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Olaf Struck · Gesine Stephan · Christoph Köhler Alexandra Krause · Christian Pfeifer · Tatjana Sohr Arbeit und Gerechtigkeit
Forschung Gesellschaft
Olaf Struck · Gesine Stephan Christoph Köhler · Alexandra Krause Christian Pfeifer · Tatjana Sohr
Arbeit und Gerechtigkeit Entlassungen und Lohnkürzungen im Urteil der Bevölkerung
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
. . 1. Auflage September 2006 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Monika Mülhausen / Bettina Endres Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN-10 3-531-15159-2 ISBN-13 978-3-531-15159-5
Inhalt
Vorwort
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Warum eine Studie zum Thema „Arbeit und Gerechtigkeit“? Gesine Stephan, Olaf Struck und Christoph Köhler
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Theoretischer Bezugsrahmen und methodischer Ansatz Gesine Stephan, Olaf Struck und Christoph Köhler
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2.1 Theoretische Grundlagen und vorliegend empirische Befunde ..... 2.1.1 Arbeitsmarktforschung ......................................................... 2.1.2 Gerechtigkeitsforschung ....................................................... 2.1.3 Psychologische Verträge ....................................................... 2.2 Untersuchungsdesign und Methodik .............................................. 2.2.1 Bewertung auf Grundlage von Szenarien ............................. 2.2.2 Bewertung auf Grundlage eigener Erfahrungen ................... 2.2.3 Bedeutung soziodemographischer Merkmale und allgemeiner Werteinstellungen .............................................
18 18 21 27 28 29 30
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? ................................................................................. Alexandra Krause, Christian Pfeifer und Tatjana Sohr 3.1 Theoretische Überlegungen ........................................................... 3.1.1 Institutionelle Rahmenbedingungen ..................................... 3.1.2 Wann werden betriebsbedingte Entlassungen akzeptiert? .... 3.1.3 Wann werden betriebsbedingte Lohnkürzungen akzeptiert? .............................................................................. 3.1.4 Welche Bedeutung haben soziodemographische Merkmale der Befragten? .....................................................
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33 34 34 35 41 45
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4
5
Inhalt 3.2 Empirische Ergebnisse ................................................................... 3.2.1 Zur Bewertung der Szenarien ............................................... 3.2.2 Zur Bewertung eigener Erfahrungen .................................... 3.3 Zwischenfazit .................................................................................
50 51 59 66
Gender und Gerechtigkeit .................................................................. Tatjana Sohr
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4.1 Theoretische Überlegungen ........................................................... 4.1.1 Der „kleine Unterschied“ – auch bei Gerechtigkeitsbeurteilungen präsent? ................................... 4.1.2 Ergibt es einen Unterschied, ob Männer oder Frauen betroffen sind? ...................................................................... 4.1.3 Hat der familiäre Kontext einen Einfluss? ............................ 4.2 Empirische Ergebnisse ................................................................... 4.3 Zwischenfazit .................................................................................
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Arbeitsmotivation, Fluktuation, Krankenstand – wie wirken sich Entlassungen und Lohnsenkungen aus? ...................... Olaf Struck
72 73 75 76 85
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5.1 Theoretische Überlegungen ........................................................... 87 5.2 Empirische Ergebnisse ................................................................... 90 5.2.1 Folgewirkungen von Entlassungen ....................................... 91 5.2.2 Folgewirkungen von Lohnsenkungen ................................... 98 5.3 Zwischenfazit ................................................................................. 102 6
Die Einstellung zum Kündigungsschutz – wie wichtig sind Gerechtigkeitsnormen und Entlassungserfahrungen? .................... 105 Alexandra Krause 6.1 Theoretische Überlegungen ........................................................... 106 6.2 Empirische Ergebnisse ................................................................... 110 6.3 Zwischenfazit ................................................................................. 117
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Inhalt 7
Gerechtigkeitsurteile im internationalen Vergleich Gesine Stephan und Olaf Struck
........................ 121
7.1 Theoretische Überlegungen ........................................................... 7.2 Empirische Ergebnisse ................................................................... 7.2.1 Entlassungsszenarien ............................................................ 7.2.2 Lohnkürzungsszenarien ........................................................ 7.3 Zwischenfazit ................................................................................. 8
121 127 130 134 136
Arbeit und Gerechtigkeit: Ein Fazit ................................................. 139 Gesine Stephan, Olaf Struck und Christoph Köhler
Anhang: Aufbau der Szenarien Literatur
................................................................ 145
..................................................................................................... 151
Inhalt
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Vorwort
Während sich Pressemeldungen und Forschungsarbeiten zum Thema Entlassungen und Lohnkürzungen häufen, liegen in Deutschland kaum repräsentative empirische Befunde dazu vor, wie die Bevölkerung entsprechende Entwicklungen bewertet. Dieses Forschungsdefizit bildet den Hintergrund für das vorliegende Buch. Es behandelt die Frage, ob bzw. unter welchen Bedingungen solche Flexibilisierungsprozesse auf den Arbeitsmärkten als gerecht wahrgenommen werden. Knut Gerlach, Christoph Köhler und David Levine, der für die USA und Kanada die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnsenkungen anhand von Szenarientechniken erforscht hat, entwickelten die Idee zu der vorliegenden Studie. Gesine Stephan und Olaf Struck erarbeiteten darauf aufbauend die konzeptionellen Grundlagen des Forschungsvorhabens. Dabei ergänzt das Projekt die Arbeiten zur Bedeutung von Beschäftigungsstabilität auf Arbeitsmärkten, die im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 580 in Jena unter der Leitung von Christoph Köhler und Olaf Struck durchgeführt werden. Die Förderung durch die Hans-Böckler-Stiftung erlaubte es, den Kreis der Mitarbeiter um Alexandra Krause und Tatjana Sohr zu erweitern und die Erhebung durch das Befragungsinstitut „aproxima“ (Weimar) zu finanzieren. Darüber hinaus konnte Christian Pfeifer, der sich in seiner Diplomarbeit bereits mit einem ähnlichen Thema beschäftigt hatte, für eine Mitarbeit an dem Projekt gewonnen werden. Bei der Hans-Böckler-Stiftung, und dort insbesondere bei Gudrun Linne und dem Gutachterkreis, bedanken wir uns sehr herzlich für die freundliche, engagierte und unbürokratische Unterstützung. Unser besonderer Dank gilt zudem Knut Gerlach, der uns in jeder Phase des Projektes mit sicherem Urteil zur Seite stand. David Levine und Gary Charness danken wir für den fortwährenden Informationsaustausch und viele hilfreiche Hinweise. Sven Hauff und Anja Stephan waren in dem Projekt als wissenschaftliche Hilfskräfte tätig; ihnen danken wir für die kompetente Arbeit. Sabrina Laufer und Ronny Gärtner unterstützten uns bei der redaktionellen Bearbeitung, auch ihnen gilt unser Dank. Olaf Struck, Gesine Stephan, Christoph Köhler, Alexandra Krause, Christian Pfeifer und Tatjana Sohr
Warum eine Studie zum Thema „Arbeit und Gerechtigkeit“?
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1 Warum eine Studie zum Thema „Arbeit und Gerechtigkeit“? von Gesine Stephan, Olaf Struck und Christoph Köhler
Lange Zeit galten die Beschäftigungsbeziehungen in Deutschland als stabil und sicher. Und tatsächlich gelangten viele Menschen – nach einer durch häufige Wechsel gekennzeichneten Einstiegsphase – in gesicherte Berufspositionen. So beschritten Erwerbstätige die eingeschlagenen Laufbahnen nicht selten bis zum Ende ihrer Erwerbsarbeitszeit innerhalb eines Unternehmens. Auch in dieser historisch einmaligen Prosperitätskonstellation, die Ende der 1950er Jahre begann und Mitte der 1980er Jahre endete, hatten viele Frauen, Ausländer und Geringqualifizierte deutlich größere Schwierigkeiten beim Eintritt in eine stabile berufliche Laufbahn als männliche Facharbeiter oder Hochschulabsolventen. Doch ungeachtet dessen festigte sich das Leitbild des von Mückenberger (1985) beschriebenen stabilen und institutionell gesicherten „Normalarbeitsverhältnisses“. Wichtiges Merkmal eines solchen Ideals ist die von Arbeitnehmern1 und Arbeitgebern getragene Verpflichtung einer wechselseitigen Verantwortung – im Sinne eines vielfach unausgesprochenen psychologischen Vertrages. Arbeitnehmer setzen sich mit Engagement für das Unternehmen ein und erhalten dafür betriebliche Beschäftigungsstabilität sowie stabile und nicht selten steigende Löhne. Schon seit einiger Zeit mehren sich jedoch Pressemeldungen zu Entlassungen und Lohnsenkungen in deutschen Unternehmen. Häufig wird berichtet, dass derartige Maßnahmen weniger der unmittelbaren Absatzsituation Rechnung tragen, sondern insbesondere dem Kapitalertrag des Unternehmens dienen sollen. So berichtete der Tagesspiegel im März 2005, die 30 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands hätten ihre Gewinne 2004 auf 35,7 Milliarden Euro verdoppelt. Zur gleichen Zeit wurden in diesen Unternehmen allein in Deutschland knapp 35.000 Stellen abgebaut und vielfach kam es dabei zu Entlassungen und Reallohnkürzungen. Die Flexibilisierung von Beschäftigungsverhältnissen gilt vielfach als notwendige Voraussetzung für den Erfolg von Unternehmen im Wettbewerb auf zunehmend globaleren Märkten (Reilly 1998). Folge der Flexibilisierung sind 1
Aus Gründen der Übersichtlichkeit verwenden wir im Folgenden generell die männliche Form, sofern dieser Unterschied inhaltlich nicht von Bedeutung ist.
