Wolfgang Grundmann / Klaus Schüttel Wirtschaft, Arbeit und Soziales
Prüfungstraining für Bankkaufleute Die Bücher der Reihe Prüfungstraining für Bankkaufleute richten sich an auszubildende Bankkaufleute, die sich auf die Prüfung vorbereiten. Die Bücher helfen Verständnislücken auf prüfungsrelevanten Gebieten zu schließen, bieten eigene Kontrollmöglichkeiten an und geben somit die erforderliche Sicherheit für das erfolgreiche Bestehen der Prüfung.
Bisher sind erschienen: Abschlussprüfungen von Wolfgang Grundmann und Rudolf Rathner Zwischenprüfungstraining Bankfachklasse von Wolfgang Grundmann und Rudolf Rathner Kundenberatung von Achim Schütz Bankwirtschaft von Wolfgang Grundmann Wirtschaft, Arbeit und Soziales von Wolfgang Grundmann und Klaus Schüttel Rechnungswesen, Controlling, Bankrechnen von Wolfgang Grundmann und Rudolf Rathner
Wolfgang Grundmann Klaus Schüttel Prüfungstraining für Bankkaufleute
Wirtschaft, Arbeit und Soziales Teil 2: Fälle und offene Aufgaben mit Lösungen 4., überarbeitete Auflage
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2000 2., neubearbeitete Auflage 2003 3., vollständig neubearbeitete Auflage 2006 4., überarbeitete Auflage 2009 Die 1. Auflage ist unter dem Titel Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, Sozialrecht erschienen. Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Guido Notthoff Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-1655-6
V
Vorwort Auch die neu bearbeitete 4. Auflage unseres Lehr- und Arbeitsbuches wendet sich an Auszubildende und Berufsanfänger/innen des Kreditgewerbes sowie Studierende mit Interesse an Fragestellungen und Problemlagen aus dem Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht. Ihnen als Auszubildende bietet unser Lehr- und Arbeitsbuch die Möglichkeit, das während Ihrer dualen Ausbildung angeeignete Wissen selbstständig anzuwenden. Darüber hinaus dient unser Lehr- und Arbeitsbuch der systematischen Vorbereitung auf die Abschlussprüfung zur Bankkauffrau bzw. zum Bankkaufmann für das Prüfungsfach Wirtschafts- und Sozialkunde. Sie können Ihre allgemeinen Kenntnisse im Fach Wirtschaftslehre überprüfen sowie Ihr erarbeitetes Wissen festigen und anhand der praxisorientierten Fallstudien ergänzen. Wesentliches Ziel unseres Lehr- und Arbeitsbuches ist es, Ihnen wirtschaftliche sowie arbeits- und sozialrechtliche Kenntnisse anhand von handlungsorientierten Fällen und Aufgaben zu vermitteln und Sie beim Ausbau Ihrer Handlungs- und Entscheidungskompetenz im Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht zu unterstützen. Die 4. überarbeitete Auflage wurde aufgrund der Vielzahl neuer programmierter Aufgaben und des stark erweiterten Umfangs des Lösungsteils jetzt in zwei selbstständige Aufgabensammlungen aufgeteilt: - Wirtschaft, Arbeit und Soziales – Teil 1 Programmierte Aufgaben - Wirtschaft, Arbeit und Soziales – Teil 2 Fälle und Aufgaben Die beiden Teile unseres Lehr- und Aufgabenbuches bietet Ihnen die Möglichkeit, sich systematisch auf die bundeseinheitliche Abschlussprüfung zur Bankkauffrau bzw. zum Bankkaufmann für das Fach Wirtschafts- und Sozialkunde vorzubereiten, denn die vorliegenden Fälle und Aufgaben sind genau auf die Anforderungen des Prüfungskatalogs Abschlussprüfung Bankkaufmann/Bankkauffrau abgestimmt. Wenn Sie die vorliegenden Lerninhalte selbstständig erarbeiten, gehen Sie sicher und kompetent in die Abschlussprüfung. Der vorliegende Teil 2 enthält neben dem bewährten arbeits- und sozialrechtlichen Abschnitt im ersten Kapitel Fälle und Aufgaben zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, in dem Grundlagen zu den Rechtsgeschäften, z. B. Kaufvertrag sowie das Sachenrecht enthalten sind. Das Kapitel wurde ergänzt durch Fälle und Aufgaben zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen. Neu aufgenommen sind im Kapitel kollektives Arbeitsrecht der Bereich Konjunktur und Arbeitsmarkt und im Kapitel zum Sozialrecht die Altersvorsorge am Beispiel der Riester-Rente. Ebenfalls neu hinzugekommen sind Fälle und Aufgaben zu Gesellschaftsformen, Kartellen und Fusionen sowie Steuern. Die ausführlichen Lösungshinweise enthalten Erläuterungen, Übersichten und wichtige Paragraphen aus dem Wirtschafts- und Arbeitsrecht sowie nachvollziehbare Rechenwege. Mit den ausführlichen Lösungshinweisen überprüfen Sie Ihr prüfungsrelevantes Fachwissen im Fach Wirtschafts- und Sozialkunde. Zudem wiederholen Sie mit den beiden Teilen unseres Buches Wirtschaft, Arbeit und So-
VI ziales schnell und systematisch den Lernstoff für wichtige Wirtschaftslehreklausuren oder die bundeseinheitliche Abschlussprüfung. Nutzen Sie unser Lehr- und Arbeitsbuch vor allem so, dass Sie zunächst Ihre Antwort zu den Fragestellungen und Problemlagen schriftlich fixieren und danach mit den Lösungsvorschlägen im Lösungsteil dieses Buch abgleichen. Im neunten Kapitel unseres Arbeitsbuches finden Sie Gesetze und Vorschriften zum Nachschlagen. Sie können sich dort über wichtige Paragraphen aus z. B. BGB, HGB sowie Berufsbildungsgesetz und Tarifvertrag informieren. Zusätzlich finden Sie eine umfangreiche und stets aktuell gehaltene Gesetzessammlung zur kostenlosen Nutzung auf meiner Homepage unter www.bankazubi.info. Hier finden Sie auch die jeweils gültige Fassung des bundeseinheitlichen Prüfungskatalogs für den Ausbildungsberuf Bankkaufmann/Bankkauffrau und die Aktualisierungen zu diesem Buch unter dem Link „Buchservice“. Wichtige Übersichten zu diesem Buch finden Sie auch, wenn Sie dieses Buch unter www.gabler.de aufrufen und den Link OnlinePLUS anklicken. Anregungen für Weiterentwicklung und Ergänzung unseres Lehr- und Arbeitsbuches nehmen wir, die selbst langjährig in der Unterrichtspraxis tätig sind, gerne entgegen. Viel Erfolg bei der Prüfung und im Job wünschen Ihnen Wolfgang Grundmann
Hamburg, im Juni 2009
[email protected] Klaus Schüttel
[email protected] München, im Juni 2009
VII
Inhaltsverzeichnis Aufgabe Lösung Aufgaben .................................................................................................................................. 3 1 Rechtsgeschäfte .................................................................................................................... 3 1.1 Grundlagen zu den Rechtsgeschäften .......................................................................... 3 1.1.1 Vertrag ............................................................................................................. 3 1.1.1.1 Willenserklärung ........................................................................................... 3 1.1.1.2 Rechtsgeschäfte ............................................................................................. 5 1.1.2 Voraussetzungen für wirksame Rechtsgeschäfte ............................................. 6 1.1.2.1 Geschäftsfähigkeit ......................................................................................... 6 1.1.2.2 Form der Rechtsgeschäfte ............................................................................. 7 1.1.2.3 Inhaltliche Schranken von Rechtsgeschäften ................................................ 9 1.1.3 Willensmängel bei Rechtsgeschäften ............................................................... 9 1.1.4 Vertragstypen ................................................................................................. 12 1.1.5 Kaufvertrag .................................................................................................... 13 1.1.5.1 Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft ....................................... 13 1.1.5.2 Leistungsstörungen beim Kaufvertrag ........................................................ 13 1.2 Sachenrecht ............................................................................................................... 15 1.2.1 Grundbegriffe und Grundsätze ....................................................................... 15 1.2.2 Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen ............................................. 16 1.2.3 Erwerb des Eigentums an Immobilien ........................................................... 17 1.3 Verbraucherschutz in der Sozialen Marktwirtschaft ................................................. 17 1.3.1 Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ............................................. 19 1.3.2 Fernabsatzvertrag ........................................................................................... 20
241
243 243 244 244 245 246 246 247 248 248
251 252 253 254
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag ...................................................................... 2.1 Michael Schreiner beginnt ein Berufsausbildungsverhältnis .................................... 2.2 Der Auszubildende Michael Schreiner erhält seinen Arbeitsvertrag ........................ 2.3 Leiharbeit .................................................................................................................. 2.4 Fälle und Aufgaben zu Gesetzen, die Arbeitnehmer und Auszubildende schützen .. 2.4.1 Kündigungsschutz für Arbeitnehmer und Auszubildende ............................. 2.4.2 Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ................................................................ 2.4.3 Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern und Auszubildenden ........................... 2.4.4 Jugendarbeitsschutz ........................................................................................ 2.4.5 Mutterschutz und Elterngeld .......................................................................... 2.4.7 Arbeitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz ...............................................
21 21 26 30 31 31 35 38 40 44 46
261 263 264 264 266 269
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht .............................................................................. 3.1 Ein folgenreiches Einstellungsgespräch .................................................................... 3.2 Darf der Arbeitgeber Einfluss auf die Kleidung seiner Mitarbeiter nehmen? ........... 3.3 Wer haftet für Fehlbeträge in der Kasse? .................................................................. 3.4 Ein Auszubildender will streiken .............................................................................. 3.5 Der Sachbearbeiter Berger kommt nicht zur Arbeit .................................................. 3.6 Wer zahlt das Gehalt einer Angestellten bei ihrem Fernbleiben wegen der Erkrankung ihres Kindes? ....................................................................................................
51 51 52 53 57 59
270 272 273 274 276
60
276
255 256 260
VIII 3.7 Die Auszubildende Gertrud Seger ist mit ihrer Ausbildungsvergütung nicht einverstanden ............................................................................................................. 3.8 Wer trägt die Ausbildungskosten bei einem Berufsausbildungsverhältnis? .............. 3.9 Die Isar Bank-AG möchte ein Berufsausbildungsverhältnis rasch beenden ............. 3.10 Wie wirkt sich die Kündigung des Arbeitnehmers auf Sonderzahlungen aus? ......... 3.11 Wie wirkt sich die Kündigung von Birgit Karger auf ihr Urlaubsentgelt aus? ......... 3.12 Ingrid Lechner erhält ihr Arbeitszeugnis ................................................................... 3.13 Das folgenreiche Entschuldigungsschreiben des Auszubildenden Erich Leitner ...... 3.14 Georg Saller beendet sein Berufsausbildungsverhältnis ............................................ 3.15 Der Auszubildende Christoph Plate soll sich in der Praxis der Zweigstelle bewähren ....................................................................................................................
61 62 64 65 66 67 70 74
277 279 280 280 281 281 283 285
75
286
4 Fälle und Aufgaben zum kollektiven Arbeitsrecht ............................................................ 77 4.1 Koalitionspartner ....................................................................................................... 77 4.2 Aufgaben der Tarifvertragsparteien ........................................................................... 84 4.3 Tarifautonomie und Tarifvertrag ............................................................................... 86 4.4 Tarifverhandlungen und Tarifpolitik ......................................................................... 95 4.5 Arbeits- und sozialrechtliche Auswirkungen eines Streiks ..................................... 102 4.6 Arbeitskampf ........................................................................................................... 104 4.7 Arbeitsmarkt ............................................................................................................ 111
286 288 288 290 291 291 292
5 Aufgaben zur betrieblichen Mitbestimmung .................................................................... 117 In der Nordbank AG wird ein Betriebsrat errichtet .......................................................... 117
293
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht ............................................................................... 6.1 Informationen zu den Sozialversicherungen ........................................................... 6.1.1 Gesundheitsfonds ......................................................................................... 6.1.2 Pflegeversicherung ....................................................................................... 6.1.3 Neuerungen bei der Riester-Förderung ........................................................ 6.2 Die leidigen Sozialbeiträge von Susanne Heßler ..................................................... 6.3 Ausschnitte aus dem Leistungsangebot der gesetzlichen Sozialversicherung ......... 6.4 Birte Wegener informiert sich über ihre zukünftige Rente ...................................... 6.5 Riester-Rente ........................................................................................................... 6.6 Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge ...............................................
121 121 121 124 125 126 130 131 133 137
297 298 299 300 301
7 Gesellschaftsformen ......................................................................................................... 7.1 Personengesellschaften ............................................................................................ 7.1.1 Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) ................................................ 7.1.2 Offene Handelsgesellschaft (oHG) .............................................................. 7.1.3 Kommanditgesellschaft (KG) ....................................................................... 7.2 Kapitalgesellschaften ............................................................................................... 7.2.1 Aktiengesellschaft (AG) ............................................................................... 7.2.2 Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) .......................................... 7.3 Fälle zu den Rechtsformen ...................................................................................... 7.3.1 Fall zur offenen Handelsgesellschaft (OHG) ............................................... 7.3.2 Fall zur Kommanditgesellschaft (KG) ......................................................... 7.3.3 Fall zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) .............................
143 143 144 144 147 147 147 149 150 150 150 150
302 302 303
8 Kartellverbot, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen .................................................................................................................... 151
304
IX Info-Teil ................................................................................................................................................ AktG Aktiengesetz ............................................................................................................................ ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz ............................................................................................................ ArbSchG Arbeitsschutzgesetz ........................................................................................................... ArbStättV Verordnung über Arbeitsstätten ....................................................................................... ArbZG Arbeitszeitgesetz ................................................................................................................... ASiG Arbeitssicherheitsgesetz .......................................................................................................... AÜG Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ............................................................................................. Ausbildungsordnung ......................................................................................................................... BBiG Berufsbildungsgesetz .............................................................................................................. BetrvG – Betriebsverfassungsgesetz ................................................................................................. BGB Bürgerliches Gesetzbuch .......................................................................................................... BUrlG Bundesurlaubsgesetz .............................................................................................................. EntgeltfortzahlungsG ......................................................................................................................... GewO Gewerbeordnung .................................................................................................................... GG Grundgesetz ................................................................................................................................ GmbH-Gesetz .................................................................................................................................... GWB Kartellgesetz ............................................................................................................................ HGB Handelsgesetzbuch ................................................................................................................... JArbSchG Jugendarbeitsschutzgesetz ............................................................................................... KSchG Kündigungsschutzgesetz ....................................................................................................... MuSchG – Mutterschutzgesetz .......................................................................................................... Nachweisgesetz ................................................................................................................................. Sozialgesetzbuch III .......................................................................................................................... Sozialgesetzbuch IV .......................................................................................................................... Sozialgesetzbuch V ........................................................................................................................... Sozialgesetzbuch VI .......................................................................................................................... Sozialgesetzbuch VII ......................................................................................................................... Sozialgesetzbuch IX .......................................................................................................................... Sozialgesetzbuch XI .......................................................................................................................... Stabilitätsgesetz ................................................................................................................................. Tarifverträge ...................................................................................................................................... TVG Tarifvertragsgesetz ................................................................................................................... TzBfG Teilzeitarbeitsgesetz .............................................................................................................. Unfallverhütungsvorschrift „Allgemeine Vorschriften“ ................................................................... Unfallverhütungsvorschrift „Erste Hilfe“ .......................................................................................... Aktuelle Eurobeträge, Freigrenzen und Freibeträge ..........................................................................
157 159 159 160 161 162 162 162 163 166 170 178 198 199 200 201 201 202 204 206 208 209 209 210 214 214 219 221 222 223 224 226 233 234 235 237 238
X
Abkürzungsverzeichnis a. a. O. AFG AG AktG ArbG ArbGeb ArbGG ArbSchG ArbSichG ArbZG Art. AVG BAG BBiG Bd. BDA BErzGG BeschFG BetrVG BGB BildscharbV BR BT-Drucks. BUrlG BVV bzw. DAG DGB d. h. Dipl.-Ing. FH DIW
am angegebenen Ort Arbeitsförderungsgesetz Aktiengesellschaft Aktiengesetz Arbeitsgericht Arbeitgeber Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsschutzgesetz Arbeitssicherheitsgesetz Arbeitszeitgesetz Artikel Angestelltenversicherungsgesetz Bundesarbeitsgericht Berufsbildungsgesetz Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundeserziehungsgeldgesetz Beschäftigungsförderungsgesetz Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bildschirmarbeitsverordnung Betriebsrat Bundestags-Drucksache Bundesurlaubsgesetz Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes beziehungsweise Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Diplomingenieur Fachhochschule Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung EntgeltfortzahlungsG Entgeltfortzahlungsgesetz e. V. eingetragener Verein EStG Einkommensteuergesetz EZB Europäische Zentralbank FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung GG Grundgesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GTV Gehaltstarifvertrag
XI HBV HGB HHA HUK i. d. R. i. V. m. IHK JArbSchG IWD KG KSchG LAG MitbestG Montan-MitbestG MTV MuSchG NZB ÖTV OStR NJW RVO Rz SGB SprAuG TVG u. a. Ufita usw. VermBG vgl. VVaG WoPG ZPO
Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen Handelsgesetzbuch Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft Haftpflicht-, Unfall-, Krankenversicherung in der Regel in Verbindung mit Industrie- und Handelskammer Jugendarbeitsschutzgesetz Informations- und Wirtschaftsdienst Kommanditgesellschaft Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Mitbestimmungsgesetz Montan-Mitbestimmungsgesetz Manteltarifvertrag Mutterschutzgesetz Nationale Zentralbank Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr Oberstudienrat Neue Juristische Wochenschrift Reichsversicherungsordnung Randziffer Sozialgesetzbuch Sprecherausschussgesetz Tarifvertragsgesetz unter anderem Urheber-, Film- und Theaterrecht (Jahr und Seite) und so weiter Vermögensbildungsgesetz vergleiche Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Wohnungsbau-Prämiengesetz Zivilprozessordnung
AUFGABEN
3
1
Rechtsgeschäfte
1.1 Grundlagen zu den Rechtsgeschäften 1.1.1
Lösungen ab Seite 243
Vertrag
Um ein Schuldverhältnis durch ein Rechtsgeschäft begründen zu können, ist grundsätzlich ein Vertrag erforderlich. Bei einem Vertrag handelt es sich um ein Rechtsgeschäft. Es kommt zustande, wenn übereinstimmende Willenserklärungen von mindestens zwei Personen vorliegen, ein Antrag (§ 145 BGB) und seine Annahme (§ 147 BGB). 1.1.1.1
Willenserklärung
1.1.1.1.1
Begriff
Eine Willenserklärung ist eine Willensäußerung, die auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Beispiel: Der Antrag eines Käufers eines CD-Players ist an den Verkäufer gerichtet, der diesen Kaufantrag annimmt. Die Willenserklärung „Antrag“ und seine Annahme sind auf den Abschluss eines Kaufvertrages (Rechtsfolge) gerichtet. Die nach außen gerichtete Willenserklärung kann mündlich, schriftlich oder durch schlüssiges Verhalten (z. B. das Einwerfen einer Münze in einen Automaten) erfolgen. 1.1.1.1.2
Arten von Willenserklärungen
Empfangsbedürftige Willenserklärungen Es handelt sich um Willenserklärungen, die an eine andere Person gerichtet sind. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber einem Anwesenden wird unmittelbar mit der Abgabe der Willenserklärung wirksam. Beispiele: Annahme eines Kaufvertrages, Antrag, Angebot, Annahme, Kündigung, Rücktritt, Vollmachtserteilung Eine empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber einem Abwesenden wird zu dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Beispiel: Einwurf der Kündigung des Arbeitgebers in den Briefkasten des Arbeitnehmers Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen Es sind Willenserklärungen, die nicht an eine andere Person gerichtet sind. Beispiel: Testament (§ 2247 BGB), die letztwillige Verfügung ist nicht an den Erben gerichtet, sondern an die Öffentlichkeit; die Auslobung (§ 657 BGB) ist ebenfalls an die Öffentlichkeit gerichtet. Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen werden zu dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie abgegeben werden. Beispiel: Das eigenhändige Testament wird mit seiner Unterschrift wirksam.
4
Aufgaben
Übungsfälle Fall 1 Juliane Henkel (22 Jahre alt) steht vor dem Fahrradgeschäft des Georg Riedinger und sieht ein Tourenbike Blizzard zu 698,00 EUR im Schaufenster. Sie sagt dem Geschäftsinhaber, Herrn Riedinger, dass sie das Tourenbike kaufen möchte. Herr Riedinger holt das Tourenbike Blizzard aus dem Schaufenster, stellt die Sattelhöhe ein und fordert sie auf, eine kurze Probefahrt auf dem Hof zu machen. Da Frau Henkel eine besondere Standlichtanlage haben möchte, schlägt Herr Riedinger vor, innerhalb eines Tages die gewünschte Installation vorzunehmen. Am nächsten Tag übergibt Herr Riedinger Frau Henkel das verkehrstüchtige Fahrrad. Frau Henkel bezahlt den Kaufpreis und fährt mit dem Fahrrad nach Hause. Die dargestellte Situation enthält viele Einzelaspekte, die bedeutsame Rechtsfolgen auslösen. Aufgabe 1 Was könnte das im Schaufenster ausgestellte Fahrrad mit Preisangabe darstellen? Aufgabe 2 Stellen Sie dar, durch welche Verhaltensweisen hier ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Fall 2 Ingo Schwartz (52 Jahre alt) betritt das Fahrradgeschäft des Herrn Riedinger und schaut sich die Fahrräder an. Herr Riedinger fragt Herrn Schwartz, ob er ihm helfen könne. Herr Schwartz nickt zustimmend und bringt zum Ausdruck, dass er ein Tourenbike suche. Herr Riedinger bietet ihm das Tourenbike Blizzard zum Preis von 689,00 EUR an. Aufgabe 3 Wie heißt diese Willenserklärung, die Herr Riedinger gegenüber Herrn Schwartz abgegeben hat? Aufgabe 4 Stellen Sie in den nachfolgenden Situationen 1 bis 5 fest, ob es sich jeweils um empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen handelt. Situation 1 Der Privatkunde Karl-Heinz Käfer erteilt seiner Bank eine Vollmacht über den Tod hinaus. Situation 2 Eine Aushilfskraft vom Fahrradhändler Stelter entnimmt aus einer finanziellen Notlage heraus der Kasse zwei 500-Euro-Scheine. Wie kann Herr Stelter das Arbeitsverhältnis beenden? Situation 3 Die Rentnerin Sophie Krause bietet für das Wiederauffinden ihrer entlaufenen Katze demjenigen, der ihr das Tier zurückbringt, 100 EUR. Situation 4 Die vermögende Rita Gerhard verfasst ein handlich und eigenhändig unterschriebenes Testament. Situation 5 Der Fahrradhändler Hertel bietet Frau Schley ein Tourenrad CX 500 zum Preis von 600 EUR zum Kauf an. Situation 6 Herr Riedinger ist über das Verhalten seiner Aushilfskraft Vanessa Krug, die aus einer finanziellen Notlage heraus 1.000 EUR aus der Ladenkasse entnommen hatte, höchst empört und will ihr fristlos kündigen.
1 Rechtsgeschäfte
5
a) Wann treten die Rechtsfolgen der Kündigungserklärung ein? b) Was muss Herr Riedinger beachten, wenn er Frau Krug die Kündigung erklärt? Situation 7 Infolge eines Autounfalls wurden die Eltern von Frau Henkel tödlich verletzt. Zu Lebzeiten hatten die Eltern eine handschriftliche und eigenhändig unterschriebene Erklärung am 15. März verfasst, aus der hervorging, dass Juliane Henkel alleinige Erbin sein sollte. Prüfen Sie, ab wann die Willenserklärung der Eltern von Frau Henkel wirksam ist. Aufgabe 5 Bei welchen der nachfolgenden Rechtsgeschäfte handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft? A Überlassung eines Pkw Golf von der Firma Sixt AG für ein Wochenende. B Eröffnung eines Girokontos bei der Nordbank AG. C Erteilung einer Kontovollmacht über das Girokonto. D Unentgeltliche Überlassung eines Pkw Golf durch die Eltern für ein Wochenende. E Rücktritt von einem vor 7 Tagen abgeschlossenen Darlehensvertrag. F Reparatur eines Pkw Golf in einer VW-Werkstatt.
1.1.1.1.3
Abgrenzung
Realakte, z. B. die Übergabe einer Kaufsache, sind keine Willenserklärungen. Bei Realakten lösen keine Willenserklärungen eine Rechtsfolge aus, sondern das Gesetz löst die Rechtsfolge aus. Beispiel: Verkäufer Veigel und Käufer Krenz haben einen wirksamen Kaufvertrag über einen CD-Player geschlossen (§ 433 BGB). Veigel will dem Krenz das Eigentum an dem CD-Player nach § 929 Satz 1 BGB verschaffen: - Veigel und Krenz schließen einen dinglichen Einigungsvertrag über den Eigentumsübergang nach § 929 Satz 1 BGB. Der Antrag des Veigel (§ 145 BGB) und die Annahme des Krenz (§ 147 BGB) sind auf die Rechtsfolge gerichtet, den Eigentumserwerb des Krenz herbeizuführen. - Diese beabsichtigte Rechtsfolge wird durch den Realakt – Übergabe des CD-Players an Krenz – herbeigeführt. Dies ordnet § 929 Satz 1 BGB an. 1.1.1.2
Rechtsgeschäfte
1.1.1.2.1
Begriff
Das Rechtsgeschäft ist ein Tatbestand, der aus mindestens einer Willenerklärung sowie oft aus weiteren Elementen besteht. An diesem Tatbestand knüpft die Rechtsordnung den Eintritt des gewollten rechtlichen Erfolges. Das Rechtsgeschäft muss mindestens eine Willenserklärung enthalten. Beispiel: Antrag nach § 145 BGB. Es gibt viele Rechtsgeschäfte mit mehreren Willenserklärungen, z. B. Kaufvertrag nach § 433 BGB. Der beabsichtigte Rechtserfolg wird nicht immer allein von einer Willenserklärung oder mehreren Willenserklärungen herbeigeführt. Oft müssen noch andere Tatbestandsmerkmale hinzutreten, um den Rechtserfolg herbeizuführen. Beispiel: Zum dinglichen Einigungsvertrag muss noch der Realakt – die Übergabe – hinzukommen, um den Rechtserfolg „Eigentumsübergang“ herbeizuführen (§ 929 Satz 1 BGB).
6
Aufgaben
1.1.1.2.2
Arten von Rechtsgeschäften
Einseitige Rechtsgeschäfte Sie enthalten die Willenserklärung nur einer Person. Beispiel: Antrag, Kündigung, Rücktritt. Mehrseitige Rechtsgeschäfte Sie enthalten die Willenserklärungen von mindestens zwei Personen. Beispiel: Kaufvertrag nach § 433 BGB. Bei den mehrseitigen Rechtsgeschäften werden zwei Untergruppen unterschieden: - Gegenseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte: Beide Vertragspartner verpflichten sich wechselseitig, Beispiel: Kaufvertrag. Der Verkäufer übereignet die Sache an den Käufer, weil er vom Käufer den vereinbarten Kaufpreis dafür erhält. - Einseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte: Nur ein Vertragspartner verpflichtet sich gegenüber dem anderen Vertragspartner, Beispiel: Schenkungsvertrag. Aufgabe Stellen Sie fest, ob es sich bei den folgenden Situationen jeweils um einen einseitig oder mehrseitig verpflichtenden Vertrag handelt. Situation 1 Der Bankkaufmann Michael Schreiner erhält von der Isar Bank-AG einen Arbeitsvertrag. Situation 2 Die Großmutter übergibt ihrer Enkelin Birgit zum erfolgreichen Abitur 1.000 EUR. Situation 3 Die Eltern Burger übernehmen auf Grund eines Hypothekardarlehens eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft.
1.1.2
Voraussetzungen für wirksame Rechtsgeschäfte
1.1.2.1
Geschäftsfähigkeit
Situation Der 13-jährige Florian Buschmann wünscht sich schon seit langem einen PC. Seine Eltern haben ihm die Erfüllung dieses Wunsches versprochen, sobald sich die Gelegenheit eines günstigen Kaufes eines gebrauchten Computers ergäbe. Als Florian hört, dass sein Freund Volker seinen gebrauchten Computer verkaufen will, geht er zu Volker und einigt sich mit ihm auf dessen Vorschlag über den Ankauf des Computers zu einem Preis von 300 EUR. Auf Volkers Frage behauptet Florian wahrheitswidrig, seine Eltern seien informiert und mit dem Geschäft einverstanden. Als die Eltern von Florian von dem Geschäft hören, erklären sie wegen des günstigen Kaufpreises Florian gegenüber ihr Einverständnis. Volker hat jedoch Zweifel an der Wirksamkeit des Kaufs und ruft deshalb am nächsten Tag die Eltern von Florian an, um sich von ihnen den Vertrag bestätigen zu lassen. Da der Vater von Florian inzwischen ein ihm günstiger erscheinendes Angebot erhalten hat, verweigern die Eltern Volker gegenüber ihre Zustimmung. Aufgabe Kann Volker von Florian oder dessen Eltern die Zahlung des Kaufpreises von 300 EUR verlangen? Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 106, 107, 108, 110, 145, 151, 183, 184, 433, 1626, 1629 BGB.
1 Rechtsgeschäfte
1.1.2.2
7
Form der Rechtsgeschäfte
Formvorschriften bei Rechtsgeschäften Das BGB enthält in den §§ 125 bis 129 allgemeine Vorschriften über die Formbedürftigkeit von Rechtsgeschäften sowie über die verschiedenen Arten der Form. Grundsätzlich können Rechtsgeschäfte formlos bzw. in jeder beliebigen Form abgeschlossen werden. Dieser Grundsatz der Formfreiheit, der eine Folge der Vertragsfreiheit ist, dient der Erleichterung des Rechtsverkehrs. Der insbesondere für die Begründung von Schuldverhältnissen durch Vertrag bedeutsame Grundsatz der Vertragsfreiheit beinhaltet zum einen die Abschlussfreiheit und die Gestaltungsfreiheit, sofern das Gesetz keine Einschränkungen enthält. Zu der Gestaltungsfreiheit gehört die Formfreiheit, die es im Interesse der Erleichterung des Rechtsverkehrs ermöglicht, Verträge und Rechtsgeschäfte durch einfache, mündliche Vereinbarungen abzuschließen. Der Gesetzgeber verlangt aus Gründen der Rechtssicherheit für bestimmte Rechtsgeschäfte die Einhaltung einer besonderen Form: - Beweisfunktion: Durch die Einhaltung der Schriftform können der Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts sowie dessen Inhalt klar und eindeutig festgelegt werden, was der Beweiserleichterung bei Streitigkeiten dient. - Beratungsfunktion: Da sich der am Rechtsverkehr beteiligte Bürger häufig der rechtlichen Bedeutung, insbesondere der Rechtsfolgen eines Rechtsgeschäfts nicht bewusst ist, soll er durch Hinzuziehung eines juristischen Fachmanns, z. B. eines Notars, beraten, aufgeklärt und belehrt werden. - Warn- und Schutzfunktion: Schließlich dienen die Formvorschriften dazu, dass sie die Beteiligten vor dem Aussprechen unbedachter, übereilter Worte warnen und sie vor dem Eintritt der damit verbundenen, u.U. schwerwiegenden Rechtsfolgen schützen. Arten der Form - Schriftform: Die schriftliche Form ist die vom Gesetz vorgeschriebene einfachste Form (vgl. § 126 BGB). Werden Abschluss und Inhalt eines Rechtsgeschäfts in Form einer schriftlichen Urkunde bezeugt, so muss diese vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mit einem vom Notar beglaubigten Handzeichen, z. B. die berühmten „drei Kreuze“ des Analphabeten versehen sein. - Elektronische Form: Gemäß § 126 Abs. 3 BGB kann die schriftliche Form grundsätzlich durch die elektronische Form ersetzt werden (soweit nicht ausdrücklich durch Gesetz ausgeschlossen), bei der eine eigenhändige Unterschrift naturgemäß nicht möglich ist. Voraussetzung dafür, die schriftliche Form durch die elektronische Form nach § 126 a BGB ersetzen zu können, ist, dass der Empfänger zumindest schlüssig (durch Bekanntgabe seiner E-Mail-Anschrift im Geschäftsverkehr) sein Einverständnis zur Übermittlung elektronischer rechtsgeschäftlicher Erklärungen gegeben hat. Die Funktionen, die eine handschriftliche Unterschrift im Sinne von § 126 erfüllt, werden bei der elektronischen Form im Sinne von § 126 a grundsätzlich von der digitalen bzw. elektronischen Signatur erfüllt, falls die elektronische Form vom Gesetz ausdrücklich nicht ausgeschlossen ist, z. B. in § 766 Satz 2 BGB.
-
§ 126 a BGB verlangt, dass der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versieht. Vereinbarte Form: Auf Grund der Gestaltungsfreiheit beim Abschluss von Rechtsgeschäften können die Parteien für ein nach dem Willen des Gesetzgebers an sich formfreies (also mündlich gültiges) Rechtsgeschäft selbst die Einhaltung einer Form vereinbaren und einvernehmlich diese Formvereinbarung wieder aufheben. Ein Beispiel für die vereinbarte Schriftform ist der Mietvertrag, der grundsätzlich mündlich gültig ist (vgl. § 550 und § 578 BGB, wonach nicht schriftliche Mietverträge als für unbestimmte Zeit geschlossen gelten). In der Praxis wird aber überwiegend die Schriftform in Gestalt des „Deutschen Einheitsmietvertrags“ vereinbart.
8
Aufgaben
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Öffentliche Beglaubigung: Sie ist in § 129 BGB geregelt. Im Wesentlichen gleicht sie der gesetzlichen Schriftform des § 126 BGB. Der wichtigste Unterschied ist, dass nur die Identität des Unterzeichnenden und nicht die Richtigkeit des Inhalts einer Urkunde von einem Notar bestätigt werden muss. Notarielle Beurkundung: Die notarielle Beurkundung ist die strengste Form, die der allgemeine Teil des BGB für Rechtsgeschäfte vorsieht (§ 128 BGB). Hier wird festgestellt, dass ein Rechtsgeschäft, für das die notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist, gültig ist, wenn das Angebot (Antrag) und dessen Annahme von dem Notar getrennt oder einzeln beurkundet wurden. Abgabe von Willenserklärungen bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien vor zuständiger Stelle: Um jeglichen Rechtsmissbrauch auszuschließen, verlangt das Gesetz in bestimmten Fällen die persönliche, gleichzeitige Anwesenheit beider Parteien eines Rechtsgeschäfts vor der zuständigen Stelle (i.d.R. Notar). So z. B. bei der Einigung über den Eigentumsübergang an einem Grundstück, die das Gesetz in § 925 Abs. 1 BGB Auflassung nennt. Gleiches gilt gemäß § 1311 Satz 1 BGB für die Eheschließung vor dem Standesbeamten.
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Aufgabe 1 Grundsätzlich können Rechtsgeschäfte formfrei geschlossen werden. Beim Abschluss einiger Rechtsgeschäfte sieht der Gesetzgeber allerdings Formvorschriften vor. Nennen Sie die Möglichkeiten der Formvorschriften, die der Gesetzgeber im BGB verankert hat, und führen Sie jeweils ein Beispiel an. Aufgabe 2 Prüfen Sie, ob die nachstehenden Rechtsgeschäfte formfrei gültig sind, der gesetzlichen Schriftform bzw. der notariellen Beglaubigung oder einer notariellen Beurkundung bedürfen.
Aufgabe 3 Welche Bedeutung haben die unterschiedlichen Formvorschriften im BGB? Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 126, 126a, 127, 128, 129 BGB, §§ 2 und 53 des GmbH-Gesetzes und § 23 des Aktiengesetzes.
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Aufgabe 4 Prüfen Sie in den nachfolgenden Situationen, ob die Rechtsgeschäfte wirksam sind. Situation 1 Die Verkäuferin Bettina Schön sagt zu ihrer Geschäftsleiterin, dass sie ihr Arbeitsverhältnis zum Monatsende beendet. Situation 2 Der sechsjährige Florian Bender kauft mit einem 5-Euro-Schein 3 Tafeln Schokolade. 1.1.2.3
Inhaltliche Schranken von Rechtsgeschäften
Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 134 und 138 BGB. Aufgabe Prüfen Sie in den nachfolgenden Situationen, ob die Rechtsgeschäfte wirksam sind. Situation 1 Der Kreditvermittler Uwe Lange gewährt Herrn Jürgen Spengler, der sich auf Grund seiner Scheidung in einer finanziellen Notlage befindet, ein Darlehen über 10.000 EUR. Unter Ausnutzung dieser Notlage fordert der Kreditvermittler einen Zinssatz von 35 % per annum. Situation 2 Der Hauseigentümer Krause beauftragt den Elektroinstallateur Jürgen Poss, die Elektroarbeiten in seinem Mietshaus ohne Erstellung einer Rechnung auszuführen. Situation 3 Herr Thomas Liebig möchte ein Grundstück von Herrn Jens Schreiber erwerben. Sie einigen sich auf einen Kaufpreis von 1 Million EUR. Der Kaufvertrag soll nur über eine Summe von 800.000 EUR geschlossen werden. Herr Liebig überweist Herrn Schreiber 800.000 EUR. 200.000 EUR übergibt Herr Liebig Herrn Schreiber in bar.
1.1.3 Willensmängel bei Rechtsgeschäften In den Fällen des unbewussten Abweichens vom inneren Willen und dem nach außen Erklärten kann der Erklärende seine Willenserklärung anfechten, z. B. den Kaufantrag. Damit wird das geschlossene Rechtsgeschäft rückwirkend unwirksam (§ 142 Abs. 1 BGB). Der Kaufvertrag wird nichtig. Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1 BGB 1. Variante) Beim Inhaltsirrtum benutzt der Erklärende zwar das richtige Erklärungszeichen, die richtige Bezeichnung für einen Gegenstand, doch bedeutet diese Bezeichnung etwas anderes, als er wirklich gemeint hat, und der Erklärungsempfänger hat auch die andere Bedeutung verstanden. Ein typisches Beispiel hierzu: Herr Franke unterschreibt einen Mietvertrag im Glauben, es sei ein Leihvertrag. Herr Franke hat eine rechtlich erhebliche Willenserklärung mit all ihren Bestandteilen abgegeben. Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 BGB 2. Variante) Die zweite Variante des § 119 Abs. 1 BGB ist der Erklärungsirrtum. Der Erklärende irrt im Moment der Abgabe nicht über die Bedeutung des Inhalts des benutzten Erklärungszeichens, sondern er benutzt versehentlich ein falsches Erklärungszeichen.
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Beispiele: Herr Lange will eine Münze zu 540 EUR verkaufen und schreibt versehentlich 450 EUR. Herr Lange kann seine Willenserklärung gemäß § 119 Abs. 1 BGB wegen Erklärungsirrtums anfechten. Ein Beispiel für einen nicht anfechtbaren, unbeachtlichen Motivirrtum liegt im folgenden Fall vor: Herr Hansen kauft ein wertvolles Buch mit der Absicht, es dem Brautpaar Junge und Krause zu deren geplanter Hochzeit zu schenken. Da Krause und Junge sich zerstreiten, kommt diese Hochzeit nicht zustande. Hansen hat sich bezüglich des Motivs, des Beweggrunds, der ihn veranlasste, eine Willenserklärung in Form eines Kaufangebots abzugeben, geirrt. Hansen kann nicht nach § 119 Abs. 1 BGB wegen Irrtums gegenüber dem Verkäufer den Kaufvertrag anfechten. Eine Willenserklärung kann nach § 119 und § 123 BGB anfechtbar sein. Die abgegebene Willenserklärung ist bis zur Anfechtung gültig und wird durch die Anfechtung rückwirkend nichtig. In den nachfolgenden Situationen ist zu prüfen, ob das Rechtsgeschäft durch die Anfechtung rückwirkend nichtig wird. Situation 1 Herr Meier will im Mai Ferien machen. Ende März fuhr er an einem Wochenende in den Schwarzwald und sah sich dort in Löffingen mehrere Pensionen an. Herr Meier schaute sich das Hotel „Schwarzwaldblick“ im Glotterweg an, dessen Lage ihm aber viel zu unruhig erschien. Am besten gefiel Herrn Meier schließlich das Hotel „Schwarzwaldglück“ am Lotterpfad. Auf der Heimfahrt beschloss er, dort ein Zimmer zu mieten. Einige Tage später schrieb Herr Meier einen Brief an das Hotel „Schwarzwaldblick, Glotterweg“ und teilte mit, dass er dort ein Zimmer mieten wolle. Alsbald erhielt er vom Besitzer Herrn Vogt eine zustimmende Antwort. Als Herr Meier am 1. Mai in Löffingen eintrifft, stellt er seinen Irrtum fest. Da im Hotel „Schwarzwaldglück“ am Lotterpfad zufällig noch ein Zimmer frei ist, mietet er dieses und teilt Herrn Vogt mit, dass er sich vertan habe und nie die Absicht hatte, in dessen Hotel zu wohnen. Herr Vogt will sich darauf nicht einlassen, da er mit Herrn Meier einen gültigen Mietvertrag geschlossen habe. Ob Herr Meier einziehe, sei ihm gleichgültig. Jedenfalls müsse Herr Meier zahlen. Herr Meier verweigert die Zahlung. Zu Recht? Aufgabe 1 Prüfen Sie, ob Herr Meier den Mietvertrag anfechten kann, und wie sich dies auf den Mietvertrag auswirken kann. Klären Sie in diesem Zusammenhang auch die Begriffe „Inhaltsirrtum“ und Erklärungsirrtum“. Aufgabe 2 Prüfen Sie, ob und ggf. welche Ansprüche sich aus einem begründet angefochtenen Mietverhältnis für Herrn Vogt gegen Herrn Meier ergeben können. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 119, 121, 122, 142, 433 und 535 BGB. Situation 2 Der Kunstsammler Seifert sieht auf einem Flohmarkt in München bei einer Verkäuferin aus Berlin eine Kohlezeichnung, die undeutlich signiert ist. Die Verkäuferin meint, dass es sich um einen „Rille“ handelt. Er erwirbt die Zeichnung zu einem Preis von 90 EUR. Später erfährt die Verkäuferin, dass es sich um eine Originalkohlezeichnung von Heinrich Zille gehandelt hat, Wert 1.500 EUR. Aufgabe 3 Was kann die Verkäuferin, die den Kunstsammler kennt, tun?
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Situation 3 Der Immobilienhändler Alfons Schneider verkauft an die Gemeinde Ascheberg ein Grundstück, auf dem ein Kinderspielplatz errichtet werden soll, zu einem Preis von 200.000 EUR. Er wusste, dass auf dem Grundstück zuvor eine Lackfabrik betrieben wurde. Dadurch wurde das Erdreich erheblich mit Dioxin verseucht. Der Gemeinde Ascheberg war dies nicht bekannt. Bei den Erdarbeiten stellte sich heraus, dass eine langwierige Dekontaminierung erforderlich wird. Das Grundstück war deshalb als Kinderspielplatz ungeeignet. Aufgabe 4 Prüfen Sie, was die Gemeinde Ascheberg unternehmen kann. Aufgabe 5 In welchen der nachfolgenden Fälle ist das Rechtsgeschäft 1. uneingeschränkt wirksam? 3. wirksam, aber anfechtbar? 2. nichtig? 4. schwebend unwirksam? Fälle A Eine Kundin erwirbt in einem Kaufhaus eine Tischdecke. Zu Hause stellt die Kundin fest, dass die Decke Webfehler aufweist. B Der Privatkunde Jens Tormann beauftragt den Malergesellen Theo Backus, am Wochenende ohne Rechnungserstellung das Wohnzimmer für 300 EUR zu tapezieren und zu streichen. C Ein 16-jähriger Auszubildender schließt mit der Nordbank AG ohne Wissen seiner Eltern einen Vertrag zur Eröffnung eines Jugendgirokontos ab. D Der Kassierer der Nordbank AG verkauft einem Kunden versehentlich eine Goldmünze zum Preis von 24,90 EUR statt 124,90 EUR. E Ein unter Betreuung stehender Rentner erwirbt in einem Adventureshop eine Safariausrüstung für einen Jagdausflug nach Südafrika, Preis 1.850,00 EUR. Für den Rentner besteht ein Einwilligungsvorbehalt. F Die Nordbank AG schließt mit dem Kassierer Herrn Krabbe einen unbefristeten Arbeitsvertrag ab. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass Herr Krabbe mehrfach wegen Unterschlagung rechtskräftig verurteilt wurde. G Franz Lake (22 Jahre alt) erteilt der Nordbank AG den Auftrag, 10.000,00 EUR in BMW-Aktien anzulegen, Kurslimit 36,80 EUR. H Die 13-jährige Sophie Schröder erwirbt bei einem Fahrradhändler ein Mountainbike, Kaufpreis 320,00 EUR. I Eine 17-jährige Auszubildende kauft bei einem Computerhändler einen Laptop zum Preis von 1.999,00 EUR zum privaten Gebrauch. J Ein Kreditvermittler schließt mit einem Privatkunden einen Darlehensvertrag über 10.000,00 EUR zum Zinssatz von 35 % (marktüblicher Zins 11,5 %) ab. Der Privatkunde benötigt das Geld, eine drohende zwangsweise Räumung seiner Wohnung abzuwenden. K Ein Münzhändler kauft von einem 18-jährigen Schüler eine geerbte Münzsammlung zum Preis von 700,00 EUR, obwohl der Wert der Sammlung ca. 8.000,00 EUR beträgt. L Ein Hobbymaler verkauft auf einer Vernissage eine Radierung an einen Kunsthändler für 2.000,00 EUR. M Ein Autohändler kauft auf einem Gebrauchtwagenmarkt einen Pkw vom Eigentümer per Handschlag.
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1.1.4
Aufgaben
Vertragstypen
Innerhalb der vertraglichen Schuldverhältnisse können Veräußerungsverträge, Überlassungs- und Betätigungsverträge unterschieden werden. Diese Verträge können entgeltliche oder unentgeltliche Verpflichtungen festlegen. Aufgabe 1 Geben Sie bei den nachfolgenden Rechtsgeschäften an, welcher Vertrag vorliegt! 1 Frau Henkel bringt einen hellgrauen Rock zur Reinigung, um einige Flecken entfernen zu lassen. 2 Frau Henkel erwirbt am Fahrkartenautomaten eine Fahrkarte, um mit der U-Bahn vom Hauptbahnhof zum Wettersteinplatz zu fahren. 3 Zur Finanzierung ihrer Urlaubsreise überlässt die Isar Bank-AG Frau Henkel einen Betrag von 1.000 EUR zu einem Zinssatz von 9,5 %. 4 An ihrem Urlaubsort bezieht Frau Henkel eine Ferienwohnung für 100 EUR. 5 Frau Henkel erwirbt in einer Steh-Pizzeria eine Pizza Regina zu 4 EUR. 6 Die Mutter von Frau Henkel überweist in der Südbank die Prämie für die Rechtsschutzversicherung ihrer Tochter in Höhe von 65 EUR. 7 Daheim stellt Frau Henkel fest, dass sie keinen Rotwein mehr hat. Sie bittet ihre Wohnungsnachbarin um eine Flasche Barolo mit dem Hinweis, am nächsten Tag eine Flasche Barolo zurückzugeben. 8 Am Wochenende bittet die Wohnungsnachbarin Frau Henkel um die Überlassung ihres Tourenrades bis zum Sonnabend. 9 Die Pianistin Ravissa erteilt der Tochter von Frau Henkel, der 12-jährigen Sophie, wöchentlich eine Stunde Klavierunterricht für 20 EUR die Stunde. 10 Frau Henkel geht an einem Abend in die Oper, gibt an der Garderobe ihren Mantel ab und entrichtet dafür 2 EUR. 11 Herr Riedinger beauftragt die Nordbank AG, für ihn 100 Aktien der Solarworld AG „billigst“ zu erwerben. 12 Herr Saxinger übernimmt von der Löwenbräu AG eine Gaststätte mit Einrichtung und Zapfanlage und betreibt diese erfolgreich. Aufgabe 2 Frau Henkel kauft beim Fahrradhändler Riedinger ein Tourenrad Blizzard für 698 EUR. Um welchen Vertrag handelt es sich in diesem Fall und welche Verpflichtungen übernehmen die Vertragspartner? Aufgabe 3 Stellen Sie in den nachfolgenden Situationen die Vertragspartner und deren Verpflichtungen fest! Situation 1 Frau Henkel bezahlt den Kaufpreis von 698 EUR für das Tourenrad beim Fahrradhändler Riedinger in bar. Dabei ist ein 500-EUR-Schein dabei, den sie von ihren Eltern zum Geburtstag erhalten hat. § 516 BGB definiert die Schenkung: Eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. a) Nennen Sie die Vertragspartner. b) Wer ist in diesem Fall eine Verpflichtung eingegangen?
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Situation 2 Aufgrund eines Darlehensvertrages, der zwischen Frau Henkel und der Isar Bank-AG geschlossen wurde, übernehmen die Eltern von Frau Henkel eine Höchstbetragsbürgschaft in Höhe von 10.000 EUR. a) Wer sind die Vertragsparteien des Bürgschaftsvertrages? b) Worin besteht bei der Höchstbetragsbürgschaft die vertragliche Verpflichtung?
1.1.5
Kaufvertrag
Kaufvertrag – Wesen und Inhalt Die vertragstypischen Pflichten des Kaufvertrages sind in § 433 BGB festgelegt. Bevor den Verkäufer und Käufer die in § 433 geregelten Pflichten und Rechte treffen können, muss ein Kaufvertrag auf Grund des freien, rechtsgeschäftlichen Willens beider Parteien zustande gekommen sein (§§ 145 ff. BGB). Dabei steht es den Parteien auf Grund der Vertragsfreiheit frei, den Leistungsgegenstand und den Preis sowie die Abwicklungsmodalitäten zu bestimmen. Jede der beiden Parteien kann gegenüber der anderen Partei Erfüllungsansprüche geltend machen. Wird der Vertrag von beiden Seiten ordnungsgemäß erfüllt, ist das Schuldverhältnis nach § 362 BGB erloschen. Wird dagegen nicht ordnungsgemäß erfüllt, wird also die Abwicklung des Vertrags gestört, können je nach Art der Leistungsstörung Ersatzansprüche nach den allgemeinen Regeln des Schuldrechts entstehen, auf die § 437 Nr. 2 und 3 und § 440 BGB ausdrücklich verweisen. Der Kaufvertrag ist ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft, durch das für den Verkäufer gemäß § 433 Abs. 1 BGB zunächst nur die Pflicht begründet wird, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben und das Eigentum daran zu verschaffen. Nach § 929 Satz 1 BGB wird dem Käufer vom Verkäufer das Eigentum an einer verkauften beweglichen Sache übertragen. Mit Übergabe der Sache geht gemäß § 446 Abs. 1 BGB die Gefahr des zufälligen Untergangs bzw. einer zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über. 1.1.5.1
Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft
Fall Georg Kurz kauft bei dem Händler Hans Velbert einen CD-Player für 150,00 EUR. Herr Velbert händigt Herrn Kurz das Gerät aus, Herr Kurz dem Herrn Velbert drei 50-EUR-Scheine. Aufgabe Prüfen Sie, wie viele Rechtsgeschäfte vorgenommen worden sind (vgl. §§ 433 und 929 BGB). 1.1.5.2
Leistungsstörungen beim Kaufvertrag
Vorbemerkungen Bei der Erfüllung vertraglicher Pflichten kommt es immer wieder zu Störungen: - Ein neues Gerät funktioniert nicht. - Ein Kunde zahlt nicht. - Eine Leistung wird nicht rechtzeitig erbracht. - Eine Leistung kann nicht mehr erbracht werden, weil der Leistungsgegenstand vollständig zerstört worden ist.
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In all diesen Fällen liegen Pflichtverletzungen des Schuldners vor, er hat sein geschuldetes Leistungsprogramm objektiv nicht erbracht. Strikt davon zu trennen ist die Frage, ob er diese Pflichtverletzung auch zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Objektive Pflichtverletzungen sind: - Mangelhafte Leistung: Die Leistung wird zwar erbracht, aber schlecht (§§ 433 Abs. 1 Satz 2 und 434 BGB). - Verspätete Leistung: Es besteht ein vorübergehendes Leistungshindernis (§ 271 BGB). - Unmöglichkeit der Leistung: Es besteht ein dauerndes Leistungshindernis (§ 275 BGB). Sind Pflichtverletzungen des Schuldners und darauf folgende Sanktionen zu prüfen, müssen bestimmte Grundsätze beachtet werden: - Geschlossene Verträge sind zu erfüllen. Immer dann, wenn eine ordnungsgemäße Erfüllung möglich und sinnvoll ist, muss der Schuldner grundsätzlich die Chance zur Nacherfüllung erhalten (er soll seinen Gewinn aus dem geschlossenen Vertrag realisieren können). - Jeder entstandene Schaden führt grundsätzlich zu einem Anspruch auf Schadensersatz, wenn die andere Vertragspartei den Schaden zu vertreten hat (§§ 280 Abs. 1 Satz 2 und 276 BGB). - Das Gesetz hat als grundsätzliche Ansprüche bei Pflichtverletzungen Rücktritt vom Vertrag und Schadensersatz vorgesehen. Einzelne Fälle zu Leistungsstörungen beim Kaufvertrag Fall 1 Der Angestellte Andreas Götz hat bei dem Küchenstudio Schindler e.K. eine Einbauküche für 12.000,00 EUR gekauft, als Liefertermin wurde der 12. Januar vereinbart. An diesem Tag wurde nichts geliefert. Eine telefonische Rückfrage bei Herrn Schindler ergab, dass die Monteure mit dem vorangegangenen Auftrag nicht fertig geworden waren. Ein neuer Liefertermin könne momentan nicht genannt werden. Herr Götz hatte seine alte Einbauküche ausbauen lassen, diese musste er nun teilweise wieder einbauen. Für den Anschluss des alten Elektroherdes stellte ihm eine Elektrofirma 123,00 EUR in Rechnung. Aufgabe Prüfen Sie, ob Herr Götz die 123,00 EUR von Herrn Schindler verlangen kann! Fall 2 Der Anlageberater Dieter Gabert hat von dem Oldtimer-Händler Willy Schwintowski einen Bugatti, Baujahr 1935, im Originalzustand gekauft. Um Platz zu schaffen senkte der Händler bei den Vertragsverhandlungen den marktüblichen Preis von 80.000,00 EUR auf 70.000,00 EUR. Als Gabert den Bugatti kurz darauf bei einer Fachwerkstatt zur Inspektion gab, wurde festgestellt, dass bestimmte Teile des Wagens um 1950 durch Fremdteile ersetzt worden waren. Dies konnte bei einer branchenüblichen Untersuchung des Gebrauchtwagenhändlers nicht festgestellt werden. Der Bugatti hatte bereits mehrere Vorbesitzer, sodass anzunehmen ist, dass auch der Händler Schwintowski nichts davon wusste. Herr Gabert fordert Herrn Schwintowski daraufhin auf, die Bugatti-Originalteile einzubauen oder einen vergleichbaren Bugatti 1935 im Originalzustand zu liefern, gegen Rückgabe des Bugatti mit Fremdteilen. Herr Schwintowski weigerte sich vehement, da er hierfür wegen eins Umbaus des Betriebsgeländes keine Zeit hätte. Herr Gabert möchte den Bugatti trotzdem für seine Sammlung behalten, dessen Marktwert beträgt lediglich 60.000 EUR. Aufgabe Prüfen Sie, ob Herr Gabert den bezahlten Kaufpreis mindern kann, falls ja, in welcher Höhe.
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Fall 3 Der Steuerberater Martin Gruber kaufte sich in dem Lederwarengeschäft Schroth e.K. einen Aktenkoffer mit Zahlenschloss. Er prüfte diesen und zahlte 130,00 EUR. Kurze Zeit später stellte er fest, dass das linke Zahlenschloss nicht verriegelte, es war defekt. Herr Gruber rief Herrn Schroth an und wies ihn auf diesen Fehler hin. Der Geschäftsinhaber erklärte Herrn Gruber, dass es bei diesem Koffer schon mehrere Kundenbeschwerden gegeben habe, der Hersteller habe den Fehler inzwischen beseitigt. Herr Schroth machte Herrn Gruber den Vorschlag, einen einwandfreien Aktenkoffer zu besorgen. Herr Gruber war damit einverstanden, erklärte aber, dass er diesen aber spätestens innerhalb der nächsten Woche benötige. Nach einer Woche rief Herr Schroth bei Herrn Gruber an, und erklärte, er habe noch keinen Ersatz beschaffen können, werde sich aber sehr bemühen. Dies lehnte Herr Gruber ab und erklärte, er wolle seine 130,00 EUR zurück. Aufgabe Prüfen Sie, ob Herr Gruber die 130,00 EUR zurückfordern kann.
1.2 Sachenrecht 1.2.1
Grundbegriffe und Grundsätze
Grundbegriffe Eigentum ist ein absolutes Recht, d.h. es wirkt gegenüber jedermann! § 903 BGB: Der Eigentümer hat die rechtliche Herrschaft über eine Sache. Er allein kann die Sache nach Belieben nutzen, veräußern, auch zerstören. Beispiel: Eigentümer einer Sache ist - der Vermieter (§ 535 BGB), - der Verpächter (§ 581 BGB), - der Verleiher (§ 598 BGB). Der Besitz an einer Sache ist etwas rein Faktisches! § 854 Abs. 1 BGB: Es ist die tatsächliche Herrschaftsgewalt über eine Sache. Beispiel: Besitzer einer Sache ist - der Mieter, - der Pächter, - der Entleiher, - auch der Dieb (er ist ein nicht berechtigter Besitzer). Sachen im Sinne des § 90 BGB sind körperliche Gegenstände (Strom ist z. B. unkörperlich). Grundsätze Publizitätsgrundsatz Die dinglichen Rechte, z. B. das Eigentum, wirken gegenüber jedermann; deshalb müssen sie für jedermann auch erkennbar sein. Bei beweglichen Sachen wird diese Publizität grundsätzlich durch den Besitz erreicht (vgl. § 1006 Abs. 1 BGB). Bei unbeweglichen Sachen wird die Publizität durch die Eintragung der Eigentumsverhältnisse in das Grundbuch erreicht (vgl. § 891 BGB). Die Bedeutung der Publizität ergibt sich vor allem bei der Übertragung des Eigentums an einer Sache und bei der Verpfändung einer Sache.
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Bestimmtheitsgrundsatz Dingliche Rechte können nur an genau bestimmten beweglichen und unbeweglichen Sachen bestehen. An Sachgesamtheiten, z. B. Warenlagern oder Bibliotheken, können keine dingliche Rechte bestehen. Bedeutung: Sicherungsübereignung an eine Bank im Rahmen der Kreditsicherung. Trennungs- und Abstraktionsprinzip Trennungsprinzip: An das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft schließt sich das dingliche Verfügungsgeschäft (Erfüllungsgeschäft) an. Abstraktionsprinzip: Das dingliche Verfügungsgeschäft ist in seiner rechtlichen Wirksamkeit vom Bestehen des Verpflichtungsgeschäftes grundsätzlich unabhängig.
1.2.2
Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen
Erwerb vom berechtigt Verfügenden (Eigentümer) Es sind vier Fälle zu unterscheiden: Fall 1 Georg Sobik kauft beim Händler Hans Velbert einen CD-Player für 150,00 EUR. Herr Velbert händigt dem Herrn Sobik das Gerät aus, Herr Sobik dem Herrn Velbert die Geldscheine. Aufgabe Prüfen Sie, wie Herr Sobik das Eigentum an dem CD-Player erlangt! Fall 2 Sebastian Völker ist Eigentümer eines Fernsehers, den er an Martin Menz vermietet und auch übergeben hat. Nach einem Monat schließen Herr Völker und Herr Menz einen Kaufvertrag über den Fernseher, Preis 400,00 EUR. Aufgabe Prüfen Sie, wie Herr Menz das Eigentum an dem Fernseher erlangt. Fall 3 Spediteur Walter Vortriede ist Eigentümer eines Lkw. Da er aufgrund einer Steuernachzahlung dringend Geld benötigt, veräußert er, da sonst keine Sicherheiten vorhanden sind, den Lkw an den Händler Karger, Preis 25.000,00 EUR. Vortriede erhält das Geld sofort. Da Vortriede den Lkw aber zur Aufrechterhaltung seines Betriebes benötigt, vereinbarten Vortriede und Erwerber Karger, dass Karger dem Vortriede den Lkw zu einem Preis von 400,00 EUR pro Monat vermietet. Aufgabe Prüfen Sie, wie Karger das Eigentum an dem Lkw erlangt. Fall 4 Dieter Veigel hat an Matthias Ettlinger ein Tourenrad vom 1. August bis zum 31. August verliehen. Nach zwei Wochen verkauft Veigel dieses Tourenrad an Werner Kraus. Aufgabe Prüfen Sie anhand der §§ 398, 929, 931 BGB, wie der Erwerber Kraus das Eigentum an dem Tourenrad erlangt.
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Erwerb des Eigentums von demjenigen, der als Nichtberechtigter verfügt. Fall 5 Georg Vester hat sich von seinem Freund Joachim Egger ein Snowboard geliehen. Da Vester dringend Geld braucht, veräußert er das Sportgerät für 300,00 EUR an seinen Arbeitskollegen Jens König und händigt es ihm aus. König geht davon aus, dass das Snowboard dem Vester gehört. Aufgabe Prüfen Sie, wer Eigentümer des Snowboards ist (vgl. §§ 929, 932, 935).
1.2.3
Erwerb des Eigentums an Immobilien
Fall Siegfried Krenz will ein Grundstück kaufen, um darauf ein Zweifamilienhaus zu errichten. Er findet ein Angebot des Landwirtes Vinzenz Vogt, der 1000 qm zu einem Quadratmeterpreis von 350 EUR verkaufen will. Aufgabe Stellen Sie anhand der einschlägigen Vorschriften dar, wie Herr Krenz Eigentümer des Grundstückes wird.
1.3 Verbraucherschutz in der Sozialen Marktwirtschaft In den vergangenen Jahren hat die öffentliche Wahrnehmung des Verbraucherschutzes stark zugenommen. Lebensmittelskandale, gefährliche Haushaltsgeräte, Deregulierung ehemals staatlicher Monopole (z. B. Post, Telefon, Bahn) bzw. von Gebietskartellen (z. B. Strom), neue Vertragsformen (z. B. Mobilfunkverträge) stellen neue Herausforderungen für Verbraucher dar. Der Verbraucherschutz bezeichnet die Gesamtheit der Bestrebungen und Maßnahmen, die Menschen in ihrer Rolle als Verbraucher von Gütern oder Dienstleistungen schützen sollen. Dieser Schutzbedarf geht davon aus, dass Verbraucher den Herstellern und Vertreibern von Waren unterlegen sind. Verbraucher können infolge mangelnder Fachkenntnis, Information und/oder Erfahrung leicht benachteiligt werden. Aufgabe des Verbraucherschutzes ist es, dieses Ungleichgewicht wirksam auszugleichen. Verbraucherschutz kann aber auch als Gesundheitsschutz begriffen werden. Leitbild des Verbraucherschutzes Das traditionelle Bild des homo oeconomicus geht davon aus, dass die in der Marktwirtschaft handelnden Personen mündig sind, selbstständig und rational handeln und entscheiden können. In der Realität jedoch entspricht das Verbraucherleitbild nicht dem traditionellen Leitbild des homo oeconomicus in der Marktwirtschaft. Denn legt man Studien über das tatsächliche Verbraucherverhalten zugrunde, so wird deutlich, dass der Verbraucher nicht nur auf Informationen des Unternehmers angewiesen ist, sondern auch nur eine bestimmte Menge an Informationen verarbeiten kann und zudem auch nicht immer rational handelt. Diese Erkenntnisse nutzt die Anbieterseite, indem sie in ihrer Werbung nicht umfassend und objektiv über ihre Produkte informiert, sondern unter Nutzung psychologischer Erkenntnisse bestrebt ist, sachlich nicht begründete Kaufanreize unterschwellig zu transportieren. In der weitaus größten Zahl der Fälle werden auch wirtschaftliche Entscheidungen unbewusst getroffen. Verbraucherrecht in Deutschland Die Notwendigkeit des Verbraucherschutzes hat sich in der Gesetzgebung der Bundesregierung und der Europäischen Union ausgewirkt. Informationen müssen für den Verbraucher verfügbar und transparent
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sein. In einigen Bereichen wird versucht, dies durch Gesetze zu gewährleisten, z. B. bei den Inhaltsangaben, die für verpackte Lebensmittel vorgeschrieben sind. Im deutschen Recht gibt es kein gesondertes „Verbraucherschutzgesetz“, das alle Fragen des Verbraucherrechts regelt. Rechtsnormen, die Zielen des Verbraucherschutzes dienen, gibt es in sehr vielen Einzelgesetzen. Oft überschneidet sich die Zielsetzung des Verbraucherschutzes auch mit anderen Zielsetzungen. Dies liegt daran, dass der Konsument nur in bestimmten sozialen Zusammenhängen als „Verbraucher“ betrachtet wird. Die gleichen Personen können der gleichen Gefährdung auch in einem anderen Zusammenhang ausgesetzt sein, z. B. als Arbeitnehmer. Eine Vorschrift, die den Umgang mit einer Chemikalie regelt, kann deswegen sowohl dem Arbeitsschutz dienen als auch dem Verbraucherschutz und womöglich auch noch dem Umweltschutz. Als Rechtsgebiet ist der Verbraucherschutz somit nicht eindeutig abgrenzbar. Die folgende Aufzählung von Verbraucherschutzvorschriften des deutschen Rechts ist deshalb nicht abschließend und enthält insbesondere im öffentlichen Recht auch Normen, die zugleich andere Zielsetzungen verfolgen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gehören dazu: die Vorschriften über Haustürgeschäfte (§§ 312, 312a), Fernabsatzverträge (§§ 312b bis 312d), Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e), den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 bis 479), den Verbraucherdarlehensvertrag (§§ 491 bis 498) und über Finanzierungshilfen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§§ 499 bis 504). Viele weitere Vorschriften des Bürgerlichen Rechts lassen sich nicht eindeutig dem Verbraucherschutz zuordnen, weil sie den Ausgleich typischer Interessengegensätze zwischen Vertragsparteien bezwecken und damit nicht ausschließlich Schutznormen zugunsten des Verbrauchers sind, sondern generell den Vertragspartner schützen wollen. Zu diesen Vorschriften gehören z. B. diejenigen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 bis 310 BGB). Viele Formvorschriften sind auch vom Verbraucherschutz motiviert, z. B. die Notwendigkeit, einen Grundstückskaufvertrag von einem Notar beurkunden zu lassen (§ 311b Abs. 1 BGB). Damit soll für Verträge, die typischerweise zu hohen Summen und mit der Absicht dauerhaften Eigentumserwerbs geschlossen werden, die fachkundige Beratung durch den beurkundenden Notar sichergestellt werden. Daneben bestehen eindeutig dem Verbraucherrecht zuzuordnende Formvorschriften wie z. B. die Schriftform für Time-Sharing- und Verbraucherdarlehensverträge, aber auch die Textform für Belehrungen des Verbrauchers über das bei bestimmten Vertragsarten bzw. Vertriebswegen (z. B. Haustürgeschäfte, Fernabsatzverträge, Verbraucherdarlehen) bestehende Widerrufsrecht. Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung (InsO) Anfang 1999 besteht eine Möglichkeit zur ZahlungsEntpflichtung (Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO) durch Gerichtsbeschluss für überschuldete Verbraucher nach Abschluss eines mindestens sechsjährigen Verbraucher-Insolvenzverfahrens. Auch das Wettbewerbsrecht (geregelt vor allem im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG) hat nach heutiger Rechtslage eine verbraucherschützende Aufgabe (so ausdrücklich § 1 UWG). Verbraucherschutz und Vertragsfreiheit Vielfach beschränkt Verbraucherschutz die Vertragsfreiheit. Von bestimmten rechtlich vorgegebenen Regelungen darf nicht zu Ungunsten des Verbrauchers abgewichen werden. Beispielsweise führte der Gesetzgeber als Verbraucherschutzmaßnahme eine Gewährleistungspflicht auch für gebrauchte Waren (z. B. Gebrauchtautos) ein. Kauft ein Verbraucher Waren von einem gewerblichen Anbieter (etwa von einem Gebrauchtwagenhändler), so darf der Verkäufer dem Käufer vertraglich nicht den Verzicht auf die Gewährleistung abverlangen. Diese Beschränkung der Vertragsfreiheit führt zu Umgehungs- und Vermeidungsprozessen: In Deutschland sind aufgrund dieser Gesetzeslage Händler bestrebt, Gebrauchtwagen nicht mehr auf eigene Rechnung zu verkaufen, da sie meinen, dass das Risiko nicht tragbar ist. Stattdessen
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tritt der Händler heute üblicherweise als Vermittler eines Kaufs von Privat an Privat auf. Inwieweit diese Praxis zulässig ist oder gegen das gesetzliche Verbot von „Umgehungsgeschäften“ (§ 475 Absatz 1 Satz 2 BGB) verstößt, hat der Bundesgerichtshof noch nicht endgültig entschieden. Aushebelung des Verursacherprinzips Die Anbieterseite beklagt, dass verbraucherschützende Gesetzesregelungen (z. B. das AGB-Gesetz, das inzwischen in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen wurde) vielfach dazu führen, dass Kosten nicht mehr verursachergerecht belastet werden dürfen. So ist es verboten, dass Banken Kosten für die Rückgabe von Lastschriften oder Kosten für die Bearbeitung von Kontopfändungen dem Kunden belasten dürfen. Diese Argumentation blendet jedoch aus, dass diese Kostenabwälzungsverbote auf Gesetzesbefehlen außerhalb verbraucherschützender Regelungen oder auf dem für alle Verträge aus dem Gedanken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgeleiteten Grundsatz der Wahrung der rechtlichen Vertragsparität beruhen, und daher als Gemeinkosten in die betriebswirtschaftliche Unternehmerkalkulation einzufließen haben. Durchsetzung von Verbraucherrecht Ein weiteres Problem besteht darin, das gesetzlich geregelte Verbraucherrecht juristisch durchzusetzen. Gerade wenn einem Verbraucher kein oder nur ein geringer finanzieller Schaden entsteht, lohnt sich eine Klage für ihn nicht bzw. birgt unverhältnismäßige Risiken. Da häufig keine Interessenvertretung existiert, die für Verbraucher Sammelklagen organisiert oder sie kostenlos in rechtlichen Fragen berät, bleiben Verstöße gegen das Verbraucherrecht häufig ungeahndet. Gerade Firmen in der Telekommunikationsbranche setzen sich daher immer wieder über Gesetze zum Verbraucherschutz hinweg, etwa durch unerwünschte Werbeanrufe. Aufgaben a) Was versteht man unter dem Verbraucherschutz? b) Stellen Sie das idealtypische Verhalten des „homo oeconomicus“ dem Verhalten des Verbrauchers in der Realität gegenüber. c) Nennen Sie Gesetze und Vorschriften im deutschen Recht, die den Verbraucher schützen sollen. Führen Sie jeweils Beispiele an. d) Welche Problemlagen ergeben sich aus dem Verbraucherschutz? Gehen Sie in diesem Zusammenhang auch auf das Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Vertragsfreiheit ein.
1.3.1
Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Der kurz vor der Abschlussprüfung stehende Auszubildende Martin Burkart möchte in den Faschingsferien einen Skiurlaub verbringen. Er kauft sich im Sportfachgeschäft Intersport GmbH ein Paar Ski der Marke Blizzard für 600,00 EUR. Kurz danach, am ersten Urlaubstag, löst sich bei der Abfahrt die Stahlkante des rechten Skis. Martin bringt die Ski daraufhin in das Sportgeschäft und verlangt vom Inhaber ein Paar neue Ski der Marke Blizzard. Der Inhaber verweist Martin auf seine auf der Rückseite des Kaufvertrages abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Auf der Vorderseite war ein deutlicher Hinweis angegeben: „Es gelten unsere umseitig abgedruckten Geschäftsbedingungen.“ Dort konnte Martin unter § 5 der AGB lesen: „Bei neuen Artikeln kann bei aufgetretenen Schäden nur eine Nacherfüllung (Reparatur) verlangt werden!“ Aufgabe Prüfen Sie anhand der angegebenen Vorschriften des BGB und des Info-Textes, ob Martin von dem Sportfachgeschäft ein Paar neue Ski der Marke Blizzard verlangen kann! Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 13, 14, 145, 305, 305c, 306, 307, 308, 309, 433, 442, 446, 474, 476 BGB.
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Aufgaben
Prüfungsschema für das Lösen von Fällen mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) a) Liegen AGB gemäß § 305 Abs. 1 BGB vor? - Handelt es sich um Vertragsbedingungen? - Sind diese für eine Vielzahl von Fällen formuliert? - Sind diese Bedingungen auch vom Verwender (einseitig) gestellt? b) Sind diese AGB auch gemäß § 305 Abs. 1 BGB wirksam in den Vertrag einbezogen worden? -
Regelfall: Der Verwender muss bei (nicht nach Vertragsschluss) die andere Partei ausdrücklich auf die Einbeziehung der AGB hinweisen. - Ausnahmefall: Ausnahmsweise genügt ein deutlich sichtbarer Aushang am Ort des Vertragsschlusses, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, § 305Abs. 2 BGB. Beispiel: Schild vor der Einfahrt in eine Autowaschanlage. - Der Vertragspartner des Verwenders muss mit der Geltung der AGB einverstanden sein, das kann auch konkludent geschehen. - Es dürfen keine überraschende Klauseln verwendet worden sein (kein Überrumpelungseffekt), § 305c BGB. c) Ist eine AGB-Klausel wirksam in den Vertrag einbezogen worden, dann erfolgt eine inhaltliche Kontrolle dieser Klausel nach den §§ 307, 308, 309 BGB. § 309 BGB listet mehr als 20 Klauseln auf, die so genau beschrieben sind, dass ganz eindeutig feststeht, ob eine vom Verwender formulierte Klausel unwirksam ist. Bei § 309 BGB muss der spezielle Einzelfall gar nicht mehr geprüft werden, fällt eine zu prüfende Klausel unter § 309 BGB, ist diese automatisch unwirksam. d) Ergibt die inhaltliche Prüfung einer Klausel am Maßstab des § 309 BGB, dass diese unwirksam ist, tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel die Regelung des § 306 BGB.
1.3.2
Fernabsatzvertrag
Die volljährige Auszubildende Susanne Volkerts bestellt bei dem Münzhändler Georg Unold e.K. per EMail eine Silbermünze zum 850. Stadtgründungsfest Münchens. Der Preis der Münze beträgt 150,00 EUR. Herr Unold schickt auf Susannes Bestellung hin die gewünschte Münze mit einer Rechnung zu. Die Postsendung wird am gleichen Tag aufgegeben, ihr liegt ein Schreiben Unolds bei, in dem er Susanne über das Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt. Nachdem Susanne die Münze erhalten hat, ist sie vom Motiv enttäuscht, die Darstellung der Türme der Frauenkirche findet sie kitschig. Umgehend schickt sie die Münze an die Firma Georg Unold e.K. zurück und fügt der Sendung ein Schreiben bei, in dem sie erklärt, dass ihr die Silbermünze nicht gefalle und sie diese nicht mehr haben will. Daraufhin schickt ihr Herr Unold eine E-Mail, in der er Susanne eindringlich auffordert, die bestellte Münze abzunehmen und die 150,00 EUR zu bezahlen. Aufgabe Prüfen Sie, ob Susanne die Silbermünze abnehmen und den geforderten Kaufpreis bezahlen muss. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ §§ 312b, 312c, 312d, 355, 357 BGB.
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Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
2.1 Michael Schreiner beginnt ein Berufsausbildungsverhältnis
Lösungen ab Seite 255
Michael Schreiner (23 Jahre alt) liest in der Süddeutschen Zeitung vom 24. Januar 2006 folgende Stellenanzeige Dynamisches Unternehmen sucht dynamischen Nachwuchs Wir von der Isar Bank-AG in München wissen, dass zum Erfolg neue Ideen und jede Menge Engagement gehören – das gilt nicht nur für den Sport. Darum suchen wir zum 1. September zur Verstärkung unseres Teams mehrere Auszubildende zum Bankkaufmann bzw. zur Bankkauffrau. Sie bringen zu diesem Termin Ihre mittlere Reife mit (wirtschaftlicher Zweig bevorzugt). Und vielleicht haben Sie auch schon eine „Schnupperlehre“ in unserer Bank hinter sich? Fragen Sie ruhig Herrn Auerbach, wie das geht: Telefon (089) 5241-411. Oder bewerben Sie sich schon heute bei der Isar Bank-AG, Herrn Auerbach, Mozartstraße 2-8, 81537 München.
ISAR BANK-AG Gesetze und Verordnungen zum Nachschlagen BGB § 145 (Bindung an einen Vertrag)
Wer einem anderen die Schließung eines Vertrages anträgt, ist an den Antrag gebunden (...) BGB § 151 (Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden)
Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrages zustande (...) Aufgaben a) Stellen Sie fest, was diese Annonce rechtlich darstellt! b) Michael Schreiner schickt ein Bewerbungsschreiben an die Isar Bank-AG, gleichzeitig bewirbt er sich noch bei der Monacensia-Bank AG. Was stellen diese Bewerbungsschreiben rechtlich dar? c) Herr Schreiner wurde auf Grund seiner Bewerbung von der Isar Bank-AG zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Das Vorstellungsgespräch bestand aus einem schriftlichen Test und einem persönlichen Gespräch mit dem Personalchef der Isar Bank-AG. Zwei Tage nach dem Vorstellungsgespräch erhielt Herr Schreiner einen Anruf von der Personalabteilung der Isar Bank-AG, in dem ihm ein zweieinhalbjähriger Ausbildungsvertrag angeboten wurde. Die wesentlichen Inhalte des Ausbildungsvertrags wurden in diesem Telefongespräch nicht genannt. Herr Schreiner sagte der Personalabteilung der Isar Bank-AG dann auch gleich telefonisch zu. Am Ende des Telefongesprächs versprach der Personalchef Herrn Schreiner, ihm die wesentlichen Inhalte des Ausbildungsvertrags schriftlich in mehreren Ausfertigungen zuzusenden. Prüfen Sie, ob Herr Schreiner mit der telefonischen Zusage den Ausbildungsvertrag rechtswirksam mit der Isar Bank-AG geschlossen hat.
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Aufgaben
Herrn Schreiner liegt am 24. Mai 2006 das nachstehende Ausbildungsangebot der Isar Bank-AG vor: Industrie- und Handelskammer München Berufsausbildungsvertrag Zwischen dem Ausbildenden (Ausbildungsbetrieb) …..… und der/dem Auszubildenden …….. wird nachstehender Vertrag zur Ausbildung im Ausbildungsberuf Bankkaufmann nach Maßgabe der Ausbildungsordnung geschlossen. A) Die Ausbildungsdauer beträgt nach der Ausbildungsordnung 3 Jahre. Vorausgegangen ist eine Vorbildung/Ausbildung Abitur. Sie soll auf die Ausbildungszeit von 6 Monaten angerechnet werden. Es wird eine entsprechende Verkürzung beantragt. Das Berufsausbildungsverhältnis beginnt am 01. September 2006 und soll am 28. Februar 2009 enden. B) Die Probezeit beträgt 3 Monate. C) Die Ausbildung findet vorbehaltlich der Regelungen nach D) in der Ausbildungsstätte Bank statt. D) Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte: 3 Monate Bayerische Landesbank E) Der Ausbildende zahlt dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung; diese beträgt zurzeit monatlich brutto EUR:
Die beigefügten Angaben zur sachlichen und zeitlichen Gliederung des Ausbildungsablaufs (Ausbildungsplan) sind Bestandteil dieses Vertrages. F) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 39 Stunden. G) Der Ausbildende gewährt dem Auszubildenden Urlaub nach den geltenden Bestimmungen. Es besteht ein Urlaubsanspruch:
H) Sonstige Vereinbarungen: Die für diesen Vertrag geltenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sind in der Anlage verzeichnet. Die Vereinbarungen zum Berufsausbildungsvertrag sind Bestandteil dieses Vertrages. Sie wurden dem Auszubildenden vom Ausbildenden ausgehändigt und vom Auszubildenden zur Kenntnis genommen und anerkannt. Ort …………. Datum …………. Stempel und Unterschrift des Ausbildenden ……………….. Unterschrift des Auszubildenden ……..………. Unterschrift der gesetzlichen Vertreter des Auszubildenden …….…………
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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Vereinbarungen zum Berufsausbildungsvertrag § 1 (Ausbildungszeit) 1. (Dauer) siehe A). 2. (Probezeit) siehe B). Wird die Ausbildung während der Probezeit um mehr als ein Drittel dieser Zeit unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung. 3. (Vorzeitige Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses) Besteht der Auszubildende vor Ablauf der unter Nr. 1 vereinbarten Ausbildungszeit die Abschlussprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlussprüfung. 4. (Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses) Besteht der Auszubildende die Abschlussprüfung nicht, so verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis auf sein Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, höchstens um ein Jahr. § 2 (Ausbildungsstätte) siehe C). § 3 (Pflichten des Ausbildenden) Der Ausbildende verpflichtet sich, 1. (Ausbildungsziel) dafür zu sorgen, dass dem Auszubildenden die Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, die zum Erreichen des Ausbildungszieles nach der Ausbildungsordnung erforderlich sind, und die Berufsausbildung nach den beigefügten Angaben zur sachlichen und zeitlichen Gliederung des Ausbildungsablaufs so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann; 2. (Ausbilder) selbst auszubilden oder einen persönlich und fachlich geeigneten Ausbilder ausdrücklich damit zu beauftragen und diesen dem Auszubildenden jeweils schriftlich bekannt zu geben; 3. (Ausbildungsordnung) dem Auszubildenden vor Beginn der Ausbildung die Ausbildungsordnung kostenlos auszuhändigen; 4. (Ausbildungsmittel) dem Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere … Fachliteratur zur Verfügung zu stellen, die für die Ausbildung in den betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildungsstätten und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen, auch soweit solche nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses und in zeitlichem Zusammenhang damit stattfinden, erforderlich sind; 5. (Besuch der Berufsschule und von Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte) den Auszubildenden zum Besuch der Berufsschule anzuhalten und freizustellen. Das Gleiche gilt, wenn Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte vorgeschrieben oder nach Nr. 12 durchzuführen sind; 6. (Berichtsheftführung) dem Auszubildenden vor Ausbildungsbeginn und später die Berichtshefte für die Berufsausbildung kostenfrei auszuhändigen sowie die ordnungsgemäße Führung durch regelmäßige Abzeichnung zu überwachen, soweit Berichtshefte im Rahmen der Berufsausbildung verlangt werden; 7. (Ausbildungsbezogene Tätigkeiten) dem Auszubildenden nur Verrichtungen zu übertragen, die dem Ausbildungszweck dienen und seinen körperlichen Kräften angemessen sind; 8. (Sorgepflicht) dafür zu sorgen, dass der Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet wird; 9. (Ärztliche Untersuchungen) von den jugendlichen Auszubildenden sind Bescheinigungen gemäß §§ 32, 33 Jugendarbeitsschutzgesetz darüber vorlegen zu lassen, dass dieser a) vor der Aufnahme der Ausbildung untersucht und b) vor Ablauf des ersten Ausbildungsjahres nachuntersucht worden ist; 10. (Eintragungsantrag) unverzüglich nach Abschluss des Berufsausbildungsvertrages die Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse bei der zuständigen Stelle unter Beifügung der Vertragsniederschriften und – bei Auszubildenden unter 18 Jahren – einer Kopie oder Mehrfertigung der ärztlichen Bescheinigung über die Erstuntersuchung gemäß § 32 Jugendarbeitsschutzgesetz zu beantragen. Entsprechend gilt bei späteren Änderungen des wesentlichen Vertragsinhaltes; 11. (Anmeldung zu Prüfungen) den Auszubildenden rechtzeitig zu den angesetzten Zwischen- und Abschlussprüfungen anzumelden und für die Teilnahme freizustellen sowie der Anmeldung zur Zwischenprüfung bei Auszubildenden unter 18 Jahren eine Fotokopie oder Mehrfertigung der ärztlichen Bescheinigung über die erste Nachuntersuchung gemäß § 33 Jugendarbeitsschutzgesetz beizufügen; 12. (Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte) siehe D).
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Aufgaben
§ 4 (Pflichten des Auszubildenden) Der Auszubildende hat sich zu bemühen, die Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, die erforderlich sind, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Er verpflichtet sich insbesondere, 1. (Lernpflicht) die ihm im Rahmen seiner Berufssausbildung übertragenen Verrichtungen und Aufgaben sorgfältig auszuführen; 2. (Berufsschulunterricht, Prüfungen und sonstige Maßnahmen) am Berufsschulunterricht und an Prüfungen sowie an Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte teilzunehmen, für die er nach § 3 Nr. 5, 11 und 12 freigestellt wird; 3. (Weisungsgebundenheit) den Weisungen zu folgen, die ihm im Rahmen der Berufsausbildung vom Ausbildenden, vom Ausbilder oder an anderen weisungsberechtigten Personen, soweit sie als weisungsberechtigt bekannt gemacht worden sind, erteilt werden; 4. (Betriebliche Ordnung) die für die Ausbildungsstätte geltende Ordnung zu beachten; 5. (Sorgfaltspflicht) Werkzeuge, Maschinen und sonstige Einrichtungen pfleglich zu behandeln und sie nur zu den ihm übertragenen Arbeiten zu verwenden; 6. (Betriebsgeheimnisse) über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu wahren; 7. (Berichtsheftführung) die vorgeschriebenen Berichtshefte ordnungsgemäß zu führen und regelmäßig vorzulegen; 8. (Benachrichtigung) bei Fernbleiben von der betrieblichen Ausbildung, vom Berufsschulunterricht oder von sonstigen Ausbildungsveranstaltungen dem Ausbildenden unter Angabe von Gründen unverzüglich Nachricht zu geben und ihm Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage, hat der Auszubildende eine ärztliche Bescheinigung über die bestehende Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Ausbildende ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. 9. (Ärztliche Untersuchungen) Soweit auf ihn die Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes Anwendung finden, sich gemäß §§ 32 und 33 dieses Gesetzes ärztlich a) vor Beginn der Ausbildung untersuchen, b) vor Ablauf des ersten Ausbildungsjahres nachuntersuchen zu lassen und die Bescheinigung hierüber dem Ausbildenden vorzulegen. § 5 (Vergütung und sonstige Leistungen) 1. (Höhe und Fälligkeit) siehe E). Eine über die vereinbarte regelmäßige Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung wird besonders vergütet oder durch entsprechende Freizeit ausgeglichen. Die Vergütung wird spätestens am letzten Arbeitstag des Monats gezahlt. Das auf die Urlaubszeit entfallende Entgelt (Urlaubsentgelt) wird vor Antritt des Urlaubs ausgezahlt. Die Beiträge für die Sozialversicherung tragen die Vertragschließenden nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. 2. (Sachleistungen) Soweit der Ausbildende dem Auszubildenden Kost und/oder Wohnung gewährt, gilt die in der Anlage beigefügte Regelung. 3. (Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte) Der Ausbildende trägt die Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte gemäß § 3 Nr. 5, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind. Ist eine auswärtige Unterbringung erforderlich, so können dem Auszubildenden anteilige Kosten für Verpflegung in dem Umfang in Rechnung gestellt werden, in dem dieser Kosten einspart. Die Anrechnung von anteiligen Kosten und Sachbezugswerten nach § 10 (2) BBiG darf 50 % der vereinbarten Bruttovergütung nicht übersteigen. 4. (Berufskleidung) Wird vom Ausbildenden eine besondere Berufskleidung vorgeschrieben, so wird sie von ihm zur Verfügung gestellt. 5. (Fortzahlung der Vergütung) Dem Auszubildenden wird die Vergütung auch gezahlt a) für die Zeit der Freistellung gemäß § 3 Nr. 5, 11 und 12 dieses Vertrages sowie gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 und § 43 Jugendarbeitsschutzgesetz. b) bis zur Dauer von 6 Wochen, wenn er ba) sich für eine Berufsausbildung bereithält, diese aber ausfällt, bb) aus einem sonstigen, in seiner Person liegenden Grund unverschuldet verhindert ist, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. c) sofern keine tariflichen Vereinbarungen bestehen, gilt im Falle unverschuldeter Krankheit das Entgeltfortzahlungsgesetz. § 6 (Ausbildungszeit und Urlaub) 1. (Tägliche Ausbildungszeit) siehe F). 2. (Urlaub) siehe G).
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag 3.
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(Lage des Urlaubs) Der Urlaub soll zusammenhängend und in der Zeit der Berufsschulferien erteilt und genommen werden. Während des Urlaubs darf der Auszubildende keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbsarbeit leisten. § 7 (Kündigung) 1. (Kündigung während der Probezeit) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. 2. (Kündigungsgründe) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden a) aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist b) vom Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will. 3. (Form der Kündigung) Die Kündigung muss schriftlich, im Falle der Nr. 2 unter Angabe der Kündigungsgründe, erfolgen. 4. (Unwirksamkeit einer Kündigung) Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zu Grund liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Ist ein Schlichtungsverfahren gemäß § 9 eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt. 5. (Schadensersatz bei vorzeitiger Beendigung) Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit vorzeitig gelöst, so kann der Ausbildende oder der Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn der andere den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Das gilt nicht bei Kündigung wegen Aufgabe oder Wechsels der Berufsausbildung nach Nr. 2 b. Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird. 6. (Aufgabe des Betriebes, Wegfall der Ausbildungseignung) Bei Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses wegen Betriebsaufgabe oder wegen Wegfalls der Ausbildungseignung verpflichtet sich der Ausbildende, sich mit Hilfe der Berufsberatung der zuständigen Arbeitsagentur rechtzeitig um eine weitere Ausbildung im bisherigen Ausbildungsberuf in einer geeigneten Ausbildungsstätte zu bemühen. § 8 (Zeugnis) Der Ausbildende stellt dem Auszubildenden bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ein Zeugnis aus. Hat der Ausbildende die Berufsausbildung nicht selbst durchgeführt, so soll auch der Ausbilder das Zeugnis unterschrieben. Es muss Angaben enthalten über Art, Dauer und Ziel der Berufsausbildung sowie über die erworbenen Fertigkeiten und Kenntnisse des Auszubildenden, auf Verlangen des Auszubildenden auch Angaben über Führung, Leistung und besondere fachliche Fähigkeiten. § 9 (Beilegung von Streitigkeiten) Bei Streitigkeiten aus dem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis ist vor Inanspruchnahme des Arbeitsgerichts der nach § 111 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes errichtete Ausschuss anzurufen. § 10 (Erfüllungsort) Erfüllungsort für alle Ansprüche aus diesem Vertrag ist der Ort der Ausbildungsstätte. § 11 (Sonstige Vereinbarungen) siehe H). Rechtswirksame Nebenabreden, die das Berufsausbildungsverhältnis betreffen, können nur durch schriftliche Ergänzung im Rahmen des § 11 dieses Berufsausbildungsvertrages getroffen werden.
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Aufgaben
Aufgaben d) Zum Ausbildungsbeginn hat sich Herr Schreiner verschiedene Papiere bereitgelegt. Welche Dokumente sollte Herr Schreiner vor Beginn der Ausbildung auf jeden Fall der Personalabteilung übergeben? e) Prüfen Sie, ob die Ausbildungsvergütung im o.a. Vertrag mit den Regelungen des Berufsbildungsgesetzes übereinstimmt. f) Prüfen Sie, ob die Urlaubstage nach dem Manteltarifvertrag richtig berechnet wurden. g) Ermitteln Sie den Tag (TT.MM.JJJJ), mit dessen Ablauf die Probezeit von Herrn Schreiner bei der Isar Bank-AG endet. h) Auf einer ersten Veranstaltung der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) der Isar Bank-AG möchte Herr Schreiner von einem Vertreter wissen, wann sein Ausbildungsverhältnis mit der Isar Bank-AG endet. Informieren Sie Herrn Schreiner. i) Herr Schreiner interessiert sich auf der Veranstaltung der JAV auch für die Weiterbeschäftigung bei der Isar Bank-AG nach bestandener Abschlussprüfung. Prüfen Sie die Gesetzeslage! j) Nennen Sie jeweils die wesentlichen Pflichten des Ausbildenden und des Auszubildenden.
2.2 Der Auszubildende Michael Schreiner erhält seinen Arbeitsvertrag Michael Schreiner wurde von der Isar Bank-AG in München vom 01. September 2006 bis zum 28. Februar 2009 zum Bankkaufmann ausgebildet. Herr Schreiner legte am 11. Februar 2009 vor dem Prüfungsausschuss der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern die mündliche Prüfung mit gutem Erfolg ab. Damit war sein Berufsausbildungsverhältnis beendet. Er erhielt von der Isar Bank-AG folgenden Arbeitsvertrag vorgelegt: ISAR BANK-AG
ARBEITSVERTRAG
Die Isar Bank-AG München und Sie, Herr Michael Schreiner, geboren am 08. Februar 1990, schließen folgenden Arbeitsvertrag: § 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses Sie wurden am 01. März 2009 als Bankkaufmann in die Dienste unserer Gesellschaft übernommen. Stichtag für die Berechnung der Berufsjahre ist der 08. Februar 2006. § 2 Probezeit und endgültige Anstellung Das Arbeitsverhältnis wird auf die Dauer von drei Monaten zur Probe abgeschlossen. Es ist ein befristetes Arbeitsverhältnis und endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Während seiner Laufzeit kann es von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. § 3 Gehalt Sie erhalten für Ihre Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt von: Tarifgruppe 4 2.208,00 EUR Monatlich 2.208,00 EUR Sie erhalten Sonderzahlungen und betriebliche Sozialleistungen nach Maßgabe der Arbeitsordnung unserer Gesellschaft. Das Gehalt wird monatlich nachträglich auf ein von Ihnen anzugebendes Konto überwiesen. § 4 Urlaub Ihr Urlaubsanspruch richtet sich nach den tarifvertraglichen bzw. betrieblichen Vorschriften. § 5 Altersversorgung Ihre betriebliche Altersversorgung wird von der Isar Bank Versorgungskasse VVaG geregelt. Sie erklären Ihr Einverständnis damit, dass die Gesellschaft Ihre Aufnahme in die Isar Bank Versorgungskasse VvaG beantragt, sofern hierfür die satzungsmäßigen Voraussetzungen vorliegen. § 6 Tätigkeitsgebiet Ihr Tätigkeitsgebiet wird im Einzelnen durch die Gesellschaft bestimmt. Die Gesellschaft behält es sich vor, es innerhalb des im § 1 vereinbarten Tätigkeitsgebietes jederzeit zu ändern sowie Sie im Rahmen des Zumutbaren auch zu Arbeiten außerhalb Ihres Tätigkeitsgebietes heranzuziehen. Sie verpflichten sich, die während Ihrer Tätigkeit auf Sie zukommenden Aufgaben gewissenhaft und nach bestem Vermögen zu erfüllen, in jeder Hinsicht die Interessen der Gesellschaft zu wahren und Ihre ganze Arbeitskraft der Gesellschaft zu widmen. § 7 Schadenersatzansprüche Für den Fall, dass Sie Ihren dienstlichen Tätigkeiten infolge eines von Dritten verursachten Unfalles nicht nachkommen können, treten Sie hiermit die Schadenersatzansprüche, die Sie den Dritten gegenüber haben, in Höhe der Beträge an die Gesellschaft ab, die Ihnen während des entsprechenden Zeitraumes von der Gesell-
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schaft gezahlt werden. Dies gilt nicht für Ihre Ansprüche auf Schmerzensgeld sowie für Ihre Ansprüche gegen gesetzliche oder private Unfall- und Krankenversicherungen. § 8 Sonstige Bestimmungen Für das Arbeitsverhältnis gelten im Übrigen die gesetzlichen Bestimmungen, der Tarifvertrag für das private Bankgewerbe und die Arbeitsordnung der Gesellschaft. § 9 Sonstige Bestimmungen Nebenabreden, Änderungen oder Ergänzungen dieses Arbeitsvertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Bestätigung der Gesellschaft. § 10 Verschwiegenheitspflicht Sie verpflichten sich, über alle vertraulichen Angelegenheiten und Vorgänge, die Ihnen im Rahmen Ihrer Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Stillschweigen zu bewahren. § 11 Gerichtsstand Gerichtsstand für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ist München. § 12 Besondere Vereinbarungen Zur Arbeitsleistung sind Sie unserer Auslandsabteilung zugeteilt. Schlussbemerkungen Vor der Arbeitsaufnahme kann dieser Arbeitsvertrag nicht einseitig ohne Zustimmung des anderen Vertragspartners aufgehoben werden. Von diesem Vertrag haben die Vertragsschließenden je eine Ausfertigung erhalten. München, den 28. Februar 2009 München, den 28. Februar 2009 ISAR BANK-AG Sonnenstraße 11 80331 München
Das Arbeitsverhältnis von Michael Schreiner mit der Isar Bank-AG wird als ein „Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung“ angesehen. Es hat im Unterschied zu anderen Schuldverhältnissen (z. B. Kaufvertrag) einen starken personenbezogenen Charakter und ist auf Dauer angelegt. Dieses Rechtsverhältnis zwischen der Isar Bank-AG und dem Sachbearbeiter Michael Schreiner wird als Überund Unterordnungsverhältnis bezeichnet. In der Auslandsabteilung ist Herr Schreiner in der Gruppe 09 mit sieben weiteren Sachbearbeitern und einem Auszubildenden tätig. Am 09. August legt ihm um 8.35 Uhr sein Gruppenleiter die Eingangspost (z. B. Inkassoaufträge Münchener Exporteure) auf den Schreibtisch. Herr Schreiner bearbeitet die Vorgänge sorgfältig und beendet seine Tätigkeit in der Abteilung um 16.30 Uhr. Nach Arbeitsschluss trifft sich Herr Schreiner mit seinem Freund, Hans Schmidinger, Diplom-Ingenieur (FH). Dieser ist bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kraftfahrzeugschäden. Er hat in München sein eigenes Büro und erstellt dort Wertgutachten für Geschädigte, die Schadenersatzansprüche gegenüber Versicherungsgesellschaften geltend machen. Über eine gute Auftragslage ist er immer sehr erfreut. Aufgaben a) Inwiefern kann bei dem Arbeitsverhältnis von Herrn Schreiner von einem Austauschverhältnis gesprochen werden? b) Welcher Erwerbstätigengruppe gehört Herr Schreiner an? c) Welche Erwerbstätigkeit übt Herr Schmidinger aus? d) Arbeiten Sie unter Verwendung des Arbeitsvertrages von Herrn Schreiner sämtliche bedeutsamen Unterschiede zwischen beiden in einer Tabelle heraus. An einem Freitag hatte Herr Schreiner einen sehr anstrengenden Arbeitstag hinter sich, die ihm von seinem Gruppenleiter zur Bearbeitung vorgelegte umfangreiche Eingangspost hatte seine Konzentration voll in Anspruch genommen. Abends hatte sich Herr Schreiner mit Freunden in einer Gaststätte zum Kartenspielen getroffen. Zu vorgerückter Stunde erzählte er gut vernehmbar seinen Freunden, dass sein Wohnungsnachbar, der in München ein bekanntes Exportgeschäft betreibt, für einen Schuldner der Isar Bank-AG eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 100.000 EUR vor einem Jahr übernommen hat. Aufgrund des Ausfalls des Hauptschuldners wurde er jetzt von der Isar Bank-AG in Anspruch genommen. Daraufhin habe die Isar Bank-AG die Bonität der Firma seines Nachbarn herabgestuft.
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Aufgaben
Aufgaben e) Welche Hauptpflicht hat Herr Schreiner auf Grund seines Arbeitsvertrages gegenüber der Isar Bank-AG zu erfüllen? f) Prüfen Sie die §§ 6 und 10 des Arbeitsvertrages daraufhin, ob Herr Schreiner weitere Pflichten gegenüber seinem Arbeitgeber zu erfüllen hat. INFO Auszug aus der Arbeitsordnung der Isar Bank-AG: Allgemeine Grundsätze III. »Aufgabe jedes Mitarbeiters ist es, für die Interessen der Bank einzutreten und alles zu vermeiden, was der Bank schaden, die innerbetriebliche Ordnung stören sowie das Ansehen der Bank oder einzelner Mitarbeiter herabsetzen bzw. schädigen könnte.« Michael Schreiner liest in seinem Arbeitsvertrag, dass sein Nettogehalt am Monatsende auf sein Girokonto überwiesen wird. Aus § 3 des Vertrages ist zu entnehmen, dass er auch Sonderzahlungen und betriebliche Sozialleistungen nach Maßgabe der Arbeitsordnung der Gesellschaft erhält. Er sieht darin nach: Auszug aus der Arbeitsordnung der Isar Bank-AG - § 4 Arbeitsentgelt: Für Sonderzahlungen und betriebliche Sozialleistungen sind die jeweiligen internen Richtlinien der Gesellschaft unter Berücksichtigung des Tarifvertrages für das Bankgewerbe maßgebend. Herr Schreiner besorgt sich den entsprechenden Manteltarifvertrag für das Bankgewerbe. Herr Schreiner ist nicht Mitglied der zuständigen Gewerkschaft (ver.di), daher fragt er sich, ob ihm überhaupt diese Sonderzahlungen zustehen. Die Isar Bank-AG ist Mitglied des Bundesverbandes Deutsche Banken e.V. Aufgabe g) Prüfen Sie, ob Herr Schreiner einen Anspruch auf Sonderzahlungen hat! INFO Manteltarifvertrag Banken § 10 Sonderzahlungen 1. Die Arbeitnehmer und Auszubildenden haben Anspruch darauf, dass die betrieblichen Sonderzahlungen in einem Kalenderjahr 100 % des monatlichen Tarifgehalts zuzüglich aller tariflichen Zulagen und des Wechselschichtzuschlags bzw. der monatlichen Tarifvergütung für Auszubildende nicht unterschreiten. Für Teilzeitbeschäftigte gilt § 9 Ziff. 1 MTV entsprechend. 2. Maßgebend sind die dem Arbeitnehmer bzw. Auszubildenden in dem betreffenden Kalenderjahr zustehenden höchsten tariflichen Sätze. 3. Wenn dem Arbeitnehmer bzw. Auszubildenden in dem Kalenderjahr keine Ansprüche auf Gehalt bzw. Vergütung oder Zuschüsse zum Krankengeld gemäß § 12 MTV oder zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Mutterschutzgesetz zustehen, entfällt der Anspruch auf die gemäß Ziff. 1 garantierte Sonderzahlung. Wenn nur für einen Teil des Kalenderjahres derartige Ansprüche bestehen, ermäßigt sich der Anspruch auf die Sonderzahlung für jeden Kalendermonat ohne derartige Ansprüche um 1/12.
Aufgaben h) Stellen Sie anhand des Arbeitsvertrages und des Auszuges aus dem Manteltarifvertrag dar, welche Pflichten die Isar Bank-AG gegenüber Herrn Schreiner zu erfüllen hat! INFO Auszug aus »Übersicht über das Recht der Arbeit«, Hrsg.: Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Bonn, Stand April 2000 Die Hauptpflicht des Arbeitgebers ist die Gehaltszahlungspflicht. Sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden, also Mitglieder des betreffenden Arbeitgeberverbandes und der zuständigen Gewerkschaft, die den für den Betrieb maßgebenden Gehaltstarifvertrag geschlossen haben, bedarf es keiner weiteren Vergü-
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tungsvereinbarung. In diesem Fall gelten die Vorschriften des Gehalts- bzw. Manteltarifvertrages für das Gehalt bzw. die allgemeinen Arbeitsbedingungen unmittelbar und zwingend für das Arbeitsverhältnis. Die Tarifgehälter stellen Mindestgehälter dar. Sind Arbeitnehmer oder Arbeitgeber nicht tarifgebunden, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf tarifvertragliche Leistungen (also Tarifgehalt, Sonderzahlungen, tarifliche Arbeitszeit, Kündigungsfristen u. a.). Arbeitgeber und Arbeitnehmer können aber vereinbaren, dass der Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis ganz oder teilweise anzuwenden ist: Die Partner des Arbeitsvertrages sind bei fehlender Tarifbindung rechtlich nicht gehindert, völlig unabhängig von einem Tarifvertrag eine individuelle Gehaltsvereinbarung zu treffen. Gesetzliche Mindestlöhne gibt es in Deutschland in einzelnen Branchen. Ist die Höhe des Gehaltes bzw. Lohnes nicht bestimmt (weil für die betreffende Branche kein Tarifvertrag existiert oder weil der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag nicht auf die Gültigkeit tarifvertraglicher Regelungen verweist), gilt § 6l2 BGB, dann ist die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Üblich ist die Vergütung, die in dem gleichen oder ähnlichen Gewerbe an dem betreffenden Ort für die entsprechende Arbeit und unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse bezahlt zu werden pflegen. Besteht ein Tariflohn, so wird er im Allgemeinen als ortsüblich anzusehen sein. Auf Grund des personenbezogenen Dauerschuldverhältnisses hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber Fürsorgepflichten zu beachten. Auszug aus dem Manteltarifvertrag für das Bankgewerbe Nach § 15 haben die Angestellten einen Anspruch auf Erholungsurlaub, einen Anspruch auf Urlaubsentgelt, ebenso auf Sonderzahlungen. Nach § 16 haben die Angestellten einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung bei besonderen familiären Anlässen. In § 17 werden die gesetzlichen Kündigungsvorschriften zugunsten des Angestellten abgeändert. Der Angestellte hat auch einen Anspruch auf die Ausstellung eines Zwischen- bzw. Arbeitszeugnisses. In § 5 seines Arbeitsvertrages wird dem Angestellten eine betriebliche Altersversorgung gewährt. Auszug aus dem aktuellen Gehaltstarifvertrag für das Bankgewerbe Monatsgehälter
gültig ab 01. Dezember 2007
Michael Schreiner hat sich beim Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München um das Ehrenamt eines Schöffen beworben. Er wurde für eine Amtszeit von fünf Jahren als Beisitzer bei Verhandlungen des Amtsgerichtes München berufen. Am Montag, den 27. Juli findet eine Verhandlung vor einer Strafkammer des Amtsgerichtes München statt. Michael Schreiner ist sich nicht ganz sicher, ob er für diesen Arbeitstag einen Gehaltsanspruch hat.
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Aufgaben
Gesetze und Verordnungen zum Nachschlagen Arbeitsvertrag, Manteltarifvertrag, § 616 BGB Aufgabe i) Klären Sie, ob Herr Schreiner für den 27. Juli Gehaltsanspruch hat! Michael Schreiner erinnert sich jetzt an seine Zeit als Auszubildender, damals warnte ihn sein Ausbildungsleiter davor, an den allgemeinen Streikmaßnahmen teilzunehmen. In Bayern finden Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft und dem Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes statt, die Gültigkeitsdauer des bisherigen Tarifvertrages ist abgelaufen. Der Arbeitgeberverband hat die Forderungen der Gewerkschaft rundherum abgelehnt, ein Schlichtungsverfahren ist gescheitert. Nach einer von der zuständigen Gewerkschaft durchgeführten Urabstimmung wird der Streikaufruf auch von den Kolleginnen und Kollegen in Herrn Schreiners Abteilung befolgt. Aufgaben j) Nennen Sie zwei weitere Möglichkeiten der Arbeitsbefreiung nach dem Manteltarifvertrag. Prüfen Sie anhand des Arbeitsvertrages und Berufsausbildungsvertrages von Herrn Schreiner, worin die wesentlichen Unterschiede zwischen einem Berufsausbildungsverhältnis und einem Arbeitsverhältnis bestehen! Berücksichtigen Sie dabei in der tabellarischen Darstellung folgende Merkmale: k) Festlegung des Inhalts der Rechtsverhältnisse durch l) Rechte und Pflichten des Auszubildenden/Arbeitnehmers m) Zweck der Rechtsverhältnisse n) Dauer der Rechtsverhältnisse o) Beendigung der Rechtsverhältnisse Achten Sie bei der Bearbeitung genau auf die Bezeichnung der Beteiligten und deren Tätigkeiten.
2.3 Leiharbeit Der Vorstand der Isar Bank-AG hatte in einer Vorstandssitzung entschieden, aufgrund der Finanzkrise das Bausparen wieder in den Vordergrund des Interesses der Privatanleger zu rücken. Im Februar 2009 organisiert die Marketinggruppe der Isar Bank-AG für den April 2009 eine einmonatige Werbeaktion zum Thema Bausparen, um ihren Kunden das Bausparen als attraktive Anlagealternative wieder näher zu bringen. Deshalb sollen in diesem Zeitraum 2 Servicekräfte von der Leiharbeitsfirma BankPower GmbH beschäftigt werden, die die Mitarbeiter der Isar Bank-AG bei der Werbeaktion unterstützen sollen. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 611 ff. BGB und das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Aufgaben a) Beschreiben Sie die Vertragsverhältnisse zwischen der Isar Bank-AG, der BankPower GmbH und den beiden Leiharbeitnehmern. b) Erläutern Sie die Vorteile von Leiharbeitsverhältnissen für die Isar Bank-AG und die Leiharbeitnehmer.
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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2.4 Fälle und Aufgaben zu Gesetzen, die Arbeitnehmer und Auszubildende schützen 2.4.1
Kündigungsschutz für Arbeitnehmer und Auszubildende
Die Nordbank AG beschäftigt zurzeit 250 Mitarbeiter. Aus Rationalisierungsgründen sollen einige Filialen der Nordbank AG in Hamburg geschlossen werden. Zwei Filialen sollen in SB-Filialen umgewandelt werden. Aufgrund dieser Umstrukturierungsmaßnahme beschließt der Personalvorstand, vier Arbeitnehmern der Filiale Eimsbüttel zu kündigen. In der Filiale waren bisher 14 Arbeitnehmer beschäftigt. Einer dieser Angestellten ist der 50-jährige Kassierer Jürgen Fiebig. Er ist seit 15 Jahren in der Filiale beschäftigt. Die betroffenen 4 Angestellten sind aus 11 für eine Kündigung in Betracht kommenden Arbeitnehmern ausgewählt worden. Der Kassierer Jürgen Fiebig bittet die Rechtsabteilung seiner Gewerkschaft um Beratung. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 § 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, §§ 622ff. BGB, § 22 Berufsbildungsgesetz, §§ 37, 78, 78a, 95 f. Betriebsverfassungsgesetz, § 18 Bundeserziehungsgeldgesetz, § 1 ff. Kündigungsschutzgesetz, § 17 Manteltarifvertrag für das Bankgewerbe, § 9 Mutterschutzgesetz und §§ 37 b und 140 SGB III. INFO Grundsätzlich sind zwei Arten von Kündigungen zu unterscheiden. In § 620 BGB wird die ordentliche Kündigung geregelt, in § 626 BGB die außerordentliche (fristlose) Kündigung. Wirksamkeit der Kündigung Die ordentliche Kündigung erfordert das Einhalten einer Kündigungsfrist. Eine Kündigung wird nur wirksam, wenn die Willenserklärung wirksam abgegeben wurde und den Vertragsparteien zugegangen ist (§ 130 BGB). Der Personalleiter kann z. B. wirksam kündigen. Wird die Kündigungserklärung gegenüber einem minderjährigen Auszubildenden abgegeben, wird sie erst wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht (§ 131 Abs. 1 und 2 BGB). Nur eine schriftlich erklärte Kündigung ist wirksam (§§ 623, 126 BGB). Kündigungsfristen Mit Zugang der Kündigungserklärung setzt der Beginn der jeweils geltenden Kündigungsfrist ein, die mit dem Termin endet, an dem das Arbeitsverhältnis beendet werden soll (§ 622 BGB, § 22 BBiG, § 17 Manteltarifvertrag). Anhörung des Betriebsrates Eine ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (§ 102 BetrVG). Anhören bedeutet, dass der Arbeitgeber eine Stellungnahme des Betriebsrates nur zur Kenntnis nehmen muss. Kündigungsschutz Für bestimmte Personengruppen gibt es einen besonderen Kündigungsschutz, z. B. den Mutterschutz für schwangere Frauen (§ 9 Mutterschutzgesetz). Allgemeiner Kündigungsschutz Der Kündigungsschutz ist im Kündigungsschutzgesetz geregelt. Der Kündigungsschutz soll den Arbeitnehmer vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes bewahren. Ist im Ausgangsfall Herr Fiebig Mitglied einer Gewerkschaft, wird er von seiner Gewerkschaft prüfen lassen, ob die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes der ordentlichen Kündigung entgegenstehen.
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Aufgaben
Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Die Regelung der dreiwöchigen Klagefrist bezieht sich auf die §§ 4 bis 7 und § 13 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes und ist auf alle Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Die übrigen Schutzvorschriften des Kündigungsschutzgesetzes gelten nach § 23 Abs. 1 grundsätzlich nur für Betriebe, in denen mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind (sachlicher Anwendungsbereich). Dem Kündigungsschutz unterliegen nur solche Arbeitsverhältnisse, die länger als 6 Monate bestanden haben (persönlicher Anwendungsbereich). Es muss bei jeder Kündigung in jedem Fall geprüft werden, ob die Kündigung nach § 1 Abs. 1, 2 und 3 des Kündigungsschutzgesetzes sozialwidrig ist. Diese Prüfung erfolgt nur, wenn für das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist. Eine Kündigung ist bereits dann unwirksam, wenn die Kündigung formale Mängel enthält, z. B. fehlerhafte Berechnung der Kündigungsfristen, Fehlen des Schriftformerfordernisses, fehlende Legitimation des Kündigungsberechtigten, fehlende Anhörung des Betriebsrates. Um die Kündigung sozial rechtfertigen zu können, muss sich der Arbeitgeber darauf berufen können, dass die Kündigung des Arbeitnehmers entweder personenbedingte, verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Gründe hat. Kündigungsgründe Personenbedingte Kündigungsgründe sind Kündigungsgründe, die der Arbeitnehmer selbst nicht beeinflussen kann, z. B. Alter oder Krankheit. Verhaltensbedingte Kündigungsgründe sind Gründe, die der Arbeitnehmer selbst beeinflussen kann, z. B. ständige Unpünktlichkeit. Betriebsbedingte Kündigungsgründe liegen z. B. vor, wenn aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse im Betrieb des Arbeitnehmers Arbeitsplätze wegfallen sollen. Es besteht weder im selben Betrieb noch in einem anderen Bereich des Unternehmens eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit. Beispiele hierfür wären Rationalisierungsmaßnahmen oder ein Auftragsrückgang im Unternehmen. Im Ausgangsfall liegen betriebliche Gründe als Kündigungsgründe vor. Sozialwidrigkeit der Kündigung im Einzelfall Zunächst muss geprüft werden, ob die Kündigung zulässig ist. Danach ist zuklären, ob der an sich geeignete Kündigungsgrund gerade im vorliegenden Einzelfall eine Kündigung rechtfertigt. Die Kündigung ist nur dann wirksam, wenn das Arbeitsverhältnis durch den gegebenen Grund auch noch in der Zukunft beeinträchtigt wird. Im Ausgangsfall sind die Arbeitsplätze der 4 Arbeitnehmer in der Filiale auf unabsehbare Dauer entfallen. Die Kündigung darf nur das letzte Mittel sein. Vor der Kündigung ist daher eine Versetzung der 4 Arbeitnehmer zu prüfen. Interessenabwägung und Sozialauswahl Bei personen- und verhaltensbedingten Gründen einer Kündigung müssen die berechtigten Interessen des Arbeitgebers mit den Interessen auf Erhalt des Beschäftigungsverhältnisses des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Bei der betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl treffen (§ 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz). Es ist hierbei auf das Alter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers zu achten. Gegen eine unzulässige Kündigung muss der Arbeitnehmer innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Der Kündigungsschutz des Arbeitnehmers entfällt, wenn er die dreiwöchige Klagefrist versäumt (§ 4 Kündigungsschutzgesetz). In diesem Fall gilt eine an sich unwirksame Kündigung, z. B. eine sozialwidrige Kündigung oder eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrates, als von Anfang an wirksam (§ 7 Kündigungsschutzgesetz).
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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Aufgaben a) Stellen Sie die Kündigungsfristen für Arbeitnehmer fest: aa) gesetzliche Mindestkündigungsfristen, ab) tarifvertragliche Kündigungsfristen für das Kreditgewerbe, ac) Kündigungsfristen während der Probezeit, ad) verlängerte Kündigungsfristen nach § 622 BGB und § 17 Manteltarifvertrag. b) Stellen Sie die Norm für die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses fest. c) Stellen Sie die Kündigungsfristen für Auszubildende gemäß Berufsbildungsgesetz während der Probezeit und nach der Probezeit fest. Situation 1 In der Personalabteilung der Spar- und Darlehenskasse eG in Pinneberg müssen im Oktober die nachstehenden Entscheidungen getroffen werden. Die Genossenschaftsbank beschäftigt zurzeit 225 Mitarbeiter. Ein Betriebsrat ist vorhanden. Aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen soll mehreren Mitarbeitern gekündigt werden. Auch der 24-jährige Kassierer Florian Krampass ist davon betroffen. Ihm soll am 17. Oktober gekündigt werden. Er gehört seit sechs Jahren dem Unternehmen an. In den Arbeitsverträgen der Sparund Darlehenskasse eG Pinneberg wird auf die Anwendbarkeit tarifvertraglicher Vorschriften verwiesen. Aufgaben d) Zu welchem Termin könnte der Kassierer frühestens ausscheiden? e) Hätte sich die Kündigungsfrist verändert, wenn der Mitarbeiter 30 Jahre alt gewesen wäre? f1) Machen Sie die Einflussmöglichkeiten des Betriebsrates im Zusammenhang mit dieser Kündigung deutlich! f2) Wie muss sich Herr Krampass aufgrund der ausgesprochenen Kündigung der Genossenschaftsbank gegenüber der Arbeitsagentur richtig verhalten (vgl. SGB III § 37 b)? f3) Was muss der Kassierer tun, um seinen Arbeitsplatz zu erhalten? Situation 2 Bettina Scherenberger (32 Jahre alt) ist seit sieben Jahren sehr erfolgreich in der Kreditabteilung der Genossenschaftsbank als Kundenberaterin beschäftigt. Da sie sich von einem Arbeitgeberwechsel schnellere berufliche Weiterentwicklung erhofft, möchte sie ihre Stellung fristgerecht zum 30. September kündigen. Aufgaben g) Prüfen Sie, ob die Genossenschaftsbank das Kündigungsbegehren von Frau Scherenberger grundsätzlich verweigern kann! h) Da die Kreditabteilung zurzeit wegen der sehr guten Geschäftslage auf jeden Mitarbeiter angewiesen ist, lehnt die Personalabteilung das Kündigungsschreiben von Frau Scherenberger mit der Begründung ab, dass sie auf Grund ihrer langen Betriebszugehörigkeit die verlängerten Kündigungsfristen beachten müsse. Nehmen Sie Stellung! i) Wie hätte die Genossenschaftsbank die Kündigung von Frau Scherenberger von vornherein verhindern können? Situation 3 Herr Schuster absolviert seit Februar eine Berufsausbildung als Bankkaufmann bei der Nordbank AG. Da er seit mehreren Monaten mit seiner monatlichen Ausbildungsvergütung nicht mehr „über die Runden kommt“, übernimmt er zweimal in der Woche und am Wochenende in einer Diskothek von 21.00 Uhr bis 2.00 Uhr den lukrativen Job eines Diskjockeys. Vormittags ist Herr Schuster in der Zweigstelle der
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Aufgaben
Nordbank AG in Grünwald beschäftigt. Dem Zweigstellenleiter fällt auf, dass Herr Schuster häufig sehr müde ist und sich manchmal bei der Arbeit kaum konzentrieren kann. Auch die schulischen Leistungen lassen seit einiger Zeit stark nach. Als Herr Schuster eines Nachmittags auf diesen Sachverhalt angesprochen wurde, teilt er dem Zweigstellenleiter seine Nebentätigkeit in der Disko mit. Der Zweigstellenleiter ist verärgert und macht ihm deutlich, dass mit der Ausbildung in der Bank eine Nebentätigkeit nicht vereinbar sei. Außerdem hätte er die Nebentätigkeit vor der Aufnahme der Bank melden müssen. Im Ausbildungsvertrag findet sich zur Nebentätigkeit folgender Hinweis: Während der Ausbildungszeit darf der Auszubildende keine dem Ausbildungszweck widersprechende Erwerbsarbeit leisten. Nach der Auseinandersetzung kündigt die Nordbank AG das Ausbildungsverhältnis von Herrn Schuster fristlos. Aufgaben j) Nehmen Sie zum Verhalten der Nordbank AG begründet Stellung (vgl. auch §§ 14, 13, 22 BBiG) k) Welche Arbeitnehmergruppen haben im Unternehmen einen besonderen Kündigungsschutz? Situation 4 Britta Frank (19 Jahre alt) wurde im zweiten Ausbildungsjahr zur Bankkauffrau von den Auszubildenden der Nordbank AG in die Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt. Ihre Amtszeit endet am 01. Oktober 2008, ihr Ausbildungsverhältnis voraussichtlich mit der mündlichen Abschlussprüfung am 10. Januar 2008. Der Vorstand der Nordbank AG hat dem Betriebsrat mitgeteilt, dass zum 01. Februar 2008 nur 10 von den 15 zur Abschlussprüfung zugelassenen Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden können. Im Rahmen einer Besprechung des Betriebsrates mit der Jugend- und Auszubildendenvertretung am 21. September 2007 bittet Frau Frank den Betriebsratsvorsitzenden Jens Wegener um Auskunft. Aufgaben Frau Frank möchte wissen, l) ob ihre Amtszeit als Jugend- und Auszubildendenvertretung mit Beendigung ihres Ausbildungsverhältnisses endet. m) ob sie nach erfolgreicher Abschlussprüfung Anspruch auf eine Beschäftigung als Bankkauffrau bei der Nordbank AG hat. Situation 5 Die Kundenberaterin Ramona Marx hat der Nordbank AG mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Rechtzeitig vor der Entbindung wurde aufgrund einer Zeitungsannonce Frau Sonja Ihle als Schwangerschaftsvertretung mit einem befristeten Arbeitsvertrag für ein Jahr eingestellt. Aufgaben n) Aus welchen Gründen ziehen Arbeitgeber einen befristeten Arbeitsvertrag einem unbefristeten Arbeitsvertrag mit sechsmonatiger Probezeit vor? o) Nach Ablauf der Schwangerschaftsvertretung bietet die Nordbank AG Frau Ihle an, gleich anschließend eine zweite Schwangerschaftsvertretung in einer Nordbank-Filiale für die Dauer von 1½ Jahren zu übernehmen. Nach Abschluss der zweiten Schwangerschaftsvertretung verlangt Frau Ihle die Übernahme in ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis, obwohl die Nordbank AG zu diesem Zeitpunkt Filialen schließt und keine Möglichkeit für eine Weiterbeschäftigung von Frau Ihle sieht. Nehmen Sie Stellung!
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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Situation 6 In der Unionbank AG sind zurzeit 35 Auszubildende beschäftigt. Bei einigen Auszubildenden werden von den Ausbildern der Unionbank die nachfolgenden Verhaltensweisen festgestellt: 1. Ein Auszubildender kommt mehrere Male verspätet zum Berufsschulunterricht. 2. Ein Auszubildender nimmt über mehrere Wochen Toilettenpapier aus der Unionbank für den eigenen Gebrauch mit nach Hause. 3. Ein Auszubildender schaut sich in der Mittagspause in einem unbeobachteten Moment die Konto- und Depotstände eines bekannten Fernsehmoderators an. Bankinterne Vorschriften verbieten den Zugriff auf Konten bedeutender Persönlichkeiten, ohne dass ein dienstlicher Bezug besteht. 4. Ein Auszubildender verwendet seine ec-Karte missbräuchlich zur Geldbeschaffung. 5. Eine Auszubildende schreibt über einen Zeitraum von einem halben Jahr mangelhafte Arbeiten in der Berufsschule im Prüfungsfach Rechnungswesen. Aufgabe p) Prüfen Sie, ob aufgrund der vorgestellten Verhaltensweise das jeweilige Berufsausbildungsverhältnis aus wichtigen Grund von der Unionbank AG gekündigt werden kann.
