin, New York: Mouton de Gruyter. (= Empirical Approches to Language Typology 23).
Nikolaus P. Himmelmann (Bochum) Gram, construction, and class formation Abstract This chapter has three parts. The first part presents a definition of grammaticisation which involves both a grammaticising element and a grammaticising construction (in the literature there is a strong tendency to neglect either one or the other of these two levels). The second part defends a view of word classes as essentially distributional form classes which are defined by the fact that they do not correlate exactly with ontological categories (‘things’, ‘actions’, and the like) or the discourse functions of reference and predication. The third part, finally, explores the interrelationship between grammaticisation processes and word classes, noting among other things that while grammaticisation processes by definition involve class formation, they rarely bring about large and extensive classes such as the widely used major classes noun, verb, and adjective.
1. Introduction Work on grammaticisation in the 1980s (for example, Lehmann 1982, Heine & Reh 1984) was almost exclusively concerned with the element-level.1 That is, it focussed on changes such as semantic bleaching, cliticisation and phonological erosion which occur with regard to the grammaticising element on its course ‘into the grammar’. In the 1990s, a number of authors (including Lehmann 1992, Bybee et al. 1994, Himmelmann 1997, Traugott 2003) have emphasised the fact that grammaticisation always pertains to constructions, not to isolated lexical elements. While the latter view is adopted here again, there has been a certain tendency to do away completely with the element level and to apply the term grammaticisation to a whole range of changes where there is no grammaticising element. This includes the ‘grammaticisation’ of grammatical relations (subject, object), compounds, word order and word classes. This ‘elimination’ of the grammaticising element is often done implicitly, but Lehmann (2002: 7) explicitly states:
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While Heine & Reh (1984) completely exclude constructional aspects, Lehmann (1982) mentions and discusses them. Still, his primary concern is with what happens to the grammaticising element. This is perhaps most obvious in his schematic representations of paths of grammaticisation which only depict the grammaticising element, but not the construction.
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[...] it is the construction of which the element is a constituent which may embark on either [grammaticalization or lexicalization]. If this is so, then the grammaticalization of a construction does not entail the grammaticalization of any of its component elements.
It will be argued here that attempts to eliminate the grammaticising element are ill-conceived and lead to a number of problems. Most importantly, without being ‘anchored’ to a grammaticising element, grammaticisation becomes more or less synonymous with grammatical change and thus void as a term for a specific type of grammatical change.2 The major purpose of this paper, then, is to reaffirm and expound the position that grammaticisation pertains to AN ELEMENT IN ITS CONSTRUCTIONAL CONTEXT or, put in a slightly different way, to CONSTRUCTIONS WHICH ARE IDENTIFIABLE BY A CONSTRUCTION MARKER (in the sense that an accusative construction involves an accusative case marker and a future construction is identifiable by its future marker, etc.). A secondary goal is to briefly explore some of the consequences of this definition of grammaticisation for the theory of word classes. There are three parts to this paper. The first part provides a definition of grammaticisation which pays equal attention to the grammaticising element and the construction in which it occurs. The second part briefly clarifies a few basic points regarding word classes. Part three, finally, discusses the interrelationships between grammaticisation processes and word classes. Where appropriate the phrase grammaticising element will be shortened to gram. Note that the usage of gram here largely, but not perfectly matches the one in Bybee & Dahl (1989). 2. Defining grammaticisation3 A definition of grammaticisation that pays equal attention to the grammaticising element and its constructional context has to be explicit about what exactly 2
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Apart from questioning the unidirectionality hypothesis, a second major criticism that has been leveled against grammaticisation theory in recent years pertains to exactly this point: Authors such as Campbell and Janda (2001) and other contributors in the same issue of Language Sciences doubt that grammaticisation theory has been successful in identifying a specific type of grammatical change which warrants its own theory and terminological apparatus. Rather, they claim that grammaticisation phenomena are essentially just coincidental cooccurrences of principally independent linguistic changes. A part of this problem, I would hold, is due to the fact that the term grammaticisation has been extended so much that the phenomena covered by it are too heterogeneous to allow for interesting generalisations. The definition of grammaticisation presented in section 2 is intended to rectify this problem. This section gives a highly condensed, but also up-dated summary of the view of grammaticisation first presented in Himmelmann (1992) and expanded in Himmelmann (1997: 28–33, 2004), which in turn owes much to the work of Joan Bybee and associates (see, in particular, Bybee & Dahl 1989 and Bybee et al. 1994).
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is meant by ‘constructional context’. There are in fact three different types of context which are of relevance in this regard.4 First, the immediate (or construction-internal) context is provided by the class of elements the gram is in direct construction with. For example, at the outset of the grammaticisation process which turns a demonstrative into a definite article, the demonstrative will typically occur adjacent to a set of nominal expressions which typically denote highly individuated and salient entities (the kinds of things one is likely to talk about for some time). This class of elements can be called the host class because many of the phenomena which often occur in grammaticisation processes pertain to the local relationship between grammaticising element and the host class (for example, the gram may become a clitic which has to be (phonologically) ‘supported’ by its host). The precise nature of the syntactic relationship between gram and host may vary. The two elements could be merely juxtaposed, as is often the case for demonstratives and nouns, but there could also be some kind of dependency relation (the gram governing the host as in the case of a verb which develops into an adposition). And while it will be convenient for the further exposition to assume that both gram and host are word-level entities (i.e. a demonstrative, a noun, a verb, etc.) at the outset of the grammaticisation process, this is not at all a necessary assumption (which is the reason why the term element is used here, instead of more level-specific terms such as word, lexeme, or phrase). That is, the grammaticising element could also be in construction with a phrase (e.g., in the source construction for deverbal adpositions, the verb will often take a phrasal complement and not just a noun). At later stages of the grammaticisation process, host classes can be stems or roots rather than morphosyntactically complete word-forms. The second notion of context which is relevant for grammaticisation processes is the larger syntactic (or construction-external) context. That is, the construction consisting of a gram and its host will in general be part of a larger syntactic unit or constructional pattern. The grammaticisation of a DEMONSTRATIVE+NOUN construction to an ARTICLE+NOUN construction does not happen in isolated units consisting of just DEMONSTRATIVE+NOUN. Instead, the DEMONSTRATIVE+NOUN syntagma will be part of a larger construction (for example, an adpositional phrase or a clause). Thirdly, there are the contexts of use, i.e. the semantic and pragmatic conditions that determine the appropriate use of the construction consisting of a grammaticising element and its host. The semantic-pragmatic usage conditions
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Note that the notion of context here is quite different from the one discussed in Diewald (2002), who discusses three types of (semantic-pragmatic) contexts relevant at different stages of a grammaticisation process.
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for a DEMONSTRATIVE+NOUN construction, for example, include being present and visible in the speech situation (for exophoric uses), having been mentioned in the preceding stretch of discourse (for anaphoric uses), or being part of the specific shared knowledge between speaker and hearer (for recognitional uses). Given these three types of contexts, a grammaticisation process can be defined as a process of context expansion on all three levels, as summarised in the following formula: (1) (Xn) An B | Kn → (Xn+x) An+x b | Kn+x where A and B represent full lexical items, b a grammaticised element and the following three types of contextual changes occur: a) host class formation/expansion: An → An+x (e.g., common nouns → common and proper nouns) b) syntactic context expansion: Xn → Xn+x (e.g., core argument position → core and peripheral argument positions) c) semantic-pragmatic context expansion: Kn → Kn+x (e.g., anaphoric use → anaphoric and associative anaphoric use) To briefly comment on each level of context expansion: With regard to the immediate constructional context, the host class may be expanded (host-class expansion). For example, when demonstratives are grammaticised to articles, they may start to co-occur regularly with proper names or nouns designating unique entities (such as sun, sky, queen, etc.), i.e. nouns they typically did not co-occur with before. Second, the larger syntactic context may be expanded in that the grammaticising construction is allowed to occur in a greater number of syntactic contexts (syntactic context expansion). For example, DEMONSTRATIVE+NOUN constructions are common in core argument positions (subject or object position), but much less common, and sometimes impossible, in adjunct function. When grammaticisation towards an article progresses further, use of an ARTICLE+NOUN construction may become obligatory in adjuncts and other syntactic environments it did not occur in before (‘obligatory’, that is, provided that the semantic-pragmatic usage conditions are met; see Himmelmann 1998 for examples and discussion). Thirdly, and most importantly, the semantic and pragmatic contexts in which the construction is used is expanded (semantic-pragmatic context expansion). Constructions consisting of DEMONSTRATIVE+NOUN are used only in deictic (exophoric, discourse deixis), anaphoric or recognitional reference. The usage contexts for ARTICLE+NOUN constructions are broader and include in particular larger situation uses (the queen, the pub) and associative anaphoric uses (a wedding – the bride, a house – the front door), contexts in which use of
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demonstratives is impossible (compare #this queen’s dog got attacked yesterday in a context where queen and dog are first mentioned). Typically, these three kinds of context expansion co-occur in grammaticisation processes. It is, however, a matter for further debate and empirical research whether evidence for all three types of context expansion is necessary in order for a given instance of change to qualify as an instance of grammaticisation. This will depend in part on whether it is possible to develop some reliable diagnostics for detecting minor expansions with regard to host class and syntactic context. For the time being, I would hold that semantic-pragmatic context expansion is the core defining feature of grammaticisation processes. That is, analysing a given instance of change as an instance of grammaticisation minimally requires that it is possible to show that the semantic-pragmatic usage contexts of the construction at hand have expanded. The above definition of grammaticisation makes use of observations and assumptions that are well-known from the literature. It differs from previous definitions of grammaticisation in two ways. First, it is selective, singling out context expansion in general and semantic-pragmatic context expansion in particular as the major defining feature of grammaticisation. All the other phenomena which are often observed in grammaticisation processes and which are considered criterial in other definitions (such as paradigm formation, erosion, obligatoriness/redundancy, etc.) do not occur in this definition, as further discussed shortly. Second, the definition pays equal attention to the grammaticising construction and the grammaticising element. According to it, a grammaticisation process primarily pertains to a construction but requires the presence of at least one grammaticising element in this construction (such as the article in ARTICLE-NOUN constructions, the preposition in PPs, etc.). This grammaticising element functions as the construction marker and usually, but not necessarily, also undergoes changes as part of the overall process. The most obvious and well-known processes applying to grams are phonological erosion and coalescence/fusion, which often go hand in hand. Unlike in many other definitions of grammaticisation, however, erosion and fusion here are considered epiphenomena. Their occurrence depends on at least two factors. For one, they depend on the overall typological profile of a given language (e.g. in isolating languages the potential for fusion is generally very limited). For another, the construction type also appears to play a major role, independently of the particular typological profile. Thus, viewed cross-linguistically, the basic potential for fusion appears to be greater for tense-aspect-mood and case markers than for articles and the one for articles in turn greater than that for conjunctions. In principle, syntactic context expansion and semantic-pragmatic context expansion may also occur with other types of constructions which do not involve a grammaticising element. That is, a certain word order pattern or a
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compounding pattern may also come to be used in different syntactic or semantic-pragmatic contexts (for example, when main clause word order gets used in subordinate clauses). These changes, however, are not considered instances of grammaticisation here, because the changing constructions do not involve a construction marker. One obvious consequence of lacking a construction marker is the fact that such constructions also lack the distinction between gram and host. Hence, host class expansion is in principle impossible in these constructions, which therefore are excluded from grammaticisation processes as defined in (1). There are at least three reasons for defining grammaticisation the way it is done in (1). First, the definition in (1) avoids all the problems associated with a teleological view, i.e. a view which assumes a set of categories as end points or goals of grammaticisation processes. In such a view, the category DEFINITE ARTICLE exists in some sense before the process starts and this pre-existing category functions as the goal towards which the grammaticising element develops. As noted by Bybee & Pagliuca (1985: 76) this “cannot be so, because not all languages grammaticise the same categories.” Second, the definition provides for a coherent domain of phenomena which promises to allow for both empirically substantial and theoretically interesting claims. Most importantly, it avoids the tendency noticeable in the recent literature to consider all kinds of linguistic changes as instances of grammaticisation, including simple reanalysis, analogical levelling and contact-induced change. This tendency is due to the fact that the standard diagnostics for grammaticisational change such as erosion, paradigm formation, semantic bleaching, etc. apply widely and it is probably hard to identify a type of change which does not involve at least one of these diagnostics. But such use of the diagnostics is mistaken in at least two ways: First, it ignores the fact that the diagnostics are, in principle, intended to apply as a set, i.e. the underlying assumption is that grammaticisation is defined by the correlation of a number of changes which, in principle, may also occur independently of each other. Second, it treats all diagnostics as being of essentially equal value. While the postulation of an unranked list of diagnostics certainly was a useful and valid research strategy at the time when grammaticisation research was reinvigorated in the early 1980s, research since has made it clear that the diagnostics are not of equal rank and that one has carefully to distinguish between essential and accidental features. The definition in (1) is an attempt to do just that. Finally, and closely linked to the preceding point, the definition in (1) allows for a useful and empirically challengeable statement of the unidirectionality hypothesis, which I believe to be at the core of grammaticisation theory (without it, there would be no theory). In this view, the essential claim of the unidirectionality hypothesis is that there are no developments which could be
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described as contractions of the three-way context expansions defining grammaticisation. That is, a grammaticised construction by itself never changes in a way that leads to a shrinking in the size of the host class. A hypothetical example for such a shrinking would be a ‘definite article’ which is only used with nouns denoting animates after having been used with all nouns. Nor is there any shrinking in the number of syntactic contexts in which a grammaticised construction occurs (hypothetical example: the ARTICLE+NOUN construction is only allowed to occur in subject and object function while at an earlier stage it was also used in adjunct function). And, of course, no shrinking or contraction occurs with regard to the semantic-pragmatic usage contexts. A hypothetical example for such a contraction would be a ‘definite article’ which no longer occurs in larger situation use (in English, this would mean that at some point one would regularly say again sun was shining instead of the sun was shining). The qualification ‘by itself’ is necessary since apparent contractions on all three levels may occur when a newly grammaticising construction ‘intrudes’ into the usage contexts of an already existing one. Thus, for example, in a number of smaller European languages, including Frisian and Katalan, there are two so-called definite articles (see Himmelmann (1997: 54 f., 100) for examples and references). One of them is usually restricted to anaphoric reference and thus could be called an anaphoric article. In this state of affairs, the other, ‘truly’ definite article would appear to ‘lack’ one of its defining usage contexts, i.e. anaphoric use. Inasmuch as there is evidence that this article once occurred in this context, it would imply that the possibility of using the definite article for anaphoric reference was lost and hence that its semantic-pragmatic usage contexts have contracted. The unidirectionality hypothesis does not exclude such apparent contraction by ‘curtailing’.5 What it excludes is ‘spontaneous’ contraction, that is, the shrinking of the host class or the ‘loss’ of syntactic or semantic-pragmatic usage contexts without the interference of another grammaticising construction. 3. Word classes In agreement with most of the literature, it is assumed here that membership in a word class is a feature which pertains to both morphosyntactic words (wordforms), i.e. the concrete forms of words assembled in syntactic units, and to
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Another pertinent example is the ongoing grammaticisation of be going to as a future marker in English and its interaction with the older grams will and shall. Bybee (1988) provides an account of this state of affairs that is fully compatible with the view of grammaticisation sketched here.
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lexemes, i.e. abstract dictionary units representing whole sets or paradigms of morphosyntactic words with a common lexical meaning. Usually, all the morphosyntactic word-forms realising a single lexeme will belong to a single word class, which is also the word class ascribed to the lexeme. Possible exceptions to this rule can be ignored for the purposes of this paper (possible exceptions include participles and infinitives which in many languages are considered to be part of the inflectional paradigm of verbs despite the fact that their morphosyntactic characteristics resemble those of adjectives and nouns, respectively). Word classes are based on the morphological and syntactic (distributional) potential of lexemes and morphosyntactic words, which is widely represented by features. For example, the features [+ verb, + class 2b] in the entry of the German lexeme biegen ‘bend’ indicate that this is a verbal lexeme inflecting according to the irregular pattern 2b (past tense bog, not *biegte, etc.). Furthermore, fully inflected forms such as the second singular present tense active biegst are marked as [+ finite (verb)], which limits its syntactic distribution to second position in declarative main clauses and final position in subordinate clauses. Note that the two classifications just illustrated pertain to two different levels. The first one pertains to morphological paradigms and thus is a morpho-lexical classification. The second one pertains to syntactic distribution. While in European languages classifications on both levels are fully commensurate in that the smaller morpho-lexical classes are fully included in the larger, distributionally defined classes, this is not necessarily the case. Morpholexical and syntactic-distributional classification do not have to match but may involve largely unrelated sets of features (see Sasse 1993a/b and Himmelmann (in print) for examples and discussion). Thus, strictly speaking, one should distinguish between morpho-lexical categories, which specify morphological and lexical characteristics of lexemes, and (terminal) syntactic categories, which specify distributional characteristics of the morphosyntactic words realising a lexeme. Inasmuch as this distinction is not relevant here, I will simply speak of lexical categories. The term major lexical categories refers to large, open classes such as NOUN and VERB, which are primarily defined by their distributional properties but in some languages, including all European languages, can also be identified on the basis of their morphological properties. As widely noted, major lexical categories such as NOUN and VERB tend to correlate with ontological categories (‘animate beings/things’ and ‘events’, respectively). However, it should be clearly understood that lexical categories as grammatical features are only necessary and useful inasmuch as their is no perfect match between lexical and ontological category. In a language where the grammatical properties and behaviour of morphosyntactic words is completely predictable on the basis of the ontological category of their denotata, their is no need for an additional (grammatical) level of lexical categories.
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Instead, morphological and distributional characteristics of lexemes and morphosyntactic words could be directly related to their semantics. A typical example of the tendency to turn ontological categories into (spurious) lexical categories is the use of periphrastic comparative and superlative constructions to define the lexical category ADJECTIVE. If no other features correlate with these constructions, the class established in this way is the class of gradable concepts which, I would hold, is an ontological rather than a linguistic class. In languages where ADJECTIVE is a formally well-defined class, it is typically the case that not all adjectives are gradable (e.g. dead, ready). On the other hand, lexical items which clearly are not adjectives on formal grounds can be used in comparative constructions simply because they are ontologically gradable (e.g., Where would you find more beauty than in this place?). Similarly, it is widely agreed that the members of the major lexical categories NOUN and VERB have prototypical discourse (or pragmatic) functions, i.e. reference and predication, respectively. It is also widely, if not unanimously, agreed that these major discourse functions are universal in the sense that all languages have to provide means for performing these functions. However, it would be wrong to conclude from these two widely held views that the distinction between the two word classes noun and verb is also universal. That is, from the fact that all languages have to provide means for performing the acts of reference and predication it does not follow that the linguistic units used as referring and predicating expressions are formally distinguishable (in terms of phonological, morphological or syntactic properties). And even if one were to grant that in most, if not all languages referring expressions in some way can be distinguished from predicating expressions with regard to at least one formal property, it does not necessarily follow that such formal differences are found on the lexical level. It is very well possible that one may distinguish between referring phrases (marked, for example, by some kind of article) and predicating phrases (which may be unmarked or have a specific marker of their own) without being able to claim that the content words of the language fall into two classes with regard to their propensity to occur in one or the other phrase type. On first sight, this may seem like a rather trivial point. However, when looking at the literature discussing word classes and discourse functions, time and again one will notice contributions where the distinction between the lexical and the phrasal level is neglected or obscured in one way or another. One example is Sapir’s oft quoted passage on the (near) universality of nouns and verbs: It is well to remember that speech consists of a series of propositions. There must be something to talk about and something must be said about this subject of discourse once it is selected. This distinction is of such fundamental importance that
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the vast majority of languages have emphasized it by creating some sort of formal barrier between the two terms of the proposition. The subject of discourse is a noun. As the most common subject of discourse is either a person or a thing, the noun clusters about concrete concepts of that order. As the thing predicated of a subject is generally an activity in the widest sense of the word, a passage from one moment of existence to another, the form which has been set aside for the business of predicating, in other words, the verb, clusters about concepts of activity. No language wholly fails to distinguish noun and verb, though in particular cases the nature of the distinction may be an elusive one. (Sapir 1921: 119)
On a sympathetic reading, taking into account the fact that this quote is from a textbook and that most generalisations are properly hedged, there is nothing much to take issue with (in fact, it’s a brilliant summary of nearly two thousand years of musings on this topic). Nevertheless, taken literally, the assertion “the subject of discourse is a noun” is somewhat misleading because the “subject of discourse” does not have to be a noun. It could also be a noun phrase or, even more generally, a referring expression. The same point holds for the use of verb in this passage, which could be replaced by verb phrase or predicative expression. As it stands, this passage may induce the wrong inference that the distinction between nouns and verbs is a direct and necessary consequence of the universality of the two discourse functions “subject” and “predicate”. If it is true that, as Sapir puts it, a “formal barrier between the two terms of the proposition” exists in most languages, the formal differences may exist either on the phrasal or the lexical level or on both. Neither empirically nor logically a direct relation exists between universal discourse functions and lexical categories. The way in which the grammatical categorization of lexemes and morphosyntactic words deviates from the ‘ideal’ perfect match with ontological category and discourse function is at least in part due to historical coincidence. This is obvious and uncontroversial in the case of morpho-lexical categories such as verbal conjugation classes (among other things, phonological change may lead to the emergence as well as disappearance of conjugation classes, as amply documented and discussed in work by Wurzel (1984) and others). But it also holds for the major categories NOUN and VERB. That is, while there are cross-linguistic communalities which relate to a similar ontology and identical discourse functions, lexical categories are strictly speaking always languagespecific, as further elaborated in the following section. 4. Lexical categories and grammaticisation Based on the preceding definitions and observations, the role and import of grammaticisation processes for systems of lexical categorization may be summarized by the following three points.
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4.1 Grammaticisation involves class formation According to the definition given in (1), grammaticisation processes generally involve class formation, in particular host class formation. A host class is the class of lexemes the grammaticising element is in construction with. At the beginning of the process, the host class will usually be well motivated in semantic terms. For example, a word denoting ‘back, backside’ at first will only be in construction with (collocate with) words denoting entities and locations which inherently have a backside (such as (larger) animates, (some types of) houses, pictures, etc.). In the course of further grammaticisation to an adposition meaning ‘behind, after’, it will also combine with words for entities which conceptually do not have an inherent backside, such as trees, roads, tables, ideas, etc. Similarly, demonstratives tend to be used with words for concrete, individuated entities and locations. When they become grammaticised as articles, they combine with words for all kinds of entities and situations. That is, in the course of the grammaticisation process, the semantic basis of the host class will tend to become less and less transparent and thus at some point it will be warranted to speak of a lexical category in the sense that the morphosyntactic words of the language in question have to be subcategorised as cooccurring or not co-occurring with the grammaticising element. Host classes of individual grams differ significantly in size. Plural markers may be restricted to nouns denoting animate beings, passive markers to transitive verbs, applicatives to motion and transfer verbs, etc. Only certain types of grams are associated with a host class which is co-extensive with a major lexical category. Well-known examples are tense-aspect-mood auxiliaries, (clitic) articles, (some) simple adpositions (or clitic case markers) and negators. These gram types can be used to define highly general syntactic slots where practically all the members of a given major lexical category may occur. For this reason, they are widely used as diagnostics for major lexical categories. To give just one example, in Standard Indonesian a major distributional difference between nouns and verbs pertains to the fact that nouns cannot be negated with tidak and that when verbs are negated with the nominal negator bukan the negation is emphatic or contrastive (see Sneddon (1996: 195 f.) for details). Apart from host class formation, grammaticisation processes may lead to class formation in another way: Sometimes (but clearly not necessarily) grammaticising elements which are similar in terms of function and degree of grammaticisation tend to form small classes of function words in complementary distribution, the result being well-known minor lexical categories such as auxiliaries, determiners, adpositions, etc. This aspect of the grammaticisation process has been termed paradigmatisation (Lehmann 1982) or simply paradigm formation (Bybee & Dahl 1989).
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4.2 Grams typically do not mark lexical categories As noted in the preceding section, grammaticisation processes bring about a subclassification of the lexical items in a given language. Especially in the very early and the later stages of grammaticisation (i.e. once the gram has become an affix), this subclassification tends to be fairly fine-grained, the resulting classes typically correspond to what was called morpho-lexical categories in section 3 above. For example, inflectional grams often differ according to conjugation or declension classes so that strictly speaking there are no grams which identify the category VERB as a whole. Instead, the classes identifiable on the basis of inflectional affixes are classes such as verbs of the 2nd conjugation class, or nouns belonging to the class of three-dimensional objects, and so on. Furthermore, these grams usually do not mark a class per se, but an inflectional category (2ND PERSON SINGULAR PRESENT ACTIVE INDICATIVE, etc.), a point to which we will return shortly. The gram types which can be used to define major lexical categories (negators, articles, simple prepositions, and TAM auxiliaries) are typically (clitic) function words, i.e. with regard to Lehmann’s (1982) parameter of coalescence, they are in an intermediary stage of grammaticisation. Again, the primary function of these grams is not to mark major lexical categories per se. Rather, their function is to mark grammatical categories such as definiteness/specificity, past tense, negation, etc. The fact that they can be used as diagnostics for major lexical categories appears to be a secondary or coincidental property. When these grams are further grammaticised and become affixes, there is a strong tendency for formal idiosyncrasies to appear so that the major lexical category (formally) becomes split up into a number of smaller morpho-lexical categories (e.g., clitic perfective markers usually occur with all verbs, but perfective inflections tend to be distributed across different conjugation classes, and so on). Given the preceding observations, it will not come as a surprise that lexical categories generally do not occur as possible stages on grammaticisation paths. To date, there is only one proposal for a grammaticisation path which includes a (major) lexical category as one of its stages. This is the well-known development from demonstratives to noun markers, first sketched in Greenberg’s seminal article (1978), which can be very roughly summarized as follows:6 (2) demonstrative → definite article → specific article → noun marker
6
For a much more detailed discussion and representation of this path, which also includes the constructional context, see Himmelmann (1997: 23–33).
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There are only very few examples of grammatical elements which come close to what is called a ‘noun marker’ in this development. Probably the best example is the ubiquitous suffix –tl(i) which occurs on many (but not all!)7 nouns in Nahuatl (for other possible examples, see Greenberg 1981). As Greenberg (1978) shows, the more likely and frequent outcomes of developments along this path are class or gender markers. Note that derivational affixes which mark lexical categories, i.e. nominalisers, verbalisers, etc., are usually also not lexical category-marking grams in a strict sense. On the one hand, they mark a change in lexical category and hence generally do not occur on primitive members of the category in question. On the other hand, they generally do not just mark a change of category but rather convey some additional meaning or function. Nominalisers, for example, typically convey a specific orientation (i.e. they denote an instrument, agent or place associated with the event denoted by the underlying verb). To conclude, while grammaticisation processes generally lead to a subclassification of the lexical items in a given language, this subclassification appears to be coincidental in the sense that strictly speaking there are no class marking grams. The emergence of host classes is a necessary by-product of grammaticisation processes, but the meaning and function of grammaticising elements hardly ever directly relates to marking lexical categories. 4.3 The role of existing lexical categories In practically all historically attested grammaticisation processes, there are already lexical categories to begin with. That is, the process does not start with a morpho-lexically and morphosyntactically undifferentiated class of lexemes. Instead, apart from forming various semantic classes, the lexemes the emerging gram is in construction with will already be subcategorized for morphological or syntactic distributional classes. In this case, the existing lexical categories provide ‘natural’ limits and targets for the grammaticisation process. They provide a natural target in the sense that if a grammaticisation process starts with a subclass of nouns there will be tendency to generalize it to all nouns. But the context expansion defining such a process will also find its ‘natural end’ at the limits of major lexical categories. That is, it is rare that the host class expansion observed in a given grammaticisation process transcends the boundaries of a major lexical category. For example, it is hardly ever observed that elements that are correctly analysed as definite articles at some stage of their grammaticisation come to be used regularly with verbs at a later stage in their development. Similarly, auxiliaries are not usually further grammaticised in a way that includes nominal hosts. 7
The exceptions include terms for plants and animals. See Launey (1981: 27 passim) for details.
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Consequently, it would appear that in particular major lexical categories tend to be part of the structural conditions which determine the development and outcome of grammaticisation processes rather than being themselves a target and outcome of such processes. Obviously, word class systems can be completely restructured (see Sasse (1993b: 660 f.) for an example from Aramaic), but it needs further investigation to determine whether and to what extent such restructuring processes are instances of grammaticisation. 5. References Bybee, Joan L. (1988): “Semantic substance vs. contrast in the development of grammatical meaning”, BLS 14: 247–264. Bybee, Joan L. & William Pagliuca (1985): “Cross-linguistic comparison and the development of grammatical meaning”, in: Fisiak (ed.), 59–83. Bybee, Joan L. & Östen Dahl (1989): “The Creation of Tense and Aspect Systems in the Languages of the World”, Studies in Language 13, 51–103. Bybee, Joan L., Revere Perkins & William Pagliuca (1994): The Evolution of Grammar. Tense, Aspect, and Modality in the Languages of the World, Chicago: University of Chicago Press. Campbell, Lyle & Richard Janda (2001): “Introduction: conceptions of grammaticalization and their problems”, Language Sciences 23, 93–112. Diewald, Gabriele (2002): “A model for relevant types of contexts in grammaticalization”, in: Wischer & Diewald (eds), 103–120. Fisiak, Jacek (ed.) (1985): Historical Semantics. Historical Word-Formation, Berlin et al.: de Gruyter (=Trends in Linguistics SaM 29). Gerritsen, Marinel & Dieter Stein (eds) (1992): Internal and External Factors in Syntactic Change, Berlin: Mouton de Gruyter. Greenberg, Joseph H. (1978). “How does a language acquire gender markers?”, in: Greenberg et al. (eds) III, 47–82. — (1981): “Nilo-Saharan moveable -k as a stage III article (with a Penutian typological parallel)”, Journal of African Languages and Linguistics 3, 105–112. Greenberg, Joseph H., Charles A. Ferguson & Edith Moravcsik (eds) (1978): Universals of human language, 4 vols., Stanford: Stanford University Press. Heine, Bernd & Mechthild Reh (1984): Grammaticalization and reanalysis in African languages, Hamburg: Buske. Himmelmann, Nikolaus P. (1992): Grammaticalization and Grammar, Arbeitspapier Nr. 16, Köln: Institut für Sprachwissenschaft. — (1997): Deiktikon, Artikel, Nominalphrase: Zur Emergenz syntaktischer Struktur, Tübingen: Niemeyer (= Linguistische Arbeiten 362). — (1998): “Regularity in irregularity: Article use in adpositional phrases”, Linguistic Typology 2, 315–353. — (2004): “Lexicalization and grammaticization: opposite or orthogonal?”, in: W. Bisang, N. P. Himmelmann & B. Wiemer (eds), What makes grammaticalization – a look from its components and its fringes, Berlin: Mouton de Gruyter, 21–42 — (in print): “Lexical categories and voice in Tagalog”, in: Peter Austin & Simon Musgrave (eds), Voice and Grammatical Functions in Austronesian Languages, Stanford: CSLI. Hopper, Paul & Elisabeth Closs Traugott (1993): Grammaticalization, Cambridge: Cambridge University Press. Jacobs, Joachim, Arnim von Stechow, Wolfgang Sternefeld & Theo Vennemann (eds) (1993): Syntax, vol. 1, Berlin: de Gruyter.
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Vilmos Ágel (Kassel) Wort-Arten aus Nähe und Distanz Abstract The article attempts to deduce pragmatic categories of signs from universal parameters of ‘Nähe- und Distanzsprechen’ (orality and literacy) and thus to establish a systematic account of discourse signs. An essential precondition for this attempt is the analysis of different perspectives on the notion of word. By asking the question whether it is appropriate – from a deductivepragmatic point of view – to consider the ‘word’ to be the default case of linguistic signs, the author joins the traditional controversy over parts of speech. The article argues that a systematic account of parts of speech on the one hand, and a model of discourse signs on the other, represent independent and complementary perspectives on signs. Fritz Hermanns zum Geburtstag 1. Einleitung 1.1 Wort-Arten vs. Wortarten Will man die ‚Arten von etwas‘ – etwa die Pilzarten, Wortarten oder Satzarten – bestimmen, will man Pilze, Wörter oder Sätze klassifizieren, ja sogar die Klassifikation zum Bestandteil einer Theorie machen, müsste man ja vorher auch das Klassificandum (Pilz, Wort, Satz) bestimmen können. Zumindest wäre es schön, wenn wir theoretisch soweit wären (Kaltz 2000: 693). In der Praxis dagegen ist die Sache bekanntlich weitestgehend unproblematisch: Man geht Pilze sammeln, ohne bestimmen zu können, was Pilze sind, und man liest Bücher mit dem Untertitel „Das Wort“ und „Der Satz“, ohne zu wissen, was ein Wort und was ein Satz ist. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, sich mit den ‚Arten von etwas‘ zu beschäftigen. Entweder man setzt ein ‚etwas‘ voraus und widmet sich der Eruierung der ‚Arten‘. Dabei kann das Ergebnis etwa ein neues Wortartensystem sein. Oder man versucht, ein ‚etwas‘ aus verschiedenen Blickwinkeln zu konturieren. Dabei kann das Ergebnis ein multidimensionales Phänomen, eine Art Hologramm sein, das als Gestalt zwar be-, aber nicht umgreifbar ist. In diesem Sinne ließen sich Wortarten (mit einem vorausgesetzten Wortbegriff) von Wort-Arten (mit multiperspektivisch zu konturierenden Wortbegriffen) unterscheiden. Im vorliegenden Beitrag geht es weniger um Wortarten
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als um Wort-Arten, d.h. um bestimmte Perspektivierungsmöglichkeiten der Wortproblematik. Wenn davon auch die Wortarten (und deren Klassifizierung) profitieren sollten – umso besser. 1.2 Zielsetzung In der Geschichte der Sprachwissenschaft wurde die Wortartenproblematik bekanntlich unter zahlreichen Perspektiven zu einem sinnvollen Untersuchungsobjekt gemacht. Dabei sind auch bedeutende Erkenntnisfortschritte erzielt worden (s. etwa Knobloch/Schaeder 2000). Doch es fehlen zwei bedeutende Perspektivierungen, die zahlreiche grammatische Probleme, darunter auch die Wortartenproblematik, in ein neues Licht rücken könnten: 1. die Perspektive eines nicht synchronizistischen, sondern gleichermaßen gegenwarts- wie geschichtsbezogenen ‚panchronischen‘ Grammatikverständnisses und 2. die Perspektive eines nicht skriptizistischen, sondern das jeweilige historische Beziehungsgefüge von Mündlichkeit und Schriftlichkeit reflektieren wollenden ‚panmedialen‘ Grammatikverständnisses.1 Mein Gewährsmann für die Bedeutung der zweiten Perspektive ist Reinhard Fiehler: Die Schrift- und Textlastigkeit der Sprachwissenschaft betrifft [...] nicht nur den Untersuchungsgegenstand, sondern auch die Analyse- und Beschreibungskategorien als Untersuchungsinstrumente. Die überwiegende Zahl der linguistischen Kategorien wurde in der und für die Analyse geschriebener Texte entwickelt und dann in Grammatiken zu einem relativ festen Satz von Analyse- und Beschreibungskategorien kanonisiert. Beispiele für solche Kategorien sind ‚Satz‘, ‚Wort‘, ‚Anakoluth‘, ‚Elision‘ etc. Diese grammatischen Beschreibungskategorien sind – wie alle Kategorien – funktional ihrem Gegenstand angepaßt, und das heißt der Analyse und Beschreibung von geschriebener Sprache. Diese schriftsprachlich orientierten Analyse- und Beschreibungskategorien sind zudem das einzige voll entwickelte Kategoriensystem. Ein Kategoriensystem, das in ähnlicher Weise funktional auf die gesprochene Sprache zugeschnitten wäre, existiert im Moment nur in Ansätzen. (Fiehler 2000: 25)
Mutatis mutandis gilt das Gesagte auch für die erste Perspektive: Unser grammatiktheoretischer Apparat ist funktional der Analyse und Beschreibung von Synchronien – genauer: von verschriftlichten Gegenwartssprachen – angepasst. Ein ‚panchronisches‘ Kategoriensystem existiert erst in Ansätzen.