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler
Veränderungen der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie die Dynamisierung individueller Lebensläufe. Politische Anpassungs- und Sicherungskonzepte wie „Employability“ (Gazier 1999) und „Flexicurity“ (Keller, Seifert 2000; Klammer, Tillmann 2001) sind hierbei Ausdruck einer Entwicklung, in der die Sicherheit von Beschäftigungsverhältnissen, zum Teil tatsächlich und vielfach in der subjektiven Wahrnehmung, unter Druck geraten ist. Diese Flexibilisierung von Beschäftigung und Arbeitsorganisation berührt die Interessen von Beschäftigten in grundlegender Weise. In Zeiten einer sich schnell verändernden Arbeitswelt, die vielfach mit Lohnkürzungen (teilweise in Verbindung mit unentgeltlicher Arbeitszeitverlängerung), Beschäftigungsabbau und steigender numerischer Flexibilität von Beschäftigungsverhältnissen (Bergemann, Mertens 2002; Grotheer, Struck 2003) einhergeht, ist fraglich: Treffen derartige Veränderungen auf die Akzeptanz unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen? Wie wichtig sind die konkreten Bedingungen der Flexibilisierung? Hängt die Einschätzung von persönlichen Merkmalen der Befragten ab? Inwieweit und unter welchen spezifischen Umständen rufen Entlassungen und Lohnkürzungen innerbetriebliche Widerstände hervor? Folgt man dem Mainstream des wissenschaftlichen und politischen Diskurses, so haben Arbeitnehmer vom Ideal der sicheren lebenslangen Beschäftigung schon lange Abschied genommen (Beck 1999; Sennett 2000). Dabei werden in der sozialwissenschaftlichen Forschung – etwa im Individualisierungs- und Subjektivierungsdiskurs – schon seit längerem die Risiken und Chancen höherer Wahlmöglichkeiten und -zwänge, zunehmender Eigenverantwortung und abnehmender Leitorientierungen durch Staat und Wirtschaftsorganisationen diskutiert. Individualisierungs- und Wertewandelsprozesse bewirken demnach, dass Erwerbspersonen Markt-Imperative des Unternehmenshandelns und damit die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, Löhnen und Beschäftigungsverhältnissen zunehmend internalisieren und akzeptieren. Bei Fortexistenz des Ideals eines „Normalarbeitsverhältnisses“ wäre hingegen zu erwarten, dass Flexibilisierungsprozesse informelle Verpflichtungen verletzen und als ungerecht empfunden werden. Interessanterweise werden entsprechende Zeitdiagnosen auch in den USA diskutiert. Auch hier wird bereits seit Mitte der 1980er Jahre ein Rückgang der Bedeutung betriebsinterner Arbeitsmärkte, eine Abkehr vom „alten Beschäftigungskontrakt“ und damit eine Ausdifferenzierung des „Normalarbeitsverhältnisses“ postuliert. Dieser Diskussion zufolge war der so genannte „alte Kontrakt“ durch Arbeitsplatzsicherheit, interne Aufstiege, Spezialisierung und gegenseitige Loyalität gekennzeichnet. Unternehmen und Institutionen übernahmen Verantwortung für Investitionen in Bildung und für die längerfristige materielle Sicher-
Warum eine Studie zum Thema „Arbeit und Gerechtigkeit“?
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heit der Beschäftigten. Demgegenüber weist sich der „neue Kontrakt“ durch individuelle Eigenverantwortung für den Erhalt und Aufbau von Beschäftigungsfähigkeit in einer marktindizierten flexibleren und damit unsichereren Arbeitswelt aus. In diesem „neuen Kontrakt“ bewerten beide Arbeitsmarktparteien den jeweiligen Marktwert und lösen den Vertrag dann, wenn sich bessere Alternativen ergeben (Levine et al. 2002). Als Gründe werden vor allem die zunehmende Globalisierung, der technische Fortschritt sowie betriebliche Reorganisationsmaßnahmen genannt, die von Betrieben im Wettbewerb eine immer schnellere Reaktion auf sich wandelnde Umweltbedingungen erfordern. Tatsächlich ist in den USA die Stabilität von Arbeitsverhältnissen bei Männern mittleren Alters zurückgegangen (Farber 1996), Arbeitsverhältnisse werden als weniger sicher empfunden (Capelli et al. 1997), und die Bedeutung von Gewerkschaften hat abgenommen (Godard, Delaney 2000). Neuere Untersuchungen in den USA zeigen jedoch auch, dass die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer auch heute noch nach Beschäftigungssicherheit strebt und die Übertragung unternehmerischer Risiken auf die Beschäftigten als nicht gerechtfertigt empfindet (Charness, Levine 2000, 2002). Die entsprechenden Orientierungen finden sich ebenso im SiliconValley wie in traditionellen Industriegebieten des Nordens der USA, und sie sind über zwanzig Jahre hinweg stabil geblieben. Auch in Deutschland lassen sich eine Reihe von Studien finden, die direkt oder indirekt diese Thematik berühren. Einige Autoren verweisen darauf, dass die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes vielfach im Zentrum des beruflichen Interesses von Beschäftigten steht (Deutschmann 2002; IG Metall 2001; Seifert, Pawlowsky 1998: 605f.; Schramm 1992: 86f.). Dies nicht zuletzt deshalb, weil Erwerbspersonen ihre beruflichen Qualifikationsentscheidungen nicht auf Basis einer beruflich ungewissen Zukunft treffen können. Doch auch Arbeitgeber zeigen zum Aufbau und Erhalt von Engagement, Loyalität und Kooperation häufig ein Interesse an stabiler Beschäftigung (ebd.; Struck 1999; Struck, Simonson 2000). Andere Studien zu Erwerbsorientierungen bei einzelnen Berufsgruppen prognostizieren im Kontext veränderter Anforderungen an Arbeit eher die Arbeitskraftunternehmer- und Vermarktlichungsthese (Voß, Pongratz 1998; Voß 1998; Fischer 1999). Zu Arbeitskraftunternehmern werden einerseits Personen, die sich durch die Umstände dazu gezwungen sehen. Andererseits wird festgehalten, dass viele Personen mehr Flexibilität wünschen und zumindest in jungen Jahren oder auf der Basis hoher, marktgängiger Qualifikationen entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten in ihrer Beschäftigungskarriere anstreben. Bisher liegt jedoch keine umfassende und repräsentative Studie zu Sicherheits- und Gerechtigkeitsorientierungen in Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis in Deutschland vor. Ein Überblick über die bisherige Literatur zu Ge-
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler
rechtigkeitsorientierungen im Kontext von Erwerbsarbeit in Deutschland zeigt drei Schwerpunkte: Erstens Arbeitslosigkeit und deren individuelle und gesellschaftliche Folgen (Kieselbach 1998; Leisering 1999; Liebig 2004a; Montada 1994), zweitens Gruppenarbeit, Entlohnung und Gerechtigkeit (Lengfeld, Liebig 2002), und drittens Konsequenzen des Strukturwandels im deutschen System industrieller Beziehungen (Lengfeld 2003, 2004; Lengfeld, Liebig 2000, 2003). Analysen zur Wahrnehmung und Bewertung von Gerechtigkeit im Kontext betrieblicher Rationalisierungsmaßnahmen sowie Lohnkürzungen wurden fast ausschließlich im nordamerikanischen Raum durchgeführt (insb. Kahneman, Knetsch, Thaler 1986; Charness, Levine 2000, 2002 sowie Levine et al. 2002). Dies überrascht vor allem aus zwei Gründen: Erstens blicken wir in den Geistesund Sozialwissenschaften auch in Deutschland auf eine lange, intensive theoretische Diskussion von Gerechtigkeitsnormen zurück (Liebig 2004b), die vor mehr als zwanzig Jahren noch einmal nachhaltig durch John Rawls (1975) entfacht wurde (siehe auch Dornheim et al. 1999; Ritsert 1997; Müller, Wegener 1995; Walzer 1992). Zweitens gewann das Gerechtigkeitsthema unter dem Stichwort „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ im politischen Diskurs der letzten Jahre an Bedeutung (DGB 1997; Schabedoth 2002; Schulte 1998; SPD 2002; Stoiber 2002). Gerechtigkeit kann nicht allein als normativ-politisches Konstrukt verstanden werden, sondern ist auch als empirische Frage zu analysieren (Leisering 1999; Liebig 1997). Vor diesem Hintergrund trägt das vorliegende Buch dazu bei, eine Forschungslücke zu füllen. Die forschungsleitende Frage der Untersuchung ist: Unter welchen Umständen werden Lohnkürzungen und Entlassungen von Erwerbspersonen in Deutschland als gerecht empfunden, und unter welchen Bedingungen widersprechen sie dem Gerechtigkeitsempfinden? Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine repräsentative Telefonbefragung zur Gerechtigkeitswahrnehmung von etwa 1500 west- und 1500 ostdeutschen Befragten im Alter zwischen 20 und 60 Jahren durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. Unsere Ergebnisse zeigen, dass in Deutschland – in noch stärkerem Maße als in den USA und Kanada – Entlassungen und Lohnkürzungen überwiegend als ungerecht eingestuft werden. Beschäftigte erwarten, dass Arbeitgeber sie zumindest teilweise gegen die Folgen allein gewinnorientierter Maßnahmen absichern. So werden beispielsweise Kostensenkungen der Unternehmen durch technischorganisatorische Rationalisierungsmaßnahmen in vergleichsweise starkem Maße als ungerecht bewertet. Demgegenüber gelten Entlassungen oder Lohnsenkungen aus „äußeren“ Anlässen, wie etwa nach einem allgemeinen Absatzmarkteinbruch als weniger ungerecht. Neben der Variation der Gerechtigkeitsbewertung nach