2.4.2
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Mit finanziellen Nöten müssen sich erkrankte Arbeitnehmer hierzulande nicht plagen. Unerheblich, ob jemand an einer schweren Krankheit leidet oder auch nur am Vorabend zu tief ins Glas geschaut hat – der Arbeitgeber zahlt das volle Gehalt trotz Abwesenheit vom Arbeitsplatz weiter, und zwar bis zu sechs Wochen lang. Wegen Krankheit gefehlt Durchschnittlicher Krankenstand der Pflichtmitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung
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Aufgaben
Arbeitskosten in der Industrie: Was zum Lohn hinzukommt Von je 100 EUR Bruttolohn/-gehalt entfielen im Jahr 2006 auf
Erkrankt ein Arbeitnehmer oder ein Auszubildender, kann er seine geschuldete Arbeitsleistung oder Lernleistung nicht erbringen. Es gilt in diesem Fall der arbeitsrechtliche Grundsatz: Ohne Arbeit kein Entgelt. Dieser Grundsatz gilt im Krankheitsfall nicht. Ein Arbeitnehmer, der durch Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, hat auf Grund seines Arbeitsvertrags in Verbindung mit § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber seinem Arbeitgeber. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Entgeltfortzahlungsgesetzes ist, dass eine Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers auf Grund einer Krankheit vorliegen muss. Zur Arbeitsunfähigkeit führt die Erkrankung nur, wenn es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, weil er dazu nicht mehr in der Lage ist. Zum anderen darf der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit nicht verschuldet haben. Der Arbeitnehmer ist dann unverschuldet arbeitsunfähig, wenn er nicht grob gegen das von einem vernünftigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartenden Verhalten verstößt. Unverschuldet arbeitsunfähig wird man zum Beispiel durch die Ansteckung mit einem Grippevirus. Verschuldet arbeitsunfähig wird man zum Beispiel, wenn man alkoholisiert einen Verkehrsunfall verursacht und dabei verletzt wird. Bei Vorliegen der Voraussetzung des § 3 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von 6 Wochen. Fall Sandra Gerber arbeitet seit zwei Jahren als Angestellte bei der Fördebank AG in Kiel, die insgesamt 125 Mitarbeiter beschäftigt. Als sie an einer fiebrigen Grippe erkrankt, die voraussichtlich drei Wochen dauern wird, meldet sie sich erst am dritten Tag telefonisch krank und reicht am 8. Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein. Es liegt keine Tarifbindung vor. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 § 1 ff. Bundesurlaubsgesetz, § 1 ff. Entgeltfortzahlungsgesetz und § 44 ff. SGB V. Aufgaben a) Prüfen Sie, ob sich Frau Gerber in dieser Situation richtig verhalten hat! Stellen Sie ggf. anhand des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) das korrekte Verhalten in dieser Situation fest! b) Stellen Sie fest, welche Ansprüche Frau Gerber im Falle einer korrekten Krankmeldung gegenüber der Fördebank AG hat! c) Prüfen Sie, ob die Fördebank AG im Falle eines Verstoßes gegen das EFZG von Frau Gerber die Lohnfortzahlungsansprüche verweigern kann!
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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Fall Heiko Scholle (19 Jahre alt) hat am 01. Februar ein Berufsausbildungsverhältnis bei der Nordbank AG in Hamburg begonnen. Bereits am 16. Februar muss Herr Scholle wegen einer fiebrigen Grippe zu Hause bleiben. Aufgaben d) Wie muss sich Herr Scholle nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz der Nordbank AG gegenüber verhalten, wenn die Krankheit 3 Wochen andauert? e) Als sich Herr Scholle seinen aktuellen Kontoauszug Mitte März besorgt, wundert er sich, dass die Nordbank AG ihm nicht die volle Ausbildungsvergütung für Februar überwiesen hat. Er ist der Meinung, dass ihm nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz die volle Ausbildungsvergütung zusteht. Beraten Sie Herrn Scholle! f) Prüfen Sie in den nachstehenden Situationen, ob Ansprüche aufgrund des EFZG vom Arbeitgeber verweigert werden können! Situation 1 Nach einer feucht-fröhlichen Feier verursacht der Auszubildende der Fördebank AG Daniel Fröhlich auf dem Heimweg mit seinem Pkw einen Verkehrsunfall, bei dem er selbst schwer verletzt wird. Die Polizei stellte bei der Unfallaufnahme fest, dass sich Herr Fröhlich nicht angeschnallt hatte. Er ist voraussichtlich drei Monate arbeitsunfähig. Situation 2 Nachdem die Kundenberaterin Karin Heidorn auf Grund eines längeren Krankenhausaufenthalts in einer Augenklinik wieder arbeitsfähig ist, wird sie bereits nach einer Woche von ihrem Hausarzt wegen einer fiebrigen Grippeerkrankung für 14 Tage krankgeschrieben. Situation 3 Am 13. August teilt der Wertpapieranalyst Tim-Yannick Heckmann aus seinem Urlaubsort Gersfeld in der Rhön telefonisch mit, dass er sich beim Fallschirmspringen das rechte Bein gebrochen habe und etwa ein halbes Jahr arbeitsunfähig sei. Im Nachhinein wurde festgestellt, dass der Fallschirmspringer beim Anlegen des Fallschirmes leichtsinnigerweise einen Haltegurt nicht ordnungsgemäß festgezurrt hatte, sodass dieser sich beim Aufprall löste und es zu dem Unfall kam. Situation 4 Eine Aushilfskraft der Service-Bank AG in Schwerin möchte wissen, ob sie den 31. Oktober (Reformationstag) bezahlt bekomme.
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Aufgaben
INFO
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Feiertage Neujahrstag (01.01.) Hl. Drei Könige (06.01.) Karfreitag Ostermontag 1. Mai Christi Himmelfahrt Pfingstmontag Fronleichnam Mariä Himmelfahrt (15.08.) Tag der Dt. Einheit (03.10.) Reformationstag (31.10.) Allerheiligen (01.11.) Buß- und Bettag 1./2. Weihnachtstag (25./26.12.) Zahl der Feiertage
BW
Übersicht über die gesetzlichen Feiertage in Deutschland
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bedeutet gesetzlicher Feiertag bedeutet gesetzlicher Feiertag in Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung Gesetzlicher Feiertag nur in einigen Gemeinden der Landkreise Bautzen, Hoyerswerda, Kamenz
BW = Baden-Württemberg BY = Bayern BE = Berlin BB = Brandenburg HB = Bremen HH = Hamburg
2.4.3
HE = Hessen MV = Mecklenburg-Vorpommern NI = Niedersachsen NW = Nordrhein-Westfalen RP = Rheinland-Pfalz SL = Saarland
SN = Sachsen ST = Sachsen-Anhalt SH = Schleswig-Holstein TH = Thüringen
Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern und Auszubildenden
Frei und bezahlt (aus: IWD 24. März 2008) In punkto bezahlte Freizeit haben die großen osteuropäischen EU-Länder auf den ersten Blick keinen bedeutenden Standortvorteil gegenüber Deutschland. Westdeutschland hat 2007 zwar mit durchschnittlich 39 Urlaubs- und Feiertagen wiederum den unrühmlichen Titel des Freizeitweltmeisters eingefahren. In Ungarn sind es mit 37 freien Tagen jedoch nicht viel weniger. Tschechien und Polen tauchen immerhin im europäischen Mittelfeld auf. Bei den Kosten, die den Unternehmen durch Urlaub und Feiertage entstehen, vergrößert sich der Abstand Deutschlands zu den EU-Neulingen jedoch gewaltig. Hierzulande mussten die Arbeitgeber für die reine Entgeltfortzahlung während der Ferien und Festtage – ohne Urlaubsgeld – 2007 schätzungsweise 120 Milliarden Euro aufwenden. In Ungarn wären, wenn man die gleiche Zahl an Beschäftigten unterstellt, dafür allenfalls 40 Milliarden Euro fällig gewesen – wegen der geringeren Arbeitskosten. In einigen Ländern kommen zum bezahlten Urlaub noch zusätzliche Frei-Tage als besondere Form der Arbeitszeitverkürzung hinzu – in Italien zum Beispiel 15 Tage.
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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Freizeitweltmeister Westdeutschland
Begriffsklärung § 1 Bundesurlaubsgesetz begründet den Anspruch des Arbeitnehmers auf das Recht, im Erholungsurlaub nicht arbeiten zu müssen. Dies stellt eine Ausnahme vom arbeitsrechtlichen Grundsatz „ohne Arbeit kein Entgelt“ dar. Der Anspruch auf Urlaubsentgelt ergibt sich aus § 11 Bundesurlaubsgesetz in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag (§ 611 BGB). Im Unterschied zum Urlaubsentgelt wird das Urlaubsgeld in der Regel als Gratifikation aufgrund des Arbeitsvertrages, der Betriebsvereinbarung oder des Tarifvertrags gewährt. Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung von Erholungsurlaub Nach dem Bundesurlaubsgesetz hat jeder Arbeitnehmer und jeder volljährige Auszubildende in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Das Bundesurlaubsgesetz regelt den Mindesturlaub. Daneben kann durch den Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder den Tarifvertrag zusätzlicher Urlaub gewährt werden. Erholungsurlaub bedeutet für den Arbeitnehmer, dass er von der Arbeitspflicht freigestellt wird. Zusätzlich erwirbt er einen Entgeltfortzahlungsanspruch. Der Urlaubsanspruch ist ein persönlicher Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers, er kann deshalb nicht abgetreten werden; auf den Urlaubsanspruch kann auch nicht verzichtet werden (§ 13 BUrlG). Während des Erholungsurlaubs darf der Arbeitnehmer keiner Erwerbstätigkeit nachgehen (§ 15 Nr.7 MTV).
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Aufgaben
Voraussetzungen für den Anspruch auf Erholungsurlaub Der volle Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers entsteht erstmalig, wenn das Arbeitsverhältnis 6 Monate bestanden hat. Andernfalls entsteht nur Anspruch auf einen Teilurlaub (§ 5 Abs. 1 BUrlG). Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr kann nur stattfinden, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Bei dieser Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 BUrlG). a) Ermitteln Sie die Vorschriften, in denen der Erholungsurlaub für volljährige und minderjährige Auszubildende geregelt wird. b) Der 19-jährige Auszubildende Jürgen Dillinger war im 2. Ausbildungsjahr wegen eines unverschuldeten Autounfalls in der Zeit von Februar bis April arbeitsunfähig. Als Herr Dillinger im Mai der Personalabteilung seinen vollen Urlaubsanspruch einreichte, teilte ihm der Personalleiter mit, dass ihm für dieses Kalenderjahr nur noch 22 Arbeitstage Urlaub zustehen würden. Prüfen Sie, ob die Auffassung des Personalleiters zutrifft. c) Der Programmierer Christian Saxinger (verheiratet, 2 schulpflichtige Kinder) ist bei der Isar Bank AG beschäftigt. Er reicht im Februar bei der Personalabteilung seinen Urlaubswunsch ein. Auf Grund der Schulferien möchte er nur vom 1. August bis zum 12. September mit seiner Familie in Urlaub fahren. Die Personalabteilung weist Herrn Saxinger darauf hin, dass er wegen einer notwendigen Programmumstellung im August für diesen Monat unentbehrlich sei. Herr Saxinger besteht aber darauf, im August mit seiner Familie in den Urlaub zu fahren. Prüfen Sie, ob er den Zeitpunkt seines Urlaubs selbst festlegen kann. d) Die Ausbildungsleiterin Christine Bergmann möchte im Dezember einen vierwöchigen Urlaub nehmen. Die Personalabteilung der Isar Bank-AG teilt ihr daraufhin mit, dass dies wegen einer Umstrukturierung im Dezember nicht möglich sei. Prüfen Sie, ob der Urlaubsanspruch von Frau Bergmann erlischt, wenn er nicht im laufenden Kalenderjahr genommen wird. e) Der Kundenberater Gabriel Wirth hatte seinen Arbeitsvertrag bei der Isar Bank-AG wegen einer beruflichen Veränderung fristgerecht zum 15. Juni gekündigt. Herr Wirth hatte bis zu diesem Zeitpunkt seinen Jahresurlaub noch nicht genommen und kann ihn auch betriebsbedingt nicht mehr nehmen. Erläutern Sie die Rechtslage. f) Frau Elly Bichler ist Auszubildende im 2. Ausbildungsjahr. Frau Bichler hatte während der Schulferien einen dreiwöchigen Urlaub genommen. Nach einer Woche erkrankte sie an einer fiebrigen Sommergrippe und war 5 Tage bettlägerig. Prüfen Sie, wie sich diese Erkrankung auf ihren Urlaubsanspruch auswirkt.
2.4.4
Jugendarbeitsschutz
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es ein Jugendarbeitsschutzgesetz, das im internationalen Vergleich als vorbildlich bezeichnet werden kann. Arbeitsschutz für Kinder und Jugendliche ist noch wichtiger als Arbeitsschutz für Erwachsene. Denn Kinder und Jugendliche sind weniger widerstandsfähig als erwachsene Menschen und dürfen daher nicht den gleichen Belastungen ausgesetzt werden. Sie sind Auszubildende(r) im Kreditgewerbe an einer Berufsschule für Banken. Sie werden von Ihrer Fachlehrerin Frau Holm gebeten, die nachstehenden Fälle anhand des Jugendarbeitsschutzgesetzes zu überprüfen. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 § 8 ff. Jugendarbeitsschutzgesetz, § 60 ff. Betriebsverfassungsgesetz und § 1 ff.Ausbildungsordnung (Bankkaufleute).
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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Aufgabe a) Stellen Sie fest, welche Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz in den folgenden Fällen vorliegen! Fall 1 Tanja Bolzmann (17 Jahre alt) macht zurzeit eine Ausbildung als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte. In der Anwaltspraxis arbeiten neben zwei Anwälten noch zwei Schreibkräfte. Nach dem ersten Halbjahr ihrer Ausbildung ist der Reiz des Neuen bereits verflogen und die Routinearbeiten sind an der Tagesordnung. Zuerst hat sie überall mitgeholfen: Kaffee gekocht, Briefe zur Post gebracht, die Ablage sortiert. Seit kurzem wird sie voll eingesetzt: Schriftsätze tippen, auf Termine achten, Klienten benachrichtigen und Unterlagen zum Gericht bringen. Ihr Arbeitstag beginnt um 8 Uhr morgens und endet um 17 Uhr. Wenn viel Arbeit anliegt und die Zeit drängt, hat sie auch mal bis 21 Uhr gearbeitet. Oft wurde von ihr erwartet, dass sie auch nach einem siebenstündigen Berufsschultag in der Praxis noch wichtige Schriftsätze für den nächsten Tag vorbereitet. Da die Praxis gut läuft, haben sich die beiden Rechtsanwälte entschieden, weitere Partner aufzunehmen und größere Büroräume anzumieten. In dieser Umstellungsphase wurde Tanja gebeten, auch am Sonnabend auszuhelfen, ohne dass dafür ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde. Sie besucht die Berufsschule im Teilzeitunterricht. In Gesprächen mit anderen Auszubildenden hat sie festgestellt, dass ihr im Ausbildungsvertrag nur 23 Urlaubstage jährlich gewährt werden. Fall 2 Uwe Hansen ist 17 Jahre alt und macht eine Ausbildung als Zentralheizungs- und Lüftungsbauer bei der Zielbau KG, die 50 Arbeitnehmer und 15 Auszubildende beschäftigt. Davon kennt Uwe nach einem halben Jahr noch nicht einmal die Hälfte, da er immer auf verschiedenen Baustellen beschäftigt ist. Die ersten drei Monate besuchte er einen Metall-Grundlehrgang bei der Innung. Danach hat er auf verschiedenen Baustellen Rohre verlegt, gebogen und geschweißt, Heizkörper und Heizkessel montiert sowie in der zentralen Werkstatt Bleche zugeschnitten. Nach einem langen Berufsschultag (Teilzeitunterricht) muss Uwe regelmäßig noch auf einer Baustelle im Akkord arbeiten. Er muss genauso arbeiten, wie die Facharbeiter der Firma, bekommt aber nur ein Viertel ihres Akkordzuschlages. Manchmal hat Uwe abends Rückenschmerzen, wenn er die schweren Heizkörper und Sauerstoffflaschen oder Werkzeugkisten geschleppt hat. Fall 3 Christina Benthin macht eine Ausbildung als Friseurin im Haarstudio Kamm und Bürste. Sie ist 16 Jahre alt. Im Haarstudio arbeiten neben einer weiteren Auszubildenden drei Frisörinnen. Ihre Arbeit im ersten Lehrjahr besteht darin, Haare zu waschen und zu föhnen. Abends muss sie den Laden ausfegen und die Waschbecken säubern. Zum Wochenende und vor Feiertagen ist am meisten zu tun. Am Sonnabend muss Christina oft bis nach 16 Uhr arbeiten, obwohl sie an jedem Tag der Woche bereits voll gearbeitet hat. In den letzten Wochen hat sie einen juckenden Hautausschlag an den Händen bekommen. Der Hautarzt meinte, sie könnte vielleicht allergisch auf das Haarshampoo reagieren. Als sie zwei Tage krank war und nicht ins Haarstudio kommen konnte, verlangte die Chefin für die zwei Tage eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Dieses Jahr will Christina das erste Mal mit ihrem Freund verreisen. Der Freund meint, als Auszubildende könnte sie für fünf Wochen verreisen. Die Besitzerin will aber ihr Haarstudio nur drei Wochen schließen und erwartet, dass die Auszubildenden sofort nach den Betriebsferien wieder arbeiten.
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Aufgaben
Fall 4 Janina Klein, 17 Jahre alt hatte am 1. August 2005 ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau im Hotel „Alsterblick“ in Poppenbüttel begonnen. Jeden Donnerstag findet von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr der Berufsschulunterricht in der Berufsschule statt. Je nach Schicht muss Frau Klein nach dem Berufsschulunterricht noch ins Hotel fahren, um dort die 20:00-Uhr-Schicht zu übernehmen. Diese Schicht dauert von 20:00 Uhr bis 5:00 Uhr morgens. Das Hotel begründet diese Regelung damit, dass Frau Klein zwischen dem Berufsschulunterricht und dem Schichtantritt ja noch genügend Zeit zum Erholen hätte. An den anderen Tagen muss Frau Klein je nach Schicht von 10:00 Uhr bis 23:00 Uhr bzw. von 14:30 Uhr bis 2:00 Uhr nachts arbeiten. Während der Schicht haben die Auszubildenden eine Pause von maximal 20 Minuten. Während der ersten drei Monate ihrer Ausbildungszeit hatte Frau Klein nur 3 Tage arbeitsfrei. In dieser Zeit hatten sich bereits 200 Überstunden angesammelt. In der Woche arbeitete Frau Klein im Durchschnitt 55 Stunden. Die Personalabteilung hatte Frau Klein angewiesen, in ihrem Berichtsheft nicht mehr als 40 Stunden in der Woche als Ausbildungszeit auszuweisen. Für das Jahr 2005 hatte Frau Klein insgesamt eine Woche Urlaub erhalten. Wenn Frau Klein im Rahmen ihrer Ausbildungstätigkeiten etwas falsch gemacht hatte, z. B. nicht sorgfältig genug Staub gewischt hatte, kam es vor, dass der Chef sie zu sich ins Büro rief und ihr in einem sehr lauten Tonfall ihr Fehlverhalten vorhielt. Obwohl sie bereits über 6 Monate im Hotel beschäftigt war, drohte ihr der Chef sogar mit der Kündigung des Ausbildungsverhältnisses, als sie einmal vergessen hatte, die Handtücher in einem Gästezimmer zu wechseln. Neben der regelmäßigen Reinigung der Zimmer der Hotelgäste musste Frau Klein häufig die private Garderobe des Hotelchefs waschen und bügeln und in seiner Privatwohnung putzen. Am liebsten arbeitete Frau Klein in der Hotelküche, da sie sich mit dem Küchenpersonal gut verstand und dort für die Arbeiten Gemüse putzen und Geschirrspülmaschine ein- und ausräumen eingesetzt wurde. Aufgaben b) Warum verstoßen Ausbildungsbetriebe, aber auch Jugendliche gegen den Jugendarbeitsschutz? c) Was können jugendliche Auszubildende bei Verstößen gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz unternehmen? INFO Auszug aus einem Berufsausbildungsvertrag § 9 Verhalten während der Berufsausbildung: Der Auszubildende hat sich zu bemühen, die Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, die erforderlich sind, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Er ist insbesondere verpflichtet, über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren. Treuepflicht Darunter kann die Pflicht des Auszubildenden verstanden werden, seine Verpflichtungen aus dem Ausbildungsverhältnis zu erfüllen, seine Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Berufsausbildungsverhältnis stehenden Interessen des Ausbildenden so zu wahren, wie dies von ihm auf Grund des Berufsausbildungsvertrages und zur Wahrung der auf den Ausbildungsbetrieb bezogenen Interessen des Ausbildenden billigerweise verlangt werden kann. (In: Übersicht über das Recht der Arbeit, Herausgeber Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, April 2000.)
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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Begriffserläuterungen Betriebsrat: In Betrieben, in denen es keine Jugendvertretung gibt, z. B. wenn der Betrieb weniger als fünf jugendliche Arbeitnehmer beschäftigt, kann sich der jugendliche Arbeitnehmer direkt an den Betriebsrat wenden. Gewerkschaften: Die Gewerkschaften sind die Selbstorganisation von abhängig Beschäftigten. Sie haben sich u. a. die Aufgabe gestellt, die Verbesserung der Schutzbestimmungen für die Beschäftigten zu erreichen, wie auf die Einhaltung der bestehenden Schutzgesetze zu achten. Ihre Mitglieder erhalten kostenlose Beratung und, sollte es nötig sein, gerichtliche Vertretung. Bei Problemen mit dem Jugendarbeitsschutzgesetz werden Jugendliche, die sich an sie wenden, beraten. Es werden ggf. die notwendigen Schritte eingeleitet (Gespräche mit Gewerkschaftsvertretern im Betrieb, mit Arbeitgebern oder Meldung an das Gewerbeaufsichtsamt). Gewerbeaufsicht: Die vorrangige Aufgabe der Gewerbeaufsicht ist der Schutz des Menschen am Arbeitsplatz (Arbeitsschutz). Das große Gebiet des Arbeitsschutzes kann grob unterteilt werden in den Unfallund Gesundheitsschutz, den Arbeitszeitschutz, den sozialen Arbeitsschutz, wozu auch der Jugendarbeitsschutz zählt. Die Gewerbeaufsichtsbeamten führen im Außendienst unvermutet Kontrollen in den Betrieben und zeitweise auch Schwerpunktaktionen, wie z. B. auf dem Gebiet des Jugendarbeitsschutzes, durch. Sie arbeiten mit den zuständigen Behörden und Dienststellen zusammen. Darüber hinaus beraten sie Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Betriebsräte sowie jeden anderen Bürger über Fragen des Arbeitsschutzes. Die an sie gerichteten Hinweise und Beschwerden werden auf Wunsch vertraulich behandelt. Aufgabe d) Das Jugendarbeitsschutzgesetz wurde in Deutschland erstmals 1839 im Preußischen Landtag verabschiedet und ist zuletzt im Januar 1998 vom Deutschen Bundestag geändert worden. Welche Bedeutung hat der Jugendarbeitsschutz im 21. Jahrhundert für die jugendlichen Arbeitnehmer bzw. Auszubildenden? INFO ... Selbst Kinder genossen damals nicht den Schutz des Staates. Früh wurden sie in den Arbeitsprozess eingespannt, ohne je eine Schule besucht zu haben und meist ohne je eine Chance zu erhalten, die ihnen aufgezwungene Lebensbahn eines Fabrik- oder Bergarbeiters zu verlassen. Ihr Verdienst wurde in den Familien dringend benötigt und die Firmeninhaber hatten gegen die billigen Arbeitskräfte nichts einzuwenden, sondern meinten sogar, mit der Beschäftigung von Kindern einen sozial positiven Zweck zu erfüllen, weil sie auf diese Weise die Kinder von den moralischen Gefahren ziellosen Herumschweifens, drohender Kriminalität und Bettelei fern hielten ... So konnte es wirklich nicht weitergehen. Man begann einzusehen, dass der Staat einschreiten musste, um derartige Folgen der Industrialisierung zu beseitigen oder wenigstens zu begrenzen. 1835 begann daher der preußische Landtag mit Beratungen über Kinderschutz. 1839 wurde in Preußen die Beschäftigung von Kindern unter neun Jahren verboten; die Arbeitszeit von Neun- bis Sechzehnjährigen durfte zehn Stunden täglich nicht mehr überschreiten. Nachtarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit, die dem religiösen Empfinden widersprachen, waren schon früher untersagt worden. Die Möglichkeit des Staates, die Einhaltung dieser Vorschriften und Verbote zu überwachen, waren allerdings zunächst gering; eine dafür verantwortliche Aufsichtsbehörde gab es bis 1853 nicht. Dann wurde ein neues Schulgesetz erlassen, das die Beschäftigung von Kindern unter zwölf Jahren verbot, für Zwölf- bis Vierzehnjährige aber eine Arbeitszeit von zwölf Stunden zuließ, und Gewerbeinspektoren einsetzte, die in den Fabriken Kontrollen durchführten, um die Beachtung des Gesetzes zu erwirken. (Aus: Manfred Görtemaker, Deutschland im 19. Jahrhundert, Opladen 1989, S. 181ff.)
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Aufgaben
2.4.5
Mutterschutz und Elterngeld
Bestimmte Arbeitnehmergruppen bedürfen eines besonderen Schutzes. Der Schutz im Zusammenhang mit der Geburt und Erziehung eines Kindes ist im Mutterschutzgesetz und im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz geregelt. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 § 1 ff. Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, §§ 123, 622 BGB, Artikel 3, 6, 12, 14 Grundgesetz, § 9a Manteltarifvertrag und § 1 ff. Mutterschutzgesetz. Aufgaben a) Stellen Sie die wesentlichen Schutzbestimmungen nach dem Mutterschutzgesetz nach folgenden Kriterien zusammen: aa) Geschützter Personenkreis ab) Kurze Darstellung der Beschäftigungsverbote ac) Darstellung der finanziellen Regelungen während des Beschäftigungsverbotes b) Beurteilen Sie die Rechtslage in den nachstehenden Situationen: Situation 1 Die Kundenberaterin Svenja Stege erhält von der Bauspar-AG eine fristgerechte Kündigungserklärung zum 15. Oktober. Daraufhin teilt Frau Stege ihrem Arbeitgeber unverzüglich mit, dass sie vermutlich schwanger sei und daher die Kündigung unwirksam sei. Nehmen Sie Stellung! Situation 2 Die 23-jährige Mitarbeiterin Sandra Liebknecht teilt der Bauspar-AG während der Probezeit mit, dass sie schwanger sei. Daraufhin kündigt ihr der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristgerecht innerhalb von zwei Wochen. Frau Liebknecht ist dagegen der Meinung, dass die Kündigung unwirksam sei und beruft sich auf ihren Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz. Arbeits- und tarifvertragliche Vereinbarungen hinsichtlich der Kündigung bestehen nicht. Nehmen Sie Stellung! Situation 3 Die Weserbank AG sucht seit einiger Zeit im Anzeigenteil des »Weserkurier« eine(n) Kundenberater(in). In einem Auswahlverfahren hatte sich die Weserbank für die 25-jährige Sabrina Salzmann entschieden, die vor drei Jahren bei der Bremer Sparkasse ihre Ausbildung zur Bankkauffrau mit Auszeichnung abgeschlossen hatte. In dem Einstellungsgespräch hatte Frau Salzmann dem Personalchef u. a. schriftlich versichert, dass sie nicht schwanger sei. Nach Ablauf der Probezeit teilte sie dann der Weserbank mit, dass sie schwanger sei. Daraufhin focht der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an, da Frau Salzmann den Personalchef beim Einstellungsgespräch wissentlich belogen hatte. Nehmen Sie Stellung! Situation 4 In der Weserbank AG wird zurzeit auch Frau Britta Riebesehl als Sachbearbeiterin im Auslandszahlungsverkehr beschäftigt. Als Schwangerschaftsvertretung hat sie einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag. Zwei Monate vor dem Ablauf ihres Arbeitsvertrages teilt sie ihrem Arbeitgeber mit, dass sie schwanger sei, und fordert von der Weserbank AG die ihr nach dem Mutterschutzgesetz (§ 9 Kündigungsverbot) zustehenden Rechte, insbesondere Weiterbeschäftigung über die zwei Jahre hinaus. Als Feststellung ihrer Schwangerschaft fügt sie ihrer schriftlichen Mitteilung ein ärztliches Zeugnis bei. Prüfen Sie den Sachverhalt mit den Vorschriften des Grundgesetzes, des Mutterschutzgesetzes und § 242 BGB!
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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INFO Das Elterngeld Seit Anfang 2007 erhalten Mütter und Väter vom Staat das sog. Elterngeld. Dieses ist ausdrücklich als Lohnersatzleistung deklariert und sieht vor, dass der nach der Geburt pausierende Elternteil 67 % des durchschnittlichen Nettogehalts der letzten 12 Monate erhält, wobei die Obergrenze bei 1.800,00 EUR liegt. Maximal wird einer Familie 14 Monate lang Elterngeld gezahlt – allerdings nur, wenn sich die beiden Elternteile mit der Auszeit abwechseln und für jeweils mindestens 2 Monate zu Hause bleiben. Bleibt nur einer von beiden zu Hause, wird das Elterngeld lediglich für 12 Monate ausgezahlt – nur für Alleinerziehende wird eine Ausnahme gemacht. Damit sollen den Männern Anreize gegeben werden, sich stärker als bislang an der Erziehung des neugeborenen Nachwuchses zu beteiligen. Von Januar bis Juli 2007 haben sich auch wirklich fast doppelt so viele Väter wie im Vorjahr dafür entschieden, zumindest kurzzeitig zu Hause zu bleiben und sich um den Nachwuchs zu kümmern. Dies ändert allerdings nichts daran, dass im ersten Halbjahr 2007 gerade einmal 8,5 % der 200.244 bewilligten Elterngeldanträge von Vätern gestellt worden sind, wobei die Anträge auf eine Auszeit von 2 Monaten dominieren. Entsprechend haben sich die Frauen zu über 70 % für eine zwölfmonatige Pause entschieden. Hinter der Entscheidung, welcher Elternteil kurzzeitig aus dem Berufsleben aussteigt, stecken nicht zuletzt finanzielle Überlegungen. Da die Männer nach wie vor häufiger als Frauen erwerbstätig sind und ein höheres Einkommen erzielen, wäre einerseits die Verdiensteinbuße höher, stünde ihnen andererseits aber auch ein höheres Elterngeld zu, sollten sie pausieren. Dies belegen auch die Zahlen: Von den knapp 17.000 Männern, deren Antrag auf Elterngeld in der ersten Jahreshälfte 2007 bewilligt wurde, erhielt knapp die Hälfte über 1.000 EUR - bei den Frauen traf dies gerade auf 15 % zu. Damit nach Ablauf des Elterngeldes auch beide Partner wieder in ihren Beruf einsteigen können, muss das Kind allerdings während der Arbeitszeit anderweitig untergebracht werden. Da es an Kinderkrippen in Deutschland mangelt, beabsichtigt die Bundesregierung nun, die Zahl der Krippenplätze bis 2013 auf 750.000 zu erhöhen, sodass etwa ein Drittel der Kinder unterkommen könnte. Aufgaben c) Stellen Sie die wesentlichen Schutzbestimmungen nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz zusammen: ca) Anspruchsberechtigter Personenkreis cb) Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Elterngeldes cc) Höhe des Elterngeldes cd) Bonuspunkte bei durchschnittlichem Nettoeinkommen unter 1.000 EUR ce) Mindestelterngeldbetrag und Höchstbetrag beim Elterngeld cf) Bezugszeitraum beim Elterngeld cg) Elterngeld bei Mehrlingsgeburten ch) Elterngeld bei Geschwisterkindern ci) Weiterbeschäftigung während der Elternzeit cj) Elterngeld und Steuern d) Frau Birgit Lange ist Kundenberaterin der Nordbank AG. Ihr monatliches Nettoeinkommen beträgt 2.500,00 EUR. Kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes informiert sich Frau Lange bei der für sie zuständigen Elterngeldstelle. Beantworten Sie die Fragen von Frau Lange in den nachfolgenden Situationen.
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Aufgaben
Situation 1 Frau Lange informiert Sie, dass sie erst seit sieben Monaten bei der Nordbank AG beschäftigt ist. Vorher war sie sechs Monate arbeitslos. Berechnen Sie ihr durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen. Situation 2 Frau Lange teilt Ihnen mit, dass auch ihr Lebenspartner bereit ist, die Elternzeit zu nehmen. Ihr Partner ist noch in der Berufsausbildung und bezieht zurzeit ein anrechenbares monatliches Nettoeinkommen von 740,00 EUR. Wie hoch wäre in diesem Fall das Elterngeld für den Lebenspartner? Situation 3 Frau Lange erwägt, nach der Geburt ihres Kindes weiterhin mit reduzierter Stundenzahl bei der Nordbank AG zu arbeiten. Ihr monatlicher Nettoverdienst würde dann nur noch 1.000,00 EUR betragen. Die Betreuung des Kindes während ihrer Arbeitszeit würde ihre nicht berufstätige Mutter übernehmen können. Wie hoch wäre in diesem Fall das Elterngeld für Frau Lange? Situation 4 Frau Lange möchte von Ihnen wissen, ob das Elterngeld versteuert werden muss. Situation 5 Frau Lange möchte von Ihnen darüber informiert werden, wie hoch das Elterngeld bei Mehrlingsgeburten und Geschwisterkindern ist. Situation 6 Die 27-jährige Servicekraft Sabine Kruck, Nettoeinkommen 1.250,00 EUR, beantragt nach der Entbindung ihres Kindes bei der zuständigen Stelle das Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz. Wegen der hohen Kosten der Erstausstattung möchte sie ab dem Tag der Geburt zusätzlich das Elterngeld nach dem BEEG beziehen. Prüfen Sie, ob Frau Kruck beide Leistungen verlangen kann.
2.4.7
Arbeitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz
Situation A: Beruf und Gesundheit Daniela Schenk, 32 Jahr alt, ist nach der Elternzeit im Anschluss an eine Schulung als Datentypistin in die zentrale Datenverarbeitung der Isar Bank-AG München zurückgekehrt. Dort ist sie täglich bis zu sechs Stunden am Bildschirm tätig. Schon bald muss sie feststellen, dass ihr das streckenweise ununterbrochene Arbeiten am Bildschirm gesundheitlich nicht bekommt. Abends klagt sie öfters über Kopfschmerzen und Augenbrennen. Frau Schenk äußert gegenüber ihrer Vorgesetzten, Frau Sonja Deininger, den Wunsch, ihre Arbeit am Bildschirm in regelmäßigen Abständen unterbrechen zu dürfen. Frau Deininger hält dies allerdings für überflüssig: »Die Bildschirmtechnik ist heute so perfekt, dass der Blick auf den Bildschirm nicht anstrengender ist als der Blick in die Akten!«. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die § 3 ff. Arbeitsschutzgesetz, § 14 Arbeitssicherheitsgesetz, § 1 ff. Bildschirmarbeitsverordnung und § 22 SGB VII. Aufgaben a) An wen kann sich Frau Schenk mit ihrem Problem wenden? b) Welche Maßnahmen muss der Arbeitgeber nach den arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen ergreifen? c) Nennen Sie einzelne Anforderungen, die der Arbeitgeber bei der Gestaltung und Ausstattung von Bildschirmarbeitsplätzen beachten muss!
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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Situation B: Aufgaben einer Sicherheitsbeauftragten Frau Birgit von der Heide ist Mitarbeiterin der Nordbank AG und wurde vom Vorstand der Nordbank AG zur Sicherheitsbeauftragten berufen. Bei einer Betriebsbegehung stellt Frau von der Heide fest, dass die Notausgangstür der Bank abgeschlossen ist. 1. Prüfen Sie, wie sich Frau von der Heide verhalten muss. 2. Nennen Sie in Ihrem Ausbildungsbetrieb Sicherheitsvorrichtungen, die die Mitarbeiter vor gesundheitlichen Gefährdungen und allgemeinen Gefährdungspotentialen schützen sollen. Gesetze und Verordnungen zum Nachschlagen - Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV) §§ 1 bis 19 - Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) §§ 5 und 6 - Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG) §§ 1 bis 17 Situation C: Wichtige Zeichen und Hinweise zum Arbeitsschutz im Bankbetrieb In Ihrer Filiale finden Sie die nachfolgenden Zeichen und Hinweise. Ordnen Sie die Bedeutung den entsprechenden Zeichen zu.
A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
N
O
P
Q
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Aufgaben
Bedeutung von Verbots-, Warn-, Gebots-, Rettungs- und Brandschutzzeichen 1 2 3 4 5 6 7
Feuerlöscher Schutzschuhe benutzen Nicht berühren, Gehäuse unter Spannung Warnung vor feuergefährlichen Stoffen Krankentrage Richtungsangabe Brandschutzzeichen Rauchen verboten
8 Erste Hilfe 9 Vor Öffnen Netzstecker ziehen
10 11 12 13 14 15 16
Notausgang Warnung vor gefährlicher elektrischer Spannung Rettungsweg Sammelstelle Zutritt für Unbefugte verboten Feuer, offenes Licht und Rauchen verboten Richtungsangabe für Erste-Hilfe-Einrichtungen, Rettungswege, Notausgänge 17 Warnung vor einer Gefahrstelle
Situation D: Verhalten bei einem Banküberfall In der Filiale der Nordbank AG am Wilhelmsplatz hat ein Banküberfall stattgefunden. Sie sind Mitarbeiter/in in der Filiale und haben das Geschehen direkt miterlebt. Beschreiben Sie, wie Sie sich nach dem Banküberfall richtig verhalten. Situation E: Arbeitssicherheit durch vorbeugenden Brandschutz Die Brandursachen allgemein in der Bundesrepublik Deutschland verteilten sich im letzten Jahr wie folgt: Blitzschlag 45,1 % Offenes Feuer 10,8 % Brandstiftung 7,7 % Überhitzung 3,0 % Feuergefährliche Arbeiten 2,2 % Explosion 3,1 % Menschliches Fehlverhalten 3,7 % Selbstentzündung 2,7 % Elektrizität 9,6 % Sonstiges/Unbekannt 12,1 % Erstellen Sie einen Kurzbericht über Maßnahmen Ihres Ausbildungsbetriebes zum Brandschutz. INFO Betrieblicher Brandschutz 1. Fluchtwege freihalten: Schnelles und sicheres Verlassen von Arbeitsplätzen, Räumen und Gebäuden muss sichergestellt sein durch Anzahl, Lage, Bauart und Zustand von Fluchtwegen, Rettungswegen und Ausgängen. Rettungswege, Fluchtwege und Notausgänge müssen auf möglichst kurzem Weg ins Freie oder zu gesicherten Bereichen, z. B. Sicherheitstreppenhäusern, führen. Die erforderliche Anzahl und die Lage richten sich nach der Art des Betriebes sowie nach der durch die Bauart der Gebäude oder die Fertigung gegebenen Brand- und Explosionsgefährdung. Treppenhäuser und Flure sind Fluchtwege und müssen das gefahrlose Verlassen gefährdeter Bereiche ermöglichen. Deshalb müssen sie vor den Auswirkungen des Feuers besonders geschützt und mit einer Sicherheitsbeleuchtung ausgestattet werden. Sie dürfen niemals zum Lagern oder zum Abstellen von Gegenständen oder Materialien benutzt werden. Treppenräume und Flure sind auch Angriffswege der Feuerwehr; deshalb sind sie, ebenso wie die Zufahrtswege für die Feuerwehr, stets freizuhalten. Freizuhalten sind auch alle Notausgänge. Wichtig ist, dass der Verlauf von Fluchtwegen und die Notausgänge eindeutig gekennzeichnet sind, Notausgänge und Türen im Verlauf von Fluchtwegen in Fluchtrichtung aufschlagen und die Türen sich von innen ohne fremde Hilfsmittel jederzeit leicht und schnell öffnen lassen, solange sich Personen im Raum befinden. 2. Sicherheitsbeleuchtung: Zum vorbeugenden Brandschutz gehören auch Planung und Installation einer Sicherheitsbeleuchtung. Diese ist eine Notbeleuchtung, die bei Störung der Stromversorgung der allgemeinen Beleuchtung Rettungswege, Räume und Arbeitsplätze während der betrieblich erforderlichen Zeiten mit einer vorgegebenen Mindestbeleuchtungsstärke beleuchtet und rechtzeitig wirksam wird.
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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3. Unterweisen der Beschäftigten: Der Unternehmer hat gemäß den Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes die Versicherten über die bei ihren Tätigkeiten auftretenden Gefahren sowie über die Maßnahmen zu ihrer Abwendung vor der Beschäftigung und danach in angemessenen Zeitabständen, mindestens jedoch einmal jährlich, zu unterweisen. Die Unterweisung muss auch Maßnahmen sowie das Verhalten im Gefahrfalle einschließen. Die Unterweisung muss jedoch, um wirksam zu werden, dem Arbeitsplatz, dem Arbeitsumfang und dem Verständnis der Beschäftigten angepasst sein. 4. Brandmeldeanlagen: Sollen Menschen rechtzeitig gewarnt und in Sicherheit gebracht werden, wenn wertvolle Einrichtungen zu schützen sind, lässt sich dieses Ziel in der Regel nur mit Frühwarnsystemen erreichen. Bewährt haben sich Frühwarnsysteme, die verschiedne Alarmfunktionen erfüllen, z. B. Melden und Alarmieren, Schließen der Brandschutztüren, Öffnen von Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, Auslösen von Löschvorrichtungen. Brandmeldeanlagen können die Entdeckungszeit klein halten. Merkmale für das Erkennen und Beurteilen von Bränden sind Rauch, Flammen und Wärmeentwicklung. Deshalb sind selbsttätig arbeitende Branddetektoren so gebaut, dass sie auf diese Anzeichen reagieren. Zuverlässiger Alarm im Brandfalle wird beispielsweise erreicht durch die richtige Auswahl der Melder, das Ausschließen von Fehlalarm und die schnellstmögliche Reaktion auf den Alarm. 5. Brandbekämpfung: Der Löschangriff durch gut ausgebildete und in der Brandbekämpfung erfahrene Mitarbeiter wird in der Regel dann erfolgreich sein, wenn die Interventionszeit genügend kurz gehalten werden kann. Nicht immer sind diese Voraussetzungen erfüllt, vor allem nicht während der Betriebsruhe, z. B. nachts und an Wochenenden. Deshalb kann es zweckmäßig sein, bestimmte Bereiche mit besonders hoher Wertkonzentration mit selbsttätig arbeitenden Löschanlagen auszurüsten, z. B. Datenverarbeitungsanlagen. 6. Feuerlöscher: Das beste Gerät nützt nichts, wenn niemand mit ihm umgehen kann. Mindestens einmal jährlich muss daher eine ausreichende Anzahl geeigneter Betriebsangehöriger in der Wirkungsweise und Handhabung der Feuerlöscher praktisch unterwiesen werden. Dafür verwendet man zweckmäßigerweise Löscher mit älteren Füllungen. Im Ernstfall kommt es vor allem auf Schnelligkeit und richtige Löschtaktik an. Ein kurzer Blick auf die Gebrauchsanleitung, die auf jedem Feuerlöscher angegeben ist, kann nicht schaden. Beim Löschen ist zu beachten: -
Den Brand mit dem Wind im Rücken bekämpfen. Nicht in den Brand hineinspritzen, sondern von vorn nach hinten löschen.
-
Nicht in den Rauch spritzen, sondern von unten nach oben ablöschen.
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Ruhende brennende Flüssigkeiten nicht mit vollem Strahl auseinander treiben, sondern Löschwolke über den gesamten Brandherd legen.
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Bei Entstehungsbränden größeren Umfangs Löscher nicht nacheinander, sondern gleichzeitig einsetzen.
-
Bei Bränden geringeren Umfangs Löschmittel nicht nutzlos verspritzen, sondern schussweise einsetzen; Löschmittelreserve für den Fall des Wiederentflammens aufbewahren.
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Tote Winkel und Ecken im Bereich des Brandherdes auf Glutnester kontrollieren, damit der Brand sich nicht wieder entwickeln kann. 7. Verhalten im Brandfall: Panik und Fehlhandlungen sind die gefährlichsten Begleiterscheinungen eines Brandes. Ihnen kann begegnet werden durch die Vorbereitung auf die Brandsituation, die gedankliche und praktische Beschäftigung mit dem Problem und die wiederholte Übung der Alarmierung, Brandbekämpfung und der geordneten Flucht. Im Brandfall sind die Vorgesetzten, die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die Brandschutzbeauftragten und die Sicherheitsbeauftragten aufgerufen, die Lage zu beurteilen, die erforderlichen Entscheidungen zu treffen, Aufregung und Panik zu ver-
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Aufgaben
meiden, das rasche und geordnete Verlassen der gefährdeten Bereiche zu organisieren, Lösch-, Rettungs- und Bergungsmaßnahmen zu unterstützen. Die anderen Mitarbeiter müssen den Anordnungen Folge leisten, ruhig und zügig den Brandort verlassen und zum Sammelplatz gehen, Lösch-, Rettungs- und Bergungsmaßnahmen nicht behindern sondern erforderlichenfalls unterstützen. 8. Betriebsbegehung als Brandschutzmaßnahme: Eine Betriebsbegehung zur Kontrolle der Brandschutzmaßnahmen ist regelmäßig, mindestens jedoch in Abständen von zwei Jahren, durchzuführen. Dabei sollen alle zum Betrieb gehörenden Gebäude und Gebäudeteile, alle Anlagen und Einrichtungen besichtigt werden. Ziel ist, Schwachstellen zu entdecken und Ansammlungen brennbarer Stoffe außerhalb der dafür bestimmten Lager und Behältnisse aufzufinden. An dieser BrandschutzBetriebsbegehung sollen die für den Brandschutz im jeweiligen Bereich direkt oder indirekt zuständigen Personen teilnehmen (Betriebsleiter, Betriebsrat, Fachkraft für Arbeitssicherheit, zuständiger Sicherheitsbeauftragter, Vertreter der Feuerwehr, Brandschutzbeauftragter). Über das Ergebnis dieser Betriebsbegehung wird ein schriftlicher Bericht erstellt. Die aufgeführten Mängel sind unverzüglich zu beseitigen.
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Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
3.1 Ein folgenreiches Einstellungsgespräch
Lösungen ab Seite 270
Gerhard Langer, Schalterangestellter bei der Isar Bank-AG in München, erhielt vor etlichen Jahren wegen einer Verkehrsstraftat (Trunkenheit) eine Geldstrafe. Da er bei seiner Einstellung nicht danach gefragt worden war, machte er hierzu auch keine Angaben. Zwischen ihm und seinem Vorgesetzten hatte sich auf Grund persönlicher Differenzen ein gespanntes Verhältnis entwickelt. Als sein Vorgesetzter von dieser Bestrafung erfuhr, drängte dieser den Personalleiter, er solle wegen dieses Vorfalles das Arbeitsverhältnis von Herrn Langer beenden. Aufgabe Herrn Langers Tätigkeit und Verhalten bei der Isar Bank-AG waren ohne jeden Tadel. Welche Möglichkeiten hätte die Isar Bank-AG, das Arbeitsverhältnis zu beenden? INFO Auszug aus der Arbeitsordnung der Isar Bank-AG: 1.2 Einstellung Der vollständig und wahrheitsgemäß ausgefüllte Personalbogen ist eine wichtige Unterlage für die Einstellungsentscheidung. Wesentliche Angaben, die vor der Einstellung verschwiegen oder unrichtig angegeben wurden, berechtigen die Bank zur sofortigen Lösung des Arbeitsverhältnisses. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 119, 123, 142, 626 BGB. Auszug aus »Übersicht über das Recht der Arbeit« Die Anfechtung bewirkt im Allgemeinen die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages vom Zugang der Anfechtungserklärung beim Vertragspartner an. Bis dahin ist das Arbeitsverhältnis voll wirksam, sodass z. B. Lohn- und Urlaubsansprüche für die Vergangenheit bestehen bleiben. In der Praxis ist der wichtigste Anfechtungsgrund der Irrtum über solche Eigenschaften des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers, die im Arbeitsleben als wesentlich angesehen werden. Diese wesentliche Eigenschaft liegt in der Regel nur dann vor, wenn sie den Arbeitnehmer für die vorgesehene Stelle objektiv ungeeignet erscheinen lässt (z. B. mehrfach wegen Unterschlagung Vorbestrafter wird als Kassierer eingestellt). Wer durch arglistige Täuschung zum Abschluss des Arbeitsvertrages bestimmt worden ist, kann ihn anfechten. Die Täuschung, also die Hervorrufung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums muss vorsätzlich erfolgt sein. Die Täuschung kann im Vorspiegeln falscher Tatsachen bestehen. Wer z. B. im Vorstellungsgespräch bei der Bewerbung um eine Kassiererstelle sich auf Befragen als nicht vorbestraft bezeichnet, obwohl er im Vorjahr wegen Unterschlagung rechtskräftig (z. B. zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten) verurteilt worden ist, täuscht den Arbeitgeber vorsätzlich und damit arglistig. Das bewusste Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine arglistige Täuschung dar, wenn gegenüber dem Vertragspartner eine Aufklärungspflicht bestand. Beim Einstellungsgespräch braucht der Arbeitnehmer auf Vorstrafen von sich aus nicht hinzuweisen.
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Aufgaben
Wichtiger Grund: Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung ist jeder Grund, der dem Kündigenden
die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin nach Treu und Glauben unzumutbar macht. Dabei darf das Verhalten des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur im Zusammenhang mit der bisherigen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses und den gesamten Umständen des Einzelfalles. Die fristlose Kündigung muss die unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio) für den Kündigungsberechtigten sein.
3.2 Darf der Arbeitgeber Einfluss auf die Kleidung seiner Mitarbeiter nehmen? Der Anlageberater der Isar Bank-AG, Christian Schreiber, erschien Anfang September mit einer modischen Bundfaltenhose eines bekannten Herrenausstatters und einem Sporthemd (mit dem »grünen Krokodil«) zum Dienst. An seinem Arbeitsplatz wurde Herr Schreiber von seinem Zweigstellenleiter angesprochen, er habe am nächsten Arbeitstag mit Jackett und Krawatte seinen Dienst anzutreten. Herr Schreiber erwiderte selbstbewusst, schließlich sei es in einer freiheitlichen Gesellschaft seine Angelegenheit, wie er sich kleiden möchte. Sein Vorgesetzter wies ihn nun darauf hin, dass er bei einer weiteren Weigerung mit einer Abmahnung rechnen müsse. Aufgaben a) Prüfen Sie, wo Herr Schreiber etwas zur Verteidigung seines Standpunktes finden könnte! b) Untersuchen Sie die vorliegenden Texte daraufhin, ob Herr Schreiber der Weisung seines Vorgesetzten nachkommen muss! c) Welche Folgen könnten sich für Herrn Schreiber ergeben, wenn er der Weisung nicht nachkommt? INFO Auch die Kleidung der Mitarbeiter ist Unternehmenskultur Manchmal entscheidet in den Banken der äußere Eindruck / Von Annette Klage LANGGÖNS. Viel Zeit und Geld wird in die fachliche Qualifikation der Bankmitarbeiter investiert. In vielfältiger Weise wird dabei das Verkäufer- und Verhandlungsgeschick sowie die Kommunikationsfähigkeit trainiert. Doch daneben entscheidet auch das individuelle Auftreten über Erfolg oder Misserfolg im Kundengeschäft der Banken. Einige branchenbedingte Standards sind für das persönliche Erscheinungsbild dabei von besonderer Bedeutung: Das Bankgeschäft ist besonders von Seriosität und Vertrauen geprägt. Der Banker zeichnet sich deshalb durch eine zeitlose klassische bis konservative Kleidung aus, die selbstverständlich nicht auf einen feinen modischen Touch verzichten muss. Auch wenn heutzutage teilweise mit Widerwillen getragen, kann bereits die Krawatte als obligatorisches Muss hier erste Akzente setzen. Bankmitarbeiter, die immer noch zur Lederkrawatte und zu den weißen Tennissocken greifen, dürften bei ihrem Arbeitgeber nicht immer auf ungeteilte Zustimmung stoßen. Sicherlich sind klassische Muster wie Streifen, feine Punkte oder Paisleys, in unaufdringlichen Farben gehalten, der dunkle Anzug oder die dezente Kombination willkommener. Gleiches gilt auch für Seidentücher, Schleifen oder Einstecktücher, die die Mitarbeiterinnen tragen. Schrille Farben, auffällige Muster oder wilde Motivkompositionen gehören wahrscheinlich eher in den Freizeitbereich. Frauen tragen gerne Schmuck. Doch auch hier werden die Banken Zurückhaltung begrüßen, ganz besonders bei den Mitarbeitern. Eine modische Uhr oder die Krawattennadel tun es auch. Für die Kundenbetreuer am Schalter sollte das Rauchen, der Kaugummi oder andere Naschereien außerhalb jeglicher Diskussion stehen. Ob bei hochsommerlichen Temperaturen offene oder kurzärmelige Hemden sowie superkurze Miniröcke angebracht sind – das wird von Institut zu Institut unterschiedlich gehandhabt werden. Beim außerhäuslichen Kundenbesuch ist der Bankmitarbeiter mit dem zeitlosen Trenchcoat oder dem leichten Wollmantel nie falsch beraten. Gegen das Bestreben, dem Kundengespräch eine persönliche Note zu geben, ist dann etwas einzuwenden, wenn es um die Verwendung von Düften geht. Doch Eau de Toilette und Parfüm sollten sparsam aufgetragen werden. Weniger ist hier mehr. Die gleiche Devise gilt auch für das Make-up. Grelle Farben, Glimmer und auffällige Schminktechniken dienen kaum dem gewünschten seriösen Auftritt. Allerdings: Der gute Eindruck wird dann sehr schnell zerstört, wenn die Pflege von Kleidung und Schuhen, der Fingernägel oder gar der Frisur vernachlässigt wird. Die diesbezügliche Kontrolle hat hier nichts mit übertriebener Eitelkeit zu tun.
aus: Blick durch die Wirtschaft, Nr. 192, 12. Oktober 1993
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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Auszug aus dem Arbeitsvertrag von Herrn Schreiber III. Pflichten des Angestellten, Nr. 2. Er hat seinem Vorgesetzten Gehorsam und Achtung zu erweisen, (...) er hat sich innerhalb und außerhalb des Betriebes anständig und ordentlich zu betragen, Nr. 4, er hat die berechtigten Belange des Betriebes zu wahren. Auszug aus der Arbeitsordnung der Isar Bank-AG Allgemeine Grundsätze III. Aufgabe jedes Mitarbeiters ist es, für die Interessen der Bank einzutreten und alles zu vermeiden, was der Bank schaden, die innerbetriebliche Ordnung stören sowie das Ansehen der Bank herabsetzen bzw. schädigen könnte. Auszug aus dem Grundgesetz Art. 2 (1). Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, so weit er nicht die Rechte anderer verletzt und gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (...) Auszug aus »Übersicht über das Recht der Arbeit« Nebenpflichten des Arbeitnehmers, die so genannte »Treuepflicht«: Es ist die Pflicht des Arbeitnehmers, seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen, seine Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm auf Grund seines Arbeitsvertrages und seiner Stellung im Betrieb zur Währung der auf den Betrieb bezogenen Interessen des Arbeitgebers und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes billigerweise verlangt werden kann. Abmahnung: Eine Mahnung bereitet die Kündigung nur vor, soll aber primär dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben, sich künftig vertragsgerecht zu verhalten. Zu diesem Zweck ist ihm deutlich zu machen, dass weitere Verstöße nicht ohne Folgen für das Vertragsverhältnis bleiben werden. (Vgl. Reichel, M., Handelskammer für München und Oberbayern, Manuskript Abmahnung) Die Abmahnung verfolgt daher zunächst den Zweck, den Vorfall für den Arbeitgeber zu dokumentieren. Daneben kommt der Abmahnung auf der einen Seite Erinnerungs- und Ermahnungsfunktion, auf der anderen Seite Ankündigungs- und Warnfunktion zu. Sie hat jedoch darüber hinaus keine weiter gehende Sanktionsfunktion.
3.3 Wer haftet für Fehlbeträge in der Kasse? Martin Sandig ist seit mehr als 12 Jahren als Kassierer sehr pflichtbewusst bei der Isar Bank-AG in München beschäftigt. Er ist in Tarifgruppe 5 eingestuft. Seine Tätigkeit führt Herrn Sandig im Kassenraum allein aus. Am Freitag, den 30. September (Ultimo), steht um 14.45 Uhr eine lange Reihe von Kunden an seiner Kasse. Es sind überwiegend Arbeiter und Angestellte, die von Girokonten größere und kleinere Beträge abheben. Zudem wurden in den Medien tags zuvor Kontennummern angegeben, um für Spenden der Bosnien-Hilfe Einzahlungen vornehmen zu können. Dies hatte die Zunahme von Einzahlungen kleinerer Beträge zur Folge. Vor dem Bankgebäude fanden den ganzen Tag über Bauarbeiten statt. Nach Schalterschluss stellte Herr Sandig fest, dass ein Kassenfehlbetrag zwischen seinem Buchbestand und dem tatsächlichen Kassenbestand in Höhe von 50,00 EUR vorlag. Aufgabe a) In seinem Arbeitsvertrag und dem gültigen Tarifvertrag findet Herr Sandig hierüber nichts. Stellen Sie fest, wer für den Kassenfehlbetrag (Kassenmanko) aufzukommen hat, und geben Sie eine Begründung an.
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Aufgaben
INFO Auszug aus »Übersicht über das Recht der Arbeit« Grundsätzlich haftet der Arbeitnehmer für jeden Schaden, den er dem Arbeitgeber durch schuldhafte (meist fahrlässige) Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten zufügt. Trifft den Arbeitgeber ein Mitverschulden, so ist dies zu berücksichtigen, § 254 BGB. Seit langem ist anerkannt, dass eine volle Haftung des Arbeitnehmers für jede kleine Unachtsamkeit im Laufe eines oft Jahrzehnte dauernden Arbeitsverhältnisses zu ungerechten Ergebnissen führen würde. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes war eine Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem allgemeinen Schadenersatzrecht, nach dem der Schädiger für jeden schuldhaft (also vorsätzlich oder fahrlässig) verursachten Schaden dem Geschädigten voll haftet und nur ein Mitverschulden des Geschädigten seinen Schadenersatzanspruch einschränkt, nur für so genannte »gefahrgeneigte Arbeiten« möglich (Aus: Grassl, G., Wofür muss der Mitarbeiter gerade stehen? Die endlich geklärte Frage der Arbeitnehmerhaftung, Personal, Heft 9/1994, S. 450) Gefahrgeneigte Arbeit = (spielt noch eine Rolle bei der Schadensaufteilung) Die Tätigkeit bringt infolge ihrer Eigenart eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit mit sich, dass dem Arbeitnehmer ein Versehen unterläuft, auch wenn er die allgemein gebotene Sorgfalt anwendet.
oder
Es besteht die Gefahr, dass der durch ein Versehen verursachte Schaden außergewöhnlich groß ist und in keinem Verhältnis zum Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers steht.
Es kommt entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an. Gefährliche Arbeit muss nicht gleichzeitig gefahrgeneigt sein. Für Gefahrneigung ist der Arbeitnehmer beweispflichtig! Beispiele für Tätigkeiten, die typischerweise gefahrgeneigt sind: Kraftfahrer Lokomotive, Straßenbahn-, Kranführer Baumaschinenführer Arbeitnehmer mit starker Überlastung Arbeitnehmer, der schnell weit reichende Entscheidungen zu treffen hat Seit September 1993 gelten die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nicht mehr allein für die »gefahrgeneigten Arbeiten«, sondern für alle Arbeiten, die durch den Betrieb veranlasst sind und auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden. Begründung des Bundesarbeitsgerichtes: Auf der Seite des Arbeitgebers ist das Betriebsrisiko zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber kann Schäden, die das Betriebsrisiko mit sich bringt, nicht ohne weiteres auf den Arbeitnehmer abwälzen, weil er ihn mit der Verrichtung einer im Interesse des Betriebes zu leistenden Arbeit beauftragt hat. Da der Arbeitgeber die Erfolge des betrieblichen Geschehens für sich in Anspruch nimmt, muss er für die mit dem betrieblichen Geschehen verbundenen Risiken einstehen. Das Betriebsrisiko bezieht sich auf die Gefährlichkeit der Produktion und der hergestellten Produkte. Der Haftungs- bzw. Mithaftungsgrund des Arbeitgebers ergibt sich darüber hinaus aus seiner tatsächlichen Organisations- und Personalhoheit und der rechtlichen Gestaltung der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers. Dies rechtfertigt es, dem Arbeitgeber auch das Organisationsrisiko als Element des allgemeinen Unternehmerrisikos aufzubürden. Die Haftung des Arbeitnehmers (auch des Auszubildenden) ist für alle Arbeiten, die durch den Betrieb veranlasst sind, wie folgt beschränkt: (Vgl. Grassl, G., a. a. O., S. 450): Haftungserleichterungen für Arbeitnehmer nach dem Grundsatz des innerbetrieblichen Schadenausgleichs
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
Schaden wurde vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt
Schaden wurde mit mittlerer Fahrlässigkeit (normale Schuld) herbeigeführt
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voller Schadenersatz durch Arbeitnehmer. Ausnahmsweise erfolgt bei grob fahrlässigem Handeln des Arbeitnehmers eine Haftungsbegrenzung, wenn die Existenzgrundlage gefährdet ist. Teilung des Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wobei die Gesamtumstände von Schadensanlass und Schadensfolgen nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten im Rahmen des § 254 BGB (Abb. 4) gegeneinander abzuwägen sind (BAG v. 24. November 1987 = BB 88/1466) Kriterien: Größe der Gefahr nach Häufigkeit und Schwere, Voraussehbarkeit des Schadens, Monotonie, Unternehmerrisiko, Fehlerquote, Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Stellung, Eigenverantwortlichkeit, Entgelthöhe
Schaden wurde nur leicht fahrlässig (geringe Schuld) herbeigeführt
Arbeitgeber trägt Schaden allein
Diese Regeln gelten sowohl für Schäden, die unmittelbar dem Arbeitgeber entstehen als auch der Arbeitnehmer bei Dritten verursacht. Quelle: Grassl, G., a. a. O., S. 450
Bei der Frage der Schadenersatzpflicht ist der Reihe nach zu prüfen: (Grassl, G. a. a. O., S. 450/451) 1. Hat der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt? Beispiele für Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis: a) Verzug, §§ 280 II, 286 BGB b) §§ 280 I, 241 II: Der Arbeitnehmer schuldet Schadenersatz wegen schuldhafter Schlechterfüllung. Beispiel: Kraftfahrer beachtet Verkehrsregeln nicht 2. Hat der Arbeitnehmer diese Pflichtverletzung zu vertreten? (Frage der Schuld) 3. Ist ein Schaden entstanden? Welcher? Schadenshöhe? 4. Besteht zwischen der Pflichtverletzung des Arbeitnehmers und dem Schaden ein ursächlicher Zusammenhang? Die Gefahrgeneigtheit spielt künftig nur noch eine Rolle bei der Schadensteilung bei mittlerer Fahrlässigkeit. Als Kriterien für die Schadensteilung nennt das Bundesarbeitsgericht: -
ein vom Arbeitgeber einkalkulierbares und durch Versicherung abdeckbares Risiko
-
die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb
-
die Höhe seines Arbeitsentgeltes
-
persönliche Umstände, wie Dauer der Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse sowie das bisherige arbeitsvertragliche Verhalten.
Mögliche Verschuldensgrade § 276 Abs. 1 BGB: Der Schuldner hat Vorsatz und Fähigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses (...) zu entnehmen ist.
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Aufgaben
vorsätzlich
mit Wissen und Wollen des dann eintretenden Schadens
bedingt vorsätzlich
Voraussehen des Schadens als möglich und für den Fall eines Eintritts billigendes oder bewusstes Inkaufnehmen
grob fahrlässig
Außerachtlassen der im Verkehr (objektiv) erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem, ungewöhnlich großem Maß (vgl. Legaldefinition in § 45 II Nr. 3 SGB-X) „Der ist ja von allen guten Geistern verlassen“
mittlere (normale) Fahrlässigkeit (mittleres Verschulden)
Außerachtlassen der im Verkehr (objektiv) erforderlichen Sorgfalt (§ 276 I 2 BGB) „So etwas darf nicht passieren“
leichte(ste) Fahrlässigkeit (geringe Schuld)
kleine Unachtsamkeit „Das kann schon mal passieren“
Beispiele für grob fahrlässiges Verhalten: (Quelle: Grassl, G., a. a. O., S. 450) - Fahren ohne Fahrerlaubnis - Alkoholgenuss über Promillegrenze - Verschwiegenes Fehlen von Fahrpraxis - Geschwindigkeitsüberschreitungen in hohem Maß - Häufung von gerügten Fehlleistungen - Missachtung von Verkehrszeichen/Rotlicht überfahren - Vorfahrtsverletzung - Unvorsichtiges Überholen - Übermüdung Aufgabe b) Es liegt der gleiche Sachverhalt wie in Situation a) vor. Die folgende Mankovereinbarung ist Gegenstand von Herrn Sandigs Arbeitsvertrag. Prüfen Sie, ob die Mankovereinbarung vom 01. März wirksam ist und ob Herr Sandig für den Fehlbetrag haftet. Isar Bank-AG Aktiengesellschaft München Manko-Vereinbarung Im Rahmen Ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung obliegt Ihnen die alleinverantwortliche Führung der Kasse. 1. Sie übernehmen auf Grund einer in Ihrer Gegenwart durchgeführten Bestandsaufnahme den festgestellten Kassenbestand und übergeben bei Übertragung der Kasse auf einen Kollegen in gleicher Weise die Kasse. Diese Bestandsaufnahme ist für Sie und uns verbindlich. Wir sind berechtigt, darüber hinaus eine Bestandsaufnahme zu beliebiger Zeit, auch außerhalb der regelmäßigen Bestandsprüfungen, vorzunehmen. 2. Sie haften im Rahmen Ihrer Mankohaftung für alle Bestandsverluste, sofern Sie nicht beweisen, dass diese auch bei Anwendung größter Sorgfalt unvermeidbar waren. Dies gilt auch, sofern der Fehlbestand durch Verschulden anderer Mitarbeiter entstanden ist, die unter Ihrer Leitung in der Kasse arbeiten. 3. Als Ausgleich für die Übernahme der Mankohaftung erhalten Sie eine monatliche Mankovergütung von brutto 30,00 EUR. 4. Die vorliegende Vereinbarung ist wesentlicher Bestandteil Ihrer Anstellungsbedingungen. Wir bitten Sie, Ihr Einverständnis mit vorliegender Vereinbarung auf der Durchschrift dieses Schreibens zu bestätigen. Das Original ist für Ihre Unterlagen bestimmt. München, 01. März ISAR BANK-AG Maffeistraße 3, 80333 München
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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Schaub, G., Arbeitsrechtshandbuch, München, 2005 Ein Vertrag zur Übernahme des Mankos durch den Arbeitnehmer ist wegen der bestehenden Vertragsfreiheit wirksam, wenn er eine sinnvolle, den Eigenarten des Betriebes und der Beschäftigung angepasste Beweislastverteilung enthält oder eine vom Verschulden des Arbeitnehmers unabhängige Haftung für in seinem Arbeits- und Kontrollbereich aufkommende Fehlbeträge darstellt. Im Fall einer Mankovereinbarung ist der Arbeitgeber für die Mankovereinbarung, den Schaden und den Ursache-Wirkungszusammenhang darlegungs- und beweispflichtig. Die Mankovereinbarung kann unwirksam sein: a) Wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer durch sie übermäßig benachteiligt wird; wenn ihm für die Übernahme der Mankohaftung kein Gegenwert geleistet wird, er nicht die Möglichkeit hat, Mankoschäden wirksam zu bekämpfen. b) Wegen der Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Arbeitnehmer ein besonderes Risiko auferlegt wird, ohne dass ihm dadurch auch entsprechende wirtschaftliche Vorteile eingeräumt werden. c) Wenn sie zu einer Tarifunterschreitung führt (§ 4/III Tarifvertragsgesetz). Durch das Tarifgehalt wird grundsätzlich nur die übliche Arbeitsleistung und das übliche Haftungsrisiko abgegolten. Erhält der Arbeitnehmer kein übertarifliches Gehalt, so kann eine unzulässige Tarifunterschreitung vorliegen, wenn der Arbeitgeber im Falle des Mankos besondere Gegenansprüche erlangt. Im Wege der Auslegung der Mankovereinbarung ist zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer nur für verschuldetes Manko eintreten soll oder ob er ohne Rücksicht auf sein Verschulden haftet. Letzteres ist zu vermuten. Eine Gefährdungshaftung (Haftung ohne Verschulden) kann dann gewollt sein, wenn dem Arbeitnehmer neben der Arbeitsvergütung ein besonderes Mankogeld gezahlt wird, das dem Durchschnitt des nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge zu erwartenden Mankos entspricht. Auch im Falle einer Mankoabrede trifft den Arbeitnehmer keine Haftung für natürlichen Warenschwund. Vereinbart werden können auch »Mankospannen«, durch die die Höhe des natürlichen Schwundes verbindlich festgelegt wird, sodass eine Haftung des Arbeitnehmers entfällt, wenn sich das Manko innerhalb dieser Spanne bewegt. (Vgl. Blomeyer, Münchner Handbuch Arbeitsrecht Bd. 1, Individualarbeitsrecht 1, München 1992, § 57, Rz. 76.)
3.4 Ein Auszubildender will streiken Rolf Schlötter ist gewerkschaftlich organisierter Auszubildender bei der Isar Bank-AG in München. Die Isar Bank-AG gehört dem entsprechenden Arbeitgeberverband an. In Bayern finden gerade Tarifverhandlungen zwischen dem Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e. V. und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen um einen neuen Gehaltstarifvertrag statt. Der Arbeitgeberverband hat die überzogenen Gehaltsforderungen als Gift für die sich entwickelnde Konjunktur bezeichnet und rundherum abgelehnt. Die Friedenspflicht1 ist bereits abgelaufen. Die zuständige Gewerkschaft ruft die Beschäftigten des Bankgewerbes, auch die Auszubildenden, zu kurzen, zeitlich befristeten Arbeitsniederlegungen auf. Für die Auszubildenden sollen dadurch höhere Ausbildungsvergütungen durchgesetzt werden. Zahlreiche Kollegen in Rolfs Abteilung nehmen an den Arbeitskampfmaßnahmen teil. Auch Rolf will dies tun, er wird aber von seinem Ausbildungsleiter eindringlich ermahnt, eine Teilnahme an solchen Maßnahmen könnte sehr ernste Folgen für ihn haben.2 1 2
Die Friedenspflicht einzuhalten bedeutet, dass die Tarifvertragsparteien während der Laufzeit eines Tarifvertrages nicht versuchen dürfen, neue Forderungen mit Kampfmaßnahmen durchzusetzen. Fall abgeändert aus Berners, G., 45 Klausuren aus dem Arbeitsrecht, Neuwied 1989, S. 44, S. 116
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Aufgaben
Aufgaben a) Prüfen Sie, welche Art von Streik hier vorliegt! b) Erläutern Sie, ob Rolf rechtmäßig an diesem Streik teilnehmen kann! c) Wie wäre die Situation zu beurteilen, wenn sich der Streik über mehrere Wochen erstrecken würde? Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 § 10 Abs. 2 und § 17 BBiG sowie Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes. INFO Rechtmäßigkeit eines Streikes: Der Streik steht unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit, d. h. er muss in seiner Zielsetzung und Durchführung die wirtschaftlichen Möglichkeiten berücksichtigen, das Gemeinwohl darf nicht offensichtlich verletzt sein. - Der Streik muss zur Erreichung rechtmäßiger Kampfziele geeignet und sachlich erforderlich sein. Er darf nur als letztes Mittel ergriffen werden, vorher ist i. d. R. ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. - Der Streik muss nach den Regeln eines fairen Kampfes geführt werden und darf nicht auf die Vernichtung des Gegners abzielen. Gewerkschaftliche Streiks: Träger des Streiks können nur Gewerkschaften sein. Tarifbezogene Streiks: Streiks müssen den Abschluss eines Tarifvertrages zum Ziel haben. Friedenspflicht: Streiks, die sich gegen einen noch geltenden Tarifvertrag richten, sind wegen des Verstoßes gegen die Friedenspflicht unzulässig. Warnstreik: Beim Warnstreik handelt es sich um einen Unterfall der üblichen Arbeitsniederlegung von Arbeitnehmern in Form eines Streikes, nämlich eine kurze Arbeitsniederlegung in einem Betrieb in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit laufenden Tarifverhandlungen. (Vgl. BAG, in: NJW 1977, S. 1079ff.) Auszug aus dem Berufsausbildungsvertrag: §4 Der Auszubildende hat sich zu bemühen, die Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, die erforderlich sind, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Er verpflichtet sich insbesondere 1. Lernpflicht: die ihm im Rahmen seiner Berufsausbildung übertragenen Vorrichtungen und Aufgaben sorgfältig auszuführen 3. Weisungsgebundenheit: den Weisungen zu folgen, die ihm im Rahmen der Berufsausbildung vom Ausbildenden, vom Ausbilder erteilt werden; Auszug aus dem Tarifvertrag für das private Bankgewerbe, gültig ab 01. Dezember 2007 § 3: Vergütungen für Auszubildende Die Ausbildungsvergütungen im 1. Ausbildungsjahr betragen ab 1. Juli monatlich: im 2. Ausbildungsjahr
750,00 EUR 810,00 EUR
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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3.5 Der Sachbearbeiter Berger kommt nicht zur Arbeit Karl Berger ist Angestellter der Isar Bank-AG in München. Er wohnt in Hattenhofen, einem kleinen Dorf ca. 37 km westlich von München, Herr Berger hat keinen Führerschein. Am 04. Januar konnte er seinen Dienst nicht antreten, weil durch einen sehr starken Schneefall der Omnibus- und Taxiverkehr eingestellt wurde. Der S-Bahnverkehr war durch starke Schneeverwehungen blockiert. Bei der Durchsicht seiner Gehaltsabrechnung musste Herr Berger feststellen, dass er für den besagten Tag keine Gehaltsvergütung erhalten hat. Er findet dies ungerecht, schließlich konnte er ja nichts für den Schneefall. Eine Prüfung seines Arbeitsvertrages, des Tarifvertrages und seiner Arbeitsordnung ergibt nichts. Herr Berger weiß, dass beim Fehlen arbeitsvertraglicher oder kollektivrechtlicher Regelungen die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu prüfen sind. Aufgabe Prüfen Sie, ob der Abzug der Gehaltsvergütung für diesen Tag berechtigt war! INFO Auszug aus dem BGB, Recht der Schuldverhältnisse § 611 (Wesen des Dienstvertrages) (1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. § 612 (Vergütung) (1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. § 614 (Fälligkeit der Vergütung) Die Vergütung ist nach der Leistung der Dienste zu entrichten. Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach dem Ablaufe der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten. § 275 (Ausschluss der Leistungspflicht) (1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. (4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326. § 276 (Verantwortlichkeit des Schuldners) (1) 1Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus em sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. 2Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung. (2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. § 326 (Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt beim Ausschluss der Leistungspflicht.) (1) 1Braucht der Schuldner nach §275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. 2Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht. (2) 1Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. 2Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. § 616 (Vorübergehende Verhinderung) (1) Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruches auf die Vergütung nicht (d. Verf.) dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht (d. Verf.) erhebliche Zeit durch einen in seiner Person (d. Verf.) liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.
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Aufgaben
Auszug aus »Übersicht über das Recht der Arbeit« Lohnzahlung ohne Arbeit
Der Arbeitsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag: Der Arbeitgeber zahlt den Lohn, damit der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringt – und umgekehrt. Daraus folgt grundsätzlich, dass ohne Arbeit kein Lohn zu zahlen ist. Freilich ist der Arbeitsvertrag nicht irgend ein gegenseitiger Austauschvertrag, wie etwa ein Kaufvertrag, sondern ein Vertrag mit starkem persönlichen und sozialen Bezug. Grundsätzlich sind die Vorschriften des Leistungsstörungsrechtes des allgemeinen Schuldrechtes anzuwenden. Wegen des sozialen und persönlichen Bezuges des Arbeitsvertrages haben Gesetzgeber und Rechtsprechung deshalb den Grundsatz »Ohne Arbeit keinen Lohn« mit zahlreichen Einschränkungen versehen, z. B. Lohnzahlung bei Krankheit, z. B. Lohnzahlung bei sonstigen persönlichen Hinderungsgründen. Bei allen Arbeitnehmern bleibt der Lohn- oder Gehaltsanspruch nach § 616 BGB erhalten, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist. Voraussetzung für den Anspruch auf Gehaltszahlung ist zunächst ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Verhinderungsgrund, der die Arbeit zwar nicht notwendig unmöglich, aber doch nach Treu und Glauben nicht zumutbar macht (z. B. Tod des Ehegatten). Schlechte Witterungsverhältnisse (Glatteis, Schneeverwehungen), Zusammenbruch der öffentlichen Verkehrsmittel, behördliches Fahrverbot wegen Smogalarm oder Demonstrationen sind grundsätzlich keine in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründe, sodass kein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht.
3.6 Wer zahlt das Gehalt einer Angestellten bei ihrem Fernbleiben wegen der Erkrankung ihres Kindes? Sonja Mahler, 26 Jahre alt, allein erziehend, Schalterangestellte der Isar Bank-AG, hat eine dreijährige Tochter. Susi geht ganztags in den Kindergarten. Dort treten Fälle von Masern auf, auch Susi erkrankt. Frau Mahler ist um ihre Tochter sehr besorgt, sie benötigt 4 Arbeitstage, bis sie eine Pflegekraft findet, in diesem Zeitraum pflegt sie ihre Tochter daheim. Unter § 3 ihres Arbeitsvertrages wird auf die Anwendbarkeit tarifvertraglicher Regelungen verwiesen. Aufgabe Wie wirken sich die 4 Arbeitstage auf die Gehaltsansprüche von Frau Mahler aus? Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die § 16 MTV (Banken), § 45 SGB V und § 616 BGB. INFO Auszug aus der Arbeitsordnung der Isar Bank-AG 1.1 Grundlagen des Arbeitsverhältnisses, arbeitsrechtlicher Rahmen und Beginn des Arbeitsverhältnisses. Neben den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, dem Tarifvertrag für das private Bankgewerbe, der geltenden Betriebsvereinbarung und dem mit dem Mitarbeiter abgeschlossenen Arbeitsvertrag ist die Arbeitsordnung für das Arbeitsverhältnis maßgebend.
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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Auszug aus »Übersicht über das Arbeitsrecht«: Lohnzahlungen bei sonstigen persönlichen Hinderungsgründen Bei allen Arbeitnehmern bleibt der Lohn- oder Gehaltsanspruch nach § 616 BGB erhalten, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist. Voraussetzung für den Anspruch auf Gehaltszahlung ist zunächst ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Verhinderungsgrund, der die Arbeit zwar nicht notwendig unmöglich, aber durch Treu und Glauben nicht zumutbar macht (z. B. Tod des Ehegatten). Bei der Erkrankung eines im Haushalt lebenden Kindes unter 8 Jahren hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil v. 19. April 1978) entschieden, dass bis zu 5 Tagen der Anspruch auf Lohn bestehen bleibt, wenn die Pflege oder Betreuung durch den Arbeitnehmer nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, weil eine andere im Haushalt des Arbeitnehmers lebende Person hierfür nicht zur Verfügung steht. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so ist die vertragsgemäße Vergütung zu zahlen. Im Gegensatz zu den Vorschriften über die Lohn- oder Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall kann von diesem gesetzlichen Grundsatz (»Generalklausel«) aber durch Tarifvertrag oder Einzelarbeitsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden, was häufig geschieht.
3.7 Die Auszubildende Gertrud Seger ist mit ihrer Ausbildungsvergütung nicht einverstanden Gertrud Seger, 19 Jahre alt, hatte mit der Bauspar AG in München am 01. September 2007 einen Berufsausbildungsvertrag als Bürokauffrau abgeschlossen. Die Ausbildung sollte am 31. August 2010 enden. Unter Punkt e) des von der IHK herausgegebenen Formularausbildungsvertrages hieß es, »der Ausbildende zahlt der Auszubildenden eine angemessene Vergütung. Sie beträgt monatlich brutto im 1. Ausbildungsjahr 2. Ausbildungsjahr 3. Ausbildungsjahr
475,00 EUR 525,00 EUR 618,00 EUR
Der im Ausbildungsvertrag danach folgende Satz, »so weit Vergütungen tariflich geregelt sind, gelten die tarifvertraglichen Sätze«, ist in allen Ausführungen des Vertrages durchgestrichen. Frau Segers Ausbildungsverhältnis endete am 31. Mai 2009. Sie begann bei der Isar Bank-AG eine neue Ausbildung. Hier erhielt sie neben besseren Ausbildungsbedingungen auch eine weitaus höhere Ausbildungsvergütung. Die von der Bauspar AG bisher bezahlte Ausbildungsvergütung erschien Frau Seger als viel zu niedrig. Aufgabe Prüfen Sie, ob Frau Seger noch Ansprüche gegen die Bauspar AG in München geltend machen kann! Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 17 und 25 BBiG sowie §§ 134, 195 und 199 BGB. INFO Auszug aus dem Tarifvertrag für das Bankgewerbe Anzuwenden auf Arbeitsverhältnisse aller im Bankgewerbe tätigen Arbeitnehmer, einschließlich der Auszubildenden: Laufender Gehaltstarif für das Bank- 1. Ausbildungsjahr: 750,00 EUR gewerbe, Vergütung im 2. Ausbildungsjahr: 810,00 EUR 3. Ausbildungsjahr: 869,00 EUR
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Aufgaben
Auszug aus dem BGB § 204 (Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung) (1) Die Verjährung wird gehemmt durch 1. die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, 3. die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren, § 209 (Wirkung der Hemmung). Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.
Auszug aus »Übersicht über das Recht der Arbeit« Zahlung einer Ausbildungsvergütung. Der Ausbildende hat dem Auszubildenden eine monatlich fällige angemessene Vergütung zu zahlen; im Übrigen haben die Vertragsparteien einen gewissen Rahmen, innerhalb dessen sie die Höhe der Vergütung festlegen können. Fehlt daher ausnahmsweise eine tarifliche Festlegung der Ausbildungsvergütung, die stets als angemessen angesehen werden kann, so ist die Ausbildungsvergütung dann angemessen, wenn sie sich in etwa an den Rahmen der tariflichen Festlegung für vergleichbare Ausbildungsverhältnisse hält. Vertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütungen sind jedenfalls dann nicht mehr angemessen im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem für den Ausbildungsbetrieb einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % unterschreiten. (Leitsatz aus dem Urteil d. BAG v. 10. April 1991 – 5 AZR 226/90. Dieses Verfahren ist Grundlage für die Fallstudie. Kritik an der Urteilsbegründung v. B. Natzel, »Zur Angemessenheit der Ausbildungsvergütung«, in: Der Betrieb, Heft 30 1992, S. 1521ff.) An die Stelle der unwirksamen treten angemessene Vergütungsbeträge, die sich nach der tariflichen Vergütung richten.
3.8 Wer trägt die Ausbildungskosten bei einem Berufsausbildungsverhältnis? Die Auszubildende Sabine Härtel, 18 Jahre alt, hatte mit der Bauspar-AG in München am 19. August 2007 einen Berufsausbildungsvertrag geschlossen. Frau Härtel hat noch zwei jüngere Geschwister, ihr Vater ist Postzusteller, ihre Mutter ist Hausfrau. Auf dem von der Industrie- und Handelskammer herausgegebenen Formularvertrag war die Ausbildungsdauer eingetragen, 1. September 2007 bis 31. August 2010. Unter § 3 des Vertrages – Pflichten des Ausbildenden – hieß es unter Nr. 5: Der Ausbildende verpflichtet sich, den Auszubildenden zum Besuch der Berufsschule anzuhalten und freizustellen. Das Gleiche gilt, wenn Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte vom Ausbildenden vorgeschrieben und zum Erreichen des Ausbildungszieles erforderlich sind. Unter § 5 – Vergütung und sonstige Leistungen – hieß es unter Nr. 3, Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte: Der Ausbildende trägt die Kosten der Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte gemäß § 3 Nr. 5, so weit sie nicht anderweitig gedeckt sind. Ist eine auswärtige Unterbringung erforderlich, so können dem Auszubildenden anteilige Kosten für Verpflegung in dem Umfang in Rechnung gestellt werden, in dem dieser Kosten einspart.
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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Am 20. August 2007 unterschrieb Frau Härtel folgende Verpflichtungserklärung der Bauspar-AG: Bauspar-AG Erklärung Hiermit verpflichte ich, Sabine Härtel, mich aufgrund der Anmeldung zu einer Ausbildungsmaßnahme des Verbandes der Bausparkassen e. V. in Bad Reichenhall, die Kosten für die Unterkunft zu zahlen. Sie werden mir in Rechnung gestellt und belaufen sich zurzeit je Folge auf 176,69 EUR. Ich habe davon Kenntnis genommen, dass der Gesamtbetrag für 4 Unterrichtsfolgen in einem halben Jahr jeweils im Voraus zu zahlen ist. München, 20. August 2007
Frau Härtel nahm an den Ausbildungsmaßnahmen des Verbandes in den Monaten Oktober, November, Januar und Februar teil. Der Verband stellte für Übernachtungs- und Verpflegungskosten eine Rechnung in Höhe von 306,78 EUR aus, die von Frau Härtel bezahlt wurde. Das Ausbildungsverhältnis mit der Bauspar-AG endete vorzeitig durch Frau Härtels Kündigung, da sie sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollte. Das Berufsausbildungsverhältnis war am 03. März 2008 beendet. Frau Härtel erschien die Gültigkeit der Verpflichtungserklärung vom 20. August 2007 zweifelhaft.1 Aufgabe a) Prüfen Sie, ob Frau Härtels Zweifel berechtigt sind! Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 662 und 670 BGB und § 19, Absatz 2 BBiG. Die Bauspar-AG lehnte den Erstattungsanspruch Frau Härtels in Höhe von 306,78 EUR mit dem Hinweis auf die unterschriebene Verpflichtungserklärung ab. Auch der zuständige Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer kam zu diesem Ergebnis. Frau Härtels Anwalt klagte vor dem Arbeitsgericht (unter Angabe von Gründen) auf Zahlung von 306,78 EUR, der Kosten für die Ausbildungsmaßnahmen in Bad Reichenhall. Das Arbeitsgericht lehnte die Klage Frau Härtels ab. Im Urteil wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreites die Berufung zugelassen. (§ 64 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz: In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Streitigkeiten kann die Berufung nur eingelegt werden, wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichtes zugelassen worden ist oder der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt. Abs. 3: Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.) Frau Härtels Anwalt riet ihr, gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Berufung einzulegen. Er meinte, die Richter hätten die betreffenden Vorschriften im Berufsausbildungsvertrag und im Berufsbildungsgesetz falsch ausgelegt. Die Richter am Landesarbeitsgericht haben der Berufung stattgegeben, d. h. die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichtes wurde abgeändert (zu den Gründen s. Lösung: 1.10, Sit. a). Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreites hat das Landesarbeitsgericht im Urteil das Rechtsmittel der Revision zugelassen. Der Rechtsanwalt der Bauspar-AG war mit dem Berufungsurteil nicht zufrieden. Er vertrat die Ansicht, dass die Richter in der Berufungsverhandlung eine Rechtsvorschrift falsch ausgelegt haben, § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG: - Nichtige Vereinbarung, Abs. (2) Nichtig ist eine Vereinbarung über - 1. die Verpflichtung des Auszubildenden für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen, (...)
1
Vgl. Rechtsstreit vor dem BAG v. 29.06.1988, 5 AZR 450/87, Daten verändert
64
Aufgaben
Die falsche Anwendung einer Gesetzesvorschrift auf einen Sachverhalt durch das Berufungsgericht ist Grund dafür, das Rechtsmittel der Revision einzulegen. In der Revisionsverhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht überprüfen die Richter das Urteil des Berufungsgerichtes nur noch auf Rechtsfehler, also auf eine falsche Anwendung des Rechtes. Das Revisionsgericht ist an den vom Landesgericht festgestellten tatsächlichen Sachverhalt gebunden. Aufgabe b) Prüfen Sie genau, w e lc h e s Tatbestandsmerkmal in § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG die Richter auszulegen haben. Welche Folgen ergeben sich für die streitenden Parteien? Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 14, 15, 19 und 25 BBiG. Entwurf BBiG Im Entwurf zum Berufsbildungsgesetz vom 14. August 1969 heißt es zu § 5, »Absatz 2 enthält eine Verbotsnorm, die auf dem Gedanken beruht, dass die finanziellen Belastungen, die dem Auszubildenden und dessen Eltern aus der Berufsausbildung erwachsen, möglichst gering zu halten sind«. BT-Drucks. V/4260, S. 7.
3.9 Die Isar Bank-AG möchte ein Berufsausbildungsverhältnis rasch beenden Martin Eibelt ist der Sohn eines sehr vermögenden Kunden der Isar Bank-AG in München. Herr Eibelt hat einen mittleren Bildungsabschluss und erhält mit seinen 21 Jahren bei der Isar Bank-AG eine Berufsausbildung zum Bankkaufmann. Im Januar des folgenden Jahres zeigte sich in den ersten drei Wochen des Berufsschulunterrichtes, dass seine Leistungen ungenügend waren, selbst in den so genannten »Lernfächern«. Auch mit der Pünktlichkeit nahm es Herr Eibelt in der Berufsschule nicht sehr genau. Die erforderliche Rücksprache seines Berufsschullehrers, Herrn Kettschau, mit der zuständigen Ausbildungsleiterin der Isar Bank-AG, Frau Direktorin Gudrun Göschl, ergab, dass auch seine Leistungen im Betrieb sehr zu wünschen übrig ließen. Die Ausbildungsleiterin der Isar Bank-AG brachte daraufhin mit einer schriftlichen Abmahnung zum Ausdruck, dass sich die Leistungen und Verhaltensweisen von Herrn Eibelt rasch deutlich verbessern müssten, damit daraus für alle Beteiligten deutlich wird, dass Martin Eibelt das angestrebte Ausbildungsziel auch ernsthaft erreichen will. Auf Drängen seines Berufsschullehrers erklärte sich Martin Eibelt einverstanden, in den bislang vernachlässigten Fächern Nachhilfeunterricht bei qualifizierten Lehrkräften zu nehmen. Daraufhin verbesserten sich seine Leistungen spürbar. Völlig unerwartet erhielt Herr Eibelt aber von seiner Ausbildungsleiterin eine zweite Abmahnung. Begründet wurde diese Maßnahme von Frau Göschl damit, dass er die leichte Verbesserung seiner Leistungen völlig überschätzt habe, dass er sich des Ernstes seiner Lage überhaupt nicht bewusst sei. Sie brachte deutlich zum Ausdruck, dass Herr Eibelt beim Ausbleiben einer deutlichen Leistungssteigerung in der nächsten Zeit mit einer Kündigung seines Berufsausbildungsverhältnisses rechnen müsse. Aufgabe Prüfen Sie, ob die Ausbildungsleiterin ihr Vorhaben gegenüber Herrn Eibelt rechtlich durchsetzen kann! Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 13, 14 und 22 BBiG.
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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Auszug aus „Übersicht über das Recht der Arbeit“ Ein wichtiger Grund zu einer fristlosen Kündigung liegt vor, wenn die Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses bis zum Ablauf der Ausbildungszeit dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unzumutbar geworden ist. Bei der Prüfung, wann dies bei einer Kündigung durch den ausbildenden Betrieb der Fall ist, muss der besondere Charakter des Berufsausbildungsverhältnisses berücksichtigt werden. Das bedeutet: Angesichts der dem Ausbildenden obliegenden erzieherischen Aufgabe ist bei Pflichtverletzungen, schlechten Leistungen, Aufsässigkeiten oder leichten Unredlichkeiten eine fristlose Entlassung des Auszubildenden erst dann zulässig, wenn trotz aller Erziehungsmaßnahmen – z. B. Abmahnung – keine Besserung eintritt oder bei ungenügenden Leistungen trotz aller Ermahnungen das Erreichen des Ausbildungszieles völlig ausgeschlossen erscheint. Bei der Kündigung aus einem wichtigen Grund bei einem Berufsausbildungsverhältnis kann nicht von einem erwachsenen Arbeitnehmer ausgegangen werden, es ist die Jugendlichkeit und der Entwicklungsprozess des Auszubildenden zu berücksichtigen. (Vgl. Herkert, J., Berufsbildungsgesetz, Kommentar mit Nebenbestimmungen, Berlin/Bonn/Regensburg, 01. Juli 1994, zu § 15 Rz 13) In der Regel gehören fehlerhafte Leistungen des Auszubildenden zu den Risiken des Berufsausbildungsvertrages. Auch schlechte Leistungen und Faulheit in der Berufsschule berechtigen nicht einfach zur fristlosen Kündigung. Erst müssen Berufsschule und Betrieb versuchen, das Verhalten des Auszubildenden zu ändern. Erst wenn diese Bemühungen erfolglos bleiben und keine Aussicht auf Erreichung des Ausbildungszieles besteht, ist eine fristlose Kündigung zulässig. Im Übrigen sind umso strengere Anforderungen an den wichtigen Grund zu stellen, je weiter die Ausbildungszeit fortgeschritten ist. Kurz vor ihrem Ende ist die Kündigung im Allgemeinen ausgeschlossen. Die Kündigung muss unter der Angabe der konkreten Kündigungsgründe schriftlich ausgesprochen werden. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam.
3.10 Wie wirkt sich die Kündigung des Arbeitnehmers auf Sonderzahlungen aus? Der Angestellte Hans Eder hat sein Arbeitsverhältnis bei der Isar Bank-AG zum 30. September gekündigt. Sein monatliches Tarifgehalt beträgt 1.840,65 EUR. Herr Eder überlegt vor seinem Ausscheiden, welche Auswirkung die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auf die Sonderzahlung für das laufende Kalenderjahr hat. Im Arbeitsvertrag von Hans Eder wird auf tarifvertragliche Regelungen verwiesen. Aufgabe Prüfen Sie den Sachverhalt! Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 § 10 des Tarifvertrages für das private Bankgewerbe.
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Aufgaben
Auszug aus »Übersicht über das Recht der Arbeit« Gratifikation: Es ist eine Sonderzuwendung, die auf Grund eines besonderen Anlasses (Weihnachten, Jubiläen usw.) zusätzlich zum laufenden Lohn gezahlt wird. Ein Rechtsanspruch kann sich ans Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag, nach ständiger Rechtsprechung auch aus wiederholter (dreimaliger) vorbehaltsloser Gewährung ergeben. Durch eine Rückzahlungsklausel bei der Auszahlung der Gratifikation kann der Arbeitnehmer verpflichtet werden, bei vorzeitiger Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Gratifikation zurückzuzahlen. Für einzelvertraglich vereinbarte Rückzahlungsklauseln hat das Bundesarbeitsgericht folgende Regeln aufgestellt: - Weihnachtsgratifikation bis 200,00 DM (entspricht ca. 100 EUR): Rückzahlungsklausel unzulässig - Weihnachtsgratifikation über 200,00 DM (entspricht ca. 100 EUR), aber weniger als 1 Monatsgehalt: Rückzahlungsklausel, die bis 31. März des Folgejahres reicht, ist einzuhalten. Mit Ablauf des 31. März kann der Arbeitnehmer ausscheiden, ohne zur Rückzahlung verpflichtet zu sein. - bei Weihnachtsgratifikationen in Höhe eines Monatsgehaltes: Hat der Arbeitnehmer bis zum 31. März des Folgejahres nur eine Kündigungsmöglichkeit, so ist ihm zuzumuten, diese eine Kündigungsmöglichkeit auszulassen, wenn er die Gratifikation behalten will. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes sind alle Sondervergütungen, die der Arbeitgeber zum monatlich zu zahlenden Entgelt einmal (selten zweimal) im Jahr gewährt, Arbeitsentgelt. Nach dem Inhalt und Zweck der Sonderzahlung unterscheidet die Rechtsprechung drei Gruppen: a) Sondervergütungen: Sie können einen Anreiz für eine zukünftige Betriebstreue darstellen, auch die vergangene Betriebstreue kann belohnt werden. Hierbei handelt es sich um die eigentlichen Gratifikationen. Sie sind daran zu erkennen, dass sie von einer Wartezeit und/oder dem Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem Stichtag oder von einer Rückzahlungsklausel abhängig sind. b) Sondervergütungen können auch dazu dienen, nur die erbrachte Arbeitsleistung zu entlohnen, ohne einen anderen Zweck zu verfolgen. Die Sondervergütung ist nur an die bisher erbrachte Arbeitsleistung gebunden, an nichts weiter. c) Die Sondervergütung kann auch unterschiedliche Zwecke verfolgen, das Bundesarbeitsgericht bezeichnet sie als Mischformen. Die Einteilung nach dem Zweck bzw. Inhalt der Sondervergütung in eine der drei Gruppen ist deshalb von Bedeutung, weil die Lösung folgender Streitfragen davon abhängt: Wirksamkeit einer Stichtagsregelung, anteilige oder volle Gratifikation. (Vgl. H. J. Dörner, Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Gratifikationsrecht in den Jahren 1988 bis 1991, in: Recht der Arbeit, Heft 1, S. 24ff., 1993)
3.11 Wie wirkt sich die Kündigung von Birgit Karger auf ihr Urlaubsentgelt aus? Birgit Karger ist am 01. Oktober als Sachbearbeiterin in der Wertpapierabteilung bei der Isar Bank-AG eingetreten. Am 31. Mai des folgenden Jahres ist Frau Karger ausgeschieden und hat zum 01. Juni eine Stelle als Sachbearbeiterin in der Wertpapierabteilung mit erhöhten Anforderungen bei der Bavarica Bank-AG angetreten. Frau Karger hat im April/Mai des laufenden Kalenderjahres ihren vollen Jahresurlaub von 6 Wochen erhalten. Sie überlegt nun, wie es mit ihrem Urlaubsentgelt, das sie von ihrem bisherigen Arbeitgeber in Höhe von 2.851,47 EUR erhalten hat, aussieht. In Frau Kargers Arbeitsvertrag wird auf die Regelungen des gültigen Tarifvertrages verwiesen.
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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Aufgabe Prüfen Sie, ob Frau Karger einen Anspruch auf Urlaubsentgelt hat! Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 § 15 des Tarifvertrages für das private Bankgewerbe sowie §§ 1, 3, 4, 5, 6 und 11 des Bundesurlaubsgesetzes. Auszug aus »Übersicht über das Recht der Arbeit« Jeder Arbeitnehmer hat nach dem Bundesurlaubsgesetz in jedem Kalenderjahr einen Anspruch auf einen bezahlten Erholungsurlaub. Bezahlt bedeutet unter Fortzahlung des Lohnes, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs erhalten hat. Davon ist das Urlaubsgeld zu unterscheiden. Grundsätzlich ist ein zusätzlich zum Urlaubsentgelt zu zahlendes Urlaubsgeld nicht vorgeschrieben, jedoch in zahlreichen Tarifverträgen vorgesehen. Ende 1996 erhielten 95 % der erfassten Arbeitnehmer zusätzlich zu dem während des Urlaubs fortzuzahlenden Lohnes auf Grund von Tarifverträgen ein Urlaubsgeld.
3.12
Ingrid Lechner erhält ihr Arbeitszeugnis
Ingrid Lechner erhält bei der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit der Isar Bank-AG ihr Arbeitszeugnis ausgehändigt. Sie möchte sich damit bei der Monacensia Bank-AG bewerben. Isar Bank-Aktiengesellschaft München Zeugnis Ingrid Lechner, geboren am 17. April 1970, war vom 01. September 2005 bis heute, den 30. April 2009 in unserem Unternehmen beschäftigt. Frau Lechner wurde zuerst als Sachbearbeiterin in der Börsenabteilung unserer Zentrale eingesetzt. Ab September 2007 war sie als Kassiererin in unserer Zweigstelle in Neuperlach tätig. Wir haben Frau Lechner als eine Mitarbeiterin kennen gelernt, die bemüht war, den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Für ihre Tätigkeit zeigte sie Verständnis. Wir bestätigen Frau Lechner gerne, dass wir mit ihren Leistungen – voll zufrieden – waren. In ihrem Verhalten gegenüber Kollegen war Frau Lechner korrekt. Frau Lechner scheidet aus eigenem Wunsch aus unserem Unternehmen aus. Wir wünschen Frau Lechner in persönlicher und beruflicher Hinsicht alles Gute und auch Erfolg.
München, den 30. April 2009
Nachdem Frau Lechner ihr Arbeitszeugnis sorgfältig durchgelesen hatte, kamen ihr Zweifel, ob nicht »zwischen den Zeilen gelesen« Zwei- und Mehrdeutigkeiten enthalten waren. Aufgabe Prüfen Sie, ob Frau Lechners Zweifel berechtigt sind! INFO Auszug aus A. Weuster, »Arbeits- und Ausbildungszeugnisse« 1. Rechtsgrundlage für die Ausstellung: § 109 Gewerbeordnung 2. Zeitpunkt des Verlangens: Endet das Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche Kündigung, so kann das Zeugnis mit Beginn der gesetzlichen bzw. vereinbarten Kündigungsfrist verlangt werden. Der Arbeitnehmer sollte zum Kündigungszeitpunkt ein »vorläufiges Zeugnis« verlangen. Beim Ausscheiden ist dann ein »endgültiges Zeugnis« zu erstellen.
68
Aufgaben
3. Wahrheitsgrundsatz Informationsfunktion des Zeugnisses: Es hat alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen zu enthalten, die für die Gesamtbewertung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind. 1. Wahrheitsbedingung: Aufgaben und sonstige Tatsachen des Arbeitnehmers sind vom Arbeitgeber korrekt zu beschreiben, damit der Arbeitnehmer objektiv bewertet wird. 2. Wahrheitsbedingung: Der Arbeitnehmer muss aus den Formulierungen und Wertungen klar erkennen können, wie der Arbeitgeber seine Leistung und Führung beurteilt. 3. Wahrheitsbedingung: Die Aussagen müssen so formuliert sein, dass sie für Dritte (z. B. künftige Arbeitgeber) klar erkenntlich sind. Durch die Wahl von Ausdrucksweise und Satzstellung darf es nicht zu Irrtümern und Mehrdeutigkeiten kommen. Aus der Wahrheits- und Informationsfunktion ist der Grundsatz der Vollständigkeit abzuleiten: Ein Zeugnis darf nichts auslassen, was sein Leser üblicherweise erwartet. 4. Wohlwollenspflicht des Arbeitgebers: Das Zeugnis wirkt sich auf die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers aus, zum anderen ist es eine abschließende Würdigung einer oft jahrelangen Berufstätigkeit. Aussagen im Zeugnis müssen wahr sein, das bedeutet aber nicht, dass sich das Zeugnis über ungünstige Vorkommnisse schonungslos aussprechen müsste. Das Zeugnis soll von einem verständigen Wohlwollen für den Arbeitnehmer getragen sein und sein weiteres Fortkommen nicht unnötig erschweren. Dieses Wohlwollen darf nicht unbegrenzt sein, die Grenze endet dort, wo ein berechtigtes Interesse des künftigen Arbeitgebers eine objektive Schilderung des Gesamtbildes des Arbeitnehmers erforderlich macht. 5. Kritik der Wohlwollenstechniken Einige Wohlwollenstechniken wirken nur gegenüber Lesern, welche die Zeugnissprache und Zeugnistechniken nicht kennen. Insofern kann man nur von einem scheinbaren Wohlwollen sprechen. Vordergründig positive Formulierungen verdecken weniger gute oder negative Aussagen. So weit ein Arbeitnehmer diese Techniken nicht erkennt, kann man von einer Täuschung des beurteilten Arbeitnehmers sprechen. Codierungstechniken: 1. Positive und negative Wertungen in fein abgestuften Formulierungen, z. B. »arbeitete zu unserer vollen Zufriedenheit«, »... unserer vollsten Zufriedenheit« 2. Berufsspezifische Leerstellentechnik: Bei einem Kassierer z. B. fehlen branchenübliche Eigenschaften, etwa Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit 3. Nennung von Unwichtigem vor Wichtigem – bei einer hoch qualifizierten Tätigkeit, z. B. er war stets pünktlich, dann folgt eine nichts sagende Leistungsbewertung - Betonung von Unwichtigem oder von Selbstverständlichkeiten - Abwertung durch sehr kurze Aussagen - Subtile, teils zeitliche Einschränkung von Aussagen, z. B. »war meistens pünktlich« - Andeutungen durch ungewöhnliche oder mehrdeutige Formulierungen - Widersprüche in oder zwischen einzelnen Zeugnisaussagen 6. Zeugnisaufbau 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7
Überschrift Eingangssatz Aufgabenbeschreibung Leistungsbeurteilung Verhaltensbeurteilung Schlusssatz Datum, Unterschrift
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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Zu 6.3, Aufgabenbeschreibung: Diese hat für den neuen Arbeitgeber einen sehr hohen Informationswert (Angabe von Fakten, Qualifikationsbeschreibung). Es ist daher auf eine vollständige Aufgabenbeschreibung zu achten. Zu 6.4, Leistungsbeurteilung: Sie bezieht sich auf Arbeitsbereitschaft, Arbeitsbefähigung, Arbeitsweise, Arbeitserfolg, bei Vorgesetzten auch Führungserfolg. Negative Beurteilungen werden durch Leerstellen ausgedrückt, z. B. Adjektive, „groß“, „erheblich“ (bezogen auf die Einsatzbereitschaft) fehlen. Einschränkungen der Zufriedenheit erfolgen durch das Fehlen des Zeitadverbs »stets« (gewissenhaft gearbeitet). Zufriedenheitsskala: 1 2 3 4 5
sehr gut, ... hat Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt... gut, ... hat Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt ... befriedigend, ... hat Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt ... ausreichend, ... hat Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erledigt ... mangelhaft, ... hat sich bemüht, die Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen.
Zu 6.5 erhaltensbeurteilung Wichtig ist, dass das Verhältnis gegenüber Vorgesetzten und Kollegen/Kolleginnen erwähnt wird, fehlt hier etwas, besteht ein Leerstellenverdacht. Straftatbestände dürfen nur erwähnt werden, wenn sie mit dem Arbeitsverhältnis in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Mitarbeiter, die mit Geld oder Waren umgehen (z. B. Kassierer, Verkäufer mit Kassenbedienung, Hausgehilfen), haben einen Anspruch darauf, dass ihre Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit erwähnt wird. Probleme im Sozialverhalten sind manchmal nur aus dem Fehlen der »Dankes-/Bedauernsformel« und insbesondere der Zukunftswünsche zu erkennen. Zu 6.6 Schlusssatz Beendigungsgrund (warum?), Beendigungsinitiative (wer?) und Beendigungsmodalitäten (wie?) können nur auf Wunsch des Arbeitnehmers ins Zeugnis aufgenommen werden. Auf den Leerstellenverdacht ist hier zu achten. 7. Änderungswünsche des Arbeitnehmers Der Arbeitnehmer kann beim Arbeitgeber Ergänzungen und Berichtigungen verlangen. Kommt der Arbeitgeber dem Begehren des Arbeitnehmers nicht nach, kann der Arbeitnehmer auf Zeugniserstellung und Zeugnisberichtigung klagen. Der Arbeitgeber ist beweispflichtig für seine Aussagen, der Arbeitnehmer in Bezug auf seine Änderungswünsche.
70
Aufgaben
3.13 Das folgenreiche Entschuldigungsschreiben des Auszubildenden Erich Leitner Erich Leitner, geboren am 10. Februar 1980, wird seit dem 01. September 1998 von der Isar Bank-AG zum Bankkaufmann ausgebildet. Sein Berufsausbildungsverhältnis endet zum 31. August 2001, die monatliche Ausbildungsvergütung beträgt im 2. Ausbildungsjahr 672,35 EUR brutto. Herrn Leitners Berufsschullehrer hat dem Ausbildungsleiter der Isar Bank-AG am 08. November 1999 mitgeteilt, dass der Auszubildende sechsmal an Montagen in der Berufsschule gefehlt hat, davon an vier Tagen ohne Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: am 21. September 1999, 12. Oktober 1999, 19. Oktober 1999, 09. November 1999. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Fehltage 05. Oktober 1999 und 26. Oktober 1999 legte Herr Leitner auch nicht vor, er sagte seinem Lehrer, dass er an diesen Tagen beim Arzt gewesen sei. Der Lehrer bestand auf einer ausreichenden schriftlichen Entschuldigung. Folgendes Entschuldigungsschreiben übergab Herr Leitner am 16. November 1999 seinem Berufsschullehrer: Erich Leitner
München, 27.10.2009
Entschuldigung Sehr geehrter Herr Oberstudienrat Stöhr, hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich am 21.09.2009 wegen einer fiebrigen Erkältung im Bett gelegen bin. Am 05.10.2009 und am 26.10.2009 war ich wegen einer Sportverletzung beim Arzt. Ich bitte, mein Fehlen im Unterricht zu entschuldigen. Mit freundlichen Grüßen
OStR Stöhr setzte sich wegen dieses Schreibens mit dem Ausbildungsleiter der Bank in Verbindung. Dieser teilte dem Lehrer mit, dass Herr Leitner an den im Entschuldigungsschreiben genannten Tagen weder arbeitsunfähig krankgeschrieben war, noch hatte er sich an diesen Tagen in der Bank gemeldet.1 Bei der zuständigen Stelle für die Berufsausbildung zum Bankkaufmann, der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, besteht ein Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer. Aufgaben a) Beurteilen Sie aa) Herrn Leitners Verhaltensweise, ab) mögliche Folgen seines Verhaltens! Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 14, 19, 22 des Berufsbildungsgesetzes.
1
Vgl. Verfahren vor dem Arbeitsgericht Braunschweig v. 07.03.1989, 6 Ca 3723/88, Daten verändert
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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INFO Auszug aus dem Berufsausbildungsvertrag § 4 Pflichten des Auszubildenden »Der Auszubildende verpflichtet sich insbesondere Nr. 2 Berufsschulunterricht, Prüfungen und sonstige Ausbildungsmaßnahmen - am Berufsschulunterricht und an den Prüfungen sowie an Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte teilzunehmen, für die er nach § 3 Nr. 5 (Berufsschulbesuch 11 und 12) freigestellt wird. Nr. 8 Benachrichtigung - bei Fernbleiben von der betrieblichen Ausbildung, vom Berufsschulunterricht oder von sonstigen Ausbildungsveranstaltungen, dem Ausbildenden unter Angabe von Gründen unverzüglich Nachricht zu geben und ihm bei Krankheit oder Unfall unverzüglich spätestens am vierten Tag eine ärztliche Bescheinigung zuzuleiten.« Auszug aus »Übersicht über das Recht der Arbeit« Ein wichtiger Grund zu einer fristlosen Kündigung liegt vor, wenn die Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses bis zum Ablauf der Ausbildungszeit dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unzumutbar geworden sind. Bei der Prüfung, wann dies bei einer Kündigung durch den ausbildenden Betrieb der Fall ist, muss der besondere Charakter des Berufsausbildungsverhältnisses berücksichtigt werden. Das bedeutet: Angesichts der dem Ausbildenden obliegenden erzieherischen Aufgabe ist bei Pflichtverletzungen, schlechten Leistungen, Aufsässigkeiten oder leichten Unredlichkeiten eine fristlose Entlassung des Auszubildenden erst dann zulässig, wenn trotz aller Erziehungsmaßnahmen – z. B. Abmahnung – keine Besserung eintritt oder bei ungenügenden Leistungen trotz aller Ermahnungen das Erreichen des Ausbildungszieles völlig ausgeschlossen erscheint. Eine Abmahnung vor einer Kündigung ist dann entbehrlich, wenn eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Auszubildenden das Berufsausbildungsverhältnis grundlegend erschüttert und eine »Weiterbeschäftigung unzumutbar macht«. Bei einer Kündigung aus einem wichtigen Grund bei einem Berufsausbildungsverhältnis kann nicht von einem erwachsenen Arbeitnehmer ausgegangen werden, es ist die Jugendlichkeit und der Entwicklungsprozess des Auszubildenden zu berücksichtigen. (Vgl. Herkert, J., Berufsbildungsgesetz, Kommentar mit Nebenbestimmungen, Berlin/Bonn/Regensburg, 01. Juli 1994, zu § 15 Rz 13) In der Regel gehören fehlerhafte Leistungen des Auszubildenden zu den Risiken des Berufsausbildungsvertrages. Auch schlechte Leistungen und Faulheit in der Berufsschule berechtigen nicht einfach zur fristlosen Kündigung. Erst müssen Berufsschule und Betrieb versuchen, das Verhalten des Auszubildenden zu ändern. Erst wenn diese Bemühungen erfolglos bleiben und keine Aussicht auf Erreichung des Ausbildungszieles besteht, ist eine fristlose Kündigung zulässig. Im Übrigen sind umso strengere Anforderungen an den wichtigen Grund zu stellen, je weiter die Ausbildungszeit fortgeschritten ist. Kurz vor ihrem Ende ist die Kündigung im Allgemeinen ausgeschlossen. Die Kündigung muss unter der Angabe der konkreten Kündigungsgründe schriftlich ausgesprochen werden. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam. Der Personalleiter der Isar Bank-AG sah in dem Entschuldigungsschreiben vom 27. Oktober 1999 den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllt, in dem kriminellen Verhalten von Herrn Leitner sei ein Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 22 Abs. 2 BBiG gegeben gewesen. Zudem hat Herr Leitner zumindest billigend in Kauf genommen, auch eine Vergütung für Fehltage zu erhalten, für die ihm gar keine Ausbildungsvergütung zustand.
72
Aufgaben
Im Oktober 1999 sei Herr Leitner immerhin 19 Jahre alt gewesen, er war somit in einem Alter, in welchem er die Unredlichkeit seines Verhaltens erkennen konnte. Bemerkenswert war die Aussage von Herrn Leitner gegenüber dem Personalleiter, »er habe den Stempel der Isar Bank-AG auf dem Entschuldigungsschreiben nur deswegen angebracht, um kenntlich zu machen, in welchem Betrieb er ausgebildet werde«. Nach Anhörung des Betriebsrates am 17. November 1999 und dessen Zustimmung vom 19. November 1999 kündigte die Isar Bank-AG das Berufsausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 19. November 1999 wegen der unentschuldigten Fehltage und wegen der »Urkundenfälschung«. Mit einem Schreiben vom 26. November 1999 wandte sich Herr Leitner an den Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, der nach Anhörung der Parteien am 16. Dezember 1999 aussprach, dass das Ausbildungsverhältnis durch das Schreiben vom 19. November 1999 nicht aufgelöst sei, weil die aufgeführten Kündigungsgründe nicht als schwerwiegend genug zu erachten seien, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Die Isar Bank-AG erkannte den Spruch des Schlichtungsausschusses nicht an. Deshalb erhob Herr Leitner am 28. Dezember 1999 vor dem Arbeitsgericht München Klage, um festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 19. November 1999 nicht aufgelöst worden ist. Die Isar Bank-AG beantragte, die Klage abzuweisen. Mit dem Urteil vom 08. März 2000 hat das Arbeitsgericht München die Klage von Herrn Leitner abgewiesen. Die Isar Bank-AG habe einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 22 Abs. 2 Ziff. 1 gehabt, die vorgetragenen Gründe der Isar Bank-AG waren für die Urteilsfindung entscheidend. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht München war die Aussage von Herrn Leitner sehr interessant, »er selbst habe den Stempel nicht auf das Entschuldigungsschreiben gesetzt, dies müssten wohl andere Auszubildende getan haben, um ihn hereinzulegen«. Der Anwalt von Herrn Leitner riet dazu, gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes München vom 08. März 2000 das Rechtsmittel der Berufung einzulegen. Aufgabe b) Stellen Sie fest, mit welchen Argumenten der Anwalt in der Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht1 München die Interessen von Herrn Leitner vertreten wird. INFO Auszug aus dem BBiG § 14 Berufsausbildung (1) Der Ausbildende hat 5. dafür zu sorgen, dass der Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet wird Auszug Natzel, B., a. a. O., § 170 Rz 150 Seiner Natur nach ist jedes Berufsausbildungsverhältnis zugleich ein Erziehungsverhältnis. Jeder Auszubildende lernt und wird erzogen, in dem von ihm erstrebten Beruf die ihm übertragenen Arbeiten nach bestimmten Regeln und Erkenntnissen fachgerecht zu vollziehen. Dies geschieht unter gleichzeitiger Einbeziehung in die geschriebene und/oder ungeschriebene Ordnung des Betriebes. Insgesamt gesehen führt diese Zusammenschau der tatsächlichen Vorgänge bei der Ausbildung dazu, dass nicht nur praktische Fertigkeiten und theoretische Kenntnisse fachlicher Art vermittelt werden, son1
Die Berufungsverhandlung zu dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Braunschweig v. 07.03.1989 (6 Ca 3723/88) fand am 15.09.1989 vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen statt, 15 Sa 801/89
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
73
dern auch erzieherische Aspekte allgemein menschlicher Hinführung in die Arbeits- und Berufswelt mit ihren vielschichtigen Ordnungsstrukturen, gewachsenen Beziehungen in der hierarchischen Gliederung sowie in den geordneten Kompetenzen und zwischenmenschlichen Beziehungen der Mitarbeiter untereinander wirksam sind und auch ganz bewusst angewandt werden müssen. Dies gilt gleichermaßen für noch minderjährige Auszubildende wie auch für erwachsene Auszubildende. Bei Auszubildenden ist deren geistige, charakterliche und auch körperliche Unreife mit zu berücksichtigen. Der Auszubildende bedarf noch einer verständnisvollen Führung und Leitung, und überdies ist die Förderung des Charakters eines Auszubildenden Teil der Pflichten des Ausbildenden. Erst muss der Ausbildende alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Erziehungsmittel erschöpfend anwenden und darf erst dann zum Mittel der außerordentlichen Kündigung greifen. Für den Auszubildenden besteht gemäß § 13 Nr. 2 BBiG eine Teilnahmepflicht an solchen Ausbildungsmaßnahmen, für die er nach § 15 BBiG freigestellt ist. Nimmt er trotz Freistellung nicht an diesen Veranstaltungen teil, so handelt es sich rechtlich um einen Vertragsbruch. Im Wiederholungsfall kann dem Auszubildenden nach vorheriger Abmahnung gekündigt werden. Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Ausbildende in einer für den Auszubildenden hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise die Mängel im Einzelnen beschreibt und beanstandet und mit dem Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfall der Bestand des Ausbildungsverhältnisses gefährdet sei. Die kündigungsrechtliche Warnfunktion gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung. V E B
Übersicht aus der Zeitschrift „Personal“, Juni 1994, S. 282, Grassl, G., Erfolgreich vor dem Arbeitsgericht. Die Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens.
B E
Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteile
Beschluss
aufschiebende Wirkung
Sprungrevision § 76
Revision §§ 72-75 545-566a ZPO
Nichtzulassungsbeschwerde § 72a
Zulassung, wenn grundsätzliche Bedeutung oder LAG/BAGAbweichung
Rechtsbeschwerde § 92
Sprungrechtsbeschwerde § 96 a
bei grundsätzlicher Bedeutung nur, wenn TV-Materie
V
§ 70: Keine Beschwerde
E
§ 99: Beschlüsse und Verfügungen
E
Landesarbeitsgericht (LAG) Urteile
Beschlüsse
Berufung §§ 64-70 511-544 ZPO
600,00 € oder Zulassung wg. grundsätzlicher Bedeutung oder TV-Materie oder LAGAbweichung
§§ 78/567 ZPO: sofortige Beschwerde grundsätzliche Bedeutung + TV-Materie, Gegner und ArbG stimmen zu
Verfahren:
V Vorsitzender Richter
Beschwerde § 87
V E
§ 95: Beschlüsse
E
grundsätzliche Bedeutung + Zustimmung Beteiligte + ArbG
Arbeitsgericht Urteile § 2 §§ 46 - 63 ArbGG 495 ZPO
B Berufsrichter
Beschlüsse § 2a §§ 80-85 ArbGG (von Amts wegen) BetrVG/SprAuG Mitbestimmung, Tariffähigkeit
E Ehrenamtlicher Richter
74
3.14
Aufgaben
Georg Saller beendet sein Berufsausbildungsverhältnis
Georg Saller wird von der Isar Bank-AG in München zum Bankkaufmann ausgebildet. Es ist beabsichtigt, ihn als Anlageberater in der Wertpapierabteilung einzusetzen. Sein Berufsausbildungsverhältnis hat am 01. September 2007 begonnen und endet am 31. August 2010. Herr Saller wurde von seinem Ausbildungsbetrieb ordnungsgemäß zur Abschlussprüfung angemeldet und von der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern auch zugelassen. Von der Industrie- und Handelskammer wurde der Termin für die schriftliche Abschlussprüfung auf den 11. Mai 2010 festgelegt. Herr Saller bestand diese Prüfung mit einem guten Ergebnis. Der Termin für die mündliche Prüfung wurde auf den 05. Juli 2010 festgesetzt. Auch die mündliche Prüfung bestand Herr Saller sehr erfolgreich. Im Juni teilte die Isar Bank-AG Herrn Saller mit, dass er im Anschluss an die Berufsausbildung in ein Arbeitsverhältnis übernommen wird. In Herrn Sallers Berufsausbildungsvertrag wurde auf die Anwendbarkeit tarifvertraglicher Regelungen verwiesen. Aufgaben Prüfen Sie, a) wann das Berufsausbildungsverhältnis von Herrn Saller endet, b) welche wesentlichen Auswirkungen das Bestehen der Abschlussprüfung für ihn hat! c) anhand des Manteltarifvertrages, Berufsbildungsgesetzes und der Ausbildungsverordnung, ab wann Herr Saller im Falle der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis Arbeitsentgelt zusteht. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 21, 47 BBiG und §§ 21 und 22 der Prüfungsordnung für die Durchführung von Abschlussprüfungen in anerkannten Ausbildungsberufen.
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
Monatsgehälter
Vergütungen für Auszubildende
75
gültig ab 01. Dezember 2007
im 1. Ausbildungsjahr im 2. Ausbildungsjahr im 3. Ausbildungsjahr
750,00 EUR 810,00 EUR 869,00 EUR
3.15 Der Auszubildende Christoph Plate soll sich in der Praxis der Zweigstelle bewähren Der Auszubildende Christoph Plate, 17 Jahre alt, hatte am 01. August bei der Isarbank AG eine dreijährige Ausbildung zum Bankkaufmann begonnen. In der Berufsschule teilte er in einem Gespräch seinem Klassenleiter Herrn Rosenau mit, dass er bereits vor dem Berufsschulunterricht an einem bankinternen Seminar teilgenommen hat. Während dieser Veranstaltung wurden die Themen „Kontoeröffnung“ und „Anlage vermögenswirksamer Leistungen“ und „Kundenakquisition“ besprochen. In seiner Zweigstelle habe er dann auf Weisung des Filialleiters selbstständig Kunden akquirieren, beispielsweise Kundengirokonten verkaufen müssen. Als Zielvorgabe sollten zwei Vertragsabschlüsse pro Tag erreicht werden. In den ersten beiden Wochen habe er das gestellte Soll auch erreicht. In der 3. und 4. Woche gelangen ihm jedoch keine Vertragsabschlüsse. Aufgrund dieser gezeigten Leistungen habe der Filialleiter ihn in einem Beurteilungsgespräch nachhaltig aufgefordert, ein weitaus stärkeres aktives Zugehen auf die Kunden an den Tag zu legen, damit sich die Zahl seiner Abschlüsse in der Zukunft wesentlich erhöht. Hierzu musste er nun drei Tage lang im Foyer der Zweigstelle eintretende Kunden auf mögliche Abschlüsse von Verträgen direkt ansprechen und diese ggf. zu den entsprechenden Kundenberatern begleiten. Er äußerte gegenüber seinem Klassenleiter Herrn Rosenau die Befürchtung, dass er diese hohen Erwartungen künftig nicht erfüllen werden könne und mit einer nachteiligen Leistungsbewertung zu rechnen habe. Aufgabe Nehmen Sie zu den von Herrn Plate vorgebrachten Befürchtungen Stellung. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 § 1 des BBiG.
77
4
Fälle und Aufgaben zum kollektiven Arbeitsrecht
4.1 Koalitionspartner
Lösungen ab Seite 286
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände handeln auf der Basis der vom Grundgesetz garantierten Koalitionsfreiheit Tarifverträge aus. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 Artikel 9 des Grundgesetzes und § 2 Tarifvertragsgesetz. Aufgabe a) Erklären Sie die Bedeutung der Koalitionsfreiheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber! INFO Tarifautonomie und Koalitionsfreiheit Tarifverhandlungen als Mittel zur kollektiven Regelung der Arbeitsbeziehungen sowie Gewerkschaften und Arbeitgeber(verbände) als deren institutionelle Träger sind in Deutschland seit Ende des Ersten Weltkrieges rechtlich anerkannt. In der Bundesrepublik gilt das Prinzip der Tarifautonomie: Unabhängige Gewerkschaften auf der einen und Arbeitgeberverbände oder einzelne Unternehmen auf der anderen Seite regeln selbstständig durch verbindliche Verträge die Ausgestaltung der Löhne und Gehälter sowie der sonstigen Arbeitsbedingungen. Anders als etwa in der Weimarer Republik verzichtet der Staat auf Eingriffe (beispielsweise Lohnleitlinien oder Zwangsschlichtungen) in diesem konfliktträchtigen Bereich. Er beschränkt sich auf die Festlegung des rechtlichen Rahmens, innerhalb dessen die Tarifvertragsparteien bei ihren Verhandlungen weitgehend freies Spiel haben. Rechtlicher Hintergrund der Tarifautonomie ist das in Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerte Grundrecht der Koalitionsfreiheit. Dieses gibt jedermann das Recht, „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden“, aber auch diesen fernzubleiben. Derartige Vereinigungen im Bereich des Arbeitslebens sind Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sowie deren Spitzenverbände. Ihnen wird das Recht gewährt, die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder selbstständig durch Tarifvertrag zu regeln. Sie werden deshalb als Tarifvertragsparteien bezeichnet. Mit Blick auf das notwendige Zusammenwirken beider Seiten im Tarifwesen und ihre Einbeziehung in verschiedene Bereiche des Sozialwesens wird oft auch von Tarifpartnern oder Sozialpartnern gesprochen. Situation 1 Um die Attraktivität seiner Gewerkschaft zu erhöhen, schlägt Axel Bauknecht auf einer Mitgliederversammlung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) für die kommenden Lohnrunden vor, dass die ausgehandelten Lohnerhöhungen nur den organisierten Arbeitnehmern zugute kommen sollen. Aufgaben b) Nehmen Sie begründet Stellung! c) Wer kann Tarifvertragspartei sein?