1
Mangels eines adäquaten Oberbegriffs soll mit ‚Panmedialität‘ sowohl die Medialität – die mediale Dimension – als auch die Konzeptionalität – die konzeptionelle Dimension – von Mündlichkeit und Schriftlichkeit reflektiert werden (zur Unterscheidung ‚Medium vs. Konzeption‘ vgl. Söll 31985: 17 ff. bzw. Koch/Oesterreicher 1985 und 1994).
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Was sind nun die Strategien, die man in einer Situation, in der die Analyse- und Beschreibungskategorien funktional dem gewählten Gegenstand nicht angepasst sind, verfolgen kann? Fiehler rekonstruiert für die Gesprochene-Sprache-Forschung drei Strategien: [...] Eine Strategie besteht nach wie vor in der Übernahme und Adaption von Kategorien der traditionellen Grammatik. Der zweite Zugang besteht in einer handlungs- und funktionsorientierten Reinterpretation traditioneller Kategorien. Diese Veränderung der Perspektive ist in der Regel auch mit einer Veränderung der Kategoriennamen verbunden. Eine dritte Strategie versucht, grammatische Phänomene aus den Grundbedingungen gesprochener Sprache, insbesondere aus den Bedingungen der Interaktivität, herzuleiten und kategorial zu fassen. Dies führt häufig zu einer Erweiterung des Kategorieninventars für die Analyse gesprochener Sprache. Diese verschiedenen Zugänge sind im Einzelfall jedoch häufig nicht klar voneinander abzugrenzen. (Fiehler 2000: 29)
Die drei (nicht diskreten) Strategien sind demnach Adaption, Reinterpretation und Neustart. Für die diesen Strategien zugrunde liegenden Diagnosen möchte ich folgende terminologische Vorschläge machen: indifferente, schriftgeleitete und fehlende Auffassung. Dabei sind prototypische Merkmale einer indifferenten Auffassung indifferente Kategorien, einer schriftgeleiteten Auffassung schriftgeleitete Kategorien und einer fehlenden Auffassung fehlende Kategorien:
1. Strategien: (Fiehler)
Adaption
Reinterpretation
Neustart
2. Diagnosen:
indifferente Auffassung
schriftgeleitete Auffassung
fehlende Auffassung
3. Kategorien
indifferente Kategorie
schriftgeleitete Kategorie
fehlende Kategorie
Darstellung 1: Auf dem Wege zur ,Panmedialität‘
Die Relationen von Diagnose und Strategie sind wie folgt zu denken: Wenn die Diagnose lautet, dass die Auffassung X hinsichtlich Medialität und/oder Konzeptionalität indifferent ist, ist die Strategie der Adaption anzuwenden.
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Wenn sie lautet, dass die Auffassung X hinsichtlich Medialität und/oder Konzeptionalität schriftgeleitet ist, ist die Strategie der Reinterpretation anzuwenden (zu einer Einschränkung s. Kapitel 2.1 unten). Und wenn es heißt, dass es an einer Auffassung Y oder Z fehlt, obwohl sie gegenstandsangemessen wäre, ist die Strategie des Neustarts anzuwenden. Dabei sollte unter ‚Neustart‘ m.E. nicht eine ‚einfache‘ kategoriale Innovation im althergebrachten theoretischen Rahmen verstanden werden, sondern eine neue Perspektivierung der Problematik, die im Optimalfall nicht zu ad-hoc-Kategorien führt, sondern zu solchen, deren Begründbarkeit sich aus dem neuen Zugang ergibt.2 Obwohl Fiehler das Gewicht auf Neustart legt, braucht man ganz offensichtlich – in Abhängigkeit von der Diagnose – alle drei Strategien. Der theoretische Apparat einer künftigen – wie ich sie nennen möchte: dynamischen (panchronischen wie panmedialen) – Grammatiktheorie (Ágel 2003) bedarf also adaptierter, rekonstruierter und auch ganz neuer Analyse- und Beschreibungskategorien, um das synchronizistische und das skriptizistische Erbe des 20.Jhs. abzulegen. Zu betonen ist dabei, dass Schriftlastigkeit nicht automatisch Skriptizismus bedeutet. Denn immer, wenn die Strategie der Adaption gegenstandsangemessen ist, heißt Schriftlastigkeit lediglich, dass eine „für die Analyse geschriebener Texte entwickelt(e)“ Auffassung vorliegt, die aber auch bei der Analyse gesprochener Sprache adäquat einsetzbar ist. Beispielsweise können die Kategorien ‚Nomen‘ und ‚Verb‘ wohl auch auf die Analyse gesprochener Sprache übertragen werden. Insofern stellen sie indifferente Kategorien dar. Von Skriptizismus ist dagegen zu sprechen, wenn (a) eine schriftgeleitete Auffassung bei der Analyse mündlicher Kommunikation eingesetzt wird oder wenn (b) die Schriftlastigkeit einen Neustart verhindert hat (was sich in der Regel nur rückblickend festellen lässt). Der vorliegende Aufsatz versteht sich als ein Versuch, einen kleinen Beitrag zum Abbau des skriptizistischen Erbes und zum Aufbau eines panmedialen Grammatikverständnisses zu leisten. 2. Wort-Arten: Mündlichkeit und Schriftlichkeit 2.1 Anmerkungen zum Wortbegriff Im Zusammenhang mit der „Schrift- und Textlastigkeit der Sprachwissenschaft“ erwähnt Fiehler u.a. die Kategorie ‚Wort‘. An dieser Stelle möchte ich eine kleine terminologische Präzisierung anbringen:
2
Ein gutes Beispiel für einen Neustart in diesem Sinne ist Konrad Ehlichs Monographie über die Interjektionen (Ehlich 1986).
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Ich werde den Terminus ‚Wortbegriff‘ als Oberbegriff für ‚Wortidee‘ und ‚Wortauffassung‘ verwenden. Die Wortidee ist der Wortbegriff des abendländischen Alltags. Die Wortauffassung ist der diese Wortidee sublimierende Wortbegriff der abendländischen Grammatiktradition. Ich werde diese Termini in der Regel im Singular benutzen, wohl wissend, dass es z.B. mehrere Wortauffassungen gibt. Doch unter der spezifischen Perspektivierung des Beziehungsgefüges von Mündlichkeit und Schriftlichkeit scheint mir diese Vereinfachung im Allgemeinen zulässig zu sein. Es stellt sich nun einerseits die Frage, ob es sich bei dem Wortbegriff um eine indifferente oder eine schriftgeleitete Kategorie handelt. Andererseits stellt sich die Frage, ob eine eventuelle Adaption oder Reinterpretation der Wortauffassung aus der Sicht der Gesprochenen-Sprache-Forschung ausreichen würde. Denn Adaption und/oder Reinterpretation der Auffassung X schließen ja nicht aus, dass es an einer Auffassung Y oder Z fehlt. Mit Bezug auf die Frage, ob der Wortbegriff indifferent ist oder nicht, scheiden sich die Ansichten. Dabei ist zu bedenken, dass ein Bekenntnis zur Indifferenz Nicht-Schriftgeleitetheit impliziert, während das Umgekehrte nicht gilt: Ein Bekenntnis zur Nicht-Indifferenz impliziert nicht Schriftgeleitetheit, es schließt sie aber natürlich auch nicht aus. Anders gesagt: Wenn man der Ansicht ist, dass Medialität und/oder Konzeptionalität entscheidend den Wortbegriff mit prägen (Nicht-Indifferenz), muss man nicht der Ansicht sein, dass der Wortbegriff schriftgeleitet ist. Man kann ja auch dafür plädieren, dass Oralität und Literalität verschiedene Wortideen haben und/oder Wortauffassungen brauchen. Die Position, dass der Wortbegriff indifferent ist, wird u.a. womöglich von Hans-Martin Gauger vertreten. Nach ihm […] ist die Behauptung schwer haltbar, dass erst die Schrift ein Wortbewußtsein vermittelt habe, so als hätten die Sprechenden in jenem ‚Jenseits der Schrift‘ nicht über ein intuitives Wissen darüber verfügt, was ein Wort ist. Als ob dazu die Schrift notwendig gewesen wäre! Als ob das Wort ein Produkt wäre der Schrift! [...] Ein intuitives Wissen über das, was ein Wort ist, gab und gibt es also vor und unabhängig von jeder Schrift. Wobei wir wiederum sehen müssen, daß die Schrift, dann speziell die Einführung der Abstände, der ‚spatia‘ zwischen den Wörtern, welche Wortbewußtheit bereits zur Voraussetzung hat, dies Bewußtsein weiter verstärkten. (Gauger 1994: 47)
Die Einschränkung womöglich bezieht sich darauf, dass mir nicht ganz klar ist, ob mit ‚Wortbewusstsein‘ dasselbe gemeint ist wie mit ‚Wortidee‘. Sprechende können ja diesseits wie jenseits der Schrift ein Wortbewusstsein, dieses jedoch über extensional und/oder intensional differierende Wortideen haben. Zuzustimmen ist dagegen Gauger, wenn er betont, dass es ein „Wortbewußtsein“ vor und unabhängig von jeder Schrift gibt. Auch Helmuth Feilke, Klaus-Peter Kappest und Clemens Knobloch (Feilke/ Kappest/Knobloch 2001: 16 f.), die sich dem Problem ontogenetisch nähern,
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scheinen die Auffassung zu haben, dass der Wortbegriff indifferent ist. Zumindest nehmen sie eine „bereits vor der Verschriftlichung angebahnte Kompetenz zur operativen Ausgliederung von Einheiten im Wortformat“ an (ebd.: 16). Doch sie räumen in einer Fußnote ein, „dass Kinder verschiedentlich auch noch nach der Einschulung Funktionswörtern lange keinen Wortstatus zubilligen wollen“ (ebd.: Anm.19). Die Position, dass der Wortbegriff nicht indifferent ist, wird u.a. von Oralitätsklassikern wie Bronislaw Malinowski oder Walter J. Ong vertreten. Sie betonen, dass sich die orale Idee von Wort entscheidend von der literalen unterscheidet. Nach Malinowski sind orale Wörter nicht deskriptiv (wie die literalen), sondern sie stellen „Aktionsmodi“ dar (1974: insb. 359–367). In oralen Kulturen benutzt man ein Wort „dann, wenn es ein Handeln hervorrufen kann, nicht um ein Handeln zu beschreiben [...]“ (ebd.: 361). Im Einklang mit Malinowski schreibt Ong: Die Auffassung von isolierten Wörtern als bedeutungstragende, isolierte Einheiten wird durch das Schreiben begünstigt, welches [...] zergliedernd und trennend ist. (Ong 1987: 65)
Nach Ong stellen die oralen Wörter „Klänge“ dar, die nicht durch Bedeutungshaftigkeit, sondern vielmehr durch „Ereignishaftigkeit“ charakterisierbar sind (Ong 1987: 37 f.). Auch nach Florian Coulmas (1996: 550) haben orale Kulturen einen anderen Wortbegriff als literale. Er nennt das geschriebene Wort ein Artefakt, dem nicht notwendigerweise eine klar und deutlich abgrenzbare Sprecheinheit entspricht. Interessanterweise gilt für Coulmas das von Feilke/Kappest/Knobloch erwähnte Faktum, dass (Vorschul-)Kinder nicht in der Lage sind, Funktionswörter als Wörter zu identifizieren, als ein wichtiges Argument für die Unterscheidung zwischen einer oralen und einer literalen Wortidee. Aus der Auffassung von Coulmas folgt m.E., dass oral sozialisierte ‚Sprechwissenschaftler‘ (wenn es sie gäbe) eine andere Wortauffassung sublimieren würden als wir literal sozialisierten ‚Schreibwissenschaftler‘. Ob Coulmas ein Verfechter ‚lediglich‘ der Nicht-Indifferenz des Wortbegriffs ist oder deren verschärfte Variante, nämlich die Schriftgeleitetheit, vertritt, lässt sich nicht entscheiden. Eindeutig in Richtung Schriftgeleitetheit argumentiert dagegen Hartmut Günther (1995). Er geht davon aus, dass die Quasi-Objektivierung des Sprechens in der Schrift ein langer historischer Prozess ist, dem sich die Beschreibungen der Grammatiker sukzessive angepasst haben. Er rekonstruiert diesen Prozess, dessen Stadien an der Veränderung der äußeren Form von Schriftzeichen und Schriftstücken nachzuvollziehen seien, nach dem Leitprinzip „Die Schrift fungiert als Modell für die (Analyse der) Lautsprache“ (Günther 1995: 17). Den entscheidenden Schritt in der Veränderung der äußeren Form von Schriftstücken stellt der Übergang von der sog. phonographischen in die sog. grammatische Phase dar (ebd.: 21). Dabei geht es um
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die Einführung des Wortzwischenraumes, der die grammatische Gliederung der ehedem partiturähnlichen Texte einleitet. Auf die Idee, dass auch im phonischen Medium (in der „Lautsprache“) ‚Wörter‘ ausgegliedert werden könnten, kommen nach Günther (ebd.: 19) die Schreiber, die diskrete Einheiten im graphischen Medium identifizieren. Auf der Grundlage der referierten Auffassungen ist natürlich nicht zu entscheiden, ob der (!) Wortbegriff indifferent, nicht indifferent oder schriftgeleitet ist. Vielleicht gerade deshalb nicht, weil unser Hologramm indifferente, nicht indifferente und auch schriftgeleitete Dimensionen hat, wobei sich die zitierten Autoren auf jeweils verschiedene Betrachtungen des Hologramms beziehen.3 Folglich dürfte es gar nicht darum gehen, definitive Entscheidungen herbeizuführen, sondern vielmehr darum, die indifferenten, nicht indifferenten und die nicht zu reinterpretierenden schriftgeleiteten Dimensionen des Wortbegriffs auszuarbeiten. Mit Letzterem ist gemeint, dass es m.E. ernsthaft zu überlegen ist, inwieweit es in einer entwickelten Schriftkultur überhaupt möglich, notwendig und sinnvoll ist, eine Reinterpretation ‚bis zur letzten Konsequenz‘ anzustreben. 2.2 Präzisierungen Die bisherigen Ausführungen zur Wortproblematik waren in zahlreichen Punkten undifferenziert. Ich möchte vorerst zwei nennen: 1. Wortideen und Wortauffassungen sind nicht isomorph. Während die erwähnten indifferenten, nicht indifferenten und schriftgeleiteten Dimensionen eher auf Wortauffassungen als auf Wortideen anzuwenden sein dürften, ist es durchaus plausibel, (diverse) orale und literale Wortideen zu unterscheiden.4 2. Da jede Wortauffassung Teil eines Theoriegefüges ist, muss auch das Problem bedacht werden, dass eventuelle Reinterpretationen des Theoriegefüges oder eben Neustarts auch die Wortauffassung tangieren können und umgekehrt. 3 4
Damit soll weder die theoretische noch die empirische Kritik am ‚Wortskriptizismus‘ (Ágel 1999 bzw. Ágel/Kehrein 2002) zurückgenommen werden. Doch ist einzugestehen, dass auch diese Kritiken (hologrammbezogen) einseitig sind. Auch literale Wortideen verändern sich historisch. Nach der überzeugenden Analyse von Ivan Illich (1991) sind die Semiotik des monastischen und die des scholastischen Lesens grundverschieden. Daraus folgt m.E. notwendigerweise, dass sich die Wortideen von monastischen und scholastischen Lesern grundlegend unterscheiden. Erstere, die eigentlich (murmelnde) ‚Selbsthörer‘ waren und deren Bücher einen „Verweis auf die Welt“ (Illich 1991: 126) darstellten, dürften über eine Art ‚externer‘ (= referentieller) Wortidee verfügt haben, während Letztere, die stille Leser waren und deren Bücher einen „Verweis auf den Verstand“ (ebd.) darstellten, eher über eine Art ‚interner‘ (= zeichenbezogener) Wortidee verfügt haben dürften.
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Was den zweiten Punkt anbelangt, bin ich – in loser Anlehnung an Überlegungen von Jacques Poitou (1984) – der Ansicht, dass die Identifikation, Analyse und Beschreibung von Wörtern oder anderen Einheiten bzw. deren Klassifikation nur im Rahmen eines gewissen Grammatikverständnisses, d.h. in Abhängigkeit von einer grammatischen Konzeption bzw. Ideologie, geleistet werden können. Poitou (1984: 127) weist zu Recht darauf hin, dass die traditionelle Denkweise, die Wortklassifizierung als eine Frage von immer präziseren und exhaustiveren Listen zu betrachten, eine Sackgasse ist, denn Wörter und Wortarten gewinnen erst aus einer grammatischen Systematik heraus ihren ‚Wert‘.5 Schwerer als die genannten zwei Vereinfachungen wiegt, dass die bisherigen Ausführungen selbst unter dem Aspekt der eigens auferlegten perspektivischen Einengung der Wortproblematik auf das Beziehungsgefüge von Mündlichkeit und Schriftlichkeit pauschal und vereinfachend waren: 1. Medialität und Konzeptionalität können nicht mit einem und/oder erledigt werden. Ihre Bezüge zur Wortproblematik müssten zuerst getrennt untersucht, dann aufeinander bezogen werden; 2. Das Beziehungsgefüge von Mündlichkeit und Schriftlichkeit ist ständigem Wandel unterzogen. Die Folgen für die Wortproblematik – auch im Hinblick auf die nicht panmedial konzipierten Grammatikalisierungstheoreme – müssten bedacht werden. Ad 1: Dass Medialität und Konzeptionalität nicht mit einem und/oder erledigt werden können, davon zeugen die Perspektivierungsunterschiede in den referierten Auffassungen. Beispielsweise beziehen sich Günthers Ausführungen aufs Medium, während etwa Ong und Malinowski auf die konzeptionellen Differenzen abheben. Betrachtet man Medialität als nur einen, wenn auch wichtigen, Aspekt von Konzeptionalität, so ist nahe liegend, dass auch die Wortbegriffe entsprechend differenziert werden könnten. Die Termini graphisches Wort und phonisches Wort finden zwar vereinzelt Verwendung, doch ist mir eine entsprechende konzeptionelle Unterteilung etwa in Nähewort vs. Distanzwort vs. Indifferenzwort (= konzeptionell indifferentes Wort) nicht geläufig. Und wenn sich Nähewörter und/oder Distanzwörter empirisch nach5
Die Bedeutung dieses valeur-bezogenen Denkens soll durch das folgende Gedankenexperiment unterstrichen werden: Nehmen wir an, dass jemand die Konzeption vertritt, dass geschriebene und gesprochene Sprache ein gemeinsames, einheitliches grammatisches System haben. (Diese Annahme ist sehr realistisch, denn die Mehrheit der Grammatiker dürfte dieser Auffassung sein.) Wenn man nun diese Auffassung vertritt, dann muss man folgerichtig auch der Ansicht sein, dass die Identifikation, Analyse und Beschreibung von Wörtern oder anderen Einheiten bzw. deren Klassifikation genauso gut im Geschriebenen wie im Gesprochenen erfolgen und dass die Ergebnisse auf das jeweils andere Medium übertragen werden können. Würde nun die Mehrheit der Grammatiker diese Konsequenz des genannten Grammatikverständnisses auch tragen wollen?
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weisen und/oder theoretisch begründen ließen, so würde sich auch die Frage stellen, ob damit ein neuer Aspekt der Begründung oder Mitbegründung von Wortatensystemen, die ja stillschweigend mit der Annahme von Indifferenzwörtern arbeiten, gewonnen würde. Ad 2: Dass sich das Beziehungsgefüge von Mündlichkeit und Schriftlichkeit ständig wandelt, ist eine Binsenwahrheit. Weniger trivial sind die Ausbuchstabierung und die Folgen für die Wortproblematik. Um Medialität wie Konzeptionalität angemessen berücksichtigen zu können – um etwa die sog. elaborierte Mündlichkeit in primär oralen Kulturen (Koch/Oesterreicher 1985: 29 f. und Koch/Oesterreicher 1994: 593), die durchaus distanzsprachliche Züge aufweist, nicht ausklammern zu müssen – möchte ich die folgende schematische Darstellung zugrunde legen: Oralität
Nähesprechen
Distanzsprechen
Literalität
primär
nur mündlich
elaboriert mündlich
–
sekundär
literarisiert
verschriftet
primär
tertiär
literoralisiert (a) verlautlicht (b) vermündlicht
verschriftlicht
sekundär
oraliteralisiert
tertiär
Darstellung 2: Beziehungen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit
Bekanntlich werden in der Schriftlichkeitsforschung primäre und sekundäre Oralität unterschieden (s. etwa Ong 1987: 18). Doch mir scheint, dass die Unterteilung der Oralität in ‚von Schriftlichkeit unberührt‘ vs. ‚als Pendant von Schriftlichkeit existent‘ heute nicht mehr ausreicht. Vielmehr erscheint es mir sinnvoll, ja notwendig, erstens auch mit tertiärer Oralität zu rechnen und zweitens sowohl bei der sekundären wie auch bei der tertiären Oralität zwei Phasen – eine mediale und eine konzeptionelle Phase – zu unterscheiden: (1) Der Übergang von der primären in die sekundäre Oralität ist die Zeit der Organisierung von Literalität, kurz: die Literalisierung. Das Ergebnis ist literalisiertes Nähesprechen. Die erste Phase der Literalisierung setzt mit der Verschriftung, die zweite mit der Verschriftlichung ein.6 Mit Verschriftlichung ist, um mit Feilke (1998)
6
Unter „Verschriftung“ verstehen Koch und Oesterreicher den medialen, unter „Verschriftlichung“ den konzeptionellen Aspekt der Literalisierung (Koch/Oesterreicher 1994: 587).
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zu sprechen, die zunehmende idiomatische Prägung der (medial) geschriebenen Sprache gemeint. Aus einer verschriftlichten Varietät lässt sich die gesprochene Sprache (der primären Oralität) nicht mehr rekonstruieren. (2) In entwickelten Schriftkulturen, wo die Quelle gesprochener Äußerungen nicht mehr nur die gesprochene Sprache (der sekundären Oralität), sondern auch die Schriftsprache ist, lassen sich Prozesse der Reorganisierung von Oralität diagnostizieren, die eine neue Qualität von Oralität darstellen. Es ist diese ‚Literoralisierung‘, die m.E. die sekundäre in die tertiäre Oralität überführt. Das Ergebnis ist literoralisiertes Nähesprechen. Auch bei der Literoralisierung können analog zur Literalisierung eine mediale und eine konzeptionelle Phase unterschieden werden: erst der phonische Einsatz der Schriftsprache, den man Verlautlichung (medialer Aspekt) nennen könnte, dann die Restrukturierung der Schriftsprache im anderen Medium, die man als Vermündlichung (konzeptioneller Aspekt) bezeichnen könnte.7 Mit Vermündlichung ist die zunehmende idiomatische Prägung der gesprochenen Schriftsprache gemeint. Aus einer vermündlichten Varietät lässt sich weder die Schriftsprache noch die gesprochene Sprache (der sekundären Oralität) rekonstruieren.8 Auch hinsichtlich der Perspektivierung des Beziehungsgefüges von Mündlichkeit und Schriftlichkeit lassen sich Unterschiede in den referierten Auffassungen nachweisen. Während sich Ong und Malinowski mit primärer Oralität beschäftigen und ihre Ergebnisse auf diese beziehen, befasst sich die moderne Gesprochene-Sprache-Forschung mit sekundärer und/oder tertiärer Oralität.9 Auch die Ansichten von Feilke/Kappest/Knobloch (2001) sind vor dem Hintergrund desjenigen Sprach- und Schrifterwerbs zu sehen, der für stark literalisierte Kulturen charakteristisch ist. Welche Folgen für die Wortproblematik könnten nun bedacht werden? (1) Wie gesagt, würden der evtl. empirische Nachweis und/oder die theoretische Begründung von Nähe- und/oder Distanzwörtern die Frage induzieren, ob damit ein neuer Aspekt der Begründung oder Mitbegründung von Wortatensystemen gewonnen würde. Die Abbildung der Problematik des Beziehungsgefüges von Mündlichkeit und Schriftlichkeit auf die Problematik der Begrün7 8
9
Die Idee zum Terminus ‚Verlautlichung‘ verdanke ich Peter Eisenberg (1996: 1368), der schreibt, „daß es einen zu ‚verschriftet‘ konversen Terminus ‚verlautlicht‘ nicht gibt.“ Natürlich dürfte literoralisiertes (tertiäres) Nähesprechen in der Zeit der teilweisen „Reoralisierung der öffentlichen Kommunikation“ (von Polenz 1999: 39), die ca. seit den 30er Jahren andauert, nicht ohne Wirkung auf das Distanzsprechen bleiben. Die (vermutliche) Reorganisierung der (sekundären) Literalität unter dem Einfluss tertiärer Oralität könnte Oraliteralisierung genannt werden. Das Ergebnis ist oraliteralisiertes (tertiäres) Distanzsprechen. Dabei könnte die Auflösung von diesem und/oder eine wichtige Forschungsaufgabe darstellen.
Wort-Arten aus Nähe und Distanz
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dung oder Mitbegründung von Wortatensystemen führt natürlich dann zu einer noch differenzierteren Fragestellung: Könnten u.U. spezifisch primäre, sekundäre und tertiäre Nähe- bzw. Distanzwörter empirisch nachgewiesen und/oder theoretisch begründet werden? Und wenn ja, wie würde sich das auf die Begründung oder Mitbegründung von Wortatensystemen auswirken?10 Gibt es etwa unter den Bedingungen tertiärer Oralität Wort-Arten oder gar Wortarten, die es etwa in der primären Oralität (nicht nur früherer, sondern auch gegenwärtiger Sprechgemeinschaften) nicht gibt? (2) Ein weiterer Punkt ist, dass die Grenzen zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Oralität und Literalität historisch gesehen fließend sind. Dies hat (a) mit langen und sich überlappenden historischen Prozessen, (b) mit deren bildungs- und sozialgeschichtlicher Komplexität und (c) mit dem ‚sedimentierten‘ Charakter des Sprachstoffes (und dem ‚nichtsedimentierten‘ der Kommunikation, s. Knobloch 2003) zu tun. Ad (a): Die Verschriftlichung (= Herausbildung der Schriftsprache) setzt in Deutschland im 16. Jh. ein und gilt gegen Ende des 18. Jhs. als abgeschlossen (Besch 2003). Die Verlautlichung (= der phonische Einsatz der Schriftsprache im Gesprochenen) ist wohl mit den Anfängen der sog. Leseaussprache im 17. Jh. – damals noch beschränkt auf höhere Sozialschichten (von Polenz 1994: 140) – gleichzusetzen. Die Vermündlichung (= Restrukturierung der Schriftsprache im Gesprochenen) dürfte mit der Standardisierung im 19. Jh. (Besch 2003) begonnen und sich auch in der Herausbildung des umgangssprachlichen Substandards manifestiert haben. Wegen Rückschlägen in der schriftkulturellen Entwicklung in der ersten Hälfte des 19. Jhs. (Maas 2003: 2410f.) ist hier jedoch nicht mit einem geradlinigen Prozess zu rechnen. Ad (b): Die Verschriftlichung betrifft lange Zeit vorrangig die oberen Sozialschichten und das Bildungsbürgertum. Vertreter anderer Sozialschichten verharren bis zur Einführung der allgemeinen Schulpflicht, ja zum Teil sogar bis heute (Maas 2003: 2403), vielfach noch in einem Zustand, den man quasiprimäre Oralität nennen könnte: Man liest nicht, schreibt nicht und benutzt in der Kommunikation den eigenen Basisdialekt. Quasiprimär ist diese Oralität allerdings deshalb, weil (a) sie nicht das historische Beziehungsgefüge von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, sondern Idiolekte betrifft, weil (b) die modernen Basisdialekte infolge der Vertikalisierung des Varietätenspektrums – insbesondere infolge von deren sprachsoziologischen und sprachgebrauchsgeschichtlichen Dimensionen (Reichmann 2003) – nicht mehr ‚von Schriftlich-
10
Der Begriff ‚primäres Distanzwort‘ wäre nur dann eine Contradictio, wenn man die Distanzsprachlichkeit ans graphische Medium binden würde. Doch auch die ‚Wörter‘, die spezifisch für die elaborierte Mündlichkeit sind, müssen mit bedacht werden. Deshalb korrelieren die Phasen von Distanzsprechen und Literalität nicht (Darstellung 2).
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keit unberührt‘ sind und weil (c) man sich einem zumindest ‚rezeptiven Erlebnis‘ der Kodevielfalt und des Kodewechsels nicht entziehen kann. Somit sind wir Zeugen einer ‚semiotischen Polarisierung‘ moderner (= tertiär oraler) Sprachgemeinschaften: Die Sprachzeichen quasiprimärer Oralität sind eher nur Sprechzeichen (ohne Schreibzeichen-Überdachung), während literalisierte Mitglieder derselben Sprachgemeinschaft gleichermaßen Sprechwie Schreibzeichen verwenden, wobei erstere letzteren untergeordnet sind. Damit ist Folgendes gemeint: Während bei Schreibzeichen die ausdrucks- und die inhaltsseitige Distinktivität und somit die Paradigmenbildung graphisch begründet oder mitbegründet sind, sind Sprechzeichen-Paradigmen ausschließlich im Rekurs auf das phonische Medium etabliert (zu der Begründung der Unterscheidung ‚Sprech- vs. Schreibzeichen‘ s. Ágel/Kehrein 2002 bzw. Kapitel 3.4 unten).11 Bezogen auf die Wortproblematik bedeutet dies, dass man u.U. eine quasiorale Wortidee bzw. eine diese sublimierende quasiorale Wortauffassung von einer literalen Wortidee bzw. Wortauffassung innerhalb derselben Sprachgemeinschaft bzw. Sprachwissenschaftlergemeinschaft unterscheiden müsste. Daraus folgt wiederum, dass man sich als Wortartentheoretiker auch der Frage zu stellen hätte, ob Wortarten als Sprechzeichen und/oder als Schreibzeichen zu definieren sind. Die evtl. (theoretisch-deduktive) Begründung von Sprechund Schreibwortarten würde dann die (empirisch-induktive) Frage ermöglichen, ob mit verschiedenen sprachsoziologisch begründbaren Systemen von Sprech- und/oder Schreibwortarten zu rechnen ist.12 Ad (c): Die Vermündlichung schriftsprachlicher Organisationsformen, -techniken und Funktionsweisen passiert natürlich nicht von heute auf morgen und nicht in allen Winkeln der Schriftsprache. Wenn es z.B. stimmt, dass sich etwa weil, obwohl, wenn und wobei zu Gliederungssignalen (weiter)grammatikalisiert haben (s. etwa Gohl/Günthner 1999; Günthner 1999 und 2000; Gohl 2002), dann stellen diese Nähezeichen Beispiele für tertiär orale Organisationsformen dar (tertiäre Nähewörter). Doch dies bedeutet selbstverständlich noch lange nicht, dass die moderne deutsche gesprochene Sprache in ihrer Gesamtheit ein tertiär orales Varietätengefüge wäre. Vielmehr muss man angesichts der „Sedimentierungen“ im System der Einzelsprache (Knobloch 2003: 120) mit einem Neben-, Über- und Miteinander primär, sekundär und 11
12
Qua inhaltsseitiger Differenzen könnten für einen quasioralen Sprecher etwa Saite und Seite, qua ausdrucksseitiger Differenzen etwa das bestätigend-zustimmende und das ‚abtönende‘ Ja (s. hierzu die empirische Analyse in Ágel/Kehrein 2002: 11–20) als diverse Paradigmen gelten. Zu unterscheiden ist die medial-paradigmatische Perspektivierung (‚Sprech- vs. Schreibzeichen‘) von einer medial-syntagmatischen (‚phonisches vs. graphisches Wort‘). Medialsyntagmatische Wort-Arten basieren auf phonischen vs. graphischen Grenzsignalen (Junktur vs. spatia). Z.B. entsprechen dem phonischen Wort gibt’s in der Regel die zwei graphischen Wörter gibt und es.