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angegebenen Gründen (Reziprozitätserwartung) hängt die Bewertung in starkem Maße vom Ablauf des Kündigungsprozesses (Verfahrensgerechtigkeit) sowie zum Teil von den Merkmalen der betroffenen Personen (Verteilungsgerechtigkeit) ab. Kündigungen beispielsweise werden eher als gerecht bewertet, wenn sie mit der Zahlung von Abfindungen und Outplacement-Beratung verbunden sind. Insbesondere Vermeidungsversuche seitens des Managements im Vorfeld der Entscheidungen sowie teilweise die Beteiligung der Mitarbeiter oder ihrer Interessenvertretung erhöhen signifikant die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen. Zudem wird deutlich: Gerechtigkeits- und Reziprozitätsansprüche spielen auch dann eine zentrale Rolle, wenn es um die Bewertung eigener betrieblicher Erfahrungen geht. Hervorzuheben ist, dass solche Erfahrungen mit Entlassungen und Lohnkürzungen in größeren Betrieben generell als ungerechter wahrgenommen werden als in kleineren Betrieben. Gewerkschaftsmitglieder akzeptieren Entlassungen in signifikant geringerem Ausmaß als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Die Verletzung der Prinzipien organisationsbezogener Gerechtigkeitsnormen bewirkt dabei nicht nur eine kritische Bewertung von Entlassungen und Lohnkürzungen, sondern sie löst auch Folgereaktionen von Seiten der Weiterbeschäftigten aus. Wenn Entlassungen und Lohnsenkungen wirtschaftlich vermeidbar sind sowie soziale und Verfahrenskriterien verletzt werden, dann verschlechtern sich Kooperation und Arbeitsmotivation und die Bereitschaft zur Eigenkündigung nimmt zu. Ein Hinweis darauf, dass der Erfolg von Unternehmensentscheidungen immer auch davon abhängt, inwieweit sie die ex- oder impliziten Vereinbarungen berücksichtigen und Abweichungen hiervon durch Informationen und die Einbeziehung der Beschäftigten nachvollziehbar machen können. Darüber hinaus zeigt sich: Es besteht ein Bevölkerungsgruppen übergreifender Grundkonsens über distributive und prozedurale Gerechtigkeitsstandards. Beschäftigte orientieren sich an der Verlässlichkeit solcher Regeln. Und so werden dann spezifische Handlungen, die sich – wie in unseren Entlassungs- oder Lohnsenkungsbeispielen – auf eine Verteilung knapper Güter richten, als gerecht oder ungerecht empfunden. So mag es in modernen Gesellschaften in vielerlei Hinsicht eine Pluralisierung von Wertvorstellungen geben (Koller 2004; Klages, Hippler, Herbert 1992), zentrale Bereiche der Erwerbsarbeit wie Beschäftigungsoder Lohnsicherheit haben sie jedoch – zumindest bislang – nicht erreicht. Die Ergebnisse unserer Untersuchung werden im Folgenden vorgestellt und diskutiert. Hierfür wird in Kapitel 2 der theoretische und methodische Bezugsrahmen präzisiert. Die weiteren Kapitel dieses Bandes dienen der Ergebnisdar-
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler
stellung der Untersuchung. Zunächst wird ein Überblick über die Gerechtigkeitsbewertung von Entlassungen und Lohnsenkungen (Kapitel 3) gegeben. Nachfolgend werden einzelne Schwerpunkte der Untersuchung aufgegriffen. Präsentiert werden zunächst Geschlechterdifferenzen (Kapitel 4), Folgereaktionen von Weiterbeschäftigten (Kapitel 5), Einstellungen zum Kündigungsschutz (Kapitel 6) sowie ein Vergleich der Ergebnisse Deutschlands mit solchen für die USA und Kanada (Kapitel 7). Abschließend wird ein Fazit gezogen.
2 Theoretischer Bezugsrahmen und methodischer Ansatz von Gesine Stephan, Olaf Struck und Christoph Köhler
Ziel der Studie ist die Erfassung der wahrgenommenen Gerechtigkeit von Lohnanpassungen und Entlassungen in Deutschland: Ob und inwieweit werden betriebsbedingte Entlassungen oder Lohnsenkungen als gerecht empfunden? Welche Wirkungen haben diese Maßnahmen auf „freiwillige“ Leistungsbereitschaft, d.h. auf das Engagement, die Kooperation, den Krankenstand und die Neigung, das Unternehmen zu verlassen? Aufgabe dieses Kapitels ist es zunächst, zu verdeutlichen, inwieweit Reziprozitäts- und Gerechtigkeitserwartungen in impliziten Verträgen zwischen Erwerbstätigen und Unternehmensleitungen verankert sind. Den Bezugsrahmen der Untersuchung bilden verschiedene Forschungslinien der ökonomischen, soziologischen und sozial-psychologischen Gerechtigkeitsforschung, wobei im Folgenden zunächst aus der Perspektive der Arbeitsvertragstheorie und der Theorie betriebsinterner Arbeitsmärkte (Wachter, Wright 1990) argumentiert wird und nachfolgend Ansätze der empirischen Gerechtigkeitsforschung sowie die Theorie psychologischer Verträge in den Vordergrund gerückt werden. Im Anschluss werden die drei methodischen Säulen vorgestellt, die die Untersuchung tragen. Erstens wurden den Befragten verschiedene hypothetische Szenarien zu Ursachen, Prozedere und Wirkungen von Entlassungen und Lohnsenkungen vorgelegt. Eine Anzahl von Szenarien wurde von Gary Charness und David Levine übernommen, die ihre Untersuchungen in den USA und Kanada durchgeführt hatten. Darüber hinaus sind den Befragten weitere Szenarien zur Berücksichtigung institutioneller Besonderheiten in Deutschland präsentiert worden. Zweitens wurden Gerechtigkeitsstatements in Bezug auf allgemeine und selbst (direkt und indirekt) erlebte Entlassungen und Lohnsenkungen erfragt. Und drittens wurden Folgereaktionen der Beschäftigten in den betroffenen Betrieben erhoben.
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler
2.1 Theoretische Grundlagen und vorliegende empirische Befunde 2.1.1 Arbeitsmarktforschung Wie lässt sich zunächst aus Sicht der Arbeitsmarktforschung erklären, dass Unternehmen Interesse an langfristigen Beschäftigungsverhältnissen haben und auf Sicherheitsinteressen von Arbeitnehmern eingehen? Die neoinstitutionalistische Organisationsökonomik modifizierte das neoklassische Bild der Marktakteure u.a. durch die Berücksichtigung der Risikoneigung der Akteure (z.B. Picot, Dietl, Franck 1999). Ein fundamentales Ergebnis war, dass es bei risikoaversen Arbeitnehmern und risikoneutralen Unternehmen ineffizient ist, das Einkommen der Arbeitnehmer im Konjunkturverlauf mit ihrem Wertgrenzprodukt variieren zu lassen, so dass ein Unternehmen die Beschäftigten – aus Anreizgesichtspunkten – partiell gegen Einkommenssenkungen und gegen den Verlust des Arbeitsplatzes versichern sollte (Milgrom, Roberts 1992). In Unternehmen mit so genannten „internen“ Arbeitsmärkten wird daher ein entsprechender impliziter Arbeitsvertrag mit den Beschäftigten geschlossen. Wesentliche Merkmale solch interner Arbeitsmärkte sind langfristige Beschäftigungsverhältnisse, eine begrenzte Mobilität zwischen dem externen und dem internen Arbeitsmarkt sowie ein begrenzter Einfluss des externen Arbeitsmarktes auf die Entgeltstrukturen im internen Arbeitsmarkt (Milgrom, Roberts 1992). Nach ihrem Eintritt in einen internen Arbeitsmarkt folgen die dort beschäftigten Arbeitnehmer bestimmten Karrierepfaden und werden bei Nachweis ihrer Befähigung befördert. Die Lohnstrukturen im internen Arbeitsmarkt sind im Regelfall relativ rigide und durch Gewohnheiten sowie die Firmenhistorie geprägt. In der neueren Arbeitsmarktforschung werden internen Arbeitsmärkten zwei wichtige Funktionen zugesprochen (Groshen, Levine 1998):
Erstens lassen sich auf internen Arbeitsmärkten glaubhaft Leistungsanreize bereitstellen, etwa durch eine verzögerte Kompensation (Lazear 1981), durch einen drohenden Einkommensverlust bei einer Entlassung (Shapiro, Stiglitz 1984), durch eine als fair empfundene Entlohnung (Akerlof, Yellen 1990) oder durch Beförderungswettbewerbe bzw. -turniere unter den Arbeitnehmern (Lazear, Rosen 1981). Darüber hinaus argumentieren einige Autoren, dass kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsplatzunsicherheit deutlich negativ auf die Arbeitszufriedenheit der betroffenen Beschäftigten wirken (Kieselbach 1998; Seifert, Pawlowsky 1998 sowie Borg 1989; Greenhalgh, Sutton 1991).
Theoretischer Bezugsrahmen und methodischer Ansatz
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Zweitens sollen interne Arbeitsmärkte die Effizienz des Arbeitseinsatzes sichern. Mit der Zunahme qualitativ höherwertiger Produktions- und Dienstleistungstätigkeiten (Weidig, Hofer, Wolff 1999) und der Optimierung von Arbeitsprozessen, Gruppenarbeit, Jobrotation, Mitbestimmung und dezentralen Verantwortungsstrukturen (Nordhause-Janz, Prekuhl 2000) werden in der Regel hohe Qualifikations- und Weiterbildungs- sowie Kooperations- und Motivationspotenziale vorausgesetzt (Abraham 2004; Baethge 2001, 2003; Baethge, Baethge-Kinsky 1998; Brandes, Weise 1998; Creed, Miles 1996; Heisig 1997; Schuler, Jackson 1987; Seifert, Pawlowsky 1998). Diese Potenziale werden innerhalb zeitlich begrenzter Arbeitsbeziehungen nicht aufgebaut. Theoretisch begründen lässt sich dies über die Humankapitaltheorie (Becker 1993), Vertrauensansätze (Beckert 2002; Heisig 1997) sowie zum Teil auch über Transaktionskosten- (Williamson 1990; Williamson, Wachter, Harris 1975) und Segmentationsansätze (Lutz 1987; Sengenberger 1987).