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Aufgaben
INFO Tariffähige Vertragsparteien Die rechtliche Grundlage des Tarifwesens in der Bundesrepublik Deutschland bildet das Tarifvertragsgesetz (TVG), das aus 15 Paragraphen besteht. Nach diesem Gesetz können nur folgende Organisationen Tarifvertragsparteien sein (§ 2 TVG): - auf Arbeitnehmerseite Gewerkschaften und deren Spitzenorganisationen, nicht aber einzelne Arbeitnehmer oder Betriebsräte, - auf Arbeitgeberseite einzelne Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände und deren Spitzenorganisationen. Einigkeit besteht darüber, dass es sich um Vereinigungen im Sinne des Artikels 9 Abs. 3 Grundgesetz handeln muss – also um Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern zur Wahrung und Förderung ihrer Interessen bei der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Derartige Vereinigungen haben allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zum Abschluss von Tarifverträgen. Die Mindestanforderungen für eine derartige Tariffähigkeit sind: Freiwilliger Zusammenschluss: Nur eine auf freiwilliger Grundlage gebildete, privatrechtliche Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern ist tariffähig. Auf Dauer angelegt: Nur auf Dauer angelegte Vereinigungen sind tariffähig. Ihr Bestand muss also vom Wechsel der Mitglieder unabhängig sein. Überbetrieblich organisiert: Tariffähige Vereinigungen sollten im Allgemeinen eine überbetriebliche Grundlage haben. Gegnerfrei: Tariffähige Verbände dürfen nicht Angehörige der Gegenseite zu ihren Mitgliedern zählen, also z. B. Gewerkschaften keine Arbeitgeber als Mitglieder haben. Unabhängig: Auch wirtschaftlich müssen tariffähige Vereinigungen von der Gegenseite unabhängig sein – Gewerkschaften dürfen sich also beispielsweise nicht durch Arbeitgeber finanzieren lassen. Zudem sollten tariffähige Verbände von Parteien, Kirchen und Staat weisungsunabhängig sein. Demokratisch: Tariffähige Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände müssen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie das Tarifvertrags- und Schlichtungsrecht anerkennen. Ihre Mitglieder müssen durch die innerverbandliche Demokratie Einfluss auf die Tarifregelungen nehmen können. Tarifwillig: Um tariffähig zu sein, müssen die Verbände auch tarifwillig sein. Sie müssen also den Abschluss von Tarifverhandlungen zu einer ihrer satzungsmäßigen Aufgaben gemacht haben und dieses Ziel auch ernsthaft verfolgen. Dies ist z. B. bei Interessenverbänden leitender Angestellten oft nicht der Fall. Durchsetzungsfähig: Tariffähigkeit fordert ferner, dass Vereinigungen ihre Aufgabe als Tarifpartner sinnvoll erfüllen können. Sie sollen von der Mitgliederstärke und Finanzkraft her so mächtig und leistungsfähig sein, dass die Gegenseite mit ihnen in Tarifverhandlungen eintritt, und sie müssen organisatorisch die tatsächliche Durchführung von Tarifverträgen gewährleisten können. Die Bereitschaft, tarifpolitische Ziele notfalls mit einem Arbeitskampf durchzusetzen, ist für die Zuerkennung der Tariffähigkeit nicht mehr erforderlich. Während einzelne Arbeitnehmer nicht tariffähig sind, ist der einzelne Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 1 TVG stets tariffähig, und er kann auf seine Tariffähigkeit auch nicht verzichten. Diese Regelung stellt sicher, dass die Gewerkschaften stets einen potenziellen Vertragspartner finden, selbst wenn kein tariffähiger Arbeitgeberverband vorhanden ist. Tariffähige Gewerkschaften und Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberverbände können allerdings nur dann einen wirksamen Tarifvertrag abschließen, wenn sie für die erfassten Arbeitsverhältnisse zuständig sind. Die Verbände müssen also nach ihrer Satzung bereit sein, die Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber des erfassten Betriebs als Mitglied aufzunehmen. Die Tarifzuständigkeiten beider Parteien müssen sich für den Geltungsbereich des Tarifvertrags zumindest teilweise decken. Da die Tarifzuständigkeiten von den Verbänden autonom festgesetzt werden, ist deren Organisationsstruktur von großem Interesse.
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Aufgabe d) Beschreiben Sie die Organisationsstruktur der Tarifvertragsparteien in der Bundesrepublik Deutschland! INFO Gewerkschaften: Der große Schwund Mitglieder in 1.000 Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Gewerkschaft der Polizei IG Metall IG Bergbau, Chemie, Energie Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten Ver.di Transnet IG Bauen-Agrar-Umwelt DBG insgesamt Christlicher Gewerkschaftsbund Deutscher Beamtenbund
2000 270,3 188,2 2.763,5 891,6 260,8 2.976,6 320,4 539,7 7.772,8 304,7 1.205,2
Gewerkschaftsmitglieder: Immer älter in % aller abhängig beschäftigten Gewerkschaftsmitglieder 1998 18- bis 30-Jährige 15,7 31- bis 40-Jährige 31,6 41- bis 50-Jährige 30,3 51- bis 60-Jährige 22,4 weiblich 31,8 männlich 68,2 Vollzeit 90,3 Teilzeit 8,9 geringfügig beschäftigt 0,8
2008 251,9 167,9 2.300,6 701,1 205,8 2.180,2 227,7 336,3 6.371,5 274,7 1.280,8
Veränderung in % -7 - 11 -17 - 21 - 21 - 27 - 29 -38 - 18 - 10 +6
2007 8,3 20,5 36,6 34,6 35,7 64,3 82,5 15,7 1,8
Quelle: IWD 30.4.2009 Die Arbeitnehmervertretungen zählten Ende 2007 etwa 8 Millionen Mitglieder. Die meisten davon sind Mitglied in einer der heute acht Einzelgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Die übrigen sind organisiert im Deutschen Beamtenbund (DBB) (ca. 1,25 Millionen Mitglieder) und im Christlichen Gewerkschaftsbund (CGB) (ca. 300.000 Mitglieder) sowie einer Reihe – teilweise neuerer – Berufsverbände. Die meisten Gewerkschaften sind regional in Bezirken organisiert und haben zudem lokale Vertretungen. In den Betrieben werden sie durch Vertrauensleute repräsentiert. Bei der Neugründung der Gewerkschaften nach dem Zweiten Weltkrieg haben zwei Grundsätze eine Rolle gespielt, die heute noch gültig sind: 1 Das Prinzip der Industriegewerkschaft gilt strikt für alle DGB-Gewerkschaften. Für jeden Betrieb ist nur eine einzige Gewerkschaft zuständig. Damit soll die Konkurrenz untereinander ausgeschlossen werden. So kann z. B. ein Schlosser in einem Chemiewerk nur der IG Chemie beitreten – und nicht etwa, seinem Beruf entsprechend der IG-Metall. Allerdings haben auch die Gewerkschaften in den vergangenen Jahren den harten Wettbewerb verspürt und mit Zusammenschlüssen reagiert. So sind die einst 15 Einzelgewerkschaften des DGB in den vergangenen Jahren auf acht zusammenge-
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Aufgaben
schmolzen. Die Gewerkschaften Textil-Bekleidung sowie Holz und Kunststoff sind beispielsweise in der IG Metall aufgegangen, die IG Bergbau und Energie hat sich mit der IG Chemie zusammengetan. Ein gutes Beispiel ist auch der im Frühjahr 2001 vollzogene Zusammenschluss von 5 Einzelgewerkschaften – der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) sowie der vier DGB-Gewerkschaften Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Deutsche Postgewerkschaft (DPG), Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) und Industriegewerkschaft Medien (IG Medien) zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Mit 2,2 Mio. Mitgliedern hat ver.di sogar die IG Metall überholt und ist zur weltweit größten Einzelgewerkschaft geworden. Hinter solchen Zusammenschlüssen steckt meist die Absicht, die wegen der anhaltenden Mitgliederverluste schwindende Schlagkraft insbesondere der kleinen Gewerkschaften durch die Konzentration auf weniger aber größere Gewerkschaften zu erhöhen. Das Prinzip der Einheitsgewerkschaft verpflichtet die Gewerkschaften zur weltanschaulichen und parteipolitischen Neutralität und Unabhängigkeit. Doch zumindest auf politischer Ebene hat sich diese Idee in der Praxis nicht verwirklichen lassen. So gibt es traditionell enge Beziehungen zwischen den DGB-Gewerkschaften und der SPD. Der Vorteil der Einheitsgewerkschaft gegenüber den parteigebundenen Gewerkschaften in Frankreich und Italien ist die geringere Häufigkeit von Streiks.
Struktur des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ist demokratisch von unten nach oben aufgebaut. Er ist der Dachverband seiner acht Mitgliedsgewerkschaften. Ihre Delegierten wählen auf den unterschiedlichen Ebenen – in den 88 Regionen, in den neun Bezirken und im Bund – die Vorstände. Der Christliche Gewerkschaftsbund verteilt sich auf 15 Einzelgewerkschaften, unter ihnen z. B. der Deutsche Handels- und Industrieangestellten-Verband sowie die Christliche Gewerkschaft Metall. Aufgrund der geringen Mitgliederzahl des CGB wird die Tariffähigkeit vom Deutschen Gewerkschaftsbund immer wieder in Frage gestellt. Aufgrund eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts wurde die Christliche Gewerkschaft Metall 2006 als tariffähige Gewerkschaft anerkannt.
Arbeitgeberverbände In der Öffentlichkeit sind die Arbeitgeberverbände weit weniger bekannt als die Gewerkschaften. Unter dem Dach der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) findet sich folgende Organisation: 1 Die regionalen Arbeitgeberverbände sind in aller Regel wie die Gewerkschaften nach dem „Industrieprinzip“ aufgebaut. So vertritt z. B. der Arbeitgeberverband Nordmetall die Interessen der Metallund Elektro-Industrie in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. 2. Die landesweiten Dachverbände vertreten dagegen auf regionaler Ebene die übergreifenden Interessen der Arbeitgeber. Im einwohnerstärksten Bundesland z. B. ist das die Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände Nordrhein-Westfalen. 3. Die bundesweiten Dachverbände kümmern sich um einzelne Branchen, so z. B. der Bundesarbeitgeberverband Chemie um die Belange der chemischen Industrie.
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Die Struktur eines Arbeitgeberverbandes sieht meist wie folgt aus: - Die Betriebe vor Ort bilden die zahlenden Mitglieder des Vereins. Sie sind jeweils durch den Inhaber oder durch einen angestellten Manager in der Mitgliederversammlung vertreten. - Die Mitgliederversammlung wählt einen ehrenamtlichen, nicht bezahlten Vorstand und/oder ein Präsidium. - Vorstand oder Präsidium bestellen einen oder mehrere hauptamtliche, also bezahlte Manager, die Geschäftsführer des Vereins. Arbeitgeberverbände sind Vereine auf freiwilliger Basis, in denen sich Arbeitgeber zur Wahrung ihrer gemeinsamen arbeitsrechtlichen, wirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen zusammengeschlossen haben. Die Mitgliedsbeiträge der Arbeitgeberverbände orientieren sich meist an der Lohn- und Gehaltssumme der Mitgliedsfirmen, die mit ihrer Mitgliedschaft Anrecht auf vielfältige Verbandsdienstleistungen erhalten. Die typische Dienstleistungspalette von Arbeitgeberverbänden umfasst u.a.: - Vertretung der Mitglieder vor Gerichten und Einigungsstellen, bei der Arbeitsverwaltung und der Sozialversicherung, in Anhörungsverfahren etc. - Information der Mitglieder über rechtliche, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen durch Rundschreiben, Verbandszeitschriften, elektronische Informationssysteme etc. Förderung des Erfahrungsaustauschs unter den Mitgliedern durch Seminare, Verbandszeitschriften etc. Öffentlichkeitsarbeit und Einwirkung auf die Gesetzgebung in wichtigen verbandspolitischen Fragen - Aushandlung und Abschluss von Tarifverträgen oder Unterstützung der Mitglieder beim Abschluss von Firmentarifverträgen sowie Bereitstellung von Arbeitskampf-Ausgleichsfonds. Allerdings sind nicht alle Firmen an einer tarifpolitischen Vertretung durch die Arbeitgeberverbände interessiert; manche möchten auf eine Tarifbindung verzichten. Einige Arbeitgeberverbände haben deshalb die Möglichkeit einer OT-Mitgliedschaft, d. h. ohne Tarifbindung, geschaffen und bieten den OTMitgliedern alle Dienstleistungen mit Ausnahme der Tarifpolitik an. Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände
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Aufgaben
Aufgabe e) Begründen Sie, welche Voraussetzungen die Tarifvertragsparteien gewährleisten müssen, um den grundgesetzlichen Auftrag erfüllen zu können (vgl. auch die Tariffähigkeit im Info der Frage c). Situation 2 Eine Gewerkschaft handelt mit einem Arbeitgeber im Rahmen eines Haustarifvertrages neben einer 3 %igen Lohnerhöhung einen zusätzlichen Urlaubstag aus, der vom Arbeitgeber als Bildungsurlaub gewährt werden soll. Um die Tarifpolitik der Gewerkschaft hervorzuheben, möchte sie erreichen, dass der Urlaubstag nur den organisierten Arbeitnehmern gewährt werden soll. Aufgabe f) Nehmen Sie Stellung! Situation 3 Die Mitgliederzahlen in den Einzelgewerkschaften und im DGB haben sich in der Bundesrepublik Deutschland stark rückläufig entwickelt (vgl. Übersichten im Info Gewerkschaften). Dabei ist die Entwicklung der Mitgliederzahlen in den Einzelgewerkschaften unterschiedlich hoch. Aufgaben g) Wie ist diese Entwicklung zu erklären? h) Wie versucht der Deutsche Gewerkschaftsbund auf diese Entwicklung zu reagieren? INFO Mindestlohn: Nicht im eigenen Interesse IWD vom 29. Mai 2008 Die DGB-Gewerkschaften fordern lautstark einen gesetzlichen Mindestlohn – um „Arbeit in Armut“ zu verhindern, wie sie sagen. Organisationspolitisch könnte dieser Schuss nach hinten losgehen, haben die Gewerkschaften doch in Ländern mit staatlicher Lohnuntergrenze ein relativ schlechtes Standing bei den Arbeitnehmern. Die politische Stimmung in Deutschland hat zurzeit wohl einen gewissen Linksdrall – doch gerade ein klassischer Vertreter der Linken profitiert davon nicht: die Gewerkschaften. Ihnen laufen die Anhänger davon. Mehr als 1,3 Millionen Mitglieder kehrten den Arbeitnehmerorganisationen unter dem Dach des DGB seit dem Jahr 2000 den Rücken. Das spiegelt sich auch im Organisationsgrad wieder: Im Jahr 2006 zahlten nur noch 17,5 % der Arbeiter und Angestellten Gewerkschaftsbeiträge – Anfang der 90er Jahre waren es über 30 %. Diese Entwicklung hat im Wesentlichen zwei Gründe: - Strukturwandel Traditionell sind die Gewerkschaften vor allem in der Industrie fest verankert. Doch Gewerkschaftsdomänen wie der Montanbereich sind in Deutschland wirtschaftlich nahezu in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, während der Dienstleistungssektor fortlaufend an Boden gewinnt. Dort aber, in der boomenden IT-Branche etwa, haben die Arbeitnehmervertreter eher ein schlechtes Ansehen. - Abstand zur Arbeitswirklichkeit In einer vom DGB in Auftrag gegebenen Infratest-Befragung von über 5000 Beschäftigten warfen viele Gewerkschaftsmitglieder ihren Funktionären zu großen Abstand vom Arbeitsleben vor. Tenor: Man schere sich zu wenig um die Beschäftigten in den Betrieben und um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Künftig könnte es einen dritten Grund für die bröckelnde Gewerkschaftsbasis geben: Mit ihrer Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 EUR schießen sich die Arbeitnehmervertretungen vermutlich selbst ins Knie. Denn in Bereichen, wo der Staat als eine Art Ersatztarifpartei auftritt und nicht nur die maximale tägliche Arbeitszeit und den Mindesturlaubsanspruch festlegt, sondern auch eine Lohnuntergrenze zieht, dort werden Tarifverträge überflüssig.
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Gerade in vielen Dienstleistungsbranchen droht ein Mindestlohn den Rückhalt der Organisationen weiter zu schmälern. Läge doch das staatlich garantierte Minimum teils sogar noch über dem, was etwa ver.di für bestimmte Tätigkeiten in der Gastronomie und im Frisörhandwerk durchgesetzt hat. Dass der Ruf nach dem Staat Gewerkschaften generell nicht gerade Zulauf beschert, zeigt ein Blick ins Ausland. Bis auf wenige Ausnahme gilt der Zusammenhang, dass Länder ohne Mindestlohn einen höheren gewerkschaftlichen Organisationsgrad aufweisen als solche mit staatlich festgelegter Lohnuntergrenze. Diese Feststellung trifft nicht nur auf Skandinavien zu, wo die Gewerkschaften u.a. deshalb so stark sind, weil sie Arbeitslosenkassen verwalten. Auch in Österreich und Italien gehört noch mehr als jeder dritte Arbeitnehmer einer Gewerkschaft an. In den meisten Mindestlohnländern hingegen fällt der Organisationsgrad deutlich geringer aus – er liegt zwischen gerade einmal 8 % in Frankreich und 30 % in der Slowakei. Ausnahmen bilden lediglich Irland und vor allem Belgien, wo die Gewerkschaften ebenfalls für die Arbeitslosenversicherung zuständig sind und immerhin noch 47 Prozent der Beschäftigten hinter sich wissen. In Irland und Großbritannien wurden gesetzliche Mindestlöhne 1999 und 2000 eingeführt – auch weil die Gewerkschaften zuvor an Durchsetzungsstärke verloren hatten. Doch der Mindestlohn konnte den Abwärtstrend nicht stoppen. Wollen IG Metall, ver.di und Co. Mitglieder gewinnen, wären sie daher gut beraten, weniger nach dem Staat zu schielen und stärker selbst aktiv zu werden. Schließlich kann sich jedes fünfte Nichtmitglied einen Beitritt vorstellen – damit fühlen sich immerhin 6 Millionen nicht organisierter Arbeitnehmer den Gewerkschaften verbunden.
Gesetzlicher Mindestlohn: Stand 2007, sämtliche Länder mit Mindestlohn hatten diesen auch schon 2003. Gewerkschaftlicher Organisationsgrad: Netto, also Anteil der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer an allen Arbeitnehmern, Stand 2003, Deutschland 2006
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Gewerkschaften: Riskante Strategien (Auszug) IWD vom 13.11.2008 … Die Gewerkschaften … bekommen bei aufstrebenden Dienstleistungsunternehmen keinen Fuß in die Tür. Zum anderen verlieren sie auch in ihren Domänen immer mehr Rückhalt. Um diesen Trend zu stoppen, verfolgen die Organisationen zwei Strategien: 1. Die IG Metall versucht, ihre Betriebspolitik betriebsnäher zu gestalten. Ein Indiz wäre, dass die Metallgewerkschafter betrieblichen Bündnissen für Arbeit immer häufiger zustimmen. In einer im Sommer durchgeführten IW-Umfrage hatten Arbeitgeber und Belegschaft in nahezu jeder dritten tarifgebundenen Firma der Metall- und Elektroindustrie ein solches Zusatzabkommen mit dem Fokus auf Beschäftigungssicherung getroffen. 2. Einen anderen Weg, neue Mitglieder zu gewinnen, sehen die Gewerkschafter darin ihre Wertschätzung in der Gesellschaft zu steigern. Nicht zuletzt deshalb haben sich DGB-Chef Michael Sommer und seine Mitstreiter auf die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn und den Protest gegen die Rente mit 67 eingeschossen: Beide Themen sind emotional besetzt und versprechen viel öffentlichen Beifall.
4.2 Aufgaben der Tarifvertragsparteien Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände wirken heute nicht mehr allein interessenpolitisch sondern haben ein umfassenderes, sozial-, wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Aufgabenverständnis entwickelt. Aufgabe Welche Aufgaben haben sich die Gewerkschaften in unserer Gesellschaft gestellt? Führen Sie aktuelle Beispiele an! INFO Aufgaben der Tarifvertragsparteien Die Aufgaben der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind nicht gesetzlich geregelt. Jedoch sind einzelne ihrer Befugnisse gesetzlich ausgestaltet, insbesondere das Recht, Tarifverträge abzuschließen oder Vertreter in bestimmte Gremien zu entsenden. Die Koalitionen sind zu den wichtigsten Ordnungsfaktoren in unserem Arbeitsleben geworden. Zu ihren Aufgaben gehört alles, was die Repräsentation in sozialen und wirtschaftlichen Fragen betrifft, insbesondere auch die sozialpolitische Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit. Andererseits haben sich die Koalitionen nicht nur darauf beschränkt, die sozialen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Vielmehr erstrecken sich ihre Aktivitäten auch auf allgemeine Angelegenheiten der Gesellschafts-, der Kultur- und der Bildungspolitik. Im Einzelnen lassen sich folgende Aufgabenbereiche unterscheiden: Abschluss von Tarifverträgen Die wichtigste Aufgabe der Verbände ergibt sich aus der in Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz garantierten und im Einzelnen im Tarifvertragsgesetz geregelten Befugnis, Tarifverträge abzuschließen und so, wie es das Bundesverfassungsgericht ausgedrückt hat, eine sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens zu schaffen. Im Allgemeinen wird nach Entgelttarifverträgen mit relativ kurzen Laufzeiten und längerfristig geltenden Mantelund Rahmentarifverträgen, die z. B. die Merkmale für Eingruppierungen oder Regelungen der Arbeitszeit, der Kündigungsfristen oder des Urlaubs enthalten, unterschieden. Die Tarifvertragsparteien haben heute ein fast lückenloses Netz von Tarifverträgen geschaffen. Seit dem Inkrafttreten des Tarifvertragsgesetzes im Jahre 1949 sind bis Ende 2001 in der Bundesrepublik Deutschland rund 271.000 Tarifverträge abgeschlossen worden, von denen zurzeit noch rund 41.700 Tarifverträge, davon rund 12.800 Firmentarifverträge, wirksam sind. In den letzten Jahren wurden in der Bundesrepublik jährlich bis zu 9.600 Tarifverträge abge-
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schlossen, die vor allem vorhergehende Entgelttarifverträge und Manteltarifverträge ersetzten. Tarifverträge haben in Deutschland Auswirkungen für schätzungsweise 90 Prozent der Arbeitsverhältnisse mit Arbeitern und Angestellten, wenn auch teilweise nur mittelbar dadurch, dass die tariflichen Arbeitsbedingungen ebenfalls den Arbeitsverhältnissen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu Grunde gelegt werden oder dass sich die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber zumindest teilweise an den tariflichen Arbeitsbedingungen orientieren. Da die gesetzlichen Regelungen, so weit sie überhaupt im Bereich des Arbeitsrechts vorhanden sind, lediglich Mindestarbeitsbedingungen enthalten, kann die Bedeutung der Tarifvertragsparteien für eine angemessene Gestaltung der Arbeitsverhältnisse, z. B. zur Höhe des ohnehin gesetzlich nicht geregelten Lohns, zur Arbeitszeit und zur Dauer des Urlaubs, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Insbesondere die Gewerkschaften sehen daher auch in den Tarifverträgen das zentrale Mittel zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen und zur Sicherung angemessener Arbeitsbedingungen. Andererseits wird in der Öffentlichkeit angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Schwierigkeiten auf eine Überreglementierung durch die bestehenden Flächen deckenden Tarifverträge hingewiesen. Stichworte wie »Beschränkung auf Mindestbedingungen«, »größere Betriebsnähe«, »Öffnungsklauseln für betriebliche Regelungen«, »größere Flexibilität bei den Entgelten und Arbeitszeiten«, »betriebliche Bandbreiten für die Arbeitszeitdauer«, »Einstiegstarife für Berufsanfänger und Arbeitslose« sowie »Tarifflucht mancher Arbeitgeber« prägen die derzeitige tarifpolitische Diskussion. Die Tarifautonomie muss sich diesen Herausforderungen stellen. Sie lassen sich meistern, wenn sich die Tarifvertragsparteien den neuen Entwicklungen gegenüber leistungs- und innovationsfähig erweisen. Betriebsverfassung und Mitbestimmung Die Koalitionen, und hierbei vor allem die Gewerkschaften, haben zahlreiche Zuständigkeiten im Bereich der Betriebsverfassung, der Personalvertretung und der Unternehmensmitbestimmung. Hierfür war die Überlegung maßgebend, dass eine wirksame Interessenvertretung der Arbeitnehmer, insbesondere durch den Betriebsrat, nur im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und mit deren Unterstützung möglich ist. Gewerkschaftliche Vertrauensleute Unabhängig von den Betriebsräten bestehen vielfach in den Betrieben gewerkschaftliche Vertrauensleute. Sie sind entsprechend den Zielsetzungen ihrer Gewerkschaft zuständig für die Wahrnehmung der Interessen der Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb, für die Vermittlung der Tarifpolitik an die einzelnen Arbeitnehmer sowie für die Informationen der Gewerkschaften über Wünsche der Arbeitnehmerschaft. Sozialpolitische Gesetzgebung Bei der sozialpolitischen Gesetzgebung wird auf den Sachverstand der Verbände zurückgegriffen. Die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände nehmen wesentliche öffentliche Ordnungsaufgaben wahr, die nicht zuletzt in dieser allgemein anerkannten Einflussnahme auf die Gesetzgebung ihren Ausdruck finden. Darüber hinaus sind Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände vor dem Erlass von Durchführungsvorschriften zum Tarifvertragsgesetz zu hören. Sonstige Aufgaben Der Aufgabenbereich der Verbände erstreckt sich ferner auf die im Allgemeinen unentgeltliche Vertretung ihrer Mitglieder bei Streitigkeiten vor den Arbeits- und Sozialgerichten. Darüber hinaus üben die Verbände auch im vorgerichtlichen Raum eine umfangreiche Rechtsberatung ihrer Mitglieder in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen aus. Die Verbände schicken ihre Vertreter in eine Vielzahl von Gremien und Ausschüssen des Arbeits- und Wirtschaftslebens. Zu erwähnen sind die Entsendungsrechte für die ehrenamtlichen Richter bei den Arbeits- und Sozialgerichten, bei den im Berufsbildungsgesetz vorgesehenen Ausschüssen, bei den Tarifausschüssen, die bei der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen mitwirken, sowie bei den Organen der Bundesagentur für Arbeit und der Träger der Sozialversicherung.
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Aufgaben
4.3 Tarifautonomie und Tarifvertrag Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände achten bei ihren Tarifverhandlungen sorgfältig auf die Nichteinmischung des Staates. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 § 77 des Betriebsverfassungsgesetzes, den Manteltarifvertrag der ver.di, den Gehaltstarifvertrag der ver.di, Artikel 9 des Grundgesetzes, § 1 ff des Stabilitätsgesetzes sowie §§ 2 und 5 des Tarifvertragsgesetzes. Aufgaben a) Was versteht man unter der Tarifautonomie (vgl. Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz)? b) Aus den folgenden Texten können Sie die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland entnehmen. Wie ist in dieser Situation die gemeinsame Zustimmung der Tarifparteien zur Tarifautonomie zu erklären? Machen Sie in diesem Zusammenhang das Interesse des Staates (Bundesregierung, Europäische Zentralbank) an einer Einflussnahme auf die Tarifverhandlungen deutlich. Gehen Sie dabei auch auf das Spannungsfeld zwischen der Tarifautonomie und den im Stabilitätsgesetz verankerten Zielen ein. INFO Beschäftigung auf hohem Niveau SchulBank 02/2008 In 2007 sind in Deutschland so viele Menschen einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wie seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es 2007 rund 39,7 Millionen Erwerbstätige. Dies entspricht einem Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von knapp 650.000 Personen oder 1,7 %. Im September 2007 war erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik in einem Monat die Marke von 40 Millionen übersprungen worden. Zu den Erwerbstätigen zählen neben den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auch Selbstständige, Beamte, Soldaten, Zivildienstleistende und Minijobber. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist laut Bundesagentur für Arbeit während der ersten neun Monate auf 27,5 Millionen gestiegen. Außerdem waren nach Angaben der Minijob-Zentrale im 3. Quartal 2007 rund 6,6 Millionen Minijobber registriert. Der Anstieg der Erwerbstätigenzahl im vergangenen Jahr führt das Statistische Bundesamt vor allem auf die gute konjunkturelle Entwicklung und den daraus resultierenden Bedarf an Arbeitsplätzen zurück. Erstmals seit der Wiedervereinigung würde sich die positive Beschäftigungsentwicklung dabei auf alle Wirtschaftsbereiche verteilen, wobei die Entwicklung im Dienstleistungsbereich am dynamischsten verliefe. Aber auch das Verarbeitende Gewerbe – und hier insbesondere der Bereich Maschinenbau sowie die Herstellung von Metallerzeugnissen – hatte einen großen Anteil am Beschäftigungsaufbau. Mit beigetragen zur Belebung am Arbeitsmarkt hat nicht zuletzt die Zeitarbeit. Allerdings sinkt ihr Anteil an den neu geschaffenen Stellen. …
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Erwerbstätige in Deutschland
Inflation - Ursache und Wirkung SchulBank 07/2008 … Eine einheitliche Definition des Begriffs Inflation gibt es nicht. Im Allgemeinen wird die Inflation mit einem anhaltenden Anstieg des Preisniveaus bzw. einem Sinken der Kaufkraft des Geldes gleichgesetzt. (…) Die tatsächliche Inflationsrate für ein Land wird anhand von Preisindizes (gewichtete arithmetische Mittelwerte aus Preisveränderungen von Waren und Dienstleistungen) ermittelt. Die diesem Preisindex zugrunde liegenden Güter konstituieren den sog. Warenkorb. In Deutschland beschreibt der Index der Lebenshaltungskosten die Preisentwicklung derjenigen Güter, die für die Lebenshaltung der privaten Haushalte bestimmend sind. Die Veränderung dieses Indexwertes gegenüber einem vergleichbaren Bezugszeitraum (etwa Jahresdurchschnittswert gegenüber Durchschnittswert des Vorjahres) ist die Inflationsrate. Das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaft (Eurostat) berechnet für die Europäische Union und für das Gebiet der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion den Harmonisierten Verbraucherpreisindex. Was aber sind die genauen Ursachen für einen anhaltenden Preisanstieg? Bei der Entstehung von Inflation spielt die Geldmenge eine wesentliche Rolle. Inflation ist nur dann möglich, wenn die Geldmenge stärker wächst als die Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft. Inflation kann insofern als ein monetäres Phänomen betrachtet werden: Sie ist Ausdruck und zwangsläufige Folge eines Anstiegs der Geldmenge pro Produktionseinheit. Entscheidend ist nun die Frage, woher der Impuls zur Erhöhung der Geldmenge ausgeht. Hier wird im Allgemeinen zwischen einer Nachfrage- und einer Angebotsinflation unterschieden. Die Nachfrageinflation wird hervorgerufen durch einen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, etwa durch öffentliche Ausgabenprogramme oder durch ein verändertes Ausgabeverhalten der privaten Haushalte. Falls die Produktion nicht in entsprechendem Umfang ausgeweitet wird, wirkt ein solcher Nachfrageschub inflationsfördernd. Wenn inflatorische Impulse von der Angebotsseite ausgehen, spricht man hingegen von einer Angebotsinflation. Hierbei können steigende Kosten (Löhne, Rohstoffe) für die Preiserhöhungen ausschlaggebend sein oder die Marktmacht bzw. der Gewinnanspruch der Unternehmen. Ob Nachfrageschub oder Kostenanstieg – für beide gilt gleichermaßen, dass sie nur dann inflationär wirken, wenn sie von einer entsprechenden Ausweitung der finanziellen Mittel, also der Geldversorgung der Volkswirtschaft, begleitet werden. Die Frage, wie die zur Ausweitung der Geldnachfrage notwendige Geldmengenerhöhung zustande kommt, wird meist dahingehend beantwortet, dass die Kreditinstitute in der für die zusätzliche Geldschöpfung benötigten Versorgung mit Zentralbankgeld auf keine Beschränkung von Seiten der Notenbank stoßen. Eine Notenbank, die nicht unabhängig ist, kann auch unmittelbar vom Staat dazu gezwungen werden, die Geldmenge zu erhöhen. Inflation in Deutschland in %
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Aufgaben
Ziel Vollbeschäftigung – Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik SchulBank 09/2008 Seit Mitte der 70er Jahre ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein bestimmendes Thema der deutschen Politik. (…) Gegenwärtig gibt es wieder erfreuliche Entwicklungen am Arbeitsmarkt, doch bleibt die Frage offen, durch welche Maßnahmen ein dauerhafter Abbau der Arbeitslosigkeit erreicht werden kann. (…) Trotz gesunkener Konjunkturerwartungen geht die Bundesagentur für Arbeit davon aus, dass die Arbeitslosigkeit auch im kommenden Jahr weiter zurückgehen wird. Für 2009 erwartet sie derzeit einen Jahresdurchschnitt von 3,2 Millionen Arbeitslosen, knapp 300.000 weniger als 2008 und über 500.000 weniger als 2007. Der seit inzwischen mehr als zwei Jahren anhaltende Beschäftigungsaufbau ist das Ergebnis verschiedener Einflussfaktoren, zu denen neben dem Wirtschaftwachstum eine moderate Lohnpolitik, die Arbeitsmarktreformen der vergangenen Jahre, aber auch strukturelle Veränderungen beim Arbeitskräfteangebot zählen. Durch die erfreuliche Entwicklung am Arbeitsmarkt wird die Arbeitslosenversicherung in diesem Jahr um Milliarden Beträge entlastet. Aufgaben Bei der Beantwortung der Fragen d) bis g) verwenden Sie das untenstehende Info „Tarifbindung“ c) Welche Vorteile hat die Tarifautonomie? d) Die Tarifvertragsparteien können miteinander Verbandstarifverträge (Lohn- und Gehaltstarifverträge und Manteltarifverträge) und Firmentarifverträge aushandeln. Worin unterscheiden sich diese beiden Vertragsarten? e) Erläutern Sie die Vorteile eines Flächentarifvertrages für die Gewerkschaften und Betriebe! f) Mit der Reform der Tarifpolitik durch sog. Tariföffnungsklauseln sind viele Unternehmen zu den Flächentarifen zurückgekehrt. f1) Was versteht man unter den Tariföffnungsklauseln? f2) Welche Möglichkeiten bieten diese für die tarifgebundenen Unternehmen? INFO Mit und ohne Tarifvertrag in West- und Ostdeutschland (Stand 2005)
Tarifbindung: Stabile Verhältnisse (Quelle: IWD) Die Tarifbindung der Unternehmen hat sich in den vergangenen beiden Jahren stabilisiert – das gilt sowohl für den Westen als auch für den Osten der Republik. Mit maßvollen und an den betrieblichen Bedürfnissen orientierten Lohnabschlüssen können die Tarifpartner ihr Quäntchen dazu beitragen, dass das auch künftig so bleibt. Sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern nutzt es, dass Entgelte und Arbeitsbedingungen per kollektivem Tarifvertrag geregelt sind. Beide Seiten sparen sich das Tauziehen um Details individueller Arbeitsverträge und halten die oft mit harten Bandagen geführten Konflikte aus dem Betrieb heraus. Deswegen orientieren sich zumeist auch solche Unternehmen freiwillig an den ausgehandelten Vereinbarungen der Tarifpartner, die nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes sind.
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Die Reichweite der Verträge ist damit weitaus größer, als es auf den ersten Blick erscheint: Im Jahr 2002 unterlagen in Westdeutschland 70 % der Betriebe mit 86 % aller Beschäftigten Branchen- oder Firmentarifverträge oder wandten diese freiwillig an. Im Osten traf dies auf 62 % der Firmen zu, die zusammen 80 % aller Arbeitnehmer beschäftigen. Die Bindekraft der Tarifvereinbarungen hat sich so auf dem Niveau auf dem Niveau von 1999 eingependelt, nachdem sie zuvor etwas nachgelassen hatte. Dass die Tarifbindung seit Ende der 90-er Jahre recht konstant ist, dürfte mehrere Gründe haben. Zum einen wird sich herumgesprochen haben, wie schwer es für Firmen ist, Lohnpolitik auf eigene Faust zu betreiben. Zum anderen hatten sich die Tarifparteien im Jahr 2000 auf beschäftigungsfreundliche, an die Produktivitätsentwicklung gekoppelte Lohnsteigerungen geeinigt. Die Unternehmen sahen sich bei guter Wirtschaftslage einem erträglichen Kostendruck ausgesetzt. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Es hagelt Insolvenzen, die Sozialbeiträge erklimmen immer höhere Stufen und die Konjunktur laviert hart am Rande des Nullwachstums. Für die Gewerkschaften heißt das vor allem eins: Sie müssen sich in Lohnzurückhaltung üben, um die nützliche Einrichtung der Tarifverträge für möglichst viele Betriebe zu erhalten. Tarifliche Öffnungsklauseln: Notbremse für gefährdete Betriebe (Quelle: IWD) Branchentarife ersparen dem einzelnen Unternehmen und Beschäftigten langwierige Gehaltsverhandlungen. Manchem notleidenden Betrieb jedoch schnürt die einheitliche Kragenweite des Tarifvertrags die Luft zum Atmen ab. Gegenwärtig existieren zwar einige Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen – in vielen Branchen wird der Flächentarif aber immer noch recht starr gehandhabt. Arbeitsbedingungen werden hierzulande meist nicht individuell verhandelt, sonder sind im Rahmen von Flächentarifen branchenweit festgelegt. In Krisensituationen können sich einige Betriebe die hohen Lohnabschlüsse der vergangenen Tarifrunde jedoch nicht mehr erlauben. Das Hemd Tarifvertrag gleich ganz abzustreifen, ist trotzdem nicht nötig. Die Tarifpartner haben den Hebel an zwei Stellen angesetzt, um betriebliche Bündnisse für Arbeit zu schließen: 1. Arbeitszeiten: Arbeitszeit-Öffnungsklauseln ermöglichen es den Unternehmen, auf eine schwankende Auftragslage zu reagieren. Drei Varianten solcher Klauseln sind derzeit gängig: Arbeitszeitverlängerung, Arbeitszeitverkürzung, Arbeitszeitkorridore. 2. Arbeitsentgelte: In einigen Wirtschaftszweigen dürfen die Betriebe die vereinbarten Tariflöhne unterschreiten, sofern dies Entlassungen verhindert. -
Öffnungsklauseln mit oder ohne Zustimmungsvorbehalt der Tarifparteien: Meist bedarf es der Zustimmung der Gewerkschafter, wenn einzelne Unternehmen in Übereinkunft mit den Betriebsräten weniger Lohn zahlen wollen, als im Tarifvertrag vorgesehen. In der Chemischen Industrie kann das Grundgehalt um bis zu 10 % abgesenkt werden, in der ostdeutschen Keramischen Industrie dürfen Weihnachts- und Urlaubsgeld bis zu 3 Jahre lang ausgesetzt werden. Der Zustimmungsvorbehalt ist jedoch problematisch, weil sich kleine und mittlere Betriebe häufig scheuen, den Gewerkschaftsfunktionären ihre Notlage anhand detaillierter Gewinn- und Verlustrechnungen offen zu legen.
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Härteklauseln: Ein solcher Passus im Tarifvertrag erlaubt Firmen, in Schwierigkeiten bei den Tarifparteien eine Härtefallregelung zu beantragen. Die Organisationen entscheiden dann, ob eine Ausnahme gewährt werden kann, und wenn ja in welchem Ausmaß.
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Kleinbetriebsklauseln: Mittelständische Einzelhändler in Ostdeutschland dürfen die Tariflöhne je nach Größe und Tarifgebiet um einen bestimmten Prozentsatz kürzen. Die Tarifparteien müssen zustimmen.
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Einstiegstarife: Diese Regelung soll den Unternehmen Neueinstellungen schmackhaft machen, insbesondere von Langzeitarbeitslosen. So kann etwa in der Chemischen Industrie ein Einstiegsgehalt gezahlt werden, das bis zu einem Zehntel unter Tarif liegt.
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Erfolgsabhängige Löhne: Die jüngste Errungenschaft ist die Möglichkeit, bestimmte Entgeltbestandteile an die Ertragsentwicklung des Unternehmens zu koppeln. Die privaten Banken beispielsweise zahlen, wenn sie sich mit dem Betriebsrat entsprechend geeinigt haben, 4 % des Monatsgehalts variabel nach Unternehmenserfolg und Leistung des Mitarbeiters. Das Weihnachtsgeld darf sich dieses Jahr erstmals zwischen 95 und 110 % eines Monatssalärs bewegen.
Aufgaben g) In Bezug auf die Bemessung der Laufzeit eines Tarifvertrages haben die Tarifvertragsparteien unterschiedliche Vorstellungen, die Gewerkschaften fordern kurze, die Arbeitgeber längere Laufzeiten. Machen Sie die Standpunkte beider Tarifparteien deutlich! h) Erklären Sie die Funktionen eines Tarifvertrages! INFO Funktionen des Tarifvertrages Der Tarifvertrag verfolgt im Wesentlichen drei Funktionen: - Schutzfunktion: Der Tarifvertrag soll den einzelnen Arbeitnehmer davor schützen, dass der wirtschaftlich stärkere Arbeitgeber bei der Festlegung der Arbeitsbedingungen einseitig seine Forderungen durchsetzt. Er dient damit der Chancengleichheit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. In der Tarifpolitik der letzten Jahre standen Bestimmungen zur Sicherung der Arbeitsplätze bei Rationalisierungs- und Einsparungsmaßnahmen, einheitliche Entgeltregelungen für Arbeiter und Angestellte sowie Regelungen zur Verkürzung und Flexibilisierung der Arbeitszeit im Vordergrund. - Ordnungsfunktion: Die Tarifverträge führen zu einer Typisierung der Arbeitsverträge, zu einer Überschaubarkeit der Personalkosten und damit zu einer autonomen Ordnung des Arbeitslebens. - Friedensfunktion: Der Tarifvertrag schließt während seiner Laufzeit Arbeitskämpfe und neue Forderungen hinsichtlich der in ihm geregelten Gegenstände aus. Aufgabe i) Worin unterscheidet sich ein Tarifvertrag von einer Betriebsvereinbarung? INFO Instrumente der gemeinsamen Entscheidung von Arbeitgeber und Betriebsrat Quelle: Übersicht über das Recht der Arbeit, April 2000 In zahlreichen Mitbestimmungsfällen, die einer Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bedürfen, werden zwischen den Betriebspartnern Vereinbarungen getroffen, die notfalls auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen; auch außerhalb der Mitbestimmung kann es zu (freiwilligen) Vereinbarungen kommen. Die Vereinbarungen erfolgen entweder durch schriftliche Betriebsvereinbarungen oder durch formlose Regelungsabreden. Betriebsvereinbarungen: Die Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 2 bis 6 Betriebsverfassungsgesetz) ist die klarste Form der Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Sie dokumentiert die Einigung deutlich und vermeidet durch textliche Festlegung Unklarheiten. Betriebsvereinbarungen sind schriftlich abzufassen, von beiden Seiten zu unterzeichnen und im Betrieb an geeigneter Stelle zugänglich zu machen. In den Betriebsvereinbarungen können neben den notwendigen Einigungen in Mitbestimmungsfällen (z. B. betriebliche Ordnung, Arbeitszeitregelung) auch alle anderen nicht mitbestimmungspflichtigen Fragen geregelt werden. ... Betriebsvereinbarungen können – wie Tarifverträge – schuldrechtliche und normative Bestimmungen enthalten. Die ersteren begründen Rechte und Pflichten nur zwischen den Betriebspartnern. Die normativen Bestimmungen können den Inhalt der Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer (auch in Form von Verboten, etwa Verbot von Arbeit auf Abruf ...), den Abschluss und die Beendigung
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der Arbeitsverhältnisse (besonders Auswahlrichtlinien i. S. von § 95 Betriebsverfassungsgesetz), das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Belegschaft (Betriebsnormen; z. B. Bestimmungen über zusätzliche Schutzvorschriften an Maschinen) und betriebsverfassungsrechtliche Fragen regeln. Die Rechtsnormen der Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar (also ohne besondere vertragsrechtliche Umsetzung) und zwingend (abweichende Vertragsabreden werden durch eine günstigere Betriebsvereinbarung für die Dauer ihrer Wirkung verdrängt ...); Abgesehen vom Vorrang des Tarifvertrages sind der Normsetzungsbefugnis der Betriebspartner besonders folgende Schranken gesetzt: Sie muss sich im Rahmen des zwingenden staatlichen Rechts halten; sie darf nicht in den kollektivfreien Individualbereich des Arbeitnehmers eingreifen (z. B. sind Normen über die Verwendung der arbeitsfreien Zeit oder des erdienten Lohnes unzulässig), und sie steht unter den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Nur in engen Grenzen kann daher die Betriebsvereinbarung in erdiente Ruhegeldanwartschaften oder entstandene Ruhegeldansprüche eingreifen ... Ein Verzicht der Arbeitnehmer auf Rechte aus einer Betriebsvereinbarung ist nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig, und die Verwirkung solcher Rechte ist ausgeschlossen. Der Betriebsrat hat gegen den Arbeitgeber Anspruch auf Durchführung der Betriebsvereinbarung ... Die Betriebsvereinbarung endet mit Zeitablauf (Befristung, Zweckerreichung) oder durch Kündigung. Fall Die Nordbank AG hat mit Frau Birte Schalloch und Herrn Joachim Schmalen unbefristete Arbeitsverträge geschlossen. In Bezug auf das Gehalt wurde bei Frau Schalloch auf den zurzeit gültigen Lohn- und Gehaltstarifvertrag verwiesen, mit Herrn Schmalen wurde ein Gehalt unterhalb des Tariflohnes ausgehandelt. Die Nordbank ist tarifgebunden, Frau Schalloch ist gewerkschaftlich organisiert, Herr Schmalen dagegen gehört keiner Gewerkschaft an. Aufgaben j) Prüfen Sie, ob die unterschiedliche Behandlung von nicht organisierten und organisierten Arbeitnehmern gegen den arbeitsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt! k) Wie könnte der Anwendungsbereich des Tarifvertrags auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer ausgeweitet werden? INFO Allgemeinverbindlichkeit – Ein zweischneidiges Schwert Der Bundesarbeitsminister kann mit Zustimmung der Tarifparteien den Geltungsbereich von Tarifverträgen auf nicht organisierte Unternehmen und Arbeitnehmer ausweiten. Nach Ansicht mancher Ökonomen werden durch derartige Allgemeinverbindlich-Erklärungen allerdings Beschäftigungsmöglichkeiten vergeben. Tarifverträge gelten in Deutschland zunächst einmal nur für die Tarifvertragsparteien. Das sind: - zum Einen die Arbeitgeber, die sich im tarifschließenden Verband organisiert haben, oder Firmen, die eigenständig verhandeln; - zum Anderen die Arbeitnehmer, die der tarifschließenden Gewerkschaft angehören. Allerdings erhalten häufig auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer einen Anspruch auf die tariflichen Leistungen – wenn ihr individueller Arbeitsvertrag dies vorsieht. Darüber hinaus können laut Tarifvertragsgesetz der Bundesminister für Arbeit oder die oberste Arbeitsbehörde eines Landes einen Branchen-Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklären. Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag gilt damit auch für die nicht in Verbänden oder Gewerkschaften organisierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Tarifgebiet – selbst gegen deren Willen. Eine solche Erklärung darf nur auf Antrag einer Tarifvertragspartei und mit Zustimmung eines paritätisch besetzten Ausschusses der Tarifpartner ausgesprochen werden. Dazu müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
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1. In den bereits tarifgebundenen Unternehmen muss mindestens die Hälfte aller Arbeitnehmer einer Branche beschäftigt sein. 2. Die Allgemeinverbindlich-Erklärung muss im öffentlichen Interesse geboten erscheinen. Was darunter genau zu verstehen ist, wird im Gesetz jedoch nirgendwo konkretisiert. Der Sinn und Nutzen einer solchen Ausweitung des tarifvertraglichen Geltungsbereichs ist allerdings umstritten: Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Allgemeinverbindlichkeit für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt – weil sie Arbeitnehmer wie Arbeitgeber vor Lohndumping bewahre. Viele Ökonomen betrachten sie dagegen als staatliches Zwangsinstrument und Mittel zur bewussten Ausschaltung von Wettbewerb. Denn nicht jede Lohnspreizung ist gleich Dumping. So gesehen verstößt die Allgemeinverbindlichkeit gegen elementare Kriterien einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Umstritten ist die praktische Bedeutung der staatlichen Intervention – die Zahlen sprechen fast für sich: Üblicherweise wird nur ein kleiner Teil der Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt – Anfang 1997 waren dies 558 von 45.148 gültigen Tarifvertragen. Von diesen 558 Tarifverträgen betrafen nur 90 die Höhe von Arbeitsentgelten oder Ausbildungsvergütungen. Die restlichen regelten Fragen wie Urlaub, Arbeitszeit und Altersversorgung oder waren Mantel- sowie Änderungstarifverträge. In den Wirtschaftsbereichen mit allgemeinverbindlichen Entgelt-Tarifverträgen sind in Westdeutschland rund 1,9 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt. Davon sind allerdings nur rund 700.000 Arbeitnehmer durch die Allgemeinverbindlich-Erklärung tarifgebunden – die Mehrheit war es bereits durch Branchentarifvertrag. Von Allgemeinverbindlich-Erklärungen betroffen sind vor allem Branchen mit einer hohen Zahl von Kleinbetrieben, relativ gering qualifizierten Arbeitskräften und lohnkostenintensiver Produktion. Dazu gehören das Baugewerbe, der Groß- und Einzelhandel sowie andere Dienstleistungsbereiche. In diesen Wirtschaftszweigen könnte eine Lockerung der Binde-Praxis unter Umständen zusätzliche Jobs bringen. Verschiedene Expertengremien wie der Sachverständigenrat und die Deregulierungskommission haben deshalb wiederholt eine äußerst restriktive Handhabung des Instruments gefordert – offenbar mit Erfolg. Denn die Zahl der Allgemeinverbindlich-Erklärungen ist seit 1994 deutlich zurückgegangen. Einer der Gründe: Der zuständige Tarifausschuss hat entsprechenden Anträgen seine Zustimmung verweigert. Gültigkeit des Tarifvertrages
Die Rechtsnormen des Tarifvertrages gelten unmittelbar und zwingend nur, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden, d. h. Mitglieder der Verbände sind, die den Tarifvertrag abgeschlossen haben, falls nicht bei einem Firmentarifvertrag der Arbeitgeber selbst Vertragspartei ist, oder wenn der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Sind beide Parteien des Arbeitsvertrages oder ist eine der beiden Parteien nicht tarifgebunden, so kann zwischen den Parteien vereinbart werden, dass die tarifvertraglichen Bestimmungen auch für ihr Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommen sollen. Eine solche Übernahme der tarifvertraglichen Regelung kann, wenn dies die gesamten Umstände eindeutig ergeben, auch stillschweigend vereinbart sein, insbesondere im Rahmen einer betrieblichen Übung. Die Regelungen des Tarifvertrages wirken bei einer solchen vertraglichen Bezugnahme nicht als Rechtsnormen auf das Arbeitsverhältnis ein, sondern gestalten es lediglich als vertragliche Bestimmung. Dies bedeutet vor allem, dass die Parteien des Arbeitsvertrages später von den ursprünglich in Besitz genommenen Bestimmungen im gegenseitigen Einvernehmen auch zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichen können, dass der Arbeitnehmer auf seine Ansprüche verzichten kann, oder dass eine Verwirkung möglich ist. Die Rechte der nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer sind daher bei einer einzelvertraglichen Bezugnahme auf den Tarifvertrag nicht in gleichem Maße gesichert wie die der Gewerkschaftsmitglieder. Zwar verstößt eine unterschiedliche Behandlung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern nicht gegen den arbeitsrechtlichen oder den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dennoch werden in der Praxis weitgehend die tariflichen Regelungen auch für nicht tarifgebundene Ar-
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beitsverhältnisse übernommen. Dabei bestehen zwei Möglichkeiten der Bezugnahme: Zunächst kann entweder hinsichtlich sämtlicher Arbeitsbedingungen oder auch nur hinsichtlich einzelner Arbeitsbedingungen, z. B. hinsichtlich des Lohns, auf die Regelung in dem einschlägigen Tarifvertrag Bezug genommen werden. Bei dieser allgemeinen Form der Bezugnahme folgt der Inhalt des Arbeitsvertrages automatisch jeder Änderung des Tarifvertrages. Im Allgemeinen ist die Bindung an den jeweiligen Tarifvertrag üblich, weil nur so die beabsichtigte gleichmäßige Behandlung der tarifgebundenen und der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer des Betriebes erreicht wird. Aufgaben l) Die Bundesregierung beabsichtigt, durch eine Neufassung des Gesetzes über Mindestarbeitsbedingungen (MindArbBedG) und des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) für möglichst viele Branchen Mindestlöhne in Deutschland einzuführen. Kritiker der Mindestlohnpolitik sind der Auffassung, dass die staatliche Lohnfestsetzung über Mindestlöhne das erfolgreiche System der marktwirtschaftlichen Ordnung beschädigen würde. Erläutern Sie die Argumente der Kritiker der Mindestlöhne. INFO Mindestlöhne in der EU (Stand Anfang 2006)
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Beschäftigungschancen statt Mindestlohn! Gemeinsamer Aufruf der Präsidenten und Direktoren der Wirtschaftsforschungsinstitute vom 12. März 2008: (IWD vom 20. März 2008) 1. Ein Mindestlohn ist sozialpolitisch ineffizient Ein Mindestlohn ist nicht erforderlich, um eine Grundsicherung bereitzustellen. Mit dem Arbeitslosengeld II besteht bereits ein Instrument, dass diese sozialpolitische Funktion erfüllt. ALG II erhält jeder Bedürftige unabhängig von der Ursache seiner Notlage und unabhängig von Versicherungszeiten. Damit wird zugleich ein impliziter (der familiären Situation angepasster) Mindestlohn definiert, denn die gewährten Transfers entsprechen einem Erwerbseinkommen, das bei Bruttostundenlöhnen von ca. 4 bis 5 Euro (Alleinstehende) bis über 10 Euro (Verheiratete mit Kindern) erzielt werden würde. Die Zuzahlungen im Rahmen des ALG II verhindern zudem, dass das Einkommen gering bezahlter Beschäftigter unter das soziale Existenzminimum fallen kann. Ein Mindestlohn ist kein geeignetes Umverteilungsinstrument, weil ein erheblicher Teil der Bezieher gar nicht bedürftig im Sinne der Bedarfsgemeinschaften ist. So leben viele derjenigen Mindestlohnbezieher, die ihren Job behalten, nicht in Haushalten mit geringem Einkommen – etwa Zweitverdiener oder Jugendliche, die bei ihren Eltern wohnen. In diesen Fällen verteilt der Mindestlohn nicht nach der Bedürftigkeit um, sondern begünstigt auch die finanziell Bessergestellten. Umgekehrt kann ein Alleinverdiener auch nach Einführung eines Mindestlohnes noch „arm“ sein und seinen persönlichen Bedarf nicht decken, wenn er eine mehrköpfige Familie hat. 2. Ein gesetzlicher Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze Trotz des im Sozialsystem angelegten Mindestlohns würde eine gesetzliche Lohnuntergrenze in der anvisierten Höhe von 7,50 Euro eine erhebliche Bindungswirkung entfalten. Ein Viertel der privat Beschäftigten im Osten und etwa ein Zehntel im Westen verdienen weniger als diesen Betrag. Die notwendige Lohnerhöhung wird in erheblichem Umfang neue Arbeitslosigkeit erzeugen. Betroffen wäre dabei vor allem der Dienstleistungssektor. Auch wenn es Unternehmen gelingt, die höheren Arbeitskosten größtenteils auf die Preise zu überwälzen, hätte dies gravierende Auswirkungen, weil die Nachfrage bei steigenden Preisen sinkt. Häufig sind jedoch die Möglichkeiten begrenzt, erhöhte Arbeitskosten auf die Preise zu überwälzen. Dann werden die Unternehmen mit verstärkter Rationalisierung reagieren, also Arbeitsplätze durch Maschinen austauschen, oder mit der Verlagerung von Produktionsstätten, wenn die heimische Nachfrage nach den entsprechenden Gütern und Leistungen auch aus dem Ausland befriedigt werden kann, wo zu niedrigeren Löhnen produziert wird. Haushalte können zudem verteuerte Dienstleistungen durch Waren oder Schwarzarbeit ersetzen. So oder so – der Mindestlohn führt zu erheblichen Beschäftigungsverlusten. Diese Beschäftigungsverluste sind im Westen unseres Landes erheblich. Im Osten werden sie erschütternde Ausmaße annahmen. Großbritannien, wo 1997 ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wurde, als Beispiel für die vermeintlich positive Wirkungen ins Feld zu führen, ist verfehlt. Hier werden allen vorliegenden Belegen zufolge negative Beschäftigungswirkungen im unteren Lohnbereich tendenziell durch die positiven Arbeitsmarktwirkungen des Wirtschaftswachstums überkompensiert. Zudem ist der Arbeitsmarkt in Großbritannien weit flexibler als in Deutschland, und nur 1,9 Prozent der britischen Arbeitnehmer beziehen den Mindestlohn. Auf der Grundlage der niedrigen deutschen Wachstumsraten wäre der auf dem hiesigen Arbeitsmarkt angerichtete Schaden nicht zu übersehen. Wie nachteilig ein hoher Mindestlohn für die Beschäftigung ist, zeigt sich in Frankreich. Dort stellt der Mindestlohn, der gut 15 Prozent der Beschäftigten betrifft, gerade für Jugendliche eine hohe Markteintrittshürde dar und führt zu deutlichen Arbeitsplatzverlusten bei Geringqualifizierten und Jugendlichen.
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3. Es droht eine staatliche Lohnfestsetzung In Deutschland werden immer noch fast zwei Drittel der Beschäftigten durch tarifvertragliche Regelungen erfasst. Die Tarifautonomie funktioniert in vielen Bereich also nach wie vor. Zur Tarifautonomie gehört aber nicht nur das Recht, die Arbeitsbedingungen über Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften in kollektiv ausgehandelten Tarifverträgen zu regeln (positive Koalitionsfreiheit). Dazu gehört auch das Recht, individuell zu verhandeln (negative Koalitionsfreiheit). Diesem Außenseiterwettbewerb durch tarifungebundene Firmen und Arbeitnehmer ist es nicht unwesentlich zu verdanken, dass Deutschland nach einer langen Phase moderater Lohnabschlüsse heute wieder international wettbewerbsfähig geworden ist. Vor allem branchenbezogene Mindestlöhne würden jedoch in die negative Koalitionsfreiheit eingreifen, indem sie den Außenseiterwettbewerb faktisch außer Kraft setzten. So entfiele die Möglichkeit einer Korrektur der Tarifpolitik durch Außenseiterwettbewerb. Die Diskussion über einen Mindestlohn für die Zeitarbeit zeigt, dass sogar in die positive Koalitionsfreiheit eingegriffen werden soll. Der Tarifvertrag einer DGB-Tarifgemeinschaft soll den Tarifvertrag einer CGB-Tarifgemeinschaft verdrängen können. Dies wäre ein verfassungswidriger Eingriff in die Freiheit der Tarifvertragsparteien, Tarifverträge ohne staatlichen Einfluss abschließen zu können. Die geplante Novellierung des Mindestarbeitsbedingungsgesetzes aus dem Jahre 1952 hebelt die Tarifautonomie ein weiteres Stück aus. Während die Allgemeinverbindlichkeit und das ArbeitnehmerEntsendegesetz tarifliche Mindestlöhne erst dann gesetzlich ausweiten, wenn in den tarifgebundenen Firmen mindestens 50 Prozent der Beschäftigten des relevanten Geltungsbereichs arbeiten, soll das MindArbBedG Tarifverträge auch auf tarifungebundene Außenseiter ausweiten. Als Folge davon würde eine Mehrheit durch eine Minderheit majorisiert. Der Weg zum staatlichen Lohndiktat ist damit offen. Der Staat legt so die Axt an einen Pfeiler der sozialen Marktwirtschaft.
4.4 Tarifverhandlungen und Tarifpolitik Wirtschaftsexperten warnen: Hohe Lohnabschlüsse gefährden Wachstum und Beschäftigung. Denn immer noch seien die Deutschen »Weltmeister« bei den Arbeitskosten. Für die Gewerkschaften sind dagegen hohe Lohnabschlüsse ein Mittel, um die erlahmte Konjunktur wieder in Aufschwung zu bringen. Ihre Behauptung: Mehr Lohn führt zu mehr Kaufkraft und damit zu mehr Beschäftigung. Aufgaben a) Machen Sie die einzelnen Positionen der Tarifparteien deutlich und nehmen Sie Stellung! b) Welche Argumente können Gewerkschaften und Arbeitgeber in Tarifverhandlungen anführen, um ihre gegensätzlichen Positionen zu begründen? INFO So lohnen Lohnrunden Durchschnittliche Erhöhungen der Tarifverdienste jeweils gegenüber dem Vorjahr in %
Tarifrunde: Die Großen im Vergleich Lohn- und Gehaltssteigerungen in Westdeutschland für ausgewählte Branchen in %
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Tarifrunde: Vorher und nachher (Auswahl)
Tarifrunde 2008: Viel gefordert, schlecht begründet IWD vom 28. Februar 2008 Um ihre hohen Lohnforderungen zu rechtfertigen, kramen die Gewerkschaften in der laufenden Tarifrunde die sattsam bekannten Argumente hervor. (…) Die Tarifrunde 2008 lief von Beginn an auf hohen Touren – eine Aufwärmphase war den Verhandlungsparteien nicht vergönnt: Der Abschluss in der Stahlindustrie immerhin ist nach zähem Ringen unter Dach und Fach. Im Öffentlichen Dienst folgt zurzeit ein Warnstreik auf den anderen, und in der chemischen Industrie gehen die Verhandlungen dieser Tage los. Mit ihrer Lohnforderung von 7 % ist die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) nicht gerade zimperlich in den Schlagabtausch mit den Arbeitgebern eingestiegen. Anderswo, wie im Öffentlichen Dienst und bei den kommunalen Kliniken, haben sich die Gewerkschaften sogar 8 % und mehr auf die Fahnen geschrieben. Die Arbeitnehmervertreter rechtfertigen das Ende der Bescheidenheit mit einer Reihe von Argumenten, die beim ersten Hören plausibel klingen – einer genaueren Überprüfung aber nicht standhalten: Gewerkschaftsargument 1: Hohe Inflation. Richtig ist, dass die Preissteigerungsraten zuletzt oberhalb dessen lagen, was die Europäische Zentralbank (EZB) als akzeptabel einstuft. Dies habe die vergangenen Lohnerhöhungen aufgezehrt, sagen die Gewerkschaften, deswegen müsse es jetzt einen ordentlichen Schluck aus der Lohnpulle geben. Doch die Unternehmen haben nicht eigenmächtig an der Preisschraube gedreht – sie leiden selbst unter der Inflation, weil ihre Kosten gestiegen sind: Viel Geld fließt vor allem für deutlich teurer gewordene Rohstoffe und Energie ins Ausland. Aber auch der Staat greift stärker bei Abgaben und Gebühren zu – von der Mehrwertsteuererhöhung etwa sehen die Unternehmen keinen Cent. Rechnet man all diese Faktoren heraus, bleibt nur noch eine Teuerung von 1 Prozent übrig. Wer einen vollen Lohnausgleich für den Anstieg der Verbraucherpreise fordert, spielt mit dem Feuer. Die in den zurückliegenden Jahren zum Stillstand gekommene Lohn-Preis-Spirale könnte sich wieder zu drehen beginnen. Bekommt die Inflation dadurch einen neuen Schub, kann die EZB die Zinsen nicht senken oder muss sie sogar weiter erhöhen – für die Konjunktur wäre das pures Gift. Gewerkschaftsargument 2: Aufschwung für alle. Die gute Wirtschaftsentwicklung komme bei den Arbeitern und Angestellten nicht an, monieren ihre Interessenvertreter. Doch höhere Löhne sind nicht der einzige Gradmesser für eine bessere Wirtschaftslage. Eine Gruppe der Gesellschaft profitiert sehr stark vom Aufschwung: die Arbeitslosen. Je weniger Geld
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für das Aufstocken der Gehälter drauf geht, desto mehr Spielraum haben die Unternehmen, um zusätzliche Kräfte einzustellen. In der Vergangenheit galt folgender Zusammenhang: Blieben die Lohnzuwächse um 1 Prozentpunkt hinter dem Produktivitätsanstieg zurück, gab es 0,4 Prozent mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als beim vollen Ausschöpfen des Verteilungsspielraums. So haben Lohnrunden mit Augenmaß seit 1995 fast 880.000 Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen. Und das wiederum kommt auch der Konjunktur zugute: Denn wer einen Job hat und nicht befürchtet, ihn zu verlieren, der geht auch gerne einkaufen. Untersuchungen der Europäischen Kommission und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zeigen, dass Beschäftigungswachstum den Konsum viel stärker ankurbelt als steigende Reallöhne. Gewerkschaftsargument 3: Schwache Binnennachfrage. Dass die Kauflaune der Bundesbürger trotz vieler neuer Arbeitplätze noch besser sein könnte, merken die Gewerkschaften zu Recht an. Im vergangenen Jahr ging der private Konsum real sogar um 0,3 Prozent zurück. Dafür gibt es allerdings einen Grund, den ver.di, BCE und Co. nur zu gerne unter den Tisch fallen lassen: Die Mehrwertsteuererhöhung hat viele Haushalte dazu veranlasst, größere Anschaffungen entweder noch 2006 zu tätigen oder erst einmal aufzuschieben. Doch das Geld wurde der Wirtschaft immerhin nicht vollständig entzogen: Vater Staat hatte die Spendierhosen an und steigerte seine Ausgaben um satte 2 Prozent. Vor allem wegen der guten Beschäftigungslage sind die Konjunkturforscher im Übrigen optimistisch für den Konsum: Sie gehen davon aus, dass er in 2008 den Wachstumssprung nachholt, den Exporte und Investitionen vorexerziert haben. Tarifrunde 2009: Realitätssinn gefragt IWD vom 5. Februar 2009 Die Gewerkschaften sind mit hohen Lohnforderungen in die Tarifverhandlungen des Jahres 2009 gegangen. Doch die Rufe nach einem Lohnplus von 8 % und mehr ignorieren, dass die Preise längst nicht mehr so stark steigen wie im vergangenen Jahr und die Produktivität bestenfalls stagniert. Nicht jeder mischt mit im diesjährigen Tarifpoker. Große Branchen wie die Chemie oder die Metall- und Elektroindustrie führen erst 2010 wieder Lohn- und Gehaltsverhandlungen. Dennoch werden allein im ersten Halbjahr 2009 für mehr als 6,4 Millionen Beschäftigte neue Tarifverträge ausgehandelt – so etwa im öffentlichen Dienst der Länder, bei der Deutschen Telekom, in der Bauindustrie und im Handel. Trotz Wirtschaftskrise treten die Gewerkschaften mit hohen Forderungen an: Die Spanne reicht von 5,5 % mehr Entgelt in der Textil- und Bekleidungsindustrie über 8 % bei der Deutschen Telekom bis hin zu 15 % für das Kabinenpersonal der Lufthansa. Generell geben sich die Gewerkschaften in der Industrie etwas maßvoller als im Dienstleistungsbereich. Ein möglicher Grund dafür ist, dass im produzierenden Gewerbe die Konjunkturkrise bislang stärker durchgeschlagen hat. Die öffentliche Hand, der Einzelhandel, sowie der Nachrichten- und Verkehrssektor spüren die Wirkungen erst verzögert. Dies allein reicht als Erklärung aber nicht aus. Bereits 2008 kletterten die Gehälter im Dienstleistungssektor durchschnittlich um 2,7 % - und lagen damit erstmals seit langem wieder über dem gesamtwirtschaftlichen Schnitt von 2,5 % Lohnplus. Neben den Berufsgewerkschaften setzten vor allem die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Eisenbahnergewerkschaft Transnet kräftige Lohnsteigerungen durch, insbesondere im öffentlichen Dienst und bei der Deutschen Bahn. Dahinter steckt dreierlei: 1. Die konjunkturelle Entwicklung hat den Arbeitnehmerorganisationen in die Hand gespielt. Die Tarifverhandlungen fanden Ende 2007 und Anfang 2008 statt, als die Konjunktur noch brummte. 2. Die Gewerkschaften reklamierten Nachholbedarf. Im öffentlichen Dienst, bei der Bahn oder auch im Einzelhandel hatte es jahrelang nur magere Zuwächse gegeben. Also wollten sich die Gewerkschaften
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dem tarifpolitischen Geleitzug anschließen und ähnlich hohe Abschlüsse erzielen, wie es die IG Metall oder die IG Bergbau, Chemie, Energie bereits 2006 und 2007 geschafft hatten. 3. Seit 2001 haben sich im Verkehrs- und Gesundheitssektor Spezialgewerkschaften tarifpolitisch selbstständig gemacht, die für Ärzte, Lokführer oder Piloten bessere Abschlüsse erstreikten. Die etablierten Branchengewerkschaften haben nun Angst, dass sich weitere Berufsgruppen abspalten und höhere Forderungen durchsetzen. Um dies zu verhindern, reagieren die Alteingesessenen mit einer aggressiveren Lohnpolitik. Ver.di beispielsweise ging schon im vergangenen Jahr in den meisten Branchen mit einem Ruf nach 8 % mehr Lohn und Gehalt in die Tarifrunde – eine fast schon magische Zahl, die auch in den aktuellen Verhandlungen die Marschrichtung vorgibt. Der neue Gewerkschaftswettbewerb kann für die weitere wirtschaftliche Entwicklung verheerende Folgen haben. Denn die derzeit im Raum stehenden Lohnforderungen nehmen keine Rücksicht auf die veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen: Teuerung: Die Inflationsrate sinkt dank rückläufiger Energiepreise. Nach einer Teuerungsrate von 2,6 % im Jahr 2008 wird die Preissteigerung in diesem Jahr deutlich geringer sein. Damit bleibt den Beschäftigten real mehr von den Lohnerhöhungen in der Tasche. Produktivität: Im vergangenen Jahr stiegen die Beschäftigtenzahlen um 1,5 % und damit stärker als das reale Wirtschaftswachstum (1,3 %). Folglich ist die Produktivität leicht gesunken. Aus dieser Perspektive haben die Tarifparteien den lohnpolitischen Verteilungsspielraum 2008 mehr als ausgeschöpft. Die Bundesregierung rechnet in ihrem Jahreswirtschaftsbericht für dieses Jahr mit einem Rückgang der Erwerbstätigenzahlen um 0,7 %; gleichzeitig soll die Wirtschaftsleistung real um mehr als 2 % schrumpfen. Damit verringert sich die Produktivität auch 2009. Missachtet die Lohnpolitik den durch das Produktivitätswachstum abgesteckten Verteilungsspielraum und überschätzt sie die Preissetzungsmöglichkeiten der Firmen, gefährdet sie Arbeitsplätze. Der Versuch vieler Unternehmen, die Wirtschaftskrise durch Kurzarbeit statt durch Beschäftigungsabbau zu bewältigen, würde geradezu topediert. Die wirtschaftliche Performance in der Vergangenheit legt zwei Dinge nahe: Erstens sollten sich die Lohnerhöhungen mehr daran orientieren, wie sich die durchschnittliche Produktivität in den zurückliegenden Jahren entwickelt hat. Der Trend weist eine Leistungszunahme von gut 1,3 % aus. Zweitens ist es für einzelne Branchen sinnvoll, sich nach der gesamtwirtschaftlichen Produktivität zu richten. Diese verläuft stetiger als jene in einzelnen Wirtschaftszweigen und erlaubt es auch den arbeitsintensiven Dienstleistungssektoren, am Wohlstandszuwachs teilzuhaben. Wie man es richtig macht, zeigt die Industrie. Sie profitierte bereits früh vom vergangenen Aufschwung, was sich auch in der Lohndynamik niedergeschlagen hat. Während die Tariflöhne im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt in den Jahren 2006 und 2007 um lediglich 1,2 und 1,4 % angehoben wurden, lag das Lohnplus im produzierenden Gewerbe ohne den Bausektor bei 2,8 und 2,0 %. Auch im längerfristigen Vergleich kommen die Beschäftigten von Bergbau, Industrie und Energiewirtschaft gut weg: Seit dem Jahr 2000 sind die Löhne im produzierenden Gewerbe um knapp 20 % gestiegen, im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft hingegen um lediglich 15 %. Eine Erklärung hierfür liefert die Produktivitätsentwicklung. Von 2000 bis 2008 legte der Output je Arbeitsstunde in der Industrie um gut 31 % zu. Zwar war dies in den Stagnationsjahren von 2002 bis 2004 wahrscheinlich teilweise auf Entlassungen zurückzuführen. In den Jahren 2006 bis 2007 gingen die Produktivitätszuwächse allerdings Hand in Hand mit steigenden Beschäftigtenzahlen. Dass die Lohnpolitik dennoch zurückhaltend blieb, hat ganz entscheidend zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie auf den internationalen Märkten beigetragen: Die Bundesrepublik dürfte im vergangenen Jahr Waren im Wert von knapp einer Billion Euro exportiert haben und sich damit wahrscheinlich wieder den Titel Exportweltmeister verdienen.
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Tarifrunde 2009 Kündigungstermine der Tarifverträge
Länge der Arbeitswoche in Deutschland (Ende 2006)
Anstieg der Löhne in Deutschland 2006 gegenüber 2005 Durchschnittliche Erhöhung der Tarifverdienste 2006 gegenüber 2005 in %
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Tarifpolitik: Teuerung muss außen vor bleiben (IWD vom 1. Dezember 2005) Die Lohnentwicklung wird in Deutschland maßgeblich durch die Tarifpolitik von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden bestimmt. Insgesamt sind 83 % aller Arbeitnehmer in tarifgebundenen oder zumindest in tariforientierten Betrieben angestellt. Auf den ersten Blick haben die Arbeitnehmervertreter zuletzt lohnpolitische Disziplin walten lassen. Die Tarifentgelte haben sich jedenfalls in den vergangenen 10 Jahren wesentlich maßvoller entwickelt als in den frühen neunziger Jahren. Damals drückten der Wiedervereinigungsboom und die rasche Anpassung der Ostlöhne ans Westniveau auf die Lohntube. Auf den zweiten Blick sind jedoch gewisse Zweifel angebracht, ob die Tarifpolitik angesichts der hohen Arbeitslosigkeit wirklich angemessen war: Je Arbeitsstunde gerechnet sind die Tariflöhne zwischen 1995 und 2004 um 20,3 % gestiegen und damit deutlich schneller als die gesamtwirtschaftliche Produktivität, die nur um 16,6 % zunahm. Die Tarifpolitik hat also den durch das Produktivitätswachstum – den wirtschaftlichen Fortschritt – abgesteckten Verteilungsspielraum deutlich überschritten. In einigen Branchen sind die Stundenlöhne sogar doppelt so schnell gestiegen wie die gesamtwirtschaftliche Produktivität: - In Westdeutschland mussten die Papier verarbeitende Industrie sowie die Metall- und Elektroindustrie mit 29 bzw. 28 % seit Mitte der neunziger Jahre die größten Tariflohnzuwächse verkraften. Eher bescheiden waren der Öffentliche Dienst und die Bauwirtschaft mit einem Zuwachs von jeweils 13 %. Vor allem klamme öffentliche Kassen und die anhaltende Baukrise schlugen sich darin nieder. - In Ostdeutschland wuchsen die Entgelte in der Chemischen Industrie am stärksten. Zwischen 1995 und 2004 kamen die Beschäftigten in dieser Branche auf ein Plus von 53 %, gefolgt von den Metallern mit 47 %. Am unteren Ende rangieren die Bauwirtschaft und die Gastronomie. Bei Maurern, Polieren und deren Kollegen auf den Baustellen lag der Zuwachs bei 19 %, Kellner und Köche erhielten im Durchschnitt 23 % mehr Lohn. Egal ob Tarifgebiet West oder Ost – für eine Reihe von Unternehmen waren die tarifpolitischen Vorgaben nicht zu erfüllen. Sie haben daher die Notbremse gezogen und weichen bei Löhnen oder Arbeitszeiten vom Tarifvertrag ab: Drei Viertel der Firmen mit mindestens 20 Mitarbeitern, die einen Betriebsrat haben, nutzen tarifliche Öffnungsklauseln. Es gibt darüber hinaus noch zwei weitere Notausgänge, durch die die Firmen Produktivitätswachstum und Entlohnung ins Lot bringen können: - Zum einen werden übertarifliche Zulagen zurückgestutzt. So sind die Effektivlöhne, also die tatsächlich ausgezahlten Bruttostundenverdienste, in den vergangenen 10 Jahren jährlich um 0,2 % – in den vergangenen drei Jahren um 0,7 % – langsamer gestiegen als die Tariflöhne. - Zum anderen haben Betriebe Mitarbeitern gekündigt, die nach der Lohnrunde ihren „Preis“ nicht mehr erwirtschaften konnten. Dieser für viele Betriebe letzte Ausweg hat aber einen Teufelskreis in Gang gesetzt: Weil vor allem weniger produktive Beschäftigte infolge der überzogenen Lohnerhöhungen ihren Arbeitsplatz verloren haben, ist die gesamtwirtschaftliche Produktivität gestiegen. Diese entlassungsbedingten Produktivitätsgewinne – der Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung beziffert sie für die vergangene Dekade auf 14 % des gesamten Produktivitätsgewinns – haben die Gewerkschaften aber sofort in ihre Lohnforderungen eingepreist. Die daraus resultierenden Tarifabschlüsse haben die Firmen erneut zum Arbeitsplatzabbau gezwungen – und der dadurch erzeugte Produktivitätsgewinn wurde dann ein Jahr später wieder zur Begründung der Lohnerhöhungen herangezogen. Um diese Spirale zu durchbrechen, müssen entlassungsbedingte Produktivitätsgewinne vom Verteilungsspielraum abgezogen werden. Damit allerdings wäre nur der Status quo erreicht und die Beschäftigungslage könnte stabilisiert werden. Bei 5 Millionen Arbeitslosen muss jedoch eine Rückwärtsspirale in Gang gesetzt
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werden: Wenn die Lohnerhöhungen hinter dem Produktivitätszuwachs zurückbleiben, kommen auch schwächere Mitarbeiter wieder mit und ihre Einstellung rechnet sich für das Unternehmen. Denn die lohnpolitische Bescheidenheit sorgt gleich in zweierlei Hinsicht für mehr Jobs: 1. Arbeit wird im Vergleich zum Kapital billiger. Dadurch wird tendenziell arbeitsintensiver produziert. 2. Durch die Kostensenkung lohnt es sich, mehr herzustellen und mehr zu investieren. Folglich steigt die Nachfrage nach Arbeit. Von diesem Szenario ist die deutsche Wirtschaft jedoch weit entfernt. Denn die Gewerkschaften pochen nicht nur strikt auf eine Anhebung der Entgelte nach Produktivitätsentwicklung. Sie haben zuletzt auch noch einen Teuerungsausgleich durchgesetzt: Die Arbeitskosten wuchsen seit 1995 jährlich um 0,2 Prozentpunkte schneller als die Produktivität – insgesamt um 18,9 %. Die Teuerungsrate hat in der Lohnformel aus ökonomischer Sicht aber nichts zu suchen, weil das Ausland und der Staat einen erheblichen Einfluss auf die Preise haben: - Importpreise: Werden Importe – etwa von Rohöl – teuerer, müssen Konsumenten und Unternehmen hierzulande mehr für ausländische Produkte und Vorleistungen ausgeben. Dieses Geld kommt der deutschen Volkswirtschaft nicht zugute – kann also auch nicht verteilt werden. - Staatliche Preise: Einen ähnlichen Umverteilungseffekt wie bei den Importpreisen gibt es bei steigenden Steuern und Gebühren. Denn der Staat lenkt so bewusst einen größeren Teil des Bruttoinlandsprodukts in seine Kassen um: Nach Berechnungen des Sachverständigenrats gehen fast zwei Drittel des Verbraucherpreisanstiegs von 9,1 % seit dem Jahr 2000 auf das Konto staatlich administrierter Preise. Ohne sie hätte sich nur ein Preis-Plus von 3,9 % ergeben. Werden nun steigende Importpreise sowie Steuern und Gebühren in den Tarifverhandlungen in höhere Abschlüsse für die Arbeitnehmer umgemünzt, kostet das Arbeitsplätze. Die gestiegenen Preise für den Faktor Arbeit werden eben nicht durch mehr Leistung aufgefangen – die Produktivität bleibt gleich. - Institut für Weltwirtschaft: Nach Berechnungen der Kieler Ökonomen steigt die Zahl der Arbeitsplätze und der insgesamt von allen Erwerbstätigen geleisteten Arbeitsstunden innerhalb von 3 Jahren um rund 1 %, wenn die Löhne um einen Prozentpunkt hinter dem Wachstum der Wertschöpfung zurückbleiben. - Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Der Nürnberger Think-Tank hat errechnet, dass 300.000 neue Arbeitsplätze entstehen, wenn die Lohnsteigerungen 3 Jahre lang um jeweils einen Prozentpunkt unter dem Produktivitätsfortschritt liegen. - Institut der deutschen Wirtschaft Köln: Es kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Zahl der Erwerbstätigen und der von ihnen geleisteten Arbeitsstunden nach einem Jahr um jeweils 0,4 % erhöht, wenn die Lohnerhöhungen um einen Prozentpunkt hinter dem Wachstum der Produktivität zurückbleiben. Dies entspricht einem Zuwachs von etwa 130.000 Erwerbstätigen oder 222 Millionen Arbeitsstunden. Lohnzurückhaltung ist damit ein unverzichtbarer Beitrag zur Belebung des Arbeitsmarktes. Ein solches Vorgehen fällt naturgemäß umso leichter, wenn es durch eine Senkung der hohen Lohnzusatzkosten flankiert wird. Die Tarifpolitik leidet seit Jahren darunter, dass Lohnerhöhungen zwar die Produktion verteuern und damit die Wettbewerbsfähigkeit angreifen, sich aber nicht im Portemonnaie der Bundesbürger niederschlagen. Obwohl die Arbeitskosten der Unternehmen – Bruttolöhne plus Sozialversicherungsbeiträge – je Erwerbstätigen im Jahr 2004 real um 5,4 % höher waren als 1995, waren die realen Nettoverdienste im Vergleich zu damals sogar um 2 % niedriger. Insofern wäre die jetzt geplante Senkung des Arbeitslosenbeitrags um 2 Prozentpunkte ein wahrer Segen – würden nicht gleichzeitig andere Maßnahmen in der Sozialversicherung wie die Kürzung des Bundeszuschusses dafür sorgen, dass Renten- und Krankenkassen demnächst mehr Geld von den Versicherten und ihren Arbeitgebern einsammeln müssen. Die Lohnentwicklung wird in Deutschland maßgeblich durch die Tarifpolitik von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden bestimmt.
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Aufgaben c) Welche Faktoren bestimmen bei den Tarifverhandlungen den lohnpolitischen Verteilungsspielraum? d) Welche Auswirkungen ergeben sich für den Arbeitsmarkt einer Volkswirtschaft, wenn die Löhne im Zeitablauf stärker steigen als die Produktivität in den einzelnen Branchen? e) Wie haben verschiedene Unternehmen auf die lohnpolitische Entwicklung seit 1995 reagiert? f) Prüfen Sie, ob es ökonomisch berechtigt ist, die Teuerungsrate in die Lohnforderungen der Gewerkschaften einzubeziehen. g) Wirtschaftsexperten weisen in ihren Gutachten zum deutschen Arbeitsmarkt darauf hin, wie neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Erläutern Sie diese Vorschläge!
4.5 Arbeits- und sozialrechtliche Auswirkungen eines Streiks Nachdem die Tarifverhandlungen im Bankgewerbe von der Gewerkschaft ver.di für gescheitert erklärt wurden und sich 93 Prozent der organisierten Gewerkschafter für einen Streik ausgesprochen haben, beschließt die Streikleitung der Gewerkschaft ver.di, am Montag die EDV-Organisation der Nordbank AG durch einen Schwerpunktstreik lahm zu legen. Die Mitarbeiter dieser Abteilung werden daher zur Arbeitsniederlegung aufgefordert. Der EDV-Mitarbeiter Jens Brommer ist seit fünf Jahren gewerkschaftlich in der ver.di organisiert. Seine Beitragszahlungen an die Gewerkschaft belaufen sich auf 15,00 EUR monatlich. Er erscheint am Montag nicht zur Arbeit. Stattdessen steht er vor der Nordbank AG und verteilt an Kunden und Kollegen Flugblätter, in denen die Ziele des Streiks erklärt werden. Bearbeiten Sie die nachfolgenden Aufgaben unter Verwendung der Informationstexte. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 die §§ 275, 323, 325 sowie 611 f. BGB, § 146 SGB III sowie § 192 SGB V. Aufgaben a1) Wie wirkt sich die Arbeitsniederlegung auf die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten von Jens Brommer aus? a2) Stellen Sie in diesem Zusammenhang auch die finanziellen Folgen des Arbeitskampfes für Herrn Brommer fest. Obwohl die EDV-Mitarbeiterin Elke Simon nicht gewerkschaftlich organisiert ist, erklärt sie sich mit ihren organisierten Kollegen solidarisch und bleibt gleichfalls der Arbeit fern. Aufgaben b) Prüfen Sie, 1. ob Frau Simon streiken darf. 2. ob die gesetzliche Krankenkasse für die Dauer des Streiks im Falle einer Krankheit von Frau Simon zu Leistungen verpflichtet ist. 3. ob Frau Simon Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. INFO Auswirkungen des rechtmäßigen Arbeitskampfes für das Arbeitsverhältnis Die Teilnahme an einem rechtmäßigen Arbeitskampf stellt weder für die Mitglieder der Tarifvertragsparteien noch für die Außenseiter eine Verletzung des Arbeitsvertrages dar. Der bestreikte Arbeitgeber darf daher insbesondere nicht dem streikenden Arbeitnehmer wegen Vertragsbruchs kündigen. Nur wenn sich der einzelne Arbeitnehmer eines durch den Streik nicht mehr gerechtfertigten Übergriffs schuldig macht, z. B. in-
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dem er arbeitswillige Arbeitnehmer mit körperlicher Gewalt am Betreten des Betriebes hindert, ist je nach den Umständen des Einzelfalles eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung zulässig. Bei ausdrücklich oder schlüssig erklärter Teilnahme an einem rechtmäßigen Arbeitskampf ruhen die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Dies bedeutet einerseits, dass die Arbeitnehmer keine Arbeitsleistungen zu erbringen brauchen und andererseits, dass sie keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt haben. Der gewerkschaftliche Streikbeschluss berechtigt unabhängig von der Organisationszugehörigkeit alle Arbeitnehmer des bestreikten Betriebes oder Betriebsteils, jederzeit an den Arbeitskampfmaßnahmen teilzunehmen. Umgekehrt kann auch vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, dass er den Betrieb im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren wenigstens teilweise aufrechterhält. Vielmehr ist er berechtigt, auf Abwehrmaßnahmen gegen den Streikbeschluss zu verzichten. Er darf den bestreikten Betrieb oder Betriebsteil für die Dauer des Streiks mit der Rechtsfolge stilllegen, dass seine Lohnzahlungspflicht auch gegenüber den arbeitswilligen Arbeitnehmern entfällt. Während eines Arbeitskampfes erhalten im Allgemeinen die Gewerkschaftsmitglieder, die schon mindestens drei Monate ihrer Gewerkschaft angehören, Streikunterstützung in Höhe von etwa 2/3 des Bruttoverdienstes. Nicht organisierte Arbeitnehmer, die in dem bestreikten Tarifgebiet unmittelbar betroffen sind, erhalten vom Staat Sozialhilfe. Unterstützungen bei Streik und Aussperrung für Mitglieder der Gewerkschaft ver.di 1 Die am Streik beteiligten Mitglieder der Gewerkschaft ver.di erhalten nach dreimonatiger Mitgliedschaft bei Teilnahme an Streiks, die vom Bundesvorstand beschlossen sind, und bei Aussperrungen im Zuge eigener Kampfmaßnahmen eine Unterstützung. Voraussetzung ist, dass der Arbeitskampf länger als drei Tage dauert und keine Gehaltszahlungen erfolgen. 2. Die Unterstützung erfolgt nach Maßgabe des durchschnittlichen Monatsbeitrages der dem letzten Urabstimmungstag vorausgegangenen zwölf Monate und der Dauer der Mitgliedschaft. Sie beträgt pro Kalendermonat:
Für jeweils 0,50 EUR mehr Monatsbeitrag erhöht sich die monatliche Unterstützung um 26,00 EUR. Die Unterstützung pro Werktag (einschließlich bezahlter Feiertage) beträgt 1/26 des Monatssatzes ...
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4.6 Arbeitskampf Der Streik ist das mit der Tarifautonomie (Art. 9 Absatz 3 GG) gewährleistete kollektive Kampfmittel der Arbeitnehmer. Könnten sich die Arbeitgeber gegenüber den Gewerkschaften Tarifverhandlungen verweigern, wäre diese, um Lohnsteigerungen zu erreichen, ohne das Streikrecht zum „kollektiven Betteln“ gezwungen. Aufgabe a) Welche Voraussetzungen müssen die Gewerkschaften erfüllen, damit zu einem rechtmäßigen Streik aufgerufen werden kann? INFO Internationale Streikbilanz 2000 bis 2007
Wie kommt ein Streik zustande? Heutzutage handeln in regelmäßigen Abständen Vertreter der Unternehmer (Arbeitgeberverbände) und Vertreter der Arbeiter und Angestellten (Gewerkschaften) die Arbeitsbedingungen in Tarifverhandlungen neu aus. Dabei geht es beispielsweise um Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen, Sicherheit der Arbeitsplätze oder Urlaubsregelung. Darüber hinaus finden i. d. R. jährlich Tarifverhandlungen über Löhne und Gehälter statt. Werden die Tarifverträge gekündigt, kommt es zu neuen Tarifverhandlungen. Kommt in den Verhandlungen keine Einigung zustande, können von den Gewerkschaften Warnstreiks durchgeführt werden. Die eigentlichen Arbeitskampfmaßnahmen dürfen aber erst nach dem Ende der Friedenspflicht beginnen. Diese Friedenspflicht soll zunächst dafür sorgen, dass mindestens bis zum Ende des laufenden Tarifvertrages Frieden zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften herrscht. Jeder Streik, der gegen diese gesetzliche Friedenspflicht verstößt, ist daher tarifwidrig. Wenn abzusehen ist, dass die Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften gescheitert sind, besteht die Möglichkeit zu einer letzten friedlichen Einigung im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens. Voraussetzung hierfür ist
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allerdings, dass beide Seiten an einer solchen Schlichtung auch interessiert sind. Während einer Schlichtung herrscht ebenfalls Friedenspflicht. Die Schlichtungsstelle setzt sich aus Vertretern beider Tarifparteien zusammen. In den meisten Fällen kommt noch ein neutraler Schlichter hinzu. Scheitert auch das Schlichtungsverfahren, ist ein Arbeitskampf in aller Regel unausweichlich. Einigt man sich im Schlichtungsverfahren, wird ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, der für eine bestimmte Zeit (mindestens 1 Jahr) Gültigkeit besitzt. Scheitert die Schlichtung, setzt die Gewerkschaft eine Urabstimmung an, bei der die organisierten Arbeitnehmer entscheiden müssen, ob sie streiken wollen. Auf einen Streik können die Arbeitgeber mit Aussperrung reagieren, d. h. auch die Arbeitnehmer, die nicht streiken, dürfen während der Arbeitszeit nicht arbeiten. Der Streik endet, wenn in neuen Verhandlungen ein Kompromiss gefunden worden ist und 25 Prozent der organisierten Arbeitnehmer in einer zweiten Urabstimmung dem Kompromiss zustimmen. Ein neuer Tarifvertrag kann dann in Kraft treten. Aufgabe b) Um welchen Streik handelt es sich in den nachstehenden Fällen? Prüfen Sie anhand der nachfolgenden INFO-Texte in diesem Zusammenhang auch, ob die angeführten Streiks rechtmäßig sind! Fall 1 Im Tarifstreik bei der Hamburger Hochbahn AG (HHA, 5.700 Mitarbeiter) hat die Gewerkschaft ver.di für morgen einen flächendeckenden Streik angekündigt: Von 4.00 Uhr bis 7.30 Uhr sollen sämtliche UBahnen und Busse stillstehen. Nur die S-Bahnen und sowie die Buslinien aus dem Umland sind nicht betroffen. “Die HHA zwingt uns mit ihrer Blockadehaltung Kampfmaßnahmen auf“, sagte ein ver.diSprecher. Ver.di will mit dem Zeitpunkt des Streiks am frühen Morgen die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste so gering wie möglich halten. Die Tarifverhandlungen treten seit zwei Monaten auf der Stelle. ver.di verlangt 6,5 % mehr Lohn und Gehalt, die Arbeitgeber wollen nur 2 % gewähren und zugleich Streichungen von Zusatzurlaub, verlängerte Arbeitszeiten und eine Verschlechterung bei der Überstundenvergütung durchsetzen. Das Ergebnis wäre eine Nullrunde. Ver.di wies darauf hin, dass die Wettbewerbsfähigkeit der HAA nicht durch Nullrunden, sondern durch ein Unternehmenskonzept hergestellt werden müsse. Die HHA hat Gespräche angeboten und wartet derzeit auf Antwort, ver.di seinerseits wartet bei hoher Streikbereitschaft auf ein verbessertes HHA-Angebot. 70 Prozent der HHA-Mitarbeiter sind gewerkschaftlich organisiert. Fall 2 Zur Unterstützung der Forderung von 6 % mehr Lohn und Gehalt und eines zusätzlichen Rationalisierungsschutzes der Gewerkschaft ver.di fordert die IG Metall ihre Mitglieder zu zweistündigen Arbeitsniederlegungen aus Solidarität mit den Forderungen von ver.di auf. Fall 3 Um die gewerkschaftliche Forderung nach mehr Mitbestimmung des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu unterstützen, fordert der Betriebsrat eines Unternehmens die Beschäftigten zu der Teilnahme an einer örtlichen Demonstration während der Arbeitszeit auf. Fall 4 Nachdem sich nach erfolglosen Tarifverhandlungen 95 % der Mitglieder der Gewerkschaft ver.di für einen Arbeitskampf ausgesprochen haben, fordert die Streikleitung der ver.di die Beschäftigten der Abteilung »EDV-Organisation« der Elbebank auf, die Arbeit niederzulegen. Fall 5 Um den Buß- und Bettag wieder als gesetzlichen Feiertag für die Arbeitnehmer einzuführen, fordern die Kirchen die Arbeitnehmer auf, die Arbeit um 11.55 Uhr für fünf Minuten niederzulegen.
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INFO Rechtmäßigkeit eines Streiks und gewerkschaftliche Streiks Quelle: Übersicht über das Recht der Arbeit, April 2000, S. 358 f. Die Rechtsprechung hat allgemeine Rechtsregeln für die Zulässigkeit von Streiks entwickelt. Danach steht der Streik unter dem obersten Gebot der Verhältnismäßigkeit. Dies bedeutet, er muss in seiner Zielsetzung und Durchführung die wirtschaftlichen Möglichkeiten berücksichtigen; das Gemeinwohl darf nicht offensichtlich verletzt sein. Das Bundesarbeitsgericht hat hieraus drei wesentliche Folgerungen abgeleitet: - Der Streik muss zur Erreichung rechtmäßiger Kampfziele und des nachfolgenden Arbeitsfriedens geeignet und sachlich erforderlich sein. Er darf darüber hinaus nur als letztes Mittel nach Ausschöpfung aller Verständigungsmöglichkeiten ergriffen werden (ultima-ratio-Prinzip). Deshalb ist grundsätzlich ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. - Der Streik muss nach den Regeln eines fairen Kampfes geführt werden und darf nicht auf die Vernichtung des Gegners abzielen. Dies bedeutet allerdings keine Pflicht zum Einsatz des schonenden Kampfmittels. - Nach beendetem Streik müssen beide Tarifvertragsparteien zu einer möglichst schnellen und umfassenden Wiederherstellung des Arbeitsfriedens beitragen. Unsere Rechtsordnung kennt kein geschlossenes System zulässiger Arbeitskampfmaßnahmen. Ein Vollstreik liegt vor, wenn alle Arbeitgeber eines Wirtschaftszweiges von den Arbeitnehmern bestreikt werden oder wenn alle Arbeitnehmer eines Betriebes die Arbeit niederlegen. Um einen Teil- oder Schwerpunktstreik handelt es sich, wenn nur bestimmte Abteilungen eines Betriebes oder bestimmte Schlüsselbetriebe eines Wirtschaftszweiges bestreikt werden und dadurch die Arbeitsfähigkeit des Betriebes oder des Wirtschaftszweiges entschieden beeinträchtigt wird. Bei einem Generalstreik legen alle Arbeitnehmer die Arbeit nieder und bringen somit die Wirtschaft zum Stillstand. Arbeitskämpfe dürfen auch nach Ablauf der Friedenspflicht nur eingeleitet und durchgeführt werden, wenn zuvor Forderungen zum Inhalt des abzuschließenden Tarifvertrages erhoben worden sind und über diese Forderungen auch Tarifverhandlungen geführt worden sind. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Arbeitgeber Verhandlungen über eine Forderung der Gewerkschaft von vornherein ablehnt. Damit sind auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch kurze und zeitlich befristete Arbeitsniederlegungen, die in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit laufenden Tarifverhandlungen stehen (Warnstreiks), keine gegenüber anderen Arbeitskampfformen privilegierte Kampfformen, sodass sie Gegenmaßnahmen der Arbeitgeberseite auslösen können. Das Ultima-Ratio-Prinzip verlangt nämlich nicht, dass die Tarifverhandlungen förmlich für gescheitert erklärt werden, damit Arbeitskampfmaßnahmen zulässig werden. Unzulässig sind grundsätzlich Sympathie- und Solidaritätsstreiks, d. h. solche Streiks, die zur Unterstützung der Kampfforderungen einer anderen Gewerkschaft geführt werden. Wichtige Begriffe: Wilder Streik: Träger des Streiks können nur die Gewerkschaften sein. Eine von der zuständigen Gewerkschaft weder von vornherein gebilligte, noch nachträglich genehmigte und übernommene Arbeitsniederlegung ist ein sog. wilder Streik und als solcher rechtswidrig. Dies gilt zumal deshalb, weil mit spontanen Arbeitsniederlegungen häufig Ziele verfolgt werden, die nach unserer Rechtsordnung nur durch entsprechende Klagen vor den Arbeitsgerichten erreicht werden können, z. B. wenn mit der Arbeitsniederlegung gegen die ungerechtfertigte Entlassung von Arbeitnehmern protestiert werden soll. Aussperrung: Die Aussperrung ist die von einem Arbeitgeber oder mehreren Arbeitgebern planmäßig vorgenommene Nichtzulassung von Arbeitnehmern zur Arbeit unter Verweigerung der Lohnzahlung mit dem Willen der Wiedereinstellung nach dem Erreichen des Kampfziels. Die Aussperrung kann alle Arbeitnehmer eines Betriebes betreffen. Sie kann aber auch nur gegen die Arbeitnehmer gerichtet sein, die
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bereits streiken, oder umgekehrt innerhalb eines Betriebes bestimmte Arbeitnehmergruppen, z. B. die Facharbeiter, oder bestimmte Produktionssparten ausnehmen. Dagegen ist eine Aussperrung, die gezielt nur die Mitglieder einer streikenden Gewerkschaft erfasst, nicht organisierte Arbeitnehmer jedoch verschont, nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts eine eindeutig gegen die Koalitionsfreiheit gerichtete Maßnahme und damit nach Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes rechtswidrig. Bundesarbeitsgericht und Bundesverfassungsgericht haben die Aussperrung in Form der Abwehraussperrung auf begrenzte Teilstreiks als zulässig angesehen. Dabei steht die Aussperrung ebenso wie der Streik unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit, d. h. das einerseits wirtschaftliche Gegebenheiten zu berücksichtigen sind und das Gemeinwohl nicht offensichtlich verletzt werden darf. Andererseits gilt für den Umfang von Abwehraussperrungen das Übermaßverbot (Geeignetheit, Erforderlichkeit und Proportionalität). Die Aussperrung hat im Allgemeinen suspendierende Wirkung. Dies bedeutet, dass die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhen, also die Beschäftigungspflicht einerseits und die Lohnzahlungspflicht andererseits. Friedenspflicht: Die Friedenspflicht gebietet den Tarifvertragsparteien, während der Laufzeit des Tarifvertrages den Arbeitsfrieden zu wahren. Dies bedeutet insbesondere, dass die Tarifvertragsparteien während der Laufzeit eines Tarifvertrages nicht versuchen dürfen, neue Forderungen durch Kampfmaßnahmen durchzusetzen. Andernfalls machen sie sich schadensersatzpflichtig. Schlichtungsabkommen: Schlichtungsabkommen zwischen den Tarifvertragsparteien haben in der Praxis erhebliche Bedeutung. Sie gelten für zwei Drittel der von Tarifverträgen erfassten Arbeitnehmer. Schlichtungsabkommen bestehen z. B. im öffentlichen Dienst, in der Metallindustrie, in der chemischen Industrie und in der Ernährungsindustrie. Die Schlichtungsabkommen erweitern die Friedenspflicht. Sie sehen im Allgemeinen vor, dass Kampfmaßnahmen erst zulässig sind, wenn das Schlichtungsverfahren vor einer Schlichtungsstelle ergebnislos geblieben ist. Die tarifliche Schlichtungsstelle ist meistens in gleicher Zahl mit Vertretern der beiden Tarifvertragsparteien besetzt. Sie wird im Allgemeinen von einem oder zwei unparteiischen Vorsitzenden geleitet. Aufgabe c) Welche wirtschaftlichen Folgen sind mit Streiks verbunden? d) Die Bundesrepublik Deutschland gehört schon immer zu den besonders friedlichen Ländern, aber auch weltweit ist die Streikbereitschaft zurückgegangen (vgl. Arbeitskämpfe international). Wie ist diese Entwicklung zu erklären? INFO Arbeitskämpfe international: Keine weiße Weste Quelle: IWD vom 24. April 2003, Auszug Wenn es um Streiks und Aussperrungen geht, ist Deutschland auf dem ersten Blick ein friedliches Land. Andere Staaten führen die Liste der durch Arbeitskämpfe verlorenen Arbeitstage an – allen voran Spanien und Kanada. Doch so weiß ist die deutsche Weste auch nicht, denn zahlreiche Warnstreiks trüben das Bild – nur zählt diese keiner. Gerade in Zeiten, in denen internationale Organisationen Deutschland immer wieder als kranken Mann Europas kennzeichnen, der unter einem unflexiblen Arbeitsmarkt und zu viel Bürokratie leidet, ist eines Balsam für die geschundene Seele: Der soziale Frieden gilt als „unbeflecktes“ Markenzeichen des Standortes D. Und in der Tat – gemessen an den durch Streiks und Aussperrungen verlorenen Arbeitstagen steht Deutschland im internationalen Vergleich nach wie vor recht gut da: Im Schnitt der Jahre 1992 bis 2001 fielen hierzulande je 1000 Beschäftigte jährlich gerade einmal 9 Arbeitstage aus. Mit nur 2 Ausfalltagen schneiden allein Japan, Österreich und die Schweiz besser ab. Am häufigsten auf die Barrikaden gingen in den 19 untersuchten OECD-Ländern die Arbeitnehmer in Spanien, Kanada und Dänemark:
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In Spanien, wo die Gewerkschaften noch an klassenkämpferischen Ideologien hängen, kamen zwischen 1992 und 2001 im Schnitt (je 1000 Beschäftigte gerechnet) fast 300 Arbeitstage im Jahr zusammen. Kanada schneidet mit mehr als 180 Ausfalltagen im internationalen Vergleich ebenfalls schlecht ab. Dort streiten sich die insgesamt 800 Gewerkschaften noch viel öfter um die Vorherrschaft auf dem tarifpolitischen Schlachtfeld. Dänemark hat seine knapp 170 Ausfalltage in erster Linie einem zehntägigen Massenstreik im Jahr 1998 zu verdanken, als es um die tarifliche Einführung der 6. Urlaubswoche ging. Nur durch das Eingreifen der Regierung (Zwangsschlichtung) konnte die Gewerkschaftsbasis damals zur Vernunft gebracht werden. Rechnet man diesen Effekt aus der Streikbilanz heraus, kommt Dänemark im Zehnjahresschnitt auf nur 41 Ausfalltage. Immer mehr Gewerkschaften haben zudem rund um den Globus ihre Kampftaktik geändert und verfahren nach dem Motto „In der Kürze liegt die Würze“: In den siebziger Jahren legte jeder Arbeitnehmer im internationalen Schnitt noch für 5 Tage im Jahr die Arbeit nieder – heute ruht lediglich an 3 Tagen die Arbeit. In einer hochgradig arbeitsteiligen Produktion bedarf es nämlich – das haben die Gewerkschaften früh erkannt – keiner lang andauernden Flächenstreiks mehr, um tarifpolitische Ziele durchzusetzen. Es reichen schon kleine Nadelstiche, bei denen Betriebe abwechselnd nur ein oder zwei Tage bestreikt werden, um den Produktionsablauf – auch in nicht bestreikten Betrieben – empfindlich zu stören und die Arbeitgeberseite „weich zu klopfen“. Auch in Deutschland hat diese Form des Flexi-Streiks Einzug gehalten. In den neunziger Jahren hat jeder Arbeitnehmer nur noch 1 ½ Tage im Jahr die Arbeit niedergelegt – in den siebziger Jahren waren es mehr als 6 Tage. Wer Streiks ausweicht und um des lieben Friedens willen schnell abschließt, bezahlt dafür offenbar aber hinterher einen hohen Preis: So haben „friedliebende“ Länder wie Deutschland, Japan und die Schweiz weltweit mit die höchsten Arbeitskosten. Fast überall auf der Welt wird weniger gestreikt, das hat vor allem 3 Gründe: 1. Strukturwandel: Arbeitskämpfe konzentrieren sich traditionell auf das Produzierende Gewerbe, wo die Gewerkschaften am stärksten sind, aber die Belegschaften schrumpfen. Im privaten Dienstleistungssektor, wo Beschäftigung aufgebaut wird, konnten die Gewerkschaften noch nicht richtig Fuß fassen. 2. Einstellungswandel: Die Arbeitnehmer sind heute meist wesentlich individualistischer eingestellt als früher und versuchen eher, ihre Interessen selbstständig gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. Dementsprechend weisen sie eine größere Distanz zu traditionellen Instrumenten der kollektiven Interessenvertretung wie Gewerkschaften und Arbeitskämpfen auf. 3. Arbeitslosigkeit: Die Streikbereitschaft von Arbeitnehmern und Gewerkschaften mag auch durch das höhere Beschäftigungsrisiko gedämpft worden sein – immerhin stieg die standardisierte Arbeitslosenquote der OECD-Länder von 4,3 Prozent in den 70er Jahren auf jeweils 7,3 Prozent in den 80er und 90er Jahren. Die generelle Tendenz zum Rückgang der Arbeitskampfaktivitäten darf jedoch nicht ohne weiteres in die Zukunft fortgeschrieben werden. Wie schnell der Funke überspringen kann, zeigt ein Blick nach Frankreich. Dort machten im Jahr 1995 die Routiers die Straßen dicht – rasch nutzten auch andere Arbeitnehmer den Anlass, um gegen die Regierung zu protestieren. Auch im eher friedlichen Norwegen wurde 1996 in mehreren Branchen heftig gestreikt. Aufgaben e) Was versteht man unter der »Aussperrung« und welche arbeitsrechtlichen Folgen hat sie für den Arbeitnehmer? f) Eine wichtige Forderung der Gewerkschaften ist die gesetzliche Abschaffung des Kampfmittels »Aussperrung«, da es ihrer Meinung nach das Kräftegleichgewicht der Tarifparteien zu Ungunsten der Gewerkschaften verschiebe. Nehmen Sie Stellung aus Sicht der Gewerkschaften und Arbeitgeber!
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INFO Der Arbeitskampf Auszug aus: Übersicht über das Recht der Arbeit, April 2000, S. 355 Allgemein anerkannt ist der Streik als das mit der Tarifautonomie gewährleistete kollektive Kampfmittel der Arbeitnehmer. Können sich die Tarifvertragsparteien über den Abschluss eines Tarifvertrages, auch im Rahmen eines freiwilligen oder staatlichen Schlichtungsverfahrens, nicht einigen, steht den Gewerkschaften der Streik als Kampfmittel zur Verfügung, um die Arbeitgeberseite zum Abschluss eines Tarifvertrages zu veranlassen. Demgegenüber war es früher umstritten, ob auch die Aussperrung als dem Streik entsprechendes Kampfmittel der Arbeitgeber zulässig ist. Die Aussperrung dagegen ist die von einem Arbeitgeber oder mehreren Arbeitgebern planmäßig vorgenommene Nichtzulassung von Arbeitnehmern zur Arbeit unter Verweigerung der Entgeltzahlung mit dem Willen der Weiterbeschäftigung nach Erreichen des Kampfzieles. Die Aussperrung kann alle Arbeitnehmer eines Betriebes betreffen. Sie kann aber auch nur gegen die Arbeitnehmer gerichtet sein, die bereits streiken, oder umgekehrt innerhalb eines Betriebs bestimmte Arbeitnehmergruppen, z. B. die Facharbeiter, oder bestimmte Produktionssparten ausnehmen. Dagegen ist eine Aussperrung, die gezielt nur die Mitglieder einer streikenden Gewerkschaft erfasst, nicht organisierte Arbeitnehmer jedoch verschont, nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts eine eindeutig gegen die positive Koalitionsfreiheit gerichtete Maßnahme und damit gemäß Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz rechtswidrig. Zulässigkeitsvoraussetzungen
Bundesarbeitsgericht und Bundesverfassungsgericht haben die Aussperrung, jedenfalls in Form der Abwehraussperrung auf begrenzte Teilstreiks, als zulässig angesehen. Dabei steht die Aussperrung ebenso wie der Streik unter dem obersten Gebot der Verhältnismäßigkeit, d. h. das einerseits wirtschaftliche Gegebenheiten zu berücksichtigen sind und das Gemeinwohl nicht öffentlich verletzt werden darf und andererseits für den Umfang von Abwehraussperrungen das Übermaßverbot (mit den Merkmalen: Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit) gilt. Im Einzelnen hat das Bundesarbeitsgericht folgende Grundsätze aufgestellt: - Ziel und Zeitpunkt: Die Aussperrung muss zur Erreichung des Kampfziels und des nachfolgenden Arbeitsfriedens geeignet und erforderlich sein; sie darf nur das letzte mögliche Mittel (Ultima-RatioPrinzip) sein. - Intensität: Die Regeln eines fairen Kampfes sind zu beachten; die Aussperrung darf nicht auf die Vernichtung des Gegners abstellen. - Verbandsbeschluss: In der Auseinandersetzung um einen Verbandstarifvertrag bedürfen Aussperrungen – ebenso wie Streiks – eines Verbandsbeschlusses. Über dessen Inhalt muss die Gegenseite allerdings nicht im Einzelnen unterrichtet werden. Sie muss aber erkennen könne, ob sie es mit einer zulässigen oder einer unzulässigen („wilden“) Arbeitskampfmaßnahme zu tun hat. Die Reaktionsmöglichkeiten sind nämlich in beiden Fällen verschieden. An die Form der Unterrichtung sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Eindeutige Erklärung der Aussperrung: Die Aussperrung bedarf einer eindeutigen Erklärung. Die bloße Aufforderung, die Arbeitsplätze zu verlassen, reicht nicht aus, weil unklar bleibt, ob der Arbeitgeber lediglich auf streikbedingte Betriebsstörungen reagiert oder selbst einer Kampfmaßnahme ergreift und die Arbeitnehmer aussperrt. Eine Klarstellung ist aber angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen und Folgen beider Tatbestände unerlässlich. Begrenzung auf das Tarifgebiet: Das Tarifgebiet muss regelmäßig als angemessene Grenze des Kampfgebietes angesehen werden. Eine weiter gehende Ausdehnung des Kampfgebiets durch eine Aussperrung ist in der Regel zur Herstellung des Verhandlungsgleichgewichts nicht erforderlich.
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Zahlenmäßige Begrenzung: Je enger der Streik innerhalb eines Tarifgebiets begrenzt ist, desto stärker ist das Bedürfnis der Arbeitgeber, den Arbeitskampf auf weitere Betriebe auszudehnen. Bei einem Streik von weniger als 25 % der Arbeitnehmer des Tarifgebietes ist eine Abwehraussperrung verhältnismäßig, wenn sie ihrerseits nicht mehr als 25 % der Arbeitnehmer des Tarifgebiets erfasst; eine weiter gehende Aussperrung ist regelmäßig nicht proportional und damit unwirksam. Bei einem Streik von mehr als 25 % der Arbeitnehmer des Tarifgebiets ist das Bedürfnis der Arbeitgeber zur Erweiterung des Kampfrahmens entsprechend geringer. Daraus folgt, dass zusammen höchstens 50 % der Arbeitnehmer streiken oder ausgesperrt sein dürfen. Übermaßverbot: Arbeitgeber können im Rahmen der Verhältnismäßigkeit Kurzstreiks mit Abwehraussperrungen beantworten. Diese Möglichkeit hat auch der keinem Arbeitgeberverband angehörende Arbeitgeber. Eine Aussperrung von zwei Tagen, mit der auf einen für eine halbe Stunde ausgerufenen Streik reagiert wird, verletzt das Übermaßverbot. Beendigung der Aussperrung: Nach beendeter Aussperrung müssen die beiden Tarifvertragsparteien zu einer möglichst schnellen und umfassenden Wiederherstellung des Arbeitsfriedens beitragen.
Im Zuge der Globalisierung des Wettbewerbs hat die Arbeitgeberseite Schwierigkeiten, die einzelnen Unternehmen zu einer Aussperrung zu veranlassen. Ist die Aussperrung rechtswidrig, bestehen wie beim Streik Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche. Der Arbeitnehmer kann zudem das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen. Wirkungen der Aussperrung Die Aussperrung hat im Allgemeinen suspendierende Wirkung. Dies bedeutet, dass die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis ruhen, also die Beschäftigungspflicht einerseits und die Entgeltzahlungspflicht andererseits. Die suspendierende Aussperrung ist auch bei erkrankten und schwerbehinderten Arbeitnehmern zulässig.
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4.7 Arbeitsmarkt Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 das Sozialgesetzbuch III sowie das Stabilitätsgesetz. Die Entwicklung des Arbeitsmarktes im April 2009 Die Rezession der deutschen Wirtschaft wirkt sich zunehmend auf den Arbeitsmarkt aus. Die Arbeitslosigkeit ist für einen April ungewöhnlich schwach zurückgegangen. Allerdings hat vor allem die starke Nutzung der Kurzarbeit die Beschäftigung und damit den Arbeitsmarkt insgesamt stabilisiert und Schlimmeres verhindert. Zu den Arbeitslosen im Rahmen der Statistik der Bundesagentur für Arbeit zählen alle Personen, die das 15., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben, die beschäftigungslos sind oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung (unter 15 Stunden pro Woche) ausüben und ein versicherungspflichtiges, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassendes Beschäftigungsverhältnis suchen. Sie müssen sich bei einer Agentur für Arbeit oder einem Träger der Grundsicherung arbeitslos gemeldet haben sowie der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen und dürfen nicht arbeitsunfähig erkrankt sein.
Die Arbeitslosigkeit hat sich von März auf April 2009 um 1.000 auf 3.585.000 verringert (West: +21.000 auf 2.400.000; Ost: -22.000 auf 1.185.000). In den letzten beiden Jahren war die Arbeitslosigkeit im April im Zuge der Frühjahrsbelebung jeweils zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat wird die Zunahme größer; im April 2009 ist ein Anstieg der Zahl der Arbeitslosen um 171.000 zu verzeichnen. Er erklärt sich mit der schweren Rezession, in der sich die deutsche Wirtschaft befindet. Entlastend wirkt sich dabei das rückläufige Arbeitskräfteangebot (-147.000 im Jahresdurchschnitt 2009) aus. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Erwerbstätigen (nach dem Inlandskonzept) im März 2009 saisonbereinigt um 43.000 gesunken. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat nach Daten der Bundesagentur für Arbeit, die bis Februar reichen, saisonbereinigt um 18.000 abgenommen. Nicht saisonbereinigt ist die Erwerbstätigkeit nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes von Februar auf März um 37.000 auf 39,88 Millionen gestiegen. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Erwerbstätigkeit um 50.000 verringert. Das Vorjahresniveau wird damit erstmals seit Februar 2006 wieder unterschritten. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag im Februar nach der Hochrechnung der Bundesagentur für Arbeit bei 27,28 Millionen; gegenüber dem Vorjahr war das ein Zuwachs von 166.000. Dabei ist der Vorjahresabstand deutlich kleiner geworden.
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Aufgaben
Die anderen Formen der Erwerbstätigkeit haben sich im Vorjahresvergleich uneinheitlich verändert: Während sich die Zahl der Selbständigen praktisch nicht verändert hat, ist die Zahl der Beschäftigten in Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung leicht zurückgegangen und die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten geringfügig gestiegen. Formen der Arbeitslosigkeit Strukturelle Arbeitslosigkeit entsteht dadurch, dass durch nachhaltige Veränderungen der Nachfrage in einzelnen Wirtschaftszweigen (z.B. im Kohlebergbau), durch den Einsatz neuer Techniken und Technologien oder durch Veränderungen auf dem Weltmarkt Arbeitsplätze entweder abgebaut oder betroffene Unternehmen ganz stillgelegt werden. Strukturelle Veränderungen erfordern in der Regel einen langen Anpassungs- und Umstellungsprozess der betroffenen Wirtschaftsbereiche. Strukturelle Arbeitslosigkeit ist meist langfristig. Friktionelle Arbeitslosigkeit wird durch den Wechsel des Arbeitsplatzes bedingt und bezeichnet den Zeitraum der Arbeitsplatzsuche zwischen der Aufgabe der alten Tätigkeit und der Aufnahme einer neuen Beschäftigung. Diese Form der Arbeitslosigkeit ist kurzfristig, kann freiwillig sein (z.B. Eigenkündigung) oder auch unfreiwillig durch Arbeitgeberkündigung. Saisonale Arbeitslosigkeit wird durch jahreszeitliche Änderungen der Nachfrage bewirkt. So ist z.B. die Nachfrage nach Bauleistungen in Wintermonaten wegen der ungünstigeren Wetterlage geringer als in den Sommermonaten und die Bauwirtschaft hat durch diese saisonalen Schwankungen witterungsbedingte Beschäftigungsrückgänge zu verzeichnen. Konjunkturelle Arbeitslosigkeit wird durch zyklische Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und den dabei auftretenden Nachfrageschwankungen und Produktionsrückgängen, vor allem in einer Abschwungphase, verursacht und kann zu Massenarbeitslosigkeit führen. Technologische Arbeitslosigkeit entsteht durch die Ersetzung der Arbeitskräfte durch Maschinen (Automatisierung). Damit verbundene Investitionen, beispielsweise für die Anschaffung der Maschinen, machen sich durch eine höhere Produktivität schnell bezahlt. Dies kann nur durch ein gleichmäßiges Wirtschaftswachstum von mindestens 1,5 % des realen BIP pro Jahr kompensiert werden. Institutionelle Arbeitslosigkeit entsteht aufgrund arbeits- und sozialrechtlicher Regelungen, z. B. wenn ein hohes Arbeitslosengeld keinen Anreiz zur Aufnahme einer wenig besser bezahlten Beschäftigung bietet. Aufgabe 1 Kennzeichnen Sie die unterschiedlichen Formen der Arbeitslosigkeit! Erklärungsansätze für die Entstehung von Arbeitslosigkeit a) Der neoklassische Erklärungsansatz Die neoklassischen Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, dass eine dauerhafte, unfreiwillige Arbeitslosigkeit in einer freien Gesellschaft nicht möglich ist. Arbeitslosigkeit hat danach ihre Ursache in staatlichen Marktbeschränkungen. Diese Marktbeschränkungen steigern durch Zwangsabgaben für die Arbeitslosenversicherung, durch Mindestlöhne oder andere gesetzliche Vorschriften die Arbeitskosten und senken so die Nachfrage nach Arbeitskräften. Da Arbeitslosigkeit ein Marktungleichgewicht darstellt, kann nach neoklassischer Ansicht dieses Marktungleichgewicht nur abgebaut werden, wenn es zu Preissenkungen auf dem Arbeitsmarkt kommt, wenn sich z.B. die Arbeitskosten durch die Senkung von Tariflöhnen, Lohnnebenkosten und Fixkosten reduzieren. Das Marktungleichgewicht könnte aber auch durch eine Reduktion des Angebots an Arbeitskräften verringert werden. Eine Lohnsenkung um 1% hat nach Ansicht der neoklassischen Wissenschaftler zwischen 0,5 und 2% mehr Beschäftigung zur Folge (Elastizität der Arbeitsnachfrage).
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Nach der neoklassischen Wirtschaftstheorie gilt der Preismechanismus als Ausgleich auch auf dem Arbeitsmarkt. Danach müsste bei einem Überangebot an Arbeitskräften der Lohn so lange sinken, bis die Nachfrage nach Arbeitskräften zugenommen hat, d. h. bis Angebot und Nachfrage übereinstimmen. Allerdings werden aus angebotsorientierter Sicht nicht nur allein die Löhne bzw. die Lohnkosten für die Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht. Die neoklassischen Wirtschaftswissenschaftler sind der Auffassung, dass staatliche Marktregulierungen einen Ausgleich auf dem Arbeitsmarkt verhindern können, indem der Staat schrumpfende Wirtschaftsbereiche durch Subventionen unterstützt und fördert, wie z.B. im Kohlebergbau, und auf der anderen Seite das Entstehen neuer Unternehmen etwa im Dienstleistungssektor durch arbeitsrechtliche Vorschriften behindert. Neoklassiker schlagen zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit folgende Lösungsansätze vor: -
Abbau von zu starren Lohnvereinbarungen durch Öffnungsklauseln in Tarifverträgen, die bei Schwierigkeiten des Unternehmens oder bei Wettbewerbsproblemen niedrigere Löhne als im Tarifvertrag vorgesehen erlauben. Verschiedene Tarifverträge der jüngsten Zeit enthalten solche Klauseln, die ein Teilabweichen vom Flächentarifvertrag erlauben.
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Lohnabstandsgebot: Das Arbeitslosengeld soll so bemessen sein, dass sich die Aufnahme einer gering bezahlten Tätigkeit lohnt.
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Flexibilität der Arbeitszeit: Verkürzungen bei schlechter und Verlängerungen der Arbeitszeit bei guter Auftragslage würden im Abschwung Entlassungen verhindern.
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Eine ähnliche Wirkung hat die Zahlung des Kurzarbeitergeldes durch das Arbeitsamt bei schlechter Auftragslauflage.
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Abbau von arbeitsrechtlichen Vorschriften, z.B. ein abgeschwächter Kündigungsschutz und vereinfachte Möglichkeiten, befristete Arbeitsverträge abzuschließen. b) Der keynesianischer Erklärungsansatz Im Gegensatz zur neoklassischen Wirtschaftstheorie führen die Keynsianer die Arbeitslosigkeit auf mangelnde Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zurück. Als Begründung führen sie an, dass die Löhne und Gehälter der Beschäftigten nicht nur als Kosten der Einzelunternehmer zu sehen sind sondern auch als Kaufkraft wirken. Sie berücksichtigen somit die Wirkung der Höhe der Einkommen auf die Kaufkraft. Die keynesianische Theorie weist darauf hin, dass die Forderung nach geringeren Löhnen stets eine Reduktion der Massenkaufkraft nach sich ziehen muss. Die Abnahme der Massenkaufkraft durch geringere Löhne könnte nur durch eine Zunahme des Konsums der privaten Haushalte oder eine Ausweitung des Exports der Unternehmen ausgeglichen werden. Das Absenken des Lohnniveaus und die damit verbundene Verringerung der Massenkaufkraft können – so die Vertreter der keynesianischen Theorie - zu keiner Neueinstellung auf dem Arbeitsmarkt führen. Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen wird neben der Höhe des Lohnniveaus auch von dem Preisniveau und dem Zinssatz bestimmt. Eine weitere Begründung für die Entstehung von Arbeitslosigkeit ist nach keynesianischer Auffassung, dass die Löhne i.d.R. nicht flexibel sind, d. h. sie sinken bei Arbeitslosigkeit nicht. Eine Ursache dafür können Tarifverträge sein, die Mindeststandards definieren, die nicht unterschritten werden dürfen. Arbeitnehmer dürften aber auch ohne Tarifgebundenheit einer Lohnkürzung großen Widerstand entgegensetzen.
