Carsten Theile Übungsbuch IFRS
Carsten Theile
Übungsbuch IFRS Aufgaben und Lösungen zur internationalen Rechnungslegung 2., vollständig überarbeitete Auflage Unter Mitarbeit von WP/StB Dr. Kai Udo Pawelzik M. Sc. Melanie Stahnke
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Prof. Dr. Carsten Theile lehrt Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensrechnung und Internationale Rechnungslegung an der Hochschule Bochum. Er ist außerdem Mitglied der Prüfungskommission für das Wirtschaftsprüferexamen und wissenschaftlicher Leiter der LucaNet Academy. Kontakt: Hochschule Bochum Postfach 100741 44707 Bochum Email:
[email protected] 1. Auflage unter Mitarbeit von Michael Becker, Nina Glaesmann, WP/StB Dr. Kai Udo Pawelzik, Daniel von Pigage, Willi Pretzer
1. Auflage 2008 2., vollständig überarbeitete Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Jutta Hauser-Fahr | Walburga Himmel Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-1820-8
Vorwort
Vorwort Seit Erscheinen der Erstauflage dieses Buches vor weniger als drei Jahren hat sich die Rechnungslegungswelt geradezu stürmisch weiterentwickelt. Der IASB hat viele neue oder überarbeitete Standards veröffentlicht, etwa IFRS 3 zu Unternehmenszusammenschlüssen, IAS 1 zur Darstellung des Abschlusses oder zahlreiche, Finanzkriseninduzierte Änderungen an IAS 39. Auch der nationale Gesetzgeber war nicht untätig: Mit dem im Mai 2009 verabschiedeten BilMoG, das zu einer Annäherung des HGB an die IFRS führt, liegt die größte Bilanzrechtsreform seit BiRiLiG 1985 vor. Diese Entwicklung war Anlass für die völlige Neubearbeitung fast aller Aufgaben und Lösungen. Wegen der Annäherung des HGB an IFRS habe ich neue Fragestellungen einbauen können und einige Aufgaben von mittlerweile geringerer Relevanz weggelassen. Dafür ist das Kapitel 3 zum Konzernabschluss erheblich erweitert. Neu ist auch das Kapitel 4.3 zum Anhang, dessen Bedeutung und Erstellungsprobleme von Studierenden oft nur unzureichend wahrgenommen werden. Das Buch kommt nicht nur in wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen von Universitäten und Fachhochschulen zum Einsatz, sondern auch im Selbststudium, in diversen Fortbildungsprogrammen und zur Prüfungsvorbereitung auf das Wirtschaftsprüferexamen. Die Durcharbeitung der jetzt 53 Übungsaufgaben unterschiedlicher Komplexität fördert den sicheren Umgang mit den IFRS. Die Aufgaben greifen Fragestellungen der Praxis in didaktischer Aufbereitung auf. Die zu den Aufgaben angegebenen Lösungen ermöglichen eine unmittelbare Selbstlernkontrolle. Das Kapitel 5 enthält weitere 15 Aufgaben, allerdings ohne Lösungen. Dozenten haben die Möglichkeit, sich die Lösungen für diese Aufgaben im Internet unter www.gabler.de direkt beim Buch herunterzuladen. Meine Mitarbeiterin, Frau MSc Melanie Stahnke sowie Herr WP/StB Dr. Kai Udo Pawelzik, dem ich mich freundschaftlich verbunden fühle, haben mich bei der Überarbeitung der Aufgaben und bei der Konzeption neuer Fälle unterstützt. Herr Human Nagafi hat mit großer Sorgfalt für die technische Umsetzung gesorgt. Viele Anregungen kamen auch von Studierenden der Hochschule Bochum und aus der Unternehmenspraxis. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien Florian Baur, StB Achim Betz, StB Martin Brechmann, Hans Dillschneider, Tobias Kannen, Frank Molitor, Nadja Salewski und Waldemar Swoboda genannt. Ihnen allen ein herzliches Dankeschön! Trotz aller Sorgfalt: Fehler sind nicht auszuschließen und gehen allein zu meinen Lasten. Über kritische Hinweise und Verbesserungsvorschläge freue ich mich und hoffe, dass das Buch den mit IFRS-Fragestellungen konfrontierten Studierenden und Praktikern von hohem Nutzen sein wird. Bochum, im Februar 2010
Carsten Theile
V
Vorwort
„Bedienungsanleitung“ Schwierigkeitsgrade Alle Aufgaben sind mit einem Schwierigkeitsgrad versehen, der mögliche Unter- oder Überforderungen und damit Frustrationserlebnisse vermeiden soll:
Setzt ganz geringe IFRS-Kenntnisse für das Thema voraus. Schon im Grundstudium geeignet.
Ideal als Einstieg im Hauptstudium.
Fordert sichere IFRS-Kenntnisse für das Thema. Häufig auch Bezug zur Steuerbilanz (latente Steuern). Zum Teil Examensniveau.
I.d.R. mehrdimensionale Themen, Examensniveau.
Immer mehrdimensional, extrem komplex. WP-Niveau.
Der Selbstlerneinstieg: Womit beginnen? Wer generell einen Überblick über die gesamte Breite der IFRS-Rechnungslegung sucht, wird mit einem Einstieg bei „Sachanlagen“ oder „Vorräte“ möglicherweise gut bedient sein. Die Themen sind handfest, die Abweichungen zum HGB schnell einleuchtend. Wer dagegen bestimmte Themen im HGB-Abschluss beherrscht und nun deren Abbildung im IFRS-Abschluss erfahren möchte, steigt genau bei diesen Themen ein. Da empfehlen sich von vornherein die höheren Schwierigkeitsgrade. Was braucht man noch? Es ist hilfreich, die Standards zur Hand zu haben. Außerdem lässt sich das Übungsbuch gut mit gängigen, aktuellen Lehr- und Handbüchern oder Kommentaren kombinieren. Auch auf für die jeweiligen Themen besonders gut geeignete Literatur wird in Literaturempfehlungen gelegentlich hingewiesen.
VI
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort....................................................................................................................................... V Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................................VII Abbildungsverzeichnis .........................................................................................................XIII Tabellenverzeichnis ................................................................................................................XV Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................XXI 1
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung ........................................... 1 1.1
1.2
2
Aufstellung und Offenlegung von IFRS versus HGB-Abschlüssen................ 1 1.1.1
Abschlusserstellung nach HGB oder IFRS – Die „Gesellschaft für Abschlusserstellung GfA“ ........................................................................ 1
1.1.2
Mutter-Tochter-Beziehung – Hauzu GmbH........................................... 6
1.1.3
Teilkonzernabschlüsse und Nichtveröffentlichung von Abschlüssen konzernverbundener Unternehmen – Knackfrisch GmbH..................................................................................... 9
Freischaltung und Anwendung von Standards ............................................... 13 1.2.1
Normsetzungsprozess – Lobby AG....................................................... 13
1.2.2
Vorzeitige Anwendung der vom IASB verabschiedeten Standards in der EU – Konglomerat AG............................................... 16
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II ............................... 19 2.1
2.2
Immaterielle Vermögenswerte............................................................................ 19 2.1.1
Aktivierungspflichten, Aktivierungsverbote und Abgrenzungsfragen – Science Fiction GmbH ...................................... 19
2.1.2
Selbsterstellte immaterielle Vermögenswerte: Ansatz und Bewertung – „Goaly“............................................................................... 27
Sachanlagen und Anlageimmobilien ................................................................. 34 2.2.1
Anschaffungskosten einer maschinellen Anlage – Metall AG .......... 34
2.2.2
Einzelfragen der Anschaffungs- und Herstellungskostenermittlung – B. Schaff GmbH ............................... 37
VII
Inhaltsverzeichnis
2.3
2.4
2.5
2.6
VIII
2.2.3
Planmäßige Abschreibungen einer maschinellen Anlage – Metall AG (2)............................................................................................. 43
2.2.4
Qualifizierte Vermögenswerte: Aktivierung von Fremdkapitalkosten – BauGut AG......................................................... 48
2.2.5
Komponentenansatz – Tagebau AG ...................................................... 51
2.2.6
Anlageimmobilien: Abgrenzung zu Sachanlagen und Vorräten – Hostel AG .................................................................................................. 57
Leasing.................................................................................................................... 61 2.3.1
Klassifizierung von Leasingverhältnissen – Hanseatic AG ............... 61
2.3.2
Bilanzierung von Leasingverhältnissen – Fly Away Airlines ............ 70
Vorräte und Fertigungsaufträge ......................................................................... 83 2.4.1
Herstellungskosten von Vorräten – „Klopfer“..................................... 83
2.4.2
Vorratsbewertung und Verbrauchsfolgeverfahren – Rennrodel AG ........................................................................................... 86
2.4.3
Fertigungsaufträge: Verfahren zur Ermittlung des Fertigstellungsgrades – Bridge GmbH.................................................. 93
2.4.4
Erfassen von Auftragsänderungen und Verlusten bei Auftragsfertigung – Maulwurf GmbH ............................................... 100
Finanzielle Vermögenswerte und finanzielle Verbindlichkeiten................. 107 2.5.1
Bewertungskonzeption finanzieller Vermögenswerte – Heuschrecke AG..................................................................................... 107
2.5.2
Einbuchung finanzieller Vermögenswerte zum Fair Value – Naturholz GmbH ................................................................................... 112
2.5.3
Anleiheemission: Einführung in die Effektivzinsmethode – Schlaufuchs AG ...................................................................................... 113
Rückstellungen.................................................................................................... 117 2.6.1
Ansatz sonstiger Rückstellungen – Alleskönner Konzern ............... 117
2.6.2
Restrukturierungsrückstellungen – Hire and Fire AG ..................... 120
2.6.3
Pauschalrückstellungen und Rückstellungsbewertung – Weiße Ware AG....................................................................................... 123
2.6.4
Pensionsverpflichtungen – Witwen und Waisen AG........................ 124
Inhaltsverzeichnis
2.7
2.8
3
Eigenkapital ......................................................................................................... 135 2.7.1
Anwendung der Abgrenzungskriterien für Eigenkapital – Treuhand GmbH .................................................................................... 135
2.7.2
Mezzanine Kapital – Equity Provider GmbH .................................... 140
2.7.3
Optionsanleihe – Sweet Equity AG ..................................................... 141
Übergreifende Themen ...................................................................................... 144 2.8.1
Wertminderungen – Mischmasch Konzern........................................ 144
2.8.2
Entsorgungsverpflichtung und Anschaffungskosten – Formstahl AG.......................................................................................... 146
2.8.3
Bewertungsänderungen – Formstahl AG (2)...................................... 148
2.8.4
Stichtagsprinzip, Wertaufhellung und Wertbegründung – Glaskugel AG.......................................................................................... 151
2.8.5
Anlageimmobilien: Bewertungsmethoden und deren Wechsel – Terra AG .................................................................................................. 155
2.8.6
Latente Steuern – Steuerspar GmbH ................................................... 162
IFRS im Konzernabschluss.......................................................................................... 169 3.1
3.2
3.3
Einführung in die Bilanzierung von Unternehmenszusammenschlüssen. 169 3.1.1
Einzel- und Gesamtbewertung – Theo Gromberg e.K...................... 169
3.1.2
Unternehmenserwerb – Truckstop corp. (1)....................................... 171
3.1.3
Objektive und subjekte Werte im Rahmen eines Unternehmenserwerbs - Truckstop corp. (2)...................................... 173
Kapitalkonsolidierung ....................................................................................... 175 3.2.1
Erstkonsolidierung – Zucker AG ......................................................... 175
3.2.2
Folgekonsolidierung – Zucker AG (2)................................................. 178
3.2.3
Full Goodwill Methode – Dolce Vita AG............................................ 181
Spezialfälle und übergreifende Aufgaben....................................................... 186 3.3.1
Gegenleistungen des Erwerbs – Alleskauf AG .................................. 186
3.3.2
Reverse Acquisition – Klein AG ........................................................... 189
3.3.3
Fair Value-Ermittlung bei Erstkonsolidierung – Brandnew GmbH ................................................................................... 194
3.3.4
Erstkonsolidierung und Währungsumrechnung – Abroad Ltd...... 208
IX
Inhaltsverzeichnis
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss................................................................... 221 4.1
4.2
4.3
5
4.1.1
Bilanzgliederung – Balanced Scorecard AG....................................... 221
4.1.2
Formate der Gesamtergebnisrechnung – confusion plc ................... 225
4.1.3
GuV: Vom Gesamtkosten- zum Umsatzkostenverfahren – „Rolly“ ..................................................................................................... 227
4.1.4
Kennzahlen in der GuV – Profitlich AG ............................................. 231
Eigenkapitalspiegel und Kapitalflussrechnung ............................................. 236 4.2.1
Eigenkapitalspiegel – Augstone-Konzern (1)..................................... 236
4.2.2
Grundkonzeption einer Kapitalflussrechnung – Praxisnah GmbH .................................................................................... 241
Anhang ................................................................................................................. 249 4.3.1
HGB-Angaben im IFRS-Abschluss – Silence GmbH......................... 250
4.3.2
Nahe stehende Unternehmen und Personen – HugMe GmbH....... 252
Aufgaben ohne Lösungen ........................................................................................... 261 5.1
5.2
X
Bilanz und Gesamtergebnisrechnung.............................................................. 221
Trainingsaufgaben .............................................................................................. 261 5.1.1
Berichtsinstrumente ............................................................................... 261
5.1.2
Wesentlichkeit......................................................................................... 261
5.1.3
Finanzinstrumente ................................................................................. 262
5.1.4
Wertminderungen .................................................................................. 262
5.1.5
Latente Steuern ....................................................................................... 263
5.1.6
Anhang .................................................................................................... 263
Trainingsfälle ....................................................................................................... 264 5.2.1
Methodenänderung und Fehlerkorrektur – Großanlagenbau AG . 264
5.2.2
Neubewertung im Sachanlagevermögen – Fidibus GmbH ............. 264
5.2.3
Bilanzierung von Leasingverhältnissen – Bizeps AG ....................... 265
5.2.4
Abbildung des Erwerbs der Vermögenswerte und Schulden eines Einzelkaufmanns – Klaus Korn e.K........................................... 266
5.2.5
Wertminderungen – Bluefuel Corp. .................................................... 268
5.2.6
Einflussnahme auf andere Unternehmen – Spielzeug GmbH ........ 271
Inhaltsverzeichnis
5.2.7
Erwerbszeitpunkt und Gegenleistung – Slowly AG ......................... 272
5.2.8
Konzernkapitalflussrechnung – Cash & Curry AG .......................... 274
5.2.9
Equity-Methode – Maja AG .................................................................. 278
Stichwortverzeichnis ............................................................................................................. 281
XI
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1-1: Prüfschema: Aufstellung Konzernabschluss nach HGB oder IFRS .................................................................................. 5 Abbildung 1-2: Der Knackfrisch GmbH-Konzern .......................................................... 10 Abbildung 2-1: Auszahlungsstrom Anleihe: Zinsen und Rückzahlung ................... 115 Abbildung 4-1: HugMe GmbH Konzern und nahe stehende Unternehmen und Personen .............................. 254
XIII
Tabellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2-1:
F+E-Aufwendungen für Goaly im Zeitablauf ...................................... 27
Tabelle 2-2:
Planung für Goaly-Produktion und -Verkauf...................................... 28
Tabelle 2-3:
Summe der Entwicklungsausgaben für Goaly (T€) ............................ 31
Tabelle 2-4:
Anschaffungskosten der Fertigungsanlage nach HGB....................... 36
Tabelle 2-5:
Ermittlung latenter Steuern (in €), Aufgabenblatt............................... 44
Tabelle 2-6:
Abschreibungsplan HGB-Bilanz (in €).................................................. 45
Tabelle 2-7:
Abschreibungsplan Steuerbilanz (in €) ................................................. 46
Tabelle 2-8:
Ansatz latenter Steuern (in €), Lösung.................................................. 48
Tabelle 2-9:
Berrechnung aktivierungspflichte FK-Kosten (in €), Lösung ............ 51
Tabelle 2-10:
Berechnung Buchwerte und Abschreibungen (in €), Komponentenansatz (IFRS), Lösung..................................................... 55
Tabelle 2-11:
Berechnung Buchwerte und Abschreibungen (in €), HGB, Lösung ....................................................................................................... 56
Tabelle 2-12:
Berechnung Buchwerte und Abschreibungen (in €), Komponentenansatz (HGB), Lösung .................................................... 57
Tabelle 2-13:
Konditionen des Leasingvertrages über das Containerschiff............ 62
Tabelle 2-14:
Erwartungswert für den Veräußerungserlös nach 15 Jahren............. 63
Tabelle 2-15:
Staffelung der auslastungsabhängigen Entgelte ab dem 3. Nutzungsjahr ........................................................................................ 70
Tabelle 2-16:
Abgrenzung von Mieterträgen beim Leasinggeber (in €) .................. 77
Tabelle 2-17:
Noch nicht vereinnahmte Mindestleasingzahlungen aus Operating-Leasingverhältnissen (in €).................................................. 79
Tabelle 2-18:
Abgrenzung von Mietaufwendungen beim Leasingnehmer (in €) .. 80
Tabelle 2-19:
Noch nicht als Aufwand erfasste Mindestleasingzahlungen aus Operating-Leasingverhältnissen (in €).................................................. 81
Tabelle 2-20:
Noch nicht als Aufwand erfasste Mindestleasingzahlungen aus Operating-Leasingverhältnissen (in €).................................................. 83
XV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2-21:
Vorgaben zur Herstellungskostenermittlung der Bohrmaschine „Klopfer“ ................................................................................................... 84
Tabelle 2-22:
Kalkulation der Herstellungskosten (in €) ........................................... 85
Tabelle 2-23:
Anschaffungsmengen und Bezugspreise der „Swiss-Blitz“ .............. 87
Tabelle 2-24:
Bewertung der Swiss-Blitz im Vergleich............................................... 90
Tabelle 2-25:
Cost-to-cost-method (in Mio. €) ............................................................. 97
Tabelle 2-26:
Physical-observation-method in (Mio. €).............................................. 99
Tabelle 2-27:
Kalkulation U-Bahn-Bau (in Mio. €), Aufgabenblatt......................... 102
Tabelle 2-28:
Kalkulation U-Bahn-Bau (in Mio. €), Lösung..................................... 105
Tabelle 2-29:
Kalkulation U-Bahn-Bau (in Mio. €), Lösung Verlustfall ................. 106
Tabelle 2-30:
Kategorien finanzieller Vermögenswerte und ihre Folgebewertung...................................................................................... 108
Tabelle 2-31:
Entwicklung Buchwert der Anleihe (in Mio. €), Aufgabenblatt...... 114
Tabelle 2-32:
Entwicklung Buchwert der Anleihe (in Mio. €), Lösung.................. 116
Tabelle 2-33:
Angaben aus den Pensionsgutachten (in T€) ..................................... 125
Tabelle 2-34:
Pensionenspiegel Korridormethode x2 (in T€), Aufgabenblatt....... 126
Tabelle 2-35:
Pensionenspiegel erfolgsneutrale Verrechnung x2 (in T€), Aufgabenblatt ......................................................................................... 127
Tabelle 2-36:
Pensionenspiegel Korridormethode x2 (in T€), Lösung ................... 130
Tabelle 2-37:
Varianten zur Bilanzierung versicherungsmath. Gewinne und Verluste .................................................................................................... 132
Tabelle 2-38:
Pensionenspiegel erfolgsneutrale Verrechnung x2 (in T€), Lösung ..................................................................................................... 133
Tabelle 2-39:
Family & Friends AG, Eigenkapital nach HGB (in T€)..................... 136
Tabelle 2-40:
One-Man-Show GmbH, Eigenkapital nach HGB (in T€) ................. 136
Tabelle 2-41:
Sohnemann GmbH & Co. KG, Eigenkapital nach HGB (in T€) ...... 136
Tabelle 2-42:
Bilanzierung Optionsanleihe, Aufgabenblatt (in T€) ........................ 142
Tabelle 2-43:
Bilanzierung Optionsanleihe (in T€), Lösung .................................... 143
Tabelle 2-44:
Buchwerte, Nettoveräußerungspreise und Nutzungswerte der Geschäftsfelder (in Mio. €) .................................................................... 144
XVI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2-45:
Entwicklung Buchwerte Hammerwerk und Rückstellung x3 bis x5 (in T€), Aufgabenblatt....................................................................... 148
Tabelle 2-46:
Entwicklung Buchwerte Hammerwerk und Rückstellung in x6 und x7 (in T€), Aufgabenblatt............................................................... 149
Tabelle 2-47:
Entwicklung Buchwerte Hammerwerk und Rückstellung 2008 bis 2010 (in T€), Lösung......................................................................... 149
Tabelle 2-48:
Entwicklung Buchwerte Hammerwerk und Rückstellung in x6 und x7 (in T€), Lösung........................................................................... 150
Tabelle 2-49:
Bilanzen der Terra AG (in T€)............................................................... 156
Tabelle 2-50:
Bilanz der Terra AG x3 mit Vorperiode und Anlageimmobilien (in T€) ....................................................................................................... 160
Tabelle 2-51:
Bilanz der Terra AG x3 mit Vorperiode, Neubewertungsmethode (in T€) ....................................................................................................... 161
Tabelle 2-52:
Temporäre Differenzen (in T€), Aufgabenblatt.................................. 163
Tabelle 2-53:
Entwicklung der latenten Steuern (in T€), Aufgabenblatt ............... 163
Tabelle 2-54:
Überleitungsrechnung (in T€), Aufgabenblatt................................... 164
Tabelle 2-55:
Zusammensetzung des ausgewiesenen Steueraufwands (in T€), Aufgabenblatt ......................................................................................... 164
Tabelle 2-56:
Temporäre Differenzen (in T€), Lösung.............................................. 165
Tabelle 2-57:
Entwicklung der latenten Steuern (in T€), Lösung ........................... 166
Tabelle 2-58:
Überleitungsrechnung (in T€), Lösung ............................................... 167
Tabelle 2-59:
Zusammensetzung des ausgewiesenen Steueraufwands (in T€), Lösung ..................................................................................................... 168
Tabelle 3-1:
Bilanz des Theo Gromberg e:K. zum 31.12.x1 (in T€) ....................... 169
Tabelle 3-2:
Zucker AG Konzernbilanz zum 31.12.x3 (in Mio. €), Aufgabenblatt ......................................................................................... 176
Tabelle 3-3:
Konzernbilanz der Zucker AG zum 31.12.x3 (in Mio. €), Lösung... 178
Tabelle 3-4:
Konzernbilanz der Zucker AG zum 31.12.x4 (in Mio. €), Aufgabenblatt ......................................................................................... 179
Tabelle 3-5:
Konzernbilanz der Zucker AG zum 31.12.x4 (in Mio. €), Lösung... 181
Tabelle 3-6:
Erstkonsolidierung zum 31.12.x1 nach der Neubewertungsmethode (in Mio €), Aufgabenblatt ......................... 182
XVII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 3-7:
Erstkonsolidierung zum 31.12.x1 nach der Full Goodwill Methode (in Mio. €), Aufgabenblatt .................................................... 183
Tabelle 3-8:
Erstkonsolidierung zum 31.12.x1 nach der Neubewertungsmethode (in Mio. €), Lösungsblatt .......................... 183
Tabelle 3-9:
Hochrechnung der Gegenleistung Dolce Vita AG (in Mio. €) ......... 184
Tabelle 3-10:
Erstkonsolidierung zum 31.12.x1 nach der Full Goodwill Methode (in Mio. €), Lösungsblatt....................................................... 185
Tabelle 3-11:
Bilanz des Klein-Groß-Konzerns zum 31.12.x1 (in Mio. €), Aufgabenblatt für Aufgabe b) .............................................................. 190
Tabelle 3-12:
Bilanz des Klein-Groß-Konzerns zum 31.12.x1 (in Mio. €), Aufgabenblatt für Aufgabe c)............................................................... 190
Tabelle 3-13:
Bilanz des Klein-Groß-Konzerns zum 31.12.x1 (in Mio. €), Lösungsblatt Neubewertungmethode ................................................ 192
Tabelle 3-14:
Bilanz des Klein-Groß-Konzerns zum 31.12.x1 (in Mio. €), Lösungsblatt Reverse Acquisition ....................................................... 193
Tabelle 3-15:
Brandnew GmbH, Handelsbilanz II (in T€) ....................................... 194
Tabelle 3-16:
Budgetierte Gesamt-GuV der Brandnew GmbH............................... 195
Tabelle 3-17:
Bewertung Auftragsbestand nach Residualwertmethode, Aufgabenblatt ......................................................................................... 196
Tabelle 3-18:
Überleitung von HB II zur HB III (in T€), Aufgabenblatt ................ 198
Tabelle 3-19:
Ermittlung des Steuervorteils bei „No Wrinkles“ ............................. 201
Tabelle 3-20:
Bewertung Auftragsbestand nach Residualwertmethode, Lösung ..................................................................................................... 202
Tabelle 3-21:
Ermittlung Step-up-Faktor.................................................................... 203
Tabelle 3-22:
Fair Value-Ermittlung einer Verbindlichkeit (in T€) ......................... 205
Tabelle 3-23:
Überleitung von HB II zur HB III (in T€), Lösung............................. 206
Tabelle 3-24:
Ermittlung des Goodwill (in T€) .......................................................... 206
Tabelle 3-25:
Bilanz zum 31.12.x1 Abroad Ltd., Aufgabenblatt Umrechnung ..... 209
Tabelle 3-26:
Goodwillumrechnung zum Stichtagskurs, Aufgabenblatt .............. 210
Tabelle 3-27:
Konsolidierung der Abroad Ltd. zum 31.12.x1 (in T€), Aufgabenblatt ......................................................................................... 210
Tabelle 3-28:
Bilanz zum 31.12.x1 Abroad Ltd., Lösung.......................................... 211
XVIII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 3-29:
Abstimmung der Währungsdifferenz................................................. 212
Tabelle 3-30:
Goodwillumrechnung zum Stichtagskurs, Lösung .......................... 213
Tabelle 3-31:
Konsolidierung der Abroad Ltd. zum 31.12.x1 (in T€), Lösung...... 214
Tabelle 3-32:
Eigenkapitalspiegel des Produktion-Konzerns (in T€)..................... 216
Tabelle 3-33:
Konsolidierung der Abroad Ltd. zum 31.12.x1 (in T€) ..................... 218
Tabelle 3-34:
Eigenkapitalspiegel des Produktion-Konzerns (in T€)..................... 219
Tabelle 4-1:
Bilanz der Balanced Scorecard AG zum 31.12.x1 (in T€).................. 222
Tabelle 4-2:
Aufwendungen der Streetroll-GmbH (in T€)..................................... 228
Tabelle 4-3:
Aufwendungen im Herstellungsbereich (in T€)................................ 229
Tabelle 4-4:
Ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage und Steueraufwand (in T€) ............................................................................................................. 229
Tabelle 4-5:
IFRS-GuV nach Gesamtkostenverfahren (in T€) ............................... 230
Tabelle 4-6:
IFRS-GuV nach Umsatzkostenverfahren (in T€) ............................... 231
Tabelle 4-7:
Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr x1 (in T€) .... 232
Tabelle 4-8:
Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 01 (in T€)..... 235
Tabelle 4-9:
Eigenkapitalspiegel für das Geschäftsjahr x1 (in T€), Aufgabenblatt ......................................................................................... 237
Tabelle 4-10:
Eigenkapitalspiegel für das Geschäftsjahr x1 (in T€), Lösung......... 239
Tabelle 4-11:
Gesamtergebnisrechnung für das Geschäftsjahr x1 (in T€), Lösung ..................................................................................................... 241
Tabelle 4-12:
Bilanz der Praxisnah GmbH (in T€) .................................................... 242
Tabelle 4-13:
Kapitalflussrechnung der Praxisnah GmbH für x2 (in T€), Aufgabenblatt ......................................................................................... 243
Tabelle 4-14:
Bilanz der Praxisnah GmbH zum 31.12x2 (in T€), Lösung .............. 245
Tabelle 4-15:
Gewinn- und Verlustrechnung 01.01.x2 - 31.12.x2 (in T€) ............... 246
Tabelle 4-16:
Kapitalflussrechnung der Praxisnah GmbH für x2 (in T€), Lösung ..................................................................................................... 247
Tabelle 4-17:
Aufgaben mit Anhangangaben ............................................................ 250
Tabelle 5-1:
Bilanz des Klaus Korn e.K. (in T€), Aufgabenblatt............................ 267
Tabelle 5-2:
Bilanz der Digestif GmbH (in T€), Aufgabenblatt............................. 268
Tabelle 5-3:
Daten des Segments „Alternative Antriebe“ (in T€) ......................... 269
XIX
Tabellenverzeichnis
Tabelle 5-4:
Wertminderung (in T€), Arbeitsblatt................................................... 270
Tabelle 5-5:
Zeitliche Abfolge der Erwerbsschritte zum Kauf der Damast GmbH....................................................................................................... 273
Tabelle 5-6:
Konzernbilanz der Cash & Curry AG zum 31.12.x2 (in T€) ............ 274
Tabelle 5-7:
Konzernbilanz der ORTEM N.V. zum 01.12.x2 (in T€), Fair Value. 275
Tabelle 5-8:
Konzern-Anlagespiegel für das Geschäftsjahr x2 (in T€)................. 275
Tabelle 5-9:
Konzern-Eigenkapitalspiegel für das Geschäftsjahr x2 (in T€) ....... 276
Tabelle 5-10:
Veränderungsbilanz (in T€), Aufgabenblatt....................................... 277
Tabelle 5-11:
Konzernkapitalflussrechnung für das Geschäftsjahr x2 (in T€) ...... 278
Tabelle 5-11:
Eigenkapitalentwicklung der Maja AG (in T€) .................................. 279
XX
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
a.A.
anderer Auffassung
Abs
Absatz
ADS
Adler/ Düring/ Schmaltz (Kommentar)
a.E.
am Ende
a.F.
alte Fassung
AfA
Absetzung für Abnutzung
AG
Aktiengesellschaft
AK
Anschaffungskosten
AktG
Aktiengesetz
Anh.
Anhang
AO
Abgabenordnung
ARC
Accounting Regulatory Committee
Art
Artikel
AStG
Außensteuergesetz
AU
Assoziierte Unternehmen
Aufl.
Auflage
BB
Betriebs-Berater (Zeitschrift)
BC
Basis for Conclusions
BFH
Bundesfinanzhof
BG
Bilanzgewinn
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl
Bundesgesetzblatt
BilMoG
Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz
BiRiLiG
Bilanzrichtliniengesetz
BMF
Bundesministerium der Finanzen
XXI
Abkürzungsverzeichnis
BörsG
Börsengesetz
BStBl
Bundessteuerblatt
CCM
Completed-Contract-Methode
CFO
Chief Financial Officer
CGU
cash generating unit
c.p.
ceteris paribus
Corp.
Corporation
DAX
Deutscher Aktienindex
DB
Der Betrieb (Zeitschrift)
DBO
Defined Benefit Obligation
DCF
Discounted Cashflow
div.
diverse
DK
Durchschnittskurs
DRS
Deutsche Rechnungslegungs Standards
DRSC
Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee
DSR
Deutscher Standardisierungsrat
DStR
Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
EBIT
Earnings before Interest and Taxes
EBITDA
Earnings before Interest, Taxes Depreciation and Amortisation
EBT
Earning before Taxes
ED
Exposure Draft
EFRAG
European Financial Reporting Advisory Group
EG
Europäische Gemeinschaft
EGHGB
Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch
EK
Eigenkapital
e.K.
eingetragener Kaufmann
EStG
Einkommensteuergesetz
EStR
Einkommensteuerrichtlinien
EU
Europäische Union
XXII
Abkürzungsverzeichnis
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
EZB
Europäische Zentralbank
F.
Framework
f
folgende
ff
fortfolgende
FASB
Financial Accounting Standards Board
FiFo
First in – First out
FK
Fremdkapital
FLL
Forderungen aus Lieferung und Leistung
GbR
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
GF
Geschäftsführer
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GoB
Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung
GoF
Geschäfts- oder Firmenwert, Goodwill
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
FASB
Financial Accounting Standards Board
HB
Handelsbilanz
Hrsg.
Herausgeber
HFA
Hauptfachausschuss
HGB
Handelsgesetzbuch
HK
Historische Kosten/Kurse
h.M.
herrschende Meinung
Hrsg.
Herausgeber
HV
Hauptversammlung, Hauptverwaltung
IAS
International Accounting Standards
IASB
International Accounting Standards Board
IASC
International Accounting Standards Committee
XXIII
Abkürzungsverzeichnis
i.d.F.
in der Fassung
i.d.R.
in der Regel
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer
IDW ERS
Entwurf IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung
IDW RH
IDW Rechnungslegungshinweis
IDW RS
IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung
IFRIC
International Financial Reporting Interpretations Committee
IFRS
International Financial Reporting Standards
IE
Illustrative example
IG
Guidance on implementing
i.S.d.
im Sinne des
i.S.v.
im Sinne von
i.V.m.
in Verbindung mit
JÜ
Jahresüberschuss
KA
Konzernabschluss
KapCoRiLiG Kapitalgesellschaften- und Co. Richtliniengesetz KB
Konzernbilanz
Kft.
Korlátolt felelsség társaság (ungarische GmbH)
KG
Kommanditgesellschaft
KoR
Zeitschrift für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung
KStG
Körperschaftssteuergesetz
i.d.R.
in der Regel
lfd.
laufende
LiFo
Last in – First out
LG
Landesgericht
lt.
Laut
Ltd.
Limited
LW
Landeswährung
LuL
Lieferung und Leistung
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
MDAX
Mid-Cap-DAX
m.E.
meines Erachtens
MU
Mutterunternehmen
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
N.V.
naamloze vennootschap (niederländische Aktiengesellschaft)
OHG
offene Handelsgesellschaft
OLG
Oberlandesgericht
PiR
Praxis der internationalen Rechnungslegung (Zeitschrift)
plc
public limited company
PoC
Percentage-of-Copletion-Methode
RHB
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
RIC
Rechnungslegungs Interpretations Committee
RL
Rücklage
Rz.
Randziffer
S.A.
Société Anonyme
SAC
Standards Advisory Council
SARG
Standards Advice Review Group
SDAX
Small-Cap-DAX
SE
Societas Europaea
SIC
Standing Interpretations Committee
SFAS
Statement of Financial Accounting Standards
sog.
sogenannte(r)
Sp. z o.o
Spóka z ograniczon odpowiedzialnoci (polnische Gesellschaft)
StK
Stichtagskurs
Tab.
Tabelle
TU
Tochterunternehmen
Tz.
Textziffer
UB
Unterschiedsbetrag
u.E.
unseres Erachtens
XXV
Abkürzungsverzeichnis
US-GAAP
United States Generally Accepted Accounting Principles
USt
Umsatzsteuer
VG
Vermögensgegenstand
vgl.
vergleiche
VLL
Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung
VM
Vorstandsmitglied
VW
Vermögenswert
WACC
Weighted Average Cost of Capital
WPg
Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)
WpHG
Wertpapierhandelsgesetz
ZW
Zeitwert
XXVI
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
1 Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
1.1
Aufstellung und Offenlegung von IFRS versus HGB-Abschlüssen
1.1.1
Abschlusserstellung nach HGB oder IFRS – Die „Gesellschaft für Abschlusserstellung GfA“
Rechtsquellen: §§ 290, 291, 293, 315a HGB; IAS-Verordnung Lernziele: Erkennen, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung für Konzerne im HGB gelegt sind; Zusammenhang zwischen nationalem Recht und IAS-Verordnung; Rechtsicherheit bekommen in der Frage, welche Unternehmen nach welchem Rechtskreis (HGB oder IFRS) ihren Konzernabschluss zu erstellen haben Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Die „Gesellschaft für Abschlusserstellung GfA“ hilft als externer Dienstleister bei der Abschlusserstellung von Einzelunternehmen und Konzernen. Bei folgenden Unternehmen und Sachverhalten könnten sich Aufträge für die GfA ergeben: (1)
Die Rakdorf AG, Gelsenkirchen, ist ein im MDAX notierter Handelskonzern mit rund 150 Tochtergesellschaften.
(2)
Kürzlich hat die im DAX notierte Leverkusen AG die Aktien- und Stimmrechtsmehrheit an der Pillen AG, Mutterunternehmen von rund 180 Tochtergesellschaften, erworben. Es werden noch 20 % der Aktien der Pillen AG am regulierten Markt in Frankfurt gehandelt.
(3)
Die Aktien der Biotec AG werden am Start Up Market der Hanseatischen Wertpapierbörse gehandelt. Die Biotec AG besitzt 100 % der Anteile der Forschung GmbH. Die Bilanzsummen beider Gesellschaften zusammen erreichen schon seit Jahren kaum 15 Mio. €, und die Umsätze liegen im Bereich von 20 Mio. € p.a.
(4)
Die Richard Busch GmbH, Pforzheim, finanziert sich und ihre rund 300 Tochtergesellschaften im In- und Ausland im Wesentlichen über Industrieanleihen, die an jeder deutschen Börse im regulierten Markt notiert sind.
(5)
Die im SDAX notierte Spiele AG, Nürnberg, hat keine Tochtergesellschaften.
1
1.1
1
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
(6)
Die Ostexport AG, Frankfurt/Oder, hat mehrere Vertriebstochtergesellschaften in Osteuropa. Ihre Aktien werden an der Moskauer Börse und in Deutschland im Freiverkehr gehandelt.
(7)
Die Personal GmbH, Bonn, ist mit ihren Tochtergesellschaften auf dem europäischen Personalvermittlungsmarkt tätig. Sie finanziert sich über Gesellschafterdarlehen und Bankkredite.
(8)
Die bislang nicht börsennotierte Back AG, Bielefeld, hat kurz vor ihrem Abschlussstichtag die Zulassung ihrer Aktien zum Handel am regulierten Markt in Düsseldorf beantragt. Die Back AG hat acht Tochtergesellschaften.
Aufgabenstellung Prüfen Sie, ob und nach welchen Rechtsregeln (HGB oder IFRS) jeweils ein Konzernabschluss aufzustellen ist. Versuchen Sie anschließend, Ihre Ergebnisse für die acht Fälle in einem Prüfschema zusammenzufassen. Lösung Vorbemerkung: Grundvoraussetzung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Deutschland ist die Möglichkeit, auf (mindestens) ein anderes Unternehmen beherrschenden Einfluss ausüben zu können (Mutter-TochterBeziehung nach § 290 Abs. 1 HGB). Sofern in den Fällen von Tochterunternehmen bzw. -gesellschaften die Rede ist, wird eine solche Beziehung unterstellt. Auf den Sitz oder die Rechtsform von Tochterunternehmen kommt es nicht an. (1) Die Rakdorf AG hat gem. § 315a Abs. 1 HGB nach den Vorschriften des Ersten Titels – das sind die §§ 290 bis 293 HGB – einen Konzernabschluss aufzustellen: Sie ist laut Sachverhalt oberstes Mutterunternehmen, und die Inanspruchnahme einer größenabhängigen Befreiung (§ 293 HGB) kommt nicht in Betracht (s. Lösung zu (3)). Außerdem ist eine weitere in § 315a Abs. 1 HGB genannte Voraussetzung zu prüfen: Ist die Rakdorf AG ein Unternehmen i.S.v. Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 (sog. IAS-Verordnung) und somit verpflichtet, die gem. der Verordnung übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards (= EU-rechtlich übernommene IFRS) anzuwenden? Entscheidend für die Rakdorf AG ist also der Aussagegehalt von Artikel 4 der IAS-Verordnung. Art. 4 der IAS-Verordnung nennt zwei Voraussetzungen für die Pflichtanwendung der EU-rechtlich übernommenen IFRS auf einen aufzustellenden Konzernabschluss für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2005 beginnen:
Die Gesellschaft unterliegt dem Recht eines Mitgliedstaates und
am jeweiligen Bilanzstichtag sind ihre Wertpapiere (Eigenkapital- und/oder Schuldtitel) in einem beliebigen Mitgliedstaat zum Handel in einem geregelten Markt (im Sinne der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie) zugelassen.
2
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
Der erste Punkt ist regelmäßig unproblematisch; entscheidend ist der Sitz der Gesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat. Das ist bei der Rakdorf AG mit ihrem Sitz in Deutschland erfüllt. Geregelter Markt im Sinne der EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie ist in Deutschland der organisierte Markt i.S. des § 2 Abs. 5 WpHG: Ein Markt, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist. Zum organisierten Markt zählt an den deutschen Börsen der regulierte Markt (§ 32 BörsG). Der MDAX wiederum ist ein Auswahlindex der Deutschen Börse AG. Zu den Voraussetzungen, um in diesen (privatrechtlichen) Auswahlindex aufgenommen zu werden, gehört u.a. die Teilnahme am organisierten Markt. Damit erfüllt die Rakdorf AG die Voraussetzungen von Art. 4 der IAS-Verordnung und muss ihren Konzernabschluss nach den EU-rechtlich übernommenen IFRS aufstellen. Exkurs zur rechtlichen Bedeutung von EU-Verordnungen: EU-Verordnungen, also auch die IAS-Verordnung, gelten in jedem Mitgliedstaat unmittelbar. Sie bedürfen, im Gegensatz zu EU- bzw. EG-Richtlinien, keines nationalen Umsetzungsaktes. Daher ist der Inhalt der IAS-Verordnung nicht in deutsches Recht zu übernehmen gewesen. Stattdessen verweist § 315a Abs. 1 HGB auf die Verordnung und stellt so die Verbindung zwischen HGB und europäischem Recht her. (2) Die Pflicht zur Aufstellung eines IFRS-Konzernabschlusses der Leverkusen AG ist klar. Aber auch die Pillen AG ist Mutterunternehmen, und ihre Aktien werden an einer Börse gem. Art. 4 der IAS-Verordnung gehandelt (siehe Lösung zu (1)). Daher wäre der Konzernabschluss der Pillen AG nach IFRS aufzustellen. Auf der anderen Seite ist die Pillen AG nicht oberstes Mutterunternehmen, denn sie ist ihrerseits Tochterunternehmen der Leverkusen AG. Somit handelt es sich bei dem Konzernabschluss der Pillen AG um einen sog. Teilkonzernabschluss. Fraglich ist, ob auf die Aufstellung des Teilkonzernabschlusses der Pillen AG verzichtet werden kann, wenn die Leverkusen AG einen sog. befreienden Konzernabschluss nach § 291 HGB aufstellt. Es kann jedoch die Befreiung zur Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses von der Pillen AG nicht in Anspruch genommen werden, sofern sie durch von ihr ausgegebene Wertpapiere einen organisierten Markt in Anspruch nimmt. Das ist der Fall, da noch immer 20 % der Aktien gehandelt werden. Daher muss die Pillen AG über ihren Konsolidierungskreis einen Konzernabschluss nach IFRS aufstellen. (3) Der Start Up Market ist ein Börsensegment der Hanseatischen Wertpapierbörse Hamburg. Voraussetzung zur Aufnahme eines Unternehmens in dieses Börsensegment ist u.a., dass dessen Wertpapiere zum regulierten Markt zugelassen sind. Damit erfüllt die Biotec AG beide Kriterien zur IFRS-Anwendung auf ihren Konzernabschluss: Sie ist Mutterunternehmen nach § 290 HGB und unterliegt mit ihren Aktien dem Art. 4 der IAS-Verordnung (siehe Lösung zu (1)). Allerdings unterschreitet der Konzern die Größenkriterien des § 293 Abs. 1 HGB, der von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und –lageberichts befreit. Indes kann die Biotec AG als
3
1.1
1
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
kapitalmarktorientiertes Unternehmen i.S.d. § 264d HGB die größenabhängige Befreiung wegen § 293 Abs. 5 HGB nicht in Anspruch nehmen. (4) Wertpapiere gem. der für Art. 4 der IAS-Verordnung maßgeblichen Wertpapierdienstleistungsrichtlinie sind nicht nur Aktien, sondern auch Schuldtitel wie Industrieanleihen, Schuldverschreibungen, Genussscheine usw. Für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2006 beginnen, ist die Richard Busch GmbH daher gezwungen, ihren Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen (Art. 57 Satz 1 EGHGB). (5) Ähnlich wie beim MDAX (siehe Lösung zu (1)) gehört auch beim SDAX die Zulassung des Wertpapiers zum regulierten Markt zu den Aufnahmevoraussetzungen an der Börse. Allerdings stellt die Spiele AG mangels Tochterunternehmen keinen Konzern dar und ist daher auch nicht konzernrechnungslegungspflichtig; sie fällt nicht unter Art. 4 der IAS-Verordnung. Die Spiele AG muss lediglich einen Jahresabschluss (nach HGB) aufstellen, beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers einreichen (§ 325 Abs. 1 HGB) und im elektronischen Bundesanzeiger bekannt machen (§ 325 Abs. 2 HGB). Sie hat den Jahresabschluss allerdings um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB). - Statt der Bekanntmachung des Jahresabschlusses (nach HGB) darf auch ein IFRS-Einzelabschluss im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht werden (§ 325 Abs. 2a HGB). Es bleibt also der Spiele AG (wie im Übrigen jedem anderem offenlegungspflichtigem Unternehmen) überlassen, zu Bekanntmachungszwecken im elektronischen Bundesanzeiger die zusätzliche Arbeit eines IFRS-Einzelabschlusses auf sich zu nehmen. Das enthebt jedoch nicht von der Pflicht der Einreichung des HGB-Jahresabschlusses nach § 325 Abs. 1 HGB. (6) Die Osteuropa AG ist zwar börsennotiertes Mutterunternehmen mit Sitz in der EU, ihre Aktien werden aber nicht auf einem geregelten Markt innerhalb der EU gehandelt, sondern nur im Freiverkehr. Der Aktienhandel im Freiverkehr verpflichtet nicht zur IFRS-Anwendung. Daher kann die Osteuropa AG zunächst prüfen, ob sie die größenabhängige Aufstellungsbefreiung nach § 293 HGB in Anspruch nehmen kann. Überschreitet der Konzern die Größenkriterien, muss ein Konzernabschluss aufgestellt werden. Dann besteht für die Osteuropa AG das Wahlrecht, den Konzernabschluss nach HGB oder IFRS aufzustellen (§ 315a Abs. 3 HGB). – Unabhängig davon sind freilich ggf. bestehende Börsenzulassungsvoraussetzungen an der Moskauer Börse gesondert zu prüfen und zu befolgen. (7) Die Personal GmbH ist ein Mutterunternehmen, welches den Kapitalmarkt überhaupt nicht in Anspruch nimmt. Es ergeben sich die gleichen Konsequenzen wie bei (6). (8) Noch ist die Back AG nicht börsennotiert. Sie hat aber die Zulassung zum Aktienhandel beantragt. Ist der Antrag vor dem 31.12.2007 gestellt worden, so muss die Back AG zum 31.12.2007 den Konzernabschluss nach IFRS aufstellen (§ 315a Abs. 2 HGB). Der § 315a Abs. 2 HGB geht über die Vorgaben der IAS-Verordnung hinaus: Es handelt sich um eine rein nationale Verbreiterung des Anwendungsbereichs der IFRS. Da-
4
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
her stellt die Zulassung zum Wertpapierhandel nur auf inländische (und nicht auch auf EU-) Kapitalmärkte ab. Folgende Übersicht fasst die Aufstellungspflichten des Konzernabschlusses und das Zusammenspiel von HGB und IFRS geeignet zusammen: Abbildung 1-1:
Prüfschema: Aufstellung Konzernabschluss nach HGB oder IFRS
(leicht modifiziert entnommen aus Theile in Heuser/Theile (Hrsg.), IFRS-Handbuch, 4. Aufl., Köln 2009, Rz. 123) Literaturempfehlung: Theile in Heuser/Theile (Hrsg.), IFRS-Handbuch, 4. Aufl., Köln 2009, Rz. 100-123.
5
1.1
1
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
1.1.2
Mutter-Tochter-Beziehung – Hauzu GmbH
Rechtsquellen: §§ 290, 296, 315a HGB; IAS 1 Lernziele: Mutter-Tochter-Kriterien; Identifikation von IFRS-Abschlüssen; Zusammenhang von Einbeziehungspflichten und Rechnungslegungsnormen im Konzernabschluss Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Sie beschäftigen sich derzeit mit der Bonitätsanalyse der Hauzu GmbH, Hamburg, einem Hersteller und Vermarkter von Boxsportartikeln. Im Anhang des Jahresabschlusses der Hauzu GmbH zum 31.12.x1 lesen Sie folgenden Hinweis (gem. § 285 Nr. 14 HGB): „Unsere Gesellschaft ist Tochterunternehmen der Panther AG, Herzogenaurach. Der Konzernabschluss der Panther AG ist im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht.“ Aufgabenstellung
a) Können Sie aus dem obigen Hinweis zweifelsfrei entnehmen, dass die Panther AG Mehrheitsgesellschafter der Hauzu GmbH ist? Begründen Sie Ihre Meinung!
b) Sie beschaffen sich den Konzernabschluss der Panther AG. Woran erkennen Sie, ob es sich um einen HGB oder IFRS-Konzernabschluss handelt?
c) Nehmen Sie an, die Aktien der Panther AG werden nicht an einem geregelten Markt in der EU gehandelt, sondern sind in Tokio notiert. Nach welchen Rechnungslegungsvorschriften kann oder muss der Konzernabschluss aus EUrechtlicher Perspektive aufgestellt werden?
d) Beim Blick in den Konzernanhang der Panther AG stellen Sie fest, dass die Hauzu GmbH nicht konsolidiert worden ist, der Abschlussprüfer aber gleichwohl ein uneingeschränktes Testat abgegeben hat. Hat der Abschlussprüfer einen Fehler gemacht? Ist für Ihre Antwort von Belang, ob es sich um einen HGB- oder IFRSKonzernabschluss handelt? Begründen Sie Ihre Meinung! Lösung
a) Kriterien für Mehrheitsgesellschafterstellung Da die Hauzu GmbH Tochterunternehmen der Panther AG ist, muss eine MutterTochter-Beziehung gem. § 290 HGB vorliegen. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Panther AG auch Mehrheitsgesellschafter ist. Konstituierendes Merkmal für eine Mutter-Tochter-Beziehung ist vielmehr die Möglichkeit (des Mutterunternehmens), auf ein anderes Unternehmen unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden
6
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
Einfluss ausüben zu können (§ 290 Abs. 1 HGB). Konkretisiert wird diese Generalnorm durch die vier Control-Kriterien des § 290 Abs. 2 HGB: Stimmrechtsmehrheit (§ 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Soweit auf jeden Gesellschaftsanteil auch eine Stimme entfällt, liegt bei einer Mehrheitsgesellschafterstellung auch Stimmrechtsmehrheit und damit ein Mutter-Tochter-Verhältnis vor. Organbestellungsrecht und gleichzeitiger Gesellschafterstellung (§ 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB). Hier ist eine Mehrheitsgesellschafterstellung nicht erforderlich, da das Organbestellungsrecht auch vertraglich vereinbart werden kann. Beherrschungsvertrag (§ 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB). Der Abschluss eines Beherrschungsvertrages setzt mindestens Stimmrechtsmehrheit und damit Mehrheitsgesellschafterstellung, nach wohl noch h.M. sogar die Zustimmung aller Gesellschafter voraus (vgl. Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., 2009, Anh § 13 Rz. 49 ff.). Mehrheit von Risiken und Chancen gegenüber Zweckgesellschaften (§ 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB). Eine Zweckgesellschaft liegt vor, wenn der Geschäftsbetrieb zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient. Zur Beurteilung der Risiken/Chancen-Verteilung sind nicht nur Beteiligungsrechte, sondern auch schuldrechtliche Abreden relevant; schlussendlich kommt es auf die wirtschaftliche Perspektive an. Eine Zweckgesellschaft kann auch dann zu konsolidieren sein, wenn kein Beteiligungsverhältnis vorliegt. Insgesamt kann daher bei Vorliegen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses gem. § 290 HGB nicht zweifelsfrei darauf geschlossen werden, dass das Mutterunternehmen auch Mehrheitsgesellschafter des Tochterunternehmens ist. Gleichwohl ist in der Praxis der Fall der Mehrheitsbeteiligung dominant.
b) Identifikation von HGB- und IFRS-Abschlüssen In einem IFRS-Abschluss hat die Geschäftsführung eines Unternehmens – das ist das für die Abschlusserstellung verantwortliche Organ – gem. IAS 1.16 im Anhang ausdrücklich und uneingeschränkt zu erklären, dass der Abschluss mit den IFRS in Einklang steht (sog. Übereinstimmungserklärung). Die Erklärung ist zweckmäßigerweise am Anfang des Anhangs zu platzieren (IAS 1.114). Im Übrigen hat auch der Abschlussprüfer in seinem Bestätigungsvermerk u.a. die angewandten Rechnungslegungsgrundsätze (HGB oder IFRS) anzugeben (§ 322 Abs. 1 Satz 2 HGB). Eine Übereinstimmungserklärung für die Normen des HGB ist in einem HGBAbschluss nicht erforderlich. Es entspricht allerdings mittlerweile üblicher Praxis, dass die Geschäftsführung auch bei einem HGB-Abschluss am Anfang des Anhangs erklärt, dass es sich um einen HGB-Abschluss handelt. Die Geschäftsführung kapitalmarktorientierter Inlandsemittenten hat bei der Unterzeichnung des Abschlusses außerdem ausdrücklich zu erklären, dass nach bestem Wissen der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft vermittelt (§ 264 Abs. 2 Satz 3 HGB). Dieser sog. „Bilanzeid“
7
1.1
1
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
ist auch für den Lagebericht, den Konzernabschluss und –lagebericht sowie für den Halbjahresfinanzbericht der kapitalmarktorientierten Inlandsemittenten erforderlich.
c) IFRS-Anwendung im Konzern bei Nichteuropäischer Börsennotierung Die Pflichtanwendung der IFRS im Konzernabschluss bezieht sich für Unternehmen mit Sitz in Deutschland nur auf solche Gesellschaften, deren Wertpapiere (Aktien oder Schuldtitel) zum Handel an einem geregelten Markt eines Börsenplatzes innerhalb der EU zugelassen sind (§ 315a Abs. 1 HGB) oder die den Handel auf einem entsprechenden inländischen (deutschen) Markt beantragt haben (§ 315a Abs. 2 HGB). Beides trifft auf die Panther AG nicht zu. Einschlägig ist vielmehr § 315a Abs. 3 HGB, wonach die Panther AG das Wahlrecht hat, den Konzernabschluss entweder nach HGB oder IFRS aufzustellen. Davon unberührt bleibt die Erfüllung etwaiger Zulassungsvoraussetzungen der Tokioter Börse. Siehe auch die Lösung zu Aufgabe 1.1.1 (6).
d) Einbeziehungswahlrechte nach HGB und IFRS In einem HGB-Konzernabschluss könnte die Panther AG von einem der Einbeziehungswahlrechte des § 296 HGB Gebrauch gemacht haben. Die IFRS enthalten dagegen keine expliziten Einbeziehungswahlrechte. Aufgrund des allgemeinen Wesentlichkeitsprinzips brauchen aber Tochterunternehmen von untergeordneter Bedeutung nicht konsolidiert zu werden. In der Praxis werden zur Beurteilung der Wesentlichkeit häufig die Kriterien Bilanzsumme, Umsatz und Ergebnis herangezogen. Erreicht beispielsweise die Summe der nichtkonsolidierten Gesellschaften einen kumulierten Konzernumsatz von nur 1 %, dann gelten sie als unwesentlich, wenn zugleich auch die Vermögens- und Ergebniswirkungen einen ähnlich geringen Effekt haben. Ein Verzicht auf die Einbeziehung aufgrund hoher Kosten oder Verzögerungen analog § 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB kann auch nach IFRS wegen des allgemeinen Kosten-NutzenPrinzips (F.44) ausnahmsweise gerechtfertigt werden (vgl. Baetge/Hayn/Ströher in Baetge u. a. (Hrsg.), Rechnungslegung nach IFRS, 2. Aufl., Losebl., IAS 27 Rz. 153 ff.). Literaturempfehlungen: Baetge/Kirsch/Thiele, Konzernbilanzen, 8. Aufl. 2009, S. 93 ff.; Busse von Colbe u.a., Konzernabschlüsse, 9. Aufl. 2009, S. 60 ff.; Küting/Weber, Der Konzernabschluss, 11. Aufl. 2008, S. 91 ff.
8
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
1.1.3
Teilkonzernabschlüsse und Nichtveröffentlichung von Abschlüssen konzernverbundener Unternehmen – Knackfrisch GmbH
Rechtsquellen: §§ 264, 264b, 290, 291, 315a HGB Lernziele: Darstellung von Konzernverflechtungen; Aufstellungspflicht und Aufstellungsbefreiungen für Teilkonzernabschlüsse; Befreiung von der Offenlegung von Jahresabschlüssen Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Die Knackfrisch GmbH, Frankfurt, ist einzige Komplementärin der Knackfrisch GmbH & Co. KG und an dieser kapitalmäßig nicht beteiligt. Kommanditisten der GmbH & Co. KG sowie Gesellschafter der Knackfrisch GmbH sind die Familien Bock und Wurst. Die Knackfrisch GmbH & Co. KG hält 80 % der Stimmrechte und Kapitalanteile der Seefisch GmbH & Co. KG, Bremen, sowie 60 % der Stimmrechte und Kapitalanteile der Schlachthof AG, München, deren Aktien an der Regionalbörse München im amtlichen Handel (geregelter Markt) notiert sind. Die Schlachthof AG ihrerseits ist zu 75 % der Kapital- und Stimmanteile an der Bullen S.A., Sao Paulo, beteiligt und hat mit der Futter GmbH, Regensburg, einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag geschlossen. Die Futter GmbH schließlich ist Alleineigentümerin der Energydrink GmbH, Berlin. Aufgabenstellung
a) Stellen Sie ein Schaubild der Konzernverflechtungen auf. b) Wie viele (Teil-)Konzerne können Sie identifizieren? c) Aus der Unternehmensgruppe werden für das Geschäftsjahr x1 tatsächlich nur zwei Konzernabschlüsse publiziert. Um welche (Teil-)Konzernabschlüsse muss es sich dabei handeln? Begründen Sie Ihre Meinung!
d) Müssen die (Teil-) Konzernabschlüsse zu c) nach HGB oder IFRS aufgestellt werden?
e) Ihre Versuche, die Jahresabschlüsse der Knackfrisch GmbH & Co. KG, der Seefisch GmbH & Co. KG sowie der Futter GmbH über das Unternehmensregister zu erhalten, bleiben erfolglos. Warum? Lösung
a) Schaubild der Konzernverflechtungen
9
1.1
1
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
Abbildung 1-2:
Der Knackfrisch GmbH-Konzern
Bock (Kommanditist)
Knackfrisch GmbH (Komplementärin)
Wurst (Kommanditist)
0%
Knackfrisch GmbH & Co. KG
80 %
60 %
Schlachthof AG
Seefisch GmbH & Co KG
Beherrschungsvertrag
Futter GmbH
75 %
Bullen S.A.
100 %
Energydrink GmbH
b) Anzahl der (Teil-)Konzerne Es handelt sich um drei, möglicherweise auch vier (Teil-)Konzerne. Die Unklarheit resultiert daraus, weil strittig ist, ob die Knackfrisch GmbH Mutterunternehmen ist.
Für diese Auffassung und damit die Annahme von vier (Teil-)Konzernen spricht, dass die Knackfrisch GmbH Kapitalgesellschaft ist und ihr gem. § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB als Gesellschafter der KG nicht nur das Organbestellungsrecht zusteht, sondern sie sogar selbst Organ (nämlich Geschäftsführerin) der GmbH & Co. KG ist. Das ist ein viel stärkeres Recht als nur das Bestellungsrecht (zu Einzelheiten siehe ADS, 6. Aufl., § 290 HGB, Rz 123). Nach dieser Ansicht hat die Knackfrisch GmbH den Gesamtkonzernabschluss aufzustellen.
Nach a.A. (Förschle/Deubert, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 7. Aufl. 2010, § 264b, Rz 29ff.) ist die Knackfrisch GmbH dagegen u.a. mangels wirtschaftlichen Eigeninteresses, insbesondere bei fehlender oder geringer Kapitalbeteiligung und Beschränkung auf die Geschäftsführungsfunktion, kein Mutterunternehmen.
10
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
Die Streitfrage spielte vor In-Kraft-Treten des KapCoRiLiG (§ 264a-c HGB) in 2000 eine größere Rolle, weil bis dahin haftungsbeschränkte Personengesellschaften (also GmbH & Co. KG’s) nicht explizit offenlegungspflichtig waren und versucht wurde, die Offenlegungspflicht indirekt über den Konzernabschluss der Komplementär-GmbH zu begründen. In der Praxis wird häufig nur der (Teil)-Konzernabschluss der GmbH & Co. KG aufgestellt und offen gelegt. Hierfür gibt es zahlreiche Gründe:
Die Komplementär-GmbH spielt wirtschaftlich keine Rolle und ihr Konzernabschluss bietet daher keinen zusätzlichen Informationsgewinn.
Bei Bestehen eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages i.S.v. § 302 AktG mit der GmbH & Co KG als Konzermutter befreit nur deren Konzernabschluss nach § 264 Abs. 3 HGB von der Offenlegung der Jahresabschlüsse der entsprechenden Tochter-GmbHs (siehe Lösung zu d).
Außerdem ist oft gewünscht, das Kommanditkapital als „richtiges“ Eigenkapital zu zeigen. Würde dagegen die Knackfrisch GmbH den Konzernabschluss aufstellen, wäre das Kommanditkapital der GmbH & Co. KG als „Anteile anderer Gesellschafter“ („Minderheiten“) auszuweisen.
Abgesehen von der Diskussion um die oberste Konzernspitze sind die Schlachthof AG und die Futter GmbH Muttergesellschaften von Teilkonzernen.
c) Befreiung von der Aufstellungspflicht für Teilkonzernabschlüsse Aufzustellen sind im vorliegenden Fall die Konzernabschlüsse der Schlachthof AG und, je nach Rechtsauffassung (siehe Lösung zu b), entweder der der Knackfrisch GmbH oder der der Knackfrisch GmbH & Co. KG. Da die Schlachthof AG eine in der EU börsennotierte Aktiengesellschaft ist, kommt für sie keine Befreiungsvorschrift in Frage (siehe Aufgabe 1.1.1), und die Knackfrisch GmbH bzw. GmbH & Co. KG ist oberstes Mutterunternehmen. Sollte die Knackfrisch GmbH den Gesamtkonzern aufstellen, wäre für den Teilkonzern der Knackfrisch GmbH & Co. KG zu prüfen, ob sie aufgrund der Größenkriterien (§ 293 HGB) von der Aufstellungspflicht ihres Teilkonzernabschlusses befreit sein könnte. Darüber hinaus und weit realistischer besteht für ihren Teilkonzern eine Befreiungsmöglichkeit nach § 291 HGB, sofern die dort genannten Bedingungen erfüllt sind. Die vorgenannten Prüfschritte sind auch für den Teilkonzern der Futter GmbH einschlägig.
d) Konzernabschluss nach HGB oder IFRS Die Schlachthof AG hat ihren Konzernabschluss gem. § 315a Abs. 1 HGB nach IFRS zu erstellen (siehe ausführlich Aufgabe 1.1.1 (1)). Die Knackfrisch GmbH bzw. GmbH & Co. KG hat diesbezüglich ein Wahlrecht zwischen HGB und IFRS (§ 315a Abs. 3
11
1.1
1
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
HGB, siehe Aufgabe 1.1.1 (7)). Den Gesamtkonzernabschluss der Knackfrisch GmbH bzw. GmbH & Co. KG nach HGB zu erstellen erscheint jedoch wenig sinnvoll, weil die Schlachthof AG dann zusätzlich zu ihrem Teilkonzernabschluss nach IFRS noch entsprechende (Vor-) Konsolidierungsmaßnahmen nach HGB durchführen müsste.
e) Nichtveröffentlichung von Jahresabschlüssen Die Seefisch GmbH & Co. KG braucht ihren Jahresabschluss und Lagebericht dann nicht gemäß 264a HGB aufzustellen, prüfen zu lassen und offen zu legen, wenn die Bedingungen des § 264b HGB kumulativ erfüllt sind. Dies sind die Einbeziehung in einen (a) EU-konformen Konzernabschluss (b) nach den Vorschriften der Vollkonsolidierung, (c) die Nennung der Befreiung im Anhang des Konzernabschlusses und (d) die Einreichung des befreienden Konzernabschlusses zum Unternehmensregister der zu befreienden Gesellschaft. Die Seefisch GmbH & Co. KG ist Tochterunternehmen eines nach § 290 HGB zur Aufstellung des Konzernabschlusses verpflichteten Mutterunternehmens (b), so dass auch die Befreiungsvoraussetzungen insgesamt problemlos herbeigeführt werden können. Die Befreiungsvorschrift des § 264b HGB gilt auch für den Jahresabschluss des Mutterunternehmens selbst, das den befreienden (Teil)-Konzernabschluss aufstellt, also auch für den Jahresabschluss der Knackfrisch GmbH & Co. KG (Pawelzik/Theile, DStR 2000, 2146 f., jüngst bestätigt durch Beschluss LG Bonn v. 30.09.2009 – 30T 848/09). Die Futter GmbH ist von der Verpflichtung, ihren Jahresabschluss und Lagebericht nicht nach den Vorschriften für Kapitalgesellschaften aufzustellen, prüfen zu lassen und offen zu legen, unter den Bedingungen des § 264 Abs. 3 HGB befreit. Zu diesen Bedingungen gehören zusätzlich zu den bereits genannten Formalien (b), (c) und (d), die auch nach § 264b HGB gefordert werden, neben der Zustimmung zur Inanspruchnahme der Befreiung durch die Gesellschafter der Tochter-GmbH insbesondere das Bestehen eines Beherrschungsvertrags nach § 302 AktG (dieser gilt analog auch bei GmbH) mit der Konzernmutter. Diese Voraussetzung ist beim (Teil)-Konzernabschluss der Schlachthof AG erfüllt. Hier stellt die Futter GmbH nur einen Jahresabschluss nach den Vorschriften für alle Kaufleute auf (§§ 242-256 HGB), also keinen Anhang und außerdem keinen Lagebericht. Variante: Wäre die Schlachthof AG jedoch (abweichend vom Sachverhalt) nicht börsennotiert und würde sie wegen § 291 HGB auch keinen Teilkonzernabschluss aufstellen, hätten die (Teil)-Konzernabschlüsse der Knackfrisch GmbH bzw. GmbH & Co. KG keine Befreiungswirkung, da kein Beherrschungsvertrag zwischen der Schlachthof AG und der obersten Konzernmutter besteht (anders aber bei ununterbrochener Kette von Beherrschungsverträgen bis zur Konzernmutter, vgl. Förschle/ Deubert, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 7. Aufl. 2010, § 264, Rz. 135).
12
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
Die vorgenannten Befreiungsvorschriften des § 264 Abs. 3 HGB bzw. § 264b HGB gelten auch dann, wenn es sich um einen ggf. freiwilligen IFRS- (statt HGB)-Konzernabschluss handelt (klarstellend IDW RS HFA 7, Tz. 10).
1.2
Freischaltung und Anwendung von Standards
1.2.1
Normsetzungsprozess – Lobby AG
Rechtsquellen: IASC Foundation Constitution, Preface to IFRS, IAS-Verordnung Lernziele: Zustandekommen von Rechnungslegungsstandards; Überblick über die beteiligten Organisationen; Erkennen des Unterschieds zwischen verabschiedeten und in der EU rechtlich relevanten Standards Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Als neuer Mitarbeiter der Lobby AG werden Sie vom Vorstand gebeten, die Möglichkeiten der Mitwirkung auf die Rechtsetzung der Rechnungslegung nach IFRS zu eruieren. Aufgabenstellung Beantworten Sie unter dem Aspekt der Mitwirkungsmöglichkeiten privater Unternehmen folgende Fragen und benennen Sie dabei auch die jeweils beteiligten Gremien:
a) Wer ist als standard-setting-body für die IFRS verantwortlich? Beschreiben Sie kurz das Gremium.
b) Skizzieren Sie kurz die Schritte vom Rechnungslegungsproblem bis zum verabschiedeten Standard.
c) Beschreiben Sie das weitere Verfahren, bis die verabschiedeten Standards für EUUnternehmen rechtlich relevant sind. Lösung
a) Wer ist für IFRS verantwortlich? Der International Accounting Standards Board (IASB) ist der standard-setting-body der IASC Foundation. Ihm obliegt die Verabschiedung von Standardentwürfen (Exposure Drafts), Standards (IAS bzw. IFRS), Interpretationen (SIC bzw. IFRIC) und anderen Verlautbarungen. Der Board besteht aus zwölf hauptamtlichen und zwei neben-
13
1.2
1
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
amtlichen Mitgliedern, die sämtlich von den Treuhändern der IASC Foundation für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt werden; eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Die Treuhänder benennen aus den hauptamtlichen Mitgliedern den Chairman, der zugleich Direktor der IASC Foundation ist. Um eine ausgewogene Erfahrung und Sichtweise zu gewährleisten, sollen mindestens fünf Board-Mitglieder als Wirtschaftsprüfer, mindestens jeweils drei als Ersteller und Nutzer (Finanzanalysten) von Abschlüssen und mindestens einer als Wissenschaftler gearbeitet haben.
b) Entstehung von Standards (due process) Die Anregung, sich mit bestimmten Bilanzierungsfragen auseinander zu setzen, kann von nationalen Interessengruppen und Standardsettern sowie dem Standards Advisory Council (SAC) an den IASB herangetragen werden. Das SAC ist ein aus Repräsentanten verschiedener Interessengruppen und Organisationen bestehendes Beratungsgremium des IASB und der Treuhänder der IASC Foundation. Es soll sich aus mindestens 30 Mitgliedern zusammensetzen. Mit dem SAC wird dann beraten, ob das Problem auf die Agenda gesetzt werden soll. Bejahendenfalls wird üblicherweise eine Projektgruppe eingesetzt, deren Ergebnisse in einem Diskussionspapier zusammengefasst werden. Dieses Diskussionspapier wird mit dem Zweck, öffentliche Stellungnahmen zu erhalten, auf der Homepage des IASB (www.iasb.org) publiziert. Nach Auswertung der Stellungnahmen wird ggf. ein Standardentwurf (Exposure Draft; „ED“) mit 9/14-Mehrheit im Board verabschiedet und inklusive der Begründungen (basis for conclusions) und ggf. abweichender Stellungnahmen von BoardMitgliedern (dissenting opinions) ebenfalls der Öffentlichkeit zur Kommentierung zur Verfügung gestellt. Die Kommentierungsfrist beträgt i.d.R. drei Monate. Im Zuge der Auswertung der Stellungnahmen kann auch über die Notwendigkeit öffentlicher Anhörungen oder Durchführung von Feldstudien beraten werden; ggf. werden solche Maßnahmen durchgeführt. Schließlich erfordert auch die Verabschiedung eines endgültigen Standards ebenfalls eine 9/14 –Mehrheit beim IASB. Zwischen der Verabschiedung eines Standards und dessen erstmaliger Anwendungspflicht soll ein Zeitraum von mindestens einem Jahr liegen (Pressemitteilung des IASB vom 24.07.2006).
c) Übernahme der Standards in EU-Recht (Freischaltung, „endorsement“) Die sog. IAS-Verordnung sieht die verpflichtende Anwendung der IFRS für den Konzernabschluss börsennotierter Muttergesellschaften ab 2005 vor (siehe Aufgabe 1.1.1). Allerdings sind von den betroffenen EU-Unternehmen nicht automatisch alle vom IASB herausgegebenen Standards und Interpretationen anzuwenden. Art. 3 der IASVerordnung enthält einen Anwendungsvorbehalt: Nur jene Standards und Interpretationen, die von der EU-Kommission freigeschaltet und als
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Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
Kommissionsverordnung in allen Amtssprachen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden sind, sind für die betroffenen Unternehmen relevant („endorsed IFRS“). Dieses Verfahren dient dazu, den von einem privaten Standardsetter verfassten Rechnungslegungsnormen die notwendige verfassungsrechtliche Legitimation zu verschaffen (vgl. Bohl in Beck’sches IFRSHandbuch, 3. Aufl. 2009, § 1 Rz. 26). Freigeschaltete „EU“-IFRS haben innerhalb der Europäischen Union Gesetzeskraft; es handelt sich um Rechnungslegungsnormen, also um Gemeinschaftsrecht. Die Freischaltung der IFRS steht gem. Art. 3 Abs. 2 der IAS-Verordnung unter dem Vorbehalt, dass die einzelnen Standards und Interpretationen
dem Prinzip der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft bzw. des Konzerns nicht zuwiderlaufen sowie dem europäischen öffentlichen Interesse entsprechen und
den Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit genügen, die Finanzinformationen erfüllen müssen, um wirtschaftliche Entscheidungen und die Bewertung der Leistung einer Unternehmensleitung zu ermöglichen.
Es handelt sich bei den genannten Kriterien um in hohem Maße auslegungsbedürftige Begriffe, die sich im Übrigen auch in den Standards bzw. im Framework selbst finden. Das Verfahren zur Übernahme der IFRS in europäisches Recht ist vom sog. „Regelungsverfahren“ durch Änderung der IAS-Verordnung im März 2008 auf das sog. „Regelungsverfahren mit Kontrolle“ umgestellt worden. Durch das neue Verfahren werden die Rechte des europäischen Parlaments erheblich gestärkt: Das Parlament hat zumindest theoretisch die Möglichkeit, die Übernahme von Standards in europäisches Recht zu verhindern. Neben dem Parlament und der EU-Kommission sind weitere Verfahrensbeteiligte die privatwirtschaftliche European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), die Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen (Standards Advice Review Grpup, SARG) sowie das aus Vertretern der Mitgliedstaaten bestehende Accounting Regulatory Committee (ARC). Literaturempfehlungen: Hinz, Rechnungslegung nach IFRS, 2005, S. 7-45; Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung, 7. Aufl. 2008, S. 89-100; Brücks in Thiele/von Keitz/Brücks (Hrsg.), Internationales Bilanzrecht, Losebl., Rz. 51-100.
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1.2
1
Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
1.2.2
Vorzeitige Anwendung der vom IASB verabschiedeten Standards in der EU – Konglomerat AG
Rechtsquellen: Kommentar der EU-Kommission zur IAS-Verordnung, Brüssel 2003 Lernziele: Erkennen, unter welchen Bedingungen die Anwendung von Standards nach Auffassung der EU-Kommission zulässig ist, obwohl es sich noch nicht um EU-Recht handelt; Erkennen, dass dieses Problem letztlich noch nicht geklärt ist Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Im November 2009 hat das IASB den Standard IFRS 9 Financial Instruments veröffentlicht. Der Standard ersetzt Teile des bisherigen IAS 39 und ist anzuwenden für Berichtsperioden, die am oder nach dem 01.01.2013 (!) beginnen; eine frühere Anwendung ist zulässig (IFRS 9.8.1.1). Die Konglomerat AG, Düsseldorf, ist von dem neuen Standard begeistert und möchte ihn schon für den Abschluss 2009 anwenden. Bis zur Abschlusserstellung der Konglomerat AG am 28. Januar 2010 ist noch keine Entscheidung zur Übernahme des IFRS 9 in europäisches Recht getroffen worden. Aufgabenstellung
a) Nehmen Sie den Fall zum Anlass und erörtern Sie abstrakt (d.h. unabhängig von IFRS 9), ob und ggf. unter welchen Bedingungen ein Unternehmen mit Sitz in der EU einen zwar schon vom IASB verabschiedeten, aber noch nicht im Amtsblatt der EU veröffentlichten Standard anwenden darf.
b) Ist auf die vorzeitige Anwendung von Standards im Anhang des Abschlusses hinzuweisen? Lösung
a) Anwendung von IFRS vor Freischaltung durch die EU-Kommission? Es ist ein Gebot des Rechtsstaates, dass Rechtsnormen von der Legislative oder, falls eine entsprechende Ermächtigung vorliegt, von der Exekutive verabschiedet werden und erst dann Rechtswirkung entfalten. Vom IASB schon verabschiedete, aber noch nicht in europäisches Recht übernommene Standards und Interpretationen sind daher grundsätzlich noch nicht relevant (s. auch Aufgabe 1.2.1 c). Die EU-Kommission vertritt jedoch in einer 2003 veröffentlichten Kommentierung der IAS-Verordnung die Auffassung, dass ein noch nicht in EU-Recht übernommener Standard dann als Auslegungshilfe (guidance) von den Unternehmen angewandt werden darf, wenn er
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Rechtliche Rahmenbedingungen der IFRS-Anwendung
inhaltlich mit den bereits freigegebenen Standards kohärent ist (diesen also nicht widerspricht) und
den Bedingungen des IAS 8.10 genügt.
Mit ihrer Auffassung will die EU-Kommission allerdings ausdrücklich nicht einer möglichen Entscheidung des EuGH vorgreifen. Folgt man der Auffassung der EU-Kommission, so könnte die Konglomerat AG den IFRS 9 auf die beiden oben genannten Bedingungen prüfen. Wären diese erfüllt, könnten mögliche Lücken des bisherigen IAS 39 im Sinne von IFRS 9 ausgefüllt werden. Eine alleinige und unmittelbare vorzeitige Anwendung des IFRS 9 statt IAS 39 ist jedoch auch nach dieser Auffassung unzulässig.
b) Hinweis auf vorzeitige Anwendung von Standards im Anhang IAS 8.30f. fordert eine Angabe über die Nichtanwendung schon veröffentlichter, aber noch nicht pflichtgemäß anzuwendender Standards und Interpretationen. Die Angabe kann sich aus EU-Perspektive nur auf solche Standards und Interpretationen beziehen, die von der EU-Kommission bereits genehmigt worden sind, aber erst später in Kraft treten. Vor einer Genehmigung durch die EU-Kommission sind vom IASB verabschiedete Standards und Interpretationen allenfalls als Auslegungshilfe heranzuziehen (siehe Lösung zu a)). Im Fall der Anwendung eines von der EU-Kommission noch nicht genehmigten Standards kann an eine Ergänzung der Übereinstimmungserklärung (siehe Lösung zu 1.1.2 b)) gedacht werden, die inhaltlich etwa Folgendes ausdrückt: „Obwohl IFRS xy von der EU-Kommission noch nicht genehmigt worden ist, haben wir den Standard inhaltlich als Auslegungshilfe angewandt, da er aus unserer Sicht mit den übrigen von der EU-Kommission genehmigten Standards in Übereinstimmung steht und den Anforderungen des IAS 8.10 genügt.“ Die Anforderungen des IAS 8.10 können dabei noch sprachlich ausgeführt werden. Literaturempfehlungen: Theile in Heuser/Theile (Hrsg.), IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz. 62-70.
17
1.2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2 IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.1
Immaterielle Vermögenswerte
2.1.1
Aktivierungspflichten, Aktivierungsverbote und Abgrenzungsfragen – Science Fiction GmbH
Rechtsquellen: Framework, IAS 38 Lernziele: Umgang mit Standards und ihrer Systematik; Abgrenzung immaterieller von anderen Vermögenswerten; Aktivierungsvoraussetzungen für (immaterielle) Vermögenswerte Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Die Science Fiction GmbH mit Sitz in Lemhaus überlegt, in der Rechnungslegung auf IFRS umzustellen. Um die Umstellungswirkungen abschätzen zu können, sollen einige – insbesondere als immateriell vermutete - Sachverhalte auf ihren Bilanzansatz nach IFRS geprüft werden. Aufgabenstellung
a) Welche Begriffsmerkmale kennzeichnen einen Vermögenswert? Erläutern Sie die Merkmale!
b) Was sind immaterielle Vermögenswerte i.S.d. IAS 38 und mit welchen Kriterien sollen sie von anderen Vermögenswerten abgegrenzt werden?
c) Grenzen Sie den Anwendungsbereich des IAS 38 zu anderen Standards ab. d) Was sind die Aktivierungsvoraussetzungen für Vermögenswerte im Anwendungsbereich des IAS 38 im Vergleich zu denen des Framework? Gibt es für immaterielle Vermögenswerte spezielle Aktivierungsvoraussetzungen?
e) Prüfen Sie die folgenden Sachverhalte der Science Fiction GmbH auf Aktivierung in einem IFRS-Abschluss. Wenden Sie dabei Ihre Ergebnisse aus a-d) an.
19
2.1
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
f)
(1)
Die Verwertungsrechte an Star Wash Filmen, Episode 1-3, sind für 85 Mio. € erworben worden. Man erhofft sich weitere 20 Jahre Nutzenzuflüsse aus der Verwertung dieses Highlights der Filmgeschichte.
(2)
Der Orson-Belles-Hörspiel-Klassiker „Krieg der Welpen“, dessen Rechte bei der Science-Fiction-GmbH liegen, ist für 600 T€ digital aufbereitet worden. Noch im Geschäftsjahr hat die Science-Fiction-GmbH von dem Masterband 30.000 DVDs für Stückkosten von 6 € (davon 4 € Abschreibung Masterband) gefertigt, von denen 25.000 Stück für je 9 € an den Handel veräußert worden sind. Man erwartet in den nächsten Jahren insgesamt einen Absatz von 200.000 Stück zu in etwa gleichen Konditionen.
(3)
Die Mitarbeiter im Rechnungswesen nehmen an einer Fortbildung zur Konzernrechnungslegung eines bekannten Saarbrücker Professors teil. Die Kosten belaufen sich auf 12.000 €. Die Maßnahme soll dazu beitragen, den Konzernabschluss künftig selbst zu erstellen. Erhoffte Kostenersparnis durch den Wegfall der externen Erstellungshonorare: 30.000 € p.a.
(4)
Mit der jüngst als Tochtergesellschaft gegründeten Kinderbuch GmbH, die sich an regionalen Kinderbuchverlagen beteiligen soll, erhofft sich die Science Fiction GmbH ein neues Standbein zu schaffen. Für eine Marktstudie, deren Ergebnisse auf ein viel versprechendes Geschäftsmodell hindeuten, wurden 500 T€ und für die Gründung der GmbH (Rechtsberatung usw.) 22 T€ ausgegeben.
Zeigen Sie, welche Überlegungen für die Folgebewertung von immateriellen Vermögenswerten nach IAS 38 anzustellen sind.
g) Bei der Science Fiction GmbH hat man gehört, dass sich mit Verabschiedung des BilMoG auch nach HGB erweiterte Möglichkeiten zur Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte ergeben. Würden sich Ihre Lösungen zu e) ändern, wenn nach BilMoG bilanziert wird? Lösung
a) Definitionsmerkmale für Vermögenswerte Aussagen über den Bilanzinhalt, also die Aktivierungs- und Passivierungsbedingungen, finden sich im Framework, dem Rahmenkonzept. Das ist seltsam, denn das Framework ist gar kein Standard, geht auch keinem Standard vor und ist formal nicht Bestandteil der EU-IFRS. Mögliche rechtliche Probleme, die sich hieraus ergeben können, sollen hier jedoch nicht erörtert werden. Die Praxis der Abschlussersteller und –prüfer geht pragmatisch vor: Man hält sich schlicht an das, was im Framework steht.
20
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
In einem Standard allerdings wird die Vermögenswertdefinition aus dem Framework noch einmal wiederholt, und zwar im IAS 38 (IAS 38.8; F.49a). Hiernach ist ein Vermögenswert (asset) eine Ressource,
die in der Verfügungsmacht (Beherrschung) des Unternehmens steht,
die ein Ergebnis von Ereignissen der Vergangenheit darstellt und
aus der ein künftiger wirtschaftlicher Nutzenzufluss erwartet wird.
Diese Definition gilt insoweit nicht nur für immaterielle, sondern für sämtliche Vermögenswerte und wird wegen ihrer zentralen Bedeutung im Folgenden erläutert: Der Begriff der Verfügungsmacht (control, F.57) entspricht dem des wirtschaftlichen Eigentums im deutschen Bilanzrechtsverständnis. Verfügungsmacht ist gegeben, wenn sich das Unternehmen den künftigen wirtschaftlichen Nutzen aus der zugrunde liegenden Ressource verschaffen und den Zugriff Dritter auf diesen Nutzen verhindern kann (IAS 38.13). Juristische Kriterien wie etwa Verfügungsrechte und zivilrechtliches Eigentum können hier zwar wertvolle Hinweise geben, allein ausschlaggebend ist aber die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Dementsprechend sind unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Gegenstände – wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen – genauso beim Empfänger zu bilanzieren wie als Finanzierungsleasing klassifizierte Sachverhalte beim Leasingnehmer (weiterführend zum Begriff der Verfügungsmacht im IFRS-Verständnis vgl. Matena, Bilanzielle Vermögenszurechnung nach IFRS, Düsseldorf 2004, S. 60 ff.). Das Abstellen auf Ergebnisse von Ereignissen der Vergangenheit verdeutlicht, dass die bloße Absicht, Gegenstände zu erwerben, noch keinen Vermögenswert erzeugt (F.58). Insoweit werden schwebende Geschäfte, solange die Ausgeglichenheitsvermutung greift, nicht bilanziert. Eine Ausnahme besteht für derivative Finanzinstrumente, die bereits bei Vertragsunterzeichnung zu erfassen sind. Der künftige wirtschaftliche Nutzen schließlich ist das zentrale Element der Definition. Mit ihm soll das Potenzial zum Ausdruck kommen, das die Ressource direkt oder indirekt zum Zufluss von Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten beizutragen vermag (F.53). Hierin kommt die anglo-amerikanische Betrachtungsweise zum Ausdruck, wonach es beim Bilanzinhalt auf der Aktivseite weniger auf die derzeitigen Eigenschaften eines Sachverhalts, sondern auf dessen künftige Auswirkungen ankommt. Die drei Merkmale konstituieren die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit. Um zu einem tatsächlichen Bilanzansatz zu kommen, muss auch die sog. konkrete Bilanzierungsfähigkeit des Frameworks vorliegen. Außerdem muss geprüft werden, ob ggf. weitere spezielle Ansatzvoraussetzungen in den einzelnen Standards gefordert werden oder ob diese Aktivierungsverbote enthalten. Diesen Fragen wenden wir uns unter d) und e) zu.
21
2.1
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
b) Abgrenzung immaterieller Vermögenswerte zu anderen Vermögenswerten Da IAS 38 nur die Abbildung immaterieller Sachverhalte zum Gegenstand hat, bemüht sich der Standard um eine Legaldefinition (IAS 38.8) und Beschreibung dessen, was einen immateriellen Vermögenswert (intangible asset) ausmacht:
ein identifizierbarer (identifiable = Abgrenzung zum Goodwill),
nicht monetärer (non-monetary = Abgrenzung zu finanziellen Werten wie Zahlungsmittel, Forderungen, Ausleihungen u.Ä., s. IAS 21.16),
Vermögenswert (asset)
ohne physische Substanz (without physical substance = Abgrenzung zu materiellen Werten).
Zentrales Abgrenzungsmerkmal zu anderen Vermögenswerten ist die Identifizierbarkeit als Abgrenzung zum Goodwill (IAS 38.11). Ohne Identifizierbarkeit wäre ein im Übrigen die Kriterien erfüllender Sachverhalt Bestandteil des Goodwills. Für einen selbst geschaffenen (=originären) Goodwill gilt jedoch ein Ansatzverbot (IAS 38.48), während der derivative, aus einem Unternehmenszusammenschluss entstandene Goodwill aktiviert werden muss (IFRS 3.10) Identifizierbarkeit liegt vor, wenn der Vermögenswert
separierbar ist (= abtrennbar vom Unternehmen) und daher veräußert, vermietet, lizenziert, übertragen oder getauscht werden kann, entweder einzeln oder zusammen mit einem Vertrag, Vermögenswert oder einer Schuld oder
mit einem Recht (Vertrag oder Gesetz) verbunden ist.