Diesen Vorteilen interner Arbeitsmärkte – der Schaffung von Anreizen und einem effizienten Arbeitseinsatz – stehen für die Betriebe jedoch auch potenzielle Nachteile gegenüber: Insbesondere bringt ein interner Arbeitsmarkt eine gewisse Inflexibilität mit sich. Die strategischen Entscheidungen eines Unternehmens für eine bestimmte Lohn- und Beschäftigungsstruktur unterliegen impliziten Restriktionen (Gerlach, Stephan 1999). Hat sich ein Unternehmen einmal für eine bestimmte Lohn- und Beschäftigungsstruktur entschieden, und hat sich ein interner Arbeitsmarkt etabliert, so wird es schwierig sein, Veränderungen dieser Strukturen durchzuführen. Gewohnheiten können im hier untersuchten Kontext als implizites Regelwerk betrachtet werden (siehe Schlicht 1998 zur Bedeutung von „Custom in the Economy“). Änderungen dieses Regelwerkes im Sinne eines Abweichens von bestehenden Konventionen können leicht als ungerecht und unfair angesehen werden. Neuere Befragungen von Managern zeigen die Bedeutung dieser impliziten Restriktionen auf, denen sich Unternehmen mit betriebsinternen Arbeitsmärkten gegenübersehen (Agell, Lundborg 1995; Bewley 1995; Blinder, Choi 1990; Campbell III, Kamlani 1997; Franz, Pfeiffer 2003; Levine 1993). Obwohl sich die Untersuchungen nach Stichproben, Ländern und zum Teil nach den gestellten Fragen unterscheiden, ergeben sich erstaunlich übereinstimmende Ergebnisse. Für betriebliche Lohnstrukturen gilt, dass die Löhne derart in Beziehung zum Produktionsergebnis, zu den Aufgaben oder zu den erforderlichen Fähigkeiten stehen müssen, dass die internen Lohndifferenziale für die Arbeitskräfte nachvollziehbar sind. Dabei hängt es vor allem von den in der Vergangenheit
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler
gezahlten Löhnen, den Gewinnen des Unternehmens und den Verdiensten der Kollegen auf vergleichbaren Arbeitsplätzen ab, ob die Entlohnung als gerecht angesehen wird. Weiterhin finden Lohnanpassungen in Reaktion auf Veränderungen der ökonomischen Umwelt nur in schwachem Ausmaß und mit Verzögerungen statt, da Arbeitnehmer historische Lohnunterschiede zu anderen Unternehmen als Ergebnis einer impliziten Vereinbarung betrachten. Von Seiten des Personalmanagements wird daher befürchtet, dass sich Lohnsenkungen im Unternehmen in verringerten Leistungen auswirken, während von einer Lohnerhöhung keine Leistungssteigerung erwartet wird. Insgesamt lässt sich festhalten, dass konsistente betriebsinterne Lohnstrukturen, die in ihrer Struktur und nach ihrer durchschnittlichen Lohnhöhe zwischen Betrieben differieren, die betrieblichen Entscheidungen aus ökonomisch nachvollziehbaren Gründen beeinflussen und durch erhebliche Trägheitsmomente gekennzeichnet sind. Dies gilt in ähnlicher Weise für Beschäftigungsanpassungen (Rousseau, Anton 1988, 1991; Rousseau, Aquino 1993). Befragungen von Weiterbeschäftigten zeigen, dass diese auf ungerecht wahrgenommene Entlassungen mit Kooperationsverweigerung und Leistungsrücknahme reagieren. Die betriebliche Flexibilität wird damit durch die komplexen und in ökonomischen Modellen schwer fassbaren Fairnessvorstellungen der Arbeitnehmer begrenzt. Zudem ist zu befürchten, dass bei einem Bruch impliziter Verträge durch das Management besonders qualifizierte Mitarbeiter und betriebsspezifisches Humankapital durch freiwillige Mobilität verloren gehen. In der Literatur ist inzwischen weitgehend akzeptiert, dass Arbeitnehmer auf als gerecht empfundenes Verhalten des Managements reziprok reagieren und eine hohe Arbeitsleistung erbringen (Fehr et al. 1998; Seifert, Pawlowsky 1998). Im Umkehrschluss kann ein als ungerecht empfundenes Verhalten der Unternehmensleitung einen signifikanten Motivations- und Leistungsverlust in der Belegschaft bewirken und darüber hinaus gesellschaftliche Reputationsverluste – schwerwiegend ist dies insbesondere bei potenziellen Kunden – zur Folge haben (Bies, Greenberg 2002). Sollen unerwünschte Effekte vermieden werden, so lassen sich Änderungen des impliziten Regelwerkes eines Unternehmens nur mit Verzögerungen und erhöhtem Aufwand an Kommunikation und Ausgleichsmaßnahmen durchführen. Darüber hinaus steigt im Grundsatz die Notwendigkeit zur Kooperation zwischen Betriebsleitung und betrieblichen sowie überbetrieblichen Vertretungsorganen der Beschäftigteninteressen.
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2.1.2 Gerechtigkeitsforschung Die Akzeptanz betrieblicher Lohnsenkungen und Entlassungen steht in einem engen Zusammenhang mit der wahrgenommenen Gerechtigkeit der Maßnahmen (Jeurissen 1999). Für die organisationale Gerechtigkeitsforschung (Greenberg 1995; Konow 2003) sind dabei zwei Aspekte von besonderer Bedeutung: distributive Gerechtigkeit und prozedurale Gerechtigkeit (so u.a. auch Hauff 2004; Kieselbach 1998; Lengfeld 2003; Lengfeld, Liebig 2003; Pfeifer 2003, 2004). Distributive Gerechtigkeit bezieht sich auf Fragen der Verteilungsgerechtigkeit. Es geht darum, die Ergebnisse einer Verteilung materieller oder immaterieller Güter und Lasten zu bewerten oder die Gerechtigkeit alternativer Verteilungsprinzipien zu beurteilen. Konkret soll beispielsweise beantwortet werden, nach welchen Kriterien zu entlassende Beschäftigte ausgewählt werden sollten, damit Kündigungen von den Befragten als gerecht und fair angesehen werden. Gerechtigkeitsurteile werden dabei je nach Art der sozialen Beziehung anhand unterschiedlicher Verteilungsprinzipien gefällt (Liebig 1997: 142 f.). Die Bewertung von Verteilungskonflikten orientiert sich im Allgemeinen an den folgenden Prinzipien:
Beitragsprinzip: Basierend auf der durch Adams (1965) etablierten EquityTheorie gilt eine Verteilung nur dann als gerecht, wenn sie den individuellen Leistungen der involvierten Personen Rechnung trägt (Greenberg 1990a: 400; Leventhal 1980; Young 1993: 3ff.). Eine beitragsgerechte Verteilung beschreibt somit einen Zustand, in dem Güter- und Lastenzuteilungen an eine Person gemessen an deren Leistung als gerecht wahrgenommen werden. Als Maßstab für die Bewertung des individuellen Einsatzes und der individuellen Belohnung oder Bestrafung dient erstens der Vergleich mit anderen Referenzpersonen (z.B. Mitarbeitern) und Gruppen, zweitens eine strukturelle Vorgabe des Systems (z.B. Arbeitsvorgaben, Entlohnungssysteme) sowie drittens der Selbstbezug, indem aktuelle Inputs oder Outputs mit früheren oder gar mit idealen Inputs und Outputs verglichen werden (Gilliland 1993: 715). Als gerecht gilt dabei, wenn Einsatz und Ertrag nicht nennenswert voneinander abweichen. Ist der Einsatz höher als der Ertrag, kann dies „Ärger und Frustration“ und in deren Folge (und im Zuge eines Abbaus kognitiver Spannungen) Leistungszurückhaltung erzeugen. Ist der Ertrag höher als der Einsatz, können (zumeist kurzzeitig) „Schuldgefühle“ ausgelöst werden, die wiederum leistungssteigernd wirken können (Adams 1965: 283 ff.). Gerade in an Wirtschaftlichkeit und Effizienz orientierten Unter-
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler nehmen gilt das Beitragsprinzip als dominantes Verteilungsprinzip (Deutsch 1975; Liebig 1997: 196). Bedarfsprinzip: Eine Verteilung wird dann als gerecht wahrgenommen, wenn eine grundlegende, allgemein anerkannte Bedürftigkeit der betroffenen Personen vorliegt und befriedigt wird (Gilliland 1993: 719). Es kann vermutet werden, dass dieses Bewertungsprinzip in modernen Wohlfahrtsstaaten und den hier etablierten Systemen der sozialen Sicherung zur Erfüllung von Grundbedürfnissen an Bedeutung verloren hat (Konow 2001). Allerdings kann weiterhin aus Lohnkürzungen und Arbeitsplatzverlusten ein erheblicher ökonomischer Verlust resultieren – etwa dann, wenn das Einkommen entscheidend zum Lebensunterhalt von Familienmitgliedern beiträgt (Engelstad 1997: 207) oder die Wahrscheinlichkeit von Langzeitarbeitslosigkeit, etwa bei gering qualifizierten, älteren oder sehr spezifisch qualifizierten Erwerbstätigen, besonders hoch ist (ebd.: 208). Eine explizite Anwendung in der deutschen Praxis findet das Bedarfsprinzip im Kündigungsschutzgesetz (KSchG), wonach betriebsbedingte Kündigungen grundsätzlich nur unter Beachtung sozialer Auswahlkriterien, wie zum Beispiel Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflicht (§1(3) KSchG), ausgesprochen werden dürfen. Gleichheitsprinzip: Hiernach sollen alle beteiligten Individuen, unabhängig von Leistung und Bedürftigkeit sowie von Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft, Bildung