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Aufgaben
Der Lohn ist nicht nur ein Marktpreis, sondern er setzt auch Anreize. Es kann also aus Sicht der Arbeitgeber durchaus sinnvoll sein, einen Lohn zu zahlen, der über dem Gleichgewichtslohn liegt, da sie so ihre Angestellten zu höherer Leistung motivieren. Der Lohn stellt die materielle Lebensgrundlage der Arbeitnehmer dar. Sinkt der Lohn, so werden manche Arbeitnehmer ihr Arbeitsangebot erhöhen, um ihren bisherigen Lebensstandard zu erhalten. Um ihr bisheriges Einkommen zu erhalten, werden dann einige Arbeitnehmer einen Zweitjob annehmen. Das höhere Angebot an Arbeitskräften würde aber zu einer weiteren Senkung des Lohnniveaus führen, damit der Arbeitsmarkt zum Gleichgewicht kommt. Der Arbeitsmarkt ist nicht homogen, sondern regional und sektoral segmentiert. Entsteht Arbeitslosigkeit z.B. nur in einer Region, so müssten dort die Löhne sinken, während sie in Regionen mit Vollbeschäftigung unverändert bleiben. Dann müsste eine Wanderung von Arbeitskräften in die Hochlohnregionen einsetzen oder Unternehmen ihre Produktion in die Niedriglohnregion verlagern. Sind die Produktionsfaktoren aber immobil, beseitigen auch sinkende Löhne nicht die Arbeitslosigkeit. Die Gewerkschaften haben lange Zeit das Ziel verfolgt, auf dem Arbeitsmarkt den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage durch eine Umverteilung der vorhandenen Arbeit mittels Arbeitszeitverkürzung, Förderung von Teilzeitarbeit etc. zu erreichen. Kritiker dieser Gewerkschaftspolitik weisen darauf hin, dass die Arbeitszeit nicht starr durchgesetzt werden darf ohne Rücksicht auf die zu lösenden Aufgaben im Unternehmen. Auch die Politik versuchte in den 1990er Jahren, über Frühverrentung der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Allerdings wurden die frühverrenteten Arbeitnehmer teilweise nicht ersetzt, wodurch die Sozialversicherungen in eine problematische finanzielle Situation gerieten. Die keynesianische Theorie geht davon aus, dass Arbeitslosigkeit durch einen konjunkturell bedingten Mangel an effektiver Nachfrage entsteht. Deshalb empfehlen die Befürworter dieser Theorie eine antizyklische Fiskalpolitik zur Verhinderung temporären Nachfragemangels, z.B. durch Steuersenkungen oder staatliche Investitionstätigkeit. Aufgabe 2 Stellen Sie die neoklassische Theorie zur Erklärung von Arbeitslosigkeit der keynesianischen Theorie gegenüber. Machen Sie dabei die unterschiedlichen Ansätze zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit deutlich. Messung von Arbeitslosigkeit - Berechnung von Arbeitslosenquoten und Bezugsgrößen Arbeitslosenquoten zeigen die relative Unterauslastung des Arbeitskräfteangebots an, indem sie die (registrierten) Arbeitslosen zu den Erwerbspersonen (EP = Erwerbstätige + Arbeitslose) in Beziehung setzen. Arbeitslos sind nach dem Sozialgesetzbuch Personen, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, das 15 Wochenstunden und mehr umfasst, eine versicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Wochenstunden suchen und dabei den Vermittlungsbemühungen der Agenturen für Arbeit bzw. der Träger der Grundsicherung zur Verfügung stehen und sich dort persönlich arbeitslos gemeldet haben. Der Kreis der Erwerbspersonen bzw. der Erwerbstätigen kann unterschiedlich abgegrenzt werden. Insofern werden zwei unterschiedliche Arbeitslosenquoten ermittelt:
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1. Arbeitslosenquote, bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen: Alle zivilen Erwerbstätigen (alle ziv. ET) sind die Summe aus den abhängigen zivilen Erwerbstätigen sowie Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen. Die Quote errechnet sich entsprechend als Arbeitslosenquote (auf Basis aller ziv. EP) =
Arbeitslose × 100 alle ziv. ET + Arbeitslose
2. Arbeitslosenquote, bezogen auf die abhängigen zivilen Erwerbspersonen: Der Nenner enthält nur die abhängigen zivilen Erwerbstätigen (abh. ziv. ET), d. h. die Summe aus sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (einschl. Auszubildende), geringfügig Beschäftigten, Personen in Arbeitsgelegenheiten (Mehraufwandvariante), Beamten (ohne Soldaten) und Grenzpendlern. Daraus errechnet sich: Arbeitslosenquote (auf Basis der abh. ziv. EP) =
Arbeitslose × 100 abh. ziv. ET + Arbeitslose
Aufgabe 3 In der Arbeitsmarktstatistik wurden für die Jahre 2004 bis 2006 folgende Zahlen (in 1.000 Personen) veröffentlicht. Berechnen Sie mithilfe der unten stehenden Tabelle a) die Arbeitslosenquote für das Jahr 2005, bezogen auf die zivilen Erwerbspersonen sowie auf die abhängigen zivilen Erwerbspersonen. (nach der zweiten Stelle runden!) b) die Veränderung der Anzahl der selbstständigen Erwerbstätigen vom Jahr 2005 zum Jahr 2006 in Tsd.
Die Lohnquote Die Lohnquote wird häufig als Maßstab für die Einkommensverteilung angesehen. Die Lohnquote gibt den Anteil der Arbeitnehmerentgelte am gesamten Volkseinkommen an. In jüngster Zeit sind die Forderungen nach kräftigeren Lohnsteigerungen lauter geworden. Als Grund wird angeführt, dass es der Wirtschaft wieder besser gehe, die Lohnquote aber zuletzt gesunken sei. Aufgabe 4 a) Ermitteln Sie aus der folgenden Aufstellung des Monatsberichts der Deutschen Bundesbank die Lohnquote in Prozent für das Jahr 2008. Runden Sie das Ergebnis auf eine Stelle nach dem Komma.
b) Aus welchen Gründen ist die Lohnquote als verteilungspolitische Kennziffer ungeeignet?
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Aufgaben
Info Die Lohnquote als verteilungspolitische Kennziffer hat einen Konstruktionsfehler: Sie steigt (fällt) auch dann, wenn der Anteil der abhängig Beschäftigten an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen (abhängig Beschäftigte/Selbstständige) steigt (fällt), ohne dass sich an den Einkommensverhältnissen etwas geändert hat. Im Konzept der „bereinigten Lohnquote“ wird dieser Effekt herausgerechnet: Es wird dabei die Lohnquote ermittelt, die sich ergeben würde, wenn das Verhältnis zwischen Selbstständigen und unselbstständig Beschäftigten so geblieben wäre wie in einem Basisjahr. Die Lohnquote ist als Verteilungsmaßstab auch aus folgenden Gründen stark umstritten: Die Arbeitnehmer erhalten neben Löhnen und Gehältern auch Einkommen aus Kapitalanlagen, z. B. Zinsen, Dividenden, Mieten, Pachten. Die zunehmende Bedeutung dieser Querverteilung hat die Konturen zwischen Arbeitnehmereinkommen und Kapitaleinkommen zusehends verwischt. Das Gegenstück zur Lohnquote sollte deshalb nicht als Gewinnquote bezeichnet werden, denn die Restgröße „Unternehmens- und Vermögenseinkommen“ umfasst neben den eigentlichen Unternehmensgewinnen auch den kalkulatorischen Unternehmerlohn der Selbstständigen sowie die Zins- und Mieteinkünfte aller Sektoren (Haushalte, Unternehmen, Staat). Die Lohnquote berücksichtigt nicht den Beschäftigungsgrad. Ob die Verteilungssituation mit dem gesamtwirtschaftlichen Ziel der Vollbeschäftigung in Einklang steht, lässt sich an der Lohnquote deshalb nicht ablesen. Zudem schwankt die Lohnquote im Konjunkturverlauf, weil Löhne, Gehälter, Gewinne und Beschäftigung mit zeitlicher Verzögerung und in unterschiedlicher Intensität den Konjunkturzyklen folgen: Im Abschwung steigt die Lohnquote, im Aufschwung geht sie zurück. Wichtige Begriffe aus der Arbeitslosenstatistik Arbeitslos ist, wer - zwischen 15 und unter 65 Jahren ist, - vorübergehend beschäftigungslos ist oder eine Beschäftigung weniger als 15 Stunden pro Woche ausübt, - (aktiv) eine abhängige Beschäftigung von mindestens 15 Stunden pro Woche sucht, - bei einer Arbeitsagentur als Arbeitslose/r registriert ist und für deren Vermittlungsbemühungen zur Verfügung steht. Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind nicht als arbeitslos zu zählen. Der Begriff Erwerbspersonen wird in der amtlichen Statistik verwendet und umfasst all jene Personen, die mindestens 15 Jahre alt sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet haben sowie eine mittel- oder unmittelbar auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeit ausüben (Erwerbstätige) oder suchen (Erwerbs- bzw. Arbeitslose). Zivile Erwerbspersonen sind die Gesamtheit aller abhängig zivilen Erwerbspersonen, Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen. Zusammenfassung aus: sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, Auszubildenden, geringfügig Beschäftigten, Beamten (ohne Soldaten), Arbeitslosen (gemeldet), Selbstständigen und mithelfenden Familienangehörigen. Kurzarbeiter: Zahl der Arbeitnehmer, deren Entgeltausfall in Folge Arbeitsausfalls mehr als zehn Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts ausmacht und die Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben.
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Aufgaben zur betrieblichen Mitbestimmung
In der Nordbank AG wird ein Betriebsrat errichtet
Lösungen ab Seite 293
Die Nordbank AG in Hamburg beschäftigt zurzeit 897 Mitarbeiter. Die Mitarbeiterstruktur der Nordbank AG zeigt nachstehendes Bild:
Der Anteil der weiblichen Beschäftigten an der Gesamtbelegschaft liegt bei 70 Prozent. Bisher hat die Nordbank AG noch keinen Betriebsrat und keine Jugend- und Auszubildendenvertretung. Da die Nordbank AG – wie andere Institutsgruppen auch – Umstrukturierungsmaßnahmen und Stelleneinsparungen plant, haben jetzt acht engagierte Sachbearbeiter aus der Kreditabteilung die Initiative ergriffen und suchen Kandidaten, die sich für die anstehende Betriebsratswahl aufstellen lassen. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 das Betriebsverfassungsgesetz, Artikel 2 und 3 des Grundgesetzes, § 1 ff. Sprecherausschussgesetz, § 1 ff. Tarifvertragsgesetz. § 2 des Manteltarifvertrages für Banken, § 7 Berufsbildungsgesetz sowie §§ 1, 4, 8, 9 Jugendarbeitsschutzgesetz. Aufgaben a) Prüfen Sie anhand des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) und des Sprecherausschussgesetzes (SprAuG), ob aa) in der Nordbank ein Betriebsrat errichtet werden kann. ab) die nachstehenden Beschäftigten der Nordbank wahlberechtigt sind und für den Betriebsrat kandidieren können: (1) Corinna Fellner, 17 Jahre alt, Auszubildende, Betriebszugehörigkeit seit 3 Monaten; (2) Peter Seipel, 42 Jahre alt, Prokurist, Betriebszugehörigkeit 10 Jahre; (3) Lydia Nicolai, 24 Jahre alt, Kreditsachbearbeiterin, 3-jährige Betriebszugehörigkeit und (4) Hausmeister Christian Wulf, 49 Jahre alt, Betriebszugehörigkeit 29 Jahre. (5) Jochen Spengler, 25 Jahre alt, Kundenberater, im 4. Monat seiner Probezeit. ac) ein Gewerkschaftsbeauftragter die Kollegen in der Bank über die Möglichkeiten der Errichtung und die Aufgaben eines Betriebsrats informieren darf. b) Stellen Sie fest, ba) wann der Betriebsrat gewählt werden darf. bb) wie viele Betriebsratsmitglieder für die Nordbank gewählt werden dürfen. Gehen Sie davon aus, dass alle Mitarbeiter einschließlich der Auszubildenden seit über sechs Monaten bei der Nordbank AG beschäftigt sind.
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Aufgaben
bc) Wie viele der gewählten Betriebsratsmitglieder müssen von der Nordbank AG als hauptamtliche Betriebsratsmitglieder freigestellt werden? Dem Wahlvorstand wurden von der Belegschaft die nachstehenden Wahlvorschläge eingereicht. Für die einzelnen Berufsgruppen in der Nordbank haben sich folgende Personen als Kandidaten für die Wahl aufstellen lassen:
Aufgabe c) Überprüfen Sie den Wahlvorschlag mit den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und des Grundgesetzes und nehmen Sie begründet Stellung! Um die Belange der Auszubildenden in der Nordbank besser zur Geltung zu bringen, schlägt die Auszubildende Petra Schürmann die Errichtung einer Jugendvertretung vor. Aufgaben da) Stellen Sie die Voraussetzungen (Wahlberechtigung, Wählbarkeit, Zeitpunkt der Wahl, Amtszeit und Zahl der Jugendvertreter) für die Errichtung dieser Jugendvertretung fest! db) Für die Wahl zur Jugend- und Auszubildendenvertretung haben sich folgende Kandidaten zur Verfügung gestellt: Kandidatenliste: -
Petra Schürmann, 19 Jahre alt, 1. Ausbildungsjahr,
-
Georg Plate, 26 Jahre alt, 2. Ausbildungsjahr,
-
Rainer Schruth, 17 Jahre alt, 1. Ausbildungsjahr,
-
Ursula Menke, 22 Jahre alt, ehemalige Auszubildende der Nordbank AG und seit einem Jahr Kundenberaterin.
Prüfen Sie, ob die 3 Auszubildenden wahlberechtigt und wählbar sind. dc) Kennzeichnen Sie die Aufgaben der Jugend- und Ausbildungsvertretung! dd) Welche Mitwirkungsmöglichkeit hat die Jugendvertretung bei den Betriebsratssitzungen? Der Betriebsratsvorsitzende beruft eine Sitzung für Montag, den 03. Juli um 12.00 Uhr ein. Zu diesem Termin sind zwei Betriebsratsmitglieder aus dem Börsenhandel verhindert, da die Abwicklung dringender Börsengeschäfte nicht aufgeschoben werden kann. Der zuständige Abteilungsdirektor schlägt dem Betriebsrat vor, die Sitzung aus betriebsnotwendigen Gründen nach Geschäftsschluss in der Kantine durchzuführen. Außerdem möchte er als Vertreter des Arbeitsgebers an der Sitzung teilnehmen.
5 Aufgaben zur betrieblichen Mitbestimmung
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Aufgaben e) Nehmen Sie hierzu Stellung! f) Nach einiger Zeit fühlen sich die Betriebsratsmitglieder durch permanente persönliche und telefonische Anfragen der Kollegen in Betriebsratsangelegenheiten in ihrer »normalen« Arbeitszeit überfordert. fa) Welche Regelungen sieht das Betriebsverfassungsgesetz für diesen Fall vor? fb) Ein Mitarbeiter hat in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied mit den Geschäftsstellen von ver.di telefoniert. Wer trägt die Kosten für das Telefongespräch? g) Einmal in jedem Kalendervierteljahr hat der Betriebsrat eine Betriebsversammlung einzuberufen. Welche Bedeutung hat sie für die Belegschaft? h) Der Betriebsrat hat nach dem Betriebsverfassungsgesetz Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte. Kennzeichnen Sie diese Rechte anhand von Beispielen. Machen Sie dabei den unterschiedlichen Grad der Beteiligung des Betriebsrats an Entscheidungen des Arbeitgebers deutlich! i) Beschreiben Sie in den nachstehenden Problemlagen die Möglichkeiten der Einflussnahme durch den Betriebsrat! Prüfen Sie ggf. in diesem Zusammenhang, wie nach dem Betriebsverfassungsgesetz bei Meinungsverschiedenheiten ein Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat herbeigeführt werden kann! Situation 1 In der Nordbank taucht das Gerücht auf, dass aus Kostengründen die Filiale in Pinneberg (30 Beschäftigte) geschlossen werden soll und in der Zentrale ein großzügiges SB-Kundenzentrum eingerichtet werden soll. Der Personalbestand soll insgesamt um 20 Prozent reduziert werden. Stellen Sie die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten des Betriebsrates in dieser Situation fest! Situation 2 Ein Mitarbeiter der Nordbank möchte an der Sitzung des Betriebsrats teilnehmen, da es dort um seine Kündigung geht. Situation 3 Auf einer Sitzung des Betriebsrates wird beschlossen, über eine wöchentliche Verkürzung der Regelarbeitszeit mit dem Arbeitgeber zu verhandeln. Situation 4 Einem Mitarbeiter, der während der Arbeitszeit den Betriebsrat aufsucht und sich dort zwei Stunden informiert, soll das Gehalt für diese Zeit gekürzt werden. Situation 5 Ein Betriebsratsmitglied fordert die Belegschaft in einer Betriebsversammlung öffentlich auf, bei den nächsten Bundestagswahlen eine »bestimmte Partei« zu wählen. Situation 6 Nach der Kündigung eines von der Belegschaft geschätzten Mitarbeiters ruft der Betriebsrat zu einem Solidaritätsstreik mit dreißigminütiger Arbeitsniederlegung auf. Situation 7 Die 20-jährige Auszubildende Hanna Jakobsen möchte von Ihnen als JAV-Mitglied wissen, ob es richtig sei, dass sie am Donnerstag wie alle anderen Mitarbeiter der Zweigstelle Norderstedt von 8.00 bis 18.00 Uhr beschäftigt wird. Sie weist darauf hin, dass sie nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz doch nur 8 Stunden täglich beschäftigt werden dürfe.
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Aufgaben
Situation 8 Anja Volkmeier (19 Jahre alt) ist Auszubildende der Nordbank AG im 1. Ausbildungsjahr. In der Berufsschule hat sie zurzeit an 5 Tagen in der Woche Blockunterricht, und zwar insgesamt 30 Unterrichtsstunden von je 45 Minuten Länge. Der Berufsschulunterricht beginnt morgens um 7.45 Uhr und endet um 13.05 Uhr. Der Berufsschulunterricht wird täglich durch 3 Pausen von insgesamt 45 Minuten Länge unterbrochen. Neben dem Berufsschulunterricht müssen die Bank-Azubis noch Hausaufgaben im wöchentlichen Zeitumfang von 8 ½ Stunden erledigen. Während der Berufsschulzeit beträgt ihre wöchentliche Fahrtzeit 10 Stunden. Da ihr auch noch während der Berufsschulzeit Pausen zustehen, wird sie ihrer Meinung nach durch die Berufsschule übermäßig in Anspruch genommen. Frau Volkmeier ist der Auffassung, dass der Zeitumfang für die Erledigung der Hausaufgaben deshalb zu groß sei. Nehmen Sie Stellung! Situation 9 Auch Andreas Schwarz (16 Jahre alt) ist Auszubildender der Nordbank AG. Andreas hat an zwei Tagen in der Woche von 7.45 Uhr bis 13.05 Uhr Berufsschule im Teilzeitunterricht. Er möchte von Ihnen als Jugendvertreter(in) der Nordbank AG wissen, ob er nach dem Berufsschulunterricht nachmittags in seiner Zweigstelle weiter beschäftigt werden kann. Nehmen Sie Stellung! Situation 10 Simone Eilers hatte sich nach Ablauf ihrer Ausbildung auf eine innerbetriebliche Stellenausschreibung als Kundenberaterin in der Nordbank AG beworben. Nach ihrer Ablehnung möchte sie in ihre Personalakte bei der Nordbank AG einsehen. Sie bittet deshalb den Betriebsrat um Unterstützung. Wie ist die Rechtslage? Situation 11 In einer regelmäßigen Sitzung des Betriebsrates wird vorgetragen, dass eine Vielzahl von Mitarbeitern der Nordbank AG den Wunsch geäußert habe, in der Zentrale der Nordbank AG täglich ein Mittagessen angeboten zu bekommen. Ein Betriebsratsmitglied schlägt in dieser Diskussion vor, den Vorstand der Nordbank AG zu veranlassen, eine Kantine einzurichten und entsprechendes Personal einzustellen. Nehmen Sie hierzu Stellung! Aufgaben j) Auf einer Betriebsversammlung der Nordbank wurde der Wunsch geäußert, die tägliche Arbeitszeit flexibler zu gestalten. Bislang wird bei der Nordbank an Werktagen gewöhnlich von 7.15 Uhr bis 16.15 Uhr gearbeitet. Insbesondere allein erziehende Mitarbeiterinnen sind auf flexiblere Regelungen angewiesen, um die Kleinkinder morgens in den Kindergarten bringen zu können. j1) Inwieweit ist der Betriebsrat an solchen Regelungen zu beteiligen? j2) Welche Möglichkeiten gibt es, um das Problem der Mitarbeiterinnen zu lösen? j3) Welche Möglichkeiten hätte der Betriebsrat, die Wünsche der Mitarbeiterinnen gegenüber dem Unternehmen durchzusetzen?
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Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht
6.1 Informationen zu den Sozialversicherungen 6.1.1
Lösungen ab Seite 297
Gesundheitsfonds
Seit 01.01.2009 gilt für alle gesetzlichen Krankenkassen der gleiche Beitragssatz: 15,5 %, festgelegt von der Bundesregierung. Die Krankenversicherungsbeiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern fließen ab diesem Zeitpunkt gemeinsam mit Steuermitteln in den sog. Gesundheitsfonds. Aus dem Fonds erhalten die einzelnen Krankenkassen eine Pauschale für jeden Versicherten sowie ergänzende Zuschläge, deren Höhe sich nach Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand/Krankheit des Versicherten richten. Dieses neue Umverteilungsprinzip – bei dem erstmalig der Gesundheitszustand des Versicherten bei der Berechnung des Geldbedarfs einer jeden Kasse mit berücksichtigt wird – heißt „morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich“ (kurz Morbi-RSA). Der Fonds wird beim Bundesversicherungsamt zentral verwaltet. Krankenversicherungsbeiträge Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für seine Beschäftigten zahlt der Arbeitgeber wie bisher an die Krankenkassen. Diese leiten die Krankenversicherungsbeiträge arbeitstäglich an den Fonds weiter. Beiträge für Rentner werden direkt vom Rentenversicherungsträger, Beiträge für Arbeitslose direkt von der Bundesagentur für Arbeit an den Gesundheitsfonds gezahlt. Für geringfügig Beschäftigte zieht weiterhin die Minijob-Zentrale die Beiträge ein und leitet sie ebenfalls an den Gesundheitsfonds weiter. Freiwillig Versicherte und andere Selbstzahler (z. B. Studenten) entrichten ihre Beiträge weiterhin an die jeweilige Krankenkasse, die die Beiträge an den Fonds abführt. Bundeszuschuss Zusätzlich zu den Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern überweist der Bund Steuergelder an den Gesundheitsfonds, um versicherungsfremde Leistungen, die die Krankenkassen wahrnehmen, zu finanzieren. Gemeint sind Leistungen für Schwangere und junge Mütter, Haushaltshilfen, das Kinderkrankengeld sowie die kostenfreie Mitversicherung von Ehepartnern und Kindern. Dieser Bundeszuschuss, der 2007 und 2008 jeweils 2,5 Milliarden Euro betrug, soll schrittweise pro Jahr um 1,5 auf 14 Milliarden Euro in den nächsten Jahren steigen. Für das Jahr 2009 ist ein Zuschuss in Höhe von 4 Milliarden Euro geplant. Was zahlt der Fonds aus? Aus dem Gesundheitsfonds erhalten die Krankenkassen ab 2009 einen pauschalen Grundbetrag für jeden Versicherten sowie ergänzende Zuschläge nach Alter, Geschlecht und Krankheit. Geregelt wird dies nach einem neuen Umverteilungsprinzip, dem Morbi-RSA. Der neue Finanzausgleich orientiert sich künftig möglichst genau am tatsächlichen Gesundheitszustand der Versicherten, z. B. an Krankenhausdiagnosen und Arzneimittelverordnungen. Je nach Schwere der Erkrankung ihrer Versicherten erhalten die Krankenkassen dabei zusätzlich zu den Pauschalen Zuschläge aus dem Gesundheitsfonds. Das Prinzip: Kassen, die viele ältere und kranke Versicherte haben, erhalten mehr Geld als Kassen, die viele jüngere und gesunde Menschen versichern. Dank des Morbi-RSA bekommen die Krankenkassen auf diese Weise annähernd die Summen, die sie im Durchschnitt für eine gute und wirtschaftliche Versorgung benötigen. Im Ergebnis wird der Wettbewerb damit nicht mehr auf Kosten der Kranken, sondern über die bestmögliche Qualität der Versorgung entschieden.
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Aufgaben
Das Bundesversicherungsamt hat 80 Krankheiten ausgewählt, für die Zuschläge gezahlt werden sollen. Die Liste mit 80 Krankheiten enthält häufige chronische Leiden wie Herzkrankheiten oder Diabetes, aber auch seltenere Krankheiten. Das Bundesversicherungsamt hat zudem festgelegt, unter welchen Bedingungen ein Versicherter einer der Krankheiten zugeordnet wird und wie sich der Zuschlag dann berechnet. Einheitlicher Beitragssatz Anders als bisher entscheiden nun nicht mehr die Krankenkassen über die Höhe der Beiträge, vielmehr gilt für alle gesetzlichen Krankenkassen der gleiche Beitragssatz, der von der Bundesregierung festgelegt wird. Es gelten somit folgende Werte: - allgemeiner Beitragssatz: 15,5 % - ermäßigter Beitragssatz: 14,9 % Basis für die Festlegung des Beitragssatzes ist, dass die Finanzierung der Gesundheitsausgaben bei Einführung des Gesundheitsfonds zu 100 % aus Mitteln des Fonds sichergestellt sein muss. Kann der Fonds die Ausgaben zwei Jahre lang nicht mehr zu mindestens 95 % abdecken, muss der Gesetzgeber den Beitragssatz erhöhen. Sonderbeitrag der Versicherten Der von der Bundesregierung festgelegte Beitragssatz von 15,5 % für 2009 bezieht den für Versicherte bereits in der Vergangenheit geltenden Sonderbeitrag von 0,9 % mit ein. Gleiches gilt für den ermäßigten Beitragssatz. Die Arbeitnehmer tragen den Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 % aber weiterhin allein. Der Arbeitgeber zahlt jetzt die Hälfte der Beiträge des Mitglieds aus dem Arbeitsentgelt nach dem um 0,9 % verminderten Beitragssatz. Im Übrigen tragen die Beschäftigten die Beiträge.
Zusatzbeiträge und Prämienzahlungen Kommt eine Krankenkasse mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht aus, muss sie von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag verlangen. Dieser wird entweder prozentual vom Einkommen oder pauschal erhoben. Dabei gibt es zwei Modelle: - Eine Krankenkasse erhebt pauschal einen Zusatzbeitrag von bis zu 8,00 EUR, den dann alle Mitglieder ohne Einkommensprüfung bezahlen müssen. - Ansonsten darf der Zusatzbeitrag 1 % der beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds nicht übersteigen (Härtefallregelung). Erzielt eine Krankenkasse dagegen mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds Überschüsse, kann sie eine Prämie an ihre Mitglieder auszahlen.
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht
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Neues Sonderkündigungsrecht Erhebt eine Krankenkasse erstmalig einen Zusatzbeitrag, hat das Mitglied ein Sonderkündigungsrecht, und zwar bis zu dem Tag, an dem der Zusatzbeitrag erstmals fällig wird. Die Krankenkasse muss ihre Versicherten auf dieses Sonderkündigungsrecht ausdrücklich hinweisen. Die Mitgliedschaft endet dann zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats nach der Kündigung. In dieser Zeit muss das Mitglied den Zusatzbeitrag nicht zahlen. Gleiches gilt, wenn die Krankenkasse einen bereits bestehenden Zusatzbeitrag anhebt oder eine Prämienzahlung verringert oder einstellt. Hebt die Bundesregierung die einheitlichen Beitragssätze an, besteht dagegen kein Sonderkündigungsrecht. Änderung beim Krankengeldanspruch Seit dem Jahr 2009 gibt es nur noch den allgemeinen und den ermäßigten Beitragssatz. Der erhöhte Beitragssatz ist entfallen. Mitglieder, die bei Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für mindestens 6 Wochen haben, bekommen vom 01.01.2009 an kein Krankengeld mehr. Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnis auf weniger als 10 Wochen befristet ist, haben aufgrund dieser Neuregelung ab 2009 keinen Anspruch auf sofortiges Krankengeld mehr. Auch für unständig Beschäftigte ist zum 01.01.2009 der Krankengeldanspruch entfallen. Das gilt ebenso für Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von vergleichbaren Stellen beziehen, z. B. von einer berufsständischen Versorgungseinrichtung der Apotheker. Auch bei dieser Personengruppe ist der Krankengeldanspruch entfallen. Für alle diese Beschäftigtengruppen müssen Arbeitgeber vom 01.01.2009 an den ermäßigten Beitragssatz zahlen. Krankengeld-Wahltarife Wer zum 01.01.2009 keinen Anspruch auf Krankengeld mehr hat, kann von angebotenen KrankengeldWahltarifen seiner Krankenkasse profitieren. Der Wahltarif gilt auch für freiwillig versicherte Selbstständige sowie Künstler und Publizisten, die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz versichert sind. Einzug von Zusatzbeiträgen Erheben die Krankenkassen ab 2009 Zusatzbeiträge, müssen die Versicherten diese selbst an die Krankenkasse zahlen. Neu organisiert Änderungen gibt es auch in den organisatorischen Strukturen der Krankenversicherungen. So hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) als Dachverband aller Kassenarten zum 01.01.2008 seine Arbeit aufgenommen. Er vertritt allein und einheitlich alle Krankenkassen auf Bundesebene und ist zuständig für Rahmenvereinbarungen, die für alle Kassen gelten. Dazu gehören z. B. Vergütungsvereinbarungen für die stationäre Versorgung oder Richtlinien über die Beitragsbemessung bei freiwilligen Mitgliedern. Auch im neuen GKV-Spitzenverband ist die paritätische Selbstverwaltung aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern erhalten geblieben. Neu in der Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung ist auch, dass sich Krankenkassen unterschiedlicher Krankenkassenarten zusammenschließen können, z. B. eine BKK mit einer Ersatzkasse.
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6.1.2
Aufgaben
Pflegeversicherung
Die Pflegeversicherung wurde Mitte 2008 reformiert. Neben verbesserten Leistungen für die Versicherten brachte die Reform Arbeitnehmern Freistellungsansprüche, um sich um die Pflege naher Angehöriger zu kümmern. Neuer Beitragssatz Um die verbesserten Leistungen finanzieren zu können, wurde der Beitragssatz zur Pflegeversicherung zum 1. Juli 2008 um 0,25 % auf 1,95 % angehoben. Kinderlose zahlen einen Beitrag von 2,2 %. Die Beiträge zur Pflegeversicherung werden grundsätzlich vom Beschäftigten und vom Arbeitgeber je zur Hälfte getragen. Ausnahmen gelten aber z. B. bei Beschäftigungen in Sachsen. Pflegezeitgesetz Bestandteil der strukturellen Reform der Pflegeversicherung ist das Gesetz über die Pflegezeit (PflegeZG), das seit 1. Juli 2008 in Kraft ist. Ziel des Gesetzes ist es, Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, pflegebedürftige nahe Angehörige (z. B. Großeltern, Eltern und Schwiegereltern, Ehegatten, Lebenspartner, Kinder und Enkelkinder) in häuslicher Umgebung zu pflegen. Die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege soll damit verbessert werden. Das Gesetz basiert auf zwei Säulen und räumt Beschäftigten folgende Rechte ein: - Freistellung bis zu 10 Arbeitstage (kurzzeitige Arbeitsverhinderung) - Freistellung für längstens 6 Monate (Pflegezeit) Kurzzeitige Arbeitsverhinderung Der Freistellungsanspruch bei kurzzeitiger Arbeitsunterbrechung dient dazu, für nahe Angehörige in einer akut auftretenden Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren. Außerdem kann durch die Freistellung kurzfristig die pflegerische Versorgung in dieser Zeit sichergestellt werden. Sind die Voraussetzungen für eine Freistellung erfüllt, entsteht der Anspruch unmittelbar und ohne Zustimmung des Arbeitgebers. Das PflegeZG selbst sieht einen Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer der Freistellung nicht vor. Allerdings kann sich dieser z. B. aus Tarifverträgen ergeben. Pflegezeit Im Unterschied zur kurzzeitigen Arbeitsverhinderung dient die vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung im Rahmen der Pflegezeit dazu, einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen für längere Zeit in häuslicher Umgebung zu pflegen. Anspruch auf Pflegezeit hat nur, wer in einem Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten arbeitet. Arbeitnehmer in Pflegezeit können keine Entgeltfortzahlung beanspruchen, jedoch in dieser Zeit in Teilzeit weiterarbeiten. Beiträge und Meldungen Lässt sich ein Arbeitnehmer wegen kurzzeitiger Arbeitsverhinderung bis zu 10 Arbeitstage freistellen, besteht das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis ununterbrochen fort. Dieser Arbeitnehmer muss nicht vom Arbeitgeber abgemeldet werden. Wird dagegen die Pflegezeit genutzt, ergeben sich in Abhängigkeit vom Umfang der Freistellung unterschiedliche versicherungsrechtliche Konsequenzen. Beschäftigte, die sich nur teilweise von der Arbeit freistellen lassen, unterliegen weiterhin der Versicherungspflicht mit folgenden Besonderheiten: - Durch Reduzierung des Arbeitsentgelts kann es zu einer Beschäftigung in geringfügigem Umfang kommen (Arbeitsentgelt nicht mehr als 400 EUR monatlich). In diesen Fällen müssen Arbeitgeber Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung an die Minijob-Zentrale zahlen. - Höher verdienende Arbeitnehmer werden kranken- und pflegeversicherungspflichtig, wenn sie wegen Reduzierung des Arbeitsentgelts die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht mehr überschreiten.
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht
-
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Pflegepersonen, die privat versichert waren und wegen Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit krankenversicherungspflichtig werden, können sich von der Krankenversicherungspflicht befreien lassen. Die Befreiung wirkt nur für die Dauer der Pflegezeit.
Bei vollständiger Freistellung von der Arbeitsleistung endet die Versicherungspflicht sofort. Soziale Absicherung Pflegepersonen, die nicht (mehr) oder nur noch als Minijobber erwerbstätig sind, werden grundsätzlich über den gesetzlich versicherten Ehe- bzw. Lebenspartner kostenfrei in der Kranken- und Pflegeversicherung familienversichert. Werden die Voraussetzungen für die Familienversicherung nicht erfüllt, besteht u.a. die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung. Auf Antrag werden von der Pflegekasse Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt. In der Rentenversicherung sind Pflegepersonen versicherungspflichtig, wenn sie einen nahen Angehörigen mindestens 14 Stunden in der Woche pflegen. Außerdem muss der nahe Angehörige einen Anspruch auf Leistungen der sozialen oder privaten Pflegeversicherung haben. Neben der Pflege dürfen sie regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden in der Woche arbeiten. Die Beiträge werden ohne Beteiligung der Pflegepersonen von der Pflegekasse aufgebracht. Personen, die Pflegezeit in Anspruch nehmen und unmittelbar vor Beginn der Pflegezeit arbeitslosenversicherungspflichtig waren, unterliegen für die Dauer der Pflegezeit von maximal 6 Monaten der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung. Die Pflegekasse übernimmt die Beiträge für diese neue Versicherungspflicht, die seit 1. Juli 2008 eintreten kann. Wird eine Pflegezeit von mehr als 6 Monaten benötigt, besteht in der Arbeitslosenversicherung die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung. Voraussetzung ist aber, dass die Pflegetätigkeit mindestens 14 Stunden pro Woche umfasst. Freiwillig arbeitslosenversicherte Pflegepersonen tragen die Beiträge allein (2009: 7,06 EUR pro Monat in den alten bzw. 5,98 EUR pro Monat in den neuen Bundesländern).
6.1.3
Neuerungen bei der Riester-Förderung
Um die private Altersvorsorge für weite Kreise der Bevölkerung noch attraktiver zu machen, wurde die Riester-Förderung seit 2009 um eine wesentliche Komponente erweitert. Mit dem Eigenheimrentengesetz wird der Grundgedanke des mietfreien Wohnens im Alter als besondere Form der Altersvorsorge in die förderfähigen Ansparmöglichkeiten einbezogen. In der Folge müssen nun angesparte riestergeförderte Spareinlagen, die für die Finanzierung von Wohnraum entnommen wurden, nicht mehr in den Sparvertrag zurückgeführt werden, wenn Sparer die damit finanzierte Immobilie selber nutzen. Wird Wohneigentum selbst genutzt, können auch Tilgungsleistungen aus zertifizierten Darlehen im Rahmen des Wohn-Riesters gefördert werden. Die insgesamt zu fördernden Eigenleistungen für die selbst genutzte Immobilie werden in einem sog. Wohnförderkonto erfasst. Für riestergefördertes Wohnen im Alter sind folgende Möglichkeiten offen: - Wohnen im eigenen Haus - eigene Eigentumswohnung - Anteile an einer Genossenschaftswohnung - eigentumsähnliches lebenslanges Wohnrecht Bis Ende 2009 kann ein Sparer, der seinen Vertrag noch vor 2008 abgeschlossen hat, nur dann Geld im Rahmen des Wohn-Riesters entnehmen, wenn mindestens 10.000 EUR angespart sind. Entsprechend der Systematik des Übergangs zur nachgelagerten Besteuerung von Altersvorsorgeleistungen wird auch das staatlich geförderte Kapital im Rahmen des Wohn-Riesters mit Beginn der Auszahlungsphase gesteuert. Eingezogen werden die auf dem Wohnförderkonto erfassten Sparbeträge, Tilgungen und Zulagen.
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Aufgaben
Entsprechend der individuellen Einkommenssituation im Alter hat der Steuerpflichtige zwei Optionen: - pauschale Besteuerung von 70 % der Beträge auf dem Wohnförderkonto zu Beginn der Auszahlungsphase - laufende Besteuerung im Rahmen der Einkommensteuer über einen Zeitraum von 17 bis 25 Jahren nach Beginn der Auszahlungsphase Mehr Förderberechtigte Eine weitere Neuerung, die mit dem Eigenheimrentengesetz in Kraft getreten ist: Der förderberechtigte Personenkreis für Riester-Verträge wurde erweitert. Riester-Zulagen können nun auch Rentner und Empfänger einer Versorgung wegen voller Erwerbsminderung bekommen. Darüber hinaus steht die RiesterFörderung nach wie vor folgenden Personengruppen zu: - Versicherungspflichtige in der gesetzlichen Rentenversicherung - Beamte und Empfänger von Dienstbezügen - Arbeitssuchende ohne Leistungsansprüche - Kindererziehende, wenn diese Zeiten rentenrechtlich berücksichtigt werden können Berufseinsteigerbonus Junge Leute sollten möglichst früh mit der eigenen Altersvorsorge beginnen. Als Anreiz dafür wurde mit dem Eigenheimrentengesetz ein sog. Ausbildungsbonus eingeführt. Wer einen Riester-Vertrag abschließt und zu diesem Zeitpunkt das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, bekommt eine einmalige Aufstockung seiner Grundzulage um 200 EUR. Diesen Bonus erhalten auch diejenigen, die bereits einen RiesterVertrag haben, wenn sie noch keine 25 Jahre alt sind. Zusammen mit der Grundzulage von 154 EUR jährlich beträgt die Riester-Förderung damit einmalig 354 EUR. Sparer unter 25 Jahre bekommen den Berufseinsteigerbonus automatisch. Vorausgesetzt wird nur, dass sie 4 % ihres Vorjahreseinkommens für die Riester-Rente aufbringen. Mindestens müssen im Jahr 2008 allerdings 60 EUR gespart werden.
6.2 Die leidigen Sozialbeiträge von Susanne Heßler Susanne Heßler, 47 Jahre alt, ledig und kinderlos, ist als Anlageberaterin der Isar Bank-AG in München zum 01. Juni eingestellt worden. In ihrem Arbeitsvertrag wurde ein monatliches Bruttogehalt von 2.760,98 EUR vereinbart. Bei der Durchsicht ihres monatlichen Kontoauszuges stellte sie fest, dass von dem Gehalt nur etwas mehr als die Hälfte auf ihr Girokonto überwiesen wurde. Frau Heßler sah sich ihre Gehaltsabrechnung näher an und stellte dabei folgende Abzüge fest: Lohn- und Kirchensteuer Solidaritätszuschlag Abzüge an Sozialversicherungsbeiträgen Gesamtabzüge
646,48 EUR 32,92 EUR 565,31 EUR 1.244,71 EUR
Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 § 341 f. SGB III, §§ 5, 6, 9, 249 SGB V, § 168 SGB VI, § 150 SGB VII und § 46 f. SGB XI.
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht
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Aufgaben a1) Prüfen Sie, ob der gesamte Sozialversicherungsbeitrag von Frau Heßler richtig berechnet wurde. Gehen Sie von folgenden Beitragssätzen in den jeweiligen Sozialversicherungszweigen aus:
a2) Stellen Sie fest, wer welchen Anteil an dem entsprechenden Sozialversicherungsbeitrag erhält. INFO I. Das Sozialgesetzbuch (SGB) Kodifikation des Rechts der sozialen Sicherung, der sozialen Entschädigung, der sozialen Förderung. Bereits abgeschlossene Teile des SGB
II. Die neuen Rechengrößen der Sozialversicherung im Überblick (Angaben in EUR)
128
Aufgaben
III. Träger der gesetzlichen Krankenversicherung
Gesetzliche Krankenkassen (Pflichtkassen)
Ortskrankenkassen
Betriebskrankenkassen
Innungskrankenkassen
Berufsständische Krankenkassen
Ersatzkassen
Landw. KK
Seekk.
Knappschaftl. KK
Quelle: Jäger, H., Einführung in die Sozialversicherung, Berlin 1995
Zuständigkeit der Krankenkasse nach dem SGB V Ab 01. Januar 1996 gibt es auf Grund des »SGB 1996« ein umfassendes Kassenwahlrecht für die Versicherten. Damit soll der Wettbewerb unter den Krankenkassen verstärkt werden, der Gesetzgeber erhofft sich Kosteneinsparungen bei den Kassen. (vgl. Schulin, B., Sozialrecht, 5. Aufl., 1993, Rz. 168, 169) IV. Träger der gesetzlichen Pflegeversicherung: Nach SGB XI sind die Pflegekassen Träger der Pflegeversicherung. Bei jeder Krankenkasse wird eine Pflegekasse errichtet. V. Träger der Arbeitslosenversicherung: Bundesagentur für Arbeit (Nürnberg) VI. Träger der gesetzlichen Unfallversicherung: Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften, Eigenunfallversicherungsträger des Bundes, der Länder und Gemeinden, die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft und die See-Berufsgenossenschaft. VII. Träger der Rentenversicherung: für Angestellte und Arbeiter
für Arbeitnehmer in knappschaftlichen Betrieben
Deutsche Rentenversicherung
Bundesknappschaft (Bochum)
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht
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Abführung der Sozialversicherungs-Pflichtbeiträge Arbeitgeber
Vom Arbeitgeber einbehalten: ca. 20,5 %
Lohnsteuer Solidaritätszuschlag
Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungsbeiträge
Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung
GKV WohnsitzFinanzamt Gesundheitsfonds Weiterleitung der Beiträge
Krankenversicherung
Pflegeversicherung
Rentenversicherung
Arbeitslosenversicherung
Krankenkassen
Pflegekassen
Deutsche Rentenversicherung
Bundesagentur für Arbeit
Zuständige Berufsgenossenschaft
Aufgaben b) Stellen Sie dar, welche Lebensrisiken für Beschäftigte durch die gesetzliche Sozialversicherung abgedeckt werden sollen! ca) Wie würde sich der Anteil an der Beitragslast der Sozialabgaben von Frau Heßler verändern, wenn sie ein monatliches Bruttoeinkommen von 5.900,00 EUR bekäme? Frau Heßler ist kinderlos. cb) Erläutern Sie, ob diese unterschiedliche Beitragslast gerechtfertigt ist, wenn zu berücksichtigen ist, dass die gesetzliche Sozialversicherung von dem Gedanken der Solidargemeinschaft geprägt ist! cc) Nach § 10 SGB V sind als Familienangehörige der Ehegatte und die Kinder von Mitgliedern versichert, wenn sie nicht als Arbeitnehmer krankenversicherungspflichtig sind. Erläutern Sie, wodurch sich diese Regelung im Sozialgesetzbuch begründen lässt. cd) Die Versicherungspflichtgrenze (Arbeitsentgeltgrenze) beträgt für das Jahr 2009 4.050,00 EUR/48.600,00 EUR monatlich/jährlich. Welche Bedeutung hat diese Grenze für Frau Heßler, wenn ihr angenommenes Bruttoeinkommen zurzeit 5.900 EUR beträgt (vgl. SGB V § 6)? d) Verdeutlichen Sie Frau Heßler, die nicht einsehen will, warum bei einem Bruttogehalt von 2.760,98 EUR ca. ein Fünftel an Sozialabgaben abgezogen wurde, die Elemente der Sozialversicherung - Solidarität, - sozialer Ausgleich innerhalb der Versichertengemeinschaft, - Eigenverantwortung.
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Aufgaben
6.3 Ausschnitte aus dem Leistungsangebot der gesetzlichen Sozialversicherung Aufgaben a) In der Personalabteilung der Isar Bank-AG wurden 2009 die nachstehenden sozialversicherungsrechtlichen Situationen bearbeitet. Stellen Sie fest, welche Leistungen der entsprechenden Sozialversicherungsträger anfallen. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 Artikel 6 des Grundgesetzes, § 28 f., § 31, § 39, § 40, § 44, § 46-49, § 52 SGB V, § 35, § 48, § 117, § 118, § 119, § 121, § 122, § 123, § 124, § 126-128, § 144, § 190, § 195 SGB III, § 1 ff. SGB VII, § 1 ff. Entgeltfortzahlungsgesetz sowie § 12 des Manteltarifvertrages für das Bankgewerbe. Situation 1 Der Anlageberater Jens Stapelfeld, Bruttoeinkommen von 2.500,00 EUR, muss sich auf Grund von akuten Gallenbeschwerden einer Operation unterziehen. Herr Stapelfeld ist voraussichtlich 8 Wochen arbeitsunfähig. Tarifvertragliche Regelungen sind nicht anwendbar. Situation 2 Die Isar Bank-AG führt Rationalisierungsmaßnahmen durch, deshalb müssen zwei Mitarbeiter, die seit 1991 ununterbrochen im Unternehmen voll beschäftigt waren, ausscheiden; ihnen wird gekündigt. Situation 3 Lutz Kleiber ist bei der Isar Bank-AG als Fahrer des Vorstands beschäftigt, er ist 29 Jahre alt. Bei einer Kurierfahrt hat er bei regennasser Straße auf Grund einer Unachtsamkeit einen Auffahrunfall verursacht, bei dem er erheblich verletzt wurde. Die Personalabteilung hat dieses Ereignis dem zuständigen Sozialversicherungsträger unverzüglich gemeldet. Herr Kleiber wurde vom Arzt für 7 Wochen krankgeschrieben. Aufgaben b) Auf Grund einer Rationalisierungsmaßnahme wird die Wertpapieranalystin Kerstin Schubert (28 Jahre alt) von der Isar Bank-AG in München zum 30. September ordentlich gekündigt. In der Isar Bank-AG war Frau Schubert die letzten vier Jahre ununterbrochen vollzeitbeschäftigt. b1) Unter welchen Voraussetzungen hat Frau Schubert Anspruch auf Arbeitslosengeld? b2) Für welchen Zeitraum könnte die Arbeitsagentur Frau Schubert Arbeitslosengeld gewähren? c) Der bei der Arbeitsagentur Hamburg gemeldete Arbeitslose Christian Schenk muss auf Grund einer Blinddarmentzündung stationär behandelt werden. Herr Schenk bezieht seit drei Monaten Arbeitslosengeld. Die Dauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit beträgt voraussichtlich 4 Wochen. Prüfen Sie, ob und unter welchen Voraussetzungen die Arbeitsagentur zur Leistungsfortzahlung verpflichtet ist! d) Frau Nicola Weber (35 Jahre alt) wohnt mit ihrem Lebensgefährten Herrn Florian Ehring (37 Jahre alt) in Flensburg. Frau Weber arbeitet seit 10 Jahren in Vollzeit als Kundenberaterin bei der Fördebank AG in Eckernförde. Herr Ehring arbeitet als Wirtschaftsjournalist beim Flensburger Tageblatt. Herr Ehring hat eine interessante Stelle bei der Münchener Zeitschrift »Wirtschaftsmagazin« am 01. Oktober angetreten. Da Frau Weber nach der dreimonatigen Probezeit zu ihrem Lebensgefährten nach München ziehen möchte, informiert sie sich bereits rechtzeitig über die Stellensituation für Bankkaufleute in München. Bei der Arbeitsagentur München erfährt Frau Weber, dass die Beschäftigungssituation in München für Bankkaufleute gut sei. Daraufhin kündigt sie bei der Fördebank fristgerecht zum 31. Dezember. Trotz großer Bemühungen erhält Frau Weber allerdings erst am 01. September des darauf folgenden Jahres ei-
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ne neue Beschäftigung als Kundenberaterin bei der Ostbank AG in München. Prüfen Sie, ob Frau Weber für die Dauer ihrer Arbeitslosigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld hat! Situation 4 Herr Stegemann absolviert zurzeit eine Ausbildung als Bankkaufmann bei der Nordbank AG in Hamburg. Herr Stegemann ist seit Ausbildungsbeginn in der Barmer Ersatzkasse krankenversichert. Nach der Ausbildungszeit von 20 Monaten verlangt die Barmer Ersatzkasse von ihren Versicherten aus finanziellen Gründen einen Zusatzbeitrag in Höhe von 1 % der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Herr Stegemann überlegt sich nun, in eine günstigere Krankenversicherung zu wechseln. Aufgaben e) Welche Schritte muss Herr Stegemann in seinem Fall unternehmen, um in eine günstigere Krankenversicherung zu wechseln?
6.4 Birte Wegener informiert sich über ihre zukünftige Rente Die 35-jährige Vorstandssekretärin der Isar Bank-AG Birte Wegener hatte vor kurzem einen Autounfall mit Blechschaden. Bei der Schadensregulierung empfahl ihr Versicherungsagent den Abschluss einer kapitalgedeckten Basisrente, die überwiegend der Altersversorgung dient, z. B. die Rürup-Rente oder RiesterRente. Bevor sie einem Versicherungsabschluss zustimmt, möchte sie erst einmal grundsätzlich wissen, was sie als zukünftige Rente erwarten kann. Von der Deutsche Rentenversicherung Bund erfährt sie den Namen ihres Versicherungsältesten, mit dem sie einen Beratungstermin vereinbart. Der Versicherungsälteste Klaus Jestadt will ihr das Prinzip der Rentenberechnung an einem Bezugsjahr erklären. Hierzu braucht er von Frau Wegener noch die nachstehenden Angaben: Durchschnittliches Bruttomonatseinkommen 2.147,43 EUR. Der Beitragssatz lag für das Bezugsjahr bei 19,9 %. Aufgaben a) Berechnen Sie den monatlichen Gesamtbeitrag zur Rentenversicherung. Wie hoch ist in diesem Zusammenhang der Arbeitnehmeranteil? Mit dem Beitrag zur Rentenversicherung werden Entgeltpunkte erworben. Die Höhe der Entgeltpunkte richtet sich nach dem Verhältnis des persönlichen Entgelts (für das Beiträge gezahlt wurden) zu dem Durchschnittsentgelt aller Arbeitnehmer im entsprechenden Jahr. Dieses Durchschnittsentgelt wurde für das Bezugsjahr auf 29.524,29 EUR festgesetzt. Der monatliche Rentenbetrag, den man pro Entgeltpunkt erhält, – d. h. der Wert eines Entgeltpunktes - wird bei jeder Rentenerhöhung neu festgelegt; er wird als »aktueller Rentenwert« bezeichnet. Für das Bezugsjahr betrug der aktuelle Rentenwert für die alten Bundesländer 26,13 EUR und für die neuen Bundesländer 22,95 EUR pro Monat. Aufgaben b) Frau Wegener erhält für das Bezugsjahr 13 Monatsgehälter. Ermitteln Sie das Jahreseinkommen von Frau Wegener! c) Ermitteln Sie für Frau Wegener ihre für das Bezugsjahr erworbenen Entgeltpunkte. d1) Ermitteln Sie eine fiktive monatliche Rente für Frau Wegener. Verwenden Sie bei der Berechnung die in b) und c) ermittelten Ergebnisse und den nachfolgenden Informationstext. Gehen Sie weiterhin davon aus, dass Frau Wegener bei Eintritt in das Rentenalter insgesamt 46,5432000 Entgeltpunkte (EP) erworben hat und mit 65 Jahren in Rente geht (Altersrente). d2) Welche monatliche Rente würde Frau Wegener erhalten, wenn sie ihren Arbeitsplatz in Dresden gehabt hätte?
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Aufgaben
INFO Rentenberechnung Zugangsrenten (neu festzusetzende Renten) werden unter Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensentwicklung nach der Rentenformel berechnet. Folgende Faktoren der Rentenformel bestimmen die Höhe einer Rente: Rentenformel: (Ep x Zf) x Raf x aRw = Monatsrente Ep - Entgeltpunkte: Sie sind abhängig von der individuellen Versicherungsdauer und der Beitragsleistung. Ein Durchschnittsverdiener erwirbt pro Jahr einen Entgeltpunkt. Zf - Zugangsfaktor: Er bewirkt die Minderung der Altersrente bei vorzeitigem Rentenbeginn bzw. die Erhöhung bei aufgeschobenem Rentenbeginn. Raf - Rentenartfaktor: Es handelt sich hierbei um die Gewichtung der Rentenarten, z. B. Altersrente, Erwerbsminderungsrente, Hinterbliebenenversorgung Faktor 1,0, bei Teilrente 0,5. aRw - aktueller Rentenwert: Es ist der monatliche Rentenbetrag für ein Beitragsjahr eines Durchschnittsverdieners, d. h. für einen Entgeltpunkt. Der aktuelle Rentenwert wird jährlich angepasst und beträgt in den alten Bundesländern ab 01.07.2004 26,13 EUR und in den neuen Bundesländern 22,95 EUR. Die Renten werden nach einer vereinfachten Formel berechnet. Danach hängt die Höhe der Monatsrente von 4 Faktoren ab: Mit den Entgeltpunkten wird die individuelle Arbeits- und damit Beitragsleistung der Versicherten bei der Rentenfestsetzung berücksichtigt. Ein Versicherungsjahr mit durchschnittlichem Arbeitsverdienst ergibt einen vollen Entgeltpunkt. Je länger die Lebensarbeitszeit und je höher das beitragspflichtige Einkommen, desto größer ist die Zahl der erworbenen Entgeltpunkte und damit die Rente. Auch für bestimmte beitragsfreie Zeiten werden Entgeltpunkte gutgeschrieben. Durch den Zugangsfaktor erhöhen oder vermindern sich die Entgeltpunkte, wenn die Alterrente erst nach dem gesetzlich vorgesehenen Rentenbeginn oder schon vorher in Anspruch genommen wird. Im Rentenartfaktor kommt das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Renten zum Ausdruck: Die Altersrente, Erwerbsminderungsrente und die Hinterbliebenenversorgung haben den Faktor 1,0, die Teilrente dagegen 0,5. Über den jährlich neu zu bestimmenden aktuellen Rentenwert werden die persönlichen Entgeltpunkte schließlich mit der allgemeinen Einkommensentwicklung verknüpft. Er gibt an, welcher monatliche Rentenbetrag auf einen Entgeltpunkt entfällt. Die Monatsrente ergibt sich durch Multiplikation der Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert. Am Ende des Beratungsgesprächs möchte Frau Wegener von ihrem Versicherungsältesten wissen, ob denn auch in der Zukunft ihre Rente gesichert ist.
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht
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Die Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland wird wie folgt prognostiziert:
Deutschlands Lebenskurve Bevölkerung in Millionen 1970 ’74 ’78 ’82 ’86 ’90 ’94 81,34 79,04 78,73 78,90 78,07 77,60 77,43
’99 82,05
2010
2020
81,88
2050
80,72
80,97 78,37
Var. II
67,07
Var. I
60,11
Anteile an der Bevölkerung nach Lebensalter in %
2020
2050
Variante I II
Variante I II
21,5
16,6 bis 16,8
20 bis 59 Jahre 57,6
52,6 bis 53,0
45,1 bis 46,2
60 Jahre und älter
30,8 bis 30,2
39,9 bis 38,3
unter 20 Jahren
5919
1997
© Globus
21,9
Annahme: Moderate Zunahme der Lebenserwartung
15,0 bis 15,5
Variante I: Niedrige Zuwanderung Variante II: Hohe Zuwanderung
Quelle: DIW
Aufgaben e) Beschreiben Sie die voraussichtliche Veränderung der Altersstruktur in Deutschland! f) Nennen Sie mögliche Ursachen für die zu erwartende Entwicklung! g) Verdeutlichen Sie die Auswirkungen dieser Bevölkerungsentwicklung für das Rentensystem der Bundesrepublik! h) Wie könnten diese Probleme überwunden werden? Nehmen Sie hierzu Stellung!
6.5 Riester-Rente Gesetzliche Rentenversicherung Leere Rentenkassen und steigende Rentenversicherungsbeiträge aufgrund einer sinkenden Zahl von Beitragszahlern und eine höhere Lebenserwartung der Rentner zwingen zu einer Rentenreform. Schon heute müssen drei Erwerbstätige das Altersruhegeld für einen Rentner aufbringen, in 30 Jahren für zwei Rentner. Nach Auffassung der Bundesregierung sollte diese zusätzliche Belastung nicht allein den Beitragszahlern und damit vor allem der jungen Generation aufgebürdet werden. Andererseits sollten auch nicht einseitig die Rentner durch Kürzung ihrer Renten belastet werden. Generationengerechtigkeit, Ansprüche der Älteren, zumutbare Beiträge für die Jüngeren, Wahrung der Solidarität, kapitalgedeckte Altersvorsorge waren die Schlagworte in der zurückliegenden Rentendiskussion. Durch die Rentenreform will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversicherung dauerhaft stabil bleiben. Danach soll der Beitragssatz zur Rentenversicherung bis zum Jahr 2020 unter 20 % bleiben und bis zum Jahr 2030 22 % nicht überschreiten. Die Renten sollen langfristig geringer als bisher steigen. Dadurch ergibt sich ein sinkendes Rentenniveau: Statt 70 % des letzten Nettoeinkommens heute wird es im Jahr 2030 bei etwa 67 % liegen. Staatlich geförderte private Altersvorsorge Die gesetzliche Rentenversicherung ist umlagefinanziert. Danach werden die Ausgaben eines Kalenderjahres durch die Einnahmen des gleichen Kalenderjahres und durch Einnahmen aus der Schwankungsreserve gedeckt. Das umlagefinanzierte Rentensystem vertraut dabei im Wesentlichen auf die Stabilität des nationalen Arbeitsmarktes, weil die Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung an das Beitragsauf-
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Aufgaben
kommen und damit an die Einnahmen der Beschäftigten gebunden sind. Die gesetzliche Rente sichert in Zukunft allein den Lebensstandard nicht mehr voll ab. Deshalb soll das umlagefinanzierte Rentensystem in Zukunft mit einer kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge kombiniert werden. Dabei ist die steuerlich geförderte „Riester-Rente“ eine zusätzliche, freiwillige, kapitalgedeckte Altersversorgung, die aus einem Kapitalstock bezahlt wird, den die Beschäftigten während ihres Arbeitslebens selbst ansparen. Grundsätzlich werden Altersvorsorgeverträge gefördert, die im Alter durch lebenslange Zahlungen die staatliche Rente ergänzen. Wichtige Regelungen zur Riester-Rente Voraussetzungen für die staatliche Förderung
-
Der Anleger gehört zum förderungsfähigen Personenkreis. Die Anlage erfolgt in einem zertifizierten Altersvorsorgevertrag. Der Anleger erbringt einen einkommensabhängigen Eigenbeitrag.
Geförderter Personenkreis
-
Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. Bezieher von Lohnersatzleistungen, z. B. Arbeitslosengeld I und II. Beamte nicht erwerbstätige Eltern in den Kindererziehungszeiten Wehr- und Zivildienstleistende Bezieher von Vorruhestandsgeld
Nicht geförderter Personenkreis
-
Selbstständige, die nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. geringfügig Beschäftigte Rentner und Pensionäre
Besonderheiten bei Eheleuten
Jeder Ehegatte kann unabhängig vom Partner einen eigenen Altersvorsorgevertrag mit dem Anspruch auf staatliche Förderung abschließen. Auch wenn nur ein Ehegatte zum förderfähigen Personenkreis gehört, erhält der eigentlich nicht förderberechtigte Ehegatte ebenfalls die staatliche Förderung, sofern er einen Altersvorsorgevertrag auf seinen Namen abschließt (abgeleiteter Zulagenanspruch).
Anlageformen
Private Altersvorsorge: Banksparplan, Investmentsparplan, Rentenversicherung Betriebliche Altersvorsorge: Direktversicherungen, Pensionskassen, Pensionsfonds Beachte: Förderungsfähig sind nur Anlageformen, die im Alter durch lebenslange Zahlungen die gesetzliche Rente ergänzen.
Zertifizierung der geförderten Anlageformen durch BaFin
Merkmale: - Die Auszahlungen dürfen nicht vor dem 60. Lebensjahr beginnen. Das Risiko Erwerbsunfähigkeit und die Hinterbliebenen können zusätzlich abgesichert werden. - Zu Beginn der Auszahlungsphase muss mindestens das eingezahlte Kapital zur Verfügung stehen (Kapitalgarantie). - Die Auszahlung erfolgt grundsätzlich als lebenslange Leibrente (Kapitalverrentung). Bis zu 30 % des bei Rentenbeginn zur Verfügung stehenden Kapitals kann sich der Anleger jedoch zu Beginn der Auszahlungsphase direkt auszahlen lassen. - Die Abschluss- und Vertriebskosten sind auf 5 Jahre zu verteilen. - Der Anleger hat das Recht, den Vertrag ruhen zu lassen, zu kündigen und zu wechseln sowie vorübergehend Mittel zum Wohnungsbau zu entnehmen. Der Anleger ist bei Vertragsabschluss zu informieren über: - die Anlage des Geldes, - die kalkulierte Rendite, - das mit der Anlage verbundene Risiko, - die Höhe und Verteilung der Abschluss- und Vertriebskosten, - die Kosten für die Verwaltung der Geldanlage sowie die Kosten beim Wechsel zu
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einem anderen Produkt. Der Anleger ist jährlich zu informieren über: - die Beitragsverwendung, - die Kapitalverwendung, - die Kosten und Erträge, - ob der Anbieter ethische, soziale oder ökologische Belange bei der Geldanlage berücksichtigen will. Beiträge und staatliche Förderung
Die Einzahlungen auf den Altersvorsorgevertrag (Gesamtbeitrag) setzen sich zusammen aus dem Eigenbeitrag des Anlegers und der staatlichen Altersvorsorgezulage, die aus einer Grundzulage und einer Kinderzulage besteht. Zum Erhalt der vollen staatlichen Förderung ist ein jährlicher Gesamtbeitrag (Eigenbeitrag) zu leisten. Bei einem niedrigeren Eigenbeitrag verringert sich die staatliche Förderung anteilig.
Gesamtbeitrag pro Jahr (in % des sozialversicherungspflichtigen Vorjahreseinkommens)
4 %, max. aber 2.100 EUR
maximale jährliche Grundzulage
154 EUR
maximale jährliche Kinderzulage je Kind
185 EUR Kinder die nach dem 01.01.2008 geboren sind, erhalten eine Kinderzulage von 300 EUR. Eine Kinderzulage gibt es für jedes Kind, für das Kindergeld gezahlt wird. Bei Eheleuten wird die Kinderzulage grundsätzlich der Mutter zugeordnet, auf Antrag beider Eltern dem Vater. Bei Alleinerziehenden steht die Kinderzulage dem Elternteil zu, in dessen Haushalt das Kind lebt. Wenn beide Eheleute zum geförderten Personenkreis gehören, ist der Mindestgesamtbeitrag für jeden Ehegatten getrennt zu ermitteln. Das Einkommen des Ehegatten ist dabei nicht zu berücksichtigen. Ein Ehegatte mit abgeleitetem Zulagenanspruch muss auf seinen Vertrag keine eigenen Mittel einzahlen. Der Mindesteigenbeitrag ist nur für den förderfähigen Ehegatten zu ermitteln. Dabei mindern die beiden Eheleuten zustehenden Zulagen seine selbst aufzubringenden Eigenleistungen. Der Gesamtbeitrag besteht aus der Summe von Eigenbeitrag des Anlegers und der staatlichen Förderung. Dies würde bei einem niedrigen Einkommen dazu führen, dass der Anleger selbst nur sehr niedrige oder gar keine eigenen Zahlungen leisten müsste. Deshalb verlangt der Staat vom Anleger zumindest die Zahlung eines Sockelbetrages von 60 EUR. Bei Eheleuten ist der Sockelbetrag getrennt festzustellen. Bei nicht berufstätigen Ehegatten mit abgeleitetem Zulagenanspruch entfällt der Sockelbetrag (Ausnahme: Erziehungsurlaub).
Sockelbetrag von 60 EUR
Sonderausgabenabzug und Günstigerprüfung
Altervorsorgeaufwendungen (Eigenbeitrag des Anlegers plus staatliche Zulagen) sind grundsätzlich bis zu einem bestimmten Höchstbetrag als Sonderausgaben bei der Einkommensteuer abzugsfähig. Die Gewährung einer Zulage schließt jedoch den Sonderausgabenabzug aus. Im Rahmen einer sog. Günstigerprüfung prüft das Finanzamt von Amts wegen, ob die Steuerersparnis höher als die Zulagen ist. Ggf. erstattet das Finanzamt die Differenz im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung.
Zulagenantrag
Die staatlichen Zulagen sind beim Anbieter des Altersvorsorgesparplanes zu beantragen, der den Antrag an die Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) weiterleitet. Diese überweist die Zulage auf das Anlagekonto des Anlegers. Bei einem Dauerzulagenantrag bevollmächtigt der Anleger den Anbieter zur jährlichen Antragstellung, sodass der
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Aufgaben Anleger selbst keinen Antrag stellen muss. Der Anleger ist jedoch verpflichtet, alle Änderungen, die sich auf die Höhe der Zulage auswirken können, z. B. Streichung des Kindergeldes, unverzüglich dem Anbieter mitzuteilen. Zur Feststellung des auf den Vertrag einzuzahlenden Gesamtbeitrages fragt die ZfA direkt beim Rentenversicherungsträger das sozialversicherungspflichtige Einkommen des Anlegers ab.
Zulagenschädliche Verwendung des angesparten Kapitals
Bei förderschädlichen Verfügungen sind alle Zulagen und Steuervorteile zurückzuzahlen. Zudem sind die die im Auszahlungsbetrag enthaltenen Erträge zu versteuern.
Situation Für heute haben Sie als Kundenberater/in der Nordbank AG mit Ihren langjährigen Kunden, den Eheleuten Gertrud und Torben Langkau, einen Beratungstermin zum Thema Altersvorsorge vereinbart. Die Eheleute Langkau haben zwei Kinder im Alter von sechs und neun Jahren. Da Sie die Kunden über die staatliche Förderung im Rahmen des Altersvermögensgesetzes (Riester-Rente) informieren möchten, haben Sie bei der Terminvereinbarung das beitragspflichtige Einkommen des Vorjahres erfragt.
Im Gespräch mit den Eheleuten Langkau gehen Sie zunächst auf die Grundlagen der Altersvorsorge und der vom Staat geförderten Möglichkeiten ein. Dabei fallen die Begriffe „Versorgungslücke“ und „demografischer Wandel“. Aufgaben a) Beschreiben Sie den Eheleuten Langkau die Bedeutung dieser beiden Begriffe im Hinblick auf die staatlich geförderte Altersvorsorge. b) Nennen Sie die vier Voraussetzungen, die die Eheleute Langkau erfüllen müssen, damit sie in den Genuss der staatlichen Förderung nach dem Altersvermögensgesetz kommen können. Sie legen den Eheleuten Langkau nun die folgende Übersicht vor:
Nach Ihren Ausführungen möchten die Kunden die volle Förderung für sich nutzen. Die beiden Kinder werden auf Wunsch der Kunden dem Vertrag von Frau Langkau zugerechnet. Aufgaben c) Ermitteln Sie unter Angabe des Rechenwegs die jährlichen Sparbeiträge, die die Eheleute selbst erbringen müssen, um die volle staatliche Zulage zu erhalten. Die Eheleute entscheiden sich dafür, die Riester-Förderung in Anspruch zu nehmen und zwei getrennte Verträge abzuschließen. Die Nordbank AG bietet als zertifizierte Produkte sowohl Altersvorsorgefonds als auch Rentenversicherungen an. Sie erklären den Eheleuten Langkau grundsätzliche Unterschiede der beiden Produkte. Die Eheleute Langkau entscheiden sich beide für jeweils einen Altersvorsorgefonds. Beim Abschluss der Verträge fragt Frau Langkau Sie, auf welche Weise die Zulagen beantragt werden müssen.
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht
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Aufgabe d) Nennen Sie die beiden Möglichkeiten, wie der Antrag auf Zulage gestellt werden kann. Die Eheleute Langkau möchten außerdem wissen, was unter einer „schädlichen Verwendung" des Vertrages zu verstehen ist und welche Folgen dies für sie hätte. Aufgaben e) Nennen Sie drei Beispiele für eine schädliche Verwendung des Altersvorsorgevermögens. f) Beschreiben Sie zwei mögliche Rechtsfolgen, die eine schädliche Verwendung für die Eheleute Langkau hätte.
6.6 Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge Herr Thilo Steppen ist seit 10 Jahren Kundenberater der Nordbank AG. Sein monatliches Bruttoeinkommen beträgt laut Arbeitsvertrag 3.500,00 EUR. Die Nordbank AG zahlt 13 Monatsgehälter und vermögenswirksame Leistungen von 400,00 EUR jährlich. Als Sonderzahlung erhält Herr Steppen einmal jährlich Urlaubsgeld in Höhe von 500,00 EUR. Herr Steppen hat die Steuerklasse I (Grundtarif) und ein zu versteuerndes Einkommen von 39.928,00 EUR. Herr Steppen ist 32 Jahre alt und kinderlos. Aufgaben a) Ermitteln Sie die Bemessungsgrundlagen für die Berechnung der jährlichen Sozialversicherungsbeiträge im Jahr 2009.
b) Prüfen Sie, ob Herr Steppen 2009 Anspruch auf staatliche Sparförderung nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz hat. Herr Steppen legt seine vermögenswirksamen Leistungen in einem sparzulagengeförderten Aktienfonds an. c) Erklären Sie folgende steuerliche Begriffe und führen Sie jeweils Beispiele an: -
Werbungskosten Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen
Die 7 Einkunftsarten im Überblick Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit (§§ 19, 19a EStG) Dazu gehören insbesondere: - Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für die Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden (z. B. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld) - Pensionen, also Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen
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Aufgaben
Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) Dazu gehören insbesondere: - Dividenden, sonstige Bezüge aus Aktien, aus Anteilen an einer GmbH - Zinsen aus Guthaben bei Kreditinstituten, aus Darlehen und Anleihen, Fondserträgen usw. - Zinsen aus Hypotheken und Grundschulden, Renten aus Rentenschulden - außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen einer Lebensversicherung - vom Finanzamt erhaltene Zinsen für Steuererstattungen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) Dazu gehören insbesondere: - Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, Gebäuden, Wohnungen, Zimmern oder Garagen - Einkünfte aus der Überlassung von Rechten (z. B. Erbbaurecht) Sonstige Einkünfte (§§ 22, 23 EStG) Dazu gehören insbesondere: - Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (insbesondere Renten) - Unterhaltszahlungen vom geschiedenen Ehepartner - Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (ergeben sich insbesondere bei der Veräußerung von Wertpapieren und vermieteten Immobilien innerhalb bestimmter Zeiträume zwischen Kauf und Verkauf) Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG) Dazu gehören insbesondere: - Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit (insbesondere die selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbstständige Tätigkeit eines Arztes, Rechtsanwalts usw.) Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15, 16, 17 EStG) Dazu gehören insbesondere: - Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen - Gewinnanteile des Gesellschafters einer OHG oder einer KG - Gewinne aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebes oder eines Gesellschafteranteils Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§§ 13, 14a EStG) Dazu gehören insbesondere Einkünfte aus dem Betrieb von Land- und Forstwirtschaft, Weinbau, Gartenbau usw. Ermittlung der Summe der Einkünfte Einkunftsart Nicht selbstständige Arbeit
Kapitalvermögen
Vermietung und Verpachtung
Einkunftsermittlung Einnahmen (Arbeitslohn) ./. Werbungskosten (tatsächliche Höhe oder Werbungskosten-Pauschbetrag) ./. evtl. Versorgungs-Freibetrag = Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit (sog. Überschusseinkünfte) Einnahmen (z. B. Dividenden, Zinsen) ./. Sparer-Pauschbetrag von 801,00/1.602,00 EUR (Ledige/Verheiratete) = Einkünfte aus Kapitalvermögen (sog. Überschusseinkünfte) Einnahmen ./. Werbungskosten = Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (sog. Überschusseinkünfte)
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht
Sonstige Einkünfte
Selbstständige Arbeit/ Gewerbebetrieb/ Land- und Forstwirtschaft
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Einnahmen ./. Werbungskosten (tatsächliche Höhe) = Sonstige Einkünfte (sog. Überschusseinkünfte) Betriebseinnahmen ./. Betriebsausgaben = Einkünfte aus … (sog. Gewinneinkünfte)
Steuern werden nur auf das zu versteuernde Einkommen gezahlt. Berechnung des zu versteuernden Einkommen ./. ./. = ./. ./. ./. ./. = ./.
./. =
Summe der Einkünfte Altersentlastungsbetrag für Steuerpflichtige, die vor dem Veranlagungszeitraum das 64. Lebensjahr vollendet haben (§ 24 a EStG) Entlastungsbetrag für Alleinerziehende Gesamtbetrag der Einkünfte (bei zusammen veranlagten Ehepaaren erfolgt hier die Zusammenfassung zu einem Betrag) Verlustabzug (§ 10 d EStG) Sonderausgaben (§§ 10, 10 b, 10 c EStG) außergewöhnliche Belastungen (§§ 33, 33a, 33b EStG) Abzugsbeträge für selbst genutztes Wohneigentum (§§ 10e, 10i, 7 EStG) Einkommen Freibeträge für Kinder: Kinderfreibetrag, Erziehungsfreibetrag (§§ 31, 32 EStG): Der Abzug erfolgt nur bei Eltern mit höherem Einkommen, bei denen die Freibeträge günstiger sind als das Kindergeld. Härteausgleich für Arbeitnehmer mit geringen Nebeneinkünften (§§ 46 Abs. 3, 70 EStG) zu versteuerndes Einkommen
Steuerliche Begriffe Werbungskosten Werbungskosten sind Aufwendungen, Ausgaben und Kosten, die durch die berufliche Tätigkeit entstehen. Es sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Zu den Werbungskosten gehören z. B. Aufwendungen für die tägliche Fahrt zur Arbeit, für berufliche Fachliteratur, für Büromaterialien, für Mitgliedsbeiträge an den Berufsverband usw. Werbungskosten vermindern die steuerpflichtigen Einnahmen. Werbungskosten belasten zwar den eigenen Geldbeutel, sie führen aber zu einer Steuerersparnis: Werbungskosten werden von den Einnahmen aus nicht selbstständiger Arbeit abgezogen. Versteuert werden müssen nur die verbleibenden Einkünfte. Arbeitnehmer-Pauschbetrag auch ohne Nachweise Weil jeder Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit Kosten hat, gibt es den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a EStG). Er beträgt 920,00 EUR jährlich. Den Pauschbetrag erhält der Arbeitnehmer, wenn er keine Werbungskosten geltend gemacht hat oder wenn seine nachgewiesenen Werbungskosten niedriger als der Pauschbetrag sind. Liegen die Werbungskosten über dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag, wird der höhere Betrag berücksichtigt. Sonderausgaben Die Sonderausgaben sind in § 10 EStG bis § 10d EStG geregelt. Es sind zum einen die Vorsorgeaufwendungen und zum anderen die Sonderausgaben. Als Vorsorgeaufwendungen abzugsfähig sind Beiträge zu bestimmten Versicherungen. Diese werden unterteilt in
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Aufgaben
Altersvorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Dazu gehören vor allem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder zu einer privaten Rürup-Rente. sonstige Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Dazu zählen z. B. die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Altersvorsorgeaufwendungen und sonstige Vorsorgeaufwendungen sind nur begrenzt abziehbar. Nicht in die Berechnung der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen mit ein gehen die Beiträge zur sog. RiesterRente. Andere Sonderausgaben Andere Sonderausgaben sind aus bestimmten sozialen und steuerpolitischen Gründen abzugsfähig. Hierzu gehören u.a. - Unterhaltsleistungen an den getrennt lebenden oder geschiedenen Ehepartner (Realsplitting) - gezahlte Kirchensteuern - Kosten für Berufsausbildung - Spenden und Mitgliedsbeiträge z. B. an Parteien - Schulgeld an Privatschulen - Kinderbetreuungskosten Wenn man in der Einkommensteuererklärung neben den Vorsorgeaufwendungen keine oder nur geringe „andere Sonderausgaben“ geltend macht, gewährt das Finanzamt automatisch den sog. SonderausgabenPauschbetrag (§ 10c Abs. 1 EStG). Diesen Pauschbetrag bekommen alle Steuerzahler und er beträgt für Ledige 36,00 EUR und für Verheiratete 72,00 EUR. Außergewöhnliche Belastungen Normalerweise bleiben private Ausgaben steuerlich unberücksichtigt. Besondere Situationen können aber zu außergewöhnlichen Belastungen führen, die unter strengen Voraussetzungen steuermindernd berücksichtigt werden können. Die außergewöhnlichen Belastungen besonderer Art sind im Gesetz einzeln genannt und sind der Höhe nach durch Pausch- oder Höchstbeträge beschränkt. Zu diesen Belastungen zählen: - der Behinderten-Pauschbetrag - der Hinterbliebenen-Pauschbetrag - die Aufwendungen für die Beschäftigung einer Hilfe im Haushalt - die Unterhaltsleistungen an bedürftige Personen - der Ausbildungsfreibetrag Außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art wirken sich nur aus, soweit die sog. „zumutbare Belastung“ überschritten ist. Außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art liegen nur vor, wenn die Ausgaben - außergewöhnlich sind, - zwangsläufig entstehen, - notwendig und angemessen sind, - eine finanzielle Belastung darstellen und - keine Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben oder Sonderausgaben sind. Außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art sind z. B. Kosten, die infolge außergewöhnlicher Lebenssituationen entstehen, wie Umweltkatastrophen, Scheidung oder Krankheit.
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht
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Steuerklassen Arbeitnehmer werden gemäß § 38b EStG für den Lohnsteuerabzug während des Jahres in eine von sechs Steuerklassen eingeordnet. Die Einordnung in die richtige Steuerklasse hängt davon ab, - ob jemand als Alleinstehender (Lediger, Getrennt lebender, Geschiedener, Verwitweter) nur eine eigene Steuererklärung abgeben darf und nach dem Grundtarif besteuert wird. Dann gilt für ihn entweder Steuerklasse I oder Steuerklasse II. - oder ob jemand als verheirateter Arbeitnehmer eine gemeinsame Steuererklärung abgibt und vom Splittingtarif profitieren kann. Dann kann er zwischen den Steuerklassenkombinationen III/V und IV/IV wählen. In der Steuerklasse VI sind alle, die nebeneinander von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn beziehen. Für das zweite und jedes weitere Dienstverhältnis muss die Gemeinde auf einer weiteren Lohnsteuerkarte die Steuerklasse VI eintragen. Alleinstehenden mit Kind steht die Steuerklasse II zu, wenn sie die Voraussetzungen für den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende erfüllen. Die Gemeinde trägt die Steuerklasse II nur dann von sich aus ein, wenn sie bereits auf der Lohnsteuerkarte des Vorjahres bescheinigt wurde. Ist das nicht der Fall, muss die Steuerklasse II vom Steuerpflichtigen bei der Gemeinde beantragt werden. Grundtarif für Alleinstehende
Wichtige Regelungen zu vermögenswirksamen Leistungen Jeder Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber vermögenswirksame Leistungen (vL) anlegen lassen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber Zuzahlungen leistet. Das Gehalt wird dann entsprechend reduziert. Mindestsparbetrag monatlich 34 EUR Freiwillige Zuzahlungen sind möglich. Gesetzliche Fördergrenzen: Zu versteuerndes Jahreseinkommen höchstens 20.000 EUR für Ledige und 40.000 Euro für Verheiratete Auszahlung des Gesamtbetrages inklusive staatlicher Förderung nach 7 Jahren Höhere Sparraten sind möglich; die Förderung ist jedoch auf maximal 400 EUR pro Jahr begrenzt. VL für Rentenfonds, offenen Immobilienfonds usw. werden nicht gefördert, nur Aktienfonds. Eine vorzeitige Kündigung ist jederzeit möglich. Der Anspruch auf die Arbeitnehmersparzulage ist dann verloren.
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7
Gesellschaftsformen
Unternehmen wählten bis Ende 2006 in Deutschland folgende Rechtsformen: Von den 3.036.758 Unternehmen mit Umsätzen von mehr als 17.500 EUR in Deutschland sind Personengesellschaften Einzelunternehmen Offene Handelsgesellschaften Kommanditgesellschaften (einschließlich GmbH & Co. KG)
82,8 % 70,2 % 8,6 % 4,0 %
Kapitalgesellschaften Gesellschaft mit beschränkter Haftung Aktiengesellschaften einschließlich KGaA Genossenschaften Körperschaften des öffentlichen Rechts
15,5 % 14,9 % 0,2 % 0,2 % 0,2 %
Sonstige Rechtsformen
7.1 Personengesellschaften
1,7 % Lösungen ab Seite 301
Die Organisation der Personengesellschaften beruht auf einem schuldrechtlichen Vertrag, der individuelle Beziehungen zwischen den einzelnen beteiligten Gesellschaftern zur Erreichung des Gesellschaftszwecks begründet. Für die Personengesellschaften, z. B. BGB-Gesellschaft und offene Handelsgesellschaft sowie die Kommanditgesellschaft gelten folgende Grundsätze: - Personengesellschaften haben keine eigene Rechtspersönlichkeit. Träger von Rechten und Pflichten sind die einzelnen Gesellschafter. - Grundsätzlich sind Personengesellschaften vom Bestand ihrer ursprünglichen Gesellschafter abhängig, d. h. nach der gesetzlichen Regelung wird die Gesellschaft aufgelöst durch Tod oder Kündigung eines Gesellschafters, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt. - Geschäftsführung und Vertretung der Personengesellschaften werden regelmäßig von den Gesellschaftern persönlich vorgenommen, entweder von allen gemeinsam oder von den vertraglich davon bestimmten Gesellschaftern (Grundsatz der Selbstorganschaft). - Für Verbindlichkeiten der Personengesellschaft haften die Gesellschafter als Gesamtschuldner, wobei grundsätzlich jeder Gesellschafter mit seinem ganzen persönlichen Vermögen haftet. - Die Personengesellschaft tritt im Rechtsverkehr unter dem Namen der Gesellschafter auf. Handelt es sich um eine Handelsgesellschaft, so führt sie eine Firma (vgl. § 19 Handelsgesetzbuch HGB).
144
7.1.1
Aufgaben
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR)
Die GbR ist der organisatorische Grundtyp aller Personengesellschaften. Bei der BGB-Gesellschaft handelt es sich um einen vertraglichen Zusammenschluss von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen beliebigen Zwecks, wobei alle Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich haften. Die GbR wird in den §§ 705 bis 740 BGB geregelt. Gesellschaftsvertrag Der Gesellschaftsvertrag ist die Grundlage für die Entstehung einer BGB-Gesellschaft. Es ist ein Rechtsgeschäft, das grundsätzlich formfrei getätigt werden kann. Der Gesellschaftsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks. Der Zweck kann ein dauernder oder ein vorüber gehender Zweck sein. Der gemeinsame Zweck und der Gesellschaftsvertrag sind Grundvoraussetzungen für die Entstehung der Gesellschaft. Die Leistungen von Beiträgen der Gesellschafter kann die Zahlung einer bestimmten Geldsumme, die Leistung von Diensten oder die Beteiligung an der Gesellschaft sein. Haftung Jeder Gesellschafter haftet im Innenverhältnis für die Verpflichtungen wie in eigenen Angelegenheiten (§§ 708 und 277 BGB). Für die Schulden der Gesellschaft haftet das Gesellschaftsvermögen und das Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter (vgl. § 128 HGB). Wenn im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist, haften die Gesellschafter als Gesamtschuldner (vgl. §§ 427 und 431 BGB). Nach § 421 BGB kann ein Gläubiger der GbR seine Forderung nach Belieben vollständig von jedem einzelnen Gesellschafter verlangen. Geschäftsführung und Vertretung Die Gesellschafter sind nach § 709 BGB gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt. Diese Befugnis kann durch Gesellschaftsvertrag abgeändert werden (vgl. §§ 709 und 710 BGB). Nach § 714 BGB ist die Gesellschaft von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu vertreten, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes vorsieht, z. B. wenn einem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag die Befugnis zur Geschäftsführung zusteht, ist er ermächtigt, die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu vertreten. Gesamthänderisches Gesellschaftsvermögen Das Gesellschaftsvermögen der BGB-Gesellschaft wird in § 718 BGB geregelt. Danach ist das Gesellschaftsvermögen, zu dem auch das Eigentum an beweglichen Sachen gehört, gemeinschaftliches Eigentum der Gesellschaft (Gesamthandseigentum). Die gesamthänderische Bindung der Gesellschafter nach § 719 BGB bedeutet, dass ein Gesellschafter über seinen Anteil am Vermögen der Gesellschaft nicht allein verfügen darf. Eine Verfügung kann nur von allen Gesellschaftern gemeinsam vorgenommen werden. Die BGB-Gesellschaft wird nicht ins Handelsregister eingetragen. Soweit nichts anderes vereinbart wurde, wird der Gewinn grundsätzlich nicht im Verhältnis der Beiträge sondern gleichmäßig verteilt. Die BGB-Gesellschaft wird aufgelöst, wenn der Gesellschaftszweck erreicht wurde (vgl. § 726 BGB), ein Gesellschafter stirbt (vgl. § 727 BGB) oder die Gesellschaft oder ein Gesellschafter insolvent wird (vgl. § 728 BGB).
7.1.2
Offene Handelsgesellschaft (oHG)
Die oHG ist eine Handelsgesellschaft des Handelsgesetzbuches (vgl. § 105 bis 160 HGB). Sie ist eine Gesamthandsgemeinschaft. Gesellschaftsvertrag Für die Entstehung einer oHG ist ein Gesellschaftsvertrag erforderlich. Der Gesellschaftsvertrag regelt das Rechtsverhältnisse der Gesellschafter untereinander und lässt die oHG im Innenverhältnis entstehen
7 Gesellschaftsformen
145
(vgl. § 109 HGB). Im Außenverhältnis entsteht sie mit Eintragung in das Handelsregister oder schon vorher durch Aufnahme des Geschäftsbetriebs (vgl. § 123 HGB). Die Unterteilung der Wirksamkeit der oHG im Innen- und Außenverhältnis ist bedeutsam im Hinblick auf den Verkehrsschutz: Erst wenn die Gesellschaft nach außen wirksam geworden ist, gilt das oHG-Recht im Hinblick auf Vertretung und Haftung in vollem Umfang. Gesellschaftszweck Die oHG kann nach § 105 HGB nur auf den Zweck des Betriebs eines Handelsgewerbes unter einer gemeinsamen Firma gerichtet sein. Nichtkaufleute, z. B. Architekten können grundsätzlich nur eine BGBGesellschaft bilden. Nach § 105 HGB können folgende Gesellschaften offene Handelsgesellschaften sein: - Eine Gesellschaft, die ein Handelsgewerbe betreibt, d. h. ein Unternehmen, das nach Art und Umfang einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordert. - Eine Gesellschaft, die nur Kleingewerbe betreibt (ein Betrieb, der nach Art und Umfang keinen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordert), wird mit der Eintragung zur oHG. - Auch eine Gesellschaft, die nur eigenes Vermögen verwaltet und somit kein Gewerbe betreibt, wird mit der Eintragung zur oHG. Die Eintragungsmöglichkeiten für eine Gesellschaft, die nur eigenes Vermögen verwaltet, gibt Grundstücksgesellschaften (z. B. Ehegatten-Miteigentümer-Gesellschaften) die Möglichkeit, als oHG oder KG ins Handelsregister eingetragen zu werden. Innenverhältnis Soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart wurde, gelten gemäß § 109 HGB für das Innenverhältnis die §§ 110 bis 122 HGB. Im Einzelnen ergeben sich daraus folgende Rechte und Pflichten der Gesellschafter: - Ersatz für Aufwendungen und Verluste: Jeder Gesellschafter kann gemäß § 110 HGB von der Gesellschaft seine persönlichen, erforderlichen Leistungen, die er gegenüber Gesellschaftsgläubigern erbracht hat, zurückfordern. Gegenüber Mitgesellschaftern besteht ein gesamtschuldnerischer Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB). - Beitragspflicht: Jeder Gesellschafter einer oHG muss die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Beitragsleistungen erbringen, um den gemeinsamen Zweck zu fördern. Nach § 111 HGB gibt es eine Verzinsungspflicht für Geldeinlagen. - Wettbewerbsverbot: Kein Gesellschafter darf ohne Einwilligung der anderen Gesellschafter in dem Handelszweig der Gesellschaft Geschäfte machen oder als persönlich haftender Gesellschafter an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft teilnehmen (vgl. § 112 HGB). Verstöße gegen dieses aus der allgemeinen Treuepflicht folgende Wettbewerbsverbot können Schadensersatzansprüche auslösen (§ 113 HGB). - Geschäftsführung: Soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist, sind alle Gesellschafter geschäftsführungsbefugt und –verpflichtet (vgl. § 114 HGB). Der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt (vgl. § 116 HGB). Einem Gesellschafter kann die Geschäftsführungsbefugnis entzogen werden (vgl. § 117 HGB). - Mitverwaltungsrechte: Alle Gesellschafter haben Mitverwaltungsrechte, auch die, die von der Geschäftsführungsbefugnis ausgeschlossen sind. Im Einzelnen sind dies Informations- und Kontrollrechte (vgl. § 118 HGB), das Stimmrecht bei der Beschlussfassung (vgl. § 119 HGB), bei der der Grundsatz der Einstimmigkeit von Gesellschafterbeschlüssen gilt, sowie das Recht auf Gewinn- und Verlustbeteiligung (vgl. §§ 120 und 121 HGB) und das Entnahmerecht (vgl. 122 HGB).
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-
Aufgaben
Gesamthänderisches Gesellschaftsvermögen: Das Gesellschaftsvermögen ist bei der oHG Gesamthandsvermögen (§§ 718, 719 BGB in Verbindung mit § 105 Abs. 3 HGB). Aufgrund der Tatsache, dass der oHG eine rechtliche Selbstständigkeit zugesprochen wird (vgl. § 124 HGB), geht die Verselbstständigung des Gesellschaftsvermögens als Sondervermögen weiter als bei der GBGGesellschaft. Bei einer Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen muss sich ein vollstreckbarer Titel gegen die Gesellschaft richten und nicht gegen einen Gesellschafter. Das Gesellschaftsvermögen der oHG ist insolvenzfähig.
Außenverhältnis Das Außenverhältnis der oHG ist in den §§ 123 bis 130 b HGB geregelt. Die oHG wird nach außen wirksam, wenn sie entweder ins Handelsregister eingetragen ist oder ihre Geschäfte schon vor der Eintragung begonnen hat (vgl. § 123 HGB). Zu den Geschäften, die vor der Eintragung aufgenommen wurden, können z. B. gehören: Das Anmieten von Geschäftsräumen, der Kauf von Einrichtungsgegenständen, die Aufnahme eines Kredits usw. Die oHG führt als Namen eine Personenfirma oder Sachfirma, der den Rechtsformzusatz „offene Handelsgesellschaft“ oder „oHG“ enthalten muss. Die oHG ist eine gemeinschaftliche Firma (vgl. § 105 HGB). Nach § 125 a HGB sind folgende Angaben auf Geschäftsbriefen notwendig: - Rechtsform und Sitz der Gesellschaft, - Registergericht und Registernummer. Nach § 124 Abs. 1 HGB wird der oHG eine rechtliche Selbstständigkeit verliehen, die der einer juristischen Person ähnelt. Deshalb nennt man die oHG auch eine quasijuristische Person. Dadurch dass die oHG unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen kann, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben sowie vor Gericht klagen und verklagt werden kann, erwirbt sie eine Teilrechtsfähigkeit. Vertretung Die Vertretungsmacht ist bei der oHG nicht an die Geschäftsführungsbefugnis geknüpft. Aufgrund der rechtlichen Selbstständigkeit der oHG wird die Gesellschaft durch die vertretungsberechtigten Gesellschafter vertreten. Jeder Gesellschafter ist einzelvertretungsermächtigt (vgl. § 125 HGB), sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt. Der Umfang der Vertretungsmacht kann nicht mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden (vgl. § 126 HGB). Eine Entziehung der Vertretungsmacht sowie der Geschäftsführungsbefugnis ist nur aus einem wichtigen Grund auf Antrag der übrigen Gesellschafter durch gerichtliche Entscheidung möglich (vgl. §§ 117 und 127 HGB). Haftung der Gesellschafter und der Gesellschaft Für die Verbindlichkeiten der oHG haften alle Gesellschafter den Gläubigern persönlich (vgl. § 128 HGB). Danach haben Gläubiger der oHG zwei Zugriffsmöglichkeiten: Zum einen auf das Gesellschaftsvermögen und zum anderen auf das Privatvermögen der persönlich haftenden Gesellschafter. Alle Gesellschafter (ausgeschiedene, aktive und eintretende) haften unmittelbar gesamtschuldnerisch und unbegrenzt mit ihrem privaten Vermögen. Im Innenverhältnis können zwischen den Gesellschaftern andere Haftungsregeln vereinbart werden. Diese interne Regelung ist allerdings gegenüber Dritten unwirksam (vgl. § 128 HGB). Die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter kann durch Einwendungen, die in § 129 HGB geregelt sind, eingeschränkt werden, z. B. die Einwendung der Verjährung, wenn eine Verbindlichkeit gegenüber der oHG bereits verjährt ist. Typische Einwendungen der Gesellschaft, auf die sich ein Gesellschafter auch berufen kann, sind die Anfechtung oder die Aufrechnung.
7 Gesellschaftsformen
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Ein in eine bestehende oHG eintretender Gesellschafter haftet auch für die vor seinem Eintritt entstandenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Beendigung Die oHG endet in zwei Phasen, der Auflösung der Gesellschaft nach §§ 131 bis 144 HGB und der Liquidation der Gesellschaft nach den §§ 145 bis 158 HGB. Der Tod eines Gesellschafters sowie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters begründen die Ausscheidung des jeweiligen Gesellschafters, nicht aber die Auflösung der oHG. Mit Eintritt eines Auflösungsgrundes wird die oHG zur Abwicklungsgesellschaft, für die das oHGRecht weiter gilt. Erst der Abschluss des Liquidationsverfahrens führt zur endgültigen Beendigung der Gesellschaft.
7.1.3
Kommanditgesellschaft (KG)
Die KG ist eine handelsrechtliche Personengesellschaft, die sich von der oHG dadurch unterscheidet, dass bei einem Teil der Gesellschafter (Kommanditisten) die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf ihre Einlage begrenzt ist. Im Übrigen müssen alle Voraussetzungen einer oHG erfüllt sein. Danach sind die gesetzlichen Vorschriften über die oHG auch auf die KG anzuwenden, es sei denn, dass die §§ 162 bis 177 a HGB etwas anderes vorschreiben. Die persönlich haftenden Gesellschafter heißen bei der KG Komplementäre. Die Kommanditisten haften nur eingeschränkt und haben dementsprechend nur eingeschränkte Rechte, z. B. keine Geschäftsführungsbefugnis und keine Vertretungsmacht (vgl. §§ 164 und 170 HGB).
7.2 Kapitalgesellschaften Die Kapitalgesellschaften beruhen auf der rechtsgeschäftlich vereinbarten Geltung einer Satzung. In dieser sind insbesondere die Willensbildung sowie die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht der Kapitalgesellschaften geregelt. Für die Kapitalgesellschaften gelten folgende Gemeinsamkeiten: - Bei den Kapitalgesellschaften ist die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. - Kapitalgesellschaften sind als juristische Personen fähig, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. - Kapitalgesellschaften sind vom Bestand ihrer Gesellschafter bzw. Mitglieder unabhängige Körperschaften. Durch freien Austritt und Übertragung der Mitgliedschaft ist ein Gesellschafterwechsel möglich. - Geschäftsführung und Vertretung werden von zwei selbstständigen Organen wahrgenommen, die nicht Mitglied der Gesellschaft sein müssen. - Die Kapitalgesellschaft tritt im Rechtsverkehr zumeist unter einer Sachfirma auf, d. h. der Name der Gesellschaft bezieht sich regelmäßig auf den Gegenstand des Unternehmens. Die Kapitalgesellschaften sind in Spezialgesetzen, z. B. GmbH-Gesetz bzw. Aktiengesetz, geregelt.
7.2.1
Aktiengesellschaft (AG)
Das Recht der Aktiengesellschaften ist im Aktiengesetz geregelt. Im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft kann eine Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea = SE) gegründet werden, die europaweit agierenden Unternehmen die grenzüberschreitende Betätigung erleichtert und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken soll. Die SE hat wie die deutsche AG eine eigene Rechtspersönlichkeit, deren Grundkapital von mindestens 120.000 EUR in Aktien zerlegt ist.
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Aufgaben
Wesen Die AG hat als juristische Person (vgl. § 1 Aktiengesetz, AktG) eine eigene Rechtspersönlichkeit. Für die Verbindlichkeiten der AG haftet allein das Gesellschaftsvermögen. Das Grundkapital der AG ist in Aktien zerlegt. Aktien sind Wertpapiere, die die von seinem Inhaber (Aktionär) durch Übernahme von Anteilen am Grundkapital der AG erworbenen Rechte verbriefen. Die Aktie kann auf einen Nennbetrag lauten, der mindestens 1 Euro betragen muss. Sie kann aber auch als Stückaktie begründet werden(vgl. § 8 AktG). Die AG gilt als Handelsgesellschaft (vgl. § 3 AktG). Entstehung Die AG entsteht nach ihrer Gründung durch Eintragung in das Handelsregister, zu der sie nach § 36 AktG verpflichtet ist. Die AG ist, unabhängig vom Unternehmensgegenstand, Formkaufmann nach § 6 HGB. Das Grundkapital muss auf einen Nennbetrag in Euro lauten (vgl. § 6 AktG). Das Grundkapital muss mindestens 50.000 EUR betragen (vgl. § 7 AktG). Die AG hat eine Satzung, die notariell zu beurkunden ist (vgl. § 23 AktG). Die Einzelheiten zum Inhalt der Satzung werden in § 23 AktG geregelt. § 4 AktG verlangt die Bezeichnung Aktiengesellschaft oder eine allgemein verständliche Abkürzung, z. B. AG. Mit der Übernahme der Aktien durch die Gesellschafter ist die AG errichtet (§ 29 AktG). Die Gründer der AG müssen die Organe bestellen, insbesondere einen Aufsichtsrat, einen Vorstand und den Abschlussprüfer für das erste Geschäftsjahr (vgl. § 30 AktG). Die Gründer sind zu der Erstellung eines Gründerberichts verpflichtet, der von Vorstand und Aufsichtsrat zu prüfen ist (vgl. §§ 32 und 33 AktG). Sind die Einlagen geleistet, muss die AG zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet werden (vgl. §§ 36 und 36 a AktG). Organe Die AG nimmt am Rechtsverkehr durch Handlungen ihrer Organe (Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung) teil. Die Geschäftsführung und Vertretung der AG werden vom Vorstand wahrgenommen, dessen Tätigkeitsfeld und Kompetenzen in den §§ 76 bis 94 AktG geregelt sind. Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen (vgl. § 76 AktG). Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, besteht Gesamtgeschäftsführung und Gesamtvertretung (vgl. §§ 77 und 78 AktG). Der Vorstand handelt eigenverantwortlich und weisungsgebunden. Er wird vom Aufsichtsrat bestellt und abberufen (vgl. § 84 AktG). Der Aufsichtsrat vertritt die AG gegenüber den Vorstandsmitgliedern (vgl. §§ 95 bis 116 AktG). Neben der Bestellung und Abberufung des Vorstands obliegt ihm auch die Kontrolle des Vorstands. Der Aufsichtsrat besteht aus mindestens drei und maximal 21 Mitgliedern, wenn das Grundkapital mehr als 10 Millionen beträgt (vgl. § 95 AktG). Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats wird in § 96 AktG geregelt. Die Hauptversammlung ist das oberste Organ der AG (vgl. §§ 118 bis 149 AktG). Sie ist die Versammlung aller Aktionäre der Gesellschaft, die dort ihre Rechte wahrnehmen können. Die wichtigste Aufgabe der Hauptversammlung besteht in der Beschlussfassung. Dabei ist jeder Aktionär entsprechend dem Nennbetrag seiner Aktien stimmberechtigt (vgl. §§ 133 bis 137 AktG). Haftung Für Verbindlichkeiten der AG haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen (vgl. § 1 AktG). Die Haftung der Organe oder einzelner Aktionäre mit ihrem Privatvermögen ist ausgeschlossen. Ausnahmen regelt § 62 AktG (Haftung der Aktionäre beim Empfang verbotener Leistungen) sowie § 93 (Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder) und § 116 (Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder). Bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten haften also Vorstandsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft. Für vertragliche oder deliktische Schadensersatzansprüche haftet die AG gemäß § 31 BGB. Danach ist eine AG für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
7 Gesellschaftsformen
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Auflösung Die Auflösung wird in den §§ 262 ff. AktG geregelt. Ist das Abwicklungsverfahren nach diesen Vorschriften beendet, ist die Gesellschaft im Handelsregister zu löschen (vgl. § 273 AktG). Mit dem Zeitpunkt der Erlöschung im Handelsregister ist die AG mit eigener Rechtspersönlichkeit endgültig erloschen.
7.2.2
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Die GmbH ist eine Kapitalgesellschaft. Die GmbH unterliegt weniger Formzwängen als die Aktiengesellschaft (AG) und hat mehr Spielraum für die Gestaltung ihres Gesellschaftsvertrags. Das Wesen der GmbH ergibt sich aus ihrem Zweck, vgl. § 1 GmbH-Gesetz (GmbHG). Danach können GmbH zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck durch eine oder mehrere Personen errichtet werden. Die Gründung der GmbH setzt einen Gesellschaftsvertrag voraus, der notariell beurkundet werden muss (vgl. § 2 GmbHG). Der Gesellschaftsvertrag muss folgende Angaben enthalten (vgl. § 3 GmbHG): - die Firma und den Sitz der Gesellschaft - den Gegenstand des Unternehmens - den Betrag des Stammkapitals - den Betrag der von jedem Gesellschafter auf das Stammkapital zu leistenden Einlage (Stammeinlage) Das Stammkapital der GmbH muss mindestens 25.000 EUR, die Stammeinlage jedes Gesellschafters mindestens 100 EUR betragen (vgl. § 5 GmbHG). Die Firma der GmbH muss die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder „GmbH“ enthalten (vgl. § 4 GmbHG). Als reine Kapitalgesellschaft hat die GmbH selbstständig Rechte und Pflichten (vgl. § 13 GmbHG). Sie gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des HGB und ist Formkaufmann (vgl. § 6 HGB). Die GmbH ist mit Eintragung ins Handelsregister entstanden und danach nach außen wirksam (vgl. § 7 GmbHG). Vor der Eintragung ins Handelsregister besteht die GmbH nicht. Die Gesellschafter haften persönlich, wenn vor Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt wurde (vgl. § 11 GmbHG). Organe Die GmbH hat als juristische Person und Kapitalgesellschaft mindestens zwei Organe. Die GmbH hat einen oder mehrere Geschäftsführer als leitende Organe (vgl. § 6 GmbHG). Daneben gibt es die Gesamtheit der Gesellschafter sowie je nach Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat (§§ 45 ff. und 52 GmbHG). Die Rechte und Pflichten der Geschäftsführer sind in den §§ 35 bis 44 GmbHG geregelt. Die GmbH wird durch ihre Geschäftsführer gesetzlich vertreten (vgl. § 35 GmbHG). Sie wird durch die von den Geschäftsführern vorgenommenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet (vgl. § 36 GmbHG). Oberstes Organ der GmbH ist die Gesellschafterversammlung, deren Beschlüsse für die Geschäftsführer bindend sind (vgl. § 48 GmbHG). Haftung Den Gläubigern der GmbH haftet für Verbindlichkeiten nur das Gesellschaftsvermögen (vgl. § 13 GmbHG). Bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten haften die Geschäftsführer der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden (vgl. § 43 GmbHG). Auflösung Die Beendigung der GmbH und die Auflösungsgründe sind in § 60 GmbHG geregelt. Im Gesellschaftsvertrag können auch nicht gesetzlich vorgesehene Auflösungsgründe vereinbart werden. Vorteile der GmbH Der Vorteil der GmbH liegt vor allem darin, dass die Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mit ihrem persönlichen Vermögen, sondern nur mit ihrer Einlage haften.
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Aufgaben
7.3 Fälle zu den Rechtsformen 7.3.1
Fall zur offenen Handelsgesellschaft (OHG)
Die Erwin Meier & Söhne OHG ist ein mittelständisches Hamburger Unternehmen, das Glasfenster aller Art in Gebäude einbaut. Die Unternehmung hat drei Gesellschafter: Herr Paul Lange, Frau Maria Wilke und Herr Rudolf Dressler. Im Gesellschaftsvertrag ist vereinbart, dass Herr Lange die OHG alleine nach außen vertreten kann. Frau Wilke und Herr Dressler sind nach dem Gesellschaftsvertrag nur gemeinschaftlich befugt, die Unternehmung nach außen zu vertreten. Auf einer Automobilmesse kauft Herr Dressler im Namen der OHG einen BMW Sportwagen ohne die Zustimmung von Frau Wilke einzuholen. Als Frau Wilke von dem Kauf des Pkw erfährt, verweigert sie ihre Zustimmung. Der Verkäufer des Sportwagens, Herr Bernd Lüdemann, fordert den Kaufpreis von der OHG. Aufgabe Steht Herrn Lüdemann ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gegen die OHG zu? Info Gemäß § 125 Abs. 1 HGB gilt grundsätzlich das Prinzip der Einzelvertretung: Jeder einzelne unbeschränkt haftende Gesellschafter kann Willenserklärungen mit Wirkung für und gegen die OHG bzw. KG abgeben. Abweichungen bedürfen der Eintragung in das Handelsregister, vgl. § 106 Abs. 2 Nr. 4 und § 107 HGB.
7.3.2
Fall zur Kommanditgesellschaft (KG)
Herr Ernst Krause ist persönlicher haftender Gesellschafter eines Hamburger Möbelhauses. Der Sohn von Herrn Krause, Herr Jürgen Krause, ist Kommanditist. Um berufliche Erfahrung sammeln zu können, ist Herrn Jürgen Krause im Gesellschaftsvertrag Prokura erteilt worden. Aufgrund einiger Unstimmigkeiten in der Firma entzieht Herr Krause seinem Sohn Jürgen Krause die Prokura. Der Entzug der Prokura wird allerdings nicht ins Handelsregister eingetragen. Herr Jürgen Krause denkt nicht daran, sich den Weisungen seines Vaters zu fügen und kauft beim Autohaus Lüdemann im Namen der Gesellschaft ein neues Firmenfahrzeug, das sofort übergeben wird. Aufgabe Kann das Autohaus Lüdemann die Zahlung des Kaufpreises von Herrn Ernst Krause verlangen?
7.3.3
Fall zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Herr Harald Rölle ist einziger Geschäftsführer einer Lebensmittelkette aus Hamburg, die als GmbH geführt wird. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass Herr Rölle bei Anschaffungen über 10.000,00 EUR Rücksprache mit den Gesellschaftern halten muss. Um seiner Lebensgefährtin zu imponieren, kauft Herr Rölle im Alleingang für die GmbH einen Mercedes-Sportwagen, mit dem er sie noch am gleichen Abend ausführt. Nachdem der Kaufpreis von 120.000 EUR nach einiger Zeit noch immer nicht entrichtet ist, tritt das Autohaus Mercedes Feldmann mit seiner Forderung an die GmbH heran. Aufgabe Prüfen Sie, ob das Autohaus Mercedes Feldmann einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen die GmbH oder Herrn Rölle hat.
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8
Kartellverbot, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen
Der Schutz des Wettbewerbs ist die zentrale ordnungspolitische Aufgabe in einer Marktwirtschaft. In Deutschland ist das Bundeskartellamt, zusammen mit den Landeskartellbehörden, für den Schutz des Wettbewerbs zuständig.
Lösungen ab Seite 303
Das Bundeskartellamt ist eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Seit dem 1. Oktober 1999 hat das Bundeskartellamt, das vierzig Jahre lang von Berlin aus wirkte, seinen Sitz in Bonn. Als Rechtsgrundlage finden Sie im Infoteil ab Seite 159 das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Aufgabe 1 Nennen Sie die im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) festgelegten zentralen Aufgaben des Bundeskartellamtes. Aufgabe 2 Was sind Kartellabsprachen und wie geht das Bundeskartellamt gegen Kartelle vor? Aufgabe 3 Was ist eine Fusion und anhand welcher Kriterien wird eine Fusion vom Bundeskartellamt überprüft? Aufgabe 4 a) Wie verläuft ein Fusionskontrollverfahren? b) Wann untersagt das Bundeskartellamt eine Fusion? c) Kann das Bundeskartellamt auch Unternehmen entflechten? d) Wie funktioniert die nationale Fusionskontrolle auf internationalen Märkten? Aufgabe 5 a) Erklären Sie den Begriff „Missbrauch wirtschaftlicher Macht“ und wann liegt ein Missbrauch einer solchen marktbeherrschenden Stellung vor? b) Wie können die Unternehmen gegen Entscheidungen rechtlich vorgehen? Aufgabe 6 Wie erfolgt die internationale Kooperation der Wettbewerbsbehörden? Info Das Bundeskartellamt ist in erster Linie zuständig für die Anwendung und Durchsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das am 1. Januar 1958 zum Schutz des Wettbewerbs in Kraft getreten ist. Es verfolgt alle Wettbewerbsbeschränkungen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland auswirken. Zu seinen Aufgaben gehören im Einzelnen die Durchsetzung des Kartellverbotes, die Durchführung der Fusionskontrolle sowie die Ausübung der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen. Darüber hinaus nimmt das Bundeskartellamt als zuständige Behörde alle Aufgaben wahr, die den Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages übertragen sind. Seit dem 1. Januar 1999 obliegt den beim Bundeskartellamt eingerichteten Vergabekammern des Bundes zudem die Überwachung der Vergabe öffentlicher Aufträge.
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Aufgaben
Entscheidungen über Zusammenschlüsse, Kartelle und missbräuchliche Verhaltensweisen treffen die Beschlussabteilungen des Bundeskartellamtes, welche nach Branchen organisiert sind. Das Bundeskartellamt unterliegt dabei keinerlei externen Weisungen, sondern entscheidet unabhängig. Kartellverbot Kartelle sind Absprachen von Wettbewerbern über Preise oder Mengen, die Aufteilung von Gebieten oder Kundengruppen. Derartige wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen unterliegen dem allgemeinen Kartellverbot des § 1 GWB. Zur Durchsetzung des Kartellverbotes hat das Bundeskartellamt weit reichende Ermittlungsbefugnisse. Es kann von den Unternehmen Auskünfte verlangen, Geschäftsunterlagen einsehen sowie nach richterlicher Anordnung Unternehmen durchsuchen und Beweismittel beschlagnahmen. Wird ein verbotenes Kartell aufgedeckt, kann das Bundeskartellamt gegen die beteiligten Unternehmen Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % ihrer jeweiligen im vorausgegangenen Jahr erzielten Gesamtumsätze verhängen. Die sog. Bonusregelung vom März 2006 gibt dem Bundeskartellamt die Möglichkeit, solchen Unternehmen, die das Bundeskartellamt frühzeitig über ein Kartell informieren und umfassend kooperieren, erhebliche Bußgeldreduzierungen zu gewähren. Diese Bonusregelung konnte bereits in mehreren Fällen erheblich zur Aufdeckung eines Kartells beitragen. Fusionskontrolle Ein Unternehmenszusammenschluss (Fusion) ist eine freiwillige Vereinigung von Unternehmungen im Vertragswege durch Verschmelzung (Vollfusion) oder Konzernierung. Die Konzernierung kann zu einem Gleichordnungs- oder Unterordnungskonzern führen. Beim Konzern bleibt in allen Fällen die rechtliche Selbstständigkeit der als AG oder GmbH gegründeten Unternehmungen erhalten. Unternehmenszusammenschlüsse unterliegen nach dem Kartellrecht unter bestimmten Voraussetzungen einer Anmeldepflicht und einer Kontrolle. Das Bundeskartellamt prüft ein Zusammenschlussvorhaben, wenn die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro erzielt haben und mindestens ein beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 25 Millionen Euro erzielt hat (§ 35 GWB). Zur Ermittlung der relevanten Umsatzerlöse wird auf den jeweiligen Umsatz des gesamten Konzerns im letzten vor dem Zusammenschluss abgeschlossenen Geschäftsjahr abgestellt. Kontrollpflichtige Zusammenschlüsse sind generell vor dem Vollzug beim Bundeskartellamt anzumelden (§ 39 GWB). Zusammenschlüsse von Unternehmen, die insgesamt weniger als 500 Millionen Euro Umsatz erzielen, unterliegen in Deutschland nicht der Fusionskontrolle. Überschreiten die Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmen die Schwellen der Europäischen Fusionskontrollverordnung, so wird das Vorhaben durch die Europäische Kommission geprüft. Wenn die Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens beim Bundeskartellamt vollständig eingegangen ist, hat es zunächst einen Monat Zeit, um das Vorhaben zu prüfen. Zeigt sich im Rahmen dieser Prüfung, dass eine intensivere Untersuchung des Zusammenschlusses erforderlich ist, so kann das Bundeskartellamt die Prüfungsfrist auf insgesamt vier Monate verlängern. Hierzu wird den beteiligten Unternehmen mit dem sogenannten „Monatsbrief“ mitgeteilt, dass man bei dem betreffenden Zusammenschluss in das Hauptprüfverfahren eingetreten ist („zweite Phase“). In dieser zweiten Phase entscheidet das Bundeskartellamt durch formelle Verfügung, ob das Zusammenschlussvorhaben freigegeben oder untersagt wird. Freigaben können mit Bedingungen oder Auflagen verbunden werden. Das Bundeskartellamt untersagt einen Zusammenschluss, von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt (§ 36 Abs. 1 GWB). Ausgangspunkt der materiellen Prüfung ist in der Regel der Marktanteil des betreffenden Unternehmens auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt. Laut GWB wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es über einen Marktanteil von einem Drittel verfügt. Weitere Beurteilungskriterien sind:
8 Kartellverbot, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen
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die Finanzkraft des Unternehmens, der Zugang zu den Absatz- oder Beschaffungsmärkten, Verflechtungen mit anderen Unternehmen, Marktzutrittsschranken, der tatsächliche und potenzielle Wettbewerb sowie die Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite (§ 19 GWB).
Diese Kriterien werden vom Bundeskartellamt in den Auslegungsgrundsätzen zur Marktbeherrschung umfassend erläutert. Das GWB sieht keine Möglichkeit vor, Unternehmen, die durch internes Wachstum eine marktbeherrschende Stellung erlangt haben, zu entflechten. Ein bereits vollzogener Zusammenschluss, den das Bundeskartellamt untersagt oder dessen Freigabe es widerrufen hat, kann jedoch wieder aufgelöst werden. Das Bundeskartellamt ordnet dabei die zur Auflösung erforderlichen Maßnahmen an. Marktabgrenzung Das GWB dient dem Schutz des Wettbewerbs auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Das Bestehen grenzüberschreitender Märkte und der Einfluss internationaler Konkurrenz werden jedoch im Rahmen der Marktabgrenzung und damit bei der Bestimmung des Marktanteils der beteiligten Unternehmen berücksichtigt. Auch potenzielle ausländische Konkurrenz kann bei der Beurteilung der Wettbewerbsbedingungen gewürdigt werden. Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen Es gibt Unternehmen, die aufgrund von internem Wachstum oder (ehemaliger) Monopolrechte über eine besonders starke Marktstellung verfügen und keinem oder nur geringem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind. Das Verhalten derartiger marktbeherrschender Unternehmen unterliegt nach dem GWB strengeren Anforderungen als das anderer Marktteilnehmer. Die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen stellt insofern das staatliche Regulativ für fehlenden wesentlichen Wettbewerb dar. Unter dem Missbrauch wirtschaftlicher Macht sind grundsätzlich solche Verhaltensweisen zu verstehen, mit denen die wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten anderer Unternehmen (Konkurrenten, Abnehmer oder Lieferanten) erheblich und ohne sachliche Rechtfertigung beeinträchtigt werden (§§ 19, 20 GWB). Eine missbräuchliche Behinderung kann z. B. darin bestehen, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seine überlegene Stellung dazu ausnutzt, seinen Konkurrenten den Zugang zu eigenen Netzen oder anderen für die Aufnahme des Wettbewerbs wesentlichen Einrichtungen zu verweigern. Auch eine gezielte Preisunterbietung, die dazu dient, Wettbewerber aus dem Markt zu drängen, stellt gegebenenfalls einen Behinderungsmissbrauch dar. Seit 1999 ist der Verkauf von Waren oder gewerblichen Leistungen unter Einstandspreis unter bestimmten Voraussetzungen explizit verboten. Wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen von seinen Abnehmern oder Lieferanten unangemessene Preise oder Konditionen fordert, liegt möglicherweise ein sogenannter Ausbeutungsmissbrauch vor. Die Kartellbehörde kann Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen alle Verhaltensweisen untersagen, die nach dem GWB verboten sind (§ 32 GWB). Die an einem Verfahren beteiligten Unternehmen können gegen Beschlüsse des Bundeskartellamtes Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen. Gegen Beschlüsse des Oberlandesgerichts ist die Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe möglich. Europäische und internationale Zusammenarbeit Aufgrund des zunehmenden Zusammenwachsens der Märkte gehen die Wirkungen von Wettbewerbsbeschränkungen immer häufiger über nationale Grenzen hinaus. Die verschiedenen nationalen Kartellbe-
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Aufgaben
hörden begegnen dieser Entwicklung mit verstärkter Kooperation in konkreten Fällen, der Diskussion über theoretische und praktische Einzelfragen sowie der Entwicklung gemeinsamer Handlungsgrundsätze auf bilateraler, europäischer und internationaler Ebene. Das Bundeskartellamt arbeitet insbesondere mit der Europäischen Kommission in Brüssel zusammen. Darüber hinaus bestehen enge bilaterale Kontakte mit den verschiedenen Wettbewerbsbehörden in Europa sowie den Vereinigten Staaten. Im europäischen Rahmen erfolgt die Kooperation in erster Linie über das European Competition Network (ECN). Der Kooperation dient ebenfalls das Forum der European Competition Authorities (ECA), dem die Wettbewerbsbehörden der Staaten des europäischen Wirtschaftsraumes, die Europäische Kommission und die EFTA-Überwachungsbehörde angehören. Auf internationaler Ebene stellen die OECD, die WTO und das International Competition Network (ICN) die wesentlichen Plattformen für die Zusammenarbeit der nationalen Wettbewerbsbehörden dar. Pressemeldung des Bundeskartellamtes vom 11.02.2009 Bundeskartellamt gibt Übernahme des Berliner Verlags durch M. DuMont Schauberg frei Das Bundeskartellamt hat den Erwerb der alleinigen Kontrolle über den Berliner Verlag durch M. DuMont Schauberg freigegeben. Der geplante Zusammenschluss führt nicht zu der Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung der beteiligten Unternehmen auf den relevanten Leser- und Anzeigenmärkten und konnte deshalb freigegeben werden. Aufgrund der unterschiedlichen geographischen Schwerpunkte kommt es in den betroffenen Verbreitungsgebieten zu keinen Überschneidungen der Tätigkeiten der beiden Verlagshäuser. Der Berliner Verlag ist Herausgeber der Berliner Zeitung, des Berliner Kuriers, der Stadtillustrierten Tip sowie einiger regionaler Anzeigenblätter. Darüber hinaus kontrolliert das Unternehmen den Hamburger Morgenpost Verlag. Das Kölner Verlagshaus M. DuMont Schauberg ist mit den regionalen Abonnement-Tageszeitungen Kölner Stadtanzeiger und Kölnische Rundschau sowie der Straßenverkaufszeitung Express und einer Beteiligung an der Bonner Zeitungsdruckerei und Verlagsanstalt H. Neusser GmbH insbesondere im Raum Köln/Bonn tätig. Weitere Abonnement-Tageszeitungen erscheinen im südlichen Sachsen-Anhalt. Darüber hinaus besteht eine Beteiligung an der Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main GmbH, die die Frankfurter Rundschau verlegt. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes kommt eine marktbeherrschende Stellung der beteiligten Unternehmen auf den Berliner und Hamburger Lesermärkten für Abonnement- bzw. Straßenverkaufszeitungen bereits aufgrund der vorhandenen Marktstrukturen nicht in Betracht. Mit den Zeitungen der Verlagshäuser Holtzbrinck und Axel Springer sind auf den betroffenen Märkten Wettbewerber mit vergleichbaren bzw. stärkeren Marktanteilen vorhanden. Darüber hinaus geht das Bundeskartellamt davon aus, dass der Zusammenschluss auch nicht zu einer Verstärkung der vorhandenen Marktpositionen auf den betroffenen regionalen Märkten führen wird. Die Verbreitungsgebiete der betroffenen Zeitungen liegen in geographisch weit voneinander entfernten Regionen. Es bestehen auch keine sonstigen Verbindungen, die für eine etwaige Verstärkungswirkung sprechen könnten. Insbesondere gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Verlagshäuser bislang als potentieller Wettbewerber des jeweils anderen Unternehmens angesehen werden konnten. Aus diesen Gründen sind auch auf den betroffenen Anzeigenmärkten, dem Lesermarkt für Stadtillustrierte in Berlin sowie den Lesermärkten im Kölner Raum und im südlichen Sachsen-Anhalt keine wettbewerblich nachteiligen Auswirkungen zu erwarten.