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tertiär oraler Organisationsformen, -techniken und Funktionsweisen rechnen (Ágel 2003). Man kommuniziert also in der tertiären Oralität keinesfalls mit einem tertiär oralen System von Varietäten – auch nicht mit einer tertiär oralen Schrift- oder Standardsprache –, sondern mit Sedimentierungen von in der primären, sekundären und tertiären Oralität lexikalisierten, grammatikalisierten, weiterlexikalisierten und weitergrammatikalisierten Systemen von (mittlerweile ebenfalls umstrukturierten) Varietäten. Das ist das gegenwärtige „Ende als Anfang“ (Knobloch 2003). Teils zusammenfassend, teils dem nächsten Kapitel vorgreifend möchte ich folgende Wort-Arten als mögliche Perspektivierungen unseres Hologramms vorschlagen:
Darstellung 3: Wort-Arten
oral
schriftgeleitet
Distanzwort
Indifferenzwort
Sprechwort
phonisches Wort
Schreibwort
graphisches Wort
morphologisch
semantisch
pragmatisch
,Wort‘-Kategorien (deduktiv)
syntaktisch
Wortklassen (induktiv)
III. ,Wort‘-Arten
medial-paradigmatische medial-syntagmatische Wortkategorien Wortkategorien
II. Wort(auffassungs)-Arten
konzeptionelle Wortkategorien
Nähewort
nicht indifferent
2. Wortauffassungen
indifferent
literal
1. Wortideen
I. Wort(begriff)-Arten
Wort-Arten
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Wort-Arten aus Nähe und Distanz
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3. ‚Wort‘-Arten 3.1 Wortarten – Kategorien oder Klassen? Bislang war die Rede eher von Wort-Arten als von Wortarten. M.a.W., es wurden einige mögliche Perspektivierungen des Wortbegriffs skizziert und Unterteilungen vorgeschlagen, doch das klassische Wortartenproblem ist nur am Rande berührt worden. Kann nun ein ‚panmediales‘ Grammatikverständnis einen (wenigstens theoretisch-methodischen) Beitrag auch zum Problem der Wortarten leisten? Selbst diejenigen Theoretiker, die die abendländische Wortauffassung als indifferent ansehen, hätten wohl nichts dagegen einzuwenden, wenigstens den Versuch zu unternehmen, grammatische Phänomene vor dem Hintergrund konstanter (universaler) Parameter der Diskursgestaltung zu untersuchen. Denn ein solcher Typ von Neustart entspricht durchaus der deduktiven Verfahrensweise, die auch von programmatischen Wortartentheoretikern wie z.B. von Kaznelson (1974) oder von Coseriu (1987a) vorgeschlagen und praktiziert wurde (s. auch Knobloch/Schaeder 2000: 682 ff.). Coseriu (1987a: 25 f.) etwa diagnostiziert u.a. die Verwechslung von ‚Wortkategorie‘ mit ‚Wortklasse‘, und damit meint er in erster Linie die Verwechslung von deduktiver mit induktiver Verfahrensweise. Während Wortkategorien „Kategorien des Sprechens, ‚universelle‘ Bedeutungsweisen, die in der tatsächlichen Sprechtätigkeit festgestellt und ohne notwendigen Bezug auf eine bestimmte Sprache definiert werden“ (ebd.: 33), darstellen, sind Wortklassen induktiv, auf der Basis von einzelsprachlichen „formalen Schemata“, die Coseriu (1987a: 34) „idiomatische Kategorien“ nennt, gewonnene Lexikoneinheiten. Diese Unterscheidung (zwischen Wortkategorien und Wortklassen) impliziert, dass morphologisch und syntaktisch begründete Wortartensysteme nur Wortklassensysteme darstellen können. Umgekehrt werden durch universalpragmatische oder universalsemantische Deduktion Wort- bzw. Zeichenkategorien etabliert. Entsprechend dürfte es sinnvoll sein, pragmatische von semantischen Zeichenkategorien zu unterscheiden.13 Um den Unterschied zwischen der ‚Entstehung‘ von Wortklassen und Wortkategorien zu illustrieren, kann die berühmteste Beispielgruppe der Gesprochenen-Sprache-Forschung herangezogen werden: Auf Grund vor allem der idiomatischen Kategorie ‚Verbzweit‘ ließen sich die nähesprachlichen Konnektoren obwohl, weil, (adversatives) während und wobei zusammen mit den traditionellen Konjunktoren zu einer (allerdings indifferenten) Wortklasse zusammenfassen. In einem universalsemantischen oder -pragmatischen Modell müsste dagegen gefragt werden, ob sich aus semantischen oder pragmatischen Grundbedingungen des Sprechens im Allgemeinen bestimmte „Seinsweisen 13
Coserius Wortkategorien sind semantisch deduziert.
110
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der Wörter“ (Coseriu 1987a: 26) ergeben und ob sich in den Wörtern obwohl, weil, während, wobei, und, denn, aber usw. eine, mehrere oder gar keine dieser Seinsweisen manifestiert. In dem universalsemantischen Modell von Coseriu würden weder die genannten nähesprachlichen Konnektoren noch die traditionellen Konjunktoren Wortkategorien repräsentieren, da nach Coserius Semantiktheorie nur die kategoriellen Bedeutungen ‚Substantiv‘, ‚Verb‘, ‚Adjektiv‘ und ‚Adverb‘ als (semantische) Wortkategorien fungieren (s. Coseriu 1987b: 88 ff.). Den traditionellen Konjunktoren würde Coseriu eine „instrumentale Bedeutung“ (Coseriu 1987b: 90) – etwa die Bedeutung ‚koordinierend/jungierend‘ – zuschreiben, während die nähesprachlichen Konnektoren in seiner Theorie nicht untergebracht werden könnten. Nach meiner Auffassung deshalb nicht, weil sich diese, wenn überhaupt, eben nur aus einem universalpragmatischen Modell ableiten ließen. Die Frage, der sich Wortartentheoretiker als Wortkategorientheoretiker auch stellen müssen, ist folglich, ob sich aus pragmatischen Grundbedingungen des Sprechens im Allgemeinen bestimmte „Seinsweisen der Wörter“ – oder generell: von Zeichen – ableiten lassen. Wenn ja, haben wir es nämlich mit einem deduktiven Typ von Wortart namens ‚pragmatische Wortkategorie‘ zu tun. Im Folgenden möchte ich dieser Frage nachgehen. Es soll untersucht werden, ob sich aus universalen Parametern des Nähe- und Distanzsprechens Wortarten – pragmatische Wortkategorien – begründen lassen. Auf den ersten Blick ist die Aufgabe also zweigeteilt: 1. Zuerst muss ein Modell des Nähe- und Distanzsprechens vorgeschlagen werden. 2. Anschließend ist zu prüfen, ob sich aus dem Modell pragmatische Wortkategorien oder gar ein pragmatisches Wortkategoriensystem ableiten lässt. Doch im Grunde ist die Aufgabe (mindestens) dreigeteilt. Denn es muss auch noch eine dritte Frage angesprochen werden: 3. Ist es unter deduktiv-pragmatischen Gesichtspunkten angemessen, das Wort als den minimalen Standardfall der Sprachzeichenbildung anzusehen? Sind also pragmatische Wortkategorien wirklich als Wort-Kategorien zu denken? Ist es z.B. sinnvoll zu sagen, dass ein Gliederungssignal wie ich meine weiterzugliedern ist in zwei Wörter: in das Personalpronomen ich und in die Verbform meine? Und wäre es umgekehrt sinnvoll zu sagen, dass die diversen hms, da sie den klassischen Zeichen-Vorstellungen nicht entsprechen, keine Wörter sind?14 14
Wurzel (2000: 35 ff.) plädiert für 2+1 Wortkriterien: (1) Kohärenz/Nichtunterbrechbarkeit;
Wort-Arten aus Nähe und Distanz
111
Es sind also insgesamt drei Punkte, die behandelt werden müssen. Die Reihenfolge wird dabei sein: zuerst die Vorstellung des Modells, anschließend die Frage (mit der vorweggenommenen Antwort), ob pragmatische Wortkategorien Wort-Kategorien sind, und schließlich die Ableitung pragmatischer Zeichenkategorien aus dem Modell. 3.2 Grundzüge einer Theorie des Nähe- und Distanzsprechens Die Theorie, die ich hier auf wenigen Seiten kurz und stark vereinfacht vorstellen möchte, ist die von Mathilde Hennig und mir entwickelte „Theorie des Nähe- und Distanzsprechens“ (Ágel/Hennig 2003), die als Präzisierung und Weiterentwicklung der Nähe-Distanz-Modellierung von Koch und Oesterreicher (1985 und 1994) zu verstehen ist. Wir modellieren Nähe und Distanz anhand von fünf Parametern (Rolle, Zeit, Situation, Code und Medium) auf insgesamt fünf Ebenen (UNIAX, UNIKOM, UNIDIS, UNIVER und UNIMERK).15 Darstellung 4 bietet einen Überblick über die Struktur des Modells, Darstellung 5 veranschaulicht diese am Beispiel eines Parameterausschnitts:16
–––––––—
15 16
(2) einheitliche Flexion und (3) syntaktischer Status: „Wörter und Semiwörter im Sinne der Morphologie können überhaupt nur solche grammatischen Einheiten sein, die auch in der Syntax den Status einheitlicher Wörter haben (d.h. Konstituenten der sogenannten X0-Ebene darstellen)“ (Wurzel 2000: 39). Kriterium (2) fällt für hm aus, nach (1) wäre es ein Wort, nach (3) aber nicht. Nach Maas (1992: 134) ist das Wort „die kleinste freie (freibewegliche), insofern isolierbare interpretierbare Einheit der Äußerung.“ Diese Definition setzt nicht auf grammatische, sondern auf semantische Autonomie (Proben auf S. 133: Substitution, Permutation, Einschub). Auf pragmatische Zeichen wie ich meine oder hm ist sie genauso wenig anwendbar wie Wurzels Theorem. Es ist wichtig zu betonen, dass die identische Anzahl von Parametern und Beschreibungsebenen reiner Zufall ist. Da sowohl die Darstellungen als auch die anschließenden Erläuterungen – zum Teil wortwörtlich – aus Ágel/Hennig (2003) übernommen sind, wird in diesem Kapitel auf Anführungszeichen verzichtet.
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I IIR
IIZ
IIS
IIC
IIM
IIIR
IIIZ
IIIS
IIIC
IIIM
IVRa IVRb IVRc IVZa IVZb IVZc IVSa IVSb IVSc IVCa IVCb IVCc IVMa IVMb IVMc VVVVVVVVVV VVVVVVVV VVVVVVVVVVV VVVVVVVV VVVVVVVVVV
I. II. III. IV. V.
= = = = =
UNIAX=Universales Axiom UNIKOM=Universale Parameter der Kommunikation UNIDIS= Universale Parameter der Diskursgestaltung UNIVER=Universale Diskursverfahren UNIMERK=Universale Diskursmerkmale
Die Relationen zwischen den Ebenen: II ergibt sich aus I; II führt zu III; III wird umgesetzt durch IV; IV kann sich einzelsprachlich materialisieren als V. R Z S M C
= = = = =
Rollenparameter Zeitparameter Situationsparameter Parameter des Mediums Parameter des Codes
Darstellung 4: Ebenen und Parameter des Nähe- und Distanzsprechens
I Offene P-R II P-R-Rollendynamik III Interaktivität IVa Kontakt von P und R IVb P-mit R-Sequenzierung IVc P-mit-R-Engführung der Orientierungen Vaa Begrüßungssequenzen
...
Vba Rederechtssignale
…
Vca Enführungssignale
…
Darstellung 5: Ebenen am Beispiel des Rollenparameters (Ausschnitt aus der Näheseite)
IVf
…
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113
Ebene I bezeichnen wir als universales Axiom (UNIAX) und meinen damit die Grundkonstellationen des Nähe- und Distanzsprechens: Die Grundkonstellation des Nähesprechens ist, dass sich Produzent und Rezipient zur gleichen Zeit im gleichen Raum befinden (R-Raumzeit = P-Raumzeit), während beim Distanzsprechen das nicht der Fall ist (R-Raumzeit P-Raumzeit). Ziel unserer Modellierung ist, alle weiteren Ebenen aus diesen Grundkonstellationen abzuleiten, so dass auch die unterste Hierarchieebene auf diesen Ausgangspunkt zurückgeführt werden kann. So ergeben sich die einzelnen Ebenen unmittelbar aus der jeweils hierarchisch höher liegenden: Ebene II ist für die universalen Parameter der Kommunikation (UNIKOM) reserviert: Rolle, Zeit, Situation, Code und Medium. Der Rollenparameter beschreibt die Beziehung der Kommunikationsteilnehmer zueinander, d.h. ob die Rollen als Produzent und Rezipient festgelegt sind oder während des Kommunikationsereignisses wechseln können. Der Zeitparameter beschreibt die Art und Weise, in der sprachliche Äußerungen zu Stande kommen, d.h. ob eine Äußerung zunächst geplant und anschließend ausgeführt wird (off-line) oder ob Planung und Äußerung zeitgleich verlaufen (on-line). Der Situationsparameter beschreibt die Verschränkung in oder Loslösung von Raum und Zeit. Der Parameter des Codes erfasst, ob die verbale Kommunikation durch nonverbale begleitet wird oder nicht. Der Parameter des Mediums schließlich erfasst die sich aus Phonizität und Graphizität ergebenden Möglichkeiten der Kommunikation. Da nun die Ebenen III–V der Modellierung unmittelbar auf diese fünf Parameter auf Ebene II zurückführbar sind, nehmen wir auf die fünf Hierarchien jeweils mit den Ebenen II–V mit Hilfe der fünf Parameterbezeichnungen – als Rollen-, Zeit-, Situationsparameter sowie Parameter des Mediums und des Codes – Bezug. Die universalen Parameter der Kommunikation führen u.E. unmittelbar zu universalen Parametern der Diskursgestaltung (Ebene III: UNIDIS). Am Beispiel des Rollenparameters (Darstellung 5) veranschaulicht: Die P-RRollendynamik, d.h. die sich aus einer offenen Grundkonstellation ergebende Möglichkeit des ständigen Wechselns von Produzenten- und Rezipientenrolle, führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer interaktiven Diskursgestaltung. Die Parameter der Diskursgestaltung werden auf Ebene IV (UNIVER) durch universale Diskursverfahren umgesetzt, die sich auf Ebene V (UNIMERK) einzelsprachlich – als universale Diskursmerkmale – materialisieren können. Um beim Rollenparameter zu bleiben: Die interaktive Diskursgestaltung wird durch sechs UNIVER (IVa–IVf) umgesetzt, von denen in Darstellung 5 die ersten drei Diskursverfahren angeführt sind: ‚Kontakt von P und R‘, ‚Pmit-R-Sequenzierung‘ und ,P-mit-R-Engführung der Orientierungen‘ (die Erläuterungen erfolgen im Anschluss an Darstellung 6 unten). Diese können
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sich auf Ebene V in verschiedenen einzelsprachlichen Merkmalen materialisieren: IVa etwa in Begrüßungssequenzen, IVb in Rederechtssignalen und IVc in Engführungssignalen.17 In der Hoffnung, dass durch diese knappe Vorstellung ein ‚philosophisches‘ und strukturelles Grundverständnis gesichert ist, soll nun eine – nicht strukturell, sondern lediglich um Details – gekürzte Fassung des Modells (links die Nähe-, rechts die Distanzseite) präsentiert werden:18 I UNIAX: Offene P-R P-Raumzeit = RRaumzeit
Geschlossene P-R P-Raumzeit RRaumzeit
II UNIKOM – V UNIMERK mit jeweils fünf Parametern: 1 Rollenparameter UNIKOM 1 UNIDIS 1 UNIVER 1a UNIMERK 1a … UNIVER 1b UNIMERK1b
UNIVER 1c UNIMERK 1c UNIVER 1d UNIMERK1d
17
18
P-R-Rollendynamik (Dialogizität) Interaktivität/Kotextualität (interaktive Diskursgestaltung) Kontakt von P und R Begrüßungs- und Verabschiedungssequenzen P-mit-R-Sequenzierung Adjazenzstrukturen Rederechtssignale … P-mit-R-Engführung der Orientierungen Kontakt-/Engführungssignale … aggregative Rezeptionssteuerung aggregative Ankündigung …
P-R-Rollenstabilität (Monologizität) Eigenaktivität/Egotextualität (eigenaktive Diskursgestaltg.) kein Kontakt von P und R – P-ohne-R-Sequenzierung monosequenziale Strukturen – P-ohne-R-Kontextualisierung – Integrative Rezeptionssteuerung grammatisch integrierte Verstehensanleitung
Dass wir einzelsprachliche Phänomene auf Ebene V universale Diskursmerkmale nennen, hat mit der zugrunde gelegten Theorie (Coseriu 1988) zu tun. Gemeint sind damit universalpragmatisch – in unserem Falle: in den universalen Nähe/Distanz-Grundkonstellationen – verankerte einzelsprachliche Merkmale. Im Gegensatz zu den einführenden Darstellungen 4 und 5 fungieren hier nicht mehr die Ebenen, sondern die (arabisch durchnummerierten) fünf Parameter als primäre Ordnungsinstanzen. Alles, was sich auf den Rollenparameter bezieht, fängt also mit einer 1, alles Zeitparameterbezogene mit einer 2 usw. an.
Wort-Arten aus Nähe und Distanz
UNIVER 1e UNIMERK 1e UNIVER 1f UNIMERK 1f
P-mit-Bezug-auf-RIllokutionsnuancierung Ko(n)text und/oder Abtönungspartikeln P bei Präsenz von R Gefühlsäußerung Emotionssignale: Interjektionen
115 P-ohne-RIllokutionsnuancierung explizit performative Ausdrücke P ohne R Gefühlsäußerung Emotionssymbole: quasi-psychologische Vokabeln
2 Zeitparameter UNIKOM 2
UNIDIS 2 UNIVER 2a
UNIMERK 2a UNIVER 2b
UNIMERK 2b UNIVER 2c UNIMERK 2c UNIVER 2d UNIMERK 2d UNIVER 2e UNIMERK 2e
P-R-Zeitgebundenheit (on-line-Gedächtnis und -Aufmerksamkeitsfokus) [= psychische Nähe] Planung zeitgleich mit P (spontane Diskursgestaltung aggregative Strukturierung ohne Beeinflussung der Projektionsstruktur aggregative Strukturen … aggregative Strukturierung mit Beeinflussung der Projektionsstruktur aggregative Diskurseinheiten … on-line-Reparaturen Kontamination Korrektursignale einfache Verfahren der Einheitenbildung kürzere Diskurseinheiten … Zeitgewinnungsverfahren Heckenausdrücke Überbrückungszeichen …
P-R-Zeitfreiheit (off-line-Gedächtnis und -Aufmerksamkeitsfokus) [= psychische Distanz] Planung vor P planende Diskursgestaltung) integrative Strukturierung
integrative Satzstrukturen
integrative Diskurseinheiten off-line-Reparaturen wohlgeformte Struktur – komplexe Verfahren der Einheitenbildung längere Diskurseinheiten –
3 Situationsparameter UNIKOM 3
UNIDIS 3
P-R-raumzeitgebundener P-R-Horizont (Situationsverschränkung) [= physische Nähe] P-R-raumzeitgebundene Referenz
P-R-raumzeitfreier P-RHorizont (Situationsentbindung) [= physische Distanz] P-R-raumzeitfreie Referenz
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UNIVER 3a UNIMERK 3a UNIVER 3b UNIMERK 3b UNIVER 3c UNIMERK 3c
… direkte grammatische Verfahren relativer Zeitbezug … Verfahren zur Markierung der Direktheit in Redewiedergabe keine Redeeinleitung … empraktische Informationsstrukturierung Topik-Ellipsen
indirekte grammatische Verfahren absoluter Zeitbezug Verfahren zur Markierung von Indirektheit in Redewiedergabe redeeinleitendes Verb symbolische Informationsstrukturierung Vorfeldbesetzung durch expletives es
…
4 Parameter des Codes UNIKOM 4 UNIDIS 4
UNIVER 4a UNIMERK4a
UNIVER 4b UNIMERK4b
Ganzkörper-R und -P (totale Kommunikation) Mulitmodalität (verbal-nonverbale Diskursgestaltung) holistische Informationsstrukturierung allerlei Äußerungseinheiten mit obligatorischer nonverbaler Begleitung holistische Gefühlsäußerung Emotionsausdrücke (Interjektionen)
Teilkörper-R und -P (partielle/spezialisierte K.) Monomodalität (verbale Diskursgestaltung) autonome Informationsstrukturierung –
Emotionssymbole
5 Parameter des Mediums UNIKOM 5 UNIDIS 5
UNIVER 5a UNIMERK5a UNIVER5b UNIMERK 5b
P und R von Phonischem (Phonizität) Bidimensionalität (segmental-prosodische Diskursgestaltung) globale Informationsstrukturierung Intoneme Sprecheinheitenbildung phonisches Wort Sprechzeichen
P und R von Graphischem (Graphizität) Monodimensionalität (segmentale Diskursgestaltung) modulare Informationsstrukturierung (Kompensationsverfahren) Interpunktion Schreibeinheitenbildung graphisches Wort Schreibzeichen
Darstellung 6: Das Modell des Nähe- und Distanzsprechens (gekürzt)
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117
Da ein ausführlicher Kommentar (s. Ágel/Hennig 2003) sehr raumaufwendig wäre und für den weiteren Gang der Argumentation ohnehin entbehrlich ist, wird hier lediglich auf diejenigen universalen Diskursverfahren (Ebene IV) kurz eingegangen, die in Kapitel 3.4 bei der Ableitung universalpragmatischer Zeichentypen aus dem Modell eine Rolle spielen: – 1a Kontakt von P und R: Es handelt sich um die ‚Rahmenbedingungen‘ von Interaktivität wie Kontaktherstellung, -abbruch und (evtl.) wiederherstellung. – 1b P-mit R-Sequenzierung: Tätigkeiten, die dazu führen, dass Produzent und Rezipient gemeinsam (adjazente) Sequenzen produzieren (klassisches Beispiel: Frage-Antwort-Sequenzen). – 1c P-mit R-Engführung der Orientierungen: Den Begriff übernehmen wir von Helmuth Feilke (1994: 365), der darunter die Reduzierbarkeit interaktiver Mehrdeutigkeiten durch Rückgriff auf Common sense versteht. Indem im Nähesprechen sprachliche und nichtsprachliche engführende Signale – typisch sind sog. Kontaktsignale wie ja, hm oder aha – verwendet werden, nutzen die Kommunikationsteilnehmer die Möglichkeiten, eine Engführung sicherzustellen, eine erfolgte Engführung zu kennzeichnen oder das Nichtgelingen der Engführung zu signalisieren.19 – 1d Aggregative Rezeptionssteuerung: eher semantisch-pragmatisch kohärent als strukturell kohäsiv organisierte Verfahren der Aufmerksamkeitslenkung des Rezipienten durch den Produzenten. Das ‚Ergebnis‘ auf Ebene V sind typischerweise sog. Operator-Skopus-Strukturen (Barden/Elstermann/Fiehler 2001).20 – 1e P-mit-Bezug-auf-R-Illokutionsnuancierung: Diverse Verfahren zur Abtönung (s. Koch/Oesterreicher 1990: 67 ff.). 3.3 Wort-Kategorien? Bevor in Kapitel 3.4 der Frage nachgegangen werden soll, ob sich aus dem Modell pragmatische Wortkategorien ableiten lassen, möchte ich hier auf die
19
20
Im Modell befindet sich unter UNIMERK 1c u.a. das universale Diskursmerkmal ‚Kontakt-/ Engführungssignale‘. Wir verstehen die Alternativbezeichnung als eine Notlösung, die eine Diskrepanz zwischen unserer Terminologie und der terminologischen Tradition widerspiegelt: Da es sich hier um sprachliche Merkmale handelt, die aus UNIVER 1c (P-mit-REngführung der Orientierungen) abzuleiten sind, ergibt sich für uns ‚Engführungssignal‘ als der eigentlich angemessene Terminus. Eingebürgert hat sich dagegen in der GesprochenenSprache-Forschung der Terminus ‚Kontaktsignal‘, der aber aus der Sicht des Modells unpassend erscheint, da Kontaktsignale gerade nicht mit ‚Kontakt von P und R‘ (UNIVER 1a) zu tun haben. Das für das Nähe/Distanz-Modell zentrale Konzept von ‚Aggregativität vs. Integrativität‘ wird in Ágel/Hennig (2003) ausführlich und mit verschiedenen Beispieltypen vorgestellt. Grammatiktheoretische Verortungsversuche finden sich in Raible (1992), Köller (1993) und Ágel (2003).
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dritte Frage aus Kapitel 3.1 kurz eingehen. Vorher aber noch ein terminologischer Vorschlag: Die Gesamtheit der auf der (linken) Nähe- und der (rechten) Distanzseite des Modells untergebrachten oder unterbringbaren pragmatischen Zeichenkategorien könnte mit dem Terminus Diskurszeichen belegt werden. Nähesprachliche Diskurszeichen sind Nähezeichen, distanzsprachliche Distanzzeichen. Was nun die dritte Frage aus Kapitel 3.1 – Ist es unter deduktivpragmatischen Gesichtspunkten angemessen, das Wort als den minimalen Standardfall der Sprachzeichenbildung anzusehen? Sind pragmatische Wortkategorien wirklich als Wort-Kategorien zu denken? – anbelangt, so ließe sie sich auch aus einer anderen Perspektive, nämlich dem Frege-Blickwinkel, stellen: Ist alles, was nicht in Wörter weiter zu gliedern ist, gleich ein Idiom? Diesen Punkt möge ein Zitat von Hans Schemann erhellen: Betrachte ich Einheiten wie guten Morgen oder schieß in den Wind als idiomatische Ausdrücke, weil sie situativ und/oder in ihrer Sprecherhaltung pragmatischfixiert sind, bewege ich mich auf einer anderen Ebene der Definition der Fixiertheit; es ist dann nicht mehr einzusehen, warum Tag, Morgen, tschüß oder ab!, raus! und andere e i n g l i e d r i g e Einheiten nicht auch als Idioms anzusehen sind, denn die situative oder pragmatische Fixiertheit ist hier wie dort dieselbe. Ob bei den pragmatischen Idioms zusätzlich Mehrgliedrigkeit vorliegt oder nicht, ist also durchaus sekundär [...]. (Schemann 1987: 28)
Während also bei semantisch deduzierten Kategorien die ‚Gliedrigkeit‘ – oder umgekehrt: die Kombinationspotenz – eine entscheidende Rolle spielt, da sie einen Kreativitätsfixpunkt darstellt, spielt bei pragmatisch deduzierten Kategorien eher die pragmatische Fixiertheit im Diskurshorizont die entscheidende Rolle. Ob man das eingliedrige Kontaktsignal gell? oder eben die zweigliedrigen nicht wahr? bzw. weißdu? benutzt: Der Kreativitätsfixpunkt ist nicht die Wortart und der entscheidende Unterschied zwischen den einzelnen Kontaktsignalen besteht nicht darin, dass man hier Wörter kombiniert und dort nicht. Sollten wir etwa nicht wahr? als eine Kombination des Negationswortes mit einem Adjektiv analysieren? Oder sollten wir sagen, dass das ein Idiom ist? Außerdem: Wäre es für die grammatische Beschreibung des Nähesprechens erhellend, wenn wir feststellen würden: Ein Kontaktsignal stellt in bestimmten Fällen eine Kombination aus Negationswort und Adjektiv (nicht wahr?), in anderen Fällen eine Kombination aus Verb und Personalpronomen (weißdu?) und in wieder anderen Fällen keine Kombination (gell?) oder gar ‚weniger‘ (?) als eine Wortkombination (hm) dar. Oder sollen wir vielleicht gell? oder hm als eingliedrige Idiome auffassen?21 21 Vgl. auch Koch/Oesterreicher (1990: 71), nach denen „Gesprächswörter“ einerseits „kaum in die traditionelle Wortartensystematik passen.“ Andererseits sind sie nicht immer Wörter, sondern nur diesen äquivalent (ebd.). Stephan Stein spricht daher ausdrücklich nicht mehr von „Wörtern“, sondern von „gesprächsspezifische(n) Formeln“. Diese sind „Äußerungsteile ohne
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Es gibt aber noch mindestens zwei weitere Probleme, die bedacht werden müssen: – Nähezeichen funktionieren oft nur in Verbindung mit einem bestimmten Intonationsmuster. Aus der Frege-Perspektive müsste man also konsequenterweise eigentlich sagen, dass ein Kontaksignal wie nicht wahr? eine Kombination aus Negationswort, Adjektiv und Intonationsmuster ist. Solche Überlegungen gibt es. Beispielsweise baut Hans-Werner Eroms (seit Eroms 1985) grundlegende Intonationsmuster als Wortäquivalente in seine Dependenzgrammatik ein. Obwohl die Bemühung, die Prosodie in eine Syntaxtheorie zu integrieren, durchaus positiv zu werten ist, bin ich der Meinung, dass sie in einem traditionellen symbolgrammatischen (zum Begriff s. Ágel 2003: 13) und minimalsemasiologischen (s. Feilke 1994: 353ff.) Rahmen zum Scheitern verurteilt ist. – Nähezeichen sind nicht immer sprachlicher oder ausschließlich sprachlicher Art. Koch und Oesterreicher (1990: 60) nennen etwa im Zusammenhang mit sog. Überbrückungsphänomenen leere und gefüllte Pausen, lautliche Dehnungen und Wiederholungen, gestisch-mimische Verfahren und nichtsprachlich-akustische Signale wie Pusten und Schnaufen. Verglichen mit diesen Typen von Nähezeichen sind die hms geradezu ,wortig‘. Ich möchte folgende Zwischenbilanz ziehen: Es sind nicht Wörter, sondern pragmatisch ausgezeichnete Stellen im Diskurs, die den Kreativitätsfixpunkt bei Diskurszeichen darstellen und die folglich (pragmatische) Paradigmen begründen. Bei der Etablierung von Diskurszeichen-Paradigmen spielt keine Rolle, ob die Zeichen sprachlicher oder nichtsprachlicher, segmentaler oder prosodischer Art sind. Des Weiteren spielt keine Rolle, ob sie nullgliedrig (z.B. Pausen), ,halbgliedrig‘ (hms), eingliedrig (Wörter) oder mehrgliedrig (Formeln, Konstruktionen) sind. Bei dem nachfolgenden Versuch, pragmatische Zeichenkategorien aus dem Nähe-/Distanzmodell abzuleiten, soll daher das Interesse nicht Wörtern, sondern generell Diskurszeichen gelten. Dass dabei auch Wörter ‚eingefangen‘ werden, ist normal, aber von sekundärem Interesse. 3.4 Diskurszeichen-Modell Ich fasse die universalen Parameter der Kommunikation (Ebene II im Modell des Nähe- und Distanzsprechens) bzw. die sich aus diesen ergebenden universalen Parameter der Diskursgestaltung (Ebene III) als fünf Möglichkeiten auf,
–––––––— Proposition“ und „nicht auf einen thematischen Sachverhalt, sondern auf den Vermittlungsprozeß bezogen.“ (Stein 1995: 150) Sie haben eine „Gebrauchsbedeutung“, die „nichts (mehr) mit der denotativen Bedeutung des in ihnen enthaltenen lexikalischen Materials zu tun hat.“ (Stein 1995: 149). Übertrieben ist m.E. allerdings das „nichts (mehr)...“.
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den Diskurs zu perspektivieren. Der Diskurs lässt sich eben unter den Gestaltungsaspekten Rolle, Zeit, Situation, Code und Medium perspektivieren. Diese fünf Perspektivierungen sind allerdings immer gleichzeitig präsent, so dass sich aus ihnen keine diskrete grammatische Systematik ergibt. Vielmehr muss man auf der Ebene der universalen Diskursverfahren (Ebene IV) wohl mit dominanten und untergeordneten Perspektivierungen rechnen. Die im Modell des Nähe- und Distanzsprechens angeführten universalen Diskursverfahren sind als dominant in dem Sinne zu verstehen, dass wir der Ansicht sind, dass die ihnen zugeordneten universalen Diskursmerkmale (Ebene V) in erster Linie – aber eben nicht ausschließlich – den ihnen zugeordneten universalen Diskursverfahren zu verdanken sind. Definiert werden müssen die Diskurszeichen demnach auf der Ebene der universalen Diskursverfahren (Ebene IV). Die einzelnen Typen von Nähe- und Distanzzeichen erscheinen dann auf Ebene V. 1 Rollen-Zeichen Interaktiv-Zeichen
Eigenaktiv-Zeichen
1a Kontaktzeichen Begrüßungsformeln Verabschiedungsformeln Kontaktwiederherstellungsformeln
– – –
1b Sequenzierungszeichen Rederechtssignale
–
1c Engführungszeichen Engführungssignale (Kontaktsignale)
–
1d Rezeptionssteuerungszeichen Operatorausdrücke
–
1e Illokutionsnuancierungszeichen Abtönungspartikel
explizit performative Ausdrücke
1f Gefühlszeichen Emotionssignale
Emotionssymbole
2 Zeit-Zeichen On-line-Zeichen
Off-line-Zeichen
2a Gliederungszeichen On-lineGliederungssignale
Off-line Gliederungssignale
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121 2c Reparaturzeichen
Korrektursignale
–
2e Zeitgewinnungszeichen Heckenausdrücke Überbrückungszeichen (Überbrückungs- und Zögerungssignale)
–
3 Situationszeichen Direktzeichen
Indirektzeichen
4 Code-Zeichen Multimodal-Zeichen
Monomodal-Zeichen
4b Gefühlszeichen Emotionsausdrücke
Emotionssymbole
5 Medium-Zeichen Phon-Zeichen
Graph-Zeichen
5b Medium-Zeichen phonisches Wort Sprechzeichen
graphisches Wort Schreibzeichen
Darstellung 7: Das Diskurszeichen-Modell
Entsprechend den fünf Perspektivierungsmöglichkeiten besteht das Modell aus fünf Zeichengruppen: 1 Rollen-Zeichen; 2 Zeit-Zeichen; 3 Situationszeichen; 4 Code-Zeichen und 5 Medium-Zeichen. Jede Zeichengruppe zerfällt natürlich in eine Nähe-Zeichengruppe (links) und eine Distanz-Zeichengruppe (rechts). Z.B. heißen die nähesprachlichen Rollen-Zeichen Interaktiv-Zeichen, die distanzsprachlichen EigenaktivZeichen. Was nun die Wortartentheoretiker in erster Linie interessieren dürfte, ist aber natürlich die nächste Ebene, d.h. die der universalen Diskursverfahren (Ebene IV). Denn die Diskurszeichen sind, wie erwähnt, auf dieser Ebene zu definieren. Meine Methode war dabei denkbar einfach: Ich habe versucht, die aus der Fachliteratur bekannten DiskurszeichenTypen den einzelnen Diskursverfahren im Modell des Nähe- und Distanzsprechens zuzuordnen. Somit gilt diese Methode auch als eine Art Bewährungsprobe für das Modell selbst. Selbstverständlich führt dabei nicht jedes einzelne Diskursverfahren obligatorischerweise zu einem bestimmten Typ von Diskurszeichen, so dass die ,Lücken‘ in der Ableitung als natürlich anzusehen sind. Insgesamt konnten folgende Typen von Diskurszeichen im Modell ‚untergebracht‘ werden (kursiviert in Darstellung 7):
122 – – –
– –
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im Bereich der Rollen-Zeichen: Kontaktzeichen, Sequenzierungszeichen, Engführungszeichen, Rezeptionssteuerungszeichen, Illokutionsnuancierungszeichen und Gefühlszeichen; im Bereich der Zeit-Zeichen: Gliederungszeichen, Reparaturzeichen und Zeitgewinnungszeichen; im Bereich der Situationszeichen ermöglicht unser Modell m.E. keinen ,Vorstoß‘ zu spezifischen Diskurszeichen. Zumindest sehe ich im Moment keine universalen Näheverfahren, die eine Untergliederung der deiktischen Ausdrücke, die sich auf den gemeinsamen Wahrnehmungsraum beziehen, ermöglichen würden; im Bereich der Code-Zeichen: Gefühlszeichen;22 und schließlich im Bereich der Medium-Zeichen (mangels einer besseren terminologischen Idee): Medium-Zeichen.