etc., den gleichen Anteil an Gütern oder Lasten zugesprochen bekommen (Gilliland 1993: 718; Lengfeld, Liebig 2003: 475). Die Equality-Theorie stellt dabei die Chancengleichheit heraus, die einer leistungs- und merkmalsunabhängigen Zufallsauswahl gleichkommt. Im Kontext von Beschäftigungsbeziehungen kommt dem Gleichheitsprinzip im Sinne von Gleichberechtigung häufig allerdings nur dann ein hoher Stellenwert zu, wenn die Chancengleichheit verletzt wird oder beschäftigungsirrelevante Kriterien für eine beschäftigungsrelevante Entscheidung herangezogen werden (Gilliland 1993: 718). Im Falle derart bedingter Gleichheitsprinzipien können beispielsweise Kündigungen eher als ungerecht angesehen werden, wenn diese eindeutig aufgrund der ethnischen Herkunft und nicht basierend auf Qualifikationen ausgesprochen werden. Beförderungen und Lohnerhöhungen würden dann als ungerecht wahrgenommen, wenn das Geschlecht und nicht etwa die persönliche Leistung als Auswahlkriterium gelten würde. Gilliland (1993: 718) ergänzt, dass eine Diskriminierung durch vormalig diskriminierte Personen eher wahrgenommen wird als durch Nichtdiskriminierte. Darüber hinaus kann Gleichheit im Sinne egalitärer (unbedingter) Gleichbehandlung verstanden werden, wonach alle Beteilig-
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ten gleich oder äquivalent betroffen sein sollten (Herwig 1984: 78ff.). So wäre beispielsweise bei Personalabbauprozessen eine Situation relativ gleicher Betroffenheit aller Beteiligten gegeben, wenn nicht nur einzelne Arbeitnehmer entlassen werden, sondern zusätzlich die verbleibenden Erwerbstätigen aller Hierarchie- bzw. Leistungsebenen Einschnitte beispielsweise durch Lohnkürzungen oder Zurückhaltung von Prämienzahlungen erfahren würden. Verantwortlichkeitsprinzip: Das von Konow (1996, 2001) vorgeschlagene Verantwortlichkeitsprinzip stellt zunächst eine Erweiterung des Beitragsprinzips um externe Variablen dar. Aufbauend auf den theoretischen Grundannahmen der Equity Theory (Adams 1965) sowie der Attributionstheorie (Hewstone, Fincham 1997; Kelley 1973) unterscheidet Konow diskrete und externe Variablen, die einen Einfluss auf das Gerechtigkeitsempfinden in Verteilungssituationen haben können. Diskrete Variablen sind Leistungen oder Kosten, die einen direkten Einfluss auf die Verteilung haben und von den Individuen beeinflusst werden können. Externe Variablen beschreiben gegebene Sachverhalte, die nicht veränderbar sind, sich aber trotz allem auf das Ergebnis einer Verteilung auswirken (zu kontrollierten und unkontrollierten Ursachen siehe auch Weiner 1994). Nach dem Verantwortlichkeitsprinzip gilt eine Verteilung genau dann als gerecht, wenn sie proportional zu den Einsätzen (Leistung und Kosten als diskrete Variablen) und relativ zu den Möglichkeiten (externe Variablen) getroffen wird, wodurch die betroffenen Personen nur für die Gegebenheiten verantwortlich gemacht werden, die sie auch selbst kontrollieren können. Hierzu ein Beispiel: Produziert A1 doppelt so viel wie A2 und ist er in physischer und kognitiver Hinsicht sowie in Bezug auf technische oder arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen von diesem nicht unterscheidbar, ist es gerechtfertigt, dass er einen doppelt so hohen Lohn bezieht. Ist A2 jedoch bei sonst gleichen Bedingungen unverschuldet „gehandicapt“, so steht ihm nach dem Verantwortlichkeitsprinzip der gleiche Lohn zu, obwohl sein Output geringer ist (in Anlehnung an Konow 2001: 142). Das Verantwortlichkeitsprinzip stellt somit primär eine Verknüpfung von Beitrags-, Gleichheits- und Bedarfsprinzip dar, da sich eine gerechte Verteilung nur aus der Gewichtung aller drei Faktoren ergibt. So richtet sich eine Güter- oder Lastenzuteilung also nicht mehr ausschließlich nach Leistung, sondern bezieht auch Gleichberechtigungs- und (relative) Egalitätsprinzipien sowie Ansprüche aufgrund von Bedürftigkeit ein. Sekundär werden nicht beeinflussbare Größen explizit in die Bewertung einer Verteilung mit einbezogen, so dass im Idealfall der Einfluss all jener Variablen (auch wenn sie direkt oder indirekt zur Ver-
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler teilungsmenge beitragen), die durch die beteiligten Personen nicht veränderbar sind, von der Gerechtigkeitsbewertung ausgeschlossen werden. Effizienzprinzip: Nach diesem Prinzip gilt eine Verteilung dann als gerecht, wenn sie in ihrer Gesamtheit die Erträge maximiert beziehungsweise die Lasten minimiert (Konow 2001: 145ff.). Verteilungen gelten demnach auch dann als gerecht, wenn einzelne Personen schlechter gestellt werden, damit Erträge in der Summe gesteigert werden können. Leisering (1999: 11) spricht in diesem Zusammenhang auch von „funktionalistischer“ oder „produktivistischer“ Gerechtigkeit, wobei aktuelle Verteilungen als gerecht anzusehen sind, falls sie mittel- oder langfristig den Gesamtnutzen aller erhöhen. Entgegen dem Bedarfs-, Gleichheits- oder Verantwortlichkeitsprinzip lassen sich auf Basis des Effizienzprinzips z.B. Abweichungen von den Sozialauswahlkriterien des Kündigungsschutzrechts legitimieren, da sie zum Erhalt qualifizierten Personals und somit der Leistungsfähigkeit des Unternehmens dienen. So zeigt etwa Struck (1999: 323), dass in der kritischen Situation des ostdeutschen Strukturbruchs nach der „Wende“ die Sozialauswahlkriterien für Kündigungen (insbesondere Alter und Betriebszugehörigkeit) aufgrund der Leistungsfähigkeit einzelner Mitarbeiter mit Wissen der Rechts- und Arbeitnehmervertretungen umgangen wurden. Das Effizienzprinzip kann daher als eine übergeordnete Form des Beitragsprinzips verstanden werden, wobei sich beide Prinzipien sowohl durch eine zeitliche Dimension als auch hinsichtlich ihres Anwendungskontextes unterscheiden. Im Rahmen eines Personalabbaus kann sich beispielsweise die Kündigung eines Arbeitnehmers unter Bezug auf das Beitragsprinzip danach richten, welche Leistung oder welchen Beitrag der Arbeitnehmer in der Vergangenheit erbracht hat. „Bei der effizienzorientierten Auswahl wird (demgegenüber ergänzend) danach gefragt, wer mit größerer Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner bisherigen oder zukünftig zu erwartenden Arbeitsleistungen, -haltungen oder Qualifikationen die Produktivität des Unternehmens erhöht und deshalb von einer Entlassungsentscheidung ausgenommen werden sollte“ (Kieselbach 1998: 241). Das Beitragsprinzip orientiert sich demnach primär am individuellen Arbeitnehmer, wohingegen beim Effizienzprinzip das Unternehmens- und/ oder Mitarbeiterwohl „in Gänze“ im Vordergrund steht.
Die Bewertung von Verteilungsergebnissen anhand der genannten Prinzipien wird jedoch auch durch die Gerechtigkeit der Verfahren beeinflusst, nach denen eine Verteilungsentscheidung zustande gekommen ist – also durch prozedurale Gerechtigkeit. Diese Erkenntnis wurde Mitte der 1970er Jahre aus der Beobach-
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tung hergeleitet, dass offenkundig ungerechte Verteilungsergebnisse durchaus als gerecht angesehen wurden, wenn sie das Resultat von Verfahren waren, die als gerecht empfunden wurden. Zugleich wurde festgestellt, dass neben möglichen Kompensationseffekten auch Kumulationen von Ungerechtigkeitsempfindungen auftreten, wenn zugleich Verfahrens- und Verteilungsaspekte als ungerecht wahrgenommen werden. In Anlehnung an Leventhal (1980: 37 ff.) lassen sich sechs formale Grundprinzipien unterscheiden, anhand derer die Gerechtigkeit eines Prozesses beurteilt wird (so auch Hauff 2004; Lengfeld, Liebig 2003: 477; Pfeifer 2003, 2004):
Consistency Rule: Entscheidungsprozesse sollten konsistenten Verfahrensregeln folgen, die für alle Beteiligten für eine gewisse Dauer gültig sind; Bias-Suppression Rule: Bei allen am Verfahren teilnehmenden Personen sollten Vorfestlegungen, Parteilichkeit und Eigeninteresse ausgeschlossen sein; Accuracy Rule: Dem Entscheidungsprozess sollten alle relevanten Informationen zu Grunde liegen; Correctability Rule: Entscheidungen müssen korrigierbar sein und Verfahren sollten (repressionsgeschützte und einfach in Anspruch zu nehmende) Einspruchsmöglichkeiten beinhalten; Representativeness Rule: Einwände, Interessen oder Werte aller vom Verteilungsprozess Betroffenen sollten in die Entscheidungsfindung einfließen; Ethicality Rule: Der Entscheidungsprozess sollte mit fundamentalen moralischen oder ethischen Auffassungen aller vom Prozess Betroffenen vereinbar sein.