Bei einem Einzelerwerb eines immateriellen Vermögenswertes liegt Separierbarkeit wegen des Einzelerwerbs immer vor. Bei einem Unternehmenserwerb sind jedoch Fälle denkbar, in denen das erworbene Unternehmen zwar über Rechte verfügt, diese aber nicht einzeln verwertet werden können (IAS 38.BC10). Auch selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte (z.B. der eigene Internet-Auftritt) können mit einem Recht verbunden sein, ohne dass Separierbarkeit vorliegt. Die übrigen Kriterien sind unproblematisch. Ist der immaterielle Vermögenswert (Computersoftware) mit einem physischen Trägermedium verbunden (DVD), kommt es auf letzteres nicht an.
c) Anwendungsbereich des IAS 38 und Abgrenzung zu anderen Standards IAS 38 ist zwar mit „immaterielle Vermögenswerte“ überschrieben, aber schon in seiner Zielsetzung heißt es, Gegenstand „ist die Regelung der Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte, die nicht in anderen Standards konkret behandelt werden.“ (IAS 38.1). Welche anderen Standards auch immaterielle Vermögenswerte zum Gegenstand haben, wird in IAS 38.2 f. genannt. In der Praxis bedeutsam sind vor allem:
22
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Immaterielle Vermögenswerte, die für den Verkauf im normalen Geschäftsgang vorgesehen sind. Hier sind IAS 2 (Vorräte, z.B. die Massenherstellung von Software) und im Falle von Auftragsfertigung und bei Dienstleistungen IAS 11 (Fertigungsaufträge, z. B. die Ausführung einer kundenspezifischen Entwicklungsleistung) einschlägig.
Die Bilanzierung eines im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses entstandenen Goodwills richtet sich nach IFRS 3.
Werden Geschäftsbereiche aufgegeben, Veräußerungsgruppen gebildet oder sollen bisher nach IAS 38 bilanzierte immaterielle Vermögenswerte veräußert werden und sind die Bedingungen des IFRS 5 erfüllt – das ist im Wesentlichen die konkretisierte Veräußerungsabsicht -, so richtet sich die Bilanzierung dieser Vermögenswerte nach IFRS 5.
Es bestehen branchenspezifische Ausnahmen: Immaterielle Vermögenswerte aus Versicherungsverträgen eines Versicherers unterliegen dem IFRS 4, wohingegen sich die Angabepflichten wiederum nach IAS 38 richten. Ferner ist die Bilanzierung von Abbau- und Schürfrechten sowie die Behandlung von Ausgaben zur Erschließung, Förderung oder Abbau nicht regenerativer Urprodukte (Öl, Gas, Mineralien usw.) aus dem Anwendungsbereich des IAS 38 ausgenommen und durch IFRS 6 geregelt. Bei diesen branchenspezifischen Ausnahmen ist jedoch zu beachten, dass andere (= nicht branchenspezifische) immaterielle Vermögenswerte nach wie vor in den Anwendungsbereich des IAS 38 fallen, also etwa die Software eines Versicherungsunternehmens oder eines Gasförderunternehmens.
Die weiteren, in IAS 38.2 f. genannten Ausnahmen haben klarstellenden Charakter (z. B. Finanzinstrumente nach IAS 39, latente Steuern nach IAS 12).
Im Ergebnis zielt IAS 38 daher auf die Abbildung langfristiger immaterieller Vermögenswerte (immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens).
d) Aktivierungsvoraussetzungen für immaterielle Vermögenswerte Konkret ist aus der Sicht des Frameworks ein Vermögenswert ansatzpflichtig, wenn
es wahrscheinlich ist, dass ein mit dem Posten verknüpfter künftiger wirtschaftlicher Nutzen dem Unternehmen zufließen wird und
dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. der Wert des Postens verlässlich ermittelt werden können (F.83).
Auch diese Framework-Ansatzkriterien werden in IAS 38.21 noch einmal wiederholt, allerdings mit einem im Detail anderen Zungenschlag: Während der künftige Nutzenzufluss lt. F.83 mit dem Posten „associated“ sein muss, soll er nach IAS 38.21a dem Posten „attributable“ sein. Dies deutet einerseits auf eine restriktivere Aktivierungsvoraussetzung als bei materiellen Gütern hin; andererseits unterbleibt eine Aktivierung nicht, wenn der immaterielle Vermögenswert nur zusammen mit anderen Ver23
2.1
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
mögenswerten Nutzenzuflüsse i. S. v. Cashflows generieren kann (IAS 38.60). Im Ergebnis dürften daher keine Unterschiede im Vergleich zu den Aktivierungsvoraussetzungen des Frameworks vorliegen (so auch Küting/ Pilhofer/ Kirchhof, WPg 2002, 73 (75)). Im Übrigen muss ein Vermögenswert nicht unmittelbar Cashflows erzeugen. Ersparte Auszahlungen gelten auch als Nutzenzuflüsse (F.53). Erforderlich ist die verlässliche Kostenermittlung. Bei Einzelanschaffungen gibt es einen Kaufpreis, bei Herstellungsvorgängen muss eine interne Kostenrechnung die Daten liefern, und bei Erwerbsvorgängen, bei denen ein Kaufpreis für eine Vielzahl von Vermögenswerten gezahlt worden ist (z.B. bei einem Unternehmenserwerb), muss ein Einzelwert geschätzt werden. Das allerdings kann aufwändig sein (s. Aufgabe 3.3.1). Die Aktivierungsvoraussetzungen machen insbesondere für immaterielle Vermögenswerte klar: Auch selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte sind grundsätzlich ansatzpflichtig. Allerdings werden hier erhöhte Anforderungen an die Konkretisierung des künftigen Nutzenzuflusses gestellt, damit keine „Luftnummern“ aktiviert werden. Diese erhöhten Anforderungen sind ausführlich Gegenstand der Aufgabe 2.1.2.
e) Prüfung der Aktivierung immaterieller Vermögenswerte (1)
Verwertungsrechte an Star Wash Filmen
Durch den Erwerb der Verwertungsrechte liegen diese in der Verfügungsmacht der Science-Fiction-GmbH. Der Erwerb ist vollzogen (Ereignis der Vergangenheit), und ein künftiger Nutzenzufluss wird erwartet, weil die Investition sonst nicht getätigt worden wäre. Somit liegt ein Vermögenswert und damit abstrakte Bilanzierungsfähigkeit vor. Das Verwertungsrecht (Lizenz) ist identifizierbar. Wegen des Einzelerwerbs ist es separierbar, und es ist sogar mit einem Recht verbunden. Physische Substanz oder ein monetärer Wert sind nicht erkennbar, so dass es sich um einen immateriellen Vermögenswert handelt. Die Science-Fiction-GmbH beabsichtigt eine 20-jährige Nutzung des Verwertungsrechts. Somit liegt ein langfristiger immaterieller Vermögenswert vor, der in den Anwendungsbereich des IAS 38 fällt. Es gibt keinen substantiellen Hinweis auf eine Fehlinvestition. Die Erwerbskosten (85 Mio. €) waren eindeutig ermittelbar. Somit liegen auch die Voraussetzungen der konkreten Bilanzierungsfähigkeit vor. Das Verwertungsrecht ist im langfristigen immateriellen Vermögen der Science-Fiction-GmbH auszuweisen. (2)
Hörspiel Krieg der Welpen – Masterband und Abzüge
Für das Masterband sowie dessen Abzüge liegen ebenfalls die Kriterien für immaterielle (Lösung zu b)) Vermögenswerte (Lösung zu a)) vor. Das Masterband soll langfristig genutzt werden und liegt deshalb im Anwendungsbereich des IAS 38. Die Ab-
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IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
züge hingegen sind für den Verkauf im normalen Geschäftsgang vorgesehen; auf diese ist daher IAS 2 anzuwenden. Im Ergebnis sind die bis Geschäftsjahresende nicht verkauften 5.000 Stück des Hörspiels als fertige Erzeugnisse innerhalb der Vorräte (kurzfristige Vermögenswerte) auszuweisen. Abweichend zur Lösung zu (1) handelt es sich bei dem Masterband um einen selbstgeschaffenen immateriellen Vermögenswert. An dessen Aktivierung sind höhere Anforderungen zu stellen (siehe im Einzelnen Aufgabe 2.1.2). Aus den Angaben zu den Verwertungsmöglichkeiten ergibt sich, dass der künftige Nutzenzufluss unterstellt werden kann. Das Masterband ist zu 600 T€ einzubuchen. (3)
Schulungskosten
Klar ist: Die Schulung stellt ein Ereignis der Vergangenheit dar, aus dem künftiger Nutzen erwartet wird. Weder handelt es sich um eine finanzielle noch materielle Ressource. Sowohl die Kosten als sogar der Nutzen sind klar bestimmbar. Fraglich ist jedoch, ob die Science-Fiction-GmbH die Verfügungsmacht über die Ressource hat. Man könnte diese Frage bejahen, da die Mitarbeiter in ungekündigtem Arbeitsverhältnis zur Science-Fiction-GmbH stehen, und aus der Arbeitsplatzbeschreibung geht gewöhnlich der Aufgabenbereich der Mitarbeiter hervor. Der IASB sieht das jedoch anders: Da Mitarbeiter kündigen könnten, habe der Arbeitgeber keine Verfügungsmacht über das erworbene Know-How der Mitarbeiter, so dass die Vermögenswertdefinition gar nicht vorliegt. Lediglich in dem Fall, dass die Leistungen der Mitarbeiter durch Rechtsansprüche gesichert seien und die übrigen Aktivierungsvoraussetzungen gegeben sind, besteht Aktivierungspflicht (IAS 38.15). Nur durch Absicherung durch Rechtsansprüche, das muss man dem IASB zugestehen, liegt nämlich Identifizierbarkeit vor, denn die Schulungskosten sind eindeutig nicht separierbar, so dass, selbst wenn Verfügungsmacht (abweichend von der IASBAuffassung) vorläge, eine Aktivierung hieran scheitern würde. Eine Absicherung durch Rechtsansprüche könnte erfolgen, wenn die Mitarbeiter im Fall ihrer Kündigung in den beispielsweise nächsten drei Jahren die Schulungskosten zurückerstatten müssten (was allerdins arbeitsrechtlich hoch problematisch ist). In diesem Sonderfall wären die Schulungskosten ggf. zu aktivieren, und zwar m.E. ungeachtet des noch einmal vom IASB formulierten Aktivierungsverbots für Ausgaben im Rahmen von Aus- und Weiterbildungsaktivitäten (IAS 38.69b). (4)
Gründungskosten und Marktstudie
Nach IAS 38.69a unterbleibt explizit sowohl der Ansatz der Gründungskosten als auch der Aufwendungen für die Marktstudie.
f)
Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte
Für die Folgebewertung langfristiger immaterieller Vermögenswerte eröffnet IAS 38.72 das Wahlrecht zwischen
25
2.1
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten („Anschaffungskostenmodell“) und der
Neubewertungsmethode.
Die Anwendung der Neubewertungsmethode hat zur Folge, dass der immaterielle Vermögenswert zum Fair Value angesetzt werden muss mit erfolgsneutraler Gegenbuchung im Eigenkapital (Neubewertungsrücklage) und passiven latenten Steuern. Allerdings darf die Neubewertungsmethode nur angewendet werden, sofern für den zu bewertenden Vermögenswert ein aktiver Markt vorhanden ist, was bei immateriellen Vermögenswerten extrem selten und etwa beim Emissionsrechtehandel in der EU zu beobachten ist (zum Begriff des aktiven Marktes siehe Theile in PiR 2007, 1 (5ff.)). Die Bewertung zu fortgeführten Kosten weist keine Besonderheiten auf. Zu prüfen ist jedoch, ob der immaterielle Vermögenswert eine unbegrenzte Nutzungsdauer aufweist. In diesem Fall kommt eine planmäßige Abschreibung nicht in Betracht. Stattdessen ist jährlich ein Wertminderungstest gem. IAS 36 durchzuführen (IAS 38.108). Als Beispiel für die Durchführung eines Wertminderungstests siehe die folgende Aufgabe 2.1.2.
g) Prüfung der Aktivierung immaterieller Sachverhalte nach BilMoG Bei Fall (1) – dem Erwerb der Verwertungsrechte an den Star Wash Filmen – gäbe es keine abweichende Bilanzierung nach BilMoG. Allerdings wäre auch bereits vor Verabschiedung der HGB-Bilanzrechtsreform entsprechend zu bilanzieren gewesen, da das Aktivierungsverbot des § 248 Abs. 2 HGB a.F. lediglich auf selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände bezogen ist, hier aber ein Erwerb vorliegt. Im Fall (2) allerdings könnte analog zu den IFRS das Masterband als selbsterstellter immaterieller Vermögensgegenstand aktiviert werden, was vor Verabschiedung des BilMoG unzulässig war. Anders als IAS 38 sieht § 248 Abs. 2 S. 1 HGB jedoch ein Aktivierungswahlrecht vor. Eine Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermögensgegenstände kann also auch nach BilMoG unterbleiben. Fall (3) und (4) führen nicht zu Abweichungen zu den IFRS. Nach BilMoG – und auch schon nach HGB a.F. – dürfen Schulungskosten für Mitarbeiter nicht aktiviert werden. Durch die Streichung des § 269 HGB a.F. können nun auch die Aufwendungen für die Marktstudie nicht mehr, wie früher möglich, als Bilanzierungshilfe „Aufwendung für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes“ angesetzt werden. Fazit: In den Fällen (1), (3) und (4) erfolgt die Bilanzierung zwingend analog zu den IFRS und im Fall (2) wahlweise. Literaturempfehlungen: Achleitner/Behr/Schäfer, Internationale Rechnungslegung, 4. Aufl. 2009, S. 91-110; Bieg u.a., Handbuch der Rechnungslegung nach IFRS, 2006, S. 77-82
26
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
zur Aktivierung von Vermögenswerten; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussananlyse, 21. Aufl. 2009, S. 175-190; Heyd/ Lutz-Ingold, Immaterielle Vermögenswerte und Goodwill nach IFRS, 2005, S. 1-50; Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung, 7. Aufl. 2008, S. 279-307.
2.1.2
Selbsterstellte immaterielle Vermögenswerte: Ansatz und Bewertung – „Goaly“
Rechtsquellen: IAS 38, IAS 36 Lernziele: Trennung zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase; Prüfung der Ansatzkriterien für Entwicklungskosten; Beachtung von Prognoserechnungen; außerplanmäßige und planmäßige Abschreibungen; Unterschied zur Steuerbilanz (latente Steuern) Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Die Panther AG, ein Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach, hat sich sehr über den Einsatz des „Flatterfußballs“ eines ihrer Wettbewerber bei der letzten Fußball WM in x0 geärgert. Zur WM x8 möchte man einen eigenen, neuen Fußball ins Rennen schicken. Anfang x4 beginnt man mit dessen Entwicklung (Projektname: „Goaly“); folgende Aufwendungen sind dabei im Zeitablauf angefallen: Tabelle 2-1:
F+E-Aufwendungen für Goaly im Zeitablauf
Nr. Sachverhalt
Datum
T€ 2.350
1
Angewandte Forschung
10.01.x4
2
Suche nach Produktalternativen
25.01.x4
620
3
Test verschiedener Materialien
20.03.x4
2.250
4
Entwurf und Konstruktion eines Prototypen
06.04.x4
6.700
5
Entwurf von Werkzeugen und Fertigungsanlagen
12.06.x4
1.500
6
Revision des Prototypen
15.07.x4
5.600
7
Anpassung des Produktionsverfahrens
25.08.x4
3.100
8
Test des Prototypen
24.10.x4
4.550
9
Ausgaben für Patentierung
10.11.x4
Summe
50 26.720
Die Arbeiten am Konzernabschluss des Geschäftsjahres x4 sind am 18.02.x5 beendet. Die FIFA entscheidet im November x5, welchen Ball sie zur WM x8 einsetzen will. An-
27
2.1
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
gesichts der hohen Ungewissheit, ob Goaly den Zuschlag erhält – seit mehr als 30 Jahren hat zu jeder WM der Wettbewerber den Zuschlag erhalten -, stellt das Management der Panther AG im Januar x5 zwei Absatzszenarien auf. Dabei betragen die vorab vom Vorstand geschätzten Eintrittswahrscheinlichkeiten für die Entscheidung der FIFA pro Goaly 0,3 und 0,7 gegen Goaly. Wegen erforderlicher Umstellungsarbeiten in der Produktion kann mit Herstellung und Absatz von Goaly erst im Januar x6 begonnen werden, wobei sich die Schätzwerte der nachfolgend angegebenen Zahlungsströme der Einfachheit halber jeweils auf das Jahresende beziehen: Tabelle 2-2:
Planung für Goaly-Produktion und -Verkauf x6
x7
x8
FIFA entscheidet sich für Goaly: Absatz in Stück
2.000.000
8.000.000
5.000.000
Preis in €/Stück
40
50
30
Produktionsauszahlungen in €/Stück
40
35
30
Absatz in Stück
1.000.000
3.000.000
300.000
Preis in €/Stück
38
42
33
Produktionsauszahlungen in €/Stück
40
37
33
FIFA entscheidet sich gegen Goaly:
Das Management der Panther AG kalkuliert mit durchschnittlichen Kapitalkosten von 14 %. Aufgabenstellung
a) Begründen Sie: Wann beginnt die Entwicklungsphase i.S.v. IAS 38 für Goaly? b) Begründen Sie, warum im Abschluss per 31.12.x4 Entwicklungskosten dem Grunde nach zu aktivieren sind. Setzen Sie im Zweifel plausible Annahmen.
c) In welcher Höhe sind die Entwicklungskosten per 31.12.x4 im IFRS-Abschluss zu aktivieren? Setzen Sie ggf. latente Steuern an (Steuersatz 30 %).
d) Im November x5 entscheidet sich die FIFA gegen Goaly. Beeinflusst diese Entscheidung den Bilanzansatz per 31.12.x5? Zeigen Sie etwaige Konsequenzen auf!
e) Ermitteln Sie die planmäßigen linearen Abschreibungen über die aktivierten Entwicklungskosten für die Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.x4 beginnen, bis zum Ende der planmäßigen Abschreibungen. Zeigen Sie dabei jeweils die Auflösung der latenten Steuern!
28
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
f)
Diskutieren Sie, ob Ihre Entscheidung zu c) auch anders hätte ausfallen können. Berücksichtigen Sie dabei insbesondere, dass bisher immer der Wettbewerber den Zuschlag erhalten hat.
Lösung
a) Beginn der Entwicklungsphase Im Hinblick auf die Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte ist zwischen der Forschungs- und der Entwicklungsphase zu unterscheiden, weil Kosten der Forschungsphase per se nicht aktiviert werden dürfen. Kosten der Entwicklungsphase müssen hingegen aktiviert werden, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Gem. IAS 38.8 ist Forschung die eigenständige und planmäßige Suche mit der Aussicht, zu neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen zu gelangen. Hierzu gehören gem. IAS 38.56 die angewandte Forschung und die Suche nach Produktalternativen, also die Nr. 1 und 2 aus Tab. 2-1. Entwicklung ist nach IAS 38.8 die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen auf einen Plan oder Entwurf für die Produktion von neuen oder beträchtlich verbesserten Materialien, Vorrichtungen, Produkten, Verfahren, Systemen oder Dienstleistungen. Zur Entwicklung gehören gem. IAS 38.59 die Nr. 4-9 aus Tab. 2-1. Fraglich ist, ob der Test verschiedener Materialien (Nr. 3 aus Tab. 2-1) noch der Forschungs- oder schon der Entwicklungsphase zuzuordnen ist. Hier besteht Beurteilungsspielraum; wir haben den Test verschiedener Materialien bereits der Entwicklungsphase zugeordnet (IAS 38.59d). Damit wird das Aktivierungspotential erhöht und im Fall einer Aktivierung das Jahresergebnis weiter verbessert. Die Entwicklungsphase für Goaly beginnt somit mit Nr. 3 am 10.03.2010. Der Zeitraum davor ist der Forschungsphase zuzuordnen.
b) Ansatzvoraussetzungen für die Entwicklungskosten Für die Aktivierung von Entwicklungskosten müssen sechs Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein (IAS 38.57). Der entsprechende Nachweis hierzu ist im Zuge der Abschlusserstellung zu führen, bei Zwischenabschlüssen also auch unterjährig. Im Beispiel erfolgt die Prüfung auf den 31.12.x4, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Entwicklung bereits abgeschlossen ist. Einige der Kriterien erübrigen sich daher, werden aber trotzdem erläutert:
technische Möglichkeit zur Fertigstellung des immateriellen Vermögenswertes Als Sportartikelhersteller liegt die Entwicklung eines Fußballs im gleichen Geschäftsbereich wie andere Entwicklungen der Panther AG. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass die technischen Möglichkeiten zur Fertigstellung bereits zu Beginn der Entwicklung von Goaly vorhanden sind. Aus Sicht des Bilanzstichtages 31.12.x4 ist die Entwicklung unzweifelhaft erfolgreich abgeschlossen.
29
2.1
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Absicht, den immateriellen Vermögenswert fertig zu stellen, zu nutzen oder zu verkaufen Die Absicht auf zukünftigen Nutzen ist daran zu erkennen, dass mit der Entwicklung begonnen worden ist und Ausgaben getätigt wurden. Ausgaben werden aus kaufmännischer Sicht nur dann getätigt, wenn damit zu rechnen ist, dass ein künftiger Nutzen erwirtschaftet wird. Daher ist dieses Kriterium praktisch sinnlos: Es kann eine gewollte (auch unterjährige) Aktivierung nicht verhindern.
Fähigkeit, den immateriellen Vermögenswert zu nutzen oder zu verkaufen Da die Panther AG ein Sportartikelhersteller ist, gehört der Verkauf von Fußbällen zu ihrem normalen Geschäftsbereich. An der Fähigkeit, Goaly vermarkten zu können, ist nicht zu zweifeln.
Zufluss künftiger finanzieller Mittel/ Nutzen Zur Prüfung dieses Kriteriums sind gem. IAS 38.60 die Grundsätze aus IAS 36 zu verwenden. Es ist demnach über ein DCF-Verfahren der erzielbare Betrag aus der Vermarktung von Goaly zu berechnen. Hierzu sind die künftigen finanziellen Zu- und Abflüsse zu ermitteln und mit den angegebenen 14 % p.a. zu diskontieren. Aus der Prognoseplanung des Managements ergeben sich in Abhängigkeit der beiden Szenarien folgende Barwerte per 31.12.x5: Entscheidung der FIFA für Goaly: 8.000 ( 50 35)
92.336 T €
1,14 2
Hier ist nur das 2. Jahr näher zu betrachten, da im 1. und 3. Jahr der NettoZahlungsstrom gleich null ist. Entscheidung der FIFA gegen Goaly: 1.000 ( 38 40) 1,14 1
3.000 ( 42 37 ) 1,14 2
9.788 T €
Hier sind die beiden ersten Jahre relevant, da im 3. Jahr der Netto-Zahlungsstrom null beträgt und auch hier den Nutzen nicht verändert. In beiden Szenarien wird offensichtlich ein künftiger Nutzenzufluss erwartet, so dass diese Voraussetzung dem Grunde nach erfüllt ist (zum Ansatz der Höhe nach siehe Lösung zu c)).
Verfügbarkeit ausreichender technischer, finanzieller und sonstiger Ressourcen, um die Entwicklung abzuschließen und zur Einsatzbereitschaft zu bringen. Entscheidend ist vor allem, dass die finanziellen Ressourcen ausreichend sind. Dies kann üblicherweise über Finanzpläne dargelegt werden. Da die Entwick-
30
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
lungskosten für Goaly bereits im Jahr x4 geleistet worden sind, ist die Voraussetzung somit erfüllt.
Zuverlässige Bestimmung der Ausgaben während der Entwicklungsphase Die Ausgaben in der Entwicklungsphase lassen sich, wie in der Aufgabenstellung angegeben, eindeutig bestimmen. Im Übrigen gehört dieses Kriterium bereits zu den allgemeinen Ansatzvoraussetzungen des Frameworks (F.83, siehe Aufgabe 2.1.1 d)).
c) Höhe der zu aktivierenden Entwicklungskosten: Bilanzansatz per 31.12.x4 Zu addieren sind zunächst alle Entwicklungsausgaben (Ziffer 3-9): Tabelle 2-3:
Summe der Entwicklungsausgaben für Goaly (T€)
Nr.
Sachverhalt
3
Test verschiedener Materialien
2.250
4
Entwurf und Konstruktion eines Prototypen
6.700
5
Entwurf von Werkzeugen und Fertigungsanlagen
1.500
6
Revision des Prototypen
5.600
7
Anpassung des Produktionsverfahrens
3.100
8
Test des Prototypen
4.550
9
Ausgaben für Patentierung Summe
Betrag
50 23.750
Sodann ist zu prüfen, ob der erwartete künftige Nutzenzufluss über den zu aktivierenden Entwicklungskosten liegt. Welcher Nutzen fließt der Panther AG aus Goaly zu? Hierzu sind die Absatzszenarien heranzuziehen, wobei der Unsicherheit über die beiden möglichen Zukunftslagen über die Bildung eines Erwartungswertes begegnet werden kann, da (subjektive) Wahrscheinlichkeiten vorliegen (IAS 36.A7 ff.). 92.336 0,3 9.788 0,7
27.701 T € 6.852 T €
Erwartungswert
34.553 T €
Der Erwartungswert muss noch um eine Periode auf den 31.12.x5 abgezinst werden; das ergibt 30.310 T€. Diesen Wert dürfen die per 31.12.x5 zu aktivierenden Entwicklungskosten nicht übersteigen. Da der Erwartungswert (30.310 T€) die Entwicklungskosten (23.750 T€) übersteigt, müssen diese in voller Höhe aktiviert werden. Die Gegenbuchung erfolgt im Gesamtkostenverfahren an „andere aktivierte Eigenleistungen“. Beim Umsatzkostenverfahren wäre entsprechend der zuvor erfasste Primäraufwand zu entfernen.
31
2.1
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Die Entwicklungskosten dürfen jedoch in der Steuerbilanz gem. § 5 Abs. 2 EStG nicht aktiviert werden. Damit ist das Vermögen im IFRS-Abschluss um 23.750 T€ größer als das Vermögen in der Steuerbilanz. Es sind gem. IAS 12 passive latente Steuern anzusetzen. Da die Differenz zwischen der Handels- und der Steuerbilanz erfolgswirksam entstanden ist, sind auch die passiven latenten Steuern i.H.v. 23.750 T€ x 0,3 = 7.125 T€ erfolgswirksam zu buchen. Konto immat. Vermögenswert Steueraufwand (latent)
T€
Konto
23.750 an andere aktivierte Eigenleistungen 7.125 an passive latente Steuern
T€ 23.750 7.125
d) Bilanzansatz per 31.12.20x5 Die Entscheidung der FIFA gegen Goaly führt zu einer anderen Absatzprognose, so dass der Vermögenswert wertgemindert sein könnte. Es liegt ein für die Durchführung eines Impairment-Tests, also des Werthaltigkeitstests, auslösendes Ereignis gem. IAS 36.12 vor. Im Übrigen hätte auch ohne FIFA-Entscheidung ein Impairment-Test durchgeführt werden müssen, weil immaterielle Vermögenswerte, die (noch) nicht genutzt werden (s. Lösung zu e)) und deshalb noch nicht planmäßig abgeschrieben werden, jährlich auf Werthaltigkeit zu testen sind (IAS 36.10). Für die Zahlungsströme ist aber nun ausschließlich die Absatzprognose der FIFA-Entscheidung gegen Goaly relevant. Bei diesem Szenario beträgt der Barwert/ Nutzungswert per 31.12.20x5 nur 9.788 T€ (siehe Lösung zu b)). Da jedoch Entwicklungskosten i.H.v. 23.750 T€ aktiviert worden sind, ist eine außerplanmäßige Abschreibung auf den Nutzungswert vorzunehmen. Konto außerpl. Abschreibung
T€
Konto
13.962 an immat. Vermögenswert
T€ 13.962
Da hierdurch die Differenz der Handelsbilanz zur Steuerbilanz gemindert wird, sind passive latente Steuern i.H.v. 13.962 T€ x 0,3 = 4.188 T€ aufzulösen: Konto passive latente Steuern
32
T€
Konto
4.188 an Steuerertrag (latent)
T€ 4.188
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
e) Planmäßige Abschreibungen von Entwicklungskosten Immaterielle Vermögenswerte mit begrenzter Nutzungsdauer werden planmäßig über ihre Nutzungsdauer abgeschrieben. Die Abschreibung beginnt, sobald der Vermögenswert subjektiv genutzt werden kann (IAS 38.97). Das ist ab Januar x6 der Fall. Im Jahr x5 erfolgt demnach noch keine planmäßige Abschreibung, sondern ein Test auf Werthaltigkeit (s. Lösung zu d)). Der Absatz ist vorgesehen für die Jahre x6-x8, die Nutzungsdauer beträgt 3 Jahre. Die lineare Abschreibung beträgt jährlich 3.263 T€ (= 9.788 T€ / 3). Die Vornahme linearer Abschreibungen kann im Beispiel kritisch gesehen werden. Nach IAS 38.97 hat auch bei immateriellen Vermögenswerten die Abschreibungsmethode dem erwarteten Verbrauch des zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens zu entsprechen. Man mag sich auf den Standpunkt stellen, der „erwartete Verbrauch“ sei in den Perioden des höchsten Nutzenzuflusses am höchsten. Das wäre im Beispiel das Jahr x7. Wäre insoweit das Jahr x8 wegen des Nettozuflusses von 0 € gar nicht mehr nutzenstiftend und insoweit einer planmäßigen Abschreibung nicht zugänglich? IAS 38.98 hält ganz viele starke Argumente für eine lineare, ggf. degressive Abschreibung bereit. Die progressive Abschreibung (x6 wenig, x8 viel) wird jedenfalls so gut wie ausgeschlossen. In der Praxis werden immaterielle Vermögenswerte fast ausschließlich linear abgeschrieben. Bestimmt man diese Methode, ergeben sich im Fall in den Jahren x6 bis x8 jeweils folgende Abschreibungen: Konto Abschreibung
T€
Konto
3.263 an immat. Vermögenswert
T€ 3.263
Die verbliebenen passiven latenten Steuern i.H.v. 2.937 T€ (= 7.125 T€ - 4.188 T€) werden über die drei Jahre aufgelöst. Es ergibt sich ein jährlicher Betrag von 979 T€. Konto passive latente Steuer
f)
T€
Konto
979 an Steuerertrag (latent)
T€ 979
Diskussion der Entscheidung zu c)
Gegen die Verwendung des Erwartungswerts sprechen im vorliegenden Fall folgende Gesichtspunkte:
Es liegt keine kontinuierliche, sondern eine diskontinuierliche Wahrscheinlichkeitsverteilung vor („alles oder (fast) nichts“).
33
2.1
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Die Entscheidung der FIFA hängt nicht nur von objektiven Gesichtspunkten (Flugeigenschaften des Goaly), sondern ist in hohem Maße von persönlichen Beziehungen und Loyalitäten zu FIFA-Entscheidungsträgern, der Erwartung der Öffentlichkeit, die an den Ball des Wettbewerbers gewohnt ist, usw. ab.
Diese „weichen“, für den Produkterfolg des „Goaly“ wichtigen Voraussetzungen für den Zuschlag müssen von der Panther AG erst noch geschaffen werden; zugleich ist zu erwarten, dass der Wettbewerber auch nicht schläft, technisch „nachlegt“ und ebenfalls Lobbyarbeit betreibt.
Die Entscheidung der FIFA ist angesichts der Intransparenz der FIFA Entscheidungsprozesse zumindest für die jahrzehntelang nicht zum Zuge gekommene Panther AG durchaus vergleichbar mit der behördlichen Zulassung pharmazeutischer Produkte, bei denen eine Aktivierung von Entwicklungskosten regelmäßig erst mit Zulassung erfolgt (vgl. z.B. Merck KGaA, Geschäftsbericht 2008, S. 85). Daher sprechen im vorliegenden Fall viele Gesichtspunkte dafür, die bloße Aussicht auf eine positive FIFA Entscheidung nicht zu berücksichtigen und stattdessen nur das schlechtere Szenario zugrunde zu legen. Dies entspricht einem wohlverstandenen Vorsichtsprinzip, dass explizit auch in den IFRS bei der Ermessensausübung gilt (F.37). Dieses kommt im Übrigen auch bei der Rückstellungsbildung zum Tragen: Wenn ein erhebliches Risiko besteht, kann die Schätzung des „bestmöglichen Werts“ (IAS 37.36f.) darin bestehen, statt des wahrscheinlichsten Werts (oder Erwartungswerts) den höchsten Wert als Rückstellung anzusetzen (Pawelzik/Theile, in: Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz. 2351).
2.2
Sachanlagen und Anlageimmobilien
2.2.1
Anschaffungskosten einer maschinellen Anlage – Metall AG
Rechtsquellen: IAS 16, § 255 HGB Lernziele: Feststellung der möglichen Übereinstimmung in den Anschaffungskosten nach IFRS und HGB Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Die vorsteuerabzugsberechtigte Metall AG hat Anfang x9 eine Fertigungsanlage bestellt, die am 03.05.x9 zum Preis von 2.975.000 € (inkl. 19 % USt) geliefert worden ist. Bei einer Schlusszahlung innerhalb von 30 Tagen wurde mit dem Verkäufer ein Skonto i.H.v. 1 % vom Nettobetrag vereinbart. Die Metall AG nutzt diese Gelegenheit und zahlt den restlichen Kaufpreis innerhalb der vereinbarten Frist.
34
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Die Transportkosten beliefen sich auf 35.000 € (Netto), außerdem wurde eine Transportversicherung über 2 % des Netto-Kaufpreises vor Skonto abgeschlossen. Um die Anlage in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, musste zunächst ein entsprechendes Fundament errichtet werden. Dies und auch die Aufstellung und Installation der Anlage erfolgten durch eigene Mitarbeiter. Hierbei fielen folgende Kosten an: Materialeinzelkosten 20.000 €, Fertigungseinzelkosten 25.000 €, Sondereinzelkosten 5.000 € sowie allgemeine Verwaltungskosten von 20.000 €. Aufgabenstellung Ermitteln Sie die Anschaffungskosten nach
a) HGB und b) IFRS Lösung
a) HGB Nach HGB sind Anschaffungskosten Aufwendungen, die erforderlich sind, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Anschaffungspreisminderungen sind abzusetzen; hierunter fallen Rabatte, Boni, Skonti und die erstattungsfähige Umsatzsteuer (§ 255 Abs. 1 HGB). Die Umsatzsteuer darf nicht in die Anschaffungskosten miteinbezogen werden, soweit sie, wie hier, im Rahmen des Vorsteuerabzuges gem. § 15 UStG geltend gemacht werden kann. Es handelt sich bei der Vorsteuer um einen Anspruch gegenüber dem Finanzamt, so dass ein Anschaffungsaufwand des Erwerbers entfällt. Der Kaufpreis abzüglich der Umsatzsteuer beträgt 2.500.000 €, der um den Skontobetrag von 25.000 € (1 % vom Nettokaufpreis) gemindert wird. Anschaffungsnebenkosten werden gem. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB ausdrücklich zu den Anschaffungskosten hinzugerechnet. Hierbei handelt es sich um Aufwendungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Erwerb des Vermögensgegenstandes oder mit der Herstellung eines betriebsbereiten Zustands anfallen. Dabei müssen die aktivierungsfähigen Anschaffungsnebenkosten dem angeschafften Vermögensgegenstand als Einzelkosten zurechenbar sein. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss das Verbot der Aktivierung von Anschaffungsgemeinkosten. Die Transportkosten i.H.v. 35.000 € und die Transportversicherung über 50.000 € gehören zu den externen Anschaffungsnebenkosten und sind dem Vermögensgegenstand einzeln zurechenbar.
35
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Bei den Aufstellungs- und Fundamentierungskosten, die als Kosten der Versetzung in den betriebsbereiten Zustand auch zu den Anschaffungsnebenkosten gehören, werden aufgrund der direkten Zurechenbarkeit nur die Materialeinzelkosten 20.000 €, Fertigungseinzelkosten 25.000 € und die Sondereinzelkosten 5.000 € aktiviert. Für die allgemeinen Verwaltungskosten gilt ein Aktivierungsverbot. Es ergeben sich folgende Anschaffungskosten: Tabelle 2-4:
Anschaffungskosten der Fertigungsanlage nach HGB
Bezeichnung
€
Kaufpreis der Fertigungsanlage
2.975.000
Umsatzsteuer 19 %
- 475.000
Skonto 1 % vom Nettobetrag
- 25.000
Transportkosten
+ 35.000
Transportversicherung
+ 50.000
Materialeinzelkosten
+ 20.000
Fertigungseinzelkosten
+ 25.000
Sondereinzelkosten Anschaffungskosten
+ 5.000 2.610.000
b) IFRS Sachanlagen sind gemäß IAS 16.15 bei erstmaligem Ansatz mit ihren Anschaffungsoder Herstellungskosten zu bewerten. Laut IAS 16.16 umfassen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer Sachanlage
den Kaufpreis einschließlich Einfuhrzölle und nicht erstattungsfähiger Umsatzsteuern nach Abzug von Rabatten, Boni und Skonti,
alle direkt zurechenbaren Kosten, die anfallen, um den Vermögenswert zu dem Standort und in den erforderlichen, vom Management beabsichtigten betriebsbereiten Zustand zu bringen und
als Rückstellung passivierte Entsorgungsverpflichtungen.
Die Anschaffungskosten der Fertigungsanlage ermitteln sich nach IAS 16.16 ff., demnach werden Skonto und Umsatzsteuer vom Kaufpreis abgesetzt (IAS 16.16a). Die Ausgaben in Zusammenhang mit dem Transport sowie die Material-, Fertigungsund Sondereinzelkosten, die bei der Aufstellung und Installation der Anlage anfallen, können der Fertigungsanlage direkt zugerechnet werden (IAS 16.16b) und sind folglich in die Anschaffungskosten einzubeziehen. Dagegen bleiben die Verwaltungskosten i.H.v. 20.000 € gemäß IAS 16.19d explizit außer Ansatz. Es ergeben sich somit keine Unterschiede zur HGB-Lösung unter a).
36
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.2.2
Einzelfragen der Anschaffungs- und Herstellungskostenermittlung – B. Schaff GmbH
Rechtsquellen: IAS 16, IAS 20, IAS 23, IAS 37 Lernziele: Welche Regelungen beziehen sich auf die Anschaffungs- und Herstellungskostenermittlung; Diskussion von Wahlrechten und Ermessensspielräumen. Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Die mittelständische B. Schaff GmbH, Bremen, produziert Maschinenteile für den Schiffbau und gehört zu den drei Weltmarktführern in diesem Bereich. Um sich besser mit den Wettbewerbern aus Korea und Japan vergleichen zu können, erwägt die Geschäftsführung die Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS. Da die B. Schaff GmbH derzeit kräftig expandiert und erhebliche Investitionen durchführt, möchte man sich über deren bilanzielle Abbildung in einem möglichen IFRSAbschluss im Klaren werden. Als Praktikant der B. Schaff GmbH sind Sie in diese Vorüberlegungen einbezogen. Aufgabenstellung Ermitteln Sie für die folgenden Sachverhalte die Anschaffungs- und Herstellungskosten für einen Abschluss in x2 nach IFRS. Sollten Wahlrechte oder Ermessensspielräume vorliegen, so diskutieren Sie die Vor- und Nachteile der einen wie der anderen Alternative. Entscheiden Sie sich dann für jene Vorgehensweise, die das Bilanzbild für x2 im Hinblick auf Jahresergebnis und/oder Eigenkapital verbessert. Verdeutlichen Sie Ihre Ausführungen durch Angabe der IFRS-Buchungssätze. Skizzieren Sie zur Abrundung kurz die jeweiligen HGB- und steuerrechtlichen Regelungen. Kann es zum Ansatz latenter Steuern kommen?
a) Ende x2 wird eine schlüsselfertig für 5 Mio. € angeschaffte und bis zum Bilanzstichtag bezahlte Containerabfertigungsanlage in Betrieb genommen. Das Logistik-Programm der EU fördert solche Investitionen mit 20 % der Investitionssumme. Rechtsanspruch auf die Förderung besteht, wenn die einzige Bedingung - die Inbetriebnahme der Anlage – erfüllt ist. Daher hat die Geschäftsführung schon im Sommer in Brüssel entsprechende Fördermittel beantragt und später auch die Inbetriebnahme der Anlage angezeigt. Jedoch liegt weder bei Bilanzaufstellung der Bewilligungsbescheid vor, noch ist das Fördergeld bereits geflossen.
b) Schon in x1 wurde eine Stanzmaschine zum Anschaffungspreis von 2 Mio. € bestellt und zur Hälfte des Preises vorfinanziert. Bis zur Lieferung der Maschine ein Jahr später – der Restkaufpreis wurde sofort bezahlt – sind Zinskosten aus der Vorfinanzierung in Höhe von 60 T€ angefallen, die sich auch zahlungswirksam jeweils hälftig auf x1 und x2 aufteilen.
37
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
c) Im angemieteten New Yorker Vertriebsbüro der B. Schaff GmbH wurden Einbauten i.H.v. 500 T€ selbst vorgenommen. Nach Ablauf des Mietvertrages – in 10 Jahren – müssen die Einbauten gem. Mietvertrag wieder entfernt werden. Den Barwert der künftigen Ausbaukosten schätzt man auf 200 T€. Die B. Schaff GmbH stellt ihre Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren auf.
d) Auf dem Bremer Werksgelände befindet sich eine Gleisanlage für interne Transporte in Schmalspur. Von der deutschen Bahn konnten einige gebrauchte und voll funktionsfähige Güterwaggons in Normalspur zum Preis von 1 Mio. € erworben werden. Bis zum Bilanzstichtag sind die Waggons mit eigenem Personal bereits auf Schmalspur umgebaut worden. Insgesamt fielen dabei Einzelkosten von 600 T€ und angemessene Gemeinkosten von 300 T€ an.
e) In x2 hat die B. Schaff GmbH in der Beschaffungsabteilung die Prozesskostenrechnung eingeführt, um Transparenz in diesem Gemeinkostenblock zu schaffen. Seither ist es möglich, für jeden Beschaffungsvorgang die jeweiligen internen Kosten bestimmen zu können. Sind diese Kosten als Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren (keine Angabe von Buchungssätzen)? Lösung
a) Investitionszuschuss Die beantragten Fördermittel sind als Zuwendungen der öffentlichen Hand Gegenstand des IAS 20. Erfassungspflichtig ist die Zuwendung genau dann, wenn angemessene Sicherheit dafür besteht, dass
das Unternehmen die mit der Zuwendung verbundenen Bedingungen erfüllen wird und
die Zuwendungen gewährt werden (IAS 20.7).
Die Bedingung, nämlich die Inbetriebnahme der Containerabfertigungsanlage, ist bereits erfüllt. Da überdies ein Rechtsanspruch auf die Förderung besteht, kann nicht daran gezweifelt werden, dass die Zuwendung auch gewährt wird: Die B. Schaff GmbH ist schließlich für die Verzögerung im Brüsseler Verwaltungsapparat nicht verantwortlich. Zur bilanziellen Abbildung von Zuwendungen, die – wie hier - zu Investitionszwecken (Anschaffung, Herstellung) gewährt werden und deren Zweckbindung mit der Durchführung erfüllt wird, bestehen folgende Möglichkeiten: Die Zuwendungen dürfen
entweder von den Anschaffungskosten abgesetzt oder
in einen besonderen Passivposten eingestellt werden (IAS 20.24).
38
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Bei der Bildung eines Passivpostens ist dieser über die Nutzungsdauer des Vermögenswerts erfolgswirksam aufzulösen. Daher haben beide Alternativen die gleichen Erfolgswirkungen. Wird ein gesonderter Passivposten gebildet, dann erhöht sich jedoch die Bilanzsumme und es mindert sich die Eigenkapitalquote. Besteht Interesse an einer hohen Eigenkapitalquote, ist der Zuschuss demnach von den Anschaffungskosten abzusetzen. Dieses Interesse ist lt. Aufgabenstellung hier zu unterstellen. Dann ist zu buchen: Konto
T€
Konto
T€
Containerabfertigungsanlage
5.000 an Bank
5.000
sonstige Forderung
1.000 an Containerabfertigungsanlage
1.000
Bei einer Bilanzierung nach HGB sind ebenfalls die beiden oben genannten Möglichkeiten zulässig. Außerdem darf, anders als nach IAS 20, der Zuschuss sofort erfolgswirksam erfasst werden. Steuerrechtlich kommt die passive Abgrenzung jedoch nicht in Betracht (R 6.5 EStR 2008). Wird der Zuschuss von den Anschaffungskosten abgesetzt, besteht insoweit Übereinstimmung zwischen den drei Rechenwerken.
b) Zinskosten bei Anschaffungsvorgängen Für die Abbildung von Fremdkapitalkosten besteht der Grundsatz, sie als Aufwand zu erfassen (IAS 23.1). Abweichend hiervon sind Fremdkapitalkosten, die direkt dem Erwerb, dem Bau oder der Herstellung eines qualifizierten Vermögenswertes zuzuordnen sind, als Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieses Vermögenswertes zu aktivieren. Qualifizierte Vermögenswerte sind solche, die einen längeren (beträchtlichen) Zeitraum der Anschaffung oder Herstellung beanspruchen (IAS 23.5). Das kann bei einem Zeitraum zwischen Bestellung und Lieferung von rund einem Jahr – wie im vorliegenden Fall - bejaht werden. Die Aktivierung beginnt, sobald Ausgaben für den Vermögenswert und Aufwendungen für die Fremdfinanzierung anfallen und mit den erforderlichen Aktivitäten zur Anschaffung oder Herstellung des Vermögenswerts begonnen worden ist (IAS 23.17 ff.), hier also bereits im Jahr x1. In x1 wird gebucht: Konto geleistete Anzahlung
T€
Konto
T€
1.000 an Bank
1.000
Zinsaufwand
30 an Bank
30
geleistete Anzahlung
30 an Zinsaufwand
30
39
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Bei Zugang der Stanzmaschine in x2 ist zu buchen: Konto
T€
Zinsaufwand
30 an Bank
30
2.060 an Bank
1.000
Stanzmaschine
Konto
an geleistete Anzahlung an Zinsaufwand
T€
1.030 30
Nach dem Gesetzeswortlaut können nach HGB (und in der Steuerbilanz) nur bei Herstellungsvorgängen unter bestimmten Voraussetzungen Fremdkapitalkosten aktiviert werden (§ 255 Abs. 3 HGB). Im IFRS-Abschluss und in der Steuerbilanz ergeben sich dann unterschiedliche Bilanzwerte für die Stanzmaschine, so dass der Ansatz (passiver) latenter Steuern zu prüfen ist. Entgegen dem Gesetzeswortlaut wird im Schrifttum die Einbeziehung von Fremdkapitalzinsen in die Anschaffungskosten jedoch auch z.T. für zulässig gehalten (hierzu und im Ergebnis ablehnend Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 10. Aufl. 2009, S. 193).
c) Abbauverpflichtungen Für die Mietereinbauten besteht eine vertragliche Abbauverpflichtung, die in Höhe des besten Schätzwertes als Rückstellung (IAS 37) passiviert werden muss, und zwar bereits dann, wenn sie entstanden ist. Aufgrund der Laufzeit ist die Rückstellung zum Barwert anzusetzen. Es entspräche aber nicht dem Periodisierungsprinzip, wenn das Jahr der Entstehung der Verpflichtung in voller Höhe mit Aufwand belastet werden würde. Daher sind als Rückstellung passivierte Entsorgungsverpflichtungen für Sachanlagen den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlagen hinzuzurechnen (IAS 16.16c). Die Rückstellung wird insoweit erfolgsneutral gebildet. Die Aufwandswirkung entfaltet sich durch die Abschreibung des aktivierten Vermögenswerts. Dieser Regelung kann auch nicht die Aktivierungskonzeption in den IFRS – künftige Nutzenzuflüsse – entgegengehalten werden. Immerhin ist eine Investition in eine abbaupflichtige Anlage nur dann lohnend, wenn sie nicht nur die Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern auch die Abbaukosten einspielt. Rationales Handeln unterstellt, muss der künftige Nutzenzufluss daher höher sein als die Investitionssumme zuzüglich der geschätzten Abbauausgaben. Da die B. Schaff GmbH die Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren aufstellt und die Mietereinbauten selbst durchgeführt hat, ist wie folgt zu buchen:
40
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Konto
T€
Konto
T€
diverse Aufwendungen
500 an diverse Aktiva/Passiva
500
andere Anlagen
700 an andere aktivierte Eigenleistung
500
an sonstige Rückstellung
200
Nach HGB und Steuerrecht ist die Abbauverpflichtung stattdessen ratierlich und aufwandswirksam anzusammeln (Ansammlungsrückstellung), wodurch sich eine mit IFRS durchaus vergleichbare Aufwandswirkung ergibt. Allerdings ergeben sich Unterschiede in der Bewertung und damit auch im jährlich zu verteilenden Aufwand:
Nach IFRS und nach HGB idF BilMoG sind die zu schätzenden Wertverhältnisse des Erfüllungstages relevant, wohingegen für die Steuerbilanz erwartete Preisund Kostensteigerungen nicht berücksichtigt werden dürfen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f) EStG).
In allen drei Rechenwerken ist die Rückstellung abzuzinsen. Nach IAS 37.45 ist ein laufzeitadäquater Stichtagszins zu verwenden, nach § 253 Abs. 2 HGB der von der Deutschend Bundesbank zur Verfügung gestellte laufzeitadäquate Durchschnittszins und nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG ein Zins von 5,5 %.
In der Praxis ist die Rückstellung in der Steuerbilanz daher regelmäßig niedriger als nach IFRS bzw. HGB, so dass es insoweit zu aktiven latenten Steuern kommen kann.
d) Anschaffungsnebenkosten Fraglich ist, ob und ggf. in welchem Umfang die für den Umbau angefallenen Kosten zusätzlich zum Anschaffungspreis der Güterwaggons als Bestandteil der Anschaffungskosten zu aktivieren sind. Gem. IAS 16.16b sind alle direkt zurechenbaren Kosten, die anfallen, um den Vermögenswert in den vom Management beabsichtigten betriebsbereiten Zustand zu versetzen, als Bestandteil der Anschaffungskosten anzusehen (Anschaffungsnebenkosten). Bei den Güterwaggons kommt es also nicht auf die objektive Nutzbarkeit an – die läge ja vor, da die Waggons auf Normalspur fahren würden -, sondern einzig auf die subjektive Nutzbarkeit: Erst nach Umbau ist der vom Management beabsichtigte betriebsbereite Zustand erreicht. Daher sind die Umbaukosten dem Grunde nach zu aktivieren. Unstrittig müssen die Einzelkosten (600 T€) aktiviert werden. Darüber hinaus sind auch variable Gemeinkosten, die einer Zeit- oder Mengenschlüsselung zugänglich sind, grundsätzlich zu aktivieren, wohingegen die Zurechnung fixer Gemeinkosten in der Literatur überwiegend abgelehnt wird. Dagegen könnte man jedoch vorbringen, dass in den IFRS Anschaffungs- und Herstellungskosten nach denselben Grundsätzen ermittelt werden sollen. Die Umbaukosten fallen intern an; wäre ein ganzer Güterwaggon selbst hergestellt worden, so wären nach h.M. die fixen Gemeinkosten zu aktivieren. 41
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Mit welcher Begründung sollte etwas anderes gelten, wenn nur ein Teil des Waggons selbst erstellt wird? In der Aufgabenstellung ist offen gelassen worden, ob es sich um variable oder fixe Gemeinkosten handelt. Hier soll, vorbehaltlich möglicher anderer Auffassungen, eine Vollzurechnung der Gemeinkosten vorgenommen werden. Es ergibt sich folgende Buchung: Konto Güterwaggons
T€
Konto
1.000 an Bank
T€ 1.000
diverser Aufwand
900 an diverse Aktiva/Passiva
900
Güterwaggons
900 an andere aktivierte Eigenleistung
900
Nach § 255 HGB sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzten, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Es gilt auch hier der Begriff der subjektiven Betriebsbereitschaft, so dass die 600 T€ Einzelkosten aktiviert werden müssen. Seit der Neufassung des § 255 Abs. 2 HGB sind auch die – variablen oder fixen - Gemeinkosten zu aktivieren. Es besteht daher Übereinstimmung zwischen HGB und IFRS.
e) Aktivierung interner Beschaffungskosten Durch die Prozesskostenrechnung kann jeder Beschaffungsvorgang verursachungsgerecht mit seinen internen Beschaffungskosten (Verwaltungskosten) belastet werden. Fraglich ist, ob diese Kosten in die Anschaffungskosten nach IFRS einzubeziehen sind. Einzubeziehen sind nach IAS 16.16b alle „direkt zurechenbaren Kosten, die anfallen, um den Vermögenswert zu dem Standort … zu bringen“. Soweit also die Beschaffungskosten als direkt zurechenbar zu qualifizieren sind, wären sie hiernach einbeziehungspflichtig. Auf der anderen Seite gehören Verwaltungs- und andere Gemeinkosten (also z.B. Beschaffungskosten) explizit nicht zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten (IAS 16.19d). Zunächst ist zu klären: Was sind direkt zurechenbare Kosten i.S.v. IAS 16? Der Standard definiert diesen Passus nicht und enthält sich auch darüber hinaus – ähnlich wie auch das HGB – eines tieferen Exkurses in die Kostenrechnung. Versteht man unter direkt zurechenbaren Kosten ausschließlich Einzelkosten nach herkömmlichem Verständnis (Kosten werden zu Einzelkosten, wenn Sie einem Kostenträger über die Maßeinheit Zeit oder Menge unmittelbar zugeordnet werden können), käme eine Aktivierung wohl nicht in Betracht. Auf der anderen Seite behandelt IAS 16 die Anschaffungsund Herstellungsvorgänge gemeinsam, und bei Herstellungsvorgängen wird explizit auf die Grundsätze des IAS 2 (für Vorräte) verwiesen (IAS 16.22; und zwar auch dann,
42
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
wenn Einzelanlagen nicht zugleich für den externen Verkauf vorgesehen sind, siehe z.B. Tanski, Sachanlagen nach IFRS, 2005, S. 17). Dieser Standard erlaubt aber die Aktivierung von nicht produktionsbezogenen Gemeinkosten (IAS 2.15: „kann es sachgerecht sein“). Erkennbar soll in der Frage der Kostenzuordnung nach den IFRS kein Unterschied zwischen Anschaffungs- und Herstellungsvorgängen gemacht werden. Folgt man dieser Auffassung, sind die über die Prozesskostenrechnung verursachungsgerecht verteilten Gemeinkosten als direkt zurechenbar anzusehen. Auf der anderen Seite setzt die Aufschlüsselung dieser herkömmlichen Gemeinkosten jedoch ein entsprechend eingerichtetes internes Rechnungswesen voraus. Zudem werden die Beschaffungskosten häufig nicht wesentlich sein. Damit lässt sich in dieser Detailfrage von einem faktischen Wahlrecht sprechen (zu Einzelheiten und – anders als hier – zur Begründung eines Aktivierungsverbots vor allem Hoffmann, PiR 2007, 27 ff.).
2.2.3
Planmäßige Abschreibungen einer maschinellen Anlage – Metall AG (2)
Rechtsquellen: IAS 16, § 253 I, II HGB; §§ 5 I, 7 II, III EStG Lernziele: Erstellung von Abschreibungsplänen; Unterschied zwischen degressiver und linearer Abschreibung; latente Steuern auf Abschreibungsdifferenzen Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Die in Aufgabe 2.2.1 angeschaffte Fertigungsanlage wird im Juni montiert und sofort bei Erlangung des betriebsbereiten Zustands am 01.07.x9 in den Fertigungsprozess der Metall AG integriert. Zur Erinnerung: Die Anschaffungskosten beliefen sich auf 2.610.000 €, und zwar sowohl nach HGB als auch nach IFRS. Laut steuerlicher AfATabelle liegt die Nutzungsdauer der Fertigungsanlage bei 8 Jahren. Dies entspricht auch der tatsächlich erwarteten Nutzungsdauer bei der Metall AG. Die Maschine soll gleichmäßig genutzt werden; erwartet wird ein stetiger Wertverzehr. Aufgabenstellung
a) Erstellen Sie die Abschreibungspläne nach HGB und Steuerbilanz (steuerliches Ziel: zunächst niedrige Jahresergebnisse).
b) Erstellen Sie einen Abschreibungsplan nach IFRS. c) Ermitteln Sie die latenten Steuern bei einem Steuersatz von 30 % und tragen Sie die Werte in die folgende Tabelle ein.
43
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-5: Jahr
Ermittlung latenter Steuern (in €), Aufgabenblatt Restbuchwert
Mehrvermögen
Passive
St.Aufwand(+)
Steuerbilanz IFRS Bilanz
IFRS Bilanz
lat. St.
St.Ertrag(-)
x9 x10 x11 x12 x13 x14 x15 x16 x17
Lösung
a) Erstellung Abschreibungspläne Bei Sachanlagen, deren Nutzung im Unternehmen zeitlich begrenzt ist, werden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht im Jahr der Anschaffung/Herstellung komplett als Aufwand gebucht, sondern anteilig durch planmäßige Abschreibungen (§ 253 Abs. 3 HGB) auf die Jahre der voraussichtlichen Nutzung verteilt. Damit wird der Werteverzehr/Wertverlust des Vermögensgegenstandes den positiven Effekten aus der Nutzung gegenübergestellt. Das Handelsrecht gibt keine Abschreibungsmethode vor. Demnach kommen u.a. Methoden wie degressive, lineare, progressive oder Leistungsabschreibung in Betracht. Außerdem sind auch Mischformen der oben genannten Methoden, z.B. degressivlineare Abschreibung, zulässig. Die Abschreibungsmethode ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung willkürfrei zu bestimmen. Daher ist die Methode zu wählen, die den tatsächlichen Verlauf des Wertverzehrs widerspiegelt und nicht im Widerspruch zum Gebot der periodengerechten Aufwandsverteilung nach § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB steht (Kozikowski/Roscher/Schramm in Beck’scher Bilanzkommentar, 7. Aufl. 2010, § 253 HGB, Rz. 239). Die Wahl der Abschreibungsmethode als mögliches Instrument der Bilanzpolitik wird insoweit eingeschränkt. Sie ist von der Schätzung des Kaufmanns über die künftige Nutzenabgabe der Sachanlage und damit von einer Ermessensentscheidung abhängig. Gemäß Aufgabenstellung wird eine über die Jahre gleichmäßige Nutzung erwartet, so dass lediglich die lineare Abschreibung in Betracht kommt. Die Abschreibung muss über die voraussichtliche Nutzungsdauer erfolgen, welche unter Berücksichtigung von physischem Verschleiß, technischer Veralterung und
44
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
rechtlichen Beschränkungen zu schätzen ist. Im vorliegenden Fall wird eine Nutzungsdauer von 8 Jahren erwartet. Die Abschreibung beginnt, sobald der Vermögensgegenstand bestimmungsgemäß genutzt werden kann. Somit muss hier der 01.07.x9 als Abschreibungsbeginn herangezogen werden. Tabelle 2-6: Jahr
Abschreibungsplan HGB-Bilanz (in €) Buchwert zu Jahresbeginn
Abschreibung
Buchwert zum Jahresende
x9
2.610.000
163.125
2.446.875
x10
2.446.875
326.250
2.120.625
x11
2.120.625
326.250
1.794.375
x12
1.794.375
326.250
1.468.125
x13
1.468.125
326.250
1.141.875
x14
1.141.875
326.250
815.625
x15
815.625
326.250
489.375
x16
489.375
326.250
163.125
x17
163.125
163.125
0
Steuerrechtlich sind grundsätzlich lineare, degressive oder degressiv-lineare Abschreibungen und – bei Nachweis der Nutzenabgabe – auch die Leistungsabschreibung zulässig. Aus § 7 Abs. 2 EStG ergeben sich gesetzliche Höchstgrenzen für die geometrisch-degressive Abschreibung. Demnach darf der Abschreibungssatz für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31. Dezember 2008 und vor dem 1. Januar 2011 angeschafft oder hergestellt worden sind, höchstens 25 % des Buchwertes zu Beginn des jeweiligen Geschäftsjahres betragen, maximal aber das Zweieinhalbfache des linearen Abschreibungssatzes. Es sei hier davon ausgegangen, dass x9 in diesen Zeitraum fällt. Da laut Aufgabenstellung steuerlich zunächst niedrige Jahresergebnisse erzielt werden sollen, ist im vorliegenden Fall die degressive Methode (Abschreibungssatz i.H.v. 25 %) mit späterem Übergang zur linearen Methode optimal. Fraglich ist jedoch, ob die Bestimmung der Methode in der Handelsbilanz auch jene für die Steuerbilanz determiniert. In der Vergangenheit war das wegen der umgekehrten Maßgeblichkeit der Fall. Wegen der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit durch die Neufassung des § 5 Abs. 1 S. 1 EStG im Zuge des BilMoG 2009 kann die Abschreibungsmethode in der Steuerbilanz jedoch unabhängig von der in der Handelsbilanz angewandten Methode gewählt werden (Entwurf BMF-Schreiben v. 12.10.2009, IV C 6 – S 2133/09/10001, Tz. 10; hierzu Theile, Totenglocken für das Maßgeblichkeitsprinzip, DStR 2009, 2384). Erforderlich ist dann, ein besonderes steuerliches Verzeichnis für das Wirtschaftsgut zu führen (§ 5 Abs. 1 S. 2, 3 EStG).
45
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Der Zustand der Betriebsbereitschaft wird am 01.07.x9 erreicht. Somit darf für das Jahr x9 lediglich der Werteverzehr für 6 Monate als Aufwand erfasst werden. Der Abschreibungsbetrag ergibt sich für das Jahr x9 wie folgt: 2.610.000 € 0,25
6 326.250 € 12
Der vergleichbare lineare Satz beträgt: 2.610.000 € 6 163.125 € 8 ( ND) 12
Æ das Zweieinhalbfache: 407.812,5 €
Es werden 326.250 € in x9 abgeschrieben. Die „reine“ degressive Methode führt nie zu einer vollständigen Abschreibung auf den Wert „0“. Um die vollständige Abschreibung zu erreichen, muss daher von der geometrisch-degressiven zur linearen Abschreibung gewechselt werden. Der Wechsel wird in dem Jahr vollzogen, in dem die lineare Abschreibung erstmals einen höheren Betrag als die geometrisch-degressive aufweist. Bei der Berechnung der linearen Abschreibung ist dabei jeweils der Restbuchwert zu Beginn des Jahres und die verbleibende Nutzungsdauer zu berücksichtigen. Das führt zu folgendem Abschreibungsplan: Tabelle 2-7: Jahr
Abschreibungsplan Steuerbilanz (in €)
Buchwert zu Jahresbeginn
Abschreibung degressiv
linear
Verwendete Buchwert zu Abschreibung Jahresende
x9
2.610.000
326.250
163.125
degressiv
2.283.750
x10
2.283.750
570.938
304.500
degressiv
1.712.812
x11
1.712.812
428.203
263.510
degressiv
1.284.609
x12
1.284.609
321.152
233.565
degressiv
963.457
x13
963.457
240.864
214.102
degressiv
722.593
x14
722.593
180.648
206.455
linear
516.138
x15
516.138
129.035
206.455
linear
309.683
x16
309.683
77.421
206.455
linear
103.228
x17
103.228
25.807
103.228
linear
0
Erst ab x14 führt die lineare Abschreibung zu höheren Werten als die degressive. In diesem Jahr ist die Abschreibungsmethode umzustellen.
46
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
b) Erstellung des Abschreibungsplans nach IFRS Für die Folgebewertung von Sachanlagen sieht IAS 16 ein Wahlrecht zwischen dem Anschaffungskosten- und Neubewertungsmodell vor. Im Rahmen des Anschaffungskostenmodells erfolgt die Folgebewertung zu fortgeführten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. Auf das Neubewertungsmodell wird an dieser Stelle nicht eingegangen (siehe Aufgabe 5.2.2 c)). Gemäß IAS 16.60 hat die vom Unternehmen zu bestimmende Abschreibungsmethode – wie nach HGB – dem erwarteten Verlauf der künftigen Nutzenabgabe zu entsprechen. Folgerichtig gibt der Standard keine Methode vor, sondern nennt in IAS 16.62 nur einige Beispiele, etwa die lineare, die geometrisch-degressive oder die leistungsabhängige Abschreibung. Wegen der gleichmäßigen Nutzenabgabe ist die lineare Abschreibung zu bestimmen. Es ergeben sich daher keine Abweichungen zum Handelsrecht (vgl. HGBAbschreibungsplan unter a)).
c) Ansatz latenter Steuern Ergeben sich Bewertungsdifferenzen von Vermögenswerten und Schulden in einem IFRS-Abschluss (oder einem HGB-Abschluss) zu entsprechenden steuerlichen Wertansätzen (tax base, Steuerwert), kommt grundsätzlich der Ansatz latenter Steuern in Betracht. Bewertungsdifferenzen im Anlagevermögen entstehen generell durch unterschiedliche
Anschaffungs- und Herstellungskosten,
Abschreibungsmethoden und/ oder
Nutzungsdauern,
hier also durch die Abschreibungsmethoden. In jeder Periode ergibt sich in der HGB/IFRS-Bilanz ein Mehrvermögen im Vergleich zur Steuerbilanz. Dieses wird handelsrechtlich und im IFRS-Abschluss bereits mit 30 % versteuert, so dass nach § 274/IAS 12 passive latente Steuern zu bilden sind. Ab dem Jahr x12 mindert sich das Mehrvermögen, so dass die tatsächliche Steuerwirkung eintritt. Die passiven Steuerlatenzen sind allmählich aufzulösen, es werden (latente) Steuererträge gebucht.
47
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-8: Jahr
Ansatz latenter Steuern (in €), Lösung Restbuchwert
Mehrvermögen
Passive
St.Aufwand(+)
Steuerbilanz HGB/IFRS
HGB/IFRS
Lat.St.
St.Ertrag(-)
x9
2.283.750
2.446.875
163.125
48.938
48.938
x10
1.712.812
2.120.625
407.813
122.344
73.406
x11
1.284.609
1.794.375
509.766
152.930
30.586
x12
963.457
1.468.125
504.668
151.400
-1.529
x13
722.593
1.141.875
419.282
125.785
-25.616
x14
516.138
815.625
299.487
89.846
-35.939
x15
309.683
489.375
179.692
53.908
-35.939
x16
103.228
163.125
59.897
17.969
-35.939
x17
0
0
0
0
-17.969
Literaturempfehlungen: Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 10. Aufl. 2009, S. 248 - 268 und S. 292-294; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 21. Aufl., Stuttgart 2009, S. 154 - 160; Tanski, Sachanlagen nach IFRS, München 2005, S. 5585.
2.2.4
Qualifizierte Vermögenswerte: Aktivierung von Fremdkapitalkosten – BauGut AG
Rechtsquellen: IAS 16, IAS 23 Lernziele: Bewertung von qualifizierten Vermögenswerten, Aktivierung von Zinskosten Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Die BauGut AG, ein Immobilienunternehmen aus dem Rheinland, beauftragt einen Generalunternehmer (mit dem man schon seit vielen Jahren vertrauensvoll zusammenarbeitet) für einen Festpreis von 1,9 Mio. € mit dem Bau eines neuen Bürogebäudes zur Selbstnutzung durch die BauGut AG. Der erste Spatenstich ist für Februar x3 geplant, und der Bau wird in etwa eineinhalb Jahre in Anspruch nehmen. Bereits vorher, im Oktober x2, nimmt die BauGut AG zur Finanzierung des Vorhabens einen Kredit i.H.v. 2 Mio. € auf, rückzahlbar nach 2 Jahren, mit einer Verzinsung von 4 % p.a. Das Management entschied sich für eine frühe Kreditaufnahme, da bereits im Oktober x2 Zahlungen für die Baugenehmigung und Architekturleistungen i.H.v. 100.000 € fällig werden und man außerdem am Bilanzstichtag Liquidität zeigen will. Bei Baube-
48
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
ginn im Februar x3 sind die 1,9 Mio. € an den Generalunternehmer zu zahlen. In der Zwischenzeit wird das Geld vom Treasury der BauGut angelegt und mit 3 % p.a. verzinst. Aufgabenstellung
a) Definieren Sie den Begriff „qualifizierter Vermögenswert“ und geben Sie an, ab wann welche Fremdkapitalkosten für diese Vermögenswerte zu aktivieren sind. Liegt im vorliegenden Sachverhalt ein qualifizierter Vermögenswert vor?
b) Der Bau des Bürogebäudes beginnt wie geplant im Februar x3, so dass die Zahlung von 1,9 Mio. € an den Generalunternehmer erfolgt. Auch der Fertigstellungszeitpunkt wurde von der Projektplanung sehr zutreffend vorausgesagt: Nach 19 Monaten, im August x4, wird der letzte Deckenstrahler montiert; das Gebäude ist bezugsfähig. Sind in den Jahren x2 bis x4 Fremdkapitalkosten zu aktivieren? Falls ja, in welcher Höhe?
c) Im April x3 erwirbt die BauGut AG je einen neuen Kompaktlader und –bagger für insgesamt 200.000 €. Hierfür wurde ebenfalls ein Kredit in voller Höhe aufgenommen, rückzahlbar in einem Jahr, verzinst mit 3,75 % p.a. Lader und Bagger sollen (zunächst) im Rahmen des Baus des Verwaltungsgebäudes genutzt werden. Müssen oder können die Fremdkapitalkosten für den Kredit aktiviert werden? Lösung
a) Qualifizierte Vermögenswerte und Aktivierungsvoraussetzungen von Fremdkapitalkosten Ein qualifying asset oder qualifizierter Vermögenswert ist gem. IAS 23.5 ein Vermögenswert, für den ein beträchtlicher Zeitraum erforderlich ist, um ihn in seinen beabsichtigten gebrauchs- oder verkaufsfähigen Zustand zu versetzen. Typischerweise können unter diese Definition z.B. Gebäude und sonstige Sachanlagen fallen, die gem. IAS 16 bilanziert werden. Auf die Aktivierung von Fremdkapitalkosten bei der Herstellung von Vorräten in Massenfertigung (z.B. Käse, Wein, 12jähriger Whisky) kann aus Vereinfachungsgründen explizit verzichtet werden. Was ein beträchtlicher Zeitraum ist, wird durch den Standard allerdings nicht definiert. Auch in der Literatur geht man davon aus, dass eine Standardisierung weder gewollt noch praktikabel sei (vgl. Tanski, Sachanlagen nach IFRS, 2005, S. 40). Ein beträchtlicher Zeitraum ist also unternehmensindividuell festzulegen. Grundsätzlich besteht für qualifizierte Vermögenswerte ein Aktivierungsgebot für Fremdkapitalkosten. Für die Aktivierung kommen nur solche Fremdkapitalkosten in Betracht, die vermieden worden wären, wenn der qualifizierte Vermögenswert nicht angeschafft oder hergestellt worden wäre (IAS 23.10). Zu den Fremdkapitalkosten zäh-
49
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
len allerdings nicht nur Zinsen von speziell für diesen Vermögenswert aufgenommenen Krediten, sondern z.B. auch im Zusammenhang mit der Fremdkapitalaufnahme stehende Nebenkosten wie Vermittlungs- oder Ratingkosten sowie gewogene Durchschnittskosten für allgemeines Fremdkapital, das nicht speziell aufgenommen worden ist. Anlageerträge aus einer möglichen Zwischenanlage der aufgenommenen Mittel sind von den aktivierungsfähigen Fremdkapitalkosten abzuziehen. Fremdkapitalkosten sind ab dem Zeitpunkt zu aktivieren, ab dem kumulativ folgende Bedingungen erfüllt sind (IAS 23.17):
Es sind Ausgaben zur Anschaffung oder Herstellung des qualifizierten Vermögenswertes angefallen;
Fremdkapitalkosten sind angefallen; und
die erforderlichen Arbeiten, um den Vermögenswert in seinen für den Gebrauch oder Verkauf bestimmten Zustand zu versetzen, haben begonnen.
Die Aktivierung von Fremdkapitalkosten endet, wenn der Vermögenswert in den für den Gebrauch oder Verkauf bestimmten Zustand versetzt wurde (IAS 23.22). Handelt es sich nicht um einen qualifizierten Vermögenswert, sind Fremdkapitalkosten in der Periode ihres Entstehens als Aufwand zu erfassen. Im vorliegenden Fall ist bei einer Bauphase von 19 Monaten von einem beträchtlichen Zeitraum auszugehen; es handelt sich bei dem Bürogebäude um einen qualifizierten Vermögenswert. Demnach sind aktivierungsfähige Fremdkapitalkosten anzusetzen.
b) Berechnung der aktivierungspflichtigen Fremdkapitalkosten In x2 wurde noch nicht mit dem eigentlichen Bau begonnen. Allerdings
sind Ausgaben zur Herstellung des qualifizierten Vermögenswertes angefallen (die Baugenehmigung und der Architekt müssen bezahlt werden);
sind Fremdkapitalkosten angefallen (Zinsaufwand für die Monate Oktober bis Dezember); und
wurde mit den Aktivitäten begonnen, um den Vermögenswert in seinen betriebsfähigen Zustand zu versetzen (ohne Baugenehmigung und Architekt kein Bau).
Grundsätzlich ist der angefallene Zinsaufwand also als Fremdkapitalkosten zu aktivieren. Allerdings werden die zunächst nicht benötigten 1,9 Mio € bis zum Baubeginn im Februar x3 angelegt. Die entsprechenden Zinserträge sind von den Fremdkapitalkosten abzuziehen. Das betrifft die Monate Oktober bis Dezember in x2 und Januar in x3. Das Darlehen läuft insgesamt zwei Jahre, bis einschließlich September x4. Bereits einen Monat zuvor, im August x4, wurde das Gebäude jedoch bereits in seinen betriebsbereiten Zustand versetzt. Zu diesem Zeitpunkt endet auch die Aktivierungsfähigkeit
50
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
der Fremdkapitalkosten. Der Zinsaufwand ist nur noch anteilig bis einschließlich August zu berücksichtigen. Für die Jahre x2-x4 ergeben sich folgende Berechnungen: Tabelle 2-9:
Berrechnung aktivierungspflichte FK-Kosten (in €), Lösung
Jahr x2
Berechnung
Betrag
Zinsaufwand
2 Mio € * 4 % * 3/12
= 20.000 €
./. Zinsertrag
1,9 Mio. € * 3% * 3/12
= 14.250 €
aktivierungspflichtige FK-Kosten
5.750 €
Jahr x3 Zinsaufwand
2 Mio. € * 4 %
= 80.000 €
./. Zinsertrag
1,9 Mio € * 3 % * 1/12
= 4.750 €
aktivierungspflichtige FK-Kosten
72.250 €
Jahr x4 Zinsaufwand
2 Mio € * 4 % * 8/12
= 53.333 €
aktivierungspflichtige FK-Kosten
53.333 €
gesamte aktivierungspflichtige FK-Kosten
131.333 €
c) Abgrenzung zu nicht aktivierungsfähigen Fremdkapitalkosten Auch wenn Bagger und Lader (zunächst) für den Bau des Bürogebäudes genutzt werden, handelt es sich um eigenständige Vermögenswerte, die unabhängig vom Bürogebäude angesetzt werden. Die anfallenden Fremdkapitalkosten können demnach nicht zu dem Bürogebäude hinzugerechnet werden. Ferner sind Bagger und Lader selbst keine qualifizierten Vermögenswerte, da sie sich bereits bei Anschaffung in einem betriebsbereiten Zustand befinden. Die Fremdkapitalkosten sind in voller Höhe ergebniswirksam zu erfassen.
2.2.5
Komponentenansatz – Tagebau AG
Rechtsquellen: IAS 16, IDW RH HFA 1.016 Lernziele: Aufteilung von Sachanlagen: einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang versus Komponentenansatz; Generalüberholungen; Ersatzmaßnahmen Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Der frischgebackene Dipl.-Kfm. Timo Tiefschürf ist in x1 neuer Mitarbeiter der Tagebau AG, ein auf die Förderung von Braunkohle spezialisiertes Unternehmen. An seinem
51
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
zweiten Arbeitstag kommt es zu einem Gespräch mit seinem Abteilungsleiter Dr. Drechsler. „Sie wissen ja, Herr Tiefschürf, dass wir Sie vor allem wegen Ihrer profunden IFRSKenntnisse eingestellt haben. Schließlich sollen Sie unsere Überlegungen, künftig evtl. nach IFRS zu bilanzieren, auf eine fundierte Grundlage stellen. Hier stellt sich nun folgendes Problem: Wir haben zu Jahresbeginn (Januar) einen neuen Schaufelradbagger für 20.000 T€ angeschafft. Die Nutzungsdauer des Baggers beträgt bei gleichmäßiger Beanspruchung tatsächlich 20 Jahre unter der Voraussetzung, dass wir alle vier Jahre eine umfangreiche Generalüberholung durchführen. Außerdem sind erfahrungsgemäß die stark beanspruchten Kettenzüge und andere mechanischen Teile nach etwa der Hälfte der Nutzungsdauer auszutauschen. Auf Basis derzeitiger Preisverhältnisse – gehen Sie aus Vereinfachungsgründen davon aus, dass diese auch künftig konstant bleiben - würde eine Generalüberholung etwa 400 T€ und die Ersatzmaßnahme ca. 3.000 T€ kosten. Können Sie mir bis morgen Mittag in einer Tischvorlage die IFRSBilanzierung dieses Sachverhalts im Vergleich zum HGB skizzieren? Auf latente Steuern brauchen Sie nicht einzugehen.“ Timo Tiefschürf, der im Hinblick auf seine IFRS-Kenntnisse bei der Einstellung wohl etwas geflunkert hat, ist mit der Aufgabe völlig überfordert. Helfen Sie ihm! Aufgabenstellung
a) Gibt es Unterschiede im Hinblick auf die Kriterien der Abgrenzung von Sachanlagen zueinander im HGB- und IFRS-Abschluss?
b) Zeigen Sie, wie der Sachverhalt im IFRS-Abschluss abzubilden ist. Verdeutlichen Sie Ihre Lösung bei der Einbuchung durch die Angabe von Buchungssätzen. Berechnen Sie die Buchwerte und Aufwendungen in den Folgeperioden.
c) Skizzieren Sie, wie der Sachverhalt im HGB-Abschluss abgebildet wird. Gibt es bilanzpolitische Wahlrechte? Lösung
a) Abgrenzung von Sachanlagen: HGB im Vergleich zu IFRS Der Einzelbewertungsgrundsatz fordert im HGB-Abschluss die Einzelbewertung von Vermögensgegenständen und Schulden (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Daher müssen Vermögensgegenstände und damit auch Sachanlagen einzeln identifiziert werden, sofern nicht Durchbrechungen dieses Grundsatzes ausdrücklich zulässig (z.B. Vorräte, § 256 HGB) oder pragmatisch zwingend sind (z.B. Pauschalwertberichtigungen bei Forderungen). Sachanlagen untereinander sind in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH handelsrechtlich nach ihrer Funktion abzugrenzen (einheitlicher Nutzungs- und
52
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Funktionszusammenhang, siehe Kozikowski/Roscher/Schramm in Beck’scher BilanzKommentar, 7. Aufl. 2010, § 253 HGB, Rz. 413). Danach ist es zulässig, Großanlagen, die aus einer Vielzahl einzelner Vermögensgegenstände bestehen (z.B. Abfüllanlage), als einen Vermögensgegenstand zu bewerten. Die IFRS enthalten demgegenüber keinen ausdrücklichen und standardübergreifenden Einzelbewertungsgrundsatz. Gleichwohl ist nach h.M. von Einzelbewertung auszugehen, sofern in den Standards keine Ausnahmen explizit vorgesehen sind. Einen gewissermaßen auf die Spitze getriebenen Einzelbewertungsgrundsatz enthält IAS 16: Sachanlagen und Sachgesamtheiten sollen
nach den Nutzungsdauern und/oder
nach der Art der Abnutzung
ihrer jeweiligen Teile und Komponenten voneinander abgegrenzt werden (component approach, Komponentenansatz). Damit soll offensichtlich eine präzisere, den tatsächlichen Verhältnissen besser entsprechende Aufwandsverteilung erreicht werden. Insoweit spielt in den IFRS das Kriterium des einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs keine praxisrelevante Rolle. Wie tief Sachanlagen nach IAS 16 zerlegt werden sollen, wird der kaufmännischen Beurteilungsfähigkeit überlassen (IAS 16.9). Ausdrücklich gehören nicht nur physische Ersatzmaßnahmen, sondern auch Ausgaben für künftige Generalüberholungen zum Komponentenansatz (IAS 16.14). Der Komponentenansatz in den IFRS und die Abschaffung der Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB a.F. durch BilMoG haben das IDW veranlasst die Frage aufzuwerfen, ob auch nach HGB eine Abschreibung abnutzbarer Sachanlagen komponentenweise vorgenommen werden dürfe (IDW RH HFA 1.016). Das IDW bejaht die Frage und sieht weder einen Verstoß gegen den Einzelbewertungsgrundsatz noch gegen das Konzept des einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs. Beschränkt auf physische Ersatzmaßnahmen wird der Komponentenansatz handelsrechtlich als Wahlrecht zugelassen (s. Antwort zu c)).
b) Bilanzierung nach IFRS Bei Zugang des Schaufelradbaggers ist zu prüfen, ob dieser wesentliche Komponenten enthält, die sich im Hinblick auf Nutzungsdauern und/oder Art der Abnutzung unterscheiden. Die Art der Abnutzung ist für alle Teile gleich, da gleichmäßige Beanspruchung erwartet wird. Infolge dessen sind auch alle Teile linear abzuschreiben. Allerdings unterscheiden sich die Nutzungsdauern der Generalüberholung und der mechanischen Teile vom Rest des Baggers, der hier „Karosse“ genannt werden soll. Damit ist der Schaufelradbagger bei Zugang buchhalterisch wie folgt zu zerlegen:
53
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Konto Schaufelradbagger Generalüberholung Mechanische Teile Karosse
€
Konto
20.000 an Verbindlichkeit
€ 20.000
400 an Schaufelradbagger
400
3.000 an Schaufelradbagger
3.000
16.600 an Schaufelradbagger
16.600
Die Zerlegung ermöglicht es nun, die drei Elemente „Generalüberholung“, „Mechanische Teile“ und „Karosse“ jeweils gesondert abzuschreiben. Am Ende jeden Jahres werden diese drei Elemente wieder zum „Schaufelradbagger“ verdichtet. Es ist leicht zu sehen, dass der Buchungsstoff in der Anlagenbuchhaltung im Vergleich zur herkömmlichen HGB-Auffassung stark zunimmt. Der Vermögenswert „Generalüberholung“ wird in den nächsten vier Jahren linear abgeschrieben. Die Aufwandswirkung dieses Vermögenswertes entspricht damit der Aufwandsrückstellung nach § 249 Abs. 2 HGB a.F., die jedoch nach BilMoG nicht mehr möglich ist. Wenn nach vier Jahren – im Januar x5 - die Generalüberholung durchgeführt wird, sind die dafür anfallenden Aufwendungen, hier annahmegemäß 400 T€, zu aktivieren und erneut bis zur nächsten erwarteten Generalüberholung abzuschreiben; dann wiederholt sich der Vorgang alle vier Jahre. Das es sich aus Sicht der IFRS tatsächlich um einen Vermögenswert handelt, ist offensichtlich: Erst nach durchgeführter Generalüberholung fließt dem Unternehmen erwarteter Nutzen zu; bei Erwerb des Baggers ist dieser erwartete Nutzenzufluss praktisch vom Hersteller erworben worden. Die mechanischen Teile müssen über 10 Jahre linear abgeschrieben werden. Auch hier gilt: Werden die Teile im Januar x11 ersetzt, sind die dafür anfallenden Aufwendungen von annahmegemäß 3.000 T€ zu aktivieren. Schließlich ist die Karosse über 20 Jahre linear abzuschreiben. Für die Folgejahre ergeben sich somit folgende Bilanzansätze:
54
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-10:
Berechnung Buchwerte und Abschreibungen (in €), Komponentenansatz (IFRS), Lösung Bilanzansatz
Karosse
Abschreibungen
Mech. GeneralMech. GeneralTeile überhol Gesamt Karosse Teile überhol Gesamt
Januar x1
16.600
3.000
400
20.000
31.12.x1
15.770
2.700
300
18.770
830
300
100
1.230
31.12.x2
14.940
2.400
200
17.540
830
300
100
1.230
31.12.x3
14.110
2.100
100
16.310
830
300
100
1.230
31.12.x4
13.280
1.800
0
15.080
830
300
100
1.230
31.12.x5
12.450
1.500
300
14.250
…
…
…
…
…
830 …
300 …
100 …
1.230 …
31.12.x10
8.300
0
200
8.500
830
300
100
1.230
31.12.x11
7470
2.700
100
10.270
830
300
100
1.230
… 31.12.x20
…
… 0
… 0
… 0
… 0
830
… 300
…
… 100
1.230 24.600
c) Bilanzierung nach HGB Herkömmliche Auffassung: Der Schaufelradbagger ist über seine Nutzungsdauer planmäßig und aufgrund der gleichmäßige Beanspruchung linear abzuschreiben. Sowohl die späteren Generalüberholungen als auch der Ersatz der mechanischen Teile stellen Erhaltungsaufwand dar. Eine Aufwandsglättung ist in diesem Fall nicht möglich: Jedes Geschäftsjahr einer Generalüberholung (exemplarisch: x5) wird mit 400 T€ und das Jahr x11 zum Ersatz der mechanischen Teile mit 3.000 T€ belastet. Damit ergibt sich folgender Abschreibungs- und Erhaltungsaufwand:
55
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-11:
Berechnung Buchwerte und Abschreibungen (in €), HGB, Lösung Bilanzansatz
Aufwendungen Abschr. Bagger
Gesamt
Bagger
Ersatz GeneralMech. Teile überhol
Gesamt
Januar x1
20.000
20.000
31.12.x1
19.000
19.000
1.000
1.000
31.12.x2
18.000
18.000
1.000
1.000
31.12.x3
17.000
17.000
1.000
1.000
31.12.x4
16.000
16.000
1.000
31.12.x5
15.000
15.000
1.000
…
…
…
…
…
31.12.x10
10.000
10.000
1.000
31.12.x11
9.000
9.000
1.000
… 31.12.x20
…
… 0
… 0
1.000 400
1.400 …
3.000
4.000 1.000
… 1.000
…
…
… 1.000 24.600
Nach Auffassung des IDW (s. Antwort zu a)) besteht jedoch auch ein Wahlrecht zur Nutzung des Komponentenansatzes. Die Kosten für den Ersatz einer Teilkomponente (hier die mechanischen Teile) wären hiernach nicht mehr als Erhaltungsaufwand, sondern als nachträgliche Anschaffungsoder Herstellungskosten zu erfassen und komponentenweise abzuschreiben. Eine Separierung von regelmäßigen Großreparaturen oder Inspektionen ist jedoch wegen fehlender physischer Substanz ausdrücklich nicht möglich. Nach dem Komponentenansatz im HGB-Abschluss ergäbe sich folgender Verlauf:
56
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-12:
Berechnung Buchwerte und Abschreibungen (in €), Komponentenansatz (HGB), Lösung Bilanzansatz Mech. Teile
Karosse
Aufwendungen Abschr. Karosse
Gesamt
Abschr. GeneralMech. T. überhol
Gesamt
Januar x1
17.000
3.000
20.000
31.12.x1
16.150
2.700
18.850
850
300
1.150
31.12.x2
15.300
2.400
17.700
850
300
1.150
31.12.x3
14.450
2.100
16.550
850
300
1.150
31.12.x4
13.600
1.800
15.400
850
300
1.150
31.12.x5
12.750
1.500
14.250
850
300
400
1.550
…
…
…
…
…
…
…
… 31.12.x10
8.500
0
8.500
850
300
1.150
31.12.x11
7.650
2.700
10.350
850
300
1.150
…
…
…
…
…
…
31.12.x20
0
0
0
850
300
…
… 1.150 24.600
2.2.6
Anlageimmobilien: Abgrenzung zu Sachanlagen und Vorräten – Hostel AG
Rechtsquellen: IAS 2, IAS 16, IAS 40 Lernziele: Begriff der Anlageimmobilie; Abgrenzung zu eigentümergenutzten Immobilien; Bilanzierung bei Nutzungsänderungen Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Sie sollen als neuer Mitarbeiter der auf Immobiliengeschäfte spezialisierten Hostel AG, Frankfurt, für die zutreffende bilanzielle Abbildung folgender Sachverhalte im IFRSAbschluss x1 sorgen: (1) Kürzlich hat die Hostel AG vom Land Hessen 8.000 Wohnungen erworben. Im Kaufvertrag wurde festgelegt, dass die Hostel AG die Immobilien über einen Zeitraum von 8 Jahren nicht weiterverkaufen darf. (2) Die Hostel AG ist Eigentümerin des Hotels „Alpenblick“ in Zell am See. Das Hotel ist an einen Betreiber verpachtet, der das operative Geschäft selbständig durchführt. Der zu zahlende Pachtzins ist abhängig von der Hotelauslastung.