Auf der untersten Modellebene erscheinen dann die einzelnen Typen von Nähe- und Distanzzeichen, z.B. ,Rederechtssignal‘, ,Engführungssignal (Kontaktsignal)‘ usw. Da die meisten von diesen bekannt sind, möchte ich nur einige kommentieren und/oder mit einem Beispiel veranschaulichen: – – –
– –
Kontaktwiederherstellungsformeln: Ausdrücke, die dazu dienen, den Kontakt zum Gesprächspartner nach Abschluss des Gesprächs wieder aufzunehmen (z.B. Frau/Herr X?); Operatorausdrücke: die Operatoren von Operator-Skopus-Strukturen; On-line- bzw. Off-line-Gliederungssignale: Gliederungssignale markieren den Aufbau von Diskursen (Koch/Oesterreicher 1990: 51 ff.). Während Off-line-Gliederungssignale, die Gliederungsignale im Distanzsprechen, einen vor der Produktion geplanten Aufbau voraussetzen (z.B. erstens...zweitens...letztens), markieren On-line-Gliederungssignale (z.B. nun ja, übrigens oder eben ohne einerseits eingesetztes andererseits) einen Aufbau, der zeitgleich mit der Produktion entsteht; Heckenausdrücke: Ausdrücke mit vager Referenz (mit oder ohne Slot) wie etwa (mit Slot) so was wie X, eine Art X oder (ohne Slot) Dingsda; Überbrückungszeichen: Überbrückungs- und Zögerungssignale wie z.B. äh.
Ich möchte nun noch einmal auf die Bedeutung der Typen von MediumZeichen ’Sprechzeichen vs. Schreibzeichen‘ für das gesamte Modell – und dabei auch auf das Problem mit hm – zurückkommen:
22
Der Terminus ,Gefühlszeichen‘ kommt an zwei Stellen vor, da es das eine Mal um die Rollen-Perspektive (Emotionssignal auf der Näheseite), das andere Mal um die CodePerspektive (Emotionsausdruck) geht.
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Wie in Anm.11 bereits angedeutet, konnte in einer Pilotstudie zum Sprachzeichen ja (Ágel/Kehrein 2002) mit Hilfe von akustisch-auditiven Analysen nachgewiesen werden, dass der Schreibsignifikant ja in zwei Sprechsignifikanten (Sprech-/Phonotypen) zerfällt, wobei der zweite Sprechsignifikant zwei Varianten hat. Dabei entsprechen der formalen Grundgliederung von ja mit zwei Sprechtypen und drei Realisierungstypen auf der semantischen Ebene zwei primäre Bedeutungstypen und insgesamt drei Lesarten. Die Sprechzeichenanalyse legt also einerseits eine andere semiotische Gliederung des Wortschatzes oder eines Teils von ihm nahe, als sie unter der bisherigen skriptizistischen Perspektive postuliert wurde. Andererseits zeigt sie zumindest im Falle von ja kein arbiträres, sondern ein voll ikonisches Sprachzeichen. Worin besteht nun die Bedeutung dieser Ergebnisse für das Diskurszeichen-Modell? Ich denke, dass die Diskurszeichen diejenigen Typen von Sprachzeichen sind, bei denen eine klassische Schreibzeichenperspektivierung, wie sie in Wortartentheorien gewöhnlich praktiziert wird, versagen muss. Denn der Parameter des Mediums spielt auch bei den anderen vier Parametern eine wichtige Rolle: Interaktiv-Zeichen, On-line-Zeichen, Direktzeichen und MultimodalZeichen haben in der Regel charakteristische, zum Teil funktionale akustischauditive Merkmale, die bei einer Schreibzeichenanalyse unter den Tisch fallen würden. Beispielsweise konnte Jürgen E. Schmidt in Hörtests sieben potentiell diskrete Form-Funktionsklassen von hm unterscheiden (Schmidt 2001; s. auch Kehrein/Rabanus 2001).23 Diesen sieben Form-Funktionsklassen des Schreibzeichens hm entsprechen im Diskurszeichen-Modell folgende Typen von diskreten Sprechzeichen: zwei Rederechtssignale (einmal Sicherung, einmal Übergabe der Sprecherrolle), zwei Engführungssignale (ein Sprecher- und ein Hörersignal), ein On-line-Gliederungssignal, ein Emotionssignal und ein Emotionsausdruck. Die kurze Kommentierung des Diskurszeichen-Modells abschließend möchte ich noch auf die auffällige Asymmetrie zwischen Nähezeichen und Distanzzeichen aufmerksam machen. Warum gibt es viele Typen von Nähe-, aber nur äußerst wenig Typen von Distanzzeichen? Ich vermute einen phänomenbezogenen und einen forschungsgeschichtlichen Grund: –
Die meisten Diskurszeichen haben mit der Rollen- und der Zeitperspektivierung zu tun. Rolle und Zeit erscheinen aber auf der Distanzseite eben nur als Defizitperspektivierungen: Wer Texte verfasst, ist nicht interaktiv und steht, was die Planung anbelangt, nicht unter Zeitdruck.
23
In der klassischen hm-Studie von Ehlich (1986: 48 ff.) gibt es nur vier Grundtypen.
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124 –
Der forschungsgeschichtliche Grund ist wohl bekannt: Durch die gezielten Bemühungen der Gesprochenen-Sprache-Forschung ist es zu einer intensiven Erforschung der nähesprachlichen Grammatik gekommen. Umgekehrt gibt es bislang keine Anzeichen, eine Geschriebene-SpracheForschung mit der Zielsetzung zu etablieren, »grammatische Phänomene aus den Grundbedingungen geschriebener Sprache, insbesondere aus den Bedingungen der Eigenaktivität, herzuleiten und kategorial zu fassen.«24
4. Schluss Es ist mir klar, dass der Brocken, den ich hier vorgestellt habe, so hart ist wie die Granitfelsen des Harzes und dass er daher im Rahmen eines Beitrages weder zu besteigen noch zu verdauen ist. Auch vermute ich, dass die Zahl möglicher Einwände Legion ist. Von diesen möchte ich lediglich zwei mögliche, miteinander zusammenhängende Kritikpunkte kurz ansprechen:25 (1) Selbstverständlich ist die Aufgabenstellung, nicht Zeichenkategorien, sondern (gesprochen- und geschriebensprachliche) Zeichen- oder Wortklassen syntaktisch etablieren zu wollen, legitim und sinnvoll. Sie stellt jedoch ein empirisch-induktives Forschungsprogramm dar, das mit dem hier vorgestellten Programm der Begründung von universalpragmatisch deduzierbaren Diskurszeichen theoretisch und methodisch nicht zu verwechseln ist. Dass in der Forschungspraxis der Beschäftigung mit ‚Gesprächswörtern‘ die theoretischmethodische Unterscheidung zwischen Kategorie und Klasse in der Regel nicht zum Tragen kommt, rührt wohl vor allem daher, dass sich die einzelnen Typen von ‚Gesprächswörtern‘ der Gesprochenen-Sprache-Forschung nicht aus einer theoretischen Systematik ergeben, sondern das Ergebnis ‚additiver‘ Forschungsbemühungen darstellen. (2) Wie lässt sich die strikt lokale Untersuchung konversationeller Verfahren und Signale in der Tradition der Konversationsanalyse mit dem Konzept des hier vorgestellten Diskurszeichen-Modells oder generell mit der Theorie des Nähe- und Distanzsprechens vereinbaren? Nach Jörg R. Bergmann stehen Untersuchungsansätze, die „eine Art Rasterfahndung“ betreiben und „das Untersuchungsmaterial unter vorgegebene 24
25
Der mit „»...«“ markierte Teil stellt die Distanz-Konverse der in Kapitel 1.2 zitierten FiehlerStelle „[...] grammatische Phänomene aus den Grundbedingungen gesprochener Sprache, insbesondere aus den Bedingungen der Interaktivität, herzuleiten und kategorial zu fassen“ (Fiehler 2000: 29) dar. Der zweite Kritikpunkt ist in der Diskussion zum Vortrag formuliert worden. Für einschlägige Lektürehinweise danke ich Clemens Knobloch.
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Kategorien und Unterscheidungen subsumieren“ (Bergmann 1981: 23), im „extremen Gegensatz zur Konversationsanalyse“ (ebd.). Offensichtlich deshalb, weil man annimmt, dass die lokale Produktion sozialer Ordnung und der indexikale Charakter von Äußerungen (Bergmann 1994: 7) mit universalistisch-deduktiven Konzepten, die nach dem Prinzip der „Rasterfahndung“ verfahren, nicht in Einklang zu bringen seien.26 Auch in der neuesten Gesprochenen-Sprache-Forschung argumentiert man überzeugend dafür, dass sich der Gebrauch von Operatorausdrücken (‚Diskursmarkern‘) aus abstrakten Gesamtbedeutungen oder aus abstrakten Polysemie-Modellierungen nicht ableiten lasse, sondern dass (u.a.) auch die jeweiligen Konstruktionsbedeutungen (im Sinne der ‚construction grammar‘) und der sequentielle Ort des Gebrauchs mit zu berücksichtigen seien (Gohl 2002: 214 f.). Es scheint also, dass die Theorie des Nähe- und Distanzsprechens im „extremen Gegensatz zur Konversationsanalyse“, ja sogar im Gegensatz zu der neuesten Gesprochenen-Sprache-Forschung, steht. Hieraus müsste man dann wohl schließen, dass der eine (Typ von) Ansatz den anderen ausschließt, dass nur der eine ‚richtig‘ sein kann. Um hier eine Lösung zu finden, ist es vielleicht angebracht, das ‚Gegensatz-Problem‘ in verschiedene Teilprobleme zu gliedern und diese einzeln zu betrachten. Ich möchte vier Aspekte des Problems unterscheiden: (a) Die Kontextsensitivität der Konversationsanalyse und der Gesprochenen-Sprache-Forschung bedeutet nicht, dass diese Ansätze grundsätzlich gegen Generalisierungen wären: Nach Jürgen Streeck (1983: 99) sei eine der zwei Strategien konversationsanalytischer Forschung, „Aspekte der kontext-freien Organisation der [Hervorhebung im Original – V.Á.] konversationellen Interaktion aufzudecken [...].“ M.a.W., man ist durchaus für Rasterfindung, aber dagegen, die Raster in ‚Fahndungsaktionen‘ zu missbrauchen. Ich denke, hier geht es nicht mehr um einen unversöhnlichen Gegensatz, sondern eher um die methodische Frage, wie man mit ansatzintern erworbenem Wissen umgeht. Dass ein „einzelnes Gespräch [...] nie nur ein ‚Fall‘ eines abstrakten Gesprächstyps“ (Streeck 1983: 98) ist, ist richtig und steht nicht im Widerspruch zu unserer Theorie des Nähe- und Distanzsprechens. (b) Die Deduktivität des Modells des Nähe- und Distanzsprechens basiert nicht auf Theoriepostulaten, sondern durchaus auf empirischer Realität. Dass sich Produzent und Rezipient zur gleichen Zeit im gleichen Raum befinden können oder nicht, dass Planung und Äußerung zeitgleich verlaufen können oder nicht, dass es raumzeitverschränkte(re) und von der Raumzeit losge26
Nach Knobloch haben sprachliche Kommunikation und Linguistik „auf weite Strecken gegensätzliche Ziele“ (Knobloch 2003: 118): „Die sprachliche Kommunikation baut Verweisungsräume auf, um uns in ihnen zu orientieren. Die Linguistik baut Verweisungsräume ab, um uns im sprachlichen Zeichensystem zu orientieren.“ (ebd.).
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löst(er)e Kommunikationssituationen gibt, dass die verbale Kommunikation durch nonverbale begleitet wird oder nicht oder dass man mit Hilfe phonischer wie auch graphischer Medien kommunizieren kann, das sind alles empirische Tatsachen. Auch die Verallgemeinerungen, die Grundlage für die Modellierung waren, wurden ja aus empirischen Analysen abgeleitet. Dass im Modell die empirischen Tatsachen auf einer sehr hohen Abstraktionsbene formuliert sind, ändert nichts an ihrem empirischen Charakter. Ich denke, dass ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen induktiver und deduktiver Modellbildung überhaupt erst dann entstehen kann, wenn letztere nicht empirisch, sondern theoretisch generiert ist. (c) Ein empirisch deduktives Modell wie etwa das des Nähe- und Distanzsprechens kommt zwar auf Ebene V (der universalen Diskursmerkmale) nicht notwendigerweise bei den und schon gar nicht bei allen Facetten der „idiomatischen Kategorien“ (Coseriu) der Konversationsanalyse und der Gesprochenen-Sprache-Forschung an, doch es scheint keine universalpragmatischen Kategorien zu postulieren, die sich mit den idiomatischen Kategorien der genannten empirisch induktiven Modelle nicht versöhnen ließen.27 (d) Richtig ist, dass der lokale und indexikale Charakter von sprachlichen Interaktionen nicht durch Anwendung eines deduktiven Modells auf den Einzelfall simuliert werden kann. Hierbei geht es aber nicht um einen unversöhnlichen Gegensatz zwischen Ansatztypen, sondern um die Frage, zu welchen Zwecken eine Theorie eingesetzt werden soll und kann. Das Modell des Nähe- und Distanzsprechens bzw. das im vorliegenden Beitrag vorgestellte Diskurszeichen-Modell sind nicht mit dem Ziel konzipiert worden, sprachliche oder soziale Interaktionen zu beschreiben oder gar zu erklären. Was sie anstreben, ist, ein einigermaßen zuverlässiges Bild von den spezifischen grammatischen Gestaltungsmitteln des Nähe- und des Distanzsprechens zu vermitteln. Wenn diese theoretische Zielsetzung einlösbar ist, dann dürfte auch die mit dieser verbundene praktische Zielsetzung, das Modell des Nähe- und des Distanzsprechens bei der Verortung von konkreten – zeitgenössischen oder historischen – Texten einzusetzen, realistisch sein.*
27
*
Allerdings werden im Modell des Nähe- und Distanzsprechens und im DiskurszeichenModell Merkmale bzw. Zeichentypen, die in Einzelzeichen amalgamiert erscheinen können, diskret getrennt. So können etwa die in Kapitel 4 erwähnten Beispiele für Gliederungssignale alle wohl auch als Operatoren aufgefasst werden. Ich danke für die Unterstützung, die mir im Rahmen eines SZPÖ bzw. von OTKA (T 034340 NYE) zuteil wird. Für wichtige Hinweise und die Mitwirkung am Vortrag danke ich Mathilde Hennig, für Hilfe bei der Erstellung von Tabellen und Darstellungen Annamária Fótos, Mathilde Hennig und Petra Molnár, für die Herstellung der Druckvorlage Attila Németh.
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Claudia Frevel (Siegen) Verwendungen und Funktionen des Relationsadjektivs im Spanischen und Deutschen, einige kontrastive Betrachtungen1 Abstract: The use of relational adjectives (RAs) is a popular means of constructing text using technical terminology. They are very useful in communication, which is manifested in its nominative function. In this study a nominative classification will be presented which demonstrates the different functions of RAs. The main issue will be the possible combination of nouns and RAs. Whereas RAs are commonly used in Spanish, the use of RAs in German is far more restricted. The main point of the discussion therefore, is that the possibility of using an RA in German depends mainly on the meaning of the noun and the adjective. The hypothesis is that while some nouns favour combination with an RA, others disallow such an association.
1. Vorbemerkung In diesem Beitrag geht es um einige wichtige Funktionen von Nominalsyntagmen mit Relationsadjektiv vom Typ Substantiv + Relationsadjektiv (S+RA) im Spanischen bzw. Relationsadjektiv + Substantiv (RA+S) im Deutschen: Spanisch: política económica mercado mundial relaciones comerciales
(die Wirtschaftspolitik) (der Weltmarkt) (die Handelsbeziehungen)
Deutsch wirtschaftliches Wachstum atomare Rüstung landwirtschaftliche Produktion Nominalsyntagmen mit Relationsadjektiv sind ein besonderes Charakteristikum der spanischen (bzw. romanischen) aber auch der deutschen Fachsprache. Sie haben hohe informationsverdichtende Fähigkeiten, sie dienen der Text1
Die folgenden Ausführungen basieren auf den Ergebnissen aus meiner Dissertation Nominationstechniken der spanischen Fachsprache (Frevel 2002).
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strukturierung und -konstituierung und sie werden (vor allem in den romanischen Fachsprachen) zur Terminusbildung bevorzugt verwendet. Diese unterschiedlichen Verwendungsweisen machen das RA zu einem beliebten sprachlichen Mittel der Fachtextgestaltung. Zugleich ist das Relationsadjektivsyntagma ein oftmals schwer zugängliches und nicht immer leicht zu rezipierendes Strukturmuster. Das zeigt sich u.a. im (spanisch-deutschen) Übersetzungsprozess. Polysemie, Komplexität und Ausdrucksvariabilität erschweren das Übersetzen, Übersetzungsfehler sind nicht selten die Folge.2 Syntagmen mit RA haben eine hohe kommunikative Relevanz, die sich insbesondere in ihrer nominativen Funktion manifestiert. Die Nominationsfunktion von RA-Syntagmen hat allerdings in der bisherigen Forschung zum RA nur wenig Beachtung gefunden. Sie bedeutet: Sprecher haben die Möglichkeit mit Hilfe dieses Strukturmusters Sachverhalte und Begriffe (neu) zu benennen und damit gleichsam kognitiv und kommunikativ verfügbar zu machen.3 Wichtige Fragestellungen in diesem Zusammenhang zielen auf die Kombinatorik von RA+S im Deutschen bzw. S+RA im Spanischen ab. Dabei werden Antworten auf die Fragen gesucht: Welchen Ausnutzungsgrad hat diese Struktur im Vergleich zu funktional äquivalenten Nominationsstrukturen? – Wo treten Konkurrenzbildungen auf? – Welche Faktoren determinieren zugrunde liegende Bildungsprozesse? – Wodurch werden Gebrauchsbedingungen und Nutzungspräferenzen gesteuert? Mit Hilfe des nominationstheoretischen Ansatzes lässt sich schließlich für das RA eine nominative Klassifikation entwickeln, welche die unterschiedlichen Funktionen des RA offen legt. In dem folgenden Beitrag werde ich zunächst diese nominative Klassifikation des spanischen RA vorstellen [ausführlicher hierzu siehe Frevel 2002]. Es schließen sich einige Betrachtungen und Hypothesen zu dem deutschen RA an. 2. Die nominative Klassifikation des Relationsadjektivs im Spanischen 2.1 Nominativ starke versus nominativ schwache Substantive Theoretisch-methodischer Ausgangspunkt der nominativen Klassifikation ist die Kombinatorik von Kernsubstantiv und Attribut. Es wird gefragt: Welche Attribute gehen (als Kollokatoren) mit welchen Substantiven (Nuklei) typi2 3
Zu Übersetzungsfehlern von Relationsadjektiven aus dem Französischen ins Deutsche siehe Fahndrich (1987 und 1988) sowie Forner (2000). Zur Übersetzungsproblematik aus dem Spanischen ins Deutsche vergleiche auch Frevel (2000). Zur aktuellen Nominationsforschung siehe u.a. Knobloch/Schaeder (1996) und Barz/ Schröder (1997). Hier findet sich auch weiterführende Literatur. Zur Verwendung des Nominationsbegriffs in der Forschung siehe Knobloch (1996, 21–53).
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scherweise eine Verbindung ein? – Welche Substantivklassen bilden den Kern der jeweiligen Konstruktionen? – Welche Substantivklassen liegen dem RA zugrunde? Dazu werden die Kollokationspartner Substantiv und RA unterschiedlichen Bedeutungsklassen zugeordnet. Mit Hilfe dieser Zuordnung lässt sich die jeweilige nominative Kraft der Substantive messen, die in den Kollokationen den Kern (Nukleus) bilden. Gemäß ihrer nominativen Kraft nehmen die S+RA-Kollokationen eine Position auf einer „Nominationsachse“ ein, deren Skala von nominativ stark am oberen Ende bis nominativ schwach am unteren Ende reicht (vgl. Abb. 1). Auf der einen Seite der Skala stehen S+RAVerbindungen, deren Kernsubstantive über eine starke nominative Kraft verfügen. Auf der anderen Seite der Skala stehen Kombinationen, deren Kernsubstantive eine schwach ausgeprägte nominative Kraft haben. Die jeweilige nominative Kraft des Substantivs bemisst sich an der ihm zugrunde liegenden Fähigkeit, das, was zu benennen ist (das nominatum), zweifelsfrei bzw. referenzfrei zu bezeichnen. D.h., die jeweiligen Substantive werden unterschieden in Relativa und Absoluta.4 Relativa sind Substantive, die im Unterschied zu Absoluta einer oder mehrerer Ergänzungen bedürfen. Sie beschreiben ihren Gegenstand stets in Abhängigkeit von anderen. So ist ein Vater z.B. immer nur ein Vater in Bezug auf eine andere Person. Man kann nicht sagen: *dies/das ist ein Vater, so wie man sagt dies ist ein Auto/ Haus/ Baum. Syntaktisch richtig muss es heißen: dies/das ist der Vater von Paula oder dies/das ist mein Vater. Begriffe wie Auto, Haus oder Baum sind hingegen absolute Substantive. Sie benennen den jeweiligen Gegenstand unabhängig von anderen. Die relativen Substantive haben im Sinne der syntaktischen Valenz Leerstellen, die besetzt werden können oder müssen. Bezüglich der S+RAKollokationen fällt dies besonders bei denjenigen Bildungen auf, deren Nuklei durch ein Deverbativum gebildet werden. Deverbativa nehmen ihre Argumente als Ergänzungen zu sich: (1) (la economía se desarrolla)
Æ Æ (2) (die Wirtschaft entwickelt sich) Æ Æ Æ
4
el desarrollo de la economía el desarrollo económico die Entwicklung der Wirtschaft die Wirtschaftsentwicklung die wirtschaftliche Entwicklung
Zu dem Unterschied zwischen relativen und absoluten Substantiven siehe Seiler (1975) sowie Heidolph/Flämig/Motsch (1981, 267).
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Hoch relativ in diesem Sinne sind neben Nominalisierungen vor allem auch Abstrakta, die zu den Bereichs- und Maßangaben sowie zu den Funktionsnomina zählen, z. B.: – – –
el ámbito (der Bereich), el concepto (das Konzept), el elemento (das Element), el factor (der Faktor), la fase (die Phase), el grado (der Grad), el método (die Methode) el medio (das Mittel), el nivel (das Niveau), el sector (der Sektor) etc.
Zu den Substantiven, die eine sehr starke nominative Kraft haben, zählen demgegenüber: (1) Appellativa: la mesa (der Tisch), el libro (das Buch), la casa (das Haus) etc., (2) Kollektiva: el ganado (das Vieh), el grupo (die Gruppe), la dentadura (das Gebiss) etc., (3) Stoffbezeichnungen: la leche (die Milch), el agua (das Wasser), la carne (das Fleisch) etc. Sie befinden sich am oberen Rand der Skala.
Zunehmende nominative Leistung Nominativ starke Substantive Apellativa (el avión, la nave, el tren, el bollo, el libro) Kollektiva und Stoffbezeichnungen (el ganado, la policía, el azúcar) Relationale Personenbezeichnungen (el agente, el ministro, el consejero) Deverbativa mit konkreter Bedeutung (el cambio, la alimentación) Abstrakta aus Gesellschaft, Politik, Ideologie (la política, la democracía, la economía)
Nominativ schwache Substantive Nominalisierungen mit abstrakter Bedeutung (el desarrollo, la extensión) Funktionsnomina (el concepto, el nivel) Bereichs- und Maßangaben (la medida, el ámbito)
Abnehmende nominative Leistung
Abb. 1: Nominationsachse
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2.2 Funktionen des RA: Modifikation und Identifikation Mit Hilfe dieser Klassifikation lassen sich die Funktionen des RA bestimmen: Verbindet sich ein RA mit einem Substantiv, das über eine starke nominative Kraft verfügt, so übernimmt es die Aufgabe den im Kernsubstantiv zum Ausdruck gebrachten Referenten zu spezifizieren und zu kategorisieren. D.h., das jeweilige Attribut5 schränkt das Kernsubstantiv in seinem Referenzbereich ein: planta planta planta planta planta planta planta planta planta
oleaginosa estival acuática hortense annual aceitera trópical de interior de exterior
(Ölpflanze) (Sommerpflanze) (Wasserpflanze) (Gartenpflanze) (jährige Pflanze) (Ölpflanze) (Tropenpflanze) (Zimmerpflanze) (Außentopfpflanze)
Das Attribut (Relationsadjektiv- oder Substantivattribut) indiziert hier, um welche Art Pflanze es sich jeweils handelt. Es ordnet seinen Referenten in eine bestehende Begriffsklasse ein und subkategorisiert ihn. Das Attribut hat also (konzept)modifizierende Funktion. Ich nenne diese Attribute modifizierende Attribute und ordne sie in die Klasse der Modifikativa. Verbindet sich ein Attribut hingegen mit einem Substantiv, das eine schwache nominative Kraft hat, so wandert das nominative Zentrum (das sich normalerweise im Kopf der S+RA befindet) aus dem Kopf in das Attribut: desarrollo desarrollo desarrollo aumento aumento cambio cambio 5
industrial legislativo competitivo demográfico salarial jurídico cultural
(industrielle Entwicklung) (Rechtsentwicklung) (Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit) (Bevölkerungszunahme) (Lohnerhöhung, Lohnsteigerung) (Rechtsänderung) (Kulturwandel)
Das gilt nicht nur für die RA-Attribute, sondern auch für die Substantivattribute, die mit Präposition (meist „de“) angeschlossen werden. Die S+de+S-Bildung ist eine funktional äquivalente Nominationsstruktur, die als konkurrierende Bildung zu dem S+RA auftreten kann (z.B. autoridad de policía / autoridad policial (Polizeibehörde)). Häufig wird im Spanischen das RA statt des sinngleichen Substantivattributs verwendet. Dies ist jedoch nicht generalisierbar. Ein Vergleich der beiden Nominationsstrukturen S+RA und S+de+S zeigt, dass die Verwendung des RA (auch wenn ein entsprechendes Adjektivderivat exisitiert) normverletzend sein kann (man sagt z. B. bollo de leche (Milchbrötchen) statt *bollo lechero oder *bollo lechal). Eine eingehendere Untersuchung der Nominatiosstruktur S+de+S als Konkurrenzbildung zum RA findet sich in Frevel (2002).
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Bei diesen Bildungen befindet sich das nominative Zentrum nicht im Kernsubstantiv (dem Kopf) der Kollokationen, es befindet sich in dem jeweiligen Attribut (RA- respektive Substantivattribut). In aumento salarial geht es z. B. nicht um ein Kernkonzept namens „Erhöhung“, das mit Hilfe des RA-Attributs salarial spezifiziert wird, sondern es geht um den „Lohn“ (salario), der sich erhöht. Hier ist es das Attribut, das das nominatum benennt und das (durch das Kernsubstantiv) näher expliziert wird. Die Attribute in den Nominationsstrukturen, die diesem Muster folgen, ordne ich in die Klasse der Identifikativa, da sie es sind, die das nominatum benennen bzw. den Referenzbezug herstellen. Der wesentliche Unterschied zwischen Modifikativa und Identifikativa ist demnach syntaktisch-semantischer Natur. Modifikativa schränken ihren Referenten in ihrem Entfaltungsbereich ein, indem sie einen zugrunde liegenden Begriff subkategorisieren. Identifikativa stellen hingegen selbst den Referenzbezug her, indem sie das nominatum benennen. 3. Überlegungen zum deutschen RA 3.1 Zur Forschung Ein Blick in die Fachliteratur zum deutschen RA zeigt eine reichhaltige Publikation6. Ich gebe im Folgenden einen kurzen Überblick über einige Ergebnisse aus der Forschung. Bereits 1921 beschrieb Dornseiff das „Zugehörigkeitsadjektiv“ in seinen wichtigsten syntaktischen und semantischen Funktionen (als Bedeutungsentlehnung und Einfuhrware aus dem Lateinischen, sein Vorkommen in Fachtexten, die rein attributive Verwendungsweise und die kategoriale Bedeutung von RA [vgl. Dornseiff, 1921]). In den nachfolgenden Publikationen bezieht man sich häufig auf eine Untersuchung zum französischen RA von Charles Bally aus dem Jahre 1932 [Bally 41965]. Er führt die Bezeichnung für diese Adjektivklasse als „adjectif de relation“ (Relationsadjektiv) ein.7 Erst in den 60iger und 70iger Jahren befasste man sich mit dem deutschen RA vermehrt. Zu erwähnen sind hier ein Aufsatz von Hotzenköcherle (1968) und eine umfangreiche Untersuchung von Schäublin aus dem Jahr 1972. Schäublin beschäftigt sich u. a. mit dem RA-Attribut im Vergleich zu konkurrierenden Bildungen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass RA+S-Verbindungen das Kompositum, das Genitivattribut und das Präpositionalattribut ersetzen können: 6 7
Zur tiefer gehenden Diskussion des RA in der Fachliteratur siehe Knobloch/Frevel in diesem Band. Obwohl das RA in der wissenschaftlichen Literatur eine verwirrende Vielzahl unterschiedlicher Benennungen erfahren hat, scheint die von Charles Bally eingeführte Bezeichnung weiter verbreitet zu sein.
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– –
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wirtschaftliche Probleme statt Probleme der Wirtschaft oder Wirtschaftsprobleme vertragliche Bindung statt Bindung durch einen Vertrag
Dies ist jedoch nicht uneingeschränkt möglich (vgl. feststehende Ausdrücke wie Europäische Union, Römische Verträge, monetäre Institutionen). Schäublin stellt weiterhin fest, dass das „Bezugsadjektiv“ die Stelle für das Genitivattribut offen lässt (räumliche Gestaltung des Hauses) und dass dort, wo das RA durch ein freies substantivisches Attribut ersetzt werden kann, dieses im Allgemeinen Subjektfunktion hat (wirtschaftliche Schwierigkeiten – Schwierigkeiten der Wirtschaft). In den 70iger Jahren untersuchte man vor allem in der romanischen Forschung das RA nach generativen Ansätzen. Hier entstehen viele sprachvergleichende Studien mit dem französischen RA [vgl. u.a. Pittet, 1974, Schmidt, 1972, Wandruszka, 1972]. Seit Mitte der 80ger-Jahre wird das RA in Bezug auf seine Position innerhalb des komplexen Syntagmas befragt. Insbesondere Seiler (1985) und Eichinger (1987) beschäftigen sich mit den unterschiedlichen Adjektivklassen und der Frage, welche jeweilige Position sie vor dem Nukleusnomen einnehmen (Serialisierungsregeln)8. Hinsichtlich der Abfolgeregularitäten postuliert Eichinger vier Hauptklassen: quantifizierende, referentielle, qualifizierende und einordnende Adjektive. Dabei stehen die einordnenden (kategorisierenden) Adjektive dem Kernsubstantiv stets am nächsten. Sie kennzeichnen die Zugehörigkeit des vom Substantiv Benannten, indem sie seine Herkunft bezeichnen (amerikanischer Olympiasieger), seine Materialbeschaffenheit spezifizieren (metallischer Rahmen) oder ihm einen Bereich zuordnen (akademische Vereinigung). Wie verträglich ein Adjektiv aus einer der Subklassen mit einem Substantiv ist, hängt von den Bedeutungen beider Ausdrücke ab. Diese Verträglichkeit wirkt sich auch auf die Abfolge aus. Kombiniert man etwa ein Bereichsadjektiv mit einem Herkunftsadjektiv, so sind manchmal beide Abfolgen möglich: (a) der italienischen staatlichen Filmkontrolle (b) der staatlichen italienischen Filmkontrolle Die Umkehrung beider Adjektive kann aber auch zu auffälligen oder unmöglichen Kombinationen führen: (c) eine amerikanische luftfahrttechnische Zeitung (d) eine luftfahrttechnische amerikanische Zeitung 8
Zur Adjektivreihung im Französischen siehe auch Klein (1998).