Im Grundsatz lassen sich die hier hervorgehobenen formalen von interpersonalen Aspekten der Prozessgestaltung unterscheiden (Liebig 1997: 206f.). Daneben können analytisch fünf teilweise sich ergänzende und komplementäre interpersonale Prinzipien unterschieden werden, die ebenfalls die Gerechtigkeitswahrnehmung des entsprechenden Prozesses beeinflussen (Müller 1998: 60f.): (1) Berücksichtigung drückt aus, in welchem Maße Entscheider auf die Interessen und Bedürfnisse der Betroffenen eingehen. (2) Zudem soll die Gleichbehandlung aller Betroffenen während des Prozesses gewährleistet sein. (3) Kommunikative Integrität beschreibt, inwiefern Sachverhalte glaubwürdig dargelegt und Entscheidungen argumentativ begründet werden. Darüber hinaus soll (4) die rasche Rückmeldung von Zwischenergebnissen und Entscheidungen sowie (5) eine Aufklärung über Hintergründe und Wege der Entscheidungsfindung erfolgen. Mitunter werden die interpersonalen Prinzipien neben der distributiven und der
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prozeduralen Gerechtigkeit als eigenständige Gerechtigkeitsdimension in Form der „Interaktionsgerechtigkeit“ thematisiert (Kieselbach 1998: 243; Bies, Shapiro 1987). Greenberg (1990: 410ff., 1993:80ff.) unterscheidet dabei interpersonale und informatorische Gerechtigkeit, wobei erstere (etwa Berücksichtigung und Gleichbehandlung) der distributiven und letztere (etwa kommunikative Integrität, Rückmeldung und Aufklärung) der prozeduralen Gerechtigkeit zugeordnet werden. Für die hier vorgelegte Studie gilt allerdings, dass aufgrund der hohen situativen Beeinflussbarkeit zwischenmenschlicher Beziehungen, die im restriktiven Rahmen der Befragung nicht erhoben werden konnten, Auswertungen und Ergebnisse auf Teilaspekte formaler Verfahrensprinzipien beschränkt bleiben. Urteile über die Gerechtigkeit eines Verfahrens werden dementsprechend anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten gefällt: „Individuals do not have a single schema of a fair process that they apply on all occasions. Instead, they are concerned with different issues under different circumstances. As a result, it is likely that there are no universally fair procedures for allocation and dispute resolution.” (Tyler 1988: 131). Bei der Vielzahl der Anwendungsmöglichkeiten prozeduraler Gerechtigkeit in Organisationen, wie beispielsweise Personalauswahl, Entgeltfindung, Leistungsbeurteilung, Förderung von Arbeitsengagement und Personalabbau, lässt sich kein objektivierbarer Beurteilungsmaßstab von Gerechtigkeit finden. Prozedurale Gerechtigkeit ist „eine subjektive oder kollektive Bewusstseinskonstruktion, die Betroffene von und Verantwortliche für Entscheidungen in Organisationen herausbilden und gegebenenfalls auch wieder revidieren, modifizieren, ergänzen oder neu aushandeln können“ (Müller 1998: 67). Darüber hinaus können, abhängig von den Rahmenbedingungen, einzelne Prinzipien und Regeln übereinstimmen oder im Gegensatz zueinander stehen sowie unterschiedliches Gewicht haben (Elster 1995; Leventhal 1980). Eben deshalb sind empirische Untersuchungen zu strukturellen und situativen Ursachen unterschiedlicher Gerechtigkeitswahrnehmungen erforderlich. Im Rahmen solcher Untersuchungen sind dann interagierende Beziehungen zwischen Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit (Brockner et. al 1994; Gilliland 1993: 721) zu berücksichtigen. Insofern etwa die Ergebnisse einer Verteilung aufgrund der verschiedenen Allokationsprinzipien als gerecht wahrgenommen werden, können Aspekte der Prozessgestaltung in den Hintergrund treten. Zudem können negative Ergebnisse – wie beispielsweise Entlassungen oder Lohnkürzungen – eher als gerecht bewertet werden, wenn die entsprechende Entscheidungsprozedur als gerecht empfunden wird (Stock 2001: 52). „Procedural justice is the key to the acceptance of negative outcomes or decisions against someone’s wishes, it produces a ‚cushion of support‘ for leaders to take unpopular decisions.” (ebd.: 44). Andererseits kann sich das Ungerechtigkeits-
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empfinden zusätzlich noch verstärken, sobald Ergebnisse und Entscheidungsprozesse als unfair wahrgenommen werden. 2.1.3 Psychologische Verträge Gerechtigkeitsnormen werden auf dem Arbeitsmarkt umso wichtiger, wenn gut bezahlte Arbeit zu einer zusehends knappen Ressource wird. Darüber hinaus unterliegt der Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit neben rechtlichen Restriktionen auch immer der „freiwilligen“ Bereitschaft der Arbeitnehmer zur Kooperation (Deutschmann 2002). Aufgrund begrenzter Kontrollmöglichkeiten, die es nicht ermöglichen jede Handlung positiv oder negativ zu sanktionieren, werden zumeist implizite und unvollständige Verträge geschlossen, die auch als psychologische Verträge interpretiert werden können (Sadowski 2002: 72ff.). Psychologische Verträge (Anderson, Schalk 1998; Berner 1999; Grote 2000; Grote, Raeder 1999; Herriot, Manning, Kidd 1997; Hiltrop 1995; Millward, Brewerton 2000; Rousseau 1995; Rousseau, Schalk 2000) beschreiben das Vertrauen in gegenseitige Verpflichtungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, das auf Zusagen nach der Einstellungsentscheidung und während der täglichen Zusammenarbeit baut. Die Interpretation dieser Zusagen wird in starkem Maße durch subjektive Ansichten sowie durch gesellschaftliche und innerorganisatorische soziale Prozesse beeinflusst. Das Vertrauen in die Einhaltung der Verpflichtung beruht darauf, dass beide Parteien von der Einhaltung überzeugt sind (Reziprozität). Einseitige Vertragsverletzungen führen dabei zu einer Erosion des Vertrauens, wodurch sich die Bereitschaft der Arbeitnehmer zur „freiwilligen“ Leistungserbringung sowie der Arbeitgeber zu Investitionen (etwa Beförderungen) verringert. Nun können Veränderungen der Arbeitswelt, etwa die Zunahme numerisch flexibler Beschäftigung, die Verbreitung zeitflexibler Vertragsformen (Grotheer, Struck 2003) eine „Normalität“ von Kündigungen etc., zu einer Anpassung psychologischer Verträge führen. Derartig veränderte Verträge könnten sich dann durch weniger starke Bindungen oder qualitativ veränderte Übereinkünfte (etwa betriebliche Generierung zwischenbetrieblicher Übergangsmöglichkeiten durch Qualifizierung etc.) auszeichnen. Charness und Levine (2002: 403) folgern zur Akzeptanz der Veränderungen: „Many people perceive what is common as fair. Should the new employment contract become widespread, it will probably become more acceptable.”
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Gerechtigkeit ist damit ein vielschichtiges Phänomen, das sich nicht eindimensional erfassen und darstellen lässt. Dies wird im Untersuchungsdesign berücksichtigt, welches im Folgenden vorgestellt wird. 2.2 Untersuchungsdesign und Methodik Grundlage der empirischen Analyse ist eine im Jahr 2004 durchgeführte repräsentative telefonische Befragung von 3039 Personen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren, die durch das Forschungs- und Beratungsinstitut „aproxima“ aus Weimar durchgeführt wurde. Befragt wurden jeweils etwa zur Hälfte Personen in West- (n=1448) und Ostdeutschland (n=1591). Gerechtigkeit „is a context dependent, but not context specific, phenomenon“ (Konow 2003: 1231). Entsprechend ist zu prüfen, in welchem Maße Aspekte der Reziprozität sowie der Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit die Gerechtigkeitswahrnehmung beeinflussen. Hinsichtlich der Verfahrensgerechtigkeit sind dabei unter anderem Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitarbeiter und ihrer Vertretungsorgane berücksichtigt. Mit Blick auf Verteilungsaspekte wird untersucht, welche Auswirkungen Versuche der Vermeidung, interne Kontrollierbarkeit bzw. externer Anlass der Maßnahme oder die Selektivität in der Auswahl der Betroffenen aufweisen. Die jeweils zugrunde gelegten Gerechtigkeitsprinzipien sind in Abhängigkeit von der Art der sozialen Beziehung zu analysieren. So kann vermutet werden, dass innerhalb der Arbeitswelt Leistungsprinzipien stärker in den Vordergrund treten als beispielsweise im familiären Kontext, in welchem dem Bedarfsprinzip eine allgemein höhere Bedeutung beigemessen wird. Zudem sind soziodemographische Merkmale, Erfahrungen der Person und der betriebliche Kontext zu berücksichtigen, die beeinflussen, wie eine Person eine spezifische Verteilungssituation schließlich bewertet. Um diese Vielschichtigkeit des Phänomens „Gerechtigkeit“ angemessen einbeziehen zu können, werden die in Deutschland vorherrschenden Gerechtigkeitsorientierungen gegenüber Fragen der Lohn- und Beschäftigungsanpassung folgendermaßen erfasst:
Erstens wurden Gerechtigkeitseinschätzungen zu hypothetischen Entlassungs- und Lohnkürzungsszenarien erfragt. Zweitens wurden in Form von Statements ergänzende Informationen erhoben.
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Drittens wurden die Erfahrungen der Befragten mit Entlassungen und Lohnsenkungen in ihrem eigenen betrieblichen Umfeld innerhalb der letzten fünf Jahre und deren Gerechtigkeitsbewertung ermittelt. Viertens wurde eine Anzahl soziodemographischer Informationen erhoben, u.a. zu Geschlecht, Alter, höchstem Ausbildungsabschluss, Haushaltskontext und Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Bei Erwerbstätigen wurden daneben Angaben zur Tätigkeit und Stellung im Erwerbsleben, die Betriebszugehörigkeitsdauer, Arbeitgeberwechsel, die Existenz eines Betriebsrates sowie die Betriebsgröße etc. erfragt.