57
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
(3) Für den Fußballverein Kickers Offenbach hat die Hostel AG bereits begonnen, ein neues Stadion als Ersatz für das marode Stadion am Bieberer Berg zu bauen. Die geschätzten Baukosten betragen 35 Mio. €. Nach Fertigstellung in x3 wird das Stadion von der Hostel AG betrieben und langfristig an den Verein zu festen Konditionen vermietet, wobei freilich beidseitig gekündigt werden kann. Auf Basis der Mietvertragskonditionen beträgt der Fair Value des neuen Stadions bei Fertigstellung 40 Mio. €. (4) Die Firma errichtet derzeit für sich ein neues Verwaltungsgebäude am Frankfurter Flughafen. Eine Etage des im Bankenviertel gelegenen und gut erhaltenen alten Gebäudes - Buchwert 1 Mio. € - soll dann noch weiter selbst genutzt, die vier anderen Etagen dagegen an die Knechtbank vermietet werden. Von einer technisch möglichen Veräußerung der vier Etagen wurde abgesehen, weil die jährlich erwarteten Nettokaltmieten von 400 T€ über einen Planungshorizont von 12 Jahren gut in die Unternehmensplanung passen. Der Barwert künftiger Mieteinnahmen wird derzeit mit einem risikoadjustierten Zinssatz von 8 % p.a. kalkuliert. Aufgabenstellung
a) Skizzieren Sie kurz den Regelungsgegenstand von IAS 40 einschließlich der dort genannten Bilanzierungsmethoden. Was könnte der Grund für die Einführung eines Bewertungswahlrechts gewesen sein?
b) Nach welchen Standards sind die Immobilien jeweils zu bilanzieren? Zeigen Sie in den Sachverhalten (3) und (4) auch die möglichen zahlenmäßigen Konsequenzen.
c) Was ist der Unterschied zwischen dem Bewertungswahlrecht nach IAS 40 und dem Bewertungswahlrecht nach IAS 16? Lösung
a) Regelungsgegenstand und Bilanzierungsmethoden des IAS 40 Immobilien (Grund und Boden, Gebäude oder Gebäudeteile), die zum Zweck der Erzielung von Miet- und Pachteinnahmen oder zur Wertsteigerung gehalten werden, unterliegen als „als Finanzinvestition gehaltene Immobilien“ (investment property) dem Regelungsgegenstand des IAS 40; wir verwenden hier die auch in der Praxis häufig benutzte Bezeichnung Anlageimmobilien. Für Anlageimmobilien besteht ein Bewertungswahlrecht (IAS 40.30): Es kann einheitlich für alle Anlageimmobilien gewählt werden zwischen der
erfolgswirksamen Fair Value Bewertung nach IAS 40 (fair value model) und einer
Bilanzierung zu fortgeführten Kosten nach IAS 16 (cost model).
58
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Bei der erfolgswirksamen Fair Value Bewertung ist in jedem Jahr die Immobilie zum Fair Value anzusetzen. Die jeweilige Gegenbuchung vollzieht sich in der Gewinn- und Verlustrechnung, hat also unmittelbare Konsequenzen für das Jahresergebnis. Dafür entfällt (bei Gebäuden) die planmäßige Abschreibung. Bei Wahl der Bilanzierung der Anlageimmobilien zu fortgeführten Kosten ist gleichwohl der Fair Value der Immobilien zu ermitteln. Er ist dann im Anhang anzugeben (IAS 40.79e). Mit IAS 40 kommt die Absicht des IASB zum Ausdruck, den erstmals bei Finanzinstrumenten eingeschlagenen Weg einer erfolgswirksamen Zeitwertbilanzierung fortzusetzen und auf andere Vermögenswerte auszudehnen (IAS 40.B47). Wegen erheblicher Vorbehalte der Bilanzierungspraxis gegen eine ausschließlich erfolgswirksame Zeitwertbilanzierung hat sich der IASB für die Einführung des oben genannten Wahlrechts entschieden.
b) Klassifikation von Immobilien (1) Die Wohnimmobilien liegen im wirtschaftlichen Eigentum der Hostel AG. Weder sind die Immobilien zum Verkauf im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit vorgesehen, noch werden sie für eigene Verwaltungszwecke genutzt. Es handelt sich um Anlageimmobilien i.S.v. IAS 40. (2) Die Hostel AG erzielt aus der Verpachtung des Hotels „Alpenblick“ Pachteinnahmen. Das deutet auf eine Anlageimmobilie hin. Auf der anderen Seite ist der Pachtzins von der Auslastung des Hotels abhängig. Damit nimmt die Hostel AG im Hinblick auf die zu erzielenden Cashflows keine passive Vermieterrolle ein, sondern trägt das Betreiberrisiko ganz so, als hätte sie einen angestellten Manager, der das Hotelgeschäft führt (IAS 40.12 f.). Daher ist das Alpenblick keine Anlageimmobilie, sondern unterliegt als eigentümergenutzte Immobilie den Regelungen des IAS 16. (3) Das neue Stadion unterliegt als Anlageimmobilie in Bau den Bestimmungen des IAS 40 (IAS 40.8e). Auch die Bewertung von Anlageimmobilien in Bau hängt von der Ausübung des Bewertungswahlrechts seitens des Unternehmens ab: 1. Die Hostel AG wendet für Anlageimmobilien das fair value model an: Die Fair Value Bewertung gilt auch für das im Bau befindliche Stadion. Dabei hat der Fair Value die Anlageimmobilie in ihrem gegenwärtigen Zustand zu reflektieren (Stichtagswert), die noch künftigen Investitionen bis zur Fertigstellung bleiben unberücksichtigt (Theile in Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz. 1445). Insoweit dürfte sich der Fair Value von Anlageimmobilien in Bau regelmäßig (nur) als aktueller Tauschpreis bestimmen lassen; die Verwendung von Cashflow-Prognosen bei einem Gegenstand, der noch nicht fertig gestellt ist, scheidet u.E. aus. Sollte eine Fair Value Schätzung während der Bauphase nicht möglich sein, sind bis zur Fertigstellung die Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (IAS 40.53 ff).
59
2.2
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Bei Fertigstellung ist das neue Stadion zum Fair Value von 40 Mio € anzusetzen. Bei vorheriger Bewertung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten i.H.v. 35 Mio. € ist die Differenz von 5 Mio. € als Ertrag in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen (IAS 40.65). Sollte selbst bei Fertigstellung der Fair Value einer Anlageimmobilie nicht hinreichend sicher geschätzt werden können, bleibt es für diese eine Immobilie bei der Bewertung nach der cost method (IAS 40.53), obgleich sämtliche anderen Anlageimmobilien zum Fair Value bewertet werden. 2. Die Hostel AG wendet für Anlageimmobilien das cost model an: Gemäß Baufortschritt sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Stadion zu erfassen. Allerdings sind, falls möglich, auch für in Bau befindliche Immobilien die Fair Values – sofern ermittelbar – analog zu den sonstigen Anlageimmobilien im Anhang anzugeben. Die bis zur Fertigstellung aktivierten 35 Mio. € sind gem. IAS 16 planmäßig fortzuführen. Im Anhang muss die Hostel AG dann den Fair Value von 40 Mio. € angeben. (4) Das neu zu errichtende Verwaltungsgebäude ist eine Anlage im Bau, die später selbst genutzt werden soll. Es handelt sich daher um eine Immobilie im Anwendungsbereich des IAS 16. Das alte Verwaltungsgebäude wird künftig gemischt genutzt, nämlich selbst (IAS 16) und als Anlageimmobilie (IAS 40). Gemischt genutzte Immobilien sind nach dem Kriterium der Einzelveräußerbarkeit aufzuteilen in Anlageimmobilien und andere. Da die Einzelveräußerbarkeit möglich ist, werden 4/5 des bisherigen Buchwerts, also 800 T€, den Anlageimmobilien zugeordnet. Wendet die Hostel AG das cost model an, wird der Buchwert fortgeführt. Allerdings ist für die Anhangangabe der Fair Value zu ermitteln. Priorität besitzen hier aktuelle Tauschwerte vergleichbarer Immobilien, über die jedoch keine Angaben vorliegen. Daher kommt als Näherungslösung die Verwendung der DCF-Methode in Betracht. Nach den vorliegenden Angaben ist über die 400 T€ der Rentenbarwert unter Verwendung eines Zinssatzes von 8 % und bei einem Zeithorizont von 12 Jahren zu ermitteln (= Faktor 7,5361); das ergibt gerundet 3 Mio. €. Wendet die Hostel AG das fair value model an, sind die vier Etagen mit 3 Mio. € zu aktivieren. Die Differenz zum bisherigen Buchwert beträgt 2,2 Mio. € und ist, anders als beim Sachverhalt (3), erfolgsneutral in eine Neubewertungsrücklage einzustellen. Bei späterem Abgang der Immobilie (Ausbuchung) ist die Neubewertungsrücklage erfolgsneutral in die Gewinnrücklage umzubuchen (IAS 40.62bii, Umbuchungspflicht im Gegensatz zum Wortlaut des analog anzuwendenden IAS 16.41, vgl. Theile in Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz. 1188 iVm Rz. 1464).
c) Unterschied zwischen den Bewertungswahlrechten des IAS 16 und des IAS 40 Die Neubewertungsmethode nach IAS 16 führt zur erfolgsneutralen Gegenbuchung im Eigenkapital (Neubewertungsrücklage), während das fair value model nach IAS 40 erfolgswirksame Gegenbuchungen in der Gewinn- und Verlustrechnung vorsieht.
60
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Bei außerplanmäßigen Abschreibungen ist bei Verwendung der Neubewertungsmethode nach IAS 16 die Wertminderung zunächst mit einer ggf. vorhandenen Neubewertungsrücklage zu verrechnen. Somit wird die Wertminderung nur dann erfolgswirksam, wenn sie auch bei Verwendung des cost models nach IAS 16 erfolgswirksam geworden wäre. Die Neubewertungsmethode nach IAS 16 kann auf Gruppen des Sachanlagevermögens angewendet werden. Dagegen ist die Wahl zwischen cost model und fair value model für alle Anlageimmobilien einheitlich zu bestimmen. Beim fair value model des IAS 40 ist grundsätzlich zu jedem Abschlussstichtag der Fair Value zu bestimmen. Dafür entfallen planmäßige Abschreibungen. Demgegenüber braucht bei der Neubewertung nach IAS 16 der Fair Value nicht jedes Jahr neu ermittelt zu werden; eine Überprüfung in regelmäßigen Abständen (z.B. alle 3 bis 5 Jahre) ist ausreichend. In der Zwischenzeit dienen planmäßige Abschreibungen auf den Neubewertungsbetrag einer Annäherung an den jeweiligen Fair Value. Die planmäßigen Abschreibungen werden jedoch (anders als der ursprüngliche Neubewertungsbetrag) erfolgswirksam erfasst, belasten also das Jahresergebnis und das Ergebnis je Aktie. Das erklärt auch die geringe Verbreitung dieser Methode in der Praxis. Die Neubewertungsrücklage ist in Höhe der jeweiligen zu den fortgeführten Anschaffungskosten erhöhten Abschreibung anteilig realisiert und in die Gewinnrücklage umzubuchen. Literaturempfehlungen: Böckem/Schurbohm-Ebneth, Klassifizierung von Immobilien, in Weber/ Baumunk (Hrsg.), IFRS Immobilien, München 2005, S. 5-22; Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung, 7. Aufl., Stuttgart 2008, S. 335 - 361; Theile in Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl., Köln 2009, Rz. 1400-1473.
2.3
Leasing
2.3.1
Klassifizierung von Leasingverhältnissen – Hanseatic AG
Rechtsquellen: § 39 AO; BMF-Schreiben 19.04.1971, IV B/2 - S 2170 - 31/71; BMFSchreiben vom 22.12.1975 - IV B 2 - S 2170 - 161/75; IAS 17; SFAS 13 Lernziele: Bilanzielle Zurechnungskonzeptionen von HGB/ Steuerrecht einerseits und IFRS andererseits; Erkennen von konzeptionellen Unterschieden; Erkennen von bilanzpolitisch nutzbaren Ermessensspielräumen Schwierigkeitsgrad:
61
2.3
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Sachverhalt Die in Hamburg ansässige Linienreederei Hanseatic AG hat sich auf die Containerschifffahrt zwischen Europa und Ostasien spezialisiert. Um vom steigenden Handelsaufkommen beider Regionen stärker zu profitieren, beabsichtigt der Vorstand der Hanseatic AG ein zusätzliches Containerschiff auf der Linienverbindung „Shanghai/Rotterdam“ einzusetzen. Man beschließt das Schiff zu leasen und einigt sich mit der Euro Lease AG, Düsseldorf, auf einen Leasingvertrag mit folgenden Konditionen: Tabelle 2-13:
Konditionen des Leasingvertrages über das Containerschiff
Parameter
Ausprägungen
Anschaffungskosten/ Fair Value
42.000 T€
Grundmietzeit
15 Jahre
Verlängerungsoptionen
keine
Kaufoption/ Andienungsrecht
nicht vorgesehen
Leasingsrate p.a. (nachschüssig)
3.850 T€
Nach Ablauf der Grundmietzeit muss die Hanseatic AG das Containerschiff an die Euro Lease AG zurückgeben. Zum Rückgabezeitpunkt hat man sich auf einen vertraglich fixierten Restwert von 12.500 T€ geeinigt. Die Euro Lease AG soll das Containerschiff zu dann marktüblichen Bedingungen veräußern, wobei der realisierte Veräußerungspreis gegebenenfalls von der Hanseatic AG bis zur Höhe des fixierten Restwerts aufzustocken ist (Mindererlösbeteiligung). Ein etwaiger Mehrerlös soll demgegenüber zu 25 % der Euro Lease AG und zu 75 % der Hanseatic AG zufallen. Aufgabenstellung
a) Hat die Hanseatic AG das Schiff in ihrer Steuerbilanz anzusetzen? Die steuerliche AfA-Tabelle gibt für Containerschiffe dieses Typs eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 18 Jahren an.
b) Hat die Hanseatic AG das Schiff in ihrem IFRS-Abschluss anzusetzen? Unterstellen Sie, dass die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Containerschiffs 25 Jahre beträgt und der Grenzfremdkapitalzinssatz der Hanseatic AG auf 7 % lautet. Ferner wird der realisierbare Erlös aus der Veräußerung des Containerschiffs in einer Bandbreite von 12.000 T€ bis 16.000 T€ erwartet (Bandbreite möglicher Restwerte). Zur Auslegung unbestimmter IFRS-Vorgaben ziehen Sie die Regelungen des SFAS 13 heran.
c) Nehmen Sie an, auch die Euro Lease AG (Leasinggeber) bilanziert nach IFRS. Zu welcher Zuordnung kommt diese Gesellschaft? Auch hier sind unbestimmte Rechtsbegriffe durch die Vorgaben von SFAS 13 auszufüllen. Gehen Sie bei Ihren Überlegungen davon aus, dass keine Initialkosten (initial direct costs) zur Anbah-
62
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
nung des Leasinggeschäfts angefallen sind und dass auch die Euro Lease AG eine 25-jährige wirtschaftliche Nutzungsdauer für das Schiff unterstellt. Schließlich wird ebenfalls ein Verkaufserlös zwischen 12.000 T€ und 16.000 T€ erwartet, wobei der Erwartungswert 14.000 T€ beträgt (siehe Tabelle 2-10). Tabelle 2-14:
Erwartungswert für den Veräußerungserlös nach 15 Jahren
Erwarteter Veräußerungserlös/ erwarteter Restwert
Eintrittswahrscheinlichkeit
Gewichteter Erlös/ Erwartungswert
12.000 T€
0,05
600 T€
13.000 T€
0,30
3.900 T€
14.000 T€
0,35
4.900 T€
15.000 T€
0,20
3.000 T€
16.000 T€
0,10
1.600 T€
Summe
1,00
14.000 T€
Lösung
a) Bilanzielle Zurechnung des Containerschiffs in der Steuerbilanz Steuerrechtlich (§ 39 Abs. 1 AO) sind Wirtschaftsgüter – z.B. ein Containerschiff – dem Eigentümer (gemeint ist der „zivilrechtliche“ Eigentümer) zuzurechnen – aber nur dann, sofern dieser die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut ausübt. Übt nämlich ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 AO). Dieser andere ist dann zwar nicht „zivilrechtlicher“, jedoch „wirtschaftlicher“ Eigentümer. Das abstrakte Kriterium „wirtschaftliche Einwirkung“ bedeutet dabei schlicht: Wer trägt Substanzrisiken und -chancen, wer trägt (dauerhaft) Aufwendungen und Erträge aus der Nutzung des Wirtschaftsguts? An dieser steuerrechtlichen Abgrenzung des wirtschaftlichen Eigentums orientiert sich auch das Handelsrecht, und zwar unverändert auch nach BilMoG (vgl. statt vieler Noodt in Haufe HGB-Kommentar, 2009, § 246 HGB, Rz. 36f.). Maßgeblich für die bilanzielle Objektzurechnung ist daher sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz einzig das wirtschaftliche Eigentum. Zur weiteren Objektivierung der Zuordnung dienen nach wie vor die bereits in den frühen siebziger Jahren von der Finanzverwaltung im Anschluss an BFH-Urteile erlassenen Abgrenzungskriterien, die in den sog. Leasingerlassen enthalten sind. Bei Mobilien-Leasingverträgen erfolgt die Zurechnung des Wirtschaftsguts zum Leasingnehmer stets dann, wenn die unkündbare Grundmietzeit weniger als 40 % oder mehr als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer umfasst (erster Prüfschritt gem. BMF-
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Schreiben 19.04.1971). Liegt die unkündbare Grundmietzeit jedoch innerhalb dieses Intervalls, kommt es – soweit keine Verlängerungs- oder Kaufoption vorgesehen ist – auf die weiteren Kriterien des sog. Teilamortisationserlasses für Mobilien (BMFSchreiben vom 22.12.1975) an. Da die vereinbarte unkündbare Grundmietzeit (15 Jahre) 83,33 % der steuerlichen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer (18 Jahre) umfasst und keine Optionsrechte vereinbart wurden, ist eine eindeutige Aussage über die bilanzielle Zurechnung nach BMF-Schreiben 19.04.1971 nicht möglich. Daher ist in einem zweiten Schritt nach dem Teilamortisationserlass zu prüfen, welcher Vertragspartei im Wesentlichen Chancen und Risiken aus der Abschlussverwertung des Leasingobjekts zugeordnet werden können. Zu bilanzieren hat, wer an einem gestiegenen Restwert partizipiert (Wertsteigerungschance) und das Risiko eines verminderten Restwerts (Wertminderungsrisiko) trägt. Der Umstand, dass sich der Leasingnehmer während der unkündbaren Grundmietzeit den Ertrag aus der Nutzung des Leasingobjekts sichert, reicht für eine Objektzurechnung zum Leasingnehmer allein nicht aus. Um in eine mit dem juristischen Eigentümer vergleichbare Position zu gelangen, müssen dem Leasingnehmer folglich auch wesentliche Chancen und Risiken aus einem sich ändernden Substanzwert zuzurechnen sein. Nur dann wäre der Leasinggeber nach Auffassung der Finanzverwaltung dauerhaft von Ertrag und Substanz des Leasingobjekts ausgeschlossen. Für die Zwecke dieser Prüfung werden im Teilamortisationserlass drei Vertragsgestaltungen unterschieden. Ihnen gemeinsam ist, dass das Wertminderungsrisiko stets vollumfänglich beim Leasingnehmer liegt. Einzig zu prüfen ist folglich, wem zum Ende der unkündbaren Grundmietzeit die Wertsteigerungschance zuzuordnen ist. Diese Partei ist wirtschaftlicher Eigentümer des Leasingobjekts, und ihr ist das Leasingobjekt bilanziell zuzurechnen. Von den im Erlass aufgeführten Vertragsmodellen sind im vorliegenden Fall die Regeln zum Teilamortisationsvertrag mit Mehrerlösbeteiligung zu beachten. Hiernach scheidet eine Objektzurechnung zum Leasingnehmer dann aus, wenn der Leasinggeber zu mindestens einem Viertel an einem gestiegenen Restwert beteiligt ist. Die ihm in diesen Fällen zustehende Wertsteigerungschance ist dann gerade noch so gehaltvoll, dass eine Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf den Leasingnehmer negiert wird; auf die Signifikanz des Restwerts kommt es im Übrigen nicht an. Laut Sachverhalt partizipiert die Euro Lease AG zu einem Viertel an einem etwaigen Mehrerlös. Daher hat sie das Containerschiff sowohl in ihrer Handels- als auch in ihrer Steuerbilanz aufzunehmen. Die Hanseatic AG erwirbt dagegen kein wirtschaftliches Eigentum am Containerschiff..
b) Objektzuordnung im IFRS-Abschluss des Leasingnehmers? Auch nach IFRS ist das wirtschaftliche Eigentum entscheidend für den Bilanzansatz (control, F.49a und F.57; siehe auch Lösung zu 2.1.1 a)). Nach welchen Kriterien aber
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der wirtschaftliche Eigentümer zu identifizieren ist, weicht von den steuerrechtlichen Vorgaben ab. Folglich können bilanzielle Zurechnungsentscheidungen unterschiedlich ausfallen. Nach IAS 17, also dem Standard, der die Bilanzierung von Leasingverhältnissen regelt, gilt diejenige Vertragspartei als wirtschaftlicher Eigentümer, der im Wesentlichen die an einem Vermögenswert haftenden Chancen und Risiken zugemessen werden können (Generalnorm des IAS 17). Als Chancen, die einem Vermögenswert anhaften, nennt IAS 17 beispielhaft den erwartungsgemäß gewinnbringenden Einsatz im Wertschöpfungsprozess oder auch die Möglichkeit der Partizipation an Wertsteigerungen oder Liquidationserlösen. Als zugehörige Risiken werden die Verlustmöglichkeiten aufgrund ungenutzter Kapazitäten oder technischer Überholung ebenso genannt wie Renditeabweichungen aufgrund veränderter ökonomischer Rahmenbedingungen. Würde die Identifizierung des wirtschaftlichen Eigentümers ausschließlich auf einem so allgemeingültigen Niveau erfolgen, so wäre dies für Zuordnungsentscheidungen wohl wenig hilfreich. Aus diesem Grund werden dem Anwender in IAS 17.10 f. verschiedene Beurteilungshilfen an die Hand gegeben, mittels derer die Identifizierung des wirtschaftlichen Eigentümers erleichtert werden soll. Trifft mindestens eine der dort exemplarisch gelisteten Hilfen auf den zu beurteilenden Leasingvertrag zu, so ist dies bereits ein gewichtiges Indiz für die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf den Leasingnehmer. Wichtige Indizien sind:
Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums am Ende der Vertragslaufzeit (transfer of ownership test),
für den Leasingnehmer günstige Kaufoption/Mietverlängerungsoption (bargain purchase option test),
Vertragslaufzeit umfasst den überwiegenden Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer (economic life test),
der Barwert der Mindestleasingzahlungen entspricht in etwa dem Fair Value des Leasinggegenstands bei Vertragsabschluss (recovery of investment test).
Ist die Annahme der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums nach diesen Kriterien auch bei weiterer Reflexion über den Chancen- und Risikentransfer nicht zu widerlegen, so bezeichnet der Standard solche Verträge als FinanzierungsLeasingverträge. Wirtschaftlicher Eigentümer des Leasingobjekts ist dann der Leasingnehmer. Trifft hingegen keine der Orientierungshilfen auf den zu beurteilenden Vertrag zu und verbleiben damit wesentliche Chancen oder Risiken beim Leasinggeber, so werden solche Vereinbarungen als Operating-Leasingverhältnisse bezeichnet. Der Leasingnehmer wird nicht wirtschaftlicher Eigentümer. Für die Zwecke der Klassifizierung des zwischen der Hanseatic AG und der Euro Lease AG geschlossenen Leasingverhältnisses sind, da weder Eigentumsübergang noch Optionsrechte vereinbart wurden, lediglich der Laufzeittest (IAS 17.10c) und der Bar-
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werttest (IAS 17.10d) durchzuführen. Ergänzend ist zu prüfen, ob Gewinne oder Verluste, die aus Schwankungen des Fair Value des Restwerts entstehen, der Hanseatic AG zuzurechnen sind, oder ob diese Chancen und Risiken aus der Abschlussverwertung bei der Euro Lease AG verbleiben (IAS 17.11b). Nach Maßgabe des Laufzeittests kann ein Finanzierungs-Leasingverhältnis dann angenommen werden, wenn die Laufzeit des Leasingverhältnisses den überwiegenden Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Leasingobjekts umfasst. Sichert sich der Leasingnehmer die Verfügungsmacht über das Nutzenpotenzial für einen solchen Zeitraum, so ist ein eventuell vorgesehener Herausgabeanspruch des Leasinggebers für diesen nahezu wertlos. Wesentliche Chancen und Risiken liegen dann beim Leasingnehmer, der als wirtschaftlicher Eigentümer das Leasingobjekt zu bilanzieren hat. Zur Durchführung des Laufzeittests sind sowohl die „wirtschaftliche Nutzungsdauer“ als auch die „Laufzeit des Leasingverhältnisses“ festzulegen. Als Laufzeit des Leasingverhältnisses gilt gemäß IAS 17.4 derjenige Zeitraum, innerhalb dessen der Leasingnehmer das Leasingobjekt mit hinreichender Sicherheit nutzen wird. Die Festlegung ist hier unproblematisch: Da weder optionale Verlängerungszeiträume noch Sonderkündigungsrechte vertraglich vorgesehen sind, entspricht die Laufzeit des Leasingverhältnisses der unkündbaren Grundmietzeit von 15 Jahren. Damit umfasst sie gerade einmal 60 % der (nicht nach Steuerrecht, sondern nach IFRS zu ermittelnden) 25-jährigen wirtschaftlichen Nutzungsdauer. Unter Rückgriff auf den US-GAAPGrenzwert von 75 % (SFAS 13.7c) signalisiert der Laufzeittest einen Verbleib wesentlicher Chancen und Risiken aus der Anschlussverwertung des Containerschiffs beim Leasinggeber und damit ein Operating-Leasingverhältnis. Der Laufzeittest ist als alleiniger Prüfschritt nicht ausreichend. Ein FinanzierungsLeasingverhältnis kann schließlich auch dann vermutet werden, wenn zu Beginn des Leasingverhältnisses der Barwert der Mindestleasingzahlungen im Wesentlichen dem Fair Value des Leasingobjekts entspricht. Diese den deutschen Leasingerlassen unbekannte Beurteilungshilfe wird als Barwerttest bezeichnet. Ist dieser Test erfüllt, so ist es dem Leasinggeber offensichtlich gelungen, sein Investitionsrisiko auf den Leasingnehmer zu übertragen. Da der Leasingnehmer ein solch gewichtiges Risiko wohl nur dann bereit ist zu übernehmen, wenn ihm zugleich auch wesentliche Chancen am Objekt zugerechnet werden, liegt die Vermutung des Transfers wirtschaftlichen Eigentums auf den Leasingnehmer nahe. Zur Ermittlung des Barwerts der Mindestleasingzahlungen ist zunächst die Größe „Mindestleasingzahlungen“ zu bestimmen. Gemäß IAS 17.4 werden unter den Mindestleasingzahlungen alle Zahlungen subsumiert, die mit hinreichender Sicherheit vom Leasingnehmer an den Leasinggeber geleistet werden oder zu denen der Leasingnehmer herangezogen werden kann. Mit Blick auf die zwischen der Hanseatic AG und der Euro Lease AG geschlossene Leasingvereinbarungen gelten zunächst die vertraglich fixierten Leasingraten (3.850 T€ p.a.) als Mindestleasingzahlungen. Außerdem ist auch die vereinbarte Mindererlösbeteiligung der Hanseatic AG zu berücksichtigen.
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IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Es handelt sich nämlich um eine Restwertgarantie der Hanseatic AG. Derart garantierte Beträge sind zu ihrem vollen Wert (hier: 12.500 T€) — auf die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme kommt es nicht an — Bestandteil der Mindestleasingzahlungen (IAS 17.4). Zur Bestimmung des Barwerts der Mindestleasingzahlungen verlangt IAS 17 sowohl vom Leasinggeber als auch vom Leasingnehmer grundsätzlich die Anwendung des dem Leasingverhältnis zugrunde liegenden Zinssatzes. Dieser ist in IAS 17.4 definiert als der Zinssatz, bei dem zu Beginn des Leasingverhältnisses die Summe der Barwerte der Mindestleasingzahlungen aus Sicht des Leasinggebers und des nicht garantierten Restwerts gleich der Summe von Fair Value des Leasingobjekts und anfänglicher direkter Kosten des Leasinggebers ist. Damit wäre von der Hanseatic AG die folgende finanzmathematische Äquivalenzgleichung nach „q“ aufzulösen: 15 § · ¨ 3.850 T € q 1 12.500 T € ¸ 1 ngRw 1 ¨ ¸ q 15 q 1 q 15 © ¹
42.000 T € adK
mit: q = 1 + i, mit i als der dem Leasingverhältnis zugrunde liegende Zinssatz ngRW = nicht garantierter Restwert adK = anfängliche direkte Kosten des Leasinggebers Da die Gleichung neben der gesuchten Größe „q“ zwei weitere Unbekannte enthält, ist sie vor dem Informationshintergrund der Hanseatic AG nicht eindeutig lösbar. Bei der Hanseatic AG liegen weder Informationen über die bei der Euro Lease AG angefallenen anfänglichen direkten Kosten (z.B. Provisionen, Rechts- und Beratungskosten) noch über den nicht garantierten Restwert vor. Zwar ist der garantierte Restwert bekannt, doch über den von der Euro Lease AG tatsächlich kalkulierten Restwert kann nur spekuliert werden. Da nach herrschender Meinung das Schätzen der fehlenden Parameter unzulässig ist, muss zur Barwertberechnung auf den in der Aufgabenstellung angegebenen Grenzfremdkapitalzinssatz (hier: 7 %) zurückgegriffen werden. Damit liefert der Barwerttest über die von der Hanseatic AG zu leistenden Mindestleasingzahlungen das folgende Ergebnis: 15 § · ¨ 3.850 T € 1,07 1 12 .500 T € ¸ 1 ¨ ¸ 1,07 15 0 ,07 © ¹ 42 .000 T €
94 ,28 %
Ist es damit nun der Euro Lease AG annähernd gelungen, das mit der Anschaffung des Containerschiffs verbundene Investitionsrisiko auf die Hanseatic AG abzuwälzen? Nach IAS 17.10d soll das der Fall sein, wenn zu Beginn des Leasingverhältnisses der Barwert der Mindestleasingzahlungen „im Wesentlichen mindestens“ dem Fair Value des Leasingguts entspricht. Wendet man zur Interpretation des unscharfen „im We-
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sentlichen mindestens“ die entsprechende US-GAAP-Vorschrift an, so ist bei Überschreiten eines Grenzwerts von 90 % der Barwerttest erfüllt (SFAS 13.7d). Entgegen dem Ergebnis aus dem Laufzeittest deutet der Barwerttest folglich auf ein Finanzierungs-Leasingverhältnis und damit auf eine Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf die Hanseatic AG hin. Die bisherige Prüfung lässt noch eine angemessene Würdigung der Risiken- und Chancenverteilung des tatsächlichen Restwerts vermissen, die von der Generalnorm des IAS 17 gefordert wird. Das Wertminderungsrisiko des Restwerts liegt aufgrund der vereinbarten Restwertgarantie bei der Hanseatic AG. Ob dieser Umstand auch wirtschaftlich ins Gewicht fällt, ist für die bilanzielle Zurechnung des Containerschiffs irrelevant. Wie schon bei der Lösung zu a) kommt es auch nach IAS 17 für die endgültige Klassifizierungsentscheidung daher einzig auf die Verteilung der Wertsteigerungschance an. Anders als im Teilamortisationserlass für Mobilien enthält IAS 17.11b allerdings keinen Hinweis, welche Mindestchance beim Leasinggeber verbleiben muss, um eine Objektzurechnung zum Leasingnehmer zu verhindern. Die verbleibende Wertsteigerungschance muss jedoch wirtschaftlich signifikant sein. Diese Relevanz kann der Wertsteigerungschance beigemessen werden, wenn der hinreichend sicher zu realisierende Mehrerlös des Leasinggebers mindestens 10 % des beizulegenden Zeitwertes des Leasingobjekts zu Beginn des Leasingverhältnisses beträgt. Hierzu ist anzumerken, dass sich das gesamte durch den Markt bewertete Chancenund Risikopotenzial eines Vermögenswertes zu Beginn des Leasingverhältnisses in seinem beizulegenden Zeitwert widerspiegelt. Um zu prüfen, ob im Wesentlichen alle Chancen und Risiken auf den Leasingnehmer übergegangen sind, ist es folglich sachgerecht, die beim Leasinggeber tatsächlich verbleibenden Chancen und Risiken eben in Relation zum beizulegenden Zeitwert zu Beginn des Leasingverhältnisses zu beurteilen. Unterstellt man vor diesem Hintergrund, dass zum Ende der unkündbaren Grundmietzeit für das Containerschiff noch ein Verkaufserlös von 16.000 T€ (best case) realisiert werden kann, so würde die Euro Lease AG hieran mit 875 T€ ((16.000 T€ 12.500 T€) x 0,25) beteiligt sein. Da diese Wertsteigerungschance in Relation zum beizulegenden Zeitwert des Containerschiffs zu Beginn des Leasingverhältnisses (42.000 T€) gerade einmal 2,08 % ausmacht, fällt sie wirtschaftlich nicht ins Gewicht. Ökonomisch betrachtet verbleiben der Euro Lease AG damit keine nennenswerten Chancen und Risiken. Der Leasingvertrag ist demnach als Finanzierungs-Leasingverhältnis zu beurteilen, und die Hanseatic AG hat das Containerschiff als wirtschaftlicher Eigentümer zu bilanzieren.
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c) Objektzuordnung im IFRS-Abschluss des Leasinggebers Analog zum Vorgehen der Hanseatic AG hat auch die Euro Lease AG die Leasingvereinbarung als Finanzierungs-Leasingverhältnis oder als Operating-Leasingverhältnis zu klassifizieren. Der Laufzeittest deutet auch aus Sicht der Euro Lease AG zunächst auf ein OperatingLeasingverhältnis hin, da die gleichen Ausgangsdaten wie in der Lösung zu b) verwendet werden. Zur Durchführung des Barwerttests jedoch ist auf den dem Leasingverhältnis zugrunde liegenden Zinsfuß und nicht auf den Grenzfremdkapitalzinssatz abzustellen. Unter Berücksichtigung des intern erwarteten Restwerts (14.000 T€) ist dieser wie folgt zu berechnen: 15 § · ¨ 3.850 T € q 1 12.500 T € ¸ 1 1.500 T € 1 ¨ ¸ q 15 q 1 q 15 © ¹
42.000 T €
Aufgelöst nach i beträgt der dem Leasingverhältnis zugrunde liegende Zinssatz damit 6,3856 %. Der anschließende Barwerttest berücksichtigt dann nicht den erwarteten, sondern nur den (geringeren) garantierten Restwert und liefert aus Sicht der Euro Lease AG dann folgendes Ergebnis: 15 § · 1 ¨ 3.850 T € 1,063856 1 12 .500 T € ¸ ¨ ¸ 1,063856 15 0 , 063856 © ¹ 42 .000 T €
98 ,59 %
Das auch aus der Perspektive der Euro Lease AG auf ein FinanzierungsLeasingverhältnis hindeutende Ergebnis des Barwerttests wird durch Analyse der verbliebenen Wertsteigerungschance bestätigt. Wie bereits unter b) gezeigt, verbleibt der Euro Lease AG bestenfalls ein Mehrerlös von 875 T€, der mit einem Anteil von 2,08 % am beizulegenden Zeitwert des Containerschiffs wirtschaftlich unbedeutend ist. Folglich hat die Euro Lease AG das wirtschaftliche Eigentum am Containerschiff verloren. Literaturempfehlungen: Achleitner/Behr/Schäfer, Internationale Rechnungslegung, 4. Aufl. 2009, S. 183-201; ADS: Rechnungslegung nach internationalen Standards, Losebl., Abschnitt 12: Leasingverhältnisse (IAS 17) 2003; Kümpel/Becker, Leasing nach IFRS, 2006; Hastedt/Mellwig, Leasing — Rechtliche und ökonomische Grundlagen, 1998.
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2.3.2
Bilanzierung von Leasingverhältnissen – Fly Away Airlines
Rechtsquellen: IAS 17, SIC 15, SFAS 13 Lernziele: Erkennen des Einflusses optionaler Zeiträume, anfänglicher direkter Kosten und bedingter Leasingzahlungen auf die Klassifizierung und Berichterstattung von Leasingverträgen; Erkennen von bilanzpolitisch nutzbaren Ermessensspielräumen Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Die European Flightlease AG, ein auf Flugzeugleasing-Transaktionen spezialisiertes Unternehmen mit Sitz in Frankfurt a. M., erhält aus einem Anfang x1 beendeten Leasingverhältnis eine für den Langstreckenverkehr geeignete Boing 331/3 zurück. Die rentierliche Anschlussverwertung gestaltet sich als schwierig; erst nach langen Verhandlungen ist Ende x1 mit der Fly Away Airline, München, ein neuer Leasingpartner gefunden, der das Flugzeug ab dem 1.1..x2 auf der Transatlantikstrecke „Frankfurt/ New York“ einsetzen möchte. Der im Dezember x1 von beiden Parteien unterschriebene Leasingvertrag mit Wirkung ab x2 sieht neben einer unkündbaren Grundmietzeit von vier Jahren auch eine durch die Fly Away Airline ausübbare Verlängerungsoption von zwei Jahren vor. Als Gegenleistung für die Überlassung des wirtschaftlich noch 12 Jahre nutzbaren Flugzeugs sind jährlich nachschüssige Leasingraten von 7 Mio. € im ersten und 11,2 Mio. € vom zweiten bis zum vierten Nutzungsjahr, dem Ende der unkündbaren Grundmietzeit, vereinbart. Falls die Verlängerungsoption wahrgenommen werden würde, müsste die Fly Away Airline jährlich 8,5 Mio. € nachschüssig an die European Flightlease AG überweisen. Neben diesen fest vereinbarten Zahlungen beinhaltet der Leasingvertrag auch ein zusätzliches, ab dem dritten Nutzungsjahr und ggf. auch im Verlängerungszeitraum zu zahlendes auslastungsabhängiges Entgelt, das wie folgt gestaffelt ist: Tabelle 2-15:
Staffelung der auslastungsabhängigen Entgelte ab dem 3. Nutzungsjahr
Staffel/ nachzuweisender Auslastungsgrad der Boing 331/3
Zusätzliches Entgelt in % der jährlich nachschüssigen, auslastungsunabhängigen Raten
1
80 % und < 85 %
2,00 %
2
85 % und < 90 %
2,50 %
3
90 % und < 95 %
3,25 %
4
95 % und 100 %
3,75 %
70
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Der Kontrakt sieht ferner vor, dass Kosten für notwendige Wartungs- und Ersatzmaßnahmen, wie sie etwa für den Austausch der Triebwerke anfallen, von der European Flightlease AG getragen werden. Beide Parteien schätzen den beizulegenden Zeitwert der gebrauchten Boing zu Beginn des Leasingverhältnisses auf 86 Mio. €. Zum Ende der vierjährigen Grundmietzeit wird er nach bestem Wissen und mit den Prüfern abgestimmt auf 57 Mio. € geschätzt. Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe des IAS 17 soll auf jeder Vertragsseite nach IAS 8.12 i.V.m. SFAS 13 erfolgen. Laufzeit- und Barwerttest zeigen demnach auf beiden Seiten ein Finanzierungs-Leasing an, wenn die Laufzeit des Leasingverhältnisses zumindest 75 % der wirtschaftlichen Nutzungsdauer der Boing 331/3 umfasst bzw. der Barwert der Mindestleasingzahlungen nicht kleiner als 90 % des beizulegenden Zeitwerts der Verkehrsmaschine zu Beginn des Leasingverhältnisses ist. Aufgabenstellung
a) Klassifizieren Sie den Leasingvertrag aus Sicht der European Flightlease AG. Beachten Sie dabei, dass die Gesellschaft zum Ende der sechsjährigen Maximallaufzeit einen nicht garantierten Flugzeugrestwert von 45 Mio. € schätzt. Ferner werden die im Verlängerungszeitraum als marktüblich geltenden Leasingraten für ein vergleichbares Leasingobjekt mit 11 Mio. € p.a. angenommen. Indes konnte diese Vorstellung aufgrund der guten Verhandlungsposition der Fly Away Airline nicht durchgesetzt werden. Es wird ein Erreichen der dritten Auslastungsstaffel ab dem dritten Vertragsjahr als faktisch sicher geschätzt. Für Anbahnung und Abschluss des Leasinggeschäfts sind auf Seiten der European Flightlease AG schließlich noch Rechtsberatungs-, Informations- und Suchkosten in Höhe von 300 T€ angefallen.
b) Zu welchem Klassifizierungsergebnis kommt die Fly Away Airline? Die Entscheidungsträger gehen hier davon aus, dass die im Verlängerungszeitraum als marktüblich geltenden Leasingraten für ein Flugzeug gleichen Typs und Alters 9,3 Mio. € p.a. betragen; diesen Wert konnte man aufgrund der guten Verhandlungsposition unterschreiten. Außerdem ist man überzeugt, dass ab dem dritten Nutzungsjahr ein Erreichen nur der zweiten Auslastungsstaffel sicher ist. Der Grenzfremdkapitalzinssatz der Fly Away Airline beträgt 5,0 %.
c) Wie ist Ihr Klassifizierungsergebnis im IFRS-Abschluss der European Flightlease AG während der Laufzeit des Leasingverhältnisses abzubilden? Differenzieren Sie dabei: (1) Die Erwartungen gem. a) stellen sich tatsächlich ein. (2) Abweichend wird im Jahr x4 die vierte Auslastungsstaffel erreicht. (3) Abweichend wird im Jahr x4 nur die zweite Auslastungsstaffel erreicht. (4) Skizzieren Sie für den Fall (1) auch die erforderlichen Anhangangaben.
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IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
d) Wie ist das Leasingverhältnis während der Laufzeit des Leasingverhältnisses im IFRS-Abschluss der Fly Away Airline abzubilden? Gehen Sie auch auf notwendige Angaben im Anhang ein.
e) Nehmen Sie an, die Fly Away Airline macht ab x6 von ihrem Recht auf Ausübung der Verlängerungsoption Gebrauch. Wie ist dieses Ereignis aus Sicht der European Flightlease AG bilanziell zu würdigen?
f)
Prüfen Sie, ob bei einer Optionsausübung die Fly Away Airline den Leasingvertrag neu zu klassifizieren hätte. Welche bilanziellen Folgen hätte die Optionsausübung bei der Fly Away Airline?
Lösung:
a) Klassifizierung des Leasingvertrages bei der European Flightlease AG Zunächst wird ein Laufzeittest (IAS 17.10c) durchgeführt. Als Laufzeit des Leasingverhältnisses gilt derjenige Zeitraum, indem der Leasingnehmer das Leasingobjekt hinreichend sicher nutzen wird. Neben der unkündbaren Grundmietzeit sind folglich auch optionale Zeiträume dann zu berücksichtigen, wenn der Verlängerungsoption ein wirtschaftlicher Ausübungszwang immanent ist. Ein solcher Ausübungszwang ist beispielsweise dann zu vermuten, sofern die hinreichend sicher zu zahlenden Raten des Verlängerungszeitraums deutlich unter dem geschätzten, dann geltenden Marktniveau liegen. Unklar ist jedoch, wie der Begriff „deutlich unter“ in diesem Zusammenhang auszulegen ist. Für gewöhnlich wird der ökonomische Ausübungszwang spätestens dann bejaht, wenn die hinreichend sicheren Raten des Verlängerungszeitraums mindestens 20 % unter dem vermuteten Marktniveau dieses Zeitraums liegen. Allerdings finden sich in der Literatur auch deutlich niedrigere Schwellenwerte: So wird bereits ein Unterschreiten der Leasingraten im Verlängerungszeitraum um mindestens 10 % der dann voraussichtlich geltenden marktüblichen Raten als ökonomisch lohnend angenommen (vgl. Vogel, Immobilienleasingverhältnisse (IAS 17), in: Weber/ Baumunk, IFRS Immobilien, 2005, Tz. 640). Hier besteht Auslegungsspielraum. Setzt die European Flightlease AG zum Zwecke dieser Prüfung die aus ihrer Sicht als hinreichend sicher geltenden Leasingraten des Verlängerungszeitraums (8.776.250 € = 8.500.000 € x 1,0325 (vgl. Tabelle 2-11) ins Verhältnis zu den als marktüblich angenommenen Leasingraten (11.000.000 €), so liegen die im Verlängerungszeitraum empfangenen Raten 20,2 % unter dem geschätzten Marktniveau. Da dieser Verhältniswert sogar den oberen Grenzwert der beschriebenen Bandbreite übertrifft, ist der Option ein Zwang zur Ausübung beizumessen; aus Sicht der Flightlease wird die Fly Away Airline von der Verlängerungsoption Gebrauch machen. Die Laufzeit des Leasingverhältnisses wird daher auf sechs Jahre beziffert. Setzt man die so bestimmte Laufzeit des Leasingverhältnisses nun ins Verhältnis zur wirtschaftlichen Restnutzungsdauer der gebrauchten Boing 331/3 (12 Jahre), so wird
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der Grenzwert von 75 % klar unterschritten. Der Laufzeittest deutet folglich auf ein Operating-Leasingverhältnis hin. Um das Ergebnis zu verifizieren (oder zu falsifizieren), wird nun der Barwerttest durchgeführt. Zu ermitteln sind daher die Mindestleasingzahlungen. Darunter fallen hier zunächst die in jeder Periode zu zahlenden, auslastungsunabhängigen Raten. Fraglich ist, wie die auslastungsabhängigen Zahlungen zu würdigen sind. Zahlungen, denen es an der erforderlichen Zuflusswahrscheinlichkeit mangelt, weil sie letztlich von einem anderen Faktor als allein dem Zeitfaktor (hier: nachzuweisende Auslastung der Boing 331/3) abhängen, werden in IAS 17.4 als bedingte Mietzahlungen bezeichnet. Bedingte Mietzahlungen werden dann nicht Teil von Mindestleasingzahlungen, wenn der Eintritt der mit ihnen verbundenen Bedingung nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen ist. Umgekehrt gilt: Ist der Eintritt der Bedingung als sicher anzusehen, sind die Zahlungen nach h. M. zu berücksichtigen. Da die European Flightlease AG keine Zweifel am Erreichen der dritten Auslastungsstaffel hat, sind die ab dem dritten Jahr zu leistenden auslastungsunabhängigen Raten um den Faktor 1,0325 zu erhöhen. Die Mindestleasingzahlungen beziffern sich demnach auf insgesamt 58.880.500 € (1. Jahr: 7.000.000 €; 2. Jahr: 11.200.000 €; 3. Jahr: 11.564.000 €; 4. Jahr: 11.564.000 €; 5. Jahr: 8.776.250; 6. Jahr: 8.776.250 €). Der nicht garantierte Restwert nach sechs Jahren (45.000.000 €) wird hingegen nicht zu den Mindestleasingzahlungen gerechnet, da sein Zufluss nicht faktisch sicher, sondern nur geschätzt ist. Bevor der Barwerttest durchgeführt werden kann, muss mit den so abgegrenzten Mindestleasingzahlungen zunächst der Effektivzins des Leasingverhältnisses ermittelt werden. Dazu setzt man die mit dem gesuchten Zinssatz diskontierten Mindestleasingzahlungen mit dem Fair Value des Flugzeugs (86.000 T€) zuzüglich der anfänglichen direkten Kosten (300 T€) gleich: 7.000 T € q
1
11.200 T € q
2
11.564 T € q
3
11.564 T € q
4
8.776 T € q
5
53.776 T € q6
86.300 T €
Um das Auflösen nach „q“ („q“ ist hier definiert als der um eins erhöhte Effektivzinssatz des Leasingverhältnisses) zu erleichtern, kann auf die Excel-Funktion „Zielwertsuche“ (IKV) zurückgegriffen werden. Als Lösung liefert die Funktion einen Wert von 4,1787 %. Auf dieser Basis errechnet sich der Barwert der Mindestleasingzahlungen wie folgt: 7.000 T € 1,041787
1
11.200 T € 1,041787
2
11.564 T € 1,041787
3
11.564 T € 1,041787
4
8.776 T € 1,041787
5
8.776 T € 1,041787 6
51.100 T €
Setzt man den so bestimmten Barwert der Mindestleasingzahlungen (51.100 T€) ins Verhältnis zum beizulegenden Zeitwert der Boing 331/3 (86.000 T€), so bleibt auch dieser Quotient (59,42 %) deutlich unter dem Grenzwert von 90 %. Folglich deutet auch der Barwerttest auf ein Operating-Leasingverhältnis hin.
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IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
An den im Rahmen von Laufzeit- und Barwerttest gewonnenen Ergebnissen ändert auch eine Prüfung der Verteilung von Chancen und Risiken aus der Anschlussverwertung der Boing 331/3 nichts mehr. Da die Verkehrsmaschine schlicht an die European Flightlease AG zurückfällt, trägt diese sämtliche Chancen und Risiken aus der Anschlussverwertung. Aufgrund der anzunehmenden Signifikanz des Flugzeugrestwerts [45 Mio. € / 86 Mio. € = 52,3 % (als Signifikanzgrenze kann ein Schwellenwert von 10 % angenommen werden)], muss davon ausgegangen werden, dass die bei der European Flightlease AG verbleibenden Chancen und Risiken aus der Anschlussverwertung auch wirtschaftlich noch ins Gewicht fallen. Die Leasingvereinbarung ist aus Sicht der European Flightlease AG demnach als Operating-Leasingverhältnis zu klassifizieren. Die European Flightlease AG hat die Boing 331/3 daher als juristischer und wirtschaftlicher Eigentümer in ihrem Anlagevermögen zu bilanzieren.
b) Klassifizierung des Vertrags aus Sicht der Fly Away Airline Auch der Leasingnehmer muss den Vertrag nach IAS 17 beurteilen, um zu einer Entscheidung über den Bilanzansatz des Leasinggegenstandes zu kommen. Als Kriterien kommen hier ebenfalls der Laufzeittest, der Barwerttest und die Beurteilung der Verteilung von Chancen und Risiken aus der Anschlussverwertung der Boing 331/3 zum Tragen. Aus der analogen Vorgehensweise kann aber nicht geschlossen werden, dass sich die beiden Klassifizierungsergebnisse entsprechen. Ursächlich hierfür ist eine zumeist asymmetrische Informationsverteilung, aus der letztlich unterschiedliche Erwartungen über künftige Ereignisse und Handlungen entstehen. Außerdem sind die Ausprägungen der von IAS 17 vorgegebenen Kriterien auslegungsbedürftig. Während der letztgenannte Punkt hier gegenstandslos ist (beide Parteien transformieren qualitative Grenzwerte/Kriterien in Anlehnung an SFAS 13), sind unterschiedliche, aber jeweils als hinreichend sicher geltende Erwartungen zu berücksichtigen. Dies gilt zunächst für den Parameter „Laufzeit des Leasingverhältnisses“. Neben der unkündbaren Grundmietzeit (4 Jahre) hat nämlich auch die Fly Away Airline zu prüfen, ob der optionale Verlängerungszeitraum in die Laufzeit des Leasingverhältnisses einzubeziehen ist. Wie schon unter a) werden für die Zwecke dieser Prüfung die hinreichend sicher zu zahlenden Raten des Verlängerungszeitraums ins Verhältnis zu den dann geltenden, marktüblichen Leasingraten gesetzt. Anders als unter a) aber wird von der Fly Away Airline erwartet, dass nur die zweite Auslastungsstaffel erreicht wird, so dass sich die Anschlussraten auf 8.712.500 € (= 8.500.000 € x 1,025) belaufen würden. Die marktübliche Vergleichsmiete wird ferner nur auf 9.300.000 € geschätzt. Da die als hinreichend sicher geltenden Zahlungen das geschätzte Marktniveau nur um 6,3 % unterschreiten und damit ein Verhältniswert erreicht wird, der nicht einmal den unteren Schwellenwert der unter a) beschriebenen Bandbreite erreicht, kann von einem ökonomischen Ausübungszwang der Option nicht gesprochen werden. Die Laufzeit des Leasingverhältnisses ist daher aus Sicht des Leasingnehmers auf die unkündbare Grundmietzeit beschränkt. Im Ergebnis deutet der Laufzeittest (4 Jahre / 12 Jahre = 33 %) hier allerdings auch auf ein Operating-Leasingverhältnis hin.
74
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Auch der Parameter „Mindestleasingzahlungen“ wird hier anders, und zwar wegen der Erwartung des Erreichens nur der zweiten Auslastungsstaffel niedriger bemessen. Infolgedessen betragen die Mindestleasingzahlungen aus Sicht der Fly Away Airline 7.000.000 € im ersten Jahr, 11.200.000 € im zweiten Jahr sowie 11.480.000 € im dritten und vierten Jahr (Summe: 41.160.000 €). Die Zahlungen des Verlängerungszeitraums werden nicht Teil der Mindestleasingzahlungen, da die fortgesetzte Ausübung des Nutzungsrechts in dieser Zeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festzustellen war. Ein weiterer Unterschied liegt in der Anwendung des zur Barwertberechnung heranzuziehenden Zinssatzes. Hier müssen die Mitarbeiter der Fly Away Airline auf den Grenzfremdkapitalzinssatz (5,0 %) abstellen. Die Anwendung des dem Leasingverhältnis zugrunde liegenden Zinssatzes kommt nicht in Frage, weil keine Kenntnisse über
den von der European Flightlease AG kalkulierten Restwert,
die von der European Flightlease AG kalkulierten Mindestleasingzahlungen und
die angefallenen Initialkosten (initial direct costs) vorliegen.
Der Barwerttest führt demnach zu folgendem Ergebnis:
7.000 T € 1,051
11.200 T €
11.480 T € 11.480 T € 1,05 2 1,05 3 1,05 4 86.000T €
42 ,1 %
Damit signalisiert auch der Barwerttest ein Operating-Leasingverhältnis. Da angesichts der zum wahrscheinlichen Vertragsende verbleibenden wirtschaftlichen Restnutzungsdauer des Flugzeugs (8 Jahre) auch die Fly Away Airline zu dem Ergebnis gelangt, dass der Restwert der Verkehrsmaschine wesentlich ist (57 Mio. € / 86 Mio. € = 66,3 %) und allein die European Flightlease AG hieran partizipiert, bleibt es auch nach Würdigung der Chancen und Risiken aus der Anschlussverwertung der Boing 331/3 bei einer Beurteilung des Vertrags als Operating-Leasingverhältnis. Trotz unterschiedlicher Erwartungen kommen beide Parteien hier zu einer gleichgerichteten Klassifizierung des Leasingvertrags.
c) Abbildung eines Operating-Leasingverhältnisses beim Leasinggeber (1) Nach dem unter a) ermittelten Klassifizierungsergebnis bleibt die European Flightlease AG zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Boing 331/3. Folglich bilanziert sie die Verkehrsmaschine auch weiterhin und weist sie unter ihrem Sachanlagevermögen aus. Bilanzierung und Bewertung richten sich nach den Vorschriften von IAS 16. Besondere Bilanzierungs- und Bewertungsregeln für im Rahmen von Operating-Leasingverhältnissen verleaste Vermögenswerte existieren innerhalb des IFRSNormensystems nicht (IAS 17.49). Nach Maßgabe des Komponentenansatzes (s. Aufgabe 2.2.5) werden daher die wesentlichen Komponenten der Maschine (z.B. Flug75
2.3
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
zeugrumpf und Triebwerke) gesondert bewertet und über ihre jeweilige Nutzungsdauer planmäßig abgeschrieben. Etwaige Wertminderungen werden gemäß IAS 36 identifiziert und erfasst. Eine Aktivierung der künftig zu erhaltenen Leasingzahlungen kommt nicht in Betracht, da dass Leasinggeschäft als schwebendes Dauerschuldverhältnis dem bislang auch international anerkannten Grundsatz der Nicht-Bilanzierung schwebender Geschäfte unterworfen ist. Allerdings werden in IAS 17.50 ff. Regeln zur periodengerechten Erfassung der mit dem Leasingverhältnis verbundenen Zahlungen vorgegeben. So bestimmt IAS 17.50, dass die erzielbaren Leasingerträge regelmäßig linear über die Laufzeit des Leasingverhältnisses zu verteilen sind. Obgleich der Standard den Begriff „Leasingerträge“ nicht definiert, so ist dennoch davon auszugehen, dass hierunter alle hinreichend sicheren Zahlungen zu subsumieren sind, die ein Leasinggeber unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise für das während der Laufzeit des Leasingverhältnisses eingeräumte Nutzungsrecht empfängt. Die Vorgabe des IAS 17.50 wird durch SIC 15 weiter konkretisiert. Hiernach sind die periodengerecht zu verteilenden Mieterträge noch um den Betrag gewährter Anreize zu mindern. Als Anreize, die einen Leasingnehmer zum Abschluss eines Leasingvertrags motivieren sollen, gelten unter anderem mietfreie oder mietreduzierte Perioden. Die um gewährte Anreize geminderten Mieterträge werden in SIC 15 als Nettogegenleistung für die Nutzungsüberlassung bezeichnet. Gewährt der Leasinggeber mietfreie oder mietreduzierte Perioden als Anreiz, so entsprechen die tatsächlichen Zahlungen aus dem Leasingverhältnis der Nettogegenleistung für die Nutzungsüberlassung. Demnach entspricht die zu verteilende Nettogegenleistung für die überlassene Boing 331/3 insgesamt einem Betrag von 58.880.500 € (= 7.000.000 € + 11.200.000 € + 2 x 11.564.000 € + 2 x 8.776.250 €). Bei linearer Verteilung erfasst die European Flightlease AG damit zunächst einen jährlichen Leasingertrag respektive Umsatzerlös in Höhe von 9.813.417 € (= 58.880.250 € / 6 Jahre). Klarstellend wird in IAS 17.51 noch darauf aufmerksam gemacht, dass die Verteilung der Nettogegenleistung weder von der Höhe noch vom Zugangszeitpunkt der tatsächlichen Zahlungen abhängt. Weicht daher die lineare Allokation von den vereinbarten Zahlungsmodalitäten ab, so sind entsprechende aktivische (prepaid expenses) oder passivische (deferred income) Abgrenzungen vorzunehmen. Die bilanzierten Abgrenzungsposten sind dann in der Weise über die Vertragslaufzeit aufzulösen, dass sie sich bis zum Ende der Laufzeit des Leasingverhältnisses auf Null reduziert haben. Die Auflösung erfolgt dabei nach Maßgabe der Verteilung der Leasingerträge und damit regelmäßig linear. Das mit der Fly Away Airline geschlossene Leasingverhältnis ist in den Büchern der European Flightlease AG somit wie folgt abzubilden:
76
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-16:
Jahr
Abgrenzung von Mieterträgen beim Leasinggeber (in €)
Zufluss liquider Mittel
Mietertrag/ Umsatzerlös
aktivische Abgrenzung (prepaid expenses)
Veränderung des aktivischen Abgrenzungspostens
passivische Abgrenzung (deferred income)
Veränderung des passivischen Abgrenzungspostens
x2
7.000.000
9.813.417
2.813.417
2.813.417
-
-
x3
11.200.000
9.813.417
1.426.833
- 1.386.583
-
-
x4
11.564.000
9.813.417
-
- 1.426.833
323.750
323.750
x5
11.564.000
9.813.417
-
-
2.074.333
1.750.583
x6
8.776.250.
9.813.417
-
-
1.037.167
- 1.037.167
x7
8.776.250
9.813.417
-
-
58.880.500
58.880.500
Summe
-
- 1.037.167
Entstehen dem Leasinggeber im Zusammenhang mit den Vertragsverhandlungen oder dem Abschluss eines Operating-Leasingverhältnisses anfängliche direkte Kosten (initial direct costs), so sind diese beim Buchwert des Leasinggegenstandes zu aktivieren und in gleicher Weise wie die Leasingerträge – also linear – über die Laufzeit des Leasingverhältnisses aufwandswirksam zu verteilen (IAS 17.52). Der Buchwert der Boing 331/3 erhöht sich demnach um 300.000 € zu Beginn des Leasingvertrages und mindert sich in den folgenden sechs Jahren um je 50.000 € aufwandswirksam. (2) Wird abweichend von (1) im dritten Vertragsjahr (x4) tatsächlich die vierte Auslastungsstaffel erreicht, ist der sich einstellende Mehrertrag von 56.000 € (= 11.200.000 € x 1,0375 – 11.200.000 € x 1,0325) als bedingte Mietzahlung (contingent rent) zu erfassen. Zum 31.12.x4 wäre dann wie folgt zu buchen: Konto
liquide Mittel
€
Konto
11.620.000 an Umsatzerlöse an aktiver Abgrenzungsposten an passiver Abgrenzungsposten an bedingte Mietzahlungen
€
9.813.417 1.426.833 323.750 56.000
(3) Unterstellt man hingegen, dass der tatsächliche Auslastungsgrad der Boing 331/3 in x4 lediglich innerhalb der zweiten Staffel liegt, so ist der sich einstellende Minderertrag (11.200.000 € x 1,025 - 11.200.000 € x 1,0325 = - 84.000 €) ebenfalls als bedingte Mietzahlung, nun aber aufwandswirksam, abzubilden.
77
2.3
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
In diesem Fall würde die Buchung zum 31.12.x4 lauten: Konto liquide Mittel bedingte Mietzahlungen
€
Konto
€
11.480.000 84.000 an Umsatzerlöse an aktiver Abgrenzungsposten an passiver Abgrenzungsposten
9.813.417 1.426.833 323.750
(4) Neben den Regeln zur periodengerechten Erfassung von Leasingerträgen enthält IAS 17 auch Vorgaben zu erläuternden Anhangangaben, denen die European Flightlease AG erstmals zum 31.12.x1 nachkommen muss. So hat sie gemäß IAS 17.56 (a) zunächst den Gesamtbetrag der zum Bilanzstichtag noch nicht vereinnahmten Mindestleasingzahlungen aus unkündbaren Operating-Leasingverhältnissen anzugeben. Zudem ist diese Summe nach Fälligkeiten zu rastern. Jeweils zusammenzufassen sind solche Mindestleasingzahlungen, die aus der Stichtagsperspektive
innerhalb eines Jahres zur Zahlung fällig werden,
nach einem und höchstens fünf Jahren zur Zahlung fällig werden und
erst in mehr als fünf Jahren zur Zahlung fällig werden.
Hervorzuheben ist, dass der Leasinggeber über Mindestleasingzahlungen und nicht ausschließlich über Leasingerträge zu informieren hat. Vom Leasingnehmer oder Dritten garantierte Restwerte sind daher ebenfalls einzubeziehen. Eine Angabe der Barwerte der nach Fälligkeiten gruppierten Mindestleasingzahlungen wird – und dies ist aus der Sicht externer Bilanzadressaten zu bedauern – nicht gefordert. Dem Angabeerfordernis des IAS 17.56 (a) kommt die European Flightlease AG in ihren Abschlüssen x1 bis 2011 jeweils wie folgt nach:
78
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-17: Jahr
Noch nicht vereinnahmte Mindestleasingzahlungen aus OperatingLeasingverhältnissen (in €) bis 1 Jahr
1 bis 5 Jahre
über 5 Jahre
Summe
x1
7.000.000
43.104.250
8.776.250
58.880.500
x2
11.200.000
40.680.500
-
51.880.500
x3
11.564.000
29.116.500
-
40.680.500
x4
11.564.000
17.552.500
-
29.116.500
x5
8.776.250
-
17.552.500
x6
8.776.250
-
8.776.250
8.776.250 -
Ab x4 hat die European Flightlease AG gemäß IAS 17.56b gegebenenfalls auch über erfolgswirksam erfasste bedingte Mietzahlungen zu informieren, wenn der tatsächliche Auslastungsgrad der Boing 331/3 von der dritten Staffel abweicht. Außerdem informiert die European Flightlease AG auch über zentrale Konditionen der geschlossenen Operating-Leasingverhältnisse (IAS 17.56c). Zu den Mindestinhalten des hier zu formulierenden Textes gehören
Erläuterungen zu den verleasten Leasingobjekten,
Erläuterungen über die Bandbreite der vereinbarten Vertragslaufzeiten,
Angaben über etwaige Kauf- und Mietverlängerungsoptionen sowie
Angaben über die Grundlagen, auf denen bedingte Mietzahlungen vereinbart sind.
Neben den Angabepflichten des IAS 17.56 muss die European Flightlease AG auch den Angabeerfordernissen des IAS 16 nachkommen (IAS 17.57). Schließlich können ergänzende Angaben gemäß IFRS 7 „Finanzinstrumente: Angaben“ in Betracht kommen (IAS 17.56). Da Operating-Leasingverhältnisse aber grundsätzlich kein Finanzinstrument im Sinne von IAS 32.11 darstellen, gelten die Angabepflichten zu Finanzinstrumenten nur dann, wenn Leasingraten bereits fällig, aber noch nicht vereinnahmt worden sind. Auf die dann bilanzierte Leasingforderung sind die Regeln des IFRS 7 anzuwenden.
d) Abbildung eines Operating-Leasingverhältnisses beim Leasingnehmer Auch aus Sicht der Fly Away Airline stellt die mit der European Flightlease geschlossene Leasingvereinbarung ein grundsätzlich nicht zu bilanzierendes schwebendes Dauerschuldverhältnis dar. Solange der Kontrakt daher nicht als belastend (onerous) im Sinne von IAS 37 zu qualifizieren ist, werden der Fly Away Airline im Wesentlichen die Regeln zur periodengerechten Erfassung des Mietaufwands und der Angabepflichten nach IAS 17 vorgegeben.
79
2.3
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Gemäß IAS 17.33 sind die von der Fly Away Airline aufzuwendenden Leasingzahlungen regelmäßig linear über die Laufzeit des Leasingverhältnisses zu verteilen. Spiegelbildlich zur Definition der Leasingerträge sind unter den Leasingzahlungen alle Leistungen zu subsumieren, die der Leasingnehmer unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise für das während der Laufzeit des Leasingverhältnisses eingeräumte Nutzungsrecht hinreichend sicher entrichten muss. Da die Fly Away Airline, wie unter b) ausgeführt, nur zu einer vierjährigen Laufzeit des Leasingverhältnisses gelangt und sie zudem nur ein Erreichen der zweiten Auslastungsstaffel unterstellt, weichen die erwarteten, periodengerecht zu verteilenden Leasingzahlungen (41.160.000 € = 7.000.000 € + 11.200.000 € + 2 x 11.480.00 €) von den gleichsam zu verteilenden Leasingerträgen der European Flightlease AG (58.880.500 €) ab. Bei linearer Verteilung erfasst die Fly Away Airline damit einen jährlichen Mietaufwand in Höhe von 10.290.000 € (= 41.160.000 € / 4 Jahre). Im Zeitraum vom 01.01.x2 bis zum 31.12.x5 ist das Leasingverhältnis dann wie folgt darzustellen: Tabelle 2-18: Jahr
Abgrenzung von Mietaufwendungen beim Leasingnehmer (in €)
Abfluss liquider Mittel
Mietaufwand
passivische Abgrenzung (deferred income)
Veränderung des passivischen Abgrenzungspostens
x2
7.000.000
10.290.000
3.290.000
x3
11.200.000
10.290.000
2.380.000
- 910.000
x4
11.480.000
10.290.000
1.190.000
- 1.190.000
x5
11.480.000
10.290.000
Summe
41.160.000
41.160.000
-
3.290.000
- 1.190.000
Während der Laufzeit des Leasingverhältnisses gibt die Fly Away Airline die jährlich aufwandswirksam erfassten Mindestleasingzahlungen in Höhe von 10.290.000 € im Anhang an (IAS 17.35c). In den Jahren x4 und x5 sind zusätzlich, falls tatsächlich eine andere als die zweite Auslastungsstaffel erreicht wird, Angaben über die jeweils erfolgswirksam verbuchten bedingten Mietzahlungen zu machen (siehe analog Lösung zu c(2) und c(3). Die Angabepflichten des IFRS 7 sind nur dann zu beachten, wenn Leasingraten bereits fällig, aber noch nicht bezahlt worden sind. Gemäß IAS 17.35a sind die nach ihren jeweiligen Fälligkeiten gegliederten künftigen Mindestleasingzahlungen aus unkündbaren Operating-Leasingverhältnissen anzugeben. Dabei sind solche Mindestleasingzahlungen zu gruppieren, die aus der Perspektive des jeweiligen Abschlussstichtags
innerhalb eines Jahres zur Zahlung fällig werden,
nach einem und höchstens fünf Jahren zur Zahlung fällig werden und
erst in mehr als fünf Jahren zur Zahlung fällig werden.
80
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Eine Angabe des zu den jeweiligen Fälligkeitsgruppen gehörenden Barwertes wird nicht gefordert. Speziell Ratingagenturen beziehen aber bei der Durchführung ihrer (Bonitäts-)Analysen die Verpflichtungen aus Operating-Leasingverhältnissen in die Berechnung der Verschuldung des Unternehmens mit ein und machen somit keinen Unterschied, ob das Unternehmen seine Leasingvereinbarungen als Finanzierungsoder Operating-Leasingverhältnis klassifiziert. Während aber der Gegenwartswert der künftigen Zahlungsmittelabflüsse aus Finanzierungs-Leasingverhältnissen dem Abschluss entnommen werden kann, muss die Kapitalisierung der Verpflichtungen aus Operating-Leasingvereinbarungen auf Basis pauschaler Annahmen über den Diskontierungssatz und die zeitliche Verteilung der Auszahlungen nachgeholt werden. Aus der fehlenden Verpflichtung zur gestaffelten Angabe der Barwerte erwachsen der Fly Away Airline mit Blick auf die Außendarstellung daher möglicherweise Nachteile, die freilich durch freiwillige Angaben über den Barwert und den verwendeten Diskontierungsfaktor geheilt werden können. In den Jahren x1 bis x4 berichtet die Fly Away Airline jeweils wie folgt: Tabelle 2-19: Jahr
Noch nicht als Aufwand erfasste Mindestleasingzahlungen aus OperatingLeasingverhältnissen (in €)
bis 1 Jahr
1 bis 5 Jahre
über 5 Jahre
Summe
x1
7.000.000
34.160.000
-
41.160.000
x2
11.200.000
22.960.000
-
34.160.000
x3
11.480.000
11.480.000
-
22.960.000
x4
11.480.000
-
-
11.480.000
Schließlich verlangt auch IAS 17.35d eine allgemeine Beschreibung der wesentlichen Leasingvereinbarungen. Anzugeben ist, auf welcher Grundlage bedingte Mietzahlungen festgelegt sind, ob Verlängerungs- oder Kaufoptionen und Preisanpassungsklauseln bestehen und – falls ja – wie diese allgemein ausgestaltet sind. Ebenso soll über Beschränkungen berichtet werden, die der Fly Away Airline infolge einer geschlossenen Leasingvereinbarung auferlegt sind. Außerdem ist darzulegen, welche Vermögenswerte die Fly Away Airline im Rahmen von Operating-Leasingverhältnissen nutzt und für welche Zeiträume die Leasingvereinbarungen durchschnittlich geschlossen sind.
e) Bilanzielle Auswirkung der Ausübung einer Verlängerungsoption beim Leasinggeber
Macht die Fly Away Airline von ihrem vertraglich zugesicherten Recht auf Mietverlängerung Gebrauch, so nimmt dieses Ereignis aus Sicht der European Flieghtlease AG weder Einfluss auf die unter a) beschriebene Klassifizierung noch auf die unter c) dargestellte Abbildung der Leasingvereinbarung, da die European Flightlease AG bereits im Klassifizierungszeitpunkt von einer Optionsausübung der Fly Away Airline ausge81
2.3
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
gangen ist. Da sich die relevanten Klassifizierungs- und Bilanzierungsparameter infolge der Optionsausübung nicht ändern, werden auch keine buchhalterische Anpassungen erforderlich.
f)
Neuklassifizierung des Leasingvertrags und bilanzielle Auswirkung der Ausübung einer Verlängerungsoption beim Leasingnehmer
Fraglich ist, ob das Ereignis „Optionsausübung“ wirtschaftlich als change in the provisions of the lease im Sinne von IAS 17.13 zu würdigen ist. Die Ausübung einer bereits zu Vertragsbeginn vereinbarten, aber unberücksichtigten Verlängerungsoption ist formal keine Vertragsänderung. Wirtschaftlich ist sie jedoch einer nachträglich vereinbarten Vertragsverlängerung gleichzustellen. Dann sollten sich auch dieselben Konsequenzen des IAS 17.13 daran anschließen (zu Einzelheiten s. Kümpel/Becker, PiR 2006, 243 (244)). Danach ist zu prüfen, ob infolge der Optionsausübung wirtschaftlich von einer neuen Leasingvereinbarung (new agreement) auszugehen ist. Zu diesem Zweck muss die Fly Away Airline retrospektiv analysieren, ob der Leasingvertrag zu Beginn des Leasingverhältnisses anders klassifiziert worden wäre, wenn die Optionsausübung bereits in diesem Zeitpunkt mit der geforderten Sicherheit festgestellt worden wäre. Alle anderen Einflussgrößen, wie etwa der Grenzfremdkapitalzinssatz, der beizulegende Zeitwert der Boing 331/3 oder die Einschätzung der realisierbaren Auslastungsstaffel, sind unverändert beizubehalten. Wird im Verlauf dieser retrospektiven Prüfung ein im Vergleich zur Erstklassifizierung abweichendes Ergebnis festgestellt, so ist die geänderte Vereinbarung als ein neues Leasingverhältnis zu beurteilen. Die Altvereinbarung gilt dann als (vorzeitig) beendet und die Neuvereinbarung ist gemäß IAS 17.7 ff. prospektiv, d.h. auf Basis aktualisierter Beurteilungsparameter, zu klassifizieren. Wird im Rahmen des retrospektiven Prüfschritts aber kein von der Erstklassifizierung abweichendes Ergebnis ermittelt, so liegt auch kein neues Leasingverhältnis vor. Das Erstklassifizierungsergebnis ist dann beizubehalten. Lediglich die Parameter, die der buchhalterischen Abbildung des Leasingvertrags zugrunde liegen sind zu aktualisieren und das Altverhältnis ist auf dieser angepassten Basis fortzuführen. Den Vorgaben in IAS 17.13 folgend, führt die Fly Away Airline zunächst den Laufzeittest durch. Dieser signalisiert auch weiterhin ein Operating-Leasingverhältnis (6 Jahre / 12 Jahre = 50 %). Auch der Barwerttest deutet aus retrospektiver Sicht nicht auf eine Übertragung wirtschaftlichen Eigentums auf die Fly Away Airline hin. So ist der Barwert der Mindestleasingzahlungen jetzt wie folgt zu berechnen: 7.000 T € 1,05
1
11.200 T € 1,05
2
11.480 T € 1,05
3
11.480 T € 1,05
4
8.713 T € 1,05
5
8.713 T € 1,05 6
49.515 T €
Da der in dieser Weise berechnete Barwert der Mindestleasingzahlungen gerade einmal 57,6 % des beizulegenden Zeitwerts der Boing 331/3 zu Vertragsbeginn (86.000.000 €) abdeckt, ist die Leasingvereinbarung auch weiterhin als ein Operating-
82
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Leasingverhältnis zu klassifizieren. Demnach wurde durch die Optionsausübung wirtschaftlich kein neues Leasingverhältnis begründet. Das Ergebnis der Erstklassifizierung ist beizubehalten.
Buchhalterisch ist das Altverhältnis daher unter den geänderten Bedingungen fortzuführen. Hierzu sind die gesamten, noch ausstehenden Leasingzahlungen von 17.425.000 € (= 2 x 8.712.500 €) linear über den Verlängerungszeitraum zu verteilen. In den Jahren x6 und x7 weist die Fly Away Airline daher Mietaufwendungen in Höhe von 8.712.500 € aus. Sofern in diesem Zeitraum eine andere als die zweite Auslastungsstaffel erreicht wird, ist der sich einstellende Mehr- oder Minderaufwand als bedingte Mietzahlung darzustellen. Zum 31.12.x5 aktualisieren die Mitarbeiter der Fly Away Airline schließlich die gemäß IAS 17.35 vorgegebenen Pflichtangaben. Speziell mit Blick auf das Angabeerfordernis des IAS 17.35a stellen sich die aktualisierten Erläuterungen wie folgt dar: Tabelle 2-20: Jahr
Noch nicht als Aufwand erfasste Mindestleasingzahlungen aus OperatingLeasingverhältnissen (in €)
bis 1 Jahr
x5
8.712.500
x6
8.712.500
1 bis 5 Jahre
8.712.500 -
über 5 Jahre
Summe
-
17.425.000
-
8.712.500
2.4
Vorräte und Fertigungsaufträge
2.4.1
Herstellungskosten von Vorräten – „Klopfer“
Rechtsquellen: IAS 2 Lernziele: Umfang der Herstellungskosten; Verbot der Aktivierung von Leerkosten Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die in Stuttgart ansässige Bohrhammer GmbH, Tochterunternehmen der nach IFRS bilanzierenden Robert Busch GmbH, fertigt diverse Heimwerkermaschinen, die über Baumärkte vertrieben werden. Als Praktikant der Firma erhalten Sie die Aufgabe, für Konzernzwecke die Herstellungskosten der Bohrmaschine „Klopfer“ am Jahresende x1 zu ermitteln. Folgende Daten zweier Szenarien liegen Ihnen vor:
83
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-21:
Vorgaben zur Herstellungskostenermittlung der Bohrmaschine „Klopfer“
Nr. Bezeichnung
Szenario A
Szenario B
1
normale Produktionskapazität pro Periode
100.000 Stück
100.000 Stück
2
produzierte Menge in x1
100.000 Stück
70.000 Stück
3
abgesetzte Menge in x1
90.000 Stück
60.000 Stück
4
Materialeinzelkosten pro Stück
4€
4€
5
Fertigungseinzelkosten pro Stück
3€
3€
6
produktionsnahe variable Verwaltungsgemeinkosten
220.000 €
170.000 €
7
planmäßige Abschreibung auf Fertigungsanlagen
400.000 €
400.000 €
8
außerplanmäßige Abschreibung auf Fertigungsanlagen
150.000 €
150.000 €
9
planmäßige Abschreibung auf „Klopfer“Entwicklungskosten
200.000 €
200.000 €
Aufgabenstellung
a) Welche der oben genannten Kostenbestandteile sind dem Grunde nach in die Herstellungskostenermittlung nach IAS 2 einzubeziehen?
b) Ermitteln Sie die Herstellungskosten pro Stück für die Szenarien A und B. c) Ändern sich Ihre Ergebnisse zu b), wenn Sie unter sonst gleichen Bedingungen die Herstellungskosten nach HGB ermitteln? Lösung
a) Bestandteile der Herstellungskosten nach IAS 2 Zu den Herstellungskosten fertiger und unfertiger Erzeugnisse gehören nach IAS 2 alle in der Produktion anfallenden Einzel- und Gemeinkosten (Vollkostenansatz) unter Berücksichtigung ihrer Angemessenheit. Eine Aktivierung ist insoweit auf den Zeitraum der Herstellung beschränkt, Leerkosten oder überhöhte Kosten sowie außerplanmäßige Abschreibungen z.B. auf Fertigungsanlagen dürfen nicht aktiviert werden. Für Verwaltungskosten, die keinen Produktionsbezug aufweisen, besteht generell ein Aktivierungsverbot.
84
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Damit sind dem Grunde nach bis auf Zeile 8 – die außerplanmäßigen Abschreibungen – alle genannten Kosten zu aktivieren. Das gilt explizit auch für die Abschreibungen auf aktivierte Entwicklungskosten der Bohrmaschine „Klopfer“ (IAS 38.99).
b) Herstellungskosten Szenario A und B Im Szenario A entspricht die produzierte Menge auch der normalen Produktionskapazität. Daher können sowohl die variablen Gemeinkosten als auch Fixkosten addiert und durch die Istbeschäftigung = Normalbeschäftigung dividiert werden. Beim Szenario B besteht eine Unterauslastung der normalen Produktionskapazität von immerhin 30 %. Da Leerkosten nicht aktiviert werden dürfen, kann die Kalkulation der Fixkosten nur auf Basis der Normalbeschäftigung erfolgen. Damit wird die Leerkostenaktivierung verhindert. Die variablen Gemeinkosten werden dagegen mit der Istbeschäftigung kalkuliert. Tabelle 2-22:
Kalkulation der Herstellungskosten (in €) Szenario A
Nr. Bezeichnung
Szenario B
7
planmäßige Abschreibung auf Fertigungsanlagen
400.000 €
400.000 €
9
planmäßige Abschreibung Entwicklungskosten
200.000 €
200.000 €
auf
„Klopfer“-
600.000 € Fixkosten pro Stück, kalkuliert auf Basis der 600.000 € Normalbeschäftigung : 100.000 Stück : 100.000 Stück
6
= 6 €/Stück
= 6 €/Stück
220.000 €
170.000 €
Variable Gemeinkosten pro Stück, kalkuliert 220.000 € auf Basis der Istbeschäftigung : 100.000 Stück
170.000 € : 70.000 Stück
= 2,2 €/Stück
= 2,43 €/Stück
produktionsnahe gemeinkosten
variable
Verwaltungs-
4
Materialeinzelkosten pro Stück
4€
4€
5
Fertigungseinzelkosten pro Stück
3€
3€
15,2 €
15,43 €
Herstellungskosten pro Stück
c) Abweichungen nach HGB Unter zwei Bedingungen entsprechen sich die Herstellungskosten nach IFRS und HGB:
85
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
die Entwicklungskosten für „Klopfer“ wurden gem. § 248 Abs. 2 HGB aktiviert, und
die produktionsnahen Verwaltungskosten entsprechen den Verwaltungsgemeinkosten, die unmittelbar dem Material- oder Fertigungsbereich zurechenbar sind.
Die Terminologie hinsichtlich der zurechnungspflichtigen Gemeinkosten ist nach IFRS und HGB unterschiedlich. Inhaltlich dürfte es grundsätzlich keine Abweichungen geben. Werden nach IFRS und HGB unterschiedliche Abschreibungsmethoden gewählt, kann es jedoch zu unterschiedlichen Werten kommen. Unterschiede zwischen den beiden Rechnungslegungssystemen gibt es nur noch hinsichtlich der Kosten der sozialen Einrichtungen, freiwilligen sozialen Leistungen und betrieblichen Altersvorsorge sowie den allgemeinen Verwaltungskosten ( Material- und Fertigungsbereich). Für diese Kosten besteht nach IFRS ein Aktivierungsgebot, sofern die Kosten produktionsnah entstanden sind. Nach HGB besteht ein Aktivierungswahlrecht für angemessene Teile dieser Kosten, d.h. es muss einen Herstellungsbezug geben. Zur Aktivierung von Fremdkapitalkosten vgl. Aufgabe 2.2.4. Literaturempfehlung: Kümpel, Vorratsbewertung und Auftragsfertigung nach IFRS, 2005, S. 25-56.
2.4.2
Vorratsbewertung und Verbrauchsfolgeverfahren – Rennrodel AG
Rechtsquellen: §§ 240, 253, 255, 256 HGB; § 6 I Nr. 2 EStG, IAS 2 Lernziele: Unterschiede zwischen HGB, Steuerbilanz und IFRS bei Verbrauchsfolgefiktionen; Auswirkung auf latente Steuern; Niederstwertbestimmungen; Konsequenz bei unterschiedlichen Rechtsformen Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die im Januar x1 gegründete Rennrodel AG beschäftigt sich ausschließlich mit dem Handel von Wintersportartikeln. Es findet demnach keine Be- oder Verarbeitung der Produkte statt. Im Geschäftsjahr x1 sind folgende Stücke des erfolgreichen Rennschlittens „Swiss-Blitz“ angekauft worden:
86
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-23:
Anschaffungsmengen und Bezugspreise der „Swiss-Blitz“
Anschaffungsmenge "Swiss-Blitz"
€/Stück
€
Januar
2.500
360
900.000
März
2.000
350
700.000
April
1.200
330
396.000
500
330
165.000
September
1.000
340
340.000
Oktober
1.500
360
540.000
November
1.800
380
684.000
Dezember
2.500
400
1.000.000
Juni
Summe
13.000
4.725.000
Erst bei der Inventur am Jahresende wird festgestellt, dass noch 3.500 Stück des Modells „Swiss-Blitz“ auf Lager liegen. Unterjährig ist die tatsächliche Lagerbewegung nicht nachgehalten worden. Die Rennrodel AG stellt den Jahresabschluss nach HGB auf. Der Vorstand weist den Leiter Rechnungswesen an, für das erste Geschäftsjahr ein hohes Jahresergebnis auszuweisen. Der Gewerbesteuersatz beträgt 16 %, der kombinierte Ertragsteuersatz (Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer, Solidaritätszuschlag) vereinfacht 30 %. Aufgabenstellung
a) Sind Vorräte nach HGB und IFRS grundsätzlich einzeln zu bewerten? Unter welchen Bedingungen kann von der Einzelbewertung abgewichen werden?
b) Ermitteln Sie die Anschaffungskosten des Endbestandes und den Handelswarenaufwand für die „Swiss-Blitz“ nach HGB.
c) Wie hoch sind die Anschaffungskosten des Endbestandes der Rennschlitten in der Steuerbilanz?
d) Welche Information wird benötigt, damit die unter b) und c) ermittelten Werte auch tatsächlich angesetzt werden können (für die weitere Bearbeitung des Falles wird angenommen, dass die ermittelten Werte angesetzt werden können)?
e) Mit welcher Begründung sind ggf. in der Handelsbilanz latente Steuern anzusetzen? Der Betrag ist ggf. zu ermitteln.