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138 (e) die amerikanischen militärischen Hilfsmaßnahmen (f) die militärischen amerikanischen Hilfsmaßnahmen
Beispiel (d) erscheint gegenüber Beispiel (c) unmöglich, Beispiel (f) ist im Vergleich zu Beispiel (e) markiert. Eichinger kommt zu dem Schluss, dass die Abfolgeregularitäten nicht nur von der jeweiligen Adjektivklasse abhängen, sondern auch von dem Substantiv. Es kann sein, dass eine bestimmte Abfolge von Adjektiven bei bestimmten Substantiven unmarkiert, bei anderen aber markiert ist. Der Einfluss des Kernsubstantivs auf die Subklassen seiner Adjektivklassifizierung soll auf die vier Hauptklassen beschränkt sein. Damit ist eine interessante Frage zur Topologie der Adjektivattribute aufgeworfen. Denn das erste Behaghel‘sche Gesetz besagt, dass geistig eng Zusammengehöriges auch immer eng zusammengestellt wird [Behaghel 1932, 4]. Man muss demnach damit rechnen, dass die Abfolge der Adjektive auch vom Substantiv gesteuert wird. Geht man aber davon aus, dass es eine semantisch kategorial geregelte Adjektivfolge gibt, die unabhängig vom Kernsubstantiv oder gar universell [vgl. Seiler 1987] gilt, dann ist man berechtigt die Abfolgeregularitäten zur Grundlage auch einer syntaktischen Klassifizierung der Adjektive zu machen. Zur Beantwortung dieser Frage fehlen zurzeit noch wichtige Voraussetzungen. Eichinger führt aus, dass unmittelbar vor dem Substantiv Materialadjektive (eisern, bleiern) sowie große Ableitungen auf -ig, -lich oder -isch stehen. Treffen die allgemein nicht näher ausgearbeiteten Überlegungen zu, dann hätten wir in der Nominalgruppe die Abfolge Artikel – Adjektiv – Substantiv und innerhalb des Adjektivbereichs die vergleichbare Abfolge artikelverwandte Adjektive (Zahladjektive und solche, die Quantitäten bezeichnen) – prototypische Adjektive (qualitative und Farbadjektive) – substantivverwandte Adjektive. Dass die substantivverwandten Adjektive unmittelbar vor dem Kernsubstantiv stehen, hat eine interessante Generalisierung: Substantivische Attribute sind, wann immer möglich, dem Kernsubstantiv adjazent. Das beginnt beim Substantivkompositum (Führungsanspruch), setzt sich fort bei dem desubstantivischen Adjektiv (wissenschaftlicher Führungsanspruch) und wird nach rechts erweiterbar mit dem Genitivattribut (wissenschaftlicher Führungsanspruch der Industrie) [vgl. Knobloch 1988]. Eine weitere interessante Arbeit liegt von Bernhard Engelen vor [Engelen, 1990]. Er beschäftigt sich mit den freistehenden Adjektiven in agentiver Funktion in Verwaltung, Rechtspflege und Politik (der Termin ist amtlich festgelegt). Agentiv verwendbare Adjektive sind: amtlich, staatlich, behördlich, gesetzlich, ministeriell, notariell, gerichtlich, polizeilich, amtsärztlich, kirchlich etc. Sie bezeichnen jeweils Institutionen mit bestimmten Befugnissen. Nicht zu allen Institutionen gibt es abgeleitete Adjektive (z. B. Bundesrat,
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Kabinett, Beirat, Schiedsstelle). Interessant sind die Restriktionen beim Genus Verbi. Auffällig ist, dass die agentiv verwendeten Adjektive (mit performativem Verb) im Passiv stehen: Die Wassertiefen werden jeden Tag amtlich festgesetzt. Dieser Vorgang wird behördlich untersucht. Wird der Satz ins Aktiv gesetzt, so muss das Adjektiv durch ein ,von-‘ oder ,durch-Agens‘ ersetzt werden: Die Wassertiefe wird vom Amt festgesetzt. Schwierig sind Adjektive, die von Einzelpersonen gebildet werden (päpstlich, bischöflich, bundespräsidial). In Passivsätzen, die Handlungen einer solchen Institution erfassen, wird immer ein von-Agens verwendet (selten das Adjektiv): Dieses Buch ist vom Bischof für den Druck freigegeben – statt – Dieses Buch ist bischöflich freigegeben – aber: Dieses Buch ist kirchlich freigegeben. Als Ursache vermutet Engelen, dass man hier mehr die Einzelperson und nicht die von der Person verkörperte Institution sieht (Ausnahme: notariell). Adjektive, die Personen bezeichnen, die keine Institution bilden, sind offensichtlich nicht agentiv verwendbar: Er ist von seinem Vater verheiratet worden. *Er ist väterlich verheiratet worden. Adjektive, die Personen und Institutionen bezeichnen, aber nicht agentiv verwendet werden können, vermögen dennoch durchaus als adjektivische Attribute zu Substantiven treten: das richterliche Urteil, die päpstliche Reise. Engelen stellt schließlich eine Liste der Verben zusammen, die Handlungen bezeichnen, für die die im Adjektiv genannten Institutionen zuständig sind. Dies sind meist performative Verben, z. B.: anfordern, bekannt geben, bescheinigen, bewilligen, ermitteln, entscheiden, mitteilen, untersagen, untersuchen etc. Bei Verben, die eine Handlung bezeichnen, die nicht als Amtshandlung oder Dienstaufgabe der betreffenden Institution betrachtet werden kann, ist eine solche Verwendung des Adjektivs auch nicht möglich. (Man sagt polizeilich verhören aber nicht *polizeilich verwöhnen.) 3.2 Die Kombinatorik von Kernsubstantiv und Relationsadjektiv In Anlehnung an die oben angeführten Untersuchungen von Engelen (1990) und Eichinger (1987) bestätigt sich für mich einmal mehr, dass es wichtig scheint, die Kombinatorik von Kernsubstantiv und RA näher in Augenschein
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zu nehmen. Ich gehe davon aus, dass die Möglichkeit einer Attribution mit RA, die im Deutschen wesentlich eingeschränkter ist als im Spanischen, durch die im Kernsubstantiv und RA ausgedrückten Bedeutungen gesteuert wird. Meine Hypothese ist, dass es Substantive bzw. Substantivklassen gibt, die eine Verbindung mit einem RA favorisieren, während andere Substantivklassen die Kombination mit einem RA verweigern. Für die hier zugrunde liegenden Überlegungen habe ich ein kleines Korpus ausgewertet, das aus insgesamt 265 RA+S-Bildungen besteht. Mit Blick auf die oben genannten Vermutungen hinsichtlich der Kombinierbarkeit von RA und Substantiv bzw. der eingeschränkten Verwendbarkeit des RA-Attributs im Deutschen wird gefragt: Welche Substantivklassen werden zu einem Adjektiv deriviert? – Welche Substantivklassen bilden den Nukleus in den jeweiligen S+RA? – Welche Substantivklassen favorisieren die Verbindung mit einem RA bzw. lehnen dies ab? – Wann (unter welchen Bedingungen) und wo (in welchen Bereichen) entwickeln sich konkurrierende Nominationsstrukturen (Kompositum, Genitiv-, Präpositionalattribut) bzw. ist mit Ausdrucksalternativen zu rechnen? 3.3 Die Bedeutungsklassen 3.3.1 Die primären und sekundären Funktionen der Wortklassen Die Beantwortung dieser Fragestellungen erfolgt mit Hilfe einer Einteilung der Substantive in Bedeutungsklassen. Theoretisch-methodische Grundlage hierzu bildet die komplementäre Funktionsverteilung der Wortarten.9 Sie geht von den primären und sekundären Funktionen der Wortklassen aus. D. h., die Hauptwortarten Substantiv, Verb und Adjektiv verfügen über eine primäre (oder systembedingte) und eine sekundäre (oder feldbedingte) Funktion. Primäre Aufgabe der Substantive ist die der Nomination. Sekundär übernehmen Substantive prädikative (Kopula) und attributive Aufgaben. Die attributive Funktion der Substantive wird entweder morphologisch (z. B. als Relationsadjektiv) oder aber durch besondere syntaktische Konstellationen des Umfeldes (z. B. Genitivattribut) gekennzeichnet. Prototypisch für die Klasse der Substantive sind unter semantischen Gesichtspunkten Substantive mit substantieller Bedeutung (Tisch, Baum, Stuhl). Diese Substantive sind primär oder unmarkiert für diese Wortklasse. Verben und Adjektive haben demgegenüber primär nichtsubstantielle Bedeutung. Primäre Aufgabe der Verben ist die der Prädikation. Sekundär übernehmen Verben nominative Funktion durch Substantivierung (Ablenkung) und attributive Funktion (ablenkend). Adjektive haben primär attributive Funktion. Sekundär werden sie prädikativ und nominativ verwendet (Schönheit). 9
Zu der komplementären Funktionsverteilung der Wortklassen siehe vor allem Knobloch (1988, 162 ff.) sowie Kaznelson (1974).
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Jede Hauptwortart verfügt demzufolge über eine ihr eigene Domäne, in der sie ihre primäre Bestimmung hat: Substantive dienen der Nomination, Verben dienen der Prädikation und Adjektive erfüllen die Aufgabe der Attribution. An den jeweiligen anderen Domänen nimmt eine Wortart sekundär durch syntaktische oder morphologische Transposition teil. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von komplementärer Funktionsverteilung der Wortarten [vgl. Knobloch, 1988, 162 ff.]. 3.3.2 Die Bedeutungsklassen der Konstituenten Kehren wir mit diesem Ansatz zurück zu den Fragen, welche Klassen von Substantiven werden zu einem Adjektiv deriviert und welche Substantivklassen binden ein RA an sich. Die Einteilung der Konstituenten in Bedeutungsklassen anhand des beschriebenen Ansatzes führt zu den folgenden Ergebnissen. Schauen wir zunächst auf das Relationsadjektiv. I) In dieser Position finden wir RA, deren Substantivbasen eine primär substantielle Bedeutung haben. Häufig handelt es sich bei diesen um folgende Subklassen: (a) Kollektiva und Bezeichnungen für Institutionen: geldlich, monetär, tierisch, militärisch, polizeilich, amtlich, akademisch, behördlich, gerichtlich, kirchlich etc. (b) Personenbezeichnungen: ärztlich, menschlich, notariell, päpstlich, väterlich, mütterlich, elterlich, bischöflich, richterlich etc. (c) Material- oder Stoffbezeichnungen: eisern, metallisch, hölzern etc. Auffälligkeiten: 1. Viele dieser Adjektive haben sowohl eine relationale als auch eine qualifizierende Bedeutung, je nachdem mit welchem Substantiv sie verbunden werden (das väterliche Erbe = das Erbe des Vaters, aber: eine väterliche Person). 2. Es gibt selten von Gegenstandsbezeichnungen abgeleitete RA. Wenn eine Gegenstandsbezeichnung die substantivische Grundlage des Adjektivs ist, dann hat das Adjektiv fast immer qualifizierende Bedeutung (steinig, blättrig, suppig, haarig etc.) 3. Bei den Personenbezeichnungen finden wir Bezeichnungen für Personen, die eine Funktion ausüben (Vater, Mutter), einer Institution vorstehen (Papst, Richter, Bischof, Minister) oder eine Gattung bezeichnen (Mensch). 4. Nicht von allen Nomina, die Institutionen (oder Personen) bezeichnen, können Adjektive abgeleitet werden (Beirat, Bundesrat, Kabinett).
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Die Klasse der RA, deren Substantivbasis primär nichtsubstantielle Bedeutung hat, ist weit umfangreicher als die erstere. Wir finden hier vor allem substantivische Derivationsbasen, die von einem unmarkierten Abstraktum abgeleitet sind (keine Nominalisierungen): anfänglich, ausländisch, bürokratisch, einzelstaatlich, finanziell, finanzwissenschaftlich, geldpolitisch, gesellschaftlich, handwerklich, pharmazeutisch, wirtschaftlich, rechtlich, staatlich, strukturell, technokratisch, zukünftig, haushaltspolitisch, industriell, jährlich, konjunkturell, landwirtschaftlich, monopolistisch, ökologisch, ökonomisch, pädagogisch, politisch, psychologisch, regional, steuerlich, technisch, wissenschaftlich, administrativ Auffälligkeiten: 1. Viele RA in dieser Klasse sind Fremdwörter (aus dem Lateinischen oder Griechischen). 2. Ableitungen von nominalisierten Verben sind nicht nachweisbar. Wenn es eine Verbbasis gibt (wie z. B. bei administrativ), dann ist diese lateinischen Ursprungs. (Zum Vergleich: Im Spanischen können Adjektive aus nominalisierten Verben gebildet werden: cambiar – el cambio – cambiario/a; administrar – la administración – administrativo/a). 3. RA werden nicht aus nominalisierten Adjektiven gebildet. Das hängt mit der komplementären Funktionsverteilung der Wortarten zusammen. Es hieße nämlich, das Adjektiv in eine sekundäre Funktion durch Nominalisierung zu überführen, um es dann in seine ursprüngliche primäre Funktion zurückzuholen. Dies geschieht eher im Bereich der Genitivattribution. Aber auch hier sind dann diese Konstruktionen markiert gegenüber dem einfachen Adjektiv, oder sie haben eine andere Bedeutung (ein dunkler Beginn ≠ der Beginn der Dunkelheit). Ich halte fest: Das RA kann von primären und sekundären Substantiven abgeleitet werden. Dabei ist die Klasse derjenigen RA, die von einem sekundären Substantiv abgeleitet sind, weit umfangreicher und produktiver als die Klasse der von einem primären Substantiv abgeleiteten RA. Bei den von primären Substantiven abgeleiteten RA handelt es sich in erster Linie um Kollektiva und Bezeichnungen für Institutionen sowie Personenbezeichnungen, die eine Funktion ausüben bzw. einer Institution vorstehen. Ableitungen von Gegenstandsbezeichnungen haben fast immer qualifizierende Bedeutung. II) In Bezug auf das Kernsubstantiv und seine Zuordnung in Bedeutungsklassen finden wir Substantive mit primär substantieller Bedeutung und Substanti-
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ve mit primär nichtsubstantieller Bedeutung. Zu den ersteren zählen z. B. die folgenden: atomare Brennstäbe, digitale Fotos, psychologisches Gutachten, atomare Kraftwerke, landwirtschaftliche Maschinen, industrieller Müll, staatliche Museen, gerichtliche Polizei, bürokratische Riesenkrake, atomare Sprengsätze, atomare Waffen Die Klasse der Substantive mit primär nichtsubstantieller Bedeutung (sekundäre Substantive) lässt sich weiter unterteilen in: (a) Derivate, die eine konkrete Bedeutung haben:10 – Personenbezeichnungen (selten): eine staatliche Beauftragte, ein psychologischer Sachverständiger – Kollektiva: eine industrielle Ansiedlung – Instrumente / Maschinen: geldpolitischer Hebel, atomarer Antrieb – andere ein jährlicher Bericht, industrielle Erzeugnisse (b) Nominalisierungen mit einer abstrakten Bedeutung atomare Bedrohung, institutionelle Absicherung, konjunkturelle Entwicklung, wirtschaftlicher Aufschwung, strukturelle Anpassung, geldliche Schwierigkeiten etc. (c) unmarkierte Abstrakta institutionelle Faktoren, anfängliche Phase, landwirtschaftlicher Sektor, finanzielle Situation, staatliche Wirtschaft etc. Ich fasse zusammen: In der Position des Kernsubstantivs haben wir zwei zu unterscheidende Substantivklassen: Substantive mit einer primär substantiellen Bedeutung und Substantive mit einer primär nichtsubstantiellen Bedeutung. Die Klasse mit primär substantieller Bedeutung geht vergleichsweise selten eine Verbindung mit einem RA ein. In dieser Klasse habe ich insgesamt 15 unterschiedliche Substantive ausgezählt, die eine Verbindung mit einem RA aufweisen. In die Klasse der Substantive mit primär nichtsubstantieller Bedeutung zählen alle Derivate sowie die nicht markierten Abstrakta (Sektor, Phase, Situation etc.). Diese Substantive kommen in Kombination mit einem RA ungleich
10
Für alle Derivate gilt, dass sie erst sekundär (unabhängig von ihrem Lexikalisierungsgrad) in die nominale Position gelangt sind. Das Kriterium abstrakt oder konkret liegt also quer zu der Frage primär oder sekundär.
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häufiger vor. In dieser Klasse habe ich insgesamt 190 unterschiedliche Substantive ausgezählt, die eine Verbindung mit einem RA aufweisen. Die Zuordnung der Konstituenten (RA und S) in die genannten Kategorien (primär substantielle Bedeutung [+subst] versus primär nichtsubstantielle Bedeutung [-subst]) führt zu der folgenden Kombinatorik: Kombinatorik RA + S [-subst] + [-subst] [+subst] + [-subst] [-subst] + [+subst] [+subst] + [+subst] Gesamt
Absolute Zahl
Prozent
215 35 8 7 265
81,1% 13,2% 3% 2,6% 100%
Tabelle 1: Kombinatorik
Mehr als 80% der Belege haben demnach das Kombinationsmuster [-subst] + [-subst], d.h., RA und Kernsubstantiv haben primär nichtsubstantielle Bedeutung. Es sind daneben auch andere Kombinationen möglich, die jedoch vergleichsweise selten vorkommen. Sie bewegen sich eher am Rande des Schemas. Für die Bildung von RA bedeutet dies, dass diese Adjektivklasse mehrheitlich aus Substantiven abgeleitet wird, die sekundär ist für diese Wortart. Auffällig ist zudem, dass dort, wo ein Substantiv mit primär substantieller Bedeutung die Basis eines RA bildet, dieses wiederum mehrheitlich in die Klasse der Relativa zählt, z. B. Bezeichnungen für Institutionen (amtlich, behördlich, militärisch, gerichtlich, kirchlich), Bezeichnungen für Personen, die eine Funktion ausüben (bischöflich, richterlich, väterlich etc.), Stoffbezeichnungen (metallisch, eisern, hölzern etc.). Auffällig in der Kombination [-subst]+[-subst] scheint zudem, dass gleichwohl die als sekundär gekennzeichneten Kernsubstantive ein RA ,lieber‘ an sich binden mögen als diejenigen Substantive, die der primären Kategorie zugerechnet werden. Weiter unten komme ich noch einmal auf diesen Aspekt zu sprechen. Vorerst noch einige Überlegungen bezüglich der Bildung von Ausdrucksalternativen bzw. Konkurrenzen.11 3.4 Ausdrucksalternativen Zu den Nominationseinheiten mit RA gibt es in der Regel Ausdrucksalternativen in Form eines Kompositums, Genitivattributs oder Präpositionalattributs:
11
Ausführlicher hierzu siehe Frevel (2002). Vgl. auch Barz (1996).
Verwendungen und Funktionen des Relationsadjektivs im Spanischen und Deutschen
RA
Kompositum
Genitivattribut
wirtschaftlicher Aufschwung wirtschaftliches Wachstum finanzielle Sanierung industrielle Anlagen landwirtschaftliche Bereiche steuerliche Erhöhung
Wirtschaftsaufschwung Wirtschaftswachstum Finanzsanierung Industrieanlagen Landwirtschaftsbereiche Steuererhöhung
Aufschwung der Wirtschaft Wachstum der Wirtschaft Sanierung der Finanzen Anlagen der Industrie Bereiche der Landwirtschaft Erhöhung der Steuer
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RA
Kompositum
Präpositionalattribut
atomarer Krieg finanzieller Rahmen industrielle Verarbeitung ausländische Investitionen etc.
Atomkrieg Finanzierungsrahmen Industrieverarbeitung Auslandsinvestitionen
Krieg mit Atomwaffen Rahmen zur Finanzierung Verarbeitung durch die Industrie Investitionen aus dem Ausland
Diese Reihenbildung ist jedoch nicht durchgängig möglich. Mal kommt nur das Kompositum als Ausdrucksalternative in Frage, atomare Kraftwerke digitales Fernsehen ökologischer Landbau steuerliche Weichen
– – – –
Atomkraftwerke Digitalfernsehen Ökolandbau Steuerweichen
mal ist nur das Genitiv- oder Präpositionalattribut möglich, administrative Vorschriften landwirtschaftliche Infrastruktur wirtschaftlicher Umstellungsbedarf haushaltspolitische Maßnahmen industrielle Beschäftigung technische Zusammenarbeit atomare Bedrohung
– – – – – – –
Vorschriften der Administration Infrastruktur der Landwirtschaft Umstellungsbedarf der Wirtschaft Maßnahmen der Haushaltspolitik Beschäftigung in der Industrie Zusammenarbeit in der Technik Bedrohung durch Atomwaffen
mal gibt es keine Ausdrucksalternative in Form eines Attributs oder Kompositums: monetäre Institutionen gerichtliche Polizei die Römischen Verträge die Europäische Union
(in der Schweiz feststehender Ausdruck)
Claudia Frevel
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Bei den zuletzt genannten Ausdrücken gibt es keine Ausdrucksalternative, weil es entweder keine Ableitungsbasis zu dem RA im Deutschen gibt (monetär) oder es sich aber um feststehende terminologisierte Ausdrücke handelt (Europäische Union). In Bezug auf die Ausdrucksalternative zum RA in Form eines Kompositums können folgende Beobachtungen gemacht werden:12 1. Demotivierung und Konkurrenzbildung sind gegenläufige Prozesse. Ist eine Nominationseinheit lexikalisiert oder terminologisiert (Europäische Union, Römische Verträge), so ist die gleichzeitige Herausbildung von Konkurrenzen selten. 2. Ein umfangreiches Kollokationspotential der RA hat stabilisierende Wirkung. Sie führt zu auch ungewöhnlichen Neuprägungen (durch Analogiebildung). Reihenbildungen wie landwirtschaftlicher, gewerblicher, industrieller Betrieb motivieren zu eher ungewöhnlichen Prägungen wie ein handwerklicher Betrieb. (Vgl. auch die Reihenbildungen zu häuslich: häusliche Gewalt, häusliche Betreuung, häusliche Hilfe, häusliche Pflege, häusliche Konflikte, häusliche Gemeinschaft etc.) Ich komme damit zurück auf die unter Punkt 2.2 beschriebene nominative Funktion des RA im Spanischen: Es wurde festgestellt, dass das RA einerseits einen Begriff modifiziert (kategorisiert), andererseits den Referenzbezug selbst herstellt, und zwar je nachdem mit welcher Substantivklasse es eine Verbindung eingeht. Während im spanischen Sprachgebrauch die Operationen der Modifikation und Deskription durch das RA gleichermaßen erfüllt werden können, wird im Deutschen für die Operation der Modifikation (zur Spezifizierung und Kategorisierung eines Begriffs) in der Regel das Kompositum verwendet.13 Für die Operation der Deskription stehen die Attribute (Adjektiv-, Genitiv- und Präpositionalattribut) zur Verfügung. Es ist zu vermuten, dass je höher die nominative Kraft eines Kernsubstantivs ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es zu dem Nominalsyntagma mit RA eine Ausdrucksalternative in Form eines Kompositums gibt: atomare Brennstäbe digitale Fotos atomare Kraftwerke landwirtschaftliche Maschinen 12 13
– – – –
Atombrennstäbe Digitalfotos Atomkraftwerke Landwirtschaftsmaschinen
Siehe hierzu ausführlicher in Frevel (2002, 163 ff.). Im Vergleich zum Deutschen ist Komposition im Spanischen nur eingeschränkt möglich. Komposita des Musters Substantiv + Substantiv (S+S) (coche cama – Schlafwagen) treten im Spanischen nur selten auf. Diese Bildungsform ist wenig produktiv.
Verwendungen und Funktionen des Relationsadjektivs im Spanischen und Deutschen
industrieller Müll staatliche Museen atomare Waffen finanzieller Beitrag finanzielle Mittel industrielle Ansiedlung atomarer Antrieb industrielle Erzeugnisse
– – – – – – – –
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Industriemüll Staatsmuseen Atomwaffen Finanzbeitrag Finanzmittel Industrieansiedlung Atomantrieb Industrieerzeugnisse
Je geringer die nominative Kraft eines Kernsubstantivs, desto eher kommt ein Genitiv- oder Präpositionalattribut als Ausdrucksalternative in Frage: behördliche Anordnung administrative Vorschriften atomarer Gegenschlag finanzielle Zusammenarbeit wirtschaftliche Gegebenheiten regionale Integration industrielle Umstrukturierung
– – – – – – –
Anordnung der Behörde Vorschriften der Administration Gegenschlag mit Atomwaffen Zusammenarbeit im Finanzwesen Gegebenheiten der Wirtschaft Integration der Regionen Umstrukturierung der Industrien
Diese Tatsache erklärt, warum die Kombination eines RA mit einem primären Substantiv in meinem Material so schwach ausgeprägt ist (3% bzw. 2,6%). Es ist anzunehmen, dass in diesem Bereich das Kompositum als Ausdrucksalternative sehr stark konkurriert. Sprecher benutzen zur Modifikation eines Begriffs das Kompositum. Die eventuell auch mögliche Kombination mit RA wirkt neben dieser weniger begriffsbestimmend und festigend (atomare Brennstäbe – Atombrennstäbe). Als letztes Argument für die Verwendung von RA im Deutschen sei noch ein syntaktisches Kriterium angeführt: Komposita aus mehr als zwei Gliedern klingen häufig unbeweglich, schwerfällig. Es ist zu beobachten, dass gerade in diesen Fällen ein Teil als RA ausgelagert wird: staatliche Stützpreise
–
wirtschaftliche Rahmen- – bedingungen finanzwissenschaftliches – Forschungsinstitut
*Staatsstützpreise aber: Stützpreise des Staates *Wirtschaftsrahmenbedingungen aber: Rahmenbedingungen der Wirtschaft *Finanzwissenschaftsforschungsinstitut, aber: Forschungsinstitut der Finanzwissenschaft
Die Bildungen mit RA wirken in diesen Fällen ,gelenkiger‘.
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Claudia Frevel
3.5 Zusammenfassung und Ausblick Die Untersuchung einer kleinen Materialsammlung von RA-Syntagmen hat auf die Frage nach Bildung und Verwendung von RA gezeigt, dass das RA mit Vorliebe aus Substantiven abgeleitet wird, die nicht primär (bzw. originär) für diese Klasse stehen. Das bedeutet in Umkehrung: Die Bildung von RA aus Substantiven, die eine primär substantielle Bedeutung haben, ist vergleichsweise gering. Dennoch zeigen sich gerade hier interessante Erscheinungen. Ausdrücke wie häusliche Gewalt oder pflanzliche Ernährung – zu Zeiten Dornseiffs sicherlich noch undenkbar – haben sich etabliert, sind in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen. Es wäre sicherlich lohnenswert gerade die ,Ränder‘ des Übergangs von qualitativer zu relationaler Bedeutung, von fachsprachlichem zu allgemeinsprachlichem Gebrauch hinsichtlich der Produktivität dieser Adjektivklasse zu Neubildungen näher zu untersuchen. Ob sich hier Grammatikalisierung einstellt, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden (zur Diskussion siehe Knobloch/Frevel in diesem Band). Auf die Frage, welche Substantivklassen vorzugsweise ein RA an sich binden, zeigt sich ebenfalls, dass es die Klasse der Substantive mit primär nichtsubstantieller Bedeutung ist, die ein RA lieber zu sich nimmt als die Klasse der Substantive mit primär substantieller Bedeutung. Diese Beobachtung lässt sich damit erklären, dass im Deutschen zur Modifikation eines Begriffs das Kompositum verwendet wird. Im Vergleich bleibt damit die nominative Leistungsfähigkeit des RA eher unterhalb derjenigen des Kompositums. Als Ausdrucksalternativen zum RA bieten sich Kompositum, Genitiv- und Präpositionalattribut an. Es zeigt sich, dass die Frage nach der Alternative eng mit der nominativen Kraft des Kernsubstantivs zusammenhängt: Je stärker die nominative Kraft eines Kernsubstantivs ist, desto eher ,konkurriert‘ ein Kompositum, je geringer die nominative Kraft des Substantivs, desto eher sind Genitiv- oder Präpositionalattribut die Alternative. 4. Literatur Bally, Charles (41965): Linguistique générale et linguistique française, Bern (Francke). Bartning, Inge (1976): Remarque sur la syntaxe et la sémantique des pseudoadjectifs dénominaux en français, Stockholm. Barz, Irmhild / Schröder, Marianne (edd.) (1997): Nominationsforschung im Deutschen. Festschrift für W. Fleischer zum 75. Geburtstag, Frankfurt a. M., Berlin, New York, Paris, Wien (Peter Lang). Behaghel, Otto (1932): Deutsche Syntax. Eine geschichtliche Darstellung. Bd. IV, Wortstellung – Periodenbau, Heidelberg. Eichinger, Ludwig M. (1987): „Die Adjektive auf -isch und die Serialisierungsregeln in deutschen Nominalgruppen“, in: Asbach-Schnitker, B. / Roggenhofer, J. (edd.): Neuere Forschungen zur Wortbildung und Historiographie der Linguistik. Festgabe für Herbert E. Brekle zum 50. Geburtstag, Tübingen (Narr), 155–176.
Verwendungen und Funktionen des Relationsadjektivs im Spanischen und Deutschen
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Claudia Frevel (Siegen) & Clemens Knobloch (Siegen) Das Relationsadjektiv Abstract Usually, denominal relational adjectives (sometimes also termed “classifying adjectives” in the grammar of English) of the type “häusliche Pflege” = “domestic care” are considered to be against the rules of the German part of speech system. The bulk of the native adjectives in German are thought to be “descriptive”, while relational adjectives are believed to be subject to semantic or rather categorical change toward the dominating type of descriptive adjective. The adjective “theatralisch” for instance, today can only be interpreted descriptively as “theatre like” behavior, while it was coined originally as a denominal classifyer meaning “with regard to theatre”. Lately however, this drift seems to have been reversed. There is an abundance of new classifying adjectives, and even well established descriptive adjectives are reinterpreted as “relational” in many instances. “Häuslich” is a case in point, it used to mean “home-keeping, homeloving”, now it is drifting toward “domestic”. In our contribution, we try to provide some explanations for this type of change in the German adjective system. We compare the tendency towards classifying adjectives with related phenomena in other languages and trace the reasons for and consequences of this development with regard to the categorical status of adjectives in the German part of speech system.
1. Morphologische Eingrenzungsversuche Motto: „Nicht zu empfehlen ist die Verwendung neu gebildeter Adjektive auf -lich und -isch statt der richtigen Komposita, z.B. Ein sprachlicher Fehler (statt Sprachfehler). Elterliches Haus (Elternhaus). Regnerische Tage (statt Regentage). Gesellige Spiele (Gesellschaftsspiele). Zeichnerische Vorlagen (Zeichenvorlagen). Postalische Einrichtungen (statt Posteinrichtungen).“ (Blatz 1896 II: 205)
Den älteren Philologen unter den Germanisten ist das Relationsadjektiv (auch Bezugsadjektiv, Zugehörigkeitsadjektiv, relatives Adjektiv; im folgenden RA) im Deutschen systemwidriges Fremd- und Lehngut. Dornseiff (1921) verkündet, deutsche Basen kämen so gut wie nicht vor und alle RA zeigten eine starke Neigung, in gewöhnliche, charakterisierende Adjektive (auch deskriptive, qualitative Adjektive, im folgenden QA) umzuschlagen:
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Claudia Frevel & Clemens Knobloch
(1) /fürstliche Domäne, häuslicher Streit, väterliches Erbteil/ vs. /fürstliches Mahl, häuslicher Gatte, väterliche Miene/ (2) /Wilhelm Meisters theatralische Sendung/ vs. /eine theatralische Lache/ Wustmanns „Sprachdummheiten“ klagen noch in der Auflage von 1911 über die „Häßlichkeit“ der Neubildungen /fachlich, beruflich, volklich, farblich, klanglich, stimmlich, forstlich, pflanzlich, prinzlich, erziehlich/ – allesamt RA. Bei den meisten dieser Beispiele denken wir uns heute nichts mehr, und an die /häusliche Pflege/ haben wir uns rasch und widerstandslos gewöhnt. Definiert werden RA gewöhnlich morphologisch durch ihre Ableitung aus substantivischen Basen und syntaktisch als Transpositionen einer „eigentlich“ nominalen Funktion (der des nominalen Attributes) in die Sphäre des Adjektivs. Eine (freilich zur Zirkularität neigende) Daumenprobe auf den relationalen Charakter solcher Konstruktionen besteht demnach gewöhnlich in ihrer Rücktransposition zu Attributen mit substantivischem Kern: (3) /theatralische Sendung/ ĺ das Theater betreffende Sendung /fürstliche Domäne/ ĺ Domäne des Fürsten /häuslicher Streit/ ĺ Streit im Hause /italienische Reise/ ĺ Reise nach Italien Eine gebräuchliche „Paraphrase“ für RA ist demnach auch: „das N betreffend“, wobei N = die nominale Basis der adjektivischen Wortbildung ist. Sobald Adjektive in den (gewöhnlichen) charakterisierenden Bereich übergegangen sind, entziehen sie sich dieser Rücktransposition, wie /theatralisch/ in der Gegenwartssprache oder /häuslich/ in /ein häuslicher Gatte/. Die grundlegende Definition der RA fasst diese denn auch als reine syntaktische Derivationen (vgl. Kurylowicz 1960), die ein regiertes nominales Attribut in ein kongruierendes adjektivisches Attribut transformieren. Hören wir Dornseiff (1921): Diese Art Adjektiva bezeichnen nicht eine Eigenschaft in Beziehung zu ihrem Stammwort, sondern verrücken bloß den Substantivbegriff ins Attributive. Prädikativ kommen sie nicht vor. [...] Auch Adverbia von ihnen werden unmöglich sein. Diese Art Adjektiva dient bloß dazu, die syntaktische Beiordnung zu ermöglichen. (Dornseiff 1921: 193)
Auf all diese Behauptungen wird zurückzukommen sein. Wir notieren vorerst, dass sekundäre (denominale) Adjektive mit folgenden Suffixen potentiell zur Klasse der RA zählen (ausweislich Schäublin 1972): /-lich, -isch, -al, -ell, -weise, -mäßig/. /-lich/ und /-isch/ dürften dabei die zahlenmäßig größten Klassen bilden. Nach den Zählungen Schäublins (1972: 88 f.) sind etwa ein Drittel der bei Mater gebuchten 1300 /-lich/-Adjektive und die Hälfte der 2000 /-isch/-
Das Relationsadjektiv
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Adjektive als RA verwendbar. Gleich wie man zu solchen Zählungen steht: Wenn man davon ausgeht, dass die Zahl der nicht abgeleiteten Primäradjektive im Deutschen nicht viel größer ist als 200, dann kommt man immer noch auf eine vielfach größere Zahl „systemwidriger“ RA. Die Klasse der Adjektive dürfte die einzige Wortart im Deutschen sein, deren sekundäre, d.h. qua Derivation aus anderen Wortklassen abgeleitete Mitglieder (auch unabhängig von den RA) die „primären“ zahlenmäßig um ein Vielfaches übertreffen. Was das für die WA „Adjektiv“ bedeutet, werden wir weiter unten prüfen. Nicht nur im lexikalischen Bestand der „sekundären“ Adj. nehmen die RA beträchtlichen Raum ein, auch ihre Präsenz in der öffentlichen Sprache ist hochgradig expansiv. Wir beschränken uns auf einige markante Beispielsphären: (4a) /sportlicher Niedergang, fahrerisches Geschick, spielerisches Können, gegnerische Ansicht/; (4b) /textile Dienstleistung, florales Gestalten, familiäres Mammakarzinom, humanitäre Katastrophe, menschliches Versagen, häusliche Gewalt, häusliche Pflege, abendliche Fragen, pädagogischer Tag/ (4c) /ärztliche Schweigepflicht, nervöse Störung, behördliche Untersuchung/ (4d) /betriebswirtschaftlich interessante Option, der standortpolitisch richtige Weg, politisch korrekt/ (4a) demonstriert, dass zunehmend auch native Basen an den RA beteiligt sind,1 (4b), dass wir uns an neue RA-Verwendungen auch bei Adjektiven gewöhnen, die zuvor dominant als QA gebraucht wurden, (4b–c) zeigt quasiterminologische Fixierungen von RA-N-Syntagmen und (4d) belegt die ebenfalls zunehmende Rolle der RA als adverbiale Modifikatoren anderer Adjektive. Beobachter der Diachronie (zuerst Hotzenköcherle 1968) stimmen darin überein, dass die RA-Flut im Deutschen jüngeren Datums ist. Noch Wackernagel (1924 II: 74) notiert, das deutsche Adjektiv sei auf die Funktion des Eigenschaftswortes beschränkt.2 In den Begründungen für die Zunahme der RA im Deutschen tauchen regelmäßig zwei Faktoren auf: Lehnbildungen und Lehnübersetzungen einerseits, Übergang fachsprachlicher RA-Konstruktionen in die Gemeinsprache andererseits. Bei den Lehnbildungen wird zumeist das Vorbild der romanischen Sprachen genannt (zum Spanischen jetzt Frevel 1 2
Im Übrigen führen jedoch auch bereits die älteren Grammatiken des Deutschen wie Blatz und Curme zahllose Belege für native RA: /pflanzliche Nahrung, gegnerische Ansicht, fachmännische Kreise, tätliche Beleidigung, drahtliche Nachricht, sinnliche Wahrnehmung etc./. „Im ganzen gilt für das heutige Deutsch der Satz, dass das Adjektivum auf die Funktion, Eigenschaften zu bezeichnen, beschränkt ist, reines Zugehörigkeitsverhältnis durch zusammengesetztes oder genitivisches Substantiv ausgedrückt wird.“ (Wackernagel 1924 II: 74). Auf das Verhältnis des RA zu den konkurrierenden Konstruktionen mit Genitivattribut bzw. Komposition kommen wir zurück.