2.2.1 Bewertung auf Grundlage von Szenarien Eine erprobte und angemessene Methode zur Untersuchung von Gerechtigkeitseinstellungen stellt die Szenarien- oder Vignettentechnik dar (Alves, Rossi 1978; Jasso, Rossi 1977). Szenarien erlauben es, genau zu beschreiben, unter welchen Umständen eine Verteilungsentscheidung erfolgt, wer davon betroffen ist und welche Konsequenzen die Verteilungsentscheidung für die Betroffenen mit sich bringt. Sie sind daher gut geeignet, um Gerechtigkeitseinstellungen in Abhängigkeit von bestimmten Kontextbedingungen zu untersuchen. Als QuasiExperiment ermöglichen sie es, zugleich die Einflüsse auf die Gerechtigkeitsbewertung in hohem Maße zu kontrollieren. Darin liegt ein wesentlicher Vorteil gegenüber Umfragedaten: Hier kann der mögliche Einfluss dritter, unbeobachteter Variablen auf die ermittelten Zusammenhänge erst über Wiederholungsbefragungen kontrolliert werden. Für die Szenarien wurden aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit in weiten Teilen adäquate Modifikationen der Fragestellungen von Charness, Levine (2000, 2002) gewählt, die selbst teilweise Formulierungen von Kahneman, Knetsch, Thaler (1986) aufgreifen. Der Fragebogen enthält jedoch auch eigene, auf Deutschland zugeschnittene Szenarien. Die von Charness und Levine verwendeten Fragestellungen beziehen sich auf hypothetische Szenarien, bei denen jeweils gefragt wird, als wie gerecht die Befragten eine knapp charakterisierte betriebliche Maßnahme einordnen. In jedem Interview werden drei Szenarien vorgestellt. Zur Einschätzung der Entlassungs- und Lohnsenkungsszenarien standen den Befragten dann vier Antwortkategorien („sehr gerecht“, „mehr oder weniger gerecht“, „mehr oder weniger ungerecht“ und „sehr ungerecht“) sowie die Möglichkeit der Angabenverweigerung zur Auswahl. Aufgrund der Länge der Szenarien und um Verzerrungen im Antwortverhalten durch eine Anpassung an die vermeintlichen Erwartungen des Intervie-
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wers zu vermeiden (Charness, Levine 2000: 384), wurde bei der Befragung ein „Between-Subjects“-Ansatz gewählt. Bei diesem Befragungsansatz wird jedes Szenario nur einer – hinreichend großen – Teilmenge der Befragten vorgetragen. Einige ergänzende Gerechtigkeitsaspekte in Bezug auf betriebsbedingte Entlassungen und Lohnkürzungen wurden über allgemeine Gerechtigkeitsurteile bei allen Befragten erhoben. Der Aufbau eines typischen Szenarios sei kurz erläutert. (Der detaillierte Aufbau ist im Anhang des Buches dargestellt.) In einem ersten Satz wird zunächst der auslösende „Schock“ für eine Lohnkürzung oder Entlassung genannt. Dies kann z.B. eine gesunkene Produktnachfrage oder die Einführung einer neuen Produktionstechnologie sein. Daran anschließend wird kurz präzisiert, welche Gruppe von Beschäftigten die Maßnahme betrifft, wobei die Betroffenen nach der Qualifikation, der Art des im Unternehmen erworbenen Humankapitals, dem Geschlecht sowie der Beschäftigungsdauer unterschieden werden. Neben diesem Aspekt distributiver Gerechtigkeit wird überdies die Prozessgestaltung beschrieben. Szenarienvariationen zur rigorosen oder behutsamen Durchführung von Entlassungen und Lohnsenkungen sowie zur Beteiligung des Betriebsrates ermöglichen hier die Berücksichtigung prozeduraler Gerechtigkeitsmerkmale. Eine mit Blick auf Reziprozitätsempfindungen interessante Variante ist zudem, ob die Unternehmensleitung durch eigene Gehaltseinbußen an Sparmaßnahmen partizipiert. Schließlich wird im Anschluss an einzelne Szenarien die Motivations- und Leistungsreaktion der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer beschrieben. Die Analyse des Einflusses der einzelnen Szenariendimensionen auf die Gerechtigkeitsbewertung erfolgt in Anlehnung an die Methode des faktoriellen Surveys (Rossi, Anderson 1982; Beck, Opp 2001). Hierzu werden die Dimensionen als kategorial unabhängige Variablen kodiert. In logistischen Regressionen wird neben den Abwandlungen der Szenarien auch der Einfluss soziodemographischer Merkmale kontrolliert. Hierzu wird sowohl die Gesamtstichprobe als auch die Teilstichprobe der Erwerbstätigen untersucht. 2.2.2 Bewertung auf Grundlage eigener Erfahrungen Neben dem Szenarienansatz ist auch eine Analyse eigener Erfahrungen der Befragten wünschenswert, um einerseits den Einfluss der realen Erlebnisse auf das Gerechtigkeitsempfinden zu analysieren und andererseits die Ergebnisse der Szenarientechnik zu validieren. Dies gilt vor allem dann, wenn nicht nur die Einstellung zu einem bestimmten Ereignis, sondern darüber hinaus auch mögliche Handlungskonsequenzen ermittelt werden sollen (Lind, Tyler 1988: 46ff.). In der
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vorliegenden Studie wurden die Gerechtigkeitsbewertungen betrieblicher Entlassungen und Lohnsenkungen daher auch über die eigene betriebliche Erfahrung erfasst. So kann auch berücksichtigt werden, inwieweit betroffene Personen („implicated stakeholder“) eine andere Wahrnehmung als unbetroffene Dritte („impartial stakeholder“) aufweisen. Um die eigenen Erfahrungen mit betrieblichen Entlassungen und Lohnsenkungen zu erfassen, wurden erwerbstätige Personen zunächst gefragt, ob es innerhalb der letzten fünf Jahre in ihrem Arbeitsumfeld betriebliche Entlassungen oder Lohnsenkungen gegeben hat. Sie waren dabei nicht unbedingt selbst von der Entlassung respektive Lohnkürzung betroffen. Der so ausgewählte Kreis wurde dann gebeten, sowohl Angaben über den Umfang der Entlassungen, zum Prozedere (z.B. zur Beteiligung der Belegschaft oder ihrer Vertreter und über das Engagement des Arbeitgebers zur Vermeidung der Entlassungen bzw. Einkommenssenkung) als auch zu Auswirkungen im Betrieb (u.a. zur Kooperation zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten und zum Engagement für die Firma) zu machen. Schließlich wurden die Betroffenen gebeten, die Gerechtigkeit der erlebten Entlassung und/ oder Einkommenskürzung analog zu den Szenarien anhand einer vierstufigen Skala zu bewerten. Auch hier erfolgte sowohl eine deskriptive als auch eine multivariate Auswertung der Befragungsergebnisse. Insgesamt ermöglicht das Vorgehen eine umfängliche Berücksichtigung der theoretisch und/ oder empirisch orientierten Literatur. Dabei bietet sie für die Bundesrepublik erstmalig eine solide Datenbasis zur Analyse von Gerechtigkeitsbewertungen aktueller Lohnveränderungen und Entlassungsrisiken im Kontext betrieblicher und individuell-soziodemographischer Merkmale sowie individueller Wertorientierungen. Einschränkend gilt jedoch: Tatsächliche Anpassungen von Gerechtigkeitseinstellungen erwerbstätiger Personen im Zuge veränderter Beschäftigungsbeziehungen können anhand der erhobenen Querschnittsdaten nicht untersucht werden. Erst eine Wiederholungsbefragung des gleichen Personenkreises würde es ermöglichen, die Genese von Einstellungen zu analysieren und Alters-, Kohorten- sowie Periodeneffekte zu kontrollieren. Darüber hinaus würde es eine langfristige Verlaufsuntersuchung erlauben, mögliche Kausalwirkungen von individuellen, organisatorischen und institutionellen Einflussmerkmalen exakter zu erfassen, als es in der vorliegenden Untersuchung möglich ist. Hier besteht weiterhin ein erheblicher Forschungsbedarf.
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2.2.3 Bedeutung soziodemographischer Merkmale und allgemeiner Werteinstellungen Bereits die soziologischen Klassiker Weber, Durkheim oder Parsons wiesen darauf hin, dass die soziale Lage von Personen und Gruppen maßgeblich die Wahrnehmung des sozialen Geschehens und des normativen Handelns beeinflusst. Aus diesem Grund werden auch soziodemographische Merkmale und allgemeine Werteinstellungen der Befragten als mögliche Determinanten der Gerechtigkeitseinschätzung berücksichtigt. So dienen beispielsweise die Einkommenshöhe sowie eventuelle finanzielle Betreuungspflichten dazu, die Wirkung unterschiedlicher Grade der Angewiesenheit des Befragten auf den Erhalt des Arbeitsplatzes und die Lohnhöhe zu kontrollieren. Einbezogen werden zudem berufliche, biographische und askriptive Merkmale wie berufliche Stellung, Ausbildungsabschluss, Zahl der Arbeitgeberwechsel, Erleben von Entlassungen und Lohnsenkungen, die eigene berufliche Sicherheit, Alter und Geschlecht, um bisherige Erfahrungen der Befragten und ihre Möglichkeiten, auf veränderte Situationen reagieren zu können, zu berücksichtigen. In der vorliegenden Untersuchung wird die Gerechtigkeitswahrnehmung im Hinblick auf Entlassungen und Lohnsenkungen analysiert. Damit richtet sich die Analyse auf einen spezifischen Gegenstand des Gerechtigkeitsempfindens. Möglich wäre jedoch, dass diese spezifisch abgefragte Wahrnehmung mehr oder minder maßgeblich von übergreifenden, auf Beschäftigung oder Gesellschaft allgemein bezogenen Einstellungen abhängt. Durkheim, Parsons oder Rawls legen beispielsweise nahe, dass es universell gültige Gerechtigkeitsnormen zumindest innerhalb eines Kulturkreises gibt. Marx, Weber oder Parkin sehen Gerechtigkeit eher als interessengeleitet an und Weber und Walzer betonen zusätzlich die Abhängigkeit von Wertssphären. Um der Frage nach dem Zusammenhang zwischen spezifischen und allgemeinen Werteinstellungen nachzugehen, werden in einzelnen Analysen daher sowohl beschäftigungsbezogene Werteinstellungen als auch Gerechtigkeitsideologien berücksichtigt.