87
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
f)
(1) Was würde sich in den bisherigen Lösungen ggf. ändern, wenn es sich bei der Gesellschaft um eine „Rennrodel KG“ handelte? Sind diese Änderungen zwingend oder dürfte die KG auch die bisherige Vorgehensweise dem Grunde nach fortführen? (2) Vorausgesetzt, die „Rennrodel KG“ würde die bisherige Vorgehensweise dem Grunde nach fortführen: Was würde sich in der Höhe ändern? Die neuen Wertansätze sind ggf. zu berechnen! Ist die Vorgehensweise der „Rennrodel KG“ zu empfehlen?
g) Angenommen, die Gesellschaft werde in einen Konzernabschluss nach IFRS einbezogen. Können die HGB-Wertansätze der (1) Rennrodel AG bzw. der (2) Rennrodel KG bei Erstellung der Handelsbilanz II nach IFRS beibehalten werden? Lösung
a) Einzelbewertung von Vorräten Nach HGB besteht der Einzelbewertungsgrundsatz als kodifizierter GoB (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Für eine Vielzahl gleichartiger Vermögensgegenstände, wie sie im Vorratsvermögen typisch sind, ist eine Einzelbewertung jedoch häufig unpraktisch oder sogar unmöglich (Tanklager). Daher ist der gewogene Durchschnittswert sowohl bei der Inventur (§ 240 Abs. 4 HGB) als auch im Jahresabschluss (§ 256 Satz 2 HGB) zulässig. Darüber hinaus ist für das Vorratsvermögen als Verbrauchsfolgfiktion auch die Lifo- (=Last in first out) und Fifo- (=First in first out) Methode möglich (§ 256 S. 1 HGB). In den IFRS fehlt ein übergeordneter Einzelbewertungsgrundsatz. Für Vorräte ist allerdings die Einzelbewertung grundsätzlich vorgesehen, sofern die Einzelzuordnung der Anschaffungs- und Herstellungskosten möglich ist (IAS 2.23). Bei gleichartigen und damit austauschbaren Vorräten kann aber auch die Durchschnittsmethode oder die Fifo-Fiktion verwendet werden (IAS 2.25).
b) Ermittlung der Anschaffungskosten nach HGB Da es sich um die Bewertung gleicher Produkte handelt, kann der Lagerbestand der „Swiss-Blitz“ am Ende des Geschäftsjahres zu einer Gruppe gleichartiger Vermögensgegenstände zusammengefasst werden. Die Gruppenbildung ist auch eine Voraussetzung für die Anwendung der Verbrauchsfolgeverfahren nach § 256 HGB. Außerdem muss das Verbrauchsfolgeverfahren nach § 256 HGB den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen. Sollte danach die tatsächliche Verbrauchsfolge leicht ermittelbar und insoweit die Zurechnung von Anschaffungsund Herstellungskosten nach der Einzelbewertung möglich sein, kommt die Anwendung einer Verbrauchsfolgefiktion nicht in Betracht. GoB-konform dient eine Verbrauchsfolgefiktion einzig dem Vereinfachungszweck. Ein Verstoß gegen die GoB liegt daher vor, wenn die Verbrauchsfolge nicht der Vereinfachung dient, sondern ge-
88
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
zielt eingesetzt wird, um niedrige Wertansätze zu verwirklichen. Dagegen kommt es nach h.M. nicht darauf an, ob die Verbrauchsfolge völlig den betrieblichen Verhältnissen widerspricht, wie beispielsweise die Anwendung der Lifo-Methode bei der Bewertung von verderblichen Waren (siehe im Einzelnen: Beck’scher Bilanz-Kommentar, 7. Aufl. 2010, § 256 HGB Rz. 28, 41). Im Übrigen aber besteht ein Wahlrecht für die Anwendung der Verbrauchsfolgeverfahren in der Handelsbilanz. Bei der Lifo-Methode wird unterstellt, dass die zuletzt angeschafften Vermögensgegenstände zuerst verbraucht bzw. verkauft werden. Bei steigenden Preisen hat die Lifo-Methode den Effekt, dass die niedrigen Wertansätze, die zu Beginn des Geschäftsjahres herrschten, weiter fortgeführt werden können. Im Gegensatz zur Lifo-Methode liegt der Fifo-Methode zu Grunde, dass die zuerst angeschafften Vermögensgegenstände zuerst verbraucht bzw. veräußert werden. Der Bestand zum Bilanzstichtag setzt sich somit aus den zuletzt angeschafften Vermögensgegenständen zusammen. In der Situation steigender Preise kommt es zu einem höheren Vermögensausweis des Endbestandes. Alternativ zur Lifo- bzw. Fifo-Methode kann auch die Durchschnittsmethode angewandt werden. Hierbei wird der Endbestand zu einem Durchschnittspreis bewertet. Die jeweiligen Wertansätze berechnen sich wie folgt:
89
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-24:
Bewertung der Swiss-Blitz im Vergleich
Lifo
Fifo
gewogener Durchschnitt
Januar
2.500 Stück x 360 €/Stück = 900.000 €
900.000 €
März
1.000 Stück x 350 €/Stück = 350.000 €
700.000 €
April
396.000 €
Juni
165.000 €
September
340.000 €
Oktober
540.000 €
November
1.000 Stück x 380 €/Stück = 380.000 €
Dezember
2.500 Stück x 400 €/Stück = 1.000.000 €
1.000.000 €
684.000 €
AK des Endbestandes
1.250.000 €
1.380.000 €
(4.725.000 € / 13.000 Stück) x 3.500 Stück = 1.272.115 €
Gesamt-AK
4.725.000 €
4.725.000 €
4.725.000 €
Handelswarenaufwand
3.475.000 €
3.345.000 €
3.452.885 €
Laut Anweisung des Vorstandes soll ein hohes Jahresergebnis ausgewiesen werden. Demnach ist in diesem Fall die Fifo-Methode anzuwenden, da hier – verglichen mit der Lifo- und Durchschnittsmethode – der Handelswarenaufwand am geringsten ist und so ein höheres Jahresergebnis ausgewiesen wird.
c) Ermittlung der Anschaffungskosten des Endbestandes in der Steuerbilanz Steuerrechtlich sind ausschließlich die Durchschnittsmethode und als Verbrauchfolgefiktion die Lifo-Methode zulässig (R 6.9 Abs. 1 EStR). Dies schließt aber nicht aus, dass Vorratsbestände in der Steuerbilanz auch auf Grundlage der Fifo-Methode bewertet werden können, wenn eine entsprechende tatsächliche Lagerbewegung nachgewiesen wird; in diesem Fall wäre man wieder bei der Einzelbewertung. Laut Sachverhalt ist jedoch die Lagerbewegung unterjährig nicht nachgehalten worden. Daher sind für die Steuerbilanz nur die Durchschnittsmethode oder die Lifo-Fiktion zulässig.
90
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Die Lifo-Methode führt in diesem Beispielfall zu einem Aufwand in Höhe von 3.475.000 € (siehe Lösung zu b)). Unter dem Gesichtspunkt einer niedrigen steuerlichen Bemessungsgrundlage wäre demnach der Einsatz der Lifo-Methode vorteilhaft. Die mögliche Anwendung der Lifo-Methode in der Steuerbilanz setzt wegen der Neufassung des § 5 Abs. 1 EStG durch BilMoG nicht mehr voraus, dass auch in der Handelsbilanz nach Lifo bilanziert wird (vgl. Entwurf BMF-Schreiben v. 12.10.2009, IV C 6 – S 2133/09/10001, Tz. 10).
d) Beachtung des Niederstwertprinzips Bei der Bewertung des Umlaufvermögens gilt handelsrechtlich das strenge Niederstwertprinzip. Danach müssen die Anschaffungskosten der Vermögensgegenstände mit dem beizulegenden Wert am Bilanzstichtag verglichen werden. Falls der beizulegende Wert unter den Anschaffungskosten liegt, muss außerplanmäßig auf den niedrigeren beizulegenden Wert abgeschrieben werden, und zwar unabhängig von der Dauer der Wertminderung. Maßgeblich für die Bestimmung des beizulegenden Wertes können Börsen- oder Marktpreise sein. Dabei ist der Börsen- oder Marktpreis noch um die bei der Veräußerung bzw. Beschaffung anfallenden Aufwendungen zu vermindern. Falls kein Börsen- oder Marktpreis bestimmbar ist, sind Wiederbeschaffungskosten, Reproduktionswerte oder der Verkaufspreis maßgeblich. Steuerrechtlich besteht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG bei einer dauerhaften Wertminderung ein Abschreibungswahlrecht auf den niedrigeren Teilwert zum Bilanzstichtag, das gem. § 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 EStG unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden kann (vgl. Ellrott/Roscher in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 7. Aufl. 2010, § 253 Rz. 532). Bei nicht dauerhafter Wertminderung ist nur handelsrechtlich außerplanmäßig abzuschreiben. Die Frage der Dauerhaftigkeit einer Wertminderung in der Steuerbilanz wird in BMF v. 25.02.2000, BStBl. I 372 konkretisiert.
Um die in b) ermittelten Anschaffungskosten tatsächlich ansetzen zu können, muss unterstellt werden, dass der beizulegende Wert höher ist als 1.380.000 € / 3.500 Stück = 394 €/Stück Für die Steuerbilanz c) ist zu unterstellen, dass entweder
der Teilwert höher ist als 357 €/Stück = 1.250.000 € / 3.500 Stück oder
falls der Teilwert niedriger ist als 357 €/Stück, darf die Wertminderung nicht dauerhaft sein.
e) Ansatz latenter Steuern In der Handelsbilanz wird ein Aufwand in Höhe von 3.345.000 € ausgewiesen, wohingegen der Aufwand in der Steuerbilanz 3.475.000 € beträgt. Diese Abweichung hat zur Konsequenz, dass der auf Basis der Steuerbilanz errechnete und in die Handelsbilanz übernommene Steueraufwand in keinem erklärbaren Verhältnis zum handelsrecht-
91
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
lichen Vor-Steuer-Ergebnis steht. Durch die Bilanzierung latenter Steuern nach § 274 HGB wird diese Diskrepanz beseitigt: Sollte ein handelsrechtliches und erst später zu versteuerndes Mehrvermögen existieren, sind passive latente Steuern anzusetzen. Im umgekehrten Fall können aktive latente Steuern angesetzt werden (Wahlrecht).
Im vorliegenden Fall besteht ein Mehrvermögen in der handelsrechtlichen Bilanz. Die Differenz kehrt sich bei Verkauf der 3.500 „Swiss-Blitz“ um. Daher sind die Voraussetzungen für den Ansatz passiver latenter Steuern nach § 274 Abs. 1 HGB erfüllt. Die Höhe der Steuerlatenz beträgt: (1.380.000 € - 1.250.000 €) x 0,3 (kombinierter Ertragssteuersatz) = 39.000 € In der Handelsbilanz ist zusätzlich zu buchen: Konto
Steueraufwand (latent)
f)
€
Konto
39.000 an passive latente Steuern
€
39.000
Rechtsformbedingte Änderung der Wertansätze
Für den vorliegenden Sachverhalt kommt es im Hinblick auf die „Swiss-Blitz“ nicht zu anderen Bewertungsergebnissen in der Handelsbilanz, wenn die Rechtsform der Personengesellschaft unterstellt wird. Auch hinsichtlich der Steuerbilanz kommt es bei der Personengesellschaft nicht zu anderen Ergebnissen; das Steuerrecht ist an dieser Stelle der Ermittlung der Bemessungsgrundlage rechtsformneutral. Die Vorschrift des § 274 HGB zu latenten Steuern ist demgegenüber zwingend nur von Kapitalgesellschaften zu beachten. Dies schließt jedoch eine freiwillige und sinngemäße Anwendung des § 274 HGB durch Personengesellschaften nicht aus. Da eine Rennrodel KG nur der Gewerbesteuer unterliegen würde, käme zur Berechnung der Steuerlatenz nur der Gewerbesteuersatz zur Anwendung. Beim Ansatz von latenten Steuern würde die Steuerlatenz im Vergleich zur Kapitalgesellschaft auf (1.380.000 € - 1.250.000 €) x 0,16 (Gewerbesteuersatz) = 20.800 € sinken. Da aber ein hohes Jahresergebnis ausgewiesen werden soll, macht die Rennrodel KG von der sinngemäßen Anwendung des § 274 HGB keinen Gebrauch und verzichtet auf den Ansatz passiver latenter Steuern.
g) Wertansätze in der HB II nach IFRS Da nach IAS 2 die Fifo-Methode zulässig ist, können die nach HGB ermittelten Anschaffungskosten des Endbestandes der Schlitten übernommen werden. Es kommt nicht darauf an, wie in der Steuerbilanz bewertet worden ist. Bei der Bewertung der Vorräte nach IFRS gilt ebenfalls das strenge Niederstwertprinzip. Das IFRS-Niederstwertprinzip stellt bei der Vergleichswertfindung auf den sog.
92
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Nettoveräußerungswert ab, der allerdings – im Gegensatz zum beizulegenden Wert nach HGB – ausschließlich absatzmarktorientiert zu ermitteln ist. Der Nettoveräußerungswert ist der geschätzte, im normalen Geschäftsgang erzielbare Verkaufserlös abzüglich der geschätzten Kosten bis zum Abgang des Vermögenswertes aus dem Unternehmen. Falls der Nettoveräußerungswert höher ist als die Anschaffungskosten des Endbestandes, können die Wertansätze für die „Swiss-Blitz“ nach HGB für die Erstellung der Handelsbilanz II übernommen werden.
(1) Auch nach IFRS sind passive latente Steuern anzusetzen. Unterschiede bezüglich der Höhe der Steuerlatenz existieren hier nicht. So sind in der Handelsbilanz II der Rennrodel AG passive latente Steuern gem. e) in Höhe von 39.000 € anzusetzen. (2) Bei der Erstellung der Handelsbilanz II muss die Rennrodel KG nach IFRS Ansatz- und Bewertungsanpassungen vornehmen. Da nach IFRS ein Ansatzgebot für latente Steuern besteht, müssen die passiven latenten Steuern gem. e) in Höhe von 20.800 € angesetzt werden. Freilich müssten auch bei Einbeziehung der Rennrodel KG in einen Konzernabschluss nach HGB wegen § 298 Abs. 1 HGB passive latente Steuern angesetzt werden.
2.4.3
Fertigungsaufträge: Verfahren zur Ermittlung des Fertigstellungsgrades – Bridge GmbH
Rechtsquellen: IAS 11, § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB Lernziele: Bilanzierung von langfristigen Fertigungsaufträgen nach HGB und IFRS; Prüfung der Ansatzkriterien für die Anwendung der Percentage-of-CompletionMethode; Verfahren zur Bestimmung des Fertigstellungsgrades nach IFRS Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Bridge GmbH bekommt am 01.01.x1 den Auftrag, eine Talbrücke zu bauen. Der Gesamterlös des Fertigungsauftrages, der zum Ende des Jahres x3 erfüllt werden soll (Gefahrenübergang), beläuft sich laut Vertrag auf 500 Mio. €. Die sowohl nach HGB als auch nach IFRS geschätzten Gesamtkosten des Auftrages betragen 380 Mio. €. Diese verteilen sich ebenfalls nach HGB und IFRS voraussichtlich wie folgt:
im Jahr x1 – 100 Mio. € im Jahr x2 – 200 Mio. € im Jahr x3 – 80 Mio. € Die Verteilung der gesamten physikalischen Leistung (gemessen in qm³ umbauter Raum) wird folgendermaßen geschätzt:
93
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
im Jahr x1 – 10 %, im Jahr x2 – 75 % und im Jahr x3 – 15 % Der Bereich Controlling der Bridge GmbH verfügt über eine mitlaufende Auftragskalkulation. Aufgabenstellung:
a) Erläutern Sie kurz die Begriffe „Completed-Contract-Methode“(CCM) und „Percentage-of-Completion-Methode“ (PoC).
b) Wie ist der vorliegende Sachverhalt nach HGB zu bilanzieren? Zeigen Sie, soweit möglich, unter Angabe der Buchungssätze die betroffenen Bilanz- und GuVPosten (GuV nach Gesamtkostenverfahren).
c) Prüfen Sie, ob die Bridge GmbH bei der Erstellung eines IFRS-Abschlusses die Percentage-of-Completion-Methode anwenden kann.
d) Welche Verfahren zur Bestimmung des Fertigstellungsgrades kommen im vorliegenden Fall im IFRS-Abschluss der Bridge GmbH in Betracht? Bilanzieren Sie den Sachverhalt nach den jeweils zulässigen Verfahren unter Berücksichtigung von latenten Steuern (Steuersatz 30 %). Lösung
a) Begriffe CCM und PoC Mit der Completed-Contract-Methode wird der Umstand bezeichnet, dass erst bei Gefahrenübergang – wenn die Vertragsbedingungen seitens des Lieferanten erfüllt und er die Sache übergeben hat – der Erfolg (Gewinn) aus dem Vertrag erfasst wird. Die Methode entspricht dem handelsrechtlichen Realisationsprinzip. Die Percentage-of-Completion-Methode ist dagegen ein Verfahren, wonach bei periodenübergreifender Fertigung schon während der Bauzeit Gewinne erfasst werden, und zwar gemäß einem zu messenden Leistungsfortschritt. Die Methode führt demnach zur Teilgewinnrealisierung in den Fertigungsperioden.
b) Bilanzierung des Fertigungsauftrags nach HGB Das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB verankerte Realisationsprinzip ist ein zentraler Bilanzierungsgrundsatz im deutschen HGB: Ein Gewinn ist erst dann zu erfassen, wenn die Lieferung oder Leistung erbracht worden ist. Zum Realisationszeitpunkt werden Umsätze und die zur Leistungserbringung erforderlichen Aufwendungen gegenübergestellt.
94
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Daher ist die (Teil-)Gewinnrealisierung bei langfristiger Fertigung grundsätzlich nicht erlaubt. Der Gesamtgewinn wird in dem Jahr ausgewiesen, in dem der Umsatzerlös anfällt. Die in den Vorjahren angefallenen Herstellungskosten werden im Rahmen der langfristigen Fertigung unter den unfertigen Erzeugnissen des Umlaufvermögens aktiviert. Abweichend davon wird in der deutschen Literatur in Mindermeinung vertreten, dass es unter bestimmten Voraussetzungen gem. § 252 Abs. 2 HGB auch im HGBAbschluss zu einer (Teil-)Gewinnrealisierung kommen kann (siehe zu den unterschiedlichen Auffassungen Ellrodt/Brendt in Beck’scher Bilanzkommentar, 7. Aufl. 2010, § 255 HGB, Rz. 457 ff.). Gemäß des Realisationsprinzips ergeben sich für den HGB-Abschluss folgende Buchungssätze, die zu einem Gewinn von 120 Mio. € in x3 führen: Jahr x1: Konto
Mio. €
Konto
Mio. €
div. Aufwand
100 an diverse Aktiva/Passiva
100
Unfertige Erzeugnisse
100 an Bestandserhöhung
100
Jahr x2: Konto
Mio. €
Konto
Mio. €
div. Aufwand
200 an diverse Aktiva/ Passiva
200
Unfertige Erzeugnisse
200 an Bestandserhöhung
200
Jahr x3: Konto
div. Aufwand
Mio. €
Konto
80 an diverse Aktiva/ Passiva
Mio. €
80
Bestandsminderung
300 an Unfertige Erzeugnisse
300
Forderungen aus L.L.
500 an Umsatzerlöse
500
c) Anwendungsvoraussetzungen der PoC-Methode Für die Anwendung der PoC-Methode im IFRS-Abschluss ist zunächst zu klären, ob ein Fertigungsauftrag im Sinne von IAS 11 vorliegt. Als Hauptmerkmal des Fertigungsauftrages nennt der IASB die kundenspezifische Einzelfertigung (IAS 11.3). Da der Bau einer Talbrücke weder eine standardisierte Fertigung noch eine für den ano-
95
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
nymen Massenmarkt darstellt, liegt eindeutig ein Fertigungsauftrag vor. Unter ökonomischer Perspektive trägt die Bridge GmbH kein Abnahmerisiko für die Brücke. Die Anwendung der PoC-Methode setzt ferner voraus, dass das Ergebnis eines Fertigungsauftrages verlässlich zu schätzen ist. Im vorliegenden Sachverhalt handelt es sich um einen Festpreisvertrag; somit müssen laut IAS 11.23 folgende Kriterien zur verlässlichen Schätzung des Ergebnisses des Fertigungsauftrages erfüllt werden:
Zuverlässige Bestimmung der gesamten Auftragserlöse (hier: 500 Mio. €);
es ist wahrscheinlich, dass der wirtschaftliche Nutzen aus dem Vertrag dem Unternehmen zufließt (= dass der Auftraggeber zahlt; entsprechende Bonität des Auftraggebers wird hier unterstellt, da ansonsten ein Auftrag kaum angenommen werden würde);
sowohl die bis zur Fertigstellung des Auftrages noch anfallenden Kosten als auch der Grad der erreichten Fertigstellung können am Bilanzstichtag verlässlich bewertet werden (Festlegung einer Methode zur Messung des Leistungsfortschritts und deren tatsächliche Anwendung, wird in d) gezeigt); und
die dem Vertrag zurechenbaren Kosten können eindeutig bestimmt werden (Feststellung der periodisch angefallenen Herstellungskosten setzt mitlaufende Auftragskalkulation, die lt. Aufgabenstellung vorhanden ist, voraus).
d) Verfahren zur Bestimmung des Fertigstellungsgrades und Bilanzierung nach IFRS
Gemäß dem Wortlaut des IAS 11.30 kann der Fertigstellungsgrad eines Auftrags anhand verschiedener Verfahren bestimmt werden. Dabei ist das Verfahren anzuwenden, mit dem die erbrachte Leistung verlässlich bewertet werden kann. In Betracht kommen vor allem folgende Verfahren:
das Verhältnis der bis zum Stichtag angefallenen Auftragskosten zu den am Stichtag geschätzten gesamten Auftragskosten (cost-to-cost-method);
das Verhältnis der bis zum Stichtag angefallenen Leistung eines wesentlichen Inputfaktors (z.B. Arbeitsstunden) zur am Stichtag geschätzten gesamten Leistung dieses Inputfaktors (efforts-expended-method); oder
die Vollendung eines physischen Teils des Vertragswerkes im Verhältnis zur physischen Gesamtleistung (physical-observation-method).
Aufgrund der vorliegenden Daten kommen sowohl die cost-to-cost-method als auch die physical-observation-method in Betracht.
96
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Berechnungen und Bilanzierung anhand der cost-to-cost-method ergeben sich wie folgt: Tabelle 2-25:
Cost-to-cost-method (in Mio. €)
Jahr
1
Gesamter Auftragserlös
x1
x2
500
x3
500
500
2
Gesamte Auftragskosten
380
380
380
3
Gesamtergebnis
120
120
120
4
Auftragskosten pro Periode
100
200
80
5
Fertigstellungsgrad pro Periode (4 / 2)
26,3 %
52,6 %
21,1 %
6
Ertrag pro Periode (1 x 5)
132
263
105
7
Aufwand pro Periode (2 x 5)
100
200
80
8
Ergebnis pro Periode (6 - 7)
32
63
25
Auffällig ist: Zeile 7 stimmt mit Zeile 4 überein, da der Fertigstellungsgrad (Zeile 5) über das Verhältnis der Auftragskosten pro Periode (Zeile 4) durch Gesamtkosten (Zeile 2) ermittelt worden ist. Dieser Gleichklang ist aber nur bei der cost-to-cost-method zu beobachten, wie weiter unten die Berechnung nach der physical-observation-method zeigt. Bei der Buchung nach IFRS ist abweichend zum HGB nicht etwa eine Bestandserhöhung (beim Gesamtkostenverfahren) oder Aufwandsminderung (beim Umsatzkostenverfahren), sondern gleich der Umsatz zu erfassen. Das „unfertige Erzeugnis“ wird entsprechend als solches nicht ausgewiesen, sondern es entsteht eine Forderung, die z.B. als Forderung aus Auftragsfertigung oder, wie hier, als Forderung aus PoC bezeichnet werden kann. IAS 11.42a spricht umständlich von „Fertigungsaufträge mit aktivischem Saldo gegenüber Kunden“. Während der Bauphase wird die positive Differenz der Vermögenswerte zur Steuerbilanz (Forderung aus PoC – unfertiges Erzeugnis = 32 Mio. € in der ersten Periode und analog 63 Mio. € in der zweiten Periode) bereits latent mit 30 % versteuert. Wird die Abrechnung gegenüber dem Kunden erstellt – die Leistung also übergeben -, ist die Forderung aus PoC auf Forderung aus Lieferung und Leistung umzubuchen. In der Abrechungsperiode erfolgt die Versteuerung, so dass die Steuerlatenz aufzulösen ist. Im Einzelnen:
97
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Jahr x1: Konto
Mio. €
Konto
Mio. €
div. Aufwand
100 an diverse Aktiva/Passiva
100
Forderungen aus PoC
132 an Umsatzerlöse
132
Steueraufwand (latent)
10 an passive latente Steuern
10
Jahr x2: Konto
Mio. €
Konto
Mio. €
div. Aufwand
200 an diverse Aktiva/Passiva
200
Forderungen aus PoC
263 an Umsatzerlöse
263
Steueraufwand (latent)
19 an passive latente Steuern
19
Jahr x3: Konto
div. Aufwand
Mio. €
Konto
80 an diverse Aktiva/Passiva
Mio. €
80
Forderungen aus PoC
105 an Umsatzerlöse
105
Forderungen aus L.L.
500 an Forderungen aus PoC
500
29 an Steuerertrag (latent)
29
passive latente Steuern
Wird nach der physical-observation-method vorgegangen, sind die tatsächlich angefallenen Kosten bilanziell abzugrenzen, weil nur die nach dieser Methode errechneten Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen sind. Das IDW empfiehlt, den Abgrenzungsposten mit den Forderungen (oder Verbindlichkeiten) aus Fertigungsaufträgen zu verrechnen (IDW RS HFA 2, Tz 9). Die Kalkulation zeigt hier die nachfolgenden Werte:
98
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-26:
Physical-observation-method in (Mio. €)
Jahr
x1
x2
x3
1
Gesamter Auftragserlös
500
500
500
2
Gesamte Auftragskosten
380
380
380
3
Gesamtergebnis
120
120
120
4
Auftragskosten pro Periode
100
200
80
5
physikalische Leistung pro Periode
10 %
75 %
15 %
6
Ertrag pro Periode (1 x 5)
50
375
75
7
Aufwand pro Periode (2 x 5)
38
285
57
8
Ergebnis pro Periode (6 - 7)
12
90
18
Zeile 4 der obigen Tabelle enthält die entstandenen Auftragskosten pro Periode. In der GuV werden jedoch nur die nach der physical-observation-method ermittelten Aufwendungen (Zeile 7) erfasst. Entsprechendes gilt für den Ertrag (Zeile 6). Es ergeben sich folgende Buchungssätze: Jahr x1: Konto
Mio. €
Konto
diverser Aufwand
100 an diverse Aktiva/ Passiva
Forderungen aus PoC
112 an Umsatzerlöse
Steueraufwand (latent)
Mio. €
100 50
an diverser Aufwand
62
3,6 an passive latente Steuern
3,6
In der Steuerbilanz werden unfertige Erzeugnisse i.H.v. 100 Mio. € aktiviert, denen in der IFRS-Bilanz Forderungen aus PoC von 112 Mio. € gegenüber stehen. Das Mehrvermögen von 12 Mio. € in der IFRS-Bilanz führt zu einem Ansatz passiver latenter Steuern i.H.v. 3,6 Mio. € (= 12 Mio. € x 0,3). Jahr x2: Konto
diverser Aufwand
Mio. €
Konto
285 an diverse Aktiva/ Passiva an Forderungen aus PoC
Forderungen aus PoC Steueraufwand (latent)
375 an Umsatzerlöse 27 an passive latente Steuern
Mio. €
200 85 375 27
99
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Per Saldo erhöhen sich die Forderungen aus PoC im Jahr x2 um 290 Mio. € (= 375 - 85), während die Steuerbilanz lediglich einen Vermögensmehrwert bei den unfertigen Erzeugnissen i.H.v. 200 Mio. € verzeichnet. Somit ergeben sich bezogen auf die Differenz von 90 Mio. € zusätzliche passive latente Steuern von 27 Mio. €. Jahr x3: Konto
Mio. €
Konto
Mio. €
diverser Aufwand
80 an diverse Aktiva/ Passiva
80
Forderungen aus PoC
98 an Umsatzerlöse
75
an diverser Aufwand
23
Forderungen aus LuL
500 an Forderungen aus PoC
500
passive latente Steuern
30,6 an Steuerertrag (latent)
30,6
Im Jahr x3 ergibt sich im IFRS-Abschluss nur noch ein Gewinn von 18 Mio. €, während in der Steuerbilanz die vollen 120 Mio. € anfallen und die Bemessungsgrundlage der Ertragsteuern erhöhen. Die Differenz von 102 Mio. € ist im IFRS-Abschluss bereits (latent) versteuert worden. Diese Steuerlatenz ist nun aufzulösen. Literaturempfehlungen: Kirsch, Einführung in die internationale Rechnungslegung nach IFRS, 5. Aufl. 2008, S. 87-99; Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung, 7. Aufl., 2008, S. 385-400; Ruhnke, Rechnungslegung nach IFRS und HGB, 2.Aufl., 2008.
2.4.4
Erfassen von Auftragsänderungen und Verlusten bei Auftragsfertigung – Maulwurf GmbH
Rechtsquelle: IAS 11 Lernziele: Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode; Bestimmung des Fertigstellungsgrades; Berücksichtigung von Auftragsänderungen und Verlusten Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Maulwurf GmbH erhält im Jahr x1 einen Fertigungsauftrag zum Bau eines U-Bahn-Abschnitts zwischen der Hochschule Bochum und dem Kemnader Stausee. Auftraggeber ist die Projekt Ruhr GbR. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf 300 Mio. €. Für die Bauzeit werden 4 Jahre veranschlagt.
100
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Noch im Jahr x1 beginnt die Maulwurf GmbH mit dem Bau. Dabei fallen bis zum Ende des Jahres Auftragskosten i.H.v. 30 Mio. € an. Das Projektcontrolling hält eine zuverlässige Schätzung der gesamten Kosten bis zur Fertigstellung noch nicht für möglich, es wird aber auch nicht mit einem Verlust aus dem Auftrag gerechnet. Im Jahr x2 leistet die Projekt Ruhr GbR eine Abschlagszahlung i.H.v. 100 Mio. €. Der Baufortschritt in der Periode verursacht Auftragskosten von 90 Mio. €, und das Projektcontrolling schätzt die Gesamtkosten des Auftrags auf 290 Mio. €. In x3 entscheidet sich die Projekt Ruhr GbR kurzfristig für den Einbau eines zusätzlichen Fahrstuhls in einer der U-Bahn-Stationen. Aufgrund der Vertragsänderung steigt das Auftragsvolumen um 3 Mio. auf 303 Mio. €, während sich die geschätzten Gesamtkosten um 2 Mio. auf 292 Mio. € erhöhen. In dieser Periode fallen Auftragskosten von 120 Mio. € an. Nach der Fertigstellung im Jahr x4 erfolgen die Endabnahme und Abrechnung des Projektes. Vertragsgemäß waren noch 203 Mio. € zu zahlen; die Zahlung geht bis Jahresende bei der Maulwurf GmbH ein. Es stellt sich jedoch heraus, dass die tatsächlich angefallenen Gesamtkosten die geschätzten Gesamtkosten um 4 Mio. € übersteigen. Die Auftragskosten der Periode belaufen sich somit auf 56 Mio. €, und insgesamt sind Auftragskosten i.H.v. 296 Mio. € angefallen. Aufgabenstellung
a) Bilanzieren Sie den vorliegenden Sachverhalt unter Anwendung der cost-to-costmethod für alle vier Perioden. Führen Sie Ihre Berechungen in der nachfolgenden Maske durch und geben Sie anschließend die Buchungssätze an. Verwenden Sie die Kontobezeichnungen „Forderungen aus PoC“ und „Umsatzerlöse“; im Übrigen beschränken Sie sich auf die Benennung „diverse Aufwendungen“ und „diverse Aktiva/Passiva“.
101
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-27:
Kalkulation U-Bahn-Bau (in Mio. €), Aufgabenblatt x1
x2
x3
x4
1 Ursprünglich vereinbarte Auftragserlöse 1a Abweichung 2 Gesamterlöse (1 + 1a) 3 Ursprünglich geschätzte Auftragskosten 3a Abweichung 3b Abweichung Schlussfeststellung 4 geschätzte Gesamtkosten (3 + 3a + 3b) 5 Geschätzter Gesamterfolg (2 - 4) 6 Auftragskosten der Periode (= Aufwand) 7 Auftragskosten kumuliert (= Aufwand) 8 Fertigstellungsgrad kumuliert in % (7 / 4) 9 Erträge kumuliert (2 x 8) 10 Ertrag der Periode 11 Erfolg der Periode (10 - 6) 12 Erfolg kumuliert
b) Abweichung: In x3 sind steigende Materialpreise und Lohnerhöhungen für x4 absehbar. Daher rechnet man in x3 mit einem Gesamtverlust für den U-Bahn Bau von 5 Mio. €. Dieser Wert wird tatsächlich auch erzielt. Welche Veränderungen an Ihren Berechnungen und Buchungen zu a) löst diese Information für die Jahre x3 und x4 aus? Lösung
a) Bilanzierung unter Anwendung der cost-to-cost-method Da im Jahr x1 keine zuverlässige Schätzung der gesamten Auftragskosten und somit auch keine Ermittlung des Fertigstellungsgrades möglich ist, dürfen Umsatzerlöse nur in Höhe der tatsächlich in der Periode angefallenen und als Aufwand erfassten Auftragskosten realisiert werden (IAS 11.32). In diesem Fall handelt es sich um einen Betrag von 30 Mio. €.
102
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Buchung x1: Konto
Mio. €
Konto
Mio. €
Forderungen aus PoC
30 an Umsatzerlöse
30
div. Aufwand
30 an diverse Aktiva/ Passiva
30
Erstmals können in x2 die Gesamtkosten (290 Mio. €) zuverlässig geschätzt werden. Daher kann auch der Gesamterfolg (10 Mio. €) geschätzt und die PoC-Methode angewendet werden. In x6 sind weitere 90 Mio. € Auftragskosten als Aufwand verrechnet worden. Der kumulierte Fertigstellungsgrad ergibt sich aus dem Verhältnis der tatsächlich angefallenen kumulierten Auftragskosten (120 Mio. €) zu den geschätzten Gesamtkosten (290 Mio. €) mit 41,4 %. Mit dem Fertigstellungsgrad von 41,4 % werden auch die kumulierten Erlöse bestimmt; das sind 124 Mio. € (= 300 Mio. € x 41,4 %). Von diesem kumulierten Erlös ist der Erlös der Vorperiode (30 Mio. €) abzuziehen, so dass sich in x2 ein Umsatzerlös von 94 Mio. € und damit ein Erfolg von 4 Mio. € ergibt. Abweichend von Aufgabe 2.4.3 „Bridge GmbH“ können an dieser Stelle die Periodenerlöse nicht anhand des Fertigstellungsgrades der jeweiligen Periode ermittelt werden, da in der ersten Periode die Auftragserlöse aufgrund des nicht bestimmbaren Fertigstellungsgrades nur in Höhe der angefallenen Kosten ausgewiesen wurden. Daher ist auf die kumulierten Werte abzustellen, von denen die jeweiligen Vorperioden abgezogen werden müssen. So ist auch in den Folgeperioden vorzugehen. Darüber hinaus ist im Jahr x3 die Abschlagszahlung über 100 Mio. € zu berücksichtigen, die gem. IAS 11.43 mit den Forderungen aus PoC verrechnet wird (vgl. IDW RS HFA 2, Tz. 17). Buchung x3: Konto
Mio. €
Konto
Mio. €
Forderungen aus PoC
94 an Umsatzerlöse
94
div. Aufwand
90 an diverse Aktiva/ Passiva
90
Kasse (Abschlag)
100 an Forderungen aus PoC
100
Es kommt zu einem aktiven Saldo auf dem Konto „Forderungen aus PoC“ von 24 Mio. € (30 Mio. € aus x5 + 94 Mio. € - 100 Mio. € aus x2). Sobald sich die Grundlage der ursprünglichen Schätzung ändert, sind gem. IAS 11.34 Anpassungen vorzunehmen. Dann muss auf Basis der veränderten Daten neu kalkuliert werden. Die Vertragsänderung in x3 erfüllt diesen Abweichungstatbestand (IAS 11.13), so dass bei den Berechnungen ab x3 geschätzte Gesamtkosten von 292 Mio. €
103
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
sowie Gesamterlöse von 303 Mio. € zu berücksichtigen sind. Der Fertigstellungsgrad in x3 beträgt 82,2 % (= kumulierte Auftragskosten 240 Mio. € / geschätzte Gesamtkosten 292 Mio. €). Der kumulierte Erlös beträgt 249 Mio. € (= 303 Mio. € x 82,2 %), von dem die Erlöse der Vorperioden (124 Mio. €) abzuziehen sind, um die Umsatzerlöse aus x3 zu ermitteln: Buchung x3: Konto
Mio. €
Konto
Mio. €
Forderungen aus PoC
125 an Umsatzerlöse
125
diverser Aufwand
120 an diverse Aktiva/ Passiva
120
Bei den Abschlussarbeiten in x4 wird festgestellt, dass sich die tatsächlichen Kosten auf insgesamt 296 Mio. € belaufen und daher nur ein Gesamtgewinn von 7 Mio. € erzielt wird (= 303 Mio. € - 296 Mio. €). Es handelt sich um eine Schätzungsänderung, die in der letzten Periode wie folgt „automatisch“ berücksichtigt wird: Der in den Vorperioden bereits erfasste kumulierte Erfolg von 9 Mio. € muss durch einen Verlust von 2 Mio. € in x4 gemindert werden. Weil der Auftrag abgewickelt ist (100 %), und alle Daten fest stehen (es muss nicht mehr mit geschätzten Werten gerechnet werden), sind von den Gesamterlösen die der Vorperioden abzuziehen, um die Umsatzerlöse in x4 zu ermitteln; dasselbe gilt analog für die Aufwendungen. Schließlich wird in x4 nach Erstellung der Abrechnung der verbliebene Rechnungsbetrag (203 Mio. €) beglichen. Buchung x4: Konto
Mio €
Konto
Mio €
Forderungen aus PoC
54 an Umsatzerlöse
54
diverser Aufwand
56 an diverse Aktiva/ Passiva
56
Forderungen aus LuL
203 an Forderungen aus PoC
203
Kasse
203 an Forderungen aus LuL
203
104
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Die einzelnen Berechnungsschritte werden in nachfolgender Tabelle zusammengefasst. Tabelle 2-28:
Kalkulation U-Bahn-Bau (in Mio. €), Lösung x1
1
Ursprünglich vereinbarte Auftragserlöse
1a Abweichung 2
Gesamterlöse (1 + 1a)
3
Ursprünglich geschätzte Auftragskosten
3a Abweichung Vertragsänderung
x2
300 -
x3
300
300
300
+3
+3
300
303
303
290
290
290
+2
+2
300
-
x4
-
3b Abweichung Schlussfeststellung
+4
4
geschätzte Gesamtkosten (3 + 3a + 3b)
-
290
292
296
5
Geschätzter Gesamterfolg (2 - 4)
-
10
11
7
6
Auftragskosten der Periode (= Aufwand)
30
90
120
56
7
Auftragskosten kumuliert (= Aufwand)
30
120
240
296
8
Fertigstellungsgrad kumuliert (7 / 4)
9
Erträge kumuliert (2 x 8)
-
41,4 %
82,2 % 100,0 %
30
124
249
303
30
94
125
54
11 Erfolg der Periode (10 - 6)
0
4
5
-2
12 Erfolg kumuliert
0
4
9
7
10 Ertrag der Periode
b) Berücksichtigung von erwarteten Verlusten In den ersten beiden Jahren ergeben sich im Vergleich zur Teilaufgabe a) keine Veränderungen. Erst im Jahr x3 kommt es zu einer Differenz, denn gem. IAS 11.36 sind erwartete Verluste sofort als Aufwand zu erfassen. Man kann dies dadurch erreichen, dass die Erlöse um den Verlust niedriger ausgewiesen werden. Außerdem sind die in den Vorperioden bereits erfassten Gewinne (4 Mio. €) zurückzudrehen. Im Einzelnen: Ab x3 werden als Gesamterlöse (nach Vertragsänderung) 303 Mio. € und Gesamtkosten (nach Vertragsänderung und erwarteter Kostensteigerung) von 308 Mio. € geschätzt. Per x3 ist ein kumulierter Aufwand von 240 Mio. € angefallen. Um den Verlust von 5 Mio. € zu erfassen, dürfen die kumulierten Erlöse nur 235 Mio. € betragen. Zieht man von diesem Wert die Vorperioden ab (124 Mio. €), werden in x3 nur Umsatzerlöse i.H.v. 111 Mio. € erfasst. Die Differenz beträgt 9 Mio. € (Korrektur der Gewinne aus Vorperioden zuzüglich Verlustberücksichtigung). Der Fertigstellungsgrad (Zeile 8 in Tab. 2-29) ist für die Erlöskalkulation in x3 unbeachtlich.
105
2.4
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Buchung x3: Konto
Mio. €
Konto
Mio. €
Forderungen aus PoC
111 an Umsatzerlöse
111
diverser Aufwand
120 an diverse Aktiva/ Passiva
120
Da der Gesamtverlust i.H.v. 5 Mio. € bereits im Vorjahr realisiert worden ist, werden in x4 Auftragserlöse in Höhe der in der Periode angefallenen Kosten berücksichtigt. Buchung x4: Konto
€
Konto
€
div. Aufwand
68 an diverse Aktiva/ Passiva
68
Forderungen aus PoC
68 an Umsatzerlöse
68
Tabelle 2-29:
Kalkulation U-Bahn-Bau (in Mio. €), Lösung Verlustfall x1
1
Ursprünglich vereinbarte Auftragserlöse
1a Abweichung 2
Gesamterlöse (1 + 1a)
3
Ursprünglich geschätzte Auftragskosten
x2
300 -
x3
300,0
300
300
+3
+3
300
303
303
290
290
290
300
-
x4
3a Abweichung wegen Vertragsänderung
-
-
+2
+2
3b Abweichung wegen Kostensteigerung
-
-
+ 16
+ 16
4
geschätzte Gesamtkosten (3 + 3a + 3b)
-
290
308
308
5
Geschätzter Gesamterfolg (2 - 4)
-
10
-5
-5
6
Auftragskosten der Periode (= Aufwand)
30
90
120
68
7
Auftragskosten kumuliert (= Aufwand)
30
120
240
308
8
Fertigstellungsgrad kumuliert (7 / 4)
41,4
77,9 %
100,0 %
9
Erlöse kumuliert (2 x 8)
30
124
235*
303
30
94
111
68
11 Erfolg der Periode (10 - 6)
0
4
-9
0
12 Erfolg kumuliert
0
4
-5
-5
10 Erlös der Periode
* Auftragskosten kumuliert (240) - Verlust (5)
106
-
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.5
Finanzielle Vermögenswerte und finanzielle Verbindlichkeiten
2.5.1
Bewertungskonzeption finanzieller Vermögenswerte – Heuschrecke AG
Rechtsquelle: IAS 39 Lernziele: Überblick zur Bewertung finanzieller Vermögenswerte; Notwendigkeit und Konsequenzen der Kategorisierung Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Heuschrecke AG hat einige finanzielle Vermögenswerte im Bestand, über deren zutreffende Abbildung im IFRS-Abschluss x1 Unsicherheit besteht. Aufgabenstellung
a) Welche Kategorien finanzieller Vermögenswerte werden im IFRS-Abschluss gem. IAS 39 unterschieden? Warum muss ein Unternehmen seine finanziellen Vermögenswerte kategorisieren? Wie geschieht das technisch?
b) Kategorisieren Sie die folgenden Sachverhalte. Sollte Ihnen eine eindeutige Zuordnung nicht möglich sein, nennen Sie die noch fehlenden Informationen. Zeigen Sie, falls möglich, die materiellen Bewertungsfolgen für den 31.12.x1 auf und geben Sie die Buchungssätze an. (1)
Im Oktober x1 hat die Heuschrecke AG 20.000 Aktien der Rote Erde AG, einem börsennotierten Fußballclub der 1. Liga, für 2 €/Stück erworben. In der Hoffnung auf eine positive sportliche Entwicklung des Clubs will man die Aktien am Saisonende im Mai x2 veräußern. Nach einer völlig verkorksten Hinrunde steht Rote Erde jedoch auf dem 17. Tabellenplatz, und die Aktie notiert am Jahresende mit 1,20 €/Stück.
(2)
Im Frühjahr x1 ist eine Beteiligung von 5 % an der Windrad GmbH für 300 T€ erworben worden, die langfristig gehalten werden soll.
(3)
Für 500 T€ hat sich die Heuschrecke AG im Sommer x1 an der Neuemission einer 10-jährigen börsennotierten Industrieanleihe der Ferro AG beteiligt, die zu einem Kurs von 100 % platziert worden ist. Man kann und will die Anleihe bis zur Endfälligkeit halten. Weil der Marktzinssatz gestiegen ist, beträgt der Kurswert der Anleihen am Bilanzstichtag nur noch 470 T€.
107
2.5
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
c) Wie sind die Aktien der Rote Erde AG im Abschluss x2 zu kategorisieren und zu bewerten, wenn die Heuschrecke AG die Aktien nicht verkauft hat und der Kurs am Bilanzstichtag 2,20 €/Aktie beträgt? Geben Sie den Buchungssatz an!
d) In x2 sind die Marktzinssätze wieder gesunken, der Kurs der Industrieanleihe der Ferro AG hat sich entsprechend erholt. Daraufhin veräußert die Heuschrecke AG die Anleihen. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Kategorisierung finanzieller Vermögenswerte bei der Heuschrecke AG in den kommenden Jahren? Ist für ihre Antwort wichtig, ob die Heuschrecke AG zum Verkaufszeitpunkt weitere Anleihen gehalten hat? Lösung
a) Notwendigkeit der Kategorisierung und ihre technische Umsetzung IAS 39 unterscheidet vier Kategorien finanzieller Vermögenswerte, die drei unterschiedliche Bewertungsfolgen auslösen: Tabelle 2-30:
Kategorien finanzieller Vermögenswerte und ihre Folgebewertung
Nr. Kategorie
Folgebewertung
1
Fair Value, erfolgswirksam
at Fair Value through profit or loss (held for trading und Fair Value Option)
2
held-to-maturity
fortgeführte Anschaffungskosten
3
loans and receivables
fortgeführte Anschaffungskosten
4
available-for-sale
Fair Value, erfolgsneutral
Für die Zuordnung in eine der vier Kategorien bestehen Wahlrechte und Ermessensspielräume. Sollten sich nach der Einbuchung eines finanziellen Vermögenswertes für diesen marktinduzierte Fair Value-Schwankungen ergeben, könnten diese vom Management mit Wirkung auf Jahresergebnis und/ oder Eigenkapital ausgenutzt bzw. vermieden werden, falls die Zuordnungsentscheidung erst nach der Einbuchung zulässig wäre. Daher muss die Zuordnung bei Einbuchung vorgenommen werden. Technisch geschieht dies durch Dokumentation in der Buchführung, also durch entsprechende Kontierung.
b) Kategorisierung und materielle Bilanzierungsfolgen (1) Die Aktien der Roten Erde AG sollen nur kurzfristig gehalten werden: Es besteht Spekulationsabsicht. Daher sind sie als Handelsbestand (held for trading)) der Kategorie at Fair Value through profit or loss zuzuordnen. Die Absicht – also ein Ermessen – entscheidet über die Zuordnung; ein Wahlrecht besteht diesbezüglich nicht.
108
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Bis zum Bilanzstichtag ist ein Bewertungsverlust von 0,80 €/Aktie, in der Summe also 16 T€ aufgelaufen. Dieser ist erfolgswirksam als Aufwand zu erfassen: Konto
T€
Konto
Bewertungsaufwand Wertpapiere
16 an Wertpapiere held for trading
T€
16
(2) Einen dem § 271 Abs. 1 HGB analogen Beteiligungsbegriff – die Herstellung einer dauernden Verbindung – kennen die IFRS nicht. Allerdings sollen die Anteile an der Windrad GmbH langfristig gehalten werden, so dass Spekulationsabsicht nicht besteht. Somit kommt die Zuordnung zum Handelsbestand (held for trading) nicht in Betracht. Zu prüfen wäre jedoch, ob eine Zuordnung zur Kategorie at Fair Value through profit or loss freiwillig über die sog. Fair Value Option möglich ist. Die Anwendung der Fair Value Option ist jedoch an Bedingungen geknüpft:
Es wird im Hinblick auf Bewertung und/ oder das Jahresergebnis ein accounting mismatch beseitigt oder erheblich verringert,
bei den Finanzinstrumenten handelt es sich um ein Portfolio, dessen Management und Performance-Messung auf Fair Value-Basis gemäß einer dokumentierten Risikomanagement- und Anlagestrategie durchgeführt wird (IAS 39.9) oder
es handelt sich um ein strukturiertes Produkt, bei dem – ohne freiwillige Fair Value-Bewertung – das Derivat hätte abgespalten werden müssen (IAS 39.11A).
Der letzte Fall kann hier sicher ausgeschlossen werden, und über die ersten beiden Punkte liegen keine Informationen vor. Daher wird die Anwendung der Fair Value Option und damit die Zuordnung in die Kategorie at Fair Value through profit or loss hier nicht weiter verfolgt. Nach diesem Prüfschritt hat das Management der Heuschrecke AG ein weiteres Wahlrecht: Jeder finanzielle Vermögenswert – mit Ausnahme des Handelsbestands held-fortrading – kann freiwillig der Kategorie available-for-sale zugeordnet werden. Die Zuordnungsentscheidung auf Basis dieses Wahlrechts kann einzeln getroffen werden. Was aber ist, wenn die Heuschrecke AG von diesem Wahlrecht kein Gebrauch macht? Dann bleiben zwei weitere Kategorien. Die Kategorien held-to-maturity sowie loans and receivables setzen für das Finanzinstrument jeweils feste oder bestimmbare Zahlungen voraus. Der aus gehaltenen Eigenkapitaltiteln möglicherweise fließende Zahlungsstrom ist aber im Vorhinein niemals fest oder auch nur bestimmbar. Daher scheidet auch eine Zuordnung in eine dieser beiden Kategorien aus, so dass dann doch nur noch available-for-sale verbleibt. Die Kategorie nimmt nämlich nicht nur auf Basis des oben genannten Wahlrechts finanzielle Vermögenswerte auf, sondern auch alle jene, die in keine der anderen Kategorien zugeordnet werden können; es handelt sich bei dieser Kategorie letztlich um eine Restkategorie. Daher müssen die Anteile der Windrad GmbH hier zugeordnet werden.
109
2.5
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Eigenkapitaltitel der Kategorie available-for-sale sind zum Fair Value zu bewerten; im Unterschied aber zu at Fair Value through profit or loss erfolgt die Gegenbuchung nicht in der Gewinn- und Verlustrechnung, sondern in einer Neubewertungsrücklage unmittelbar im Eigenkapital. Freilich setzt dies voraus, dass der Fair Value bestimmbar ist. Sollten Eigenkapitaltitel nicht auf einem aktiven Markt gehandelt werden – das trifft auf Anteile an einer GmbH zu – und der Fair Value auch sonst nicht ermittelt werden können, so bleibt es (ausnahmsweise) auch innerhalb dieser Kategorie bei einer Bewertung zu Anschaffungskosten (IAS 39.46c). Die Fair Value-Ermittlung für (nicht notierte) Anteile setzt letztlich eine Unternehmensbewertung voraus. Dazu sind eine Vielzahl von Informationen erforderlich (Prognoserechnungen, Zinssätze, ggf. Vergleichswerte), über deren Existenz die Aufgabenstellung nichts aussagt. Daher werden die Anteile an der Windrad GmbH unverändert mit 300 T€ angesetzt. (3) Bezüglich der Industrieanleihe der Ferro AG besteht seitens der Heuschrecke AG offensichtlich keine kurzfristige Spekulationsabsicht, so dass eine erfolgswirksame Fair Value-Bewertung nur möglich wäre, wenn die Bedingungen der Fair Value Option vorlägen. Im Übrigen wäre, ohne Erfüllung von Bedingungen, auch die Zuordnung zu available-for-sale möglich. Es kann insoweit auf die Lösung zu (2) verwiesen werden. Was gilt aber, wenn von diesen Wahlrechten kein Gebrauch gemacht wird? Industrieanleihen weisen feste (bei festen Zinsen) oder bestimmbare (bei variablen Zinsen) Zahlungen auf. Die Zuordnung in loans and receivables ist jedoch nur für finanzielle Vermögenswerte zulässig, die nicht auf einem aktiven Markt gehandelt werden. Die Industrieanleihe ist aber börsennotiert und wird daher auf einem aktiven Markt gehandelt. Damit bleibt nur die Kategorie held-to-maturity, soweit die Heuschrecke AG die Anleihe bis zur Endfälligkeit halten kann und will. Kann diese Fähigkeit und Absicht nicht dargelegt werden (oder wird sie bewusst nicht dargelegt), käme letztlich wieder die Restkategorie available-for-sale zum Zuge. Im vorliegenden Fall sind aber Haltefähigkeit und –absicht gegeben und sollen auch als entsprechend dargelegt gelten; die Anleihe wird also der Kategorie held-to-maturity zugeordnet. Die Folge ist, dass Fair Value-Schwankungen unbeachtlich bleiben, da man solche Schwankungen bis zum Rückzahlungszeitpunkt „aussitzen“ will. Der Kursrückgang kommt bilanziell nicht zum Ausdruck, die Anleihe bleibt mit 500 T€ aktiviert.
c) Kategorisierung und Bilanzierung bei widerlegter Spekulationsabsicht Die Aktien der Rote Erde AG sind entgegen der ursprünglichen Planung nicht veräußert worden. Damit hat die Heuschrecke AG die Spekulationsabsicht widerlegt. Dennoch bleiben die Aktien in der Kategorie held for trading, und sie werden weiterhin erfolgswirksam zum Fair Value bewertet; ein Herauslösen von Eigenkapitaltiteln aus dieser Kategorie ist nur unter außergewöhnlichen Umständen möglich (IAS 39.50B). Ein außergewöhnlicher Umstand wäre ein ungewöhnliches Ereignis, dass sich voraussichtlich in naher Zukunft nicht wiederholen wird. Die Finanzkrise 2008/2009 zählt hierzu, nicht aber ein Kursrückgang wegen eines schlechten Tabellenplatzes.
110
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Der Kurs der Aktie ist gegenüber dem letzten Bilanzstichtag um 1 € gestiegen und liegt jetzt mit 2,20 € auch über dem Kurs des Erwerbs der Aktie. Die Aktien sind mit 2,20 €/Stück und damit höher als die ursprünglichen Anschaffungskosten zu bewerten. Konto
T€
Konto
Wertpapiere held for trading
20 an Bewertungsertrag Wertpapiere
T€ 20
d) Sanktionen bei vorzeitiger Veräußerung aus held-to-maturity Wertpapiere können nur dann in held-to-maturity eingruppiert werden, wenn Absicht und Fähigkeit besteht, diese bis zur Endfälligkeit zu halten. Bei einer vorzeitigen Veräußerung hat die Heuschrecke AG diese Absicht/ Fähigkeit widerlegt. Sollte ein wesentlicher Teil des Bestandes der Kategorie veräußert worden sein, dann
muss der Restbestand der Kategorie in available-for-sale umgruppiert werden und
in den kommenden zwei Geschäftsjahren dürfen keine finanziellen Vermögenswerte in die Kategorie held-to-maturity eingruppiert werden; die Kategorie bleibt während dieser Zeit geschlossen.
Zu beurteilen ist demnach, ob die Industrieanleihe der Ferro AG ein wesentlicher Teil des Bestands der Kategorie war. Insoweit es die einzigen Anleihen waren, sind sie selbstverständlich wesentlich gewesen. Unwesentlichkeit kann bei einem Wertbestand von ca. 10 % bis 15 % angenommen werden. Die oben skizzierten Rechtsfolgen werden nicht ausgelöst, wenn die Veräußerung nahe am Endfälligkeitstag lag oder der Grund der Veräußerung außerhalb der Kontrolle der Heuschrecke AG lag (z.B. Bonitätsverschlechterung bei der Ferro AG). Beide Voraussetzungen lagen laut Sachverhalt nicht vor. Hinweis: Im November 2009 hat das IASB den Standard IFRS 9 Financial Instruments veröffentlicht (s. Aufgabe 1.2.2). Der Standard ersetzt Teile des bisherigen IAS 39 und ist anzuwenden für Berichtsperioden, die am oder nach dem 01.01.2013 (!) beginnen; eine frühere Anwendung ist zulässig (IFRS 9.8.1.1). Für das Jahr 2010 ist die Veröffentlichung weiterer Standards bzw. Ergänzungen des IFRS 9 geplant, u.a. zum Hedge Accounting und zum Impairment. Damit soll insgesamt das Thema Finanzinstrumente in den IFRS neu geregelt werden. Die EU-Kommission wird sich erst nach Abschluss des Gesamtprojekts mit der Übernahme der Neuregelungen in europäisches Recht beschäftigen. Literaturempfehlung: Theile in Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz 18201849.
111
2.5
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.5.2
Einbuchung finanzieller Vermögenswerte zum Fair Value – Naturholz GmbH
Rechtsquelle: IAS 18, IAS 39 Lernziele: Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Einbuchung von Forderungen auf Basis einer Sachleistung und einer Geldleistung Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Im Geschäftsjahr x1 hat die Naturholz GmbH, ein Spezialist für Naturholz-Büromöbel, u.a. zwei Geschäfte getätigt, deren Abbildung im IFRS-Abschluss Kopfschmerzen bereitet. (1)
Die Büroräume des Tabakverbandes in Berlin wurden mit hochwertigen englischen Ledersesseln neu ausgestattet. Der Rechnungsbetrag von 100 T€ ist erst in 2 Jahren zahlbar.
(2)
Die Teakholz KG, ein Lieferant der Naturholz GmbH, ist vorübergehend in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Daraufhin reicht die Naturholz GmbH ein auf 2 Jahre befristetes, zinsloses Darlehen über 100 T€ aus.
Geschäftspartnern dieser Bonität würde die Naturholz GmbH üblicherweise Kreditkonditionen von 6 % p.a. anbieten. Aufgabenstellung
Buchen Sie die beiden Geschäftsvorfälle im IFRS-Abschluss der Naturholz GmbH ein und skizzieren Sie die Folgebewertung. Lösung
(1) Der Ertrag aus einer Lieferung ist mit dem Fair Value der Gegenleistung anzusetzen (IAS 18.11). Da der Rechnungsbetrag von 100 T€ erst in zwei Jahren gezahlt wird, ist die Gegenleistung zum Umsatzzeitpunkt das Barpreisäquivalent; die 100 T€ sind demnach über zwei Jahre mit 6 % p.a. zu diskontieren. Ohne das vereinbarte Zahlungsziel hätte der Tabakverband bei Lieferung 89 T€ zahlen müssen. Der Umsatz ist wie folgt einzubuchen: Konto
T€
Konto
T€
Forderungen aLL
89 an Umsatzerlöse
89
112
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
In den beiden Folgeperioden ist die Forderung zugunsten Zinsertrag um 6 % p.a. aufzuzinsen; bei Fälligkeit ergibt sich dann ein Betrag von 100 T€. Auf diese Weise wird das Sachleistungsgeschäft vom Finanzierungsgeschäft getrennt. (2) Die Darlehensvergabe unterliegt als Finanztransaktion dem IAS 39. Auch hier gilt, dass die Forderung zum Fair Value anzusetzen ist. Der Marktpreis der Forderung beträgt bei Darlehensvergabe aber nicht 100 T€, weil jeder andere Kreditgeber den Kredit nicht zinslos, sondern mit 6 % p.a. verzinst ausgereicht hätte. Folglich darf die Forderung nur zu ihrem Barwert von 89 T€ angesetzt werden, obwohl 100 T€ ausgezahlt worden sind. Die Differenz (11 T€) stellt entweder Aufwand dar, oder sie ist als Vermögenswert zu aktivieren, falls die Naturholz GmbH eine aktivierungsfähige Gegenleistung erhalten hat (IAS 39.AG64). Das ist hier nicht der Fall; das zinslose Darlehen wurde in der Hoffnung ausgereicht, das Überleben der Teakholz KG zu sichern. Damit entsteht der Naturholz GmbH ein sog. one-day-loss. Konto
T€
Konto
Darlehensforderung
89
Aufwand
11 an Bank
T€
100
In den beiden Folgeperioden wird die Darlehensforderung jeweils mit 6 % p.a. ertragswirksam aufgezinst, so dass nach zwei Jahren der Rückzahlungsbetrag von 100 T€ erreicht ist.
2.5.3
Anleiheemission: Einführung in die Effektivzinsmethode – Schlaufuchs AG
Rechtsquelle: IAS 39 Lernziele: Erstmaliges Erfassen einer finanziellen Verbindlichkeit und Bewertung nach der Effektivzinsmethode; Folgebewertung finanzieller Verbindlichkeiten Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Die Schlaufuchs AG erwägt zum 31.12.x0 die Emission einer Anleihe mit einem Nennwert von 100 Mio. € und einer Laufzeit von fünf Jahren. Die Anleihe soll mit einem Kupon von 4 % p.a. ausgestattet werden. Der Finanzleiter der Schlaufuchs AG ist sich jedoch nicht sicher, mit welchem Ausgabekurs er die Anleihe platzieren soll.
113
2.5
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Aufgabenstellung
a) Stellen Sie den Auszahlungsstrom der Anleihe grafisch dar. b) Welche Überlegungen stellt ein Käufer einer Anleihe im Hinblick auf Rendite und Risiko an?
c) Nehmen Sie an, die Rendite vergleichbarer Anleihen sei 6 % p.a. Legen Sie auf Basis dieser Information den Ausgabekurs fest. Entsteht ein Disagio?
d) Buchen Sie den Emissionserlös und die Anleihe bei der Schlaufuchs AG ein und zeigen Sie die bilanziellen Konsequenzen auch für die Folgejahre. Gehen Sie davon aus, dass keine Nebenkosten bei der Anleiheemission entstehen. Tragen Sie die Werte in nachfolgender Tabelle ein. Tabelle 2-31:
Entwicklung Buchwert der Anleihe (in Mio. €), Aufgabenblatt
Jahr Buchwert Jahresbeginn Zinsaufwand (A) (B) = (A) x 0,06
Zinszahlung Buchwert Jahresende (C) (D) = (A) + (B) - (C)
x1 x2 x3 x4 x5
Lösung
a) Auszahlungsstrom der Anleihe Auf den Nominalwert der Anleihe (100 Mio. €) sind jedes Jahr 4 % Zinsen zu entrichten, also 4 Mio. €. Nach fünf Jahren ist die Anleihe zurückzuzahlen. Das ergibt folgenden Auszahlungsstrom:
114
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Abbildung 2-1:
Auszahlungsstrom Anleihe: Zinsen und Rückzahlung
104,0
4,0
4,0
4,0
4,0
Jahr 0 1 Emissionserlös noch nicht festgelegt
2
3
4
5
b) Zusammenhang von Rendite und Risiko Die Rendite eines Wertpapiers (in einer Währung, die auch der Konsumwährung entspricht) setzt sich aus drei Komponenten zusammen:
Differenz von Ausgabe- und Rücknahmepreis,
periodische Zinszahlungen und
Laufzeit.
Der Investor trägt das Risiko, dass der Emittent seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Daher sind Rendite und Risiko positiv korreliert. Ein Investor wird zum Kauf eines riskanten Wertpapiers nur bereit sein, wenn dieses eine höhere Rendite verspricht als eine vergleichsweise sichere Investition. Umgekehrt gilt: Hat ein Investor die Wahl zwischen mehreren Investitionen vergleichbaren Risikos, dann werden sich in aktiven Märkten auch die Renditen dieser Investitionen gleichen.
c) Festlegung des Ausgabekurses Die Marktrendite vergleichbarer Anleihen – also auch 5-jährige Laufzeit, gleiche Risikostufe (Rating) – liegt bei 6 % p.a. Die Schlaufuchs AG wird ihre Anleihe nur dann platzieren können, wenn sie ebenfalls eine Rendite von 6 % p.a. abwirft. Da der Nominalzins bei der 5jährigen Laufzeit mit 4 % p.a. bereits festgelegt worden ist, bleibt als „Stellschraube“ für die Rendite nur die Differenz von Ausgabe- und Rücknahmepreis. Um diese Differenz zu ermitteln, muss der künftige Zahlungsstrom der Anleihe mit der Marktrendite diskontiert werden. Dann erhält man den Barwert und damit den
115
2.5
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Ausgabepreis. Dieser beträgt 91,58 Mio. €. Das Disagio von 8,42 Mio. € entspricht der Zinsdifferenz von 2 % über 5 Jahre. In der Terminologie des IAS 39 werden die 6 % als Effektivzins bezeichnet. Es handelt sich hierbei um den internen Zinsfuss, also jener Zins, bei dem der Kapitalwert einer Investition den Wert „0“ annimmt.
d) Bilanzielle Abbildung der Anleiheemission Die Anleihe ist mit dem erhaltenen Betrag einzubuchen. Das Disagio darf weder aktiviert, noch sofort aufwandswirksam erfasst werden. Konto
Mio. €
Bank
Konto
Mio. €
91,58 an Anleiheverbindlichkeit
91,58
In den Folgeperioden ermittelt sich der Zinsaufwand durch Aufzinsung des alten Buchwerts mit der Marktrendite von 6 % p.a. Da aber jährlich nur 4 Mio. € Zinsen gezahlt werden, erhöht sich der Buchwert der Anleiheverbindlichkeit in jedem Jahr, bis er den Betrag von 100 Mio. € erreicht hat. Die bilanziellen Konsequenzen fasst die nachfolgende Tabelle zusammen. Tabelle 2-32:
Entwicklung Buchwert der Anleihe (in Mio. €), Lösung
Jahr Buchwert Jahresbeginn Zinsaufwand (A) (B) = (A) x 0,06
Zinszahlung Buchwert Jahresende (C) (D) = (A) + (B) - (C)
2008
91,58
5,49
4
93,07
2009
93,07
5,58
4
94,65
2010
94,65
5,68
4
96,33
2011
96,33
5,78
4
98,11
2012
98,11
5,89
4
100
Literaturempfehlung: Hachmeister, Verbindlichkeiten nach IFRS, 2006, S. 24-32.
116
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.6
Rückstellungen
2.6.1
Ansatz sonstiger Rückstellungen – Alleskönner Konzern
Rechtsquelle: IAS 37 Lernziele: Beurteilung der Ansatzkriterien für Rückstellungen nach IAS 37 Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Der Leiter Finanz- und Rechnungswesen des stark diversifizierten Alleskönner Konzerns ist sich unsicher, ob bestimmte Sachverhalte zum 31.12.x1 nach IAS 37 als Rückstellung zu passivieren sind. Aufgabenstellung
a) Skizzieren Sie kurz die Ansatzvoraussetzungen für Rückstellungen i.S.v. IAS 37. b) Prüfen Sie, ob der Alleskönner Konzern für die folgenden Sachverhalte im IFRSAbschluss x1 Rückstellungen ansetzen muss. (1)
Die nächste gesetzlich verpflichtende Generalüberholung der Flugzeuge der Alleskönner Airline ist in drei Jahren.
(2)
Damit flüssige Giftstoffe des ägyptischen Chemiewerks der Alleskönner Egypt nicht in den Nil gelangen, muss bis x4 ein Klärwerk errichtet werden; andernfalls wird die behördliche Betriebsgenehmigung entzogen.
(3)
Aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung hätte die Alleskönner Bau GmbH am 31.12.x1 noch auf dem Betriebsgelände lagernde Gefahrenstoffe, die schon den Platz versperren, längst entsorgen müssen.
(4)
Außerhalb der vertraglich vereinbarten Garantiefrist erbringt die Alleskönner Sales AG nur gegenüber wichtigen Kunden im Schadensfall Nachbesserungen, um diese Kunden nicht zu vergraulen; gegenüber unwichtigen Kunden verhält man sich aus Kostengründen nicht so kulant. Die wichtigen Kunden wissen aus Erfahrung, dass die Alleskönner Sales AG Nachbesserungen, wenn auch ggf. nur nach Verhandlungen, durchführen wird.
(5)
Die Alleskönner Maschbau GmbH wickelt auf einer Fertigungsanlage Aufträge ab, die so knapp kalkuliert sind, dass die Abschreibung der Anlage nicht verdient werden kann und aus den Aufträgen entsprechende Verluste entstehen.
117
2.6
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Lösung
a) Ansatzvoraussetzungen für Rückstellungen Eine Rückstellung ist nach IAS 37.14 unter den folgenden Voraussetzungen zu passivieren:
Es besteht eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis,
die Inanspruchnahme ist wahrscheinlich und
der Betrag kann zuverlässig bestimmt werden.
Das Kriterium der Gegenwärtigkeit und des Vergangenheitsbezugs wird dahingehend konkretisiert, dass sich das Unternehmen der Erfüllung nach realistischer Einschätzung nicht entziehen kann (IAS 37.17). Dies ist nach IAS 37.19 dann der Fall, wenn die Verpflichtung unabhängig von der künftigen Geschäftstätigkeit besteht. Begriffsnotwendig kann eine Verpflichtung nur gegenüber Dritten bestehen; die genaue Kenntnis der Partei ist nicht erforderlich, so dass auch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit ausreichend sind (IAS 37.20). Der Ansatz von Aufwandsrückstellungen für Innenverpflichtungen kommt nicht in Betracht. Subjektiv – oder bei einer Vielzahl gleichartiger Verpflichtungen durch Statistiken unterlegt – müssen mehr Gründe für als gegen die Inanspruchnahme sprechen. Die Forderung nach zuverlässiger Bewertbarkeit schließlich entspricht dem allgemeinen Ansatzkriterium für Schulden gem. dem Framework.
b) Rückstellungsbildung bei diversen Sachverhalten (1) Generalüberholung: Das vergangene Ereignis ist hier die Nutzung der Flugzeuge. Es besteht aber keine von der künftigen Geschäftstätigkeit unabhängige Verpflichtung zur Generalüberholung. Die Alleskönner Airline kann sich etwa durch Verkauf der Flugzeuge der Verpflichtung entziehen. Eine Rückstellung ist somit nicht anzusetzen. Dennoch kommt es zur Periodisierung der Kosten einer Generalüberholung, und zwar durch deren Aktivierung und anschließender Abschreibung nach dem Komponentenansatz (s. Aufgabe 2.2.5). (2) Klärwerk: Behördliche Auflagen, durch bestimmte Maßnahmen künftige Schäden zu verhindern (sog. Anpassungsverpflichtung), lösen ebenfalls keine Rückstellungsbildung aus, da sich das Unternehmen etwa durch Änderung oder Einstellung der Produktion der Erfüllung der Verpflichtung noch entziehen kann (IAS 37.19). Soweit ein künftiges Nutzenpotential geschaffen wird, ist eine Rückstellung grundsätzlich unzulässig (keine Rückstellungen für künftige Investitionen oder künftigen Erhaltungsaufwand, da es an der Unentziehbarkeit mangelt). (3) Gefahrenstoffe: Die Beseitigung der Gefahrenstoffe schafft hier kein künftiges Nutzenpotential. Die Existenz der Stoffe ist durch den Betrieb in der Vergangenheit
118
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
bedingt; zugleich liegt eine behördliche Auflage und damit eine Außenverpflichtung vor. Fraglich könnte sein, ob die Rückstellungsbildung aber deshalb unterbleiben muss, weil das Aufräumen des Betriebsgeländes zugleich aufgrund betrieblicher Notwendigkeit (z.B. aus Platzgründen) erforderlich ist und daher auch eine Innenverpflichtung vorliegt. Wird eine Innenverpflichtung jedoch von einer Außenverpflichtung überlagert, hat die Außenverpflichtung Vorrang und ist nach IAS 37 zu passivieren. Dass dies auch anders gesehen werden kann, zeigt das (zu recht umstrittene) BFH-Urteil vom 08.11.2000 (BStBl. 2001, S. 566), mit dem steuerlich eine Rückstellungsbildung abgelehnt wurde. (4) Kulanz: Sog. faktische Verpflichtungen (constructive obligation, IAS 37.10) liegen vor, wenn das Unternehmen in der Vergangenheit (IAS 37.17b) durch Ankündigungen oder Handlungen bei Dritten auch ohne rechtliche Verpflichtung die berechtigte Erwartung geweckt hat, bestimmte Leistungen zu erbringen. Beispiele sind – wie hier Kulanzleistungen, aber auch Umstrukturierungen oder freiwillige Umweltschutzmaßnahmen. Dabei verträgt sich das Unentziehbarkeitskriterium „eigentlich“ nicht mit faktischen Verpflichtungen. Da eine Erfüllung rechtlich nicht durchgesetzt werden kann, könnte sich das Unternehmen durch Nichthandeln jederzeit der Kulanzleistung entziehen, so dass eine Rückstellungsbildung unterbleiben müsste. Zur Rettung und Konkretisierung des Unentziehbarkeitskriteriums verlangt IAS 37.20 bei faktischen Verpflichtungen, dass diese „den davon betroffenen Parteien vor dem Bilanzstichtag ausreichend ausführlich mitgeteilt wurden“. Dies liegt bereits vor, wenn das Unternehmen unzweifelhaft ein entsprechendes und in der Öffentlichkeit bekanntes Image hat, dass es seinen faktischen Verpflichtungen nachkommt. M.E. reicht eine Verpflichtung gegenüber einem Teil der Kundschaft (z.B. wichtige Großkunden) aus, wenn diese sich auf das kulante Handeln der Alleskönner Sales AG verlassen können. (5) Verlustaufträge: Gemäß IAS 37.69 ist vor Rückstellungsbildung, hier für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, zunächst zu prüfen, ob ein Wertminderungsaufwand für Vermögenswerte, die mit dem Vertrag verbunden sind, gem. IAS 36 zu erfassen ist. Daher ist die Fertigungsanlage vorrangig außerplanmäßig abzuwerten. Erst wenn der Buchwert der Anlage nach außerplanmäßiger Abschreibung „null“ erreicht hat und immer noch ein Verlust droht, ist eine Rückstellung zu bilden. Literaturempfehlungen: Ballwieser, IFRS-Rechnungslegung, 2. Aufl. 2009, S. 71-75; Hachmeister, Verbindlichkeiten nach IFRS, 2006, S. 110-125.
119
2.6
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.6.2
Restrukturierungsrückstellungen – Hire and Fire AG
Rechtsquelle: IAS 19, IAS 37 Lernziele: Besondere Ansatzvoraussetzungen für Restrukturierungsrückstellungen; Vertiefung des Unentziehbarkeitskriteriums; Zusammenwirken von IAS 37/ IAS 19 Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Das Zeitarbeitsunternehmen Hire and Fire AG ist in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. In der Vorstandssitzung am 04.12.x1 wird ein detaillierter Sanierungsplan erarbeitet und beschlossen, den der Aufsichtsrat am 11.12.x1 billigt. Der Plan berücksichtigt folgende Bestandteile: (1)
Um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, wird den Mitarbeitern auf einer Betriebsversammlung am 21.12.x1 ein Abfindungsangebot gemacht. Hire and Fire rechnet mit Abfindungszahlungen von 6.000 T€, die nach Annahme des Angebots voraussichtlich im 2. Quartal x2 gezahlt werden.
(2)
Verschiedene Mitarbeiter sollen auf Ingenieurberufe umgeschult werden. Die Maßnahmen sollen im Februar x2 beginnen und werden voraussichtlich 2.000 T€ verursachen.
(3)
Fünf Vertriebsbüros in kleineren Städten sollen ab April x2 geschlossen werden. Die Mietverträge können nicht vorzeitig gekündigt werden; sie laufen teilweise noch bis zum Jahr x3 und verursachen ab April Auszahlungen i.H.v. 1.200 T€. Die Büros können wahrscheinlich trotz intensiver Bemühungen nicht untervermietet werden.
(4)
Die Beratungsgesellschaft McConsulting hat das Sanierungskonzept erarbeitet. Für die Beratungsleistung stehen bis Buchungsschluss 10.01.x2 die Rechnungen z.T. noch aus, man erwartet weitere 700 T€ Belastung.
Aufgabenstellung
a) Skizzieren Sie den Begriff Restrukturierung i.S.v. IAS 37. b) Welche besonderen Ansatzvoraussetzungen für Belastungen aus Restrukturierungsmaßnehmen bestehen? Warum sind diese im Kontext des IAS 37 erforderlich?
c) Prüfen Sie, ob für die genannten Bestandteile der Sanierungsmaßnahme der Hire and Fire AG Restrukturierungsrückstellungen gebildet werden können. Sind neben IAS 37 auch andere Standards zu beachten?
120
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
d) Nehmen Sie an, die Schließung der Vertriebsbüros (3) sei nicht Bestandteil einer Restrukturierungsmaßnahme. Welches Ereignis wäre dann Voraussetzung für den Ansatz von Rückstellungen für Verpflichtungsüberhänge? Lösung
a) Begriff der Restrukturierung Eine Restrukturierung ist eine wesentliche Änderung des Umfangs oder der Art und Weise der Durchführung des Geschäftsbetriebs. Hierzu gehören vor allem die Schließung, Verlagerung oder Veräußerung von (Teil-)Betrieben, aber auch interne Strukturänderungen wie die Auflösung einer Managementebene und grundsätzliche Umorganisationen (IAS 37.70). Unter Restrukturierung fällt aber auch die Reduzierung der Unternehmensgröße (IAS 37.10 a.E. Buchstabe (a)), z.B. die Schließung von 25% aller Läden bei einer Einzelhandelskette oder der Abbau von Mitarbeitern über alle Funktionsbereiche, wie es in der Finanzkrise ab Ende 2008 häufig zu beobachten war.
b) Besondere Ansatzvoraussetzungen Restrukturierungsrückstellungen sind grundsätzlich ein Anwendungsfall der faktischen Verpflichtungen. Die Vermögensbelastung der Hire and Fire AG wird von dieser selbst herbeigeführt, es besteht schließlich keine rechtliche oder vertragliche Verpflichtung, eine Sanierungsmaßnahme durchzuführen (siehe auch Lösung Aufgabe 2.6.1 b4). Zur Verhinderung von Gestaltungsmissbrauch (Ergebnisglättungen) und zur Objektivierung der Unentziehbarkeit der beschlossenen Maßnahmen sieht IAS 37.72 als Ansatzvoraussetzung einen detaillierter Restrukturierungsplan vor. Vor allem muss gegenüber den Betroffenen klar gemacht worden sein, dass die Maßnahme auch durchgeführt werden wird: Die bloße Pressemitteilung, dass innerhalb von drei Jahren sehr wahrscheinlich 1.000 Mitarbeiter entlassen werden müssen, ohne aber einzelne Standorte zu nennen, rechtfertigt keine Rückstellung. Zum einen ist den Mitarbeitern nicht klar, dass gerade sie betroffen sein könnten. Zum anderen macht der lange Zeitraum von drei Jahren Planänderungen wahrscheinlich. Andererseits ist nicht erforderlich, dass jeder potentiell betroffene Mitarbeiter individuell informiert wird. Die Unterrichtung der Arbeitnehmervertreter vor dem Stichtag ist ausreichend (IAS 37.73).
c) Bestandteile der Restrukturierungsrückstellung (1) Die Abfindungszahlungen sind zum 31.12.x1 zurückzustellen, da die Maßnahme rechtzeitig bekannt gemacht worden ist; auf die erst nach dem Stichtag erfolgte Annahme (= rechtliche Entstehung) kommt es nicht an. Die Abfindungszahlungen sind allerdings nicht Gegenstand des IAS 37, sondern müssen nach IAS 19 beurteilt werden. Der für Abfindungszahlungen einschlägige IAS 19.134 gibt weitere wertvolle Hinweise zur Ausgestaltung von Restrukturierungsplänen. 121
2.6
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
(2) Rückstellungsfähig sind nur solche Aufwendungen, die nicht mit der Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit im Zusammenhang stehen (IAS 37.80). Damit können Kosten der künftigen Geschäftstätigkeit (Umschulungen) nicht zurückgestellt werden. Auf der anderen Seite sind jedoch Gehälter jener Mitarbeiter oder die Aufwendungen für Beratungsunternehmen, die die Restrukturierung durchführen, rückstellungsfähig. (3) Als besondere Verpflichtungsgruppe hebt der Standard „belastende Verträge“ – onerous contracts – hervor, also drohende Verluste aus schwebenden Geschäften. Ein belastender Vertrag liegt vor, wenn die unvermeidbaren Kosten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen („Leistung“) höher sind als der erwartete wirtschaftliche Nutzen („Gegenleistung“), also ein Verpflichtungsüberhang besteht (IAS 37.68). Die Mieten für die künftig leer stehenden Büros sind daher zurückzustellen. (4) Die noch nicht gezahlten Beratungskosten für die Fa. McConsulting sind als sog. accruals – im Übrigen unabhängig vom Restrukturierungsplan, da bereits unentziehbar entstanden – passivierungspflichtig. Accruals (abgegrenzte Schulden) unterscheiden sich von den provisions (Rückstellungen) vor allem dahingehend, dass die Restunsicherheiten hinsichtlich der Schätzung der Fälligkeit und Höhe so gering sind, dass ihr Ausweis unter Verbindlichkeiten sachgerecht ist (IAS 37.11).
d) Drohverlustrückstellung für leer stehende Büros Da kein Restrukturierungsplan i.S.v. IAS 37.72 vorliegt und die Büros noch bis Ende März x2 genutzt werden, besteht keine Möglichkeit, schon im Abschluss x1 eine Drohverlustrückstellung zu bilden. Der Plan zur Aufgabe der Büros ist noch zu wenig konkretisiert. Sollten die Büros dann tatsächlich freigezogen worden sein – also am 01.04.x2 – wäre zu diesem Zeitpunkt eine Drohverlustrückstellung für die dann noch folgenden Mieten zu bilden. Dieser Zeitpunkt ist m.E. auch dann einschlägig, wenn die Verträge nicht auslaufen, sondern gekündigt worden sind. Der (frühere) Kündigungszeitpunkt kann nicht das rückstellungsauslösende Ereignis sein, solange noch ungewiss ist, ob bis zum Ende der Nutzungsmöglichkeit genutzt wird oder nicht. Literaturempfehlungen: Theile, Sozialplanverpflichtungen und Restrukturierungen – Konzeptionelle Mängel beim Passivierungsgebot für faktische Verpflichtungen, PiR 2007, S. 297 – 303.
122
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.6.3
Pauschalrückstellungen und Rückstellungsbewertung – Weiße Ware AG
Rechtsquelle: IAS 37 Lernziele: Zulässigkeit von Pauschalrückstellungen; Vollkostenansatz Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Weiße Ware AG, Hersteller von Waschmaschinen und Kühlschränken, hat für mögliche Garantiefälle bei einigen größeren Absatzgeschäften im IFRS-Abschluss x1 bereits Einzelrückstellungen gebildet. Daneben weist der Vertriebsleiter darauf hin, dass die Bearbeitung von anderen kleineren Garantiefällen ca. 10 % der Arbeitszeit in Anspruch nehme, die Entwicklungsabteilung zu einem gewissen Anteil mit der Fehlersuche betraut sei und die Warenannahme und der Versand ebenfalls durch Rücklieferungen in Anspruch genommen werden. In alten HGB-Zeiten sei hierfür eine Pauschalgarantierückstellung gebildet worden, die sich nach den Verhältnissen am 31.12.x1 auf 2 Mio. € belaufen würde. Der Leiter Finanz- und Rechnungswesen hat demgegenüber gehört, dass Pauschalgarantierückstellungen nach IFRS nicht gebildet werden dürften. Aufgabenstellung
Welche der beiden Meinungen ist zutreffend? Kann oder muss auch im IFRSAbschluss eine Rückstellung i.H.v. 2 Mio. € angesetzt werden? Lösung
Pauschalrückstellungen oder Sammelbewertungen sind zunächst als Anwendung eines Schätzmaßstabs zulässig, wenn eine Bewertung erst für eine Vielzahl von Bewertungsvorgängen sinnvoll möglich ist, insbesondere bei Garantieleistungen. Für die Schadensfälle kann ein Erwartungswert gebildet werden (IAS 37.39). Zur Bewertung von Verpflichtungen sieht IAS 37.37 den an einen Dritten zu zahlenden Ablösebetrag als bestmögliche Schätzung an. Ein Dritter würde die Leistung nur unter Aufwendung von Einzel- und verpflichtungsbezogenen Gemeinkosten abwickeln können. Daher ist zur Bewertung von Sachleistungsverpflichtungen der Vollkostenansatz des IAS 2, also die Berücksichtigung von Einzel– und Gemeinkosten, einschlägig. Die vom Vertriebsleiter genannten anteiligen Aufwendungen der Vertriebsabteilung, Warenannahme und Entwicklungsabteilung sind daher Basis der Rückstellungsbildung, so dass diese in Höhe von 2 Mio. € anzusetzen ist.
123
2.6
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.6.4
Pensionsverpflichtungen – Witwen und Waisen AG
Rechtsquelle: IAS 19 Lernziele: Verständnis für die Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen nach IAS 19; Würdigung von Pensionsgutachten; Entstehung und Abbildung sog. versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste; Auswirkung auf Ergebnis und Eigenkapital; Bilanzpolitik Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt:
Die Witwen und Waisen AG muss in ihrem Abschluss x2 Pensionsverpflichtungen nach IAS 19 bilanzieren. Dazu hat sie sowohl zum 31.12.x1 als auch zum 31.12.x2 versicherungsmathematische Gutachten eingeholt (s. Tabelle 2-33) Im Jahr x2 liegen die tatsächlichen Pensionszahlungen (240 T€) unter den am 31.12.x1 für x2 erwarteten Zahlungen (270 T€), da ein pensionsberechtigter Mitarbeiter überraschend am 01.01.x2 gestorben ist und die jährliche Pension von 30 T€ in x2 nicht mehr gezahlt wurde. Auf den Mitarbeiter entfiel am 31.12.x1 eine Pensionsverpflichtung von 210 T€. Bisher hat die Witwen und Waisen AG zur Abbildung von Pensionsverpflichtungen die sog. Korridor-Methode angewendet. Der Leiter Finanz- und Rechnungswesen fragt sich, wie er aus den Gutachten die für die Bilanzierung zum 31.12.x2 relevanten Daten ableiten soll und wie die Pensionsrückstellung und der Pensionsaufwand auszuweisen sind. Außerdem möchte er wissen, welche Bilanzierungsalternativen neben der Korridor-Methode bestehen und welche Vor- und Nachteile diese haben.
124
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-33:
Angaben aus den Pensionsgutachten (in T€)
Angaben Pensionsverpflichtung 31.12.x1/ x2 (Ist)
Gutachten zum 31.12.x1
31.12.x2
3.000
3.300
für das Folgejahr geschätzte Dienstzeitkosten
200
250
für das Folgejahr geschätzte Zinskosten
120
116
für das Folgejahr geschätzte Pensionszahlungen
- 270
- 300
Pensionsverpflichtung 31.12.x2/ x3 (erwartet)
3.050
3.366
Planvermögen 31.12.x1/ x2 (Ist)
1.000
900
für das Folgejahr geschätzte Erträge
100
80
für das Folgejahr geschätzte Zahlungen
- 50
- 70
1.050
910
Planvermögen 31.12.x2/ x3 (erwartet)
Dienstzeitkosten (geschätzt im Vorjahrsgutachten)
200
250
Zinskosten (geschätzt im Vorjahrsgutachten)
120
116
20
58
- 100
- 80
240
344
3.000
3.300
- 1.000
- 900
2.000
2.400
-500
- 850
1.500
1.550
260
240
Tatsächliche Erträge aus Planvermögen x1/ x2
60
-50
Tatsächliche Zahlungen aus Planvermögen x1/ x2
35
50
Amortisation versicherungsmathematischer Verluste Abzg. Erträge aus Planvermögen (geschätzt im Vorjahrsgutachten) Pensionsaufwendungen x2/ x3
Pensionsverpflichtung 31.12.x1 bzw. x2 (Ist) Planvermögen 31.12.x1 bzw. x2 (Ist) Finanzierungsstatus 31.12.x1/ x2
versicherungsmathematische Verluste 31.12.x1/ x2 Nettorückstellung 31.12.x1 bzw. x2
Tatsächliche Pensionszahlungen x1/ x2
Aufgabenstellung
a) Skizzieren Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen nach IFRS und HGB.
b) Warum werden in Pensionsgutachten nach IAS 19 (wie in Tabelle 2-33) immer auch die Werte des Folgejahres genannt? Erläutern Sie in diesem Zusammenhang den Begriff der versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste.