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2002), bei den fachsprachlichen Konstruktionen das nachwirkende Vorbild der scholastischen lateinischen Gelehrtensprache mit ihren unzähligen begriffsbildenden denominalia: /qualitativus, naturalis, intellectualis, modalis, finalis, materialis, formalis, actualis.../ (Dornseiff 1921: 194). Über verwandte Erscheinungen im Grenzgebiet zwischen Adjektiv und Substantiv nur einige kurze Bemerkungen: 1.1. Verwandte Erscheinungen Im Lateinischen ist die Grenze zwischen Substantiv und Adjektiv sehr viel undeutlicher und durchlässiger als im Deutschen. Ohne morphologisch explizite Ableitungs- oder Konversionssignale können sowohl primäre Substantive adjektivisch gebraucht werden (/homines magis asinos nunquam vidi/, vgl. Wackernagel 1924 II: 53 ff.) als auch primäre Adjektive nominal. In Abwesenheit eines „nennfähigen“ Bezugswortes heißt /vetus/ eben „der Alte“ und /bonus/ „der Gute“. Anders als im Deutschen muss den Adjektiven das (prototypisch nominale) principium individuationis nicht eigens verliehen werden. Für kategorial besonders „durchlässig“ gelten u.a. nomina agentis, PossessorNomina, nomina gentilia, Ausdrücke für Volkszugehörigkeit und Herkunft. Diese letzteren sind freilich auch im Lateinischen ganz überwiegend morphologisch explizite Ableitungen (/-tor, -ius/ etc.).3 Dass als Basis für RA und ähnliche Erscheinungen (z.B. possessive Adjektive) im Lateinischen wie im Griechischen sehr häufig Eigennamen (Personennamen und -bezeichnungen ebenso wie Toponyme) und andere PossessorNomina auftreten, müsste eigentlich verwundern, da diese Gruppe als besonders „referentiell“ und ergo prototypisch oder „zentral“ für die Klasse der Substantive gilt. Schließlich wird, unter Rückgriff auf Charles Bally (1965 [1932]), regelmäßig auf das adjectif de relation des Französischen verwiesen. Bally trägt seine Lehre vom RA vor im allgemeinen Rahmen einer Aktualisierungstheorie des Sprechens (linguistique de la parole), und dort speziell im Feld binärer Rektions- und Kongruenzbeziehungen. Als „Relation“ definiert er dort (1965: 108) jedwede Beziehung zwischen „externen“ Objekten, z.B. zwischen „Buch“ und „Tisch“ im Satz /Das Buch liegt auf dem Tisch/.4 Die Spezifik des adjectif de relation liegt für Bally darin, dass es eine Relation zwischen „Objekten“, deren typische Ausdrucksform das Rektionssyntagma ist, als Kongruenzsyntagma präsentiert: 3 4
Durchaus vergleichbar sind auch die Verhältnisse im Russischen, wo der nominale Gebrauch von Adjektiven sowohl okkasionell als auch usuell üblich ist und Relationsadjektive wie Possessor-Adjektive relativ frei gebildet werden können (vgl. Unbegaun 1969: 108 ff.). Der Ausdruck „Relation“ schillert, changiert also zwischen einem ontologischen und einem syntaktischen Bezugssystem. Das gilt für die gesamte theoretische Tradition des „Relationsadjektivs“.
Das Relationsadjektiv
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(5) /la chaleur solaire/ für /la chaleur du soleil/ /la municipalité parisienne/ für /la municipalité de Paris/ Die RA-Konstruktionen gelten bei Bally als ein Fall von „passage d’une syntaxe de rection à une syntaxe d’accord par voie de transposition“ (Bally 1965: 112). Neben den oben genannten gibt er Beispiele aus dem Lateinischen wie /bellum punicum/ für /bellum contra Poenos/ oder /vespertinus redit domum/ für /vespere/. Ausdrücklich vergleicht Bally in diesem Zusammenhang die RA mit andern Erscheinungen des Überganges von Rektions- zu Kongruenzsyntagmen, z.B. mit den „Term-Aktualisatoren“, die wir heute der nominalen Determination zuschlagen würden, mit Artikeln, Demonstrativa, Possessiva, Quantifikatoren und führt sie zurück auf einen Prozess der „condensation de la phrase en terme“ (Bally 1965: 226). Damit rücken die RA in eine Linie mit diachronen Grammatikalisierungsprozessen des Typs, wie wir sie bei der Genese des deutschen Possesivpronomens finden. Auch da wird der „regierte“ Genitiv des Personalpromens adjektivisch reinterpretiert und mit Kongruenzflexion versehen. Allerdings ist in diesen Fällen keine explizite Derivation im Spiel. Zu den mit RA „verwandten“ Erscheinungen im Deutschen gehören freilich auch andere Untergruppen der sekundären Adjektive, die ebenfalls vielfach als bloße syntaktische Derivationen gehandelt werden, z.B. die deadverbialen Adj. auf /-ig/, die ebenfalls bloß Lexeme einer anderen Kategorie als Attributiva verfügbar machen, sich der prädikativen Umformung verweigern etc.: (6) /hiesig, heutig, einstig, damalig, dortig, ehemalig.../ Ähnlich auch andere Deadverbialia wie /der angebliche Chirurg/ oder /der eigentliche Sieger/. Im Unterschied zu den RA gehören sie in der Topologie der Nominalgruppe an den „linken“, referenzspezifizierenden Rand und nicht an den „rechten“, nukleusadjazenten, an welchem man die RA findet. Ganz ähnlich verhält sich die Gruppe der „detemporalen“ sekundären Adj.: /stündlich, täglich, nächtlich, wöchentlich, vierzehntäglich, monatlich.../. Diese Adj. – das deutet ihre Semantik ebenso an wie ihre topologische Eigenheit – treten nicht in konzeptuelle Beziehung zu „ihrem“ Nukleus. Sie beziehen sich, wie Referenzspezifikation in der Regel, auf „Eigenschaften“ von minimaler „Zeitstabilität“. Ein wenig anders liegen die Dinge bei „namensähnlichen“ Adj.-NomenSyntagmen, die sich ebenfalls der prädikativen Umformung verweigern, aber nicht aus „sekundären“ Adj. bestehen müssen: (7) /die rot-grüne Regierung, das duale System, die grüne Welle, ein starkes Stück/
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Als phraseologisch bzw. nominativ gebundene Syntagmen dulden diese Bildungen weder die Prädikation des Adj. noch den Bruch der Adjazenzregel (vgl. auch unter 3.1.). Was die Eignung zu terminologischer und phraseologischer Verdichtung betrifft, so scheinen die RA eher dieser letzten Gruppe zu ähneln, was den morphosyntaktischen Bildungstyp betrifft, der ersteren. Anders gesagt: die RA-N-Syntagmen neigen zu Konzeptmodifikation und nominativer Befestigung, aber sie beschränken sich weitgehend auf denominal derivierte Adjektive. 2. Syntaktische Eingrenzungsversuche In der einschlägigen Literatur wird das RA syntaktisch gewöhnlich charakterisiert durch: a.
die Bindung an die Funktion des Attributes und den Ausfall der sinngleichen Transformation in die Prädikatssphäre: /der sportliche Niedergang/ ĺ */der Niedergang ist sportlich/ b. den Ausfall morphologischer wie syntaktischer Graduierungsoptionen: */der sportlichere, sehr sportliche, ausgesprochen sportliche Niedergang/5 c. den Ausfall der adverbialen Gebrauchsweisen;6 Darüber hinaus gehört es zum Hauptstrang der üblichen Argumentation, die RA als rein syntaktisch motivierte Transpositionen einzuführen: Sie dienen (vgl. etwa den oben zitierten Dornseiff) der Verfügbarkeit nominaler Lexeme im Bereich der attributiven „Beiordnung“, die im Deutschen „links“ vom Nukleus angeordnet ist und Kongruenzflexion zeigt. Wer so argumentiert, der muss sich freilich fragen lassen, welcher „Eigensinn“ diese Konstruktionsweise gegenüber den anderen attributiven Verwendungen der Nomina auszeichnet und warum nur der geringste Teil der nominalen Basen für diese Konstruktion zur Verfügung steht.7
5 6
7
Dagegen ist das QA /sportlich/ ohne weiteres graduierbar. Der freilich ist empirisch gar nicht zu halten. Engelen (1990) dokumentiert (und vor ihm schon Schäublin 1972) eine Vielzahl adverbialer Gebrauchsweisen für die sog. RA, in denen alle deren Eigenheiten aufscheinen, z.T. sogar deutlicher als in den für typisch geltenden attributiven Verwendungen. Man vergleiche auch zusätzlich die Beispiele unter (4d). Zu erinnern wäre hier auch die Argumentation, wonach der Rückgang der PossessorAdjektive und analoger Erscheinungen in den alten Sprachen mit der Ausbreitung des Genitivs und der Einsparung der komplizierten Kongruenzflexion zusammenhängt (vgl. Wackernagel 1924 II: 68 ff.). Es dürfte schwer fallen, für den neuerlichen roll-back in Richtung RA die so beliebten sprachökonomischen Motive ausfindig zu machen.
Das Relationsadjektiv
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Weiterhin gebräuchlich ist die transformationelle Erklärung der RA. Insbesondere in der anglistischen Linguistik wird das weitgehend analoge Phänomen der „classifying adjectives“ vielfach darauf zurückgeführt, dass denominale Adjektive sich gerne mit deverbalen Nomina verbinden: /economic lift, parental refusal, national leader/, all das sind Konstruktionen, in denen das Adj.-N-Syntagma auf ein Verb- oder Prädikat-Argument-Syntagma „zurückgeführt“ werden kann, dergestalt, dass es der nominalen Verdichtung und der Nominalisierung dieses Syntagmas dient.8 Dieses Modell ist in der transformationellen Phase der generativen Grammatik bevorzugt worden, anders als mancher andere Gedanke aus dieser Zeit hat es aber für die RA auch in neuerer Zeit noch Anhänger. Und in der Tat gilt auch für eine beträchtliche Zahl der Konstruktionen mit RA im Deutschen, dass eine solche Ableitung schlüssig und nachvollziehbar scheint. Da die Wortart Adjektiv im Deutschen (ähnlich wie im Englischen) die übergroße Mehrzahl ihrer Mitglieder per Derivation aus Nomen und Verb bezieht, da weiterhin auch die deprädikativen (desententiellen und deverbalen) Nomina eine große und offene Klasse bilden, eignet sich die Konstellation „abgeleitetes Adjektiv“ – „abgeleitetes Nomen“ vorzüglich als „Gefäß“ für die nominale Verdichtung adverbaler und adverbialer Syntagmen. Bei Adj., die sowohl als RA wie auch als QA Dienst tun, wird gelegentlich darauf verwiesen, dass die konkurrierenden Lesarten eine Beziehung zum Gebrauch des bestimmten bzw. unbestimmten Artikels aufweisen (vgl. Schäublin 1972: 128 ff.): (8) /die mittelalterliche Welt / = /die Welt des Mittelalters/ = RA /eine mittelalterliche Welt/ = /eine Welt wie im Mittelalter/ = QA /das mitteleuropäische Klima/ = /das Klima Mitteleuropas/ = RA /ein mitteleuropäisches Klima/ = /ein Klima wie in Mitteleuropa/ = QA etc. Hierzu ist zu bemerken, dass zwar der best. Art. die RA-Lesart nahe legt, aber durchaus nicht ausschließt, der unbest. Artikel dagegen präjudiziert stark die QA-Lesart. Aufschlussreicher dürfte da die Analyse der syntaktischen Eigenheiten sein, welche RA gegenüber anderen Adjektiven auszeichnen. Hierher gehört (neben der Beschränkung auf den attributiven und adverbialen Gebrauch) z.B. die Beobachtung, welche RA auf die unmittelbare Nachbarschaft des Nukleus verweist, und damit auf einen Platz am äußersten rechten Rand des pränomina-
8
Auch wird in der englischen Grammatik vielfach darauf verwiesen, dass manche primären (nicht denominalen) Adjektive im Umfeld deverbaler Nuklei ebenfalls Lesarten entwickeln, die als „classifying“ gelten: /poor teacher, serious drinker/ etc.
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len Feldes. Sieht man von kontroversen Einzelheiten ab, so gilt der „linke“ Rand dieses Feldes als „referenzspezifizierend“, der „rechte“ als „konzeptmodifizierend“ oder „bereichsspezifizierend“, die „Mitte“ hingegen steht für das adjektivtypische Wechselspiel von Deskription, Restriktion, Charakterisierung des Referenten (vgl. Eichinger 1984, Seiler 1978, 1985).9 3. Grammatisch-semantische Eingrenzungsversuche Für deverbale und deadjektivische Nomina ist es typisch, dass sie unter dem „neuen“ kategorialen Kleid die spezifische Relationalität ihrer „alten“ Basen erhalten. Diese Relationalität wird lediglich überprägt und (mehr oder minder) in das Feld adnominaler syntaktischer Positionen überführt: (9) /Die Griechen belagern Troja/ ĺ /Die Belagerung Trojas durch die Griechen/ /Die schöne Landschaft, die Landschaft ist schön/ ĺ /Die Schönheit der Landschaft/ Eine auffallende Eigenschaft der RA besteht darin, dass sie die relationalen Eigenschaften ihrer Basen gewissermaßen auf einen Schlag zum Verschwinden bringen. Trotz der vielfach beschworenen engen Verwandtschaft von Adjektiv und Nomen stehen sich die beiden Klassen doch ihrer syntaktischen Funktion nach diametral gegenüber: Nomina sind „geborene“ explicandumWörter und Adjektive „geborene“ explicans-Wörter (Kaznelson 1974). Das zeigt sich im morphosyntaktischen „Aufwand“, der getrieben werden muss, will man Nomina in eine syntaktische explicans-Rolle bringen (Genitiv, Präposition, Kopula). Nomina stehen, ohne selbst relational zu sein, im Zentrum eines Feldes reicher, auf dieses Zentrum ausgerichteter attributiver Bestimmungsoptionen. Adjektive verfügen kategorial über eine „zentripetale“, auf nominale Nuklei ausgerichtete Relationalität, die sie in dieses Feld einordnet.10 Schon Kaznelson (1974) hat aus diesem Grund argumentiert, die RA seien nicht auf der Grundlage der primären „Gegenstandsbedeutungen“, sondern auf der Grundlage der sekundären „Merkmalsbedeutungen“ der Nomina gebildet.11 9
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Eichinger (1985: 172) kommt zu dem Schluss: „Die lediglich attributiv verwendbaren Zugehörigkeitsadjektive [...] stellen offenbar die am engsten zum jeweiligen Nomen gehörende Determination in charakterisierender Funktion dar.“ Hiermit, so Eichinger, harmoniert auch die Neigung der RA-Konstruktionen zu kollokativer und terminologischer Befestigung. Wir sehen von den grammatisch-semantischen Unterschieden in der Adjektivklasse hier ab. Bekanntlich sind Adjektive wie /schnell, leise, sorgfältig/ nach ihrer inhärenten Beziehbarkeit eher adverbial. Was daraus folgt, ist aber bisher nicht sehr klar (vgl. auch Anm. 15). „Die Bedeutung der Zugehörigkeit bleibt eine Merkmalbedeutung unabhängig davon, ob sie in der Sprache als sekundäre Bedeutung eines Nomens oder als primäre Bedeutung eines Ad-
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Und Schäublin (1972: 100 ff.) bringt die RA in Verbindung mit prädikativen Konstruktionsalternativen, die ebenfalls in die Merkmalsrichtung deuten: „Personenbezeichnungen“, die im Prädikat artikellos stehen, bilden bevorzugt RA, solche, die im Prädikat mit unbest. Art. stehen, bilden meist keine RA, sondern „gewöhnliche“ Adjektive:12 (10) /Er ist Anwalt, Tierarzt, Zeichner, Bundesrat etc./ ĺ /anwaltlich, tierärztlich, zeichnerisch, bundesrätlich etc./ = RA /Er ist ein Angeber, Verleumder, Verschwender. Schwindler, Grübler etc./ ĺ /angeberisch, verleumderisch, verschwenderisch, grüblerisch etc./ = Nicht-RA13 Im RA tritt nicht nur eine explicandum-Bedeutung in die entgegengesetzte Klasse der explicans-Bedeutungen über. Es werden auch alle Beziehbarkeiten radikal gekappt, die nicht in das kategoriale Schema der zentripetalen Adjektivvalenz passen. Die Umwandlung, welche die nominale Basis erfährt, ist also wirklich grundstürzend. So gesehen erscheint die „bloße“ Konstruktionsalternative RA in einem etwas anderen Licht. Was also unterscheidet /die gegnerische Mannschaft, die himmlischen Heerscharen, das schulische Versagen/ von der /Mannschaft des Gegners/, den /Heerscharen des Himmels/ und dem /Versagen in der Schule/? Niemand wird ernsthaft bezweifeln, dass für die Mehrzahl aller kommunikativen Lebenslagen beide Ausdrucksoptionen ohne Schaden vertauscht werden können. Just dieser Umstand verdunkelt jedoch den darstellungstechnischen Unterschied der Konstruktionen. Weiterhelfen könnte hier der Vergleich mit einem nah verwandten Phänomen, das Engelen (1990) untersucht hat: die sog. agentiven (instrumentalen, lokalen) Adjektive in adverb(i)aler14 Funktion:
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jektivs dargestellt ist [...]. Die Entstehung eines Beziehungsadjektivs auf der Grundlage der sekundären Bedeutung des Nomens zeigt nur eine Veränderung der Ausdrucksweise an.“ (Kaznelson 1974: 189). Es ist üblich, aber missverständlich, Ausdrücke wie /Arzt, Anwalt, Fürst, Angeber, Schurke/ als „Personenbezeichnungen“ zu führen. Sie werden zwar vielfach in dieser Funktion gebraucht, die Basis der adjektivischen Derivation ist aber nicht die „Personenbezeichnung“, sondern das charakterisierende Merkmal, das der Bezeichnung dient. Wie weit diese Argumentation für schlüssig gelten kann, muss hier freilich offen bleiben, denn es gibt sichtlich noch ganz andere Dinge, in welchen sich die beiden Gruppen von Nomina unterscheiden: [-evaluativ] vs. [+evaluativ], [+Berufsbezeichnung] vs. [-Berufsbezeichnung] etc. Das eingeklammerte (i) soll anzeigen, dass es in der Tat nicht ganz leicht ist, adverbal und adverbial in diesen Fällen zu unterscheiden, da die Ausdrücke in der Funktionsstelle von Adverbialen stehen, aber Argumentstellen des Verbs besetzen.
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(11) /Der Termin wurde amtlich festgesetzt; das Institut ist staatlich anerkannt; das Gesetz wird parlamentarisch verabschiedet; das Dokument muss notariell beglaubigt werden/ etc. Nach Bildungstyp, nominaler Paraphrasierbarkeit, Unzugänglichkeit für Graduierung und Präfigierung mit /un-/ etc. gehören die fraglichen Adjektive zweifellos zu den RA. Mit den „entsprechenden“ nomina actionis als Nukleus bilden sie einen nicht unbeträchtlichen Teil auch der attributiven RA. Engelen (1990: 142 ff.) argumentiert, die agentiven Adjektive fänden sich in erster Linie in der Fachsprache von Recht, Verwaltung und Politik (bzw. in deren medialer Wiedergabe), ihr Konstruktionsrahmen sei fast immer passivisch (oder passiv-analog, z.B. mit /man/) und – das ist für die laufende Argumentation am wichtigsten – ihr Gebrauch sei strikt beschränkt auf Verben, welche offizielle, gleichsam „amtliche“ Zuständigkeiten der in der Basis genannten Institutionen bezeichnen: (12) /polizeilich ermitteln, überwachen, kontrollieren, untersuchen, festnehmen../, aber nicht */polizeilich hereinlegen, verprügeln, verwöhnen/ etc. /kulinarisch, gastronomisch verwöhnen/ etc., aber nicht */bescheinigen bestätigen/ etc. /notariell beglaubigen, bestätigen, bescheinigen/ etc. */billigen, anordnen, festnehmen/ etc. /ärztlich untersuchen, empfehlen, anordnen, versorgen/ etc. */verlautbaren, festnehmen, verwarnen/ etc.15 Die „agentiven“ Adjektive, so könnte man vorläufig und tastend formulieren, kehren die klassische Argumentbeziehung um. Das „Agens“ erscheint hier nicht als eine vom Verb/Prädikat projizierte Argumentrolle (daher das Passiv!), die durch einen angemessenen Referenten gefüllt wird, sondern das Verb/Prädikat realisiert umgekehrt die Ergänzung einer dem Adjektiv „inhärenten“ Agentivität. Durchaus analog lassen sich auch „genealogische“ Adjektive und Possessoradjektive (im Lateinischen, Russischen) interpretieren. Auch sie codieren eine gewöhnlich „auf der anderen Seite“ basierte Argumentbeziehung auf den gewöhnlich passiven Teil um (die „Basis“ der Possessionsrelation ist gewöhnlich das Possessum, nicht der Possessor; vgl. Seiler 1983). Im RA „wählt“ das Argument sein Prädikat, und nicht vice versa. Die von Frevel (2002: 73 ff., 176 ff.) beobachteten Unterschiede im Kollokationspotenzial der RA lassen sich in diesem Zusammenhang genauer in-
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/ärztlich/ schwankt laut Engelen (1990: 147 f.) zwischen „agentiv“ (=von einem Arzt) und „instrumental“ (= mit den Mitteln eines Arztes), was aber wenig ändert.
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terpretieren.16 Während Engelens (1990) „agentive“ Adjektive hochgradig kombinatorisch beschränkt sind, zeigen die im Material von Frevel (2002) dominierenden Bereichs- und Herkunftsadjektive ein etwas anderes Muster. Unter den Adjektiven des von Engelen (1990) untersuchten adverbialen Typs gibt es einzelne, die praktisch auf ein Verb beschränkt sind (das „instrumentale“ /steckbrieflich suchen/ oder das „agentive“ /redaktionell bearbeiten/ z.B.). Bei den „Bereichsadjektiven“ aus dem Material von Frevel (2002) (Adj. des Typs /militärisch, ökonomisch, politisch/ etc.) sind hingegen die eigenen Selektionsbeschränkungen kaum nachweisbar, diese Adj. bilden lange Reihen paralleler Konstruktionen, aber im Gegenzug sind ihre nominalen Nuklei oft ausgesprochen „nennschwach“ und ohne Präzisierung kaum gebrauchsfähig: (13) /(militärische) Angelegenheiten, Einrichtungen, Probleme, Bedingungen, Fahrzeuge/ etc. Im Extremfall ist der Nukleus bloß ein nominaler „dummy“, und die individualisierende Arbeit wird im Wesentlichen vom Adj. verrichtet. Offenbar sind solche „nennschwachen“ Nomina keine guten Grundwörter für die Determinativkomposition, wohl aber gute Partner für RA.17 Die hohe Frequenz solcher „dummy“-Nomina als Nuklei für RA dürfte eng damit zusammenhängen, dass sich mit ihrer Hilfe das RA auch auf die Sphäre des Prädikates ausdehnen lässt: /Es handelt sich um eine amtliche, ärztliche, dienstliche Angelegenheit/ statt */die Angelegenheit ist amtlich, ärztlich, dienstlich/. Wo sich eine prädikative Verwendung aufdrängt, da komplettiert der „dummy“ sie zum obligatorischen attributiven Format. 3.1 Zeitstabilität vs. Objekt- und Klassenstabilität In diesem Abschnitt möchten wir versuchen, die Eigenheiten des RA im Vergleich zu den „zentralen“ Adj.-Substantiv-Syntagmen im Deutschen herauszustellen. Wir gehen davon aus, dass man die (paarigen) Dimensionsadjektive als kategoriale Prototypen im Deutschen ansehen kann. Diese Adj. docken an der Extension des nominalen Nukleus an und heben den (oder die) Referenten aus der „Norm“ der nominal spezifizierten Klasse heraus:
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„Ist das Kollokationspotenzial des jeweiligen Relationsadjektivs gering [...], so kann im Gegenzug eine hohe Kollokabilität des entsprechenden Substantivattributs erwartet werden. Ist das Kollokationspotenzial des Relationsadjektivs hingegen hoch [...], so ist anzunehmen, dass der Kollokationsradius des Substantivattributs weniger stark ausgeprägt ist.“ (Frevel 2002: 73) Im schriftsprachlichen Gebrauch sind solche „nennschwachen“ Nomina überwiegend textphorisch, d.h. sie beziehen sich auf „Angelegenheiten“, die anderswo im Text semantisch bzw. referentiell präzisiert werden.
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(14) /der kleine Elefant, das große Haus, die heiße Milch, der kalte Winter/ etc. Der „kleine“ Elefant ist klein für einen Elefanten etc. Logisch-semantisch betrachtet ist die extensionale Inhomogenität der nominalen Klassen das „Spielfeld“ der Dimensionsadjektive. Als allgemeine Redekategorien, als partes orationis im ursprünglichen Sinne (vgl. Coseriu 1987), werden Adj. gewöhnlich dem Zwischenreich zwischen (eher „zeitstabilen“) Nomina und den (eher „zeitinstabilen“) Verben zugeteilt. Im Sprachvergleich gerät die Adjektivklasse leicht in den Einflussbereich stativer Verben oder identifkationsschwacher Nomina (vgl. Vogel 1996: 197). Als zeitlich besonders instabil gelten vielfach diejenigen Adjektive, die auf den prädikativen Gebrauch beschränkt sind (/kaputt, entzwei, futsch, fit, pleite, fertig, schuld.../), während die attributive Sphäre so geordnet sei, dass die referenzspezifizierenden (und ergo notorisch „kurzzeitigen“) Elemente weiter links, die konzeptmodifizierenden (und ergo eher „zeitstabilen“) weiter rechts stehen. Hinter der Feststellung, dass Adj. nach der „Zeitstabilität“ der von ihnen codierten Merkmale „zwischen“ Nomina und Verben liegen, lauern freilich viele Missverständnisse. Vielleicht hat ja, selbst wenn man „Zeitstabilität“ als relevant für die Opposition zwischen Nomen und Verb anerkennt, die Adj.Kategorie mehr mit „Objekt- und Klassenstabilität“ nicht allein in der Zeit-, sondern vielmehr in der Konzept- und Sachdimension zu tun. Die bereits von Leisi (1975: 43) beobachtete Indifferenz vieler Adj. gegen die Opposition „aktuell vs. habituell/potentiell“ deutet in diese Richtung: ein /schnelles Auto/ ist potentiell schnell und ein /gesundes Kind/ ist entweder gerade oder aber meistens gesund. Adj. gliedern im Normalfall die Klasse des Nukleus extensional. Es gibt eben mehr oder weniger „kluge, große, schnelle, gute, alte, frische...“ Exemplare der verschiedenen nominalen „Arten“. Die semantische Sphäre so „zeitnaher“ Adj.-Paare wie /alt-jung/ und /alt-neu/ sind diesbezüglich instruktiv. Sie verhalten sich nämlich nicht anders als andere Dimensionsadjektivpaare auch. /Dick, dünn, groß, klein, alt, jung, neu, hart, weich, breit, schmal.../ kann jemand oder etwas im Zeitverlauf „werden“ und die „gleichzeitigen“ Exemplare „sind“ es in unterschiedlichem Ausmaß. Zur Codierung von Zeitlichkeit gehört jedoch auch in diesem Zusammenhang immer ein Verb, während in der Nominalgruppe die extensionale Heterogenität der Klasse im Vordergrund steht: (15) /Du bist aber groß, dick, alt, grau geworden!/ Gegenüber diesem default-Mechanismus imponieren bereits Adj.-NomenSyntagmen als „randlich“, wenn das Adj. an der Intension des Nukleus an-
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dockt: /ein starker Raucher, guter Tänzer, angeblicher, mutmaßlicher Mörder/. Die Voraussetzung einer solchen Lesart besteht darin, dass zwischen dem Prädikat, auf dem der Nukleus basiert, und dem Adj. eine adverbiale Relation möglich ist. Wo diese Möglichkeit entfällt, da entfällt auch die intensionale Lesart: /ein freundlicher Raucher, schöner Tänzer, netter Mörder/. Noch einmal anders zu beurteilen sind Fügungen des Typs /trauriges Ereignis, freudige Überraschung, vergnügte Stunden, in jungen Jahren, gelehrte Abhandlung, trunkener Zustand../ (vgl. Grundzüge 1981: 607 ff.). Sie geben Anlass, eine kategoriale Eigenheit der Adj. im Deutschen nachzutragen. Sie besteht darin, dass die (zentripetale) kategoriale Valenz der Adj. zwar morphosyntaktisch im attributiven Gebrauch an einen bestimmten Nukleus gebunden ist, dass aber darüber hinaus, die „semantische Valenz“ der Adj. frei an geeigneten Positionen andocken kann. Eine bekannte grammatikographische Kalamität besteht ja darin, dass die unflektierten Verwendungen der Adj. (als Prädikativ, als Adverb, als prädikatives Attribut) in dieser Hinsicht allein durch semantische Beziehbarkeiten gebändigt werden können: (16) /Der Kellner brachte die Suppe heiß, fröhlich, schnell herein/ Dass wir /fröhlich/ als Subjektsprädikativ, /heiß/ als Objektsprädikativ und /schnell/ als Adverb zu interpretieren haben, liegt allein an den Beziehbarkeiten und ihrer Plausibilität. Es ist auch bekannt, dass in der als „adverbial“ im weiten Sinne klassifizierten syntaktischen Position, die eben auch „Koprädikative“ aufnimmt (vgl. Plank 1985), gelegentlich Adjektive auftauchen können, deren grammatisch-semantische Bezugsstelle nicht eindeutig ist.18 Von diesen Beziehbarkeitsproblemen bleibt aber auch die attributive Sphäre nicht völlig frei. Für den Fortgang der Argumentation ist wichtig, dass „nennschwache“ Nuklei gelegentlich attributiv Adjektive binden, deren semantische Bezugsstelle anderswo im Satz liegt: (17) /Paul war in trunkenem Zustand gegen einen Baum gefahren/ /Die beiden verbrachten in jungen Jahren vergnügte Stunden miteinander/ In diesen Beispielen (man verzeihe die Grammatikerprosa) ist natürlich nicht der „Zustand“ trunken, sondern Paul, es sind nicht die „Jahre“ jung und die 18
Vogel (1997) führt diese Turbulenzen auf die „verbale“ bzw. „nominale“ Semantik der Adj. zurück. Das scheint mir nicht ganz unproblematisch zu sein. Zwar gibt es Adjektive mit eindeutig adnominalen (/grün, groß, dick.../) und mit eindeutig adverbialen (/schnell, leise, vorsichtig.../) „Neigungen“, aber das ist nicht dasselbe wie verbale oder nominale Semantik. Zudem gehören zu jedem Verhältnis der Beziehbarkeit zwei Relationselemente, und es geht nicht an, die ganze Last allein dem Adj. aufzubürden.
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„Stunden“ vergnügt, sondern die beiden etc. Der Nukleus der attributiven Beziehung wirkt in diesen Fällen wie eine Art „dummy“ und ist mit dem Adjektiv meist konventionell oder phraseologisch „konnotiert“. Für das typische RA gilt, dass es an der Intension des Nukleus modifizierend andockt. Daher rührt seine (adjektiv-untypische) Affinität zur Namensbildung und zur Konzeptmodifikation. Daher rührt auch, dass es an den (primär „extensionalen“) Techniken der Graduierung und der Prädikation nicht teilnimmt.19 3.2 Grammatikalisierung Die herkömmlichen Themen der Grammatikalisierungstheorie (Artikel, Modalverben, Hilfsverben, Tempus, Aspekt, Präpositionen etc.) setzen ein Wortartensystem als ihr Bezugsfeld voraus. Auf welche Weise Wortartensysteme selbst auf Prozesse der Grammatikalisierung zurückgehen können, bleibt daher in der Regel ausgespart (vgl. die Beiträge von Himmelmann, Lehmann, Vogel i.d.B.). Dennoch berühren einschlägige Prozesse die Anatomie der Wortartensysteme zweifellos. Wenn man (wie Himmelmann 1997, i.d.B. am Beispiel der Artikelgenese argumentiert) davon auszugehen hat, dass grammatische Formen nur zusammen mit der Befestigung neuer syntaktischer Gebrauchsmuster entstehen, dann tangiert auch die dramatische Verstärkung eines zuvor peripheren Verwendungsmusters den kategorialen Status der daran beteiligten Wortart durch Verschiebung ihrer Unterklassen.20 Da wir es bei den RA mit morphologisch „sekundären“ Adjektiven zu tun haben, wäre es wohl ein probater Test zu schauen, ob deren latent-grammatisches Bedeutungs- und Interpretationsmuster analogisch auf „primäre“ Adjektive auszustrahlen beginnt. Zu berücksichtigen ist dabei naturgemäß, dass es kaum einen Beweis dafür geben kann, dass Belege dieser Art nicht auch bereits in der älteren Sprache zu finden sind.21 Auf den ersten Blick jedenfalls fehlt bei den RA jeder Zusammenhang mit den Phänomenen der Grammatikalisierung: Weder gibt es ein sinnfälliges Element, das sich aus dem Lexikon heraus und in die Grammatik hinein bewegt und so als „Materiatur“ dienen könnte, noch gibt es den einschlägigen Zusammenhang von semantischem „Verblassen“ und distributioneller Kontextgeneralisierung. Und zudem sind sowohl die morphologisch fundierenden Verfahren der Derivation sekundärer Adjektive und Nomina als auch das syntaktische Schema des RA selbst eher auf der nominativ-terminologisch19 20 21
„In Bezug auf das Sprechen bedingt die Intension die Möglichkeit, einen Gegenstand nach seinem Namen zu benennen. Die Extension ermöglicht zusätzlich die Aktualisierung mit Hilfe von Attributen und Prädikaten.“ (Kaznelson 1974: 170). Allerdings haben wir kein Element oder Formativ, das zum „Träger“ der grammatikalisierten Bedeutung wird, sondern lediglich ein Schema Wir erinnern daran, dass etwa die als Motto gebrauchte Passage aus Blatz (1896) zweifelsfrei belegt, dass auch lange vor den Beobachtungen Dornseiffs (1921) bereits native Basen RA gebildet haben, auch wenn das den „Gebildeten“ offenbar heftig missfiel.