8 Kartellverbot, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen
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Das Bundeskartellamt hatte den Erwerb des Berliner Verlages durch die Verlagsgruppe Holtzbrinck im Jahre 2002 und erneut im Jahre 2004 untersagt, da dieser Zusammenschluss zu einer marktbeherrschenden Stellung auf den Berliner Lesermärkten für Abonnement-Tageszeitungen und Stadtillustrierte geführt hätte. Im Jahre 2005 erwarb die von dem Investor David Montgomery geleitete Mecom Group den Berliner Verlag. Beim Bundeskartellamt angemeldete Zusammenschlüsse und Entscheidungen in 2005 und 2006 2005
2006
Anmeldungen
1687
1829
Entscheidungen
1579
1684
- Freigaben
1573
1679
6
5
- Rücknahmen
40
44
- Keine Kontrollpflicht
10
91
- Untersagungen Erledigung vor Abschluss des Verfahrens
Per 31. Dezember 2004 noch nicht abgeschlossene Fälle aus Vorperiode
108
Entscheidungen
77
- Freigaben
75
- Untersagungen
2
Erledigung vor Abschluss des Verfahrens - Rücknahmen - Keine Kontrollpflicht Per 31. Dezember 2006 noch nicht abgeschlossene Fälle
7 24 118
INFO-TEIL
ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz
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AktG Aktiengesetz § 6 Grundkapital Das Grundkapital muss auf einen Nennbetrag in Euro lauten. § 7 Mindestnennbetrag des Grundkapitals Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals ist 50.000 EUR. § 23 Feststellung der Satzung (2) In der Urkunde sind anzugeben 1. die Gründer; 2. bei Nennbetragsaktien der Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl, der Ausgabebetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien, die jeder Gründer übernimmt; 3. der eingezahlte Betrag des Grundkapitals. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 67 Eintragung im Aktienregister (1) Namensaktien sind unter Angabe des Namens, Geburtsdatums und der Adresse des Inhabers sowie der Stückzahl oder der Aktiennummer und bei Nennbetragsaktien des Betrags in das Aktienregister der Gesellschaft einzutragen. (2) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Aktionär nur, wer als solcher im Aktienregister eingetragen ist. (6) Der Aktionär kann von der Gesellschaft Auskunft über die zu seiner Person in das Aktienregister eingetragenen Daten verlangen. ... § 76 Leitung der Aktiengesellschaft (1) Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. (2) Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 Millionen Euro hat er aus mindestens zwei Personen zu bestehen … § 77 Geschäftsführung (1) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt. …
§ 78 Vertretung (1) Der Vorstand vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. (2) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied. (3) Die Satzung kann auch bestimmen, dass einzelne Vorstandsmitglieder allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. ... Aufsichtsrat § 95 Zahl der Aufsichtsratsmitglieder Der Aufsichtsrat besteht aus drei Mitgliedern. Die Satzung kann eine bestimmte höhere Zahl festsetzen. Die Zahl muss durch 3 teilbar sein. Die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder beträgt bei Gesellschaften mit einem Grundkapital bis zu 1.500.000 Euro 9, von mehr als 1.500.000 Euro 15, von mehr als 10.000.000 Euro 21. Durch die vorstehenden Vorschriften werden hiervon abweichende Vorschriften des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4. Mai 1976 ..., des MontanMitbestimmungsgesetzes ... nicht berührt. § 96 Zusammensetzung des Aufsichtsrats (1) Der Aufsichtsrat setzt sich zusammen bei Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer, bei Gesellschaften, für die das Montan-Mitbestimmungsgesetz gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer und aus weiteren Mitgliedern, ... bei Gesellschaften, für die § 76 Abs. 1 des BetrVG 1952 gilt, aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre und der Arbeitnehmer, bei den übrigen Gesellschaften nur aus Aufsichtsratsmitgliedern der Aktionäre.
ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz § 1 Gerichte für Arbeitssachen Die Gerichtsbarkeit in Arbeitssachen – §§ 2 bis 3 – wird ausgeübt durch die Arbeitsgerichte ..., die Landesarbeitsgerichte ... und das Bundesarbeitsgericht ... § 2 Zuständigkeit im Urteilsverfahren (1) Die Gerichte für Arbeitssachen sind ausschließlich zuständig für 1. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen diesen und Dritten aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen; 2. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfes oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt;
3.
bürgerliche Rechtstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern a) aus dem Arbeitsverhältnis; b) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses; c) aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen; d) aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen; e) über Arbeitspapiere; § 2 a Zuständigkeit im Beschlussverfahren (1) Die Gerichte für Arbeitssachen sind ferner ausschließlich zuständig für 3. Angelegenheiten aus dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz und dem Betriebsverfassungsgesetz 1952, soweit über die Wahl von Vertretern der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat und über ihre Abberufung mit Ausnahme der Abberufung
160 nach § 103 Abs. 3 des Aktiengesetzes zu entscheiden ist; 4. die Entscheidung über die Tariffähigkeit und die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung. § 5 Begriff des Arbeitnehmers (1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. ... § 6 Besetzung der Gerichte für Arbeitssachen (1) Die Gerichte für Arbeitssachen sind mit Berufsrichtern und mit ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber besetzt. § 8 Gang des Verfahrens (1) Im ersten Rechtszug sind die Arbeitsgerichte zuständig. (2) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet die Berufung an die Landesarbeitsgerichte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 statt. (3) Gegen die Urteile der Landesarbeitsgerichte findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht ... statt. § 10 Parteifähigkeit Parteifähig im arbeitsgerichtlichen Verfahren sind auch Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände ... § 11 Prozessvertretung (1) Die Parteien können vor den Arbeitsgerichten den Rechtsstreit selbst führen oder sich vertreten lassen. Eine Vertretung durch Vertreter von Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern ... ist zulässig, wenn diese Personen kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. ... (2) Vor den Landesarbeitsgerichten und vor dem Bundesarbeitsgericht müssen sich die Parteien durch Rechtsanwälte als
Info-Teil Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt ist jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt. ... § 11 a Beiordnung eines Rechtsanwalts, Prozesskostenhilfe (1) Einer Partei, die außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des Prozesses zu bestreiten, und die nicht durch ein Mitglied oder einen Angestellten einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern vertreten werden kann, hat der Vorsitzende des Arbeitsgerichts auf ihren Antrag einen Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Gegenpartei durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Die Partei ist auf ihr Antragsrecht hinzuweisen. (3) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe gelten in Verfahren vor den Gerichten in Arbeitssachen entsprechend. § 12 Kosten (1) Im Urteilsverfahren werden Gebühren nach dem Verzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben. (2) Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht wird eine einmalige Gebühr bis zu höchstens 500 Euro erhoben. ... Der Mindestbetrag einer Gebühr ist 10 Euro. (3) Kosten werden erst fällig, wenn das Verfahren in dem jeweiligen Rechtszug beendet ist, sechs Monate geruht hat oder sechs Monate von den Parteien nicht betrieben worden ist. Kostenvorschüsse werden nicht erhoben; ... § 12 a Kostentragungspflicht (1) Im Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes.
ArbSchG Arbeitsschutzgesetz Zweiter Abschnitt. Pflichten des Arbeitgebers § 3 Grundpflichten des Arbeitgebers (1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben. (2) Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten 1. für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen sowie 2. Vorkehrungen zu treffen, dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können. (3) Kosten für Maßnahmen nach diesem Gesetz darf der Arbeitgeber nicht den Beschäftigten auferlegen.
§ 4 Allgemeine Grundsätze Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen: 1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird; 2. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen; 3. bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen; 4. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen; 5. individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen; 6. spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen; 7. den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen; 8. mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.
ArbStättV Verordnung über Arbeitsstätten § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen (1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. (2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend. (3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch 1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes, 2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
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die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit, 4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken, 5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten. ... § 11 Arbeitsmedizinische Vorsorge Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten auf ihren Wunsch unbeschadet der Pflichten aus anderen Rechtsvorschriften zu ermöglichen, sich je nach den Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen, es sei denn, auf Grund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen.
ArbStättV Verordnung über Arbeitsstätten § 1 Geltungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für Arbeitsstätten in Betrieben, in denen das Arbeitsschutzgesetz Anwendung findet ... § 2 Begriffsbestimmung (1) Arbeitsstätten sind 1. Arbeitsräume in Gebäuden einschließlich Ausbildungsstätten ... § 3 Allgemeine Anforderungen (1) Der Arbeitgeber hat 1. die Arbeitsstätte nach dieser Verordnung, den sonst geltenden Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften und nach den allgemein anerkannten sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen und hygienischen Regeln ... einzurichten und zu betreiben, 2. den in der Arbeitsstätte beschäftigten Arbeitnehmern die Räume und Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, die in dieser Verordnung vorgeschrieben sind. § 5 Lüftung In Arbeitsräumen muss unter Berücksichtigung der angewandten Arbeitsverfahren und der körperlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein ... § 6 Raumtemperatur (1) In Arbeitsräumen muss während der Arbeitszeit eine unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren und der körperlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur vorhanden sein ... (3) In Pausen-, Bereitschafts- ... und Sanitätsräumen muss mindestens eine Raumtemperatur von 21 Grad Celsius erreichbar sein ... § 9 Fenster. Oberlichter (2) Fenster und Oberlichter müssen so beschaffen ... sein, dass die Räume gegen unmittelbare Sonneneinstrahlung abgeschirmt werden können.
§ 10 Türen, Tore (3) Pendeltüren und -tore müssen durchsichtig sein oder Sichtfenster haben. (7) Türen im Verlauf von Rettungswegen müssen gekennzeichnet sein. Die Türen müssen sich von innen ohne fremde Hilfsmittel jederzeit leicht öffnen lassen, solange sich Arbeitnehmer in der Arbeitsstätte befinden. § 13 Schutz gegen Entstehungsbrände (1) Für die Räume müssen je nach Brandgefährlichkeit der in den Räumen vorhandenen Betriebseinrichtungen und Arbeitsstoffe die zum Löschen möglicher Entstehungsbrände erforderlichen Feuerlöscheinrichtungen vorhanden sein. (2) Die Feuerlöscheinrichtungen müssen, sofern sie nicht selbsttätig wirken, gekennzeichnet, leicht zugänglich und leicht zu handhaben sein. § 15 Schutz gegen Lärm (1) In Arbeitsräumen ist der Schallpegel so niedrig zu halten, wie es nach der Art des Betriebes möglich ist. Der Beurteilungspegel am Arbeitsplatz in Arbeitsräumen darf auch unter Berücksichtigung der von außen einwirkenden Geräusche höchstens betragen: 1. bei überwiegend geistigen Tätigkeiten 55 dB ... § 19 Zusätzliche Anforderungen an Rettungswege Anordnung, Abmessung und Ausführung der Rettungswege müssen sich nach der Nutzung, Einrichtung und Grundfläche der Räume sowie nach der Zahl der in den Räumen üblicherweise anwesenden Personen richten. Rettungswege müssen als solche gekennzeichnet sein und auf möglichst kurzem Weg ins Freie oder in einen gesicherten Bereich führen. Bei Gefahr muss sichergestellt sein, dass die Arbeitnehmer die Räume schnell verlassen und von außen schnell gerettet werden können.
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Info-Teil
ArbZG Arbeitszeitgesetz § 3 Arbeitszeit der Arbeitnehmer Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu 10 Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. § 4 Ruhepausen Die Arbeit ist durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach
Satz 1 können in Zeitabschnitten von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepausen beschäftigt werden. § 5 Ruhezeit (1) Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben. § 9 Sonn- und Feiertagsruhe (1) Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden.
ASiG Arbeitssicherheitsgesetz Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit § 5 Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit (1) Der Arbeitgeber hat Fachkräfte für Arbeitssicherheit ... schriftlich zu bestellen und ihnen die in § 6 genannten Aufgaben zu übertragen ... (2) Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die von ihm bestellten Fachkräfte für Arbeitssicherheit ihre Aufgaben erfüllen. Er hat sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, insbesondere ist er verpflichtet, ihnen ... Räume, Geräte und Mittel zur Verfügung zu stellen.
§ 6 Aufgaben der Fachkräfte für Arbeitssicherheit Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben die Aufgabe, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen der Arbeitsicherheit einschl. der menschengerechten Gestaltung der Arbeit zu unterstützen. Sie haben insbesondere 2. die Durchführung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beobachten und im Zusammenhang damit a) die Arbeitsstätten in regelmäßigen Abständen zu begehen und festgestellte Mängel dem Arbeitgeber ... mitzuteilen, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Mängel vorzuschlagen und auf deren Durchführung hinzuwirken ...
AÜG Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung § 1 (Erlaubnispflicht) (1) Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung überlassen wollen, bedürfen der Erlaubnis. Die Abordnung von Arbeitnehmern zu einer zur Herstellung eines Werkes gebildeten Arbeitsgemeinschaft ist keine Arbeitnehmerüberlassung, wenn der Arbeitgeber Mitglied der Arbeitsgemeinschaft ist, für alle Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Tarifverträge desselben Wirtschaftszweiges gelten und alle Mitglieder aufgrund des Arbeitsgemeinschaftsvertrages zur selbstständigen Erbringung von Vertragsleistungen verpflichtet sind. … (2) Werden Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlassen und übernimmt der Überlassende nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko (§ 3 Abs. 3 Nummer 1 bis 3), so wird vermutet, dass der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt. § 1 a (Anzeige der Überlassung) (1) Keiner Erlaubnis bedarf ein Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten, der zur Vermeidung von Kurzarbeit oder
Entlassungen an einen Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bis zur Dauer von 12 Monaten überlässt, wenn er die Überlassung vorher schriftlich der Bundesagentur für Arbeit angezeigt hat. § 2 (Erteilung und Erlöschen der Erlaubnis) (1) Die Erlaubnis wird auf schriftlichen Antrag erteilt. § 3 (Versagung) (1) Die Erlaubnis oder ihre Verlängerung ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller 3. dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb dieses Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts nicht gewährt … § 9 (Unwirksamkeit) Unwirksam sind: 1. Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 erforderliche Erlaubnis hat,
Ausbildungsordnung 2.
3.
4.
Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen … Vereinbarungen, die dem Entleiher untersagen, den Leiharbeitnehmer zu einem Zeitpunkt einzustellen, in dem dessen Arbeitsverhältnis zum Verleiher nicht mehr besteht; dies schließt die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung zwischen Verleiher und Entleiher für die nach vorangegangenem Verleih oder mittels vorangegangenem Verleih erfolgte Vermittlung nicht aus, Vereinbarungen, die dem Leiharbeitnehmer untersagen, mit dem Entleiher zu einem Zeitpunkt, in dem das Arbeitsver-
163 hältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nicht mehr besteht, ein Arbeitsverhältnis einzugehen. § 10 (Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit) (1) Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nummer 1 unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; … (2) Der Leiharbeitnehmer kann im Falle der Unwirksamkeit seines Vertrages mit dem Verleiher nach § 9 Nummer 1 von diesem Ersatz des Schadens verlangen, den er dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut. …
Ausbildungsordnung Verordnung über die Berufsausbildung zum Bankkaufmann/zur Bankkauffrau Stand 30. September 1997 § 1 Staatliche Anerkennung des Ausbildungsberufes Der Ausbildungsberuf Bankkaufmann/Bankkauffrau wird staatlich anerkannt. § 2 Ausbildungsdauer Die Ausbildung dauert drei Jahre. § 3 Ausbildungsberufsbild Gegenstand der Berufsausbildung sind mindestens die folgenden Fertigkeiten und Kenntnisse: 1. das ausbildende Unternehmen: 1.1 Stellung, Rechtsform und Organisation, 1.2 Personalwesen und Berufsbildung, 1.3 Informations- u. Kommunikationssysteme, 1.4 Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit, 1.5 Umweltschutz; 2. Markt- und Kundenorientierung: 2.1 kundenorientierte Kommunikation, 2.2 Marketing, 2.3 Verbraucher- und Datenschutz; 3. Kontoführung und Zahlungsverkehr: 3.1 Kontoführung, 3.2 nationaler Zahlungsverkehr, 3.3 internationaler Zahlungsverkehr; 4. Geld- und Vermögensanlage: 4.1 Anlage auf Konten, 4.2 Anlage in Wertpapieren, 4.3 Anlage in anderen Finanzprodukten; 5. Kreditgeschäft: 5.1 standardisierte Privatkredite, 5.2 Baufinanzierung, 5.3 Firmenkredite; 6. Rechnungswesen und Steuerung: 6.1 Rechnungswesen, 6.2 Steuerung. § 4 Ausbildungsrahmenplan (1) Die Fertigkeiten und Kenntnisse nach § 3 sollen nach den in den Anlagen I und II enthaltenen Anleitungen zur sachlichen
und zeitlichen Gliederung der Berufsausbildung (Ausbildungsrahmenplan) vermittelt werden. ... (2) Die in dieser Verordnung genannten Fertigkeiten und Kenntnisse sollen so vermittelt werden, dass der Auszubildende zur Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes befähigt wird, die insbesondere selbständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren einschließt. Diese Befähigung ist auch in den Prüfungen nach den §§ 7 und 8 nachzuweisen. § 5 Ausbildungsplan Der Ausbildende hat unter Zugrundelegung des Ausbildungsrahmenplanes für den Auszubildenden einen Ausbildungsplan zu erstellen. § 6 Berichtsheft Der Auszubildende hat ein Berichtsheft in Form eines Ausbildungsnachweises zu führen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, das Berichtsheft während der Ausbildungszeit zu führen. Der Ausbildende hat das Berichtsheft regelmäßig durchzusehen. § 7 Zwischenprüfung (1) Zur Ermittlung des Ausbildungsstandes ist eine Zwischenprüfung durchzuführen. Sie soll in der Mitte des zweiten Ausbildungsjahres stattfinden. (2) Die Zwischenprüfung erstreckt sich auf die in den Anlagen I und II für das erste Ausbildungsjahr aufgeführten Fertigkeiten und Kenntnisse sowie auf den im Berufsschulunterricht entsprechend dem Rahmenlehrplan zu vermittelnden Lehrstoff, soweit er für die Berufsausbildung wesentlich ist. (3) Die Zwischenprüfung ist schriftlich anhand praxisbezogener Fälle oder Aufgaben in höchstens 180 Minuten in folgenden Prüfungsgebieten durchzuführen: 1. Kontoführung und nationaler Zahlungsverkehr, 2. Anlage auf Konten, 3. Wirtschafts- und Sozialkunde. § 8 Abschlussprüfung (1) Die Abschlussprüfung erstreckt sich auf die in der Anlage I aufgeführten Fertigkeiten und Kenntnisse sowie auf den im
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Berufsschulunterricht vermittelten Lehrstoff, soweit er für die Berufsausbildung wesentlich ist. Die Prüfung ist in den Prüfungsfächern Bankwirtschaft, Rechnungswesen und Steuerung sowie Wirtschafts- und Sozialkunde schriftlich und im Prüfungsfach Kundenberatung mündlich durchzuführen. Die Anforderungen in den Prüfungsfächern sind: 1. Prüfungsfach Bankwirtschaft: In höchstens 180 Minuten soll der Prüfling praxisbezogene Aufgaben und Fälle aus den Gebieten a) Kontoführung, b) Zahlungsverkehr, c) Geld- und Vermögensanlage, d) Kreditgeschäft kunden- und marktorientiert bearbeiten und dabei zeigen, dass er Sachverhalte analysieren sowie Lösungsmöglichkeiten entwickeln und darstellen kann; 2. Prüfungsfach Rechnungswesen und Steuerung: In höchstens 90 Minuten soll der Prüfling praxisbezogene Aufgaben und Fälle analysieren und bearbeiten und dabei zeigen, dass er Zusammenhänge zwischen Rechnungswesen und Steuerung versteht; 3. Prüfungsfach Wirtschafts- und Sozialkunde: In höchstens 90 Minuten soll der Prüfling praxisbezogene Aufgaben und Fälle aus den Gebieten a) arbeits- und sozialrechtliche Rahmenbedingungen, b) Personalwesen und Berufsbildung, c) Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik bearbeiten und dabei zeigen, dass er wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge der Berufs- und Arbeitswelt darstellen kann; 4. Prüfungsfach Kundenberatung: In einem Beratungsgespräch von höchstens 20 Minuten Dauer soll der Prüfling auf der Grundlage einer von zwei ihm zur Wahl gestellten Aufgaben aus den Gebieten Kontoführung und Zahlungsverkehr, Geld- und Vermögensanlage sowie Kreditgeschäft zeigen, dass er in der Lage ist, Kundengespräche systematisch und situationsbezogen zu führen. Hierbei sind die betrieblichen Ausbildungsschwerpunkte zu berücksichtigen. Dem Prüfling ist eine Vorbereitungszeit von höchstens 15 Minuten einzuräumen. Sind in der schriftlichen Prüfung die Prüfungsleistungen in bis zu zwei Fächern mit „mangelhaft“ und in den übrigen Fächern mit mindestens „ausreichend“ bewertet worden, so ist auf Antrag des Prüflings oder nach Ermessen des Prüfungsausschusses in einem der mit „mangelhaft“ bewerteten Fächer die schriftliche Prüfung durch eine mündliche Prüfung von etwa 15 Minuten zu ergänzen, wenn diese für das Bestehen der Prüfung den Ausschlag geben kann. Das Fach ist vom Prüfling zu bestimmen. Bei der Ermittlung des Ergebnisses für dieses Prüfungsfach sind die Ergebnisse der schriftlichen Arbeit und der mündlichen Ergänzungsprüfung im Verhältnis 2:1 zu gewichten. Bei der Ermittlung des Gesamtergebnisses haben die Prüfungsfächer Bankwirtschaft und Kundenberatung gegenüber jedem der übrigen Prüfungsfächer das doppelte Gewicht. Zum Bestehen der Abschlussprüfung müssen im Gesamtergebnis und in drei der vier Prüfungsfächer mindestens
Info-Teil ausreichende Prüfungsleistungen erbracht werden. Werden die Prüfungsleistungen in einem Prüfungsfach mit „ungenügend“ bewertet, so ist die Prüfung nicht bestanden. Anlage I (Auszug) 1.2 Personalwesen und Berufsausbildung (§ 3 Nr. 1.2) a) Ziele und Instrumente der Personalführung und – entwicklung im ausbildenden Unternehmen beschreiben und die eigene Beurteilung als wichtiges Instrument einordnen b) Ziele und Grundsätze der Personalplanung und des Personaleinsatzes im ausbildenden Unternehmen beschreiben c) für das Arbeitsverhältnis wichtige Nachweise erläutern und die Positionen der eigenen Gehaltsabrechnung beschreiben d) für das Arbeitsverhältnis wichtige arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen anhand praktischer Beispiele erläutern e) Beteiligungsrechte betriebsverfassungs- oder personalvertretungsrechtlicher Organe erklären f) über wesentliche tarifvertragliche Reglungen, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie betriebliche Übungen und deren Zustandekommen berichten g) die Rechte und Pflichten aus dem Ausbildungsvertrag feststellen und die Aufgaben der Beteiligten im Dualen System beschreiben h) den betrieblichen Ausbildungsplan mit der Ausbildungsordnung vergleichen und unter Nutzung von Arbeits- und Lerntechniken zu seiner Umsetzung beitragen i) berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten beschreiben j) Grundregeln für Kommunikation und Zusammenarbeit anwenden k) ausgewählte Aufgaben teamorientiert bearbeiten 1.4 Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (§ 3 Nr. 1.4) a) Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz feststellen und Maßnahmen zu ihrer Vermeidung ergreifen b) Berufsbezogene Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften anwenden c) Verhaltensweisen bei Unfällen beschreiben sowie erste Maßnahmen einleiten d) Vorschriften des vorbeugenden Brandschutzes anwenden; Verhaltenswiesen bei Bränden beschreiben und Maßnahmen zur Brandbekämpfung ergreifen 2.1 Kundenorientierte Kommunikation (§ 3 Nr. 2.1) a) Bedeutung qualitätsbewussten Handelns darstellen und zur Qualitätssicherung beitragen b) Kontakte zu Kunden und Interessenten systematisch vorbereiten c) Grundregeln für kundenorientiertes Verhalten im Gespräch und in der Korrespondenz anwenden d) Beratungs- und Verkaufsgespräche mit Kunden planen, durchführen und nachbereiten e) Kunden über Nutzen und Konditionen von Bankleistungen informieren f) Erwartungen von Kunden bei der Beratung und Betreuung berücksichtigen und entsprechende Bankleistungen des ausbildenden Unternehmens anbieten g) Anfragen von Kunden beantworten und Aufträge bearbeiten h) Bankleistungen bedarfsorientiert verkaufen und Möglichkeiten des cross-selling nutzen
Ausbildungsordnung i)
Kundenreklamationen entgegennehmen und Lösungen anbieten 2.2 Marketing (§ 3 Nr. 2.2) a) Wechselwirkungen zwischen Kundenbedürfnissen und geschäftspolitischen Zielsetzungen erläutern b) Marktsegmentierung am Beispiel des ausbildenden Unternehmens beschreiben c) Ziele von Werbung und Verkaufsförderung des ausbildenden Unternehmens an Beispielen erläutern d) bei Marketingmaßnahmen mitwirken e) Nutzen von Vertriebswegen für Kunden und das ausbildende Unternehmen darstellen f) Produkte des ausbildenden Unternehmens mit denen von Mitbewerbern an Beispielen vergleichen 2.3 Verbraucher- und Datenschutz (§ 3 Nr. 2.3) a) rechtliche Vorschriften zum Schutz der Kunden anwenden b) Kunden über mögliche Risiken bei der Nutzung von Bankleistungen informieren c) Regeln von Datenschutz für das ausbildende Unternehmen und seine Mitarbeiter anwenden 3.1 Kontoführung (§ 3 Nr. 3.1) a) Kunden bei der Wahl der Kontoart beraten b) Konten für Kunden eröffnen, führen und abschließen c) Kunden über rechtliche Bestimmungen und vertragliche Vereinbarungen informieren d) Kunden über Verfügungsberechtigungen und Vollmachten beraten 3.2 Nationaler Zahlungsverkehr (§ 3 Nr. 3.2) a) Kunden bei der Wahl der Zahlungsart beraten b) beim Barzahlungsverkehr unter Beachtung der Sicherheitsvorschriften und der Organisation des ausbildenden Unternehmens mitwirken c) die Bearbeitung von Zahlungsverkehrsaufträgen an Beispielen erläutern d) rechtliche Bestimmungen und vertragliche Vereinbarungen bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs anwenden e) Kunden über kartenbezogene Dienstleistungen beraten sowie Zahlungs- und Kreditkarten anbieten f) Produkte des ausbildenden Unternehmens im Rahmen des electronic-banking darstellen 3.3 Internationaler Zahlungsverkehr (§ 3 Nr. 3.3) a) Kunden über Reisezahlungsmittel beraten b) Geschäftsvorgänge im Reisezahlungsverkehr bearbeiten c) Kunden über nichtdokumentäre Auslandszahlungen beraten d) die Abwicklung von Dokumenteninkassi und Dokumentenakkreditiven beschreiben e) Risiken bei Fremdwährungszahlungen und Möglichkeiten der bankmäßigen Absicherung erläutern 4.1 Anlage auf Konten (§ 3 Nr. 4.1) a) Kunden über Anlagemöglichkeiten auf Konten einschließlich der Sonderformen des ausbildenden Unternehmens beraten b) Konten eröffnen, führen und abschließen c) Kunden über rechtliche Bestimmungen und vertragliche Vereinbarungen informieren
165 d) Kunden über Verfügungsberechtigungen und Vollmachten beraten e) Kunden über Zinsgutschriften und über deren steuerliche Auswirkungen informieren 4.2 Anlage in Wertpapieren (§ 3 Nr. 4.2) a) Kunden über Anlagemöglichkeiten, insbesondere in Aktien, Schuldverschreibungen und Investmentzertifikaten, informieren b) Kunden über rechtliche Bestimmungen und vertragliche Vereinbarungen informieren c) Chancen und Risiken der Anlage in Wertpapieren einschätzen d) Kunden über Kursnotierungen und Preisfeststellungen Auskunft geben e) bei der Abwicklung einer Wertpapierorder mitwirken f) Kundenanfragen zu Wertpapierabrechnungen beantworten g) Kunden über Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren beraten h) Kunden über Ertragsgutschriften und deren steuerliche Auswirkungen informieren i) Finanzderivate und deren Risiken in Grundzügen beschreiben 4.3 Anlage in anderen Finanzprodukten (§ 3 Nr. 4.3) a) Vertrieb von Verbundprodukten zur Kapitalanlage und zur Risikovorsorge im Rahmen der Organisation des ausbildenden Unternehmens erklären b) beim Abschluss von Bausparverträgen mitwirken c) Kunden über Möglichkeiten der Kapitalanlage und der Risikovorsorge durch Abschluss von Lebensversicherungen informieren 5.1 Standardisierte Privatkredite (§ 3 Nr. 5.1) a) Kreditarten und deren Verwendungsmöglichkeiten unterscheiden b) die rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Kreditaufnahmen prüfen und unter Berücksichtigung der Risiken Entscheidungen vorbereiten c) Geschäftsvorgänge im Zusammenhang mit laufenden Kreditengagements und Kreditrückführungen bearbeiten d) Sicherheiten beurteilen und bei der Bearbeitung von Sicherungsvereinbarungen mitwirken e) bei Kreditgesprächen mitwirken 5.2 Baufinanzierung (§ 3 Nr. 5.2) a) die rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Baufinanzierungen prüfen und unter Berücksichtigung der Risiken Entscheidungen vorbereiten b) bei der Bearbeitung von Baufinanzierungen mitwirken c) Sicherheiten unterscheiden und deren Sicherungswert erklären 5.3 Firmenkredite (§ 3 Nr. 5.3) a) Kreditarten für Firmenkunden erklären und Unterschiede zwischen Firmen- und Privatkreditgeschäft in Grundzügen herausarbeiten b) Sicherheiten unterscheiden und deren Sicherungswert erklären
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BBiG Berufsbildungsgesetz § 1 (Ziele und Begriffe der Berufsbildung) (1) Berufsbildung im Sinne dieses Gesetzes sind die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung. (2) Die Berufsausbildungsvorbereitung dient dem Ziel, durch die Vermittlung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit an eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf heranzuführen. (3) Die Berufsausbildung hat die für die Ausbildung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen. (4) Die berufliche Fortbildung soll es ermöglichen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen oder zu erweitern und beruflich aufzusteigen. (5) Die berufliche Umschulung soll zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigen. § 2 (Lernorte der Berufsbildung) (1) Berufsbildung wird durchgeführt 1. in Betrieben der Wirtschaft, in vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, insbesondere des öffentlichen Dienstes, der Angehörigen freier Berufe und in Haushalten (betriebliche Berufsbildung), 2. in berufsbildenden Schulen (schulische Berufsausbildung) und 3. in sonstigen Berufsbildungseinrichtungen außerhalb der schulischen und betrieblichen Berufsbildung (außerbetriebliche Berufsbildung). (2) Die Lernorte nach Abs. 1 wirken bei der Durchführung der Berufsbildung zusammen (Lernortkooperation). (3) Teile der Berufsausbildung können im Ausland durchgeführt werden, wenn dies dem Ausbildungsziel dient. Ihre Gesamtdauer soll ein Viertel der in der Ausbildungsordnung festgelegten Ausbildungsdauer nicht überschreiten. § 3 (Anwendungsbereich) (1) Dieses Gesetz gilt für die Berufsbildung, soweit sie nicht in berufsbildenden Schulen durchgeführt wird, die den Schulgesetzen der Länder unterstehen. (2) Dieses Gesetz gilt nicht für 1. die Berufsbildung, die in berufsqualifizierenden oder vergleichbaren Studiengängen an Hochschulen auf der Grundlage des Hochschulrahmengesetzes und der Hochschulgesetze der Länder durchgeführt wird, 2. die Berufsbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, 3. … § 4 (Anerkennung von Ausbildungsberufen) (1) Als Grundlage für eine geordnete und einheitliche Berufsausbildung kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit … durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Ausbildungsberufe staatlich anerkennen und hierfür Ausbildungsordnungen nach § 5 erlassen.
(2) Für einen anerkannten Ausbildungsberuf darf nur nach der Ausbildungsordnung ausgebildet werden. (3) In anderen als anerkannten Ausbildungsberufen dürfen Jugendliche unter 18 Jahren nicht ausgebildet werden, soweit die Berufsausbildung nicht auf den Besuch weiterführender Bildungsgänge vorbereitet. § 5 (Ausbildungsordnung) (1) Die Ausbildungsordnung hat festzulegen 1. die Bezeichnung des Ausbildungsberufes, der anerkannt wird, 2. die Ausbildungsdauer; sie soll nicht mehr als drei und nicht weniger als zwei Jahre betragen, 3. die beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die mindestens Gegenstand der Berufsausbildung sind (Ausbildungsberufsbild), 4. eine Anleitung zur sachlichen und zeitlichen Gliederung der Vermittlung der beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (Ausbildungsrahmenplan), 5. die Prüfungsanforderungen. (2) Die Ausbildungsordnung kann vorsehen, 1. dass die Berufsausbildung in sachlich und zeitlich besonders gegliederten, aufeinander aufbauenden Stufen erfolgt; nach den einzelnen Stufen soll ein Ausbildungsabschluss vorgesehen werden, der sowohl zu einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 befähigt als auch die Fortsetzung der Berufsausbildung in weiteren Stufen ermöglicht (Stufenausbildung), 2. dass die Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinander fallenden Teilen durchgeführt wird, 3. … 4. dass auf die durch die Ausbildungsordnung geregelte Berufsausbildung eine andere, einschlägige Berufsausbildung unter Berücksichtigung der hierbei erworbenen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten angerechnet werden kann, 5. … 6. dass Teile der Berufsausbildung in geeigneten Einrichtungen außerhalb der Ausbildungsstätte durchgeführt werden, wenn und soweit es die Berufsausbildung erfordert (überbetriebliche Berufsausbildung), 7. dass Auszubildende einen schriftlichen Ausbildungsnachweis zu führen haben. Im Rahmen der Ordnungsverfahren soll stets geprüft werden, ob Regelungen nach Nr. 1, 2 und 4 sinnvoll und möglich sind. § 6 (Erprobung neuer Ausbildungsberufe, Ausbildungsund Prüfungsformen) Zur Entwicklung und Erprobung neuer Ausbildungsberufe sowie Ausbildungs- und Prüfungsformen kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit … nach Anhörung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Ausnahmen von § 4 Abs. 2 und 3 sowie den §§ 5, 37 und 48 zulassen, die auch auf eine bestimmte Art und Zahl von Ausbildungsstätten beschränkt werden können.
BBiG Berufsbildungsgesetz § 7 (Anrechnung beruflicher Vorbildung auf die Ausbildungszeit) (1) Die Landesregierungen können nach Anhörung des Landesausschusses für Berufsbildung durch Rechtsverordnung bestimmen, dass der Besuch eines Bildungsganges berufsbildender Schulen oder die Berufsausbildung in einer sonstigen Einrichtung ganz oder teilweise auf die Ausbildungszeit angerechnet wird. Die Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden weiter übertragen werden. Die Rechtsordnung kann vorsehen, dass die Anrechnung eines gemeinsamen Antrags der Auszubildenden und Ausbildenden bedarf. § 8 (Abkürzung und Verlängerung der Ausbildungszeit) (1) Auf gemeinsamen Antrag der Auszubildenden und Ausbildenden hat die zuständige Stelle die Ausbildungszeit zu kürzen, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht wird. Bei berechtigtem Interesse kann sich der Antrag auch auf die Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit richten (Teilzeitberufsausbildung). (2) In Ausnahmefällen kann die zuständige Stelle auf Antrag Auszubildender die Ausbildungszeit verlängern, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Vor der Entscheidung nach Satz 1 sind die Ausbildenden zu hören. (3) Für die Entscheidung über die Verkürzung oder Verlängerung der Ausbildungszeit kann der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung Richtlinien erlassen. § 9 (Regelungsbefugnis) Soweit Vorschriften nicht bestehen, regelt die zuständige Stelle die Durchführung der Berufsausbildung im Rahmen dieses Gesetzes. § 10 (Vertrag) (1) Wer einen anderen zur Berufsausbildung einstellt (Ausbildende), hat mit den Auszubildenden einen Berufsausbildungsvertrag zu schließen. (2) Auf den Berufsausbildungsvertrag sind, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck und aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden. (3) Schließen die gesetzlichen Vertreter oder Vertreterinnen mit ihrem Kind einen Berufsausbildungsvertrag, so sind sie von dem Verbot des § 181 BGB befreit. (4) Ein Mangel in der Berechtigung, Auszubildende einzustellen oder auszubilden, berührt die Wirksamkeit des Berufsausbildungsvertrages nicht. (5) Zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Ausbildenden können mehrere natürliche oder juristische Personen in einem Ausbildungsverbund zusammenwirken, soweit die Verantwortlichkeit für die einzelnen Ausbildungsabschnitte sowie für die Ausbildungszeit insgesamt sichergestellt ist (Verbundausbildung). § 11 (Vertragsniederschrift) (1) Ausbildende haben unverzüglich nach Abschluss des Berufsausbildungsvertrages, spätestens vor Beginn der Berufsausbildung, den wesentlichen Inhalt des Vertrages gemäß Satz 2 schriftlich niederzulegen; die elektronische Form ist ausgeschlossen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen
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Art, sachliche und zeitliche Gliederung sowie Ziel der Berufsausbildung, insbesondere die Berufstätigkeit, für die ausgebildet werden soll, 2. Beginn und Dauer der Berufsausbildung, 3. Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, 4. Dauer der regelmäßigen täglichen Ausbildungszeit, 5. Dauer der Probezeit, 6. Zahlung und Höhe der Vergütung, 7. Dauer des Urlaubs, 8. Voraussetzungen, unter denen der Berufsausbildungsvertrag gekündigt werden kann, 9. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Berufsausbildungsverhältnis anzuwenden sind. (2) Die Niederschrift ist von den Ausbildenden, den Auszubildenden und deren gesetzlichen Vertretern und Vertreterinnen zu unterzeichnen. (3) Ausbildende haben den Auszubildenden und deren gesetzlichen Vertretern und Vertreterinnen eine Ausfertigung der unterzeichneten Niederschrift unverzüglich auszuhändigen. (4) Bei Änderungen des Berufsausbildungsvertrages gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend. § 12 (Nichtige Vereinbarungen) (1) Eine Vereinbarung, die Auszubildende für die Zeit nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit beschränkt, ist nichtig. Dies gilt nicht, wenn sich Auszubildende innerhalb der letzten sechs Monate des Berufsausbildungsverhältnisses dazu verpflichten, nach dessen Beendigung mit den Ausbildenden ein Arbeitsverhältnis einzugehen. (2) Nichtig ist eine Vereinbarung über 1. die Verpflichtung Auszubildender, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen, 2. Vertragsstrafen, 3. den Ausschluss oder die Beschränkung von Schadensersatzansprüchen, 4 die Festsetzung der Höhe eines Schadensersatzes in Pauschbeträgen. § 13 (Verhalten während der Berufsausbildung) Auszubildende haben sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist. Sie sind insbesondere verpflichtet, 1. die ihnen im Rahmen ihrer Berufsausbildung aufgetragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen, 2. an Ausbildungsmaßnahmen teilzunehmen, für die sie nach § 15 freigestellt werden, 3. den Weisungen zu folgen, die ihnen im Rahmen der Berufsausbildung von Ausbildenden, von Ausbildern oder Ausbilderinnen oder von anderen weisungsberechtigten Personen erteilt werden, 4. die für die Ausbildungsstätte geltende Ordnung zu beachten, 5. Werkzeug, Maschinen und sonstige Einrichtungen pfleglich zu behandeln, 6. über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu wahren.
168 § 14 (Berufsausbildung) (1) Ausbildende haben 1. dafür zu sorgen, dass den Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungszieles erforderlich ist, und die Berufsausbildung in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann, 2. selbst auszubilden oder einen Ausbilder oder eine Ausbilderin ausdrücklich damit zu beauftragen, 3. Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel, insbesondere Werkzeuge und Werkstoffe zur Verfügung zu stellen, die zur Berufsausbildung und zum Ablegen von Zwischen- und Abschlussprüfungen, auch soweit solche nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses stattfinden, erforderlich sind, 4. Auszubildende zum Besuch der Berufsschule sowie zum Führen von schriftlichen Ausbildungsnachweisen anzuhalten, soweit solche im Rahmen der Berufsausbildung verlangt werden, und diese durchzusehen, 5. dafür zu sorgen, dass Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet werden. (2) Auszubildenden dürfen nur Aufgaben übertragen werden, die dem Ausbildungszweck dienen und seinen körperlichen Kräften angemessen sind. § 15 (Freistellung) Ausbildende haben Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht und an Prüfungen freizustellen. Das Gleiche gilt, wenn Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte durchzuführen sind. § 16 (Zeugnis) (1) Ausbildende haben den Auszubildenden bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ein Zeugnis auszustellen. Haben Ausbildende die Berufsausbildung nicht selbst durchgeführt, so soll auch der Ausbilder oder die Ausbilderin das Zeugnis unterschreiben. (2) Das Zeugnis muss Angaben enthalten über Art, Dauer und Ziel der Berufsausbildung sowie über die erworbenen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten der Auszubildenden. Auf Verlangen Auszubildender sind auch Angaben über Verhalten und Leistung aufzunehmen. § 17 (Vergütungsanspruch) (1) Ausbildende haben Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. Sie ist nach dem Lebensalter der Auszubildenden so zu bemessen, dass sie mit fortschreitender Berufsausbildung, mindestens jährlich, ansteigt. (2) Sachleistungen können in Höhe der ... festgesetzten Sachbezugswerte angerechnet werden, jedoch nicht über 75 Prozent der Bruttovergütung hinaus. (3) Eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung ist besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen. § 18 (Bemessung und Fälligkeit der Vergütung) (1) Die Vergütung bemisst sich nach Monaten. Bei Berechnung der Vergütung für einzelne Tage wird der Monat zu 30 Tagen gerechnet.
Info-Teil (2) Die Vergütung für den laufenden Kalendermonat ist spätestens am letzten Arbeitstag des Monats zu zahlen. § 19 (Fortzahlung der Vergütung) (1) Auszubildenden ist die Vergütung auch zu zahlen 1. für die Zeit der Freistellung (§ 15), 2. bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn sie a) sich für die Berufsausbildung bereithalten, diese aber ausfällt, oder b) sich aus einem sonstigen, in ihrer Person liegenden Grund unverschuldet verhindert sind, ihre Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. (2) Können Auszubildende während der Zeit, für welche die Vergütung fortzuzahlen ist, aus berechtigtem Grund Sachleistungen nicht abnehmen, so sind diese nach den Sachbezugswerten (§ 17 Abs. 2) abzugelten. § 20 (Probezeit) Das Berufsausbildungsverhältnis beginnt mit der Probezeit. Sie muss mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen. § 21 (Beendigung) (1) Das Berufsausbildungsverhältnis endet mit dem Ablauf der Ausbildungszeit. Im Falle der Stufenausbildung endet es mit Ablauf der letzten Stufe. (2) Bestehen Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlussprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss. (3) Besteht Auszubildende die Abschlussprüfung nicht, so verlängert sich das Berufsausbildungsverhältnis auf ihr Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, höchstens um ein Jahr. § 22 (Kündigung) (1) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. (2) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden 1. aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist, 2. von Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen. (3) Die Kündigung muss schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. (4) Eine Kündigung aus einem wichtigen Grund ist unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Ist ein vorgesehenes Güteverfahren von einer außergerichtlichen Stelle eingeleitet, so wird bis zu dessen Beendigung der Lauf dieser Frist gehemmt. § 23 (Schadensersatz bei vorzeitiger Beendigung) (1) Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so können Ausbildende oder Auszubildende Ersatz des Schadens verlangen, wenn die andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Dies gilt nicht im Falle des § 22 Abs. 2 Nr. 2.
BBiG Berufsbildungsgesetz (2) Der Anspruch erlischt, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird. § 24 (Weiterarbeit) Werden Auszubildende im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis beschäftigt, ohne dass hierüber ausdrücklich etwas vereinbart worden ist, so gilt ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. § 25 (Unabdingbarkeit) Eine Vereinbarung, die zu Ungunsten Auszubildenden von den Vorschriften dieses Teils des Gesetzes abweicht, ist nichtig. § 26 (Andere Vertragsverhältnisse) Soweit nicht ein Arbeitsverhältnis vereinbart ist, gelten für Personen, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handelt, die §§ 10 bis 23 und 25 mit der Maßgabe, dass die gesetzliche Probezeit abgekürzt, auf die Vertragsniederschrift verzichtet und bei vorzeitiger Lösung des Vertragsverhältnisses nach Ablauf er Probezeit abweichend von § 23 Abs. 1 Satz 1 Schadensersatz nicht verlangt werden kann. § 37 (Abschlussprüfung) (1) In den anerkannten Ausbildungsberufen sind Abschlussprüfungen durchzuführen. Die Abschlussprüfung kann im Falle des Nichtbestehens zweimal wiederholt werden. Sofern die Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinander fallenden Teilen durchgeführt wird, ist der erste Teil der Abschlussprüfung nicht eigenständig wiederholbar. (2) Dem Prüfling ist ein Zeugnis auszustellen. Ausbildenden werden auf deren Verlangen die Ergebnisse der Abschlussprüfung der Auszubildenden übermittelt. Sofern die Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinander fallenden Teilen durchgeführt wird, ist das Ergebnis der Prüfungsleistungen im ersten Teil der Abschlussprüfung dem Prüfling schriftlich mitzuteilen. (3) Dem Zeugnis ist auf Antrag der Auszubildenden eine englischsprachige und eine französischsprachige Übersetzung beizufügen. Auf Antrag der Auszubildenden kann das Ergebnis berufsschulischer Leistungsfeststellungen auf dem Zeugnis ausgewiesen werden. (4) Die Abschlussprüfung ist für den Auszubildenden gebührenfrei. § 38 (Prüfungsgegenstand) Durch die Abschlussprüfung ist festzustellen, ob der Prüfling die berufliche Handlungsfähigkeit erworben hat. In ihr soll der Prüfling nachweisen, dass er die erforderlichen beruflichen Fertigkeiten beherrscht, die notwendigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt und dem ihm im Berufsschulunterricht zu vermittelnden, für die Berufsausbildung wesentlichen Lehrstoff vertraut ist. Die Ausbildungsordnung ist zugrunde zu legen. § 42 (Beschlussfassung, Bewertung der Abschlussprüfung) (1) Beschlüsse über die Noten zur Bewertung einzelner Prüfungsleistungen, der Prüfung insgesamt sowie über das Bestehen und Nichtbestehen der Abschlussprüfung werden durch den Prüfungsausschuss gefasst. (2) Zur Vorbereitung der Beschlussfassung nach Abs. 1 kann der Vorsitz mindestens zwei Mitglieder mit der Bewertung einzelner, nicht mündlich zu erbringender Prüfungsleistun-
169 gen beauftragen. Die Beauftragten sollen nicht derselben Mitgliedergruppe angehören. (3) Die nach Abs. 2 beauftragten Mitglieder dokumentieren die wesentlichen Abläufe und halten die für die Bewertung erheblichen Tatsachen fest. § 43 (Zulassung zur Abschlussprüfung) (1) Zur Abschlussprüfung ist zugelassen, 1. wer die Ausbildungszeit zurückgelegt hat oder wessen Ausbildungszeit nicht später als zwei Monate nach dem Prüfungstermin endet, 2. wer an vorgeschriebenen Zwischenprüfungen teilgenommen sowie vorgeschriebene schriftliche Ausbildungsnachweise geführt hat und 3. wessen Berufsausbildungsverhältnis in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragen oder aus einem Grund nicht eingetragen ist, den weder die Auszubildenden noch deren gesetzliche Vertreter oder Vertreterinnen zu vertreten haben. (2) Zur Abschlussprüfung ist ferner zuzulassen, wer in einer berufsbildenden Schule oder einer sonstigen Berufsbildungseinrichtung ausgebildet worden ist, wenn dieser Bildungsgang der Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf entspricht. Ein Bildungsgang entspricht der Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf, wenn er 1. nach Inhalt, Anforderung und zeitlichem Umfang der jeweiligen Ausbildungsordnung gleichwertig ist, 2. systematisch, insbesondere im Rahmen einer sachlichen und zeitlichen Gliederung, durchgeführt wird und 3. durch Lernortkooperation einen angemessenen Anteil an fachpraktischer Ausbildung gewährleistet.
… § 44 (Zulassung zur Abschlussprüfung bei zeitlich auseinander fallenden Teilen) (1) Sofern die Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinander fallenden Teilen durchgeführt wird, ist über die Zulassung jeweils gesondert zu entscheiden. (2) Zum ersten Teil der Abschlussprüfung ist zuzulassen, wer die in der Ausbildungsordnung vorgeschriebene, erforderliche Ausbildungszeit zurückgelegt hat und die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Nr. 2 und 3 erfüllt. (3) Zum zweiten Teil der Abschlussprüfung ist zugelassen, wer über die Voraussetzungen in § 43 Abs. 1 hinaus am ersten Teil der Abschlussprüfung teilgenommen hat. Dies gilt nicht, wenn Auszubildende aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, am ersten Teil der Abschlussprüfung nicht teilgenommen haben. In diesem Fall ist der erste Teil der Abschlussprüfung zusammen mit dem zweiten Teil abzulegen. § 45 (Zulassung in besonderen Fällen) (1) Auszubildende können nach Anhörung der Ausbildenden und der Berufsschule vor Ablauf ihrer Ausbildungszeit zur Abschlussprüfung zugelassen werden, wenn ihre Leistungen dies rechtfertigen. (2) Zur Abschlussprüfung ist auch zuzulassen, wer nachweist, dass er mindestens das Eineinhalbfache der Zeit, die als Ausbildungszeit vorgeschrieben ist, in dem Beruf tätig gewesen ist, in dem die Prüfung abgelegt werden soll. Als Zeiten der Berufstätigkeit gelten auch Ausbildungszeiten in einem anderen, einschlägigen Ausbildungsberuf. Vom
170 Nachweis der Mindestzeit nach Satz 1 kann ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn durch Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft gemacht wird, dass der Bewerber oder die Bewerberin die berufliche Handlungsfähigkeit erworben hat, die die Zulassung zur Prüfung rechtfertigt. Ausländische Bildungsabschlüsse und Zeiten der Berufstätigkeit im Ausland sind dabei zu berücksichtigen. (3) Soldaten oder Soldatinnen auf Zeit und ehemalige Soldaten oder Soldatinnen sind nach Abs. 2 Satz 3 zur Abschlussprüfung zuzulassen, wenn das Bundesministerium der Verteidigung oder die von ihm bestimmte Stelle bescheinigt, dass der Bewerber oder die Bewerberin berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, welche die Zulassung zur Prüfung rechtfertigen. § 46 (Entscheidung über die Zulassung) (1) Über die Zulassung zur Abschlussprüfung entscheidet die zuständige Stelle. Hält sie die Zulassungsvoraussetzungen für nicht gegeben, so entscheidet der Prüfungsausschuss. (2) Auszubildenden, die Elternzeit in Anspruch genommen haben, darf bei der Entscheidung über die Zulassung hieraus kein Nachteil erwachsen. § 47 (Prüfungsordnung) (1) Die zuständige Stelle hat eine Prüfungsordnung für die Abschlussprüfung zu erlassen. Die Prüfungsordnung bedarf der Genehmigung der zuständigen obersten Landesbehörde. (2) Die Prüfungsordnung muss die Zulassung, die Gliederung der Prüfung, die Bewertungsmaßstäbe, die Erteilung der
Info-Teil Prüfungszeugnisse, die Folgen von Verstößen gegen die Prüfungsordnung und die Wiederholungsprüfung regeln. Sie kann vorsehen, dass Prüfungsaufgaben, die überregional oder von einem Aufgabenerstellungsausschuss bei der zuständigen Stelle erstellt oder ausgewählt werden, zu übernehmen sind, sofern diese Aufgaben von Gremien erstellt oder ausgewählt werden, die entsprechend § 40 Abs. 2 zusammengesetzt sind. (3) Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung erlässt für die Prüfungsordnung Richtlinien. § 48 (Zwischenprüfungen) (1) Während der Berufsausbildung ist zur Ermittlung des Ausbildungsstandes eine Zwischenprüfung entsprechend der Ausbildungsordnung durchzuführen. Die §§ 37 bis 39 gelten entsprechend. (2) Sofern die Ausbildungsordnung vorsieht, dass die Abschlussprüfung in zwei zeitlich auseinander fallenden Teilen durchgeführt wird, findet Abs. 1 keine Anwendung. § 49 (Zusatzqualifikationen) (1) Zusätzliche berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 werden gesondert geprüft und bescheinigt. Das Ergebnis der Prüfung nach § 37 bleibt unberührt. (2) § 37 Abs. 3 und 4 sowie die §§ 39 bis 42 und 47 gelten entsprechend.
BetrvG – Betriebsverfassungsgesetz § 1 (Errichtung von Betriebsräten) In Betrieben mit in der Regel mindestens 5 ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen 3 wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt. ... § 2 (Stellung der Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber) (1) Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen. (2) Zur Wahrnehmung der in diesem Gesetz genannten Aufgaben und Befugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist deren Beauftragten nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen. § 5 (Arbeitnehmer) (1) Arbeitnehmer ... im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschl. der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten ... (2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht 1. in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist; 2. die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit ... in deren Betrieben;
(3) Dieses Gesetz findet ... keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb 1. zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder 2. Generalvollmacht oder Prokura hat ... oder 3. regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind ... Zusammensetzung und Wahl des Betriebsrates § 7 (Wahlberechtigung) Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Werden Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers zur Arbeitsleistung überlassen, so sind diese wahlberechtigt, wenn sie länger als 3 Monate im Betrieb eingesetzt werden. § 8 (Wählbarkeit) (1) Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die 6 Monate dem Betrieb angehören ... § 9 (Zahl der Betriebsratsmitglieder) Der Betriebsrat besteht in Betrieben mit in der Regel - 5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus einer Person, - 21 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus 3 Mitgliedern, - 51 wahlberechtigten Arbeitnehmern bis 100 Arbeitnehmern aus 5 Mitgliedern, - 101 bis 200 Arbeitnehmern aus 7 Mitgliedern, - 201 bis 400 Arbeitnehmern aus 9 Mitgliedern,
BetrvG – Betriebsverfassungsgesetz - 401 bis 700 Arbeitnehmern aus 11 Mitgliedern, - 701 bis 1000 Arbeitnehmern aus 13 Mitgliedern, - 1001 bis 1500 Arbeitnehmer aus 15 Mitgliedern, - 1501 bis 2000 Arbeitnehmer aus 17 Mitgliedern, - 2001 bis 2005 Arbeitnehmer aus 19 Mitgliedern, - 2501 bis 3000 Arbeitnehmer aus 21 Mitgliedern ... § 11 (Ermäßigte Zahl der Betriebsratsmitglieder) Hat ein Betrieb nicht die ausreichende Zahl von wählbaren Arbeitnehmern, so ist die Zahl der Betriebsratsmitglieder der nächst niedrigeren Betriebsgröße zugrunde zu legen. § 13 (Zeitpunkt der Betriebsratswahlen) (1) Die regelmäßigen Betriebsratswahlen finden alle 4 Jahre in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai statt. ... (2) Außerhalb dieser Zeit ist der Betriebsrat zu wählen, wenn 1. mit Ablauf von 24 Monaten, vom Tage der Wahl an gerechnet, die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer um die Hälfte, mindestens aber um 50, gestiegen oder gesunken ist, 2. … 3. der Betriebsrat mit der Mehrheit seiner Mitglieder seinen Rücktritt beschlossen hat, 4. die Betriebsratswahl mit Erfolg angefochten worden ist, 5. … 6. im Betrieb ein Betriebsrat nicht besteht. (3) Hat außerhalb des für die regelmäßigen Betriebsratswahlen festgelegten Zeitraums eine Betriebsratswahl stattgefunden, so ist der Betriebsrat in dem auf die Wahl folgenden nächsten Zeitraum der regelmäßigen Betriebsratswahlen neu zu wählen. Hat die Amtszeit des Betriebsrats zu Beginn des für die regelmäßigen Betriebsratswahlen festgelegten Zeitraums noch nicht ein Jahr betragen, so ist der Betriebsrat in dem übernächsten Zeitraum der regelmäßigen Betriebsratswahlen neu zu wählen. § 14 (Wahlvorschriften) (1) Der Betriebsrat wird in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. (2) Die Wahl erfolgt nach den Grundsätzen der Verhältniswahl. Sie erfolgt nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl, wenn nur ein Wahlvorschlag eingereicht wird oder wenn der Betriebsrat im vereinfachten Wahlverfahren nach § 14 a zu wählen ist. (3) Zur Wahl des Betriebsrats können die wahlberechtigten Arbeitnehmer und die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Wahlvorschläge machen. (4) Jeder Wahlvorschlag der Arbeitnehmer muss von mindestens einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, mindestens jedoch von drei Wahlberechtigten unterzeichnet sein ... § 15 (Zusammensetzung nach Beschäftigungsarten und Geschlechtern) (1) Der Betriebsrat soll sich möglichst aus Arbeitnehmern der einzelnen Organisationsbereiche und der verschiedenen Beschäftigungsarten der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer zusammensetzen. (2) Das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, muss mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus mindestens 3 Mitgliedern besteht.
171 § 17 (Bestellung des Wahlvorstands in Betrieben ohne Betriebsrat) (1) … (2) Besteht weder ein Gesamtbetriebsrat noch ein Konzernbetriebsrat, so wird in einer Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer ein Wahlvorstand gewählt. ... § 18 (Vorbereitung und Durchführung der Wahl) (1) Der Wahlvorstand hat die Wahl unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen und das Wahlergebnis festzustellen. ... § 20 (Wahlschutz und Wahlkosten) (1) Niemand darf die Wahl des Betriebsrats behindern. Insbesondere darf kein Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden. (2) Niemand darf die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. (3) Die Kosten der Wahl trägt der Arbeitgeber. Versäumnis von Arbeitszeit, die zur Ausübung des Wahlrechts, zur Betätigung im Wahlvorstand ... erforderlich ist, berechtigt den Arbeitgeber nicht zur Minderung des Arbeitsentgelts. Amtszeit des Betriebsrates § 21 (Amtszeit) Die regelmäßige Amtszeit des Betriebsrats beträgt 4 Jahre. Die Amtszeit beginnt mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses oder, wenn zu diesem Zeitpunkt noch ein Betriebsrat besteht, mit Ablauf von dessen Amtszeit. Die Amtszeit endet spätestens am 31. Mai des Jahres, in dem nach § 13 Abs. 1 die regelmäßigen Betriebsratswahlen stattfinden. ... § 24 (Erlöschen der Mitgliedschaft) (1) Die Mitgliedschaft im Betriebsrat erlischt durch 1. Ablauf der Amtszeit, 2. Niederlegung des Betriebsratsamtes, 3. Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 4. Verlust der Wählbarkeit, ... Geschäftsführung des Betriebsrates § 26 (Vorsitzender) (1) Der Betriebsrat wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter. § 29 (Einberufung der Sitzungen) (1) Die ... Sitzungen beruft der Vorsitzende des Betriebsrats ein. Er setzt die Tagesordnung fest und leitet die Verhandlung. Der Vorsitzende hat die Mitglieder des Betriebsrats zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Dies gilt auch für die Schwerbehindertenvertretung sowie für die Jugend- und Auszubildendenvertreter, soweit sie ein Recht auf Teilnahme an der Betriebsratssitzung haben. Kann ein Mitglied des Betriebsrats oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung an der Sitzung nicht teilnehmen, so soll es dies unter Angabe der Gründe unverzüglich dem Vorsitzenden mitteilen. Der Vorsitzende hat für ein verhindertes Betriebsratsmitglied oder für einen verhinderten Jugend- und Auszubildendenvertreter das Ersatzmitglied zu laden. (2) Der Vorsitzende hat eine Sitzung einzuberufen und den Gegenstand, dessen Beratung beantragt ist, auf die Tagesordnung zu setzen, wenn dies ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats oder der Arbeitgeber beantragt.
172 (3) Der Arbeitgeber nimmt an den Sitzungen, die auf sein Verlangen anberaumt sind, und an den Sitzungen, zu denen er ausdrücklich eingeladen ist, teil. Er kann einen Vertreter der Vereinigung der Arbeitgeber, der er angehört, hinzuziehen. § 30 (Betriebsratssitzungen) Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel während der Arbeitszeit statt. Der Betriebsrat hat bei der Ansetzung von Betriebsratssitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitgeber ist vom Zeitpunkt der Sitzung vorher zu verständigen. Die Sitzungen des Betriebsrats sind nicht öffentlich. § 31 (Teilnahme der Gewerkschaften) Auf Antrag von einem Viertel der Mitglieder oder der Mehrheit einer Gruppe des Betriebsrats kann ein Beauftragter einer im Betriebsrat vertretenden Gewerkschaft an den Sitzungen beratend teilnehmen; ... § 32 (Teilnahme der Schwerbehindertenvertretung) Die Schwerbehindertenvertretung ... kann an allen Sitzungen des Betriebsrats beratend teilnehmen. § 33 (Beschlüsse des Betriebsrats) (1) Die Beschlüsse des Betriebsrats werden ... mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst. Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt. (2) Der Betriebsrat ist nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt ... (3) Nimmt die Jugend- und Auszubildendenvertretung an der Beschlussfassung teil, so werden die Stimmen der Jugendund Auszubildendenvertreter bei der Feststellung der Stimmenmehrheit mitgezählt. § 37 (Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis) (1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. (2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. (3) … (4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers. (5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Abs. 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind. § 38 (Freistellungen) (1) Von ihrer beruflichen Tätigkeit sind mindestens freizustellen in Betrieben mit in der Regel - 200 bis 500 Arbeitnehmer 1 Betriebsratsmitglied, - 501 bis 900 Arbeitnehmer 2 Betriebsratsmitglieder, - 901 bis 1500 Arbeitnehmern 3 Betriebsratsmitglieder, - 1501 bis 2000 Arbeitnehmern 4 Betriebsratsmitglieder, - 2001 bis 3000 Arbeitnehmer 5 Betriebsratsmitglieder,
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3001 bis 4000 Arbeitnehmer 6 Betriebsratsmitglieder, 4001 bis 5000 Arbeitnehmer 7 Betriebsratsmitglieder, 5001 bis 6000 Arbeitnehmer 8 Betriebsratsmitglieder, 6001 bis 7000 Arbeitnehmer 9 Betriebsratsmitglieder, 7001 bis 8000 Arbeitnehmer 10 Betriebsratsmitglieder, 8001 bis 9000 Arbeitnehmer 11 Betriebsratsmitglieder, 9001 bis 10000 Arbeitnehmer 12 Betriebsratsmitglieder. In Betrieben mit über 10000 Arbeitnehmern ist für je angefangene weitere 2000 Arbeitnehmer ein weiteres Betriebsratsmitglied freizustellen. Freistellungen können auch in Form von Teilfreistellungen erfolgen. Diese dürfen zusammen genommen nicht den Umfang der Freistellungen nach den Sätzen 1 und 2 überschreiten. … § 39 (Sprechstunden) (1) Der Betriebsrat kann während der Arbeitszeit Sprechstunden einrichten. Zeit und Ort sind mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. (2) Führt die Jugend- und Auszubildendenvertretung keine eigenen Sprechstunden durch, so kann an den Sprechstunden des Betriebsrats ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung zur Beratung der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer teilnehmen. (3) Versäumnis von Arbeitszeit, die zum Besuch der Sprechstunden oder durch sonstige Inanspruchnahme des Betriebsrats erforderlich ist, berechtigt den Arbeitgeber nicht zur Minderung des Arbeitsentgelts des Arbeitnehmers. § 40 (Kosten und Sachaufwand des Betriebsrats) (1) Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber. (2) Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat der Arbeitgeber in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen. Betriebsversammlung § 42 (Zusammensetzung ...) (1) Die Betriebsversammlung besteht aus den Arbeitnehmern des Betriebs; sie wird von dem Vorsitzenden des Betriebsrats geleitet. Sie ist nicht öffentlich. ... § 43 (Regelmäßige Betriebs- und Abteilungsversammlungen) (1) Der Betriebsrat hat einmal im jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen und in ihr einen Tätigkeitsbericht zu erstatten. ... (2) Der Arbeitgeber ist zu den Betriebs- und Abteilungsversammlungen unter Mitteilung der Tagesordnung einzuladen. Er ist berechtigt, in den Versammlungen zu sprechen. Der Arbeitgeber ... hat mindestens einmal in jedem Kalenderjahr in einer Betriebsversammlung über das Personal- und Sozialwesen einschließlich des Stands der Gleichstellung von Frauen und Männern im Betrieb sowie der Integration der im Betrieb beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer, über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Betriebs sowie über den betrieblichen Umweltschutz zu be-
BetrvG – Betriebsverfassungsgesetz richten, soweit dadurch nicht Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden. § 44 (Zeitpunkt und Verdienstausfall) (1) Die ... Versammlungen finden während der Arbeitszeit statt ... Die Zeit der Teilnahme an diesen Versammlungen ... ist den Arbeitnehmern wie Arbeitszeit zu vergüten. ... § 45 (Themen der Betriebs- und Abteilungsversammlungen) Die Betriebs- und Abteilungsversammlungen können Angelegenheiten einschl. solcher tarifpolitischer, sozialpolitischer, umweltpolitischer und wirtschaftlicher Art sowie Fragen der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit sowie der Integration der im Betrieb beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer behandeln, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen. ... § 46 (Beauftragte der Verbände) (1) An den Betriebs- oder Abteilungsversammlungen können Beauftragte der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften beratend teilnehmen. Nimmt der Arbeitgeber an Betriebs- oder Abteilungsversammlungen teil, so kann er einen Beauftragten der Vereinigung der Arbeitgeber, der er angehört, hinzuziehen. Betriebliche Jugend- und Auszubildendenvertretung § 60 (Errichtung und Aufgaben) (1) In Betrieben mit in der Regel mindestens 5 Arbeitnehmern, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (jugendliche Arbeitnehmer) oder die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden Jugend- und Auszubildendenvertretungen gewählt. § 61 (Wahlberechtigung und Wählbarkeit) (1) Wahlberechtigt sind alle in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer des Betriebs. (2) Wählbar sind alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben; ... Mitglieder des Betriebsrats können nicht zur Jugend- und Auszubildendenvertretern gewählt werden. § 62 (Zahl der Jugend- und Auszubildendenvertreter, Zusammensetzung der Jugend- und Auszubildendenvertretung) (1) Die Jugend- und Auszubildendenvertretung besteht in Betrieben mit in der Regel 5 bis 20 der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer aus einer Person, 21 bis 50 ... 3 Mitgliedern, 51 bis 150 ... aus 5 Mitgliedern, 151 bis 300 … aus 7 Mitgliedern, 301 bis 500 ... aus 9 Mitgliedern ... (2) Die Jugend- und Auszubildendenvertretung soll sich möglichst aus Vertretern der verschiedenen Beschäftigungsarten und Ausbildungsberufe der im Betrieb tätigen in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer zusammensetzen. (3) Das Geschlecht, dass unter den ihn § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmern in der Minderheit ist, muss mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis in der Jugend- und Auszubildendenvertretung vertreten sein, wenn diese aus mindestens 3 Mitgliedern besteht.
173 § 63 (Wahlvorschriften) (1) Die Jugend- und Auszubildendenvertretung wird in geheimer, unmittelbarer und gemeinsamer Wahl gewählt. § 64 (Zeitpunkt der Wahlen und Amtszeit) (1) Die regelmäßigen Wahlen der Jugend- und Auszubildendenvertretung findet alle zwei Jahre in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. November statt. Für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung außerhalb dieser Zeit gilt § 13 Abs. 2 Nr. 2 bis 6 und Abs. 3 entsprechend. (2) Die regelmäßige Amtszeit der Jugend- und Auszubildendenvertretung beträgt 2 Jahre. ... § 65 (Geschäftsführung) (2) Die Jugend- und Auszubildendenvertretung kann nach Verständigung des Betriebsrats Sitzungen abhalten ... An diesen Sitzungen kann der Betriebsratsvorsitzende oder ein beauftragtes Betriebsratsmitglied teilnehmen. § 67 (Teilnahme an Betriebsratssitzungen) (1) Die Jugend- und Auszubildendenvertretung kann zu allen Betriebsratssitzungen einen Vertreter entsenden. Werden Angelegenheiten behandelt, die besonders die in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer betreffen, so hat zu diesen Tagesordnungspunkten die gesamte Jugend- und Auszubildendenvertretung ein Teilnahmerecht. (2) Die Jugend- und Auszubildendenvertreter haben Stimmrecht, soweit die zu fassenden Beschlüsse des Betriebsrats überwiegend die in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer betreffen. (3) Die Jugend- und Auszubildendenvertretung kann beim Betriebsrat beantragen, Angelegenheiten, die besonders die in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer betreffen und über die sie beraten hat, auf die nächste Tagesordnung zu setzen. Der Betriebsrat soll Angelegenheiten, die besonders die in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer betreffen, der Jugendund Auszubildendenvertretung zur Beratung zuleiten. § 68 (Teilnahme an gemeinsamen Besprechungen) Der Betriebsrat hat die Jugend- und Auszubildendenvertretung zu Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat beizuziehen, wenn Angelegenheiten behandelt werden, die besonders die in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer betreffen. § 69 (Sprechstunden) In Betrieben, die in der Regel mehr als 50 der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer beschäftigen, kann die Jugend- und Auszubildendenvertretung Sprechstunden während der Arbeitszeit einrichten. Zeit und Ort sind durch Betriebsrat und Arbeitgeber zu vereinbaren. ... An den Sprechstunden der Jugend- und Auszubildendenvertretung kann der Betriebsratsvorsitzende .... beratend teilnehmen. § 70 (Allgemeine Aufgaben) (1) Die Jugend- und Auszubildendenvertretung hat folgende allgemeine Aufgaben: 1. Maßnahmen, die den in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmern dienen, insbesondere in Fragen der Berufsbildung und der Übernahme der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten in ein Arbeitsverhältnis, beim Betriebsrat zu beantragen; 1a. Maßnahmen zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer ... beim Betriebsrat zu beantragen;
174 2.
Darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der in § 60 Abs. 1 genannten Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden; 3. Anregungen ... insbesondere in Fragen der Berufsbildung, entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, beim Betriebsrat auf eine Erledigung hinzuwirken. Die Jugend- und Auszubildendenvertretung hat die betroffenen ... Arbeitnehmer über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen zu informieren. (2) Zur Durchführung ihrer Aufgaben ist die Jugend- und Auszubildendenvertretung durch den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Die Jugend- und Auszubildendenvertretung kann verlangen, dass ihr der Betriebsrat die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellt. § 71 (Jugend- und Auszubildendenversammlung) Die Jugend- und Auszubildendenvertretung kann vor oder nach jeder Betriebsversammlung im Einvernehmen mit dem Betriebsrat eine betriebliche Jugend- und Auszubildendenversammlung einberufen. ... Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer § 74 (Grundsätze für die Zusammenarbeit) (1) Arbeitgeber und Betriebsrat sollen mindestens einmal im Monat zu einer Besprechung zusammentreten. Sie haben über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen. (2) Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrats sind unzulässig. ... Arbeitgeber und Betriebsrats haben Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden. Sie haben jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen; ... § 76 (Einigungsstelle) (1) Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrats ... ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Durch Betriebsvereinbarungen kann eine ständige Einigungsstelle errichtet werden. (2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, über dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. ... (3) Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Bei der Beschlussfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten. Kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, so nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlussfassung teil. Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten. § 77 (Betriebsvereinbarungen) (2) Betriebsvereinbarungen sind vom Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen. ... Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
Info-Teil (3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt ... sind, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. (4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. ... (5) Betriebsvereinbarungen können ... mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. § 78 (Schutzbestimmungen) Die Mitglieder des Betriebsrats, ... der Jugend- und Auszubildendenvertretung ... dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. § 78 a (Schutz Auszubildender in besonderen Fällen) (1) Beabsichtigt der Arbeitgeber, einen Auszubildenden, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Betriebsrats ... nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu übernehmen, so hat er dies drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses dem Auszubildenden schriftlich mitzuteilen. (2) Verlangt ein in Absatz 1 genannter Auszubildender innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung, so gilt zwischen Auszubildendem und Arbeitgeber im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. Auf dieses Arbeitsverhältnis ist insbesondere § 37 Absatz 4 und 5 entsprechend anzuwenden. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch, wenn das Berufsausbildungsverhältnis vor Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit der Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Betriebsrats ... endet. (4) Der Arbeitgeber kann spätestens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beim Arbeitsgericht beantragen, 1. festzustellen, dass ein Arbeitsverhältnis nach Absatz 2 oder 3 nicht begründet wird, oder 2. das bereits nach Absatz 2 oder 3 begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht sind der Betriebsrat, ... bei Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung auch diese beteiligt. § 79 (Geheimhaltungspflicht) (1) Die Mitglieder ... des Betriebsrats sind verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Dies gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat. ... (2) Abs. 1 gilt sinngemäß für die Mitglieder ... der Jugend- und Auszubildendenvertretung ... § 80 (Allgemeine Aufgaben) (1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:
BetrvG – Betriebsverfassungsgesetz 1.
darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden; 2. Maßnahmen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen, beim Arbeitgeber zu beantragen; 2a. die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, zu fördern; 2b. die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern; 3. Anregungen von Arbeitnehmern und der Jugend- und Auszubildendenvertretung entgegenzunehmen und ... durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken; ... 4. die Eingliederung Schwerbehinderter ... zu fördern; 5. die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung vorzubereiten und durchzuführen ...; er kann von der Jugend- und Auszubildendenvertretung Vorschläge und Stellungnahmen anfordern; 6. die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern; 7. die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb ... zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen; 8. die Beschäftigung im Betrieb zu fördern und zu sichern; 9. Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern. (2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten ... Mitwirkungs- und Beschwerderecht des Arbeitnehmers § 81 (Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers) (1) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über dessen Aufgabe und Verantwortung sowie über die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs zu unterrichten. Er hat den Arbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen dieser bei der Beschäftigung ausgesetzt ist, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren ... zu belehren. (2) Über Veränderungen in seinem Arbeitsbereich ist der Arbeitnehmer rechtzeitig zu unterrichten. ... § 82 (Anhörungs- und Erörterungsrecht des Arbeitnehmers) (1) Der Arbeitnehmer hat das Recht, in betrieblichen Angelegenheiten, die seine Person betreffen, ... gehört zu werden. Er ist berechtigt, zu Maßnahmen des Arbeitgebers, die ihn betreffen, Stellung zu nehmen sowie Vorschläge für die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsablaufs zu machen. (2) Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass ihm die Berechnung und Zusammensetzung seines Arbeitsentgelts erläutert und dass mit ihm die Beurteilung seiner Leistungen sowie die Möglichkeiten seiner beruflichen Entwicklung im Betrieb er-
175 örtert werden. Er kann ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. ... § 83 (Einsicht in die Personalakten) (1) Der Arbeitnehmer hat das Recht, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen. Er kann hierzu ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Das Mitglied des Betriebsrats hat über den Inhalt der Personalakte Stillschweigen zu bewahren, soweit es vom Arbeitnehmer im Einzelfall nicht von dieser Verpflichtung entbunden wird. (2) Erklärungen des Arbeitnehmers zum Inhalt der Personalakte sind dieser auf sein Verlangen beizufügen. § 84 (Beschwerderecht) (1) Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt oder ungerecht behandelt ... fühlt. Er kann ein Mitglied des Betriebsrats zur Unterstützung ... hinzuziehen. § 85 (Behandlung von Beschwerden durch den Betriebsrat) (1) Der Betriebsrat hat Beschwerden von Arbeitnehmern entgegenzunehmen und ... beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken. ... Soziale Angelegenheiten § 87 (Mitbestimmungsrechte) (1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: 1. Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb; 2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschl. der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage; 3. vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit; 4. Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte; 5. Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird; 6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen; 7. Regelung über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften; 8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist; 9. ... 10. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung; 11. Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte ... 12. Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen; 13. Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor,
176 wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt. (2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. § 88 (Freiwillige Betriebsvereinbarungen) Durch Betriebsvereinbarung können insbesondere geregelt werden 1. zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen; ... 2. die Errichtung von Sozialeinrichtungen ... 3. Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung § 89 (Arbeits- und betrieblicher Umweltschutz) (1) Der Betriebsrat hat sich dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Er hat bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ... durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen. Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung § 90 (Unterrichtungs- und Beratungsrechte) (1) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Planung 1. von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von Fabrikations-, Verwaltungs- und sonstigen betrieblichen Räumen, 2. von technischen Anlagen 3. von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder 4. der Arbeitsplätze rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten. § 91 (Mitbestimmungsrecht) Werden die Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen, in besonderer Weise belastet, so kann der Betriebsrat angemessene Maßnahmen zur Abwendung ... verlangen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. ... Personelle Angelegenheiten § 92 (Personalplanung) (1) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen und Maßnahmen der Berufsbildung an Hand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Er hat mit dem Betriebsrat über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten zu beraten. § 92a (Beschäftigungssicherung) (1) Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung machen. Diese können insbesondere eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit, die Förderung der Teilzeitarbeit und Altersteilzeit,
Info-Teil neue Formen der Arbeitsorganisation, Änderungen der Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe, die Qualifizierung der Arbeitnehmer, Alternativen zur Ausgliederung der Arbeit oder ihrer Vergabe an andere Unternehmen sowie zum Produktions- und Investitionsprogramm zum Gegenstand haben. (2) Der Arbeitgeber hat die Vorschläge mit dem Betriebsrat zu beraten. Hält der Arbeitgeber die Vorschläge des Betriebsrats für ungeeignet, hat er dies zu begründen; ... Zu den Beratungen kann der Arbeitgeber oder der Betriebsrat einen Vertreter der Bundesagentur für Arbeit hinzuziehen. § 93 (Ausschreibung von Arbeitsplätzen) Der Betriebsrat kann verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für eine bestimmte Art von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden. § 94 (Personalfragebogen, Beurteilungsgrundsätze) (1) Personalfragebogen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt eine Einigung über ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. ... (2) Abs. 1 gilt entsprechend für persönliche Angaben in schriftlichen Arbeitsverträgen die allgemein für den Betrieb verwendet werden sollen, sowie für die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze. § 95 (Auswahlrichtlinien) (1) Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. ... Berufsbildung § 96 (Förderung der Berufsbildung) (1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben im Rahmen der betrieblichen Personalplanung und in Zusammenarbeit mit den für die Berufsbildung und den für die Förderung der Berufsbildung zuständigen Stellen die Berufsbildung der Arbeitnehmer zu fördern. Der Arbeitgeber hat auf Verlangen des Betriebsrats den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln und mit ihm Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer im Betrieb zu beraten. Hierzu kann der Betriebsrat Vorschläge machen. (2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darauf zu achten, das unter Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten den Arbeitnehmern die Teilnahme an betrieblichen oder außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung ermöglicht wird. Sie haben dabei auch die Belange älterer Arbeitnehmer, Teilzeitbeschäftigter und von Arbeitnehmern mit Familienpflichten zu berücksichtigen. § 97 (Einrichtungen und Maßnahmen der Berufsbildung) (1) Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat über die Errichtung und Ausstattung betrieblicher Einrichtungen zur Berufsbildung, die Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen und die Teilnahme an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen zu beraten. § 98 (Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen) (1) Der Betriebsrat hat bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung mitzubestimmen. Personelle Einzelmaßnahmen § 99 (Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen) (1) In Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebs-
BetrvG – Betriebsverfassungsgesetz rat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats bei der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbaeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekannt gewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren… (2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn 1. die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz ... oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung ... verstoßen würde, 2. ... 3. die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden ..., ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; ... 4. ... 5. eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist ... (3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. ... § 102 Mitbestimmung bei Kündigungen) (1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. (2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. ... (3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Abs. 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn 1. der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat, 2. … 3. der zu kündigende Arbeitnehmer an einen anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
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die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder 5. eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. (4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Abs. 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten. (5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn 1. die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder 2. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder 3. der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war. (6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet. (7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt. § 105 (Leitende Angestellte) Eine beabsichtigte Einstellung oder personelle Veränderung eines in § 5 Abs. 3 genannten leitenden Angestellten ist dem Betriebsrat rechtzeitig mitzuteilen. Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten § 106 (Wirtschaftsausschuss) (1) In allen Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern ist ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Der Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten. (2) Der Unternehmer hat den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens durch Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, soweit dadurch nicht die Betriebsund Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden, sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen. (3) Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne dieser Vorschrift gehören insbesondere 1. die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens; 2. die Produktions- und Absatzlage; 3. das Produktions- und Investitionsprogramm;
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Rationalisierungsvorhaben; Fabrikations- und Arbeitsmethoden, insbesondere die Einführung neuer Arbeitsmethoden; 5a. Fragen des betrieblichen Umweltschutzes; 6. die Einschränkung oder Stilllegung von Betrieben oder von Betriebsteilen; 7. die Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen; 8. der Zusammenschluss oder die Spaltung von Unternehmen oder Betrieben; 9. die Veränderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks sowie 10. sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können. § 107 (Bestellung und Zusammensetzung des Wirtschaftsausschusses) (1) Der Wirtschaftsausschuss besteht aus mindestens 3 und höchstens 7 Mitgliedern, die dem Unternehmen angehören müssen, darunter mindestens einem Betriebsratsmitglied. Zu Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses können auch die in § 5 Abs. 3 genannten Angestellten bestimmt werden. Die Mitglieder sollen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche fachliche und persönliche Eignung besitzen. (2) Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses werden vom Betriebsrat für die Dauer seiner Amtszeit bestimmt. ... § 108 (Sitzungen) (1) Der Wirtschaftsausschuss soll monatlich einmal zusammentreten. (2) An den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses hat der Unternehmer oder sein Vertreter teilzunehmen. ... § 109 (Beilegung von Meinungsverschiedenheiten) Wird eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens im Sinne des § 106 entgegen dem Verlangen des Wirtschaftsausschusses nicht, nicht rechtzeitig oder nur ungenügend erteilt und kommt hierüber zwischen Unternehmer und
Info-Teil Betriebsrat eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. ... § 110 (Unterrichtung der Arbeitnehmer) (1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als 1000 ständig beschäftigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer mindestens einmal in jedem Kalendervierteljahr nach vorheriger Abstimmung mit dem Wirtschaftsausschuss ... und dem Betriebsrat die Arbeitnehmer schriftlich über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Unternehmens zu unterrichten. § 111 (Betriebsänderungen) In Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft ... zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. ... Als Betriebsänderungen ... gelten 1. Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs ... 2. Verlegung des ganzen Betriebs ... 3. Zusammenschluss mit anderen Betrieben ... 4. grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen, 5. Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren. § 112 (Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan) (1) Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben. Das gleiche gilt für eine Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen (Sozialplan). Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung. ...
BGB Bürgerliches Gesetzbuch § 1 (Beginn der Rechtsfähigkeit) Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt. § 2 (Eintritt der Volljährigkeit) Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein. § 13 (Verbraucher) Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. § 14 (Unternehmer) (1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. (2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
Geschäftsfähigkeit § 104 (Geschäftsunfähigkeit) Geschäftsunfähig ist: 1. wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat; 2. wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. § 105 (Nichtigkeit der Willenserklärung) (1) Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig. § 106 (Beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger) Ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist ... in der Geschäftsfähigkeit beschränkt. § 107 (Einwilligung des gesetzlichen Vertreters) Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. § 108 (Vertragsschluss ohne Einwilligung) (1) Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt
BGB Bürgerliches Gesetzbuch die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab. (2) Fordert der andere Teil den Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine von der Aufforderung dem Minderjährigen gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. (3) Ist der Minderjährige unbeschränkt geschäftsfähig geworden, so tritt seine Genehmigung an die Stelle der Genehmigung des Vertreters. § 109 (Widerrufsrecht des anderen Teils) (1) Bis zur Genehmigung des Vertrages ist der anderre Teil zum Widerruf berechtigt. Der Widerruf kann auch dem Minderjährigen gegenüber erklärt werden. (2) Hat der andere Teil die Minderjährigkeit gekannt, so kann er nur widerrufen, wenn der Minderjährige der Wahrheit zuwider die Einwilligung des Vertreters behauptet hat; er kann auch in diesem Falle nicht widerrufen, wenn ihm das Fehlen der Einwilligung bei dem Abschluss des Vertrags bekannt war. § 110 (Bewirken der Leistung mit eigenen Mitteln) Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zwecke oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind. § 111 (Einseitige Rechtsgeschäfte) Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das der Minderjährige ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vornimmt, ist unwirksam. ... § 113 (Dienst- oder Arbeitsverhältnis) (1) Ermächtigt der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen, in Dienst oder in Arbeit zu treten, so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffen. Ausgenommen sind Verträge, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf. Willenserklärung § 116 (Geheimer Vorbehalt) Eine Willenserklärung ist nicht deshalb nichtig, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Die Erklärung ist nichtig, wenn sie einem anderen gegenüber abzugeben ist und dieser den Vorbehalt kennt. § 117 (Scheingeschäft) (1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig. (2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.
179 § 118 (Mangel der Ernstlichkeit) Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, ist nichtig. § 119 (Anfechtbarkeit wegen Irrtums) (1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtume war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. (2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. § 121 (Anfechtungsfrist) (1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntnis erlangt hat. … § 122 (Schadensersatzpflicht des Anfechtenden) (1) Ist eine Willenserklärung nach § 118 nichtig oder auf Grund der §§ 119, 120 angefochten, so hat der Erklärende, wenn die Erklärung einem anderen gegenüber abzugeben war, diesem, andernfalls jedem Dritten den Schaden zu ersetzen, den der andere oder der Dritte dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat. § 123 (Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung) (1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung (...) bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. § 124 (Anfechtungsfrist) (1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. (2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung. (3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung 10 Jahre verstrichen sind. § 125 (Nichtigkeit wegen Formmangels) Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge. § 126 (Schriftform) (1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. (2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleich lautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
180 (3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich aus dem Gesetz nichts ein anderes ergibt. (4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt. § 126 a (Elektronische Form) (1) Soll die gesetzliche vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. (2) Bei einem Vertrag müssen die Parteien jeweils ein gleich lautendes Dokument in der in Abs. 1 bezeichneten Weise elektronisch signieren. § 126 b (Textform) Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. § 127 (Vereinbarte Form) (1) Die Vorschriften des § 126, des § 126a … gelten im Zweifel auch für die durch Rechtsgeschäfte bestimmte Form. § 128 (Notarielle Beurkundung) Ist durch Gesetz notarielle Beurkundung eines Vertrags vorgeschrieben, so genügt es, wenn zunächst der Antrag und sodann die Annahme des Antrags von einem Notar beurkundet wird. § 129 (Öffentliche Beglaubigung) (1) Ist durch Gesetz für eine Erklärung öffentliche Beglaubigung vorgeschrieben, so muss die Erklärung schriftlich abgefasst und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden. Wird die Erklärung von dem Aussteller mittels Handzeichens unterzeichnet, so ist die in § 126 Abs. 1 vorgeschriebene Beglaubigung des Handzeichens erforderlich und genügend. § 131 (Wirksamwerden gegenüber nicht voll Geschäftsfähigen) (1) Wird die Willenserklärung einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben, so wird sie nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. (2) Das Gleiche gilt, wenn die Willenserklärung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person gegenüber abgegeben wird. Bringt die Erklärung jedoch der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich einen rechtlichen Vorteil oder hat der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung erteilt, so wird die Erklärung in dem Zeitpunkte wirksam, in welchem sie ihr zugeht. § 134 (Gesetzliches Verbot) Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. § 138 (Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher) (1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen ... eines anderen sich oder einen Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile
Info-Teil versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. § 142 (Wirkung der Anfechtung) (1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen. (2) Wer die Anfechtbarkeit kannte, oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes gekannt hätte oder hätte kennen müssen. Vertrag § 145 (Bindung an den Antrag) Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat. § 146 (Erlöschen des Antrags) Der Antrag erlischt, wenn er dem Antragenden gegenüber abgelehnt oder wenn er nicht diesem gegenüber nach den §§ 147 bis 149 rechtszeitig angenommen wird. § 147 (Annahmefrist) (1) Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. Dies gilt auch von einem mittels Fernsprecher oder einer sonstigen technischen Einrichtung von Person zu Person gemachten Antrag. (2) Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitraum angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. § 148 (Bestimmung einer Annahmefrist) Hat der Antragende für die Annahme des Antrags eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen. § 149 (Verspätet zugegangene Annahmeerklärung) Ist eine dem Antragenden verspätet zugegangene Annahmeerklärung dergestalt abgesendet worden, dass sie bei regelmäßiger Beförderung ihm rechtzeitig zugegangen sein würde, und musste der Antragende dies erkennen, so hat er die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich nach dem Empfange der Erklärung anzuzeigen … § 151 (Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden) Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrages zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden. Bedingung und Zeitbestimmung § 158 (Aufschiebende und auflösende Bedingung) (1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein. (2) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.
BGB Bürgerliches Gesetzbuch Vertretung, Vollmacht § 164 (Wirkung der Erklärung des Vertreters) (1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen ... § 165 (Beschränkt geschäftsfähiger Vertreter) Die Wirksamkeit einer von oder gegenüber einem Vertreter abgegebenen Willenserklärung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Vertreter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. § 166 (... Vollmacht) (2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. ... § 167 (Erteilung der Vollmacht) (1) Die Erteilung der Vollmacht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem zu bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll. § 168 (Erlöschen der Vollmacht) Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse. Die Vollmacht ist auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich nicht auf diesem ein anderes ergibt ... Fristen, Termine § 187 (Fristbeginn) (1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters. § 188 (Fristende) (1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. (2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum – Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr – bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. (3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats. § 189 (Berechnung einzelner Fristen) (1) Unter einem halben Jahr wird eine Frist von 6 Monaten, unter einem Vierteljahr eine Frist von 3 Monaten, unter einem halben Monat eine Frist von 15 Tagen verstanden. (2) Ist eine Frist auf einen oder mehrere ganze Monate und einen halben Monat gestellt, so sind die 15 Tage zuletzt zu zählen.
181 § 190 (Fristverlängerung) Im Falle der Verlängerung einer Frist wird die neue Frist von dem Ablauf der vorigen Frist an berechnet. § 191 (Berechnung von Zeiträumen) Ist ein Zeitraum nach Monaten oder nach Jahren in dem Sinne bestimmt, dass er nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht, so wird der Monat zu 30, das Jahr zu 365 Tagen gerechnet. § 192 (Anfang, Mitte, Ende des Monats) Unter Anfang des Monats wird der 1., unter Mitte des Monats der 15., unter Ende des Monats der letzte Tag des Monats verstanden. § 193 (Sonn- und Feiertag; Sonnabend) Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag. Verjährung § 194 (Gegenstand der Verjährung) (1) Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung. § 195 (Regelmäßige Verjährungsfrist) Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. § 197 (Dreißigjährige Verjährungsfrist) (1) In dreißig Jahren verjähren ... 1. Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten, 2. familien- und erbrechtliche Ansprüche, 3. rechtskräftig festgestellte Ansprüche, 4. Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden und 5. Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind. § 199 (Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Höchstfristen) (1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres in dem 1. der Anspruch entstanden ist, und 2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. § 200 (Beginn anderer Verjährungsfristen) Die Verjährungsfrist von Ansprüchen, die nicht der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen, beginnt mit der Entstehung des Anspruchs ... § 201 (Beginn der Verjährungsfrist von festgestellten Ansprüchen) Die Verjährung von Ansprüchen ... beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung, der Errichtung des vollstreckbaren Titels oder der Feststellung im Insolvenzverfahren, nicht jedoch vor der Entstehung des Anspruchs. ... § 204 (Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung) (1) Die Verjährung wird gehemmt durch 1. die Erhebung einer Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, 3. die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren,
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die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags, der bei einer ... Gütestelle ... eingereicht ist ... 10. die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren ... 14. die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ... § 214 (Wirkung der Verjährung) (1) Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern. (2) Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. Das Gleiche gilt von einem vertragsmäßigen Anerkenntnis sowie einer Sicherheitsleistung des Schuldners. Recht der Schuldverhältnisse Verpflichtung zur Leistung § 241 (Pflichten aus dem Schuldverhältnis) (1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. § 241 a (Unbestellte Lieferungen) (1) Durch die Lieferung unbestellter Sachen oder durch die Erbringung unbestellter sonstiger unbestellter Leistungen durch einen Unternehmer an einen Verbraucher, wird ein Anspruch an diesen nicht begründet. § 242 (Leistung nach Treu und Glauben) Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. § 269 (Leistungsort) (1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leitung an dem Orte zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte. (2) Ist die Verbindlichkeit im Gewerbebetriebe des Schuldners entstanden, so tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Orte hatte, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes. (3) Aus dem Umstand allein, dass der Schuldner die Kosten der Versendung übernommen hat, ist nicht zu entnehmen, dass der Ort, nach welchem die Versendung zu erfolgen hat, der Leistungsort sein soll. § 270 (Zahlungsort) (1) Geld hat der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln. (2) Ist die Forderung im Gewerbebetriebe des Gläubigers entstanden, so tritt, wenn der Gläubiger seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Orte hat, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes. § 271 (Leistungszeit) (1) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. (2) Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann.
Info-Teil § 275 (Ausschluss der Leistungspflicht) (1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. (2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. (3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. § 276 (Verantwortlichkeit des Schuldners) (1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. … (2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. § 280 (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung) (1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen. (3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen. § 281 (Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung) (1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. (2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen. § 283 (Schadensersatz statt der Leistung bei Ausschluss der Leistungspflicht) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. …
BGB Bürgerliches Gesetzbuch § 286 (Verzug des Schuldners) (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich. (2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn 1. für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, 2. der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, 3. der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, 4. aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist. (3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug. (4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Verzug des Gläubigers Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen § 305 (Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag) (1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. (2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss 1. die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und 2. der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Ver-
183 tragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist. (3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Abs. 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren. § 305 a (Einbeziehung in besonderen Fällen) Auch ohne Einbehaltung der in § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Erfordernisse werden einbezogen, wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist, 1. die mit Genehmigung der zuständigen Verkehrsbehörde oder auf Grund von internationalen Übereinkommen erlassenen Tarife und Ausführungsbestimmungen der Eisenbahnen und die nach Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigten Beförderungsbedingungen der Straßenbahnen, Obusse und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr in den Beförderungsvertrag, 2. die im Amtsblatt der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen veröffentlichten und in den Geschäftsstellen des Verwenders bereit gehaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen a) in Beförderungsverträge, die außerhalb von Geschäftsräumen durch den Einwurf von Postsendungen in Briefkästen abgeschlossen werden, b) in Verträge über Telekommunikations-, Informationsund andere Dienstleistungen, die unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln und während der Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung in einem Mal erbracht werden, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der anderen Vertragspartei nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten vor dem Vertragsschluss zugänglich gemacht werden können. § 305 b (Vorrang der Individualabrede) Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. § 305 c (Überraschende und mehrdeutige Klauseln) (1) Bestimmungen in AGB, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil. (2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders. § 306 (Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit) (1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. (2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften. (3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.
184 § 306 a (Umgehungsverbot) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. § 307 (Inhaltskontrolle) (1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. (2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder 2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. (3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in AGB, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein. § 308 (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit) In AGB ist insbesondere unwirksam 1. (Annahme und Leistungsfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufs- oder Rückgabefrist nach § 355 Abs. 1 und 2 und § 356 zu leisten; 2. (Nachfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält; 3. (Rücktrittsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen; dies gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse; 4. (Änderungsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist; 5. (Fingierte Erklärungen) eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass a) dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und b) der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen;
Info-Teil dies gilt nicht für Verträge, in die Teil B der Verdingungsordnung für Bauleistungen insgesamt einbezogen ist; 6. (Fiktion des Zugangs) eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt; 7. (Abwicklung von Verträgen) eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt, a) eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder b) einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann; 8. (Nichtverfügbarkeit der Leistung) die nach Nr. 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn sich der Verwender nicht verpflichtet, a) den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und b) Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten. § 309 (Klauselverbote ohne Verwertungsmöglichkeit) Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in AGB unwirksam 1. (kurzfristige Preiserhöhungen) eine Bestimmung, welche die Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die innerhalb von 4 Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht werden sollen; dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden; 2. (Leistungsverweigerungsrechte) eine Bestimmung, durch die a) das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird oder b) ein dem Vertragspartner des Verwenders zustehendes Zurückbehaltungsrecht, soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder eingeschränkt, insbesondere von der Anerkennung von Mängeln durch den Verwender abhängig gemacht wird; 3. (Aufrechnungsverbot) eine Bestimmung, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen; 4. (Mahnung, Fristsetzung) eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit freigestellt wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Frist für die Leistung oder Nacherfüllung zu setzen; 5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wert-
BGB Bürgerliches Gesetzbuch minderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; 6. (Vertragsstrafe) eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird; 7. (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden) a) (Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit) ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen; b) (grobes Verschulden) ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen; … 8. (Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverletzung) a) (Ausschluss des Rechts, sich vom Vertrag zu lösen) … b) (Mängel) … 9. (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen) … 10. (Wechsel des Vertragspartners) … 11. (Haftung des Abschlussvertreters) … 12. (Beweislast) eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, oder b) den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt; … 13. (Form von Anzeigen und Erklärungen) eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden. § 310 (Anwendungsbereich) (1) § 305 Abs. 2 und 3 und die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf AGB, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts … verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in den §§ 308 und 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. (2) … (3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
185 1.
AGB gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; 2. § 305 c Absatz 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Art. 29 a des Einführungsgesetzes zum BGB finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; 3. bei der Beurteilung der angemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Schuldverhältnisse aus Verträgen § 311 (Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftähnliche Schuldverhältnisse) (1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich … (2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch 1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, 2. die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder 3. ähnliche geschäftliche Kontakte. § 311 a (Leistungshindernis bei Vertragsschluss) (1) Der Wirksamkeit eines Vertrags steht es nicht entgegen, dass der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht und das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluss vorliegt. (2) Der Gläubiger kann nach seiner Wahl Schadensersatz statt der Leistung oder Ersatz seiner Aufwendungen in dem in § 284 bestimmten Umfang verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat. § 281 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 5 findet entsprechende Anwendung. § 311 b (Verträge über Grundstücke, das Vermögen und den Nachlass) (1) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf der notariellen Beurkundung. Ein ohne Beachtung dieser Form geschlossener Vertrag wird seinem ganzen Inhalt nach gültig, wenn die Auflassung und die Eintragung in das Grundbuch erfolgen. § 311 c (Erstreckung auf Zubehör) Verpflichtet sich jemand zur Veräußerung oder Belastung einer Sache, so erstreckt sich diese Verpflichtung im Zweifel auch auf das Zubehör der Sache. Besondere Vertriebsformen § 312 (Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften) (1) Bei einem Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat und zu dessen Abschluss der Verbraucher
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durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung, 2. anlässlich einer vom Unternehmer oder von einem Dritten zumindest auch im Interesse des Unternehmers durchgeführten Freizeitveranstaltung oder 3. im Anschluss an ein überraschendes Ansprechen in Verkehrsmitteln oder im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen bestimmt worden ist (Haustürgeschäft), steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu. … (2) Die erforderliche Belehrung über das Widerrufs- oder Rückgaberecht muss auf die Rechtsfolgen des § 357 Absatz 1 und 3 hinweisen. § 312 b (Fernabsatzverträge) (1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Finanzdienstleistungen im Sinne des Satzes 1 sind Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung. (2) Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragspartner eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste. (3) Die Vorschriften über Fernabsatzverträge finden keine Anwendung auf Verträge 1. über Fernunterricht (§ 1 des Fernunterrichtsschutzgesetzes), 2. über die Teilzeitnutzung von Wohngebäuden (§ 481), 3. über Versicherungen sowie deren Vermittlung, 4. über die Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, die Begründung, Veräußerung und Aufhebung von dinglichen Rechten an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie über die Errichtung von Bauwerken, 5. über die Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, am Aufenthaltsort oder am Arbeitsplatz des Verbrauchers von Unternehmern im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten geliefert werden. 6. über die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Unterbringung, Beförderung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Freizeitgestaltung, wenn sich der Unternehmer bei Vertragsschluss verpflichtet, die Dienstleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums zu erbringen, 7. die geschlossen werden
Info-Teil a)
unter Verwendung von Warenautomaten oder automatisierten Geschäftsräumen oder b) mit Betreibern von Telekommunikationsmitteln aufgrund der Benutzung von öffentlichen Fernsprechern, soweit sie deren Benutzung zum Gegenstand haben. (4) Bei Vertragsverhältnissen, die eine erstmalige Vereinbarung mit daran anschließenden aufeinander folgenden Vorgängen oder eine daran anschließende Reihe getrennter, in einem zeitlichen Zusammenhang stehender Vorgänge der gleichen Art umfassen, finden die Vorschriften über Fernabsatzverträge nur Anwendung auf die erste Vereinbarung. Wenn derartige Vorgänge ohne eine solche Vereinbarung aufeinander folgen, gelten die Vorschriften über Informationspflichten des Unternehmens nur für den ersten Vorgang. Findet jedoch länger als ein Jahr kein Vorgang der gleichen Art mehr statt, so gilt der nächste Vorgang als der erste Vorgang einer neuen Reihe im Sinne von Satz 2. § 312 c (Unterrichtung des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen) (1) Der Unternehmer hat dem Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich und unter Angabe des geschäftlichen Zwecks die Informationen zur Verfügung zu stellen, für die dies in der Rechtsverordnung nach Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmt ist. Der Unternehmer hat bei von ihm veranlassten Telefongesprächen seine Identität und den geschäftlichen Zweck des Kontakts bereits zu Beginn eines jeden Gesprächs ausdrücklich offen zu legen. (2) Der Unternehmer hat dem Verbraucher ferner die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie die in der Rechtsverordnung nach Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmten Informationen in dem dort bestimmten Umfang und der dort bestimmten Art und Weise in Textform mitzuteilen, und zwar 1. bei Finanzdienstleistungen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung oder, wenn auf Verlangen des Verbrauchers der Vertrag telefonisch oder unter Verwendung eines anderen Fernkommunikationsmittels geschlossen wird, das die Mitteilung in Textform vor Vertragsschluss nicht gestattet, unverzüglich nach Abschluss des Fernabsatzvertrags; 2. bei sonstigen Dienstleistungen und bei der Lieferung von Waren alsbald, spätestens bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrags, bei Waren spätestens bis zur Lieferung an den Verbraucher. Eine Mitteilung nach Satz 1 Nr. 2 ist entbehrlich bei Dienstleistungen, die unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln erbracht werden, sofern diese Leistungen in einem Mal erfolgen und über den Betreiber der Fernkommunikationsmittel abgerechnet werden. Der Verbraucher muss sich in diesem Falle aber über die Anschrift der Niederlassung des Unternehmers informieren können, bei der er Beanstandungen vorbringen kann. (3) Bei Finanzdienstleistungen kann der Verbraucher während der Laufzeit des Vertrags jederzeit vom Unternehmer ver-
BGB Bürgerliches Gesetzbuch langen, dass ihm dieser die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einer Urkunde zur Verfügung stellt. (4) Weitergehende Einschränkungen bei der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln und weitergehende Informationspflichten auf Grund anderer Vorschriften bleiben unberührt. § 312 d (Widerruf- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen) (1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356 eingeräumt werden. (2) Die Widerrufsfrist beginnt abweichend von § 355 Abs. 2 Satz 1 nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 2, bei der Lieferung von Waren nicht vor dem Tage ihres Eingangs beim Empfänger, bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor dem Tage des Eingangs der ersten Teillieferung und bei Dienstleistungen nicht vor dem Tage des Vertragsschlusses. (3) Das Widerrufsrecht erlischt bei einer Dienstleistung auch in folgenden Fällen: 1. bei einer Finanzdienstleistung, wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat, 2. bei einer sonstigen Dienstleistung, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat. (4) Das Widerrufsrecht besteht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht bei Fernabsatzverträgen 1. zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfalldatum überschritten würde, 2. zur Lieferung von Audio- oder Videoaufzeichnungen oder von Software, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind, 3. zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten, 4. zur Erbringung von Wettund LotterieDienstleistungen, 5. die in der Form von Versteigerungen (§ 156) geschlossen werden oder 6. die die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen zum Gegenstand haben, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteilsscheinen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, und anderen handelbaren Wertpa-
187 pieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten. (5) Das Widerrufsrecht besteht ferner nicht bei Fernabsatzverträgen, bei denen dem Verbraucher bereits auf Grund der §§ 495, 499 bis 507 ein Widerrufs- oder Rückgaberecht nach den §§ 355 oder 356 zusteht. Bei solchen Verträgen gilt Absatz 2 entsprechend. (6) Bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen hat der Verbraucher abweichend von § 357 Abs. 1 Wertersatz für die erbrachte Dienstleistung nach den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt nur zu leisten, wenn er vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und wenn er ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt. § 312 e (Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr) (1) Bedient sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen eines Tele- oder Mediendienstes (Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr), hat er dem Kunden 1. angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann, 2. die in der Rechtsverordnung nach Artikel 241 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmten Informationen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Bestellung klar und verständlich mitzuteilen, 3. den Zugang von dessen Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen und 4. die Möglichkeit zu verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern. Bestellung und Empfangsbestätigung im Sinne von Satz 1 Nr. 3 gelten als zugegangen, wenn die Parteien, für die sie bestimmt sind, sie unter gewöhnlichen Umständen abrufen können. (2) Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 findet keine Anwendung, wenn der Vertrag ausschließlich durch individuelle Kommunikation geschlossen wird. Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 und Satz 2 findet keine Anwendung, wenn zwischen Vertragsparteien, die nicht Verbraucher sind, etwas anderes vereinbart wird. (3) Weitergehende Informationspflichten auf Grund anderer Vorschriften bleiben unberührt. Steht dem Kunden ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu, beginnt die Widerrufsfrist abweichend von § 355 Abs. 2 Satz 1 nicht vor Erfüllung der in Absatz 1 Satz 1 geregelten Pflichten. § 312 f (Abweichende Vereinbarungen) Von den Vorschriften dieses Untertitels darf, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht zum Nachteil des Verbrauchers oder Kunden abgewichen werden. Die Vorschriften dieses Untertitels finden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.
188 Anpassung und Beendigung von Verträgen Gegenseitiger Vertrag § 320 (Einrede des nicht erfüllten Vertrags) (1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. Hat die Leistung an mehrere zu erfolgen, so kann dem Einzelnen der ihm gebührende Teil bis zur Bewirkung der ganzen Gegenleistung verweigert werden. Die Vorschrift des § 273 Abs. 3 findet keine Anwendung. (2) Ist von der einen Seite teilweise geleistet worden, so kann die Gegenleistung in soweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde. § 323 (Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung) (1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten. (2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn 1. der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, 2. der Schuldner die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat oder 3. besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. § 325 (Schadensersatz und Rücktritt) Das Recht, bei einem gegenseitigen Vertrag Schadensersatz zu verlangen, wird durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen. § 326 (Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt beim Ausschluss der Leistungspflicht.) (1) Braucht der Schuldner nach § 275 Absatz 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht. (2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich, oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er in Folge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. (5) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 mit der entsprechenden Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist.
Info-Teil Rücktritt; Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen § 346 (Wirkung des Rücktritts) (1) Hat sich in einem Vertrag ein Teil den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. (2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit 1. die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, 2. er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, 3. der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme Verschlechterung außer Betracht. Ist im Vertrag eine Gegenleistung bestimmt, ist sie bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen; ist Wertersatz für den Gebrauchsvorteil eines Darlehens zu leisten, kann nachgewiesen werden, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war. (3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt, 1. wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, 2. soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, 3. wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Eine verbleibende Bereicherung ist herauszugeben. (4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Abs. 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen. § 347 (Nutzungen und Verwendungen nach Rücktritt) (1) Zieht der Schuldner Nutzungen entgegen den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht, obwohl ihm das möglich gewesen wäre, so ist er dem Gläubiger zum Wertersatz verpflichtet. Im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts hat der Berechtigte hinsichtlich der Nutzungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. (2) Gibt der Schuldner den Gegenstand zurück, leistet er Wertersatz oder ist seine Wertersatzpflicht gemäß § 346 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 ausgeschlossen, so sind ihm notwendige Verwendungen zu ersetzen. Andere Aufwendungen sind zu ersetzen, soweit der Gläubiger durch diese bereichert wird. § 348 (Erfüllung Zug-um-Zug) Die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen der Parteien sind Zug-um-Zug zu erfüllen. … § 349 (Erklärung des Rücktritts) Der Rücktritt erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
BGB Bürgerliches Gesetzbuch § 355 (Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen) (1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. (2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen der eingesetzten Kommunikationsmittel seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einem Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Absatzes 1 Satz 2 enthält. Sie ist vom Verbraucher bei anderen als notariell beurkundeten Verträgen gesondert zu unterschreiben oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Ist der Vertrag schriftlich abzuschließen, so beginnt die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden. Ist der Fristbeginn streitig, so trifft die Beweislast den Unternehmer. (3) Das Widerrufsrecht erlischt spätestens 6 Monate nach Vertragsschluss. Bei der Lieferung von Waren beginnt die Frist nicht vor dem Tag ihres Eingangs beim Empfänger. § 357 (Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe) (1) Auf das Widerrufs- und das Rückgaberecht finden … die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung. Die in § 286 Abs. 3 bestimmte Frist beginnt mit der Widerrufs- oder Rückgabeerklärung des Verbrauchers. (2) Der Verbraucher ist bei Ausübung des Widerrufsrechts zur Rücksendung verpflichtet, wenn die Sache durch Paket versandt werden kann. Kosten und Gefahr der Rücksendung trägt bei Widerruf und Rückgabe der Unternehmer. Wenn ein Widerrufsrecht besteht, dürfen dem Verbraucher bei einer Bestellung bis zu einem Betrag von 40 EUR die regelmäßigen Kosten der Rücksendung vertraglich auferlegt werden, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht. Mehrheit von Schuldnern und Gläubigern § 421 (Gesamtschuldner) Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teile fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet. § 428 (Gesamtgläubiger) Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an
189 jeden der Gläubiger leisten. Dies gilt auch dann, wenn einer der Gläubiger bereits Klage auf die Leistung erhoben hat. § 433 (Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag) (1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. (2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. § 434 (Sachmangel) (1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, 1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst 2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. ... (2) Ein Sachmangel ist auch dann gegeben, wenn die vereinbarte Montage durch den Verkäufer ... unsachgemäß durchgeführt worden ist. Ein Sachmangel liegt bei einer zur Montage bestimmten Sache ferner vor, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist, es sei denn, die Sache ist fehlerfrei montiert worden. (3) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache oder eine zu geringe Menge liefert. § 435 (Rechtsmangel) Die Sache ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Einem Rechtsmangel steht es gleich, wenn im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, das nicht besteht. § 436 (Öffentliche Lasten von Grundstücken) (1) Soweit nicht anders vereinbart, ist der Verkäufer eines Grundstücks verpflichtet, Erschließungsbeiträge und sonstige Anliegerbeiträge für die Maßnahmen zu tragen, die bis zum Tage des Vertragsschlusses bautechnisch begonnen sind, unabhängig vom Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld. § 437 (Rechte des Käufers bei Mängeln) Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen ..., 1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen, 2. nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und 3. nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311 a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen. § 438 (Verjährung der Mängelansprüche) (1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren 1. in 30 Jahren, wenn der Mangel a) in einem dinglichen Recht eines Dritten, aufgrund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder
190 b) in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, besteht, 2. … 3. im Übrigen in zwei Jahren. (2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache. (3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. … § 439 (Nacherfüllung) (1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. (2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. (3) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt. (4) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelhafte Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen. § 440 (Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz) Außer in den Fällen des § 281 Abs. 2 und des § 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. Eine Nachbesserung gilt nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder der sonstigen Umstände etwas anderes ergibt. § 441 (Minderung) (1) Statt zurückzutreten, kann der Käufer den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindern. ... (2) … (3) Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert bestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. § 442 (Kenntnis des Käufers) (1) Die Rechte des Käufers wegen eines Mangels sind ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt. … § 446 (Gefahr- und Lastenübergang) Mit der Übergabe der verkauften Sache geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf
Info-Teil den Käufer über. Von der Übergabe an gebühren dem Käufer die Nutzungen und trägt er die Lasten der Sache. Der Übergabe steht es gleich, wenn der Käufer im Verzug der Annahme ist. § 447 (Gefahrübergang beim Versendungskauf) (1) Versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die verkaufte Sache nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort, so geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Sache dem Spediteur dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat. (2) Hat der Käufer eine besondere Anweisung über die Art der Versendung erteilt und weicht der Verkäufer ohne dringenden Grund von der Anweisung ab, so ist der Verkäufer dem Käufer für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich. § 448 (Kosten der Übergabe und vergleichbare Kosten) (1) Der Verkäufer trägt die Kosten der Übergabe der Sache, der Käufer die Kosten der Abnahme und der Versendung der Sache nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort. (2) Der Käufer eines Grundstücks trägt die Kosten der Beurkundung des Kaufvertrags und der Auflassung, der Eintragung ins Grundbuch und der zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen. § 449 (Eigentumsvorbehalt) (1) Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises übertragen wird (Eigentumsvorbehalt). (2) Aufgrund des Eigentumsvorbehalts kann der Verkäufer die Sache nur herausverlangen, wenn er vom Vertrag zurückgetreten ist. Verbrauchsgüterkauf § 474 (Begriff des Verbrauchsgüterkaufs) (1) Kauft ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache (Verbrauchsgüterkauf), gelten ergänzend die folgenden Vorschriften: Dies gilt nicht für gebrauchte Sachen, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden ... (2) Die §§ 445 und 447 finden auf die in diesem Untertitel geregelten Kaufverträge keine Anwendung. § 475 (Abweichende Vereinbarungen) (1) Auf eine vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers von den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443 sowie von den Vorschriften dieses Untertitels abweicht, kann der Unternehmer sich nicht berufen. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. § 476 (Beweislastumkehr) Zeigt sich innerhalb von 6 Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. § 477 (Sonderbestimmungen für Garantien) (1) Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss enthalten
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den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und 2. den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers. (2) Der Verbraucher kann verlangen, dass ihm die Garantieerklärung in Textform mitgeteilt wird. (3) Die Wirksamkeit der Garantieverpflichtung wird nicht dadurch berührt, dass eine der vorstehenden Anforderungen nicht erfüllt wird. Darlehensvertrag § 488 (Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag) (1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuerstatten. (2) Die vereinbarten Zinsen sind ... nach dem Ablauf je eines Jahres und, wenn das Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuerstatten ist, bei der Rückerstattung zu entrichten. (3) Ist für die Rückerstattung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückerstattung berechtigt. § 489 (Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers) (1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag, bei dem für einen bestimmten Zeitraum ein fester Zinssatz vereinbart ist, ganz oder teilweise kündigen, 1. wenn die Zinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Zinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Zinsbindung endet; ist eine Anpassung des Zinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Zinsbindung endet, kündigen; 2. wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist, nach Ablauf von sechs Monaten nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten; 3. in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Zinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts der Auszahlung.
191 (2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen. (3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers nach Absatz 1 oder 2 gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt. (4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. ... § 490 (Außerordentliches Kündigungsrecht) (1) Wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückerstattung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird, kann der Darlehensgeber den Darlehensvertrag vor Auszahlung des Darlehens im Zweifel stets, nach Auszahlung nur in der Regel fristlos kündigen. (2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag, bei dem für einen bestimmten Zeitraum ein fester Zinssatz vereinbart und das Darlehen durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist, unter Einhaltung der Fristen des § 489 Absatz 1 Nr. 2 vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten. Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache hat. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht (Vorfälligkeitsentschädigung). § 492 (Schriftform, Vertragsinhalt) (1) Verbraucherdarlehensverträge sind, soweit nicht eine strengere Form vorgeschrieben ist, schriftlich abzuschließen. Der Abschluss des Vertrags in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Der Schriftform ist genügt, wenn Antrag und Annahme durch die Vertragsparteien jeweils getrennt schriftlich erklärt werden. Die Erklärung des Darlehensgebers bedarf keiner Unterzeichnung, wenn sie mit Hilfe einer automatischen Einrichtung erstellt wird. Die vom Darlehensnehmer zu unterzeichnende Vertragserklärung muss angeben 1. den Nettodarlehensbetrag, ggf. die Höchstgrenze des Darlehens, 2. den Gesamtbetrag aller vom Darlehensnehmer zur Tilgung des Darlehens sowie zur Zahlung der Zinsen und sonstigen Kosten zu entrichtenden Teilzahlungen, wenn der Gesamtbetrag bei Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags für die gesamte Laufzeit der Höhe nach feststeht, bei Darlehen mit veränderlichen Bedingungen, die in Teilzahlungen getilgt werden, einen Gesamtbetrag auf der Grundlage der bei Abschluss des Vertrags maßgeblichen Darlehensbedingungen, 3. die Art und Weise der Rückzahlung des Darlehens oder, wenn eine Vereinbarung hierüber nicht vorgesehen ist, die Regelung der Vertragsbeendigung, 4. den Zinssatz und alle sonstigen Kosten des Darlehens, die, soweit ihre Höhe bekannt ist, im Einzelnen zu bezeichnen, im Übrigen dem Grunde nach anzugeben
192 sind, einschließlich etwaiger vom Darlehensnehmer zu tragender Vermittlungskosten; 5. den effektiven Jahreszins oder, wenn eine Änderung des Zinssatzes oder anderer preisbestimmender Faktoren vorbehalten ist, den anfänglichen effektiven Jahreszins; zusammen mit dem anfänglichen effektiven Jahreszins ist auch anzugeben, unter welchen Voraussetzungen preisbestimmende Faktoren geändert werden können und auf welchen Zeitraum Belastungen, die sich aus einer nicht vollständigen Auszahlung oder aus einem Zuschlag zu dem Darlehen ergeben, bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses verrechnet werden, 6. die Kosten einer Restschuld- oder sonstigen Versicherung, die im Zusammenhang mit dem Verbraucherdarlehensvertrag abgeschlossen wird, 7. zu bestellende Sicherheiten. (2) Effektiver Jahreszins ist die in einem Prozentsatz des Nettodarlehensbetrags anzugebende Gesamtbelastung pro Jahr. Die Berechnung des effektiven und des anfänglichen effektiven Jahreszinses richtet sich nach § 6 der Verordnung zur Regelung der Preisangaben. (3) Der Darlehensgeber hat dem Darlehensnehmer eine Abschrift der Vertragserklärungen zur Verfügung zu stellen. § 493 (Überziehungskredit) (1) Die Bestimmungen des § 492 gelten nicht für Verbraucherdarlehensverträge, bei denen ein Kreditinstitut einem Darlehensnehmer das Recht einräumt, sein laufendes Konto in bestimmter Höhe zu überziehen, wenn außer den Zinsen für das in Anspruch genommene Darlehen keine weiteren Kosten in Rechnung gestellt werden und die Zinsen nicht in kürzeren Perioden als drei Monaten belastet werden. Das Kreditinstitut hat den Darlehensnehmer vor der Inanspruchnahme eines solchen Darlehens zu unterrichten über 1. die Höchstgrenze des Darlehens; 2. den zum Zeitpunkt der Unterrichtung geltenden Jahreszins; 3. die Bedingungen, unter denen der Zinssatz geändert werden kann; 4. die Regelung der Vertragsbeendigung. Die Vertragsbedingungen nach Satz 2 Nr. 1 bis 4 sind dem Darlehensnehmer spätestens nach der ersten Inanspruchnahme des Darlehens zu bestätigen. Ferner ist der Darlehensnehmer während der Inanspruchnahme des Darlehens über jede Änderung des Jahreszinses zu unterrichten. Die Bestätigung nach Satz 3 und die Unterrichtung nach Satz 4 haben in Textform zu erfolgen; es genügt, wenn sie auf einem Kontoauszug erfolgen. (2) Duldet das Kreditinstitut die Überziehung eines laufenden Kontos und wird das Konto länger als drei Monate überzogen, so hat das Kreditinstitut den Darlehensnehmer über den Jahreszins, die Kosten sowie die diesbezüglichen Änderungen zu unterrichten; dies kann in Form eines Ausdrucks auf einem Kontoauszug erfolgen. § 494 (Rechtsfolgen von Formmängeln) (1) Der Verbraucherdarlehensvertrag und ... sind nichtig, wenn die Schriftform insgesamt nicht eingehalten ist oder wenn eine der in § 492 Absatz 1 Satz 5 Nr. 1 bis 6 vorgeschriebenen Angaben fehlt.
Info-Teil (2) Ungeachtet eines Mangels nach Absatz 1 wird der Verbraucherdarlehensvertrag gültig, soweit der Darlehensnehmer das Darlehen empfängt oder in Anspruch nimmt. Jedoch ermäßigt sich der dem Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde gelegter Zinssatz (§ 492 Abs. 1 Satz 5 Nr. 4) auf den gesetzlichen Zinssatz, wenn seine Angabe, die Angabe des effektiven oder anfänglichen effektiven Jahreszinses ... oder die Angabe des Gesamtbetrages ... fehlt. Nicht angegebene Kosten werden vom Darlehensnehmer nicht geschuldet. Vereinbarte Teilzahlungen sind unter Berücksichtigung der verminderten Zinsen oder Kosten neu zu berechnen. Ist nicht angegeben, unter welchen Voraussetzungen preisbestimmende Faktoren geändert werden können, so entfällt die Möglichkeit, diese zum Nachteil des Darlehensnehmers zu ändern. Sicherheiten können bei fehlenden Angaben hierüber nicht gefordert werden; dies gilt nicht, wenn der Nettodarlehensbetrag 50.000 Euro übersteigt. (3) Ist der effektive oder der anfängliche effektive Jahreszinssatz zu niedrig angegeben, so vermindert sich der dem Verbraucherdarlehensvertrag zugrunde gelegte Zinssatz um den Prozentsatz, um den der effektive oder anfängliche effektive Jahreszins zu niedrig angegeben ist. § 495 (Widerrufsrecht) (1) Dem Darlehensnehmer steht beim Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung auf die in § 493 Abs. 1 Satz 1 genannten Verbraucherdarlehensverträge, wenn der Darlehensnehmer nach dem Vertrag das Darlehen jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne zusätzliche Kosten zurückzahlen kann. § 496 (Einwendungsverzicht, …) (1) Eine Vereinbarung, durch die der Darlehensnehmer auf das Recht verzichtet, Einwendungen, die ihm gegenüber dem Darlehensgeber zustehen, gemäß § 404 einem Abtretungsgläubiger entgegenzusetzen oder eine ihm gegen den Darlehensgeber zustehende Forderung gemäß § 406 auch dem Abtretungsgläubiger gegenüber aufzurechnen, ist unwirksam. § 497 (Behandlung der Verzugszinsen, Anrechnung von Teilleistungen) (1) Soweit der Darlehensnehmer mit Zahlungen, die er aufgrund des Verbraucherdarlehensvertrags schuldet, in Verzug kommt, hat er den geschuldeten Betrag gemäß § 288 Absatz 1 zu verzinsen; dies gilt nicht für Immobiliardarlehensverträge. Bei diesen Verträgen beträgt der Verzugszinssatz für das Jahr zweieinhalb Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Im Einzelfall kann der Darlehensgeber einen höheren oder der Darlehensnehmer einen niedrigeren Schaden nachweisen. (2) Die nach Eintritt des Verzugs anfallenden Zinsen sind auf einem gesonderten Konto zu verbuchen und dürfen nicht in ein Kontokorrent mit dem geschuldeten Betrag oder anderen Forderungen des Darlehensgebers eingestellt werden. Hinsichtlich dieser Zinsen gilt § 289 Satz 2 mit der Maßgabe, dass der Darlehensgeber Schadensersatz nur bis zur Höhe des gesetzlichen Zinssatzes (§ 246) verlangen kann. (3) Zahlungen des Darlehensnehmers, die zur Tilgung der gesamten fälligen Schuld nicht ausreichen, werden abwei-
BGB Bürgerliches Gesetzbuch chend von § 367 Abs. 1 zunächst auf die Kosten der Rechtsverfolgung, dann auf den übrigen geschuldeten Betrag (Absatz 1) und zuletzt auf die Zinsen (Absatz 2) angerechnet. Der Darlehensgeber darf Teilzahlungen nicht zurückweisen. Die Verjährung der Ansprüche auf Darlehensrückerstattung und Zinsen ist vom Eintritt des Verzugs nach Absatz 1 an bis zu ihrer Feststellung in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 bezeichneten Art gehemmt, jedoch nicht länger als 10 Jahre von ihrer Entstehung an. Auf die Ansprüche auf Zinsen findet § 197 Abs. 2 keine Anwendung. Die Sätze 1 bis 4 finden keine Anwendung, soweit Zahlungen auf Vollstreckungstitel geleistet werden, deren Hauptforderung auf Zinsen lautet. § 516 (Schenkung; Begriff) (1) Eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. § 518 (Form des Schenkungsversprechens) (1) Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird, ist die notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich. Das Gleiche gilt, wenn ein Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntnis ... schenkweise erteilt wird, von dem Versprechen oder der Anerkennungserklärung. (2) Der Mangel der Form wird durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt. Mietvertrag, Pachtvertrag § 535 (Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrages) (1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen. (2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter den vereinbarten Mietzins zu entrichten. Pachtvertrag § 581 (Vertragstypische Pflichten beim Pachtvertrag) (1) Durch den Pachtvertrag wird der Verpächter verpflichtet, dem Pächter den Gebrauch des verpachteten Gegenstandes und den Genuss der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gewähren. Der Pächter ist verpflichtet, dem Verpächter die vereinbarte Pacht zu entrichten. Leihe § 598 (Vertragstypische Pflichten bei der Leihe) Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten. § 599 (Haftung des Verleihers) Der Verleiher hat nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Sachdarlehensvertrag § 607 (Vertragstypische Pflichten beim Sachdarlehensvertrag) (1) Durch den Sachdarlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer eine vereinbarte ver-
193 tretbare Sache zu überlassen. Der Darlehensnehmer ist zur Zahlung eines Darlehensentgelts und bei Fälligkeit zur Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet. (2) Die Vorschriften dieses Titels finden keine Anwendung auf die Überlassung von Geld. § 608 (Kündigung) (1) Ist für die Rückerstattung der überlassenen Sache eine Zeit nicht bestimmt, hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. (2) Ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Sachdarlehensvertrag kann, soweit nicht ein anderes vereinbart ist, jederzeit vom Darlehensgeber oder Darlehensnehmer ganz oder teilweise gekündigt werden. § 609 (Entgelt) Ein Entgelt hat der Darlehensnehmer spätestens bei Rückerstattung der überlassenen Sache zu bezahlen. Dienstvertrag § 611 (Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag) (1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein. § 612 (Vergütung) (1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) ... (3) Bei einem Arbeitsverhältnis darf für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers eine geringere Vergütung vereinbart werden als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts. Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen des Geschlechts des Arbeitnehmers besondere Schutzvorschriften gelten. ... § 612 a (Maßregelungsverbot) Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. § 613 (Unübertragbarkeit) Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel in Person zu leisten. Der Anspruch auf die Dienste ist im Zweifel nicht übertragbar. § 614 (Fälligkeit der Vergütung) Die Vergütung ist nach der Leistung der Dienste zu entrichten. ... § 616 (Vorübergehende Verhinderung) Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung auf einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.