125
2.6
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
c) Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen den einzelnen Komponenten (Pensionsverpflichtung, Planvermögen, Aufwendungen, Erträge, versicherungsmathematische Verluste und der Netto-Pensionsrückstellung lt. Bilanz) des Gutachtens, soweit sie bei Anwendung der Korridormethode im Abschluss x2 von Bedeutung sind. Verwenden Sie hierzu das folgende Schema (sog. Pensionenspiegel) und tragen Sie die relevanten Daten aus den Gutachten ein. Beachten Sie, dass das Planvermögen mit der Pensionsverpflichtung saldiert und daher abgezogen wird (negatives Vorzeichen). Die Tilgung versicherungsmathematischer Verluste ist bereits eingetragen. Wieso beläuft sich deren Wert auf 20 T€? Tabelle 2-34:
Pensionenspiegel Korridormethode x2 (in T€), Aufgabenblatt
1
Tatsächliche Werte 01.01.x2
2
Dienstzeitkosten
3
Zinskosten
4
Tilgung versicherungsmath. Verluste
5
Erträge
6
Pensionsaufwendungen lt. GuV
7
Zahlungen
8
Erwartete Werte 31.12.x2
9
Erhöhung versicherungsmath. Verluste
10
Tatsächliche Werte 31.12.x2
A
B
C
D
Pensionsverpflichtung (DBO)
abzgl. Planvermögen
versicherungsmath. Gewinne (+)/ Verluste (-)
NettoRückstellung lt. Bilanz
20
20
d) Wie sind Pensionsrückstellungen in der Bilanz und der Pensionsaufwand in der GuV auszuweisen?
e) Welche Bilanzierungsalternativen bestehen für versicherungsmathematische Gewinne und Verluste?
126
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
f)
Stellen Sie die Entwicklung der Pensionsverpflichtung bei erfolgsneutraler Verrechnung der versicherungsmathematischen Verluste unter Verwendung des nachfolgend abgebildeten Pensionenspiegels dar.
Tabelle 2-35:
Pensionenspiegel erfolgsneutrale Verrechnung x2 (in T€), Aufgabenblatt
1
Stand 01.01.x1
2
Dienstzeitkosten
3
Zinskosten
4
Erträge
5
Pensionsaufwendungen lt. GuV
6
Erfolgsneutrale Verrechnung mit dem Eigenkapital
7
Erfasste Aufwendungen insgesamt
8
Zahlungen
9
Stand 31.12.x2
A
B
C
Pensionsverpflichtung
abzgl. Planvermögen
tatsächliche NettoRückstellung lt. Bilanz
g) Beurteilen Sie die Korridor-Methode im Vergleich zur erfolgsneutralen Verrechnung im Hinblick auf bilanzpolitische Zielsetzungen im IFRS-Abschluss.
h) Welche Parallelen zwischen der Korridormethode und der erfolgsneutralen Verrechnung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste einerseits und der Bilanzierung bestimmter Kategorien von Finanzinstrumenten andererseits erkennen Sie? Lösung
a) Abbildung von Pensionsverpflichtungen: IFRS und HGB im Vergleich Ansatz: Nach IAS 19 sind für alle Pensionsverpflichtungen Rückstellungen zu bilden. Dagegen besteht nach HGB auch i.d.F. BilMoG ein Ansatzwahlrecht für unmittelbare Altzusagen (Zusagen bis 31.12.1986 zzgl. deren nachfolgenden Erhöhungen) sowie für alle mittelbaren, etwa über Unterstützungskassen abgewickelten Verpflichtungen (Art. 28 Abs. 1 EGHGB).
127
2.6
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Bewertungsparameter: Nach IAS 19 sind künftig erwartete Nominalbeträge (inklusive Gehalts- und Rententrends sowie Karrieretrends) mit einem aktuellen Diskontierungssatz für erstrangige, festverzinsliche Industrieanleihen abzuzinsen (IAS 19.78).
Gemäß § 253 Abs. 1 S. 2 HGB sind Rückstellungen mit ihrem Erfüllungsbetrag zu bewerten, d.h. künftige Gehalts- und Rententrends sind zu erfassen. Das gilt nach Auffassung des IDW auch für den Karrieretrend (vgl. IDW ERS HFA 30, Rz. 54). Nach § 253 Abs. 2 S. 1f. HGB sind Pensionsrückstellungen entweder (a) mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre oder (b) mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz abzuzinsen, der sich bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt. Beide Zinssätze werden von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht. Die zuvor nach HGB übliche Übernahme steuerlich zulässiger Werte (§ 6a EStG, d.h. ohne Gehalts- oder Rententrend und bei Fixierung des Zinssatzes mit 6 %) ist handelsrechtlich nun nicht mehr zulässig. Als Unterschied zu IFRS bleibt der Zinssatz: IAS 19 fordert einen Stichtagszins, HGB einen Durchschnittszins. Bewertungsmethode: Nach IAS 19 ist allein das Anwartschaftsbarwertverfahren (projected unit credit method) zulässig (IAS 19.64). Nach HGB ist kein Verfahren vorgeschrieben. Zulässig sind das Anwartschaftsverfahren oder das Teilwertverfahren (vgl. Theile, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2. Aufl. 2009, § 253 Tz. 19; IDW ERS HFA 30, Rz. 61 f.). Vollständigkeit des Schuldausweises: Nach IAS 19 ist es zulässig, Parameteränderungen und Schätzfehler überwiegend nicht in der Bilanz abzubilden, und zwar dann, wenn die sog. „Korridor-Methode“ angewendet wird. Dagegen wird nach HGB eine einmal errechnete Rückstellung (vorbehaltlich der Saldierungspflicht mit insolvenzgesichertem Vermögen, s. nachfolgend) auch in der Bilanz angesetzt. Saldierung mit Vermögenswerten: Nach IAS 19 sind Pensionsverpflichtungen zwingend mit den zu ihrer Deckung vorhandenen Vermögenswerten (Planvermögen oder plan assets) zu saldieren, und zwar dann, wenn die plan assets insolvenzgesichert sind, z.B. bei der Verpfändung von Rückdeckungsversicherungen an die Pensionsberechtigten. Da die Saldierung zu einer Bilanzverkürzung und damit zu besseren Bilanzrelationen führt, besteht in der Praxis ein nachvollziehbares Interesse daran, möglichst viele Vermögenswerte als Planvermögen i. S. v. IAS 19.7 zu klassifizieren. Dieses Saldierungsgebot gilt unter praktische gleichen Voraussetzungen nun auch nach HGB (§ 246 Abs. 2 S. 2 HGB). Zudem bestimmt § 253 Abs. 1 S. 3 HGB, dass sog. wertpapiergebundene Zusagen, bei denen sich der Umfang von Altersversorgungsleistungen nach dem beizulegenden Zeitwert bestimmter Wertpapiere richtet, die Rückstellung mit diesem beizulegenden Zeitwert zu bewerten ist.
128
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
b) Notwendigkeit der Angaben für das Folgejahr im Pensionsgutachten, versicherungsmathematische Gewinne und Verluste
Kennzeichnend für die Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen nach IAS 19 ist das Rechnen mit geplanten Aufwendungen (und mit geplanten Erträgen beim Planvermögen). Am Jahresanfang wird also abgeschätzt,
wie sich die Sterblichkeit, die Fluktuation, der Gehalts- und Rententrend, etc. entwickeln,
wie hoch die Pensionszahlungen sein werden,
wie hoch der Diskontierungsfaktor ist und
welche Erträge das Planvermögen voraussichtlich erzielen wird.
Aus diesen geplanten Werten ergibt sich der in der GuV abzubildende Aufwand (Ertrag) des Geschäftsjahres bereits zu Jahresbeginn, so dass Ergebnisüberraschungen ausbleiben. Zugleich ist am Jahresende auf Basis des neuen Mengengerüsts und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wertentwicklung für Gehälter, Renten, Zinsen etc. und unter Anwendung des Anwartschaftsbarwertverfahrens der Verpflichtungsumfang (Defined Benefit Obligation, DBO) als Ist-Größe zu bestimmen. Auch der Fair Value des Planvermögens ist am Jahresende als Ist-Größe festzustellen. Die Differenz zwischen den jeweiligen geplanten Veränderungen und den tatsächlichen Veränderungen beim Verpflichtungsumfang und Planvermögen wird als versicherungsmathematischer Gewinn oder Verlust bezeichnet. Außerdem gehören auch die Auswirkungen von Änderungen versicherungsmathematischer Annahmen zu den versicherungsmathematischen Gewinnen und Verlusten (IAS 19.7), beispielsweise eine gegenüber der Vorperiode geringer geschätzte Fluktuationswahrscheinlichkeit oder ein geringer geschätzter Diskontierungssatz. Der sog. nachzuverrechnende Dienstzeitaufwand, der aus Planänderungen (Leistungsumfang) entsteht, gehört jedoch nicht dazu.
c) Pensionenspiegel Korridormethode Bei Anwendung der Korridormethode ergibt sich folgender, anschließend erläuterter Pensionenspiegel:
129
2.6
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-36:
Pensionenspiegel Korridormethode x2 (in T€), Lösung A
B
C
D
Pensionsverpflichtung (DBO)
abzgl. Planvermögen
Versicherungsmath. Gewinne (+)/ Verluste (-)
NettoRückstellung lt. Bilanz
1
Tatsächliche Werte 01.01.x2
3.000
- 1.000
-500
2
Dienstzeitkosten
200
200
3
Zinskosten
120
120
4
Tilgung versicherungsmath. Verluste
20
20
5
Erträge
6
Pensionsaufwendungen lt. GuV
320
- 100
20
240
7
Zahlungen
- 270
50
30
- 190
8
Erwartete Werte 31.12.x2
3.050
- 1.050
- 450
1.550
9
Erhöhung versicherungsmath. Verluste
250
150
- 400
0
3.300
-900
- 850
1.550
10
Tatsächliche Werte 31.12.x2
- 100
1.500
- 100
In Spalte A ist die Entwicklung der tatsächlichen Pensionsverpflichtung dargestellt. Die Spalte B enthält die Entwicklung des zur Deckung der Verpflichtung dienenden Planvermögens, Spalte C die Entwicklung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste, und Spalte D die Entwicklung der tatsächlich bilanzierten Verpflichtung. Der Pensionsaufwand (Zeile 6, laufender Dienstzeitaufwand, Zinsaufwand, saldiert mit den Erträgen aus Planvermögen) bemisst sich nach den am Jahresanfang erwarteten Werten. Hinzu kommt die Tilgung versicherungsmathematischer Verluste, die weiter unten erläutert wird. Auffällig ist: Auch in Bezug auf das Planvermögen werden in der GuV die erwarteten Erträge (100 T€) und nicht die tatsächlichen Erträge erfasst. Erwartete Erträge umfassen dabei nicht nur laufende Zins- oder Dividendenerträge, sondern auch erwartete Aktienkurssteigerungen, selbst wenn sich diese Erwartungen nicht erfüllen. Im Beispiel sind tatsächlich Verluste von 50 T€ erzielt worden, was durch den versicherungsmathematischen Verlust (150 T€) beim Planvermögen zum Ausdruck kommt, da in diesem auch der fälschlich geschätzte Ertrag zurückgedreht werden muss. Die Abweichung zwischen erwarteter (270 T€) und tatsächlicher (240 T€) Pensionszahlung i.H.v. 30 T€ zählt ebenfalls zu den versicherungsmathematischen Gewinnen und
130
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Verlusten (hier: Gewinne). Sie ist in der Spalte C einzutragen, da die Entwicklung der Nettorückstellung (Spalte D) die tatsächlichen Zahlungen von 190 T€ (Zeile 7, inklusive der Zahlungen aus dem Planvermögen) aufnehmen muss. Zwischen der tatsächlichen Nettoverpflichtung (Pensionsverpflichtung von 3.300 T€ abzüglich 900 T€ Planvermögen, Zeile 10) und der bilanzierten Netto-Rückstellung (1.550 T€) bestehen kumulierte versicherungsmathematische Verluste, die bilanziell überhaupt nicht erfasst und in einer Nebenrechnung vorgetragen werden. Es handelt sich um die Erwartungsabweichungen, deren Veränderungen im Geschäftsjahr Zeile 9 widerspiegelt – aufgeteilt auf Pensionsverpflichtung und Planvermögen. Zu den Erwartungsabweichungen gehört auch der todesbedingte Wegfall der Verpflichtung. Daher ist eine ertragswirksame Auflösung der 210 T€ (anders als nach HGB) insoweit ausgeschlossen. Die daraus resultierenden Beträge zählen zu den versicherungsmathematischen Gewinnen und werden mit den übrigen versicherungsmathematischen Verlusten saldiert. Nach der Korridormethode sind die kumulierten versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste in einer Nebenrechnung außerhalb der Bilanz festzuhalten und gem. IAS 19.92 daraufhin zu prüfen, ob sie weiter in der Nebenrechnung vorgetragen oder erfolgswirksam zu erfassen sind. Eine erfolgswirksame Erfassung (Amortisation) der versicherungsmathematischen Gewinne bzw. (hier) Verluste erfolgt für den Teil des Saldos, der den höheren der beiden Beträge – 10 % des Verpflichtungsumfangs (DBO) oder 10 % des Planvermögens zum Ende der Vorperiode – übersteigt (sog. 10 %Korridor). Im Beispiel bezieht sich der höhere der Beträge auf die am 01.01.x2 bestehende Pensionsverpflichtung (3.000 T€) und nicht auf das Planvermögen (1.000 T€), so dass der Korridor 300 T€ (= 10 % von 3.000 T€) beträgt. Nur die übersteigenden Beträge von 200 T€ (= 500 T€ - 300 T€) sind (mindestens) über die erwartete Restlebensarbeitszeit der vom Plan erfassten Arbeitnehmer linear zu verteilen. Da eine Amortisation von 20 T€ erfasst worden ist, beträgt die Restlebensarbeitszeit im Beispiel 10 Jahre. Zusammengefasst (in T€): Nicht amortisierte vers.-math. Verluste 01.01.x2 -
Korridor 10 % von 3.000
=
Überschuss
500 - 300 200
Tilgung in Jahren
10
Tilgung im lfd. Jahr
20
Da sich die Referenzwerte für die Amortisation auf den Vorjahresendstand (01.01.) beziehen, spielt die im laufenden Jahr erfolgte Erhöhung der versicherungsmathematischen Verluste um 400 T€ (Zeile 9) für die notwendige Amortisation keine Rolle. Die Erwartungsänderungen wirken sich vielmehr erst im Folgejahr aus. Hieraus folgt, dass Schwankungen (hier Verluste) nur teilweise und zeitlich verzögert ergebniswirksam werden können. Bei reinen Rentnerbeständen ist allerdings mangels Restdienstzeit
131
2.6
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
eine sofortige Amortisation der versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste vorzunehmen (IAS 19.93)
d) Ausweis in Bilanz und GuV IAS 19 enthält weder Regelungen über den Bilanzausweis (IAS 19.118) noch über den Ausweis der Komponenten des Altersversorgungsaufwandes (IAS 19.119). Es entspricht üblicher Praxis, beim Unternehmen verbleibende Verpflichtungen als „Pensionsrückstellungen“ bzw. „Pensionsverpflichtungen“ auszuweisen (langfristige Schulden; auch die Auszahlungsbeträge des kommenden Geschäftsjahres sind als langfristig auszuweisen). In der Praxis ist es sehr beliebt, Zinsaufwand und ggf. Fondserträge gesondert unter Zinsaufwand oder -ertrag auszuweisen, da dann – im Fall des üblichen Aufwandsüberhangs - ein höherer operativer Gewinn (EBIT) gezeigt wird. Die übrigen Komponenten des Altersversorgungsaufwandes sind im Personalaufwand auszuweisen bzw. bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens den Funktionsbereichen zuzuordnen.
e) Bilanzierungsalternativen für versicherungsmathematische Gewinne und Verluste
Seit 2005 stehen zur Bilanzierung von versicherungsmathematischen Gewinnen und Verlusten drei Alternativen zur Verfügung: Tabelle 2-37:
Varianten zur Bilanzierung versicherungsmath. Gewinne und Verluste
Bezeichnung
Korridormethode
„Mehrverrechnung“
erfolgsneutrale Verrechnung
Vorschrift
IAS 19.92 f.
IAS 19.93, 19.95
IAS 19.93A
Anwendung in Regelfall bis 2004 der Praxis
Ausnahme
häufige Anwendung ab 2005
Schuldenausweis in Bilanz
Teilweise
teilweise bis vollständig
vollständig
GuV-Effekt
Erfolgswirksam
erfolgswirksam
erfolgsneutral
Durchführung
Mindestaufwandsverrechnung
höhere, ggf. vollständige Aufwandsverrechnung
vollständige Verrechnung mit Gewinnrücklagen
gleichermaßen für Gewinne und Verluste (In Anlehnung an Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl., Köln 2009, Rz. 2435.
132
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Die erfolgsneutrale Verrechnung der versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste im Eigenkapital ist als Wahlrecht eingeführt worden, um einen Anreiz für den vollständigen Ausweis von Verpflichtungen in der Bilanz zu schaffen. Dabei ist ein sog. recycling, d.h. die nachträgliche GuV-Abbildung von zuvor erfolgsneutral behandelten Beträgen, anders als nach der im Übrigen analogen Vorgehensweise nach USGAAP, nicht vorgesehen. Die Verrechnung ist damit endgültig, soweit sich Gewinne oder Verluste in Zukunft nicht (innerhalb des Eigenkapitals) umkehren.
f)
Pensionenspiegel bei erfolgsneutraler Verrechnung
Der Pensionenspiegel gestaltet sich bei erfolgsneutraler Verrechnung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste wie folgt: Tabelle 2-38:
Pensionenspiegel erfolgsneutrale Verrechnung x2 (in T€), Lösung A
B
C
Pensionsverpflichtung
abzgl. Planvermögen
tatsächliche NettoRückstellung
1
Stand 01.01.x2
3.000
- 1.000
2.000
2
Dienstzeitkosten
200
200
3
Zinskosten
120
120
4
Erwartete Erträge
5
Pensionsaufwendungen lt. GuV
6
- 100
- 100
320
- 100
220
Erfolgsneutrale Verrechnung mit dem Eigenkapital
220
150
370
7
Erfasste Aufwendungen insgesamt
540
50
590
8
Zahlungen
- 240
50
- 190
9
Stand 31.12.x2
3.300
- 900
2.400
In der Spalte A „Pensionsverpflichtung“ sind die tatsächlichen Pensionszahlungen (240 T€) eingetragen (statt 270 T€ erwartete Zahlungen bei der Korridormethode, siehe Lösung zu c)). Die Differenz von 30 T€ (Erwartungsanpassung) geht jedoch auch in die verrechneten versicherungsmathematischen Verluste ein (- 400 T€ + 30 T€ bei Korridormethode = - 370 T€ bei erfolgsneutraler Verrechnung (Zeile 6)). Der Betrag von 370 T€ findet sich dann auch in der Gesamtergebnisrechnung wieder.
133
2.6
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
g) ilanzpolitik: Korridor-Methode vs. erfolgsneutrale Verrechnung Wenn die kumulierten versicherungsmathematischen Verluste so hoch sind, dass sie außerhalb des Korridors liegen, müssen sie amortisiert werden. Bei häufig langer zeitlicher Streckung handelt es sich dabei freilich nur um geringe Beträge. Gleichwohl würde sich in einer solchen Situation eine Umstellung auf die erfolgsneutrale Verrechnung mit dem Eigenkapital das Jahresergebnis (leicht) erhöhen. Gegenläufig zu dem aus Unternehmenssicht positiven Effekt beim Jahresergebnis entwickeln sich die Bilanzrelationen. Die vollständige Erfassung der bislang aufgelaufenen Verluste bezieht schließlich auch jene Verluste mit ein, die noch innerhalb des Korridors liegen. Daher kann das Eigenkapital empfindlich sinken und der Schuldenausweis wird höher. Da die Bilanzsumme bis auf aktive latente Steuern unverändert bleibt, verringert sich die Eigenkapitalquote. Die häufige Anwendung des neuen Wahlrechts bei börsennotierten Konzernen ab 2005 zeigt jedoch, dass zumindest diese die Ergebnisverbesserung (inklusive der wichtigen Kennziffer Ergebnis je Aktie) offenbar höher gewichten als die gesunkene Eigenkapitalquote. Zwar verbleibt die stärkere Betonung der erfolgsneutralen Verrechnung in der Gesamtergebnisrechnung. Fraglich ist jedoch, ob diese Darstellung tatsächlich von den Jahresabschlussadressaten wahrgenommen wird. Immerhin ist die bilanzielle Unterdeckung bei der Korridormethode im Anhang anzugeben, ohne offensichtlich erkennbare Auswirkungen auf die Beurteilung der Unternehmen.
h) Ähnlichkeiten mit der Bilanzierung von Finanzinstrumenten Die Korridormethode ähnelt der Bilanzierung von held-to-maturityFinanzinstrumenten (z.B. Anleihen). In beiden Fällen werden als vorübergehend angesehene Wertschwankungen (z.B. aus Zinssatzänderungen) nicht in der Bilanz abgebildet, sondern „ausgesessen“ (siehe Aufgabe 2.5.1, Lösung zu b)). Die Annahme, dass sich versicherungsmathematische Gewinne und Verluste umkehren, ist allerdings nicht gerechtfertigt in Bezug auf biometrische Abweichungen (insb. Sterblichkeit), weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Lebenserwartung wieder abnimmt. Die erfolgsneutrale Verrechnung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste lässt sich mit dem Ansatz von available-for-sale-Wertpapieren vergleichen. Dort werden Marktwerte auch in der Bilanz abgebildet, deren Veränderung (außerhalb der Fortführung der Effektivzinsmethode) aber erfolgsneutral gebucht. Allerdings bestehen zwei Abweichungen:
134
Beim Verkauf von available-for-sale Wertpapieren kommt es zu einer Umbuchung (recycling) zuvor erfolgsneutraler Bewertungen in die GuV. Demgegenüber ist ein recycling in Bezug auf die zuvor erfolgsneutral behandelten versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste endgültig (IAS 19.93D).
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Dauerhaften Wertminderungen von available-for-sale Wertpapieren sind erfolgswirksam zu behandeln (IAS 39.67), während etwa Marktwertschwankungen bei Planvermögen immer erfolgsneutral verrechnet werden.
Literaturempfehlungen: Baetge/Haenelt, Pensionsrückstellungen im IFRS-Abschluss, DB 2006, 2413-2419; Pawelzik, Pensionenspiegel für Pensionsrückstellungen nach IAS 19, DB 2005, 733-740; Theile, Pensionsverpflichtungen: Erfolgsneutrale Verrechnung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste – Vor- und Nachteile eines neuen Wahlrechts, PiR 2006, 17-21; Theile, Gesamtergebnis je Aktie: Eine Kennzahl zur Schaffung von Vergleichbarkeit zwischen IFRS-Abschlüssen? – Eine empirisch gestützte Analyse, PiR 2006, 97-104.
2.7
Eigenkapital
2.7.1
Anwendung der Abgrenzungskriterien für Eigenkapital – Treuhand GmbH
Rechtsquelle: IAS 32 Lernziele: Eigenkapitalkriterien nach IFRS; Probleme der Eigenkapitalabgrenzung für Personengesellschaften Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Treuhand Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH, Chemnitz, soll für drei unterschiedliche Unternehmen prüfen, ob die bisher nach HGB ausgewiesenen Eigenkapitalbestandteile auch bei einer Umstellung auf IFRS Eigenkapital bleiben. (1)
Die nicht börsennotierte Family & Friends AG, deren Aktien sich auf eine Vielzahl von Aktionären verteilen, weise nach HGB folgendes Eigenkapital aus:
135
2.7
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-39:
Family & Friends AG, Eigenkapital nach HGB (in T€) 31.12.01
Grundkapital
50.000
Kapitalrücklage
10.000
satzungsmäßige Rücklage
5.000
andere Gewinnrücklagen
45.000
Bilanzgewinn
3.000
Eigenkapital insgesamt
(2)
113.000
Die dem Gesellschafter Müller allein gehörende One-Man-Show GmbH zeigt nach HGB folgende Eigenkapitalbestandteile: Tabelle 2-40:
One-Man-Show GmbH, Eigenkapital nach HGB (in T€) 31.12.01
gezeichnetes Kapital
25.000
Gewinnrücklagen
10.000
Jahresüberschuss
1.000
Eigenkapital insgesamt
(3)
36.000
An der Sohnemann GmbH & Co. KG sind drei natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt, die auch die Anteile an der GmbH halten. Die KomplementärGmbH ist nicht am Kapital der KG beteiligt. Die Sohnemann GmbH & Co. KG zeigt folgende Eigenkapitalposten im HGB-Abschluss: Tabelle 2-41:
Sohnemann GmbH & Co. KG, Eigenkapital nach HGB (in T€) 31.12.01
Kommanditeinlagen
25.000
Kapitalrücklage
10.000
Gewinnrücklage
1.000
Eigenkapital insgesamt
36.000
Der Satzung entnimmt die Treuhand GmbH, dass alle Kommanditisten das Recht haben, ihre Kommanditbeteiligung zu kündigen und dann gegen Abfindung aus der KG auszuscheiden. Die Abfindung bemisst sich auf 60% des durch einen vom IDW bestimmten Wirtschaftsprüfer zu ermittelnden Verkehrswert der Anteile. 136
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Aufgabenstellung
a) Erläutern Sie die Abgrenzungskriterien für Eigenkapital nach IAS 32. b) Prüfen Sie für die drei Fälle, welche HGB-Eigenkapitalbestandteile auch im IFRSAbschluss Eigenkapital wären.
c) Zeigen Sie für die Sohnemann GmbH & Co. KG: Unter welchen Voraussetzungen ist bei Personengesellschaften ein Eigenkapitalausweis möglich? Welche wichtige Anhangangabe ist in diesem Fall zu machen? Lösung
a) Abgrenzungskriterien für Eigenkapital nach IAS 32 Rein formal ist Eigenkapital als Restgröße definiert (Vermögenswerte abzüglich Schulden, F.49c). Diese Abgrenzung ist aber wenig hilfreich, weil zunächst etwa bei „Einlagen“ in das Unternehmen bzw. bei vom Unternehmen „emittierten“ Finanzinstrumenten geklärt werden muss, ob es sich um eine Schuld oder um Eigenkapital handelt. Die für IFRS-Abschlüsse einschlägige Eigenkapitalabgrenzung richtet sich, etwas vereinfacht formuliert, nach der Frage: „Ist das Unternehmen am Bilanzstichtag auf Basis eines individuellen Anspruchs vertraglich zur Auszahlung verpflichtet oder nicht?“ (IAS 32.16 f.). Falls ja, liegt Fremdkapital, ansonsten Eigenkapital vor. Diese Eigenkapitaldefinition hat zwar eine ökonomische Dimension, weil sie auf Auszahlungen aus Sicht des Unternehmens (IAS 32.2) abstellt. Sie ist jedoch deutlich formaler als die Eigenkapitalabgrenzung nach HGB, weil es nach IFRS auf die Fälligkeit und insbesondere auf die Wahrscheinlichkeit der Auszahlung nicht ankommt. Die lediglich am Bilanzstichtag bestehende Möglichkeit der Auszahlung reicht aus, um Eigenkapital zu verneinen. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Kapital vom Emittenten von vornherein nur befristet zur Verfügung gestellt wird oder der Kapitalgeber eine Kündigungsmöglichkeit hat. Eine Ausnahme (und damit Eigenkapital) besteht lediglich für solche Verpflichtungen, die erst bei Liquidation der Gesellschaft zu erfüllen sind (IAS 32.25b).
b) Eigenkapital bei unterschiedlichen Rechtsformen (1) Bei einer AG bestehen vielfältige Kapitalerhaltungs- und -verwendungsvorschriften (§ 150 AktG zur gesetzlichen Rücklage, §§ 58, 174 AktG zur Ergebnisverwendung). Im Ergebnis können diese Vorschriften freilich nicht verhindern, dass insbesondere bislang thesaurierte Gewinne an die Aktionäre ausgekehrt werden. Man kann sagen: Bei der Family & Friends AG haben die Aktionäre einen kollektiven Anspruch auf das Eigenkapital, und ein Teil dieses Anspruchs, nämlich auf den Bilanzgewinn, ist ausdrücklich zur Beschlussfassung (§ 174 Abs. 1 AktG) vorgesehen. Indes erstarkt die-
137
2.7
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
ser kollektive Anspruch tatsächlich erst mit dem Ausschüttungsbeschluss auf der Hauptversammlung zu einem individuellen Forderungsrecht. Bis dahin liegt daher insgesamt, auch für den Bilanzgewinn, nach IFRS-Kriterien Eigenkapital vor (IAS 32.17). (2) Auch bei der GmbH entsteht formal eine Ausschüttungsforderung erst mit Ausschüttungsbeschluss (§ 29 Abs. 1 GmbHG); bis zu diesem liegt somit auch bei einer GmbH für den ausgewiesenen Jahresüberschuss nach IAS 32 Eigenkapital vor. Dies gilt selbst dann, wenn – wie bei der One-Man-Show GmbH - ein Mehrheits- oder Alleingesellschafter letztlich jederzeit die Auskehrung des Jahresüberschusses oder auch der Gewinnrücklagen beschließen kann. (3) Nach dem für die Sohnemann GmbH & Co. KG einschlägigen Regelstatut der Personengesellschaft kann jeder Gesellschafter seine Beteiligung kündigen (§ 723 BGB i. V. m. § 105 Abs. 3 HGB (OHG) bzw. § 161 Abs. 2 HGB (KG)). Die Kündigung - gleiches gilt bei Tod des Gesellschafters - führt zur Auflösung der Gesellschaft, wobei sich der Abfindungsanspruch nach h. M. gegen die Gesellschaft richtet, also von der Gesellschaft zu erfüllen ist. IAS 32.18b besagt nun, dass Fremdkapital vorliegt, wenn Gesellschafter von Personengesellschaften ihre Anteile gegen Abfindung zurückgeben können. Es liegt also von vornherein ein individueller Rückforderungsanspruch vor, der nicht mehr eines Gesellschafterbeschlusses bedarf. Danach wäre das gesamte HGB-Eigenkapital Fremdkapital.
c) Eigenkapitalausweis bei Personengesellschaften: Ausnahmeregelung Allerdings enthält IAS 32.16Aff. ab 1.1.2009 eine Ausnahmeregelung, wonach (bei weiterhin als Verbindlichkeit klassifiziertes Kapital) ein Eigenkapitalausweis möglich ist (sog. „gewillkürtes Eigenkapital“). Hierzu müssen die nachfolgenden Bedingungen kumuliert erfüllt sein:
Es müssen gleichrangige Residualansprüche aller Anteilseigner vorliegen. Jede bevorzugte Rückzahlung, etwa die Vorabvergütung eines fixen Betrages an einen Gesellschafter A (vor ansonsten quotaler Verteilung) verhindert den Eigenkapitalausweis von dessen Kapitalanteilen (IAS 32.AG14C). Haben andere Gesellschafter, z.B. B und C, dagegen keine Vorzugsrechte, gilt folgendes: Nur die Anteile von B und C sind letztrangig. Daher können diese als Eigenkapital ausgewiesen werden. Der „infizierte“ Anteil des A fällt dagegen aus der Gruppe der letztmaligen Ansprüche heraus (!), so dass insoweit nicht geprüft werden muss, ob alle letztrangigen Ansprüche gleichartig ausgestaltet sind (RIC 3.13).
Die Anteile müssen in Bezug auf finanzielle Ausstattungsmerkmale gleichartig sein (IAS 32.16Ac). So muss die Abfindungsklausel bei allen Kommanditisten identisch sein. Fremdübliche Entgelte, z.B. die Haftungsprämie für einen Vollhafter oder gewinnabhängige Tätigkeitsvergütungen führen nicht zu einem Vorrang,
138
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
weil diese Funktionen von der Anteilseignerstellung getrennt betrachtet werden (IAS 32.AG14G und .H; RIC 3.9f.).
Außer der Abfindungsverpflichtung dürfen die Anteile keine weitere vertragliche Auszahlungsverpflichtung i.S.v. IAS 32 verbriefen (IAS 32.16Ad). Die Zuweisung der Gewinnanteile oder auch das Entnahmerecht der Verzinsung von Kapitalkonten führt dann nicht zu Fremdkapital, soweit bei der Feststellung des Jahresabschlusses eine ad-hoc-Gewinnthesaurierung beschlossen wird (zu Einzelheiten vgl. RIC 3.21 ff)
Schließlich müssen die Ansprüche im weitesten Sinne gewinnabhängig sein (IAS 32.16Ae). Damit ist gemeint, dass die an die Anteilseigner fließenden Cashflows sich im Wesentlichen nach (a) dem Gewinn und Verlust oder (b) der Änderung des Buchwerts der Anteile oder (c) der Änderung der Fair Values der Anteile richten, wobei mit (a) und (b) IFRS Größen gemeint sind (IAS 32.AG14E). Mit dieser umständlichen Formulierung sind insbesondere die Abfindungsvereinbarungen selbst angesprochen: Eine Abfindung zum vollen Verkehrswert wird demnach nicht gefordert. Eine „im wesentlichen“ (< 10%) auf IFRS Buchwerten basierende Abfindungsklausel erfüllt die Voraussetzung per se (RIC 3.32). Aber auch alle gängigen Abfindungsregelungen, also Verkehrswertabfindungen, Abfindung in Höhe eines Anteils am Verkehrswert, HGB-Buchwertklauseln oder Abfindungen nach dem Stuttgarter Verfahren erfüllen dann die Anforderung des IAS 32.16Ae, wenn die Abfindung einen wesentlichen Teil (deutlich > als 50%) des Verkehrswerts der Anteile abdeckt (im Ergebnis RIC 3.27, 3.38). Soweit Abfindungen unangemessen niedrig sind und die Abfindungsklausel daher der gerichtlichen Anpassung an ein angemessenes Entgelt unterliegen, wäre die korrigierte Abfindung maßgebend, unabhängig davon, ob die Anpassung gerichtlich geltend gemacht oder durchgesetzt wird (RIC 3.29).
Mit ihrer Abfindungsklausel erfüllt die Sohnemann GmbH & Co. KG daher die obige Bedingung, so dass das Kommanditkapital als Eigenkapital ausgewiesen werden kann. Bei Anwendung der Ausnahmeregelung sind jedoch Einzelheiten der Abfindungsklausel und die Abfindungshöhe im Anhang anzugeben (IAS 1.136A). Literaturempfehlungen: RIC 3 „Auslegungsfragen zu den Amendments to IAS 32 Financial Instruments: Presentation and IAS 1 Presentation of Financial Statements“, Löw/Antonakopoulos, KoR 2008, 261ff., Lüdenbach, in Haufe IFRS Kommentar, 7. Aufl. 2009, § 20 Rz. 34, Pawelzik/Heuser, in Heuser/Theile, IFRS Handbuch 4. Aufl. 2009, Rz. 2022ff.
139
2.7
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.7.2
Mezzanine Kapital – Equity Provider GmbH
Rechtsquelle: IAS 32 Lernziele: Eigenkapitalausweis von Mezzanine Kapital; Vergleich von IFRS und HGB Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Family & Friends AG erhält von der Equity Provider GmbH folgende Finanzierungsangebote, die nach deren Angaben gemäß IFRS jeweils zu Eigenkapital führen sollen: (1)
Genussscheinkapital mit einer Laufzeit von 25 Jahren und einer Verzinsung von 10 % p.a. Der hohe Zinssatz ist dadurch bedingt, dass der Kapitalgeber gegenüber allen anderen Gläubigern eine Rangrücktrittserklärung abgegeben hat, wonach eine Rückzahlung nur nach Befriedigung dieser Gläubiger und aus einem verbleibenden Liquidationsüberschuss erfolgen darf.
(2)
Genussscheinkapital, das neben einer 4 %igen Festverzinsung eine ergebnisabhängige Vergütung in Höhe von 10 % des Jahresüberschusses vorsieht. Eine Rückzahlung durch die Family & Friends AG ist nicht vereinbart; der Kapitalgeber hat stattdessen gegenüber den Aktionären die Option, von diesen die Rückzahlung zu verlangen (Put option).
(3)
Genussscheinkapital, bei dem sowohl die Zahlung laufender Vergütungen als auch die Rückzahlung vom Ermessen der Family & Friends AG abhängen.
Aufgabenstellung
a) Erläutern Sie kurz den Begriff Mezzanine Kapital. b) Welche Kriterien sind zu prüfen, um Mezzanine Kapital im HGB-Abschluss ggf. als Eigenkapital ausweisen zu können?
c) Führen die von der Equity Provider GmbH angebotenen Genussscheinfinanzierungen tatsächlich zu Eigenkapital im IFRS-Abschluss? Lösung
a) Begriff Mezzanine Kapital Als Mezzanine Kapital bezeichnet man eine Unternehmensfinanzierung durch i.d.R. nachrangige und nicht dinglich gesicherte Darlehen, die daher Merkmale von (HGB) Eigen- und Fremdkapital aufweist. In der Praxis bestehen eine Vielzahl von Gestaltungen über typische oder atypische stille Beteiligungen, Genusscheine, Wandel- und Optionsanleihen.
140
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
b) Kriterien für Eigenkapitalausweis von Mezzanine Kapital im HGB-Abschluss Nach HGB ist Mezzanine Kapital als Eigenkapital auszuweisen, wenn es durch erfolgsabhängige Vergütung, Verlustteilnahme, Nachrangigkeit im Insolvenzfall und eine gewisse Langfristigkeit eine Haftungsqualität erreicht, die derjenigen des sonstigen Eigenkapitals mindestens entspricht.
c) Genussscheinkapital: Eigenkapital im IFRS-Abschluss? (1) Wegen der befristeten Laufzeit liegt nach IAS 32 Fremdkapital vor. Die (lange) Dauer der Kapitalüberlassung, aber auch die vereinbarte Nachrangigkeit ist unerheblich. (2) Bei der hier vorliegenden ewigen Rente bezieht der Inhaber jährliche Zinsen, hat jedoch keinen Rückzahlungsanspruch in Bezug auf das Stammrecht. Die Zinszahlungen stehen in Zeitpunkt und Höhe fest (bzw. sind bei variablem Zinssatz bestimmbar) und das Unternehmen kann sich dieser Zahlungsverpflichtung nicht entziehen. Auf das Stammrecht kommt es insofern nicht an; der Wert der Verbindlichkeit ergibt sich vielmehr aus der Kapitalisierung der Zinszahlungen (IAS 32.AG6). Unerheblich ist, dass die laufende Vergütung im vorliegenden Fall zum Teil fix und zum Teil ergebnisabhängig ist, da sich die Gesellschaft bei Entstehen des Ergebnisses einer Auszahlung nicht entziehen kann. Es liegt Fremdkapital vor. (3) Da § 314 BGB für jedes Dauerschuldverhältnis ein außerordentliches Kündigungsrecht vorsieht, kann auch bei dieser Alternative kein Eigenkapital ausgewiesen werden. Teilweise wird dieses Ergebnis unter Hinweis auf IAS 32.25a i.V.m. IAS 32.AG28 abgelehnt. Diese Ausnahmeregelung erlaubt den Eigenkapitalausweis, wenn die Auszahlungsverpflichtung „nicht genuin“ ist. Hiermit ist jedoch nicht jede außerordentliche Kündigungsmöglichkeit gemeint, sondern abnormale Fälle, etwa die Verpflichtung der Gesellschaft zur Erstattung des Kaufpreises von Aktien aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Aktionäre. Literaturempfehlung: Lüdenbach in Haufe IFRS-Kommentar, 7. Aufl. 2009, § 20 Rz. 16ff..
2.7.3
Optionsanleihe – Sweet Equity AG
Rechtsquelle: IAS 32 Lernziele: Bilanzierung sog. zusammengesetzter Finanzinstrumente (compound instruments); Aufteilung in Eigen- und Fremdkapital Schwierigkeitsgrad:
141
2.7
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Sachverhalt
Die Sweet Equity AG emittiert eine Optionsanleihe mit folgenden Konditionen:
Nominalwert 2.000 T€ Ausgabe am 01.01.x1 zu 100 % Rückzahlung am 31.12.x4 zu 100 % Kupon: 2 % p.a. Marktzinsen für vergleichbare Anleihen ohne Optionsrecht: 5 % p.a. Optionsrecht: Die Inhaber der Anleihe haben das Recht, jederzeit bis zum 31.12.x4 pro 1 T€ Anleihe 5 Aktien der Sweet Equity AG zu einem bereits festgelegten Preis zu erwerben.
Aufgabenstellung
a) Teilen Sie den Emissionserlös von 2.000 T€ in einen Eigen- und einen Fremdkapitalanteil auf und führen Sie die Bilanzierung bis zur Rückzahlung der Optionsanleihe am 31.12.x4 fort. Verwenden Sie hierzu folgendes Schema und runden Sie auf eine Nachkommastelle. Tabelle 2-42:
Bilanzierung Optionsanleihe, Aufgabenblatt (in T€) x1
x2
x3
x4
Emissionserlös - Eigenkapitalanteil (Agio) = Verbindlichkeit 01.01. Zinsaufwand für „reine“ Anleihen (5 % auf Barwert der Verbindlichkeit 01.01.) Zinszahlungen (nominal 2 % auf 2.000) Zwischensumme Rückzahlung 31.12.04 Verbindlichkeit 31.12.
b) Beschreiben Sie, wie bei Ausübung der Option zu buchen ist. Lösung
a) Bilanzierung Optionsanleihe Enthalten Finanzinstrumente Eigen- und Fremdkapitalelemente (compound instrument), ist eine entsprechende Aufteilung vorzunehmen (IAS 32.28). Der Eigenkapitalanteil ergibt sich dabei als Restgröße, indem der Wert der Verbindlichkeit vom erhal-
142
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
tenen Erlös abgezogen wird. Optionsanleihen etwa gewähren zusätzlich zur Anleihe ein Optionsrecht auf den Bezug von Aktien (call). Dabei weisen sie eine unter dem Marktzins reiner Anleihen (hier 5 %) liegende Nominalverzinsung (hier: 2 %) auf, wobei der Barwert der Zinsdifferenz den Preis für das Optionsrecht des Inhabers der Anleihe darstellt. Der Verbindlichkeitenanteil ergibt sich aus dem Barwert der künftigen Zinszahlungen (40 T€ p. a.) und Tilgungsleistungen (2.000 T€ am 31.12.x4), diskontiert mit dem (höheren) Marktzins vergleichbarer Anleihen (5 %). Dieser Barwert beträgt im Beispiel 1.787,2 T€, so dass die Differenz zum Emissionserlös (2.000 T€), d.h. ein Betrag von 212,8 T€, als Agio ins Eigenkapital (Kapitalrücklage) einzustellen ist (IAS 32.32). In den Folgejahren ermittelt sich die jeweilige Verbindlichkeit am Jahresende durch jährliche Aufzinsung des Anfangsbetrages (beginnend mit 1.787,2 T€) mit 5 % und unter Abzug der tatsächlich ausgezahlten Zinsen von 40 T€ p. a. Tabelle 2-43:
Bilanzierung Optionsanleihe (in T€), Lösung x1
x2
x3
x4
Emissionserlös
2.000,0
- Eigenkapitalanteil (Agio)
- 212,8
= Verbindlichkeit 01.01.
1.787,2
1.836,6
1.888,4
1.942,9
89,4
91,8
94,4
97,1
- 40,0
- 40,0
- 40,0
- 40,0
Zinsaufwand für „reine“ Anleihen (5 % auf Barwert der Verbindlichkeit 01.01.) Zinszahlungen (nominal 2 % auf 2.000 T€) Zwischensumme
2.000,0
Rückzahlung 31.12.x4 Verbindlichkeit 31.12.
- 2.000,0 1.836,6
1.888,4
1.942,9
0,0
b) Optionsausübung Bei einer eventuellen Optionsausübung erfolgt die Zahlung des Basispreises, der, aufgeteilt in Nominalkapital (Grundkapital = Gezeichnetes Kapital) und Agio (Kapitalrücklage), ins Eigenkapital eingestellt wird.
143
2.7
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.8
Übergreifende Themen
2.8.1
Wertminderungen – Mischmasch Konzern
Rechtsquelle: IAS 36 Lernziele: Betriebswirtschaftliche Logik der Wertminderungsprüfung nach IAS 36 Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Der Mischmasch Konzern ist in sechs unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig, die völlig unabhängig voneinander agieren. Die Anteilseigner der Mischmasch AG glauben jedoch, dass eine Bereinigung des Konzernportfolios und die Konzentration auf wesentliche Kernkompetenzen die Ertragslage insgesamt verbessern würden. Der Vorstand hat daraufhin analysiert, welche Cashflows bei sofortiger Veräußerung der Geschäftsfelder und welche bei deren Weiternutzung, ermittelt zum Barwert, erzielbar wären. Den bei sofortiger Veräußerung erzielbaren Betrag bezeichnet der Vorstand als Nettoveräußerungspreis, und den Barwert künftiger Cashflows aus fortgesetzter Nutzung als Nutzungswert. Beiden Werten hat der Vorstand in der nachfolgenden Tabelle den aktuellen Buchwert der Geschäftsfelder gegenübergestellt, der zufällig für alle Geschäftsfelder jeweils 100 Mio. € beträgt. Tabelle 2-44: Geschäftsfeld
Buchwerte, Nettoveräußerungspreise und Nutzungswerte der Geschäftsfelder (in Mio. €) Buchwert
Nettoveräußerungspreis
Nutzungswert
A
100
150
180
B
100
130
110
C
100
120
80
D
100
70
160
E
100
60
90
F
100
50
30
Aufgabenstellung
a) Welche Entscheidung über Veräußerung oder Weiterbetrieb je Geschäftsfeld würden Sie auf Basis der vorhandenen Informationen treffen?
144
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
b) In welchen der sechs Fälle sehen Sie vor dem Hintergrund der Vermögenswertkonzeption der IFRS Anlass, vor Durchführung der jeweiligen Entscheidung nach a) eine außerplanmäßige Abschreibung des Buchwerts vorzunehmen? Ggf. auf welchen Betrag?
c) Sehen Sie Parallelen Ihrer Ergebnisse zu a) und b) mit der Konzeption außerplanmäßiger Abschreibungen nach IAS 36? Lösung
a) Veräußerung oder Weiterbetrieb der Geschäftsfelder Da die Geschäftsfelder voneinander unabhängig sind, kann jedes für sich beurteilt werden. Es ist dann nach dem jeweils höchsten Cashflow-Beitrag zu entscheiden. Daher sind die Geschäftsfelder A, D und E weiter zu nutzen, während sich bei B, C und F die sofortige Veräußerung anbietet.
b) Außerplanmäßige Abschreibungen Vermögenswerte reflektieren künftige Nutzenzuflüsse. Ist der erwartete künftige Nutzenzufluss niedriger als der Buchwert, liegt insoweit kein Vermögen vor. In solchen Fällen sollte daher eine außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen werden. Das betrifft die Geschäftsfelder E und F. Dabei ist es sinnvoll, auf den Betrag abzuschreiben, der bei rationalem Handeln gem. a) tatsächlich erwartet wird, also im Fall E auf 90 Mio. € und im Fall F auf 50 Mio. €.
c) Konzeption außerplanmäßiger Abschreibungen nach IAS 36 Die Erfassung einer außerplanmäßigen Abschreibung (Wertminderung nach IAS 36) ist immer dann erforderlich, wenn der Vergleichswert – der erzielbare Betrag (recoverable amount) – unter dem Buchwert liegt. Der erzielbare Betrag ist in IAS 36.6 definiert als der höhere Wert aus einem Vergleich des
Nettoveräußerungspreises (Fair Value less costs to sell) mit dem
Nutzungswert (value in use)
des betrachteten Vermögenswertes oder der betrachteten Gruppe von Vermögenswerten, die unabhängig von anderen Vermögenswerten Cashflows erzielen kann (sog. cash generating unit). Beim Nutzungswert handelt es sich um den Barwert der zukünftigen Cashflows aus der fortgesetzten Nutzung inklusive anschließender Veräußerung. Der Nettoveräußerungspreis ist hingegen der Wert, der bei einem (sofortigen) Verkauf des Vermögenswertes unter Marktbedingungen nach Abzug der Veräußerungskosten erzielt werden könnte. Daher lässt sich IAS 36 tatsächlich von der Überlegung aus a), die aus Unternehmensbewertungen bekannt ist, leiten: Welche Alternative verspricht das höchste Nutzenpo-
145
2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
tenzial eines Vermögenswertes, seine sofortige Veräußerung oder seine Weiternutzung? Eine Abschreibungsnotwendigkeit (siehe auch Lösung zu b)) ergibt sich nur, wenn beide Alternativen zu Werten unterhalb des Buchwerts führen. Dabei wird unterstellt, dass die jeweils beste Verwendungsmöglichkeit gewählt wird, so dass auf den höheren der beiden Werte abzuschreiben ist, unabhängig davon, wie sich das Management in Bezug auf die Verwendung des Vermögenswertes tatsächlich entscheidet. Literaturempfehlung: Pellens u.a., Internationale Rechnungslegung, 7. Aufl. 2008, S. 255-277.
2.8.2
Entsorgungsverpflichtung und Anschaffungskosten – Formstahl AG
Rechtsquellen: IAS 16, IAS 37 Lernziele: Bewertung von Rückstellungen; Entsorgungsverpflichtung als Bestandteil der Anschaffungskosten Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Um der schwierigen Arbeitsmarktlage in Gelsenkirchen zu begegnen, entschließt sich die Gemeinde im Jahr x1, den Betrieb des von der Formstahl AG beantragten Hammerwerks zu genehmigen – trotz der nicht unerheblichen Lärmemissionen. Immerhin können so Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. Allerdings hat die zuständige Behörde die Betriebsgenehmigung nur für 10 Jahre erteilt, und nach Ablauf dieser Zeit ist die Anlage abzubauen. Die Formstahl AG hat mit dieser Auflage kein Problem: Die Nutzungsdauer des erst Ende x2 betriebsbereiten Hammerwerks – der Anschaffungspreis belief sich auf 10.000 T€ – ist ohnehin auf 10 Jahre beschränkt. Im Hinblick auf den IFRS-Abschluss x2 fragt sich der Finanzvorstand jedoch, wie mit der auf aktueller Preisbasis geschätzten Entsorgungsverpflichtung von 2.000 T€ umzugehen ist. Aufgabenstellung
a) Prüfen Sie, ob für die Entsorgungsverpflichtung in x2 eine Rückstellung anzusetzen ist. Hängt die Existenz der Verpflichtung davon ab, ob die Anlage tatsächlich 10 Jahre genutzt wird?
b) Welche Informationen benötigen Sie noch, um ggf. die Höhe der Rückstellung ermitteln zu können?
c) Wie lösen die IFRS das Verrechnungsproblem für den Rückstellungsaufwand?
146
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Lösung
a) Ansatzpflicht einer Rückstellung? Am Abschlussstichtag x2 besteht eine rechtliche Verpflichtung, das Hammerwerk abzubauen. Dieser Verpflichtung kann sich die Formstahl AG durch künftiges Handeln nicht entziehen. An der Inanspruchnahme kann nicht gezweifelt werden, und eine Bewertung ist ebenfalls möglich. Daher besteht für die Rückstellung eine Ansatzpflicht. Die Entsorgungsverpflichtung baut sich im Übrigen nicht durch die Nutzung des Hammerwerks auf. Für die Existenz der Verpflichtung ist es völlig unerheblich, ob das Hammerwerk beispielsweise 2 Jahre oder 10 Jahre betrieben wird.
b) Bewertung Die Rückstellung ist in voller Höhe des besten Schätzwertes zum Erfüllungsbetrag anzusetzen (IAS 37.48 f.). Damit sind künftige Preis- und Kostenänderungen zu erfassen; es kann sich hierbei um Kostensteigerungen, aber auch um Kostensenkungen handeln. Auch das Mengengerüst der künftigen Abbaumaßnahmen kann sich verändern, etwa durch absehbaren technischen Fortschritt. Nicht zulässig ist es allerdings, von noch nicht bekannten Technologien auszugehen. Ferner besteht nach IAS 37.45 eine generelle Abzinsungspflicht für Rückstellungen, sofern der Effekt einer Abzinsung wesentlich ist. Parameter zur Beurteilung der Wesentlichkeit sind die Fristigkeit, die absolute Höhe der Verpflichtung und der Zinssatz. Zur Abzinsung soll ein der Fristigkeit entsprechender Marktzinssatz verwendet werden (IAS 37.47). Damit sind zusammengefasst noch folgende Informationen erforderlich:
Wirkung des absehbaren technischen Fortschritts auf das Mengengerüst,
Preis- bzw. Kostenentwicklung und
fristenkongruenter Marktzinssatz
c) Verrechnung des Rückstellungsaufwands Einerseits ist die Rückstellung in voller Höhe anzusetzen, andererseits wäre eine Aufwandsbuchung im Jahr des Rückstellungsansatzes eine heftige Verzerrung des nachhaltig aus dem Betrieb des Hammerwerks erhofften Ergebnisses. Daher ist die Verpflichtung zum Passivierungszeitpunkt in gleicher Höhe als Bestandteil der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Hammerwerks zu aktivieren (IAS 16.16c). Sie ist also erfolgsneutral zu buchen. Bei der Abschreibung des Hammerwerks tritt dann die Erfolgswirkung ein. Über diese höheren Abschreibungsbeträge stellt sich so prinzipiell dieselbe Erfolgswirkung ein wie bei der bilanziellen Behandlung einer Ansammlungsrückstellung nach HGB.
147
2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.8.3
Bewertungsänderungen – Formstahl AG (2)
Rechtsquellen: IAS 16, IAS 36, IAS 37, IFRIC 1 Lernziele: Planmäßige Abschreibung von Sachanlagen; Folgebewertung von Rückstellungen; Bewertungsänderungen von Entsorgungsverpflichtungen; außerplanmäßige Abschreibungen Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Formstahl AG – siehe Aufgabe 2.8.2 – schätzt den in 10 Jahren für die Entsorgung des Hammerwerks aufzubringenden Betrag, also unter Berücksichtigung künftiger Lohnsteigerungen und absehbaren technischen Fortschritts, auf 2.000 T€. Der Marktzins betrage konstant für alle Perioden 4 %. Aufgabenstellung
a) Buchen Sie das Hammerwerk (bezahlt) und die Entsorgungsrückstellung per Ende x2 ein.
b) Das Hammerwerk wird ab x3 linear über 10 Jahre abgeschrieben. Zeigen Sie die Entwicklung der Buchwerte des Hammerwerks und die der Rückstellung für x3 bis x5 auf; verwenden Sie folgende Tabelle: Tabelle 2-45:
Jahr
Entwicklung Buchwerte Hammerwerk und Rückstellung x3 bis x5 (in T€), Aufgabenblatt
Abschreibung
Hammerwerk
Zinsaufwand
Rückstellung
x3 x4 x5
c) Aufgrund der boomenden Konjunktur haben die Gewerkschaften im Dezember x5 erhebliche Lohnforderungen durchsetzen können. Das Controlling der Formstahl AG schätzt daher den Entsorgungsbetrag auf 2.800 T€ in x12. Zugleich sind aufgrund von Maßnahmen der EZB zur Konjunkturdämpfung die Zinsen auf 6 % gestiegen. Wie wirken diese Informationen auf die Buchwerte des Hammerwerks und der Rückstellung im Abschluss x5 der Formstahl AG? Sehen Sie darüber hinaus Anlass, eine Wertminderungsprüfung für das Hammerwerk vorzunehmen?
d) Zeigen Sie auf Basis der Informationen zu c) die Weiterentwicklung der Buchwerte des Hammerwerks und der Rückstellung für die Jahre x6 und x7.
148
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-46: Jahr
Entwicklung Buchwerte Hammerwerk und Rückstellung in x6 und x7 (in T€), Aufgabenblatt
Abschreibung
Hammerwerk
Zinsaufwand
Rückstellung
x6 x7
Lösung
a) Einbuchung Hammerwerk und Entsorgungsverpflichtung Die Anschaffungskosten des Hammerwerks belaufen sich auf 10.000 T€ zuzüglich der passivierten Entsorgungsverpflichtung. Die Verpflichtung ist zum Barwert von 1.351 T€ zu passivieren, weil bei einem Zeitraum von 10 Jahren bis zum Erfüllungszeitpunkt ein Diskontierungssatz von 4 % zu einem wesentlichen Zinseffekt führt: Konto
T€
Hammerwerk
Konto
T€
11.351 an Bank
10.000
Rückstellung
1.351
b) Folgebewertung ohne Parameteränderung Die jährliche Abschreibung des Hammerwerks beträgt 1.135 T€ (= 11.351 T€ / 10 Jahre). Außerdem ist die Rückstellung jedes Jahr um 4 % aufzuzinsen, damit in 10 Jahren der Erfüllungsbetrag von 2.000 T€ erreicht ist. Aufgrund des Zinseszinseffektes ergeben sich jährlich steigende Zinsaufwendungen. Tabelle 2-47: Jahr
Entwicklung Buchwerte Hammerwerk und Rückstellung x3 bis x5 (in T€), Lösung
Abschreibung
Hammerwerk
Zinsaufwand
Rückstellung
x3
1.135
10.216
54
1.405
x4
1.135
9.081
56
1.461
x5
1.135
7.946
58
1.519
c) Wirkung einer Parameteränderung Im Zeitablauf können sich aufgrund neu zugegangener Informationen die Schätzungen über den Erfüllungsbetrag der Verpflichtung verändern. Das ist hier der Fall: Die
149
2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Schätzung beläuft sich per Ende x5 auf 2.800 T€ im Jahr x12. Zeitgleich hat sich der fristenkongruente Marktzins geändert, so dass der Barwert gegenläufig zur Erhöhung des Erfüllungsbetrags sinkt. Diskontiert man die 2.800 T€ über 7 Jahre mit 6 %, ergibt sich ein Barwert von 1.862 T€. Die Rückstellung ist daher per 31.12.x5 um 343 T€ (= 1.862 T€ - 1.519 T€) zu erhöhen. IFRIC 1.4 f. bestimmt nun, dass die Effekte sowohl aus Neuschätzungen des Erfüllungsbetrags als auch aus Veränderungen des Zinssatzes erfolgsneutral zu erfassen sind. Also ist in gleicher Höhe der Buchwert des Hammerwerks anzupassen; dieser beträgt am 31.12.x5 demnach 8.289 T€ (= 7.946 T€ + 343 T€). Bei einer Erhöhung des Buchwertes des Vermögenswertes hat „das Unternehmen … zu bedenken, ob dies ein Anhaltspunkt (für eine Wertminderung) sein könnte“ (IFRIC 1.5c). In der Tat: Die Formstahl AG hat bei Inbetriebnahme des Hammerwerks dessen Profitabilität auf Basis der damals vorhandenen Informationen u.a. über die Höhe der Entsorgungsverpflichtung abgeschätzt; die starke Erhöhung der Verpflichtung konnte nicht antizipiert werden. War noch reichlich „Luft“ zwischen Buchwert des Hammerwerks und seinem erzielbaren Betrag gem. IAS 36 – das kann eine Sensitivitätsanalyse zeigen -, besteht kein Anlass für die Durchführung eines Impairment-Tests. Allerdings ist zu beachten, dass infolge der Zinssteigerung auch der Diskontierungssatz für den Nutzungswert des Hammerwerks sinken könnte. Eine Zinssteigerung ist bereits für sich genommen ein Indikator für eine Wertminderung (IAS 36.12c).
d) Folgebewertung nach Parameteränderung Ab x6 beträgt die Abschreibung des Hammerwerks 1.184 T€ (= 8.289 T€ / 7 Jahre). Ferner ist die Rückstellung, ausgehend von 1.862 T€ per 31.12.x5, jedes Jahr um 6 % aufzuzinsen: Tabelle 2-48:
Jahr
Entwicklung Buchwerte Hammerwerk und Rückstellung in x6 und x7 (in T€), Lösung
Abschreibung
Hammerwerk
Zinsaufwand
Rückstellung
x6
1.184
7.105
112
1.974
x7
1.184
5.921
118
2.092
150
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.8.4
Stichtagsprinzip, Wertaufhellung und Wertbegründung – Glaskugel AG
Rechtsquelle: IAS 10, IAS 2, IAS 1 Lernziele: Stichtagsprinzip; Wertaufhellungszeitraum; Abgrenzung von Wertaufhellung und Wertbegründung; Beurteilung einzelner Sachverhalte Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt:
Marvin Merlin, Leiter Rechnungswesen der im Spielesektor tätigen Glaskugel AG, hat den IFRS-Abschluss x1 per Ende Januar x2 schon fast fertig. Einzig folgende Sachverhalte machen ihm Sorgen: (1) Laut Inventur waren am Bilanzstichtag 10.000 Spielekonsolen einer auslaufenden Modellreihe auf Lager, deren Herstellungskosten 200 €/Stück betrugen. Aus einer Besprechung mit dem Vertriebsleiter kurz vor Jahresultimo weiß Merlin, dass man zunächst 5.000 Stück noch für einen Preis von 150 €/Stück und nach einer weiteren Preissenkung noch einmal 3.000 Stück zu je 100 € bis Ende Januar abzusetzen glaubte; der Rest, so war die Einschätzung, sei wohl unverkäuflich und müsse verschrottet werden. Aus dem nun Ende Januar vorliegenden Controllingbericht geht hervor, dass tatsächlich 5.000 Stück zum geschätzten Preis abgesetzt werden konnten. Die nachfolgende Preissenkung fiel jedoch stärker aus als erwartet. Um noch weitere 3.000 Stück abzusetzen, musste der Preis auf 70 €/Stück gesenkt werden. Der Rest ist bereits verschrottet worden. (2) Gegenüber der japanischen Ynos Corp. besteht zum Bilanzstichtag eine Forderung von 5 Mio. €; vom im November x1 gestellten Insolvenzantrag der Ynos Corp. hat Merlin erst am 21. Januar x2 erfahren. Einen Tag später hat die Play GmbH, gegenüber der am Bilanzstichtag eine Forderung von 2 Mio. € bestand, ebenfalls Insolvenzantrag gestellt. Gemildert wurden diese rabenschwarzen Nachrichten nur durch die TV-Show „Wer wird reich?“, in der P. Geier Mitte Januar 1 Mio. € gewonnen hatte. Das freute Merlin besonders, weil Geier ebenfalls im Januar Insolvenzantrag gestellt und die Glaskugel AG noch eine Forderung von 600 T€ gegenüber Geier hatte. Die Buchhaltung hat gemeldet, dass Geier seine Schuld bereits beglichen hat. (3) Die im Sommer x1 zum Kurs von 28 € über die Börse erworbenen 100.000 Stück Pacman-Aktien sind der Kategorie available-for-sale zugeordnet worden. Am Bilanzstichtag betrug der Kurs 30 € und nun, Ende Januar, 25 €. (4) Am Jahresende betrugen die aufgelaufenen und aktivierten Entwicklungskosten für das nicht zimperliche Computerspiel „Destroy the Aliens“ 8 Mio. €. Man erwartete, mit der Produktion und Vermarktung im März x2 beginnen zu können. In einer konzertierten Aktion im Januar x2 haben allerdings die Regierungschefs der wichtigsten Industrienationen der Welt ein Verbot von Gewalt zeigenden Computerspielen verein-
151
2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
bart. Die Glaskugel AG sieht daraufhin die Vermarktung nur noch auf dunklen Kanälen als möglich an und schätzt den erzielbaren Betrag von „Destroy the Aliens“ auf 4 Mio. €. (5) Die Glaskugel AG ist wegen Patentrechtsverletzung verklagt worden. Merlin hat dafür bereits nach bester Schätzung eine Rückstellung i.H.v. 2 Mio. € gebildet. Das am 16. Januar x2 ergangene rechtskräftige Urteil lautete jedoch überraschend auf 3 Mio. €. Aufgabenstellung
a) Erläutern Sie den Zusammenhang von Stichtagsprinzip, wertaufhellenden und wertbegründenden Ereignissen. Welches Ereignis markiert das Ende des Wertaufhellungszeitraums: (1)
Tag der Freigabe des Abschlusses zur Veröffentlichung?
(2)
Weiterleitung des Abschlusses an den Aufsichtsrat (§ 170 Abs. 1 AktG)?
(3)
Datum des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers?
b) Prüfen Sie, ob und ggf. wie die oben genannten Sachverhalte im IFRS-Abschluss abzubilden sind.
c) Beschreiben Sie, ob und ggf. welche Bilanzierungskonsequenzen sich im IFRSAbschluss ergeben, wenn durch ein besonderes Ereignis nach dem Bilanzstichtag – aber vor Abschlusserstellung – die Annahme der Unternehmensfortführung nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Lösung
a) Stichtagsprinzip, Wertaufhellung, Wertbegründung Eine Abschlusserstellung braucht Zeit; die Bilanz zum 31.12. wird (auch beim „fast close“) eben nicht am 31.12., sondern später erstellt. Es stellt sich dann die Frage, ob und wie Informationen, die nach dem Stichtag zugehen, noch bei der Abschlusserstellung berücksichtigt werden sollen. Dabei unterscheidet IAS 10.3 zwei Arten von Ereignissen und Informationen:
solche, die am Bilanzstichtag bereits begründet waren (berücksichtigungspflichtige oder wertaufhellende Ereignisse) und
solche, die erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind (nicht zu berücksichtigende oder wertbegründende Ereignisse).
Wertaufhellende Ereignisse nehmen Einfluss auf Ansatz und Bewertung im abgelaufenen Geschäftsjahr, während wertbegründende Ereignisse für die neue Berichtsperiode zählen und im vergangenen Abschluss allenfalls – bei Wesentlichkeit – Angabe-
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IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
pflichten (im Anhang) auslösen (IAS 10.21 f.), die freilich auch vom Lagebericht nach §§ 289, 315 HGB gefordert werden. Der Wertaufhellungszeitraum reicht bis zum Tag der Freigabe des Abschlusses zur Veröffentlichung (IAS 10.3). Im Abschluss ist sowohl dieses Datum als auch anzugeben, wer für die Freigabe autorisiert ist (IAS 10.17). Der Sinn der Datumsangabe liegt für den Abschlussadressaten darin, zu erfahren, dass der Abschluss Ereignisse nach diesem Datum nicht mehr enthalten kann (IAS 10.18). Falls die Möglichkeit besteht, den Abschluss „nach der Veröffentlichung“ (gemeint ist: Tag der Freigabe des Abschlusses zur Veröffentlichung) noch zu ändern, soll nach IAS 10.17 auch diese Tatsache angegeben werden. Die Vorschrift läuft indes zumindest für deutsche Unternehmen ins Leere und ist insoweit gegenstandslos, weil jede spätere Änderung durch den Aufsichtsrat oder die Gesellschafterversammlung (bei der GmbH) zu einer erneuten Festsetzung des Tages der Freigabe des Abschlusses zur Veröffentlichung führen würde. Demgegenüber kommt der Zeitpunkt der Weiterleitung des Abschlusses an den Aufsichtsrat (§ 170 Abs. 1 AktG) als Freigabedatum nicht in Betracht, da ansonsten das praktische Problem entstünde, dass die – geforderte – Datumsangabe nicht Teil des testierten Anhangs sein kann, da der Abschlussprüfer vor entsprechender Weiterleitung testiert haben muss (§ 171 Abs. 2 AktG). Da der Abschluss nach Erteilung des Bestätigungsvermerks grundsätzlich nicht mehr geändert werden kann – eine nachfolgende Änderung würde eine Nachtragsprüfung auslösen, die auch zur entsprechenden Änderung des Bestätigungsvermerks führt–, markiert spätestens das Datum der Erteilung des Bestätigungsvermerks gem. § 322 Abs. 5 HGB das Ende des Wertaufhellungszeitraums. Im Regelfall wird wenige Tage vor oder sogar am Tag der Erteilung des Bestätigungsvermerks von der Geschäftsführung durch Datum und Unterschrift dokumentiert, dass der Aufstellungsvorgang beendet ist. Insoweit sichergestellt ist, dass bis zur Erteilung des Bestätigungsvermerks keine Änderung mehr vorgenommen worden ist, ist diese Angabe maßgeblich.
b) Beurteilung wertaufhellender vs. wertbegründender Ereignisse (1) Für Vorräte wie die Spielekonsolen gilt das strenge Niederstwertprinzip: Der niedrigere Wert aus einem Vergleich der Anschaffungs- und Herstellungskosten mit dem Nettoveräußerungswert ist anzusetzen (IAS 2.9). Dabei ist der Nettoveräußerungswert der künftige, aus der Verwertung der Vorräte erzielbare Betrag (IAS 2.30). Da die Vorräte während einer gewissen Zeitspanne nach dem Stichtag veräußert werden, müssen bereits aus logischen Gründen auch nach dem Stichtag eintretende Entwicklungen berücksichtigt werden, andernfalls würde nicht zum künftig höchstens erzielbaren Betrag bewertet. Unter dem erzielbaren Nettoveräußerungserlös am Bilanzstichtag ist daher die per Bilanzstichtag erwartete künftige Preistendenz zu verstehen. Dies gilt im Beispiel auch für die Verschrottungen. Diese sind nicht etwa ein erst im neuen Jahr zu berücksichtigen-
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2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
des neues Ereignis, sondern der Extremfall des erwarteten Nettoveräußerungswertes, und zwar ein Erlös von 0 Euro/Stück. Somit sind 5.000 Stück zu 150 €/Stück und 2.000 Stück zu 0 € zu bewerten. In Bezug auf die Ende Januar zu 70 €/Stück verkauften Konsolen kommt nur ein Ansatz zu 70 €/Stück in Betracht, da der getätigte Verkauf einen Nachweis über den Nettoveräußerungswert am Bilanzstichtag erbringt (IAS 10.9bii). (2) Bei den Forderungen ist zu beachten, dass nicht die Insolvenzanträge zu beurteilen sind, sondern die Zahlungsfähigkeit der Kunden. Insolvenzanträge geben jedoch einen Hinweis auf die Zahlungsfähigkeit am Bilanzstichtag. Klar ist, dass die Forderung gegenüber der Ynos Corp. abzuschreiben ist (IAS 39.63). Das Gleiche gilt typischerweise auch bei der Forderung gegenüber der Play GmbH, weil der nach dem Bilanzstichtag gestellte Insolvenzantrag lediglich die schon am Bilanzstichtag vorgelegene (unerkannte) Zahlungsunfähigkeit bestätigt (IAS 10.9bi). Allgemein lässt sich aus dem Zahlungseingang einer Forderung bis zum Bilanzaufstellungstag ableiten, dass die Forderung im Ergebnis nicht risikobehaftet war. Das gilt auch bei der Forderung gegenüber P. Geier, obwohl dieser am Bilanzstichtag objektiv zahlungsunfähig gewesen war: Der Zahlungseingang ist als wertaufhellendes Ereignis zu würdigen. Eine Abschreibung unterbleibt. (3) In den Kategorien available-for-sale sind finanzielle Vermögenswerte zum Fair Value zu bewerten. Sofern Marktwerte auf liquiden Märkten existieren, reflektiert der Marktpreis am Bilanzstichtag sämtliche wertaufhellende Erkenntnisse zu diesem Tag. Kursveränderungen nach dem Bilanzstichtag gelten gem. IAS 10.11 als wertbegründendes Ereignis, das nicht zu berücksichtigen ist. Gleiches gilt im Übrigen, wenn Bewertungsmodelle zur Fair Value Ermittlung herangezogen werden müssen. In die Modelle sollen als Parameter Marktpreise einfließen; es muss sich dann um Marktpreise am Bilanzstichtag handeln. Die Pacman-Aktien sind daher mit 30 €/Stück anzusetzen. (4) IAS 10.22d nennt die Zerstörung einer Maschine durch ein Feuer nach dem Bilanzstichtag explizit ein wertbegründendes Ereignis. Die h.M. neigt dazu, diesen Hinweis auf den vorliegenden Sachverhalt zu übertragen. Es kann jedoch auch gefragt werden: Ist angesichts der gesellschaftspolitischen Diskussion das vereinbarte Verbot von Gewalt verherrlichenden Computerspielen tatsächlich ein so überraschendes, nicht absehbares Ereignis wie ein Brand? Immerhin hängt der Wert der aktivierten Entwicklungskosten für „Destroy the Aliens“ insgesamt von zukünftigen Zahlungsflüssen ab, so dass sich durch die genannten Ereignisse lediglich eine mögliche, aber zunächst nicht in Erwägung gezogene Zukunftslage realisiert. (5) Das Urteil zur Patentrechtsverletzung ist ein wertaufhellendes Ereignis, weil es lediglich feststellt, was rechtens ist, aber nicht selbst Recht schafft, so dass die Rückstellung mit 3 Mio. € anzusetzen ist. Dasselbe gilt im Übrigen, wenn Merlin vor dem Ur-
154
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
teil der Meinung gewesen wäre, überhaupt keine Rückstellung ansetzen zu müssen (IAS 10.9a).
c) Widerlegung der Annahme der Unternehmensfortführung Die Going-Concern-Annahme zählt wie das Periodisierungsprinzip zu den tragenden Säulen (auch) der IFRS-Bilanzierung (IAS 1.23 f.). Mit der Annahme lässt sich beispielsweise die planmäßige Abschreibung oder die Nichtpassivierung latent vorhandener Abfindungsansprüche für Mitarbeiter begründen. Wird die Prämisse aufgegeben, ist zu Liquidationswerten zu bilanzieren. Das gilt auch dann, wenn die Prämisse aufgrund von Ereignissen nach dem Stichtag aufgegeben werden muss (IAS 10.14). Literaturempfehlung: ADS International, Abschnitt 2.
2.8.5
Anlageimmobilien: Bewertungsmethoden und deren Wechsel – Terra AG
Rechtsquellen: IAS 8, IAS 16, IAS 40 Lernziele: Anwendung von IAS 8 auf Darstellungs- und Methodenänderungen, rückwirkende Änderung von Bilanzierungsmethoden, Wirkung auf Eigenkapital und Jahresergebnis Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt Andreas Passer hat nach erfolgreichem Studium seinen ersten Job in der Konzernbilanzierung der Terra AG angetreten. Seine erste Aufgabe besteht darin, sich um die bilanzielle Abbildung von Sachanlagen zu kümmern, die bisher zu (fortgeführten) historischen Kosten bewertet worden sind. Hierzu erhält er die Bilanzen der vergangenen zwei Jahre sowie die vorläufige Bilanz für x3.
155
2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Tabelle 2-49:
Bilanzen der Terra AG (in T€) vorläufig 31.12.x3
31.12.x2
31.12.x1
Aktiva
Sachanlagen
150.000
143.500
140.000
Latente Steuern
11.800
12.300
12.100
Kurzfristige Vermögenswerte
15.000
17.200
18.100
176.800
173.000
170.200
5.000
5.000
5.000
Gewinnrücklagen
14.500
14.000
14.200
Jahresergebnis
24.000
25.000
20.000
16.500
17.000
16.000
Kurzfristige Schulden
116.800
112.000
115.000
Summe
176.800
173.000
170.200
Summe Passiva
Eigenkapital Gezeichnetes Kapital
Latente Steuern
Darüber hinaus weist ihn sein Vorgesetzter darauf hin, dass in den Sachanlagen Grundstücke (Grund und Boden) enthalten sind, die ausschließlich zum Zweck der Wertsteigerung gehalten werden. Die Grundstücke sind mit ihren (auch steuerlichen) historischen Anschaffungskosten von 12.000 T€ angesetzt. Da in den letzten Jahren die Immobilienpreise deutlich gestiegen sind, soll der Bilanzansatz der Grundstücke im Konzernabschluss x3 auf Basis der beizulegenden Zeitwerte erfolgen. Aus der Controlling-Abteilung liegen Passer folgende Fair Values vor: 13.000 T€ für x1, 15.000 T€ für x2 und 19.000 T€ für x3. Aufgabenstellung
a) Um welche Vermögenswerte handelt es sich bei den oben genannten Grundstücken? Nach welchem Standard sind sie zu bilanzieren?
b) Halten Sie den bisherigen Ausweis der Grundstücke in der Bilanz für zutreffend? Welche Anhangangabe ist angesichts der bislang vorgenommenen Bewertung der Grundstücke erforderlich?
c) Welche Bilanzierungsmethoden sind für die Grundstücke zulässig? Unter welchen Bedingungen darf die Bilanzierungsmethode geändert werden?
156
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
d) Helfen Sie Andreas Passer und erstellen Sie nach der Vorgabe des Vorgesetzten die Abschlussbilanz zum 31.12.x3. Sind die Zahlen der Vorperiode anzupassen? Beachten Sie den Ansatz latenter Steuern (Steuersatz 30 %). Geben Sie die Buchungssätze an!
e) Könnte das Jahresergebnis und/oder das Eigenkapital auch gesteigert werden, wenn die Grundstücke mit dem Verwaltungsgebäude der Terra AG bebaut wären? Nehmen Sie unter dieser Voraussetzung eine Bilanzierungsänderung vor.
f)
Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse zu d) und e) im Hinblick auf die Bilanzwirkungen.
Lösung
a) Klassifizierung der Grundstücke Zur Abbildung von Immobilien, die langfristig gehalten werden, kommen grundsätzlich zwei Standards in Betracht: IAS 16 (Sachanlagen) und IAS 40 (als Finanzinvestition gehaltene Immobilien). Entscheidend für die Klassifizierung nach einem der beiden Standards ist die Verwendung der Immobilien. Werden sie
zur Erzielung von Mieteinnahmen und/oder
zum Zweck der Wertsteigerung
gehalten und dienen sie nicht zur Herstellung oder Lieferung von Gütern (IAS 40.5), dann handelt es sich um als Finanzinvestition gehaltene Immobilien im Anwendungsbereich des IAS 40, die hier kurz als Anlageimmobilien bezeichnet werden. Das trifft auf die genannten Grundstücke der Terra AG zu.
b) Ausweis von Anlageimmobilien IAS 1.54 enthält eine Aufzählung an Posten, die mindestens gesondert in der Bilanz darzustellen sind. Dazu gehören auch die Anlageimmobilien (IAS 1.54b). Die Praxis geht zunehmend dazu über, diese „Mindestaufgliederung“ streng zu befolgen, obgleich auch sie unter dem Vorbehalt der Wesentlichkeit steht (IAS 1.31). Im Beispiel ist der Anteil der Anlageimmobilien kleiner als 10 % der gesamten Sachanlagen, was durchaus noch als unwesentlich gelten kann. Im Übrigen sind die Anlageimmobilien bisher zu historischen Kosten bewertet worden und unterscheiden sich daher in der Bewertung nicht von den anderen Sachanlagen. Im Anhang allerdings ist eine Aufgliederung unumgänglich, schon allein, um die Fair Values der Anlageimmobilien pflichtgemäß angeben zu können (IAS 40.79e).
c) Bilanzierungsmethoden und deren Änderung Die Bewertung von Anlageimmobilien kann entweder nach dem Anschaffungskostenmodell oder nach dem Modell des beizulegenden Zeitwertes vorgenommen wer-
157
2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
den (IAS 40.30). Beim Anschaffungskostenmodell werden Anlageimmobilen zu fortgeführten Anschaffungskosten analog IAS 16 bewertet. Beim Modell des beizulegenden Zeitwertes werden die Anlageimmobilien zum Fair Value angesetzt, wobei Fair Value-Änderungen gegenüber der Vorperiode erfolgswirksam in der GuV erfasst werden; dafür unterbleibt (bei Gebäuden) die planmäßige Abschreibung. Die erstmalig angewandte Bilanzierungsmethode – hier das Anschaffungskostenmodell - ist in den Folgeperioden stetig beizubehalten. Die Änderung einer angewandten Bilanzierungsmethode ist nur zulässig und zugleich zwingend, wenn sie
von einem Standard (IFRS/ IAS) oder einer Interpretation (IFRIC/ SIC) verlangt wird oder
zu nach wie vor zuverlässigen, aber entscheidungsnützlicheren Informationen über die Auswirkungen von Geschäftsvorfällen auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage im Abschluss führt (IAS 8.14).
Die Änderung wird im vorliegenden Fall von einem Standard nicht verlangt. Mit der Vermittlung entscheidungsnützlicherer Informationen lässt sich jedoch die Änderung vom Anschaffungskosten- zum Fair Value-Modell begründen, zumal der IASB selbst das Fair Value model präferiert (IAS 40.BCB44 ff.).
d) Durchführung der Methodenänderung Passer muss die Bilanzierungsmethode der Anlageimmobilien gem. der Vorgabe des Vorgesetzten vom Anschaffungskostenmodell zum Fair Value-Modell ändern. Dies hat rückwirkend zu erfolgen (IAS 8.19b), und zwar so, als sei die neue Methode schon immer angewandt worden (IAS 8.22). Damit ist das im Abschluss x3 angegebene Vergleichsvorjahr x2 anzupassen, es entspricht (nach der Änderung) also nicht mehr dem ursprünglich in x2 vorgelegten Abschluss. Da ferner eine frühere Periode nicht dargestellt wird, sind die kumulierten Änderungen aus früheren Perioden in der Eröffnungsbilanz zum 01.01.x2 erfolgsneutral zu erfassen. Auf diese Weise werden die Effekte der Jahre x2 und x3 periodengerecht isoliert und können erfolgswirksam abgebildet werden. Per 31.12.x1 (= 01.01.x2) betrugen die historischen Anschaffungskosten der Anlageimmobilien 12.000 T€, ihr Fair Value jedoch 13.000 T€. Die historischen Anschaffungskosten sind auch in der Steuerbilanz angesetzt worden. Die im IFRS-Abschluss vorzunehmende Aufwertung auf den Fair Value wird in der Steuerbilanz nicht nachvollzogen, so dass sich ein Mehrvermögen der IFRS- gegenüber der Steuerbilanz ergibt. Darauf ist eine latente Steuerabgrenzung vorzunehmen. Ferner sind die Anlageimmobilien gesondert auszuweisen, weil sie künftig mehr als 10 % des übrigen Sachanlagevermögens ausmachen und vor allem erfolgswirksam zum Fair Value bewertet werden. Damit lautet der Buchungssatz zum 01.01.x2 wie folgt:
158
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Konto
Anlageimmobilien Anlageimmobilien
T€
Konto
12.000 an Sachanlagen 1.000 an Gewinnrücklagen an passive latente Steuern
T€
12.000 700 300
In den Jahren x2 und x3 werden die Fair Value-Änderungen der Anlageimmobilien gem. IAS 40.35 ergebniswirksam in der GuV erfasst, wohingegen es in der Steuerbilanz bei einem Ansatz von 12.000 T€ bleibt. Die zugehörigen latenten Steuern sind jetzt erfolgswirksam zu buchen: 31.12.x2: Konto
Anlageimmobilien Steueraufwand
T€
Konto
T€
2.000 an Ertrag
2.000
600 an Passive latente Steuern
600
31.12.x3: Konto
T€
Konto
T€
Anlageimmobilien
4.000 an Ertrag
4.000
Steueraufwand
1.200 an passive latente Steuern
1.200
Die Anlageimmobilien haben sich per 31.12.x2 um 3.000 T€ im Vergleich zu den ursprünglichen historischen Kosten auf 15.000 T€ erhöht. Diesem Anstieg der Aktiva steht ein Anstieg um 700 T€ bei den Gewinnrücklagen, um 1.400 T€ beim Jahresergebnis und um 900 T€ bei den passiven latenten Steuern gegenüber. Die gesamten passiven latenten Steuern betragen demnach 17.900 T€ (= 17.000 T€ + 900 T€). In x3 ist eine weitere Steigerung der Anlageimmobilien um 4.000 T€ auf 19.000 T€ zu beobachten, die sich im Jahresergebnis (+ 2.800 T€) und bei den passiven latenten Steuern (+ 1.200 T€) niederschlägt. Die passiven latenten Steuern betragen demnach 18.600 T€ (= 16.500 T€ + 900 T€ + 1.200 T€). Der Anstieg des Jahresergebnisses aus der Vorperiode x2 musste in die Gewinnrücklagen umgebucht werden, so dass sich deren Stand auf 16.600 T€ (= 14.500 T€ + 700 T€ + 1.400 T€) beläuft.
159
2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Damit ergibt sich zum 31.12.x3 folgende Abschlussbilanz der Terra AG: Tabelle 2-50:
Bilanz der Terra AG x3 mit Vorperiode und Anlageimmobilien (in T€) 31.12.x3
31.12.x2
Aktiva
Sachanlagen
138.000
131.500
Anlageimmobilien
19.000
15.000
latente Steuern
11.800
12.300
kurzfristige Vermögenswerte
15.000
17.200
183.800
176.000
5.000
5.000
Gewinnrücklagen
16.600
14.700
Jahresergebnis
26.800
26.400
18.600
17.900
kurzfristige Schulden
116.800
112.000
Summe
183.800
176.000
Summe Passiva
Eigenkapital gezeichnetes Kapital
latente Steuern
e) Bilanzierungsänderung bei selbstgenutzten Grundstücken Werden die Grundstücke von der Terra AG selbst genutzt, liegen sie im Anwendungsbereich des IAS 16 (siehe Lösung zu a)). Der Standard lässt alternativ zum Anschaffungskostenmodell (fortgeführte historische Kosten) eine Bewertung nach dem sog. Neubewertungsmodell bzw. der Neubewertungsmethode zu (IAS 16.29). Wird diese Methode auf Sachanlagen angewendet, sind diese zum Fair Value anzusetzen. Insoweit entspricht dies dem Fair Value Modell aus IAS 40. Im Unterschied aber zu diesem ist nach der Neubewertungsmethode des IAS 16 die Fair Value-Änderung nicht erfolgswirksam, sondern erfolgsneutral (unmittelbar im Eigenkapital) in einer Neubewertungsrücklage zu erfassen. Außerdem sind planmäßige Abschreibungen (hier nicht relevant) auf die Neubewertungsbeträge erforderlich. Latente Steuern auf den Neubewertungsbetrag sind ebenfalls erfolgsneutral zu erfassen. Die Änderung der Bilanzierungsmethode vom Anschaffungskostenmodell zur Neubewertungsmethode ist unter den bei c) genannten Voraussetzungen möglich. Allerdings ist explizit die rückwirkende Neubewertung untersagt (IAS 8.17). Damit werden die Zeitwertdifferenzen nur im Berichtsjahr x3 erfasst. Der Buchungssatz zum 31.12.x3 lautet:
160
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Konto
T€
Sachanlagen
Konto
T€
7.000 an Neubewertungsrücklage an passive latente Steuern
4.900 2.100
Ein gesonderter Ausweis der neubewerteten Sachanlagen auf Bilanzebene ist nicht erforderlich, wird aber gem. IAS 1.59 angeregt. Die Aufteilung ist jedoch im Anhang unverzichtbar. Tabelle 2-51:
Bilanz der Terra AG x3 mit Vorperiode, Neubewertungsmethode (in T€) 31.12.x3
31.12.x2
Aktiva
Sachanlagen
157.000
143.500
latente Steuern
11.800
12.300
kurzfristige Vermögenswerte
15.000
17.200
183.800
173.000
5.000
5.000
14.500
14.000
Summe Passiva
Eigenkapital gezeichnetes Kapital Gewinnrücklagen Neubewertungsrücklage Jahresergebnis
4.900 24.000
25.000
18.600
17.000
kurzfristige Schulden
116.800
112.000
Summe
183.800
173.000
latente Steuern
f)
Vergleich der Wirkungen von Bilanzänderungen
Bei der Neubewertungsmethode selbstgenutzer Grundstücke (e) und dem Fair ValueModell der Anlageimmobilien (d) sind die Bilanzsummen und auch die Aufteilung von Schulden und Eigenkapital identisch. Allerdings werden die Posten innerhalb des Eigenkapitals unterschiedlich angesprochen. Auffällig ist bei (e) der neue Posten Neubewertungsrücklage, und das Jahresergebnis bleibt gegenüber dem Ausgangsfall unverändert. Ferner ist aufgrund des Verbots der rückwirkenden Neubewertung bei (e) der Bilanzeffekt in x3 besonders hoch und die Vergleichbarkeit gegenüber der Vorperiode eingeschränkt.