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lexikalischen Ebene der Sprachtechnik zu Hause. Sinnvoll wäre womöglich eine Beschreibung, die das latent-grammatische Baumuster des Syntagmas RA-N als ein „grammatisches“ Verfahren zur Bildung quasi-lexikalischer Einheiten zu verstehen sucht, in Analogie zur Komposition. Weiterhin ist jedoch auch zu bedenken, dass sich die Optik der Grammatikalisierungstheorie verschieben würde, wäre es lediglich ein materiell bzw. semiotisch einheitliches Derivationselement, das zur Debatte steht. In diesem Falle (und nur in diesem Falle) könnte das Suffix interpretiert werden als ein Derivationselement, das dabei ist, sich zum „linker“ eines neuen Typs von Wortzusammensetzungen zu entwickelt.22 4. Zwischen Komposition und nominalem Attribut: Konkurrierende Konstruktionstypen Als Konstruktionstyp steht das RA-Attribut im Deutschen „zwischen“ dem Genitivattribut auf der einen und der Determinativkomposition auf der anderen Seite. Beide konkurrierenden Konstruktionen sind „systemisch“, d.h. sie haben kaum Restriktionen und stehen bei allen nominalen Nuklei zur Verfügung. Außerdem sind sie komplementär dergestalt, dass sie die Eckpunkte eines Kontinuums markieren: die Komposition neigt zu Typisierung, Lexikalisierung, Konzeptmodifikation, sie löscht die kategorialen und referentiellen Eigenschaften des Elementes, das als determinans, Bestimmungswort dient. Im Gegenzug verhält sich das Genitivattribut durchweg „kompositionell“, es erhält die kategorialen und referentiellen Eigenschaften des determinans-Elementes maximal. Während das Bestimmungswort der Komposition selbst nicht mehr als „explicandum“ modifiziert oder determiniert werden kann, bleiben beim Genitivattribut alle Determinations- und Modifikationsmöglichkeiten von N erhalten. Dementsprechend spröde verhält sich die Genitivkonstruktion gegenüber Typisierung und Lexikalisierung, ihre eigentliche systemische Domäne im Deutschen ist die (lexikalisch) Possessorexplikation. Die Komposition dagegen beherrscht das Gebiet der Typisierung und der Konzeptmodifikation. In dem von beiden konkurrierenden Konstruktionen aufgespannten Kontinuum neigt die RA-Konstruktion auf den ersten Blick eher zur Seite der Komposition: Sie ist hoch typisierend, bildet gern und leicht (quasi-)terminologische Ausdrücke (vgl. Frevel 2002), sie transformiert ein nominales Kernmorphem in eine Position, die nicht mehr determiniert und kaum noch modifiziert werden kann. Nicht einmal für Graduierungsoperationen steht das
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Solche Interpretationen sind noch nahe liegender für die Verhältnisse des Englischen, da dort die Derivationssuffixe der sekundären Adjektive keine Flexionsendungen annehmen. Solche Interpretationen werden für das Englische diskutiert z.B. in Warren (1984).
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RA noch zur Verfügung: */eine sehr wirtschaftliche Angelegenheit, extrem häusliche Gewalt, sportlicherer Niedergang/. Der Übersetzungsvergleich zwischen deutschen und spanischen Fachtexten (Frevel 2002) zeigt zudem, dass in der Mehrzahl den spanischen RA-Konstruktionen im Deutschen Komposita entsprechen. Es wäre sehr einfach, wenn man nachweisen könnte, dass die Konstruktion aus RA und nominalem Nukleus ihre Domäne vornehmlich da findet, wo die konkurrierende systemische Determinativkomposition aus dem einen oder anderen Grund blockiert ist, etwa weil sie bei detransitiven Nominalisierungen das Objekt als Bestimmungswort präferiert. Bei /Hauspflege/ oder /Behördenuntersuchung/ denkt man auf dieser Schiene, bei /häuslicher Pflege/ oder /behördlicher Untersuchung/ scheidet die Deutung des Attributes als „Objekt“ der verbalen Basis aus. Das Syntagma RA-N hat ein anderes Verhältnis zur „Argumentvererbung“ als die Determinativkomposition. Zudem stellt der slot des Bestimmungswortes in der Determinativkomposition eine dekategorisierende Option dar, während das RA eine klare Rekategorisierung der Basis als Adjektiv vornimmt. In dieses klare Bild mischen sich jedoch bei näherem Hinsehen einige Trübungen: Die RA-Konstruktion bleibt syntagmatisch und partizipiert an der Abneigung der Adjektivklasse gegen die Komposition (vgl. Barz 1996). Eine recht banale, aber auch recht weit tragende Erklärung für das Phänomen der RA-Konstruktionen wäre, dass sie immer da eintreten, wo Einheiten involviert sind, die in der Komposition nicht erstgliedfähig, für die Funktionsstelle des Bestimmungswortes ungeeignet sind. Zu nennen sind da insbesondere die abgeleiteten Adjektive selbst (Barz 1996), die sich mit wenigen Ausnahmen23 gegen die Rolle des Bestimmungswortes sträuben, mit der Folge, dass unmittelbare Konstruktionsalternativen da entstehen, wo neben dem (selbst nicht kompositionsfähigen) RA ein Kompositionsfähiger Stamm steht: (18) /schulisch, staatlich, finanziell/ vs. /Schul-, Staats-, Finanz-/ Müsste man hier nicht auf Schritt und Tritt mit den Idiosynkrasien des Lexikons und der Lexikalisierung rechnen, dann könnte der Vergleich dieser Konstruktionsalternativen aufschlussreich sein. Zu nennen sind aber auch die in der Komposition notorisch spröden Eigennamen, die insbesondere als Toponyme quantitativ die RA-Konstruktionen in vielen Feldern dominieren.24 So bevorzugen die RA-Konstruktionen auf der 23 24
Unter den Ausnahmen nennt Barz (1996: 134) einige Fremdsuffixe (/-al, -ar, -är/: /Nationalmannschaft, Konventionalstrafe, Digitalfernsehen, Lokalsender/) sowie eine handvoll Derivate, die nicht mehr als solche empfunden werden (/Billigimport, Flüssiggas/). Auf einer Zeitungsseite (Sparte Wirtschaft) finden wir: /Europäische Union, Gemeinschaft, Zentralbank, Kommission/, /japanische Regierung, Zentralbank, Finanzsystem/, daneben
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Inhaltsseite offenbar die Mechanismen und Eigenheiten der Komposition, aber sie arbeiten mit den ausdrucksseitigen Materialien des Genitivattributs (Eigennamen, transformierte Subjekte, Possessoren). Was die „Sprachlichkeit“ unserer Klassifikationspraxen betrifft, so dokumentieren die RA einmal mehr, dass wir immer dann Schwierigkeiten haben, wenn wir ein Phänomen nicht in eindeutige semantische Oppositionen einstellen können. In der Konkurrenz zum Genitiv fällt auf, dass RA oft stehen, wo der Genitiv der Basis pluralisch und indefinit sein müsste (bzw. ein Kollektivsingular): (19) /tierische Fette/ – /Fette von Tieren/, /ärztliche Schweigepflicht/ – /Schweigepflicht von Ärzten/ etc. Unbestimmtheit ist beim Genitivattribut ohnehin selten und „nähert“ dieses der Domäne der Komposition an. 5. Dynamische Faktoren: primäre und sekundäre Adjektive; diachrone Tendenzen Da die Zahl der „sekundären“ (im Sinne von derivierten) Adjektive um ein Vielfaches höher ist als die der „primären“, von Haus aus zur Adjektivklasse gehörigen, muss die Frage gestellt werden, welche Konsequenzen die ersichtliche Ausbreitung von RA auf die Architektonik des Wortartensystems und insbesondere der Adjektive hat. Freilich ist die schiere Anzahl der sekundären Adjektive (der belegten, der bildbaren, der lexikalisierten) nicht entscheidend. Vielmehr hängt die Modellwirkung derartiger Verschiebungen von ihrer Verteilung und von der type-token-Relation ab. Rein „logisch“ bestehen nur zwei Möglichkeiten. Die Realität dürfte wie gewöhnlich aus ihnen „gemischt“ sein: Entweder führt die „Sogwirkung“ der zentralen und prototypischen Klassenmitglieder zur allmählichen Angleichung der „Ausreißer“ an das grammatisch-semantische Modell der charakterisierenden, deskriptiven, wertenden etc. Adjektive oder aber es etabliert sich im Kontinuum der Kategorie ein „latentes“, ein „kryptogrammatisches“ Subzentrum, das zu einer Verschiebung der Schwerpunkte innerhalb der Wortart führt. Ohne umfangreiche empirische Untersuchungen wird man an dieser Stelle nicht viel weiter kommen. Immerhin sind Tendenzen wahrnehmbar, die offen-
–––––––— /russischer Außenminister, russische Enklave, russisches Kernland, baltische Flotte, britische Unternehmen, amerikanischer Haushalt/. Dem gegenüber ist die Zahl der „anderen“ RAKonstruktionen gering: /wirtschaftliche Wachheit, Erholung, wirtschaftliche Schwierigkeiten, geldpolitischer Rat, bürokratische Hemmnisse, separatistische Tendenzen, praktische Erfahrung (?), makroökonomische Gesetzmäßigkeiten, heimische Währung, staatlicher Haushalt, öffentlich-rechtliche Institute/.
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bar mit dem jeweils verfügbaren Feld alternativer Codierungen zusammenhängen: Relativ konkurrenzlos scheint das RA auf dem Feld der Herkunfts- und Bereichsangaben zu sein. Wer etwa Zeitungstexte durchmustert, der findet eine deutliche Schwerpunktbildung der RA in dieser Sphäre. Die von Eichinger (1982, 1987) vorgelegten Materialien und Analysen deuten ebenfalls in diese Richtung. Stärkere Tendenzen zum Übergang der einschlägigen RA in die Klasse der „normalen“ Adjektive sind nicht zu beobachten.25 Erklärlich ist das durch die Abneigung insbesondere toponymischer Nomina gegen die Komposition und durch den „possessiven“ Unterton, den die Genititvkonstruktion auch toponymischen Nomina verleiht: /Italiens Zentralbank, Wirtschaft, Regierung/ vs. /die italienische Zentralbank, Wirtschaft, Regierung/. Komposition „geht“ gar nicht in diesen Fällen. Nicht-toponymische Bereichsangaben wie /ökonomisch, politisch, staatlich/ müssen dagegen schon mit der Konkurrenz der Komposition rechnen: /Ökonomie-, Politik-, Staats-/. Ganz am anderen Ende des Kontinuums stehen die vielfach ebenfalls den RA zugerechneten Stoffadjektive des Typs /hölzern, eisern, golden, silbern/. In diesem Feld sind die Konstruktionsalternativen „Komposition“ und /aus/Phrase voll nutzbar, mit dem Effekt, dass die sekundären Stoffadjektive dem Sog der zentralen und „fokalen“ Instanzen der Adjektivkategorie bereits erlegen sind: /hölzern, eisern, golden, seiden, ledern/ etc. dürfte man überwiegend im charakterisierenden Bereich antreffen, nicht als RA und auch nicht als eigentliche Stoffadjektive.26 Den transformierenden Kontext liefert die Sphäre des Verbs, wie bereits Brinkmann (1962: 109) notiert. Untersucht man die Kontextformate, die einen Übergang der RA in den charakterisierenden Kernbereich der Adjektive fördern, dann fällt auf, dass syntaktisch vor allem die Rücktransposition in den Prädikatsbereich charakterisierende Lesarten befördert. RA, bei denen diese Rücktransposition nur unter heftigen Verrenkungen möglich ist, bleiben meist spröde gegen charakterisierende Lesarten.27 Ein lexikalisches Umwandlungsverfahren bildet der Zusatz 25
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Bei RA mit toponymischer Basis am wenigsten. Fast immer muss man, wenn man sie in die Klasse der „normalen“ Adjektive überführen will, ein /typisch/ hinzusetzen: /typisch amerikanisch, deutsch, italienisch/ etc. Einen etwas stärkeren Hang zur grammatisch-semantischen „Normalisierung“ zeigen dagegen Bereichs-RA wie /ökonomisch, politisch, diplomatisch, sozialistisch, staatlich/, bei denen sich neben der RA-Lesart auch charakterisierende Bedeutungen zaghaft etablieren. Hier kann man argumentieren, dass Stoffnomina, da sie kein inhärentes principium individuationis aufweisen, schon von Hause aus im Grenzbereich zwischen Substantiv und Adjektiv anzusiedeln sind. Die RA selbst können, wie oben bereits erwähnt, in den Prädikatsbereich nur überführt werden, indem man dem Adjektiv einen nominalen „dummy“ beigibt: /Die Probleme sind wirtschaftlicher, finanzieller Natur/ oder indem man die Kongruenzflexion beibehält, was das RA „elliptisch“ macht und seine Beschränkung auf den attributiven Bereich bekräftigt: /Die Probleme sind wirtschaftliche, finanzielle/.
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von /typisch/, ein morphologisch-derivationeller Turbolader ist die Verfügbarkeit einer /un-/-Negation. Wie man weiß, können /unamerikanische/ Aktivitäten sowohl von Amerikanern als auch von Angehörigen anderer Nationen ausgehen. 6. Einige Schlussfolgerungen a. Die empirische Beobachtung, von der wir ausgehen, lautet: Offenbar hat sich der vor ca. 100 Jahren übereinstimmend beobachtete Trend umgekehrt. Wir beobachten eine rasante Zunahme der RA. Während Wackernagel, Dornseiff, Blatz (und puristische Sprachpfleger wie Wustmann ohnehin) übereinstimmend davon berichten, dass die „Importware“ RA systemwidrig sei und sich rasch dem deutschen System der deskriptiven und qualifizierenden Adj. angleiche, beobachtet man jetzt häufig genug den entgegengesetzten Trend. Wohl etablierte QA wie /sportlich, nervös, persönlich, wirtschaftlich/ werden zunehmend als RA gebraucht. b. Einige „Erklärungen“ (besser: Motive) für dieses Geschehen liegen auf der Hand: RA bilden eine Gegentendenz zur „nominalen Ballung“ (so schon Hotzenköcherle 1968). Sie entlasten zwei weitgehend restriktionsfreie, iterierbare, rekursive (und in der Tendenz zur „nominalen Verdichtung“ ergo „überladene“) Subsysteme in der Nominalgruppe: das der Determinativkomposition und das der „rechten“ Genitiv- und Präpositionalattribute.28 Kompensiert wird durch das RA-Muster, was die Tendenz zusätzlich begünstigen dürfte, die „Kompositionsschwäche“ zumal der abgeleiteten, sekundären Adjektive. c. Der dynamische Faktor innerhalb des deutschen Wortartensystems ist die Derivation. Als „syntaktische Derivation“ (Kurylowicz 1960) ist sie spezialisiert auf Diskrepanzen zwischen der grammatischen Semantik lexikalischer Basen und ihren syntaktischen Verwendungen. Auf diesem Feld ergänzt die Bildung sekundärer, denominaler Adj. die beiden stärkeren (und deutlich derivationsverteilten) Muster, die Nomina in Explicansfunktonen gegenüber anderen Nomina bringen: die Determinativkomposition und den adnominalen Genitiv. Was passiert bei der Bildung eines sekundären RA aus einer nominalen Basis? Offenbar verbindet sich ein Teil der semantischen Relationalität der nominalen Basis mit der kategorialen (zentripetalen) Relationalität des attributiven Adjektivs.
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Jürgen Erich Schmidt (1993) hat diese Erscheinungen als „Attribuierungskomplikation“ beschrieben.
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d. Als „hoch grammatikalisiert“ bezeichnet man im Feld der adjektivischen Attribute gewöhnlich nur die Erscheinungen, die am linken, auf Referenzspezifizierung, Determination, vielleicht noch Quantifikation eingestellten Rand des pränuklearen Feldes spielen. Also die Herausbildung von hoch allgemeinen, positionsfixierten und paradigmatisierten Artikel- und sonstigen Determinanspositionen z.B. Dem gegenüber imponieren Prozesse des hier untersuchten Typs mit ihren starken Beschränkungen auf bestimmte Basen und bestimmten grammatisch-semantische Konstellationen zwischen Adj. und Nukleus, eher als „Lexikalisierungsprozesse“. Fasst man jedoch das gesamte Kontinuum der pränuklearen Positionen im adnominalen Feld ins Auge (wie es verschiedentlich von Hansjakob Seiler analysiert worden ist), dann wird deutlich, wie „Grammatikalisierung“ und „Lexikalisierung“ in der Ebene der Wortartenbildung und der Wortartenverschiebung miteinander zusammenhängen. Die zunehmende Anzahl denominaler RA am nukleusadjazenten „rechten“ Rand des Kontinuums verschiebt tendenziell das Zentrum der Kategorie (attributives) Adjektiv. Wenn eine Kategorie wie Adj. prototypisch organisiert ist (Kern – Rand) und als „fokale Instanz“ eines Funktionskontinuums analysiert werden kann (Seiler 1985), dann können selbstverständlich auch Verschiebungen am rechten, intensionalen Rand des Kontinuums den Schwerpunkt der Kategorie verschieben. Als offene Lexemklasse liefert das Adj. die Fusionsform bestimmter lexikalischer Inhalte mit bestimmten morphosyntaktischen und flexionalen Verwendungsmustern für den Verlauf. Die charakteristischen Einschränkungen, denen RA unterliegen, kann man als Indikator dafür nehmen, dass bestimmte (sortale) Merkmale von Nomina im attributiven Bezug auf bestimmte Subklassen nominaler Nuklei in den Codierungsbereich der Wortart „Adjektiv“ übertreten und deren Zentrum damit vom extensional-referentiellen Pol entfernen. Der rasche Übertritt neu gebildeter RA in die Sphäre der QA qua Typisierung (/amerikanisch/ – /(typisch) amerikanisch/, /un-/-Negation (/amerikanisch -unamerikanisch/), Graduierung und prädikativer Verwendung steht für den „Sog“ des alten Zentrums der Kategorie Adj. Die gegenwärtig zu beobachtende umgekehrte Tendenz zum Übergang von QA zu RA steht für eine Mittelpunktverschiebung. Eine alternative Beschreibung des nämlichen Vorgangs wäre: Die Umwandlung neu gebildeter RA in QA markiert gleichzeitig Grenze und Übergang zwischen der „syntaktischen Derivation“, die einfach eine nominale Bedeutung als adjektivisches Attribut verfügbar macht, und der „lexikalischen Derivation“, die prototypische lexikalische Eigenschaften der Wortart Adj. auf das Derivat projiziert. Die Verschiebung des kategorialen Zentrums der Wortart Adj. wäre demnach gleichzeitig eine Verschiebung hin zur
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bloßen syntaktischen Derivation – und damit, wenn wir richtig sehen, auch ein Grammatikalisierungsprozess! Das ist folgendermaßen zu verstehen: Von den offenen Wortarten im Deutschen ist das Adj. bekanntlich die einzige, bei der die Anzahl der „sekundären“, aus anderen Wortarten derivierten Mitglieder die Anzahl der „primären“ und originären Mitglieder um ein vielfaches übersteigt. Sie scheint also von vornherein auf „sekundäre“ Verwendungen anderer Basen angelegt zu sein, was ja auch ihrem Zwischenstatus zwischen N und V entspricht. Nach dieser Seite betrachtet überwuchert also die sekundäre und grammatische Funktion des attributiven Adj. den kleinen lexikalischen Kern des primären und originären Adjektivbestandes. Die Lexemklasse Adj. gerät in einen latenten Widerspruch zur Funktionsklasse des (attributiven) Adjektivs. Noch einmal anders gesagt: was sich etabliert durch die zunehmende Zahl der RA-Konstruktionen, das ist ein expansives morphosyntaktisches Pattern, dessen Ausbreitung Folgen für die Kategorie „Adjektiv“ im Deutschen haben könnte. Während die Funktionsstelle des „Bestimmungswortes“ in der Nominalkomposition m.E. eine „dekategorisierte“, d.h. aus dem Wortartengefüge ganz herausgenommene Position ist, bleibt das RA jedoch deutlich als sekundäres Adj. kategorisiert. Und insofern irritiert die Komposition nicht die Architektonik der Wortarten, die RA-Konstruktion aber potentiell schon. e. Primäre Kernadjektive dienen (als Attribute) der extensionalen Differenzierung und Deskription des Kernkonzeptes. Die Graduierung kann nur deshalb als „typische Operation“ für die WA Adjektiv angesehen werden, weil Graduierung eben eine Operation auf der Extension des nominalen Nukleus ist. Die bekannte These, dass adjektivische Bedeutungen weniger „zeitstabil“ sind als nominale Bedeutungen und „zeitstabiler“ als verbale Bedeutungen, ist nicht leicht empirisch zu füllen.29 Vermutlich kämen RA mit ihren nominalen Basen im Kontinuum an einer Stelle mit mehr „Zeitstabilität“ zu liegen als entsprechende QA. /sportlich/ im Sinne von „den Sport betreffend“ hat weniger Beziehungen zur zeitlichen Dynamik als /sportlich/ im Sinne von „fit“.30 f. Eine höchst auffallende Beobachtung, die indes schwer zu würdigen ist, besteht in folgendem: Während semantische Selektionsbeschränkungen im Normalfall ihren Ausgang vom lexikalischen Nukleus einer Konstruktion nehmen, scheinen sie bei RA in der Regel vom Adj. auszugehen. Wo die Richtung der Selektionsbeschränkungen „umschlägt“, da haben wir wieder ein normales QA.
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Sie wird von vielen Typologen vertreten: vgl. Vogel (1996), Thompson (1988), Lehmann (1995). /Früher war ich sportlicher als heute/ – solche Sätze kann man nur mit QA bilden.
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Dieser Umstand spiegelt sich in den oben umrissenen Kollokationseigenschaften der Konstruktionen mit RA, deren Nukleus meist entweder nennschwachanaphorisch oder aber durch das Adj. stark kollokativ impliziert ist. Nun gibt es diese vom Adj. ausgehende Beschränkung auch bei diversen Kernadjektiven wie /blond/ ĺ „Haare“. Man sollte also die Eigenheit der RA gegenüber „normalen“ Adj. keinesfalls übertreiben. Und außerdem lauert in der Kontexterweiterung des Gebrauches eines RA mit vielen Nuklei fast immer der Übergang zum QA. So findet man /ärztlich/ kombiniert mit: /Rat, Verhalten, Untersuchung, Gerät, Behandlung, Aufgabe, Anordnung, Instrument, Angelegenheit/ uvam. In den Nuklei /Rat, Verhalten/ steckt z.B. durchaus die Möglichkeit zu einer Interpretation als QA, wie die Verfügbarkeit der /un-/-Negation belegt. Selten sind allein die Nuklei, die semantisch keine „innerlich determinierte“ Beziehung zum „Arzt“ haben: /Schlag, Spruch, Ruf, Baum, Haus.../. Wichtig ist jedoch, dass nennschwache und phorische N die umgekehrte „Inhärenz“ nicht widerlegen. Sätze wie /Es geht um eine ärztliche Angelegenheit/ bestätigen die Umkehr der Restriktionsrichtung. Weiterhin liefern RA die hochinteressante Möglichkeit, eine Argumentstelle konzeptuell zu besetzen und sie dennoch referentiell freizuhalten, d.h. noch einmal besetzen zu können. Das kann man sich leicht an den agentiven Adverbien klarmachen: (20) /X hat Y amtsärztlich untersucht, hat die Unterlagen notariell beglaubigt, den Y anwaltlich beraten/ etc. ĺ /amtsärztliche Untersuchung durch, notarielle Beglaubigung durch, anwaltliche Beratung durch.../ Diese Option des „gespaltenen Arguments“ findet man (mit einigen Modifikationen) auch bei den übrigen Subklassen des RA. Sie legt den „konzeptuellen“ Teil des Argumentes auf das RA, den referentiellen auf Genitiv-NGs oder auf agentive Präpositionalgruppen mit /von/ oder /durch/.31 g. Einen Satz noch zur Eignung der RA-Konstruktionen für quasi-terminologische Zwecke in Fach- und Sondersprachen, die so merkwürdig mit der völlig abwesenden Eignung „normaler“ Adjektiv-N-Syntagmen für diesen Zweck kontrastiert. In der Literatur zur allgemeinen und fachsprachlichen Nominationsforschung findet man regelmäßig die Bemerkung, dass Adj. eine geringe Affinität zur Position des Bestimmungswortes in der Nominalkomposition haben und dass Adjektiv-Substantiv-Syntagmen in der fachsprachlichen Nomination praktisch nur dann auftreten, wenn es sich um sekundäre (vorwie-
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Jaspers Buchtitel aus den 20er Jahren: „Die geistige Situation der Zeit“ liefert ein schönes Beispiel für die Entlastung der Nominalgruppe durch die Verbindung vor- und nachgestellter „gespaltener“ Argumente.
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gend eben denominale und relative) Adjektive handelt (vgl. Barz 1996). Vereinzelt findet man zwar Nennsyntagmen wie /schwarzer Tee/, /grüner Tee/, /weißer Hei/, /schwarzer Tod/. Aber bei gewöhnlichen Adjektiven schiebt sich die deskriptive Funktion gegenüber dem Nukleusreferenten doch leicht in den Vordergrund und verdrängt die typisierende, konzeptmodifizierende, die bei den RA in den Vordergrund tritt. Vergleicht man diesen Befund mit den zahllosen RA-Konstruktionen im fachlichen Gebrauch: (21) /logische Propädeutik, linguistische Theorie, morphologische Untersuchung, semantische Übungen, klassische Philologie, sprachliche Struktur/ so scheint sich die kollokative und nominative Stabilisierung solcher Syntagmen durchaus auch da zu behaupten gegen die konkurrierende Komposition, wo diese systemmöglich ist, etwa bei /Sprachstrukturen, Semantikübungen/.32 In jedem Falle gibt das Adj. den „Bereich“ und der nominale Nukleus nennt etwas, was gewissermaßen „inhärent“ in diesen Bereich fällt. Adj. des Typs /wirtschaftlich, öffentlich, steuerlich/ sind in der Zeitungssprache hochfrequent, und sie tauchen ganz überwiegend in RA-Konstruktionen auf: (22) /wirtschaftliche: Erholung, Entspannung, Flaute, Wachheit, Schwierigkeit, Probleme.../ Ihre Eignung zur Nennbefestigung scheinen solche Syntagmen daher zu erhalten, dass sie durch wechselseitige Argumentbeziehungen verklammert sind. Im Adj.-N-Syntagma sind die beiden WA einander so entgegengesetzt, dass der Nukleus „nennt“ und der adj. Satellit „beschreibt“ bzw. die Extension restringiert. Im RA-N-Syntagma ist auf dieses Muster das entgegengesetzte Muster aufgetragen: das RA selegiert einen Bereich und der Nukleus gibt etwas, was in diesen Bereich gehört.33 h. Untersucht man die morphologische Verteilung der deutschen RA auf die diversen ausdrucksseitigen Derivationsmuster, so ergibt sich nur ein tendenziell halbwegs einheitliches Bild: 1. /-ig/ hat zwar die ausgeprägteste Indifferenz gegenüber der Wortartzugehörigkeit seiner Basen, bildet aber im Kern überwiegend PossessumAdjektive, d.h. Bildungen, die bei nominaler Basis durch /mit N/ paraphrasiert 32 33
„Während Komposita ihrem Wesen nach kategorisieren, und zwar unabhängig vom Grad der Lexikalisierung, tun Syntagmen das erst, wenn sie stabil(er) geworden sind“, schreibt Barz (1996: 143). Bally (1965: 226) erklärt die Eignung der RA - N - Syntagmen zur Namensbildung aus deren Eigenschaften, einen Satz zu verdichten: qua „condensation de la phrase en terme“.
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werden können: /steinig, dornig, schmutzig, haarig, bergig.../. Dazu passt auch die sehr große Zahl der Zusammenbildungen auf der Grundlage von Possessum-Nomina: /hochnäsig, blondlockig, dickköpfig/ und /weitmaschig, langstielig, grobkörnig, dreiblättrig, rechtwinklig.../. Am Feld der genuinen RA ist /-ig/ kaum beteiligt, wohl aber an den unmittelbar benachbarten Typen der syntaktischen Derivation sekundärer Adj. aus anderen Wortarten, wie Adverbien.34 2. /-lich/: Laut Fleischer & Barz (1992, 261) sind mehr als ein Drittel der 1300 bei Mater verzeichneten Adj. auf /-lich/ RA. Einen Schwerpunkt bildet /lich/ offenbar bei den agentiven und „adverbialen“ Adj. des Typs /ärztlich, behördlich, polizeilich, anwaltlich.../, einen anderen bei den Ableitungen aus sekundären N-Klassen wie temporalen N: /stündlich, täglich, minütlich, wöchentlich, monatlich, jährlich.../. 3. /-isch/ hat eine starke Vorliebe für nicht-native Basen und für onymische Basen zur Codierung von Herkunft, Zugehörigkeit, Orientierung und für Possessoradjektive. Im Ergebnis ist die terminologische Fassung der hier verhandelten Phänomene als „Relationsadjektiv“ missverständlich. RA sind keine lexikalische Klasse, vielmehr steht der Ausdruck für einen (im Deutschen neuerdings expansiven) Konstruktionstyp, der mit den morphosyntaktischen Mitteln der Derivation und mit dem Schema des attributiven Adjektivs komplexe Nennformen bildet. Nur im Rahmen dieses Kontextes bildet sich die (vermeintliche) Subklasse der Adjektive, die als RA bezeichnet wird. Postskriptum: Übrigens ist das Bonner „Theater der Jugend“ umbenannt worden. Es heißt jetzt „Junges Theater“. 7. Literatur Bally, Charles (1965 [1932]): Linguistique générale et linguistique francaise. 4. Aufl. Bern: Francke. Bickes, Gerhard (1984): Das Adjektiv im Deutschen. Frankfurt/M.: Lang. Blatz, Friedrich (1895/96): Neuhochdeutsche Grammatik mit Berücksichtigung der historischen Entwickelung der deutschen Sprache. 2 Bde. Karlsruhe: J. Lang. Coseriu, Eugenio (1987): „Über die Wortkategorien (,partes orationis‘)“. In ders.: Formen und Funktionen. Studien zur Grammatik. Tübingen: Niemeyer. 24–44. Dornseiff, Franz (1964 [1921]): „Das Zugehörigkeitsadjektiv und das Fremdwort“. GRM 9. 193–200. [wiederabgedr. in ders.: Kleine Schriften Band 1. Leipzig: Koehler & Amelang. 221–234].
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Z.B. sind die Possessum-Adjektive auf /-ig/ noch sehr viel stärker in ihrer inhärenten semantischen Selektionsbeschränkung, weil das Possessum den Possessor sehr viel stärker impliziert als vice versa.
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Heike Behrens (Groningen) Wortarten-Erwerb durch Induktion1 Abstract That a lot of language learning is tied to the acquisition of the lexicon is widely acknowledged. However, there are at least two fundamentally different concepts of lexicalism. The notion of lexical learning as applied in generative grammar assumes that part-of-speech information is an inherent property of words, such that words project syntax. It remains unclear, however, how children come to acquire such knowledge. In contrast, constructivist theories of syntax and language acquisition (usagebased, emergentism) assume that part-of-speech categorization is the result of the occurrence of lexical items in syntactic constructions. Thus, children can acquire part-of-speech information on the basis of language use. The analysis of a dense database of a monolingual boy learning German shows that by age 5 his lexicon shows the same distribution in terms of categories than that of his adult interlocutors. This supports the view that language acquisition is indeed highly input driven. Regarding the status of the lexicon in acquisition, the domain general usage of lexical items is the end-state, not the prerequisite of the learning process.
1. Einleitung Die Debatte darüber, wie Wortarten zu klassifizieren sind und was diese Klassifikation für ihre mentale Repräsentation bedeutet, wird seit langem geführt. Seit den sechziger Jahren ist diese Fragestellung auch für die Spracherwerbsforschung relevant, denn hier geht es nun auch um eine Verknüpfung von theoretischer Linguistik und Spracherwerbsforschung. Theoretische Konzepte für die Repräsentation von Wortarten haben daher weitreichende Implikationen für Spracherwerbsmodelle, weil die Sprachtheorie die Konzeption des Beginn- und Endzustandes des Spracherwerbs bestimmt. Es wird debattiert, ob Wortarten fest definierte Merkmalsbündel darstellen oder eher Prototypenkategorien mit unscharfen Rändern bilden, und ob Teile dieser Repräsentationen 1
Dieser Aufsatz stellt im theoretischen Teil eine erweiterte und aktualisierte Fassung von Behrens (2000) dar. Da die Terminologie der neueren englischen Arbeiten zum Teil noch nicht im Deutschen etabliert ist oder verschieden übersetzt wird, habe ich die englischen Termini in Klammern hinzugefügt, um Lesern alternative Übersetzungen, aber auch Stichwortsuchen im Englischen zu ermöglichen. Ich danke den Teilnehmern des Workshops für eine fruchtbare Diskussion und Holger Keibel (Freiburg) für eine Vorab-Zusammenfassung seiner Ergebnisse.