194 § 618 (Pflicht zu Schutzmaßnahmen) (1) Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leib und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. § 620 (Beendigung des Dienstverhältnisses) (1) Das Dienstverhältnis endigt mit dem Ablaufe der Zeit, für die es eingegangen ist. (2) Ist die Dauer des Dienstverhältnisses weder bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen, so kann jeder Teil das Dienstverhältnis nach Maßgabe der §§ 621 bis 623 kündigen. § 622 (Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen) (1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. (2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen 1. zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats, 2. fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats, 3. acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats, 4. zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats, 5. zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate eines Kalendermonats, 6. fünfzehn Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats, 7. zwanzig Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt. (3) Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. (4) Von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelungen können durch Tarifvertrag vereinbart werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages gelten die abweichenden tarifvertraglichen Bestimmungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn ihre Anwendung zwischen ihnen vereinbart ist. (5) Einzelvertraglich kann eine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist nur vereinbart werden, 1. wenn ein Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist; dies gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird; 2. wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als zwanzig Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.
Info-Teil Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Die einzelvertragliche Vereinbarung längerer als der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Kündigungsfristen bleibt hiervon unberührt. (6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. § 623 (Schriftform der Kündigung) Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag sowie die Befristung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen. § 626 (Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund) (1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. § 628 (Teilvergütung, Schadensersatz bei fristloser Kündigung) (1) Wird nach dem Beginne der Dienstleistung das Dienstverhältnis auf Grund des § 626 ... gekündigt, so kann der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. ... (2) Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles veranlasst, so ist dieser zum Ersatze des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet. § 630 (Pflicht zur Zeugniserteilung) Bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses kann der Verpflichtete von dem anderen Teile ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen auf die Leistungen und die Führung im Dienste zu erstrecken. Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Werkvertrag und ähnliche Verträge § 631 (Vertragstypische Pflichten beim Werkvertrag) (1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. § 632 (Vergütung) (1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
BGB Bürgerliches Gesetzbuch § 633 (Sach- und Rechtsmangel) (1) Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. (2) Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln, 1. wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst 2. für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken dergleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann. Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Unternehmer ein anderes als das bestellte Werk oder das Werk in zu geringer Menge herstellt. Das Werk ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf das Werk keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Besteller geltend machen können. § 634 (Rechte des Bestellers bei Mängeln) Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist, 1. nach § 635 Nacherfüllung verlangen, 2. nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, 3. nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und 4. nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311 a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen. § 634 a (Verjährung der Mängelansprüche) (1) Die in § 634 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Ansprüche verjähren 1. vorbehaltlich der Nr. 2 in zwei Jahren bei einem Werk, dessen Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder in der Erbringung von Planungsoder Überwachungsleistungen hierfür besteht, 2. in 5 Jahren bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht, und 3. im Übrigen in der regelmäßigen Verjährungsfrist. (2) Die Verjährung beginnt in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 mit der Abnahme. (3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 1 und 2 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Unternehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein. (4) Für das in § 634 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Besteller kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung der Vergütung in soweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Unternehmer vom Vertrag zurücktreten. (5) Auf das in § 634 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Abs. 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.
195 § 635 (Nacherfüllung) (1) Verlangt der Besteller Nacherfüllung, so kann der Unternehmer nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen. (2) Der Unternehmer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. (3) Der Unternehmer kann die Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. (4) Stellt der Unternehmer ein neues Werk her, so kann er vom Besteller Rückgewähr des mangelhaften Werkes nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen. § 636 (Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz) Außer in den Fällen der §§ 281 Abs. 2 und 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung gemäß § 635 Abs. 3 verweigert oder wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen oder dem Besteller unzumutbar ist. § 637 (Selbstvornahme) (1) Der Besteller kann wegen eines Mangels des Werkes nach erfolglosem Ablauf einer von ihm zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn nicht der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert. (2) § 323 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. Der Bestimmung einer Frist bedarf es auch dann nicht, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen oder dem Besteller unzumutbar ist. (3) Der Besteller kann von dem Unternehmer für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen Vorschuss verlangen. § 638 (Minderung) (1) Statt zurückzutreten kann der Besteller die Vergütung durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer mindern. Der Ausschlussgrund des § 323 Abs. 5 Satz 2 findet keine Anwendung. (2) Sind auf der Seite des Bestellers oder auf der Seite des Unternehmers mehrere beteiligt, so kann die Minderung nur von allen oder gegen alle erklärt werden. (3) Bei der Minderung ist die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zurzeit des Vertragsschlusses der Wert des Werks in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. (4) Hat der Besteller mehr als die geminderte Vergütung gezahlt, so ist der Mehrbetrag vom Unternehmer zu erstatten. § 346 Abs. 1 und § 347 Abs. 1 finden entsprechende Anwendung. § 639 (Haftungsausschluss) Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Bestellers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Unternehmer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit des Werkes übernommen hat. § 640 (Abnahme) (1) Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Wegen unwe-
196 sentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist. (2) Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk gemäß Abs. 1 Satz 1 ab, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in § 634 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Rechte nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält. § 641 (Fälligkeit der Vergütung) (1) Die Vergütung ist bei der Abnahme des Werkes zu entrichten. Ist das Werk in Teilen abzunehmen und die Vergütung für die einzelnen Teile bestimmt, so ist die Vergütung für jeden Teil bei dessen Abnahme zu entrichten. (2) Die Vergütung des Unternehmens für ein Werk, dessen Herstellung der Besteller einem Dritten versprochen hat, wird spätestens fällig, wenn und soweit der Besteller von dem Dritten für das versprochene Werk wegen dessen Herstellung seine Vergütung oder Teile davon erhalten hat. Hat der Besteller dem Dritten wegen möglicher Mängel des Werkes Sicherheit geleistet, gilt dies nur, wenn der Unternehmer dem Besteller Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. (3) Kann der Besteller die Beseitigung eines Mangels verlangen, so kann er nach der Abnahme die Zahlung eines angemessenen Teiles der Vergütung verweigern, mindestens in Höhe des Dreifachen der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten. (4) Eine in Geld festgesetzte Vergütung hat der Besteller von der Abnahme des Werkes an zu verzinsen, sofern nicht die Vergütung gestundet ist. § 644 (Gefahrtragung) (1) Der Unternehmer trägt die Gefahr bis zur Abnahme des Werkes. Kommt der Besteller in Verzug der Annahme, so geht die Gefahr auf ihn über. Für den zufälligen Untergang und eine zufällige Verschlechterung des von dem Besteller gelieferten Stoffes ist der Unternehmer nicht verantwortlich. (2) Versendet der Unternehmer das Werk auf Verlangen des Bestellers nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort, so findet die für den Kauf geltende Vorschrift des § 447 entsprechende Anwendung. § 645 (Verantwortlichkeit des Bestellers) (1) Ist das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden, ohne dass ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat, so kann der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen. Das Gleiche gilt, wenn der Vertrag in Gemäßheit des § 643 aufgehoben wird. (2) Eine weitergehende Haftung des Bestellers wegen Verschuldens bleibt unberührt.
Info-Teil Auslobung § 657 (Bindendes Versprechen) Wer durch öffentliche Bekanntmachung eine Belohnung für die Vornahme einer Handlung, insbesondere für die Herbeiführung eines Erfolges aussetzt, ist verpflichtet, die Belohnung demjenigen zu entrichten, welcher die Handlung vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit Rücksicht auf die Auslobung gehandelt hat. § 662 (Vertragstypische Pflichten beim Auftrag) Durch die Annahme eines Auftrags verpflichtet sich der Beauftragte, ein ihm von dem Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen. § 663 (Anzeigepflicht bei Ablehnung) Wer zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich bestellt ist oder sich öffentlich erboten hat, ist, wenn er einen auf solche Geschäfte gerichteten Auftrag nicht annimmt, verpflichtet, die Ablehnung dem Auftraggeber unverzüglich anzuzeigen. Das gleiche gilt, wenn sich jemand dem Auftraggeber gegenüber zur Besorgung gewisser Geschäfte erboten hat. § 672 (Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Auftragsgebers) Der Auftrag erlischt im Zweifel nicht durch den Tod oder den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Auftraggebers. Erlischt der Auftrag, so hat der Beauftragte, wenn mit dem Aufschube Gefahr verbunden ist, die Besorgung des übertragenden Geschäfts fortzusetzen, bis der Erbe oder der gesetzliche Vertreter des Auftraggebers anderweit Fürsorge treffen kann; der Auftrag gilt in soweit als fortbestehend. Geschäftsbesorgungsvertrag Allgemeines § 675 (Entgeltliche Geschäftsbesorgung) (1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden ... die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 und 674 ... entsprechende Anwendung. Gesellschaft § 705 (Inhalt des Gesellschaftsvertrages) Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten. § 708 (Haftung der Gesellschafter) Ein Gesellschafter hat bei der Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. § 765 (Vertragstypische Pflichten bei der Bürgschaft) (1) Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. § 766 (Schriftform der Bürgschaftserklärung) Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags ist schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. ... Ungerechtfertigte Bereicherung § 812 (Herausgabeanspruch) (1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
BGB Bürgerliches Gesetzbuch (2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses. Unerlaubte Handlungen § 823 (Schadensersatzpflicht) (1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Sachenrecht § 854 (Besitzerwerb) (1) Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben. (2) Die Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum Erwerbe, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben. § 868 (Mittelbarer Besitz) Besitzt jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnisse, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitze berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der andere Besitzer (mittelbarer Besitz). Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken § 873 (Erwerb durch Einigung und Eintragung) (1) Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstücke, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Rechte sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechtes ist die Einigung des Berechtigten und des anderen Teiles über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich ... (2) Vor der Eintragung sind die Beteiligten an die Eintragung nur gebunden, wenn die Erklärungen notariell beurkundet oder vor dem Grundbuchamt abgegeben oder bei diesem eingereicht sind oder wenn der Berechtigte dem anderen Teile eine den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt hat. § 876 (Aufhebung eines belasteten Rechtes) Ist ein Recht an einem Grundstücke mit dem Rechte eines Dritten belastet, so ist zur Aufhebung des belasteten Rechtes die Zustimmung des Dritten erforderlich. ... Die Zustimmung ist dem Grundbuchamt ... zu erklären ... Inhalt des Eigentums § 903 (Befugnisse des Eigentümers) Der Eigentümer einer Sache kann ... mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen ... Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken § 925 (Auflassung) (1) Die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach § 873 erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers (Auflassung) muss bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle geklärt werden. Zur Entgegennahme der Auflassung ist ... jeder Notar zuständig. ... § 925 a (Urkunde über Grundgeschäft) Die Erklärung einer Auflassung soll nur entgegengenommen werden, wenn die nach § 313 Satz 1 erforderliche Urkunde über den Vertrag vorgelegt oder gleichzeitig errichtet wird.
197 § 929 (Einigung und Übergabe bei Eigentumsübergang) Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. Ist der Erwerber im Besitze der Sache, so genügt die Einigung über den Übergang des Eigentums. § 930 (Besitzkonstitut) Ist der Eigentümer im Besitze der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass zwischen ihm und dem Erwerber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt. § 931 (Abtretung des Herausgabeanspruchs) Ist ein Dritter im Besitze der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass der Eigentümer dem Erwerber den Anspruch auf Herausgabe der Sache abtritt. § 932 (Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten) (1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht im guten Glauben ist. ... (2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. § 933 (Gutgläubiger Erwerb bei Besitzkonstitut) Gehört eine nach § 930 veräußerte Sache nicht dem Veräußerer, so wird der Erwerber Eigentümer, wenn ihm die Sache von dem Veräußerer übergeben wird, es sei denn, dass er zu dieser Zeit nicht in gutem Glauben ist. § 935 (Kein gutgläubiger Erwerb von abhanden gekommenen Sachen) (1) Der Erwerb des Eigentums auf Grund der §§ 932 bis 934 trifft nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war. Das Gleiche gilt, falls der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem Besitzer abhanden gekommen war. (2) Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Geld oder Inhaberpapiere sowie auf Sachen, die im Wege öffentlicher Versteigerung veräußert werden. Fund § 965 (Anzeigepflicht des Finders) (1) Wer eine verlorene Sache findet und an sich nimmt, hat dem Verlierer oder dem Eigentümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten unverzüglich Anzeige zu machen. (2) Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht …, so hat er den Fund und die Umstände, welche für die Ermittlung des Empfangsberechtigten erheblich sein können, unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen. Ist die Sache nicht mehr als 10 EUR wert, so bedarf es der Anzeige nicht. § 966 (Verwahrungspflicht) (1) Der Finder ist zur Verwahrung der Sache verpflichtet. § 967 (Ablieferungspflicht) Der Finder ist berechtigt und auf Anordnung der zuständigen Behörde verpflichtet, die Sache oder den Versteigerungserlös an die zuständige Behörde abzuliefern.
198 § 970 (Ersatz von Aufwendungen) Macht der Finder zum Zwecke der Verwahrung oder Erhaltung der Sache oder zum Zwecke der Ermittlung des Empfangsberechtigten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so kann er von dem Empfangsberechtigten Ersatz verlangen. § 971 (Finderlohn) (1) Der Finder kann von dem Empfangsberechtigten einen Finderlohn verlangen. Der Finderlohn beträgt von dem Werte der Sache bis zu 500 EUR 5 vom Hundert, von dem Mehrwert 3 vom Hundert, bei Tieren 3 vom Hundert. Hat die Sache nur für den Empfangsberechtigten einen Wert, so ist der Finderlohn nach billigem Ermessen zu bestimmen. § 973 (Eigentumserwerb des Finders) (1) Mit dem Ablauf von sechs Monaten nach der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde erwirbt der Finder das Eigentum an der Sache, es sei denn, dass vorher ein Empfangsberechtigter dem Finder bekannt geworden ist oder sein Recht bei der zuständigen Behörde angemeldet hat. Mit dem Erwerb des Eigentums erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache. (2) Ist die Sache nicht mehr als 10 EUR wert, so beginnt die sechsmonatige Frist mit dem Fund. … Vertragliches Güterrecht § 1626 (Elterliche Sorge; ...) (1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). § 1626 a (Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern) (1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge dann gemeinsam zu, wenn sie 1. erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen), oder 2. einander heiraten. (2) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge. § 1628 (Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern) Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sor-
Info-Teil ge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden. § 1629 (Vertretung des Kindes) (1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder der ihm die Entscheidung nach § 1628 Abs. 1 übertragen ist. ... § 1643 (Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte) (1) Zu Rechtsgeschäften für das Kind bedürfen die Eltern der Genehmigung des Familiengerichts in den Fällen, in denen nach § 1821 und § 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 ein Vormund der Genehmigung bedarf. § 1680 (Tod eines Elternteils; Entziehung der elterlichen Sorge) (1) Stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu und ist ein Elternteil gestorben, so steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu. Vormundschaft über Minderjährige § 1773 (Voraussetzungen) (1) Ein Minderjähriger erhält einen Vormund, wenn er nicht unter elterlicher Sorge steht oder wenn die Eltern weder in den die Person noch in den das Vermögen betreffenden Angelegenheiten zur Vertretung des Minderjährigen berechtigt sind. § 1789 (Bestellung durch das Vormundschaftsgericht) Der Vormund wird von dem Vormundschaftsgerichte durch Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung der Vormundschaft bestellt. ... § 1791 (Bestallungsurkunde) (1) Der Vormund erhält eine Bestallung. (2) Die Bestallung soll enthalten denn Namen und die Zeit der Geburt des Mündels, die Namen des Vormunds, des Gegenvormunds und der Mitvormünder sowie im Falle der Teilung der Vormundschaft die Art der Teilung.
BUrlG Bundesurlaubsgesetz § 1 Urlaubsanspruch Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. § 2 Geltungsbereich Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. ... § 3 Dauer des Urlaubs (1) Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage. (2) Als Werktage gelten alle Kalendertage, die nicht Sonnoder gesetzliche Feiertage sind. § 4 Wartezeit Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach 6-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben.
§ 5 Teilurlaub (1) Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer a) für Zeiten eines Kalenderjahres, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt; b) wenn er vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet; c) wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
EntgeltfortzahlungsG (2) Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden. (3) Hat der Arbeitnehmer im Falle des Absatzes 1 Buchstabe c bereits Urlaub über den ihm zustehenden Umfang hinaus erhalten, so kann das dafür gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden. § 6 Ausschluss von Doppelansprüchen (1) Der Anspruch auf Urlaub besteht nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. (2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub auszuhändigen. § 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs (1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluss an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt. (2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, dass dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als 12 Werktagen, so muss einer der Urlaubsteile mindestens 12 aufeinander folgende Werktage umfassen.
199 (3) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. ... (4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten. § 8 Erwerbstätigkeit während des Urlaubs Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. § 9 Erkrankung während des Urlaubs Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. § 10 Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation dürfen nicht auf den Urlaub angerechnet werden, soweit ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht. § 11 Urlaubsentgelt (1) Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. ... (2) Das Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen.
EntgeltfortzahlungsG Entgeltfortzahlungsgesetz § 1 Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz regelt die Zahlung des Arbeitsentgelts an gesetzlichen Feiertagen und die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall an Arbeitnehmer ... (2) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. § 2 Entgeltzahlung an Feiertagen (1) Für Arbeitszeit, die in Folge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. (3) Arbeitnehmer, die am letzten Arbeitstag vor oder am letzten Arbeitstag nach Feiertagen unentschuldigt der Arbeit fernbleiben, haben keinen Anspruch auf Bezahlung für diese Feiertage. § 3 Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 6 Wochen. Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Ar-
beitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens 6 Wochen nicht, wenn 1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens 6 Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder 2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von 12 Monaten abgelaufen ist. (3) Der Anspruch nach Absatz 1 entsteht nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses. § 4 Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts (1) Für den in § 3 Abs. 1 bezeichneten Zeitraum ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. (4) Durch Tarifvertrag kann eine von den Absätzen 1 ... abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. ... § 4 a Kürzung von Sondervergütungen Eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen) ist auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeits-
200 entgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten. § 5 Anzeige- und Nachweispflichten (1) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Ist der Arbeitnehmer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird. (2) Hält sich der Arbeitnehmer bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland auf, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitzuteilen. Die durch die Mitteilung entstehenden Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen. Darüber hinaus ist der Arbeitnehmer, wenn er Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, verpflichtet, auch dieser die
Info-Teil Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als angezeigt, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet, der gesetzlichen Krankenkasse die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen. ... Kehrt ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer in das Inland zurück, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber und der Krankenkasse seine Rückkehr unverzüglich anzuzeigen. § 7 Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers (1) Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern, 1. solange der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt oder den ihm nach § 5 Abs. 2 obliegenden Verpflichtungen nicht nachkommt; (2) Abs. 1 gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer die Verletzung dieser ihm obliegenden Verpflichtungen nicht zu vertreten hat. § 8 Beendigung des Arbeitsverhältnisses (1) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts wird nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt. ... (2) Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in § 3 Abs. 1 bezeichneten Zeit nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, ohne dass es einer Kündigung bedarf, oder infolge einer Kündigung aus anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Gründen, so endet der Anspruch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.
GewO Gewerbeordnung § 105 (Freie Gestaltung des Arbeitsvertrages) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Abschluss, Inhalt und Form des Arbeitsvertrages frei vereinbaren, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen. Soweit die Vertragsbedingungen wesentlich sind, richtet sich ihr Nachweis nach den Bestimmungen des Nachweisgesetzes. § 106 (Weisungsrecht des Arbeitgebers) Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. § 107 (Berechnung und Zahlung des Arbeitsentgelts) (1) Das Arbeitsentgelt ist in Euro zu berechnen und auszuzahlen. (2) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer keine Waren auf Kredit überlassen. Er darf ihm nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt ü-
berlassen, wenn die Anrechnung zu den durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt. Die geleisteten Gegenstände müssen mittlerer Art und Güte sein, soweit nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen worden ist. Der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt darf die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen. (3) Die Zahlung eines regelmäßigen Arbeitsentgelts kann nicht für die Fälle ausgeschlossen werden, in denen der Arbeitnehmer für seine Tätigkeit von Dritten ein Trinkgeld erhält. Trinkgeld ist ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt. § 108 (Abrechnung des Arbeitsentgelts) (1) Dem Arbeitnehmer ist bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Die Abrechnung muss mindestens Angaben über Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstigen Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse erforderlich. (2) Die Verpflichtung zur Abrechnung entfällt, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben.
GmbH-Gesetz § 109 (Zeugnis) (1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. (2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die
201 den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer betreffen. (3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen. § 110 (Wettbewerbsverbot) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Vereinbarung beschränken (Wettbewerbsverbot). …
GG Grundgesetz Artikel 2 (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. Artikel 3 (Gleichheit vor dem Gesetz) (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Artikel 6 (Ehe, Familie, nicht eheliche Kinder) (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. (4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
Artikel 9 (Vereinigungsfreiheit) (1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (3) Das Recht zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig. Hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12 a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87 a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden. Artikel 12 (Berufsfreiheit; ...) (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Artikel 14 (Eigentum, Erbrecht und Enteignung) (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
GmbH-Gesetz § 4 Firma Die Firma der Gesellschaft muss ... die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ ... enthalten. § 5 Stammkapital (1) Das Stammkapital der Gesellschaft muss mindestens 25.000 Euro ... betragen. § 6 Geschäftsführer (1) Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. (2) Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. § 7 Anmeldung (1) Die Gesellschaft ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
§ 11 Rechtszustand vor der Eintragung (1) Vor der Eintragung in das Handelsregister ... besteht die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht. (2) Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. § 13 Juristische Person; Handelsgesellschaft (1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbstständig ihre Recht und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. (2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen. (3) Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs.
202 § 35 Vertretung durch Geschäftsführer (1) Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführung gerichtlich und außergerichtlich vertreten. § 37 Beschränkung der Vertretungsbefugnis (1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den
Info-Teil Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind.
GWB Kartellgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen § 1 (Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen) Vereinbarungen zwischen stehenden Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten. § 2 (Freigestellte Vereinbarungen) (1) Vom Verbot des § 1 freigestellt sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass den beteiligten Unternehmen 1. Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder 2. Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten. § 3 (Mittelstandskartelle) (1) Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zum Gegenstand haben, erfüllen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1, wenn 1. dadurch der Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt wird und 2. die Vereinbarung oder der Beschluss dazu dient, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern. Marktbeherrschung, wettbewerbsbeschränkendes Verhalten § 19 (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) (1) Durch die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten. (2) Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen 1. ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder 2. eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat; hierbei sind insbesondere sein Marktanteil, seine Finanzkraft, sein Zugang zu
den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, Verflechtungen mit anderen Unternehmen, rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, der tatsächliche oder potentielle Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ansässige Unternehmen, die Fähigkeit, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen, sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen, zu berücksichtigen. Zwei oder mehr Unternehmen sind marktbeherrschend, soweit zwischen ihnen für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein wesentlicher Wettbewerb nicht besteht und soweit sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllen. Der räumliche relevante Markt im Sinne dieses Gesetzes kann weiter sein als der Geltungsbereich dieses Gesetzes. (3) Es wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat. Eine Gesamtheit von Unternehmen gilt als marktbeherrschend, wenn sie 1. aus drei oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von 50 vom Hundert erreichen, oder 2. aus 5 oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen, es sei denn, die Unternehmen weisen nach, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat. (4) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen 1. die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb auf dem Markt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt; 2. Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen; 3. ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleich-
GWB Kartellgesetz artigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist; 4. sich weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen auf rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden; dies gilt nicht, wenn das marktbeherrschende Unternehmen nachweist, dass die Mitbenutzung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. § 20 (Diskriminierungsverbot, Verbot unbilliger Behinderung) (1) Marktbeherrschende Unternehmen, Vereinigungen von Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Abs. 1 … und Unternehmen, die Preise nach § 28 Abs. 2 oder § 30 Abs. 1 Satz 1 binden, dürfen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigtem Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln. § 21 (Boykottverbot, Verbot sonstigen wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens) (1) Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen dürfen nicht ein anderes Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefersperren oder Bezugssperren auffordern. Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts § 22 (Verhältnis dieses Gesetzes zu den Artikeln 81 und 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) (1) Auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen … im Sinne des Artikels 81 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft im Sinne dieser Bestimmung beeinträchtigen können, können auch die Vorschriften dieses Gesetzes angewandt werden. … Wettbewerbsregeln § 24 (Begriff, Antrag auf Anerkennung) (1) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen können für ihren Bereich Wettbewerbsregeln aufstellen. (2) Wettbewerbsregeln sind Bestimmungen, die das Verhalten von Unternehmen im Wettbewerb regeln zu dem Zweck, einem den Grundsätzen des lauteren oder der Wirksamkeit eines leistungsgerechten Wettbewerbs zuwiderlaufenden Verhalten im Wettbewerb entgegenzuwirken und ein diesen Grundsätzen entsprechendes Verhalten im Wettbewerb anzuregen. Befugnisse der Kartellbehörden, Sanktionen § 32 (Abstellung und nachträgliche Feststellung von Zuwiderhandlungen) (1) Die Kartellbehörde kann Unternehmen … verpflichten, eine Zuwiderhandlung gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der EG abzustellen.
203 § 32e (Untersuchungen einzelner Wirtschaftszweige und einzelner Arten von Vereinbarungen) (1) Lassen starre Preise oder andere Umstände vermuten, dass der Wettbewerb im Inland möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht ist, können das Bundeskartellamt und die obersten Landesbehörden die Untersuchung eines bestimmten Wirtschaftszweiges oder … einer bestimmten Art von Vereinbarungen durchführen. § 34 (Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörde) (1) Hat ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes … oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstoßen und dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, kann die Kartellbehörde die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils anordnen und dem Unternehmen die Zahlung eines entsprechenden Geldbetrags auferlegen. § 35 (Geltungsbereich der Zusammenschlusskontrolle) (1) Die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle finden Anwendung, wenn im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluss 1. die beteiligten Unternehmen insgesamt weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro und 2. mindestens ein beteiligtes Unternehmen im Inland Umsatzerlöse von mehr als 25 Millionen Euro erzielt haben. § 36 (Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen) (1) Ein Zusammenschluss, von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen, es sei denn, die beteiligten Unternehmen weisen nach, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und dass diese Verbesserungen die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen. § 37 (Zusammenschluss) (1) Ein Zusammenschluss liegt in folgenden Fällen vor: 1. Erwerb des Vermögens eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil; 2. Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle durch einen oder mehrere Unternehmen über die Gesamtheit oder Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen. Die Kontrolle wird durch Rechte, Verträge oder anderer Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch a) Eigentums- oder Nutzungsrechte an einer Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens, b) Rechte oder Verträge, die einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung, die Beratungen oder Beschlüsse der Organe des Unternehmens gewähren; 3. Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen, wenn die Anteile allein oder zusammen mit sonstigen, dem Unternehmen bereits gehörenden Anteilen a) 50 vom Hundert oder b) 25 vom Hundert
204 des Kapitals oder der Stimmrechte des anderen Unternehmens erreichen. Zu den Anteilen, die dem Unternehmen gehören, rechnen auch die Anteile, die einem anderen für Rechnung dieses Unternehmens gehören … § 39 (Anmelde- und Anzeigepflicht) (1) Zusammenschlüsse sind vor dem Vollzug beim Bundeskartellamt gemäß den Absätzen 2 und 3 Anzumelden. § 40 (Verfahren der Zusammenschlusskontrolle) (1) Das Bundeskartellamt darf einen Zusammenschluss, der ihm angemeldet worden ist, nur untersagen, wenn es den anmeldenden Unternehmen innerhalb einer Frist von einem Monat seit Eingang der vollständigen Anmeldung mitteilt, dass es in die Prüfung des Zusammenschlusses (Hauptprüfverfahren) eingetreten ist. Das Hauptprüfverfahren soll eingeleitet werden, wenn eine weitere Prüfung des Zusammenschlusses erforderlich ist. (2) Im Hauptprüfverfahren entscheidet das Bundeskartellamt durch Verfügung, ob der Zusammenschluss untersagt oder freigegeben wird. Wird die Verfügung nicht innerhalb von vier Monaten nach Eingang der vollständigen Anmeldung den anmeldenden Unternehmen zugestellt, gilt der Zusammenschluss als freigegeben. … (3) Die Freigabe kann mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden … (3a) Die Freigabe kann widerrufen oder geändert werden, wenn sie auf unrichtigen Angaben beruht … § 41(Vollzugsverbot, Entflechtung) (3) Ein vollzogener Zusammenschluss, der die Untersagungsvoraussetzungen nach § 36 Abs. 1 erfüllt, ist aufzulösen, wenn nicht der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie nach § 42 die Erlaubnis zu dem Zusammenschluss erteilt. … § 42 (Ministererlaubnis) (1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie erteilt auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Hierbei ist auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Märkten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn durch das Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet wird. (2) Die Erlaubnis kann mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. …
Info-Teil (3) Der Antrag ist innerhalb einer Frist von einem Monat seit Zustellung der Untersagung beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie schriftlich zu stellen. … (4) Der Bundesminister … soll über den Antrag innerhalb von vier Monaten entscheiden. Vor der Entscheidung ist eine Stellungnahme der Monopolkommission einzuholen und den obersten Landesbehörden, in deren Gebiet die beteiligten Unternehmen ihren Sitz haben, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Monopolkommission § 44 (Aufgaben) (1) Die Monopolkommission erstellt alle zwei Jahre ein Gutachten, in dem sie den Stand und die absehbare Entwicklung der Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland beurteilt, die Anwendung der Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle würdigt sowie zu sonstigen aktuellen wettbewerbspolitischen Fragen Stellung nimmt. Das Gutachten soll die Verhältnisse in den letzten beiden abgeschlossenen Kalenderjahren einbeziehen und bis zum 30. Juni des darauf folgenden Jahres abgeschlossen sein. Die Bundesregierung kann die Monopolkommission mit der Erstattung zusätzlicher Gutachten beauftragen. Darüber hinaus kann die Monopolkommission nach ihrem Ermessen Gutachten erstellen. (2) Die Monopolkommission ist nur an den durch dieses Gesetz begründeten Auftrag gebunden und in ihrer Tätigkeit unabhängig. Vertritt eine Minderheit bei der Abfassung der Gutachten eine abweichende Auffassung, so kann sie diese in dem Gutachten zum Ausdruck bringen. § 45 (Mitglieder) (1) Die Monopolkommission besteht aus 5 Mitgliedern, die über besondere volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche, sozialpolitische, technologische oder wirtschaftsrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügen müssen. Die Monopolkommission wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden. (2) Die Mitglieder der Monopolkommission werden auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten für die Dauer von 4 Jahren berufen. … (3) Die Mitglieder der Monopolkommission dürfen weder der Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch dem öffentlichen Dienst des Bundes, eines Landes oder einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts, es sei denn als Hochschullehrer …, angehören. Ferner dürfen sie weder einen Wirtschaftsverband noch eine Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisation repräsentieren oder zu diesen in einem ständigen Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis stehen. …
HGB Handelsgesetzbuch § 10 Bekanntmachung der Eintragung im Handelsregister (1) Das Gericht hat die Eintragungen in das Handelsregister durch den Bundesanzeiger und durch mindestens ein anderes Blatt bekannt zu machen. ... § 12 Anmeldung; Zeichnung von Unterschriften ... (1) Die Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister ... sind in öffentlich beglaubigter Form einzureichen.
§ 48 Erteilung der Prokura; Gesamtprokura (1) Die Prokura kann nur von dem Inhaber des Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter und nur mittels ausdrücklicher Erklärung erteilt werden. (2) Die Erteilung kann an mehrere Personen gemeinschaftlich erfolgen (Gesamtprokura).
HGB Handelsgesetzbuch § 49 Umfang der Prokura (1) Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. (2) Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist. § 50 Beschränkung des Umfangs (1) Eine Beschränkung des Umfangs der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam. § 52 Widerruflichkeit; Unübertragbarkeit ... (1) Die Prokura ist ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrundeliegende Rechtsverhältnis jederzeit widerruflich ... (2) Die Prokura ist nicht übertragbar. § 53 Anmeldung der Erteilung und des Erlöschens; Zeichnung des Prokuristen (1) Die Erteilung der Prokura ist von dem Inhaber des Handelsgeschäfts zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Das Erlöschen der Prokura ist in gleicher Weise wie die Erteilung zur Eintragung anzumelden. § 54 Handlungsvollmacht (1) Ist jemand ohne Erteilung der Prokura zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt, so erstreckt sich die Vollmacht (Handlungsvollmacht) auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. (2) Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung ist der Handlungsbevollmächtigte nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist. § 59 Handelsgehilfe Wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist (Handelsgehilfe), hat, soweit nicht besondere Vereinbarungen über die Art und den Umfang seiner Dienstleistungen oder über die ihm zukommende Vergütung getroffen sind, die dem Ortsgebrauch entsprechenden Dienste zu leisten sowie die dem Ortsgebrauch entsprechende Vergütung zu beanspruchen. ... § 62 Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (1) Der Prinzipal ist verpflichtet, die Geschäftsräume und die für den Geschäftsbetrieb bestimmten Vorrichtungen und Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten, auch den Geschäftsbetrieb und die Arbeitszeit so zu regeln, dass der Handlungsgehilfe gegen eine Gefährdung seiner Gesundheit, soweit die Natur des Betriebes es gestattet, geschützt und die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes gesichert ist. Offene Handelsgesellschaft § 105 Begriff der OHG; Anwendbarkeit des BGB (1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine offene Handelsgesellschaft, wenn bei keinem der
205 Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist. § 106 Anmeldung zum Handelsregister (1) Die Gesellschaft ist bei dem Gericht, in dessen Bezirke sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. § 109 Gesellschaftsvertrag Das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander richtet sich zunächst nach dem Gesellschaftsvertrage ... § 115 Geschäftsführung durch mehrere Gesellschafter (1) Steht die Geschäftsführung allen oder mehreren Gesellschaftern zu, so ist jeder von ihnen allein zu handeln berechtigt; widerspricht jedoch ein anderer geschäftsführender Gesellschafter der Vornahme einer Handlung, so muss diese unterbleiben. § 116 Umfang der Geschäftsführungsbefugnis (1) Die Befugnis zur Geschäftsführung erstreckt sich auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. § 123 Wirksamkeit im Verhältnis zu Dritten (1) Die Wirksamkeit der offenen Handelsgesellschaft tritt im Verhältnis zu Dritten mit dem Zeitpunkt ein, in welchem die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wird. § 124 Rechtliche Selbständigkeit; Zwangsvollstreckung in Gesellschaftsvermögen (1) Die OHG kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. (2) Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ist ein gegen die Gesellschaft gerichteter vollstreckbarer Schuldtitel erforderlich. § 125 Vertretung der Gesellschaft (1) Zur Vertretung der Gesellschaft ist jeder Gesellschafter ermächtigt, wenn er nicht durch den Gesellschaftsvertrag von der Vertretung ausgeschlossen ist. Kommanditgesellschaft § 161 Begriff der KG ... (1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine Kommanditgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teile der Gesellschafter eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet (persönlich haftende Gesellschafter). (2) Soweit nicht in diesem Abschnitt ein anderes vorgeschrieben ist, finden auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung. § 164 Geschäftsführung Die Kommanditisten sind von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen ... § 170 Vertretung der KG Der Kommanditist ist zur Vertretung der Gesellschaft nicht ermächtigt.
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JArbSchG Jugendarbeitsschutzgesetz Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend § 1 Geltungsbereich. (1) Dieses Gesetz gilt für die Beschäftigung von Personen, die noch nicht 18 Jahre alt sind, 1. in der Berufsausbildung, 2. als Arbeitnehmer ... § 2 Kind, Jugendlicher (1) Kind im Sinne dieses Gesetzes ist, wer noch nicht 15 Jahre alt ist. (2) Jugendlicher im Sinne dieses Gesetzes ist, wer 15, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. § 4 Arbeitszeit (1) Tägliche Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der täglichen Beschäftigung ohne die Ruhepausen. § 5 Verbot der Beschäftigung von Kindern (1) Die Beschäftigung von Kindern ist verboten. (2) Das Verbot des Absatzes 1 gilt nicht für die Beschäftigung von Kindern 2. im Rahmen des Betriebspraktikums während der Vollzeitschulpflicht ... (3) Das Verbot des Absatzes 1 gilt ferner nicht für die Beschäftigung von Kindern über 13 Jahre mit Einwilligung des Personensorgeberechtigten, soweit die Beschäftigung leicht und für Kinder geeignet ist. Die Beschäftigung ist leicht, wenn sie auf Grund und ihrer Beschaffenheit und der besonderen Bedingungen, unter denen sie ausgeführt wird, 1. die Sicherheit, Gesundheit und Entwicklung der Kinder, 2. ihren Schulbesuch, ihre Beteiligung an Maßnahmen zur Berufswahlvorbereitung oder Berufsausbildung, die von der zuständigen Stelle anerkannt sind, und 3. ihre Fähigkeit, dem Unterricht mit Nutzen zu folgen, nicht nachteilig beeinflusst. Die Kinder dürfen nicht mehr als zwei Stunden täglich ... nicht zwischen 18 und 8 Uhr, nicht vor dem Schulunterricht und nicht während des Schulunterrichts beschäftigt werden. ... (4) Das Verbot des Absatzes 1 gilt ferner nicht für die Beschäftigung von Jugendlichen während der Schulferien für höchstens 4 Wochen im Kalenderjahr. ... § 7 Beschäftigung von nicht vollzeitschulpflichtigen Kindern Kinder, die der Vollzeitschulpflicht nicht mehr unterliegen, dürfen 1. im Berufsausbildungsverhältnis ... beschäftigt werden. Beschäftigung Jugendlicher § 8 Dauer der Arbeitszeit (1) Jugendliche dürfen nicht mehr als 8 Stunden täglich und nicht mehr als 40 Stunden wöchentlich beschäftigt werden. § 9 Berufsschule (1) Der Arbeitgeber hat den Jugendlichen für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freizustellen. Er darf den Jugendlichen nicht beschäftigen
1.
vor einem vor 9 Uhr beginnenden Unterricht; dies gilt auch für Personen, die über 18 Jahre alt und noch berufsschulpflichtig sind, 2. an einem Berufsschultag mit mehr als 5 Wochenstunden von mindestens je 45 Minuten, einmal in der Woche, 3. in Berufsschulwochen mit einem planmäßigen Blockunterricht von mindestens 25 Stunden an mindestens 5 Tagen; zusätzliche betriebliche Ausbildungsveranstaltungen bis zu 2 Stunden wöchentlich sind zulässig. (2) Auf die Arbeitszeit werden angerechnet 1. Berufsschultage nach Abs. 1 Nr. 2 mit 8 Stunden, 2. Berufsschulwochen nach Abs. 1 Nr. 3 mit 40 Stunden, 3. im Übrigen die Unterrichtszeit einschließlich der Pausen. (3) Ein Entgeltausfall darf durch den Besuch der Berufsschule nicht eintreten. § 10 Prüfungen und außerbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen (1) Der Arbeitgeber hat den Jugendlichen 1. für die Teilnahme an Prüfungen und Ausbildungsmaßnahmen, ... 2. an dem Arbeitstag, der der schriftlichen Abschlussprüfung unmittelbar vorangeht, freizustellen. § 11 Ruhepausen, Aufenthaltsräume (1) Jugendlichen müssen im Voraus feststehende Ruhepausen von angemessener Dauer gewährt werden. Die Ruhepausen müssen mindestens betragen 1. 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als 4 ½ bis zu 6 Stunden, 2. 60 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden. Als Ruhepause gilt nur eine Arbeitsunterbrechung von mindestens 15 Minuten. (2) Die Ruhepausen müssen in angemessener zeitlicher Lage gewährt werden, frühestens eine Stunde nach Beginn und spätestens eine Stunde vor Ende der Arbeitszeit. Länger als 4 ½ Stunden hintereinander dürfen Jugendliche nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden. § 12 Schichtzeit Bei der Beschäftigung Jugendlicher darf die Schichtzeit (§ 4 Abs. 2) 10 Stunden, … im Gaststättengewerbe, in der Landwirtschaft, … auf Bau- und Montagestellen 11 Stunden nicht überschreiten. § 13 Tägliche Freizeit Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit dürfen Jugendliche nicht vor Ablauf einer ununterbrochenen Freizeit von mindestens 12 Stunden beschäftigt werden. § 14 Nachtruhe (1) Jugendliche dürfen nur in der Zeit von 6 bis 20 Uhr beschäftigt werden. (2) Jugendliche über 16 Jahre dürfen 1. im Gaststätten- und Schaustellergewerbe bis 22 Uhr, 4. in Bäckereien und Konditoreien ab 5 Uhr
JArbSchG Jugendarbeitsschutzgesetz beschäftigt werden. (3) Jugendliche über 17 Jahre dürfen in Bäckereien ab 4 Uhr beschäftigt werden. § 15 Fünf-Tage-Woche Jugendliche dürfen nur an 5 Tagen in der Woche beschäftigt werden. Die beiden wöchentlichen Ruhetage sollen nach Möglichkeit aufeinander folgen. § 16 Samstagsruhe (1) An Samstagen dürfen Jugendliche nicht beschäftigt werden. (2) Zulässig ist die Beschäftigung Jugendlicher an Samstagen nur 1. in Krankenanstalten sowie in Alten-, Pflege- und Kinderheimen, 2. in offenen Verkaufstellen, in Betrieben mit offenen Verkaufsstellen, in Bäckereien und Konditoreien, im Friseurhandwerk und im Marktverkehr, 3. im Verkehrswesen, 4. in der Landwirtschaft und Tierhaltung, 5. im Familienhaushalt, 6. im Gaststätten- und Schaustellergewerbe, 7. bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen und anderen Aufführungen, bei Aufnahmen im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), auf Ton- und Bildträger sowie bei Film- und Fotoaufnahmen, 8. bei außerbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen, 9. beim Sport, 10. im ärztlichen Notdienst, 11. in Reparaturwerkstätten für Kraftfahrzeuge. Mindestens zwei Samstage im Monat sollen beschäftigungsfrei bleiben. (3) Werden Jugendliche am Samstag beschäftigt, ist ihnen die Fünf-Tage-Woche (§ 15) durch Freistellung an einem anderen berufsschulfreien Arbeitstag derselben Woche sicherzustellen. In Betrieben mit einem Betriebsruhetag in der Woche kann die Freistellung auch an diesem Tage erfolgen, wenn die Jugendlichen an diesem Tage keinen Berufsschulunterricht haben. (4) Können Jugendliche in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 am Samstag nicht acht Stunden beschäftigt werden, kann der Unterschied zwischen der tatsächlichen und der nach § 8 Abs. 1 höchstzulässigen Arbeitszeit an dem Tage bis 13 Uhr ausgeglichen werden, an dem die Jugendlichen nach Absatz 3 Satz 1 freizustellen sind. § 17 Sonntagsruhe (1) An Sonntagen dürfen Jugendliche nicht beschäftigt werden. § 19 Urlaub (1) Der Arbeitgeber hat Jugendlichen für jedes Kalenderjahr einen bezahlten Erholungsurlaub zu gewähren. (2) Der Urlaub beträgt jährlich 1. mindestens 30 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht 16 Jahre alt ist, 2. mindestens 27 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht 17 Jahre alt ist, 3. mindestens 25 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht 18 Jahre alt ist. (3) Der Urlaub soll Berufsschülern in der Zeit der Berufsschulferien gegeben werden. Sofern er nicht in den Berufsschul-
207 ferien gegeben wird, ist für jeden Berufsschultag, an dem die Berufsschule während des Urlaubs besucht wird, ein weiterer Urlaubstag zu gewähren. § 22 Gefährliche Arbeiten (1) Jugendliche dürfen nicht beschäftigt werden 1. mit Arbeiten, die ihre physische oder psychische Leistungsfähigkeit übersteigen, 2. mit Arbeiten, bei denen sie sittlichen Gefahren ausgesetzt sind ... § 23 Akkordarbeit ... (1) Jugendliche dürfen nicht beschäftigt werden 1. mit Akkordarbeit und sonstigen Arbeiten, bei denen durch ein gesteigertes Arbeitstempo ein höheres Entgelt erzielt werden kann ... Sonstige Pflichten des Arbeitgebers § 28 Menschengerechte Gestaltung der Arbeit (1) Der Arbeitgeber hat bei der Einrichtung und der Unterhaltung der Arbeitsstätte ... und bei der Regelung der Beschäftigung die Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen, die zum Schutze der Jugendlichen gegen Gefahren für Leben und Gesundheit sowie zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der körperlichen oder seelisch-geistigen Entwicklung der Jugendlichen erforderlich sind. Hierbei sind das mangelnde Sicherheitsbewußtsein, die mangelnde Erfahrung und der Entwicklungsstand der Jugendlichen zu berücksichtigen und die allgemein anerkannten sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Regeln sowie die sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zu beachten. Gesundheitliche Betreuung § 32 Erstuntersuchung (1) Ein Jugendlicher, der in das Berufsleben eintritt, darf nur beschäftigt werden, wenn 1. er innerhalb der letzten 14 Monate von einem Arzt untersucht worden ist (Erstuntersuchung) und 2. dem Arbeitgeber eine von diesem Arzt ausgestellte Bescheinigung vorliegt. § 33 Erste Nachuntersuchung (1) Ein Jahr nach Aufnahme der ersten Beschäftigung hat sich der Arbeitgeber die Bescheinigung eines Arztes darüber vorlegen zu lassen, dass der Jugendliche nachuntersucht worden ist (erste Nachuntersuchung). Die Nachuntersuchung darf nicht länger als drei Monate zurückliegen ... § 35 (Außerordentliche Nachuntersuchung) (1) Der Arzt soll eine außerordentliche Nachuntersuchung anordnen, wenn eine Untersuchung ergibt, dass 1. … 2. gesundheitliche Schwächen oder Schäden vorhanden sind, 3. die Auswirkungen der Beschäftigung auf die Gesundheit oder Entwicklung des Jugendlichen nicht zu übersehen sind. § 43 Freistellung für Untersuchungen Der Arbeitgeber hat den Jugendlichen für die Durchführungen der ärztlichen Untersuchungen nach diesem Abschnitt freizustellen. ... § 44 Kosten der Untersuchungen Die Kosten der Untersuchungen trägt das Land.
208 § 47 Bekanntgabe des Gesetzes und der Aufsichtsbehörde Arbeitgeber, die regelmäßig mindestens einen Jugendlichen beschäftigen, haben einen Abdruck dieses Gesetzes und die Anschrift der zuständigen Aufsichtsbehörde an geeigneter Stelle im Betrieb zur Einsicht auszulegen oder auszuhändigen. § 51 Aufsichtsbehörde; Besichtigungsrechte und Berichtspflicht (1) Die Aufsicht über die Ausführung dieses Gesetzes ... obliegt der nach Landesrecht zuständigen Behörde (Aufsichtsbehörde). ... (2) Die Beauftragten der Aufsichtsbehörde sind berechtigt, die Arbeitsstätten während der üblichen Betriebs- und Arbeitszeit zu betreten und zu besichtigen ...
Info-Teil § 53 Mitteilung über Verstöße Die Aufsichtsbehörde teilt schwerwiegende Verstöße gegen die Vorschriften dieses Gesetzes ... der nach dem Berufsbildungsgesetz ... zuständigen Stelle mit. Die zuständige Agentur für Arbeit erhält eine Durchschrift dieser Mitteilung. § 58 Bußgeld- und Strafvorschriften (4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 15.000 Euro geahndet werden. (5) Wer vorsätzlich eine ... Handlung begeht und dadurch ein Kind, einen Jugendlichen oder ... eine Person, die noch nicht 21 Jahre alt ist, in ihrer Gesundheit oder Arbeitskraft gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. …
KSchG Kündigungsschutzgesetz § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen (1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. (2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn 1. in Betrieben des privaten Rechts a) die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat ... aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat ... Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen. (3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer sind nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeit-
nehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen. § 3 Kündigungseinspruch Hält der Arbeitnehmer eine Kündigung für sozial ungerechtfertigt, so kann er binnen einer Woche nach der Kündigung Einspruch beim Betriebsrat einlegen. Erachtet der Betriebsrat den Einspruch für begründet, so hat er zu versuchen, eine Verständigung mit dem Arbeitgeber herbeizuführen. Er hat seine Stellungnahme zu dem Einspruch dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber auf Verlangen schriftlich mitzuteilen. § 4 Anrufung des Arbeitsgerichtes Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtigtfertigt ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. ... Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt, so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrates beifügen. ... § 7 Wirksamwerden der Kündigung Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtszeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam … § 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts: Abfindung des Arbeitnehmers (1) Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. … § 10 Höhe der Abfindung (1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen. (2) Hat der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu 15 Monatsverdiensten ... § 15 Unzulässigkeit der Kündigung (1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Ausbildungsvertretung ... ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des
Nachweisgesetz Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung ... innerhalb eines Jahres, ... jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Ein-
209 haltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht. § 23 (Geltungsbereich) (1) … Die Vorschriften des ersten Abschnitts gelten … nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. …
MuSchG – Mutterschutzgesetz § 1 Geltungsbereich Dieses Gesetz gilt 1. für Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen ... § 3 Beschäftigungsverbote für werdende Mütter (1) Werdende Mütter dürfen nicht beschäftigt werden, so weit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. (2) Werdende Mütter dürfen in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigt werden, es sei denn, dass sie sich zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklären; ... § 5 Mitteilungspflicht, ärztliches Zeugnis (1) Werdende Mütter sollen dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag der Entbindung mitteilen, so bald ihnen ihr Zustand bekannt ist. Auf Verlangen des Arbeitgebers sollen sie das Zeugnis eines Arztes vorlegen. § 6 Beschäftigungsverbote nach der Entbindung (1) Wöchnerinnen dürfen bis zum Ablauf von 8 Wochen … nach der Entbindung nicht beschäftigt werden. ... § 7 Stillzeit (1) Stillenden Müttern ist auf ihr Verlangen die zum Stillen erforderliche Zeit, mindestens aber zwei Mal täglich eine halbe Stunde oder einmal täglich eine Stunde frei zu geben... § 8 Mehrarbeit, Nacht- und Sonntagsarbeit (1) Werdende und stillende Mütter dürfen nicht mit Mehrarbeit, nicht in der Nacht zwischen 20 und 6 Uhr und nicht an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden. § 9 Kündigungsverbot (1) Die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird; ... § 10 Erhaltung von Rechten (1) Eine Frau kann während der Schwangerschaft und während der Schutzfrist nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1) das Ar-
beitsverhältnis ohne Einhaltung einer Frist zum Ende der Schutzfrist nach der Entbindung kündigen. § 11 Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten (1) Den unter den Geltungsbereich des § 1 fallenden Frauen ist, so weit sie nicht Mutterschaftsgeld nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung beziehen können, vom Arbeitgeber mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate ... weiter zu gewähren, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots... teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen. § 13 Mutterschaftsgeld (1) Frauen, die Mitglied einer Krankenkasse sind, erhalten für die Zeit der Schutzfristen ... Mutterschaftsgeld nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung .... § 14 Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (1) Frauen, die Anspruch auf Mutterschaftsgeld ... haben, erhalten für die Zeit der Schutzfristen ... sowie für den Entbindungstag von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen 13 EUR und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt... § 15 Sonstige Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft Frauen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, erhalten auch die folgenden Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft ...: 1. ärztliche Betreuung und Hebammenhilfe, 2. Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln, 3. stationäre Entbindung, 4. häusliche Pflege, 5. Haushaltshilfe. § 16 Freizeit für Untersuchungen Der Arbeitgeber hat der Frau die Freizeit zu gewähren, die zur Durchführung der Untersuchungen im Rahmen der Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich ist. Ein Entgeltausfall darf hierdurch nicht eintreten.
Nachweisgesetz Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen § 1 (Anwendungsbereich) Dieses Gesetz gilt für Arbeitnehmer ... § 2 (Nachweispflicht) (1) Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen
Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In der Niederschrift sind mindestens aufzunehmen: 1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, 2. der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
210 3. 4.
5. 6.
Info-Teil bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann, eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prä-
mien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit, 7. die vereinbarte Arbeitszeit, 8. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, 9. die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, 10. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist ausgeschlossen. ...
Sozialgesetzbuch III Arbeitsförderung § 1 (Ziele der Arbeitsförderung) (1) Die Arbeitsförderung soll dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenwirken, die Dauer der Arbeitslosigkeit verkürzen und den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen. Dabei ist insbesondere durch die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist als durchgängiges Prinzip der Arbeitsförderung zu verfolgen. Die Arbeitsförderung soll dazu beitragen, dass ein hoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstruktur ständig verbessert wird. Sie ist so auszurichten, dass sie der beschäftigungspolitischen Zielsetzung der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung entspricht. (2) Die Leistungen der Arbeitsförderung sollen insbesondere 1. die Transparenz auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erhöhen, die berufliche und regionale Mobilität unterstützen und die zügige Besetzung offener Stellen ermöglichen, 2. die individuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Erhalt und Ausbau von Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten fördern, 3. unterwertiger Beschäftigung entgegenwirken und 4. die berufliche Situation von Frauen verbessern, indem sie auf die Beseitigung bestehender Nachteile sowie auf die Überwindung eines geschlechtsspezifisch geprägten Ausbildungs- und Arbeitsmarktes hinwirken und Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen und ihrer relativen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit gefördert werden. § 2 (Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit den Agenturen für Arbeit) (1) Die Agenturen für Arbeit erbringen insbesondere Dienstleistungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, indem sie 1. Arbeitgeber regelmäßig über Ausbildungs- und Arbeitsmarktentwicklungen, Ausbildungssuchende, Fachkräfteangebot und berufliche Bildungsmaßnahmen informieren sowie auf den Betrieb zugeschnittene Arbeitsmarktberatung und Vermittlung anbieten und 2. Arbeitnehmer zur Vorbereitung der Berufswahl und zur Erschließung ihrer beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten beraten, Vermittlungsangebote zur Ausbildungs- oder Arbeitsaufnahme entsprechend ihren Fä-
higkeiten unterbreiten sowie sonstige Leistungen der Arbeitsförderung erbringen. (2) Die Arbeitgeber haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf die Beschäftigung der Arbeitnehmer und von Arbeitslosen und damit die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung einzubeziehen. Sie sollen dabei insbesondere 1. im Rahmen ihrer Mitverantwortung für die Entwicklung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer zur Anpassung an sich ändernde Anforderungen sorgen, 2. vorrangig durch betriebliche Maßnahmen die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung sowie Entlassungen von Arbeitnehmern vermeiden, 3. Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung zur Meldung nach § 38 Abs. 1 bei der Agentur für Arbeit informieren, sie hierzu freistellen und die Teilnahme an erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen ermöglichen. (3) Die Arbeitgeber sollen die Agenturen für Arbeit frühzeitig über betriebliche Veränderungen, die Auswirkungen auf die Beschäftigung haben können, unterrichten. ... (4) Die Arbeitnehmer haben bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf ihre beruflichen Möglichkeiten einzubeziehen. Sie sollen insbesondere ihre berufliche Leistungsfähigkeit den sich ändernden Anforderungen anpassen. (5) Die Arbeitnehmer haben zur Vermeidung oder zur Beendigung von Arbeitslosigkeit insbesondere 1. ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen, 2. eigenverantwortlich nach Beschäftigung zu suchen, bei bestehendem Beschäftigungsverhältnis frühzeitig vor dessen Beendigung, 3. eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen und 4. an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. § 3 (Leistungen der Arbeitsförderung) (1) Arbeitnehmer erhalten folgende Leistungen: 1. Berufsberatung sowie Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung und diese unterstützende Leistungen, 2. Förderung aus dem Vermittlungsbudget,
Sozialgesetzbuch III 3.
Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, 4. Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit, 5. Berufsausbildungsbeihilfe während einer beruflichen Ausbildung oder einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, 6. Übernahme der Weiterbildungskosten und Unterhaltsgeld während der Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung, 7. ... 8. Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe während Arbeitslosigkeit ..., 9. Kurzarbeitergeld bei Arbeitsausfall, 10. Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers 11. ... (2) Arbeitgeber erhalten folgende Leistungen: 1. Arbeitsmarktberatung sowie Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung, 2. Zuschüsse zu den Arbeitsentgelten bei Eingliederung von leistungsgeminderten Arbeitnehmern sowie bei Neugründungen, bei der Förderung der beruflichen Weiterbildung ..., 3. Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung für die betriebliche Aus- oder Weiterbildung und weitere Leistungen zur Teilhabe behinderter und schwerbehinderter Menschen, … Berechtigte § 16 (Arbeitslose) (1) Arbeitslose sind Personen, die wie beim Anspruch auf Arbeitslosengeld 1. vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, 2. eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchen und dabei den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen und 3. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben. (2) Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik gelten nicht als arbeitslos. § 20 (Berufsrückkehrer) Berufsrückkehrer sind Frauen und Männer, die 1. ihre Erwerbstätigkeit oder Arbeitslosigkeit oder eine betriebliche Berufsausbildung wegen der Betreuung und Erziehung von aufsichtsbedürftigen Kindern oder der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger unterbrochen haben und 2. in angemessener Zeit danach in die Erwerbstätigkeit zurückkehren wollen. Versicherungspflicht § 24 (Versicherungspflichtverhältnis) (1) In einem Versicherungspflichtverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind. (2) Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt für Beschäftigte mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis ...
211 § 25 (Beschäftigte) (1) Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. ... § 26 (Sonstige Versicherungspflichtige) (2) Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, für die sie 1. von einem Leistungsträger Mutterschaftsgeld, Krankengeld ... Verletztengeld ... beziehen, … wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren ... Beratung und Vermittlung § 29 (Beratungsangebot) (1) Die Agentur für Arbeit hat Jugendlichen und Erwachsenen, die am Arbeitsleben teilnehmen oder teilnehmen wollen, Berufsberatung und Arbeitgebern Arbeitsmarktberatung anzubieten. § 30 (Berufsberatung) Die Berufsberatung umfasst die Erteilung von Auskunft und Rat 1. zur Berufswahl, beruflichen Entwicklung und zum Berufswechsel, 2. zur Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Berufe, 3. zu den Möglichkeiten der beruflichen Bildung, 4. für Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche, 5. zu den Leistungen der Arbeitsförderung. ... Vermittlungsunterstützende Leistungen § 45 (Förderung aus dem Vermittlungsbudget) (1) Ausbildungssuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitssuchende und Arbeitslose können aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Sie sollen insbesondere bei der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele unterstützt werden. Die Förderung umfasst die Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird. … Die Förderung umfasst die angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht … erbringen wird. § 46 (Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung) (1) Ausbildungssuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitssuchende und Arbeitslose können bei Teilnahme an Maßnahmen gefördert werden, die ihre berufliche Eingliederung durch 1. Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, 2. Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen, 3. Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung, 4. Heranführung an eine selbstständige Tätigkeit oder 5. Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme unterstützen (Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung). … Die Förderung umfasst die angemessenen Kosten für die Teilnahme, soweit dies für die berufliche Eingliederung
212 notwendig ist. Die Förderung kann auf die Weiterleistung von Arbeitslosengeld beschränkt werden. Förderung der beruflichen Weiterbildung § 77 (Grundsatz) (1) Arbeitnehmer können bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, 2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind. … (2) Anerkannt wird die Notwendigkeit der Weiterbildung bei Arbeitnehmern wegen fehlenden Berufsabschlusses, wenn sie 1. über einen Berufsabschluss verfügen, jedoch aufgrund einer mehr als 4 Jahre ausgeübten Beschäftigung in anoder ungelernter Tätigkeit eine entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben können, oder 2. nicht über einen Berufsabschluss verfügen ... § 79 (Weiterbildungskosten) (1) Weiterbildungskosten sind die durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden 1. Lehrgangskosten ..., 2. Fahrkosten, 3. Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung, 4. Kosten für die Betreuung von Kindern. (2) Leistungen können unmittelbar an den Träger der Maßnahme ausgezahlt werden, soweit Kosten bei dem Träger unmittelbar entstehen. ... § 83 (Kinderbetreuungskosten) Kosten für die Betreuung der aufsichtsbedürftigen Kinder des Arbeitnehmers können bis zu 130 Euro monatlich je Kind übernommen werden. § 85 (Anforderungen an Maßnahmen) (1) Zugelassen für die Förderung sind Maßnahmen, bei denen eine fachkundige Stelle festgestellt hat, dass die Maßnahme 1. nach Gestaltung der Inhalte der Maßnahme sowie der Methode und Materialien ihrer Vermittlung eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten lässt und nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig ist, 2. angemessene Teilnahmebedingungen bietet, 3. mit einem Zeugnis abschließt, das Auskunft über den Inhalt des vermittelten Lehrstoffs gibt, 4. nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant und durchgeführt wird, insbesondere die Kosten und die Dauer angemessen sind. Sofern es den Wiedereingliederungserfolg förderlich ist, sollen Maßnahmen nach Möglichkeit betriebliche Lernphasen vorsehen. § 117 (Anspruch auf Arbeitslosengeld) (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld haben Arbeitnehmer, die
Info-Teil 1. bei Arbeitslosigkeit oder 2. bei beruflicher Weiterbildung. § 118 (Anspruchsvoraussetzungen bei Arbeitslosigkeit) (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben. § 119 (Arbeitslosigkeit) (1) Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der 1. nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), 2. sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühung) und 3. den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). … (5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer 1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, 2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, 3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nr. 1 anzunehmen und auszuüben und 4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. § 121 (Zumutbare Beschäftigungen) (1) Einem Arbeitslosen sind alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen. § 122 (Persönliche Arbeitslosmeldung) (1) Der Arbeitssuchende hat sich persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Eine Meldung ist auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten zwei Monate zu erwarten ist. § 123 (Anwartschaftszeit) Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis bestanden hat. Zeiten, die vor dem Tag liegen, an dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen des Eintritts einer Sperrzeit erloschen ist, dienen nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit. § 124 (Rahmenfrist) (1) Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. § 126 (Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit) (1) Wird ein Arbeitsloser während des Bezugs von Arbeitslosengeld infolge Krankheit arbeitsunfähig, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, oder wird er während des Bezugs von Arbeitslosengeld auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt, verliert er dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung bis zur Dauer von sechs Wochen (Leistungsfortzahlung). ...
Sozialgesetzbuch III Anspruchsdauer § 127 (Grundsatz) (1) Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld richtet sich 1. nach der Dauer der Versicherungsverhältnisse innerhalb der um drei Jahre erweiterten Rahmenfrist und 2. dem Lebensalter, das der Arbeitslose bei der Entstehung des Anspruchs vollendet hat. … (2) Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld beträgt
§ 128 (Minderung der Anspruchsdauer) (1) Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mindert sich um 3. die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung, unzureichenden Eigenbemühungen, Ablehnung oder Abbruchs einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, Meldeversäumnis oder verspäteter Arbeitssuchendmeldung, 4. die Anzahl von Tagen einer Sperrfrist wegen Arbeitsaufgabe; in Fällen einer Sperrzeit von 12 Wochen mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, zusteht, 5. (weggefallen) 6. die Anzahl von Tagen, für die dem Arbeitslosen das Arbeitslosengeld wegen fehlender Mitwirkung ... versagt oder entzogen worden ist, 7. die Anzahl von Tagen der Beschäftigungslosigkeit nach der Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, an denen der Arbeitslose nicht arbeitsbereit ist, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben, 8. ... Höhe des Arbeitslosengeldes § 129 (Grundsatz) Das Arbeitslosengeld beträgt 1. für Arbeitslose, die mindestens ein Kind ... haben ..., 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz), 2. für die übrigen Arbeitslosen 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).
213 § 144 (Ruhen bei Sperrzeit) (1) Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn 1. der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und hat er dadurch vorsätzlich oder grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe), 2. der bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldete Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 1) oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt ... (Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung), 3. ... … Der Arbeitnehmer hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen. (2) ... (3) Die Dauer der Sperrzeitwegen Arbeitsaufgabe beträgt 12 Wochen. … § 146 (Ruhen bei Arbeitskämpfen) (1) Durch die Leistung von Arbeitslosengeld darf nicht in Arbeitskämpfe eingegriffen werden. Ein Eingriff in den Arbeitskampf liegt nicht vor, wenn Arbeitslosengeld Arbeitslosen geleistet wird, die zuletzt in einem Betrieb beschäftigt waren, der nicht dem fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrags zuzuordnen ist. (2) Ist der Arbeitnehmer durch Beteiligung an einem inländischen Arbeitskampf arbeitslos geworden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zur Beendigung des Arbeitskampfes. (5) Die Feststellung, ob die Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 Buchstaben a und b erfüllt sind, trifft der Neutralitätsausschuss. ... Er hat vor seiner Entscheidung den Fachspitzenverbänden der am Arbeitskampf beteiligten Tarifvertragsparteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Beiträge § 341 (Betragssatz und Beitragsbemessung) (1) Die Beiträge werden nach einem Prozentsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben. (2) Der Beitragssatz beträgt 3,0 Prozent. (3) Beitragsbemessungsgrundlage sind die beitragspflichtigen Einnahmen, die bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. ... (4) Beitragsbemessungsgrenze ist die Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung. § 342 (Beitragspflichtige Einnahmen Beschäftigter) Beitragspflichtige Einnahme ist bei Personen, die beschäftigt sind, das Arbeitsentgelt, bei Personen, die zur Berufsausbildung beschäftigt sind, jedoch mindestens ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Prozent der Bezugsgröße.
214 Verfahren § 346 (Beitragstragung bei Beschäftigten) (1) Die Beiträge werden von den versicherungspflichtig Beschäftigten und den Arbeitgebern je zur Hälfte getragen. ... § 363 (Finanzierung aus Bundesmitteln) (1) Der Bund beteiligt sich an den Kosten der Arbeitsförderung. Er zahlt an die Bundesagentur …
Info-Teil (2) Der Bund trägt die Ausgaben für die Aufgaben, deren Durchführung die Bundesregierung auf Grund dieses Buches der Bundesagentur übertragen hat. ... Bundesagentur für Arbeit § 367 (Bundesagentur für Arbeit) (1) Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) ist eine rechtsfähige bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung.
Sozialgesetzbuch IV Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung Gesamtsozialversicherungsbeitrag § 28d (Gesamtsozialversicherungsbeitrag) Die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten ... werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt. ... § 28e (Zahlungspflicht, Vorschuss) (1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber zu zahlen. ... § 28g (Beitragsabzug) Der Arbeitgeber hat gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. ... § 28h (Einzugsstellen) (1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle über-
wacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. ... § 28i (Zuständige Einzugsstelle) (1) Zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird. ... § 28k (Weiterleitung von Beiträgen) (1) Die Einzugsstelle leitet dem zuständigen Träger der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit die für diese gezahlten Beiträge einschl. Zinsen ... arbeitstäglich weiter; dies gilt entsprechend für die Weiterleitung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung an den Gesundheitsfonds. ... (2) Bei geringfügigen Beschäftigungen werden die Beiträge zur Krankenversicherung an den Gesundheitsfonds, … weitergeleitet. …
Sozialgesetzbuch V Gesetzliche Krankenversicherung § 1 (Solidarität und Eigenverantwortung) Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mit verantwortlich; sie sollen sich durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden. Die Krankenkassen haben den Versicherten dabei durch Aufklärung, Beratung und Leistungen zu helfen und auf gesunde Lebensverhältnisse hinzuwirken. § 2 (Leistungen) (1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen ... zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. (2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen ... Über die Erbringung der Sach- und
Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern. (3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. ... § 3 (Solidarische Finanzierung) Die Leistungen und sonstigen Aufgaben der Krankenkassen werden durch Beiträge finanziert. Dazu entrichten die Mitglieder und die Arbeitgeber Beiträge, die sich in der Regel nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder richten. Für versicherte Familienangehörige werden Beiträge nicht erhoben. § 4 (Krankenkassen) (1) Die Krankenkassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. (2) Die Krankenversicherung ist in folgende Kassenarten gegliedert: - Allgemeine Ortskrankenkassen, - Betriebskrankenkassen, - Innungskrankenkassen, - Landwirtschaftliche Krankenkassen, - die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-BahnSee als Träger der Krankenversicherung …, - Ersatzkassen. (3) Im Interesse der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der gesetzlichen Krankenversicherung arbeiten die Kran-
Sozialgesetzbuch V kenkassen und ihre Verbände sowohl innerhalb einer Kassenart als auch kassenartenübergreifend miteinander und mit allen anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens eng zusammen. (4) Die Krankenkassen haben bei der Durchführung ihrer Aufgaben und ihren Verwaltungsangelegenheiten sparsam und wirtschaftlich zu verfahren und dabei ihre Ausgaben so auszurichten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwenige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten. … § 5 (Versicherungspflicht) (1) Versicherungspflichtig sind 1. Arbeiter, Angestellte und die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, 2. Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch ab Beginn des 2. Monats bis zur 12. Woche einer Sperrzeit (§ 144 des 3. Buches) oder ab Beginn des 2. Monats wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 143 Abs. 2 des 3. Buches) ruht; … 2a. Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem 2. Buch beziehen, … 13. Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören … (5) nach Abs. 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbstständig erwerbstätig ist. (9) Kommt eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nach Kündigung des Versicherungsvertrages nicht zustande oder endet eine Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 9, ist das private Krankenversicherungsunternehmen zum erneuten Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet, wenn der vorherige Vertrag für mindestens 5 Jahr vor seiner Kündigung ununterbrochen bestanden hat. Der Abschluss erfolgt ohne Risikoprüfung zu gleichen Tarifbedingungen, die zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden habe; die bis zum Ausscheiden erworbenen Altersrückstellungen sind dem Vertrag zuzuschreiben. Wird eine gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 nicht begründet, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach der Beendigung des vorhergehenden Versicherungsvertrages in Kraft. … § 6 (Versicherungsfreiheit) (1) Versicherungsfrei sind 1. Arbeiter und Angestellte, deren Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 und 7 übersteigt und in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat … 2. Beamte, ... Soldaten auf Zeit sowie Berufssoldaten der Bundeswehr ..., wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften ... bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe ... haben.
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Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule ... gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, (4) Wird die Jahresarbeitsentgeltgrenze in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überschritten, endet die Versicherungspflicht mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, in dem sie überschritten wird. Dies gilt nicht, wenn das Entgelt die vom Beginn des nächsten Kalenderjahres an geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt. ... (6) Die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach Abs. 1 Nr. 1 beträgt im Jahr 2003 45.900 Euro. Sie ändert sich zum 1. Januar eines jeden Jahres in dem Verhältnis, in dem die Bruttolöhne und –gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1 des 6. Buches) im vergangenen Kalenderjahr zu den entsprechenden Bruttolöhnen- und gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen. Die veränderten Beträge werden nur für das Kalenderjahr, für das die Arbeitsentgeltgrenze bestimmt wird, auf das nächsthöhere Vielfache von 450 aufgerundet. … (8) Der Ausgangswert für die Bestimmung der Jahresarbeitsentgeltgrenze für das Jahr 2004 beträgt für die in Abs. 6 genannten Arbeiter und Angestellten 45.594,05 Euro … § 7 (Versicherungsfreiheit bei geringfügiger Beschäftigung) (1) Wer eine geringfügige Beschäftigung … ausübt, ist in dieser Beschäftigung versicherungsfrei … § 8 (Befreiung von der Versicherungspflicht) (1) Auf Antrag wird von der Versicherungspflicht befreit, wer versicherungspflichtig wird 1. wegen Änderung der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 … oder Abs. 7, 1a) durch den Bezug von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld … und in den letzten fünf Jahren vor dem Leistungsbezug nicht gesetzlich krankenversichert war, wenn er bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist und Vertragsleistungen erhält, die der Art und dem Umfang nach den Leistungen dieses Buches entsprechen, 2. … 4. durch den Antrag auf Rente oder den Bezug von Rente … 5. durch die Einschreibung als Student … § 9 (Freiwillige Versicherung) (1) Der Versicherung können beitreten 1. Personen, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren ... (2) Der Beitritt ist der Krankenkasse innerhalb von drei Monaten anzuzeigen, 1. im Falle des Absatzes 1 Nr. 1 nach Beendigung der Mitgliedschaft ... § 10 (Familienversicherung) (1) Versichert sind der Ehegatte und die Kinder von Mitgliedern, wenn diese Familienangehörigen 1. ihren Wohnsitz ... im Inland haben ... Leistungen der Krankenversicherung § 11 (Leistungsarten) (1) Versicherte haben nach den folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen
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zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und bei Schwangerschaftsabbruch (§§ 20 bis 24 b), 2. zur Früherkennung von Krankheiten (§§ 25 und 26), 3. zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52). 4. des Persönlichen Budgets … (2) Versicherte haben auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, sowie auf unterhaltssichernde … Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit werden von den Pflegekassen erbracht. … (3) Bei stationärer Behandlung umfassen die Leistungen auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Versicherten. (4) Versicherte haben Anspruch auf einen Versorgungsmanagements insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche. … (5) Auf Leistungen besteht kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. § 12 (Wirtschaftlichkeitsgebot) (1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sei; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten... (2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag. § 15 (Ärztliche Behandlung, Krankenversichertenkarte) (1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht … Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden. (2) Versicherte, die ärztliche oder zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt (Zahnarzt) vor Beginn der Behandlung ihre Krankenversichertenkarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen (§ 291) ... auszuhändigen. § 16 (Ruhen des Anspruchs) (1) Der Anspruch auf Leistung ruht, solange Versicherte 1. sich im Ausland aufhalten ... Leistungen zur Verhütung von Krankheiten § 20 (Prävention und Selbsthilfe) (1) Die Krankenkasse soll in der Satzung Leistungen zur primären Prävention vorsehen … Leistungen zur Primärprävention sollen den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen. … § 20 d) (Primäre Prävention durch Schutzimpfungen) (1) Versicherte haben Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen … Ausgenommen sind Schutzimpfungen, die wegen eines durch einen nicht beruflichen Auslandsaufenthalt erhöhten Gesundheitsrisikos indiziert sind …
Info-Teil § 28 (Ärztliche und zahnärztliche Behandlung) (1) Die ärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist. (2) Die zahnärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. … § 31 (Arznei- und Verbandmittel) (1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln … § 39 (Krankenhausbehandlung) (1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung. … (4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen von Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus, das diesen Betrag an die Krankenkasse weiterleitet. … § 40 (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation) (1) Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, … kann die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen … in wohnortnahen Einrichtungen erbringen. § 44 (Krankengeld) (1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus ... behandelt werden. (2) … (3) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften. § 45 (Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes) (1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten oder versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und das Kind das 12. Le-
Sozialgesetzbuch V bensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. … (2) Anspruch auf Krankengeld nach Abs. 1 besteht in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 20 Arbeitstage. Der Anspruch nach Satz 1 besteht für Versicherte für nicht mehr als 25 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 50 Arbeitstage je Kalenderjahr. (3) Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld nach Abs. 1 haben für die Dauer dieses Anspruchs gegen ihren Arbeitgeber Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung, soweit nicht aus dem gleichen Grund Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht. … § 46 (Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld) Der Anspruch auf Krankengeld entsteht 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung … von ihrem Beginn an, 2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. § 47 (Höhe und Berechnung des Krankengeldes) (1) Das Krankengeld beträgt 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). … (6) Das Regelentgelt wird bis zur Höhe des Betrages der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt. § 48 (Dauer des Krankengeldes) (1) Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert. § 49 (Ruhen des Krankengeldes) (1) Der Anspruch auf Krankengeld ruht, 1. soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten; dies gilt nicht für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, ... 2. solange Versicherte Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in Anspruch nehmen; ... 3a. solange Versicherte Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld beziehen oder der Anspruch wegen einer Sperrzeit nach dem Dritten Buch ruht, 5. solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. § 52 (Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden) (1) Haben sich Versicherte eine Krankheit vorsätzlich ... zugezogen, kann die Krankenkasse sie an den Kosten der Leistungen in angemessener Höhe beteiligen und das Krankengeld ganz oder teilweise für die Dauer dieser Krankheit versagen und zurückfordern. (2) Haben sicher Versicherte durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen, hat die Krankenkasse die Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das
217 Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern. Selbstbehalt, Beitragsrückzahlung § 53 (Wahltarife) (1) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass Mitglieder jeweils für ein Kalenderjahr einen Teil der von der Krankenkasse zu tragenden Kosten übernehmen können (Selbstbehalt). Die Krankenkasse hat für diese Mitglieder Prämienzahlungen vorzusehen. (2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung für Mitglieder … eine Prämienzahlung vorsehen, wenn sie und ihre … mitversicherten Angehörigen in diesem Kalenderjahr Leistungen zu Lasten der Krankenkasse nicht in Anspruch genommen haben. … Wahlrechte der Mitglieder § 173 (Allgemeine Wahlrechte) (1) Versicherungspflichtige (§ 5) und Versicherungsberechtigte (§ 9) sind Mitglied der von ihnen gewählten Krankenkasse, soweit in den nachfolgenden Vorschriften ... nichts Abweichendes bestimmt ist. (2) Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte können wählen 1. die Ortskrankenkasse des Beschäftigungs- oder Wohnorts, 2. jede Ersatzkasse, deren Zuständigkeit sich nach der Satzung auf den Beschäftigungs- oder Wohnort erstreckt, 3. die Betriebs- oder Innungskrankenkasse, wenn sie in dem Betrieb beschäftigt sind, für den die Betriebs- oder die Innungskrankenkasse besteht, 4. die Betriebs- oder Innungskrankenkasse, wenn die Satzung der Betriebs- oder Innungskrankenkasse dies vorsieht, 5. die Krankenkasse, bei der vor Beginn der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung zuletzt eine Mitgliedschaft oder eine Versicherung nach § 10 bestanden hat, 6. die Krankenkasse, bei der der Ehegatte versichert ist. ... (3) Studenten können zusätzlich die Ortskrankenkasse oder jede Ersatzkasse an dem Ort wählen, in dem die Hochschule ihren Sitz hat. § 175 (Ausübung des Wahlrechts) (1) Die Ausübung des Wahlrechts ist gegenüber der gewählten Krankenkasse zu erklären. Diese darf die Mitgliedschaft nicht ablehnen. Das Wahlrecht kann nach Vollendung des 15. Lebensjahres ausgeübt werden. (2) Die gewählte Krankenkasse hat nach Ausübung des Wahlrechts unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen. Hat innerhalb der letzten 18 Monate vor Beginn der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse bestanden, kann die Mitgliedsbescheinigung nur ausgestellt werden, wenn die Kündigungsbestätigung nach Abs. 4 Satz 3 vorgelegt wird. Eine Mitgliedsbescheinigung ist zum Zweck der Vorlage bei der zur Meldung verpflichteten Stelle auch bei Eintritt einer Versicherungspflicht unverzüglich aufzustellen.
218 (3) Versicherungspflichtige haben der zur Meldung verpflichteten Stelle unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung vorzulegen. Wird die Mitgliedsbescheinigung nicht spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht vorgelegt, hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen ab Eintritt der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse anzumelden, bei der zuletzt eine Versicherung bestand. ... (4) Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte sind an die Wahl der Krankenkasse mindestens 18 Monate gebunden ... Eine Kündigung der Mitgliedschaft ist zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt. Die Krankenkasse hat dem Mitglied unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Die Kündigung wird wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Erhebt die Krankenkasse ab dem 1. Januar 2009 einen Zusatzbeitrag, erhöht sie ihren Zusatzbeitrag oder verringert sie ihre Prämienzahlungen, kann die Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung, der Beitragserhöhung oder der Prämienverringerung gekündigt werden. Die Krankenkasse hat ihre Mitglieder auf das Kündigungsrecht nach Satz 5 spätestens einen Monat vor erstmaliger Fälligkeit hinzuweisen. … Mitgliedschaft und Verfassung § 186 (Beginn der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger) (1) Die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter beginnt mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. (10) Wird die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger zu einer Krankenkasse gekündigt (§ 175), beginnt die Mitgliedschaft bei der neu gewählten Krankenkasse abweichend von den Absätzen 1 bis 9 mit dem Tag nach Eintritt der Rechtswirksamkeit der Kündigung. § 190 (Ende der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger) (1) Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger endet mit dem Tod des Mitglieds. (2) Die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter endet mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis endet. (3) Die Mitgliedschaft von Personen, deren Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 4 erlischt, endet zu dem in dieser Vorschrift vorgesehenen Zeitpunkt nur, wenn das Mitglied innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeit seinen Austritt erklärt. Wird der Austritt nicht erklärt, setzt sich die Mitgliedschaft als freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, die Voraussetzungen der freiwilligen Versicherung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 sind nicht erfüllt. § 191 (Ende der freiwilligen Mitgliedschaft) Die freiwillige Mitgliedschaft endet 1. mit dem Tod des Mitglieds, 2. mit Beginn einer Pflichtmitgliedschaft oder
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mit dem Wirksamwerden der Kündigung (§ 175 Abs. 4); die Satzung kann einen früheren Zeitpunkt bestimmen, wenn das Mitglied die Voraussetzungen einer Versicherung nach § 10 erfüllt. § 192 (Fortbestehen der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger) (1) Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bleibt erhalten, solange 1. sie sich in einem rechtmäßigen Arbeitskampf befinden, 2. Anspruch auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld besteht oder ... Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen wird, 3. von einem Rehabilitationsträger ... Verletztengeld ... gezahlt wird ... Aufbringung der Mittel § 220 (Grundsatz) (1) Die Mittel für die Krankenversicherung werden durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht. Die Beiträge sind bei der erstmaligen Festsetzung des allgemeinen Beitragssatzes nach § 241 Abs. 1 so zu bemessen, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen zusammen mit der Beteiligung des Bundes nach § 221 und den voraussichtlichen sonstigen Einnahmen des Gesundheitsfonds die voraussichtlichen Ausgaben der Krankenkassen sowie den vorgeschriebenen Aufbau der Liquiditätsreserve für den Gesundheitsfonds nach § 271 decken. (2) Der Beitragssatz nach § 241 ist zu erhöhen, wenn die voraussichtlichen Einnahmen des Gesundheitsfonds die voraussichtlichen Ausgaben der Krankenkassen einschließlich der für den vorgeschriebenen Aufbau der Liquiditätsreserve für den Gesundheitsfonds nach § 271 erforderlichen Mittel im laufenden und im Folgejahr nicht zu mindesten 95 vom Hundert decken. Der Beitragssatz ist zu ermäßigen, wenn eine Deckungsquote von 100 vom Hundert überschritten und bei einer Senkung des Beitragssatzes um mindestens 0,2 Beitragssatzpunkte die Deckungsquote von 95 vom Hundert im Laufe des Haushaltsjahres voraussichtlich nicht unterschritten wird. § 221 (Beteiligung des Bundes an Aufwendungen) (1) Der Bund leistet zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen für das Jahr 2007 und das Jahr 2008 jeweils 2,5 Milliarden Euro … § 223 (Beitragspflicht, beitragspflichtige Einnahmen, Beitragsbemessungsgrenze) (1) Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen ... (2) Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. ... (3) Beitragspflichtige Einnahmen sind bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze … für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze). Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, bleiben außer Ansatz ... § 224 (Beitragsfreiheit bei Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Erziehungsgeld oder Elterngeld) (1) Beitragsfrei ist ein Mitglied für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld oder Mutterschaftsgeld oder des Bezugs
Sozialgesetzbuch VI von Erziehungsgeld oder Elterngeld. Die Beitragsfreiheit erstreckt sich nur auf die in Satz 1 genannten Leistungen. § 226 (Beitragspflichtige Einnahmen versicherungspflichtig Beschäftigter) (1) Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werden der Beitragsbemessung zugrunde gelegt 1. das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, 2. der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 3. … § 232a (Beitragspflichtige Einnahmen der Bezieher von Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld oder Kurzarbeitergeld) (1) Als beitragspflichtige Einnahmen gelten 1. bei Personen, die Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem Dritten Buch beziehen, 80 vom Hundert des der Leistung zugrunde liegenden, durch sieben geteilten wöchentlichen Arbeitsentgelts ..., soweit es ein Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt; 80 vom Hundert des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts aus einem nicht geringfügigen Beschäftigungsverhältnis sind abzuziehen. § 241 (Allgemeiner Beitragssatz) (1) Die Bundesregierung legt nach Auswertung der Ergebnisse eines beim Bundesversicherungsamt zu bildenden Schätzerkreises durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates erstmalig bis zum 1. November 2008 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 den allgemeinen Beitragssatz in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen fest. (2) Erforderliche Änderungen des allgemeinen Beitragssatzes sollen jeweils bis zum 1. November eines Jahres mit Wirkung vom 1. Januar des Folgejahres festgelegt werden. Der Beitragssatz ist jeweils auf eine Dezimalstelle aufzurunden. … § 242 (Kassenindividueller Zusatzbeitrag) (1) Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisung aus dem Fonds nicht gedeckt ist, hat sie in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein Zusatzbeitrag erhoben wird. Der Zusatzbeitrag ist auf 1 vom Hundert der beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds begrenzt. Abweichend von Satz 2 erhebt die Krankenkasse den Zusatzbeitrag ohne Prüfung der Höhe der Einnahmen des Mitglieds, wenn der monatliche Zusatzbeitrag den Be-
219 trag von 8 Euro nicht übersteigt. Von Mitgliedern, die das Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 5 wegen der erstmaligen Erhebung des Zusatzbeitrags fristgemäß ausgeübt haben, wird der Zusatzbeitrag nicht erhoben. Wird das Sonderkündigungsrecht wegen einer Erhöhung des Zusatzbeitrags ausgeübt, wird der erhöhte Zusatzbeitrag nicht erhoben. Wird die Kündigung nicht wirksam, wird der Zusatzbeitrag im vollen Umfang erhoben. (2) Soweit die Zuweisungen aus dem Fonds den Finanzbedarf einer Krankenkasse übersteigen, kann sie in ihrer Satzung bestimmen, dass Prämien an ihre Mitglieder ausgezahlt werden. … § 243 (Ermäßigter Beitragssatz) (1) Für Mitglieder, die keinen Anspruch auf Krankengeld haben, gilt ein ermäßigter Beitragssatz. … § 249 (Tragung der Beiträge bei versicherungspflichtiger Beschäftigung) (1) Bei versicherungspflichtig Beschäftigten … trägt der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge des Mitglieds aus dem Arbeitsentgelt nach den um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen Beitragssatz; im Übrigen tragen die Beschäftigten die Beiträge. Bei geringfügig Beschäftigten gilt § 249b. (2) Der Arbeitgeber trägt den Beitrag allein für Beschäftigte, soweit Beiträge für Kurzarbeitergeld zu zahlen sind. § 249b (Beitrag des Arbeitgebers bei geringfügiger Beschäftigung) Der Arbeitgeber … hat für Versicherte, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei oder nicht versicherungspflichtig sind, einen Beitrag in Höhe von 13 vom Hundert des Arbeitsentgelts dieser Beschäftigung zu tragen. … § 271 (Gesundheitsfonds) (1) Das Bundesversicherungsamt verwaltet als Sondervermögen (Gesundheitsfonds) die eingehenden Beträge aus: 1. den von den Einzugsstellen … eingezogenen Beiträgen für die gesetzliche Krankenversicherung, 2. den Beiträgen aus Rentenzahlungen … 3. den Beiträgen (aus geringfügigen Beschäftigungen) … 4. ... und 5. den Bundesmitteln … (2) Der Gesundheitsfonds hat eine Liquiditätsreserve aufzubauen, aus der unterjährige Schwankungen in den Einnahmen … zu decken sind. …
Sozialgesetzbuch VI Gesetzliche Rentenversicherung § 1 (Beschäftigte) Versicherungspflichtig sind 1. Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind .... § 3 (Sonstige Versicherte) Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit 1. für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind (§ 56), 1a. in der sie einen Pflegebedürftigen … nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeper-
sonen), wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat, 2. in der sie auf Grund gesetzlicher Pflicht mehr als drei Tage Wehrdienst oder Zivildienst leisten, 3. für die sie von einem Leistungsträger Krankengeld, Verletztengeld, ... Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe beziehen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig waren, 3a. …
220 § 4 (Versicherungspflicht auf Antrag) (2) Auf Antrag versicherungspflichtig sind Personen, die nicht nur vorübergehend selbstständig tätig sind, wenn sie die Versicherungspflicht innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit oder dem Ende einer Versicherungspflicht auf Grund dieser Tätigkeit beantragen. § 5 (Versicherungsfreiheit) (1) Versicherungsfrei sind 1. Beamte und Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit ... § 7 (Freiwillige Versicherung) (1) Personen, die nicht versicherungspflichtig sind, können sich für Zeiten von der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig versichern. ... (2) Personen, die versicherungsfrei oder von der Versicherung befreit sind, können sich nur dann freiwillig versichern, wenn sie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. ... § 33 (Rentenarten) (1) Renten werden geleistet wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder wegen Todes. (2) Rente wegen Alters wird geleistet als 1. Regelaltersrente ... (3) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird geleistet als 1. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, 2. Rente wegen voller Erwerbsminderung, 3. … 4. Rente wegen Berufsunfähigkeit, 5. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ... (4) Rente wegen Todes wird geleistet als 1. kleine Witwenrente oder Witwerrente, 2. große Witwenrente oder Witwerrente, 3. ... 4. Waisenrente § 34 (Voraussetzungen für einen Rentenanspruch ...) (1) Versicherte und ihre Hinterbliebenen haben Anspruch auf Rente, wenn die für die jeweilige Rente erforderliche Mindestversicherungszeit (Wartezeit) erfüllt ist und die jeweiligen besonderen versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen vorliegen. § 35 (Regelaltersrente) Versicherte haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie 1. Die Regelaltersgrenze erreicht und 2. die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die Regelaltersgrenze wird mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht. § 36 (Altersrente für langjährig Versicherte) Versicherte haben Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte, wenn sie 1. das 67. Lebensjahr vollendet und 2. die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist nach Vollendung des 63. Lebensjahres möglich. § 125 (Träger der gesetzlichen Rentenversicherung) (1) Die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung (allgemeine Rentenversicherung und knappschaftliche Rentenversicherung) werden von Regionalträgern und Bundesträgern wahrgenommen. Der Name der Regionalträger der gesetzlichen Rentenversicherung besteht aus der Bezeich-
Info-Teil nung „Deutsche Rentenversicherung“ und einem Zusatz für ihre jeweilige Zuständigkeit. (2) Bundesträger sind die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-BahnSee. Die Deutsche Rentenversicherung Bund nimmt auch die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben und die die gemeinsamen Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung wahr. § 126 (Zuständigkeit der Träger der Rentenversicherung) Für die Erfüllung der Aufgaben der Rentenversicherung sind in der allgemeinen Rentenversicherung die Regionalträger, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zuständig. Finanzierung § 153 (Umlageverfahren) (1) In der Rentenversicherung werden die Ausgaben eines Kalenderjahres durch die Einnahmen des gleichen Kalenderjahres und, soweit erforderlich, durch Entnahmen aus der Nachhaltigkeitsrücklage gedeckt. (2) Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes ... Beiträge und Verfahren § 157 (Grundsatz) Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird. § 158 (Beitragssätze) (1) Der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung ist vom 1. Januar eines Jahres an zu verändern, wenn am 31. Dezember dieses Jahres bei Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes die Mittel der Schwankungsreserve 1. das 0,2-fache der durchschnittlichen Ausgaben zu eigenen Lasten der Träger der allgemeinen Rentenversicherung für einen Kalendermonat (Mindestrücklage) voraussichtlich unterschreiten oder 2. das 1,5-fache der in Nr. 1 genannten Ausgaben für einen Kalendermonat (Höchstnachhaltigkeitsrücklage) voraussichtlich übersteigen. Ausgaben zu eigenen Lasten sind alle Ausgaben nach Abzug des Bundeszuschusses nach § 213 Abs. 2, der Erstattungen und der empfangenen Ausgleichszahlungen. § 159 (Beitragsbemessungsgrenze) Die Beitragsbemessungsgrenzen in der allgemeinen Rentenversicherung ... ändern sich zum 1. Januar eines jeden Jahres in dem Verhältnis, in dem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer … im vergangenen zur entsprechenden Bruttolöhnen und -gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen. Die veränderten Beträge werden nur für das Kalenderjahr, für das die Beitrragsbemessungsgrenze bestimmt wird, auf das nächst höhere Vielfache von 600 aufgerundet. Beitragsbemessungsgrundlagen § 161 (Grundsatz) (1) Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen. § 162 (Beitragspflichtige Einnahmen Beschäftigter) Beitragspflichtige Einnahmen sind 1. bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Be-
Sozialgesetzbuch VII schäftigung, jedoch bei Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden, mindestens eins vom Hundert der Bezugsgröße ... § 168 (Beitragstragung bei Beschäftigten) (1) Die Beiträge werden getragen 1. bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden, von den Versicherten und den Arbeitgebern je zur Hälfte ...
221 Zahlung der Beiträge § 173 (Grundsatz) Die Beiträge sind ... von denjenigen, die sie zu tragen haben (Beitragsschuldner), unmittelbar an die Träger der Rentenversicherung zu zahlen. Die Beiträge für die Bezieher von Arbeitslosengeld II zahlen die Bundesagentur für Arbeit … § 213 (Zuschüsse des Bundes) (1) Der Bund leistet zu den Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung Zuschüsse.
Sozialgesetzbuch VII Gesetzliche Unfallversicherung § 1 (Prävention, Rehabilitation, Entschädigung) Aufgabe der Unfallversicherung ist es ... 1. mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten, 2. nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen. § 2 (Versicherung kraft Gesetzes) (1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte, 2. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen, 3. Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die auf Grund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlasst worden sind, 4. ... Versicherungsfall § 7 (Begriff) (1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. (2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus. § 8 (Arbeitsunfall) (1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz ... begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. (2) Versicherte Tätigkeiten sind auch 1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, 2. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um a) Kinder von Versicherten ..., die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer ... be-
ruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder b) mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen, 3. ... § 22 (Sicherheitsbeauftragte) (1) In Unternehmen mit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten hat der Unternehmer unter Beteiligung des Betriebsrates ... Sicherheitsbeauftragte unter Berücksichtigung der im Unternehmen für die Beschäftigten bestehende Unfall- und Gesundheitsgefahren und die Zahl der Beschäftigten zu bestellen. … (2) Die Sicherheitsbeauftragten haben den Unternehmer bei der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu unterstützen, insbesondere sich von dem Vorhandensein und der ordnungsgemäßen Benutzung der vorgeschriebenen Schutzeinrichtungen und persönlichen Schutzausrüstungen zu überzeugen und auf Unfall- und Gesundheitsgefahren für die Versicherten aufmerksam zu machen. (3) Die Sicherheitsbeauftragten dürfen wegen der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden. § 27 (Umfang der Heilbehandlung) (1) Die Heilbehandlung umfasst insbesondere 1. Erstversorgung, 2. ärztliche Behandlung, 3. zahnärztliche Behandlung einschl. der Versorgung mit Zahnersatz, 4. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, 5. häusliche Krankenpflege, 6. Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen, 7. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ... § 28 (Ärztliche und zahnärztliche Behandlung) (1) Die ärztliche und zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht. … § 35 (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) (1) Die Unfallversicherungsträger erbringen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 bis 38 des Neunten Buches ... (2) Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung ...
222 § 45 (Voraussetzungen für das Verletztengeld) (1) Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte 1. infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und 2. unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit ... Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Verletztengeld ... hatten. (2) Verletztengeld wird auch erbracht, wenn 1. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind, 2. ... Das Verletztengeld wird bis zum Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. ... § 46 (Beginn und Ende des Verletztengeldes) (1) Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme ... § 47 (Höhe des Verletztengeldes) (1) Versicherte, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, erhalten Verletztengeld entsprechend § 47 Abs. 1 und 2 des Fünften Buches mit der Maßgabe, dass 1. das Regelentgelt aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts und des Arbeitseinkommens zu berechnen und bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist, 2. das Verletztengeld 80 vom Hundert des Regelentgelts beträgt und das bei Anwendung des § 47 Abs. 2 des Fünften Buches berechnete Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigt. ... § 114 (Unfallversicherungsträger) (1) Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsträger) sind 1. die ... gewerblichen Berufsgenossenschaften, 2. die ... landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, 3. die Unfallkasse des Bundes, 4. ... § 150 (Beitragspflichtige) (1) Beitragspflichtig sind die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind ... Die nach § 2 versicherten
Info-Teil Unternehmer sowie die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 6 Abs. 1 Versicherten sind selbst beitragspflichtig. Beitragshöhe § 152 (Umlage) (1) Die Beiträge werden nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsansprüche dem Grunde nach entstanden sind, im Wege der Umlage festgesetzt. Die Umlage muss den Bedarf des abgelaufenen Kalenderjahres einschließlich der zur Ansammlung der Rücklage nötigen Beträge decken. Darüber hinaus dürfen Beiträge nur zur Zuführung zu den Betriebsmitteln erhoben werden. § 153 (Berechnungsgrundlagen) (1) Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nicht etwas anderes ergibt, der Finanzbedarf (Umlagesoll), die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen. (2) Das Arbeitsentgelt der Versicherten wird bis zur Höhe des Höchstjahresarbeitsverdienstes zugrunde gelegt. § 155 (Beiträge nach der Zahl der Versicherten) Die Satzung kann bestimmen, dass die Beiträge nicht nach Arbeitsentgelten, sondern nach der Zahl der Versicherten unter Berücksichtigung der Gefährdungsrisiken berechnet werden. Grundlage für die Ermittlung der Gefährdungsrisiken sind die Leistungsaufwendungen. ... § 193 (Pflicht zur Anzeige eines Versicherungsfalls durch die Unternehmung) (1) Die Unternehmer haben Unfälle von Versicherten in ihren Unternehmen dem Unfallversicherungsträger anzuzeigen, wenn Versicherte getötet oder so verletzt sind, dass sie mehr als drei Tage arbeitsunfähig werden. … (2) … (3) … (4) Die Anzeige ist binnen 3 Tagen zu erstatten, nachdem die Unternehmer von dem Unfall … Kenntnis erlangt haben. Der Versicherte kann vom Unternehmer verlangen, dass ihm eine Kopie der Anzeige überlassen wird. (5) Die Anzeige ist vom Betriebs- oder Personalrat mit zu unterzeichnen. Der Unternehmer hat die Sicherheitsfachkraft und den Betriebsarzt über jede Unfall- oder Berufskrankheitenanzeige in Kenntnis zu setzen. …
Sozialgesetzbuch IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen Allgemeine Regelungen § 1 (Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft) Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen.
§ 81 (Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen) (1) Die Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Sie nehmen frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf. … (2) Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gel-
Sozialgesetzbuch XI ten hierzu die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. (3) Die Arbeitgeber stellen durch geeignete Maßnahmen sicher, dass in ihren Betrieben und Dienststellen wenigstens
223 die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung finden kann.
Sozialgesetzbuch XI Soziale Pflegeversicherung § 1 (Soziale Pflegeversicherung) (1) Zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit wird als neuer eigenständiger Zweig der Sozialversicherung eine soziale Pflegeversicherung geschaffen. (2) In den Schutz der sozialen Pflegeversicherung sind kraft Gesetzes alle einbezogen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. ... (4) Die Pflegeversicherung hat die Aufgabe, Pflegebedürftigen Hilfe zu leisten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind. § 2 (Selbstbestimmung) (1) Die Leistungen der Pflegeversicherung sollen den Pflegebedürftigen helfen, trotz ihres Hilfebedarfs ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Hilfen sind darauf auszurichten, die körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen wiederzugewinnen oder zu erhalten. (2) Die Pflegebedürftigen können zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger wählen. ... § 3 (Vorrang der häuslichen Pflege) Die Pflegeversicherung soll mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Leistungen der teilstationären Pflege und der Kurzzeitpflege gehen den Leistungen der vollstationären Pflege vor. § 4 (Art und Umfang der Leistungen) (1) Die Leistungen der Pflegeversicherung sind Dienst-, Sachund Geldleistungen für den Bedarf an Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung sowie Kostenerstattung, soweit es dieses Buch vorsieht. ... § 6 (Eigenverantwortung) (1) Die Versicherten sollen durch gesundheitsbewußte Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an Vorsorgemaßnahmen und durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation dazu beitragen, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. (2) Nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit haben die Pflegebedürftigen an Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation und der aktivierenden Pflege mitzuwirken, um die Pflegebedürftigkeit zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhindern. § 20 (Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung) (1) Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung sind die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies sind: 1. Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind; ...
2.
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem dritten Buch beziehen …
(2) ... (3) Freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung. § 22 (Befreiung von der Versicherungspflicht) (1) Personen, die nach § 20 Abs. 3 in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind, können auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit werden, wenn sie nachweisen, dass sie bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Pflegebedürftigkeit versichert sind und für sich und ihre Angehörigen oder Lebenspartner ... Leistungen beanspruchen können, die nach Art und Umfang der Leistungen des Vierten Kapitels gleichwertig sind. Die befreiten Personen sind verpflichtet, den Versicherungsvertrag aufrecht zu erhalten, solange sie krankenversichert sind. ... (2) Der Antrag kann nur innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Pflegekasse gestellt werden. Die Befreiung wirkt vom Beginn der Versicherungspflicht an, wenn seit diesem Zeitpunkt noch keine Leistungen in Anspruch genommen wurden ... Die Befreiung kann nicht widerrufen werden. § 23 (Versicherungspflicht für Versicherte der privaten Krankenversicherungsunternehmen) (1) Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen … versichert sind, sind ... verpflichtet, bei diesem Unternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrecht zu erhalten. Der Vertrag muss ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht für sie selbst und ihre Angehörigen oder Lebenspartner, für die in der sozialen Pflegeversicherung nach § 25 eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen, die nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Kapitels gleichwertig sind. Dabei tritt an die Stelle der Sachleistungen eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung. (2) Der Vertrag nach Abs. 1 kann auch bei einem anderen privaten Versicherungsunternehmen abgeschlossen werden. Das Wahlrecht ist innerhalb von sechs Monaten auszuüben. ... § 25 (Familienversicherung) (1) Versichert sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern, wenn diese Familienangehörigen 3. nicht nach § 22 von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 23 in der privaten Pflegeversicherung pflichtversichert sind ...
224 § 28 (Leistungsarten, Grundsätze) (1) Die Pflegeversicherung gewährt folgende Leistungen: 1. Pflegesachleistungen (§ 36), 2. Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen (§ 37), 3. Kombination von Geldleistungen und Sachleistungen (§ 38), 4. häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson (§ 39), 5. Pflegehilfsmittel und technische Hilfen (§ 40), 6. Tagespflege und Nachtpflege (§ 41), 7. Kurzzeitpflege (§ 42), 8. vollstationäre Pflege (§ 43), 9. Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen (§ 43 a), 10. Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen (§ 44), 11. zusätzliche Leistungen bei Pflegezeit (§ 44a), 12. Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen (§ 45). Träger der Pflegeversicherung § 46 (Pflegekassen) (1) Träger der Pflegeversicherung sind die Pflegekassen. Bei jeder Krankenkasse (§ 4 Abs. 2 des Fünften Buches) wird eine Pflegekasse errichtet. ... (2) Die Pflegekassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Organe der Pflegekassen sind die Organe der Krankenkassen, bei denen sie errichtet sind. ... § 48 (Zuständigkeit für Versicherte einer Krankenkasse und sonstige Versicherte) (1) Für die Durchführung der Pflegeversicherung ist jeweils die Pflegekasse zuständig, die bei der Krankenkasse errichtet ist, bei der eine Pflichtmitgliedschaft oder freiwillige Mitgliedschaft besteht. Für Familienversicherte nach § 25 ist die Pflegekasse des Mitglieds zuständig. Finanzierung § 54 (Grundsatz) (1) Die Mittel für die Pflegeversicherung werden durch Beiträge sowie sonstige Einnahmen gedeckt.
Info-Teil (2) Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze erhoben. ... § 55 (Beitragssatz, Beitragsbemessungsgrenze) (1) Der Beitragssatz beträgt ... bundeseinheitlich 1,95 vom Hundert der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder; er wird durch Gesetz festgesetzt. ... (2) Beitragspflichtige Einnahmen sind bis zu einem Betrag von 1/360 der in § 6 Abs. 7 des 5. Buches festgelegten Jahresarbeitsentgeltgrenze für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze). § 56 (Beitragsfreiheit) (1) Familienangehörige und Lebenspartner sind für die Dauer der Familienversicherung nach § 25 beitragsfrei. (2) ... (3) Beitragsfrei sind Mitglieder für die Dauer des Bezuges von Mutterschafts-, Erziehungs- oder Elterngeld. Die Beitragsfreiheit erstreckt sich nur auf die in Satz 1 genannten Leistungen. § 57 (Beitragspflichtige Einnahmen) (1) Bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, gelten für die Beitragsbemessung die §§ 226 bis 238 und § 244 des Fünften Buches sowie §§ 23a und 23b Abs. 2 bis 4 des Vierten Buches. … (2) Bei Beziehern von Krankengeld gilt als beitragspflichtige Einnahmen 80 vom Hundert des Krankenentgelts, das der Bemessung des Krankengeldes zugrunde liegt. ... § 58 (Tragung der Beiträge bei versicherungspflichtig Beschäftigten) (1) Die nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 versicherungspflichtig Beschäftigten, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, und ihre Arbeitgeber tragen die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. ...
Stabilitätsgesetz Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft § 1 Beachtung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenen Wirtschaftswachstum beitragen. § 2 Jahreswirtschaftsbericht (1) Die Bundesregierung legt im Januar eines jeden Jahres dem Bundestag und dem Bundesrat einen Jahreswirtschaftsbericht vor. Der Jahreswirtschaftsbericht enthält:
1.
die Stellungnahme zu dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates ... 2. eine Darlegung der für das laufende Jahr von der Bundesregierung angestrebten wirtschafts- und finanzpolitischen Ziele (Jahresprojektion); die Jahresprojektion bedient sich der Mittel und der Form der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, ggf. mit Alternativrechnung; 3. eine Darlegung der für das laufende Jahr geplanten Wirtschafts- und Finanzpolitik. (2) Maßnahmen nach § 6 Abs. 2 und 3 und nach den §§ 15 und 19 dieses Gesetzes sowie nach § 51 Abs. 3 des EStG und nach § 19 p des Körperschaftsteuergesetzes dürfen nur ge-
Stabilitätsgesetz troffen werden, wenn die Bundesregierung gleichzeitig gegenüber dem Bundestag und dem Bundesrat begründet, dass diese Maßnahmen erforderlich sind, um eine Gefährdung der Ziele des § 1 zu verhindern. § 3 Konzertierte Aktion (1) Im Falle der Gefährdung eines der Ziele des § 1 stellt die Bundesregierung Orientierungsdaten für ein gleichzeitiges aufeinander abgestimmtes Verhalten (konzertierte Aktion) der Gebietskörperschaften, Gewerkschaften und Unternehmensverbände zur Erreichung der Ziele des § 1 zur Verfügung. Diese Orientierungsdaten enthalten insbesondere eine Darstellung der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge im Hinblick auf die gegebene Situation. § 5 Ausgabenbemessung – Konjunkturausgleichsrücklage (1) Bei einer die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrageausweitung sollen Mittel zur zusätzlichen Tilgung von Schulden bei der Deutschen Bundesbank oder zur Zuführung an eine Konjunkturausgleichsrücklage veranschlagt werden. (2) Bei einer die Ziele des § 1 gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit sollen zusätzlich erforderliche Deckungsmittel zunächst der Konjunkturausgleichsrücklage entnommen werden. § 6 Ausgabeneinschränkung – Zusätzliche Ausgaben – Zusätzliche Kreditaufnahme (1) Bei der Ausführung des Bundeshaushaltsplanes kann im Falle einer die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Nachfrageausweitung die Bundesregierung dem Bundesminister der Finanzen ermächtigen, zur Erreichung der Ziele des § 1 die Verfügung über bestimmte Ausgabemittel, den Beginn von Baumaßnahmen und das Eingehen von Verpflichtungen zu Lasten künftiger Rechnungsjahre von dessen Einwilligung abhängig zu machen. Die Bundesminister der Finanzen und für Wirtschaft schlagen die erforderlichen Maßnahmen vor. Der Bundesminister der Finanzen hat die dadurch nach Ablauf des Rechnungsjahres freigewordenen Mittel zur zusätzlichen Tilgung von Schulden bei der Deutschen Bundesbank zu verwenden oder der Konjunkturausgleichsrücklage zuzuführen. (2) Die Bundesregierung kann bestimmen, dass bei einer die Ziele des § 1 gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit zusätzliche Ausgaben geleistet werden; ... Die zusätzlichen Mittel dürfen nur für im Finanzplan ... vorgesehene Zwecke oder als Finanzhilfe für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden ... zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 GG) verwendet werden. Zu ihrer Deckung sollen die notwendigen Mittel zunächst der Konjunkturausgleichsrücklage entnommen werden. (3) Der Bundesminister der Finanzen wird ermächtigt, zu dem in Abs. 2 bezeichneten Zweck Kredite über die im Haus-
225 haltsgesetz erteilten Kreditermächtigungen hinaus bis zur Höhe von fünf Milliarden Deutsche Mark, ggf. mit Hilfe von Geldmarktpapieren, aufzunehmen. ... § 7 Verwendung der Mittel der Konjunkturausgleichsrücklage (1) Die Konjunkturausgleichsrücklage ist bei der Deutschen Bundesbank anzusammeln. Mittel der Konjunkturausgleichsrücklage dürfen nur zur Deckung zusätzlicher Ausgaben gemäß § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 2 verwendet werden. § 15 Zuführung von Mitteln zur Konjunkturausgleichsrücklage (1) Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anordnen, dass der Bund und die Länder ihren Konjunkturausgleichsrücklagen Mittel zuzuführen haben. § 18 Konjunkturrat (1) Bei der Bundesregierung wird ein Konjunkturrat für die öffentliche Hand gebildet. Dem Rat gehören an: 1. die Bundesminister für Wirtschaft und der Finanzen, 2. je ein Vertreter eines jeden Landes, 3. 4 Vertreter der Gemeinden und Gemeindeverbände, die vom Bundesrat auf Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände bestimmt werden. Den Vorsitz im Konjunkturrat führt der Bundesminister für Wirtschaft. (2) Der Konjunkturrat berät nach einer vom Bundesminister für Wirtschaft zu erlassenden Geschäftsordnung in regelmäßigen Abständen: 1. alle zur Erreichung der Ziele dieses Gesetzes erforderlichen konjunkturpolitischen Maßnahmen; 2. die Möglichkeiten der Deckung des Kreditbedarfs der öffentlichen Haushalte. Der Konjunkturrat ist insbesondere vor allen Maßnahmen nach den §§ 15, 19 und 20 zu hören. (3) Der Konjunkturrat bildet einen besonderen Ausschuss für Kreditfragen der öffentlichen Hand, der unter Vorsitz des Bundesministers der Finanzen nach einer von diesem zu erlassenden Geschäftsordnung berät. (4) Die Bundesbank hat das Recht, an den Beratungen des Konjunkturrates teilzunehmen. § 19 Beschränkung der Kreditaufnahme durch Rechtsverordnung Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anordnen, dass die Beschaffung von Geldmitteln im Wege des Kredits im Rahmen der in den Haushaltsgesetzen oder Haushaltssatzungen ausgewiesenen Kreditermächtigungen durch den Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die öffentlichen Sondervermögen und Zweckverbände beschränkt wird. ...
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Info-Teil
Tarifverträge (Privates Bankgewerbe, öffentliche Banken, Bausparkassen, Sparkassen Saar) Teil I: Manteltarifvertrag § 1 (Geltungsbereich) Dieser Tarifvertrag gilt: 1. räumlich für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland 2. fachlich für alle privaten Kreditinstitute ..., die Leistungen auf dem Gebiet des Geld- und Kreditwesens ... erbringen ... 3. persönlich für alle Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden. § 2 (Regelmäßige Arbeitszeit) 1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (ohne Pausen gerechnet) beträgt 39 Stunden. Ihre Verteilung auf die einzelnen Wochentage (z. B. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, gleitende Arbeitszeit, versetzte Arbeitszeiten, Schichtarbeit) ist unter Beachtung von § 87 BetrVG ... betrieblich zu regeln. ... Notwendige Vor- und Nachrüstzeiten für Arbeitnehmer im Schalter- und Kundenbereich sind unabhängig von den Schalteröffnungszeiten Arbeitszeit. Unbezahlte Pausen oder Arbeitsunterbrechungen sollen arbeitstäglich eine Stunde nicht überschreiten; hiervon kann nur mit Zustimmung des Betriebsrates ... abgewichen werden. ... Die Sonnabende sind dienstfrei. ... 2. Gleitende und variable Arbeitszeit kann durch Betriebsvereinbarungen eingeführt werden. Diese soll es den Arbeitnehmern im Rahmen ihrer Aufgabenstellung und der betrieblichen Erfordernisse ermöglichen, Arbeitsbeginn, Arbeitsende sowie persönlich bedingte Arbeitsunterbrechungen in Abstimmung variabel zu gestalten. ... Öffnungsklausel zur Beschäftigungssicherung Zur Vermeidung von Entlassungen und zur Sicherung der Beschäftigung kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung die wöchentliche Arbeitszeit für Arbeitnehmergruppen, einzelne Abteilungen oder ganze Betriebsteile auch bis zu 31 Stunden in der Woche gekürzt werden; die Bezüge und sonstigen Leistungen werden grundsätzlich entsprechend gekürzt. Für die gekürzte Zeit wird ab dem 1. Januar 2004 ein finanzieller Ausgleich von 20 % des zugehörigen Stundensatzes geleistet. Zuvor sollen in dem betreffenden Bereich die Möglichkeiten zum Abbau von Mehrarbeit und zur Förderung von Teilzeitarbeitsverhältnissen genutzt werden. Während der Laufzeit der Betriebsvereinbarung dürfen gegenüber den von ihr erfassten Angestellten keine betriebsbedingten Beendigungskündigungen ausgesprochen werden. Auszubildende werden von dieser Regelung nicht erfasst. Diese Regelung ist befristet bis zum 31. Dezember 2008. Befristete Vereinbarungen über die Erweiterung der tariflichen Sonnabendarbeit Die Tarifparteien sind sich darüber einig, dass im Hinblick auf die unterschiedliche Beurteilung über die künftige Ausgestaltung von § 2 Ziffer 2 MTV (Sonnabendarbeit) eine vorgeschaltete befristete Vereinbarung zweckmäßig ist, in deren Laufzeit Erfahrungen über Anwendungsgebiete, Umsetzungsformen und
personelle Auswirkungen zusätzlicher Sonnabendarbeit gesammelt werden können. Vor diesem Hintergrund treffen die Tarifparteien eine befristete Vereinbarung, die für den Zeitraum vom 1. Oktober 2000 bis zum 31. Dezember 2008 die Regelung des § 2 Ziffer 2 MTV um zusätzliche Einsatzmöglichkeiten an Sonnabenden ergänzt: 1. Zusätzliche Sonnabendarbeit im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit ist mit Zustimmung des Arbeitnehmers (Freiwilligkeit) zulässig. 2. Im Rahmen dieser Regelung werden pro Sonnabend im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 6 % aller im Inland tätigen Arbeitnehmer des Unternehmens eingesetzt. Diese Quote gilt für überregional tätige Institute für jede hausintern festgelegte Region oder – falls eine regionale Unterteilung fehlt – für jedes Bundesland. Abweichend von Satz 1 dürfen in Unternehmen mit nicht mehr als 50 Mitarbeitern bis zu 10 Mitarbeiter, in Unternehmen mit 51 – 200 Mitarbeitern bis zu 20 Mitarbeiter und in Unternehmen mit 201 – 500 Mitarbeitern bis zu 30 Mitarbeiter eingesetzt werden. Das Unternehmen hat zu gewährleisten, dass die betrieblichen Vertretungen die Einhaltung dieser Vereinbarung überwachen können. Im Übrigen gilt § 87 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz. 3. Der Arbeitgeber hat den Betriebs-/Personalrat über die Absicht zusätzlicher Sonnabendarbeit und die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen (insbesondere über den gegenwärtigen und zukünftigen Personalbedarf) rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. … 4. … 5. … 6. Arbeitnehmer, die gemäß dieser Vereinbarung an Sonnabenden arbeiten, erhalten eine bezahlte Arbeitsbefreiung, und zwar 3 Tage bei mindestens 24 Sonnabendarbeitseinsätzen, 2 Tage bei mindestens 16 Sonnabendarbeitseinsätzen bzw. einen Tag bei mindestens 8 Sonnabendeinsätzen pro Kalenderjahr. … 7. Für Arbeitnehmer, die aufgrund dieser Vereinbarung Sonnabendarbeit leisten, beträgt der Mehrarbeitszuschlag für Mehrarbeitsstunden am Sonnabend … einheitlich 25 %. Protokollnotizen: 1. Auszubildende werden im Rahmen dieser Vereinbarung am Sonnabend nicht eingesetzt. § 3 (24. Dezember/31. Dezember) 1. Am 24. Dezember ist dienstfrei (Bankfeiertag). 2. Am 31. Dezember ist grundsätzlich dienstfrei. Die Geschäftsstellen bleiben geschlossen. Arbeitnehmer können für erforderliche Arbeiten – vorrangig Abschlussarbeiten – im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit an diesem Tag beschäftigt werden. Diese Arbeitnehmer erhalten dafür an einem anderen Arbeitstag einen zusammenhängenden Freizeitausgleich in gleicher Höhe. …
Tarifverträge § 4 (Mehrarbeit) 1. Mehrarbeit ist soweit wie irgend möglich zu vermeiden. Sie ist nur ausnahmsweise und im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Bestimmungen dieses Tarifvertrages zulässig. § 5 (Mehrarbeits-, Sonn-, Feiertags-, Nachtarbeit- und Schichtarbeitszuschläge) 1. Die Grundvergütung für jede Mehrarbeitsstunde beträgt 1/169 des tariflichen Monatsgehalts einschließlich übertariflicher Zulagen. Kinderzulagen bleiben bei der Berechnung der Mehrarbeitsvergütung außer Ansatz. Halbe Mehrarbeitsstunden werden mit der Hälfte dieser Sätze vergütet. Zur Mehrarbeitsgrundvergütung wird ein Mehrarbeitszuschlag von 25 % gewährt. Der Mehrarbeitszuschlag erhöht sich für Mehrarbeit, die über acht Stunden in der Woche hinausgeht, und für Mehrarbeit, die an Sonnabenden (0 bis 24.00 Uhr) geleistet wird, auf 50 %. 2. Für Arbeit an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen sowie an Bankfeiertagen (0 bis 24.00 Uhr) – außer Wachdienst – wird ein Zuschlag von 100 % gewährt. 3. Für Arbeit in der Nachtzeit (20.00 bis 6.00 Uhr) wird ein Zuschlag von 25 % gewährt. … 6. Mehrarbeit und Zuschläge gemäß Ziff. 1 – 3 sind grundsätzlich in Freizeit abzugelten. Diese soll unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange (auch halb- oder ganztätig) bis zum Ende des folgenden Abrechnungszeitraums gewährt werden. In Ausnahmefällen (persönliche bzw. betriebliche Belange) kann stattdessen eine Vergütung erfolgen. Mehrarbeit und Zuschläge gemäß Ziff. 1 – 3 können auch auf ein Langzeitkonto gemäß befristeter Rahmenregelung eingestellt werden. Arbeitsentgelt § 6 (Tarifgruppen) Für die Feststellung der tariflichen Mindestgehälter gelten folgende Tarifgruppen: Tarifgruppe 1 Tätigkeiten, die Vorkenntnisse nicht erfordern, z. B.: - Küchenhilfen Tarifgruppe 2 Tätigkeiten, die Kenntnisse oder Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine kurze Einarbeitung erworben werden, z. B.: - Arbeitnehmer mit einfacher Tätigkeit im Zahlungs-, Überweisungs- und Abrechnungsverkehr; in der Belegaufbereitung; in Registraturen, Expeditionen und Materialverwaltungen; in Fachabteilungen (Sortierarbeiten); im Kantinenbereich (z. B. Anrichten) - Boten - Pförtner - Wächter Tarifgruppe 3 Tätigkeiten, die Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine Zweckausbildung oder eine längere Einarbeitung erworben werden, z. B.: - Arbeitnehmer mit Tätigkeiten in Kontokorrent- und Sparabteilungen - Geldzähler - Geldboten mit Inkassovollmacht
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Arbeitnehmer für EDV-Hilfsmaschinen, Mikrofilm, Adressiermaschinen und Archivverfilmung - Datentypistinnen/Codiererinnen - Phonotypistinnen - Fernschreiberinnen - Telefonistinnen - Registratoren - Expedienten - Materiallageristen - Hausmeister - Kraftfahrer - Arbeitnehmer an umfangreichen technischen Sicherheitseinrichtungen - Empfangspersonal - Büfett- und Bedienungspersonal mit erhöhten Anforderungen - Beiköche Tarifgruppe 4 Tätigkeiten, die Kenntnisse oder Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch eine um entsprechende Berufserfahrung ergänzte Zweckausbildung oder längere Einarbeitung erworben werden, z. B.: - Kontoführer/Disponenten - Schalterangestellter mit Bedienungstätigkeit - Kassierer an kleinen Kassen mit einfachem Kassenverkehr - Sachbearbeiter in der Belegaufbereitung, im Zahlungs-, Überweisungs- und Abrechnungsverkehr - Arbeitnehmer in Kredit-, Wertpapier-, Auslands- und Stabsabteilungen (z. B. Personal-, Organisations-, Rechtsabteilung, Rechnungswesen) - Arbeitnehmer in der EDV-Arbeitsnachbereitung mit Kontrolltätigkeit - Operator-Assistenten - Band- und Magnetplattenverwalter - Datentypistinnen/Codiererinnen mit schwierigen Arbeiten und/oder Prüfarbeiten - Stenotypistinnen - … - Materialverwalter - Handwerker/Facharbeiter - Hausmeister mit erhöhten Anforderungen - Kraftfahrer mit erhöhten Anforderungen - Beiköche mit erhöhten Anforderungen Tarifgruppe 5 Tätigkeiten, die gründliche oder vielseitige Kenntnisse erfordern, wie sie in der Regel auf dem in Gruppe 4 angegebenen Wege – ergänzt durch weitere Berufserfahrung, Berufsfortbildung oder die Aneignung zusätzlicher Kenntnisse im jeweiligen Sachgebiet erworben werden, z. B.: - Kontoführer/Disponenten mit schwierigeren Arbeiten oder mit beratender Tätigkeit - Schalterangestellter mit beratender Tätigkeit - Kassierer - Sachbearbeiter mit erhöhten Anforderungen in der Belegaufbereitung, im Zahlungs-, Überweisungs- und Abrechnungsverkehr sowie in der Datenerfassung - Sachbearbeiter mit einfacheren Tätigkeiten in Kredit-, Wertpapier-, Auslands- und Stabsabteilungen
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Sachbearbeiter mit einfachen Tätigkeiten in der EDVArbeitsvorbereitung - Arbeitnehmer in der EDV-Nachbereitung mit erhöhten Anforderungen (z. B. Abstimmungstätigkeiten) - Peripherie-Operator - Datenarchivare - Stenotypistinnen mit erhöhten Anforderungen - … - Sekretärinnen - Leiter von Registraturen, Expeditionen und Materialverwaltungen - Handwerker/Facharbeiter mit hochwertigen Arbeiten - Leiter gewerblicher Arbeitsgruppen (auch Hausmeister) - Botenmeisterrungen - Köche Tarifgruppe 6 Tätigkeiten, die vertiefte gründliche und/oder vielseitige Kenntnisse voraussetzen und deren Ausführung in begrenztem Umfang eigene Entscheidungen erfordern, z. B.: - Schalterangestellte/Kontoführer/Disponenten mit abschließender Beratung für bestimmte Sparten wie programmierte Kredite bzw. Dienstleistungen - Kassierer mit erhöhten Anforderungen - Gruppenleiter in der Belegaufbereitung, im Zahlungs-, Überweisungs- und Abrechnungsverkehr sowie in der Datenerfassung - Sachbearbeiter in Kredit-, Wertpapier-, Auslands- und Stabsabteilungen - Sachbearbeiter in der EDV-Arbeitsvorbereitung - Leiter der EDV-Nachbereitung - Konsol-Operators - Datenarchivare mit erhöhten Anforderungen - Fremdsprachen-Stenotypistinnen mit erhöhten Anforderungen - Sekretärinnen mit erhöhten Anforderungen - Leiter(innen) von Schreibdiensten - Leiter größerer Registraturen, Expeditionen und Materialverwaltungen, FS-Stellen und gewerblicher Arbeitsgruppen - Arbeitnehmer mit Verantwortung für hochwertige technische Anlagen - Erste Köche - Küchenleiter Tarifgruppe 7 Tätigkeiten, die umfassende Kenntnisse voraussetzen und deren Ausführung überwiegend eigene Entscheidungen und ein entsprechendes Maß an Verantwortung erfordert, z. B.: - Kundenberater - Leiter von Zahlstellen - Kassierer mit besonderen Anforderungen (wie Gelddisposition für angeschlossene Stellen, Fremdsprachen) - Gruppenleiter in der Belegaufbereitung, im Zahlungs-, Überweisungs- und Abrechnungsverkehr sowie in der Datenerfassung in großen Stellen - Sachbearbeiter mit erhöhten Anforderungen in Kredit-, Wertpapier-, Auslands- und Stabsabteilungen sowie in Außenstellen - Hauptamtliche Ausbilder - Sachbearbeiter mit erhöhten Anforderungen in der EDVArbeitsvorbereitung
Info-Teil -
Erste Operator Konsol-Operators mit erhöhten Anforderungen Schichtleiter Programmierer-Assistent EDV-Organisations-Assistent Sekretärinnen in besonderer Vertrauensstellung Leiter(innen) großer Schreibdiensten Arbeitnehmer mit Verantwortung für hochwertige technische Anlagen in Großbetrieben - Küchenleiter in Großbetrieben - Wirtschaftsleiter Tarifgruppe 8 Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das fachliche Können Stellen und/oder mit erhöhter Verantwortung verbunden sind, z. B.: - Kundenberater mit erhöhten Anforderungen (z. B. inkl. Spezialberatung im Individualgeschäft) - Leiter kleinerer Geschäfts-/Zweigstellen - Hauptkassierer (in größeren Stellen) - Sachbearbeiter mit besonderen Anforderungen in Kredit-, Wertpapier-, Auslands- und Stabsabteilungen sowie in Außenstellen - Revisoren mit selbstständiger vielseitiger Prüfungstätigkeit - Hauptamtliche Ausbilder mit erhöhten Anforderungen (z. B. in der Fort- und Weiterbildung) - Sachbearbeiter mit besonderen Anforderungen in der EDV-Arbeitsvorbereitung (z. B. Steuerung von komplexen Systemen) - Programmierer - EDV-Organisator - Schichtleiter mit erhöhten Anforderungen - Sekretärinnen der Geschäftsleitung großer Banken - Wirtschaftsleiter in Großbetrieben Tarifgruppe 9 Tätigkeiten, die sich durch Schwierigkeit und/oder Verantwortung offenbar über Gruppe 8 hinausheben, z. B.: - Kundenberater mit besonderen Anforderungen - Geschäfts-/Zweigstellenleiter - Schichtleiter mit besonderen Anforderungen § 7 (Eingruppierung in die Tarifgruppen) 1. Die Arbeitnehmer werden nach der von ihnen ausgeübten Tätigkeit in die Tarifgruppen eingruppiert. Für die Tarifgruppen gelten die im Teil II (Gehaltstarifvertrag) festgelegten Mindestmonatsgehaltssätze. Die Eingruppierung ist den Arbeitnehmern schriftlich mitzuteilen. 2. Arbeitnehmer, deren Tätigkeit als Beispiel in einer Tarifgruppe aufgeführt ist, sind in diese Tarifgruppe einzugruppieren. 3. Arbeitnehmer mit einem Arbeitsgebiet, das Tätigkeiten verschiedener Tarifgruppen umfasst, sind nach der von ihnen überwiegend ausgeübten Tätigkeit … nach dieser einzugruppieren. § 8 Einstufung in die Berufsjahre 1. Das Mindestgehalt aller Arbeitnehmer richtet sich nach Berufsjahren. Jugendliche Arbeitnehmer erhalten bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres das Gehalt des 1. Berufsjahres der entsprechenden Tarifgruppe. In den Tarifgruppen 6 bis 9 ist unabhängig von den Berufsjahren mindestens das ausgewiesene Eingangsgehalt zu zahlen.