161
2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
2.8.6
Latente Steuern – Steuerspar GmbH
Rechtsquelle: IAS 12 Lernziele: Verständnis für die Systematik latenter Steuern nach IFRS; Bilanzierung aktiver und passiver latenter Steuern auf temporäre Differenzen; Berücksichtigung von Steuersatzänderungen; Erstellung einer steuerlichen Überleitungsrechnung Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt:
Bei der Steuerspar GmbH bestehen am 31.12.x1 und 31.12.x2 folgende Abweichungen zwischen dem IFRS-Abschluss und der Steuerbilanz:
Der Buchwert des Sachanlagevermögens ist in der IFRS-Bilanz um 5.000 T€ (31.12.x1) bzw. 6.000 T€ (31.12.x2) höher als in der Steuerbilanz, da steuerlich degressiv und kürzer abgeschrieben wird. Ein Teil der Buchwertabweichung (25 %) ist erfolgsneutral bei der Erstkonsolidierung einer Tochtergesellschaft entstanden.
Drohverlustrückstellungen in Höhe von 500 T€ (31.12.x1) bzw. 800 T€ (31.12.x2) werden steuerlich nicht anerkannt.
Die Pensionsrückstellungen werden steuerlich mit 6 % und nach einer Parameteränderung im IFRS-Abschluss mit 4 % abgezinst. Dies hat im IFRS Abschluss zu versicherungsmathematischen Verlusten i.H.v. 1.500 T€ (31.12.x1) bzw. 1.600 T€ (31.12.x2) geführt, die erfolgsneutral mit dem Eigenkapital verrechnet werden.
Im Laufe des Jahres x2 tritt (mit Wirkung zum 01.01.x2) eine Steuersatzsenkung von 40 % auf 30 % in Kraft. Der Leiter der Steuerabteilung möchte wissen, wie die latenten Steuern zum 31.12.x2 zu bilanzieren sind.
162
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Aufgabenstellung
a) Tragen Sie die temporären Differenzen zwischen den beiden Bilanzen in folgendes Tableau ein. Welche „Faustformel“ zur Bestimmung latenter Steuern kennen Sie? Tabelle 2-52:
Temporäre Differenzen (in T€), Aufgabenblatt
IFRS Mehrvermögen (+) IFRS Mindervermögen (-) 31.12.x1
Veränderung
31.12.x2
Sachanlagen Drohverlustrückstellung Pensionsrückstellungen Summe
b) Was ist im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung der Steuersatzsenkung in x2 zur Berechnung latenter Steuern zu beachten? Variante: Wie wäre für den Abschluss x1 zu verfahren, wenn die Steuersatzsenkung (mit Wirkung zum 01.01.x2) bereits in x1 bekannt geworden wäre?
c) Wie entwickeln sich die aktiven und passiven latenten Steuern in x2? Verwenden Sie folgendes Schema: Tabelle 2-53:
Entwicklung der latenten Steuern (in T€), Aufgabenblatt
Latente Steuern 31.12.x1 40 % aktiv (+) passiv (-)
Veränderung Steuersatz erfolgswirksam
erfolgsneutral
Aufwand (-) Ertrag (+)
Mengeneffekt erfolgswirksam
erfolgsneutral
Aufwand (-) Ertrag (+)
Latente Steuern 31.12.x2 30 % aktiv (+) passiv (-)
Sachanlagen Drohverlustrückstellung Pensionsrückstellungen Total (Saldo)
163
2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
d) Wie wirkt sich die Steuersatzsenkung in x2 bei der steuerlichen Überleitungsrechnung gemäß IAS 12.81c aus? Ermitteln Sie zunächst (ausgehend vom Steuerbilanzergebnis) das IFRS-Ergebnis vor Steuern und leiten Sie zum ausgewiesenen Steueraufwand über. Berücksichtigen Sie außerdem, dass Bewirtungsaufwendungen von 200 T€ steuerlich nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden. Tabelle 2-54:
Überleitungsrechnung (in T€), Aufgabenblatt
x2 Steuerbilanzergebnis
9.300
Veränderung temporärer Differenz im Anlagevermögen Veränderung temporärer Differenz bei Drohverlust-Rückstellung IFRS-Ergebnis vor Steuern
30 %
Steuersatz Erwarteter Steueraufwand
Aufwand (+)/ Ertrag (-) aus Steuersatzänderung Effekt aus nicht abzugsfähigen Ausgaben Ausgewiesener Steueraufwand
e) Wie setzt sich der in d) ermittelte ausgewiesene Steueraufwand zusammen? Verwenden Sie nachfolgende Tabelle. Tabelle 2-55:
Zusammensetzung des ausgewiesenen Steueraufwands (in T€), Aufgabenblatt
x2 Tatsächlicher Steueraufwand Latenter Steueraufwand (+ )/ -ertrag (-) aus Veränderung der temporären Differenzen Latenter Steueraufwand (+)/ -ertrag (-) aus Steuersatzänderung Ausgewiesener Steueraufwand
Lösung
a) Temporäre Differenzen Für die praktische Anwendung kann folgende Faustformel genutzt werden:
164
Mindervermögen (Mindereigenkapital) in der IFRS-Bilanz gegenüber der Steuerbilanz, das noch nicht zur steuerlichen Entlastung (Ersparnis) in der Vergangenheit führte, bewirkt eine aktive Steuerabgrenzung.
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
Mehrvermögen (Mehreigenkapital) in der IFRS-Bilanz gegenüber der Steuerbilanz, das noch nicht der Besteuerung unterlag, führt zur passiven Abgrenzung.
Die sichtbare und gleichsam ästhetische Folge der Abgrenzung latenter Steuern besteht darin, dass der Steueraufwand in ein erklärbares Verhältnis zum IFRS VorSteuer-Ergebnis gebracht wird. Tabelle 2-56:
Temporäre Differenzen (in T€), Lösung
IFRS Mehrvermögen (+) IFRS Mindervermögen (-) 31.12.x1
Veränderung
31.12.x2
Sachanlagen
5.000
1.000
6.000
Drohverlustrückstellung
- 500
- 300
- 800
- 1.500
- 100
- 1.600
3.000
600
3.600
Pensionsrückstellungen Summe
b) Wirkung der Steuersatzsenkung Für die Bewertung latenter Steuern verlangt IAS 12.47 den Steuersatz heranzuziehen, der „zum Zeitpunkt der erwarteten Umkehrung der Differenz gültig ist“. Zugleich setzt IAS 12.48 diesen Erwartungen jedoch enge Grenzen, denn zukünftige Steuersätze dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn eine Steuersatzänderung hinreichend sicher bzw. bereits umgesetzt ist, in Deutschland z.B. bei einer Einigung im Vermittlungsausschuss (vgl. IASB update Februar 2005, S. 4). Regelmäßig wird daher nur der aktuelle Steuersatz zum Bilanzstichtag in Betracht kommen. Sollte sich der Steuersatz im Vergleich zur Vorperiode verändert haben, so ist eine Neuberechnung der latenten Steuern erforderlich. Bei zuvor erfolgswirksam gebildeten latenten Steuern ist auch die Änderung erfolgswirksam zu erfassen, ansonsten erfolgsneutral (IAS 12.60a). Für die auf das Sachanlagevermögen entfallenden (erfolgsneutralen) latenten Steuern gilt jedoch abweichend folgendes: Obwohl sie bei der Erstkonsolidierung erfolgsneutral gebildet wurden, werden die Effekte auf Steuersatzänderungen erfolgswirksam erfasst, weil auch die Gesamtauflösung der Steuerlatenz ergebniswirksam erfolgt. Lt. Aufgabenstellung tritt die Steuersatzsenkung erst in x2 (rückwirkend zum 01.01.x2) in Kraft. Danach wäre die Steuersatzsenkung erst zum 31.12.x2 zu erfassen. Variante: Falls die Steuersenkung in x1 beschlossen würde (ebenfalls mit Wirkung zum 01.01.x2), wären latente Steuern bereits zum 31.12.x1 mit dem geänderten Steuersatz (30 %) zu bewerten, obwohl die laufende Steuerbelastung in x1 noch 40 % beträgt.
165
2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
c) Entwicklung latenter Steuern
Die geringere Abschreibung von Sachanlagen in der IFRS Bilanz im Vergleich zur Steuerbilanz hat zu IFRS-Mehrvermögen geführt, dem passive latente Steuern gegenüberstehen. Das gilt auch im Hinblick auf die aufgedeckten stillen Reserven aus dem Unternehmenszusammenschluss.
Rückstellungen nach IAS 37 können über den steuerlichen Werten liegen, insbesondere bei Drohverlustrückstellungen, falls diese, wie jedenfalls in Deutschland, steuerlich nicht anerkannt werden (§ 5 Abs. 4a EStG). Es liegt gegenüber der Steuerbilanz IFRS-Mindervermögen vor. Die erst künftig tatsächlich zu erwartende Steuerentlastung wird durch Aktivierung latenter Steuern i.H.v. 200 T€ vorweggenommen.
Die latenten Steuern auf Pensionsrückstellungen betreffen die erfolgsneutrale Verrechnung versicherungsmathematischer Verluste. Die erst spätere steuerliche Entlastung (IFRS-Mindervermögen) wird durch erfolgsneutrale Bildung aktiver latenter Steuern von 600 T€ vorweggenommen.
In der Tabelle sind die Buchwerte der latenten Steuern zunächst per 31.12.x1 (40 %) angegeben. Die Veränderung der latenten Steuern aufgrund der Steuersatzsenkung beträgt 10 % (40 % - 30 %) des Anfangsbestands der temporären Differenzen oder auch 25 % des Betrags der latenten Steuern selbst. Bei der laufenden Veränderung (Mengeneffekt) wird der in x2 gültige Steuersatz von 30 % auf die Veränderung der temporären Differenzen angewendet. In der Summe ergibt sich so der Stand latenter Steuern auf temporäre Differenzen per 31.12.x2, jetzt bewertet mit 30 %. Tabelle 2-57:
Entwicklung der latenten Steuern (in T€), Lösung
Latente Steuern 31.12.x1 40 % aktiv (+) passiv (-)
Veränderung Steuersatz erfolgswirksam
Mengeneffekt
erfolgsneutral
Aufwand (-) Ertrag (+)
erfolgswirksam
erfolgsneutral
Aufwand (-) Ertrag (+)
Latente Steuern 31.12.x2 30 % aktiv (+) passiv (-)
Sachanlagen
-2.000
500
- 300
- 1.800
Drohverlustrückstellung
200
- 50
90
240
Pensionsrückstellungen
600
Total (Saldo)
166
- 1.200
- 150 450
- 150
- 210
30
480
30
- 1.080
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
d) Überleitungsrechnung Die in IAS 12.81c vorgeschriebene Überleitungsrechnung hat große Bedeutung für das Verständnis latenter Steuern durch den Bilanzleser. Würden sämtliche temporären Differenzen versteuert und gäbe es darüber hinaus keine weiteren Abweichungen zwischen IFRS- und Steuerbilanz, dann ergäbe sich der ausgewiesene Steueraufwand, der sich aus tatsächlichen und latenten Steuern zusammensetzt, unmittelbar aus der Multiplikation des IFRS-Vor-Steuer-Ergebnisses mit dem Steuersatz. Da diese Voraussetzungen aber nicht vorliegen, soll eine Überleitungsrechnung von einem solchermaßen erwarteten zum ausgewiesenen Steueraufwand informieren (IAS 12.84). Der anzuwendende Steuersatz zur Ermittlung des erwarteten Steueraufwands ist typischerweise der Steuersatz des Mutterunternehmens (sog. „home based rate approach“), bei starken Auslandsaktivitäten auch ein Mischsteuersatz (IAS 12.85). Mit diesem Steuersatz werden i. d. R. auch die latenten Steuern bewertet. Der aus dem Vor-SteuerErgebnis durch Multiplikation mit dem Steuersatz ermittelte „erwartete“ oder „theoretische“ Steueraufwand ist überzuleiten zum ausgewiesenen Steueraufwand. In der Praxis ist dabei eine nominelle Überleitung üblich: Tabelle 2-58:
Überleitungsrechnung (in T€), Lösung
x2 Steuerbilanzergebnis
9.300
Veränderung temporärer Differenz im Anlagevermögen
1.000
Veränderung temporärer Differenz bei Drohverlust-Rückstellung IFRS-Ergebnis vor Steuern
- 300 10.000
Steuersatz
30 %
Erwarteter Steueraufwand
3.000
Ertrag (-) aus Steuersatzänderung
- 450
Effekt aus nicht abzugsfähigen Aufwendungen Ausgewiesener Steueraufwand
60 2.610
Die Überleitung vom Steuerbilanzergebnis zum IFRS-Ergebnis vor Steuern ist nicht vorgeschrieben, sondern dient hier der Illustration. In Bezug auf das Anlagevermögen entsteht nach IFRS ein höheres Ergebnis, da das IFRS-Mehrvermögen um 1.000 T€ zunimmt (siehe Lösung zu a)). Da sich die steuerlich nicht anerkannten Drohverlustrückstellungen um 300 T€ erhöhen, liegt das IFRS-Ergebnis andererseits unter dem Steuerbilanzergebnis. Das IFRS-Ergebnis vor Steuern beträgt somit 10.000 T€, so dass bei einem Steuersatz von 30 % ein Steueraufwand von 3.000 T€ erwartet wird. Steuersatzänderungen führen zu einer erfolgswirksamen Neuberechnung des Bestandes der erfolgswirksam entstandenen latenten Steuern und der aus Erstkonsolidierung erfolgsneutral entstandenen latenten Steuern (siehe Lösung zu b)). Somit ist bei der Überleitung ein Ertrag von 450 T€ zu berücksichtigen. Demgegenüber ist die Steu167
2.8
2
IFRS im Einzelabschluss und Erstellung der Handelsbilanz II
ersatzänderung in Bezug auf die erfolgsneutral verrechneten versicherungsmathematischen Verluste, die nicht bei der Erstkonsolidisierung entstanden sind, erfolgsneutral zu behandeln und daher bei der Überleitungsrechnung nicht zu erfassen. Nicht abzugsfähige Ausgaben führen zu einer Erhöhung des tatsächlichen gegenüber dem erwarteten Steueraufwand (60 T€ = 30 % von 200 T€), da das IFRS-Ergebnis eine Abzugsfähigkeit impliziert.
e) Ausgewiesener Steueraufwand Der tatsächliche Steueraufwand beträgt 30 % des steuerlichen Gewinns von 9.500 T€, also 2.850 T€. Der steuerliche Gewinn setzt sich aus dem Steuerbilanzgewinn (9.300 T€) und den steuerlich nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben (200 T€) zusammen. An latenten Steuern sind ein Ertrag von 450 T€ aus der Steuersatzänderung und ein Aufwand von 210 T€ aus der Mengenänderung zu erfassen, siehe Lösung zu c). Tabelle 2-59:
Zusammensetzung des ausgewiesenen Steueraufwands (in T€), Lösung
x2 Tatsächlicher Steueraufwand Latenter Steueraufwand (+) aus Veränderung der lfd. Abweichungen
2.850 210
Latenter Steuerertrag (-) aus Steuersatzänderung
- 450
Ausgewiesener Steueraufwand
2.610
Literaturempfehlung: Pawelzik in Heuser/Theile, IFRS Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz. 2600 – 2699
168
IFRS im Konzernabschluss
3 IFRS im Konzernabschluss 3.1
Einführung in die Bilanzierung von Unternehmenszusammenschlüssen
3.1.1
Einzel- und Gesamtbewertung – Theo Gromberg e.K.
Rechtsquellen: Lernziele: Verständnis für den Zusammenhang von Substanz- und Unternehmenswert wecken; Schlussfolgerungen ziehen für die bilanzielle Abbildung von Einzel- und Gesamtwerten Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Truckstop corp., ein Logistikkonzern aus den USA, will nun endlich auch in Deutschland Fuß fassen. Man hat daher ein Auge auf die Spedition Theo Gromberg e.K. aus Herne geworfen. Gromberg will sich aus dem Fuhrparkgeschäft zurückziehen und der Musikbranche zuwenden. Sein Unternehmen ist von der Größe her für die Truckstop corp. interessant: 1979 unter schwierigen Bedingungen gegründet, verfügt es jetzt über 100 Sattelschlepper und 3 Standorte mit Lager- und Umschlagstationen. Um einen ersten Eindruck zu vermitteln, hat Theo Gromberg der Truckstop corp. seine letzte Schlussbilanz per 31.12.x1 zur Verfügung gestellt: Tabelle 3-1:
Bilanz des Theo Gromberg e:K. zum 31.12.x1 (in T€)
Aktiva
Passiva
Immobilien
12.000 Eigenkapital
Fuhrpark
10.000 Schulden
Kurzfristiges Vermögen Summe
8.000 17.000
3.000 25.000 Summe
25.000
Außerdem sind folgende Informationen bekannt:
Immobiliengutachter haben die Marktwerte der Lager- und Umschlagstationen auf 18.000 T€ geschätzt.
169
3.1
3
IFRS im Konzernabschluss
Sachverständige schätzen, dass der Wert des Fuhrparks seinem Buchwert entspricht. Das gilbt auch für das übrige Vermögen und die Schulden.
Theo Gromberg kann am Markt überdurchschnittlich hohe Preise erzielen, weil er nicht nur Transport-, sondern im Verbund auch Lagerleistungen erbringen kann. Er veranschlagt daher als Barwert künftiger Netto-Cashflows aus der Geschäftstätigkeit (sämtliche künftige Einzahlungen abzüglich sämtlicher künftiger Auszahlungen bis zum Planungshorizont, gerechnet zum Barwert) einen Betrag von 24.000 T€.
Weil die Truckstop corp. bei einem Erwerb des Unternehmens ihre bisherigen Logistikmöglichkeiten in Deutschland stark verbilligen könnte, schätzt sie einen Barwert künftiger Netto-Cashflows von 33.000 T€.
Aufgabenstellung
a) Wie hoch ist das bilanzielle Nettovermögen des Unternehmens? b) Wie hoch ist der Substanzwert des Unternehmens (gerechnet zu Marktpreisen)? c) Was könnte aus Sicht von Theo Gromberg ein angemessener Verkaufspreis, und was aus Sicht der Truckstop corp. ein angemessener Kaufpreis sein?
d) Wieso kommen die Preise unter c) nicht durch den Substanzwert zum Ausdruck? Lösung
a) Bilanzielles Nettovermögen Das bilanzielle Nettovermögen ist ein anderes Wort für das Eigenkapital und beträgt 8.000 T€.
b) Substanzwert Der Substanzwert des Unternehmens, gerechnet zu Marktpreisen, ist die Summe der Einzeltauschwerte der einzelnen Vermögensposten und Schulden. Über den bisherigen Buchwert von 12.000 T€ hinaus würden bei einem Substanzwert die Immobilien mit 18.000 T€ angesetzt werden; ansonsten ergäbe sich keine Änderung. Der Substanzwert beträgt daher 8.000 T€ bisheriges Nettovermögen zuzüglich stille Reserven bei den Immobilien von 6.000 T€, also 14.000 T€.
c) Möglicher Unternehmenstauschpreis Theo Gromberg würde zum Substanzwert nicht verkaufen, da das Unternehmen künftige barwertige Cashflows von 24.000 T€ erzielen wird. In diesem Bereich lägen seine Verkaufspreisvorstellungen.
170
IFRS im Konzernabschluss
Die Truckstop corp. rechnet mit einem künftigen Zufluss aus dem Unternehmen in Höhe von 33.000 T€. Damit sich die Investition für sie rechnet, müsste der Kaufpreis entsprechend niedriger sein. Immerhin gibt es aufgrund der unterschiedlichen Annahmen über die Verwendung des Unternehmens einen Einigungsbereich.
d) Substanzwert und Unternehmenswert Bei der Substanzwertermittlung werden die Vermögensgegenstände (Vermögenswerte) und Schulden einzeln zu Marktpreisen bewertet. Erst aber das Zusammenspiel der Fahrzeuge mit den Lager- und Umschlagstationen macht einen möglichen Unternehmenswert aus, nämlich den aus Sicht von Theo Gromberg. Für die Truckstop corp. kommt hinzu, dass diese günstiger als bisher in Deutschland anbieten könnte. Auch dieser Vorteil kommt in den Einzeltauschwerten nicht zum Ausdruck, weil er sich nur im Verbund – durch sog. Synergieeffekte - erzielen lässt.
3.1.2
Unternehmenserwerb – Truckstop corp. (1)
Rechtsquellen: Lernziele: Bilanzielle Abbildung eines Unternehmenserwerbs; asset deal versus share deal Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Truckstop corp. hat sich mit Theo Gromberg auf den Kauf seines Unternehmens (siehe Aufgabe 3.1.1) für eine Gegenleistung von 27.000 T€, die bar entrichtet wird, geeinigt. Aufgabenstellung
a) Wie würden Sie den Unternehmenserwerb im Abschluss der Truckstop corp. abbilden? Geben Sie den Buchungssatz an!
b) Wie sähe Ihr Buchungssatz aus, wenn die Spedition des Theo Gromberg ein Unternehmen in der Rechtsform der GmbH wäre (und die Truckstop corp. einen Einzelabschluss aufstellt)?
c) Vergleichen Sie den Informationsgehalt der beiden Einbuchungssätze in den Abschlüssen der Truckstop corp.
d) Wie lässt sich der Informationsgehalt zu b) verbessern, wenn die Truckstop corp. einen anderen Abschluss, nämlich den Konzernabschluss aufstellt? Geben Sie den Buchungssatz an!
171
3.1
3
IFRS im Konzernabschluss
Lösung
a) Einbuchung des Unternehmenserwerbs Die Truckstop corp. zahlt 27.000 T€ als Gegenleistung für den Erwerb aller Vermögenswerte und Übernahme der Schulden des Unternehmens des Theo Gromberg. Man nennt ein solches Geschäft asset deal. Wegen des Einzelbewertungsgrundsatzes müssen die 27.000 T€ auf die einzelnen Vermögenswerte und Schulden des erworbenen Unternehmens heruntergebrochen werden, da schließlich keine Unternehmensanteile, sondern eben eine Nettovermögensmasse erworben worden ist. Bei einem tatsächlichen Einzelerwerb, beispielsweise der Immobilien, wäre für diese nicht mehr als 18.000 T€ bezahlt worden. Eine Aufteilung der über dem Substanzwert liegenden tatsächlich höheren Gegenleistung auf die Immobilien und den Fuhrpark erscheint aber nicht sachgerecht, weil diese Aufteilung erstens willkürlich und zweitens die Einzelvermögenswerte zu hoch ausweisen würde. Daher wird die Differenz zwischen Gegenleistung für den Unternehmenserwerb (27.000 T€) und Nettosubstanzwert zu Marktpreisen (14.000 T€) als erworbener Geschäfts- oder Firmenwert bzw. Goodwill ausgewiesen (13.000 T€): Konto
T€
Goodwill
13.000
Immobilien
18.000
Fuhrpark
10.000
Kurzfristiges Vermögen
Konto
3.000 an Bank an Schulden
T€
27.000 17.000
b) Abbildung des Erwerbs einer GmbH im Einzelabschluss des Erwerbers Kaufgegenstand einer GmbH sind Anteile. Ein solches Geschäft wird als share deal bezeichnet Folglich sind im Einzelabschluss des Erwerbers auch nur die GmbH-Anteile, z.B. als Beteiligung (Anteile an verbundenen Unternehmen), auszuweisen. Es kommt weder zum Einzelansatz von Vermögenswerten und Schulden noch zum Ansatz eines Goodwill. Die Bilanz der GmbH wird auch unverändert fortgeführt. Es hat sich lediglich ein Gesellschafterwechsel ereignet. Truckstop bucht: Konto
Beteiligung
172
T€
Konto
27.000 an Bank
T€
27.000
IFRS im Konzernabschluss
c) Vergleich des Informationsgehalts Offensichtlich ist: im Fall a) erkennt man die Zusammensetzung des erworbenen Vermögens und der übernommenen Schulden, während im Fall b) nur eine Vermögensposition ausgewiesen wird. Der Abschlussleser erkennt jedoch nicht, was sich hinter dieser Position verbirgt.
d) Konzernabschluss Wenn die Truckstop corp. ausgehend von ihrem Einzelabschluss einen sog. Konzernabschluss erstellt, dann werden sämtliche Vermögenswerte und Schulden beider Unternehmen in einem Abschluss dargestellt. Der Konzernabschluss fingiert praktisch den Einzelabschluss des Konzerns: Rechtlich verbergen sich zwar mehrere Unternehmen dahinter, wirtschaftlich werden sie jedoch als ein Unternehmen dargestellt. Also kann es im Konzernabschluss keine Beteiligung geben, die ein Abhängigkeitsverhältnis ausdrückt. Daher wird die im Einzelabschluss ausgewiesene Beteilung durch das tatsächlich dahinter stehende Vermögen und die Schulden ersetzt. So wird in der Abbildung aus einem share deal ein asset deal gemacht. Man fingiert den Einzelerwerb der Vermögenswerte und Schulden: Konto
T€
Konto
T€
Goodwill
13.000
Immobilien
18.000
Fuhrpark
10.000 an Beteiligung
27.000
3.000 an Schulden
17.000
Kurzfristiges Vermögen
3.1.3
Objektive und subjekte Werte im Rahmen eines Unternehmenserwerbs - Truckstop corp. (2)
Rechtsquellen: IFRS 3 Lernziele: Bewertung der übernommenen Vermögenswerte und Schulden; erkennen des Unterschiedes von subjektiven und objektiven Werten; Begriff des Fair Value; Begriff des hypothetischen Erwerbers Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Im Rahmen der Due Diligence über das Unternehmen Theo Gromberg e.K., die die Truckstop corp. kurz vor dem Unternehmenserwerb durchgeführt hat (s. Aufgabe 3.1.1) , ergeben sich noch zwei bisher nicht beachtete Informationen:
173
3.1
3
IFRS im Konzernabschluss
(1)
Theo Gromberg e.K. hat in Deutschland einen sehr guten Ruf. Auch andere Speditionen und Logistikunternehmen interessierten sich bereits für das Unternehmen, nicht zuletzt um den Namen „Theo Gromberg“ für sich nutzen zu können. Die Unternehmensbewerter ermitteln für die Marke „Theo Gromberg“ einen Wert von 2.000 T€. Die Truckstop corp. will aber im Rahmen ihrer Konzernstrategie die Marke „Theo Gromberg“ nicht weiterführen.
(2)
Die Truckstop corp. hatte bereits vor Jahren versucht, sich in Deutschland zu etablieren. Dazu hatte man auch Lagerhallen erworben, die im gleichen Gewerbegebiet liegen wie das Hauptlager mit Umschlagstation von Theo Gromberg. Es handelt sich sogar um direkt angrenzende Flächen, so dass sich für die Truckstop im Rahmen der Expansionsstrategie weitere Synergien und Kostenersparnisse ergeben. Der subjektive Wert dieses Grundstücks liegt für die Truckstop 1.500 T€ über dem vom Immobiliengutachter ermittelten Marktwert von 18.000 T€.
Aufgabenstellung
Erläutern Sie den Unterschied zwischen einem subjektiven und objektiven Marktwert und erklären Sie den Begriff des Fair Value. Beeinflussen die zusätzlichen Informationen Ihre Lösung zu Aufgabe 3.1.2 a)? Lösung
Kennzeichnend für einen objektiven Marktwert ist die Abstraktion von subjektiven Wertvorstellungen einzelner Marktakteure. Ein in der Wüste Gobi umherirrender, dehydrierter Mensch wird für eine Flasche Wasser vielleicht ein Königreich bieten; abstrahiert man aber von seiner persönlichen Situation, ist eine Flasche Wasser kein Königreich wert. Der Fair Value (deutsche Übersetzung: beizulegender Zeitwert) in der IFRSRechnungslegung ist als objektiver Marktwert definiert. Zur Wertfindung wird eine hypothetische Transaktion hypothetischer Marktteilnehmer unterstellt (ausführlich Theile in Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz. 450 ff.). Bei einem Unternehmenserwerb sind die übernommenen Vermögenswerte und Schulden zum Fair Value anzusetzen (IFRS 3.18), also aus Sicht eines hypothetischen Erwerbers. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die beiden Zusatzinformationen zu behandeln. Ein hypothetischer Erwerber würde für die Marke „Theo Gromberg“ 2.000 T€ bezahlen. Subjektiv hat die Marke für die Truckstop corp. aber keinen Wert, da sie den Betrieb nicht unter der Firma Gromberg fortführen, sondern sich lediglich die Infrastruktur und bestehende Verträge des Unternehmens zu Nutze machen will. Die subjektive (Nicht-)Wertigkeit des Vermögenswertes ist jedoch irrelevant, anzusetzen sind die objektiven Fair Values, die ein hypothetischer Erwerber zahlen würde. Konkret bedeutet dies die Ansatzpflicht für die Marke „Theo Gromberg“ i.H.v. 2.000 T€ (IFRS 3.B43); um
174
IFRS im Konzernabschluss
diesen Betrag wird der Goodwill gemindert. Das Ansatzverbot für Marken des IAS 38.63 greift hier nicht, da es sich durch den Unternehmenserwerb um einen entgeltlich erworbenen immateriellen Vermögenswert handelt. Da Truckstop die Marke nicht nutzen will, käme nach dem Unternehmenserwerb eine außerplanmäßige aufwandswirksame Abschreibung (impairment) in Betracht. Es ist unstrittig, dass die Immobilien des Gromberg für die Truckstop corp. einen Wert von 19.500 T€ (subjektiver Wert) haben. Allerdings ist auch hier das Prinzip des hypothetischen Erwerbers zu beachten: Dieser würde lediglich den (objektiven) Fair Value i.H.v. 18.000 T€ als Gegenleistung bezahlen. Der darüber hinausgehende Wert für die Truckstop von 1.500 T€, der sich – nur für die Truckstop und nicht für andere Unternehmen - durch zusätzliche Kostenersparnisse und Synergien ergibt, spiegelt sich im Goodwill wider. Zu buchen wäre daher: Konto
T€
Goodwill
Konto
T€
11.000
Marke „Theo Gromberg“
2.000
Immobilien
18.000
Fuhrpark
10.000 an Bank
Kurzfristiges Vermögen
3.000 an Schulden
3.2
Kapitalkonsolidierung
3.2.1
Erstkonsolidierung – Zucker AG
27.000 17.000
Rechtsquellen: IFRS 3, IAS 38 Lernziele: Technik der Erstkonsolidierung nach der Neubewertungsmethode; Aufdeckung stiller Reserven; latente Steuern auf Neubewertungsbeträge; Minderheitenanteil und -ausweis Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die im Lebensmittelsektor tätige Zucker AG erwirbt am 31.12.x3 mit 80 % der Anteile die Kapital- und Stimmrechtsmehrheit am Süßmittelhersteller Rübe GmbH. Obwohl das bilanzielle Eigenkapital der Rübe GmbH nach IFRS nur 84 Mio. € betrug, hat man für die Anteile 200 Mio. € bezahlt. Die Rübe GmbH hat in x1 ein vielversprechendes Forschungsprojekt zur Verbesserung der Zuckerproduktion angestoßen, dessen Wert
175
3.2
3
IFRS im Konzernabschluss
aktuell auf 50 Mio. € geschätzt wird. Außerdem beträgt der Fair Value der Sachanlagen der Rübe GmbH 100 Mio. €, und in den Vorräten schlummern stille Reserven von 10 Mio. €. Aufgabenstellung
a) Erstellen Sie die Handelsbilanz III der Rübe GmbH. Warum sind auf die Fair Value-Anpassungen latente Steuern zu bilden? Gehen Sie von einem aktuellen und künftigen durchschnittlichen Ertragsteuersatz von 30 % aus.
b) Berechnen Sie den Goodwill des Mehrheitenanteils. Sind dabei auch latente Steuern zu berücksichtigen?
c) Nehmen Sie die Erstkonsolidierung der Rübe GmbH nach der Neubewertungsmethode vor und erstellen Sie die Konzernbilanz des Zucker AG-Konzerns zum 31.12.x3. Erläutern Sie Ihre Vorgehensweise. Nutzen Sie für die Bearbeitung das nachfolgende Arbeitsblatt, das die aggregierten Einzelbilanzen der beiden Gesellschaften nach IFRS bereits enthält. Tabelle 3-2:
Zucker AG Konzernbilanz zum 31.12.x3 (in Mio. €), Aufgabenblatt MU TU (HB II) (HB II)
Goodwill immat. VW Sachanlagen Beteiligung kurzfr. VW Summe gezeichnetes Kapital Rücklagen Minderheiten latente Steuern kurzfr. Verb. Summe
176
15 180 200 60 455 100
40 120 60
105
24
250 455
36 120
80
TU (HB III)
Summenbilanz
Konsolidierung Soll
Haben
KB
IFRS im Konzernabschluss
Lösung
a) Erstellung der Handelsbilanz III Bei der Erstkonsolidierung sind alle Vermögenswerte und Schulden des erworbenen Unternehmens im Hinblick auf Ansatz und Bewertung einzeln aus Sicht eines hypothetischen Erwerbers zu beurteilen (s. Aufgabe 3.1.3). Was würde für den jeweils einzelnen Vermögenswert hingegeben, was würde für die jeweils einzelne Schuld entgegen genommen werden, und zwar unabhängig davon, ob die Posten vorher angesetzt worden waren oder nicht? Auf diese Weise sollen alle im Konzernabschluss anzusetzenden Posten (von einigen Ausnahmen abgesehen) zum Fair Value bewertet werden. Technisch geschieht das in der sog. Handelsbilanz III. Hier sind gegenüber der HB II anzusetzen:
Forschungsprojekt 50 Mio. €: Geht ein Forschungsprojekt als immaterieller Vermögenswert im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses zu, wird das sonst bestehende Aktivierungsverbot für Forschungsprojekte durchbrochen (IFRS 3.13 und IAS 38.34).
Sachanlagen + 20 Mio. €, Aufdeckung stiller Reserven
Vorräte + 10 Mio. €, Aufdeckung stiller Reserven
Gegenüber der HB II ergibt sich ein Brutto-Mehrvermögen von 80 Mio. €. Diesem (künftigen) Nutzenzufluss steht jedoch nur eine geringere steuerliche Abschreibungsgrundlage (tax base) gegenüber, so dass die künftige höhere Steuerbelastung durch passive latente Steuern zurückzustellen ist (IAS 12.16). Dies gilt auch, wenn die temporären Differenzen erfolgsneutral entstehen wie bei der Erstkonsolidierung. Daher sind auf die 80 Mio. € passive latente Steuern (Steuersatz 30 %) in Höhe von 24 Mio. € anzusetzen, so dass das Nettovermögen gegenüber der HB II um 56 Mio. € steigt. Die HB III ist in Tabelle 3-3 wiedergegeben.
b) Goodwill mit latenten Steuern? Der Goodwill ergibt sich bei der Neubewertungsmethode als Differenz zwischen Kaufpreis (200 Mio. €) und anteiligem Eigenkapital von 112 Mio. € (= 60 + 24 + 56 = 140 Mio. € y 80 %), beträgt also 88 Mio. €. Es wird kein passiver Steuerabgrenzungsposten gebildet (IAS 12.15a, 12.21A, 12.66), soweit die Kapitalkonsolidierung im Zusammenhang mit einem share deal zur Aktivierung eines Goodwill führt, der steuerlich nicht abgeschrieben werden kann (was in Deutschland bei Kapitalgesellschaften wie der Rübe GmbH der Fall ist). Dieses Verbot vermeidet ansonsten notwendige rechnerische Iterationen (angesetzte passive latente Steuern würden ihrerseits den Goodwill wieder erhöhen), ist aber konzeptionell angreifbar: Werden nämlich spezielle immaterielle Vermögenswerte aktiviert, sind auf diese passive Steuerabgrenzungen vorzunehmen, die ebenfalls den Goodwill erhöhen.
177
3.2
3
IFRS im Konzernabschluss
c) Konzernbilanz der Zucker AG zum 31.12.x3 In der Konsolidierungsspalte ist der Beteiligungsbuchwert (200 Mio. €) gegen das anteilige Eigenkapital (112 Mio. €) aufzurechnen und der sich ergebende Goodwill (88 Mio. €) anzusetzen (Buchung 1). Ferner ist der Anteil anderer Gesellschafter (Minderheiten, in der Terminologie von IFRS 3: „non-controlling interests“) aus den Eigenkapitalposten der Rübe GmbH herauszuziehen und gesondert innerhalb des Eigenkapitals des Konzerns auszuweisen (Buchung 2). Tabelle 3-3:
Konzernbilanz der Zucker AG zum 31.12.x3 (in Mio. €), Lösung MU TU TU Summen(HB II) (HB II) (HB III) bilanz
Goodwill immat. VW Sachanlagen Beteiligung kurzfr. VW Summe gezeichnetes Kapital Rücklagen Minderheiten latente Steuern kurzfr. Verb. Summe
3.2.2
Konsolidierung Soll
Haben
1) 88 15 180 200 60 455 100
80
50 100
40 120 60
50 200 60
65 280 200 110 655 160
105
24
80
185
36 120
24 36 200
24 286 655
88 65 280 1) 200 110 543 100
1) 48 2) 12 1) 64 2) 16
105 2) 28
250 455
KB
28 24 286 543
Folgekonsolidierung – Zucker AG (2)
Rechtsquellen: IFRS 3, IAS 38 Lernziele: Technik der Folgekonsolidierung nach der Neubewertungsmethode; Folgebewertung stiller Reserven; Auflösung latenter Steuern auf Neubewertungsbeträge; Minderheitenanteil und -ausweis Schwierigkeitsgrad:
178
IFRS im Konzernabschluss
Sachverhalt
Die Aufnahme der Rübe GmbH in den Zucker-Konzern (siehe Aufgabe 3.2.1) hat keine besonderen Schwierigkeiten bereitet. Das Geschäftsjahr x4 war für beide Gesellschaften sogar so normal, dass sie exakt dieselben HB IIen erstellt haben wie ein Jahr zuvor. Organisatorisch wird die HB III der Rübe GmbH bei der Konzernmutter geführt. Die Aufstellung der HB III bereitet jedoch Probleme, weil die Zucker AG nicht weiß, wie mit folgenden Informationen umzugehen ist:
Das Forschungsprojekt hat die Rübe GmbH planmäßig weiter geführt und hierfür 10 Mio. € aufwandswirksam in der HB II erfasst.
Die Sachanlagen, die bei der Erstkonsolidierung zu Fair Value-Anpassungen geführt haben, unterliegen einer Nutzungsdauer von 2 Jahren.
Die Vorräte, deren Bilanzwert sich vier Mal umgeschlagen hat, werden nach der Fifo-Methode bewertet.
Aufgabenstellung
Nehmen Sie die Folgekonsolidierung der Rübe GmbH vor und erstellen die Konzernbilanz des Zucker AG-Konzerns zum 31.12.x4. Nutzen Sie das nachfolgende Arbeitsblatt, das die aggregierten Einzelbilanzen der beiden Gesellschaften nach IFRS bereits enthält. Wie ist mit dem Goodwill umzugehen? Erläutern Sie Ihre Vorgehensweise. Tabelle 3-4:
Konzernbilanz der Zucker AG zum 31.12.x4 (in Mio. €), Aufgabenblatt MU TU (HB II) (HB II)
Goodwill immat. VW Sachanlagen Beteiligung kurzfr. VW Summe gezeichnetes Kapital Rücklagen Minderheiten latente Steuern kurzfr. Verb. Summe
15 180 200 60 455 100
40 120 60
105
24
250 455
36 120
TU (HB III)
Summenbilanz
Konsolidierung Soll
Haben
KB
80
179
3.2
3
IFRS im Konzernabschluss
Lösung Die Hauptaufgabe der Erstellung der Konzernbilanz ein Jahr später liegt in der erneuten Erstellung der HB III; die nachfolgende Konsolidierung ist lediglich ein technischer Vorgang. Hinweis: Weil auf Bilanzebene die Zeile „Jahresergebnis“ oder „Bilanzgewinn“ nicht ausgewiesen ist, wird das Jahresergebnis, so weit auf die Gesellschafter des Mutterunternehmens entfallend, innerhalb der Rücklagen ausgewiesen. Diese Ausweisart findet sich in der Praxis häufig. Für das Forschungsprojekt hat die Rübe GmbH weitere 10 Mio. € aufgewandt. Dieser Betrag ist bereits in der HB II aufwandswirksam gebucht worden. Auch aus Konzernsicht dürfen die 10 Mio. € nicht aktiviert werden, obwohl das ursprüngliche Forschungsprojekt im Zusammenhang mit dem Unternehmenserwerb aktiviert worden ist, da es – was hier der Fall ist – die Forschungsphase noch nicht verlassen hat (IAS 38.43a). Die aufgedeckten stillen Reserven bei den Sachanlagen sind über 2 Jahre abzuschreiben, was in x4 zu einem bislang noch nicht erfassten Aufwand von 10 Mio. € führt. Im Bereich der Vorräte haben sich aufgrund der Fifo-Bewertung die stillen Reserven bereits umgeschlagen, so dass hier ebenfalls 10 Mio. € aufwandswirksam in der HB III zu erfassen sind. Dem Aufwand von zusammen 20 Mio. € steht die Auflösung der passiven latenten Steuern in Höhe von 6 Mio. € (= 20 Mio. € y 30 %) gegenüber, so dass sich per Saldo eine Aufwandswirkung von 14 Mio. € in der HB III ergibt. Davon entfallen auf die Mehrheitsgesellschafter 80 %, also 11,2 Mio. €, um die das Konzerneigenkapital sinkt (siehe Zeile „KB“, Spalte „Rücklagen“ im Vergleich zum Vorjahr). Entsprechend nimmt auch der Minderheitenanteil gegenüber der Vorperiode um 2,8 Mio. € ab. Der Goodwill wird nach IFRS 3 nicht planmäßig abgeschrieben. Er ist stattdessen jährlich auf Wertminderung zu prüfen (IAS 36.10b).
180
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-5:
Konzernbilanz der Zucker AG zum 31.12.x4 (in Mio. €), Lösung MU TU TU Summen(HB II) (HB II) (HB III) bilanz
Goodwill immat. VW Sachanlagen Beteiligung kurzfr. VW Summe gezeichnetes Kapital
Soll
Haben
1) 88
Rücklagen Minderheiten latente Steuern kurzfr. Verb. Summe
3.2.3
Konsolidierung
15 180 200 60 455 100
50 90
40 120 60
40 180 60
65 270 200 100 635 160
105
24
66
171
36 120
18 36 180
18 286 635
80
88 65 270 1) 200 100 523 100
1) 48 2) 12 1) 64 2) 13,2
93,8 2) 25,2
250 455
KB
25,2 18 286 523
Full Goodwill Methode – Dolce Vita AG
Rechtsquellen: IFRS 3 Lernziele: Technik der Erstkonsolidierung nach der Full Goodwill Methode im Vergleich zur Neubewertungsmethode; Minderheitenanteil und -ausweis Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die mit Eigenkapitaltiteln börsennotierte Dolce Vita AG – einem Hersteller von Süßwaren und Desserts aller Art – zeigt am 31.12.x1 folgendes hochaggregierte Bilanzbild: Vorläufige Bilanz Dolce Vita AG 31.12.x1 in Mio. €
Diverse Aktiva
70
Eigenkapital Diverse Schulden
30 40
Noch am 31.12.x1, im obigen Bilanzbild noch nicht berücksichtigt, erwirbt die Dolce Vita AG 60 % der Kapitalanteile (= Stimmrechte) der Gelato AG – einem Hersteller von Premium-Speiseeis – für eine Gegenleistung von 20 Mio. € (bar). Für die Gelato AG liegen zum Erwerbszeitpunkt folgende Daten vor:
181
3.2
3
IFRS im Konzernabschluss
Buchwert in Mio €
Fair Value in Mio €
Diverse Aktiva
45
52
Diverse Schulden
30
30
Eigenkapital
15
22
Aufgabenstellung
a) Führen Sie die Erstkonsolidierung der Gelato AG bei der Dolce Vita AG auf den 31.12.x1 nach der Neubewertungsmethode durch.
b) Erläutern Sie zunächst die Unterschiede der Full Goodwill Methode im Vergleich zur Neubewertungsmethode. Welche Veränderungen würden Sie für die Konzernbilanz zum 31.12.x1 nach der Full Goodwill Methode grundsätzlich erwarten?
c) Führen Sie die Erstkonsolidierung nach der Full Goodwill Methode durch. d) Ist die Full Goodwill Methode auch im HGB-Konzernabschluss zulässig? Latente Steuern sind zu vernachlässigen. Nutzen Sie für die Bearbeitung die nachfolgenden Arbeitsblätter, die die aggregierten Einzelbilanzen der beiden Gesellschaften bereits enthalten. Tabelle 3-6:
Erstkonsolidierung zum 31.12.x1 nach der Neubewertungsmethode (in Mio €), Aufgabenblatt MU TU (HB II) (HB II)
Goodwill Beteiligungen Diverse Aktiva Summe Eigenkapital
20 50 70 30
45 45 15
Minderheiten Div. Schulden Summe
40 70
30 45
182
TU (HB III)
Summenbilanz
Konsolidierung Soll
Haben
KB
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-7:
Erstkonsolidierung zum 31.12.x1 nach der Full Goodwill Methode (in Mio. €), Aufgabenblatt MU TU (HB II) (HB II)
Goodwill Beteiligungen Diverse Aktiva Summe Eigenkapital Minderheiten Div. Schulden Summe
20 50 70 30
45 45 15
40 70
30 45
TU (HB III)
Summenbilanz
Konsolidierung Soll
Haben
KB
Lösung
a) Erstkonsolidierung nach der Neubewertungsmethode Bei einer Gegenleistung von 20 Mio. € und einem anteiligen neubewerteten Reinvermögen von 13,2 Mio € (= 22 Mio € y 60 % Anteilsbesitz) ergibt sich ein Goodwill von 6,8 Mio. €. Tabelle 3-8:
Erstkonsolidierung zum 31.12.x1 nach der Neubewertungsmethode (in Mio. €), Lösungsblatt MU TU (HB II) (HB II)
Goodwill Beteiligungen Diverse Aktiva Summe Eigenkapital Minderheiten Div. Schulden Summe
TU (HB III)
Summenbilanz
Konsolidierung Soll
Haben
1) 6,8 20 50 70 30
45 45 15
52 52 22
20 102 122 52
1) 20
1) 13,2 2) 8,8 2) 8,8
40 70
30 45
30 52
70 122
28,8
28,8
KB
6,8 102 108,8 30 8,8 70 108,8
b) Full Goodwill Methode versus Neubewertungsmethode Gemäß IFRS 3.19 können Minderheiten-Anteile auch mit ihrem Fair Value bewertet werden, d,h, einschließlich eines anteiligen Goodwills (im Vergleich zum neubewerte-
183
3.2
3
IFRS im Konzernabschluss
ten anteiligen Nettovermögen bei der Neubewertungsmethode). Der Minderheitenanteil am Konzerneigenkapital fällt beim positiven Goodwill entsprechend höher aus. Mit dieser Methode wird im Ergebnis der Unternehmensgesamtwert des erworbenen Unternehmens im Konzernabschluss abgebildet. Für den vorliegenden Fall sind für die Konzernbilanz ein höherer Goodwill auf der Aktivseite, ein höherer Minderheiten-Anteil im Konzerneigenkapital auf der Passivseite und somit insgesamt eine höhere Bilanzsumme zu erwarten. Sofern Börsenkurse für das erworbene Unternehmen vorhanden sind, sind diese als Fair Value des erworbenen Unternehmens zu Grunde zu legen (IFRS 3.B44). Soweit beim Mehrheits-Anteilserwerb keine Kontrollprämie oder Synergien bezahlt wurden, kann in Abwesenheit von Börsenkursen auch der Wert der Gegenleistung proportional auf die Minderheiten hochgerechnet werden. Sollten vorgenannte Möglichkeiten ausscheiden, ist ein Unternehmensgesamtwert beispielsweise unter Verwendung von DCF-Verfahren zu ermitteln und entsprechend anteilig den Minderheiten zuzurechnen.
c) Erstkonsolidierung nach der Full Goodwill Methode Beim Erwerb der Kontroll-Mehrheit durch die Dolce Vita AG sei keine Kontrollprämie gezahlt wurden. Auch Synergien spielten bei der Gegenleistung keine Rolle. Der Fair Value der Minderheiten-Anteile lässt sich dann durch Hochrechnung der Gegenleistung der Dolce Vita (Dreisatz!) wie folgt ermitteln: Tabelle 3-9:
Hochrechnung der Gegenleistung Dolce Vita AG (in Mio. €)
Full Goodwill Methode
Total 100 %
Gegenleistung für 60 % von Gelato Fair Value 40 % Minderheitenanteile Summe Neubewertetes Nettovermögen Gelato Goodwill Gesamt
Dolce Vita (60 %)
33,3 22 11,3
20 0 20 13,2 6,8
Minderheiten (40 %) 0 13,3 13,3 8,8 4,5
Bei der Konsolidierung ist wie folgt zu buchen: 1) Kapitalkonsolidierung Dolce Vita AG Konto
T€
Goodwill
6,8
Eigenkapital
184
Konto
13,2 an Beteiligungen
T€
20
IFRS im Konzernabschluss
2) Kapitalkonsolidierung Minderheiten Konto
T€
Konto
T€
Goodwill
4,5
Eigenkapital
8,8 an Minderheiten
13,3
Insgesamt ergibt sich im Vergleich zur Neubewertungsmethode ein um 4,5 Mio. € höherer Goodwill auf der Aktivseite und in gleicher Höhe höheres Konzerneigenkapital (im Posten Minderheiten) auf der Passivseite. Sollten in künftigen Perioden außerplanmäßige Abschreibungen am Goodwill vorgenommen werden müssen, werden die Minderheiten daran entsprechend ihres Anteils am Goodwill beteiligt. Tabelle 3-10:
Erstkonsolidierung zum 31.12.x1 nach der Full Goodwill Methode (in Mio. €), Lösungsblatt MU TU (HB II) (HB II)
TU (HB III)
Summenbilanz
Goodwill - Dolce Vita - Minderheiten Beteiligungen Diverse Aktiva Summe Eigenkapital
20 50 70 30
45 45 15
52 52 22
20 102 122 52
Minderheiten Div. Schulden Summe
40 70
30 45
30 52
70 122
Konsolidierung Soll
Haben
KB 11,3
1) 6,8 2) 4,5 1) 20
102 113,3 30
2) 13,3
13,3 70 113,3
1) 13,2 2) 8,8
185
3.2
3
IFRS im Konzernabschluss
3.3
Spezialfälle und übergreifende Aufgaben
3.3.1
Gegenleistungen des Erwerbs – Alleskauf AG
Rechtsquellen: IFRS 3 Lernziele: Bestimmung der Gegenleistung (Kaufpreis) für den Unternehmenserwerb durch Earn-out-Klauseln und Abfindungen Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Sie arbeiten als Praktikant im Rechnungswesen der Alleskauf AG, einem börsennotierten Mutterunternehmen eines Mischkonzerns in Süddeutschland. Man munkelt, dass der Konzern in Kürze weitere Unternehmen übernehmen will. Ihr Chef, der in internationaler Rechnungslegung immer noch nicht sicher ist, kommt direkt an Ihrem zweiten Arbeitstag zu Ihnen und beauftragt Sie, sich einige Sachverhalte im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen anzusehen und ihm über die jeweilige Bilanzierung zu berichten: (1)
Alleskauf erwirbt am 31.10.x1 alle Anteile von TUC für eine Gegenleistung von 800 T€ in bar. Außerdem wird vereinbart, dass Alleskauf in x4 eine Zahlung i.H.v. 70 % des operativen Ergebnisses der TUC aus den Jahren x2 und x3 leistet. Zum Erwerbszeitpunkt wird ein operatives Ergebnis der TUC von je 80 T€ in den Jahren x2 und x3 geschätzt. Tatsächlich erwirtschaftet TUC jedoch in x2 nur ein operatives Ergebnis von 60 T€, woraufhin die Schätzung für x3 ebenfalls auf 60 T€ angepasst wird. In x3 erzielt TUC aber 70 T€.
(2)
Alleskauf erwirbt TUD für eine Gegenleistung in bar i.H.v. 1.200 T€. Alleskauf will nach dem Erwerb das Management von TUD gegen eine Abfindungszahlung von 60 T€ ersetzen. Macht es für die Bilanzierung des Unternehmenserwerbs einen Unterschied, ob (2.1) die Abfindungszahlung mit dem Management nach dem Erwerb vereinbart wurde; oder (2.2) die Altgesellschafter bereits vor Jahren mit dem Management eine Vereinbarung über die Zahlung von 60 T€ für den Fall einer Unternehmensübernahme mit Managementwechsel vereinbart haben?
Aufgabenstellung
Beurteilen Sie, wie die Sachverhalte in den jeweiligen Jahren bilanziell abzubilden sind. Zeigen Sie die Auswirkungen auf die Gegenleistung der Unternehmenserwerbe, geben Sie die Buchungssätze an und begründen Sie Ihre Ergebnisse.
186
IFRS im Konzernabschluss
Lösung (1)
Earn-Out-Klausel
Im vorliegenden Sachverhalt ist eine bedingte Kaufpreiszahlung vereinbart worden, eine sog. Earn-Out-Klausel, wie sie häufig bei Unternehmenserwerben zu beobachten ist. Bedingte Kaufpreiszahlungen sind als finanzielle Verbindlichkeit zum Fair Value zu bewerten (IFRS 3.58bi) und in die Berechnung der Gegenleistung des Unternehmenserwerbs einzubeziehen. In den Folgejahren wird die erfasste Gegenleistung nicht angepasst, die Verbindlichkeit ist jedoch erfolgswirksam zu korrigieren, sofern sich der Fair Value ändert. Alleskauf schätzt ein kumuliertes operatives Ergebnis von 160 T€ für TUC, woraus sich eine Zahlungsverpflichtung von 112 T€ ergäbe. Die 112 T€ erhöhen die Gegenleistung und sind in x1 als Verbindlichkeit zu passivieren: Konto Beteiligung
T€
Konto
912 an Bank (=800+0,7y160) an Verbindlichkeit
T€ 800 112
In x2 ist tatsächlich nur ein operatives Ergebnis von 60 T€ erzielt und daraufhin die Schätzung für x3 ebenfalls angepasst worden. Erwartet werden nun 120 T€ operatives Ergebnis, also eine zusätzliche Zahlung von 84 T€ (= 120 0,7). Die Verbindlichkeit ist nun ergebniswirksam um 28 T€ auf 84 T€ zu korrigieren: Konto
T€
Konto
T€
Verbindlichkeit
28 an Ertrag
28
In x3 wird schlussendlich ein operatives Ergebnis von 70 T€ erzielt, kumuliert also 130 T€. Die Zahlungsverpflichtung beträgt demnach 91 T€: Konto Aufwand
T€
Konto
7 an Verbindlichkeit
T€ 7
Auffällig ist: Der Beteiligungsbuchwert bleibt bei allen weiteren Schätzungen der Verbindlichkeit konstant. Durch die erfolgswirksame Anpassung der Verbindlichkeit in den Folgeperioden lässt sich Bilanzpolitik betreiben: Eine zu hoch geschätzte bedingte Zahlungsverpflichtung führt in künftigen Perioden zu Erträgen.
187
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
(2)
Abfindungszahlungen (Exit Fee)
(2.1) Leistungsgerechte Entgelte, die nach dem Erwerb an Mitarbeiter gezahlt werden, sind als Aufwand zu erfassen. Nicht leistungsgerechte Entgelte jedoch zählen zur Gegenleistung des Unternehmenserwerbs (IFRS 3.52b). Da die Zahlung erst nach dem Erwerb vereinbart wurde, handelt es sich um eine klassische Abfindungszahlung, so dass trotz Nichtleistung ein leistungsgerechtes Entgelt vorliegt. Die Leistung des bisherigen Managements liegt tatsächlich im Ausscheiden (IFRS 3.IE60). Die Abfindungszahlung ist als Aufwand nach dem Erwerbszeitpunk zu erfassen. Erwerb: Konto Beteiligung
T€
Konto
1.200 an Bank
T€ 1.200
Abfindungszahlung: Konto
T€
Konto
Aufwand
60 an Bank
T€ 60
(2.2) Es handelt sich um eine von TUD vertraglich zugesicherte Zahlungsverpflichtung, die vom Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig ist. Die Schuld gegenüber dem Management entsteht bei Eintritt des Ereignisses, also des Unternehmenserwerbs. Honoriert wird daher die vergangene Leistung des Managements, das so gut gearbeitet hat, dass es zum Unternehmenserwerb gekommen ist (IFRS 3.IE58 f.). Der Alleskönner Konzern wird nicht mit Aufwand belastet, so dass sie Zahlung nach dem Erwerb den Beteiligungsbuchwert (und nach der Konsolidierung den Goodwill) erhöht: Konto Beteiligung
T€
Konto
1.260 an Bank Verbindlichkeiten
188
T€ 1.200 60
IFRS im Konzernabschluss
3.3.2
Reverse Acquisition – Klein AG
Rechtsquellen: IFRS 3 Lernziele: Technik der Erstkonsolidierung; Aufdeckung stiller Reserven; Bilanzierung und Erstkonsolidierung bei reverse acquisitions; Unterschied zwischen dem rechtlichen und dem wirtschaftlichen Erwerber Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Der Vorstand der Klein AG, ein an der Düsseldorfer Börse notiertes Handelsunternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 20 Mio. €, erwägt den Erwerb der ebenfalls im Handel tätigen, aber nicht börsennotierten Groß AG zum 31.12.x1. Unstrittig beträgt der faire Marktwert der Groß AG 60 Mio. €. Unschlüssig ist sich der Vorstand der Klein AG jedoch über die Finanzierung des Unternehmenserwerbs. In Erwägung gezogen wird (1) ein durch Aufnahme neuer Schulden bei der Hausbank finanzierter Barkauf oder (2) die Ausgabe neuer Aktien, also die Durchführung einer Kapitalerhöhung mit Hingabe der neuen Aktien an die Altaktionäre der Groß AG. In der Bilanz der Klein AG schlummern einzeln identifizierbare stille Reserven von 2 Mio. €, und in der der Groß AG von 7 Mio. €. Aufgabenstellung
a) Nimmt die Art der Finanzierung Einfluss auf die Position der Gesellschafter des Konzerns nach dem Unternehmenszusammenschluss? Gibt es einen Unterschied zwischen dem rechtlichen und dem wirtschaftlichen Erwerber?
b) Nehmen Sie an, der Unternehmenserwerb erfolgt nach Variante (1). Führen Sie die Erstkonsolidierung durch!
c) Nehmen Sie nun an, der Unternehmenserwerb erfolgt nach Variante (2). Führen Sie die Erstkonsolidierung durch! Nutzen Sie für die Bearbeitung die nachfolgenden Aufgabenblätter, die die aggregierten Bilanzen der Klein AG und Groß AG vor dem Unternehmenserwerb bereits enthalten. Latente Steuern sind zu vernachlässigen.
189
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-11:
Bilanz des Klein-Groß-Konzerns zum 31.12.x1 (in Mio. €), Aufgabenblatt für Aufgabe b) Klein Klein (HB II) (HB II) Groß Groß vor nach (HB II) (HB III) Erwerb Erwerb
Goodwill Beteiligung div. Aktiva Summe gezeichnetes Kapital Kapital-RL Gewinn-RL div. Schulden Summe
Tabelle 3-12:
10 10 5
190
Konsolidierung Soll
KB
Haben
55 55 6
2 3
34 15 55
10
Bilanz des Klein-Groß-Konzerns zum 31.12.x1 (in Mio. €), Aufgabenblatt für Aufgabe c) Klein Klein (HB II) (HB III) vor nach Erwerb Erwerb
Goodwill Beteiligung div. Aktiva Summe gezeichnetes Kapital Kapital-RL Gewinn-RL div. Schulden Summe
Summenbilanz
10 10 5 2 3 10
Konsolidierung Groß (HB II)
55 55 6
34 15 55
Summenbilanz
Soll
Haben
KB
IFRS im Konzernabschluss
Lösung
a) Position der Gesellschafter nach dem Zusammenschluss Im Fall (1) verkaufen alle Altgesellschafter der Groß AG ihre Anteile, so dass am Konzern ausschließlich die bisherigen Gesellschafter der Klein AG beteiligt sind. Im Fall (2) dagegen tauschen die Altgesellschafter der Groß AG ihre Anteile gegen solche der Klein AG. Daher werden sie – im vorliegenden Beispiel mit 75 % - Mehrheitsgesellschafter der Klein AG. Die ökonomische Perspektive aus Gesellschaftersicht ist also durchaus unterschiedlich: Während im Fall (1) die Altgesellschafter der Groß AG ausscheiden, übernehmen sie im Fall (2) die Kontrolle über den Konzern. Umgekehrt behalten nur im Fall (1) die Altgesellschafter der Klein AG die Kontrolle über den Konzern. Gesellschaftsrechtlich ist Fall (2) nur unter Ausschluss des Bezugsrechts der neuen Anteile durch die Altgesellschafter der Klein AG möglich. IFRS 3 möchte diese ökonomische Perspektive durch die Bilanzierung zum Ausdruck bringen und steht dabei vor dem Problem, dass nicht die Gesellschaftergruppen, sondern eine juristische Person, also ein Unternehmen, den Konzernabschluss aufstellt. Aus der Perspektive der Gesellschaft, hier der Klein AG, ist diese in beiden Fällen zwar der (juristische) Erwerber der Anteile der Groß AG. Bezieht man die Gesellschafterebene mit ein, ist die Klein AG aber nur im Fall (1) zugleich auch der wirtschaftliche Erwerber. Bei der Konsolidierung werden dann die Buchwerte der Klein AG fortgeführt, während bei der Groß AG die stillen Reserven und ein Goodwill aufgedeckt werden. Im Fall (2) dagegen ist die Groß AG der wirtschaftliche Erwerber. Dann führt umgekehrt zu (1) die Groß AG ihre Buchwerte fort, und bei der Klein AG werden stille Reserven und ein Goodwill aufgedeckt. Diese Art der Konsolidierung ist bei der hier im Fall (2) vorliegender reverse acquisition , dem umgekehrten Unternehmenserwerb, vorzunehmen. Es bleibt aber dabei, dass die Klein AG in beiden Fällen den Konzernabschluss aufstellt.
b) Erstkonsolidierung nach Barkauf Die Klein AG bucht die Beteiligung (60 Mio. €) und in gleicher Höhe die Schulden ein. Bei der Groß AG werden die stillen Reserven von 7 Mio. € in der HB III angesetzt und das Eigenkapital entsprechend erhöht. Aus der Kapitalkonsolidierung ergibt sich dann ein Goodwill von 13 Mio. €:
191
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-13:
Bilanz des Klein-Groß-Konzerns zum 31.12.x1 (in Mio. €), Lösungsblatt Neubewertungmethode Klein Klein (HB II) (HB II) Groß vor nach (HB II) Erwerb Erwerb
Goodwill Beteiligung div. Aktiva Summe gezeichnetes Kapital Kapital-RL Gewinn-RL div. Schulden Summe
Groß Summen(HB III) bilanz
Konsolidierung Soll 1) 13
10 10 5 2 3 10
60 10 70 5
55 55 6
62 62 6
60 72 132 11
2 3 60 70
34 15 55
41 15 62
2 44 75 132
1) 60
1) 6
1) 41
KB
Haben 13 72 85 5 2 3 75 85
c) Erstkonsolidierung nach Anteilstausch Bei einer reverse acquisition stellt der rechtliche Erwerber (die Klein AG) den Konzernabschluss zwar auf, gilt aber wirtschaftlich als erworbenes Unternehmen. Also ist für die Klein AG einerseits die Kapitalerhöhung einzubuchen und andererseits unter Aufdeckung stiller Reserven eine HB III zu erstellen. Die technische Reihenfolge der beiden Buchungen beginnt hier mit dem juristischen Schritt der Kapitalerhöhung. Der Marktwert der Klein AG beträgt 20 Mio. € und der der Groß AG 60 Mio. €. Daher ist eine Kapitalerhöhung im Verhältnis des Nennkapitals von 1:3 durchzuführen. Bei bislang 5 Mio. gezeichnetem Kapital erhöht sich dieses um 15 Mio. € auf 20 Mio. Bei der Klein AG ist zu buchen: Konto Beteiligung
Mio. €
Konto
60 an Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage
Mio. € 15 45
Sodann ist die Klein AG zum Marktwert anzusetzen, es sind also stille Reserven (vor dem Unternehmenserwerb) von 2 Mio. € und der Goodwill von 8 Mio. € anzusetzen, ebenfalls mit Gegenbuchung in der Kapitalrücklage:
192
IFRS im Konzernabschluss
Konto
Mio. €
Konto
Mio. €
Goodwill
8
Diverse Aktiva
2 an Kapitalrücklage
10
Bei der Konsolidierung ist schließlich zu beachten, dass das gezeichnete Kapital der Klein AG - nach Kapitalerhöhung - als rechtliche Erwerberin und Aufstellerin des Konzernabschlusses in die Konzernbilanz übernommen wird (IFRS 3.B22d). Die Gewinnrücklagen allerdings sind von der Groß AG fortzuführen (IFRS 3.B22c). Es ist also zunächst der Beteiligungsbuchwert bei der Klein AG mit dem gezeichneten Kapital der Groß AG, den Gewinnrücklagen der Klein AG und im Übrigen gegen die Kapitalrücklage zu verrechnen. Daraus ergibt sich folgende Buchung: Konto
Mio. €
Gezeichnetes Kapital (Groß)
Konto
Mio. €
6
Kapitalrücklage (saldo)
51
Gewinnrücklagen (Klein)
3 an Beteiligung
60
Zusammengefasst ergibt sich für die Konzernbilanz folgendes Bild: Tabelle 3-14:
Bilanz des Klein-Groß-Konzerns zum 31.12.x1 (in Mio. €), Lösungsblatt Reverse Acquisition Klein Klein (HB II) (HB III) vor nach Erwerb Erwerb
Goodwill Beteiligung div. Aktiva Summe gezeichnetes Kapital Kapital-RL Gewinn-RL div. Schulden Summe
10 10 5
8 60 12 80 20
2 3
57 3
10
80
Konsolidierung Groß (HB II)
Summenbilanz
55 55 6
8 60 67 135 26
34 15 55
57 37 15 135
Soll
Haben
1) 60
1) 6 1) 51 1) 3
KB
8 67 75 20 6 34 15 75
193
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
Anmerkung: Bei „normalen“ Unternehmenserwerben kommen reverse acquisitions i.d.R. nicht vor. Dennoch haben sie praktische Relevanz, wenn z.B. ein größeres, nicht börsennotiertes Unternehmen durch einen Unternehmenszusammenschluss mit einem kleineren, börsennotierten Unternehmen einen indirekten – und auch kostengünstigeren – Börsengang durch Anteilstausch, wie oben beschrieben, anstrebt.
3.3.3
Fair Value-Ermittlung bei Erstkonsolidierung – Brandnew GmbH
Rechtsquellen: IFRS 3, IAS 38 Lernziele: Kennen lernen von verschiedenen Methoden der Fair Value-Ermittlung bei der Erstkonsolidierung, insbesondere für immaterielle Vermögenswerte Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Big Mother AG hat am 01.01.x1 100 % der Anteile an der Brandnew GmbH zu einen Kaufpreis von 120 Mio. € erworben. Die Brandnew GmbH produziert und vertreibt Kosmetikartikel für den Einzelhandel. Die nach konzerneinheitlichen Richtlinien aufgestellte Bilanz der Brandnew GmbH (Handelsbilanz II) weist zum 01.01.x1 folgende Vermögenswerte und Schulden aus: Tabelle 3-15:
Brandnew GmbH, Handelsbilanz II (in T€)
Bezeichnung
01.01.x1
Software
15.000
Sachanlagen
50.000
Vorräte
60.000
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
35.000
Sonstige Vermögenswerte
10.000
Vermögenswerte insgesamt
170.000
Rückstellungen
15.000
Bankverbindlichkeiten
40.000
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
40.000
Sonstige Verbindlichkeiten
25.000
Verbindlichkeiten insgesamt Eigenkapital
194
120.000 50.000
IFRS im Konzernabschluss
Die Konsolidierungsabteilung ist damit beauftragt, für die Erstkonsolidierung die sog. Handelsbilanz III aufzustellen. Aus der durchgeführten Due Diligence und den Kaufpreisverhandlungen liegen folgende Informationen vor: (1) Verkaufsrenner bei Brandnew ist zurzeit die Creme „No Wrinkles“, für die ein Markenrecht besteht. Man nimmt an, dass die Creme in den nächsten 5 Jahren einen Umsatz von konstant 50 Mio. € p.a. generiert und dann eingestellt wird. Der Leiter Rechnungswesen meint, man könne den Wert einer Marke durch die Methode der Lizenzpreisanalogie bestimmen, wobei hier fremdübliche Lizenzgebühren von 5 % p.a. vom Umsatz sowie ein Diskontierungssatz von 10 % p.a. jeweils nach Steuern zu unterstellen seien; außerdem murmelt er noch etwas von einem zu beachtenden Steuervorteil. (2) Mit einigen Einzelhandelsketten hat Brandnew Fest- und Rahmenverträge bis ins Jahr x3 geschlossen. Man geht davon aus, dass die Profitabilität des vertraglich gesicherten Auftragsbestands dem Unternehmensdurchschnitt entspricht. Mithin werden sich die einzelnen Aufwandsbestandteile in jedem Jahr proportional zum Umsatz aus den Fest- und Rahmenverträgen verhalten. Aus der Planungsabteilung liegen folgende budgetierten Werte für die Gesamterfolgsrechnung vor: Tabelle 3-16:
Budgetierte Gesamt-GuV der Brandnew GmbH x1
Umsatz Materialaufwand Personalaufwand sonstige betriebliche Aufwendungen Abschreibung Sachanlagen Abschreibung Marke (aus (1))
100.000 - 40.000 - 20.000 - 10.000 - 7.000
x2
105.000 - 42.000 - 21.000 - 10.500 - 7.000
x3
113.000 - 45.200 - 22.600 - 11.300 - 7.000
Ein Controllingmitarbeiter wirft ein, während seines Studiums an der FH Erfurt etwas von der Residualwertmethode gehört zu haben, mit der der Vorteil aus einem Auftragsbestand gut zu bewerten wäre. Dazu sei ein Tableau zu verwenden, in das er schon einige Daten eingetragen habe, insbesondere das (leicht unter dem Stand vom 01.01.x1) erwartete Nettoumlaufvermögen, den Anteil des vertraglich gesicherten Umsatzes am erwarteten Gesamtumsatz, die Zeitwerte des gebundenen Kapitals und einige Zinssätze. Außerdem sei auch hier auf den Steuervorteil zu achten. Der Leiter Rechnungswesen wundert sich beim Blick auf das Tableau nicht über die Verwendung unterschiedlicher Zinssätze zur Berechnung der Kosten der Kapitalbindung; ihm ist natürlich bekannt, dass sich die Höhe der Zinssätze aus dem jeweiligen Risikoprofil des entsprechenden Zahlungsstroms ergibt und im Übrigen der Diskontierungssatz von 7 % nach Steuern die gewichteten Kapitalkosten (WACC) des Ge-
195
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
samtunternehmens reflektiert. Auf der anderen Seite ist ihm jedoch unklar, wieso in dem Tableau der Fair Value eines Mitarbeiterstamms auftaucht. Tabelle 3-17:
Bewertung Auftragsbestand nach Residualwertmethode, Aufgabenblatt Nachrichtlich Zeitwert
x1
x2
x3
Zinssatz Zinsen
Nettoumlaufvermögen gesamt geplanter Gesamtumsatz davon vertraglich gesichert in % vertraglich abgesichert in T€ Materialaufwand Personalaufwand sonst. betr. Aufwendungen Abschreibung Sachanlagen Abschreibung Marke
12.000 13.000 14.000 100.000 105.000 113.000 80 % 60 % 25 % 80.000 63.000 28.250
1. EBIT
Verzinsung Sachanlagen Verzinsung Marke Verzinsung Mitarbeiterstamm Verzinsung Nettoumlaufverm. 2. kalkulatorische Verzinsung 1. + 2. = Ergebnis nach Zinsen Unternehmenssteuern (33 %) Überschüsse nach Steuern Diskontierungssatz Barwert Summe Barwerte
70.000 20.000 s.o.
10,0 % - 7.000 15,0 % 15,0 % - 3.000 6,0 %
7,0 %
7,0 %
7,0 %
(3) Die Brandnew GmbH hat ein Projekt „Eternally no Wrinkles“ in der Forschungspipeline. Eine Aktivierung kam bisher nicht in Betracht, weil das Entwicklungsstadium noch nicht erreicht wurde. Die Big Mother AG hat diesem Projekt jedoch einen Kaufpreisanteil von 5 Mio. € beigemessen, außerdem 7 Mio. € für bisher nicht aktivierte Entwicklungsprojekte, die sie als aussichtsreicher beurteilt als die alte Geschäftsführung der Brandnew GmbH. (4) Der Wert von Werbemaßnahmen für neu eingeführte Produkte, die die Brandnew GmbH im vergangenen Jahr durchgeführt hat, wird auf 10 Mio. € geschätzt. (5) Die Brandnew GmbH hat einen unstrittig als Operating Lease einzustufenden Leasingvertrag über eine Maschine abgeschlossen, der noch drei Jahre läuft und jährliche nachschüssige Leasingraten von 3 Mio. € erfordert. Die Leasingraten sind besonders
196
IFRS im Konzernabschluss
günstig, da der Vertrag zu Zeiten sehr niedriger Zinsen abgeschlossen wurde. Nach heutigen Marktverhältnissen wären Leasingraten von 4 Mio. € p.a. zu zahlen, wobei ein Leasinggeber mit 6 % p.a. kalkulieren würde. (6) Lt. eingeholten Gutachterwerten beträgt der Fair Value des Sachanlagevermögens 70 Mio. €. (7) Die Brandnew GmbH ist mit einer Produkthaftpflichtklage in den USA konfrontiert, da Hunde der Rasse Mops, die von ihren Besitzerinnen mit „No Wrinkles“ eingerieben wurden, vereinzelt Rötungen des Fells aufwiesen. Die Brandnew GmbH hatte in den Packungsbeilagen nicht darauf hingewiesen, dass die Creme für Tiere ungeeignet ist. Eine Rückstellung wurde bisher nicht gebildet, weil man die Klage für abwegig hielt und ein mögliches Risiko durch die Produkthaftpflicht gedeckt sieht. Bei den Kaufpreisverhandlungen hatte die Big Mother AG vorgeschlagen, in Abhängigkeit vom Prozessausgang eine spätere Kaufpreiskorrektur vorzunehmen. Dies hatte der Verkäufer abgelehnt. Um die Sache abzuschließen, einigte man sich stattdessen auf einen Kaufpreisabschlag von 3 Mio. €. Die Big Mother AG schätzt die Bandbreite des Risikos der Klage bei Gleichverteilung auf zwischen 0 Mio. € und 5 Mio. €. (8) Die Big Mother AG sieht in einem Teilbereich der Brandnew GmbH Restrukturierungsbedarf und hat für Personalabfindungen einen Betrag von 8 Mio. € vom Kaufpreis abgezogen. Eine Unterrichtung der Mitarbeiter ist bis zum 01.01.x1 weder durch die Brandnew GmbH noch durch die Big Mother AG erfolgt. (9) Von den Bankverbindlichkeiten der Brandnew GmbH (40 Mio. €) sind 20 Mio. € variabel verzinslich und 20 Mio. € mit 8 % festverzinslich. Der festverzinsliche Kredit läuft noch 3 Jahre. Der aktuelle Marktzins für vergleichbare Festkredite beträgt 5 %. (10) Der Ertragsteuersatz beträgt 33 %. Aufgabenstellung
a) Prüfen Sie die vorstehenden Sachverhalte auf ihren Ansatz in der HB III. b) Skizzieren Sie allgemein, wie Vermögenswerte und Schulden bei einem Unternehmenserwerb vom Erwerber zu bewerten sind. Welches Problem stellt sich insbesondere bei immateriellen Vermögenswerten, und wieso wird in diesem Zusammenhang bei der Bewertung der Sachverhalte (1) und (2) von einem Steuervorteil gesprochen? Erläutern Sie Begriff und Anwendungsbereich des Tax Amortisation Benefit. Was spricht für seine Berücksichtigung, und was könnte sich auch dagegen vorbringen lassen?
c) Bewerten Sie die anzusetzenden Posten (inklusive des Steuervorteils). Verwenden Sie für die Überleitung von der HB II zur HB III das folgende Schema. Warum sind latente Steuern anzusetzen?
197
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-18:
Überleitung von HB II zur HB III (in T€), Aufgabenblatt
Bezeichnung Nettovermögen (= Eigenkapital) lt. HB II
01.01.x1 50.000
(1) Marke „No Wrinkles“ (2) Auftragsbestand (3) Forschungs- und Entwicklungsprojekte (4) Werbemaßnahmen (5) Leasingvertrag (6) Sachanlagen (7) Prozessrisiko (8) Restrukturierungsrückstellung (9) Bankverbindlichkeiten Fair Value Anpassungen brutto
(10) latente Steuern Fair Value Anpassungen netto Fair Value des Nettovermögens (= Eigenkapital) lt. HB III
d) Ermitteln Sie den Goodwill. Was können die Ursachen für den Kaufpreis von 120 Mio. € gewesen sein?
e) Wie wäre zu bilanzieren, wenn die Big Mother AG nur einen Kaufpreis von 65 Mio. € für die Brandnew GmbH gezahlt hätte?
f)
Wie wäre die Marke „No Wrinkles“ (Sachverhalt (1)) zu bewerten, wenn die Big Mother AG ein eigenes Konkurrenzprodukt zu „No Wrinkles“ besitzt und plante, die Marke „No Wrinkles“ einzustellen?
Lösung
a) Ansatz in der HB III Aufgrund der Einzelerwerbsfiktion ist aus Sicht (eines hypothetischen) Erwerbers zu beurteilen, ob beim erworbenen Unternehmen Vermögenswerte und Schulden vorliegen, die nach IFRS 3 anzusetzen sind, unabhängig davon, ob sie beim erworbenen Unternehmen selbst bilanziert worden sind. Regelmäßig wird zu beobachten sein, dass das Mengengerüst der in der HB III anzusetzenden Posten gegenüber der HB II ansteigt. Dies hängt mit erleichterten Ansatzkriterien bei immateriellen Vermögenswer-
198
IFRS im Konzernabschluss
ten und Eventualschulden zusammen, wenn diese bei einem Unternehmenserwerb zugehen:
Bei immateriellen Vermögenswerten ist zwar noch die Vermögenswerteigenschaft, insbesondere die Kriterien der Identifizierbarkeit und Kontrolle zu prüfen; auf den künftigen Nutzenzufluss kommt es aber nicht mehr an, weil dieser im gezahlten Unternehmenskaufpreis bereits zum Ausdruck gekommen sei (IAS 38.33 f.).
Umgekehrt muss bei Eventualschulden das Schuldkriterium der künftigen Außenverpflichtung vorliegen, aber auch hier kommt es auf die Wahrscheinlichkeit des künftigen Nutzenabflusses nicht mehr an, weil der Erwerber insoweit einen Kaufpreisabschlag gemacht hat (IFRS 3.23).
In beiden Fällen könnte ein Ansatz im Konzernabschluss nur noch dann scheitern, wenn eine zuverlässige Fair Value-Bewertung nicht möglich wäre; bei der Brandnew GmbH ist die zuverlässige Bewertung aber in allen Punkten möglich. Das bedeutet: Die rechtlich/vertraglich abgesicherten immateriellen Sachverhalte Markenrecht (1), Auftragsbestand (2) und der Leasingvertragsvorteil (5) sind identifizierbar und daher anzusetzen. Die Forschungs- und Entwicklungsprojekte (3) sind offensichtlich separierbar; die Big Mother AG hätte sie auch einzeln erwerben können. Dagegen kann ein Aktivposten für die Werbemaßnahmen (4) nicht angesetzt werden. Zwar ist der künftige Vorteil bestimmbar, aber er ist weder rechtlich abgesichert noch separierbar (einzel- oder gruppenverwertbar). Beim Potential des Mitarbeiterstamms (2) mangelt es an der Kontrolle, die Mitarbeiter können auch kündigen (IAS 38.15 und IFRS 3.B37). Das als Eventualschuld bislang nicht passivierte Prozessrisiko (7) ist als Rückstellung anzusetzen, wohingegen für die Restrukturierung (8) ein Passivierungsverbot besteht (im Ergebnis IFRS 3.11). Die Sachverhalte Anlagevermögen (6) und Bankverbindlichkeiten (9) schließlich lösen nur Bewertungsänderungen aus.
b) Steuervorteil Bei einem Unternehmenserwerb sind die erworbenen Vermögenswerte (und Schulden) einzeln zu bewerten und zum Fair Value in der Bilanz des Erwerbers anzusetzen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen share deal oder um einen asset deal handelt. Der Fair Value ist der objektive Einzeltauschwert/ Marktpreis eines Vermögenswertes bzw. einer Schuld unter Abstraktion der subjektiven Verhältnisse des tatsächlichen Erwerbers (s. Aufgabe 3.1.3). Der Marktpreis reflektiert dabei alle am Markt bewerteten objektiven Nutzenvorteile/ Nachteile aus dem bewerteten Posten. Gerade bei immateriellen Vermögenswerten, zumal wenn sie im Wege eines Unternehmenserwerbs als einer unter vielen Bestandteilen des Vermögens zugegangen sind, sind jedoch Marktpreise oft nicht erhältlich. Dann ist eine Bewertungsmethode zu verwenden, um einen Marktpreis zu schätzen. Häufig wird bei der Bewertung immaterieller Vermö-
199
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
genswerte auf kapitalwertorientierte DCF-Verfahren zurückgegriffen. Bei diesen Verfahren wird aus den erwarteten künftigen finanziellen Überschüssen aus der Nutzung des immateriellen Vermögenswertes ein Barwert berechnet, der den Wert des Postens darstellen soll. In künftigen Perioden wird jedoch durch planmäßige und/oder außerplanmäßige Abschreibungen des Postens noch ein Steuervorteil erzielt, der in dem Barwert noch nicht enthalten ist. Dieser Vorteil (Tax Amortisation Benefit) ist unabhängig davon, ob sich der konkret zu bilanzierende Unternehmenserwerb im Wege des share deal oder des asset deal vollzieht, zu erfassen. Die Begründung lautet, dass sich der Fair Value aus Sicht eines hypothetischen Erwerbers ergibt, der den Gegenstand durch Einzelerwerb (Marktpreis!) erlangt und diesen daher abschreiben kann. Der künftige Steuervorteil ist daher ebenfalls zum Barwert zu berechnen und dem Vermögenswert hinzuzuaddieren (IDW RS HFA 16, Rz. 38; zur Berechnungsmethode siehe Lösung zu c). Die Bewertung über DCF-Verfahren soll letztlich den Marktpreis des immateriellen Vermögenswertes simulieren. Gegen die Berücksichtigung des Steuervorteils lässt sich dann vor allem vorbringen, dass unklar ist, ob ein Einzelerwerber den Steuervorteil tatsächlich (in voller Höhe) vergüten würde. So könnte unsicher sein, dass tatsächlich ein zu versteuerndes Ergebnis erzielt wird, gegen das die künftige Abschreibung verrechnet wird. Auch die Verwendung unterschiedlicher Steuerarten und -sätze würde die Werthöhe des Vermögenswertes beeinflussen.
c) Fair Value Bewertung in der HB III (1)
Markenwert No Wrinkles
Nach der Methode der kapitalwertorientierten Lizenzpreisanalogie ergibt sich pro Jahr eine Lizenzgebühr von 2.500 T€ (= 5 % von 50.000 T€). Diese ist mit dem angegebenen Zinssatz von 10 % p.a. über 5 Jahre zum Barwert zu berechnen. Das ergibt einen Betrag von gerundet 9.500 T€, der jedoch den künftigen Steuervorteil noch nicht enthält. Bei der Ermittlung des Steuervorteils entsteht ein Zirkularitätsproblem, weil die Abschreibung auf den Fair Value erfolgt, dieser aber wiederum den Barwert des abschreibungsbedingten Steuervorteils enthält. Dieser kann jedoch durch Iteration ermittelt werden:
200
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-19:
Ermittlung des Steuervorteils bei „No Wrinkles“
Jahr Schritt 1 AfA p.a. (1/5)
Steuerersparnis AfA (33 %) Schritt 2 AfA auf Wert (9.500 + 2.383)
Steuerersparnis AfA (33 %) Schritt 3 AfA auf Wert (9.500 + 2.980)
Steuerersparnis AfA (33 %) Schritt 4 AfA auf Wert (9.500 + 3.130)
Steuerersparnis AfA (33 %) Schritt 5 AfA auf Wert (9.500 + 3.168)
Steuerersparnis AfA (33 %) Schritt 6 AfA auf Wert (9.500 + 3.177)
Steuerersparnis AfA (33 %)
1
2
3
4
1.900 1.900 1.900 1.900
5
Barwert
1.900
9.500
627
627
2.383
2.377 2.377 2.377 2.377
2.377
11.883
784
784
2.980
2.496 2.496 2.496 2.496
2.496
12.480
824
824
3.130
2.526 2.526 2.526 2.526
2.526
12.630
834
834
3.168
2.534 2.534 2.534 2.534
2.534
12.668
836
836
3.177
2.535 2.535 2.535 2.535
2.535
12.677
837
3.179
627
784
824
834
836
837
Schritt 7 Wert (9.500 + 3.179)
627
784
824
834
836
837
627
784
824
834
836
837
837
12.679
Der endgültige Fair Value der Marke „No Wrinkles“ beträgt somit gerundet 12.680 T€. Hierauf sind passive latente Steuern von 33 % = 4.184 T€ anzusetzen (siehe auch am Ende, (10)), und zwar nicht abgezinst (IFRS 3.24), so dass die latenten Steuern von ihrem tatsächlichen Barwert von 3.179 T€ abweichen. Statt durch Iteration kann der Steuervorteil auch durch Berechnung eines sog. Stepup-Faktors ermittelt werden. Für dessen Ermittlung wird der gesamte Steuervorteil (100 %) auf die Perioden seiner Nutzung verteilt (hier 5 Jahre), was einen Faktor von 0,2 (20 %) ergibt. Dieser ist zum Barwert zu berechnen, also mit dem Rentenbarwertfaktor für 10 % und 5 Jahre (3,8) zu multiplizieren; das ergibt eine Summe der barwertigen Abschreibungssätze von 0,76. Der Anteil der Steuerersparnis ergibt sich durch Multiplikation der 0,76 mit dem Steuersatz von 0,33; das sind 0,2508. Der Step-upFaktor beträgt dann 1/(1 - 0,2508) = 1,3348. Wird der Barwert der Cashflows des Vermögenswertes (9.500 T€) mit dem Step-up-Faktor (1,3348) multipliziert, ergibt sich ebenfalls der Fair Falue der Marke „No Wrinkles“ von 12.680 T€. (2)
Vertraglich gesicherter Auftragsbestand
Bei der Residualwertmethode wird der Barwert der ausschließlich durch den zu bewertenden immateriellen Vermögenswert generierten Cashflows ermittelt. Da immaterielle Vermögenswerte i.d.R. erst im Verbund mit anderen Vermögenswerten Cashflows generieren, werden bei der Ermittlung der relevanten Einzahlungsüberschüsse
201
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
fiktive Auszahlungen für diese unterstützenden Vermögenswerte abgezogen. Diese umfassen den Werteverzehr und eine angemessene Verzinsung. Hiermit werden zugleich Mehrfacherfassungen identischer Cashflows vermieden. So ist bei der Bewertung von (vertraglichen) Kundenbeziehungen u.ä. ein fiktives Nutzungsentgelt für Marken abzuziehen, bezogen auf den zuvor ermittelten Zeitwert der Marke „No Wrinkles“. Tabelle 3-20:
Bewertung Auftragsbestand nach Residualwertmethode, Lösung nachrichtlich Zeitwert
Nettoumlaufvermögen geplanter Gesamtumsatz davon vertraglich gesichert in % vertraglich abgesichert in T€ Materialaufwand Personalaufwand sonst. betr. Aufwendungen Abschreibung Sachanlagen Abschreibung Marke 1. EBIT Verzinsung Sachanlagen Verzinsung Marke Verzinsung Mitarbeiterstamm Verzinsung Nettoumlaufverm. 2. kalkulatorische Verzinsung 1. + 2. = Ergebnis nach Zinsen Unternehmenssteuern (33 %) Überschüsse nach Steuern Diskontierungssatz Barwert Summe Barwerte
70.000 12.680 70.000 12.680 20.000 s.o.
x1
x2
x3
Zinssatz Zinsen
10,0 % -7.000 15,0 % -1.902 15,0 % -3.000 6,0 %
12.000 13.000 14.000 100.000 105.000 113.000 80 % 60 % 25 % 80.000 63.000 28.250 -32.000 -25.200 -11.300 -16.000 -12.600 -5.650 -8.000 -6.300 -2.825 -5.600 -4.200 -1.750 -2.029 -1.522 -634 16.371 13.178 6.091 -5.600 -4.200 -1.750 -1.522 -1.141 -475 -2.400 -1.800 -750 -576 -468 -210 -10.098 -7.609 -3.185 6.274 5.569 2.906 -2.070 -1.838 -959 4.204 3.731 1.947 7,0 % 7,0 % 7,0 % 3.929 3.259 1.589 8.777
Fiktive Nutzungsentgelte dürfen aber nur insoweit abgezogen werden, wie sie noch nicht bei der Planung berücksichtigt worden sind, z.B. bereits als Abschreibung oder Personalaufwand. Da die operativen Kosten bereits Personalaufwendungen, Abschreibungen etc. beinhalten, sind für die Kapitalbindung aus der Nutzung der betreffenden Vermögenswerte somit nur noch die Zinsanteile zu erfassen. Auch der Wert des erworbenen Mitarbeiterstamms ist hierbei zu verzinsen, obwohl er nicht als immaterieller Vermögenswert aktiviert werden darf. Der Wert ergibt sich aus ersparten Rekrutierungs- und Ausbildungskosten.