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angeboren sind oder aber erst im Verlauf des Spracherwerbs über Schematisierungsprozesse abstrahiert werden. In diesem Beitrag möchte ich zwei Ansätze skizzieren: den der generativen Grammatik und den der Emergenz in Anlehnung an die Kognitive Linguistik. Ich möchte darlegen, dass sowohl aus theoretischen Erwägungen als auch auf Grund der empirischen Befunde eine Sichtweise, nach der sprachliche Kategorien auf Basis der Empirie, also induktiv, erworben werden, den Vorzug verdient. Dazu werde ich Befunde aus sprachvergleichenden und computerlinguistische Modellierungen zum Wortarten-Erwerb sowie eigene Resultate zum Erwerb des Deutschen anführen. 2. Wortarten und Grammatikmodelle 2.1 Statische und dynamische Repräsentationen von Wortarten Wortarten sind kategoriale Eigenschaften von Lexemen, die bestimmen, welche grammatikalischen Funktionen ein Wort im Satz einnehmen kann und welche flexionsmorphologischen Eigenschaften es hat. Grammatikmodelle unterscheiden sich in ihrer Vorstellung darüber, wie Wortarten repräsentiert sind und wie sie verarbeitet und erworben werden. Deutlich ist, dass im Deutschen flexionsmorphologische Eigenschaften nicht hinreichen, um die Wörter auch hinsichtlich ihrer Satzfunktion zu klassifizieren. So berücksichtigen denn die meisten Wortartklassifikationen morphologische und syntaktische Aspekte und – sofern notwendig – auch semantische Aspekte zur Feinbestimmung der Kategorien. Insofern sind also Wortarten-Systeme Mischklassifikationen auf Grund wort-inhärenter morphologischer Faktoren und wort-externer Distributionsanalyse, wobei letzterer die größere Rolle zukommt (vergleiche die lateinische Bezeichnung partes orationes oder die englische Bezeichnung parts-ofspeech). Umstritten ist jedoch, ob die Wortarten als Merkmalsmatrixen mit festen, möglicherweise universalen Eigenschaften zu analysieren sind, oder ob man unscharfe (fuzzy) Kategorien mit Prototypeneffekten annehmen sollte (siehe unten). 2.2 Mentales Lexikon und Syntax Allgemein wird angenommen, dass Wörter im mentalen Lexikon hinsichtlich ihrer Wortart und ihren morphologischen Eigenschaften (z.B. Genus bei Nomen, Derivationsmorphemen bei Adverbien etc.) abgespeichert sind. Zudem kann man davon ausgehen, dass alle Einträge im mentalen Lexikon mehr oder weniger stark vernetzt sind, und zwar nicht nur in Hinblick auf die semantischen Eigenschaften der Wortstämme, sondern auch über die formalen Eigenschaften (Clark 1993: 5, Pinker 1999: 43).
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Weiterhin wird angenommen, dass sprachliche Repräsentationen und Prozesse in der Sprachverarbeitung modular sind. Die unterschiedlichen Repräsentationsebenen (Lemma, Lexem, Morphologie, Phonologie, Syntax) sind autonom, so dass z.B. Bedeutungseigenschaften von den formalen Eigenschaften entkoppelt werden können. Im Alltag wird uns dies bewusst, wenn uns ein Wort „auf der Zunge liegt“. In diesem Fall kennen wir die Bedeutung des Wortes, auf das wir nicht kommen können, und wir wissen oft sogar dessen Wortart und andere morphologische Eigenschaften wie z.B. das Genus. Lediglich der Zugriff auf die phonologische Form als autonome Verarbeitungsebene ist in dem Moment blockiert (vgl. Levelt, Roelofs & Meyer 1999: 3). In lexikalistischen Grammatiktheorien wird den einzelnen lexikalischen Einträgen im mentalen Lexikon ein großer Einfluss auf die morphosyntaktische Realisierung zugeschrieben. In jüngeren Versionen der generativen Grammatik werden Lemmata durch feste Merkmalsbündel definiert. Durch diese Eigenschaft projizieren Wörter oder auch ihre Flexionsmerkmale die Syntax (innerhalb der X-bar Variante) oder aber ist Syntax ein Produkt des Merkmalsabgleichs (feature-checking) (innerhalb des Minimalismus). Dem gegenüber stehen funktionale Grammatikmodelle, die nicht mit Merkmalen als mentale Primitiva, sondern mit graduellen und veränderbaren Repräsentationen arbeiten. Dazu gehören insbesondere die Varianten der Kognitiven Linguistik, insbesondere die Konstruktionsgrammatik (construction grammar, Fillmore 1988, Croft 2001). Aber auch aber einige formale Modelle arbeiten mit graduellen Repräsentationen (Bresnan & Aissen 2002). Diese Vorstellungen implizieren unterschiedliche Erwerbsmechanismen, die ich jetzt näher charakterisieren möchte. 2.3 Der Status von Wortarten in der generativen Linguistik 2.3.1 Projektionsprinzip Die generative Grammatik in der Tradition Chomskys betont den Systemcharakter von Sprache, der nicht aus der Empirie im Allgemeinen und der Kommunikation im Besonderen herleitbar ist. In einem rezenten Artikel betont Frederick Newmeyer „Grammatik ist Grammatik und Gebrauch ist Gebrauch“ (Newmeyer 2003). Mit dieser Faustregel plädiert er für die Annahme eines a priori existierenden Sprachsystems, das die menschliche Sprachfähigkeit im Sinne der Kompetenz als nicht auf Erfahrung basierendes, angeborenes und universales Substrat definiert. Modulare Sprachtheorien nehmen in der Regel an, dass die autonomen Schichten durch symbolische Regeln miteinander verknüpft sind (siehe Pinkers Titel „Words and rules: The ingredients of language“, Pinker 1999). Das Lexikon hat dabei eine zweifache Funktion: Es liefert das zunächst das Rohmaterial, d.h. die unflektierten Stämme, für Regel-basierte Flexions- und Ableitungsprozesse. Darüber hinaus ist es der Speicher für alle ideosynkratischen
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und unregelmäßigen Fälle, die holistisch, also als Ganzes abgespeichert werden. Alle lexikalischen Einträge im mentalen Lexikon müssen bezogen auf ihre grammatischen Eigenschaften voll spezifiziert sein, so dass bereits im Lexikon klar ist, in welche morphologischen und syntaktischen Prozesse die Wortstämme eingehen können. Dies ist die Basis für das sogenannte Projektionsprinzip (Chomsky 1981). Lexikalistische Theorien innerhalb der generativen Grammatik setzen also reich und fest spezifizierte lexikalische Einträge voraus: [I]t has become apparent that many of the facts of grammar are caused by the properties of the particular lexical items that go into sentences. Recent theories of grammar specify rich collections of information in lexical entries and relatively impoverished rules or principles in other domains. (Pinker 1989: 4)
Die Struktur der Sätze ergibt sich daher aus der Projektion der lexikalischen Elemente: „Sentences conform to the demands of words in them because of general principles“ (Pinker 1989: 4). Diese Arbeitsteilung zwischen Wörtern und Regeln führt zu der angestrebten Ökonomie der Repräsentationen. Mit dem Ziel des Reduktionismus versucht man in generativen Modellen, formale Strukturen wie Syntax so sparsam und formal elegant wie möglich zu beschreiben. In der Government and Binding Version formuliert Chomsky das folgende Leitprinzip „[r]epresentations at each syntactic level (i.e., LF, D- and Sstructure) are projected from the lexicon, in that they observe the subcategorization properties of lexical items“ (Chomsky 1981: 29). Auch im Minimalismus gilt das Prinzip der vollen Interpretation (principle of full interpretation; Chomsky 1995: 27), das besagt, dass alle relevanten syntaktischen Eigenschaften auf allen Ebenen repräsentiert sein müssen. Dies geschieht durch den schon angesprochenen Merkmalsabgleich und durch die Operation des Verschmelzens (merge): Zwei Wörter können eine syntaktische Phrase formen, wenn ihre syntaktischen Merkmale übereinstimmen. Z. B. könnten sowohl das Nomen als auch das Verb das Merkmal „dritte Person Singular“ tragen und damit zu einer Phrase verschmelzen (vgl. Radford 1997: 67–74). Um die Interaktion der Module zu gewährleisten, müssen Schnittstellen geschaffen werden, also Mechanismen, die die Repräsentation des einen Moduls in die des nächsten übersetzen. Diese Schnittstellen können im Spracherwerb eine Steigbügel-Funktion übernehmen (bootstrapping), indem sie es dem Kind ermöglichen, mit Hilfe des Wissens über ein Modul das Wissen über das nächste Modul zu erwerben. So könnte semantische Transitivität dazu führen, dass Kinder die Patiens-Rolle mit Akkusativobjekten verknüpfen (Pinker 1989).
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2.3.2 Wortarten-Erwerb als linking-Prozess Die Grundannahme lexikalistischer Theorien innerhalb der generativen Grammatik ist die Annahme, dass Wörter Wortarten zugeordnet sind. Deshalb wird auch im kindlichen mentalen Lexikon angenommen, dass diese Einträge spezifiziert sind in Bezug auf die Wortart. Angeborenheit bezeichnet hier also Angeborenheit von spezifisch sprachlichen Repräsentation (representational nativism) bezogen auf hierarchische und rekursive syntaktische Strukturen (vgl. Bates & Goodman 1999). Mit Hilfe dieses angeborenen Wissens wird der Erwerbsprozess vereinfacht, denn das Kind muss nur noch die gehörten Lautsequenzen mit den angeborenen Kategorien verbinden (linking). Dies kann durch bestimmte Auslöser (trigger), durch Reifung (maturation) oder auch durch lexikalisches Lernen (lexical learning) geschehen (vgl. die Zusammenfassung in Atkinson 1996). Wie kann man sich solch einen Linking-Prozess bezogen auf Wortarten vorstellen? Dazu muss man zunächst klären, wie Wortarten repräsentiert sind. Chomsky (1970) geht davon aus, dass die vier Grundworten durch die binäre Repräsentation der Merkmale [±N] (N = Nomenhaftigkeit, nouniness) und [±V] (V = Verbhaftigkeit, verbiness) zu klassifizieren sind. Daraus ergeben sich vier Hauptkategorien (1), die man als universale syntaktische Primitive ansieht (Chomsky 1970; zur Geschichte dieser Klassifikation siehe Eschenlohr 1997): (1) Verb [-N + V] Noun [+N -V] Adjektiv [+N +V] Präposition [-N -V] Problematisch an dieser Klassifikation ist jedoch, dass die zu Grunde liegenden Merkmale Nomenhaftigkeit und Verbhaftigkeit nie genauer spezifiziert worden sind.2 Wie kann ein Kind aber erkennen, welche Bedeutungselemente ein Wort, das es hört, zu [+ N] und [-V] macht, besonders innerhalb eines theoretischen Rahmens, der der Funktion und der Semantik nur einen sehr geringen Raum innerhalb des Syntaxerwerbs zuerkennt? Kennzeichnend ist ein Zitat aus dem Lehrbuch von Crain & Lillo-Martin (1999): If the notions ‘subject’ and ‘noun’ are part of UG, then there is no reason to suppose that children's early grammars are semantically based instead of syntactically based. 2
Es gibt Ansätze, die Unbestimmtheit der Merkmale [±N] und [±V] durch die Definition von festen Kriterien oder durch Markiertheitshierarchien näher zu bestimmen (vgl. Steinitz 1997 und die Artikel in Löbel & Rauh 1997). Auch hier stellt sich das Problem, dass die vorgeschlagenen Lösungen einzelsprachspezifisch und nicht universal sind.
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We can assume that children go into the language acquisition task prepared to find ‘nouns’ and ‘subjects’ in their input. They must learn which words (patterns of sounds) are nouns in the language they are acquiring, and they must learn how that language orders subjects vis-à-vis other constituents (i.e., they must determine the settings which their languages use on the head/complement parameter). They can determine these things based on the positive evidence in their input, and thus even their earliest grammar can make use of them. (Crain & Lillo-Martin 1999: 141)
Crain ist einer der ausgesprochensten Vertreter von rein nativistischen und anti-empirischen Spracherwerbsmechanismen (vgl. den programmatischen Titel eines früheren Artikels: „Language acquisition in the absence of experience“, Crain 1991). Jedoch bleibt der hier avisierte deduktive Mechanismus nicht nur vage, sondern ist durchaus auch sehr empirisch bezogen auf den Prozess des Aktivierens der angeborenen Merkmale von Wortarten. Nomen oder Verben haben keine phonetischen oder prosodischen Kennzeichen, die diese Wortarten im Sprachstrom eindeutig erkennbar machten. Es gibt zudem kaum Sprachen, in denen morphologische Markierungen Wortarten eindeutig (d.h. ohne Allomorphe) markieren. Der einzige Schlüssel zu den gemeinsamen Eigenschaften von Wörtern einer Wortart ist ihre Distribution, d.h. ihr Auftreten in gemeinsamen syntaktischen Kontexten (Chomsky 1995: 31). Dieses Wissen kann jedoch nicht als Ausgangspunkt für sprachliches Wissen angenommen werden, so dass der von Crain und Lillo-Thornton skizzierte Erwerbsverlauf ins Leere läuft: Um das angeborene syntaktische Wissen nutzen zu können, muss man u.a. Nomen und Subjekte identifizieren. Um diese identifizieren zu können, muss man jedoch ihre Distribution interpretieren können, da es keine anderen wahrnehmbaren Eigenschaften gibt, mittels derer syntaktische Kategorien tatsächlichen Lexemen zugeordnet werden können (vgl. den Sammelband zum Spracherwerb von Levy, Schlesinger & Braine 1988 oder die typologische Abhandlung von Dryer 1997). Diese Theorie scheitert also am linking, der Verknüpfung von angeborenen sprachlichen Merkmalen mit den Lexemen der Zielsprache, die dann ihrerseits erst die Syntax projizieren können. Das linking-Problem ist wahrscheinlich unlösbar, da es keine Mechanismen gibt, mit dem die Kinder die angeborenen Kategorien im Input zweifelsfrei identifizieren könnten (Atkinson 1996, Tomasello 2000). Zusammenfassend bleibt im generativen Ansatz zur Zeit nicht nur offen, wie die Universalgrammatik als Basis des Spracherwerbs genau definiert ist, auch die Eigenschaften der Wortarten als Basis für syntaktische Prozesse sind nicht hinreichend definiert und möglicherweise auch nicht universal (s.u.). Wie können Wortarten dann identifiziert werden? Eine Lösung ist denkbar, wenn man nicht davon ausgeht, dass Wortarten ontologische Primitiva sind, sondern emergente, sich herausbildende Kategorien, die das Resultat von kontextbasierter Sprachverarbeitung sind (emergentism). Ein solches Konzept von Wortart findet sich in verschiedenen funktionalen Modellen, insbesondere der Kognitionsgrammatik und der Konstruktionsgrammatik.
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2.4 Der Status von Wortarten in der Kognitiven Linguistik 2.4.1 Konstruktionen als syntaktische Grundeinheiten Im Gegensatz zur generativen Grammatik sehen die meisten anderen Sprachtheorien Wortarten nicht als syntaktische Primitive, sondern als Heuristica (Sasse 1993, 647). Die Konstruktionsgrammatik (construction grammar), ein Zweig der Kognitiven Linguistik, vertritt einen solchen Ansatz und argumentiert, dass Wortarten keine inhärenten Merkmale von Wörtern sind, sondern Eigenschaften, die sich aus dem Auftreten von Wörtern im Kontext ergeben (Croft 2001). Wörter repräsentieren also keine Wortart, sondern sie nehmen im Kontext eine bestimmte Funktion ein wie in (2), der Inschrift einer Skulptur von Ian Hamilton Finley im Leipziger Museum für zeitgenössische Kunst. (2) THE PRESENT ORDER ORDER THE PRESENT PRESENT THE ORDER Die Wortarten sind also ein Epiphänomen syntaktischer Konstruktionen (Croft 2001) und damit emergente und sprachspezifische Konstrukte. Eine solche Sichtweise vermeidet Probleme einer starren Zuordnung oder des Überstülpens unpassender Kategorien, wie es historisch gesehen geschah, als die Wortarten des Lateinischen auf das Deutsche übertragen wurden (Sasse 1993: 646–648). Außerdem werden keine universalen Ansprüche erhoben, weil man bisher keine universalen Kriterien für Nomenhaftigkeit, Verbhaftigkeit oder Subjekthaftigkeit gefunden hat (Wilkins & van Valin 1993; Dryer 1997). Zudem ist die Liste der möglichen universalen Kategorien nicht hinreichend, um alle syntaktischen Kategorien der Einzelsprachen zu erfassen (Steinitz 1997). Dies führt dazu, dass man in der generativen Sichtweise trotz der angestrebten Ökonomie wiederum andere Mechanismen oder Repräsentationen für einzelsprachliche Wortarten definieren müsste. In dem Modell der Konstruktionsgrammatik ist also das Konzept der Wortart dem der Konstruktion untergeordnet. Durch diese Konzeption lässt sich z.B. erklären, wieso Sätze verständlich sind, auch wenn der Subkategorisierungsrahmen des Verbs verletzt wird. Goldberg (1995) erläutert dies an dem Beispiel John nieste die Serviette vom Tisch. Obwohl niesen kein ditransitives Verb ist, können wir diesen Satz mit Hilfe unseres Wissens über typische Bedeutungen von ditransitiven Sätzen verstehen, z.B. in Analogie zu Bildungen wie John wischte/fegte/schob/ die Krümel vom Tisch. Diese Flexibilität von Wortbedeutungen und Wortverwendungen zu erklären ist das Ziel von „maximalistischen“ Theorien (Langacker 1991: 264), in denen die Repräsentationen nicht auf ein begrenztes Set universaler semantischer und syntaktischer Primitiva reduziert werden, sondern in die alles Wissen einfließt, das nötig ist, um
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alle möglichen Verwendungsweisen aller möglichen sprachlichen Einheiten zu erklären. Kategorisierung ist somit ein Resultat des Sprachgebrauchs. Der englische Begriff entrenchment (wörtlich: einen Verteidigungsgraben bauen) verwortet den Prozess des sich einfräsens von Verwendungsweisen. Kategorien entstehen also durch starke und stabile Assoziationen von typischem Verwendungen, die zur Schematisierung und Konventionalisierung führen (Langacker 1991; Croft 1998; Bybee & Scheibman 1999). Wenn man Wortarten als sprachspezifische Konstrukte ansieht, entfällt auch die Notwendigkeit anzunehmen, dass sie semantisch definiert sind. Obwohl Prototypeneffekte wahrscheinlich eine Rolle spielen (Taylor 1998) basieren Wortarten nicht auf semantischen Primitiva. Typologisch gesehen gehen manche Forscher davon aus, dass Nomen und Verben mit bestimmten semantischen Merkmalen assoziiert, aber nicht durch diese determiniert oder definiert sind. Typischerweise findet man in Einzelsprachen nur ein Subset dieser nicht universalen Faktoren (Dryer 1997). Kognitive Grammatikmodelle haben eine eher dynamische, graduelle Auffassung von Repräsentationen. Insofern sind die Bezeichnungen der Wortarten konventionalisierte Benennungen (labels), die aber nicht den Status ontologischer, atomarer oder merkmals-differenzierter Primitiva haben (Croft 2001: 49). Eine vergleichbare Argumentation gibt es für die Repräsentation von Wortbedeutungen (Rumelhart 1979, Elman 2004). Also sind Wortbedeutungen nicht fest in einem mentalen Lexikon gespeichert, aus dem Wörter dann abgerufen werden. Stattdessen erhalten Wörter einen Teil ihrer Bedeutung aus dem Kontext, in dem sie auftreten (siehe Elman 2004 für die Implikationen eines solchen Ansatzes für die Sprachverarbeitung). 2.4.2 Wortarten-Erwerb durch Induktion Weil die Konstruktionsgrammatik kein Projektionsprinzip von Lexemen kennt, sondern lediglich schematisiertes, nicht-deterministisches Wissen, folgt auch, dass diese Schematisierung im Spracherwerb erst nach und nach einsetzt. Das impliziert, dass Typikalitätseffekte das Resultat von Lernprozessen sind. Alle Kategorien sind damit gebrauchsbasiert (usage based). Damit grenzt sich die Konstruktionsgrammatik von früheren funktionalen Ansätzen ab, in denen man angenommen hat, dass bestimmte semantische Merkmale oder Kerne Ausgangspunkt des Spracherwerbs und der Kategorienbildung sein könnten. Diese Auffassung von bevorzugten semantischen Konzepten ist mittlerweile aus theoretischer und typologischer Perspektive widerlegt (Bowerman 1985, 1989; Slobin 1997). Aus der Perspektive der Kognitiven Linguistik ergeben sich drei Implikationen für den Spracherwerb: (a) Alle sprachlichen Phänomene fallen in die Erklärungsdomäne. Es gibt keine prinzipielle Unterscheidung zwischen Kern und Peripherie der
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Grammatik, und keine zwischen Wörtern und Regeln (Langacker 1991: 264). Für den Spracherwerb folgt, dass es keine angeborenen privilegierten Konzepte oder Formen gibt, die den Startpunkt des Spracherwerbs bilden. (b) Wenn man kein a priori vorhandenes sprachliches Wissen annimmt, sondern davon ausgeht, dass Spracherwerb induktiv erfolgen kann, folgt daraus eine größere Offenheit für individuelle Variation, aber auch für sprachspezifische Erwerbsverläufe. (c) Wenn man linguistische Erfahrung als den Ausgangspunkt sieht, folgt, dass das Kind zu Beginn des Spracherwerbs, wenn es nur über wenig Erfahrung verfügt, weniger differenzierte Kategorien hat als Erwachsene. Möglicherweise ist frühes sprachliches Wissen stark lexem-gebunden (lexically specific, siehe auch lexical specificity). Dies bedeutet, dass sprachliche Strukturen, die mit einem Lemma benutzt werden, nicht über semantisch oder formal ähnliche Lemmata generalisiert werden. Die Tatsache, dass das Kind ein Verb in ditransitivem Satzrahmen benutzt, ist also keine Evidenz für eine abstrakte Repräsentation von Ditransitivität (vgl. den Überblicksartikel von Tomasello 2000). Der Prozess des Spracherwerbs ist dann als Vernetzung von Lemmata und als Ausdifferenzierung von kategorialen Eigenschaften von Wortgruppen zu verstehen. Bevor ich in Abschnitt 3 auf einige empirische Ansätze eingehe, die für einen induktiven Lernprozess sprechen, möchte ich kurz die unterschiedlichen Annahmen der beiden skizzierten Theorien bezogen auf die Kontinuität von Kategorien und bezogen auf den Status und die Funktion des Lexikons im Erwerbsprozess zusammenfassen. 2.5 Kontinuität von sprachlichen Repräsentationen Die Frage, ob die Kategorien, mit denen Kinder Sprache verarbeiten, denen der Erwachsenen entsprechen oder nicht, wird kontrovers diskutiert. Braine (1976) plädierte dafür, eine andere Terminologie zu verwenden, um deutlich zu machen, dass Kinder noch nicht mit der voll spezifizierten Erwachsenengrammatik operieren. In seiner Distributionsanalyse der Zweiwortphase kam er zu dem Schluss, dass sich eine Reihe von Lexemen der „offenen“ Gruppe um eine kleine Gruppe von Ankerwörtern (pivots) anordnete. Jedoch stellt sich bei alternativen Kategorien nicht nur das Problem, wie man diese Kategorien genau definieren soll, sondern vor allem das, wie man die – graduelle – Veränderung in Richtung auf die Erwachsenensprache verwortet, da sich dann die Repräsentationen qualitativ ändern. Wann wird z.B. ein pivot zu einer Präposition? Weil sich die Identifikation des Umkehrpunktes de facto als unmöglich erwies, und weil die kindersprachlichen Kategorien zumindest in der Sprachverwendung meist nicht substanziell von denen der Erwachsenensprache ab-
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weichen, hat sich die Auffassung durchgesetzt, Kontinuität anzunehmen (vgl. die Diskussion in Stenzel 1997). D.h. man verwendet die KategorienBezeichnungen der Erwachsenensprache für die der Kindersprache. Zusätzlich wurde diese Kontinuitätsannahme in vielen Zweigen der generativen Spracherwerbsforschung motiviert durch die Tatsache, dass Kategorien syntaktische Primitive sind, die als Teil der Kerngrammatik notwendig sind, um syntaktische Projektionen zu erlauben (licensing). Weil in der Konstruktionsgrammatik angenommen wird, dass Sprecher größere Einheiten holistisch verarbeiten können, gilt auch hier Kontinuität insofern als Kinder mit unanalysierten Einheiten (Formeln, Phraseologismen) operieren können. Im Laufe der Sprachentwicklung werden diese Einheiten zunehmend analysiert, kategorisiert und vernetzt. Kindersprachliche Repräsentationen sind damit weniger ausdifferenziert, aber nicht qualitativ verschieden, weil auch Erwachsene mit holistischen Repräsentationen operieren (Bybee & Scheibman 1999). 2.6 Lexikalische Spezifizität als Ausgangspunkt des Spracherwerbs Dass Kindersprache erstaunlich fehlerfrei ist, kann nicht nur durch die Annahme von angeborenem Wissen erklärt werden, das das Kind vor Fehlern behütet, sondern auch durch Konservatismus. In dieser Sichtweise sprechen Kinder korrekt, weil sie sich lange an die sprachlichen Vorbilder, die sie hören, halten, und gerade nicht fortwährend kreative Sätze bilden. Zudem lassen sich die meisten frühen kreativen Äußerungen auf wenige produktive Muster zurückführen (siehe Lieven, Behrens, Speares & Tomasello 2003). Ein ähnliches Bild findet sich auch in experimentellen Studien zur syntaktischen Produktivität, die Tomasello (2000) zusammenfasst. Viele dieser Experimente arbeiten mit erfundenen Wörtern, in denen es darum geht, diese Wörter in neuen syntaktischen oder morphologischen Kontexten zu gebrauchen. Hier zeigt sich, dass Kinder erst lange, nachdem sie entsprechende Strukturen wie transitive oder passivische Sätze schon spontan verwenden, diese auch mit neuem lexikalischen Material bilden können. In diesem Sinne ist frühes sprachliches Wissen lexem-spezifisch und nicht abstrakt wie bei Erwachsenen. 3. Evidenz für induktive Lernprozesse Bezogen auf den Wortarten-Erwerb möchte ich Evidenz aus einzelsprachlichen und sprachvergleichenden Studien vorstellen, die mit der Vorstellung der Emergenz von Kategorien kompatibel sind und für die die Annahme von angeborenen Kategorien nicht notwendig ist. Sprachvergleichende Studien erlauben uns zu testen, ob Erwerbsverläufe tatsächlich einzelsprachspezifisch sind. Wenn alle Sprachen entlang eines genetischen Programms erworben würden,
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müsste man ähnliche Beginnstadien und Entwicklungssequenzen annehmen, die sich innerhalb der angeborenen Beschränkungen (constraints) bewegten. 3.1 Distributionelles Lernen Generalisierungen über Sprachstruktur sind möglich durch distributionelles oder statistisches Lernen (vgl. Maratsos 1982 und die Artikel in MacWhinney 1999). Brent (1994) argumentiert, dass Wortarten auf der Basis lokaler Hinweise (cues) wie Funktionselemente (Artikel, Präpositionen, Flexionsaffixe) operieren. Innerhalb syntaktischer Konstruktionen bleiben diese Elemente stabil, auch wenn die lexikalischen Elemente variieren. Ein solcher Mechanismus kann frühe Konversionen erklären, wenn z.B. ein Kind in Analogie zu bekannten Fragen auf die Frage „Was macht der Ball?“ antwortet „der ballt“. Die neue Wortbildung entspricht dem bekannten Schema „der VERB-t“ als Antwort auf die Frage „was macht der ___?“. Im Verlauf des Spracherwerbs ergänzen sich lexem-spezifische und distributionelle Lernprozesse. Kinder speichern Kontexte, in denen bestimmte Wörter auftauchen, und sie bilden Schemata aufgrund von wiederkehrenden Mustern. Schließlich werden Netzwerke von Wörtern aufgebaut, die in denselben Kontexten auftreten. Dadurch sind Kinder dann in der Lage, neue Lexeme in Konstruktionen zu gebrauchen (Lieven, Pine & Rowland 1998). In den letzten Jahren haben Studien zur Lernfähigkeit bereits bei Säuglingen eine enorme Fähigkeit zur Mustererkennung und zum distributionellen Lernen nachgewiesen (Saffran, Johnson, Newport & Aslin 1999; Aslin, Saffran & Newport 1999). Man geht davon aus, dass diese Fähigkeiten, die bereits in der vorsprachlichen Entwicklung nachweisbar sind, auch zum Erkennen von sprachlichen Regeln genutzt werden (Marcus et al. 1999).3 Lassen sich solche Prozesse nun auch für Wortarten nachweisen? Geht man bezogen auf Wortarten von der klassischen Definition als partes orationes aus statt von Merkmalsbündeln, lässt sich dieser Mechanismus der Mustererkennung und Regelabstraktion auch auf sie anwenden: das Kind müsste nur erkennen, in welchen strukturellen und funktionalen Kontexten bestimmte Wörter auftreten und baut auf diese Weise Paradigmen von Lexemen, also Wortarten, auf. In einer Reihe von Computersimulationen analysierten Redington, Chater & Finch (1998) die Zuverlässigkeit von lokalen Hinweisen (local cues) für den Erwerb von Wortarten. Sie nahmen die englischen Input-Daten aus der CHILDES-Datenbank (MacWhinney 2000) als Basis und ermittelten die 3
Zur Zeit wird diskutiert, inwieweit diese Fähigkeit spezifisch menschlich und/oder spezifisch sprachlich ist. Es zeichnet sich ab, dass Kategorisierungsprozesse und kontextunabhängiger Symbolgebrauch Teil der allgemeineren Kognition sind und zumindest ansatzweise auch im Tierreich zu finden sind (Hauser, Chomsky & Fitch 2002; Kaminski, Call & Fischer 2004;Pinker & Jackendoff 2005).
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Wortgruppen, die die linken und rechten Nachbarn der 150 häufigsten Wörter des Korpus waren. Diese 150 Kontextwörter sind zumeist Funktionswörter. Obwohl das Korpus sich aus verschiedenen Quellen zusammensetzt und es unterschiedliche Transkriptionsmethoden und damit Schreibvarianten sowie Tippfehler gab, lassen sich die Wortgruppen, die sich um diese Kontextwörter bilden, statistisch signifikant den Wortarten zuordnen. Vergleichbare Resultate erzielten auch Mintz, Newport & Bever (2002), die ein ähnliches Verfahren für Einzelkorpora anwendeten. Sie waren besonders daran interessiert, wie Variationen in den Annahmen über das, was man dem Kind an Vorwissen zuschreibt, auf die Identifikation der Wortarten Nomen und Verb auswirkten. Zurzeit werden derartige Simulationen auch zum Deutschen durchgeführt (Keibel & Elman, in Vorbereitung). Das Deutsche ist flexionsreicher und variabler in der Wortstellung als das Englische. Trotzdem lassen sich auch hier die Hauptwortarten distributionell durch Nachbarschaftsbeziehungen voneinander unterscheiden. Darüber hinaus ergeben sich mit dieser Methode auch relevante Differenzierungen für die diversen Wortarten: so gestaltet sich die Wortart Verb distributionell als weit komplexer als die Wortart Substantiv. Dies ist an sich natürlich nicht überraschend, wird aber dann relevant, wenn man die distributionellen Untergruppen abgleichen kann mit anderen Informationsquellen wie z.B. Semantik oder Satzfunktion (Hilfs- oder Vollverb), und diese Informationen mit tatsächlich attestierten Erwerbsverläufen korrelieren kann. In diesem Forschungszweig wird also die Computerlinguistik zum wichtigen und effizienten Hilfsmittel, um entwicklungspsychologische Fragestellungen mit konkreten Korpusdaten zu beantworten. 3.2 Sprachspezifische Emergenz von Kategorien Mit Hilfe der Konstruktionsgrammatik und der Annahme flexibler Bedeutungsrepräsentationen vermeidet man ein Problem früherer funktionaler Ansätze zum Wortarten-Erwerb, nämlich dass Wortarten und andere sprachliche Kategorien zu Beginn des Spracherwerbs semantisch definiert sind. Die Annahme, dass der Kategorien-Aufbau mit einem – möglicherweise universalem – semantischen Kern beginnt, erwies sich schon Mitte der 80er Jahre als falsch (siehe die Artikel in Levy, Schlesinger & Braine 1988 sowie Bowerman 1985 und 1989). Wenn man jedoch input-basierte Erwerbsprozesse annimmt, folgen daraus sprachspezifische Erwerbsverläufe, weil es dann keine inhärente Notwendigkeit gibt, dass strukturelle Eigenschaften universal sein müssen (vgl. Slobin 1997). Entgegen Gentners Hypothese, dass Verben später als Nomen erworben werden, weil sie relationale und nicht nur referenzielle Eigenschaften enkodieren (Gentner 1978), zeigen jüngere Studien, dass diese NomenPräferenz nicht universal ist, sondern stark von der Semantik der Verben (Brown 1998) und der Argumentrealisierung abhängt. In Sprachen, in denen aus diskurspragmatischen Gründen nicht alle Nomen realisiert werden müssen,
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werden Verben nicht später als Nomen erworben (Choi 1998; Tardif 1996; Brown 1998). Diese sprachspezifischen Erwerbsverläufe implizieren, dass Kinder die sowohl distributionellen und morphologischen als auch die semantischen Eigenschaften der Zielsprache abstrahieren. Auch die Input-Frequenz scheint eine Rolle zu spielen. Behrens (2003b) zeigte in einer Untersuchung zum Erwerb von komplexen Verben und Präpositionalphrasen im Deutschen, Englischen und Niederländischen, dass trotz ähnlicher Struktureigenschaften der Sprachen diese Strukturen in unterschiedlicher Frequenz auftreten und sich Kinder eng an die Frequenzverhältnisse der Zielsprache anlehnen (Tabelle 1). Sprache
Kind
Alter von-bis n= (Jahr; Monat) Verb tokens
Einfache Verben
Partikel- PräfixVerben Verben
Englisch
Naomi Adam
1;2–3;8 2;3–4;0
8545 22958
89 89
11 11