Tarifverträge 2.
Das Aufrücken in ein höheres Berufsjahr erfolgt am 1. Januar. 3. Als Berufsjahre gelten die Jahre, in denen der Arbeitnehmer bei einem Bank- oder Kreditinstitut tätig war. Ausbildungsjahre rechnen dann nicht mit, wenn sie vor der Vollendung des 20. Lebensjahres liegen. Das 1. Berufsjahr beginnt frühestens mit dem 1. Januar des Kalenderjahres, in dem der Arbeitnehmer sein 20. Lebensjahr vollendet. 4. Einem Angestellten, der nach vollendetem 20. Lebensjahr in ein Bank- oder Kreditinstitut eingetreten ist oder eintritt, werden die nach dem 20. Lebensjahr in anderen kaufmännischen Berufen und bei Behörden als Auszubildender oder im Bürodienst verbrachten Jahre angerechnet. … § 9 Teilzeitarbeit Die Tarifvertragsparteien wollen gemeinsam die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen fördern und regeln. Damit soll im Einklang mit den geschäftspolitischen Zielen und den betrieblichen Gegebenheiten des Unternehmens Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglicht werden, Berufsausübung und berufliche Qualifizierung mit außerberuflichen Interessen zu verbinden. Teilzeitarbeit soll in allen beruflichen und betrieblichen Qualifikationsstufen im Rahmen der betrieblichen Gegebenheiten ermöglicht werden. 1. Teilzeitbeschäftigten stehen die Tarifgehälter und die sonstigen tariflichen Leistungen anteilmäßig entsprechend der mit ihnen vereinbarten Wochenarbeitszeit im Verhältnis zu der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit zu. 2. Teilzeitbeschäftigte erhalten einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Er s soll mindestens Angaben über den Arbeitszeitanteil, die Arbeitszeitlage (auch variabel), die tarifliche Eingruppierung und eventuelle Zulagen enthalten. … 3. Die tägliche Arbeitszeit soll mindestens 3 Stunden betragen und … grundsätzlich zusammenhängend erbracht werden. … § 9a (Chancengleichheit, Familie und Beruf) Die Tarifparteien sind gemeinsam der Auffassung, durch eine Sicherung der Chancengleichheit von Männern und Frauen und eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Betrieben zur Förderung der Berufstätigkeit und der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten insbesondere von Frauen beizutragen. Dazu sollen unter Einbeziehung der Arbeitnehmervertretung konkrete betriebliche Vorgehensweisen erarbeitet werden, die die erforderliche Information und Motivation aller Mitarbeiter/innen und der Führungskräfte ermöglichen. 1. Frauen und Männer sollen bei der Besetzung von offenen Stellen entsprechend ihrer persönlichen und fachlichen Eignung gleichberechtigt berücksichtigt werden. Dementsprechend sollen Ausschreibungen für Stellen so gestaltet werden, dass Männer und Frauen gleichermaßen angesprochen werden. 2. Die beruflichen Leistungen von Männern und Frauen sollen in gleicher Weise gefördert und gefordert werden. … 3. Voll- und teilzeitbeschäftigte Frauen und Männer mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 5 Jahren, die die gesetzliche Elternzeit in Anspruch nehmen und zwischenzeitlich keine andere Tätigkeit außerhalb des Unternehmens ausüben, sind berechtigt, bis zu 6 Monate nach einem gesetzlichen Erziehungsurlaub /einer gesetzlichen Elternzeit in das Unternehmen zurückzukehren. Während dieser Zeit
229 (maximal 3 ½ Jahre) ruht das Arbeitsverhältnis. Nimmt der Arbeitnehmer diese tarifliche Verlängerungsmöglichkeit in Anspruch, ist die – ebenso wie die Dauer der Verlängerung – der Bank mindestens 3 Monate vor Ablauf des gesetzlichen Erziehungsurlaubs /der gesetzlichen Elternzeit schriftlich mitzuteilen. Die Arbeitnehmervertretung ist davon in Kenntnis zu setzen. Im Falle der Rückkehr werden frühere Betriebszugehörigkeitsjahre angerechnet. Während der Familienphase sollen im beiderseitigen Interesse Möglichkeiten der Sicherung und der Weiterentwicklung der Qualifizierung geprüft und genutzt werden, ggf. auch im Rahmen gesetzlich zulässiger Teilzeitarbeit. § 10 (Sonderzahlungen) 1. Die Arbeitnehmer und Auszubildenden haben Anspruch darauf, dass sie im Kalenderjahr zufließenden betrieblichen Sonderzahlungen 100 % des monatlichen Tarifgehalts zuzüglich aller tariflichen Zulagen und des Wechselschichtzuschlags bzw. der monatlichen Tarifvergütung für Auszubildende nicht unterschreiten. … 2. Maßgebend sind die dem Arbeitnehmer bzw. Auszubildenden in dem betreffenden Kalenderjahr zustehenden höchsten tariflichen Sätze. § 11 (Auszubildende) 1. Auszubildende im Sinne des § 3 BBiG erhalten die im Teil II festgelegten Vergütungen. 2. Wird die Ausbildungszeit auf weniger als drei Jahre verkürzt, so gilt für die Höhe der Vergütungen der Zeitraum, um den die Ausbildungszeit verkürzt wird, als abgeleistete Ausbildungszeit. 3. Spätestens drei Monate vor der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildungsverhältnisse prüft der Arbeitgeber, wie viele Auszubildende voraussichtlich in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden können und berät hierüber im Rahmen der Personalplanung mit der Arbeitnehmervertretung. Arbeitgeber und Auszubildende unterrichten sich gegenseitig möglichst frühzeitig – spätestens jedoch einen Monat vor der voraussichtlichen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses – darüber, ob im Anschluss an die Ausbildung die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses beabsichtigt ist. Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmervertretungen gemäß §§ 92 ff. und 99 BetrVG ... sind zu beachten. 3. Im Rahmen ihrer Ausbildung sind die Auszubildenden in geeigneter Form auf die Abschlussprüfung vorzubereiten. Zu diesem Zweck haben die Auszubildenden im letzten Ausbildungshalbjahr Anspruch auf entsprechenden innerbetrieblichen Unterricht, spezielle (auch überbetriebliche) Vorbereitungskurse oder ggf. Zeiten zum Selbststudium prüfungsrelevanten Stoffes – soweit möglich im Betrieb – im Umfang von insgesamt mindestens drei Arbeitstagen. § 12 (Entgeltfortzahlung/Krankengeldzuschuss) 1. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation richtet sich nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz in der jeweils geltenden Fassung. Der Arbeitgeber stockt diese Leistung um 20 Prozentpunkte, höchstens aber auf 100 % des laufenden Entgelts auf. Bei der Entgeltfortzahlung bleiben Vergütung für Mehrarbeit/Überstunden und entsprechende Zuschläge außer Ansatz.
230 2.
3.
4.
5.
Info-Teil
Im Anschluss an die Entgeltfortzahlung gemäß Ziffer 1 erhalten Arbeitnehmer, wenn sie dem Betrieb mindestens zwei Jahre angehören, den Unterschiedsbetrag zwischen ihrem Nettogehalt und dem Bruttokrankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. dem Übergangsgeld aus der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung (Krankengeldzuschuss). Als Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung wird bei allen Arbeitnehmern der durch § 47 Abs. 1 SGB V bestimmte Betrag zugrunde gelegt, bei nicht krankenversicherungspflichtigen Angestellten berechnet nach dem höchsten beitragspflichtigen Arbeitsentgelt. Bei der Feststellung des Nettogehalts ist von dem Bruttomonatsgehalt auszugehen, das dem Arbeitnehmer zustehen würde, wenn er nicht erkrankt wäre. Dabei bleiben Vergütung für Mehrarbeit/Überstunden und entsprechende Zuschläge außer Ansatz. Davon sind die Steuern und gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen, die alsdann einzubehalten wären. Bei nichtkrankenversicherungspflichtigen Angestellten, die sich bei einer gesetzlichen Krankenkasse freiwillig versichert haben, ist außerdem die Hälfte ihres Krankenkassenbeitrags, … abzuziehen. Auf den Krankengeldzuschuss etwa entfallende Steuern sind von den Arbeitnehmern zu tragen. Der Krankengeldzuschuss wird bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 2 bis 5 Jahren von mehr als 5 bis 10 Jahren von mehr als 10 bis 15 Jahren von mehr als 15 bis 20 Jahren von mehr als 20 bis 25 Jahren von mehr als 25 Jahren
für die Dauer von 7 Wochen für die Dauer von 20 Wochen für die Dauer von 33 Wochen für die Dauer von 46 Wochen für die Dauer von 59 Wochen für die Dauer von 72 Wochen
gezahlt. Für die Dauer der Betriebszugehörigkeit kommt es auf den Zeitpunkt des Beginns der Zahlung des Krankengeldzuschusses an. 7. Der Krankengeldzuschuss ist nachträglich an den Gehaltszahlungsterminen fällig, jedoch sind den Arbeitnehmern angemessene Abschlagszahlungen zu leisten. 8. Bei wiederholter Erkrankung gelten die gleichen Grundsätze wie für die gesetzliche Entgeltfortzahlung. § 15 (Erholungsurlaub) 1. Der Erholungsurlaub wird für das laufende Kalenderjahr gewährt. Er beträgt – unabhängig von individuellen Arbeitszeitschwankungen – 30 Arbeitstage. Als Arbeitstage gelten alle Werktage mit Ausnahme der Sonnabende. 2. Schwerbehinderte haben Anspruch auf einen Zusatzurlaub von sechs Arbeitstagen im Jahr. 3. Im Verlauf des Kalenderjahres eintretende oder ausscheidende Arbeitnehmer erhalten für jeden Beschäftigungsmonat, in dem sie mindestens 15 Kalendertage dem Betrieb angehört haben, 1/12 des vollen Jahresurlaubs, aufgerundet auf volle Arbeitstage. 4. Der Erholungsurlaub soll unter möglichster Berücksichtigung der Wünsche jedes einzelnen Arbeitnehmers, der Familienverhältnisse und der Schulferien erteilt werden. Er soll in größere Abschnitte aufgeteilt werden, von denen einer mindestens drei Wochen umfasst. 6.
5.
Arbeitnehmern im ungekündigten Arbeitsverhältnis können im Dezember in begründeten Fällen bis zu 5 Urlaubstage im Vorgriff auf das Folgejahr gewährt werden. 6. Kann der Erholungsurlaub nicht mehr vor dem Ausscheiden gewährt werden, so ist er durch Zahlung eines entsprechenden Gehaltsteils (1/21 des Monatsgehalts für jeden Arbeitstag) abzugelten. 7. Aus anderen Gründen darf der Erholungsurlaub nicht durch Zahlung abgegolten werden. Während des Erholungsurlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so entfällt der Anspruch auf Gehaltszahlung für diese Urlaubstage. Bereits gezahlte Gehaltsbezüge sind zurückzuerstatten. 8. Das Fernbleiben infolge Krankheit darf nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet werden. 9. Günstigere gesetzliche Regelungen bleiben unberührt. § 16 (Arbeitsbefreiung) 1. Arbeitnehmern, die öffentliche Ehrenämter bekleiden, ist zur Ausübung ihres Ehrenamtes Arbeitsbefreiung zu gewähren, auch wenn dies nicht bereits gesetzlich vorgeschrieben ist. Eine Anrechnung auf den Erholungsurlaub ist nicht zulässig. 2. Den in verantwortlicher leitender Stellung bei den vertragsschließenden Angestelltenorganisationen tätigen Arbeitnehmern ist zur Teilnahme an Sitzungen in Gewerkschaftsangelegenheiten Arbeitsbefreiung zu gewähren. Die Gesamtbeanspruchung darf jährlich nicht mehr als 12 Tage, für Mitglieder der Vorstandsgremien auf Bundesebene nicht mehr als 17 Tage umfassen. Die Arbeitsbefreiung erfolgt unter Fortzahlung des Gehalts und ohne Anrechnung auf den Erholungsurlaub. 3. Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Gehalts und ohne Anrechnung auf den Erholungsurlaub ist ferner zu gewähren bei: eigener Eheschließung Hochzeit der Kinder Goldener Hochzeit der Eltern Niederkunft der Ehefrau Tod des Ehegatten Tod der Eltern, Schwiegereltern, Kinder, Geschwister oder Großeltern Umzug (bei ungekündigtem Dienstverhältnis) Umzug aus dienstlichen Gründen 25., 40., 50. Dienstjubiläum
für 2 Arbeitstage für 1 Arbeitstag für 1 Arbeitstag für 1 Arbeitstag für 2 Arbeitstage für 1 Arbeitstag für 1 Arbeitstag für 2 Arbeitstage für 1 Arbeitstag
Protokollnotiz Der Freistellungskatalog gemäß Ziffer 3 gilt für eingetragene Lebenspartnerschaften entsprechend. 4. In den Fällen des § 45 SGB V wird unbezahlte Arbeitsbefreiung gewährt. § 17 (Kündigung und Entlassung) 1. Die Arbeitsverhältnisse der Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer, mit Ausnahme der zur Aushilfe oder auf Probe angestellten, können beiderseits unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Längere Kündigungsfristen können beiderseits einzelvertraglich vereinbart werden. Eine kürzere Kündigungsfrist kann für sie einzelvertraglich nur vereinbart werden, wenn sie einen
Tarifverträge Monat nicht unterschreitet und die Kündigung nur für den Schluss eines Kalendermonats zugelassen wird. Für Probeund Aushilfsarbeitsverhältnisse gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Der Arbeitgeber darf einem Arbeitnehmer, den er oder im Falle einer Rechtsnachfolge er und sein Rechtsvorgänger mindestens 5 Jahre beschäftigt haben, nur mit einer dreimonatigen Frist für den Schluss eines Kalendervierteljahres kündigen. Die Kündigungsfrist erhöht sich nach einer Beschäftigungsdauer von 8 Jahren auf 4 Monate, nach einer Beschäftigungsdauer von 10 Jahren auf 5 Monate und nach einer Beschäftigungsdauer von 12 Jahren auf 6 Monate. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Dienstjahre, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt. 2. Anhaltende Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit infolge unverschuldeten Unglücks sind kein wichtiger Grund zur fristlosen Lösung des Arbeitsverhältnisses. 3. Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens 10 Jahre ununterbrochen angehören, sind nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG kündbar. ... Die Möglichkeit der Änderungskündigung bleibt unberührt. Für die Verdienstsicherung gilt § 7 Ziffer 5 MTV. Protokollnotiz Bei Zweigstellen, die aus betriebswirtschaftlichen Gründen geschlossen werden müssen und bei denen keine Möglichkeit der Unterbringung in anderen Geschäftsstellen besteht, ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Im Falle der Kündigung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Entschädigung nach den Grundsätzen eines Sozialplanes. § 18 (Umwandlung von Tarifleistungen) 1. Der Arbeitnehmer kann durch Vereinbarung mit dem Arbeitgeber tarifliche geldliche Ansprüche (einschließlich möglicher Ansprüche auf vermögenswirksame Leistungen) in Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung (z. B. in Form der Direktzusage, Unterstützungskasse, Pensionskasse, Pensionsfonds oder Direktversicherung) umwandeln. Für geldliche Ansprüche bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze West der Rentenversicherung hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltumwandlung gemäß § 1 a BetrAVG. Für darüber hinausgehende Beträge bedarf es des Einvernehmens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine entsprechende Regelung kann auch Gegenstand einer freiwilligen Betriebs-/Dienstvereinbarung sein. § 19 (Schlussbestimmungen) 1. Dieser Tarifvertrag … kann mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. 1. Der Arbeitnehmer kann auf geldliche Ansprüche aus dem Tarifvertrag widerruflich verzichten, wenn sich dieser Verzicht wirtschaftlich zu seinen Gunsten auswirkt. Ein etwaiger Widerruf gilt nur für die Zukunft. Ein Verzicht ist vom Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich auszusprechen; bei Minderjährigen ist die schriftliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich. 2. Günstigere Arbeitsbedingungen, auf die ein Arbeitnehmer durch Betriebsvereinbarungen oder kraft eines
231 besonderen Arbeitsvertrages Anspruch hat, bleiben bestehen. Protokollnotiz zu § 19: Öffnungsklausel zur Arbeitsplatzsicherung bei besonders schwieriger wirtschaftlicher Situation (Härtefall) Im Falle einer besonders schwierigen wirtschaftlichen Situation, die als Härtefall auf den Beschäftigungsstand eines Unternehmens erheblich bedroht, können die Betriebsparteien (Geschäftsleitung sowie Betriebs- bzw. Personalräte) gegenüber den Tarifvertragsparteien ihre Absicht erklären, befristet von tariflichen Regelungen abweichen zu wollen. Die beabsichtigte Abweichung kann sich insbesondere auf eine niedrigere Sonderzahlung (§ 10 MTV) und/oder einen reduzierten Urlaubsanspruch (§ 15 MTV) sowie in Ausnahmefällen auf die Aussetzung von Tariferhöhungen beziehen. Die Abweichung darf 8 % des individuellen Tarifvolumens nicht überschreiten. Der Abbau von übertariflichen Leistungen hat Vorrang vor Abweichungen von Tarifregelungen. Voraussetzung ist, dass die Betriebsparteien ebenso wie die Tarifvertragsparteien – auf der Grundlage geeigneter Informationen – die besonders schwierige wirtschaftliche Situation als Härtefall anerkennen und diese Parteien eine befristete schriftliche Regelung zur Abweichung von Tarifvertragsregelungen bei gleichzeitiger Vereinbarung von Maßnahmen mit dem Ziel der Sicherung der Arbeitsplätze und Vorlage von Planungen zur Wiederherstellung stabiler wirtschaftlicher Verhältnisse vereinbaren. Teil II: Gehaltstarifvertrag § 1 Geltungsbereich Der Geltungsbereich des Gehaltstarifvertrages entspricht dem des Manteltarifvertrages. § 2 Tarifgehälter c) Die Mindestmonatsgehaltssätze für die in § 6 MTV festgelegten Tarifgruppen betragen ab 1. September 2007: BerufsTG 1 TG 2 TG 3 TG 4 TG 5 jahr im 1. – 2. 1853 1919 2015 2102 2186 im 3. – 4. 1957 2039 2115 2208 2304 im 5. – 6. 2059 2154 2212 2312 2423 im 7. – 8. 2186 2293 2309 2418 2545 im 9. 2433 2524 2662 im 10. 2629 2782 im 11. 2903 BerufsTG 6 TG 7 TG 8 TG 9 jahr im 1. – 2. im 3. – 4. 2429 im 5. – 6. 2577 2752 im 7. – 8. 2725 2936 3174 im 9. 2880 3115 3378 3637 im 10. 3033 3299 3580 3865 im 11. 3187 3480 3787 4092 Steht das Gehalt nicht für den ganzen Monat zu, so ist für jeden Kalendertag 1/30 des Monatsgehalts zu zahlen. § 3 Vergütungen für Auszubildende Die … Ausbildungsvergütungen … betragen monatlich ab 1.12.2007: im 1. Ausbildungsjahr 750 EUR
232 im 2. Ausbildungsjahr 810 EUR im 3. Ausbildungsjahr 869 EUR § 4 Schlussbestimmungen 1. Dieser Gehaltstarifvertrag tritt ab 1. Juni 2006 in Kraft. Er kann frühestens zum 31. Juni 2008 mit einer Frist von einem Monat gekündigt werden. 2. Günstigere Arbeitsbedingungen, auf die ein Arbeitnehmer durch Betriebsvereinbarungen oder kraft eines besonderen Arbeitsvertrages Anspruch hat, bleiben bestehen. Teil III: Tarifvertrag zur leistungs- und/oder erfolgsorientierten variablen Vergütung § 1 (Geltungsbereich/Voraussetzungen) Dieser Tarifvertrag hat den gleichen Geltungsbereich wie Teil I (Manteltarifvertrag). Er gilt nicht für Auszubildende. In Betrieben mit Betriebs-/Personalrat kann eine leistungs- und/oder erfolgsorientierte Vergütung durch freiwillige Betriebs/Dienstvereinbarung (ohne Möglichkeit der Nachwirkung im Kündigungsfall) eingeführt werden. Die betriebliche Regelung kann sich auf alle tariflich bezahlten Mitarbeiter oder bestimmte Unternehmensbereiche bzw. Mitarbeitergruppen beziehen. Teil IV: Tarifvertrag über Leistungen nach dem Vermögensbildungsgesetz § 1 (Geltungsbereich) Dieser Tarifvertrag hat den gleichen Geltungsbereich wie Teil I (Manteltarifvertrag). § 2 (Höhe der Leistungen) Die Arbeitnehmer und Auszubildenden – im folgenden kurz „Arbeitnehmer“ genannt – erhalten für jeden Kalendermonat, für den sie mindestens 15 Kalendertage Gehalt bzw. Vergütung für Auszubildende oder Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 MuSchG beziehen oder Anspruch auf Krankengeldzuschuss gemäß § 12 MTV haben, 40 EUR monatlich als Leistungen im Sinne des 5. Vermögensbildungsgesetzes in der Fassung vom 21.12.1993 (VermBG). Für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer findet § 9 Ziffer 1 MTV entsprechende Anwendung. ... § 3 (Fälligkeit der Leistungen) Statt monatlicher Fälligkeit kann betrieblich die Fälligkeit der Leistungen für das erste Halbjahr auf den 31. März und für das zweite Halbjahr auf den 30. September oder für das ganze Kalenderjahr auf den 30. Juni vereinbart werden. ... § 4 (Anlageart) Die Arbeitnehmer haben dem Arbeitgeber schriftlich mitzuteilen, welche nach dem Vermögensbildungsgesetz zulässige Art der Anlage der Leistungen sie wünschen und die Stelle nebst KontoNr. zu bezeichnen, an die sie abgeführt werden soll. Unterbleibt die Mitteilung, so erlöschen die Ansprüche auf Leistungen nach diesem Tarifvertrag für das laufende Kalenderjahr am 15. Dezember. Für die tariflich vereinbarten Leistungen und die gemäß § 11 VermBG angelegten Teile des Arbeitslohnes sollen die Arbeitnehmer möglichst dieselbe Anlageart und dasselbe Anlageinstitut wählen. Eine zweite Anlageart kann gewählt werden, wenn es sich bei einer Anlageart um eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 bis 4 VermBG aufgeführten Anlageformen handelt. Die für ein Kalenderjahr getroffene Entscheidung kann nur mit Zustimmung des Arbeitgebers geändert werden. § 5 Unterrichtung und Anlagewahl Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass ihre Mitglieder über die Möglichkeiten der Anlage der Leistungen nach § 2 Abs. 1 VermBG umfassend unterrichtet werden sollen. Sie
Info-Teil erklären, nichts zu unternehmen, was geeignet sein könnte, dem Grundsatz der freien Wahl gemäß § 12 VermBG entgegenzuwirken. Teil V: Tarifvereinbarung zur Absicherung von Arbeitsplätzen und Einkommen bei Rationalisierungsmaßnahmen (Rationalisierungsschutzabkommen) § 1 (Geltungsbereich) Dieser Tarifvertrag hat den gleichen Geltungsbereich wie Teil I (Manteltarifvertrag). § 2 (Allgemeine Grundsätze) Die Vertragsparteien bejahen die wirtschaftliche Notwendigkeit von Rationalisierungsmaßnahmen. Diese haben sowohl den wirtschaftlichen Belangen der Unternehmen als auch den sozialen Interessen der Arbeitnehmer Rechnung zu tragen. § 3 (Begriffsbestimmung) Rationalisierungsmaßnahmen i. S. dieses Tarifvertrages sind vom Arbeitgeber veranlasste Änderungen der Arbeitstechnik oder der Arbeitsorganisation zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, sofern diese zu Versetzungen, Herabgruppierungen oder Kündigungen führen. § 4 (Zusammenarbeit mit der Betriebs- bzw. Personalvertretung) Der Arbeitgeber hat den Betriebs- bzw. Personalrat über die Planung von Rationalisierungsmaßnahmen i.S. von § 3 rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Er hat die vorgesehenen Maßnahmen und ihre personellen Auswirkungen (Versetzungen, Umgruppierungen, Umschulungen, Kündigungen) mit ihm so rechtzeitig zu beraten, dass das Ergebnis der Beratungen noch berücksichtigt werden kann. Die gesetzlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte der Betriebs- bzw. Personalvertretung bleiben unberührt. § 5 (Grundsatz der Arbeitsplatzsicherung) 1. Vorrangiges soziales Ziel im Falle von Rationalisierungsmaßnahmen ist die Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses im Unternehmen. Dabei gehen die Vertragsparteien von der grundsätzlichen Bereitschaft der Arbeitnehmer zu Mobilität und Flexibilität aus. Sofern aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen ein Arbeitsplatz in der tariflichen Wertigkeit sinkt oder wechselt, ist dem Arbeitnehmer – soweit vorhanden – ggf. nach einer Umschulung, ein zumutbarer Arbeitsplatz der gleichen Tarifgruppe in demselben Betrieb des Unternehmens anzubieten. 2. Steht ein Arbeitsplatz der gleichen Tarifgruppe gemäß Ziffer 1 nicht zur Verfügung, ist dem Arbeitnehmer – soweit vorhanden – ein zumutbarer geringer bewerteter Arbeitsplatz im Betrieb oder, sofern dies nicht möglich ist, in einem anderen nahe gelegenen Betrieb des Unternehmens anzubieten. 3. § 1 Abs. 2 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz, § 102 Abs. 3 Ziffer 3 Betriebsverfassungsgesetz bzw. die entsprechenden Vorschriften der Personalvertretungsgesetze bleiben unberührt. 4. Die Zumutbarkeit eines Arbeitsplatzes richtet sich nach der Art der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers, seinem Alter und Gesundheitszustand, seinen familiären Verhältnissen sowie der räumlichen Entfernung des neuen Arbeitsplatzes.
TVG Tarifvertragsgesetz 5.
Der von Maßnahmen des § 3 in Verbindung mit § 5 betroffene Arbeitnehmer ist zu informieren und insbesondere wegen der Zumutbarkeit anzuhören. 6. Ein Arbeitnehmer, der es ablehnt, einen zumutbaren Arbeitsplatz der gleichen Tarifgruppe zu übernehmen oder an zumutbaren Umschulungsmaßnahmen für die Übernahme eines solchen teilzunehmen, oder eine entsprechende Umschulung schuldhaft vorzeitig abbricht, erwirbt keine Ansprüche aus diesem Abkommen. § 6 (Änderungen der Tätigkeit – Versetzung) 1. Ändert sich durch eine Rationalisierungsmaßnahme die Tätigkeit eines Arbeitnehmers an seinem bisherigen Arbeitsplatz, hat dieser Anspruch auf die notwendigen und geeigneten Maßnahmen zur Einarbeitung in die geänderte Tätigkeit. Dies gilt entsprechend bei einer Versetzung auf einen neuen Arbeitsplatz. 2. Ist die Versetzung mit einem Ortswechsel verbunden, so trägt der Arbeitgeber a) bei einem notwendigen Wohnungswechsel die Kosten im Rahmen des Bundesumzugskostengesetzes, b) für längstens 12 Monate die nachgewiesenen Mehrkosten für die Fahrt zum neuen Arbeitsort bzw. die nachgewiesenen Kosten der doppelten Haushaltsführung im Rahmen der steuerlich jeweils zulässigen Höchstbeträge. § 7 (Qualifikationssicherung) 1. Vor einer Herabgruppierung oder Kündigung aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen ist zu prüfen, inwieweit diese durch Umschulung oder Fortbildung gemindert oder verhindert werden können. Kann dem Arbeitnehmer gemäß § 5 ein anderer Arbeitsplatz angeboten werden, der eine Umschulung erfordert, so hat er Anspruch auf die hierfür erforderlichen Umschulungsmaßnahmen. 2. Für die Dauer der Umschulung erhält der Arbeitnehmer die bisherigen Bezüge, ausgenommen die Vergütungen gemäß § 5 MTV … Die notwendigen Kosten der Umschulung trägt der Arbeitgeber. § 8 (Änderungskündigung/Gehaltssicherung) 1. Soll einem Arbeitnehmer wegen einer Rationalisierungsmaßnahme i.S. des § 3 eine Tätigkeit übertragen werden, die einer niedrigeren Tarifgruppe entspricht, so ist für eine Änderungskündigung oder Einvernehmen Schriftform erforderlich. Für die Änderungskündigung gelten die Bestimmungen des § 17 MTV und des KSchG.
233 § 9 (Kündigung und Abfindung) 1. Ist aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen eine Kündigung des Arbeitnehmers unvermeidbar, so gelten für die Kündigung die Bestimmungen des § 17 MTV und die Vorschriften des KSchG. … 2. Vor einer Kündigung gemäß Ziffer 1 ist für Arbeitnehmer mit 25-jähriger Betriebszugehörigkeit, die zwei Jahre vor der Möglichkeit des gesetzlichen Rentenbezugs stehen, zu prüfen, ob an die Stelle einer Kündigung mit Zahlung einer Abfindung eine andersartige einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses (z. B. Zahlung eines Übergangsgeldes) treten kann. Während der zeitlichen Geltung des Altersteilzeit-Tarifvertrages können Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens 10 Jahre angehören, anstelle einer unvermeidbaren betriebsbedingten Kündigung eine Alterteilzeitregelung – ggf. in Verbindung mit einer Versetzung – in Anspruch nehmen, sofern nicht betriebliche Gründe entgegenstehen. … 3. Führen Rationalisierungsmaßnahmen – auch in Form eines Auflösungsvertrages – zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung. Sie beträgt Alter 40 44 48 52 56 Betriebszugehörigkeit Monatsgehälter 10 4 4,50 5,00 5,60 6 14 5 5,75 6,50 7,25 8 18 6 7,00 8,00 9,00 10 22 7 8,25 9,50 10,75 12 26 9,50 11,00 12,50 14 Für Arbeitnehmer vor Vollendung des 40. Lebensjahres beträgt die Abfindung: - bei 5-jähriger Betriebszugehörigkeit 1 Monatsgehalt, - bei 10-jähriger Betriebszugehörigkeit 2 Monatsgehälter, - bei 15-jähriger Betriebszugehörigkeit 3 Monatsgehälter. Für die Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter ist der Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgebend.
TVG Tarifvertragsgesetz § 1 Inhalt und Form des Tarifvertrages (1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können. (2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform. § 2 Tarifvertragsparteien (1) Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern. § 3 Tarifgebundenheit (1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist.
(2) Rechtsnormen des Tarifvertrages über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist. (3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet. § 4 Wirkung der Rechtsnormen (1) Die Rechtsnorm des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. ...
234 § 5 Allgemeinverbindlichkeit (1) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklären, wenn 1. die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 vom Hundert der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen und 2. die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Von den Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 kann abgesehen werden, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung zur Behebung eines sozialen Notstandes erforderlich erscheint. (2) Vor der Entscheidung über den Antrag ist Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben. (3) Erhebt die oberste Arbeitsbehörde eines beteiligten Landes Einspruch gegen die beantragte Allgemeinverbindlicherklärung, so kann der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung dem Antrag nur mit Zustimmung der Bundesregierung stattgeben. (4) Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrages in seinem Geltungsbe-
Info-Teil reich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. (5) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages im Einvernehmen mit dem in Abs. 1 genannten Ausschuss aufheben, wenn die Aufhebung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. Im Übrigen endet die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages mit dessen Ablauf. § 6 Tarifregister Bei dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wird ein Tarifregister geführt, in das der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung der Tarifverträge sowie der Beginn und die Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit eingetragen werden. § 7 Übersendungs- und Mitteilungspflicht (1) Die Tarifvertragsparteien sind verpflichtet, dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung innerhalb eines Monats nach Abschluss kostenfrei die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift sowie zwei weitere Abschriften eines jeden Tarifvertrages und seiner Änderungen zu übersenden; sie haben ihm das Außerkrafttreten eines jeden Tarifvertrages innerhalb eines Monats mitzuteilen. ... § 8 Bekanntgabe des Tarifvertrages Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die für ihren Betrieb maßgebenden Tarifverträge an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen. § 9 Feststellung der Rechtswirksamkeit Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Tarifvertrages ergangen sind, sind in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend.
TzBfG Teilzeitarbeitsgesetz Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge § 1 Zielsetzung Ziel des Gesetzes ist, Teilzeitarbeit zu fördern, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge festzulegen und die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu verhindern. § 2 Begriff des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers (1) Teilzeitbeschäftigt ist ein Arbeitnehmer, dessen regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers ... § 3 Begriff des befristet beschäftigten Arbeitnehmers (1) Befristet beschäftigt ist ein Arbeitnehmer mit einem auf bestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag. Ein auf bestimmte Zeit geschlossener Arbeitsvertrag (befristeter Arbeitsvertrag) liegt vor, wenn seine Dauer kalendermäßig bestimmt ist ... § 4 Verbot der Diskriminierung (1) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ...
(2) Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer ... § 5 Benachteiligungsverbot Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach diesem Gesetz benachteiligen. Teilzeitarbeit § 6 Förderung von Teilzeitarbeit Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmern, auch in leitenden Positionen, Teilzeitarbeit nach Maßgabe dieses Gesetzes zu ermöglichen. § 7 Ausschreibung; Information über freie Arbeitsplätze (1) Der Arbeitgeber hat einen Arbeitsplatz, den er öffentlich oder innerhalb des Betriebes ausschreibt, auch als Teilzeitarbeitsplatz auszuschreiben, wenn sich der Arbeitsplatz hierfür eignet. (2) Der Arbeitgeber hat einen Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Veränderung von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, über ent-
Unfallverhütungsvorschrift „Allgemeine Vorschriften“
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sprechende Arbeitsplätze zu informieren, die im Betrieb oder Unternehmen besetzt werden sollen. (3) Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmervertretung über Teilzeitarbeit im Betrieb und Unternehmen zu informieren ... § 8 Verringerung der Arbeitszeit (1) Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden hat, kann verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird. (2) Der Arbeitnehmer muss die Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung spätestens drei Monate vor deren Beginn geltend machen. ... (3) Der Arbeitgeber hat mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit mit dem Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Er hat mit dem Arbeitnehmer Einvernehmen über die von ihm festzulegende Verteilung der Arbeitszeit zu erzielen. (4) Der Arbeitgeber hat der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht ... § 9 Verlängerung der Arbeitszeit Der Arbeitgeber hat einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen. § 10 Aus- und Weiterbildung Der Arbeitgeber hat Sorge zu tragen, dass auch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zur Förderung der beruflichen Entwicklung und Mobilität teilnehmen können ...
§ 11 Kündigungsverbot Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen der Weigerung eines Arbeitnehmers, von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis oder umgekehrt zu wechseln, ist unwirksam ... Befristete Arbeitsverträge § 14 Zulässigkeit der Befristung (1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn 1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht, 2. die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern, 3. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird, 4. die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt, 5. die Befristung zur Erprobung erfolgt, 6. in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen, (2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat ... (4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. § 15 Ende des befristeten Arbeitsvertrages (1) Ein kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag endet mit Ablauf der vereinbarten Zeit. (3) Ein befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich ... vereinbart ist.
Unfallverhütungsvorschrift „Allgemeine Vorschriften“ I. Allgemeine Vorschriften und Pflichten des Unternehmers § 2 Allgemeine Anforderungen (1) Der Unternehmer hat Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe zu treffen. Er hat insbesondere Einrichtungen bereit zu stellen und Anordnungen zu treffen, die den Bestimmungen dieser Unfallverhütungsvorschrift … entsprechen. … § 4 Persönliche Schutzausrüstungen (1) Ist es durch betriebstechnische Maßnahmen nicht ausgeschlossen, dass die Versicherten Unfall- oder Gesundheitsgefahren ausgesetzt sind, so hat der Unternehmer geeignete persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen und diese im ordnungsgemäßen Zustand zu halten. (2) Der Unternehmer hat insbesondere zur Verfügung zu stellen: 1. Kopfschutz, wenn mit Kopfverletzungen durch Anstoßen … zu rechnen ist;
2.
Fußschutz, wenn mit Fußverletzungen durch Stoßen … zu rechnen ist; 3. Augen- oder Gesichtsschutz, wenn mit Augen- oder Gesichtsverletzungen … zu rechnen ist; 4. Atemschutz, wenn Versicherte gesundheitsschädlichen … Gasen … ausgesetzt sein können …; 5. Körperschutz … § 7 Auslegung von Unfallverhütungsvorschriften, Unterweisung der Versicherten (1) Der Unternehmer hat die für sein Unternehmen geltenden Unfallverhütungsvorschriften an geeigneter Stelle auszulegen. Den mit der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren betrauten Personen sind die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften auszuhändigen, soweit sie ihren Arbeitsbereich betreffen. (2) Der Unternehmer hat die Versicherten über die bei ihren Tätigkeiten auftretenden Gefahren sowie über die Maßnahmen zu ihrer Abwendung vor der Beschäftigung und
236 danach in angemessenen Zeitabständen, mindestens jedoch einmal jährlich, zu unterweisen. § 8 Förderung der Mitwirkung der Versicherten Der Unternehmer hat die Mitwirkung der Versicherten an der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankeiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu fördern. Er hat den mit der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren betrauten Personen die Teilnahme an einschlägigen Aus- und Fortbildungsveranstaltungen unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange zu ermöglichen. § 9 Sicherheitsbeauftragte (1) Die Zahl der … zu bestellenden Sicherheitsbeauftragten ergibt sich aus der Anlage 1 zu dieser Unfallverhütungsvorschrift. (2) Der Unternehmer hat den Sicherheitsbeauftragten Gelegenheit zu geben, ihre Aufgaben zu erfüllen, insbesondere in ihrem Bereich an den Betriebsbesichtigungen und Unfalluntersuchungen der Aufsichtspersonen … teilzunehmen. Den Sicherheitsbeauftragten sind auf Verlangen die Ergebnisse der Betriebsbesichtigungen und Unfalluntersuchungen zur Kenntnis zu geben. § 10 Besichtigung des Unternehmens durch Aufsichtspersonen … (1) Der Unternehmer hat der Aufsichtsperson … die Besichtigung seines Unternehmens zu ermöglichen und sie auf ihr Verlangen dabei zu begleiten oder durch einen geeigneten Vertreter begleiten zu lassen. § 11 Auskunftspflicht Der Unternehmer hat der Berufsgenossenschaft die im Zusammenhang mit der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren stehenden Angaben zu machen und Auskünfte zu erteilen. § 13 Betriebliche Aufsichtspersonen Der Unternehmer hat die Verantwortungsbereiche der von ihm zu bestellenden betrieblichen Aufsichtspersonen abzugrenzen und dafür zu sorgen, dass diese ihren Pflichten auf dem Gebiet der Verhütung von Arbeitsunfällen … nachkommen und sich untereinander abstimmen. II. Pflichten der Versicherten § 14 Befolgung von Anweisungen des Unternehmers, Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen Die Versicherten haben nach ihren Möglichkeiten alle Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen … sowie für eine wirksame Erste Hilfe zu unterstützen und die entsprechenden Anweisungen des Unternehmers zu befolgen. … § 16 Beseitigung von Mängeln (1) Stellt ein Versicherter fest, dass eine Einrichtung im Hinblick auf die Verhütung von Arbeitsunfällen … nicht einwandfrei ist, so hat er diesen Mangel unverzüglich zu beseitigen. Gehört dies nicht zu seiner Arbeitsaufgabe …, so hat er den Mangel dem Vorgesetzten unverzüglich zu melden. … III. Betriebsanlagen und Betriebsreglungen § 18 Arbeitsplätze (1) Arbeitsplätze müssen … so eingerichtet und beschaffen sein und so erhalten werden, dass sie ein sicheres Arbeiten
Info-Teil ermöglichen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Materials, der Geräumigkeit, der Festigkeit, der Standsicherheit, der Oberfläche, der Trittsicherheit, der Beleuchtung und Belüftung sowie hinsichtlich des Fernhaltens von schädlichen Umwelteinflüssen und von Gefahren, die von Dritten ausgehen. § 19 Beleuchtungseinrichtungen in Arbeitsräumen/Gebäuden (1) In Arbeitsräumen müssen Lichtschalter leicht zugänglich und selbstleuchtend sein. Sie müssen auch in der Nähe der Zu- und Ausgänge angebracht sein. Dies gilt nicht, wenn die Beleuchtung zentral geschaltet wird. … (2) Beleuchtungseinrichtungen in Arbeitsräumen sind so anzuordnen und auszulegen, dass sich aus der Art der Beleuchtung keine Unfall- oder Gesundheitsgefahren für die Versicherten ergeben können. Die Beleuchtung muss sich nach der Art der Sehaufgabe richten. Die Stärke der Allgemeinbeleuchtung muss mindestens 15 Lux betragen. § 20 Fußböden in Räumen/Gebäuden … (1) Fußböden in Räumen dürfen keine Stolperstellen haben, sie müssen eben und rutschhemmend ausgeführt und leicht zu reinigen sein. § 24 Verkehrswege (1) Verkehrswege müssen freigehalten werden, damit sie jederzeit benutzt werden können. § 25 Verkehrswege in Räumen/Gebäuden (1) Verkehrswege müssen in solcher Anzahl vorhanden und so beschaffen und bemessen sein, dass sie je nach ihrem Bestimmungszweck sicher begangen oder befahren werden können und neben den Wegen beschäftigte Personen durch den Verkehr nicht gefährdet werden. § 30 Rettungswege, Notausgänge (1) Das schnelle und sichere Verlassen von Arbeitsplätzen und –räumen muss durch Anzahl, Lage, Bauart und Zustand von Rettungswegen und Ausgängen gewährleistet sein; erforderlichenfalls sind zusätzliche Notausgänge zu schaffen. (2) Rettungswege und Notausgänge müssen als solche deutlich erkennbar und dauerhaft gekennzeichnet sein und auf möglichst kurzem Weg ins Freie oder in einen gesicherten Bereich führen. Auf sie ist zusätzlich hinzuweisen, wenn sie nicht von jedem Arbeitsplatz aus gesehen werden können. (3) Rettungswege und Notausgänge dürfen nicht eingeengt werden und sind stets freizuhalten. Notausgänge müssen sich leicht öffnen lassen. (4) Türen im Verlauf von Rettungswegen müssen als solche gekennzeichnet sein und in Fluchtrichtung aufschlagen. Die Türen müssen sich von innen ohne fremde Hilfsmittel jederzeit leicht öffnen lassen, so lange sich Personen in dem Raum befinden. § 31 Fahrtreppen, Fahrsteige (1) Fahrtreppen und umlaufende stufenlose Bänder für den Personenverkehr (Fahrsteige) müssen so beschaffen sein, dass sie sicher benutzt werden können. An den Zu- und Abgängen muss ausreichend bemessener Raum als Stauraum vorhanden sein. (2) An den Fahrtreppen und Fahrsteigen müssen Quetsch- und Scherstellen gesichert sein.
Unfallverhütungsvorschrift „Erste Hilfe“
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Unfallverhütungsvorschrift „Erste Hilfe“ I. Geltungsbereich § 1 Geltungsbereich (1) Diese Unfallverhütungsvorschrift gilt für die Erste Hilfe und das Verhalten bei Unfällen. II. Pflichten des Unternehmers § 2 Allgemeine Pflichten des Unternehmers (1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass 1. zur Ersten Hilfe und zur Rettung aus Gefahr für Leben und Gesundheit a) die erforderlichen Einrichtungen, insbesondere Meldeeinrichtungen, Sanitätsräume, Erste-HilfeMaterial, Rettungsgeräte und Rettungstransportmittel und b) das erforderliche Personal, insbesondere Ersthelfer und Betriebssanitäter, zur Verfügung stehen sowie 2. nach einem Unfall sofort Erste Hilfe geleistet und eine erforderliche ärztliche Versorgung veranlasst wird. (2) Der Unternehmer darf nur Einrichtungen für die Erste Hilfe und zur Rettung aus Gefahr für Leben und Gesundheit bereitstellen, die den Vorschriften dieser Unfallverhütungsvorschrift … entsprechen. § 3 Meldeeinrichtungen und -maßnahmen Der Unternehmer hat … durch Meldeeinrichtungen und organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass unverzüglich die notwendige Hilfe herbeigerufen und an den Einsatzort geleitet werden kann. § 4 Sanitätsräume (1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass mindestens ein Sanitätsraum … 1. in einem Betrieb mit mehr als 1000 Versicherten, 2. in einem Betrieb mit mehr als 100 Versicherten, wenn seine Art und das Unfallgeschehen nach Art, Schwere und Zahl der Unfälle einen gesonderten Raum für die Erste Hilfe erfordern, vorhanden ist. (3) Die Sanitätsräume … müssen mit einer Krankentrage leicht zu erreichen sein. Sie müssen mit den für die Erste Hilfe und die ärztliche Erstversorgung erforderlichen Einrichtungen ausgestattet sein; die Sanitätsräume müssen dementsprechend bemessen sein. § 5 Erste-Hilfe-Material Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass das Erste-HilfeMaterial jederzeit schnell erreichbar und leicht zugänglich in geeigneten Behältnissen, gegen schädigende Einflüsse geschützt, in ausreichender Menge bereitgehalten sowie rechtzeitig ergänzt und erneuert wird. § 6 Zahl der Ersthelfer Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass für die Erste-HilfeLeistung Ersthelfer mindestens in folgender Zahl zur Verfügung stehen:
1. 2.
bei bis zu 20 anwesenden Versicherten 1 Ersthelfer, bei mehr als 20 anwesenden Versicherten a) in Verwaltungs- und Handelsbetrieben 5 %, b) in sonstigen 10 %. § 7 Erste-Hilfe-Aus- und Fortbildung (1) Der Unternehmer darf als Ersthelfer nur Personen einsetzen, die durch den Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland (ASB), das Deutsche Rote Kreuz (DRK) … in der Ersten Hilfe ausgebildet sind. … (2) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die Ersthelfer in angemessenen Zeitabständen fortgebildet werden. … § 11 Unterweisung (1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die Versicherten vor Aufnahme ihrer Beschäftigung und danach mindestens einmal jährlich über das Verhalten bei Unfällen unterwiesen werden. § 12 Kennzeichnung Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die Erste-HilfeEinrichtungen sowie die Aufbewahrungsorte von Erste-HilfeMaterial, Rettungsgeräten und Rettungstransportmitteln durch die jeweiligen Rettungszeichen gekennzeichnet werden. § 13 Arbeitsunterbrechung Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass Versicherte, die einen Unfall erlitten haben, ihre Arbeit mindestens solange unterbrechen, bis Erste Hilfe geleistet ist. § 14 Ärztliche Versorgung Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass Versicherte unverzüglich - einem Arzt vorgestellt werden, sofern Art und Umfang der Verletzung eine ärztliche Versorgung angezeigt erscheinen lassen, - einem Durchgangsarzt vorgestellt werden, wenn die Verletzung zur Arbeitsunfähigkeit führt oder die Behandlungsbedürftigkeit voraussichtlich mehr als eine Woche beträgt, § 15 Rettungstransport Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass Verletzte fachgerecht transportiert werden. § 16 Aufzeichnung von Erste-Hilfe-Leistungen Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass über jede ErsteHilfe-Leistung Aufzeichnungen geführt und 5 Jahre lang aufbewahrt werden. Aus ihnen müssen Angaben über Zeit, Ort (Unternehmensteil) und Hergang des Unfalles bzw. des Gesundheitsschadens, Art und Umfang der Verletzung bzw. Erkrankung, Zeitpunkt, Art und Weise der Erste-Hilfe-Maßnahme sowie die Namen des Versicherten, der Zeugen und der Personen, die Erste Hilfe geleistet haben, hervorgehen. …
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Aktuelle Eurobeträge, Freigrenzen und Freibeträge
Info-Teil
Aktuelle Eurobeträge, Freigrenzen und Freibeträge
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LÖSUNGEN
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1 Rechtliche Rahmenbedingungen 1.1 Grundlagen zu den Rechtsgeschäften 1.1.1.1.2
Arten von Willenserklärungen
Aufgabe 1 Das ausgestellte Fahrrad kann kein Angebot im Rechtssinne darstellen, weil sich Herr Riedinger sonst gegenüber sämtlichen Personen, die das Fahrrad betrachten, rechtlich binden würde. Das ist ihm unmöglich. Es kann daher nur eine Aufforderung an die möglichen Käufer sein, ein Kaufgebot abzugeben. Aufgabe 2 Das Verlangen von Frau Henkel stellt eine Willenserklärung dar, die als Kaufangebot bezeichnet wird. Mit dem Aushändigen des Fahrrades nimmt Herr Riedinger das Kaufgebot an. Auch das Aushändigen des Fahrrades stellt eine Willenserklärung dar, die hier in Form eines schlüssigen Verhaltens gegenüber Frau Henkel abgegeben wird. Durch die Abgabe von Willenserklärungen haben Käufer und Verkäufer ein Rechtsverhältnis begründet. Herr Riedinger ist eine Verpflichtung eingegangen, das Fahrrad an Frau Henkel zu übereignen, nachdem er absprachegemäß die Lichtanlage ausgewechselt hat. Frau Henkel hat sich verpflichtet, den Kaufpreis an Herrn Riedinger zu zahlen und das Fahrrad anzunehmen. Aufgabe 3 Angebot nach § 145 BGB Aufgabe 4 Situation 1 Empfangsbedürftige Willenserklärung, Vollmacht Situation 2 Einseitige Willenserklärung, fristlose Kündigung, empfangsbedürftig Situation 3 Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung (Auslobung) Situation 4 Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, Testament Situation 5 Empfangsbedürftige Willenserklärung, Angebot Situation 6 1 Mit dem Zugang der Kündigung 2 Er muss die Schriftform beachten. Situation 7 Die Willenserklärung ist mit der Abgabe wirksam geworden.
244
Lösungen
Aufgabe 5 C und E 1.1.1.2.2
Arten von Rechtsgeschäften
Situation 1 Zweiseitig verpflichtender Vertrag, Arbeitsleistung gegen Entgelt Situation 2 Einseitig verpflichtender Vertrag Situation 3 Einseitig verpflichtendes Rechtsgeschäft 1.1.2.1
Voraussetzungen für wirksame Rechtsgeschäfte / Geschäftsfähigkeit
Volker könnte gegen Florian einen Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB haben. Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass zwischen Volker und Florian ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist. Indem Volker vorschlägt, dass Florian den PC für 300 EUR kaufen solle, macht Volker Florian ein gültiges Angebot, das Florian, indem er sich mit Volker „einigt“, auch tatsächlich annimmt (Vgl. §§ 145, 147 BGB). Fraglich ist, ob die von Florian abgegebene Annahmeerklärung wirksam war. Florian ist als 13-jähriger gemäß § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig, sodass er nach § 107 BGB zu einer Willenserklärung, die ihm nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, der Einwilligung, d.h. der vorherigen Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters bedarf (§ 183 BGB). Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 107 BGB reicht nur ein wirtschaftlicher Vorteil, den der beschränkt Geschäftsfähige erlangen würde, nicht aus, um die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters entbehrlich zu machen. Da Florian sich mit seiner Annahmeerklärung rechtlich verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen, liegt darin ein rechtlicher Nachteil, sodass es gemäß § 107 BGB grundsätzlich der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedurfte, d.h. in diesem Fall der Einwilligung seiner Eltern (vgl. §§ 1626, 1629 BGB). Diese Einwilligung lag aber nicht vor. Insbesondere kann in der grundsätzlichen Bereitschaft der Eltern, Florian den Wunsch nach einem PC zu erfüllen, keine Einwilligung in einem konkreten Vertragsschluss gesehen werden. Grundsätzlich kann der Vertragsschluss eines beschränkt Geschäftsfähigen auch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gemäß § 110 BGB wirksam werden, wenn der Minderjährige seine vertragsgemäße Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung überlassen worden sind (Taschengeld). Bewirkung der Leistung heißt, dass die Leistung bereits erbracht ist. Erst dann kann das Schuldverhältnis gemäß § 364 Abs. 1 BGB erlöschen. Hier hat Florian die 300 EUR aber noch nicht an Volker gezahlt, sodass schon diese Voraussetzung des § 110 BGB nicht erfüllt ist. Es bleibt somit bei der Einwilligungsbedürftigkeit für den Vertrag gemäß § 107 BGB. Da die Einwilligung nicht vorlag, war der Vertrag zunächst gemäß § 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam, d.h. die Wirksamkeit des Vertrags hing von der Genehmigung der Eltern ab (= nachträgliche Zustimmung gemäß § 184 Abs. 1 BGB). Zwar haben die Eltern diese Zustimmung Florian gegenüber erteilt, doch gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 BGB konnte die Genehmigung des Vertrags auf die erfolgte Anfrage von Volker nur diesem gegenüber erklärt werden. Volker gegenüber haben die Eltern die Genehmigung jedoch verweigert, sodass der Vertrag endgültig unwirksam war. Mangels eines wirksamen Kaufvertrags hat Volker gegen Florian keinen Anspruch auf Bezahlung der 300 EUR aus § 433 Abs. 2 BGB. Ein Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises von 300 EUR gegenüber den Eltern könnte sich ebenfalls aus § 433 Abs. 2 BGB ergeben. Auch hierfür ist ein wirksamer Kaufvertrag durch Angebot und Annahme
1 Rechtliche Rahmenbedingungen
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erforderlich. Zwar lässt sich das Angebot von Volker gegenüber Florian durchaus so verstehen, als solle es auch für den Fall gelten, dass die Eltern anstelle von Florian selbst als Vertragspartner eintreten wollen. Da die Eltern aber in keiner Weise zu erkennen gegeben haben, dass sie dieses Angebot angenommen haben, fehlt es an der wirksamen Vertragsannahme und somit an einem wirksamen Kaufvertrag. Volker hat daher keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB gegen die Eltern. 1.1.2.2
Form der Rechtsgeschäfte
Aufgabe 1 - Schriftform, z. B. Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags nach § 492 BGB - Vereinbarte Form, z. B. Abschluss eines Mietvertrags - Öffentliche Beglaubigung, z. B. Eintragung einer Prokura ins Handelsregister nach § 12 Abs. 1 HGB - Notarielle Beurkundung, z. B. Einwilligung in die Adoption eines Kindes nach § 1750 BGB - Abgabe von Willenserklärungen bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien vor zuständiger Stelle, z. B. Grundstückskaufvertrag sowie Auflassung nach §§ 311 b sowie § 925 BGB Aufgabe 2 Beispiele für gesetzliche Formvorschriften
Aufgabe 3 - Beweisfunktion - Beratungsfunktion - Warn- und Schutzfunktion
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Lösungen
Aufgabe 4 Situation 1 §§ 126, 623 BGB: unwirksam, da Schriftform erforderlich ist. Situation 2 § 104 Nr. 1 und § 105 Abs. 1 BGB: nichtiges Rechtsgeschäft, da Florian geschäftsunfähig ist. 1.1.2.3
Inhaltliche Schranken von Rechtsgeschäften
Situation 1 § 138 Abs. 2 BGB, ein nichtiges Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage des anderen sich für eine Leistung Vermögensvorteile gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Situation 2 § 134 BGB, nichtiges Rechtsgeschäft, da es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, gegen das Schwarzarbeitergesetz. Situation 3 § 117 Abs. 1 BGB, der beurkundete Kaufvertrag über 800.000 EUR ist nichtig (Scheingeschäft). § 117 Abs. 2 BGB, das verdeckte Rechtsgeschäft über 1 Million EUR ist wegen Formmangel nach §§ 125, 311 b Abs. 1 Satz 1 nichtig.
1.1.3
Willensmängel bei Rechtsgeschäften
Aufgaben 1 und 2 Vogt will von Meier die Bezahlung des Zimmerpreises, weil Vogt glaubt, dass Meier aufgrund eines wirksamen Mietvertrages zur Zahlung verpflichtet ist. Vogt könnte gegen Meier einen Anspruch auf Bezahlung der Miete für das Zimmer gemäß § 535 Abs. 2 BGB haben. Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass zwischen Meier und Vogt ein wirksamer Mietvertrag zustande gekommen ist. Voraussetzung dafür sind Angebot und Annahme. Meier hat ein Angebot abgegeben, in dem er sich brieflich an Vogt wendete. Damit hat Meier objektiv ganz konkret erklärt, dass er bei Vogt ein Zimmer mieten wolle. Zwischen Meier und Vogt ist ein wirksamer Mietvertrag zustande gekommen (§ 535 BGB). Zu prüfen ist, ob Meier sein Angebot ggf. anfechten kann, mit der Folge, dass der Vertrag gemäß § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig wird. Dafür müsste Meier einen Anfechtungsgrund haben, nach § 119 Abs. 1 BGB also entweder ein Inhalts- oder einen Erklärungsirrtum. Gemeinsam ist diesen beiden Irrtumsarten das unbewusste Auseinanderfallen des inneren Willens des Erklärenden und der tatsächlich geäußerten Erklärung. Der in der Erklärung objektiv zum Ausdruck gekommene Wille stimmt dabei mit dem inneren Willen nicht überein. Dabei handelt es sich in diesem Fall um einen Erklärungsirrtum: Meier wollte erklären „Ich miete ein Zimmer in der Pension „Schwarzwaldglück“ und verwechselte diese Bezeichnung mit „Schwarzwaldblick“. Er benutzte also für die Erklärung, die er abzugeben glaubte, das falsche Erklärungszeichen. Weiterhin hat Meier Vogt mitgeteilt, dass er sich vertan habe und niemals die Absicht hatte, bei Vogt zu wohnen. Vogt ist als Vertragspartner gemäß § 143 Abs. 2 BGB der richtige Anfechtungsgegner gewesen. Meier hat zudem unverzüglich nach Kenntnisnahme von dem Anfechtungsgrund, d.h. sofort nach Erkennen seines Irrtums dem Vogt mitgeteilt, dass er sich vertan habe (§ 121 Abs. 1 BGB Anfechtungsfrist). Somit sind alle Voraussetzungen für eine Anfechtung gegeben.
1 Rechtliche Rahmenbedingungen
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Rechtsfolgen der Anfechtung sind, dass der Mietvertrag zwischen Meier und Vogt gemäß § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig wird, sodass Vogt keinen Anspruch gegen Meier gemäß § 535 Abs. 2 BGB auf Zahlung der Miete hatte. Sofern Vogt durch die Freihaltung des Zimmers für Meier nachweisbar einen Schaden erlitten hat (sog. Vertrauensschaden), kann er diesen von Meier ersetzt verlangen (§ 122 Abs. 1 BGB). Dabei muss Vogt nachweisen, dass er sich um andere Mieter bemüht hat. Aufgabe 3 § 119 Abs. 2 BGB, anfechtbares Rechtsgeschäft, wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaft. §§ 124 Abs. 1 und 143 Abs. 1 BGB, verkehrswesentliche Eigenschaft einer Sache: alle Wert bildenden Eigenschaften einer Sache, hier die Eigenschaft des Künstlers „Zille“, der das Bild gemalt hat. Aufgabe 4 § 123 Abs. 1, § 124 Abs. 2 und § 143 Abs. 1 BGB, das Rechtsgeschäft ist anfechtbar wegen arglistiger Täuschung. Innerhalb einer Jahresfrist kann es angefochten werden. Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner. Aufgabe 5 A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
1
2
4
3
4
3
1
4
4
2
3
1
1
F: Wirksam, aber anfechtbar wegen arglistiger Täuschung bzw. Irrtum über die verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person.
1.1.4
Vertragstypen
Aufgabe 1 1. Werkvertrag nach § 631 BGB 2. Beförderungsvertrag (Werkvertrag) nach § 631 BGB 3. Darlehensvertrag, entgeltlich nach §§ 13 (Verbraucher), 488, 491 (Verbraucherdarlehensvertrag) BGB 4. Mietvertrag nach § 535 BGB 5. Kaufvertrag nach § 433 BGB 6. Überweisungsvertrag nach § 676 a BGB 7. Frau Henkel muss eine Flasche Barolo in gleicher Art und Güte zurückgeben, Sachdarlehen nach § 607 BGB 8. Leihe nach § 598 BGB. Hier muss die Nachbarin dieselbe Sache an Frau Henkel zurückgeben. 9. Dienstvertrag nach § 611 BGB 10. Verwahrvertrag nach § 688 BGB, hier entgeltlich. 11. Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB 12. Pachtvertrag nach § 581 BGB Aufgabe 2 - Kaufvertrag, Vertragspartner sind Herr Riedinger (Verkäufer) und Frau Henkel (Käuferin) - Verpflichtungen: Herr Riedinger verpflichtet sich zur Übergabe (Eigentumsübertragung) der Kaufsache, Frau Henkel ist zur Abnahme und Zahlung der Kaufsache verpflichtet.
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Lösungen
Aufgabe 3 Situation 1 a) und b): Den Antrag auf Abschluss eines Schenkungsvertrages hat Frau Henkel angenommen. Die Eltern von Frau Henkel haben sich verpflichtet, den 500-Euro-Schein an ihre Tochter zu übereignen. Frau Henkel muss keine Verpflichtung übernehmen und erfüllen. Situation 2 a) Die Eltern von Frau Henkel und die Isar Bank-AG schließen den zweiseitigen Bürgschaftsvertrag ab (§ 765 BGB). b) Im Sicherungsfall verpflichten sich die Eltern von Frau Henkel, für die Darlehensschuld ihrer Tochter einzustehen. 1.1.5.1
Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft
Schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft: Abschluss eines Kaufvertrages nach § 433 BGB (§§ 145, 147 BGB) - Der Verkäufer Velbert verpflichtet sich, Herrn Kurz das Eigentum an dem Gerät zu verschaffen und dieses zu übergeben. - Der Käufer Kurz verpflichtet sich, die 150,00 EUR an Herrn Velbert zu zahlen und das Gerät anzunehmen. Erstes dingliches Verfügungsgeschäft (Erfüllungsgeschäft): - Herr Velbert einigt sich mit Herrn Kurz darüber, dass das Eigentum an dem Gerät auf Kurz übergeht, § 929 Satz 1 BGB (§§ 145, 147 BGB) - Herr Velbert übergibt den CD-Player an Herrn Kurz, dieser erlangt Besitz, §§ 929 Satz 1 und 854 Abs. 1 BGB Zweites dingliches Verfügungsgeschäft: - Herr Kurz einigt sich mit Herrn Velbert über den Übergang des Eigentums an den Geldscheinen. - Herr Kurz übergibt Herrn Velbert die Geldscheine, §§ 929 Satz 1 und 854 Abs. 1 BGB 1.1.5.2
Leistungsstörung beim Kaufvertrag
Fall 1 Herr Götz muss prüfen, welche Leistungsstörung vorliegt. Der Schuldner Schindler hat seine Leistung nicht rechtzeitig erbracht, sie ist noch möglich. Er könnte einen Schaden wegen verzögerter Erbringung der Leistung nach §§ 280 Abs. 1 und 2 sowie 286 BGB geltend machen. a) Tatbestandsvoraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB -
Zwischen Gläubiger Götz und Schuldner Schindler muss ein Schuldverhältnis vorliegen. Es wurde ein wirksamer Kaufvertrag geschlossen, § 433 BGB (§§ 145, 147 BGB).
-
Der Schuldner Schindler müsste seine Pflicht aus dem Kaufvertrag verletzt haben. Nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB hatte Herr Götz einen Anspruch auf Lieferung der Einbauküche zum 12. Januar (§ 271 BGB). Am 12. Januar hat Herr Schindler nicht geliefert.
-
Der Schuldner müsste die Pflichtverletzung (pünktliche Lieferung) zu vertreten haben (§ 286 Abs. 4 BGB). Das Vertretenmüssen ist in § 276 BGB geregelt; Herr Schindler könnte nach § 276 fahrlässig gehandelt haben. Der Geschäftsinhaber Schindler hat die Montagetermine seiner Monteure nicht mit der für Händler üblichen Sorgfalt organisiert, er hat die Leistungsverzögerung fahrlässig verursacht (§ 286 Abs. 4 BGB).
1 Rechtliche Rahmenbedingungen
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b) Der Verzögerungsschaden wird nur ersetzt, wenn sich der Schuldner mit der Leistung im Verzug befindet. § 280 Abs. 2 BGB verweist auf § 286 BGB. Grundsätzlich kommt der Schuldner nach § 286 Abs. 1 nur durch eine Mahnung des Gläubigers in Verzug. Die Mahnung ist eine ernsthafte und deutliche Aufforderung, die Leistung jetzt zu erbringen. Nach dem Sachverhalt hat Herr Götz Herrn Schindler nicht gemahnt. Nach § 286 Abs. 2 BGB ist die Mahnung entbehrlich, wenn der Leistungszeitpunkt kalendermäßig bestimmt worden ist („der Tag mahnt den Schuldner!“). Der Leistungszeitpunkt war kalendermäßig bestimmt (12. Januar), deshalb war eine Mahnung des Gläubigers entbehrlich. Der Schuldner befand sich mit Ablauf des 12. Januar in Verzug. c) Dem Gläubiger muss ein Schaden entstanden sein (§ 280 Abs. 1 BGB). Ein Schaden ist ein unfreiwilliger Vermögensverlust. Herrn Götz sind durch den Anschluss des alten Elektroherdes Kosten in Höhe von 123,00 EUR entstanden. d) Der Schaden muss ursächlich durch die Verzögerung der Leistung entstanden sein (Verzögerungsschaden). Die Kosten in Höhe von 123,00 EUR sind allein deswegen entstanden, weil Herr Schindler die Einbauküche nicht am 12. Januar geliefert hat. Ergebnis: Herr Götz kann von Herrn Schindler nach §§ 280 Abs. 1 und 2 sowie 286 BGB Ersatz für die 123,00 EUR verlangen. Der Verzögerungsschaden ist ein Schadensersatz neben der Leistung. Herr Götz behält weiterhin seinen Anspruch gegen Herrn Schindler auf Lieferung der Einbauküche nach § 433 Abs. 1 BGB. Fall 2 Der Anspruch gegen Herrn Schwintowski ergibt sich aus §§ 437 Nr. 2, zweite Variante, 441, 440, 323 BGB. a) Zwischen den Vertragsparteien liegt ein wirksamer Kaufvertrag vor (§§ 433 Abs. 1 und 437 Nr. 2 BGB). b) Schuldner Schwintowski müsste eine Pflicht aus dem Kaufvertrag verletzt haben (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB). Er hat die Pflicht, Herrn Gabert eine mangelfreie Sache zu liefern. Ein Bugatti 1935 mit Fremdteilen könnte mangelhaft sein (§ 434 Abs. 1 BGB). Ein Sachmangel im Sinne dieses Paragraphen liegt vor, wenn die Sache nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit hat. Die Parteien haben die Lieferung eines Bugatti 1935 im Originalzustand im Kaufvertrag vereinbart. Es wurde ein Bugatti mit Fremdteilen geliefert, das ist kein Bugatti 1935 im Originalzustand, der Wagen war mangelhaft im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB. c) Der Sachmangel muss bei Gefahrübergang vorhanden gewesen sein (§§ 434 Abs. 1, 446 BGB). Der Bugatti war bereits bei der Übergabe an Gabert nicht im Originalzustand. d) Der Gläubiger muss dem Schuldner vor der Geltendmachung von Rechten grundsätzlich eine Frist zur Nacherfüllung i.S. von § 437 Nr. 1 BGB geben (zweite Chance!), § 441 Abs. 1 verweist auf § 323 Abs. 1 BGB (… statt zurückzutreten…). Erst wenn die vom Gläubiger gesetzte Frist zur Nacherfüllung abgelaufen ist, kann dieser sein Minderungsrecht ausüben. Gläubiger Gabert hat dem Schuldner keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Ausnahmsweise ist diese Fristsetzung entbehrlich, wenn der Schuldner die Nacherfüllung ernsthaft verweigert (§ 323 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Schwintowski hat die Nacherfüllung ernsthaft verweigert. e) Der Käufer darf keine Kenntnis vom Mangel haben (§ 442 BGB). Herr Gabert hatte vom Mangel keine Kenntnis. f) Der Gläubiger Gabert muss die Minderung des gezahlten Kaufpreises gegenüber dem Schuldner Schwintowski noch erklären (§ 349 BGB). Rechtsfolge: Mit der Erklärung der Minderung des Kaufpreises gestaltet der Gläubiger (falls alle Voraussetzungen vorliegen) das Vertragsverhältnis um, der Kaufpreis ist dann vermindert. Berechnung: 60.000 x 70.000 : 80.000 = 52.500,00 EUR geminderter Kaufpreis
250
Lösungen
Ergebnis: Herr Gabert hat gegen Herrn Schwintoski einen Anspruch auf Rückzahlung von 17.500,00 EUR (§§ 437 Nr. 2 Variante 2, 440, 441 Abs. 1 bis 4, 323 BGB). Fall 3 Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises könnte sich aus §§ 437 Nr. 2 erste Variante, 440, 246 Abs. 1, 323 BGB ergeben. a) Zwischen den Vertragsparteien wurde ein wirksamer Kaufvertrag geschlossen (§§ 433 Abs. 1, 437 Nr. 2 BGB). Der Verbraucherschutz bezeichnet die Gesamtheit der Bestrebungen und Maßnahmen, die Menschen in ihrer Rolle als Verbraucher von Gütern oder Dienstleistungen schützen sollen. Dieser Schutzbedarf geht davon aus, dass Verbraucher den Herstellern und Vertreibern von Waren unterlegen sind. Verbraucher können infolge mangelnder Fachkenntnis, Information und/oder Erfahrung leicht benachteiligt werden. Aufgabe des Verbraucherschutzes ist es, dieses Ungleichgewicht wirksam auszugleichen. Verbraucherschutz kann aber auch als Gesundheitsschutz begriffen werden. b) Der Schuldner müsste eine Pflicht aus dem Kaufvertrag verletzt haben (§ 323 Abs. 1 BGB). Der Schuldner hatte die Pflicht, eine mangelfreie Sache zu liefern (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein Aktenkoffer mit einem defekten Zahlenschloss ist mangelhaft im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB: Eine bestimmte Beschaffenheit des Aktenkoffers i.S. des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB wurde vertraglich nicht vereinbart. Ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 liegt vor, wenn sich die Sache nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, wie sie bei Sachen gleicher Art üblich ist. Ein Aktenkoffer mit einem defekten Zahlenschloss kann nicht gewöhnlich verwendet werden, üblicherweise haben neue Aktenkoffer funktionierende Zahlenschlösser. Es liegt eine mangelhafte Sache vor. Homo oeconomicus: Die in der Marktwirtschaft handelnden Personen sind mündig, können selbstständig und rational handeln und entscheiden. Verbraucherverhalten in der Realität: Der Verbraucher ist nicht nur auf Informationen des Unternehmers angewiesen, sondern kann auch nur eine bestimmte Menge an Informationen verarbeiten und handelt zudem auch nicht immer rational. Diese Erkenntnisse nutzt die Anbieterseite. c) Der Sachmangel war auch bei Gefahrübergang vorhanden (§§ 434 Abs. 1, 446 BGB). BGB: Regelungen zu Haustürgeschäften, Fernabsatzverträgen, Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr, Verbrauchsgüterkauf, Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehen usw. d) Der Rücktritt des Gläubigers hat schwerwiegende Folgen für den Schuldner Schroth. Er verliert den Kaufpreis. Deshalb ist ein Rücktritt vom Vertrag nur bei einem erheblichen Mangel der Kaufsache möglich (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB). Für den Steuerberater Gruber ist ein Aktenkoffer mit einem defekten Zahlenschloss nahezu unbrauchbar, der Mangel ist erheblich. Der Verbraucherschutz beschränkt vielfach die Vertragsfreiheit, d.h. von bestimmten rechtlich vorgegebenen Regelungen darf nicht zu Ungunsten des Verbrauchers abgewichen werden. Dies führt zur Aushebelung des Verursacherprinzips, d.h. dass Kosten nicht mehr verursachergerecht belastet werden dürfen aufgrund von verbraucherschützenden Gesetzesregelungen. e) Der Gläubiger Gruber muss dem Schuldner Schroth grundsätzlich eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen (§ 323 Abs. 1 BGB). Mit seiner Erklärung, er benötigt den Aktenkoffer innerhalb einer Woche, hat Herr Gruber dem Herrn Schroth eine Nachfrist gesetzt. Sie war auch angemessen, da ein Standardprodukt vom Großhändler bzw. Hersteller in dieser Frist beschafft werden kann. Ausnahmen von der Fristsetzung sind daher nicht zu prüfen. f) Herr Gruber hatte auch keine Kenntnis vom Sachmangel (§ 442 BGB). g) Herr Gruber hat den Rücktritt gegenüber Herrn Schroth auch erklärt (§ 349 BGB). Er muss den juristischen Ausdruck „Rücktritt“ gegenüber dem Schuldner nicht verwenden. Für Schroth muss sich ein-
1 Rechtliche Rahmenbedingungen
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deutig ergeben, dass der Gläubiger vom Vertrag loskommen will. Mit dem Rückzahlungsverlangen erklärt Herr Gruber den Rücktritt. Rechtsfolge: Mit der Rücktrittserklärung gestaltet der Gläubiger das Vertragsverhältnis (beim Vorliegen aller Voraussetzungen) um, das ursprüngliche Schuldverhältnis „Kaufvertrag“ wandelt sich in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis um. Nach § 346 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger Gruber hieraus vom Schuldner Schroth die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen, Herr Schroth von Herrn Gruber die Rückgabe des (defekten) Aktenkoffers. Ergebnis: Herr Gruber hat gegen Herrn Schroth nach §§ 437 Nr. 2 erste Variante, 440, 346 Abs. 1, 323 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der 130,00 EUR.
1.2.2
Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen
Fall 1 a) Einigung nach § 929 Satz 1 BGB: Sobik und Velbert einigen sich, dass das Eigentum am Gerät auf Sobik übergehen soll (es ist ein dinglicher Vertrag, erfordert zwei übereinstimmige Willenserklärungen). Der Verfügende muss auch Verfügungsbefugnis haben, Velbert ist Eigentümer. b) Übergabe der Sache (Publizitätsakt): Die Übergabe ist kein Rechtsgeschäft, nur ein rein tatsächlicher Vorgang. Der Veräußerer überträgt den Besitz (tatsächliche Herrschaft, § 854 Abs. 1 BGB) an dem Gerät an den Erwerber Sobik. Mit der Erlangung des Besitzes erwirbt Herr Sobik das Eigentum an dem Gerät (§ 929 Satz 1 BGB). Fall 2 a) Einigung nach § 929 Satz 2 BGB: Völker und Menz einigen sich über den Eigentumsübergang an Menz. Völker hat auch eine Verfügungsbefugnis. b) Eine Übergabe des Gerätes an Menz ist nicht erforderlich, da Menz als Mieter bereits den Besitz an dem Gerät (§ 854 Abs. 1 BGB) von Völker erhalten hat. Fall 3 a) Einigung zwischen Vortriede und Karger nach § 929 Satz 1 BGB; Vortriede ist verfügungsbefugt. b) Übergabe des Lkw durch Vortriede an Karger: eine Übertragung des Besitzes an Karger nach § 854 Abs. 1 BGB ist nicht gewollt. Die Übergabe des Lkw an Karger wird daher ersetzt durch die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 931 BGB). Das Besitzmittlungsverhältnis ist in § 868 BGB geregelt, hier in der Form eines Mietverhältnisses. Vortriede besitzt für die Mietzeit den Lkw, er ist also unmittelbarer Besitzer (§ 854 Abs. 1 BGB). Für die Dauer des Besitzmittlungsverhältnisses soll auch der Partner des Mietvertrages, Vermieter Karger, Besitz erlangen, in der Form des mittelbaren Besitzes. Der Erwerber Karger hat das Eigentum also durch -
Einigung nach § 929 Satz 1 BGB
-
und Vereinbarung eines Besitzkonstituts nach § 931 BGB erlangt.
Praktische Bedeutung: Sicherungsübereignung als Kreditsicherung Fall 4 a) Einigung nach § 929 Satz 1 BGB, Veigel ist als Eigentümer verfügungsbefugt. b) Zum Zeitpunkt der Veräußerung am 14. August kann der Veräußerer Veigel dem Erwerber Kraus das Rad nicht übergeben. Daher wird am 14. August die Übergabe des Rades an Kraus durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs, den der Verleiher Veigel gegen Entleiher Ettlinger gemäß § 604
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Lösungen
BGB hat, ersetzt. Die Abtretung dieses Herausgabeanspruchs erfolgt nach einem Abtretungsvertrag gemäß § 398 BGB. In diesem Verfügungsgeschäft hat sich der Veräußerer Veigel mit dem Erwerber Kraus geeinigt, dass der Anspruch auf Herausgabe des Rades gegen Ettlinger von Veigel auf Kraus übergehen soll. Nach der Abtretung ist Kraus Inhaber des Herausgabeanspruchs geworden. Der Erwerber Kraus hat das Eigentum am 14. August also durch -
Einigung nach § 929 Satz 1 BGB und
-
Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB erlangt.
Fall 5 Problematisch ist hier, welches Interesse schützenswerter ist: - Das Interesse des Erwerbers König, der darauf vertraut, dass der unmittelbare Besitzer Vester auch Eigentümer der Sache ist, Vester hat 300 EUR an König gezahlt - oder das Interesse des Eigentümer Egger, der sein Eigentum nicht verlieren will. Für den Eigentumserwerb des König sind die §§ 929, 932, 935 BGB zu prüfen: a) § 929 BGB: Einigung zwischen Veräußerer Vester und dem Erwerber König über den Übergang des Eigentums an der Sache auf König liegt vor, ebenso die Übergabe des Snowboards an König (§ 854 Abs. 1 BGB). Der übereignende Vester ist aber nicht Eigentümer der Sache, er hat keine Verfügungsbefugnis, er hat als Nichtberechtigter über die Sache verfügt. b) § 932 BGB: Die fehlende Verfügungsbefugnis des Veräußerers kann durch die Gutgläubigkeit des Erwerbers König überwunden werden. Voraussetzungen für den gutgläubigen Eigentumserwerb des König: -
Einigung zwischen den nichtberechtigten Veräußerer und dem Erwerber (§ 929 Satz 1 BGB)
-
Unmittelbarer Besitz des Veräußerers (vgl. § 1006 Abs. 1 BGB).
-
Übergabe der Sache durch den Veräußerer an den Erwerber König (§ 854 Abs. 1 BGB)
-
Gutgläubigkeit des Erwerbers König (§ 932 Absätze 1 und 2 BGB)
-
Die Sache darf dem ursprünglichen Eigentümer Egger nicht abhanden gekommen sein (unfreiwilliger Besitzverlust, § 935 BGB).
Alle Voraussetzungen liegen vor, König ist Eigentümer des Snowboards geworden, Egger hat sein Eigentum verloren. Egger hat keine Ansprüche an König, er muss sich an den Entleiher Vester wenden, dem er das Snowboard freiwillig übergeben hat und so die Ursache für den Konflikt geschaffen hat.
1.2.3
Erwerb des Eigentums an Immobilien
a) Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes: Zwischen Herrn Krenz und Herrn Vogt muss ein wirksamer Kaufvertrag über das Grundstück geschlossen werden (§§ 433, 145, 147 BGB). Wegen des hohen Wertes ist zum Schutz der Beteiligten (Warnung) eine notarielle Beurkundung des Kaufvertrages erforderlich (§§ 311 b Abs. 1, 128 BGB). b) Dingliches Verfügungsgeschäft (Erfüllungsgeschäft): Die dingliche Einigung nach § 873 BGB (§§145, 147 BGB) zwischen dem Veräußerer Vogt und dem Erwerber Krenz über den Übergang des Eigentums am Grundstück auf Krenz muss vor dem Notar erfolgen, sie heißt Auflassung (§ 925 BGB). Sie erfolgt in der Praxis gleichzeitig mit dem Abschluss des Kaufvertrages vor dem Notar. Nach § 873 Abs. 1 BGB muss die Änderung an dem Eigentum am Grundstück in das Grundbuch eingetragen werden (Publizitätsfunktion bei unbeweglichen Sachen). Damit hat Krenz das Eigentum am Grundstück erlangt, Vogt hat es verloren.
1 Rechtliche Rahmenbedingungen
253
1.3 Verbraucherschutz in der sozialen Marktwirtschaft a) Der Verbraucherschutz bezeichnet die Gesamtheit der Bestrebungen und Maßnahmen, die Menschen in ihrer Rolle als Verbraucher von Gütern oder Dienstleistungen schützen sollen. Dieser Schutzbedarf geht davon aus, dass Verbraucher den Herstellern und Vertreibern von Waren unterlegen sind. Verbraucher können infolge mangelnder Fachkenntnis, Information und/oder Erfahrung leicht benachteiligt werden. Aufgabe des Verbraucherschutzes ist es, dieses Ungleichgewicht wirksam auszugleichen. Verbraucherschutz kann aber auch als Gesundheitsschutz begriffen werden. b) Homo oeconomicus: Die in der Marktwirtschaft handelnden Personen sind mündig, können selbstständig und rational handeln und entscheiden. Verbraucherverhalten in der Realität: Der Verbraucher ist nicht nur auf Informationen des Unternehmers angewiesen, sondern kann auch nur eine bestimmte Menge an Informationen verarbeiten und handelt zudem auch nicht immer rational. Diese Erkenntnisse nutzt die Anbieterseite. c) BGB: Regelungen zu Haustürgeschäften, Fernabsatzverträgen, Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr, Verbrauchsgüterkauf, Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehen usw. d) Der Verbraucherschutz beschränkt vielfach die Vertragsfreiheit, d.h. von bestimmten rechtlich vorgegebenen Regelungen darf nicht zu Ungunsten des Verbrauchers abgewichen werden. Dies führt zur Aushebelung des Verursacherprinzips, d.h. dass Kosten nicht mehr verursachergerecht belastet werden dürfen aufgrund von verbraucherschützenden Gesetzesregelungen.
1.3.1
Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Martin könnte gegen das Sportfachgeschäft Intersport einen Anspruch auf Lieferung neuer Ski der Marke „Blizzard“ nach den §§ 437 Nr.1, 439 BGB haben. 1. Es wurde zwischen den Vertragsparteien ein wirksamer Kaufvertrag geschlossen, §§ 145, 433 BGB. 2. Bei dem Paar Ski der Marke „Blizzard“ müsste ein Sachmangel nach § 434 BGB vorliegen. a) Hier liegt ein Sachmangel nach § 434 S.1 Nr.2 BGB vor, da sich diese Ski nicht für die gewöhnliche Verwendung eigenen. Die Stahlkante des rechten Skis hat sich vermutlich aufgrund eines Herstellungsfehlers gelöst, damit ist ein Skifahren nicht mehr möglich. b) Der Sachmangel muss bei Gefahrübergang gemäß § 446 BGB bereits bestanden haben. Dies könnte für Martin möglicherweise gegenüber dem Sportfachgeschäft zu Beweisschwierigkeiten führen. Hier liegt aber ein Verbrauchsgüterkauf nach § 474 BGB vor. Der Auszubildende Martin ist ein Verbraucher nach § 13 BGB, das Sportfachgeschäft ein Unternehmer nach § 14 BGB. Zeigt sich innerhalb der ersten 6 Monate ab Übergabe ein Sachmangel, dann wird nach § 476 BGB vermutet, dass der Sachmangel bereits bei der Übergabe der Sache vorhanden gewesen sei. c) Martin hatte von dem Sachmangel auch keine Kenntnis, § 442 BGB. Bei der abgelösten Stahlkante lag ein Sachmangel nach § 434 BGB vor. 3. Aus den §§ 437 Nr. 1, 439 BGB ergibt sich die Rechtsfolge, Martin kann von dem Sportfachgeschäft wahlweise Nacherfüllung (Reparatur) oder Ersatzlieferung verlangen. 4. Dieser Anspruch des Martin könnte aber durch § 5 der AGB des Sportfachgeschäftes ausgeschlossen worden sein. a) Es müssten beim Sportfachgeschäft AGB nach § 305 Abs. 1 BGB vorliegen. -
Bei den Klauseln auf der Rückseite des Kaufvertrages handelt es sich um Vertragsbedingungen.
254
Lösungen
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Diese müssten für eine Vielzahl von Fällen gelten, also für mindestens drei Fälle. Hier liegt aber ein Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 BGB vor, so dass bereits eine einmalige Verwendung der Klausel genügen würde, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB.
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Diese Klausel müsste von dem Sportfachgeschäft auch gestellt worden sein. Martin wurden diese AGB einseitig vorgegeben. Er hat diese Klauseln auch mit seiner Unterschrift unter den Vertrag akzeptiert. b) Die AGB müssten bei Vertragsschluss auch Bestandteil des Kaufvertrages geworden sein. Martin hatte vor Vertragsschluss Kenntnis davon, dass die AGB auf der Rückseite des Kaufvertragsformulars abgedruckt waren, er hatte die Möglichkeit der Kenntnisnahme. c) Der § 5 der AGB des Sportfachgeschäftes darf inhaltlich nicht unwirksam sein. Die Klausel darf nicht gegen § 309 BGB verstoßen: Nach § 309 Nr. 8b Buchstabe bb) BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen insbesondere unwirksam eine Bestimmung, durch die bei Lieferungen über neu hergestellte Sachen die Ansprüche gegen den Verwender insgesamt oder bezüglich einzelner Teile auf ein Recht auf Nacherfüllung beschränkt werden, sofern dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlag der Nacherfüllung zu mindern oder vom Vertrag zurückzutreten. Das Sportfachgeschäft hatte in § 5 die Verwender nicht darauf hingewiesen, dass sie bei erfolgloser Nacherfüllung (Reparatur) ein Recht auf Minderung oder Rücktritt haben. Es liegt also bei § 5 der AGB ein Verstoß gegen § 309 Nr. 8b lit. bb) BGB vor, damit ist § 5 der AGB automatisch unwirksam. Damit konnte das Gewährleistungsrecht nicht auf die Nachbesserung (Reparatur) beschränkt werden. An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt die gesetzliche Regelung, § 306 BGB. Ergebnis: Da § 5 der AGB unwirksam ist, hat Martin gegen das Sportfachgeschäft ein Recht auf Lieferung ein Paar neuer Ski der Marke „Blizzard“ nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB.
1.3.2
Fernabsatzvertrag
Ein Anspruch des Georg Unold gegen Susanne auf Abnahme und Zahlung des Kaufpreises von 150,00 EUR könnte sich aus § 433 Abs. 2 BGB ergeben. 1. Hierzu müsste ein wirksamer Kaufvertrag gemäß 433 Abs. 1 BGB geschlossen worden sein. Mit ihrer E-Mail hat Susanne einen Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrages an Herrn Unold abgegeben, § 145 BGB. Dieser Antrag ist dem Empfänger auf dem elektronischen Weg zugegangen. Durch das Verpacken und Versenden der Münze hat Herr Unold den Bestellantrag Susannes konkludent angenommen, § 151, S. 1 BGB. Damit ist ein wirksamer Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 BGB zwischen den Vertragspartnern zustande gekommen. 2. Der Anspruch auf Abnahme und Bezahlung des Kaufpreises könnt jedoch durch einen wirksamen Widerruf des geschlossenen Kaufvertrages nach §§ 312d, 355, 357 BGB erloschen sein. a) Für einen wirksamen Widerruf gemäß § 312d BGB müsste zwischen den Vertragspartnern ein Fernabsatzvertrag gemäß § 312b BGB geschlossen worden sein. (1) Personelle Voraussetzungen des § 312b/I BGB: Susanne ist eine Verbraucherin gemäß § 13 BGB, Herr Unold ist ein Unternehmer gemäß § 14 BGB. (2) Sachliche Voraussetzungen des § 312b Abs. 1 BGB. Es müsste ein Vertrag über die Lieferung von Waren oder die Erbringung einer Dienstleistung geschlossen worden sein. Ein Vertrag über die Lieferung einer Ware liegt bei dem Münzenkauf vor. Zum Zweiten müsste der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen worden sein, d. h. der Vertragsschluss muss unter vollständiger Abwesenheit beider Ver-
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
255
tragspartner erfolgt sein (z. B. mittels Brief, Katalog, Telefonanruf, Telekopie, E-Mail, Rundfunk, Fernsehen). Da der Bestellantrag Susannes per E-Mail und die Vertragsannahme durch Postversand erfolgt ist, liegt auch diese Voraussetzung vor. Der Vertragsschluss erfolgte auch im Rahmen eines Fernabsatz-Vertriebssystems der Firma Georg Unold e.K., da Herr Unold regelmäßig und in größerem Umfang diesen Vertriebsweg wählt. Zum Dritten ist eine Bereichsausnahme nach § 312 b Abs. 3 BGB nicht gegeben. Damit wurde zwischen Susanne und Herrn Unold ein Fernabsatzvertrag gemäß § 312b BGB geschlossen. b) Für das Entfallen der Abnahmeverpflichtung und des Kaufpreisanspruches aus dem geschlossenen Fernabsatzvertrag müsste ein wirksamer Widerruf gemäß §§ 312d, 355, 357 BGB vorliegen. (1) Eine Widerrufserklärung Susannes in Textform gemäß § 355 Abs. 1, S. 2 BGB gegenüber Herrn Unold liegt vor. Sie hat ihm erklärt, dass sie die Silbermünze nicht mehr haben will, also von dem geschlossenen Vertrag los kommen will. Den juristischen Terminus „Widerruf“ muss ein Laie nicht verwenden. (2) Die Widerrufserklärung erfolgte auch fristgemäß nach § 355 Abs. 1, S.2 BGB. Susanne hat die 14-Tagesfrist ab Erhalt der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung eingehalten. Damit liegen alle Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf des geschlossenen Fernabsatzvertrages vor. Mit dem Zugang des Widerrufs bei Herrn Unold wandelt sich der geschlossene Fernabsatzvertrag in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis um. Nach § 357 BGB werden für den Widerruf die Vorschriften für den Rücktritt analog angewendet. Mit dem Zugang des Widerrufs ist damit der Anspruch auf Abnahme und Zahlung von 150,00 EUR aus § 433 Abs. 2 BGB erloschen. Der Grund für das einfache Lösen von einem Fernabsatzvertrag liegt darin, dass sich die Vertragspartner beim Vertragsschluss nicht real einander gegenüber stehen und der Käufer die Ware nicht sorgfältig in Augenschein nehmen kann. Für den Verkäufer kann dieses Vertriebssystem Kostenvorteile bringen, im Falle eines wirksamen Widerrufs greift aber der Schutz des Verbrauchers.
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag 2.1 Michael Schreiner beginnt ein Berufsausbildungsverhältnis a) Es ist eine Aufforderung, ein Bewerbungsschreiben an die Isar Bank-AG zu senden. Die Annonce ist kein Angebot im Sinne des § 145 BGB, da sie sich an eine unbegrenzte Vielzahl von Lesern der Süddeutschen Zeitung richtet. Zudem möchte sich die Isar Bank-AG mit dieser Stellenanzeige nicht gegenüber allen Lesern binden. Die Isar Bank-AG möchte mit der Annonce auch keine Verpflichtungen eingehen, insbesondere nicht die Kosten für ein Vorstellungsgespräch übernehmen. b) Bei den Bewerbungsschreiben handelt es sich nicht um rechtlich bindende Angebote eingestellt zu werden. Es sind nur Aufforderungen an die Unternehmen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Aus der Doppelbewerbung wird erkennbar, dass sich Herr Schreiner nicht gegenüber beiden Ausbildungsbetrieben binden will. Erst bei einem Vorstellungsgespräch unterbreitet der Personalleiter ein bindendes Einstellungsangebot, das der Bewerber annehmen kann. Damit ist dann ein gültiger Berufsausbildungsvertrag zustande gekommen (wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind).
256
Lösungen
c) Der zuständige Personalsachbearbeiter der Isar Bank-AG hat Herrn Schreiner einen Antrag zum Abschluss eines Berufsausbildungsvertrages gemacht. Diesen mündlichen Antrag hat Herr Schreiner sofort angenommen (§ 147 / I BGB ), damit ist zwischen den Parteien ein wirksamer Vertrag geschlossen worden. § 11 I S.1 BBiG schreibt lediglich vor, dass unmittelbar nach Vertragschluss die wesentlichen Inhalte des BAV schriftlich niedergelegt werden müssen. Ohne Niederschrift darf das BAV nicht aufgenommen werden. d) Lohnsteuerkarte, Anmeldung zur einer gesetzlichen Krankenversicherung, der unterschriebene Ausbildungsvertrag e) Die Ausbildungsvergütung ist in diesem Fall gemäß Tarifvertrag angemessen und jährlich ansteigend. f) Es besteht ein Urlaubsanspruch nach § 15 Manteltarifvertrag. Der Urlaubsanspruch ist im Vertrag richtig berechnet. g) Die Probezeit endet am 30. November 2006, da eine dreimonatige Probezeit vereinbart wurde (§ 21 BBiG). h) Mit bestandener Abschlussprüfung, i.d.R. am Tag der mündlichen Abschlussprüfung, endet das Ausbildungsverhältnis (§ 14 Abs. 1 und 2 BBiG). i) - Arbeitet Herr Schreiner nach Beendigung der Ausbildung mit Duldung der Isar Bank-AG weiter, wird ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet (§ 17 BBiG). - Vor Beendigung der Ausbildung finden i.d.R. Übernahmegespräche mit den Auszubildenden statt. Es können dann entsprechende Arbeitsverträge den Auszubildenden angeboten werden, entweder befristete Arbeitsverträge oder Arbeitsverträge auf unbestimmte Zeit. j)
2.2 Der Auszubildende Michael Schreiner erhält seinen Arbeitsvertrag a) Herr Schreiner ist auf Grund seines Arbeitsvertrages verpflichtet, in der Abteilung Auslandszahlungsverkehr als Sachbearbeiter Leistungen zu erbringen (Bearbeitung der Auslandszahlungsaufträge, z. B. Prüfung der Dokumente), dafür erhält er monatlich von seinem Arbeitgeber ein Gehalt. Es handelt sich hier um ein Gegenseitigkeitsverhältnis. Herr Schreiner hat deshalb einen Anspruch auf Gehalt, weil er Leistungen erbracht hat. b) Herr Schreiner ist ein Arbeitnehmer, er ist Angestellter der Isar Bank-AG. c) Herr Schmidinger ist als Selbstständiger tätig. d) Arbeitnehmer Schreiner Persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber in einem Dauerschuldverhältnis Er ist dem Arbeitgeber gegenüber weisungsabhängig hinsichtlich - der Art und Durchführung der Aufgabe - des Ortes der Arbeitsleistung
Selbstständiger Schmidinger Kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Dienstverpflichteten und dem Dienstberechtigten Kein Dauerschuldverhältnis. Er ist dem Dienstberechtigten gegenüber nicht weisungsgebunden.
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
- des Arbeitsplatzes - der Arbeitszeit Er ist in das Unternehmen eingegliedert (Abteilung, Arbeitsgruppe). Er trägt kein Unternehmerrisiko (er erhält auch Gehalt bei einem »Auftragsmangel«). Arbeitnehmer Schreiner i. d. R. sozialversicherungspflichtig (Ausnahmen s. Kap. 5) Lohnsteuer-Abzugsverfahren
257
Keine Eingliederung in einen fremden Betrieb Er trägt das Risiko des geschäftlichen Erfolges selbst. Selbstständiger Schmidinger i. d. R. nicht sozialversicherungspflichtig Einkommensteuer-Vorauszahlungen
Eine exakte Definition des Begriffes »Arbeitnehmer« gibt es nicht, in einem konkreten Fall müssen alle o. a. Merkmale geprüft werden. Die Begriffsbestimmung ist aber im Einzelfall deshalb wichtig, weil das Arbeitsrecht diesen Personenkreis schützen und ein Machtungleichgewicht ausgleichen will. Den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung bereitet die große Zahl von »Scheinselbstständigen« erhebliche Probleme. e+f) Pflichten des Arbeitnehmers Arbeitspflicht Er muss Weisungen befolgen. Der Arbeitgeber hat das Direktionsrecht: Er kann im Rahmen des Arbeitsverhältnisses die Arbeitsbedingungen einseitig so weit bestimmen und abändern, wie er nicht den Inhalt des Arbeitsvertrages verändert. Treuepflicht Das Arbeitsverhältnis hat einen personalen Charakter. Der Arbeitnehmer hat die Interessen des Unternehmens zu wahren, er hat alles zu unterlassen, was dem Unternehmen schadet. Grundlage: § 241 II BGB: »Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.«. - Pflicht zur Verschwiegenheit - Verbot der Annahme von Schmiergeldern - Wettbewerbsverbot - Unterlassung ruf- und kreditschädigender Mitteilungen - Nach Eigenart des Arbeitsplatzes die Zurückhaltung bei politischer Betätigung - Informationspflicht: Störungen im Betriebsablauf melden g) Ausgangspunkt für die Prüfung von Ansprüchen ist immer der Arbeitsvertrag: Unter § 3 des Vertrages heißt es: »Sonderzahlungen und betriebliche Sozialleistungen werden nach Maßgabe der Arbeitsordnung der Gesellschaft gewährt.« In der Arbeitsordnung wird unter § 4 »Arbeitsentgelt« auf die internen Regelungen der Gesellschaft unter Berücksichtigung des Tarifvertrages des Bankgewerbes verwiesen. Unter § 8 des Arbeitsvertrages heißt es: »für das Arbeitsverhältnis gelten im Übrigen die gesetzlichen Bestimmungen, der Tarifvertrag für das Bankgewerbe und die Arbeitsordnung der Gesellschaft«. Grundsätzlich hätte Herr Schreiner nur dann einen Anspruch auf ein tarifliches Gehalt und tarifliche Sonderzahlungen, wenn er tarifgebunden wäre, d. h. Mitglied in einer zuständigen Gewerkschaft. Der Arbeitsvertrag von Herrn Schreiner verweist in § 8 auf die Anwendbarkeit tarifvertraglicher Bestimmungen auf das Einzelarbeitsverhältnis. Herrn Schreiner stehen also tarifliche Leistungen, wie Gehalt, Sonderzahlungen (vgl. § 3 des Tarifvertrages), Arbeitszeit, Erholungsurlaub, außerordentlicher Urlaub, Kündigungsfristen, usw. zu. Die Isar Bank-AG ist ebenfalls Mitglied im zuständigen Arbeitgeberverband.
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Lösungen
h) Pflichten der Isar Bank-AG: Pflicht zur Gehaltszahlung Es ist die Hauptpflicht des Arbeitgebers. Nebenpflicht: Fürsorgepflicht, § 241 II BGB Diese Pflicht entspricht der Treuepflicht des Arbeitnehmers. - Pflicht zur Gewährung von Urlaub - Pflicht zum Schutz von Gesundheit und Leben des Arbeitnehmers - Pflicht zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses - Pflicht zur Gleichbehandlung bei Maßnahmen mit kollektivem Charakter - Arbeitsvertragliche Pflicht: Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung i) Herr Schreiner sollte bei der Klärung arbeitsrechtlicher Fragestellungen als Erstes - diejenige Rechtsgrundlage prüfen, die sein Rechtsverhältnis mit der Isar Bank-AG regelt, seinen Arbeitsvertrag. Dort findet er unter § 8 »Sonstige Bestimmungen« den Verweis auf die tarifvertraglichen Regelungen für diese Angelegenheit. - Im Manteltarifvertrag für das Bankgewerbe erfährt er unter § 16, dass ihm entgeltliche Arbeitsbefreiung für die Wahrnehmung seiner öffentlichen Ehrenämter zusteht. Zusätzlich ergibt sich dieser Anspruch aus § 616 BGB. Hinweis zur Bearbeitung von arbeitsrechtlichen Fragestellungen: Bei der Prüfung arbeitsrechtlicher Normen ist folgende Rangordnung zu beachten: 1. Europäisches Gemeinschaftsrecht 2. Grundgesetz 3. Einfachgesetzliche Norm, 4. Tarifvertrag 5. Betriebsvereinbarung 6. Arbeitsvertrag Reihenfolge der Prüfung Bei der Prüfung arbeitsrechtlicher Normen ist grundsätzlich (d. h. Ausnahmen sind möglich6) das »Günstigkeitsprinzip« anzuwenden, d. h. dass z. B. die rangniedrigere arbeitsvertragliche Norm von einer tarifvertraglichen bzw. gesetzlichen Regelung abweichen kann, wenn dadurch der Arbeitnehmer günstiger gestellt wird. j) - eigene Eheschließung, 2 Arbeitstage - Tod der Eltern, 1 Arbeitstag, vgl. § 16 Manteltarifvertrag
6
Vgl. Fallstudie 3.6 »Wer bezahlt das Gehalt einer Angestellten wegen der Erkrankung ihres Kindes?« Der Tarifvertrag des privaten Bankgewerbes hat in § 16 Nr. 4 die günstigere gesetzliche Vorschrift des § 616 BGB auf bezahlte Freistellung von der Arbeit ausgeschlossen, »in den Fällen des § 45 SGB V wird unbezahlte Arbeitsbefreiung gewährt«. Die Rechtfertigung hierfür liegt darin, dass eine ungünstige Abänderung einer gesetzlichen Regelung durch die den Tarifvertrag schließende Gewerkschaft an einer Stelle im Tarifvertrag an einer anderen Stelle zu einer für die Arbeitnehmer günstigeren Regelung führen kann.
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
k) Berufsausbildungsverhältnis Schreiner Inhalt festgelegt durch: - Berufsausbildungsvertrag zwischen Ausbildenden und dem Auszubildenden - Ausbildungsverordnung - Berufsbildungsgesetz - Jugendarbeitsschutzgesetz - Tarifvertrag bei Vereinbarung im Berufsausbildungsvertrag l) Berufsausbildungsverhältnis Schreiner Rechte des Auszubildenden - Qualifizierte Berufsausbildung zur Erreichung des Ausbildungszieles: Qualifizierter Sachbearbeiter - Anspruch auf eine Vergütung (die Zahlung ist eine Nebenpflicht des Ausbildenden) - Anspruch auf verfügbare Ausbildungsmittel an der Ausbildungsstätte - Anspruch auf Fürsorge, d. h. Anspruch auf Schutz und »Berufs«-Erziehung - Anspruch auf Ausstellung eines Zeugnisses Berufsausbildungsverhältnis Schreiner Pflichten des Auszubildenden - Lernpflicht: Bemühen, das Ausbildungsziel zu erreichen - Pflicht zum Berufsschulbesuch - Führen des Berichtsheftes - Verrichtungen und Aufgaben im Rahmen des Berufsausbildungsverhältnisses weisungsgemäß auszuführen - Pflicht, über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu wahren
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Arbeitsverhältnis Schreiner Inhalt festgelegt durch: - Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer - Tarifvertrag bei Tarifbindung - Betriebsvereinbarung - Gesetzliche Vorschriften (z. B. Arbeitsschutzvorschriften) Arbeitsverhältnis Schreiner Rechte des Arbeitnehmers - Gehaltszahlungsanspruch - Anspruch auf Fürsorge
Arbeitsverhältnis Schreiner Pflichten des Arbeitnehmers - Arbeitspflicht - Treuepflicht
m) Zweck des Ausbildungsvertrages Zweck des Arbeitsvertrages - Berufsausbildung mit dem Ziel, ein qualifizier- - Das Leisten abhängiger und weisungsgebundeter Sachbearbeiter zu werden ner Arbeit nach dem Arbeitsvertrag gegen Gehaltszahlung n) Dauer des Ausbildungsvertrages Dauer des Arbeitsvertrages - befristet, der sachliche Grund für die Befristung - Das Arbeitsverhältnis ist grundsätzlich auf unist die Berufsausbildung bestimmte Zeit geschlossen. Daneben gibt es befristete Arbeitsverhältnisse.
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o) Beendigung des Ausbildungsvertrages ordentlich - durch Fristablauf bzw. vorzeitig durch Bestehen der Abschlussprüfung Kündigung - Kündigung während und nach der Probezeit nach § 22 BBiG (Aufhebungsvertrag ist möglich)
Lösungen
Beendigung des Arbeitsvertrages ordentlich - i. d. R. keine Befristung Kündigung - Ordentliche Kündigung - Außerordentliche Kündigung (Aufhebungsvertrag ist möglich)
2.3 Leiharbeit a) - Arbeitsvertrag zwischen BankPower und Leiharbeitnehmern - Die Leiharbeitnehmer haben die Verpflichtung, Arbeitsleistungen an den von der Bankpower GmbH benannten Arbeitsorten zu erbringen. - BankPower hat die Verpflichtung, die Leiharbeitnehmer nach den jeweiligen Vereinbarungen zu entlohnen. - BankPower hat zusätzlich die Verpflichtung, seine Arbeitskräfte als Leiharbeitnehmer bei der Bundesagentur für Arbeit anzumelden und genehmigen zu lassen. - Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen BankPower und Isar Bank-AG mit der Verpflichtung für BankPower, entsprechende Arbeitskräfte für einen bestimmten Zeitraum der Isar Bank-AG gegen einen vereinbarten Preis zur Verfügung zu stellen. - Die Isar Bank-AG hat die Verpflichtung, BankPower den vereinbarten Preis zu zahlen. - Zwischen der Isar Bank-AG und den Leiharbeitnehmern besteht kein Vertragsverhältnis. Die Isar Bank-AG kann das ihr von der BankPower übertragene Direktionsrecht den Leiharbeitskräften gegenüber ausüben. b) Vorteile für die Isar Bank-AG: - Kein kostenintensives Bewerbungsverfahren - Flexible Anpassung des Arbeitskräftebedarfs an die Auftragslage - Kein kostenintensiver Personalaufwand, z. B. Anmeldung der Arbeitskräfte bei den Sozialversicherungsträgern usw. Vorteile für den Leiharbeitnehmer: - Sammeln von Berufserfahrung in unterschiedlichen Unternehmen - Übernahmemöglichkeit als feste Arbeitskraft in das Unternehmen des Entleihers - Gute Arbeitsmöglichkeiten für Teilzeitkräfte
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
261
2.4 Fälle und Aufgaben zu Gesetzen, die Arbeitnehmer und Auszubildende schützen 2.4.1 aa) ab) ac) ad)
Kündigungsschutz für Arbeitnehmer und Auszubildende
Vgl. § 622 Abs. 1 BGB: 4 Wochen zum 15. oder Monatsletzten von beiden Vertragsparteien. Vgl. § 17 MTV: 6 Wochen zum jeweiligen Quartalsende von beiden Vertragsparteien. Vgl. § 622 Abs. 3 BGB: Kündigungsfrist zwei Wochen bei einer Probezeit von längstens 6 Monaten Es werden nur Beschäftigungszeiten nach Vollendung des 25. Lebensjahres bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit berücksichtigt. Verlängerte Kündigungsfristen nach dem BGB
Verlängerte Kündigungsfristen nach dem Manteltarifvertrag für das Kreditgewerbe
b) Die außerordentliche Kündigung erfolgt ohne Einhaltung einer Frist (§§ 626, 623 BGB). c) Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden (§ 22 Abs. 1 BBiG) Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis nur gekündigt werden, 1. aus einem wichtigen Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist, 2. vom Auszubildenden mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will (§ 22 Abs. 2 BBiG). Situation 1 d) Mit dem 31. Dezember, also die günstigere tarifvertragliche Regelung. Am 19. November muss dem Arbeitnehmer spätestens die Kündigung zugegangen sein. e) Ja, nach dem Tarifvertrag ist eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Quartalsende einzuhalten, also Kündigung zum 31. März des Folgejahres. f1) Der Betriebsrat muss vor der Kündigung angehört werden (BetrVG § 102). Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist von einer Woche der Kündigung widersprechen, wenn einer der Gründe des § 102 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 BetrVG vorliegt. f2) Nach dem SGB III § 37b sowie § 140 muss Herr Krampass die Arbeitsagentur über die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses spätestens innerhalb von 7 Tagen nach Erhalt der Kündigung informieren. Ansonsten wird ihm das Arbeitslosengeld für jeden Tag der verspäteten Meldung gekürzt.
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Lösungen
f3) Der Kassierer muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Feststellungsklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben, um darzulegen, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Vgl. § 4 KSchG, § 8 ArbGG. Versäumt Herr Krampass diese Frist, gilt die Kündigung als sozial gerechtfertigt (§ 7 Kündigungsschutzgesetz). Situation 2 g) Die Kündigung von Frau Scherenberger ist wirksam geworden, wenn sie dem Empfänger fristgemäß zugegangen ist. Bei der Kündigung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Arbeitgeber kann das Kündigungsbegehren nicht verweigern. h) Die verlängerten Kündigungsfristen gelten nur für den Arbeitgeber. i) Die Genossenschaftsbank hätte Frau Scherenberger den Aufstieg in eine höhere Tarifgruppe in Aussicht stellen sollen. Situation 3 j) Während der Probezeit hat die Nordbank AG die Möglichkeit, das Ausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen (vgl. § 22 Abs. 1 BBiG). Nach der Probezeit kann die Bank das Berufsausbildungsverhältnis nur aus wichtigem Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist kündigen (§ 22 Abs. 2 BBiG). Als gravierende Kündigungsgründe werden hier angegeben: - Herr Schuster hat seine Nebentätigkeit trotz vertraglicher Vereinbarung nicht angezeigt. - Durch die Nebentätigkeit wurde das Erreichen des Ausbildungsziels in erheblicher Weise in Frage gestellt. - Die Auswirkungen der Aufnahme einer nicht genehmigten Nebentätigkeit verstößt gegen die Pflichten des Auszubildenden, Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben und aufgetragene Arbeiten sorgfältig zu verrichten (§ 13 BBiG). Die Verärgerung des Ausbilders ist daher verständlich. Zudem verletzt der Auszubildende hierbei seine Pflichten nach § 13 BBiG. Auf der anderen Seite weist das BBiG in § 14 auf die Pflicht des Ausbilders hin, den Auszubildenden charakterlich zu fördern und ihn z. B. hier auf seine Pflichten im Ausbildungsverhältnis hinzuweisen bzw. auf Fehler in seinem Verhalten aufmerksam zu machen und auf eine Verhaltensänderung hinzuwirken. Der Auszubildende ist Berufsanfänger und unerfahren, ggf. noch nicht in der Lage, die Folgen seines vertragswidrigen Verhaltens richtig einzuschätzen. Ergebnis: Eine außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses kann in diesem Fall nur eingesetzt werden, wenn selbst erzieherische Maßnahmen (z. B. Abmahnungen) keinen Erfolg gezeigt haben und so das Erreichen des Ausbildungszieles unmöglich erscheint. Mit einer entsprechenden Abmahnung könnte das Verhalten des Auszubildenden hier korrigiert werden, d. h. die Nebenbeschäftigung müsste von Herrn Schuster aufgegeben werden. k) Werdende Mütter, Betriebsräte und Jugendvertreter, Schwerbehinderte, Auszubildende. Situation 4 l) Frau Frank kann ihr Amt als Jugend- und Auszubildendenvertreterin auch nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses weiter ausüben, wenn sie mit der Nordbank AG einen Arbeitsvertrag abschließt (§ 78 a Abs. 1 und 2 Betriebsverfassungsgesetz). m) Frau Frank unterliegt als Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung nach § 78a BetrVG einer besonderen Kündigungsregelung. Danach hat der Arbeitgeber, der einen Auszubildenden, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung ist, nach Beendigung der Ausbildung nicht in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit übernehmen will, dies dem Auszubildenden drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich mitzuteilen. Ist Frau Frank damit nicht einverstanden, kann sie von der Nordbank AG die Weiterbeschäftigung verlangen; in diesem Fall gilt ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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als begründet. Da die Nordbank AG 10 Auszubildende in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernehmen will, wird die Nordbank AG zunächst der Jugend- und Auszubildendenvertretung ein entsprechendes Arbeitsverhältnis anbieten, um ihre Arbeit für die laufende Amtsperiode als JAV zu gewährleisten. Die Nordbank AG kann dann ihrerseits binnen zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses von Frau Frank beim Arbeitsgericht beantragen, von dem gesetzlich begründeten Arbeitsverhältnis befreit zu werden. Dazu muss er dartun und beweisen, dass ihm die Weiterbeschäftigung aus wichtigen Gründen nicht zumutbar ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn bei der Nordbank im Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses kein freier (unbesetzter) und auf Dauer angelegter Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der bisherige Auszubildende und betriebsverfassungsrechtliche Funktionsträger mit seiner erworbenen Qualifikation beschäftigt werden kann. Für die Feststellung, ob ein freier Arbeitsplatz vorhanden ist oder nicht, sind regelmäßig die Vorgaben des Arbeitgebers maßgebend, welche Arbeiten im Betrieb mit welcher Anzahl von Arbeitnehmern verrichtet werden sollen. Situation 5 n) Der Arbeitgeber tendiert eher dazu, einen befristeten Vertrag abzuschließen und sich dann den Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum anzuschauen und seine Leistung zu bewerten, als er das bei einem unbefristeten Vertrag könnte. Denn bei einem unbefristeten Vertrag endet nach sechs Monaten die Probezeit und der Arbeitnehmer genießt dann entsprechenden Kündigungsschutz und kann nur noch aus einem sozial gerechtfertigten Grund nach § 1 des Kündigungsschutzgesetzes gekündigt werden. Im Vertretungsfall schließen Arbeitgeber i.d.R. befristete Arbeitsverträge ab, da der Zeitraum der Vertretung von vornherein bestimmt ist. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Befristung und braucht vom Arbeitgeber nicht mehr gekündigt werden. Ein umfangreicher Kündigungsschutz wie bei einem unbefristeten Vertrag entfällt in diesem Fall. o) Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz § 14 ist die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Hier wird Frau Ihle zur Vertretung einer anderen Arbeitnehmerin beschäftigt. Auch bei einem anschließenden neuen Vertragsabschluss über eine befristete Schwangerschaftsvertretung hat Frau Ihle keinen Anspruch auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (vgl. § 14 Abs. 1, und 2). Situation 6 p) Die Sachverhalte 1 und 5 stellen keinen wichtigen Grund für eine Kündigung durch die Unionbank AG dar. Die Situationen 2, 3, und 4 berechtigen zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses aus wichtigem Grund, vgl. § 22 BBiG.
2.4.2
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
a) Frau Gerber ist verpflichtet, ihrem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen. Sie hat sich nicht richtig verhalten. b) Sofern sie dem Arbeitgeber am 4. Kalendertag nach der Erkrankung eine ärztliche Bescheinigung vorlegt, hat sie einen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Dauer bis zu sechs Wochen in Höhe von 100 % (§§ 3 und 4 Abs. 3 EFZG). c) Nach § 7 EFZG kann der Arbeitgeber die Fortzahlung des Arbeitsentgelts verweigern, so lange der Arbeitnehmer die vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt. d) Herr Scholle muss zunächst seine Arbeitsunfähigkeit seinem Ausbilder melden (§ 5 Abs. 1 EFZG). Für Auszubildende gilt nach § 1 EFZG wie für Arbeitnehmer im Krankheitsfall das Entgeltfortzahlungsgesetz.
264
Lösungen
e) Nach § 3 Abs. 3 EFZG hat Herr Scholle erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer seines Berufsausbildungsverhältnisses mit der Nordbank Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG. Das Berufsausbildungsverhältnis besteht aber hier erst seit dem 01. Februar. Herrn Scholle steht danach nur Krankengeld in Höhe von 70 % des maßgeblichen Arbeitsentgelts zu. f) Situation 1 Von einem verständigen Autofahrer ist zu erwarten, dass er beim Fahren eines Kraftfahrzeuges einen Sicherheitsgurt anlegt, um bei einem Unfall das Verletzungsrisiko zu mindern. Die Arbeitsunfähigkeit wurde von Herrn Heckmann selbst verschuldet. Die Leistungsverweigerung erfolgt rechtmäßig. Situation 2 Bei Frau Heidorn ist ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung begründet, weil sie nach der Arbeitsaufnahme auf Grund einer anderen Erkrankung erneut arbeitsunfähig wird. Deshalb entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung von sechs Wochen erneut (§ 3 Abs. 1 EFZG). Situation 3 Es handelt sich hier um eine Sportart, bei der Herr Heckmann in besonders grober Weise und leichtsinnig gegen anerkannte Regeln des Fallschirmspringens verstoßen hat. Damit ist eine Leistungsverweigerung des Arbeitgebers zulässig. Situation 4 Die Aushilfskraft bekommt für den Reformationstag das Gehalt bezahlt, da im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern dieser Tag ein gesetzlicher Feiertag ist.
2.4.3
Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern und Auszubildenden
a) § 3 Bundesurlaubsgesetz, § 19 Jugendarbeitsschutzgesetz, § 15 Manteltarifvertrag b) Eine Kürzung des Urlaubsanspruchs ist nicht zulässig (vgl. §§ 1, 3, 4, 5 Abs. 1, 9 BUrlG). Das Fernbleiben des Arbeitnehmers von der Arbeit infolge Krankheit darf nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet werden (§ 15 Nr. 8 MTV). c) Nach § 7 Abs. 1 BUrlG müssen zwar bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Wünsche des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, jedoch haben dringende betriebliche Belange den Vorrang. Dies wird unterstrichen durch das Direktions- bzw. Weisungsrecht des Arbeitgebers, das in § 106 GewO geregelt ist. d) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr kann nur stattfinden, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Bei dieser Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 BUrlG). e) Wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, so ist er abzugelten (vgl. § 7 Abs. 4 BUrlG). f) Nach § 9 BUrlG werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet
2.4.4
Jugendarbeitsschutz
a) Fall 1 Folgende Verstöße: - Die Auszubildende darf nur in der Zeit von 6 bis 20 Uhr beschäftigt werden (§ 14 JAG). Die tägliche Arbeitszeit darf grundsätzlich 8 Stunden nicht übersteigen.
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
-
265
Der Ausbildende hat die Auszubildende nach dem Berufsschulunterricht freizustellen an einem Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden einmal in der Woche (§ 9 JAG). Am Samstag sind die Auszubildenden vom Ausbildenden freizustellen (§ 16 JAG). Jugendliche, die zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht 18 Jahre alt sind, erhalten mindestens 25 Werktage bezahlten Erholungsurlaub für jedes Kalenderjahr (§ 19 JarbSchG).
Fall 2 - Akkordarbeit von Auszubildenden ist nicht zulässig (§ 23 JAG). - Die Leistungsfähigkeit von Jugendlichen darf nicht überschritten werden (§ 22 JAG). Fall 3 - Da Auszubildende im Friseurhandwerk auch am Sonnabend arbeiten müssen, muss der Ausbildende für einen entsprechenden Ruheausgleich sorgen (§ 15 und § 16 JAG). - Der Ausbildende hat eine Fürsorgepflicht gegenüber seiner Auszubildenden (§ 28 und § 35 JAG). - Christina hat Anspruch auf 27 Werktage Urlaub, die in der Zeit der Berufsschulferien gewährt werden sollen (§ 19 JAG). - Die Chefin kann nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz § 5 eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits für die ersten beiden Tage verlangen. Fall 4 Verstöße nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz: - § 8 Arbeitszeit: 8 Stunden täglich, 40 Stunden wöchentlich - § 9 Berufsschule: Freistellung nach der Berufsschulzeit, Anrechnung der Berufsschulzeit mit 8 Stunden - § 11 Ruhepausen: 60 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden - § 13 tägliche Freizeit: tägliche Freizeit von mindestens 12 Stunden nach Arbeitsende - § 14 Nachtruhe: keine Beschäftigung zwischen 22:00 bis 6:00 Uhr morgens - § 15 5-Tage-Woche: Beschäftigung Jugendlicher nur an 5 Tagen in der Woche - § 16 Samstagsruhe: kein Ausgleich für Arbeiten an Samstagen - § 17 Sonntagsruhe: keine Beschäftigung an Sonntagen - § 19 Urlaub: 11 Werktage für 5 Monate statt eine Woche Urlaub Verstöße nach dem Berufsbildungsgesetz: - § 22 Kündigung: Kündigung des Ausbildungsverhältnisses nach der Probezeit nur aus wichtigem Grund durch den Ausbilder möglich - § 14 Berufsausbildung: nur Aufgaben übernehmen, die dem Ausbildungsziel dienen, Führung eines korrekten Berichtsheftes, Anspruch auf charakterliche Förderung durch den Ausbilder b) Aus der Sicht des Ausbildenden - Vielfach werden Auszubildende in den Arbeitsablauf der Betriebe voll integriert, sodass die Belange der Betriebe z. B. bei vollen Auftragsbüchern oder bei terminlichen Engpässen vorgehen. - Die für die Ausbildung zuständigen Beauftragten der Betriebe kennen häufig nicht die einzelnen Bestimmungen des JArSchG. - Ausbildende nutzen die besondere Situation jugendlicher Mitarbeiter aus, da sie wissen, dass Jugendlichen den Inhalt des JArSchG nicht genau kennen und Schwierigkeiten haben, sich zur Wehr zu setzen.