202
IFRS im Konzernabschluss
Bei der Festlegung von Zinssätzen auf das investierte Kapital ist auf die Kapitalkosten abzustellen, die bei der Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts des unterstützenden Vermögenswerts herangezogen wurde (z.B. Marke) oder heranzuziehen wäre. Die Höhe richtet sich insbesondere nach dem Risikoprofil des entsprechenden Zahlungsstroms. Bei Sachanlagen und dem Nettoumlaufvermögen wurde im Beispiel ein Fremdkapitalzins verwendet. Bei den Zahlungsüberschüssen und dem Diskontierungssatz sind Unternehmenssteuern zu erfassen. Der Diskontierungssatz von 7 % nach Steuern reflektiert die gewichteten Kapitalkosten nach Steuern (WACC) des Gesamtunternehmens. Das ergibt zunächst die Barwertsumme von 8.777 T€. Hinzu kommt der Wert des abschreibungsbedingten Steuervorteils. Dieser lässt sich hier elegant über den Step-up-Faktor ermitteln. Die Abschreibung des Steuervorteils erfolgt hier wie bei einer Leistungsabschreibung gewichtet über 3 Jahre (Zeile 2), wonach anschließend die Summe der Barwerte (Zinssatz 7 %) mit 0,8944 ermittelt wird. Die nachfolgende Tabelle stellt die weiteren Berechnungsschritte dar; es ergibt sich ein Fair Value des vertraglich gesicherten Auftragsbestands von 12.452 T€. Tabelle 3-21:
1 2 3 4 5 6
(3)
Ermittlung Step-up-Faktor
x1 Anteil vertraglich gesichert 80 Abschreibung 0,4848 Barwerte 0,4531 Anteil Steuerersparnis = Barwert y Steuersatz 0,33 Step-up-Faktor = 1/(1-Anteil Steuerersparnis) Fair Value = Barwert 8.777 T€ y Step-up-Faktor
x2
x3
60 0,3636 0,3176
25 0,1515 0,1237
165 1,0000 0,8944 0,2952 1,4188 12.452
Forschungs- und Entwicklungsprojekte
Es erfolgte eine unmittelbare Fair Value-Schätzung; die Projekte sind in Höhe von zusammen 12 Mio. € anzusetzen. (4)
Werbemaßnahmen: keine Aktivierung (siehe Lösung zu a)).
(5)
Vertragliche immaterielle Vermögenswerte
Arbeitsverträge, Mietverträge, Leasingverträge u. ä. werden in den Illustrative Examples des IFRS 3 als immaterielle Vermögenswerte genannt. Dabei dreht es sich im Ergebnis nicht um die Bewertung der Mitarbeiter, Mietrechte etc., sondern darum, ob die tatsächlich vereinbarten Konditionen von den im Erwerbszeitpunkt geltenden Marktkonditionen abweichen. Ist eine vereinbarte Miet- oder Leasingrate verglichen mit aktuellen Konditionen günstig, erfolgt die Aktivierung des Barwertvorteils als immaterieller Vermögenswert; liegt dagegen ein ungünstiger Vertrag vor, wird bei drohenden Verlusten schon nach den allgemeinen Vorschriften eine Drohverlustrückstellung gebildet.
203
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
Im vorliegenden Fall ist der Vertrag günstig, der Barwert des jährlichen Vorteils von 1 Mio. € (3 Jahre, 6 % p.a. = 2.673 T€) ist als immaterieller Vermögenswert anzusetzen. Da in den Marktkonditionen der Vergleichsleasingverträge bereits alle steuerlichen Überlegungen der Marktteilnehmer eingeflossen sind, unterbleibt hier eine zusätzliche Erfassung eines Steuervorteils. (6)
Sachanlagen
Diese werden in Höhe des Gutachterwerts (70 Mio. €) angesetzt, womit im Vergleich zum bisherigen Ansatz bei der Brandnew stille Reserven in Höhe von 20 Mio. € aufgedeckt werden. Gutachterwerte zur Fair Value-Findung stellen methodisch Marktpreise, marktorientierte Vergleichsverfahren (z.B. Grundstücksrichtwertsammlung) oder Ertragswertverfahren als Ausprägung der DCF-Methode dar. In der Praxis wird der Wert beweglicher Sachanlagen auch nach der Wiederbeschaffungspreismethode ermittelt. (7)
Prozessrisiko
Fraglich ist, ob dieses mit dem Kaufpreisabschlag (3 Mio. €) oder mit dem Erwartungswert von 2,5 Mio. € (bei angenommener Gleichverteilung des Prozessrisikos) angesetzt wird. Der Erwartungswert ist jedoch nur ein Schätzwert und stellte die Grundlage dar für den auf Verhandlungswege erzielten Preis von 3 Mio. €, der als Fair Value zu passivieren ist. Insoweit wird (durchaus angreifbar) unterstellt, dass jeder Erwerber (der hypothetische Erwerber!) diesen Verhandlungserfolg erzielt hätte. (8)
Geplante Restrukturierungsmaßnahmen
Hierfür darf eine Rückstellung explizit nicht angesetzt werden (siehe Lösung zu a)). Das Ansatzverbot kann jedoch kritisch gesehen werden, da der Aufwand im Ergebnis nicht vom Erwerber, sondern via Kaufpreisabschlag vom Veräußerer getragen wurde. (9)
Finanzschulden
Bewertungsänderungen können sich bei übernommenen Finanzschulden ergeben. Sie werden bei gekauften Unternehmen zu fortgeführten Anschaffungskosten angesetzt. Sind aber die Zinsen von festverzinslichen emittierten Anleihen oder langfristigen Bankkrediten seit Ersteinbuchung gestiegen (gesunken), so liegt der Fair Value der Schuld nach der Neubewertung infolge des Unternehmenszusammenschlusses unter (über) dem bisherigen Buchwert. Im vorliegenden Fall wird eine stille Last von 1.634 T€ aufgedeckt und die Schuld mit 21.634 T€ angesetzt:
204
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-22:
Fair Value-Ermittlung einer Verbindlichkeit (in T€) x1
vereinbarter Festzins künftiger Zahlungsstrom Barwert (5 % p.a.) Summe Barwert - bisheriger Buchwert Anpassung
8% 1.600 1.524
x2
8% 1.600 1.451
x3
8% 21.600 18.659 21.634 - 20.000 1.634
(10) Mehrvermögen
Die Sachverhalte (1) bis (9) führen per Saldo zu einem Mehrvermögen von 55.171 T€; dem dadurch verkörperten (künftigen) Nutzenzufluss steht jedoch nur eine geringere steuerliche Abschreibungsgrundlage (tax base) gegenüber, so dass die künftige höhere Steuerbelastung durch passive latente Steuern zurückzustellen ist (IAS 12.16). Dies gilt auch, wenn die temporären Differenzen erfolgsneutral entstehen wie bei der Erstkonsolidierung. Daher sind auf die 55.171 T€ passive latente Steuern anzusetzen (18.206 T€), so dass sich nach Steuern eine Erhöhung des Nettovermögens von 36.965 T€ und ein Nettogesamtvermögen von 86.965 T€ ergibt:
205
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-23:
Überleitung von HB II zur HB III (in T€), Lösung
Bezeichnung
01.01.x1
Nettovermögen (= Eigenkapital) lt. HB II
50.000
(1) Marke „No Wrinkles“
12.680
(2) Auftragsbestand
12.452
(3) Forschungs- und Entwicklungsprojekte
12.000
(4) Werbemaßnahmen
0
(5) Leasingvertrag
2.673
(6) Sachanlagen
20.000
(7) Prozessrisiko
- 3.000
(8) Restrukturierungsrückstellung
0
(9) Bankverbindlichkeiten
- 1.634
Fair Value Anpassungen brutto
55.171
(10) latente Steuern
- 18.206
Fair Value Anpassungen netto
36.965
Fair Value des Nettovermögens (= Eigenkapital) lt. HB III
86.965
d) Goodwill und mögliche Gründe Der Goodwill ermittelt sich als Residualgröße gemäß nachstehendem Tableau: Tabelle 3-24:
Ermittlung des Goodwill (in T€)
Bezeichnung
01.01.x1
Gegenleistung (Kaufpreis)
120.000
- Fair Value des Nettovermögens (= Eigenkapital) lt. HB III
- 86.965
= Goodwill
33.035
Im vorliegenden Fall kommen im Goodwill mögliche, aber nicht aktivierbare künftige Vorteile wie der auf einen Wert von 20.000 T€ geschätzte Mitarbeiterstamm (Sachverhalt (2)) oder die Werbemaßnahmen von 10.000 T€ (Sachverhalt (4)) zum Ausdruck. Außerdem sind die nicht passivierten Restrukturierungsmaßnahmen (Sachverhalt (8)) zu beachten, da für diese ja ein Kaufpreisabschlag vereinbart worden ist. Ohne den Abschlag oder bei entsprechender Passivierung wäre der Goodwill um 8 Mio. € höher.
206
IFRS im Konzernabschluss
Ganz allgemein ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass der Fair Value des Nettovermögens der Brandnew GmbH einen Substanzwert darstellt, der sich aus der Summe der Einzeltauschwerte der einzelnen Vermögenswerte und Schulden zusammensetzt. Das Ganze mag aber mehr sein als die Summe seiner Teile. Künftige Cashflow-Zuflüsse, die letztlich für die Höhe des Kaufpreises maßgeblich sind, entstehen möglicherweise erst durch das Zusammenspiel aller Unternehmenspotenziale. Daher sind Unternehmenskaufpreise oft viel höher als die Unternehmenssubstanzwerte, auch wenn der zum Fair Value, also zum aktuellen Marktpreis der Einzelteile, bewertet wird.
e) Kaufpreis nur 65 Mio. € Bei einem Kaufpreis von nur 65 Mio. € entstünde bei der Kapitalkonsolidierung rechnerisch ein passiver Unterschiedsbetrag von rund 22 Mio. €. Eine solche Situation ist nach IFRS 3.36a Anlass für den Erwerber, nochmals Ansatz und Bewertung in der HB III des erworbenen Unternehmens zu prüfen mit dem Ziel, mögliche Bewertungsfehler aufzudecken und den Fair Value des Nettovermögens zu verringern. Nach dieser Prüfung und ggf. Korrektur ist nämlich ein dann noch verbliebener Unterschiedsbetrag ein „(gain on) bargain purchase“ (IFRS 3.34). Damit kann ein Erwerbsvorgang sofort erfolgswirksam werden.
f)
Bewertung von „No Wrinkles“ bei geplanter Aufgabe der Marke
Die Marke ist auch dann in Höhe von 12.680 T€ anzusetzen, wenn geplant ist, sie nicht zu verwerten, da beim Ansatz und bei der Bewertung die Sicht eines hypothetischen Erwerbers und nicht die des konkreten Erwerbers maßgebend ist. Würden also andere Erwerber für eine Marke, ein Patent u.ä. einen Preis bezahlen, sind diese Vermögenswerte auch dann von dem Erwerber zu bewerten. Ein entsprechender Kaufpreisanteil ginge damit nicht in den Goodwill ein, sondern wäre separat anzusetzen und, bei nachfolgender Nichtverwendung, außerplanmäßig erfolgswirksam abzuschreiben. Literaturempfehlungen: Ballwieser/Beyer/Zelger (Hrsg.), Unternehmenskauf nach IFRS und US-GAAP, 2. Auflage 2008; IDW RS HFA 16, Bewertungen bei der Abbildung von Unternehmenserwerben und bei Werthaltigkeitsprüfungen nach IFRS 3 Kasperzak/ Nestler, Zur Berücksichtigung des TAX Amortisation Benefit bei der Fair ValueErmittlung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS 3, DB 2007, 473-478; Kasperzak/ Nestler, Bewertung von immateriellem Vermögen, 2010; Leibfried/ Fassnacht, Unternehmenserwerb und Kaufpreisallokation, KoR 2007, 48-57; Theile/Pawelzik, Erfolgswirksamkeit des Anschaffungsvorgangs nach ED 3 beim Unternehmenserwerb im Konzern, WPg 2003, 316-324; Theile/Pawelzik in Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz. 3280-3365.
207
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
3.3.4
Erstkonsolidierung und Währungsumrechnung – Abroad Ltd.
Rechtsquellen: IFRS 3, IAS 21, IAS 12, IAS 27, IAS 1 Lernziele: Ermittlung der Währungsumrechnungsdifferenz; Erstkonsolidierung einer selbständigen ausländischen Tochtergesellschaft; Berücksichtigung von latenten Steuern; Erstellung eines Eigenkapitalspiegels Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Produktion-GmbH mit Hauptsitz in Deutschland erwirbt zum 01.07.x1 80 % der Anteile an der Abroad Ltd. Die Anschaffungskosten betragen 9.000 T€. Die Abroad Ltd. ist aus Sicht der Produktion-GmbH eine selbständige ausländische Teileinheit, die ihr Berichtswesen in £ (britische Pfund) führt. Außerdem sind folgende Daten bekannt:
Zum Erwerbszeitpunkt betrug das Eigenkapital der Abroad Ltd. auf Basis der HB III 1.300 T£. Zu diesem Zeitpunkt galt ein Währungskurs von 1 £ = 1,20 €.
Am 30.11.x1 nimmt die Abroad Ltd. eine Ausschüttung an ihre Gesellschafter in Höhe von 438 T£ vor. Der Kurs betrug zum Auszahlungszeitpunkt 1 £ = 1,25 €.
Zum Bilanzstichtag 31.12.x1 beträgt der Währungskurs 1 £ = 1,40 €.
In x1 beträgt der Jahresdurchschnittskurs 1 £ = 1,28 €
Aufgabenstellung
a) Rechnen Sie den Jahresabschluss der Abroad Ltd. anhand der beigefügten Tabelle 3-25 in die Berichtswährung des Mutterunternehmens (€) um. Geben Sie dabei jeweils die Kursarten (HK = historischer Kurs, DK = Durchschnittskurs, StK = Stichtagskurs) an. Partizipieren die Minderheitsgesellschafter an einer Währungsumrechnungsdifferenz?
b) Ermitteln Sie die Währungsumrechnungsdifferenz des Goodwills zum 31.12.x1. Bei der Bilanzierung des Goodwills gehen Sie davon aus, dass keine Wertminderung vorliegt. Nutzen Sie als Hilfestellung die Tabelle 3-26.
c) Welche Voraussetzungen müssen nach vollständiger Erstellung der HB III erfüllt sein, damit es zu einem Ansatzverbot etwaiger (weiterer) latenter Steuern kommt? Gehen Sie im Folgenden davon aus, dass diese Voraussetzungen vorliegen. Führen Sie die Konsolidierung nach der Neubewertungsmethode zum 31.12.x1 durch. Nutzen Sie als Hilfestellung die Tabelle 3-33.
208
IFRS im Konzernabschluss
d) Erstellen Sie auf Grundlage der ermittelten Daten den Eigenkapitalspiegel des Konzerns für das Jahr x1, wobei in einer Zwischenzeile das „Konzerngesamtergebnis“ zum Ausdruck kommen soll. Das Eigenkapital der Produktion-GmbH setzt sich zum 01.01.x1 wie folgt zusammen:
gezeichnetes Kapital:
1.000 T€
Kapitalrücklage:
300 T€
Gewinnrücklage:
400 T€
Bilanzgewinn:
1.800 T€
In der zweiten Jahreshälfte x1 nimmt die Produktion-GmbH eine Ausschüttung von 1.500 T€ vor.
e) Welche Voraussetzungen müssen nach vollständiger Erstellung der HB III erfüllt sein, damit es zur Ansatzpflicht etwaiger (weiterer) latenter Steuern kommt? Gehen Sie im Folgenden davon aus, dass diese Voraussetzungen vorliegen; der Steuersatz der Produktion GmbH betrage 30 %. Führen Sie die Konsolidierung zum 31.12.x1 durch und erstellen Sie auch hierfür den KonzernEigenkapitalspiegel. Tabelle 3-25:
Bilanz zum 31.12.x1 Abroad Ltd., Aufgabenblatt Umrechnung
Posten
HB III in T£
langfristiges Vermögen
1.500
kurzfristiges Vermögen
2.800
Eigenkapital (zum 01.07.x1)
1.300
Ausschüttung (am 30.11.x1)
- 438
Jahresüberschuss
Kurs in €
Kursart
HB III in T€
500
Währungsumrechnungsdifferenz
Eigenkapital 31.12.x1
1.362
Schulden
2.938
Summe
4.300
4.300
GuV
Erträge Aufwendungen Jahresüberschuss
2.000 1.500 500
209
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-26:
Goodwillumrechnung zum Stichtagskurs, Aufgabenblatt T£
Kurs
T€
EK im Erstkonsolidierungszeitpunkt 01.07.x1 - Fremdanteile (20 %) = konsolidierungspflichtiges EK
AK der Abroad-Ltd. Aktiver UB = Goodwill zum 01.07.x1 Buchwert des Goodwills zum 31.12.x1
Währungsumrechnungsdifferenz
Tabelle 3-27:
Konsolidierung der Abroad Ltd. zum 31.12.x1 (in T€), Aufgabenblatt
Posten Goodwill langfr. Vermögen Beteiligung kurzfr. Vermögen Gesamt
EK [01.07.x1]
Prod.GmbH
AbroadLtd. 0
11.000 9.000 0 20.000
3.500
Ausschüttungen
- 1.500
Jahresüberschuss
1.785
Umrechnungsdiff.
0
Minderheiten- anteile
0
EK [31.12.x1] Schulden
3.785 16.215
latente Steuern Gesamt
210
20.000
Konsolidierung Summe
Soll
Haben
KB
IFRS im Konzernabschluss
Lösung
a) Umrechnung der Abroad Ltd. Für die Währungsumrechnung sowohl im Einzelabschluss als auch im Konzernabschluss ist IAS 21 anzuwenden. Für die Aufstellung des Konzernabschlusses ist eine Währungsumrechnung der Handelsbilanz III des Tochterunternehmens in die Berichtswährung erforderlich. Als Berichtswährung gilt nach IAS 21.51 regelmäßig die Währung im Sitzland des Mutterunternehmens. In dem gegebenen Fall ist die Berichtswährung der Euro (€). Für die Umrechnung sieht IAS 21 nach dem Konzept der funktionalen Währung die Zeitbezugsmethode oder die Stichtagskursmethode vor. Maßgebend für das Konzept der funktionalen Währung ist die Unterscheidung von Konzerneinheiten in selbstständige und unselbständige Unternehmen. Während für die unselbständigen Tochterunternehmen die Zeitbezugsmethode angewendet wird, ist für die selbständigen Unternehmen die modifizierte Stichtagskursmethode vorgeschrieben. Da es sich bei der Abroad Ltd. um eine selbständige ausländische Teileinheit handelt, wird bei der Umrechnung die modifizierte Stichtagskursmethode angewendet. Tabelle 3-28:
Bilanz zum 31.12.x1 Abroad Ltd., Lösung
Posten
HB III in T£
Kurs
Kursart
HB III in T€
Anlagevermögen
1.500,0
1,4
StK
2.100,0
Umlaufvermögen
2.800,0
1,4
StK
3.920,0
Eigenkapital (zum 01.07.x1)
1.300,0
1,2
HK
1560,0
Ausschüttung (am 30.11.x1)
- 438,0
1,25
HK
- 547,5
500,0
1,28
DK
Jahresüberschuss Währungsumrechnungsdifferenz
Eigenkapital 31.12.x1 Schulden Summe
640,0
0,0
4.300,0
254,3
1.362,0
1,4
StK
2.938,0
1,4
StK
4.300,0
1906,8 4113,2 6.020,0
6.020,0
GuV
Erträge Aufwendungen Jahresüberschuss
2.000,0
1,28
DK
2.560,0
1.500,0
1,28
DK
1.920,0
500,0
1,28
DK
640,0
Folgende Kurse werden zur Umrechnung herangezogen (IAS 21.39): Die Vermögenswerte und Schulden sind mit dem Stichtagskurs umzurechnen. Für die Aufwendungen und Erträge sind die Umrechnungskurse zum Entstehungszeit-
211
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
punkt heranzuziehen, oder, als Vereinfachung (IAS 21.40), der Durchschnittskurs einer Periode, soweit die Wechselkurse nicht stark schwanken. Das Eigenkapital am Bilanzstichtag ist ebenfalls zum Stichtagskurs umzurechnen. Da aber unterjährige Veränderungen der Eigenkapitalposten mit dem jeweiligen Transaktionskurs umzurechnen sind, ergeben sich Umrechnungsdifferenzen, die gesondert innerhalb des Eigenkapitals auszuweisen sind (IAS 21.41). Im Beispiel entstehen Umrechnungsdifferenzen, weil die Umrechnungskurse für das Eigenkapital bei Erwerb der Abroad Ltd., bei Ausschüttung und bei Ermittlung des Jahresergebnisses vom Stichtagskurs 31.12.x1 abweichen. Die Währungsdifferenz im Eigenkapital lässt sich abstimmen, indem jeweils der „historische Kurs“ bzw. „Durchschnittskurs“ vom „Stichtagskurs“ abgezogen und mit dem Wert der Eigenkapitalposten in der Landeswährung multipliziert wird. Außerdem partizipieren die Minderheiten gem. IAS 12.41 in Höhe ihre Anteilsquote (20 %) an den kumulierten Umrechnungsdifferenzen (254,3 T€), also in Höhe von 50,9 T€. Tabelle 3-29:
Abstimmung der Währungsdifferenz y (StK-HK)
in T£
in T€
EK 1.7.x1
1.300
(1,4 – 1,20) = 0,20
260,0
Ausschüttung 30.11.x1
- 438
(1,4 – 1,25) = 0,15
- 65,7
500
(1,4 – 1,28) = 0,12
60,0
Jahresüberschuss Währungsdifferenz gesamt davon Fremdanteile dem EK des Konzerns unmittelbar zuzurechnende Währungsdifferenz
254,3 50,9 203,4
b) Währungsumrechnungsdifferenz des Goodwill Das Eigenkapital der HB III wird zum Zeitpunkt des Erwerbs mit dem „historischen Kurs“ umgerechnet. Nach Abzug der Fremdanteile (Minderheiten) ergibt sich das umgerechnete konsolidierungspflichtige Kapital von 1.248 T€. Aus der Gegenüberstellung des konsolidierungspflichtigen Kapitals mit den Anschaffungskosten für die Anteile der Abroad Ltd. resultiert zum 01.07.x1 ein aktivischer Unterschiedsbetrag (Goodwill) in Höhe von 6.460 T£ oder 7.752 T€. Der Goodwill ist wie andere Vermögenswerte und Schulden der Abroad Ltd. zu behandeln und daher in Folgeperioden ebenfalls zum Stichtagskurs umzurechnen (IAS 21.47). Da der Wechselkurs sich um 0,2 € verändert hat, beträgt der am 31.12.x1 umgerechnete Goodwill 9.044 T€. Dieser Betrag ist im Konzernabschluss anzusetzen, und die Umrechnungsdifferenz von 1.292 T€ erfolgsneutral zu erfassen. Zu beachten ist,
212
IFRS im Konzernabschluss
dass an dieser Währungsumrechnungsdifferenz die Minderheiten wegen der Neubewertungsmethode nicht partizipieren. Tabelle 3-30:
Goodwillumrechnung zum Stichtagskurs, Lösung T£
Kurs in €
T€
EK im Erstkonsolidierungszeitpunkt 01.07.x1
1.300
1,20
1.560
Fremdanteile (20 %)
- 260
1,20
- 312
= konsolidierungspflichtiges EK
1.040
AK der Abroad-Ltd.
7.500
1,20
9.000
Aktiver UB = Goodwill zum 01.07.x1
6.460
1,20
7.752
Buchwert des Goodwill zum 31.12.x1
6.460
1,40
9.044
Währungsumrechnungsdifferenz 1
1.248
1.2921
Währungsumrechnungsdifferenz = Goodwill in LW x ( StK - HK)
c) Ansatzverbot latenter Steuern auf Währungsdifferenzen Die Steuerabgrenzung ist schon bei der Abroad Ltd. in der HB III vorgenommen worden. Fraglich ist, ob auf die zusätzliche Währungsumrechnungsdifferenz latente Steuern zu berechnen sind. Immerhin handelt es sich um Mehrvermögen in der IFRSBilanz. Allerdings kann die Währungsumrechnungsdifferenz nur die Sicht des Anteilseigners betreffen, also die der Produktions GmbH, denn aus der Perspektive der Abroad Ltd. ist die Währungsumrechnungsdifferenz gegenstandslos. Es handelt sich um sog. outside(basis)-Differenzen, die ausschließlich die Steuerbelastung des Anteilseigners betreffen. IAS 12.38 verlangt hier grundsätzlich den Ansatz latenter Steuern, es sei denn, die Latenzen würden sich in absehbarer Zeit nicht umkehren (Fall des Ansatzverbots latenter Steuern für quasi-permanente Differenzen, IAS 12.39). Voraussetzung für den Nichtansatz latenter Steuern auf Währungsdifferenzen ist demnach, dass die Produktion-GmbH in Zukunft weder weitere Ausschüttungen noch eine Veräußerung der Abroad Ltd. vorsieht, weil dann auch keine steuerlichen Ergebnisse bei der Produktion-GmbH zu verzeichnen sind. Im Übrigen sind hier gem. IAS 12.15a auf den Goodwill keine latente Steuern anzusetzen. Nachfolgend ist das Konsolidierungsarbeitsblatt abgebildet. Die Buchungen werden anschließend erläutert.
213
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-31:
Posten langfristiges
Konsolidierung der Abroad Ltd. zum 31.12.x1 (in T€), Lösung
Prod.GmbH
Abroad -Ltd.
Gesamt
Konsolidierungen Soll
Haben
KB
11.000,0
2.100,0
13.100,0
9.000,0
0,0
9.000,0
0,0
0,0
0,0
0,0
3.920,0
3.920,0
3.920,0
20.000,0
6.020,0
26.020,0
26.064,0
EK [01.07.x1]
3.500,0
1.560,0
5.060,0
Ausschüttungen
- 1.500,0
- 547,5
2.047,5
1.785,0
640,0
2.425
5) 438,0 6) 128,0
Umrechnungsdifferenz
0,0
254,3
254,3
3) 50,9
4) 1.292,0
1.495,4
Minderheitenanteile
0,0
0,0
0,0
5) 109,5
2) 312,0 3) 50,9 6) 128,0
381,4
3.785,0
1.906,8
5.691,8
5.735,8
Schulden
16.215,0
4.113,2
20.328,2
20.328,2
Summe
20.000,0
6.020,0
26.020,0
Vermögen Beteiligung Goodwill kurzfristiges Vermögen Summe
Jahresüberschuss
EK [31.12.x1]
13.100,0 1) 9.000,0 1) 7.752,0 4) 1.292,0
9.044,0
1) 1.248,0 2) 312,0
3.500,0 5) 547,5
11.330,4
0,0
- 1.500,0 1.859,0
11.330,4
26.064,0
1) Im ersten Buchungssatz erfolgt die Verrechnung der Beteiligung der ProduktionGmbH mit dem anteiligen Eigenkapital der Abroad Ltd. zum 01.07.x1. Der Unterschiedsbetrag in der Höhe von 7.752 T€ wird als Goodwill erfasst. Konto
T€
Konto
Eigenkapital 01.01.x1
1.248
Goodwill
7.752 an Beteiligung
214
T€
9.000
IFRS im Konzernabschluss
2) Gemäß IFRS 3.40 wird jeder Minderheitenanteil an dem erworbenen Unternehmen zu dem den Minderheitsgesellschaftern zuzuordnenden Anteil an den beizulegenden Zeitwerten zum Erwerbszeitpunkt bemessen (Neubewertungsmethode). Konto
Eigenkapital 01.01.x1
T€
Konto
312 an Minderheitenanteile
T€
312
3) Da sich die aus der Umrechnung der Bilanz der Abroad Ltd. resultierende Währungsumrechnungsdifferenz (254,3 T€) im Eigenkapital niederschlägt, partizipieren auch die Minderheiten daran (IAS 21.41). Konto
Umrechnungsdifferenz
T€
Konto
50,9 an Minderheitenanteile
T€
50,9
4) Aufgrund der Aufwertung der funktionalen Währung der Abroad Ltd. zum 31.12.x1 ist der Goodwill aus der Konzernsicht zum Bilanzstichtag im Wert gestiegen. Dementsprechend wird die sich daraus ergebende Währungsumrechnungsdifferenz dem Goodwill zugeordnet. Konto
Goodwill
T€
Konto
1.292 an Umrechnungsdifferenz
T€
1.292
5) Die vorgenommene Ausschüttung der Abroad Ltd. mindert ihr Eigenkapital. Die Buchung korrigiert einerseits die Doppelerfassung bei der Mutter und mindert andererseits die Minderheitenanteile. Konto
T€
Konto
Jahresüberschuss
438,0 an Ausschüttungen
Minderheitenanteile
109,5
T€
547,5
6) Minderheiten partizipieren am Jahresüberschuss (640 T€) der Abroad Ltd. Konto
Jahresüberschuss
T€
Konto
128 an Minderheitenanteile
T€
128
215
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
d) Eigenkapitalspiegel des Konzerns Gemäß IAS 1.10(c) umfasst der Abschluss auch einen Eigenkapitalspiegel. Dieser listet jede einzelne Eigenkapitalkategorie mit ihren Anfangsbilanzwerten im Spaltenformat auf und wird zu ihren Schlussbilanzwerten übergeleitet (IAS 1.101). Gemäß IAS 1.106 i.d.F. spätestens ab 1.7.2009 enthält der Eigenkapitalspiegel auch die Entwicklung der einzelnen Eigenkapitalkomponenten. Damit ist im Ergebnis die Ermittlung des Gesamtergebnisses (erfolgswirksames Ergebnis lt. GuV und erfolgsneutrales Ergebnis, sog, „other comprehensive income“) auch im Eigenkapitalspiegel vorzunehmen. Im vorliegenden Fall ist einziger Bestandteil des übrigen Konzernergebnisses die Veränderung der Währungsumrechnungsdifferenz. Nach dem Wortlaut des IAS 21.39(c) sind alle sich aus der Umrechnung ergebenden Währungsdifferenzen als separater Bestandteil des Eigenkapitals anzusetzen. Tabelle 3-32:
Eigenkapitalspiegel des Produktion-Konzerns (in T€) gez. Kapital
01.01.x1
1.000,0
WährungsumrechKapRL GewRL nungs- differenz 300,0
400,0
BG
Summe Minder- Konzern EK heiten EK
-
1.800,0
3.500,0
-
3.500,0
-
1.859,0
1.859,0
128,0
1.987,0
übriges Konzernergebnis
1.495,4
-
1.495,4
50,9
1.546,3
Konzerngesamtergebnis
1.495,4
1.859,0
3.354,4
178,9
3.533,3
- 1.500,0 - 1.500,0
- 109,5
- 1.609,5
312,0
312,0
381,4
5.735,8
JÜ
Dividenden Veränderung Konsolidierungskreis 31.12.x1
1.000,0
300,0
400,0
1.495,4
2.159,0
5.354,4
Auffällig ist: Der Unternehmenserwerb am 01.07.x1 führt nur in der Spalte Minderheiten zu einer Eigenkapitalveränderung. Die Minderheiten haben in Höhe Ihres Anteils an der Abroad Ltd. quasi eine Sacheinlage in den Konzern geleistet. Im Hinblick auf den Mehrheitenanteil ist der Unternehmenserwerb hingegen eigenkapitalneutral. Eigenkapitalveränderungen ergeben sich erst nach dem Unternehmenserwerb, etwa bei den Währungsumrechnungsdifferenzen oder beim Ergebnisbeitrag.
216
IFRS im Konzernabschluss
e) Ansatzpflicht latenter Steuern auf Währungsumrechnungsdifferenzen Im Umkehrschluss zur Antwort c) sind latente Steuern anzusetzen, wenn die Produktion-GmbH Ausschüttungen bzw. eine Veräußerung der Abroad Ltd. beabsichtigt. Dies führt zu passiven latenten Steuern, weil jetzt schon der Steueraufwand gebucht wird, der erst bei Ausschüttung bzw. Veräußerung der Beteiligung anfallen würde. Diese latente Steuer ist wie eine Rückstellung für zukünftig anfallende Steuern zu beurteilen und erfasst die sich erst nach Verlagerung von Eigenkapital auf höhere Konzernstufen beim Dividendenempfänger ergebenden Steuerfolgen bereits im Zeitpunkt der Ergebnisentstehung. Sowohl Ausschüttungen von der Abroad Ltd. an die Produktion-GmbH als auch gewinne aus einer Veräußerung der Abroad Ltd. durch die Produktion-GmbH sind zwar nach § 8b I und II KStG grundsätzlich steuerfrei, allerdings können jeweils 5 % dieser Erträge nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden (§ 8b III, V KStG). Damit unterliegen im Ergebnis 5 % der Erträge der Besteuerung bei der Muttergesellschaft. Bei einem Steuersatz von 30 % ergibt sich schlussfolgernd ein Faktor für die Berechnung latenter Steuern von 5 % * 30 % = 1,5% Im Beispiel wird die Abroad Ltd. an die Konzernmutter, d.h. die oberste Konzernstufe ausschütten. Hieraus folgt, dass nur der Anteil der Konzernmutter (80 %) zu erfassen ist, da die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbelastung der Minderheiten nicht im Konzern abgebildet wird (anders aber, wenn z.B. von der 3. Konzernstufe auf die 2. ausgeschüttet wird, dann: 100 % Erfassung).
Von dieser Belastung ist zum einen der anteilige Jahresüberschuss (512 T€ = 80 % von 640 T€) und zum anderen die anteilige Währungsumrechnungsdifferenz (203,4 T€ = 80 % von 254,3 T€) betroffen:
Jahresüberschuss 512 T€ x 1,5% = 7,7 T€ passive latente Steuern (Buchung 7)
Währungsumrechnungsdifferenz 203,4 T€ x 1,5% = 3,1 T€ passive latente Steuern (Buchung 8). Auf die Umrechnungsdifferenz des Goodwills sind keine latente Steuern anzusetzen.
Die latente Steuer für den Jahresüberschuss ist ergebniswirksam zu buchen, während die latenten Steuern auf die Währungsumrechnungsdifferenz erfolgsneutral erfasst werden. Die Buchungen 1-6 erfolgen analog zu c):
217
3.3
3
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-33:
Konsolidierung der Abroad Ltd. zum 31.12.x1 (in T€)
Prod.GmbH
AbroadLtd.
Gesamt
langfristiges Vermögen
11.000,0
2.100,0
13.100,0
Beteiligung
9.000,0
0,0
9.000,0
Goodwill
0,0
0,0
0,0
kurzfristiges Vermögen
0,0
3.920,0
3.920,0
3.920,0
20.000,0
6.020,0
26.020,0
26.064,0
3.500,0
1.560,0
5.060,0
- 1.500,0
- 547,5
-2.047,5
1.785,0
640,0
2.425,0
5) 438,0 6) 128,0 7) 7,7
Umrechnungsdifferenz
0,0
254,3
254,3
3) 50,9 8) 3,1
4) 1.292,0
1.492,3
Minderheitenanteile
0,0
0,0
0,0
5) 109,5
2) 312,0 3) 50,9 6) 128,0
381,4
3.785,0
1.906,8
5.691,8
5.725,0
16.215,0
4.113,2
20.328,2
20.328,2
Posten
Summe
EK [01.07.x1] Ausschüttungen Jahresüberschuss
EK [31.12.x1] Schulden
Konsolidierungen KB Soll
13.100,0 1) 9.000,0 1) 7.752,0 4) 1.292,0
20.000,0
6.020,0
26.020,0
3.500,0 5) 547,5
11.348,3
0,0 9.044,0
1) 1.248,0 2) 312,0
Latente Steuern Summe
Haben
-1.500,0 1.851,3
7) 7,7 8) 3,1
10,8
11.348,3
26.064,0
Daraus ergibt sich folgender Eigenkapitalspiegel, in dem die latenten Steuern auf Währungsumrechnungsdifferenzen angegeben sind, um die sonst erforderliche Anhangangabe zu vermeiden:
218
IFRS im Konzernabschluss
Tabelle 3-34:
Eigenkapitalspiegel des Produktion-Konzerns (in T€) Währungsgez. umrechKapRL GewRL Kapital nungs- differenz
01.01.x1
1.000,0
300,0
400,0
JÜ übriges Konzernergebnis Latente Steuern
Summe Minder- Konzern EK heiten EK
BG
-
1.800,0
3.500,0
-
3.500,0
-
1.851,3
1.851,3
128,0
1.979,3
1.495,4
-
1.495,4
50,9
1.546,3
-3,1
Konzerngesamtergebnis
1.492,3
Dividenden
-3,1
1.851,3
3.343,6
-1.500,0 - 1.500,0
Veränderung Konsolidierungskreis 31.12.x1
1.000,0
300,0
400,0
1.492,3
2.151,3
5.343,6
-3,1
178,9
3.522,5
- 109,5 - 1.609,5
312,0
312,0
381,4
5.725,0
219
3.3
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
4 Berichtsinstrumente im IFRSAbschluss
4.1
Bilanz und Gesamtergebnisrechnung
4.1.1
Bilanzgliederung – Balanced Scorecard AG
Rechtsquelle: IAS 1 Lernziele: Gliederung und Gestaltung einer Bilanz nach IAS 1, Ausnutzung von Ausweiswahlrechten Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt:
Die Balanced Scorecard AG, ein produzierendes Unternehmen, weist zum 31.12.x1 die in Tabelle 4-1 abgebildete Bilanz aus (hier ohne erforderliche Vorjahreszahlen). Aufgabenstellung
Der Leiter des Finanz- und Rechnungswesen ist sich nicht sicher, ob er alles richtig gemacht hat. Helfen Sie ihm!
a) Schreibt IAS 1 die Gliederung der Bilanz nach Fristigkeit oder nach Liquidität der Posten vor? Welches Gliederungsformat ist für die Balances Scorecard AG einschlägig?
b) Bearbeiten Sie folgende Sachverhalte: (1)
Die sonstigen langfristigen Vermögenswerte enthalten Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 1.000 T€, die ein Zahlungsziel von 14 Monaten aufweisen. Außerdem sind latente Steuerforderungen und Verbindlichkeiten jeweils als langfristig ausgewiesen, obwohl Teilbeträge innerhalb eines Jahres fällig werden.
(2) Die Sachanlagen beinhalten Grundstücke und Gebäude (2.500 T€), Maschinen (4.000 T€) sowie Betriebs- und Geschäftsausstattung (3.500 T€). In den Finanzanlagen sind at equity bilanzierte assoziierte Unternehmen mit einem Buchwert von 300 T€ enthalten.
221
4.1
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Die Vorräte setzen sich aus Rohstoffen (5.000 T€) und Fertigerzeugnissen (9.000 T€) zusammen, und innerhalb der sonstigen Vermögenswerte sind Ertragsteuerforderungen von 500 T€ ausgewiesen. Müssen diese Posten auf Bilanzebene gesondert aufgegliedert werden? (3) Innerhalb der Finanzanlagen wurden die Bewertungskategorien des IAS 39 zusammengefasst: loans and receivables, held-to maturity, available-for-sale, held for trading. Müssen diese in der Bilanz nicht gesondert ausgewiesen werden? (4) In den Sachanlagen ist eine Maschine in Höhe von 600 T€ enthalten, die innerhalb der nächsten 12 Monate veräußert werden soll. Ist der Verbleib der Maschine bis zu ihrem Abgang in den Sachanlagen zutreffen?
c) Die Balanced Scorecard will ihre Bilanzsumme gering halten, um die Eigenkapitalquote zu erhöhen. Welche Saldierungsmöglichkeiten bestehen generell? Tabelle 4-1:
Bilanz der Balanced Scorecard AG zum 31.12.x1 (in T€)
Aktiva
Passiva
Immaterielle Vermögenswerte
15.000 Grundkapital
8.000
Sachanlagen
10.000 Kapitalrücklage
4.500
Finanzanlagen
3.000 Gewinnrücklagen
Sonstige langfristige Vermögenswerte
Erfolgsneutrale Eigenkapital1.000 veränderungen
Latente Steuern
2.500 Eigenkapital
Langfristige Vermögenswerte
Pensionen und ähnliche 31.500 Verpflichtungen
Vorräte
14.000 Latente Steuern
Forderungen aus LuL
17.000 Langfristige Schulden
Langfr. Finanzverbindlichkeiten
Sonstige Vermögenswerte Flüssige Mittel Kurzfristige Vermögenswerte
5.000 Kurzfristige Rückstellungen 2.500 Kurzfr. Finanzverbindlichkeiten 38.500 Verbindlichkeiten aus LuL
Sonst. kurzfr. Verbindlichkeiten
Summe Aktiva
222
70.000
12.500 1.500 26.500
5.000 3.000 4.500 12.500
12.000 2.000 13.000 4.000
Kurzfristige Schulden
31.000
Schulden insgesamt
43.500
Summe Passiva
70.000
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Lösung:
a) Bilanzgliederung nach Fristigkeit oder Liquidität IAS 1.62 sieht für Industrie- und Handelsunternehmen sowohl für Vermögenswerte als auch für Schulden eine Unterteilung in kurz- und langfristige Posten vor, also die Gliederung nach Fristigkeit. Demgegenüber empfiehlt IAS 1.63 für Kreditinstitute eine Gliederung der Vermögenswerte und Schulden grob nach ihrer Liquiditätsnähe. Mischkonzerne können auch beide Formate kombinieren (IAS 1.64). Die Balanced Scorecard AG gliedert als Produktionsunternehmen zutreffend nach Fristigkeit.
b) Einzelfragen zur Gliederung (1)
Konkretisierung der Fristigkeit
IAS 1.66/1.69 definiert kurzfristige Vermögenswerte und Schulden. Im Umkehrschluss sind alle nicht kurzfristigen Posten als langfristig zu klassifizieren. Kriterien für Kurzfristigkeit sind im Wesentlichen:
Realisation operativer Posten (Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, Vorräte usw.) innerhalb des normalen Geschäftszyklus und
Realisation sonstiger Posten innerhalb der nächsten 12 Monate.
Damit ist für operative Posten der Geschäftszyklus zu bestimmen. Der Geschäftszyklus eines Unternehmens ist der Zeitraum zwischen dem Erwerb von Vermögenswerten, die in einen Prozess eingehen, und deren Umwandlung in Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalente (IAS 1.68). Lieferforderungen, die sich innerhalb des normalen Geschäftszyklus realisieren, sind in der Bilanz immer als kurzfristig auszuweisen – selbst wenn sich Teilbeträge erst nach Ablauf von 12 Monaten realisieren. Das nachvollziehbare Informationsbedürfnis, welche Teilbeträge sich voraussichtlich erst nach Ablauf von 12 Monaten realisieren, ist durch eine entsprechende Anhangangabe zu befriedigen (IAS 61). Somit wäre die langfristige Lieferforderung in den kurzfristigen Bereich umzugliedern (unter Angabe der nach 12 Monaten liegenden Fälligkeit im Anhang), soweit die 14 Monate innerhalb des normalen Geschäftszyklusses liegen. Bei latenten Steuern kommt nur ein Ausweis als langfristiger Vermögenswert bzw. Schuld in Betracht (IAS 1.56). Das gilt auch für jene (Teil-)Beträge, die sich voraussichtlich im folgenden Geschäftsjahr umkehren. Der Bilanzausweis ist also zutreffend. Auch für diesen Fristigkeits-Mischposten ist im Anhang der Betrag zu nennen, der sich nach Ablauf von 12 Monaten realisiert (IAS 1.61). Hinweis: Nach ED/2009/2 „Income Tax“, dessen Verabschiedung für 2010 erwartet wird, ist eine Unterteilung latenter Steuern in kurz- und langfristig vorzunehmen.
223
4.1
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
(2)
Mindestausweis auf Bilanzebene und Aufgliederung im Anhang
Grundsätzlich sind alle wesentlichen Posten gesondert auf Bilanzebene darzustellen. Unwesentliche Beträge ähnlicher Natur und Funktion dürfen jedoch zusammengefasst werden (IAS 1.29f.) Allerdings können Posten, die wegen Unwesentlichkeit in der Bilanz nicht gesondert darzustellen sind, so wesentlich sein, um im Anhang dargestellt werden zu müssen (IAS 1.30). Um Ermessensentscheidungen über die Bilanzposten einzuschränken und im Interesse der Vergleichbarkeit von Abschlüssen gibt IAS 1.54 jene Posten vor, die mindestens auf Bilanzebene zu nennen sind. Dabei ist die Reihenfolge nicht festgelegt, und auch Bezeichnungen können angepasst werden. Gelegentlich erfolgt in der Bilanz eine stärkere Aggregierung, und es werden auch solche Posten, die nach dem Wortlaut des IAS 1.54 „eigentlich“ auf der Bilanzebene zu nennen sind, erst im Anhang aufgegliedert. Dies gilt z.B. in Bezug auf assoziierte Unternehmen (IAS 1.54e), Ertragsteuerforderungen (IAS 1.54n) und Vorräte (IAS 1.54b). Diese Vorgehensweise lässt sich nur mit dem allgemeinen Wesentlichkeitsgrundsatz rechtfertigen. Allerdings ist insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften zunehmend zu beobachten, dass die explizit in IAS 1.54 genannten Posten unabhängig von ihrer materiellen Größe in der Bilanz gezeigt werden, möglicherweise um Diskussionen mit der Prüfstelle für Rechnungslegung zu vermeiden. Im vorliegenden Fall können die Sachanlagen und Vorräte im Anhang aufgegliedert werden, wohingegen nach dem Wortlaut des IAS 1.54 die at equity bewerteten assoziierten Unternehmen und die Ertragsteuerforderungen auf Bilanzebene gesondert ausgewiesen werden müssen. (3)
Zuordnung von Finanzinstrumenten
Der Bilanzausweis von Finanzinstrumenten (Finanzanlagen, Forderungen etc.) ist völlig unabhängig von den Bewertungskategorien des IAS 39. Da sich in einem Bilanzposten (insbesondere „Finanzanlagen“) folglich ganz unterschiedliche Kategorien des IAS 39 verbergen können, sieht IFRS 7 eine Überleitung bzw. Aufgliederung ausdrücklich vor (IFRS 7.8 für Vermögenswerte und IFRS 7.25 für Verbindlichkeiten). Dies erfolgt zweckmäßigerweise im Anhang. (4)
Veräußerungsabsicht über Sachanlagen
Es ist die Anwendung des IFRS 5 (Zur Veräußerung gehaltene langfristige Vermögenswerte und aufgegebene Geschäftsbereiche) zu prüfen. Fällt die Maschine unter IFRS 5, ist sie als kurzfristiger „held-for-sale“ Vermögenswert auszuweisen. Voraussetzung für die Anwendung von IFRS 5 ist u.a., dass mit der Suche nach einem Käufer aktiv begonnen wurde und dass der Verkauf voraussichtlich innerhalb der nächsten 12 Monate umgesetzt werden kann (IFRS 5.8). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, bleibt es trotz Veräußerungsabsicht beim Ausweis als langfristiges Sachanlagevermögen (RIC 1.26).
224
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
c) Saldierung Vorbehaltlich von Spezialregelungen besteht ein grundsätzliches Saldierungsverbot (IAS 1.32). Ausnahmen für die Bilanz:
Finanzielle Vermögenswerte und Schulden sind zu saldieren, wenn ein Rechtsanspruch auf Aufrechnung besteht und ein Ausgleich auf Nettobasis beabsichtigt ist. Der Rechtsanspruch richtet sich in Deutschland nach der sog. Aufrechnungslage des § 387 BGB (Gegenseitigkeit, d.h. gleiche Partei; die eigene Forderung muss fällig und die eigene Verbindlichkeit entstanden sein).
Gleiches gilt für tatsächliche und latente Steueransprüche und -forderungen. Gegenseitigkeit ist in Bezug auf dieselbe Steuerbehörde gegeben; da latente Steuern naturgemäß künftige Steueransprüche und -verbindlichkeiten abbilden, ist die Voraussetzung des „einklagbaren Rechts auf Aufrechnung“ als Fiktion zu verstehen, d.h. latente Steuern sind zu saldieren, wenn sie zu saldieren wären, falls es sich um laufende Steuern handelte (IAS 12.74a).
Die Saldierung von Pensionsverpflichtungen mit Planvermögen ist zwingend (IAS 19.54d), wenn das Vermögen insolvenzrechtlich den Berechtigten zur Verfügung steht, d.h. nicht in die Insolvenzmasse fällt (IAS 19.7), z.B. bei Verpfändung von Rückdeckungsversicherungen. Dieses Saldierungsgebot besteht nur auch nach HGB (§ 246 Abs. 2 Satz 2 HGB).
Investitionszuschüsse können aktivisch von den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Vermögenswerts abgesetzt werden (Wahlrecht, IAS 20.24).
Z.T. wird ein offenes Absetzen erhaltener Anzahlungen von Vorräten befürwortet (Küting/Reuter, KoR 2006, 1 (3ff.) m.w.N.).
4.1.2
Formate der Gesamtergebnisrechnung – confusion plc
Rechtsquellen: IAS 1 Lernziele: Umgang mit den Begriffen Gesamtergebnisrechnung und Gewinn- und Verlustrechnung Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt:
Sie erstellen gerade den IFRS-Abschluss der confusion plc, Manchester, als der CFO in ihr Büro hereinplatzt und mit einem Text des IAS 1.10 aufgeregt vor ihrer Nase wedelt: „In der Auflistung der Abschlussbestandteile wird die Gewinn- und Verlustrechnung nicht mehr aufgeführt. Stattdessen ist hier von einer „Gesamtergebnisrechnung“ die
225
4.1
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Rede. Was ist denn damit gemeint? Brauchen wir etwa keine Gewinn- und Verlustrechnung mehr?“ Aufgabenstellung
a) Erläutern Sie den Zusammenhang von Gesamtergebnisrechnung und Gewinnund Verlustrechnung (GuV).
b) Was sind die Pflichtbestandteile der „kleinen“ Gesamtergebnisrechnung? Lösung
a) Zusammenhang Gesamtergebnisrechnung und GuV Tatsächlich fordert IAS 1.10 die Veröffentlichung einer „Gesamtergebnisrechnung“ als Abschluss-Berichtsinstrument. Dabei ist IAS 1.81 in seiner Wahl der Bezeichnung der Berichtsinstrumente leicht verwirrend: Die Bezeichnung „Gesamtergebnisrechnung“ (Statement of Comprehensive Income) findet Verwendung für
die sog. „verlängerte GuV“, die neben der bisherigen GuV auch die nur im Eigenkapital erfassten Aufwendungen und Erträge enthält, als auch für
die „kleine Gesamtergebnisrechnung“, die ausschließlich die nur im Eigenkapital erfassten Aufwendungen und Erträge enthält. Dann ist zusätzlich noch die bisherige GuV zu veröffentlichen, und zwar unmittelbar vor der „kleinen“ Gesamtergebnisrechnung. Auch die Bezeichnung GuV kann dabei verwendet werden.
Es besteht daher die Wahl, entweder ein umfangreiches „single Statement“ oder jeweils kürzere „two statements“ zu veröffentlichen. Letzteres ist in der Praxis üblich.
b) Pflichtbestandteile der „kleinen“ Gesamtergebnisrechnung Mit der verpflichtenden Darstellung der nur im Eigenkapital erfassten Aufwendungen und Erträge in einem besonderen Statement will der IASB diese Aufwendungen und Erträge, die sich zusammen mit dem Jahresergebnis der GuV zum Gesamtergebnis verdichten, stärker in den Blickpunkt der Abschlussadressaten rücken. Ohne GuV, also in der „kleinen“ Gesamtergebnisrechnung, gehören zu diesen Aufwendungen und Erträgen abschließend:
die Veränderungen der Umrechnungsdifferenzen aus der Währungsumrechnung nach der modifizierten Stichtagskursmethode
bei Finanzinstrumenten Wertänderungen von finanziellen Vermögenswerten der Kategorie available-for-sale
bei Sicherungsbeziehungen (Hedging) die Wertdifferenzen bei Cashflow-Hedges
226
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
die Veränderung der Neubewertungsrücklage bei Verwendung der Neubewertungsmethode (Wahlrecht) beim Sachanlagevermögen und ggf. bei den immateriellen Vermögenswerten
die Veränderung der sog. versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste im Zusammenhang mit Pensionsverpflichtungen und Planvermögen, wenn das Wahlrecht hierzu entsprechend ausgeübt wird
der Anteil am other comprehensive income jener Unternehmen, die nach der Equity-Methode bewertet werden (IAS 1.82h) und
ggf. Steuerlatenzen auf vorgenannte Posten.
Zusätzlich erscheint noch das Jahresergebnis lt. GuV, so dass sich in der Summe das Gesamtergebnis ergibt. Es zeigt die Eigenkapitalveränderungen an, die sich nicht durch Transaktionen mit den Gesellschaftern (Einlagen, Kapitalerhöhungen, Dividendenausschüttungen) ergeben haben.
4.1.3
GuV: Vom Gesamtkosten- zum Umsatzkostenverfahren – „Rolly“
Rechtsquellen: IAS 1, IAS 2 Lernziele: Aufzeigen von Unterschieden in der Bestimmung der Herstellungskosten nach IFRS und Steuerrecht; Darstellungsformate der Gewinn- und Verlustrechnung nach IFRS Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt:
Die Streetroll GmbH, Lauf a. d. Pegnitz, produziert und vertreibt den Luxusrollschuh Rolly. Das Geschäft ist erfolgreich; die Auslastung der Produktionsanlagen befindet sich seit Jahren auf dem Niveau der Normalbeschäftigung. Die Streetroll GmbH ist stolz darauf, sowohl für steuerrechtliche Zwecke als auch für IFRS ein einheitliches Buchführungssystem eingerichtet zu haben, aus dem jeweils die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage als auch der IFRS-Abschluss abgeleitet werden können. Aus der Buchführung für das Geschäftsjahr x1 ergeben sich folgende Daten:
Produktionsmenge Rolly: 20.000 Stück (Anfangsbestand: 0 Stück)
Verkaufte Menge Rolly:
16.000 Stück zu je 190 €
Die Aufgliederung der Aufwendungen ergibt sich aus folgender Tabelle:
227
4.1
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Tabelle 4-2:
Aufwendungen der Streetroll-GmbH (in T€)
Aufwendungen x1 Einzelkosten: Materialaufwand Fertigungslöhne Gemeinkosten: Personalaufwand Abschreibungen auf Sachanlagen Abschreibungen auf Entwicklungskosten
Zinsaufwand Summe
Insgesamt
Herstellung
Allgemeine Verwaltung
Vertrieb
280,0 450,0
280,0 450,0
350,0 225,0 230,0
170,0 155,0 230,0
130,0 45,0
50,0 25,0
1285,0
175,0
75,0
15,0 1.550,0
Aufgabenstellung
a) Ermitteln Sie die Höhe der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage und die Steuerlast bei einem kombinierten Ertragsteuersatz von 30 %. Gehen Sie davon aus, dass die Streetroll GmbH Interesse an einer niedrigen Steuerbelastung hat.
b) Prüfen Sie, ob nach IAS 1 die IFRS-Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren oder dem Umsatzkostenverfahren zulässig ist.
c) Erstellen Sie nach den zulässigen Verfahren die IFRS-Gewinn- und Verlustrechnung(en). Prüfen Sie, ob sich der Steueraufwand durch den Ansatz latenter Steuern verändert.
d) Welche Freiheitsgrade bestehen nach IAS 1 in der Untergliederung der operativen Aufwendungen einer Gewinn- und Verlustrechnung? Lösung
a) Ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage Bei der Ermittlung der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage sind die Gesamtaufwendungen den Gesamterträgen gegenüberzustellen. Zu den Gesamterträgen gehört neben den Umsatzerlösen auch die Höhe der aktivierten fertigen Erzeugnisse (Bestandserhöhung). Diese sind zu Herstellungskosten zu bewerten. Steuerrechtlich ansatzpflichtig sind die Einzel- und Gemeinkosten des Herstellungsbereichs, soweit sie auf die noch auf Lager befindlichen Bestände entfallen. Ein Ansatzwahlrecht besteht für allgemeine Verwaltungskosten, und Ansatzverbote für Entwicklungs- und Vertriebskosten. Eine Abschreibung auf Entwicklungskosten kann es steuerlich nicht gegeben haben, da die Entwicklungskosten in der Steuerbilanz nicht aktiviert waren
228
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
(§ 5 Abs. 2 EStG). Wegen der Zielsetzung der geringen steuerlichen Bemessungsgrundlage werden anteilige Aufwendungen der allgemeinen Verwaltung nicht aktiviert. Im aktivierungspflichtigen Herstellungsbereich sind an Aufwendungen angefallen: Tabelle 4-3:
Aufwendungen im Herstellungsbereich (in T€)
Bezeichnung
Betrag 280,0 450,0 170,0 155,0
Materialaufwand + Fertigungslöhne + Personalaufwand + Abschreibungen Sachanlagen Summe
1.055,0
Nun sind die Herstellungskosten der auf Lager genommenen 4.000 Stück zu ermitteln. Da die Streetroll GmbH auf Normalbeschäftigungsniveau produziert, kann zur Kalkulation der Gemeinkosten die einfache Divisionskalkulation verwendet werden. Es ergeben sich folgende Herstellungskosten: 1.055 T€ y (4.000 Stück / 20.000 Stück) = 211 T€. Die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage und der daraus abgeleitete Steueraufwand betragen: Tabelle 4-4:
Ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage und Steueraufwand (in T€)
Betrag Umsatzerlöse + Bestandserhöhung - Gesamtaufwand (ohne Abschreibung auf Entwicklungskosten)
3.040,0 211,0 1.320,0
= Ergebnis vor Steuer
1.931,0
Steueraufwand (Steuersatz 30 %)
579,3
b) GuV-Formate im IFRS-Abschluss Für die Darstellung der operativen Aufwendungen einer IFRS-Gewinn- und Verlustrechnung lässt IAS 1.99 die Aufwandsartengliederung und die Gliederung nach Funktionsbereichen zu. Die Aufwandsartengliederung ist das Gesamtkostenverfahren, die Gliederung nach Funktionsbereichen das Umsatzkostenverfahren (IAS 1.102f.). Der Standard überlässt die Bestimmung des Verfahrens unter dem Vorbehalt der verlässlichen und relevanten Informationsvermittlung dem Management.
229
4.1
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
c) IFRS-GuV und Bestandbewertung Bei der Ermittlung der Bestände nach IFRS sind, im Gegensatz zu den unter a) steuerrechtlich ermittelten, auch die Abschreibung für Entwicklungskosten mit einzubeziehen. Für allgemeine Verwaltungskosten besteht ein Ansatzverbot. Hieraus ergibt sich eine Bestandserhöhung von 257 T€ (= 1.285 T€ x (4.000 Stück / 20.000 Stück)). Die aktivierten Bestände in der IFRS-Bilanz (257 T€) übersteigen diejenigen in der Steuerbilanz (211 T€) um 46 T€. Die Differenz ist erfolgswirksam entstanden und kehrt sich zwingend in künftigen Perioden um. Daher sind passive latente Steuern i.H.v. 13,8 T€ (= 46 T€ x 0,3) anzusetzen. Auf der anderen Seite sind auf die in der IFRS-Bilanz aktivierten Entwicklungskosten vormals passive latente Steuern angesetzt worden. Diese sind im Zuge der Abschreibung der aktivierten Entwicklungskosten anteilig ertragswirksam aufzulösen. Im Geschäftsjahr x1 sind das 69 T€ (= 0,3 x 230 T€). Per Saldo ergibt sich daher in x1 ein latenter Steuerertrag von 55,2 T€ (= 69 T€ - 13,8 T€). Dieser wird auf GuV-Ebene mit dem tatsächlichen Steueraufwand (579,3 T€) zusammengefasst, so dass in der Gewinn- und Verlustrechnung nach IFRS ein Steueraufwand von 524,1 T€ auszuweisen ist.
Die IFRS-Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren ergibt sich wie folgt: Tabelle 4-5:
IFRS-GuV nach Gesamtkostenverfahren (in T€)
Betrag + -
Umsatzerlöse Bestandsveränderung Materialaufwand Personalaufwand Abschreibungen Zinsen und ähnliche Aufwendungen
= Ergebnis vor Steuern
- Steuern vom Einkommen und Ertrag = Jahresüberschuss
3.040,0 257,0 280,0 800,0 455,0 15,0 1.747,0
524,1 1.222,9
Durch den Ansatz latenter Steuern kann das Ergebnis vor Steuern so interpretiert werden, als wäre es steuerliche Bemessungsgrundlage, denn 524,1 T€ Steueraufwand sind genau das IFRS-vor-Steuer-Ergebnis multipliziert mit dem Steuersatz von 0,3. Beim Umsatzkostenverfahren ist die Bestandserhöhung (257 T€) von den Kosten des Herstellungsbereichs (1.285 T€) abzuziehen, so dass sich die Herstellungskosten der
230
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
zur Erzielung der Umsatzerlöse angefallenen Aufwendungen (1.028 T€) ergeben, die auch als Umsatzkosten bezeichnet werden. Die IFRS-Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Umsatzkostenverfahren kann wie folgt aufgestellt werden: Tabelle 4-6:
IFRS-GuV nach Umsatzkostenverfahren (in T€)
Betrag Umsatzerlöse - Umsatzkosten
3.040,0 1.028,0
= Bruttoergebnis vom Umsatz
2.012,0
- Vertriebskosten - allgemeine Verwaltungskosten - Zinsen und ähnliche Aufwendungen = Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit
- Steuern vom Einkommen und Ertrag = Jahresüberschuss
75,0 175,0 15,0 1.747,0
524,1 1.222,9
d) Ausweis operativer Aufwendungen IAS 1.102f. gibt Posten vor, die mindestens in einer Gewinn- und Verlustrechnung enthalten sein müssen. Dazu gehören jedoch nicht die operativen Aufwendungen. Auf der anderen Seite sind wesentliche Ertrags- und Aufwandsposten gem. IAS 1.97 gesondert anzugeben. Im vorliegenden Fall sind bei der Gliederung nach dem Gesamtkostenverfahren alle operativen Aufwendungen als wesentlich anzusehen. Bei der Gliederung nach dem Umsatzkostenverfahren könnte nach den vorliegenden Zahlen überlegt werden, die Kosten der allgemeinen Verwaltung und die Vertriebskosten zusammen in einer Zeile „Verwaltungs- und Vertriebskosten“ auszuweisen. Die dargestellten Formate in Lösung c) entsprechen jedoch gängiger Praxis.
4.1.4
Kennzahlen in der GuV – Profitlich AG
Rechtsquelle: IAS 1 Lernziele: Gestaltungsmöglichkeiten einer GuV nach IAS 1; Ausweis von Zwischensummen Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt:
Die börsennotierte Profitlich AG hat für das Geschäftsjahr x1 folgende vorläufige Konzern-GuV aufgestellt (ohne obligatorische Vorjahreszahlen):
231
4.1
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Tabelle 4-7:
Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr x1 (in T€)
Bezeichnung
Umsatzerlöse
Betrag
500.000
Materialaufwand
- 200.000
Personalaufwand
- 100.000
Abschreibungen
- 15.000
sonstige betriebliche Aufwendungen
- 150.000
sonstige betriebliche Erträge
10.000
Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT)
45.000
Finanzergebnis
- 5.000
Ergebnis vor Steuern
Ertragsteuern Jahresüberschuss
40.000
- 13.200 26.800
Der Finanzvorstand der Profitlich AG steht furchtbar unter Druck: Finanzanalysten erwarten eine EBIT-Umsatzrendite von 11 %. Wird dieser Wert nicht erreicht, droht der Aktie ein Kurssturz. Daher hat er seine Mitarbeiter angehalten, noch einmal alle bilanzpolitischen Möglichkeiten einer EBIT-, notfalls auch einer EBITDA-Erhöhung zu prüfen. Dabei haben die Mitarbeiter folgende Informationen zusammengetragen: (1) Der Personalaufwand enthält auch die Zuführung zu Pensionsrückstellungen, und zwar Dienstzeitaufwand in Höhe von 2.500 T€, Zinskosten von 800 T€, Erträge aus Planvermögen von 200 T€ und Amortisation versicherungsmathematischer Verluste von 100 T€. (2) Beim Finanzergebnis handelt es sich um einen Saldo aus Erträgen aus at equity bilanzierten, assoziierten Unternehmen (3.000 T€) und sonstigen Zinsaufwendungen (- 8.000 T€). (3) In x1 sind Entwicklungskosten i.H.v. 10.000 T€ angefallen, bei denen Ermessensspielräume bestehen, diese zu aktivieren. Bisher sind Entwicklungskosten nicht aktiviert worden. (4) Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen enthalten die Zuführung einer Rückstellung für eine außerordentliche Schadenersatzklage in den USA (15.000 T€). Aufgabenstellung
a) Definieren Sie die Begriffe EBIT und EBITDA. Ist der Ausweis eines EBIT oder eines EBITDA in einer IFRS-GuV überhaupt erlaubt?
232
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
b) Prüfen Sie die vier Sachverhalte darauf hin, ob eine EBIT-Steigerung möglich ist. Falls Ihnen Angaben fehlen, setzen Sie plausible Annahmen. Erstellen Sie die neue GuV! Zur Erleichterung: mögliche Effekte aus latenten Steuern bleiben unbeachtlich.
c) Bei welchen Ihrer Vorschläge ergeben sich in Folgeperioden EBIT-Rückgänge? Wirken diese Maßnahmen auch auf das EBITDA? Lösung:
a) Begriff EBIT und EBITDA sowie Zulässigkeit des Ausweises in der IFRS-GuV In der Finanzmarktkommunikation kommt den Ergebnisgrößen EBIT und EBITDA überragende Bedeutung zu. Die Begriffe
EBIT = Earnings Before Interest and Tax, Ergebnis vor Zinsen und Ertragsteuern (häufig auch Betriebsergebnis oder operatives Ergebnis genannt) sowie
EBITDA = Earnings Before Interest, Tax, Depreciation and Amortisation, Ergebnis vor Abschreibungen, Zinsen und Ertragsteuern
sind indes nicht verbindlich definiert. Vor allem bestehen Abgrenzungsunterschiede beim Zinsbegriff: Gehören hierzu neben den klassischen Zinsaufwendungen und Erträgen auch die Dividenden- und Beteiligungsergebnisse, Abschreibungen auf Finanzinstrumente, Fair Value-Schwankungen aus Wertpapieren? Solange solche Abgrenzungsfragen nicht geklärt sind, ist eine gewisse Vorsicht in der Verwendung dieser Ergebniskennzahlen zumindest beim Vergleich von Unternehmen untereinander angebracht. Der IASB hat darauf verzichtet, ein Betriebsergebnis (EBIT) zu definieren (IAS 1.BC55); daher wird dessen Angabe von IAS 1 auch nicht verlangt. Gleichwohl ist es nicht untersagt, ein Betriebsergebnis anzugeben, und das entspricht auch üblicher Praxis. Bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens kann auch ein EBITDA ausgewiesen werden. Falls diese Zeilen angegeben werden, muss jedoch sichergestellt werden, dass innerhalb des Betriebsergebnisses sämtliche Aufwendungen und Erträge erfasst werden, die nach allgemeiner Auffassung als operativ zu bezeichnen sind (IAS 1.BC56).
b) Bilanzpolitik und EBIT-Steigerung (1) Nach IAS 19.119 werden explizit keine Vorgaben gemacht, wo der aus der Altersversorgung resultierender Aufwand (laufender Dienstzeitaufwand, Zinsaufwand, Verzinsung des Planvermögens usw.) auszuweisen ist. Daher kann die Aufzinsung der Pensionsverpflichtung unter Zinsaufwand (nach Berücksichtigung etwaiger Erträge aus Planvermögen) im übrigen Finanzergebnis und die Summe der übrigen Komponenten des Altersversorgungsaufwandes als Personalaufwand (Gesamtkosten-
233
4.1
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
verfahren) bzw. innerhalb der Funktionsbereiche (Umsatzkostenverfahren) ausgewiesen werden. Im Beispiel würde der Saldo von - 600 T€ aus Zinskosten (- 800 T€) und Erträgen aus Planvermögen (200 T€) zweckmäßigerweise von Personalaufwand in Finanzergebnis umgegliedert werden. Darüber hinaus lässt sich die Amortisation versicherungsmathematischer Verluste vermeiden, wenn von dem Wahlrecht zur erfolgsneutralen Verrechnung (siehe Aufgabe 2.6.4 e)) Gebrauch gemacht wird. Damit steigt nicht nur das EBIT um 100 T€, sondern sogar das Jahresergebnis und damit auch das Ergebnis je Aktie. (2) In der Aufgabe wird das Ergebnis aus at equity bewerteten Beteiligungen in Anlehnung an die Beispiele in IAS 1.IG im Finanzergebnis ausgewiesen. Alternativ ist eine Zurechnung zum EBIT zulässig, wenn das equity-Ergebnis als Maßstab für die operative Unternehmensleistung des Mutterunternehmens betrachtet wird, was hier unterstellt werden soll. Bei diesem Ausweis steigt das EBIT um 3.000 T€. (3) Im Jahr des Anfalls der Entwicklungskosten kann das EBIT durch Ausnutzen der faktisch bestehenden Aktivierungsspielräume (siehe Aufgabe 2.1.2) erhöht werden. Wegen der Aktivierung von 10.000 T€, die hier unterstellt wird (andere aktivierte Eigenleistungen), schlägt die Maßnahme bis zum Jahresergebnis durch. Dabei wird angenommen, dass für das Entwicklungsprojekt in x1 noch keine Abschreibungen angefallen sind. (4) Der Ausweis eines außerordentlichen Ergebnisses zur Aufnahme der Rückstellungszuführung ist unter dieser Bezeichnung sowohl in der GuV als auch im Anhang untersagt (IAS 1.87). Gleichwohl ist der Ausweis eines „Sonderergebnisses“ wegen der Zulässigkeit von Postenerweiterungen (IAS 1.85) erlaubt. Das Gebot, innerhalb des operativen Ergebnisses alle dort allgemein erwarteten Erträge und Aufwendungen einzubeziehen (siehe a)), lässt sich pragmatisch durch Ausweis mehrerer „ZwischenEBITs“ („Operatives Ergebnis vor / nach Sondermaßnahmen) lösen. Somit könnte ein um 15.000 T€ höheres EBIT vor Sondermaßnahmen ausgewiesen werden. Nach Durchführung dieser Maßnahmen beträgt die EBIT-Umsatzrendite 11,74 % (58.700 T€ / 500.000 T€).
234
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Die GuV sieht dann wie folgt aus: Tabelle 4-8:
Gewinn- und Verlustrechnung für das Geschäftsjahr 01 (in T€)
Bezeichnung
Betrag
Umsatzerlöse
500.000
andere aktivierte Eigenleistungen
+ 10.000
Materialaufwand
- 200.000
Personalaufwand
- 99.300
Abschreibungen
- 15.000
sonstige betriebliche Aufwendungen sonstige betriebliche Erträge Ergebnis aus at equity bewerteten Beteiligungen EBIT vor Sondermaßnahmen
Rückstellungszuführung
- 135.000 10.000 3.000 73.700
- 15.000
EBIT nach Sondermaßnahmen
58.700
Finanzergebnis
- 8.600
Ergebnis vor Steuern
50.100
Ertragsteuern Jahresüberschuss
- 13.200 36.900
c) EBIT-/EBITDA-Wirkung in Folgeperioden Im Sachverhalt (3) führen die aktivierten Entwicklungskosten wegen der Abschreibungen in den Folgejahren zu Ergebnisbelastungen und zur EBIT-Senkung. Andererseits fällt das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) durch die Aktivierung dauerhaft höher aus, da der Abschreibungsaufwand unterhalb des EBITDA ausgewiesen wird.
235
4.1
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
4.2
Eigenkapitalspiegel und Kapitalflussrechnung
4.2.1
Eigenkapitalspiegel – Augstone-Konzern
Rechtsquellen: IAS 1; IAS 12; IAS 21 Lernziele: Erkennen von Sachverhalten des übrigen Konzernergebnisses inklusive der Wirkung der Steuerabgrenzung darauf; Aufstellung eines Eigenkapitalspiegels Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt: Der im Medienbereich tätige Augstone-Konzern, Buxtehude, blickt auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr x1 zurück, in dem sich u.a. folgendes ereignet hat: (1) Es wurde ein Konzernjahresüberschuss in Höhe von 730 T€ erzielt, davon entfallen 700 T€ auf die Anteilseigner der Konzernmutter und 30 T€ auf die Minderheiten. (2) Für das Vorjahr wurden in x1 Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 350 T€ vorgenommen, davon 340 T€ an Anteilseigner der Konzernmutter und 10 T€ aus Tochtergesellschaften an Minderheiten. (3) Die Währungsumrechnungsdifferenz aus einer US-Tochtergesellschaft hat sich wegen gestiegener US-Dollarkurse um + 250 T€ verändert (davon entfallen 200 T€ auf die Konzernmutter und 50 T€ auf Minderheiten). Der Konzern plant weder Ausschüttungen noch Verkäufe der betroffenen Auslandstochtergesellschaften. (4) In x1 sind versicherungsmathematische Verluste in Höhe von brutto 70 T€ und netto, nach 30 % latenten Steuern, 49 T€ angefallen, die gemäß IAS 19 erfolgsneutral mit dem Eigenkapital verrechnet werden. Der Betrag entfällt ausschließlich auf die Konzernmutter. (5) Die erfolgsneutral behandelte Differenz zwischen Marktwert und fortgeführten Anschaffungskosten bei Wertpapieren (Anleihen) der Kategorie available-for-sale hat sich in x1 um 100 T€ verringert; latente Steuern sind in Höhe von 30 % zu berücksichtigen. Der Betrag entfällt ausschließlich auf die Konzernmutter. (6) Am 01.08.x1 erwirbt der Konzern 80 % der Anteile an der Picture News plc. Der auf die Minderheiten entfallende Anteil am zum Fair Value bewerteten Nettovermögen beträgt 400 T€.
236
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Aufgabenstellung
a) Was ist der Informationszweck eines Eigenkapitalspiegels? b) Darf oder muss das Konzerngesamtergebnis (s. Aufgabe 4.1.2) auch im Eigenkapitalspiegel in seinen Komponenten dargestellt werden?
c) Erstellen und erläutern Sie anhand der Angaben des Sachverhalts den Eigenkapitalspiegel des Augstone Konzerns für das Geschäftsjahr x1.
Stand 01.01.x1
5.000 2.000
Rücklagen für Pensionen
- 300
- 200
Wertpapiere availablefor-sale 100
6.600
Konzerneigenkapital
Währungsumrechnung
Fremdanteile
kumuliertes übriges Konzernergebnis Anteil Konzernmutter
Gewinnrücklagen
Eigenkapitalspiegel für das Geschäftsjahr x1 (in T€), Aufgabenblatt
gez. Kapital
Tabelle 4-9:
200 6.800
Währungsumrechnung vers.-math. Verluste Wertpapiere available-for-sale latente Steuern übriges Konzernergebnis
Jahresüberschuss Konzerngesamtergebnis
Dividenden Änderung Konsolidierungskreis Stand 31.12.x1
237
4.2
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Lösung
a) Informationszweck des Eigenkapitalspiegels Änderungen des Eigenkapitals (Reinvermögens) ergeben sich grundsätzlich aus zwei Quellen:
Aus erfolgsneutralen Transaktionen mit den Anteilseignern (Kapitaleinzahlungen und Ausschüttungen/Rückzahlungen) und
aus dem Periodenergebnis (Unternehmenserfolg).
Dieses klare Konzept (sog. Kongruenz-Prinzip, wonach die Summe der Periodengewinne dem Totalgewinn entspricht) wird durchbrochen, wenn Aufwendungen und Erträge außerhalb der GuV, also erfolgsneutral erfasst werden. Erfolgsneutral meint dabei, dass manche Sachverhalte unmittelbar im Eigenkapital gegengebucht werden. Das ist in den IFRS häufig der Fall, s. Aufgabe 4.1.2., und über die einzelnen Sachverhalte – die Bestandteile des übrigen Ergebnisses (sog. other comprehensive income) – ist in der Gesamtergebnisrechnung und, siehe nachfolgend b), auch im Eigenkapitalspiegel zu informieren. Der Eigenkapitalspiegel erklärt daher sämtliche Eigenkapitalveränderungen, wohingegen die Gesamtergebnisrechnung nur das Jahresergebnis und die übrigen erfolgsneutral erfassten Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres listet..
b) Darstellung der Komponenten des Gesamtergebnisses im Eigenkapitalspiegel? Nach dem Rechtsstand 1.1.2009 war die Darstellung der einzelnen Komponenten des Konzerngesamtergebnisses im Eigenkapitalspiegel untersagt und nur in der Gesamtergebnisrechnung zulässig (IAS 1.106 i.d.F. 1.1.2009). Im Eigenkapitalspiegel tauchte nur das nicht aufgegliederte Gesamtergebnis auf. Mit Wirkung für Geschäftsjahre ab 1.7.2009 (frühere Anwendung erlaubt, IAS 1.139A) ist IAS 1.106 jedoch um einen Buchstaben d) ergänzt worden. Danach ist das Gesamtergebnis wieder aufzuteilen in das Ergebnis lt. GuV und jede Komponente des sonstigen Ergebnisses, wobei die Änderung für jede Komponente des sonstigen Ergebnisses separat darzustellen ist. Dies bedeutet letztlich eine Wiederholung der Inhalte der Gesamtergebnisrechnung, wobei im Eigenkapitalspiegel zusätzlich die kumulierten Werte der Eigenkapitalkomponenten zu erkennen sind.
c) Eigenkapitalspiegel Das Beispiel berücksichtigt den Rechtsstand 1.7.2009 (s. Lösung zu b)). Außer der Veränderung der Komponenten des erfolgsneutralen (übrigen) Konzernergebnisses (other comprehensive income) enthält der Eigenkapitalspiegel in den Spalten auch die kumulierten Werte, und zwar zerlegt in die drei Komponenten (each reserve, IAS 1.106d).
238
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Rücklagen für Pensionen
Wertpapiere availablefor-sale
- 300
- 200
100
6.600
200
Währungsumrechnung vers.-math. Verluste
200 - 70
übriges Konzernergebnis
0
Jahresüberschuss Konzerngesamtergebnis
Dividenden
0
200
700
200
- 100
- 100
21
30
51
51
- 49
-70
81
50
131
700
30
730
781
80
861
- 49
- 70
- 340
- 340 0
5.000 2.360
- 100
250
- 100
Änderung Konsolidierungskreis Stand 31.12.x1
50
- 70
700 0
200 6.800
- 70
Wertpapiere available-for-sale latente Steuern
Fremdanteile
Gewinnrücklagen
5.000 2.000
Währungsumrechnung
Anteil Konzernmutter
Stand 01.01.x1
kumuliertes übriges Konzernergebnis
Konzerneigenkapital
Eigenkapitalspiegel für das Geschäftsjahr x1 (in T€), Lösung
gez. Kapital
Tabelle 4-10:
- 249
30
7.041
- 10 - 350 400
400
670 7.711
Die Zeilenuntergliederung des übrigen Konzerngesamtergebnisses nach seinen Komponenten ist dann notwendig, falls der Gesamtbetrag (Konzernmutter und Minderheiten) am jeweiligen übrigen Konzernergebnis ausgewiesen werden soll (z.B. 250 T€ aus der Währungsumrechnung). Außerdem wird dadurch der Anteil der Minderheiten an den einzelnen Komponenten gezeigt. Die Angabe ist indes nicht zwingend (IAS 1.106d fordert nicht den gesonderten Ausweis der Einzelnen Komponenten des Gesamtergebnisses im Hinblick auf die Minderheiten); eine Zeile „übriges Konzernergebnis“ wäre insoweit ausreichend. In Bezug auf die versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste sieht IAS 19.93D eine direkte Verrechnung mit den retained earnings (Gewinnrücklagen) vor. Die
239
4.2
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Begründung lautet, dass die erfolgsneutrale Verrechnung mit dem Eigenkapital insoweit endgültig ist, während bei allen anderen Komponenten des other comprehensive income ein recycling oder eine erfolgsneutrale Umbuchung in die Gewinnrücklagen (bei der Neubewertungsrücklage gem. IAS 16) erfolgen. Da sich der kumulierte Betrag der verrechneten Beträge dann nicht mehr aus dem Eigenkapitalspiegel ergäbe, aber genannt werden muss, wäre eine separate Anhangangabe erforderlich (IAS 19.120Ai). In der Praxis wird aber auch oft eine (wie in unserem Beispiel) separate Eigenkapitalkategorie geführt (VW, TUI, BMW, Merck und Adidas-Salomon in 2007). Dafür spricht die saubere Trennung von erfolgswirksam und erfolgsneutral entstandenen Eigenkapitalbeträgen. Letztlich sind beide Varianten zulässig: Sachlich lässt sich u.E. auch eine separate Eigenkapitalkategorie als Teil der „retained earnings“ i.S.v. IAS 19.93D interpretieren. Gegebenenfalls anfallende latente Steuern auf das übrige Konzernergebnis werden im Beispiel in der Entwicklung brutto ausgewiesen, während die jeweiligen Anfangs- und Endbestände Nettowerte sind. Bei den Währungsumrechnungsdifferenzen fallen im Beispiel keine latenten Steuern an, da die Konzernmutter keine Ausschüttungen aus den Auslandstöchtern plant (siehe Aufgabe 3.3.4). Alternativ können die Komponenten des übrigen Konzernergebnisses in ihrer Entwicklung auch netto ausgewiesen und die erfolgsneutral erfassten latenten Steuern im Anhang genannt werden.
Bei der Änderung des Konsolidierungskreises (+ 400 T€) handelt es sich um den auf Minderheiten entfallenden Anteil am zum Fair Value bewerteten Eigenkapital erworbener Tochterunternehmen. Die Erhöhung des Eigenkapitals beruht auf der Vollkonsolidierung, wonach das Nettovermögen der Tochtergesellschaften vollständig in die Konzernbilanz übernommen wird, auch wenn der Konzern mit weniger als 100 % beteiligt ist. Im Konzernabschluss wird daher mehr Vermögen angesetzt, als der Konzernmutter (direkt oder indirekt) gehört; die Minderheiten leisten bei Erstkonsolidierung in Höhe ihres Anteils an den net assets praktisch eine (Sach-) Einlage in den Konzern.
d) Gesamtergebnisrechnung Die Gesamtergebnisrechnung kann zusammen mit der GuV als ein statement oder, wie hier, als separates statement aufgestellt werden (s. Aufgabe 4.1.2). Die Gesamtergebnisrechnung nimmt nach IAS 1.84 i.V.m. 1.82 noch einmal das Jahresergebnis der GuV auf, listet dann die in der Periode erfolgsneutral erfassten Beträge und endet mit der Summe Gesamtergebnis. Dieses ist betragsmäßig auf die Gesellschafter des Mutterunternehmens und auf die Minderheiten aufzuteilen.