266
Lösungen
Aus der Sicht der Jugendlichen - Jugendliche befürchten häufig Schwierigkeiten mit dem Ausbildenden. - Auszubildende befürchten, am Ende der Ausbildung von ihrem Ausbildungsbetrieb nicht übernommen zu werden. - Im »Akkordfall« könnte der Jugendliche Interesse haben, über die Ausbildungsvergütung hinaus mehr Geld zu verdienen. - Jugendliche sind sich häufig ihrer Rechte und Pflichten nicht bewusst. c) - Jugendliche können sich – falls vorhanden – von ihrer Jugendvertretung beraten lassen (Betriebsverfassungsgesetz § 60 und § 70). - Mitglieder einer Gewerkschaft erhalten ggf. eine kostenlose Rechtsberatung. - Schließlich bieten die Gewerbeaufsichtsämter Beratungen an und führen im Falle einer Meldung Kontrollen in dem jeweiligen Betrieb durch. d) Im 19. Jahrhundert stellte man fest, dass die junge Generation durch frühe, schwere und zu lang andauernde körperliche Arbeit geschädigt war. Zum Beispiel wollte der preußische Landtag durch die Einführung eines Jugendarbeitsschutzgesetzes und einer Schulpflicht den negativen Auswirkungen der Industrialisierung entgegenwirken. Junge Menschen müssen geschützt werden, damit ihre gesundheitliche Entwicklung nicht gefährdet wird und ihre geistige Entwicklung ungestört verlaufen kann. Denn durch Kinderarbeit entstandene körperliche Schäden und schulische Defizite können zu einer verminderten Arbeitsfähigkeit und damit zu geringeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt, u. U. zur Arbeitslosigkeit führen. Das JArSchG schützt deshalb Kinder und Jugendliche vor Arbeit, die zu früh beginnt, die zu lange dauert, die zu schwer ist, die sie gefährdet oder die für sie ungeeignet ist.
2.4.5
Mutterschutz und Elterngeld
aa) Nach dem Mutterschutzgesetz gelten die Schutzbestimmungen für Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen (ebenso für Heimarbeiterinnen und ihnen Gleichgestellte). Beamte und Selbstständige fallen nicht unter diese Regelungen. ab) 1) bei Gefährdung der Gesundheit oder Leben von Mutter und Kind (ärztliches Zeugnis!) 2) 6 Wochen vor der Entbindung des Kindes 8 Wochen nach der Entbindung 12 Wochen nach der Entbindung bei Früh- und Mehrlingsgeburten 3) bei gefährlichen Tätigkeiten, die in § 4 MuSchG einzeln aufgeführt sind. 4) Keine Mehrarbeit, Nachtarbeit und Arbeit an Sonn- und Feiertagen (§ 8 MuSchG) ac) Während der Schutzfristen zahlt der Arbeitgeber der werdenden Mutter einen Zuschuss in Höhe der Differenz zwischen dem Mutterschaftsgeld und dem Nettoeinkommen. b) Situation 1 Frau Stege muss ihrem Arbeitgeber durch ein ärztliches Zeugnis nachweisen, dass sie schwanger ist. Nach Feststellung der Schwangerschaft gilt für den Arbeitgeber das Kündigungsverbot nach § 9 MuSchG.
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
267
Situation 2 Nach den Kündigungsfristen des BGB wäre eine Kündigung mit der Frist von zwei Wochen wirksam. Dem steht allerdings § 9 MuSchG entgegen, der eine Kündigung gegenüber einer Schwangeren ausschließt. Die Lösung der sich widersprechenden Rechtsnormen ergibt sich aus Artikel 6 des Grundgesetzes, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Frau Liebknecht genießt daher Kündigungsschutz. Situation 3 Eine arglistige Täuschung liegt dann vor, wenn Tatsachen erklärt werden, die nicht gegeben waren. Hier liegt aber eine »indiskrete« Frage vor, die rechtlich unzulässig war. Deshalb ist die wahrheitswidrige Antwort von Frau Salzmann darauf auch nicht unzulässig. Die Frage nach der Schwangerschaft ist deshalb unzulässig, weil sie gegenüber Frau Salzmann eine Diskriminierung darstellt. Arbeitgeber stellen schwangere Bewerberinnen deshalb nicht ein, weil sie wirtschaftliche Nachteile befürchten. Nach der Rechtsprechung der Richtlinien Nr. 76/207/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 09. Februar 1976 liegt bei einer Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft grundsätzlich ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Die Anfechtung der Weserbank ist daher nicht wirksam, das Arbeitsverhältnis bleibt bestehen. Situation 4 Während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung genießen Arbeitnehmerinnen einen besonderen Arbeitsplatzschutz in Form eines Kündigungsverbots (§ 9 Mutterschutzgesetz). Führt die Schwangerschaft zu einer Fehlgeburt, so endet der Kündigungsschutz mit der Fehlgeburt; dagegen bleibt er bei einer Totgeburt oder bei dem Tod des Kindes innerhalb der vier Monate nach der Entbindung erhalten. Wie für alle während der Schwangerschaft laufenden Fristen ist zur Feststellung des Beginns der Schwangerschaft und damit auch des Kündigungsschutzes von dem Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme auszugehen; von dem bescheinigten Tag der Niederkunft sind 280 Tage zurückzurechnen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Dezember 1985, DB 1986, S. 1579). Das Kündigungsverbot während der Schwangerschaft gilt während der Schutzfrist sowohl für ordentliche Kündigungen als auch für außerordentliche Kündigungen aus wichtigem Grund. Es gilt für Änderungskündigungen, Kündigungen im Insolvenz- oder Vergleichsverfahren und für Kündigungen anlässlich einer Massenentlassung. Unzulässig sind auch solche Kündigungen während der Schutzfrist, die erst nach ihrem Ablauf wirksam werden. Ist die Kündigung dagegen bereits vor Beginn der Schwangerschaft ausgesprochen, so ist sie auch wirksam, wenn die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst während der Schwangerschaft eintritt. Das Kündigungsverbot gilt nur dann, wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft oder die Niederkunft bekannt war oder das Bestehen der Schwangerschaft im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt worden ist. Endet das Arbeitsverhältnis aus einem anderen Grund als durch eine Kündigung des Arbeitgebers, z. B. durch Fristablauf bei einer rechtswirksamen Befristung, so ändert die Schwangerschaft hieran nichts.
268
Lösungen
d) Situation 1 Durchschnittliches Nettoeinkommen: 2.500 EUR x 7 : 12 = 1.458,33 EUR Situation 2 1.000 EUR - 740 EUR = 260 EUR 260 EUR : 20 = 13 % 67 % + 13 % = 80 % 80 % von 740 EUR = 592 EUR Situation 3 Die Höhe des Elterngeldes hängt davon ab, wie viel Stunden Frau Lange im Monat arbeitet: Variante 1: Arbeitsaufnahme von weniger als 30 Stunden pro Monat: 67 % von der Differenz altes Einkommen – neues Einkommen = 67 % von (2.500 EUR – 1.000 EUR) = 1.005 EUR Variante 2: Arbeitsaufnahme von maximal 30 Stunden in der Woche: Das Elterngeld beträgt 300 EUR pro Monat. Situation 4 Das Elterngeld ist weder steuer- noch sozialversicherungspflichtig.
2 Fälle zum Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
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Situation 5 Bei Mehrlingsgeburten gibt es einen Zuschlag von 300,00 EUR pro Kind. Bei Geschwisterkindern wird ein Bonus von 10 % vom Elterngeld gezahlt, mindestens 75 EUR. Die Kinder dürfen aber nicht älter als 3 bzw. 6 Jahre alt sein. Situation 6 Nach § 3 in Verbindung mit § 10 BEEG wird das Mutterschaftsgeld auf das zustehende Elterngeld angerechnet (Vermeidung von Doppelansprüchen).
2.4.7
Arbeitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz
Situation A a) - Betriebsrat (vgl. § 89 BetrVG) - Sicherheitsbeauftragter (vgl. SGB VII § 22) b) - Nach § 3 der BildscharbV muss der Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, um die Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz von Frau Schenk zu beurteilen. - Nach § 6 der BildscharbV muss der Arbeitgeber Frau Schenk in regelmäßigen Abständen, insbesondere beim Auftreten von Sehbeschwerden eine augenärztliche Fachuntersuchung ermöglichen. - Der Sicherheitsbeauftragte ist nach § 22 SGB VII verpflichtet, sich davon zu überzeugen, dass die Vorschriften der BildscharbV, insbesondere der Vorschriften des Anhangs über an Bildschirmarbeitsplätze zu stellende Anforderungen in diesem Fall eingehalten werden. - Nach dem Betriebsverfassungsgesetz kann der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber für Mitarbeiter, die an Bildschirmarbeitsplätzen tätig sind, verlängerte Pausenregelungen in einer Betriebsvereinbarung anregen und durchsetzen. Diese Regelung könnte geeignet sein, die gesundheitlichen Probleme von Frau Schenk zu beseitigen (vgl. auch § 5 der BildscharbV). c) Vgl. Bestimmungen im Anhang über an Bildschirmarbeitsplätze zu stellende Anforderungen in Bezug auf Bildschirmgeräte und Tastatur, sonstige Arbeitsmittel und Arbeitsumgebung: - Bildschirmgeräte - Tastatur - sonstige Arbeitsmittel - Arbeitsumgebung Situation B 1: § 6 Ziffer 2 a ASiG: Die Sicherheitsbeauftragten haben dem Arbeitgeber festgestellte Mängel mitzuteilen, Maßnahmen zur Beseitigung der Mängel vorzuschlagen und auf deren Durchführung hinzuwirken. Nach § 16 Arbeitsschutzgesetz sollen alle Beschäftigten dem Arbeitgeber die von ihnen festgestellten Gefahren und Mängel an dem Schutzsystem unverzüglich melden. 2: - Pendeltüren sollten ein Sichtfenster haben oder durchsichtig sein. - Feuerlöscheinrichtungen müssen gebrauchsfähig und leicht zugänglich sein. - Z. B. müssen Fenster und Oberlichter gegen unmittelbare Sonneneinstrahlung abgeschirmt werden können.
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Lösungen
Situation C A Rauchen verboten (Nr. 7) B Warnung vor gefährlicher elektrischer Spannung (Nr. 11) C Erste Hilfe (Nr. 8) D Feuerlöscher (Nr. 1) E Richtungsangabe für Erste-Hilfe-Einrichtungen, Rettungswege, Notausgänge (Nr. 16) F Richtungsangabe Brandschutzzeichen (Nr. 6) G Notausgang (Nr. 10) H Warnung vor einer Gefahrstelle (Nr. 17) I Schutzschuhe benutzen (Nr. 2) J Sammelstelle (Nr. 13) K Krankentrage (Nr. 5) L Zutritt für Unbefugte verboten (Nr. 14) M Nicht berühren, Gehäuse unter Spannung (Nr. 3) N Feuer, offenes Licht und Rauchen verboten (Nr. 15) O Warnung vor feuergefährlichen Stoffen (Nr. 4) P Vor Öffnen Netzstecker ziehen (Nr. 9) Q Rettungsweg (Nr. 12) Situation D 1. Helfen Sie zuerst Verletzten oder Gefesselten. Rufen Sie ggf. einen Arzt oder Krankenwagen. 2. Alarmieren Sie die Polizei oder überzeugen Sie sich, ob der vorher ausgelöste Alarm angekommen ist. 3. Berühren Sie möglichst nichts und sorgen Sie dafür, dass alle den Tatraum verlassen. Geschäftsbetrieb einstellen. 4. Ein Mitarbeiter geht zu dem mit der Polizei vereinbarten Treffpunkt. 5. Alle Zeugen – auch die Kunden – sollten außerhalb des Tatraums auf die Polizei warten. Lassen Sie Namen und Adressen der Zeugen aufschreiben und einsammeln. 6. Notieren Sie Ihre Beobachtungen zurzeit des Überfalls auf dem Fahndungsblatt. 7. Vorgesetzte und Sicherheitsbeauftragte informieren. 8. Vermeiden Sie alle unnötigen Gespräche, damit Eindrücke nicht verwischt werden. 9. Keine Auskünfte oder Fotoerlaubnis an die Presse. Vorschnell gegebene Informationen erschweren die Fahndung. Situation E Individueller Kurzbericht aus der Filiale des jeweiligen Ausbildungsbetriebes
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht 3.1 Ein folgenreiches Einstellungsgespräch Eine ordentliche Kündigung scheidet aus, bezogen auf Herrn Langers Arbeitstätigkeit wäre sie nicht sozial gerechtfertigt (Kündigungsgründe liegen nicht in der Person, dem Verhalten, auch nicht in betrieblichen Belangen).
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
271
Im Punkt 1.2. der Arbeitsordnung wird auch auf eine sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei einem Fehlverhalten verwiesen. Dies deutet auf eine fristlose Kündigung hin, die in § 626 BGB geregelt ist. Eine fristlose Kündigung dürfte nur dann in Frage kommen, wenn das Verhalten von Herrn Langer in Bezug auf seine derzeitige Arbeitstätigkeit einen wichtigen Grund darstellt, der es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und einer Interessenabwägung es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Diese Voraussetzungen erfüllt der vorliegende Sachverhalt nicht. Eine Kündigung hätte zudem für den Arbeitgeber den Nachteil, dass bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes die entsprechenden Vorschriften des Gesetzes geprüft werden müssen, auch ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Die Arbeitsordnung zielt auf eine andere Möglichkeit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Es ist zu prüfen, ob eine Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Irrtums über eine Eigenschaft von Herrn Langer, die in der Arbeitswelt als wesentlich angesehen wird, durchgeführt werden kann. Dies hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, der Informationstext »Übersicht über das Arbeitsrecht«7 gibt ein Beispiel. Eine Geldstrafe wegen einer Trunkenheitsfahrt, die schon länger zurückliegt, dürfte in Bezug auf seine Schaltertätigkeit nicht als besonders verkehrswesentliche Eigenschaft angesehen werden. Eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB scheidet daher aus. Es ist noch zu untersuchen, ob die Isar Bank-AG beim Zustandekommen des Arbeitsvertrages nach § 123 BGB arglistig getäuscht wurde. Im Punkt 1.2 der Arbeitsordnung heißt es: »Wesentliche Angaben, die vor der Einstellung verschwiegen werden, berechtigen zur sofortigen Lösung des Arbeitsverhältnisses.« Eine Täuschung kann darin bestehen, dass dem Vertragspartner bewusst falsche Tatsachen vorgespiegelt werden (Herr Langer macht z. B. im Personalbogen vorsätzlich falsche Angaben). Eine Täuschung kann aber auch darin bestehen, dass Herr Langer seinem Arbeitgeber gegenüber beim Einstellungsgespräch die Pflicht gehabt hätte, auf seine Bestrafung8 hinzuweisen und er dies unterlassen hat. Da der Arbeitgeber aber nicht konkret danach gefragt hat, durfte Herr Langer davon ausgehen, dass dieser Umstand für diesen kein besonderes Gewicht gehabt habe. Eine Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers würde nur dann bestehen, wenn angesichts der konkreten Umstände, sprich der vorgesehenen Arbeitsaufgabe, dieser Umstand eine unerlässliche Voraussetzung für das Entstehen des Arbeitsverhältnisses darstellt. Beispiel: Ein Model müsste eine bestehende Schwangerschaft darlegen, ein Religionslehrer, der sich an einer konfessionellen Schule bewirbt, müsste ein abweichendes Bekenntnis angeben.9 Herrn Langers Bestrafung stellt kein offensichtliches Einstellungshindernis dar, welches ihn zur ungefragten Offenbarung zwingt. Ergebnis: Es ist weder eine Kündigung noch eine Anfechtung des Arbeitsvertrages möglich.
7 8
9
Zur Lösung sämtlicher Fallstudien ist die Informationsschrift des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, »Übersicht über das Recht der Arbeit«, Bonn 2000, zu empfehlen. Es sind auch die Vorgaben des Bundeszentralregistergesetzes zu beachten, das bei Verurteilungen nach Ablauf einer bestimmten Frist keine Aufnahme in das Führungszeugnis mehr vorsieht, vgl. Steinmeyer, H.-D., Casebook Arbeitsrecht, München 1994, S. 37. Vgl. Ramm, Th., Arbeitsrecht II, Das Beschäftigungsverhältnis, (V), Gesamthochschule Hagen, 1981, S. 21.
272
Lösungen
3.2 Darf der Arbeitgeber Einfluss auf die Kleidung seiner Mitarbeiter nehmen? a) Herr Schreiber müsste a) seinen Arbeitsvertrag, b) die Arbeitsordnung der Isar Bank-AG, c) Art. 2 des Grundgesetzes und die beiden Informationstexte prüfen. b) Arbeitsvertrag und Arbeitsordnung enthalten keine ausdrückliche Regelung über das Tragen von Privatkleidung im Dienst. Eine gesetzliche Regelung ist nicht vorhanden. Herr Schreiber könnte als kritischer Staatsbürger der Auffassung sein, dass die Grundrechte für ihn unmittelbar geltendes Recht darstellen und so über allen anderen Rechtsnormen stehen. Somit könnte sein Persönlichkeitsrecht Vorrang vor dem Arbeitsvertrag und der Arbeitsordnung haben. Rechtswissenschaft und Rechtsprechung gehen aber davon aus, dass sich hier im Wege der Vertragsauslegung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 242 BGB) ergibt, dass der Angestellte verpflichtet ist, sein Äußeres den Gegebenheiten des Arbeitsverhältnisses anzupassen. Der Angestellte schuldet dem Arbeitgeber daher ein Gesamtverhalten, das darauf gerichtet ist, nach Maßgabe der von ihm übernommenen Funktion – hier als Anlageberater – die berechtigten Interessen des Arbeitgebers nicht zu schädigen und im Rahmen des Zumutbaren wahrzunehmen.10 Es ist im Bankgewerbe allgemein üblich, dass bei Gesprächen mit Kunden von einem Anlageberater erwartet werden kann, dass dieser korrekt gekleidet auftritt. Dazu gehört ein Anzug oder eine Kombination mit Krawatte.11 Nach der überwiegenden Rechtsauffassung stellt die Schädigung der berechtigten Interessen eine Verletzung der Treuepflicht12 des Angestellten dar. Damit kann sich Herr Schreiber nicht mehr auf den Schutz seines Persönlichkeitsrechtes nach Art. 2 GG berufen. Eine unmittelbare Geltung der Grundrechte im Arbeitsrecht wird in der Rechtswissenschaft sehr kontrovers diskutiert. Ergebnis: Herr Schreiber muss der Weisung nachkommen. c) - Die angedrohte arbeitsrechtliche Abmahnung: sie wird in den Personalakt Schreibers eingetragen, sie hat eine Warnfunktion, bei wiederholten Verstößen ist das Arbeitsverhältnis gefährdet. -
Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz ohne Publikumsverkehr, möglicherweise mit geringeren Qualifikationsanforderungen.
-
Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
10 Vgl. Wiese, G., Freiheit und Bindung des Arbeitnehmers bei der Gestaltung seines Äußeren, in: UFITA 1972, S.
145ff. 11 Vgl. LAG Hamm, Beschluss v. 22.10.1991 – 13 TABV 36/91 Anders Däubler, W., Das Arbeitsrecht 2, Reinbek
1991, S. 259, »von Bankangestellten kann eine saubere und korrekte Kleidung, nicht aber das Tragen von Krawatten verlangt werden.« 12 Für Gamillscheg ist die Treuepflicht keine personenbezogene, sondern eine betriebsbezogene Pflicht des Arbeitnehmers. Sie dient der Ertragslage des Unternehmens und so der Erhaltung von Arbeitsplätzen. Vgl. Gamillscheg, F., Arbeitsrecht I, Individualarbeitsrecht, München 1987, 7. Aufl., Fall 79.
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
273
3.3 Wer haftet für Fehlbeträge in der Kasse? a) Herr Sandig hat seinem Arbeitgeber den durch die Nichterfüllung entstehenden Schaden zu ersetzen, soweit ihm die Leistung in Folge eines von ihm zu vertretenden Umstandes unmöglich wird. Es ist zu prüfen, ob Herr Sandig diese Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. Wenn davon ausgegangen werden kann, dass außer Herrn Sandig niemand Zutritt zum Kassenraum hatte und sämtliche Buchungen ordnungsgemäß vorgenommen wurden, ist mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht vorliegt. Von einem Bankkassierer kann erwartet werden, dass er bei dem vom Arbeitgeber überlassenen Kassenbestand eine gesteigerte Sorgfaltspflicht walten lässt. Dieser erhöhten Sorgfaltspflicht ist Herr Sandig auch über einen sehr langen Zeitraum nachgekommen. Ob die Tätigkeit eines Kassierers zu den gefahrgeneigten Arbeiten zählen konnte, war in der Literatur und Rechtsprechung umstritten (ablehnend, LAG Frankfurt/M., Der Betrieb 1988). Seit September 1993 zählen alle Tätigkeiten zu den gefahrgeneigten Tätigkeiten, wenn sie durch den Betrieb veranlasst sind und auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden. Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes, umfangreiche Kassengeschäfte mit vielen Einzelbeträgen unter Zeitdruck abzuwickeln, daneben Störungen durch Baulärm zu ertragen, ergibt sich, dass hier nicht von einer mittleren (normalen) Fahrlässigkeit ausgegangen werden kann. Bei einer über 12jährigen Beschäftigungsdauer kann es schon einmal vorkommen, dass sich ein Kassierer verzählt. Bei einer leichten Fahrlässigkeit13 haftet Herr Sandig nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadenausgleiches nicht. Bestandsverluste durch Verzählen und Verrechnen gehören, hier auf den vorliegenden Sachverhalt bezogen, zum allgemeinen Schadensrisiko des Arbeitgebers. Grobe Fahrlässigkeit würde vorliegen, wenn ein Kassierer nach einer Betriebsfeier unter Alkoholeinfluss seine Sorgfaltspflicht an der Kasse verletzt.14 Ergebnis: Herr Sandig muss für den Kassenfehlbetrag in Höhe von 50,00 EUR nicht haften. b) Die Mankovereinbarung vom 01. März ist wirksam. Für die Übernahme der Mankohaftung wird von der Isar Bank-AG Herrn Sandig ein angemessener Gegenwert geleistet. Die Höhe des monatlich gezahlten Mankogeldes ist von dem durchschnittlichen Kassenumsatz/Monat abhängig. Der Mankobetrag von 30,00 EUR ist angemessen. Es ist nun die Mankovereinbarung auszulegen: Unter Nr. 2 heißt es: »Sie haften für alle Bestandsverluste, sofern Sie nicht beweisen, dass diese auch bei Anwendung größter Sorgfalt unvermeidbar waren.« Herr Sandig hat sich vermutlich beim Herausgeben von Beträgen verzählt. Bei der Anwendung einer größtmöglichen Sorgfalt wäre ihm dies nicht passiert, er hat leicht fahrlässig seine Sorgfaltspflicht als Kassierer verletzt (s. Lösung zu a). Der Nachweis, dass diese Verletzung der Sorgfaltspflicht auch bei der Anwendung größter Sorgfalt unvermeidbar war, gelingt Herrn Sandig vermutlich nicht.
13 Vgl. »Schnellbrief« für Personalwirtschaft und Arbeitsrecht Nr. 20/94 v. 15.10.1994. Praktisch bisher ungelöst ist
die Dreiteilung der Fahrlässigkeit. Die leichte(ste) Fahrlässigkeit ist dem BGB unbekannt. 14 Kaum justitiabel erscheint die Abgrenzung zwischen normaler und leichtester Fahrlässigkeit. Hierzu liegen of-
fenbar auch keine veröffentlichten Entscheidungen vor.
274
Lösungen
Aus dem Informationstext Schaub, G. ergibt sich, dass ein Kassierer einer gesteigerten Haftung unterliegt, wenn er vom Arbeitgeber neben seiner Arbeitsvergütung ein zusätzliches Mankogeld erhält. Ergebnis: Herr Sandig haftet für den Kassenfehlbetrag von 50,00 EUR. Sollten Herrn Sandig solche Fehler mehrmals im Monat unterlaufen oder sollte bei sehr ruhigem Publikumsverkehr einmal ein größerer Betrag (z. B. über 500,00 EUR) fehlen, müsste er mit einer arbeitsrechtlichen Abmahnung rechnen. Bei Fehlbeträgen über 500,00 EUR in einer Zweigstelle muss (bei einigen Unternehmen) die Zentrale verständigt werden. Nähere Regelungen enthalten interne Kassenanweisungen bzw. innerbetriebliche Informations- und Weisungsdienste der Banken.
3.4 Ein Auszubildender will streiken a) Es handelt sich bei Rolfs Teilnahme um eine kurze Verweigerung seiner Lernpflicht als Auszubildender, um einen Warnstreik. b) (1) Zuerst ist zu prüfen, ob Rolfs Teilnahme am Warnstreik eine zulässige Arbeitskampfmaßnahme darstellt: Nach § 10 Abs. 2 BBiG sind die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze auch für das Berufsausbildungsverhältnis anzuwenden, so weit sich aus Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrages und aus dem BBiG nichts anderes ergibt. Art. 9 Abs. 3 GG, der die Koalitionsfreiheit und das Arbeitskampfrecht regelt, gilt für jedermann, könnte also auch für Rolf gelten. Rolf ist Gewerkschaftsmitglied und will mit seiner Teilnahme am Arbeitskampf den zuständigen Arbeitgeberverband dazu bewegen, die Ausbildungsvergütung zu erhöhen. Das einzige Mittel, das Auszubildende haben, ihre Ausbildungsbedingungen zu verbessern, ist die »Arbeits«-Niederlegung. Für Rolf würde dies konkret die Verweigerung seiner Lernpflichten bedeuten. (2) Zum anderen ist zu untersuchen, ob Rolf mit der Verweigerung seiner Lernpflichten bei der Isar Bank-AG rechtmäßig handelt: (2.1) Die Verweigerung der Lernpflicht erfolgt nach Ablauf der Friedenspflicht. (2.2) Es handelt sich um eine gewerkschaftlich organisierte Arbeitsniederlegung zur Durchsetzung von Forderungen, die der zuständige Arbeitgeberverband rundherum verweigert. (2.3) Es handelt sich um eine Verweigerung der Lernpflicht, die den Zweck verfolgt, tarifvertragliche Forderungen, – Erhöhung der Ausbildungsvergütung, – durchzusetzen. (2.4) Es handelt sich hier um eine kurze, zeitlich befristete Maßnahme, um einen Warnstreik. Ergebnis: Nach der Rechtsprechung ist die Teilnahme von Auszubildenden an Warnstreiks zulässig, BAG, Urteil v. 29. Januar 1985, AZR 179/84. Eine Abmahnung oder eine Kündigung wären rechtswidrig. Allerdings ruht für die Dauer des Warnstreiks das Ausbildungsverhältnis, sodass für diese Zeit der Vergütungsanspruch entfällt, vgl. § 18 Abs. 1 S. 2 BBiG. In Betriebsvereinbarungen kann allerdings geregelt werden, dass ein Abzug vom Gleitzeitkonto erfolgen kann (BAG, AZ: 1 ABR 10/94 und AZR 765/93). c) In der Rechtswissenschaft und Rechtsprechung ist umstritten, ob Auszubildenden ein generelles Streikrecht zusteht.15
15 Zustimmend: Däubler, W., Das Arbeitsrecht 2, Reinbek 1991, S. 925 ff.; ebenso Gamillscheg, F., Arbeitsrecht
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
275
Das Bundesarbeitsgericht hätte die Möglichkeit gehabt, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, hat es aber nicht getan. Es kann vermutet werden, dass dieses Gericht eine Klärung dieser Frage durch das Bundesverfassungsgericht abwarten möchte. Die Schüler sollten diese Konfliktsituation im Hinblick auf die Interessen der Beteiligten analysieren (in arbeitsgleichen oder arbeitsteiligen Gruppen): c1) These: »Auszubildenden steht ein allgemeines Streikrecht zu!« 1.1) Rolf kann als Auszubildender Mitglied der zuständigen Gewerkschaft sein, DAG, HBV, ÖTV, Art. 9 GG. 1.2) Rolf will mit der Verweigerung seiner Lernpflicht den Arbeitgeberverband zwingen, die Ausbildungsvergütung zu erhöhen. Der Streik ist ein wichtiges Mittel um ein relatives Gegengewicht bei »Gehaltstarifverhandlungen« zu setzen, vgl. Däubler, W., a. a. O., S. 925. c2) These: »Ein allgemeines Streikrecht von Auszubildenden ist abzulehnen!« 2.1) Bei Tarifverhandlungen stehen sich Tarifpartner gegenüber, also Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberverbände. Bei einem Berufsausbildungsverhältnis stehen sich aber Ausbildende und Auszubildende gegenüber, diese Beteiligten besitzen nicht die Fähigkeit, Tarifvertragspartei zu sein. 2.2) Auszubildende haben bei einem Arbeitskampf nicht die Möglichkeit, durch die Arbeitsniederlegung einen Druck auf den Ausbildenden auszuüben. Rolf steht in keinem Arbeitsverhältnis, seine vertragliche Pflicht besteht in der Lernpflicht, er hat sich zu bemühen, das Ausbildungsziel in der festgelegten Ausbildungszeit zu erreichen. Die Verweigerung der Lernpflicht stellt einen Bruch des Ausbildungsvertrages dar. Durch einen länger währenden Streik kann die vorgeschriebene Ausbildungszeit so stark verkürzt werden, dass eine Verlängerung der Ausbildungszeit notwendig wird. Durch einen längeren Streik wird der Auszubildende also eher belastet, der Ausbildende dagegen entlastet. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass der Auszubildende durch die Verweigerung seiner Lernpflicht einen solchen Druck auf den Ausbildenden ausübt, dass dieser deswegen die Ausbildungsvergütung erhöht. 2.3) Die für das Arbeitsverhältnis geltenden Vorschriften sind nicht auf das Berufsausbildungsverhältnis anwendbar. Aus dem Wesen des Berufsausbildungsvertrages und des Berufsbildungsgesetzes ergibt sich, dass die qualifizierte Ausbildung des Auszubildenden geschützt werden muss. Das Berufsausbildungsverhältnis unterliegt nicht der Privatautonomie, wie ein Arbeitsverhältnis. Es ist durch das Berufsbildungsgesetz und zahlreiche andere gesetzliche Regelungen (z. B. Jugendarbeitsschutzgesetz) geschützt.16 2.4) Es ist bei Rolf kein regelungsbedürftiges Streikziel vorhanden. Das Streikziel, die Gehälter, bzw. Ausbildungsvergütungen zu erhöhen, trifft auf Rolf nicht zu. Rolfs Berufsausbildungsverhältnis ist überwiegend durch das Berufsbildungsgesetz geregelt. Die Ausbildungsvergütung muss nach § 17 BBiG angemessen sein, sie muss auch jährlich ansteigen. Hinweis: Ebenso ist umstritten, ob ein Auszubildender während eines Arbeitskampfes ausgesperrt werden kann.
Bd. II, Kollektives Arbeitsrecht, München 1984, 6. Aufl., S. 164ff. Ablehnend: Herkert, J., BBiG, Kommentar mit Nebenbestimmungen, Berlin/Bonn/Regensburg, 01.07.1994, § 9 Rz 14, ebenso Natzel, B., a. a. O., § 170, Rz 176 16 Vgl. Herkert, J., a. a. O., § 9, Rz 14
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Lösungen
Sollte dem Auszubildenden kein Streikrecht zustehen, so kann auch der Ausbildende kein Recht auf Aussperrung haben.
3.5 Der Sachbearbeiter Berger kommt nicht zur Arbeit Vertragliche Abmachungen fehlen, also sind die allgemeinen Regelungen des bürgerlichen Rechtes zur Lösung des Problems heranzuziehen. Aus den §§ 611, 612 BGB ergibt sich, dass von Herrn Berger eine Gehaltszahlung nur dann erwartet werden kann, wenn hierfür von ihm auch eine Arbeitsleistung erbracht worden ist. Herr Berger konnte aber am 04. Januar seine geschuldete Leistung nicht erbringen, es war ihm durch die Wetterbedingungen nicht möglich. Es ist auch nicht möglich, diese Arbeitsleistung vom 04. Januar nachzuholen. Die geschuldete Arbeitsleistung ist während der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zu erbringen. Nach dem Zweck des Arbeitsvertrages kann sie auch nur während dieses Zeitraums erbracht werden.17 Eine Nachholung könnte dazu führen, dass gegen tarifvertragliche und arbeitszeitrechtliche Regelungen verstoßen wird. Herr Berger kann nichts dafür, dass er am 04. Januar nicht arbeiten konnte, § 276 BGB. Bei einer sachlichen Betrachtung gilt dies in gleicher Weise für seinen Arbeitgeber, auch diesen trifft an der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung kein Verschulden. Herr Berger wurde am 04. Januar von seiner Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung wegen der Unmöglichkeit frei, § 275 BGB. Er erhält aber nach dem Gesetz auch keine Gehalts-Gegenleistung seines Arbeitgebers, § 326 I BGB. Zum Schluss ist noch die Ausnahmeregelung des § 616 Abs. 1 BGB zu prüfen. Sie verhilft Herrn Berger nicht zu einem Gehaltsanspruch, weil diese Vorschrift voraussetzt, dass die Arbeitsverhinderung auf einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund beruht. Der starke Schneefall hat aber nichts mit der Person des Karl zu tun. Es liegt hier ein objektives Leistungshindernis vor (z. B. Glatteis, Überschwemmung, Fahrverbot bei Smog, u. Ä.). Ergebnis: Die Gehaltszahlung wurde rechtmäßig verweigert.
3.6 Wer zahlt das Gehalt einer Angestellten bei ihrem Fernbleiben wegen der Erkrankung ihres Kindes? Zuerst ist darauf hinzuweisen, dass auch für diesen Fall der Grundsatz »Ohne Arbeitsleistung keinen Lohn« gilt. Es gibt für die Arbeitnehmer aber Situationen, in denen der Gehaltsanspruch fortbesteht, wenn ihm die Arbeitsleistung nicht zuzumuten ist. Grundlage könnte hierfür die Generalklausel des § 616 BGB sein. Aus dieser sind keine Einzelheiten für den Fall der Betreuung eines kranken Kindes zu entnehmen. Diese fehlenden Details hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Grundsatzurteil v. 19. April 1979 dem § 45 SGB V entnommen, »bei der Erkran-
17 Nach herrschender Meinung handelt es sich bei der Arbeitsleistung um eine »Fixschuld«, d.h. die Erfüllung der
Schuld zu einem bestimmten Termin ist so entscheidend, dass mit der Einhaltung der Leistungszeit das Geschäft stehen oder fallen soll.
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kung eines im Haushalt des Arbeitnehmers lebenden Kindes unter 8 Jahren bleibt der Gehaltsanspruch bis zu 5 Tagen bestehen, wenn die Betreuung durch den Arbeitnehmer nach ärztlichem Zeugnis erforderlich wird und keine andere im Haushalt lebende Person das Kind betreuen kann.« So wurde Sozialrecht, § 45 SGB V, in Arbeitsrecht »umgewandelt«. Aus dem Informationstext »Übersicht über das Recht der Arbeit« ergibt sich aber, dass die Vorschrift des § 616 abänderbares Recht ist, d. h. der Arbeitgeber kann diese Vorschrift – auch zum Nachteil des Arbeitnehmers – auf Grund von tarifvertraglichen Vereinbarungen abändern. Dies ist im Tarifvertrag des privaten Bankgewerbes auch geschehen, § 16 Nr. 4. »In den Fällen des § 45 SGB V wird unbezahlte Arbeitsbefreiung gewährt.« Die Prüfung dieser Vorschrift ergibt: Frau Mahler hat Anspruch auf Krankengeld, wenn durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen wird, dass sie wegen der Pflege ihres kranken Kindes der Arbeit fernbleibt. Nach § 45 SGB V Stand Februar 2003 besteht dieser Anspruch für Alleinerziehende 20 Arbeitstage. Ergebnis: Frau Mahler erhält von ihrer Krankenkasse für die 4 Arbeitstage Krankengeld, da der Arbeitgeber den Anspruch auf bezahlte Freistellung durch Tarifvertrag ganz ausgeschlossen hat.18 Hätte der Arbeitgeber die Freistellung gegen Entgelt geleistet, so wäre der Anspruch auf Krankengeld gegen die Krankenkasse nach § 49 SGB V entfallen. Das »Kinderpflege«-Krankengeld beträgt 70 % des Regelarbeitsentgeltes. Ein Krankengeldzuschuss nach § 12 des Tarifvertrages wird nicht gewährt.
3.7 Die Auszubildende Gertrud Seger ist mit ihrer Ausbildungsvergütung nicht einverstanden Das Berufsbildungsgesetz schreibt in § 17 Abs. 1 vor, dass dem Auszubildenden eine angemessene Ausbildungsvergütung zu gewähren ist. Die Bauspar AG verstand unter dem Begriff »angemessen« die im Ausbildungsvertrag vereinbarten Beträge. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes hat diesen unbestimmten Rechtsbegriff näher beschrieben:19 Angemessen ist eine Vergütung, wenn sie für den Lebensunterhalt des Auszubildenden eine fühlbare Unterstützung bildet und zugleich eine Mindestentlohnung für die in dem jeweiligen Gewerbezweig bestimmbare Leistung eines Auszubildenden darstellt. Was »angemessen« ist, beurteilt sich nach der Verkehrsauffassung. So weit für den Bereich des Ausbildungsbetriebes Tarifverträge bestehen, die die Höhe der Ausbildungsvergütung festlegen, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum angenommen, dass diese Vergütungen jedenfalls als angemessen anzusehen sind, weil in den tariflichen Vereinbarungen die Belange und Interessen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite eingeflossen und berücksichtigt sind. Die Ausbildungsvergütungen für das Bankgewerbe, in dem die Klägerin ausgebildet wurde, sind in dem für den vorgenannten Bereich geltenden Gehaltstarifverträgen geregelt. Da die Ausbildungsvergütung einen fühlbaren Zweck zum Lebensunterhalt bildet und eine gewisse Mindestentlohnung der »Arbeitsleistung« beinhalten solle, die Angemessenheit der Vergütung sich in den tariflichen Sätzen niederschlägt, verfehlt eine Vergütung die mit ihr verfolgten
18 Den Anspruch auf unbezahlte Freistellung für 20 Tage (bei Alleinerziehenden) kann der Arbeitgeber nach § 45
SGB V, Stand 1.5.98, vertraglich nicht ausschließen. Ob durch das SGB auch die Auslegung der Generalklausel, § 616, geändert werden muss, ist fraglich. H. H. Sowka lehnt dies ab, eine Ausdehnung auf das 12. Lebensjahr und auf eine bezahlte Freistellung auf 10 bzw. 20 Arbeitstage (bei Alleinerziehenden) ist nicht mehr verhältnismäßig. Vgl. Sowka, H. H., in: Recht der Arbeit, 46. Jahrg., 1993, Heft 1, S. 35 19 BAG, Urteil v. 10.04.1991 - 5 AZR 226/90, zur Kritik daran, Natzel, B., a. a. O., S. 1523ff.
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Zwecke im wesentlichen Umfang, wenn sie mehr als 20 % unter den als angemessen anzusehenden tariflichen Vergütungen bleibt. Die mit der Bauspar AG vertraglich vereinbarte Ausbildungsvergütung bleibt im ersten Ausbildungsjahr um 57,89 %, im 2. Ausbildungsjahr um 54,29 % unter der tariflichen Ausbildungsvergütung des Bankgewerbes. Anspruch auf eine tarifliche Vergütung haben diejenigen Arbeitnehmer und Auszubildenden, die gewerkschaftlich organisiert sind; zum anderen muss der betreffende Arbeitgeber seinem tariffähigen Arbeitgeberverband angehören (»Tarifgebundenheit«). Die Streichung des Verweises auf die tarifliche Ausbildungsvergütung in Frau Segers Ausbildungsvertrag ist aber unerheblich, weil das Bundesarbeitsgericht die Angemessenheit der Vergütung von den in der Branche üblichen tariflichen Ausbildungsvergütungen ableitet.20 Die vertragliche Vereinbarung über die Ausbildungsvergütung mit der Bauspar AG ist nach § 25 BBiG und § 134 BGB unwirksam. An die Stelle der vertraglich vereinbarten unwirksamen Vergütungsbeträge treten die angemessenen Beträge, die sich nach dem tariflichen Vergütungssatz richten. Danach hat die Bauspar AG für das 1. und 2. Ausbildungsjahr bis zum 31. Mai 2008 einen Unterschiedsbetrag von 5.865,00 EUR nachzuzahlen.. Nach § 195 BGB verjähren die Ansprüche von Frau Seger innerhalb der Frist von 3 Jahren. Nach § 199 Abs. 1 lBGB beginnt die Frist mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist, zu laufen. Für das Ausbildungsjahr 2007 wären die Ansprüche am 1. Januar 2011 verjährt. Nach § 204 Abs. 1 BGB wird die Verjährung der Vergütungsansprüche durch Erhebung der Klage unterbrochen. Ergebnis: Bei einer Weigerung der Bauspar AG, den Gesamtbetrag von 5.865,00 EUR nachzuzahlen, ist Frau Seger zu raten, Klage zu erheben.
20 Kritik daran von Natzel, B., a. a. O., S. 1526
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3.8 Wer trägt die Ausbildungskosten bei einem Berufsausbildungsverhältnis? a) I. 1. Die Verpflichtung Frau Härtels, an den Ausbildungsmaßnahmen des Verbandes teilzunehmen, stellt einen Auftrag nach § 662 BGB dar. Voraussetzung für einen Anspruch nach § 670 BGB ist, dass die Aufwendungen zum Zwecke der Auftragsausführung erbracht wurden. Dazu gehören auch Ausgaben, die sich als notwendige Folge der Ausführung des Auftrages ergeben, was dem vorliegenden Sachverhalt entnommen werden kann. Ohne die Übernachtung und die Verpflegung in Bad Reichenhall wäre die Ausbildungsmaßnahme nicht möglich gewesen. Die Aufwendungen waren für Frau Härtel also erforderlich. Frau Härtel wurde durch § 13 Nr. 2 des Berufsausbildungsvertrages verpflichtet, an der Ausbildungsmaßnahme außerhalb der Ausbildungsstätte teilzunehmen. Die mit dem Aufenthalt in Bad Reichenhall verbundenen Übernachtungs- und Verpflegungskosten waren mit der Ausbildung verbundene Folgekosten. Ergebnis: Ein Anspruch auf Erstattung der angefallenen Ausbildungskosten ist nach § 670 BGB gegeben. 2. Es sind die betreffenden Vereinbarungen in Frau Härtels Berufsausbildungsvertrag auszulegen: Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Nr. 3 ergibt, dass der Ausbildende für die Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte aufzukommen hat, falls diese nicht von anderer Seite übernommen werden. Dass der letzte Halbsatz von den Vertragspartnern so verstanden wurde, ergibt sich aus der Verpflichtungserklärung vom 20. August 2007. II. Nun ist die Verpflichtungserklärung vom 20. August 2007 zu prüfen: Frau Härtel wurde darin zur Übernahme der Übernachtungskosten für den Aufenthalt in Bad Reichenhall verpflichtet. Die Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG – »Nichtig ist eine Vereinbarung über die Verpflichtung des Auszubildenden, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen« – ergibt, dass der Gesetzgeber es eben abgelehnt hat, dem Auszubildenden Aufwendungen aufzubürden, die dem Ausbildenden bei der Ausbildung entstehen. Die Vereinbarung vom 20. August 2007 stellt aber eine solche Entschädigung für eine Ausbildungsmaßnahme dar. Sie ist nichtig. Ergebnis: Die Bauspar AG muss Frau Härtel die geleisteten Übernachtungs- und Verpflegungszahlungen von 306,78 EUR erstatten (mögliche Zinsforderungen sind hier noch nicht berücksichtigt). b)
1) Die Richter am Bundesarbeitsgericht werden zu prüfen haben, ob die Richter am Landesarbeitsgericht das Tatbestandsmerkmal in § 12 Abs. 2 Nr. 1 (...) »für die Berufsausbildung eine Entschädigung (...)« auf den vorliegenden Sachverhalt richtig angewendet haben. Der Anwalt der Bauspar AG besteht darauf, dass der Gesetzgeber durch diese Vorschrift sicherstellen wollte, dass die betriebliche Ausbildung als solche nicht zu bezahlen sei. Die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten durch Sabine Härtel stellt aber keine Entschädigung für eine Berufsausbildung im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG dar. 2) Die Auslegung von § 15 BBiG, Freistellung für die Teilnahme am Berufsschulunterricht, Prüfungen und Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG, Fortzahlung der Vergütung für die Freistellung nach § 15 ergibt, dass der Gesetzgeber nicht zwischen Ausbildungsmaßnahmen innerhalb und außerhalb des Ausbildungsbetriebes unterscheidet. Die im Sachverhalt genannte Ausbildungsmaßnahme in Bad Reichenhall dient ja dazu, zum Erreichen des Ausbildungszieles beizutragen. Durch diese Maßnahme soll eine Qualifizierung für
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die spätere Berufstätigkeit erreicht werden. Ohne die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten ist die Ausbildungsmaßnahme nicht möglich. Diese Auffassung wird gestützt durch § 14 BBiG Abs. 1 Nr. 3, der Ausbildende muss dem Auszubildenden kostenlos die Ausbildungsmittel zur Verfügung stellen, ebenso durch § 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG. Aus dem Informationstext Entwurf zum BBiG ist ersichtlich, dass die finanziellen Belastungen aus der Berufsausbildung für den Auszubildenden und seine Eltern möglichst gering zu halten ist. Grund hierfür ist, dass der Zugang zu einer durch das BBiG geregelten Ausbildung nicht von dem finanziellen Leistungsvermögen und -willen des Auszubildenden abhängen soll. Die Verpflichtungsvereinbarung vom 20. August 2007 ist auf Grund von § 25 BBiG nichtig, weil sie zu Ungunsten von § 12 Abs. 2 Satz 1 BGB abweicht.21 Ergebnis: Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen.
3.9 Die Isar-Bank möchte ein Berufsausbildungsverhältnis rasch beenden Die beabsichtigte Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses von Herrn Eibelt soll nach der Probezeit erfolgen. Hierfür ist nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG ein wichtiger Grund erforderlich. Eine fristlose Entlassung des Auszubildenden ist nur dann möglich, wenn erkennbar wird, dass der Auszubildende Eibelt sich überhaupt nicht bemüht, sein Ausbildungsziel auch wirklich erreichen zu wollen. Darüber hinaus muss der Ausbildungsbetrieb vorher Erziehungsmaßnahmen ergreifen, z. B. Abmahnungen, damit der Auszubildende sein pflichtwidriges Verhalten auch ändert. Die wahrnehmbaren Verbesserungen der schulischen Leistungen und Verhaltensweisen zeigen, dass durch die betriebliche Abmahnung eine erziehliche Wirkung bei Herrn Eibelt bereits eingetreten ist. Auf Grund dieser positiven Verhaltensänderung scheint ein wichtiger Grund i. S. des § 22 BBiG nicht mehr gegeben zu sein. Ergebnis: Eine beabsichtigte Kündigung der Isar Bank-AG wäre zu diesem Zeitpunkt nicht rechtswirksam.
3.10 Wie wirkt sich die Kündigung des Arbeitnehmers auf Sonderzahlungen aus? Auf den Sachverhalt bezogen ergibt die Prüfung des § 10 des Tarifvertrages, dass die Gruppe b) aus dem Informationstext H. J. Dörner vorliegt. Die von der Isar Bank-AG gezahlte Sondervergütung dient nur dazu, die erbrachte Arbeitsleistung zu entlohnen, ein weiterer Zweck ist nicht erkennbar. Herr Eder hat auf Grund des für ihn geltenden Tarifvertrages einen Anspruch auf die Sonderzahlung für das laufende Kalenderjahr. Das Datum 31. Dezember hat für ihn nur die Bedeutung, dass er bei Bestehen des Arbeitsverhältnisses bis zu diesem »Stichtag« Anspruch auf die volle Sonderzahlung hat. Aus § 10 Nr. 3 des Tarifvertrages ergibt sich, dass Sonderzahlungen nur für die Monate im Kalenderjahr gewährt werden, für die auch Gehaltsansprüche (Ausnahme vgl. § 10 Nr. 3 Tarifvertrag) bestehen. Die Sonderzahlung für das laufende Kalenderjahr wird anteilig um 3 Monate gekürzt. Ergebnis: Herrn Eder steht also eine Sonderzahlung in Höhe von 1.380,49 EUR zu.
21 Vgl. Urteil d. BAG v. 29.06.1988, 5 AZR 450/87
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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3.11 Wie wirkt sich die Kündigung von Birgit Karger auf ihr Urlaubsentgelt aus? Zuerst ist eine Begriffserklärung notwendig. Nach § 11 BUrlG hat der Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Urlaub, er erhält ein Urlaubsentgelt. Das Urlaubsentgelt, das einen gesetzlichen Anspruch darstellt, darf nicht verwechselt werden mit dem zusätzlichen Urlaubsgeld, das auf Grund von tariflichen oder einzelvertraglichen Vereinbarungen vom Arbeitgeber gezahlt wird. Überzahltes Urlaubsgeld könnte zurückgefordert werden, wenn dies im Tarifvertrag festgelegt ist. Frau Karger erwirbt nach § 1 BUrlG mit Jahresbeginn ihren vollen Urlaubsanspruch. Da sie während des Kalenderjahres ihr Arbeitsverhältnis bei der Isar Bank-AG antritt, erwirbt sie nach § 4 BUrlG ihren vollen Urlaubsanspruch erst nach Ablauf der Wartezeit von sechs Monaten. Der Urlaubsanspruch für das Eintrittsjahr in der Isar Bank-AG ergibt sich aus § 15 Nr. 3 des Tarifvertrages, »im Verlauf des Kalenderjahres eintretende oder ausscheidende Arbeitnehmer erhalten für jeden Beschäftigungsmonat, in dem sie mindestens 15 Kalendertage dem Betrieb angehört haben, 1/12 des vollen Jahresurlaubes, aufgerundet auf volle Arbeitstage«. Sie erhält von der Isar Bank-AG 8 Arbeitstage Urlaub. Da sie für das laufende Kalenderjahr die Wartezeit von 6 Monaten erfüllt hat, hat sie einen Anspruch auf den vollen tariflichen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Diesen Urlaub hat Frau Karger ja auch in den Monaten April/Mai genommen. Da sie nun zum 31. Mai ausgeschieden ist, würden ihr für das laufende Kalenderjahr nach § 15 Nr. 3 des Tarifvertrages eigentlich nur 13 Arbeitstage zustehen. Zur Klärung der Frage, ob ein Urlaubsentgelt zurückzuzahlen ist, muss das BUrlG geprüft werden, § 5 Abs. 1 Nr. c). Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubes für jeden vollen Monat hat der Arbeitnehmer nach Buchstabe c) wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte des Kalenderjahres ausscheidet. In § 15 Abs. 3 heißt es, »Hat der Arbeitnehmer im Falle des Abs. 1 Buchstabe c) bereits Urlaub über den ihm zustehenden Umfang hinaus erhalten, so kann das dafür gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden.« Ergebnis: Frau Karger braucht das für den bereits genommenen Urlaub gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückzahlen. Ein Arbeitnehmer ist durch die Urlaubsgewährung nicht bereichert, da die zu viel gewährte Freizeit kein Vermögensvorteil ist. Auch eine Rückzahlung des Urlaubsentgeltes scheidet aus, weil der Arbeitnehmer dann, wenn ihm nicht Urlaub gewährt worden wäre, gearbeitet hätte. Allerdings hat Frau Karger bei ihrem neuen Arbeitgeber, der Bavarica Bank-AG, für das laufende Kalenderjahr keinen Urlaubsanspruch mehr, § 6 BUrlG, Vermeidung von Doppelansprüchen. Die Isar Bank-AG stellt Frau Karger beim Ausscheiden eine entsprechende Urlaubsbescheinigung aus.
3.12
Ingrid Lechner erhält ihr Arbeitszeugnis
Frau Lechners Arbeitgeber muss ihr nach § 109 Gewerbeordnung bei ihrem Ausscheiden zum 30. April 2009 ein Arbeitszeugnis ausstellen. Auf ihr Verlangen hin sind nach § 109 Gewerbeordnung Satz 2 auch Bemerkungen über Leistung und Verhalten in das Zeugnis aufzunehmen, qualifiziertes Arbeitszeugnis.
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Lösungen
Ein ungewöhnliches Beendigungsdatum, z. B. 04. Juli 2009, könnte auf eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers hindeuten (z. B. wegen Unterschlagung). a) Beim Punkt Aufgabenbeschreibung Informationstext Nr. 6.3 fällt auf, dass die Ausführungen des Arbeitgebers hierzu unvollständig sind. Angaben über den Schwierigkeitsgrad der ausgeübten Tätigkeit fehlen (Leerstellentechnik). Die Gründe hierfür könnten sich daraus ergeben, dass Frau Lechner nur zwei Jahre in der Börsenabteilung der Zentrale als Sachbearbeiterin tätig war. Sie wurde dann in die Zweigstelle versetzt und wurde als Kassiererin (Tarifgruppe 4 des Tarifvertrages) beschäftigt. War sie den höheren Anforderungen als Sachbearbeiterin in der Börsenabteilung (Tarifgruppe 5) nicht gewachsen? b) Leistungsbeurteilung (Nr. 6.4) Es ist anzumerken, dass die Formulierung »... bemüht war, den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden...« beschönigend wirken soll. Nach der Zufriedenheitsskala wäre die Leistung als ausreichend bis mangelhaft einzustufen. Die Formulierung »für ihre Tätigkeit zeigte sie Verständnis...« deutet auf ein geringes Interesse an der Arbeitstätigkeit hin, auf ein unterdurchschnittliches Engagement. Bei der Leistungsbewertung »Wir bestätigen Frau Lechner gern, dass wir mit ihren Leistungen – voll zufrieden – waren, fällt zweierlei auf. Zum einen besteht ein Widerspruch zur Zufriedenheitsskala (eher ausreichend), zum anderen könnte der Verdacht aufkommen, dass dieser Passus nur auf den ausdrücklichen Wunsch von Frau Lechner hin in das Arbeitszeugnis aufgenommen wurde. c) Verhaltensbeurteilung (Nr. 6.5) »Das Verhalten war korrekt.« Dies stellt nur die Mindestanforderung dar, Eigenschaften wie Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Kollegialität fehlen. Zudem ist hier wieder der Leerstellenverdacht auffällig, wie war denn die Zusammenarbeit mit den Vorgesetzten, Kolleginnen und Kunden? Bei Mitarbeitern, die mit Geld umgehen, ist es unerlässlich, dass auf Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit hingewiesen wird. Dieser Hinweis, der an dieser Stelle erfolgen müsste, fehlt hier. Sind bei der Tätigkeit an der Kasse möglicherweise Kassenfehlbeträge aufgetaucht? Der das Arbeitszeugnis ausstellende Arbeitgeber muss beachten, dass er bei einer unrichtigen Zeugnisausstellung schadenersatzpflichtig werden kann. Voraussetzung hierfür ist, dass der ausstellende Arbeitgeber vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat und mögliche schädliche Folgen des einstellenden Arbeitgebers in Kauf genommen hat. Zum anderen muss der einstellende Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Vertrauen auf das unrichtige Zeugnis eingestellt haben. Weiterhin muss dem Arbeitgeber auch tatsächlich durch diesen Arbeitnehmer ein Schaden entstanden sein. d) Schlusssatz (Nr. 6.6) Auffällig ist hier wieder das Weglassen, der Beendigungsgrund fehlt. Zudem muss die Bemerkung »verlässt uns auf eigenen Wunsch« auf Verlangen des Arbeitnehmers ins Zeugnis aufgenommen werden. Auch fehlt hier der Hinweis auf das Bedauern des Wegganges der Arbeitnehmerin. Es ist zu vermuten, dass Frau Lechner nahe gelegt wurde zu kündigen (eventuell wurde auch ihr gekündigt). Schließlich ist auch noch im letzten Satz eine zweideutige Aussage zu finden, »Wir wünschen ihr in persönlicher und beruflicher Hinsicht alles Gute und auch Erfolg«. Der Wunsch – Erfolg zu haben – kann nach dem Gesamteindruck des Zeugnisses eigentlich nur ironisch gemeint sein. Im bisherigen Unternehmen hat sie ihn nicht gehabt, im nächsten Unternehmen wird sie ihn dringend benötigen.
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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Frau Lechner hat einen Anspruch auf eine Ergänzung oder Berichtigung ihres Zeugnisses. Bei einer Weigerung des Arbeitgebers kann sie vor dem Arbeitsgericht Klage erheben. Frau Lechner ist aber dann auch für ihre Änderungswünsche beweispflichtig.
3.13
Das folgenreiche Entschuldigungsschreiben des Auszubildenden Erich Leitner
aa) Verhalten des Auszubildenden: Es ist davon auszugehen auf Grund des Sachverhaltes, dass Herr Leitner an den im Brief an die Berufsschule genannten Tagen (Montagen) unentschuldigt dem Berufsschulunterricht ferngeblieben ist. Er wollte diese Tatsache der Schule gegenüber vertuschen und hat deshalb das Entschuldigungsschreiben mit dem Firmenstempel versehen. Herr Leitner wollte damit den Eindruck erwecken, der Arbeitgeber habe an den fraglichen Fehltagen Kenntnis vom Fernbleiben vom Unterricht erhalten. Dem Ausbildenden hat der Auszubildende vorgetäuscht, er habe an den fraglichen Tagen ordnungsgemäß am Unterricht teilgenommen. ab) Folgen des pflichtwidrigen Verhaltens: Aus dem Informationstext »Übersicht über das Arbeitsrecht« ergibt sich, dass auf Grund der besonderen Natur des Berufsausbildungsverhältnisses bei Verfehlungen im Führungsverhaltensbereich (hier Verstoß gegen § 4 des Ausbildungsvertrages) vor schwer wiegenden Sanktionen Erziehungsmittel eingesetzt werden sollten, damit der Auszubildende sein unkorrektes Verhalten ändert, damit das Ausbildungsverhältnis erfolgreich mit Bestehen der Abschlussprüfung abgeschlossen werden kann. Das Arbeitsrecht stellt hier (wie auch für Arbeitnehmer) das Mittel der Abmahnung bereit. Eine Abmahnung erfordert die Beanstandung des Leistungs- bzw. Führungsverhaltens des Auszubildenden durch den Ausbildenden unter Androhung von Folgen für den Wiederholungsfall. Die Abmahnung ist nur dann entbehrlich, wenn sich das Fehlverhalten unter Berücksichtigung aller Umstände als so schwer wiegend darstellt, dass dem Ausbildenden eine Weiterbeschäftigung nicht mehr zugemutet werden kann.22 Sie kann auch dann entbehrlich sein, wenn die Vertragspflichtverletzung das Berufsausbildungsverhältnis grundlegend erschüttert.23 Nach § 19 Abs. 1 Ziff. 1 BBiG erhält Herr Leitner für die Dauer des Berufsschulbesuches eine Vergütung seines Ausbildenden. Da er seine Mitteilungspflicht nach § 4 seines Berufsausbildungsvertrages verletzt hat, hat er zumindest billigend in Kauf genommen, auch eine Vergütung für die Fehltage zu erhalten, für die ihm keine Vergütung zustand.24 Im Zusammenhang mit der bewussten Täuschung seines Arbeitgebers und seines Berufsschullehrers über die Fehltage könnte dieses Verhalten als eine grundlegende Erschütterung des Ausbildungsverhältnisses gewertet werden. Eine vorherige Abmahnung könnte möglicherweise entbehrlich sein. Als Nächstes ist zu prüfen, ob die Isar Bank-AG berechtigt ist, das Berufsausbildungsverhältnis zu kündigen. Aus der Natur des Berufsausbildungsverhältnisses ergibt sich, dass eine ordentliche Kündigung, wie bei Arbeitnehmern, ausscheidet. Beim Berufsausbildungsverhältnis geht es primär nicht um die Erbringung von Arbeitsleistungen, sondern um das Bemühen, das Ausbildungsziel zu erreichen. Die Isar Bank-AG hat nun zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grunde nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG gegeben sind.
22 23 24
Vgl. Herkert, J., a. a. O., Rz 1e Vgl. Herkert, J., a. a. O., Rz 13b Vgl. Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig v. 07.03.1789
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Lösungen
Auf Grund des Informationstextes »Übersicht über das Arbeitsrecht« ergibt sich, dass ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung dann vorliegt, wenn die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses bis zum Ablauf der Ausbildungszeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unzumutbar geworden ist. Auf Grund des bewussten Vorgehens des Auszubildenden ist deutlich geworden, dass eine vorherige Abmahnung ausscheiden könnte. Vor einer fristlosen Kündigung ist stets zu prüfen, ob es sich um eine Verfehlung handelt, bei der die Jugendlichkeit und der Entwicklungsprozess des Auszubildenden berücksichtigt werden muss. Erich ist 19 Jahre alt, sein Vorgehen bei der Täuschung von Betrieb und Berufsschule könnte darauf hindeuten, dass die erzieherischen Einwirkungsmöglichkeiten des Ausbilders auf Herrn Leitner als nur noch sehr gering anzusehen sind. Ergebnis: Eine schriftliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nach § 22 BBiG könnte rechtswirksam sein. Nach § 22 Abs. 4 Satz 2 BBiG muss bei Bestehen einer Schlichtungsstelle vor einem möglichen Rechtsstreit ein Güteverfahren durchgeführt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist dieses in § 111 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz vorgeschriebene Schlichtungsverfahren eine unverzichtbare Voraussetzung für eine mögliche Klage Erichs gegen die fristlose Kündigung der Bank. b) Bei der Beurteilung des wichtigen Grundes muss der Zweck des Berufsausbildungsverhältnisses berücksichtigt werden, sodass nicht jeder Vorfall zur Kündigung berechtigt. An den wichtigen Grund sind im Vergleich zum Arbeitsverhältnis strengere Anforderungen zu stellen, weil es sich bei dem Auszubildenden i. d. R. um einen noch in der Entwicklung befindlichen jungen Menschen handelt, den der Ausbildende charakterlich zu fördern hat. Deshalb können Pflichtverletzungen so lange nicht zur fristlosen Kündigung berechtigen, als der Ausbildende nicht alle ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Erziehungsmittel angewendet hat. Nicht jedes erhebliche Fehlverhalten, auch nicht jedes kriminelle Verhalten rechtfertigt für sich eine außerordentliche Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles, die Schwere der Verfehlung und die Frage, ob alle erdenkbaren pädagogischen Mittel ausgeschöpft sind. Ausgangspunkt der Verfehlungen ist das Schwänzen des Berufsschülers. Dieses Verhalten ist nicht kriminell, sondern Ausfluss einer unreifen Schülermentalität, trotz des Alters von Herrn Leitner, 19 Jahre. Die Unreife des Berufsschülers wird aber gerade aus seinem Verhalten nach Aufdeckung des Fehlverhaltens deutlich, als er »tölpelhaft« abstritt, selbst den Stempel auf das Entschuldigungsschreiben gesetzt zu haben. Herr Leitner versuchte durch offensichtliches Lügen sein Fehlverhalten zu vertuschen. Die Unreife von Herrn Leitner zeigt, dass er noch der charakterlichen Förderung bedarf.25 Ergebnis: Die außerordentliche Kündigung, die nur als letztes Mittel angewendet werden darf, war nicht zulässig. Sie hätte durch eine deutliche und ernsthafte Abmahnung vermieden werden können. Mit der Abmahnung hätte die Möglichkeit bestanden, auf Herrn Leitner dahingehend einzuwirken, sich künftig pflichtengerecht und damit dem Ausbildungsziel förderlich zu verhalten. Eine Abmahnung war der Isar Bank-AG zumutbar, auf das Fehlen krimineller Verhaltensweisen wurde hingewiesen, das Schulschwänzen war als Merkmal einer unreifen Schülerpersönlichkeit zu werten.26
25 Vgl. Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Niedersachsen in Hannover v. 15.09.1989, Revisionsmöglichkeit
war mangels Zulassung nicht gegeben.
3 Fallstudien zum Individualarbeitsrecht
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Es ist der Isar Bank-AG zuzumuten, Herrn Leitner bis zum Ablauf seines Berufsausbildungsverhältnisses am 31. August 2001 weiter auszubilden. Mit Vertragsablauf endet das befristete Rechtsverhältnis, Herr Leitner hat keinen Anspruch auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis. Ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung hätte es Herr Leitner schwer, auf Grund der Arbeitsmarktlage einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden.
3.14 Georg Saller beendet sein Berufsausbildungsverhältnis a) Mit Ablauf der im Berufsausbildungsvertrag festgelegten Frist endet das Berufsausbildungsverhältnis, ohne dass es einer Erklärung oder einer Kündigung des Vertrages bedarf. Herrn Sallers Berufsausbildungsverhältnis endet also auf Grund des § 21 Abs. 1 BBiG zum 31. August 2010. Die vorzeitige Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses wird nach § 21 Abs. 2 BBiG durch das Bestehen der Abschlussprüfung erreicht. Es kann sich nun das Problem stellen, zu welchem Zeitpunkt die Abschlussprüfung als bestanden gelten soll. Näheren Aufschluss gibt § 47 BBiG, aus dieser Vorschrift geht hervor, dass die Industrie- und Handelskammer (als zuständige Stelle) die Erteilung der Prüfungszeugnisse und weitere Bestimmungen in einer Prüfungsordnung regeln soll. Nach § 21 der Prüfungsordnung für die Abschlussprüfung ergibt sich: Der Prüfungsausschuss stellt das Gesamtergebnis der Prüfung fest, die Prüfung ist bestanden, wenn in den einzelnen Prüfungsteilen mindestens ausreichende Prüfungsleistungen erbracht worden sind, am letzten Prüfungstag ist dem Prüfungsteilnehmer eine Bescheinigung über das Bestehen/Nichtbestehen der Prüfung auszuhändigen. Der Tag des Bestehens der Abschlussprüfung von Herrn Saller im Sinne des § 21 Abs. 2 BBiG ist also der 05. Juli 2010. b) Das Ausbildungsverhältnis ist mit dem Tag der Aushändigung der Bescheinigung über das Bestehen der Prüfung beendet. Häufig führen Kreditinstitute vor Abschluss der Ausbildung mit ihren Auszubildenden so genannte Übernahmegespräche, in denen den Auszubildenden häufig ein Arbeitsvertrag für den Fall des Bestehens der Abschlussprüfung angeboten wird. Hat die Isar Bank-AG Herrn Saller einen Arbeitsvertrag angeboten, dem Herr Saller zugestimmt hat, wird damit nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ein Arbeitsverhältnis begründet. Weiter ist die Frage, wann die Prüfung bestanden ist, auch für die Begründung eines sich anschließenden Arbeitsverhältnisses und für die Höhe der Gehaltsvergütung maßgebend. Gesetzliche Vorschriften, wie § 24 BBiG und tarifvertragliche Regelungen, knüpfen an die Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses an. Da Herr Saller die Abschlussprüfung mit einem guten Ergebnis bestanden hat, wird er auf Grund des § 4 des Manteltarifvertrages in die Gehaltsgruppe IV eingestuft. c) Arbeitsvertrag, Manteltarifvertrag und Ausbildungsvertrag enthalten über den Zeitpunkt der Gehaltszahlung keine Regelung. Deshalb gilt die Regelung des § 21 BBiG. Mit der Beendigung des letzten Teils der Abschlussprüfung – praktische Übungen – entsteht für Herrn Saller ein Gehaltsanspruch für einen Angestellten. Herr Saller erhält ab dem 06. Juli 2010 das Gehalt der Tarifgruppe IV, er ist ab diesem Zeitpunkt Sachbearbeiter der Isar Bank-AG.
26
Vgl. LAG Hannover, a. a. O., S. 9
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Lösungen
Viele Geschäftsbanken treffen folgende Regelung: - Auszubildende, die in der ersten Hälfte des Kalendermonats ihre mündliche Prüfung erfolgreich abgelegt haben, erhalten ab Monatsanfang das Angestelltengehalt. - Auszubildende, die in der zweiten Hälfte des Kalendermonats ihre Prüfung bestanden haben, erhalten das Gehalt nur für die zweite Monatshälfte.
3.15 Der Auszubildende Christoph Plate soll sich in der Praxis der Zweigstelle bewähren Der Auszubildende Herr Plate muss befürchten, dass er aufgrund seines Verhaltens eine schlechte Leistungsbeurteilung von seinem Ausbildungsbetrieb erhält. Dies könnte sich nachteilig auf eine spätere Übernahme in ein Angestelltenverhältnis in der Bank auswirken. Es ist daher zu überprüfen, ob die gestellten Leistungsanforderungen an Herrn Plate nicht überhöht sind. Zweck des Berufsausbildungsverhältnisses ist es, dem Auszubildenden den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen. Die Anforderungen, Kunden zu akquirieren setzt bereits aber eine fundierte Berufserfahrung voraus, sicherer Umgang im Auftreten gegenüber dem Kunden, gute Fachkenntnisse und eine geübtes Verhandlungsgeschick. Diese Eigenschaften können aber erst nach dem Abschluss einer Berufsausbildung bei einem Bankkaufmann bzw. Bankkauffrau vorausgesetzt werden (vgl. § 1 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz).
4 Fälle und Aufgaben zum kollektiven Arbeitsrecht 4.1 Koalitionspartner a) Das Grundgesetz garantiert in seinem Artikel 9 Abs. 3 jedem Einzelnen das Recht, eine Koalition (Gewerkschaft oder Arbeitgeberverband) zu gründen, sich an der Gründung einer Koalition zu beteiligen, einer bestehenden Koalition beizutreten, beim Beitritt zwischen mehreren Koalitionen zu wählen, in der Koalition zu verbleiben und aus ihr auszutreten (positive Koalitionsfreiheit). Ebenso ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts das Recht des Einzelnen verfassungsrechtlich geschützt, keiner Koalition beizutreten (negative Koalitionsfreiheit). Alle Abreden, die die individuelle Koalitionsfreiheit einschränken, sind unwirksam, z. B. die vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers, keiner Gewerkschaft oder nur einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft beizutreten, oder die Vereinbarung, durch die sich ein Arbeitgeber verpflichtet, keinen gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer einzustellen. Auch sonstige rechtliche Maßnahmen, z. B. eine Kündigung, die auf die Gewerkschaftszugehörigkeit eines Arbeitnehmers gestützt wird, sind unwirksam. Situation 1 b) Fall Bauknecht: Eine solche Regelung widerspricht der Koalitionsfreiheit. Denn nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts muss es einem Arbeitnehmer möglich sein, sich gegen eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft frei auszusprechen. Mit den sog. Differenzierungsklauseln würde das Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit verletzt.
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c) Nach § 2 Tarifvertragsgesetz können Tarifvertragsparteien Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern sein. d) In der Bundesrepublik Deutschland können sich die Arbeitnehmer in den Einzelgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes, dem Deutschen Beamtenbund und dem Christlichen Gewerkschaftsbund organisieren. Die Arbeitgeber können sich in den jeweiligen Fachverbänden der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände organisieren. e) Voraussetzung für das Funktionieren der Tarifautonomie sind vor allem drei Kriterien: 1. ein relatives Kräftegleichgewicht, 2. gleichberechtigte Verhandlungspartner und 3. Gegnerunabhängigkeit. Situation 2 f) Differenzierungsklauseln widersprechen der Tarifautonomie und sind daher nicht zulässig. Situation 3 g) In Deutschland hat der Schwund an der Gewerkschaftsbasis vor allem konjunkturelle Gründe. Hinzu kommt noch die Entwicklung in Ostdeutschland, wo sich auf Grund des Schrumpfungsprozesses in der Industrie die anfänglich sehr hohen Mitgliederzahlen drastisch verringern. In den westlichen Industrieländern ging der Mitgliederschwund in den Gewerkschaften zum einen mit der wachsenden Arbeitslosigkeit einher, zum anderen verlor der industrielle Sektor, die Hochburg der Gewerkschaftsbewegung, immer mehr an Boden. Beschäftigungsstrukturen haben sich im Laufe der Zeit vom Produktionsbereich zum Dienstleistungsbereich verlagert. Die unterschiedlichen Interessen der Arbeitnehmer im Dienstleistungsgewerbe können mit den herkömmlichen Gewerkschaftsangeboten noch nicht abgedeckt werden. Auch der im produzierenden Gewerbe traditionell verankerte Solidaritätsaspekt spielt in dem leistungsorientierten Dienstleistungsbereich zunehmend keine so wesentliche Rolle mehr. h) Kostensenkung durch - Fusion mit gleichstarken Partnern, z. B. DAG mit Postgewerkschaft, HBV und ÖTV bzw. - Integration kleinerer Gewerkschaften, z. B. Integration der Gewerkschaft Textil und Bekleidung in die große IG Metall. - Internationaler Gewerkschaftszusammenschluss als Dachverband als Reaktion auf internationale Globalisierungstendenzen - Durch sozialpolitische Engagements, z.B. die Durchsetzung von gesetzlichen Mindestlöhnen auf breiter Ebene im Rahmen der parlamentarischen Gesetzgebung
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4.2 Aufgaben der Tarifvertragsparteien Aufgaben der Gewerkschaften: - Aushandeln von Lohn- und Gehaltstarifverträgen, Manteltarifverträgen, Haustarifverträgen - Einflussnahme auf die sozialpolitische Gesetzgebung - Vermittlung der gewerkschaftlichen Aufgaben in den Betrieben - Rechtsberatung für die Mitglieder - Aus- und Weiterbildung der Mitglieder - Interessenvertretung in verschiedenen Gremien, z. B. Berufsbildungsausschüsse, Sozialversicherungsträgern u. a. m. Ein Beispiel für die Arbeit der Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland wären die Bemühungen der Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Betriebsräte und Unternehmen, in Kollektivverhandlungen konkrete Abmachungen zur Verminderung der Arbeitslosigkeit zu schließen.
4.3 Tarifautonomie und Tarifvertrag a) Zum verfassungsrechtlich geschützten Betätigungsrecht der Koalitionen gehört die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch den selbstverantwortlichen Abschluss von Tarifverträgen (Tarifautonomie). Die Vereinigungen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber (Koalitionen) haben damit die durch das Grundgesetz geschützte Aufgabe, eigenverantwortlich und vor allem durch den Abschluss von Tarifverträgen eine sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens zu schaffen. b) Aus stabilitätspolitischen Gründen ist die Bundesregierung bzw. die Europäische Zentralbank und Deutsche Bundesbank an einer niedrigen Teuerungsrate, einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht und einem Abbau der Arbeitslosigkeit interessiert. Die Gewerkschaften ihrerseits sind auf Grund der konjunkturell positiven Gesamtentwicklung nach einigen Jahren der Lohnzurückhaltung an höheren Löhnen und damit an einer Kaufkraftsteigerung interessiert. Die Arbeitgeberverbände und der Sachverständigenrat fordern hingegen konsequent über mehrere Jahre hinweg niedrigere Lohnabschlüsse, um die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen zu verbessern und stärker in zukunftsträchtigen Märkten zu investieren. Während die Bundesregierung an einem Abbau der Arbeitslosigkeit durch niedrige Lohnabschlüsse interessiert ist, sind die Gewerkschaften der Auffassung, dass durch eine Kaufkraftsteigerung der Arbeitsmarkt angemessen und nachhaltig entlastet werden könne. Die Tarifautonomie sorgt in dieser Situation dafür, dass die Tarifparteien allein einen marktausgleichenden Lohn aushandeln können, für deren Abschluss sie selbst verantwortlich sind. c) Die im Grundgesetz verankerte Eigenverantwortlichkeit der Tarifparteien wird gewährleistet. Die im Rahmen der Tarifautonomie ausgehandelten Tarifverträge haben sich als ökonomisch und sozial verträglich bewährt. d) Verbandstarifvertrag: Der Verbandstarifvertrag wird von dem Arbeitgeberverband (Landesverband, z. B. Nord-Metall) einer bestimmten Branche geschlossen. Im Lohn- und Gehaltstarifvertrag sind die einzelnen Gehälter der verschiedenen Tarifgruppen aufgeführt, zudem die Ausbildungsvergütung der Auszubildenden. Im Manteltarifvertrag werden die Bereiche Arbeitszeit, Erholungsurlaub, Tarifgruppen, Eingruppierungen grundsätzlich geregelt. Firmentarifvertrag: Vertragsschließende Parteien sind die Gewerkschaften und der einzelne Unternehmer, z. B. VW AG.
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e) Vorteile der Flächentarifverträge für Gewerkschaften und Betriebe: -
Beide Seiten sparen sich Konflikte in den Betrieben
-
Schwierigkeiten kleiner Betriebe aufgrund mangelnder Erfahrung, Lohnpolitik auf eigene Faust zu betreiben
- Tarifbindung begünstigt die Koppelung der Lohnsteigerung an die Produktivitätsentwicklung f1) Mit sog. Öffnungsklauseln können abweichend vom Tarifvertrag in den vom Tarifvertrag genannten Bereichen unternehmensspezifische Vereinbarungen zwischen dem Betriebsrat und dem Unternehmen geregelt werden. Diese Öffnungsklauseln können zur Vermeidung von Entlassungen und zur Sicherung der Beschäftigung nur zwischen den beteiligten Tarifvertragsparteien vereinbart werden. f2) Möglichkeit der Anpassung des Flächentarifvertrages durch Öffnungsklauseln an die betriebliche Situation (Arbeitszeit, Arbeitsentgelt) -
größerer Gestaltungsspielraum
-
auf Grund der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft sowie des strukturellen und technologischen Wandels werden von den Betrieben hohe Anpassungsfähigkeit, flexible Arbeitsorganisation und differenzierte Entlohnungssysteme verlangt. g) Die Gewerkschaften verlangen in der Regel kurze Laufzeiten, da sie dann flexibler auf wirtschaftliche Veränderungen reagieren können. Die Arbeitgeber verlangen aus Kostengründen lange Laufzeiten. Zudem bieten lange Laufzeiten eine gesicherte Kalkulationsbasis und Arbeitsfrieden für die Laufzeit des Tarifvertrages. h)
Der Tarifvertrag verfolgt im Wesentlichen drei Funktionen: 1. Schutzfunktion Der Tarifvertrag soll den einzelnen Arbeitnehmer davor schützen, dass der wirtschaftlich stärkere Arbeitgeber bei der Festlegung der Arbeitsbedingungen einseitig eine Forderung durchsetzt. Er dient damit der Chancengleichheit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. 2. Ordnungsfunktion Die Tarifverträge führen zu einer Typisierung der Arbeitsverträge, zu einer Überschaubarkeit der Personalkosten und damit zu einer autonomen Ordnung des Arbeitslebens.
i)
j)
3. Friedensfunktion Der Tarifvertrag schließt während seiner Laufzeit Arbeitskämpfe und neue Forderungen hinsichtlich der in ihm geregelten Gegenstände aus. Tarifverträge können nur von Tarifparteien abgeschlossen werden. Betriebsvereinbarungen werden zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat abgeschlossen. Regelungen, die im Tarifvertrag vereinbart werden, können nicht Gegenstand von Betriebsvereinbarungen werden, es sei denn, dass der Tarifvertrag im Rahmen von Öffnungsklauseln entsprechendes vorsieht. Eine verfassungsrechtliche und arbeitsrechtliche Ungleichbehandlung ist in Arbeitsverträgen zulässig, da der Arbeitnehmer die Freiheit hat, sich einer Gewerkschaft anzuschließen und damit eine Gleichstellung mit den organisierten Arbeitnehmern erreichen kann.
k) -
Ein Tarifvertrag kann durch die Allgemeinverbindlicherklärung für alle Arbeitnehmer eines Tarifgebietes gültig werden. Durch eine Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag kann der Tarifvertrag für das einzelne Arbeitsverhältnis verbindlich werden. Durch den Eintritt in die Gewerkschaft können tarifliche Bestimmungen auf den Individualarbeitsvertrag ausgedehnt werden.
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l)
Lösungen
-
Ein Mindestlohn ist sozialpolitisch ineffizient. Ein gesetzlicher Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze. Es droht eine staatliche Lohnfestsetzung. Gesetzliche Mindestlohnfestsetzung widerspricht der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie in Artikel 9 des Grundgesetzes.
4.4 Tarifverhandlungen und Tarifpolitik a) Gewerkschaften: Aus ihrer Sicht können Lohnerhöhungen zu einer Belebung der Nachfrage und damit zu einer Produktionsausweitung und zu einem nachfragebedingten Rückgang der Arbeitslosigkeit führen. Arbeitgeber: Aus der Sicht der Arbeitgeber sind Lohnerhöhungen Kosten, die auf die Preise abgewälzt zu unerwünschten Preissteigerungen führen bzw. zu Arbeitsplatzverlusten (Abwanderung der Produktion ins Ausland, Rationalisierungsinvestitionen) führen können. b) Gewerkschaften: Kaufkraftentzug durch Steuer- und Abgabenerhöhungen können von Arbeitnehmern nur durch höhere Löhne aufgefangen werden. Arbeitgeber: Reallohnerhöhungen sind nur im Rahmen von entsprechenden Produktivitätssteigerungen ökonomisch vertretbar. Ein Ausgleich von Steuer- und Abgabenerhöhungen über entsprechende Lohnzuwächse gefährden das Preisniveau. Zudem sind die Arbeitgeber für Steuern- und Abgabenerhöhungen nicht verantwortlich zu machen. c) - Mehrwertsteuererhöhung und Erhöhung der Inflationsrate bzw. Verringerung der Kaufkraft - Produktivitätssteigerungen - Gewinnerwartungen d) Wird der Verteilungsspielraum maßgeblich überschritten, dann wirkt sich diese Entwicklung negativ auf den Arbeitsmarkt aus, die Arbeitslosigkeit muss zwangsläufig steigen. e) -
-
f)
-
Viele Unternehmen weichen bei Löhnen oder Arbeitszeiten vom Tarifvertrag ab. Drei Viertel der Firmen mit mindestens 20 Mitarbeitern, die einen Betriebsrat haben, nutzen tarifliche Öffnungsklauseln. Übertarifliche Zulagen werden zurückgestutzt. Entlassung von Mitarbeitern. Folge Vorwärtsspirale: Entstehung von entlassungsbedingten Produktivitätsgewinnen; Folge: Lohnforderungen aufgrund der entlassungsbedingten Produktivitätsgewinne; Folge: Neue Entlassungswelle usw.
Erhöhte Importpreise kommen der deutschen Volkswirtschaft nicht zugute und können daher nicht verteilt werden. - Steigende Steuern und Gebühren können ebenfalls nicht verteilt werden. g) Löhne sollten eine zeitlang um 1 % hinter dem Wachstum der Wertschöpfung zurückbleiben.
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4.5 Arbeits- und sozialrechtliche Auswirkungen eines Streiks a1) Die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis von Herrn Brommer ruhen. Für Herrn Brommer entfällt die Pflicht, die Arbeitsleistung zu erbringen, für den Arbeitgeber entfällt die Lohnzahlungspflicht. a2) Als Gewerkschaftsmitglied erhält Herr Brommer etwa 2/3 seines Bruttoverdienstes aus der Streikkasse, laut Tabelle 793,00 EUR pro Monat. b1) Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, an einem ihn betreffenden Arbeitskampf teilzunehmen (vgl. Art. 9 Grundgesetz). b2) Die Krankenversicherung ist nach dem Sozialgesetzbuch V § 192 Abs. 1 bis zum Ende des Arbeitskampfes zu Leistungen verpflichtet. b3) Als direkt Betroffene hat Frau Simon keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (vgl. § 146 SGB III).
4.6 Arbeitskampf a) - Der laufende Tarifvertrag muss ausgelaufen und gekündigt worden sein; - die Tarifverhandlungen müssen ergebnislos abgebrochen worden sein; - die Schlichtungsverhandlungen, falls solche tarifvertraglich vorgesehen, müssen ergebnislos verlaufen sein; - die Gewerkschaft muss eine Urabstimmung – sofern die Satzung eine solche vorsieht – in dem betreffenden Tarifbereich durchgeführt haben; - in der Regel 75 Prozent – je nach Satzung – dieser organisierten Arbeitnehmer müssen sich für einen Streik ausgesprochen haben; - das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Kampfmittel muss eingehalten werden. b) Fall 1
Warnstreik: rechtmäßig, zeitlich befristet, die Streikenden tragen finanzielle Lohneinbußen selbst. Fall 2 Solidarstreiks: sind nicht rechtmäßig. Nur bei den eigenen Tarifforderungen dürfen Kampfmittel der Gewerkschaften eingesetzt werden. Fall 3 Wilder Streik: nicht rechtmäßig, da es sich hier nicht um ein tariflich regelbares Ziel handelt. Fall 4 Schwerpunktstreik: ist rechtmäßig, da eine Tarifpartei für die eigenen Tarifziele streikt. Fall 5 Politischer Streik: nicht rechtmäßig, da keine Tarifpartei und ein politisches Ziel verfolgt wird. c) Gesamtwirtschaftlich bewirken Streiks Steuerausfälle und Produktionseinbußen. Einkommensverluste für die Arbeitnehmer und Gewinneinbußen für die Arbeitgeber. d) Der Rückgang der Streikbereitschaft ist auf drei Gründe zurückzuführen: Strukturwandel: Arbeitskämpfe konzentrieren sich traditionell auf das produzierende Gewerbe, wo die Gewerkschaften am stärksten sind aber die Belegschaften schrumpfen. Im privaten Dienstleistungssektor, wo Beschäftigung aufgebaut wird, konnten die Gewerkschaften noch nicht richtig Fuß fassen. Einstellungswandel: Die Arbeitnehmer sind heute meist wesentlich individualistischer eingestellt als früher und versuchen eher ihre Interessen selbstständig gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. Dementsprechend weisen sie eine größere Distanz zu traditionellen Instrumenten der kollektiven Interessenvertretung wie Gewerkschaften und Arbeitskämpfen auf.
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Arbeitslosigkeit: Die Streikbereitschaft von Arbeitnehmern und Gewerkschaften wird auch durch das höhere Beschäftigungsrisiko gedämpft. Die standardisierte Arbeitslosenquote der OECD-Länder stieg von 4,3 % in den 70er Jahren auf jeweils 7,3 % in den 80er und 90er Jahren. e) Die Aussperrung ist die von einem oder mehreren Arbeitgebern planmäßig erfolgte Arbeitsausschließung zur Erreichung eines Regelungszieles. f) Gewerkschaften: -
-
Die Aussperrung gefährdet die materielle Existenzgrundlage von Arbeitnehmern. Aussperrung führt zu gravierenden Einbußen in der Streikkasse und schwächt somit die Kampfkraft der Gewerkschaft. Dies kann zu einer Kräfteverschiebung zu Lasten der Gewerkschaften führen. Das Kampfmittel Aussperrung beeinträchtigt das Menschenrecht auf Arbeit.
Arbeitgeber: -
-
Aussperrung ist das einzige Druckmittel der Arbeitgeber bei einem Schwerpunktstreik, der große Teile der Produktion lahm legt und damit zu Verschlechterungen der Wettbewerbsverhältnisse auf einem empfindlichen Markt führen kann. Aussperrung garantiert den Arbeitgebern eine materielle Parität bei den Kampfmitteln, da die Produktionsmittel während eines Streiks ungenutzt sind und deshalb nur Kosten verursachen. Arbeitgeber haben nicht die alleinige Verfügungsmacht über die Produktionsmittel. Sie ist durch Mitbestimmungsgesetze u. a. eingeschränkt.
4.7 Arbeitsmarkt Zu 1.: - Strukturelle Arbeitslosigkeit: Nachhaltige Veränderung der Nachfrage in einzelnen Wirtschaftszweigen durch Einsatz neuer Technologien - Friktionelle Arbeitslosigkeit: Bedingt durch Arbeitsplatzwechsel - Saisonale Arbeitslosigkeit: Bedingt durch jahreszeitliche Änderung der Nachfrage - Konjunkturelle Arbeitslosigkeit: Bedingt durch zyklische Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage - Technologische Arbeitslosigkeit: bedingt durch Automatisierung der Arbeitsplätze - Institutionelle Arbeitslosigkeit: Bedingt durch arbeits- und sozialrechtliche Regelungen Zu 2.: Neoklassische Theorie: Arbeitslosigkeit wird durch staatliche Marktbeschränkungen verursacht (Zwangsabgaben, Mindestlöhne, arbeitsrechtliche Vorschriften) Ansätze zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit: - Öffnungsklauseln in Tarifverträgen - Lohnabstandsgebot - Flexibilität der Arbeitszeit - Kurzarbeitergeld - Abbau von arbeitsrechtlichen Vorschriften Keynesianische Theorie: Arbeitslosigkeit wird durch mangelnde Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen verursacht.
5 Aufgaben zur betrieblichen Mitbestimmung
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Ansätze zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit: - Antizyklische Fiskalpolitik: Steuersenkungen, staatliche Investitionstätigkeit Zu 3.: a) Arbeitslosenquote bezogen auf die zivilen Erwerbspersonen: 3.734 : (36.816 + 3.734) x 100 = 9,21% Arbeitslosenquote bezogen auf die abhängigen zivilen Erwerbspersonen: 3.734 : (33.184 + 3.734) x 100 = 10,11% b) 2005: 36.816 – 33.184 = 3.632 2006: 36.536 – 32.882 = 3.654 Veränderung der Selbstständigenzahl: + 22.000 Zu 4.: a) Volkseinkommen = Arbeitnehmerentgelt + Unternehmens- und Vermögenseinkommen Volkseinkommen = 1.183,3 + 643,5 = 1.827,1 Lohnquote = 1.183,3 : 1.827,1 x 100 = 64,8% b) - Lohnquote kann steigen bei gleichen Einkommensverhältnissen. - Unternehmereinkommen enthalten Kapitelerträge und Mieten auch von Arbeitnehmern.
5 Aufgaben zur betrieblichen Mitbestimmung aa) Vgl. § 1 BetrVG: Der Betriebsrat (BR) kann in Betrieben mit mindestens 5 ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, wovon 3 wählbar sind, errichtet werden. ab) Der Prokurist zählt nicht zu den Arbeitnehmern im Sinne des Gesetzes und ist weder wahlberechtigt noch kann er gewählt werden (vgl. §§ 5,7 und 8 BetrVG). Nach dem SprAuG könnte man neben dem Betriebsrat einen Sprecherausschuss für leitende Angestellte für die Nordbank AG wählen und errichten (vgl. SprAuG im Info-Teil). Corinna Feltner ist nicht wahlberechtigt und kann nicht für den BR kandidieren. Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer im Sinne des § 5 (Arbeiter, Angestellte, Auszubildende), die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wählbar sind alle wahlberechtigten Arbeitnehmer (AN), die mindestens 6 Monate dem Betrieb angehören. Nicolai und Wulf sind wahlberechtigt und wählbar. Jochen Spengler ist nur wahlberechtigt, aber nicht wählbar. ac) Vgl. § 2 BetrVG: Wenn der Arbeitgeber (AG) unterrichtet wird und keine Sicherheitsbelange angeführt werden, kann der Gewerkschaftsbeauftragte im Unternehmen über den BR informieren. ba) Vgl. § 13: Grundsätzlich können alle vier Jahre zwischen dem 01. März und dem 31. Mai Betriebsratswahlen stattfinden. Außerhalb dieser Zeit ist der Betriebsrat zu wählen, wenn im Betrieb ein Betriebsrat noch nicht besteht.
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bb) Vgl. § 9: Wahlberechtigte Personen: 86 Auszubildende + 788 Angestellte – 15 leitende Mitarbeiter = 859 Personen In der Nordbank AG können 13 Betriebsratsmitglieder gewählt werden. bc) 2 hauptamtliche Betriebsratsmitglieder, vgl. § 38 BetrVG c) Von der beruflichen Struktur ist die Wahlliste ausgeglichen. Problematisch ist allerdings, dass nur eine Kandidatin aufgestellt worden ist. Dies entspricht nicht dem Anteil von 70 % Arbeitnehmerinnen (Sollvorschrift). Die gesamte Belegschaft könnte sich ggf. in einer Betriebsversammlung für eine Quotierung bei der Kandidatennominierung bei künftigen BR-Wahlen aussprechen (vgl. § 15 BetrVG). da) Zur Errichtung vgl. § 60 BetrVG: Sofern mindestens 5 Jugendliche (unter 18 Jahren) bzw. Auszubildende (unter 25 Jahre) im Unternehmen beschäftigt sind, ist die Errichtung einer Jugendvertretung möglich. Zur Wahlberechtigung und Wählbarkeit vgl. § 61 BetrVG: Wahlberechtigt sind die in § 60 genannten jugendliche AN. Wählbar sind alle AN des Betriebes, die das 25. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Die Zahl der Jugendvertreter ergibt sich aus § 62 BetrVG: Es können in diesem Fall 5 Jugend- und Auszubildendenvertreter (2 + 8 + 83 Auszubildende und Arbeitnehmer) gewählt werden. Zum Zeitpunkt der Wahl und Amtszeit vgl. § 64 BetrVG: Die regelmäßigen Wahlen der Jugend- und Auszubildendenvertretung finden alle zwei Jahre in der Zeit vom 01. Oktober bis zum 30. November statt. Die Amtszeit beträgt zwei Jahre. db) Vgl. §§ 60 und 61 BetrVG: Georg Plate ist nicht wahlberechtigt und nicht wählbar. Wahlberechtigt und wählbar sind Petra Schürmann und Rainer Schruth. Ursula Menke ist nur wählbar für die JAV. dc) Zu den Aufgaben vgl. § 70 BetrVG: -
Die Jugendvertretung kann Maßnahmen in Fragen der Berufsausbildung beim BR beantragen. Sie überwacht geltende Gesetze, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Sie nimmt Anregungen besonders in Fragen der Berufsbildung entgegen und wirkt beim BR auf eine Erledigung hin.
5 Aufgaben zur betrieblichen Mitbestimmung
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dd) Vgl. § 67 BetrVG: Die Jugendvertretung kann zu allen BR-Sitzungen einen Vertreter entsenden. Zum Beispiel kann in Ausbildungsfragen die gesamte Jugendvertretung teilnehmen und hat in diesen Fragen auch ein Stimmrecht. e) Vgl. § 29 BetrVG: Die Sitzung kann stattfinden, wenn der BR-Vorsitzende unverzüglich über die Verhinderungsgründe informiert wurde und Ersatzmitglieder geladen werden können. Der Arbeitgeber oder sein Vertreter kann an den Sitzungen des BR nur teilnehmen, wenn er eingeladen worden ist oder er die Sitzung veranlasst hat. Vgl. § 30 BetrVG: BR-Sitzungen finden in der Regel während der Arbeitszeit statt. Der AG muss allerdings informiert werden. Der BR muss aber auf die Belange der Nordbank Rücksicht nehmen. In diesem Fall wäre es sinnvoll, eine andere Zeit zu wählen, da die Börsensitzungen regelmäßig zwischen 10.30 und 13.30 Uhr stattfinden. fa) Vgl. §§ 38, 39 und 40 BetrVG: Die Freistellung eines BR ist erst ab 200 Arbeitnehmern im Betrieb möglich. Im Einvernehmen mit dem AG können regelmäßige Sprechstunden während der Arbeitszeit eingerichtet werden. Räumlichkeiten, Sachmittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal muss der AG bereitstellen. In diesem Unternehmen sind bereits 2 hauptamtliche Betriebsratsmitglieder für Betriebsratsarbeiten freigestellt. fb) Vgl. § 40 BetrVG: Die Kosten der Wahrnehmung der Funktionen als BR-Mitglied trägt der AG. g) Vgl. § 43 BetrVG: Informationsmöglichkeiten für den AN: -
Der BR muss regelmäßig einen Tätigkeitsbericht erstatten. Der AG muss mindestens einmal im Kalenderjahr über das Personal- und Sozialwesen sowie die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Betriebes informieren. h) Der BR hat allgemeine Aufgaben im Hinblick auf die Überwachung der geltenden Gesetze, Vorschriften, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen. Außerdem hat er in diesem Zusammenhang die Aufgabe, Anregungen von AN und der Jugendvertretung entgegenzunehmen und durch Verhandlungen mit dem AG auf eine Erledigung hinzuwirken. Ferner soll er die Eingliederung Schwerbehinderter und sonstiger besonders schutzbedürftiger Personen fördern und die Eingliederung ausländischer AN im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen AN zu unterstützen. Zur Durchführung dieser Aufgaben ist der BR vom AG rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Es handelt sich im Wesentlichen um Mitwirkungsrechte im Sinne von Information und Beratung. In allgemeinen personellen Angelegenheiten muss der AG den BR über die Personalplanung rechtzeitig informieren (§ 92 BetrVG). Der BR kann dem AG Vorschläge für die Einführung und Durchführung einer Personalplanung machen. Im § 93 regelt das BetrVG die Ausschreibung von Arbeitsplätzen. Hier kann der BR verlangen, dass Arbeitsplätze innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden müssen. In § 94 BetrVG wird geregelt, dass Personalfragebogen der Zustimmung des BR bedürfen. Entsprechendes gilt für die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze. Nach § 95 BetrVG bedürfen Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen der Zustimmung des BR. Bei personellen Einzelmaßnahmen hat der BR ein Mitbestimmungsrecht. Der AG hat den BR vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten. Der BR kann die Zustimmung zu dieser Einzelmaßnahme verweigern, wenn sie gegen ein Gesetz usw. verstößt. Bei Kündigungen von AN ist der BR zu hören. Der AG hat die Gründe für eine Kündigung mitzuteilen. Innerhalb einer bestimmten Frist kann der BR einer ordentlichen Kündigung widersprechen.
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In wirtschaftlichen Angelegenheiten (§ 106 ff. BetrVG) hat der BR lediglich Informations- und Beratungsrechte. In sozialen Angelegenheiten hat der BR ein Mitbestimmungsrecht. Im Bereich der freiwilligen Betriebsvereinbarungen (§ 88 BetrVG) können Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung geregelt werden. Andere soziale Angelegenheiten sind in den §§ 87 bis 89 BetrVG geregelt. i) Situation 1 Vgl. § 92 BetrVG Informationsrecht des BR in Bezug auf die Personalplanung; Der Wirtschaftsausschuss muss nach § 106 BetrVG den Betriebsrat über anstehende Rationalisierungsmaßnahmen und die Einführung neuer Arbeitsmethoden bzw. Stilllegung von Betriebsteilen informieren. Nach § 111 BetrVG muss der AG den BR von den geplanten Betriebsänderungen unterrichten und sich mit ihm beraten. Es ist möglich, dass auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung ein Sozialplan vereinbart wird (vgl. auch § 112 BetrVG). Situation 2 Nach § 30 BetrVG sind Sitzungen des BR nicht öffentlich. Der AN kann an dieser Sitzung nicht teilnehmen. Nach § 102 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat allerdings den Arbeitnehmer anhören. Situation 3 Die Regelung der wöchentlichen Arbeitszeit gehört in die Zuständigkeit der Tarifvertragsparteien und kann somit nicht Gegenstand von Betriebsvereinbarungen sein (vgl. §§ 1 und 2 des Tarifvertragsgesetzes und § 77 Abs. 3 des BetrVG). Situation 4 Nach § 39 des BetrVG ist der AG nicht zur Minderung des Gehalts berechtigt, wenn der AN den Betriebsrat in betrieblichen Angelegenheiten beansprucht. Situation 5 Vgl. § 45 BetrVG: Betriebsversammlungen können nur betriebliche Angelegenheiten behandeln. Wahlpropaganda ist unzulässig. Situation 6 Vgl. § 74 BetrVG: Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind unzulässig (vgl. auch § 1 Tarifvertragsgesetz). Hier handelt es sich nicht um eine zulässige Arbeitskampfmaßnahme, da Gegenstand der Streikmaßnahme ein tarifvertragliches Ziel sein muss. Situation 7 In § 8 Jugendarbeitsschutzgesetz (Dauer der Arbeitszeit) steht in Abs. 1, dass Jugendliche (unter 18 Jahre alt) nicht mehr als 8 Stunden täglich beschäftigt werden dürfen. Da Frau Jakobsen über 18 Jahre alt ist, gilt für sie nicht mehr das Jugendarbeitsschutzgesetz, sondern das Arbeitszeitgesetz. Nach § 3 JArbSchG (Arbeitszeit der Arbeitnehmer) darf Frau Jakobsen an Donnerstagen bis zu 10 Stunden beschäftigt werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden Arbeitszeit werktäglich nicht überschritten werden. Situation 8 Der Berufsschulunterricht wird mit insgesamt 22,5 Stunden wöchentlich gerechnet. An wöchentlichen Hausaufgaben fallen 8,5 Stunden an. Nach dem geltenden MTV für Banken beträgt die Beschäftigungs-
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zeit für Azubis 39 Stunden wöchentlich. An wöchentlichen Hausaufgaben könnten maximal 16,5 Stunden (3 Stunden 20 Minuten täglich) von den Fachlehrern erteilt werden. Die wöchentliche Fahrzeit von 10 Stunden kann Frau Volkmeier auf die Beschäftigungszeit nicht anrechnen. Ein entsprechender Hinweis in den Gesetzen bzw. im MTV liegt nicht vor. Problematisch ist die vom Fachlehrer festzulegende korrekte Zeit für die betreffende Hausarbeit. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die mögliche Vergabe von Hausaufgaben im Zeitumfang von 16,5 Stunden nur im Umfang von 8,5 Stunden in der Woche an die Azubis erfolgt. Frau Volkmeier ist mit den 8 ½ Stunden Hausaufgaben wöchentlich unterbeschäftigt. Situation 9 Da Andreas an zwei Berufsschultagen Unterricht hat mit 6 Unterrichtsstunden, darf er nach § 9 Abs. 1 und 2 JArbSchG („Auf die Arbeitszeit werden angerechnet 1. Berufsschultage nach Abs. 1 Nr. 2 mit 8 Stunden ... “) an einem Tag nachmittags nicht mehr beschäftigt werden. Situation 10 Vgl. § 83 BetrVG: Frau Eilers hat das Recht, in die über sie geführten Personalakten Einsicht zu nehmen. Sie kann hierzu ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Das Mitglied des Betriebsrats hat über den Inhalt der Personalakte Stillschweigen zu bewahren, soweit es von Frau Eilers im Einzelfall nicht von dieser Verpflichtung entbunden wird. Situation 11 Nach § 87 Abs. 1 Ziffer 8 BetrVG hat der Betriebsrat eine erzwingbare Mitbestimmung bei Sozialeinrichtungen nur auf die Form, Ausgestaltung und Verwaltung dieser Sozialeinrichtung, soweit sie bereits existiert. Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Kantine im Betrieb errichtet wird und für welchen Personenkreis die Kantine bestimmt ist, entscheidet der Arbeitgeber. In dieser unternehmerischen Entscheidung hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. j1) Nach § 87 BetrVG Abs. 1 Nr. 2 besteht ein Mitbestimmungsrecht. j2) Gleitzeitregelung j3) Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber. -
Arbeitgeber haben nicht die alleinige Verfügungsmacht über die Produktionsmittel. Sie ist durch Mitbestimmungsgesetze u. a. eingeschränkt.
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht 6.2 Die leidigen Sozialbeiträge von Susanne Heßler a1) Der Sozialversicherungsbeitragsanteil für Frau Heßler beträgt 565,31 EUR. Rechenweg: GKV: 7,9 % von 2.760,98 EUR (14,0 % : 2 + 0,9 %) 218,12 EUR PV: 1,225 % (0,975 % + 0,25 %) 1,225 % von 2.760,98 EUR (1,95 % : 2 + 0,25 %) 33,82 EUR RV: 9,95 % von 2.760,98 EUR 274,72 EUR AV: 1,4 % von 2.760,98 EUR 38,65 EUR Gesamtanteil für Heßler 565,31 EUR a2) Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge von Susanne Heßler (Arbeitgeberanteil und Arbeitnehmeranteil) werden vom Arbeitgeber einbehalten und an die jeweilige Krankenkasse abgeführt, die gleichtägig den Gesamtbetrag an den Gesundheitsfonds weiterleitet. Der Gesundheitsfonds leitet die einzelnen
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Sozialversicherungsbeiträge an die jeweiligen Krankenkassen, Pflegekassen, Deutsche Rentenversicherung Bund sowie an die Bundesagentur für Arbeit weiter. Der Arbeitgeber überweist den vollen Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung an die zuständige Berufsgenossenschaft. b) Lebensrisiken: Alter, Tod, Erwerbsminderung, Krankheit (Pflegebedürftigkeit), Unfall (Arbeitsunfall, Berufskrankheiten), Arbeitslosigkeit. ca)
cb) Die Versicherten in der gesetzlichen Sozialversicherung stellen eine Solidargemeinschaft dar, in welcher der Solidarausgleich darin besteht, dass die wirtschaftlich Leistungsfähigeren stärker mit Beiträgen belastet werden, als die wirtschaftlich Schwächeren. Dabei sollen die gesetzlichen Leistungen der Sozialversicherung für beide Gruppen nicht unterschiedlich sein. cc) Hier findet ein familienfördernder Solidarausgleich zu Gunsten von Versicherten mit unterhaltspflichtigen Familienangehörigen statt. Auf freiwilliger Grundlage wäre ein solcher Ausgleich nicht durchsetzbar. Es wird gegenwärtig diskutiert, ob die Leistungen der Familienangehörigen als versicherungsfremde Leistung angesehen werden müssen, mit denen die versicherungspflichtig Beschäftigten über Beitragszahlungen nicht belastet werden sollten. In der Diskussion wird vorgeschlagen, diese Leistungen über die Finanzierung durch Steuermittel der Allgemeinheit aufzubürden. cd) Aufgrund des dauerhaften Überschreitens (mindestens 3 Jahre) der monatlichen Versicherungspflichtgrenze von 48.600,00 EUR wird Susanne Heßler ab dem 01.01.2009 von der Krankenversicherungspflicht nicht befreit, sondern erhält die Möglichkeit, sich als freiwilliges Mitglied in der GKV weiterhin zu versichern oder die gesetzliche GKV zu kündigen und in eine private Krankenversicherung zu wechseln. Diese Regelung bewirkt, dass ab 2009 jede/r Arbeitnehmer/in krankenversicherungspflichtig bleibt. Die Versicherungspflichtgrenze greift nur für die gesetzliche Krankenversicherung und Pflegeversicherung.
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht
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d) Es erfolgt ein Risikoausgleich innerhalb der Solidargemeinschaft zwischen Arbeitenden und Arbeitsunfähigen, Kranken und Gesunden, wirtschaftlich Leistungsfähigeren und wirtschaftlich Schwächeren. Einen sozialen Ausgleich gibt es zwischen den Versicherten dadurch, dass z. B. in der Krankenversicherung unterhaltspflichtige Familienmitglieder beitragsfrei mitversichert sein können. Diese Ansicht wird zurzeit kontrovers diskutiert. Im Rentenversicherungsrecht erfolgt der soziale Ausgleich dadurch, dass Beiträge ohne Rücksicht auf den Familienstand zu entrichten sind, Rentenzahlungen aber auch an Witwen oder Waisen gewährt werden. Der Gedanke der Eigenverantwortung der Versicherten wird deutlich beim Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung bzw. beim Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze.
6.3 Ausschnitte aus dem Leistungsangebot der gesetzlichen Sozialversicherung a) Situation 1 Folgende gesetzliche Leistungen stehen Herrn Stapelfeld zu, wenn die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen: Ärztliche Behandlung, Arznei- und Verbandmittel, Krankenhausbehandlung, gegebenenfalls medizinische Rehabilitationsmaßnahmen. Arbeitnehmer, die arbeitsunfähig erkranken, erhalten bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen an Stelle des ausfallenden Arbeitsverdienstes Krankengeld. Der Anspruch auf Krankengeld beginnt bei Arbeitnehmern regelmäßig erst ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit, da in den ersten 6 Wochen der Arbeitgeber grundsätzlich das Arbeitsentgelt nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz weiterzahlt. Bei Eintritt des Versicherungsfalles muss der Arbeitnehmer Mitglied der Krankenkasse sein, arbeitsunfähig sein und die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse melden. Das steuerfreie Krankengeld beträgt 70 % des wegen der Arbeitsunfähigkeit entgangenen regelmäßigen Entgelts. Situation 2 Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt hat, sich bei der Arbeitsagentur gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat. Die Anwartschaft hat erfüllt, wer in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung und Erfüllung der übrigen Voraussetzungen (= Rahmenfrist) mindestens an 360 Kalendertagen eine in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Die Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld richtet sich danach, wie lange der Arbeitslose in den letzten zwei Jahren (Rahmenfrist) beitragspflichtig beschäftigt war. Das Arbeitslosengeld beträgt etwa 60 % des letzten regelmäßigen wöchentlichen NettoArbeitsentgeltes des Versicherten, für Versicherte mit Kind bzw. Kindern 67 %. Situation 3 Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes ist zu prüfen, ob ein Arbeitsunfall im Sinne der Reichsversicherungsordnung bzw. des SGB vorliegt. Ob in einem konkreten Fall ein Arbeitsunfall vorliegt, muss der zuständige Versicherungsträger, die betreffende Berufsgenossenschaft von Amts wegen prüfen. Der Arbeitgeber hat deshalb der Berufsgenossenschaft den Arbeitsunfall bzw. Wegeunfall zu melden.
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Liegen für den betroffenen Arbeitnehmer die Voraussetzungen vor, so hat er einen Anspruch auf die gesetzlichen Leistungen der Unfallversicherung: Heilbehandlung, stationäre Behandlung, Verletztengeld, gegebenenfalls berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation usw. Auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes erhält Herr Kleiber für die ersten 6 Wochen der Arbeitsunfähigkeit eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Für die 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit erhält Herr Kleiber ein Verletztengeld von der zuständigen Berufsgenossenschaft. Die Berufsgenossenschaft kommt auch für die Arzt- und Krankenhausbehandlungskosten auf. Um Arbeitsunfälle zu verhüten, erlassen die Berufsgenossenschaften Unfallverhütungsvorschriften. b1) Frau Schubert muss sich persönlich arbeitslos melden (§ 122 SGB III) Sie muss arbeitsfähig sein (§ 119 Abs. 3 SGB III) Anwartschaftszeit und Rahmenfrist sind erfüllt (§ 123 und § 124 SGB III) b2) Frau Schubert hat höchstens Anspruch auf 12 Monate Arbeitslosengeld. c) Die Arbeitsagentur ist zur Leistungsfortzahlung nach § 126 SGB III verpflichtet, wenn kein eigenes Verschulden vorliegt, auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt wird, die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit 6 Wochen nicht überschreitet. d) Ein eheähnliches Verhältnis ist grundgesetzlich nicht geschützt. Deshalb hat Frau Weber im Sinne des SGB III nach § 144 ihre Arbeitslosigkeit vorsätzlich herbeigeführt. Sie muss mit einer Sperrzeit für die Zahlung des Arbeitslosengeldes von 12 Wochen rechnen. Situation 4 e) Hat die Barmer Ersatzkasse ihre Beiträge erhöht, ist die Kündigung zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats, gerechnet vom Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt hat, gültig. Die Kündigungsbestätigung erfolgt von der Barmer spätestens innerhalb von zwei Wochen. Die Kündigung wird nur wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei der günstigeren Krankenkasse durch seine Mitgliedschaftsbescheinigung nachweist. Im Falle der Unzufriedenheit mit den Leistungen einer Krankenkasse ist vor dem Krankenkassenwechsel eine Wartefrist von 18 Monaten einzuhalten. Innerhalb dieser Wartefrist kann der Krankenversicherungsvertrag nicht gekündigt werden.
6.4 Birte Wegener informiert sich über ihre zukünftige Rente a) 19,9 % von 2.147,43 EUR = 427,34 EUR. Der Arbeitnehmeranteil beträgt 213,67 EUR (hälftiger Gesamtbeitrag). b) 13 x 2.147,43 EUR= 27.916,59 EUR c) Ihre Entgeltpunkte für das Bezugsjahr betragen: 27.916,59 EUR : 29.524,29 EUR = 0,9455 d1) Die Monatsrente ergibt sich aus der Multiplikation von: (46,5432 EP x 1,0 ZF x 1,0 Raf x 26,13 aRw) = 1.216,17 EUR d2) Die Monatsrente ergibt sich aus der Multiplikation von: (46,5432 EP x 1,0 ZF x 1,0 Raf x 22,95 aRw) = 1.068,17 EUR e) Der Anteil der über 60-Jährigen nimmt voraussichtlich bis zum Jahr 2040 um 14 % zu, der Anteil der 20- bis 59-Jährigen sinkt um 10 %.
6 Fälle und Aufgaben zum Sozialrecht
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f)
Auf Grund des medizinischen Fortschritts steigt die durchschnittliche Lebenserwartung an. Ein weiterer Grund liegt darin, dass sich die Geburtenrate voraussichtlich weiter rückläufig entwickeln wird. g) Das jetzige Beitragsvolumen reicht künftig nicht mehr aus, um die Renten der gestiegenen Zahl der Leistungsempfänger aufbringen zu können. Der Generationenvertrag kann seine Funktion nicht mehr erfüllen. h) - Möglich wäre eine Beitragserhöhung zur Rentenversicherung, dagegen spricht aber eine nicht mehr zu vertretende Sozialversicherungsabgaben- und Steuerquote. - Verkürzung der Schul- und Ausbildungszeiten, dies würde einen Anstieg der Erwerbstätigenzahl bedeuten. Problematisch wären allerdings die bildungspolitischen Auswirkungen. - Anheben der Altersgrenzen für das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, dies würde eine Verminderung der Rentenleistungen hervorrufen. Möglicherweise wäre aber ein überproportionaler Anstieg der Gesundheitsaufwendungen damit verbunden. - Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge bei gleichzeitiger staatlicher Förderung - Ausbau der privaten Altersvorsorge, z. B. Riesterrente oder/und Rürup- Rente durch staatliche Förderanreize
6.5 Riester-Rente a) - Versorgungslücke - rückläufige Geburtenrate Die Rentenversicherung kann in Zukunft nur noch eine Grundsicherung gewährleisten. Die private Vorsorge dient als eine Maßnahme zur Sicherung eines angestrebten Alterseinkommens. Mit dem demographischen Wandel geht eine rückläufige Geburtenrate einher. In Zukunft müssen immer weniger sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer für immer mehr Rentner aufkommen. b) - Die Eheleute müssen zum geförderten Personenkreis gehören, z. B. Angestellte, Beamte, Auszubildende. - Die Einzahlungen müssen in einen zertifizierten Vertrag erfolgen. - Die Leistungen müssen mindestens in Höhe des Sockelbetrages erbracht werden. - Es muss beim Anbieter des Vertrages ein Antrag auf Zulagen gestellt werden. c) Herr Langkau
Frau Langkau
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Lösungen
d) - jährlicher Antrag - Dauerantrag e) - Eine schädliche Verwendung wäre die Auszahlung des Altersvorsorgevermögens vor Rentenbeginn ganz oder teilweise. - Weiterhin eine Auszahlung im Todesfall an die Erben, mit Ausnahme an den überlebenden Ehegatten. - Eine Auszahlung nach Rentenbeginn außerhalb der Rentenzahlung ganz oder teilweise f) -
Gezahlte Zulagen bzw. geleistete Steuererstattungen müssten zurückgezahlt werden. Ertragsanteile werden bereits zum Zeitpunkt der Auszahlung besteuert und nicht erst beim Eintritt in das Rentenalter.
6.6 Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge a)
b) Herr Steppen kann keine staatliche Förderung für das Beteiligungssparen beantragen, da sein zu versteuerndes Einkommen über der Einkommensgrenze von 20.000,00 EUR liegt. c) Siehe Definitionen in „Steuerliche Begriffe“.
7 Gesellschaftsformen 7.3.1
Fall zur offenen Handelsgesellschaft (OHG)
Herr Lüdemann als Vertreter der Pkw-Firma hat Anspruch gegenüber der OHG auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB. Gemäß § 124 Abs. 1 HGB kann die OHG Träger von Rechten und Pflichten und damit Vertragspartner und Anspruchsgegner sein. Zwischen der OHG und Herrn Lüdemann als Vertreter der Pkw-Firma müsste ein wirksamer Kaufvertrag über den BMW zustande gekommen sein, § 433 BGB. Herr Dressler hat sich mit Herrn Lüdemann über den Ankauf des BMW geeinigt. Damit liegt dann ein Kaufvertrag zwischen Herrn Lüdemann als Vertreter der Pkw-Firma und der OHG vor, wenn diese wirksam durch Herrn Dressler vertreten wurde, §§ 164 ff. BGB.
7 Gesellschaftsformen
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§ 164 BGB: Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen sollen. Herr Dressler hat eine eigene Willenserklärung, gerichtet auf den Kauf des BMW, im Namen der OHG abgegeben, § 164 Abs. 1 BGB. Vertretungsmacht: Gemäß § 125 Abs. 1 HGB steht grundsätzlich jedem Gesellschafter einer OHG Einzelvertretungsmacht zu. Demnach hätte Herr Dressler mit Vertretungsmacht gehandelt. Allerdings gilt dies nur, wenn soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält, vgl. § 125 Abs. 1 HGB. Die echte Gesamtvertretung nach § 125 Abs. 1 HGB hätte ein gemeinsames Handeln erfordert. Da die Geschäftsführerin Wilke die Zustimmung zum Autokauf endgültig verweigert hat, handelt der Gesellschafter Dressler beim Abschluss des Kaufvertrages für die OHG ohne Vertretungsmacht (§ 177 Abs. 1 und 2 BGB). Da die Vereinbarung über die echte Gesamtvertretung im Gesellschaftsvertrag aber nicht gemäß §§ 106 Abs. 2 Nr. 4 und § 107 HGB in das Handelsregister eingetragen worden ist, kann dies nicht dem Autohaus entgegengehalten werden. Wegen des Grundsatzes der negativen Publizität des Handelsregisters nach § 15 Abs. 1 HGB ist das Vertrauen des Autohauses zu schützen, andere als die eingetragenen Tatsachen bestehen nicht. Das Autohaus musste deshalb davon ausgehen, dass der Gesellschafter Dressler beim Abschluss des Kaufvertrages vertretungsbefugt war. Deshalb bestand beim Abschluss des Kaufvertrages eine gültige Vertretungsmacht, sodass zwischen der Erwin Meier & Söhne OHG ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist. Die echte Gesamtvertretung bedeutet, dass entweder nur alle Gesellschafter oder zumindest mehrere Gesellschafter zusammen auftreten können (vgl. § 125 Abs. 2 HGB. Dabei können die zur Gesamtvertretung berechtigten Gesellschafter auch einen oder einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Herr Dressler war nicht alleine vertretungsberechtigt, sodass grundsätzlich ein Handeln ohne Vertretungsmacht vorliegt. Nach § 126 Abs. 2 ist eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht Dritten gegenüber unwirksam. Rechtsfolge: Kaufvertrag ist gültig und die Gesellschaft muss den Kaufpreis zahlen.
7.3.2
Fall zur Kommanditgesellschaft (KG)
Der Kommanditist ist von der organschaftlichen Vertretung der KG zwingend gemäß § 170 HGB ausgeschlossen. Gleichwohl kann ihm rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht eingeräumt werden. Wird dem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag Prokura erteilt, kann diese nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entzogen werden. Nach dem in § 15 Abs. 1 HGB enthaltenen Grundsatz der negativen Publizität wird das abstrakte Vertrauen des Autohauses Lüdemann auf das Schweigen des Handelsregisters geschützt. Daher kann sich die KG nicht auf die Entziehung der Prokura des Herrn Jürgen Krause berufen. Herr Jürgen Krause gilt immer noch als Prokurist der KG und handelte damit mit Vertretungsmacht. Herr Jürgen Krause hat damit die KG wirksam vertreten (§§ 164 ff. BGB), sodass ein Kaufvertrag gemäß § 433 BGB zwischen der KG und dem Autohaus Lüdemann über das Firmenfahrzeug zustande gekommen ist. Somit steht dem Autohaus gegen die KG ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB zu.
7.3.3
Fall zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Das Autohaus Feldmann könnte gegenüber der GmbH gemäß § 433 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf die Kaufpreiszahlung in Höhe von 120.000 EUR haben. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines wirk-
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Lösungen
samen Kaufvertrages zwischen dem Autohaus und der GmbH. Vorliegend hat sich Herr Rölle mit dem Autohaus über den Ankauf des Mercedes geeinigt. Damit ist dann ein Kaufvertrag zwischen dem Autohaus und der gemäß § 13 Abs. 1 GmbH-Gesetz rechtsfähigen GmbH zustande gekommen, wenn diese bei dem Vertragsschluss wirksam durch Herrn Rölle vertreten wurde. Herr Rölle hat als Geschäftsführer eine eigene Willenserklärung zumindest den Umständen nach ersichtlich im Namen der GmbH abgegeben. Herr Rölle müsste außerdem mit Vertretungsmacht gehandelt haben, vgl. § 164 Abs. 1 BGB. Als Geschäftsführer der GmbH könnte sich seine Vertretungsmacht aus § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz ergeben. Grundsätzlich wird die GmbH durch ihre Geschäftsführer vertreten, vgl. § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz. Verfügt eine GmbH über mehrere Geschäftsführer, so besteht Gesamtvertretungsbefugnis, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, vgl. § 35 Abs. 2 GmbH-Gesetz. Herr Rölle ist jedoch einziger Geschäftsführer der GmbH, sodass er einzelvertretungsbefugt ist. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Ankauf des Mercedes auch vom sachlichen Umfang der Vertretungsmacht gedeckt ist. Grundsätzlich umfasst die Vertretungsmacht des Geschäftsführers sämtliche gerichtliche und außergerichtliche Handlungen für und gegen die GmbH und damit auch den Kauf eines Mercedes, vgl. § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz. Der Gesellschaftsvertrag gibt jedoch vor, dass Herr Rölle bei Anschaffungen über 10.000 EUR Rücksprache mit den Gesellschaftern halten muss. Damit ordnet der Gesellschaftsvertrag eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht an. Gemäß § 37 Abs. 2 GmbH-Gesetz ist eine Beschränkung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis allerdings nicht wirksam. Folglich war der Kauf des Mercedes auch vom sachlichen Umfang der Vertretungsmacht von Herrn Rölle gedeckt. Damit hat Herr Rölle die GmbH wirksam vertreten, sodass zwischen dem Autohaus und der GmbH ein Kaufvertrag über den Mercedes zustande gekommen ist, vgl. § 433 BGB. Das Autohaus hat gegenüber der GmbH einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 120.000 EUR.
8 Kartellverbot, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen Aufgabe 1 Der Schutz des Wettbewerbs ist die zentrale ordnungspolitische Aufgabe in 1.: Aufgaben des Bundeskartellamtes: - Durchsetzung des Kartellverbotes - Durchführung der Fusionskontrolle - Ausübung der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen - Wahrnehmung der Aufgaben der EU im Zusammenhang europäischer Wettbewerbsregeln - Kontrolle der Vergabe öffentlicher Aufträge Aufgabe 2 Kartellabsprachen: Absprachen von Wettbewerbern über - Preise, - Mengen,
8 Kartellverbot, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen
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Aufteilung von Gebieten oder Kundengruppen.
Maßnahmen des Kartellamts: - Verlangung von Auskünften von den Unternehmen - Einsehen von Geschäftsunterlagen - Durchsuchung von Unternehmen nach richterlicher Anordnung - Beschlagnahme von Beweismitteln - Verhängung von Geldbußen gegen Unternehmen Aufgabe 3 Ein Unternehmenszusammenschluss (Fusion) ist eine freiwillige Vereinigung von Unternehmungen im Vertragswege durch Verschmelzung (Vollfusion) oder Konzernierung. Kriterien bei einer Fusionsüberprüfung: - weltweite Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro - im Inland Umsatzerlöse von mehr als 25 Millionen Euro Aufgabe 4 a) Fusionsverfahren: - Anmeldung der Fusion beim Bundeskartellamt - Prüfung des Vorhabens binnen ein bis vier Monaten durch das Bundeskartellamt - Entscheidung des Bundeskartellamt durch formelle Verfügung ob Freigabe oder Untersagung b) - Zusammenschluss begründet eine marktbeherrschende Stellung - Marktanteil des Unternehmens auf dem räumlich und sachlich relevanten Markt Marktbeherrschend mit 1/3 Marktanteil - Finanzkraft des Unternehmens - Zugangsmöglichkeiten zu den Absatz- und Beschaffungsmärkten - Marktverflechtungen mit anderen Unternehmen - Marktzutrittsschranken - potenzieller und tatsächlicher Wettbewerb - Ausweichmöglichkeiten zu anderen Märkten c) Das Bundeskartellamt kann kein Unternehmen entflechten, das durch internes Wachstum eine marktbeherrschende Stellung erreicht hat. Eine Möglichkeit der Auflösung der Fusion: Unternehmenszusammenschlüsse, die vom Bundeskartellamt untersagt werden bzw. wenn die Freigabe zur Fusion wieder vom Bundeskartellamt widerrufen wird d) - Möglichkeit der Marktabgrenzung durch Einbeziehung internationaler Märkte - Einbeziehung der Marktanteile nationaler und internationaler Unternehmen
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Aufgabe 5 a) Definition: Wirtschaftliche Handlungsmöglichkeiten anderer Unternehmen werden erheblich und ohne sachliche Rechtfertigung beeinträchtigt. Beispiele für missbräuchliche Ausnutzung wirtschaftlicher Macht: - marktbeherrschendes Unternehmen nutzt seine überlegene Stellung dazu aus, Konkurrenten für die Aufnahme des Wettbewerbs den Zugang zu wesentlichen Einrichtungen zu verweigern. - gezielte Preisunterbietungen sollen Mitkonkurrenten aus dem Markt drängen. - marktbeherrschende Unternehmen fordert unangemessene Preise und Konditionen von den Abnehmern oder Lieferanten. b) -
Gegen Beschlüsse des Bundeskartellamts kann Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt werden. Danach Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
Aufgabe 6 Europäische Ebene: - ECN - ECA - Wettbewerbsbehörden der Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums - Europäische Kommission - EFTA-Überwachungsbehörde Internationale Ebene: - OECD - WTO - ICN