240
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Tabelle 4-11:
Gesamtergebnisrechnung für das Geschäftsjahr x1 (in T€), Lösung
Bezeichnung
Betrag
Währungsumrechnungsdifferenz
250
versicherungsmathematische Verluste
- 70
Wertpapiere available-for-sale latente Steuern
- 100 51
übriges Konzernergebnis
131
Jahresüberschuss
730
Konzerngesamtergebnis
861
- davon auf Konzernmutter entfallend
781
- davon auf Minderheiten entfallend
4.2.2
80
Grundkonzeption einer Kapitalflussrechnung – Praxisnah GmbH
Rechtsquellen: IAS 7 Lernziele: Vermittlung eines Verständnisses für die Grundstruktur einer Kapitalflussrechnung; Korrekturmechanismus bei indirekter Darstellung des Mittelflusses aus operativer Tätigkeit Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt: Die Praxisnah GmbH, ein produzierendes Unternehmen, hat zum 31.12.x1 folgende IFRS-Bilanz erstellt:
241
4.2
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Tabelle 4-12:
Bilanz der Praxisnah GmbH (in T€) Bilanz der Praxisnah GmbH zum 31.12.x1
langfristiges Vermögen
Sachanlagen
Eigenkapital
500
gezeichnetes Kapital + Rücklagen Bilanzgewinn
kurzfristiges Vermögen
15
langfristige Schulden
RHB
220
Pensionsrückstellungen
Forderungen aus LuL
160
kurzfristige Schulden
sonstige Vermögenswerte
20
Bankverbindlichkeiten
Kasse
50
Verbindlichkeiten aus LuL
Summe Aktiva
215
950
Summe Passiva
200 450 70 950
Im Geschäftsjahr x2 haben sich folgende Geschäftsvorfälle ereignet: (1)
Abschreibungen Sachanlagen 80 T€, Investitionen 65 T€ bezahlt
(2)
Verkauf Sachanlagen für 10 T€, Buchwert 6 T€, bisheriger Zufluss 1 T€
(3)
Zugang RHB 400 T€, davon bezahlt 350 T€, Verbrauch RHB 460 T€
(4)
Lieferantenschulden per 31.12.x1 bezahlt
(5)
Personalaufwand 300 T€, davon Zuführung Pensionsrückstellung 20 T€, Rest ausgezahlt
(6)
Umsatzerlöse 880 T€, Endbestand Forderungen aus LuL 290 T€
(7)
Zinsaufwand für Bankverbindlichkeiten 30 T€, davon bezahlt 22 T€
(8)
Langfristige Darlehensaufnahme 75 T€, keine Tilgung von Bankverbindlichkeiten und Darlehen in x2
(9)
Steueraufwand gezahlt 5 T€
(10) Ausschüttung Bilanzgewinn Vorjahr 15 T€ (11) Zuführung von 1/3 des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklage Aufgabenstellung
a) Entwickeln Sie unter Berücksichtigung der Geschäftsvorfälle (1) bis (11) des Jahres x2 die Schlussbilanz per 31.12.x2 und die Gewinn- und Verlustrechnung für x2. Stellen Sie der Schlussbilanz die Vergleichswerte der Vorperiode gegenüber und geben Sie eine Veränderungsspalte an.
242
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
b) Erstellen Sie eine Kapitalflussrechnung für x2. Der Mittelfluss aus operativer Tätigkeit soll indirekt dargestellt werden und möglichst hoch sein. Verwenden Sie folgendes Schema: Tabelle 4-13:
Kapitalflussrechnung der Praxisnah GmbH für x2 (in T€), Aufgabenblatt
Posten
Betrag
Jahresüberschuss + Abschreibung Sachanlagen + Zuführung langfristiger Rückstellungen - Gewinn a. d. Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens + Zinsaufwand Cash Flow
+ Abnahme Vorräte - Zunahme Forderungen aus LuL - Abnahme Verbindlichkeiten aus LuL Veränderung Nettoumlaufvermögen Mittelfluss aus operativer Tätigkeit
Einzahlungen aus Abgängen von Gegenständen des Sachanlagevermögens - Auszahlungen für Investitionen in das Sachanlagevermögen Mittelfluss aus Investitionstätigkeit
- Auszahlungen an Gesellschafter + Einzahlungen aus Darlehensaufnahme - Zinsauszahlungen Mittelfluss aus Finanzierungstätigkeit Veränderung Finanzmittelfonds Finanzmittelfonds Periodenanfang Finanzmittelfonds Periodenende
c) Wie würden Sie einen negativen Mittelfluss aus operativer Tätigkeit in einer Kapitalflussrechnung interpretieren?
243
4.2
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Lösung
a) Bilanz + GuV für x2 Der Buchwert der Sachanlagen verändert sich von 500 T€ abzüglich (1) Abschreibungen 80 T€ zuzüglich Investitionen 65 T€ abzüglich (2) Veräußerungen 6 T€ auf 479 T€. Die Veräußerungserlöse belaufen sich auf 10 T€, so dass ein sonstiger betrieblicher Ertrag von 4 T€ zu buchen ist. Da die Veräußerungen erst i.H.v. 1 T€ bezahlt worden sind, erhöhen sich die sonstigen Vermögenswerte um 9 T€ auf 29 T€. Der Buchwert der RHB verändert sich von 220 T€ zuzüglich (3) 400 T€ abzüglich 460 T€ auf 160 T€. Von den Zugängen sind nur 350 T€ bezahlt worden, so dass die Verbindlichkeiten aus LuL um 50 T€ ansteigen. Zugleich sind die Altverbindlichkeiten von 70 T€ gezahlt worden (4), so dass der Endbestand der Verbindlichkeiten aus LuL 50 T€ beträgt. In der Gewinn- und Verlustrechnung ist der Personalaufwand von 300 T€ zu erfassen, der sich in der Bilanz durch einen Kassenrückgang von 280 T€ und einen Zugang bei den Pensionsverpflichtungen von 20 T€ niederschlägt (5). Die Umsatzerlöse von 880 T€ sind in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen. Einzahlungen von Kunden hat es in Höhe von 750 T€ gegeben, unabhängig davon in welchem Jahr die zugehörigen Umsätze erfolgten, weil sich der Endbestand der Forderungen aus LuL um 130 T€ auf 290 T€ erhöht hat (6). Die Bankverbindlichkeiten erhöhen sich wegen der noch nicht gezahlten Zinsen um 8 T€ um 458 T€. Außerdem ist bei den langfristigen Schulden wegen der Darlehensaufnahme von 75 T€, die den Kassenbestand erhöht, eine neue Zeile einzufügen. Zins- und Steueraufwand sind in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen (7, 9). Die Ausschüttung an die Gesellschafter i.H.v. 15 T€ führt zu einer erfolgsneutralen Bilanzverkürzung (10). Vom Jahresüberschuss i.H.v. 9 T€ werden 3 T€ den Rücklagen zugeführt und der Rest als Bilanzgewinn ausgewiesen. Die folgende Darstellung der Bilanz enthält bereits die für die Kapitalflussrechnung nötige Veränderungsspalte.
244
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Tabelle 4-14:
Bilanz der Praxisnah GmbH zum 31.12x2 (in T€), Lösung
Bilanz
x1
x2
Veränderung
langfristiges Vermögen
Sachanlagen
500
479
- 21
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
220
160
- 60
Forderungen aus LuL
160
290
+ 130
sonstige Vermögenswerte
20
29
+9
Kasse
50
69
+ 19
Summe
950
1.027
+ 77
gezeichnetes Kapital/ Rücklagen
215
218
+3
15
6
-9
75
+ 75
200
220
+ 20
450
458
+8
70
50
- 20
950
1.027
+ 77
kurzfristiges Vermögen
Bilanzgewinn langfristige Schulden
Darlehen Pensionsrückstellungen kurzfristige Schulden
Bankverbindlichkeiten Verbindlichkeiten aus LuL Summe
245
4.2
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Tabelle 4-15:
Gewinn- und Verlustrechnung 01.01.x2 - 31.12.x2 (in T€)
Posten
Umsatzerlöse sonstige betriebliche Erträge
Betrag
880 4
Materialaufwand
- 460
Personalaufwand
- 300
Abschreibungen
- 80
Zinsaufwand
- 30
Steuern vom Einkommen und Ertrag Jahresüberschuss
-5 9
b) Kapitalflussrechnung für x2 Bei Erstellung einer Kapitalflussrechnung müssen die Ein- und Auszahlungen des vergangenen Geschäftsjahres einer der drei Bereiche
operative Tätigkeit,
Investitionstätigkeit und
Finanzierungstätigkeit
zugeordnet werden. Die Summe der Zahlungsströme aus diesen drei Bereichen ergibt die Veränderung der liquiden Mittel („Finanzmittelfonds“) . Der Finanzmittelfonds kann neben dem Kassenbestand auch andere Elemente enthalten, beispielsweise jederzeit liquidierbare Wertpapiere ohne Kursrisiken. Bei der Praxisnah GmbH besteht der Finanzmittelfonds jedoch nur aus dem Kassenbestand. Bei den Mittelflüssen aus operativer Tätigkeit besteht ein Wahlrecht, sie indirekt oder direkt darzustellen. Üblicherweise werden die Mittelflüsse aus operativer Tätigkeit indirekt dargestellt, also ausgehend vom Jahresergebnis entwickelt. Das Jahresergebnis wird demnach als positive (Jahresüberschuss) oder negative (Jahresfehlbetrag) Veränderung der liquiden Mittel interpretiert. Da aber in der Gewinn- und Verlustrechnung keine Ein- und Auszahlungen, sondern Aufwendungen und Erträge erfasst werden, ist bei indirekter Darstellung der Zahlungsströme aus operativer Tätigkeit eine Korrektur erforderlich. Beispielsweise haben die im Geschäftsjahr verrechneten Abschreibungen zwar das Jahresergebnis gemindert, nicht aber die liquiden Mittel. Also sind für Zwecke der Kapitalflussrechnung die Abschreibungen wieder hinzuzuaddieren. Ein zweiter Korrekturmechanismus besteht aus Umgliederungen. So sind Zahlungszuflüsse aus der Veräußerung von Anlagevermögen dem Investitionsbereich zuzuord-
246
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
nen. Infolge dessen sind die Erträge aus der Veräußerung von Anlagevermögen aus dem operativen Bereich zu entfernen. Die Mittelflüsse aus Investitions- und Finanzierungstätigkeit sind direkt darzustellen. Die Kapitalflussrechnung bei indirekter Darstellung der Mittelflüsse aus operativer Tätigkeit ergibt sich wie folgt und wird nachfolgend erläutert: Tabelle 4-16:
Kapitalflussrechnung der Praxisnah GmbH für x2 (in T€), Lösung
Posten
Betrag
Jahresüberschuss
9
+ Abschreibung Sachanlagen
80
+ Zuführung Rückstellungen
20
- Gewinn a. d. Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens
-4
+ Zinsaufwand
30
Cash Flow
+ Abnahme Vorräte
135
60
- Zunahme FLL
- 130
- Abnahme VLL
- 20
Veränderung Nettoumlaufvermögen Mittelfluss aus operativer Tätigkeit
Einzahlungen aus Abgängen von Gegenständen des Sachanlagevermögens - Auszahlungen für Investitionen in das Sachanlagevermögen Mittelfluss aus Investitionstätigkeit
- 90 45
1 - 65 - 64
- Auszahlungen an Gesellschafter
- 15
+ Einzahlungen aus Darlehensaufnahme
+ 75
- Zinsauszahlungen
- 22
Mittelfluss aus Finanzierungstätigkeit
38
Veränderung Finanzmittelfonds
19
Finanzmittelfonds Periodenanfang
50
Finanzmittelfonds Periodenende
69
Bei indirekter Darstellung des Mittelflusses aus operativer Tätigkeit wird mit einem GuV-Ergebnis, häufig mit dem Jahresergebnis, begonnen. Allerdings fordert IAS 7 auch die Angabe der Ertragsteuerzahlungen. Startet man die Kapitalflussrechnung mit dem Jahresergebnis, müssen die Ertragsteuerzahlungen im Anhang angegeben 247
4.2
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
werden. Die Alternative wäre die Wahl des Startpunktes Vor-Steuer-Ergebnis (hier: 14 T€), wovon nachfolgend die Steuerzahlungen (hier: - 5 T€) abgezogen werden könnten. Abschreibungen sowie die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen haben zwar das Jahresergebnis gemindert, waren aber nicht liquiditätswirksam. Also müssen sie wieder hinzuaddiert werden. Eine Umgliederung zu anderen Bereichen erfolgt nicht.
Aus der Veräußerung des Anlagevermögens ergibt sich ein Gewinn (sonstiger betrieblicher Ertrag) von 4 T€. Dieser muss aus dem operativen Bereich entfernt werden, unabhängig davon, ob sich Zahlungsflüsse ereignet haben oder nicht, denn der Zahlungsfluss aus dem Abgang von Sachanlagen (soweit sie – Sonderfall IAS 16.68A – nicht üblicherweise vorher vermietet waren) ist der Investitionstätigkeit zuzuordnen. Es handelt sich hierbei also um eine Umgliederung. Der tatsächliche Zahlungsfluss von 1 T€ wird bei der Investitionstätigkeit erfasst. Wegen der Umgliederung erfolgt keine Korrektur der Erhöhung der sonstigen Vermögenswerte. In Kapitalflussrechnungen nach IAS 7 besteht ein Wahlrecht, gezahlte (und erhaltene) Zinsen der operativen Tätigkeit, der Investitionstätigkeit oder der Finanzierungstätigkeit zuzuordnen. In der Praxis ist zunehmend die Tendenz festzustellen, einen negativen Zinssaldo der Finanzierungstätigkeit zuzuordnen. Das erhöht optisch den Mittelfluss aus operativer Tätigkeit. Dieser Praxis folgt auch die Praxisnah GmbH. Dann ist der Zinsaufwand aus dem operativen Bereich zu entfernen und durch die Zinsauszahlung im Finanzierungsbereich zu ersetzen. Auch hierbei erfolgt keine Korrektur der Erhöhung der Bankverbindlichkeiten um 8 T€. Die Zwischenzeile „Cash Flow“ wird oft freiwillig in der Praxis angegeben. Auch die Zwischenzeile „Veränderung des Nettoumlaufvermögens“ ist eine freiwillige Angabe, die ebenfalls häufig anzutreffen ist. Sie enthält die Veränderung jener kurzfristigen Bilanzposten, die dem operativen Bereich zuzuordnen sind. Die Ratio lässt sich besonders gut an den Veränderungen der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen erklären: Deren Gegenposten sind die Umsatzerlöse, die bei indirekter Darstellung des Mittelflusses aus operativer Tätigkeit über den Startpunkt Jahresergebnis bereits vollumfänglich in die Kapitalflussrechnung eingegangen sind. Von dem Umsatz von 880 T€ waren aber nur 750 T€ zahlungswirksam, so dass die Erhöhung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen von 130 T€ wieder abgezogen werden müssen. Es ist aber darauf zu achten, dass nicht jede Veränderung des Umlaufvermögens bzw. der kurzfristigen Verbindlichkeiten hier abzubilden ist, und zwar dann nicht, wenn diese Veränderungen der Investitions- bzw. Finanzierungstätigkeit zuzuordnen sind. Das trifft im Beispiel auf die Forderung aus Anlagenabgängen (Erhöhung sonstige Vermögenswerte um 9 T€, und die Erhöhung der Bankverbindlichkeiten wegen abgegrenzter Zinsen i.H.v. 8 T€ zu.
248
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Die weiteren Zahlungsströme sind direkt zu erfassen, also die Ausschüttung des Bilanzgewinns des Vorjahres (15 T€), die Aufnahme des langfristigen Darlehens (75 T€) und die Zinsauszahlungen (- 22 T€). Die Summe der Mittelflüsse aus operativer Tätigkeit, aus Investitionstätigkeit und Finanzierungstätigkeit ergibt die Veränderung des Finanzmittelfonds der betrachteten Periode (19 T€), die sich zusammen mit dem Anfangsbestand (50 T€) zum Endbestand (69 T€) verdichtet. Sollte sich der Finanzmittelfonds nicht nur aus dem Kassenbestand zusammensetzen, ist eine Überleitungsrechnung auf die einzelnen Bilanzposten erforderlich.
c) Negativer Mittelfluss aus operativer Tätigkeit Ein negativer Mittelfluss aus operativer Tätigkeit ist bei Unternehmen, die schon länger am Markt bestehen, extrem bedenklich: Ein Unternehmen, das durch sein Kerngeschäft an Liquidität verliert, wird auf Dauer nicht überleben. Bei jungen Unternehmen hingegen kann ein negativer Mittelfluss aus operativer Tätigkeit kurzfristig zu vertreten sein. Literaturempfehlung: Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 21. Aufl. 2009, S. 769-853
4.3
Anhang
Vorbemerkung: Die in den Berichtsinstrumenten Bilanz, Gesamtergebnisrechnung, Eigenkapitalspiegel und Kapitalflussrechnung aufgeführten Zahlen können sinnvoll nur mit ergänzenden Anhangangaben interpretiert werden. Dem Anhang kommt daher eine große Bedeutung zu, übrigens auch in HGB-Abschlüssen. Der Anhang von IFRSKonzernabschlüssen hat häufig einen Umfang von 60 oder 80 Seiten und mehr. Gelegentlich wird auch die Frage aufgeworfen, wie diese Informationsflut von Analysten noch verarbeitet werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist klar, dass im Rahmen dieses Übungsbuchs nur punktuell auf Anhangangaben eingegangen werden kann. Das ist in manchen Aufgaben außerhalb dieses Kapitels schon geschehen, um den Sinnzusammenhang der Aufgaben nicht auseinanderzureißen:
249
4.3
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Tabelle 4-17:
Aufgaben mit Anhangangaben
Aufgabennummer
Inhalt der Anhangangabe
1.1.2 b)
Übereinstimmungserklärung
1.2.2 b)
(Vorzeitige) Anwendung neuer Standards
2.3.2 c) und d)
Angaben über Operating-Leasingverhältnisse in den Abschlüssen von Leasinggebern und Leasingnehmern
2.6.4 c)
Pensionenspiegel: Entwicklung von Pensionsverpflichtungen und Planvermögen
2.8.4 a)
Datum der Freigabe des Abschlusses
2.8.6 d)
Latente Steuern, steuerliche Überleitungsrechnung
4.1.1 b)
Aufgliederung von Bilanzposten im Anhang
In den nachfolgenden Aufgaben werden weitere Spezialthemen des Anhangs erörtert.
4.3.1
HGB-Angaben im IFRS-Abschluss – Silence GmbH
Rechtsquelle: § 315a HGB Lernziele: Beachtung von HGB-Anhangangaben auch im IFRS-Abschluss; Zusammenhang von HGB und IFRS-Anhangangaben Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt:
Mit Zornesröte im Gesicht eröffnet Dr. Ückeberger, Leiter Finanzen der Silence GmbH, seine Abteilungsbesprechung und poltert los: „Gestern habe ich auf einem Seminar eines Bochumer Hochschulprofessors erfahren, dass wir in unserem Konzernabschluss nach HGB unseren Anteilsbesitz offen legen müssen und keine gesonderte Liste mehr erstellen dürfen. Außerdem müssen wir über das Honorar des Abschlussprüfers ebenso berichten wie über nahe stehende Unternehmen und Personen und auch über latente Steuern, selbst wenn wir gar keine ansetzen! Und das alles, obwohl wir den Kapitalmarkt gar nicht in Anspruch nehmen! Meine Damen und Herren, ich bin es leid: Wir stellen jetzt auf IFRS um, dann haben wir mit dem ganzen Blödsinn nichts mehr zu tun und müssen nicht einmal mehr einen Lagebericht erstellen!“ Aufgabenstellung:
Hat Dr. Ückeberger Recht? Fallen die von ihm genannten Anhang-Berichtspflichten und der Lagebericht in einem IFRS-Konzernabschluss weg?
250
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
Lösung:
Die Silence GmbH kann ihren Konzernabschluss gem. § 315a Abs. 3 Satz 1 HGB nach IFRS aufstellen. Sie muss dann aber wegen Satz 2 auch die Standards und Vorschriften des § 315a Abs. 1 HGB vollständig befolgen. Dazu gehören neben den europarechtlich freigeschalteten IFRS (s. Aufgabe 1.2.1 c)) u.a. folgende nationale Normen:
Aufstellung des Anteilsbesitzes (§ 313 Abs. 2 HGB). In der Tat ist mit dem BilMoG die Möglichkeit einer gesonderten Aufstellung des Anteilsbesitzes (§ 313 Abs. 4 HGB a.F.) weggefallen, so dass die Angabe innerhalb des Anhangs gemacht werden muss, und zwar sowohl im Rahmen eines HGB- als auch im Rahmen eines IFRS-Abschlusses. Ebenfalls kann hier wie da die Schutzklausel zur Unterlassung von Angaben über den Anteilsbesitz in Anspruch genommen werden, soweit ansonsten ein erheblicher Nachteil entstehen könnte (§ 313 Abs. 3 HGB).
Honorar des Abschlussprüfers (§ 314 Abs. 1 Nr. 9 HGB). Im Zuge des BilMoG haben nun auch nicht kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen die Angabe zu machen, im Übrigen gleichgültig, ob es sich um einen HGB oder IFRS-Abschluss handelt.
Nahe stehende Unternehmen und Personen (§ 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB). Die Angabepflicht ist neu für den HGB-Konzernabschluss (und auch im HGBJahresabschluss erforderlich, § 285 Nr. 21 HGB). Sie wurde veranlasst durch die sog. Abänderungsrichtlinie der EU (Richtlinie 2006/46/EG), für die wiederum IAS 24 Pate stand. Zwar müsste die Silence GmbH § 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB in ihrem IFRS-Abschluss nicht beachten, hätte aber mit IAS 24 zu tun. Im Detail ergeben sich zwischen diesen beiden Normen Unterschiede, s. Aufgabe 4.3.2.
Latente Steuern (§ 314 Abs. 1 Nr. 21 HGB). Ausweislich der Begründung zum BilMoG soll tatsächlich über latente Steuern unabhängig vom Bilanzansatz berichtet werden (s. Theile, Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, 2. Aufl. 2009, § 314 Rz. 13). Die Vorschrift ist in einem IFRS-Konzernabschluss nicht einschlägig. Stattdessen gilt hier der IAS 12, der erstens die Ansatzpflicht auch für aktive latente Steuern im Einzelabschluss (anders als § 274 HGB) vorsieht und zweitens wesentlich umfangreichere Anhangangaben verlangt, u.a. die steuerliche Überleitungsrechnung (s. Aufgabe 2.8.6 d)).
Lagebericht (§ 315 HGB). Nach dem Regelwerk der IFRS ist ein Lagebericht nicht vorgesehen. Trotzdem kann ein deutsches Unternehmen auf den Lagebericht auch dann nicht verzichten, wenn es einen IFRS-Konzernabschluss aufstellt: Wegen § 315a Abs. 1 HGB sind auch die Bestimmungen des „Neunten Titels“ zu beachten, also des § 315 HGB über den Lagebericht.
Fazit: Dr. Ückeberger hat Unrecht. In Bezug auf die von IFRS-Anwendern zu beachtenden HGB-Angaben fordert das Gesetz nicht mehr und nicht weniger als es auch von HGB-Anwendern fordert. Hinzu kommen bei einem Umstieg auf IFRS noch die 251
4.3
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
(erheblichen) Angabepflichten, die die IFRS selbst vorsehen und die weit über die Angabepflichten eines HGB-Konzernabschlusses hinausgehen.
4.3.2
Nahe stehende Unternehmen und Personen – HugMe GmbH
Rechtsquelle: IAS 24, § 285 Nr. 21 HGB, § 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB Lernziele: Abgrenzung von nahe stehenden Unternehmen und Personen zum Bericht erstattenden Unternehmen; Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt:
Die im Plüschtiergeschäft tätige HugMe GmbH (H-GmbH), Giengen an der Benz, hält
100 % der Anteile an der Soft Toy plc (ST plc), Manchester (England),
80 % der Anteile an der Pluszowe Sp. z o.o (P-ZOO), Krakau (Polen) und
100 % der Anteile an der Forschung AG, Hof (Saale).
Die H-GmbH, eine große Kapitalgesellschaft, stellt aufgrund ihrer internationalen Geschäftstätigkeit ihren Konzernabschluss unter Vollkonsolidierung der ST plc und der P-ZOO nach IFRS auf. Die Forschung AG, aus einem Spin-Off des Fachbereichs Textildesign der Fachhochschule Hof hervorgegangen und erst vor zwei Jahren erworben, ist noch im Aufbau begriffen und wird wegen Unwesentlichkeit bislang nicht in den Konzernabschluss einbezogen. An der H-GmbH sind die vier Kinder des Firmengründers Alfons, Berta, Carolin und Dennis (ABCD) zu gleichen Teilen beteiligt. Außerdem hält C noch die 20 % der Anteile an der P-ZOO. An der Geschäftsführung der H-GmbH sind jedoch nur A und B beteiligt, weil C und D ferner als Vorstandsmitglieder und Alleingesellschafter der Schaumstoff AG (S-AG), Hamburg, zeitlich voll eingebunden sind. D lebt seit drei Jahren unehelich in häuslicher Gemeinschaft mit Edina zusammen, die die von ihr neu gegründete Marketingagentur „No limits“ alleine betreibt. Mit der Ogel S/A, Billund, generiert die H-GmbH schon seit Jahren rund 40 % ihrer Umsätze. Rahmenverträge, Entwicklungskooperationen oder ähnliches bestehen jedoch nicht. Aufgabenstellung
a) Erstellen Sie ein Schaubild über die Beziehungen der im Sachverhalt genannten Unternehmen und Personen zueinander.
252
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
b) Was ist der Sinn über Angaben zu nahe stehenden Unternehmen und Personen im Abschluss eines Unternehmens?
c) Welche der im Sachverhalt genannten Unternehmen und Personen sind in Bezug zur H-GmbH für ihren Jahresabschluss nach HGB als nahe stehend zu qualifizieren?
d) Gibt es innerhalb des Unternehmens- bzw. Personenkreises zu c) Ausnahmen von der Berichtspflicht?
e) Welche der im Sachverhalt genannten Unternehmen und Personen sind in Bezug zur H-GmbH für ihren Konzernabschluss nach IFRS als nahe stehend zu qualifizieren? Gäbe es von dieser Abgrenzung Abweichungen, wenn ein HGBKonzernabschluss aufgestellt werden würde?
f)
Ist in HGB-Abschlüssen nach den vorgenannten Abgrenzungen über alle Geschäftsbeziehungen zwischen und mit nahe stehenden Unternehmen und Personen zu berichten, oder bestehen Einschränkungen? Wie ist das im Vergleich zu IFRS-Abschlüssen?
g) Welche der Geschäftsvorfälle (1) bis (7) lösen bei der H-GmbH Berichtspflicht nach § 285 Nr. 21 HGB aus, und welche lösen die Berichtspflicht im IFRSKonzernabschluss aus? (1)
Es gibt einen regen Lieferungs- und Leistungsverkehr zwischen H-GmbH, ST plc und P-ZOO, der schon wegen der steuerlichen Verrechnungspreisproblematik zu marktüblichen Konditionen abgewickelt wird.
(2)
Die Forschung AG erbringt Forschungs- und Entwicklungsleistungen unter Aufwandsersatz ausschließlich gegenüber der H-GmbH.
(3)
„No limits“ hat, um einen Referenzkunden zu gewinnen, eine Imagekampagne für die H-GmbH entworfen und erbringt laufend Personalberatungsleistungen, beides unentgeltlich.
(4)
Der von der H-GmbH benötigte Schaumstoff wird ausschließlich von der SAG zu besonders günstigen Konditionen geliefert, die die S-AG im Übrigen auch anderen guten Kunden einräumt.
(5)
D hat der H-GmbH ein nur mit 1,5 % verzinsliches langfristiges Darlehen gewährt.
(6)
Die H-GmbH und C bürgen unentgeltlich für Bankschulden der P-ZOO.
(7)
In Abstimmung mit den Geschwistern erhalten A und B ein im Personalaufwand erfasstes Geschäftsführergehalt von je 1,5 Mio. €. Angemessen wären je 600 T€. Durch die unangemessene Vergütung wird das Jahresergebnis annähernd aufgezehrt.
253
4.3
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
h) Beurteilen Sie kritisch, wie die Anhangangabepflichten über nahe stehende Unternehmen und Personen von Abschlusserstellern und –prüfern aufgenommen (akzeptiert) werden. Lösung:
a) Schaubild der Konzernverflechtung, nahe stehende Unternehmen und Personen Abbildung 4-1:
HugMe GmbH Konzern und nahe stehende Unternehmen und Personen
Familienangehörige
A
B
25% +GF
C 25% +GF
D
25%
zusammenlebend
E
25% 100% 50% +VM
50% +VM
S-AG Ogel S/A
Handelsbeziehungen 100%
Forschung AG
H-GmbH 100%
Konzernabschluss 80%
ST plc
No limits
20%
P-ZOO
b) Sinn über Angaben zu nahe stehenden Unternehmen und Personen, Anhangangaben über Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen werden in der internationalen Rechnungslegung und auch im HGB für notwendig erachtet, weil die Befürchtung besteht, dass nahe stehende Unternehmen und Personen Geschäfte tätigen, die fremde Dritte nicht eingehen bzw. in anderer Höhe abwickeln würden.
c) Abgrenzung im Jahresabschluss nach HGB Angaben über Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen werden nach § 285 Nr. 21 HGB im Jahresabschluss gefordert. Die Norm ist durch Art. 43 Abs. 1 Nr. 7b der 4. EG-Richtlinie (in der Fassung der Abänderungsrichtlinie) veranlasst und durch das BilMoG eingefügt worden. Nach dem Richtlinientext ist der Begriff „nahe stehende Unternehmen und Personen“ im Sinne der in europäisches Recht übernommenen internationalen Rechnungslegungsstandards zu verstehen, also nach dem
254
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
IAS 24 in der jeweils in der EU gültigen Fassung. Der nationale Gesetzgeber hat es leider versäumt, diesen Zusammenhang in § 285 Nr. 21 HGB aufzunehmen. Unabhängig davon ist nun, soweit ersichtlich, erstmals für eine nationale Norm ein Rückgriff auf die internationalen Rechnungslegungsstandards erforderlich (vgl. Heuser/Leippe/Theile in Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz. 4756). Abgrenzungskriterien nach nationalem Recht (z.B. nahe stehende Personen nach § 1 AStG, verbundene Unternehmen nach § 312 AktG) sind insoweit unbeachtlich. Leitlinie für das Nahestehen ist nach IAS 24 der mindestens maßgebliche Einfluss, den ein anderer auf das Bericht erstattende Unternehmen oder der umgekehrt vom Bericht erstattenden Unternehmen auf einen anderen direkt oder indirekt ausgeübt werden kann. Gegenüber Unternehmen liegt etwa die (widerlegbare) Vermutung des maßgeblichen Einflusses bei einer Stimmrechtsquote von 20 % und mehr, was auch der deutschen Assoziierungsschwelle entspricht (§ 311 Abs. 1 Satz 2 HGB). Damit sind die Unternehmen eines Konzernverbundes, hier also die H-GmbH, ST plc, P-ZOO und die Forschung AG, untereinander nahe stehende Unternehmen. Die Gesellschafter ABCD halten je 25 % der Anteile an der H-GmbH und sind daher nahe stehende Personen. C und D führen offensichtlich die S-AG gemeinsam, üben also bereits mehr als nur den maßgeblichen Einfluss auf die S-AG aus. Dann ist in Bezug zur H-GmbH auch die S-AG ein nahe stehendes Unternehmen, weil auf beide Gesellschaften von denselben ein bzw. zwei Personen C und D ein mindestens maßgeblicher Einfluss ausgeübt wird. Schließlich lebt D mit E zusammen, zwar ohne Trauschein, aber in häuslicher Gemeinschaft. Zu den sog. nahen Familienangehörigen einer nahe stehenden natürlichen Person zählen nach IAS 24.9 auch die Lebenspartner und deren Kinder sowie nahe Angehörige, von denen angenommen werden kann, dass sie die natürliche Person in ihren Geschäftsbeziehungen zum bericht erstattenden Unternehmen beeinflussen können. Insoweit zählen auch E und deren Firma „no limits“ zu den nahe stehenden Unternehmen und Personen der H-GmbH. Zwar ist die Ogel S/A ein wesentlicher Geschäftspartner der H-GmbH und diese insoweit wirtschaftlich möglicherweise von ihr abhängig. Dadurch wird nach IAS 24.11d die Ogel S/A jedoch noch nicht notwendigerweise zu einem nahe stehenden Unternehmen. Es müsste hierfür der Positivbeweis erbracht werden, dass die Ogel S/A maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftspolitik der H-GmbH ausüben könnte, was offensichtlich nicht der Fall ist. Daher sind bis auf die Ogel S/A alle im Sachverhalt genannten natürlichen und juristischen Personen als nahe stehend zur H-GmbH zu qualifizieren.
d) Ausnahmen von der Berichtspflicht Von der Berichtspflicht sind aber gem. § 285 Nr. 21 HGB die Geschäfte mit und zwischen mittel- oder unmittelbar in hundertprozentigem Anteilsbesitz stehenden, in ei-
255
4.3
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
nen Konzernabschluss eingezogenen Unternehmen ausgenommen. Im vorliegenden Fall stehen die ST plc und die Forschung AG in 100%igem Anteilsbesitz der H-GmbH, aber nur die ST plc wird davon in den Konzernabschluss einbezogen. Damit sind aufgrund der Ausnahmevorschrift die Geschäftsbeziehungen zwischen der H-GmbH und der ST plc nicht angabepflichtig. Umgekehrt gilt:
Die Geschäftsbeziehungen zwischen der H-GmbH und der P-ZOO sind angabepflichtig. Die P-ZOO wird zwar in den Konzernabschluss einbezogen, steht aber nicht in 100%igem Anteilsbesitz. Das die weiteren Anteile von C gehalten werden, immerhin eine nahe stehenden Person der H-GmbH, führt angesichts der klaren Forderung nach 100%igem Anteilsbesitz nicht zu einer anderen Beurteilung.
Außerdem sind die Geschäftsbeziehungen zur Forschung AG angabepflichtig. Sie steht zwar in 100%igem Anteilsbesitz, wird aber nicht in den Konzernabschluss einbezogen.
Nach welchen Rechtsregeln – IFRS oder HGB – der Konzernabschluss der H-GmbH aufgestellt wird, ist für die Inanspruchnahme der Ausnahmevorschrift für den HGBJahresabschluss unbeachtlich.
e) Abgrenzung der nahe stehenden im Konzernabschluss Die Abgrenzung unterscheidet sich im IFRS- und HGB-Konzernabschluss nicht von jener nach c). Allerdings sind im Konzernabschluss die Geschäftsbeziehungen zwischen voll- und quotal konsolidierten Unternehmen nicht mehr enthalten, so dass sachlogisch über die Beziehungen der H-GmbH, ST-plc und P-ZOO untereinander nicht zu berichten ist. Nach dem Wortlaut des § 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB werden im HGB-Konzernabschluss von der Berichtspflicht explizit dagegen nur Geschäfte ausgenommen mit und zwischen mittel- oder unmittelbar in 100 %-igem Anteilsbesitz stehenden in einen Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen. Nur im Falle von 100 %-igen Konzerngesellschaften entfiele damit die Angabepflicht. Nach dem Wortlaut der Vorschrift wäre im Konzernabschluss über die Geschäftsbeziehungen der H-GmbH zur P-ZOO zu berichten (sie steht nur in 80%igen Anteilsbesitz!), obwohl diese Geschäfte bekanntlich konsolidiert werden. Die Norm macht daher nur Sinn, wenn sie gegen ihren Wortlaut analog IFRS ausgelegt wird (zu weiteren Unklarheiten des § 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB vgl. Heuser/Leippe/Theile in Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz. 4659).
f)
Umfang der Berichtspflicht
Anzugeben sind für den abgegrenzten Unternehmens- und Personenkreis in HGBAbschlüssen zumindest die nicht zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommenen Geschäfte, und auch nur dann, soweit sie wesentlich sind. Werden insoweit alle Geschäfte zu marktüblichen Bedingungen getätigt, entsteht keine Berichtspflicht, unabhängig von der Wesentlichkeit. Liegen sowohl zu marktüblichen als auch zu nicht
256
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
marktüblichen Bedingungen zustande gekommene wesentliche Geschäfte vor, können auch alle Geschäfte angegeben werden. Die Beurteilung der Marktüblichkeit setzt einen Drittvergleich voraus. Der Begriff Geschäft ist in einem weiten, funktionalen Sinn zu verstehen. Es muss sich nicht notwendigerweise um Rechtsgeschäfte handeln. Betroffen sind sämtliche Maßnahmen, die eine unentgeltliche oder entgeltliche Übertragung oder Nutzung von Vermögensgegenständen oder Schulden zum Gegenstand haben, mithin alle Transaktionen rechtlicher oder wirtschaftlicher Art, die sich auf die Finanzlage eines Unternehmens auswirken können. Dazu gehören Käufe/Verkäufe, Nutzungsüberlassungen, Finanzierungen, Bürgschaften, Produktionsverlagerungen, Stilllegungen von Betriebsteilen, Vereinbarungen beim Ein- oder Verkauf usw. (vgl. BT-Drucks. 16/10067, S. 72). Eine Beschränkung der Angabepflicht auf marktunübliche Geschäfte besteht nach IAS 24 nicht. Hier sind grundsätzlich alle Geschäfte anzugeben. Ohne explizite Nennung gilt der allgemeine Wesentlichkeitsgrundsatz freilich auch im IFRS-Abschluss.
g) Berichtspflicht der Geschäftsvorfälle (1) HGB-Jahresabschluss: Im persönlichen Anwendungsbereich lägen nur die Geschäftsbeziehungen zwischen H-GmbH und P-ZOO. Sie sind aber zu marktüblichen Bedingungen zustande gekommen, so dass keine Angabepflicht besteht. IFRS-Konzernabschluss: Weil alle Geschäftsvorfälle konsolidiert werden, kann nicht berichtet werden.
(2) HGB-Jahresabschluss: Die Marktüblichkeit von nur unter Aufwandsersatz erbrachter Forschungs- und Entwicklungsleistungen mag infrage zu stellen sein, so dass ggf. eine Anhangangabe entstehen könnte. Auf der anderen Seite ist die Wesentlichkeit aus Sicht der H-GmbH zu beurteilen. Es könnte ein Indiz für die Unwesentlichkeit sein, dass die Forschung AG noch im Aufbau begriffen und deshalb auch nicht in den Konzernabschluss einbezogen wird. Hier kommt (überraschend) hinzu: Würde die Forschung AG (weil sie wesentlich geworden ist) einbezogen werden, entfiele wegen des 100%igen Anteilsbesitzes die Berichtspflicht. Betrachtet man indes die bezogenen Leistungen als solche, werden sie aus Sicht der H-GmbH wohl dann als wesentlich einzustufen sein, wenn sie von dieser ihrerseits in nutzbringende Produkte und Verfahren umgesetzt werden können. IFRS-Konzernabschluss: Die Forschung AG wird nicht konsolidiert, so dass dem Grunde nach Berichtspflicht besteht, und zwar unabhängig von der Marktüblichkeit. Aber die Überlegungen zur Wesentlichkeit gelten auch hier.
(3) HGB-Jahresabschluss: Es mag aus Sicht eines jungen Unternehmens der Marketingbranche marktüblich sein, gelegentlich und möglicherweise auch dauerhaft unentgeltlich Leistungen zu erbringen. Die Marktüblichkeit ist aber immer aus Sicht des Bericht erstattenden Unternehmens, hier also der H-GmbH, zu beurteilen. Dessen
257
4.3
4
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
dauerhafter unentgeltlicher Leistungsbezug dürfte als marktunüblich zu qualifizieren sein, so dass – vorbehaltlich der Wesentlichkeit – eine Angabepflicht zu bejahen ist. IFRS-Konzernabschluss: Angabepflicht unabhängig von der Marktunüblichkeit.
(4) HGB-Jahresabschluss: Zwar erfolgt die Belieferung durch die S-AG zu besonders guten Konditionen, was Hinweis auf die Marktunüblichkeit sein kann. Da aber auch anderen guten Kunden diese Konditionen eingeräumt werden, wäre hier zu prüfen, ob die H-GmbH die Konditionen wegen ihrer Bonität und Marktstellung erhält (dann: marktüblich), oder nur deshalb, weil die S-AG ein nahe stehendes Unternehmen ist (dann: marktunüblich). Die H-GmbH benötigte also Informationen über die wirtschaftliche Situation anderer Kunden der S-AG, um den Drittvergleich objektiv nachprüfbar darstellen zu können. Sie ist insoweit von der Informationsbereitstellung der S-AG abhängig. IFRS-Konzernabschluss: Angabepflicht unabhängig von der Marktunüblichkeit
(5) HGB-Jahresabschluss: Auch beim Gesellschafterdarlehen ist zu fragen, zu welchen Konditionen sich die H-GmbH durch fremde Dritte üblicherweise finanzieren kann. Liegt der Zinssatz (deutlich) höher als 1,5 %, ist von Marktunüblichkeit der Gesellschafterfinanzierung auszugehen. IFRS-Konzernabschluss: Angabepflicht unabhängig von der Marktunüblichkeit
(6) HGB-Jahresabschluss: Wenn die Unentgeltlichkeit der Bürgschaft nicht durch andere (Vermögens)Vorteile kompensiert wird, liegen nicht marktübliche Bedingungen vor. Der Sachverhalt könnte aber steuerschädlich sein (§ 1 AStG), und im Fall ihrer Wesentlichkeit wäre die Anhangangabe insoweit die auf dem Silbertablett überbrachte Einladung an die steuerliche Außenprüfung. – Nicht Angabepflichtig ist freilich die Bürgschaft von C an die P-ZOO: Es handelt sich nicht um ein Geschäft des Bericht erstattenden Unternehmens, der H-GmbH. IFRS-Konzernabschluss: Keine Angabepflicht der Bürgschaft, da konsolidiert.
(7) HGB-Jahresabschluss: Unstrittig liegt hier eine marktunübliche Geschäftsführungsvergütung vor, die aufgrund ihrer Auswirkung auf das Jahresergebnis auch als wesentlich einzustufen ist. Indes besteht die Angabepflicht über die Organvergütung bereits nach § 285 Nr. 9a HGB, die nach Auffassung des IDW als lex specialis selbst dann anzusehen ist, wenn die H-GmbH von der Schutzklausel des § 286 Abs. 4 HGB Gebrauch macht (vgl. IDW ERS HFA 33, Rz. 28). Letzteres ist auch bei zwei Gesellschaftern möglich (OLG Düsseldorf v. 26.6.1997 – 19 W 2/97, DB 1997, 1609). Daher berichtet die H-GmbH weder nach § 285 Nr. 9a noch nach § 285 Nr. 21 HGB über den vorliegenden Sachverhalt. IFRS-Konzernabschluss: Im Konzernabschluss ist über die Geschäftsführungsvergütung auf Basis des § 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB zu berichten, der auch für den IFRSKonzernabschluss einschlägig ist (§ 315a Abs. 1 HGB). Entgegen dem Wortlaut des § 286 Abs. 4 HGB ist diese Schutzklausel auch im Konzernabschluss einschlägig (vgl.
258
Berichtsinstrumente im IFRS-Abschluss
statt vieler Ellrott in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 7. Aufl. 2010, § 314 HGB Rz. 52). Folglich besteht keine Angabepflicht aus § 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB. Dessen ungeachtet bleiben aber die Angabepflichten aus IAS 24.16, die die Angabe sämtlicher Bezüge der Personen in Schlüsselfunktionen des Managements fordert, allerdings in Summe und nicht individualisiert. Die Angaben bleiben daher hinter jenen des § 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB zurück und können außerdem in der Abgrenzung des Managements differieren.
h) Kritische Beurteilung über die Akzeptanz der Normen Die Begeisterung von Abschlusserstellern – aber auch Abschlussprüfern – über die neue HGB-Anhangangabe dürfte sich in Grenzen halten. Eine Fülle an Informationen ist erforderlich, deren Auswertung in hohem Maße ermessensbehaftet ist. Zudem besteht die Gefahr steuerschädlicher Angaben. Ob die Angabepflicht deshalb nur ein „Papiertiger“ bleibt (so Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 2009, § 285 HGB Rz. 139), wird sich erst noch zeigen müssen. Ein Abschlussprüfer wird zwar nicht bei der Evaluierung eheähnlicher Lebensgemeinschaften Detektiv spielen, sondern sich im Wesentlichen auf die Vollständigkeitserklärung berufen können. Wenn sich dann in einer späteren Periode jedoch herausstellt, dass offensichtlich nicht ganz koschere Geschäfte unangegeben getätigt worden sind, bleibt aber in der öffentlichen Wahrnehmung möglicherweise auch für ihn ein „Geschmäckle“. Literaturempfehlung: Heuser/Leippe/Theile in Heuser/Theile, IFRS-Handbuch, 4. Aufl. 2009, Rz. 4750-4792; Niehus, Berichterstattung über Geschäfte mit nahe stehenden Personen nach dem BilMoG und dem Deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2008, 2493; Petersen/Zwirner/Busch, Berichterstattungspflichten im Zusammenhang mit natürlichen Personen: nahe stehende Personen und Abhängigkeitsbericht, BB 2009, 1854.
259
4.3
Aufgaben ohne Lösungen
5 Aufgaben ohne Lösungen 5.1
Trainingsaufgaben
5.1.1
Berichtsinstrumente
Schwierigkeitsgrad: Aufgabenstellung
Beurteilen Sie folgende Aussagen:
a) Bestandteil jedes IFRS-Abschlusses ist ein Eigenkapitalspiegel. b) Jeder IFRS-Abschluss hat eine Segmentberichterstattung zu enthalten. c) Jede nach IFRS Bericht erstattende Aktiengesellschaft hat ein Ergebnis je Aktie auszuweisen.
d) Die Segmentberichterstattung muss vor dem Anhang ausgewiesen werden.
5.1.2
Wesentlichkeit
Schwierigkeitsgrad: Aufgabenstellung
Beurteilen Sie folgende Aussagen:
a) Geringwertige Wirtschaftsgüter dürfen im IFRS-Abschluss sofort abgeschrieben werden.
b) Der Posten Anlageimmobilien macht nur 0,5 % der Bilanzsumme aus und braucht deshalb auf der Bilanzebene nicht gesondert ausgewiesen zu werden.
c) In einer Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren müssen die planmäßigen Abschreibungen auf Sachanlagen stets gesondert ausgewiesen werden.
261
5.1
5
Aufgaben ohne Lösungen
d) Kleinere Tochtergesellschaften, die kumuliert 1 % des Konzernumsatzes vor Konsolidierungsmaßnahmen auf sich vereinen, brauchen nicht konsolidiert zu werden.
5.1.3
Finanzinstrumente
Schwierigkeitsgrad: Aufgabenstellung
Beurteilen Sie folgende Aussagen:
a) Pauschalwertberichtigungen zu Forderungen sind im IFRS-Abschluss unzulässig. b) Die Einbuchung von Kassageschäften muss einheitlich für alle Finanzinstrumente entweder zum Handelstag oder zum Erfüllungstag erfolgen.
c) Die Einbuchung von Finanzinstrumenten erfolgt immer zum Transaktionswert. d) Beim echten Factoring müssen Forderungen ausgebucht werden.
5.1.4
Wertminderungen
Schwierigkeitsgrad: Aufgabenstellung
Beurteilen Sie folgende Aussagen:
a) Eine Sachanlage ist außerplanmäßig abzuschreiben, wenn ihr Fair Value unter ihren Buchwert sinkt.
b) Vorräte fallen in den Anwendungsbereich des IAS 36. c) Der Impairment-Test für den Goodwill ist grundsätzlich jährlich durchzuführen. d) In der Entwicklungsphase befindliche, aktivierte Entwicklungsprojekte müssen auf Wertminderungen geprüft werden.
262
Aufgaben ohne Lösungen
5.1.5
Latente Steuern
Schwierigkeitsgrad: Aufgabenstellung
Beurteilen Sie folgende Aussagen:
a) Die Steuerabgrenzung nach HGB folgt dem Timing-, und jene nach IFRS dem Temporary-Konzept.
b) Auf im Eigenkapital erfasste Währungsumrechnungsdifferenzen sind im HGBKonzernabschluss genauso wie im IFRS-Konzernabschluss lantente Steuern anzusetzen.
c) Im IFRS-Konzernabschluss darf für die Steuerabgrenzung ein Mischsteuersatz verwendet werden.
d) Auf einen Goodwill aus der Kapitalkonsolidierung sind im IFRS— Konzernabschluss unabhängig vom share deal oder asset deal keine latenten Steuern zu berechnen.
5.1.6
Anhang
Schwierigkeitsgrad: Aufgabenstellung
Beurteilen Sie folgende Aussagen:
a) Mit der Übereinstimmungserklärung wird bestätigt, dass der Abschluss allen vom IASB veröffentlichten Standards und Interpretationen entspricht.
b) Die Übereinstimmungserklärung ist vom Abschlussprüfer abzugeben. c) IFRS Erstanwender ist ein Unternehmen, dessen Abschluss erstmals eine Übereinstimmungserklärung enthält.
d) Standardentwürfe dürfen bereits angewendet werden, wenn in der Übereinstimmungserklärung explizit darauf hingewiesen wird.
263
5.1
5
Aufgaben ohne Lösungen
5.2
Trainingsfälle
5.2.1
Methodenänderung und Fehlerkorrektur – Großanlagenbau AG
Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die schon länger nach IFRS bilanzierende Großanlagenbau AG hat für ihre zahlreichen Fertigungsaufträge noch nie die Percentage-of-Completion-Methode angewendet. Das soll für den Abschluss x4 geändert werden. Der Leiter Rechnungswesen hat von IAS 8 gehört und weist seine Mitarbeiter an, die Methode bis x1 rückwirkend anzuwenden. Aufgabenstellung
a) Wie kann die rückwirkende Anwendung des IAS 11 begründet werden? b) Wie ist zu verfahren, wenn die Großanlagenbau AG für x4 erstmals einen IFRSAbschluss erstellt?
5.2.2
Neubewertung im Sachanlagevermögen – Fidibus GmbH
Rechtsquellen: IAS 16, IAS 36 Lernziele: Anwendung der Neubewertungsmethode; Auswirkung von Wertminderungen im Rahmen der Neubewertungsmethode; Steuerabgrenzung; Verfahrenstechnik: Überleitungsbuchungen von HB I (HGB) zur HB II (IFRS) Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Fidibus GmbH ist schon seit langem Tochterunternehmen eines nach IFRS bilanzierenden Konzerns. Weil die Abweichungen zwischen dem HGB-Abschluss (HB I) und der für Konzernzwecke zu erstellenden Handelsbilanz II (HB II) nach IFRS nur sehr gering sind, hat sich der Leiter Rechnungswesen dazu entschlossen, die HB II jeweils durch Überleitungsbuchungen zu erstellen. Die Fidibus GmbH besitzt u.a. 2 baugleiche Maschinen (A und B) für die Produktion von diversen Zauberartikeln. Die Maschinen sind am 02.01.x1 zu je 6.000 T€ erworben
264
Aufgaben ohne Lösungen
worden und haben eine Nutzungsdauer von 6 Jahren. Sie werden linear abgeschrieben; zum 31.12.x3 beträgt der Buchwert auf Basis der fortgeführten Anschaffungskosten somit je 3.000 T€, und zwar sowohl in der HB I nach HGB/ Steuerrecht als auch in der HB II nach IFRS. Kurz vor Abgabe der jeweiligen Handelsbilanzen II an die Konzernspitze gibt diese bekannt, dass zur Stärkung des Eigenkapitalausweises zum 31.12.x3 auf maschinelle Anlagen erstmals die Neubewertungsmethode angewendet werden soll. Der gegenwärtige und künftige Ertragsteuersatz der Fidibus GmbH beträgt 30 %. Aufgabenstellung
a) Skizzieren Sie kurz die Neubewertungsmethode. b) Ist bei erstmaliger Wahl der Neubewertungsmethode auch das Vergleichsvorjahr anzupassen?
c) Nehmen Sie an, am 31.12.x3 würde eine neue Maschine desselben Typs 7.200 T€ kosten. Wie hoch ist der Fair Value der im Bestand befindlichen Maschinen?
d) Wenden Sie nun die Neubewertungsmethode auf die zwei Maschinen an. Nehmen Sie dabei die Korrektur der kumulierten Abschreibungen nach IAS 16.35b vor. Ermitteln Sie die latenten Steuern und geben Sie die Buchungssätze an.
e) Im Geschäftsjahr x4 wird Maschine A planmäßig genutzt. Wie wird dabei in der Handelsbilanz I gebucht? Zeigen Sie dann die Folgebewertung der Maschine A für die Handelsbilanz II und geben Sie die Überleitungsbuchungssätze an.
f)
Auch Maschine B sollte in x4 planmäßig genutzt werden. Allerdings lief die Maschine zu lange im Kapazitätsmaximum. Am Jahresende erlitt sie daher einen physischen Totalschaden. Zeigen Sie für diesen Sachverhalt die Buchungen.
g) Im Geschäftsjahr x5 wird durch die Markteinführung einer neuen, technisch wesentlich verbesserten Maschine der Fair Value der noch vorhandenen Maschine A zum 31.12.x5 mit 850 T€ angegeben. Nehmen Sie alle notwendigen Buchungen für die Handelsbilanz II vor und erläutern Sie diese.
5.2.3
Bilanzierung von Leasingverhältnissen – Bizeps AG
Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Bizeps AG betreibt im Bundesgebiet eine Anzahl exklusiver Fitnessstudios. Für das rentable Studio in Erfurt plant das Management den Einsatz einer zusätzlichen
265
5.2
5
Aufgaben ohne Lösungen
multifunktionalen 12-Stationen Kraftmaschine. Die Investition soll dabei über ein Leasingkonstrukt finanziert werden. Dieses sieht in der unkündbaren Grundmietzeit von 5 Jahren jährlich nachschüssig zu leistende Leasingraten in Höhe von 12.000 € vor. Nach Ablauf der Grundmietzeit soll die Kraftmaschine an den Leasinggeber zurückfallen, wobei dieser das Recht hat, die Maschine zu einem Preis von 30.000 € der Bizeps AG anzudienen. Auf die Fixierung einer das Andienungsrecht ergänzenden Kaufoption wurde verzichtet, da das Management je nach ökonomischer Performance des Erfurter Studios erwägt, in eine dann verbesserte Kraftmaschine neueren Typs zu investieren. Der Beginn der Laufzeit des Leasingverhältnisses ist auf den 01.01.x1 datiert. Aufgabenstellung
a) Klassifizieren Sie das Leasingverhältnis aus Sicht der Bizeps AG. Gehen Sie bei Ihren Überlegungen davon aus, dass die Bizeps AG bei ihrer Hausbank auch ein fristenkongruentes Darlehen zum Erwerb einer typ- und ausstattungsgleichen Kraftmaschine zu 7 % aufnehmen könnte. Unterstellen Sie, dass gemäß der internen Bilanzierungsrichtlinie der Bizeps AG der Laufzeittest ab einem Wert von 75 % und der Barwerttest ab einem Wert von 90 % als erfüllt gilt. Die Anschaffungskosten der ökonomisch 8 Jahre nutzbaren Kraftmaschine werden im Leasingvertrag auf 72.000 € taxiert. Chancen aus der Anschlussverwertung der Kraftmaschine, die formal beim Leasinggeber liegen, fallen wirtschaftlich nicht ins Gewicht.
b) Wie ist das Leasingverhältnis während der Vertragslaufzeit in den Büchern der Bizeps AG abzubilden? Latente Steuern sollen außer Acht bleiben.
c) Wie könnten erläuternde Angaben zum 31.12.x1 im Anhang formuliert werden, wenn sie den zugehörigen Anforderungen des IAS 17 entsprechen sollen? Erarbeiten Sie für die Bizeps AG exemplarisch einen Vorschlag. Unterstellen Sie, dass neben dem oben beschriebenen Vertragsverhältnis keine weiteren Leasingverträge geschlossen wurden.
5.2.4
Abbildung des Erwerbs der Vermögenswerte und Schulden eines Einzelkaufmanns – Klaus Korn e.K.
Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Die Digestif GmbH produziert und vertreibt hochwertige Edelbrände. Um Größendegressionseffekte schneller erreichen zu können, ist die Geschäftsführung schon seit Monaten auf der Suche nach anderen Unternehmen, die das Produkt- und Produkti-
266
Aufgaben ohne Lösungen
onsportfolio sinnvoll ergänzen können. Dabei stieß es auf das Unternehmen des Einzelkaufmanns Klaus Korn, der aus Alltagsgründen seine Schnapsbrennerei verkaufen will. Die Digestif GmbH hat im Rahmen einer Due Diligence festgestellt, dass das Sachanlagevermögen des Klaus Korn aufgrund degressiver und steuerlicher Sonderabschreibungen um 80 T€ unter den Zeitwerten liegt. Der Marktwert der Vorräte liegt um 30 T€ über dem bilanziellen Ausweis, und der Betrieb verfügt über einen nicht bilanzierten Auftragsbestand, dessen Wert von rund 20 T€ sich im nächsten Geschäftsjahr realisieren wird. Außerdem kann Klaus Korn die Geschäftsführung der Digestif GmbH von seinem sensationell gut ausgebildeten und eingespielten Personal überzeugen, so dass man sich auf einem Barzahlungspreis von 310 T€ für das Unternehmen des Klaus Korn einigt. Nachfolgend sind die stark verkleinerten Bilanzen des Klaus Korn e.K. und der Digestif GmbH unmittelbar vor dem Unternehmenserwerb angegeben. Stören Sie sich nicht an der ggf. von IFRS abweichenden Gliederung. Tabelle 5-1:
Bilanz des Klaus Korn e.K. (in T€), Aufgabenblatt
Aktiva
Passiva
HK
ZW
Anlagevermögen Sachanlagen
320
Umlaufvermögen Vorräte Forderungen aLL sonstige VG Summe
HK Eigenkapital
130
Rückstellungen
100
Verbindlichkeiten
400
Summe
670
ZW
190 50 110 670
267
5.2
5
Aufgaben ohne Lösungen
Tabelle 5-2:
Bilanz der Digestif GmbH (in T€), Aufgabenblatt
Aktiva
Passiva
Erwerb vorher Anlagevermögen Goodwill
Erwerb
nachher
vorher gez. Kapital
50
Kapitalrücklagen
80 700
Sachanlagen
670
Gewinnrücklagen
Finanzanlage
110
Bilanzgewinn
Umlaufvermögen Vorräte
550
Forderungen aLL
430
sonstige VG
480
Summe
2.240
30
Rückstellungen
460
Verbindlichkeiten
920
Summe
nachher
2.240
Aufgabenstellung
a) Setzen Sie in der Bilanz des Klaus Korn die einzeln identifizierbaren Vermögenswerte und Schulden zu Zeitwerten an. Wie hoch ist das zu Zeitwerten bewertete Eigenkapital?
b) Stellen Sie die Bilanz der Digestif GmbH nach Erwerb des Unternehmens des Klaus Korn auf. Nutzen Sie zur Hilfestellung die im Sachverhalt vorgefertigte Bilanz.
c) Nehmen Sie an, bei dem erworbenen Unternehmen handelt es sich um die Klaus Korn GmbH. Wie könnte in einem Abschluss der Digestif GmbH derselbe Informationsgehalt wie unter b) erzielt werden?
5.2.5
Wertminderungen – Bluefuel Corp.
Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Der bisher aus den Segmenten „Reifen“ und „Motorelektronik“ bestehende Konzern K erwirbt Anfang x1 das Unternehmen T, das Komponenten für alternative Fahrzeugantriebe produziert. T bildet im Konzern das dritte Segment „alternative Antriebe“ und
268
Aufgaben ohne Lösungen
ist in die Sparten „Hybrid“ und „Wasserstoff“ aufgeteilt. Bei der Erstkonsolidierung entstand ein Goodwill von 700 T€, wovon 500 T€ dem Segment „alternative Antriebe“ insgesamt zugeordnet worden sind, weil man eine Einzelaufteilung auf die beiden Sparten „Hybrid“ und „Wasserstoff“ nicht für möglich hält. Allerdings glaubt man wegen Einkaufsvorteilen auch an Synergieeffekte im Segment „Motorelektronik“, so dass auch diesem Bereich ein Goodwill von 200 T€ zugewiesen wurde. Im Geschäftsjahr x1 erfährt das Management von K, dass die in der Dieseltechnologie tätige „Bluefuel Corp.“ sensationelle Entwicklungserfolge erzielt hat, wonach der Verbrauch von Dieselmotoren um 1/3 und die CO2-Emissionen sogar um 80 % reduziert werden können. Das Management von K befürchtet daraufhin, dass der Technologievorsprung des Bereichs „Hybrid“ dezimiert ist und sieht sich aufgrund dieses Wertminderungsindikators veranlasst, die CGU „Hybrid“ (CGUH) auf eine eventuelle Wertminderung hin zu überprüfen. Demgegenüber sieht man die Position der langfristig ausgerichteten Wasserstoffsparte als nicht gefährdet an. Die relevanten Daten sind wie folgt: Tabelle 5-3:
Daten des Segments „Alternative Antriebe“ (in T€) Segment „Alternative Antriebe“
Ausgangsdaten zum 31.12.x1
CGUH CGUW Zwischensumme
Buchwert lt. Bilanz
650
500
Nettoveräußerungspreis
-
-
Nutzungswert
600
650
1.150 -
HV
GoF Total
220
500 1.870
200
-
-
1.250 - 100
-
1.150
Legende: CGUH = Sparte „Hybrid“
HV = Hauptverwaltung
CGUW = Sparte „Wasserstoff“
GoF = Goodwill
Da der Goodwill keiner der beiden CGU zugeordnet worden ist, ist nicht nur die CGUH, sondern zusätzlich das Segment „alternative Antriebe“ einem Wertminderungstest zu unterziehen. Dem Segment ist als gemeinschaftlicher Vermögenswert seine Hauptverwaltung (HV) zuzurechnen, wobei eine vernünftige und stetige Aufteilung ihres Buchwertes auf die beiden CGUH und CGUW nicht möglich sei. Für die HV kann ein Nettoveräußerungspreis ermittelt werden. Im Übrigen verursacht die HV ausschließlich Ausgaben, deren Barwert in der Zeile Nutzungswert eingetragen wurde.
269
5.2
5
Aufgaben ohne Lösungen
Aufgabenstellung
a) Zu welchem Ergebnis führt der Impairment-Test der CGUH? Beschreiben Sie, wie eine evtl. Wertminderung auf die Vermögenswerte der CGUH zu verteilen ist.
b) Führen Sie den Impairment-Test des Segments „alternative Antriebe“ (AA) durch. Nutzen Sie dabei die nachfolgende Tabelle. Wie ist zu erklären, dass beide CGU noch einen Wertminderungsaufwand tragen, obwohl CGUH bereits auf Wertminderung getestet worden ist und der Nutzungswert von CGUW über dem Buchwert liegt? Tabelle 5-4:
Wertminderung (in T€), Arbeitsblatt
31.12.x1 Buchwerte nach Wertminderung CGUH Nutzungswert Segment AA gesamt Wertminderung von Segment AA davon vorab Goodwill davon nach Relation der Buchwerte
Buchwerte nach Wertminderung CGUH vorab Goodwill Zwischensumme Relation der Buchwerte Rest nach Relation der Buchwerte Zwischensumme Relation der Buchwerte Umschichtung Buchwerte nach Wertminderung
270
CGUH CGUW
HV
GoF
Alt. Antriebe
Aufgaben ohne Lösungen
5.2.6
Einflussnahme auf andere Unternehmen – Spielzeug GmbH
Rechtsquellen: IAS 24, IAS 27, IAS 28, IFRS 3 Lernziele: Beurteilung, ob ein Unternehmenszusammenschluss vorliegt; Abgrenzung von Tochterunternehmen sowie assoziierten Unternehmen; Begriff der nahe stehenden Unternehmen und Personen; Begriffe share deal und asset deal Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Alois Schubert hält 60 % und seine Frau Rosi 40 % der Anteile der in Nürnberg ansässigen Spielzeug GmbH, die seit x2 ihren Konzernabschluss nach IFRS aufstellt. Im Jahr x4 hat die GmbH u.a. folgende Geschäfte getätigt: (1)
Das Verwaltungsgebäude ist im Februar an die nur für diesen Zweck neu gegründete Burglease GmbH veräußert und zurückgemietet worden; der Leasingvertrag ist klar ein Operating-Leasing. Einzige Gesellschafterin der Burglease ist Rosi Schubert. Über den Leasingvertrag hinaus bestehen keinerlei Vereinbarungen zwischen der Burglease GmbH und der Spielzeug GmbH.
(2)
Erwerb von 41 % der stimmberechtigten Stammaktien der Toi AG im März. Schon seit x1 besitzt nur die Spielzeug GmbH Wandelanleihen der Toi AG, die im Fall der Wandlung zu weiteren 10 % stimmberechtigten Stammaktien führen würden. Die Ausübung des Wandlungsrechts ist bis Juli x5 möglich, aber von der Spielzeug GmbH nicht geplant. Die Toi AG ihrerseits hat im Juli 18 % der Anteile an der Dragon plc. erworben und stellt aufgrund einer Vereinbarung mit den übrigen Anteilseignern einen der vier Boardmitglieder.
(3)
Mit notariellem Kaufvertrag vom 12.09. ist der Betrieb des Holzschnitzers Xaver Hinterhuber aus Furth im Wald, der sich auf sein Altenteil zurückzieht, erworben worden.
Aufgabenstellung
Charakterisieren Sie die Beziehungen der in den drei Fällen genannten Unternehmen zur Spielzeug GmbH aus IFRS-Perspektive. Liegen Unternehmenszusammenschlüsse vor? Als was bzw. wie sind die genannten Unternehmen im Konzernabschluss der Spielzeug GmbH abzubilden? Skizzieren Sie die sich ergebenden Berichtspflichten.
271
5.2
5
Aufgaben ohne Lösungen
5.2.7
Erwerbszeitpunkt und Gegenleistung – Slowly AG
Rechtsquellen: IAS 24, IAS 27, IAS 28, IFRS 3, IAS 34 Lernziele: Feststellung des Zeitpunkts eines Unternehmenserwerbs; Ermittlung des Fair Values der Gegenleistung bei Zahlung in Aktien; Identifikation von und Umgang mit Wertsicherungsklauseln; Bedeutung unterjährigen Erwerbs auf Quartalsberichterstattung Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Der Vorstand der an der Frankfurter Börse notierten und im Streubesitz befindlichen Slowly AG, Mutterunternehmen eines Textilkonzerns, wird sich im Januar x1 mit den Gesellschaftern der Damast GmbH einig, das Unternehmen zu übernehmen. Die Damast GmbH ist zwar bedeutend kleiner als der Slowly-Konzern, dafür aber hoch profitabel und mit einigen Luxusmarken weltweit bekannt; einzig die Nähgarnsparte ist nicht rentabel. Die Slowly AG verspricht sich vom Erwerb eine nachhaltige Steigerung ihres Unternehmenswertes. Der Erwerbsvorgang vollzieht sich in folgenden Schritten:
272
Aufgaben ohne Lösungen
Tabelle 5-5:
x1
Zeitliche Abfolge der Erwerbsschritte zum Kauf der Damast GmbH
Ereignis
€-Kurs Slowly Aktie
24.01. Der Slowly-Vorstand beginnt mit Damast GmbH-Gesellschaftern die Kaufverhandlungen; grundsätzliche Einigung
21
16.03. Aufsichtsrat der Slowly AG stimmt dem Erwerb zu
24
14.05. Abends: In einer langen Nachtsitzung vereinbaren der Vorstand der Slowly AG und die Gesellschafter der Damast GmbH, dass die Slowly AG sämtliche Anteile der GmbH gegen Hingabe von 10 % der Aktien der Slowly AG (= 5 Mio. Stück) erwirbt; rechtswirksam wird der Kauf erst bei (nicht bezweifelter) kartellrechtlicher Genehmigung, wobei unverzüglich an diesem Tag auch die Anteile übertragen werden sollen; vom 15.05. bis zur kartellrechtlichen Genehmigung des Erwerbs führen die Altgesellschafter die laufenden, operativen Geschäfte der GmbH weiter; erst ab dem 01.06. können, dann aber zusammen mit dem Vorstand der Slowly AG, auch wieder strategische Maßnahmen ergriffen werden, vor allem einige Restrukturierungen bei der GmbH, so etwa die Veräußerung der unrentablen Nähgarnsparte
23
15.05. Morgens: Ad-hoc-Mitteilung über den Erwerb
35
16.05. Notarieller Kaufvertrag; Veröffentlichung Quartalsabschluss 31.03.
34
23.05. Beantragung der kartellrechtlichen Genehmigung des Erwerbs
36
01.06. Vorbereitung von Restrukturierungsmaßnahmen
38
04.09. Kartellrechtliche Genehmigung wird erteilt, GmbH-Anteile und Aktien werden übertragen
31
Außerdem wurde am 14.05. vereinbart, dass zusätzlich 1 % Slowly-Aktien zu übergeben sind, falls der Kurswert der Aktie am letzten Börsentag x1 um mehr als 10 % unter jenem Kurs liegt, der zum Erwerbszeitpunkt i.S.v. IFRS 3 festgestellt worden ist. Der Vorstand der Slowly AG hält eine solche Schwankung für unwahrscheinlich. Tatsächlich beträgt der Börsenkurs am Jahresende 33 €. Schließlich wurde vereinbart, dass die bis zum Erwerbszeitpunkt i.S.v. IFRS 3 aufgelaufenen Ergebnisse der GmbH den Altgesellschaftern zukommen sollen. Aufgabenstellung
a) Ermitteln Sie das Datum des Unternehmenszusammenschlusses. Welche Bedeutung kommt dem Datum im Hinblick auf Konsolidierungsvorgänge zu?
b) Wie hoch ist die Gegenleistung des Unternehmenserwerbs?
273
5.2
5
Aufgaben ohne Lösungen
c) Ist über den Unternehmenserwerb zum Quartalsabschluss (31.03.) oder Halbjahresabschluss (30.06.) der Slowly AG zu berichten, und wenn ja, wie?
d) Nehmen Sie an, die kartellrechtliche Genehmigung wird nicht erteilt. Welche Maßnahmen sind dann in welchem Abschluss der Slowly AG zu ergreifen?
5.2.8
Konzernkapitalflussrechnung – Cash & Curry AG
Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt:
Der Handelskonzern Cash & Curry AG weist zum 31.12.x2 folgende Konzernbilanz aus: Tabelle 5-6:
Konzernbilanz der Cash & Curry AG zum 31.12.x2 (in T€) 31.12.x2
31.12.x1
Goodwill
1.000
0
Sachanlagen
3.800
1.500
Vorräte
5.000
4.500
700
1.000
10.500
7.000
3.200
2.700
Eigenkapital Minderheiten
800
300
Kaufpreisverbindlichkeit
300
0
6.200
4.000
10.500
7.000
Flüssige Mittel Summe Aktiva
Eigenkapital Konzernmutter
Verbindlichkeiten aLuL Summe Passiva
Am 01.12.x2 wurden 60 % der Anteile am niederländischen Handelsunternehmen ORTEM N.V. zum Preis von 1.600 T€ erworben. Die Konsolidierung zur Aufstellung der o.a. Bilanz erfolgte nach der Neubewertungsmethode. Der Konsolidierung wurden folgende Fair Values des ORTEM-Konzerns zugrundegelegt:
274
Aufgaben ohne Lösungen
Tabelle 5-7:
Konzernbilanz der ORTEM N.V. zum 01.12.x2 (in T€), Fair Value
Aktiva
Passiva
Sachanlagen Vorräte flüssige Mittel Summe
2.000 1.200 50 3.250
Eigenkapital Konzernmutter Eigenkapital Minderheiten Verbindlichkeiten aus LuL Summe
600 400 2.250 3.250
Bis zum 31.12.x2 wurde ein Teilbetrag des Kaufpreises von 1.300 T€ in bar bezahlt; der Rest (300 T€) ist als Kaufpreisverbindlichkeit passiviert. Nachfolgend sind der Konzern-Anlagespiegel und der Konzern-Eigenkapitalspiegel der Cash & Curry AG aufgeführt: Tabelle 5-8:
Konzern-Anlagespiegel für das Geschäftsjahr x2 (in T€)
Goodwill
Sachanlagen
1. Bruttowerte
01.01.x2 Zugänge Änderung Konsolidierungskreis Währungsumrechnung 31.12.x2
0 0 1.000 1.000
5.000 500 2.000 600 8.100
2. Kumulierte Abschreibungen
01.01.x2 Zuführung Währungsumrechnung 31.12.x2
0 0 0
- 3.500 - 600 - 200 - 4.300
0 1.000
1.500 3.800
3. Nettobuchwerte
01.01.x2 31.12.x2
275
5.2
Aufgaben ohne Lösungen
- 300 200
0
600 600 - 300
200
1.000
2.300
-100
2.700 200 600 800 - 300 0 3.200
Konzerneigenkapital
2.000
Anteil der Konzernmutter
1.000
Fremdanteile
Stand 01.01.x2 Währungsumrechnung Jahresüberschuss Konzerngesamtergebnis Dividenden Veränderung Konsolidierungskreis Stand 31.12.x2
Währungsumrechnungsdifferenz
Konzern-Eigenkapitalspiegel für das Geschäftsjahr x2 (in T€) Gewinnrücklagen
Tabelle 5-9:
gezeichnetes Kapitel
5
300 50 75 125 - 25 400 800
3.000 250 675 925 - 325 400 4.000
Aufgabe:
a) Welche Besonderheiten bestehen in Bezug auf eine Konzernkapitalflussrechnung?
b) Stellen Sie die Konzernkapitalflussrechung der Cash & Curry AG für das Jahr x2 auf. Benutzen Sie zur Ermittlung der Veränderung des Nettoumlaufvermögens das nachfolgende Schema einer Veränderungsbilanz. Bis einschließlich der Spalte C gleicht dieses Schema dem in der Lösung zu Aufgabe 4.2.2 a) verwendeten. Diese vorläufigen Veränderungen sind um die Veränderungen aus der Erweiterung des Konsolidierungskreises (Erwerb der ORTEM N.V. in Spalte D) sowie um die erfolgsneutralen Währungsumrechnungsdifferenzen (Spalte E) zu bereinigen. Einige Werte sind bereits eingetragen: Entnehmen Sie die fehlenden Angaben aus der Bilanz der ORTEM N.V. zum Erstkonsolidierungszeitpunkt sowie aus dem Anlagen- und dem Eigenkapitalspiegel die Währungsumrechnungsdifferenzen in Bezug auf die Sachanlagen und das Eigenkapital. Beachten Sie dabei, dass die Währungseffekte mit negativem Vorzeichen einzutragen sind, da Währungsgewinne abgezogen werden.
276
Aufgaben ohne Lösungen
D
E
Erweiterung Konsolidierungskreis 01.12.x2
Währungsumrechnung erfolgsneutral
Goodwill
1.000
0
1.000
Sachanlagen
3.800
1.500
2.300
Vorräte
5.000
4.500
500
- 50
700
1.000
- 300
- 10
10.500
7.000
3.500
- 460
3.200
2.700
500
Eigenkapital Minderheiten
800
300
500
Kaufpreisverbindlichkeit
300
0
300
0
6.200
4.000
2.200
- 210
10.500
7.000
3.500
Flüssige Mittel Summe Aktiva
Eigenkapital Konzernmutter
Verbindlichkeiten aus LuL Summe Passiva
Restveränderung
F
C Veränderung
Konzernbilanz B 31.12.x1
Veränderungsbilanz (in T€), Aufgabenblatt Konzernbilanz A 31.12.x2
Tabelle 5-10:
- 2.000
Tragen Sie nun alle relevanten Werte in die Konzern-Kapitalflussrechnung ein:
277
5.2
5
Aufgaben ohne Lösungen
Tabelle 5-11:
Konzernkapitalflussrechnung für das Geschäftsjahr x2 (in T€) x2
Jahresüberschuss Abschreibungen auf Anlagevermögen Brutto-Cashflow
Zunahme (-)/ Abnahme (+) der Vorräte Abnahme (-)/ Zunahme (+) der Verbindlichkeiten aus LuL Veränderung des Nettoumlaufvermögens Mittelzufluss aus operativer Tätigkeit
Investitionen in Sachanlagen Akquisitionen (Erwerb der ORTEM N.V.) Mittelabfluss aus investiver Tätigkeit
Ausschüttungen Mittelabfluss aus Finanzierungstätigkeit Veränderung der flüssigen Mittel
Veränderung der flüssigen Mittel durch Wechselkursänderungen Flüssige Mittel am 31.12.x1
1.000
Flüssige Mittel am 31.12.x2
700
5.2.9
Equity-Methode – Maja AG
Schwierigkeitsgrad: Sachverhalt
Der nach IFRS bilanzierende Süßwarenhersteller Willi AG erwirbt zum 01.01.x1 eine 15 %ige Beteiligung des Honigspezialisten Maja AG zu Anschaffungskosten von 150 T€. Im Zuge einer engen Zusammenarbeit wird ferner vereinbart, dass die Maja AG unter eigenem Namen verschiedene Sorten von Honig aus der Produktion der Willi AG anbieten soll. Außerdem wechselt wichtiges Führungspersonal aus dem Controllingbereich der Willi AG zur Maja AG, um deren Ertragskraft zu steigern. Schließlich vereinbart man die Bündelung der Forschungsaktivitäten.
278
Aufgaben ohne Lösungen
In den Folgejahren entwickelt sich das Eigenkapital der Maja AG wie folgt: Tabelle 5-12:
Eigenkapitalentwicklung der Maja AG (in T€) x1
EK Jahresanfang
400
Ausschüttung
x2
x3 700
x4 560
- 100
1.333 - 200
Jahresergebnis
300
- 40
773
300
EK Jahresende
700
560
1.333
1.433
Aufgabenstellung
a) Begründen Sie, warum es sich bei der Maja AG aus Sicht der Willi AG um ein assoziiertes Unternehmen handelt.
b) Wie ist die Beteiligung im IFRS-Konzernabschluss der Willi AG in den Jahren x1 bis x4 auf Basis der vorliegenden Informationen zu bilanzieren?
c) Muss die Willi AG einen jährlichen Impairment-Test für die Beteiligung an der Maja AG durchführen?
279
5.2
Stichwortverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Abschreibung Abschreibungsbeginn 45 Abschreibungsmethode 44 Abschreibungsplan 47 Außerplanmäßig 145 Entwicklungskosten 33 Immaterielle Vermögenswerte 33 Latente Steuern 47 Methoden 46 Nutzungsdauer 44 Sachanlagen 44 Steuerrechtlich 45 Abschreibungsmethoden 46 Abstrakte Bilanzierungsfähigkeit 21 accruals 122 Agio 143
Anschaffungs- und Herstellungskosten 36, 147 Anschaffungskosten Abbauverpflichtung 40 Anschaffungsnebenkosten 41 Entsorgungsverpflichtung 147 Fremdkapitalkosten 39 Investitionszuschuss 38 nach HGB 35 Vorräte 88 asset deal 172 assoziierte Unternehmen 234 at Fair Value through profit or loss 108 Auftragsfertigung Fertigstellungsgrad 96
Aktiver Markt 26
kundenspezifische Einzelfertigung 95
Anhang 249
Verlustberücksichtigung 105
Aufstellung des Anteilsbesitzes 251
Vertragsänderung 103
Honorar des Abschlussprüfers 251
außerordentliches Ergebnis 234
Latente Steuern 251
Außerplanmäßige Abschreibung 145
Nahe stehende Unternehmen und Personen 251
available-for-sale 154
Anlageimmobilien 58, 157
bargain purchase option test 65 Barpreisäquivalent 112
Ansammlungsrückstellung 41
281
Stichwortverzeichnis
Barwerttest 66, 73, 75
Genussscheinkapital 141
Beherrschungsvertrag 12
individueller Anspruch 137
Bestätigungsvermerk 153
kollektiver Anspruch 137
Bilanzeid 7
Eigenkapitalquote 134
Bilanzgliederung
Eigenkapitalspiegel 216, 238
Gliederung nach Fristigkeit 223
Einzelbewertung 88
Gliederung nach Liquidität 223
Einzelbewertungsgrundsatz 52, 172
held-for-sale 224
elektronischer Bundesanzeiger 4
Bilanzierungsmethoden Änderungsvoraussetzung 157 Methodenwechsel 157
Entsorgungsverpflichtung 149 Entwicklungskosten 29 Abschreibung 33
Cash Flow 248
Ansatzvoraussetzungen 29
Completed-Contract-Methode 94
Definition 29
cost-to-cost-method 102
Entwicklungsphase 29
DCF-Verfahren 30, 200
Ergebnis je Aktie 134, 234
Lizenzpreisanalogie 200
Erstkonsolidierung 177
Residualwertmethode 201
EU-Kommission 16
Disagio 116
EU-Verordnungen 3
Due Diligence 195
Fair Value Definition 174
due process 14
Faktische Verpflichtungen 119
EBIT 233
fast close 152
EBITDA 233
Femdkapitalkosten
economic life test 65
Aktivierungsvoraussetzungen 49
Eigenkapital
Berrechnung 50
Abgrenzungskriterien 137 bei AG 137
qualifying asset 49 Fertigungsauftrag
bei GmbH 138
Bilanzierung 94
bei GmbH & Co. KG 138
Completed-Contract-Methode 94
bei Personengesellschaften 138
Fertigstellungsgrad 96
282
Stichwortverzeichnis
kundenspezifische Einzelfertigung 95 Percentage-of-Completion-Methode 94 Verlustberücksichtigung 105 Vertagsänderung 103 Finanzergebnis 234 Finanzierungs-Leasingvertrag 65 Finanzinstrumente Anleiheemission 116 at Fair Value through profit or loss 108 Ausgabekurs 115 Auszahlungsstrom 114 available-for-sale 109 compound instrument 142 Effektivzinsmethode 113 Fair Value Option 109 held for trading 108 held-to-maturity 109 Industrieanleihe 110 Kategorisierung 108 loans and receivables 109 one-day-loss 113 Optionsanleihe 142 Risiko- Rendite- Zusammenhang 115 Spekulationsabsicht 110 Überleitung nach IFRS 7 224 vorzeitige Veräußerung 111
zusammengesetzte 142 Finanzpläne 30 Folgekonsolidierung 180 Freigabe des Abschlusses 153 Freiverkehr 4 Fremdkapitalkosten 39 Geregelter Markt 3 Gesamtergebnisrechnung 240 Bestandteile 226 Versicherungsmathematische Gewinne und Verluste 133 Gesamtkostenverfahren 230 Geschäfts- oder Firmenwert 172 Geschäftszyklus 223 Gewichteten Kapitalkosten (WACC) 203 Gewinn und Verlustrechnung Gesamtkostenverfahren 229 Umsatzkosten 231 Umsatzkostenverfahren 229 Goodwill 172 Latente Steuern 177 Währungsumrechnung 212 Gründungskosten 25 held for trading 108 held-to-maturity 109 Herstellungskosten 84, 228 Divisionskalkulation 229 Entwicklungskosten 230 Latente Steuern 230
283
Stichwortverzeichnis
IASB 13
Erstkonsolidierung 177
IAS-Verordnung 2
Folgekonsolidierung 180
IFRS
Full Goodwill Methode 183
due process 14
Handelsbilanz III 177
Standard-Endorsement 14
Neubewertungsmethode 178
vorzeitige Anwendung 16
reverse acquisition 191
Immaterielle Vermögenswerte 22
Komponentenansatz 53, 118
Aktivierungsvoraussetzungen 23
Kongruenz-Prinzip 238
Entwicklungsphase 29
Konsolidierungskreisänderung 240
Folgebewertung 25
Konzernabschluss 173
Identifizierbarkeit 22
asset deal 172
Impairment-Test 32
Aufstellungspflicht 5
nach HGB 26
Control-Konzept 7
Schulungskosten 25
Einbeziehungswahlrecht 8
Impairment 175
Einzelewerbsfiktion 198
Impairment-Test 32
Eventualschulden 199
Insolvenz
Fair Value Bewertung 200
Wertaufhellung 154
Goodwill 172
Interner Zinsfuss 116
share deal 172
investment property 58
Unternehmenserwerb 174
Jahresabschluss
Währungsumrechnung 211
Offenlegungsbefreiung 12 Kapitalflussrechnung 246 Finanzmittelfonds 246, 249
Zweckgesellschaft 7 Lagebericht 153, 251 Latente Steuern
indirekte Darstellung 247
Ausweis 223
Investitions- und Finanzierungstätigkeit 247
outside(basis)-Differenzen 213
Operative Tätigkeit 246 Kapitalkonsolidierung 177
284
Steuersatz 167 Steuersatzsenkung 165 temporäre Differenzen 164
Stichwortverzeichnis
Überleitungsrechnung 167 Währungsumrechnung 213 Laufzeittest 66 Leasing Anhangangaben Leasinggeber 78 Anhangangaben Leasingnehmer 80 bargain purchase option test 65 Barwerttest 66, 73, 75 economic life test 65 Ertragserfassung Leasinggeber 76 Finanzierungs-Leasingvertrag 65 Laufzeittest 66, 72 Leasingerlass 63 Mindestleasingzahlung 66, 73 Operating-Leasingverhältnis 65 Operating-Leasingverhältnisse 73 Ratingagenturen 81 recovery of investment test 65 Teilamortisationserlass für Mobilien 64 transfer of ownership test 65
Fair Value 202 Nachtragsprüfung 153 nahe stehende Unternehmen und Personen Familienangehörige 255 Geschäftsdefinition 257 marktübliche Bedingungen 256 maßgeblicher Einfluss 255 Sinn der Angabe 254 steuerliche Außenprüfung 258 wesentliche Geschäftspartner 255 Wesentlichkeit 256 Nettoveräußerungspreis 145 Neubewertungsmethode 26, 160 Nutzungswert 145 Operating-Leasingverhältnis 65, 73 Optionsanleihe 142 other comprehensive income 238 Pensionsverpflichtungen Anwartschaftsbarwertverfahren 128 Ausweis 132
Leasingerlass 63
Bewertungsparameter 128
Leasingvertrag
erfolgsneutrale Verrechnung 132
Neuklassifizierung 82 Liquidationswerte 155 Maßgeblichkeit, umgekehrte 45 Mezzanine Kapital 140 Mindestleasingzahlung 73 Mitarbeiterstamm
Korridormethode 131, 132 nachzuverrechnender Dienstzeitaufwand 129 Pensionenspiegel 129 Pensionsaufwand 130 Pensionszahlung 130 Planvermögen 128
285
Stichwortverzeichnis
versicherungsmathematische Gewinne/ Verluste 129, 131 Percentage-of-Completion-Methode 94 Anwendungsvoraussetzungen 95 cost-to-cost-method 96 efforts-expended-method 96 physical-observation-method 96 qualifizierter Vermögenswert 39, 49 recovery of investment test 65 recycling 133, 240 Restrukturierung 121 reverse acquisition 191 Rückstellungen Abzinsungspflicht 147 Anpassungsverpflichtung 118 Ansammlungsrückstellung 147 Ansatzvoraussetzungen 118 Aufwandsrückstellungen 118 Drohverluste 122 Kulanzleistungen 119 Restrukturierung 121 Sachanlagen Anschaffungs- und Herstellungskosten- 36 component approach 53 Generalüberholung 54 Neubewertungsmethode 160 Saldierung 225 Schätzungsänderung 104
286
Schulungskosten 25 Schwebende Geschäfte 21 share deal 172 Spekulationsabsicht 110 Stichtagsprinzip 152 Substanzwert 170, 207 Tax Amortisation Benefit 200 Teilamortisationserlass für Mobilien 64 Teilkonzernabschluss 3, 11 Befreiung 11 transfer of ownership test 65 Übereinstimmungserklärung 7 Umsatzkostenverfahren 231 Unternehmenserwerb 174 Forschungsprojekt 180 Unternehmensfortführung 155 Unternehmenszusammenschluss asset deal 172 Earn-Out-Klausel 187 Einzelerwerbsfiktion 198 Eventualschulden 199 Exit Fee 188 Fair Value Bewertung 200 Forschungsprojekt 177 Goodwill 172, 178 Handelsbilanz III 177 Konrollprämie 184 non-controlling interests 178
Stichwortverzeichnis
reverse acquisition 191 share deal 172 Verbrauchsfolgeverfahren
Verbrauchsfolgeverfahren 88 Vorsichtsprinzip 34 Währungsumrechnung
Durchschnittsmethode 89
Funktionale Währung 211
FiFo-Methode 89
latente Steuern 213
LiFo-Methode 89
Stichtagskursmethode 211
Verfügungsmacht 21
Wertaufhellung 152
Vermögenswert
Wertbegründung 152
Definitionsmerkmale 20 Verfügungsmacht 25 Vorräte Anschaffungskosten 88 Bewertung 88 Latente Steuern 91 Nettoveräußerungswert 153 Niederstwertprinzip 91
Wertminderung 145, 150 Indikator 150 Wesentlichkeit 8, 157, 256 wirtschaftliches Eigentum 65 nach Steuerrecht 63 Zuwendungen der öffentlichen Hand 38 Zweckgesellschaft 7
287