3 Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? von Alexandra Krause, Christian Pfeifer und Tatjana Sohr
Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und regelmäßige Meldungen über den Beschäftigungsabbau in Unternehmen heizen die Diskussion um Änderungen im deutschen Arbeitsrecht immer wieder an. Wirtschaftsverbände sowie liberale, konservative und z.T. sozialdemokratische Politiker erheben die Forderung nach einer weitergehenden Deregulierung des Arbeitsmarktes. Nach dieser Auffassung sind rechtliche und politische Korsettstangen zu entfernen, um Unternehmen eine »freie Atmung« in Bezug auf Beschäftigungs- und Lohnanpassungen in Zeiten konjunktureller und struktureller Auf- und Abschwünge zu ermöglichen. Demgegenüber appellieren Interessensgruppen der Arbeitnehmer, allen voran die Gewerkschaften sowie gewerkschaftsnahe Politiker, an die „soziale Verantwortung“ der Unternehmen. Sie sehen den Ausbau, Einsatz und Erhalt von Qualifikationen und die Gewährleistung »freiwilliger« Leistungsbereitschaft als abhängig sowohl von gut bezahlten und stabilen Beschäftigungsverhältnissen als auch von einem fairen Umgang mit Arbeitnehmern an. Die folgenden Untersuchungen sind auf zwei zentrale Veränderungsmaßnahmen in Unternehmen fokussiert: Entlassungen und Lohnsenkungen. Analysiert werden die Ursache der Anpassungsmaßnahme, die betroffenen Beschäftigtengruppen, die Ausgestaltung der Maßnahme sowie allgemeine soziodemographische und erwerbsbezogene Merkmale der befragten Personen. Zudem wird gezeigt: Durch die Berücksichtigung der Gerechtigkeitseinstellungen der Beschäftigten, aber auch der Öffentlichkeit können Unternehmen die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnsenkungen deutlich erhöhen. Das Kapitel gliedert sich folgendermaßen: Abschnitt 3.1 entwickelt Hypothesen über die Faktoren, von denen die Gerechtigkeitsbewertung betriebsbedingter Beschäftigungs- und Lohnanpassungen abhängen könnten. Abschnitt 3.2 präsentiert dann die Ergebnisse der Datenanalyse. Der Datensatz erlaubt dabei zwei unterschiedliche Herangehensweisen:
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr Die Gerechtigkeitsbewertung hypothetischer Szenarien ermöglicht Analysen darüber, wie unbeteiligte Beobachter („impartial spectators“) Entlassungen und Lohnkürzungen beurteilen. Anhand der Gerechtigkeitsbewertung eigener Entlassungs- und Lohnkürzungserfahrungen können dagegen Situationen untersucht werden, in denen sich die Befragten in der Position beteiligter Personen („implicated stakeholders“) befinden.
Das Kapitel schließt mit einem Fazit. 3.1 Theoretische Überlegungen 3.1.1 Institutionelle Rahmenbedingungen Bevor die einzelnen Hypothesen entwickelt werden, sei kurz auf die institutionellen Rahmenbedingungen betriebsbedingter Entlassungen und Lohnkürzungen eingegangen. Institutionelle Kontexte, wie das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), definieren sowohl Mindeststandards der Personalpolitik als auch spezifische Verteilungs- und Verfahrenskriterien, die Unternehmen bei Lohn- und Beschäftigungsanpassungen berücksichtigen müssen. In dem Maße wie die institutionellen Rahmenbedingungen die impliziten Erwartungen der Bevölkerung an die Gewährleistung von Beschäftigungs- und Einkommenssicherheit durch den Arbeitgeber widerspiegeln, ist die Akzeptanz betriebsbedingter Entlassungen und Lohnkürzungen von der unterschiedlichen Realisierung der gesetzlichen Vorgaben abhängig. Entscheidend ist dann, welche dieser Rahmenbedingungen für die Gerechtigkeitswahrnehmung der Beschäftigten und der Öffentlichkeit besonders wichtig sind und welche Gesichtspunkte eine eher untergeordnete Rolle spielen. Nach §1 KSchG ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist, d.h. wenn Entlassungen weder personen- noch verhaltensbedingt erfolgen und auch keine dringenden betrieblichen Erfordernisse bestehen. Zudem müssen bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte (z.B. die Länge der Betriebszugehörigkeit) berücksichtigt werden, denen allerdings auch betriebliche Erfordernisse (z.B. besondere Qualifikationen) entgegenstehen können. Den Auswahlrichtlinien muss gemäß §95 BetrVG der Betriebsrat zustimmen, der nach §102 BetrVG vor jeder Kündigung anzuhören ist und dem auch die Entlassungsgründe zu nennen sind. Bei Massenentlassungen ist der Betriebsrat auch für die Aushandlung von Sozialplänen zuständig
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(§§111-112a BetrVG), die unter anderem Abfindungszahlungen und Outplacement-Beratungen für die betroffenen Arbeitnehmer vorsehen können. Entsprechend §§77 und 92a BetrVG können Betriebsrat und Arbeitgeber Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung vereinbaren. Im Falle von Lohnkürzungen zur Vermeidung von Entlassungen sind tarifvertragliche Regelungen gemäß §77(3) BetrVG jedoch vorrangig zu berücksichtigen. Daher dürfen in Betriebsvereinbarungen nur dann Löhne unterhalb des Tariflohns vereinbart werden, wenn eine entsprechende Öffnungsklausel im Tarifvertrag existiert. 3.1.2 Wann werden betriebsbedingte Entlassungen akzeptiert? Im Rahmen der Szenarienanalyse werden drei Entlassungsursachen unterschieden: Ein allgemeiner Absatzeinbruch repräsentiert eine rein exogene Ursache, während die Einführung einer neuen Produktionstechnologie unternehmensintern begründet ist. Produktivitätssteigerungen durch Verbesserungsvorschläge aus der Belegschaft als weitere interne Entlassungsursache sollen schließlich Aufschluss über die Bedeutung von Reziprozität im Zuge betriebsbedingter Kündigungen geben. Brockner et al. (1990) betonen, dass Individuen ein negatives Ergebnis eher dann akzeptieren, wenn ihnen im Sinne der informatorischen Gerechtigkeit eindeutige und adäquate Erklärungen für dessen Notwendigkeit gegeben werden. Die bisherige empirische Evidenz (Charness, Levine 2000; Rousseau, Anton 1988) belegt einen signifikant positiven Einfluss der Angabe eines eindeutigen und angemessenen Kündigungsgrundes auf die wahrgenommene Gerechtigkeit von Entlassungen. Dem Verantwortlichkeitsprinzip entsprechend ist die Beurteilung der Entlassungsgründe davon abhängig, ob und in welchem Umfang die Ursachen durch die Entscheidungsträger kontrollierbar sind. Bei internen Ursachen, wie der Einführung einer neuen Produktionstechnologie oder der Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen aus der Belegschaft, wird diese Verantwortung eher der Unternehmensleitung zugeschrieben. Diese hätte es demzufolge auch in der Hand Entlassungen zu vermeiden (Pfeifer 2003: 36). Kahneman, Knetsch und Thaler (1986) können darüber hinaus zeigen, dass Reaktionen des Arbeitgebers auf einen externen Schock, der seinen Gewinn unter einen positiven Referenzwert fallen lässt und nicht von ihm verschuldet wurde, in der Regel akzeptiert werden. Ergreift ein Unternehmen hingegen selbst die Initiative, um den Gewinn zu Lasten der Arbeitnehmer zu steigern, so wird dies weitgehend als ungerecht empfunden. Im Unterschied zu Entlassungen aufgrund eines allgemeinen Absatzeinbruchs sollten Entlassungen in diesem Falle als ungerechter bewertet wer-
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den. Entlassungen infolge von Arbeitnehmervorschlägen verletzen zudem Prinzipien der Reziprozität, die nahe legen, dass der Arbeitgeber hierauf mit Erfolgsprämien oder anderen Vergünstigungen – nicht jedoch mit Entlassungen – reagieren sollte (Charness, Levine 2000).
Hypothese 1a: Entlassungen aufgrund eines exogenen Schocks werden als gerechter angesehen als Entlassungen aufgrund innerbetrieblicher Ursachen. Hypothese 1b: Entlassungen infolge der Einführung einer neuen Produktionstechnologie werden im Vergleich zu Entlassungen aufgrund gestiegener Produktivität durch Verbesserungsvorschläge der Arbeitnehmer als gerechter bewertet.
Die wahrgenommene Gerechtigkeit von Entlassungen dürfte zudem davon abhängen, welche Personengruppen betroffen sind. So ist die Beziehung qualifizierterer Arbeitnehmer zu ihrem Arbeitgeber in der Regel durch ein stärkeres Vertrauensverhältnis geprägt als die Beziehung zwischen Unternehmensleitung und geringer qualifizierten Produktionsarbeitern. Das trifft auch auf die in den Szenarien als Betroffene genannten Ingenieure zu. Da die Aufgaben von Produktionsarbeitern meist explizit formuliert sind und leichter überwacht werden können, ist ihr Vertragsverhältnis dagegen als eher transaktional einzuordnen (Rousseau 1995: 90ff.). Der stärkere psychologische Vertrag zwischen höher qualifiziertem Personal und Arbeitgeber wird mit einem langfristig stabilen Beschäftigungsverhältnis belohnt. Darüber hinaus sind höher qualifizierte Mitarbeiter tendenziell von größerer Bedeutung für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens, da insbesondere sie es sind, die notwendige Veränderungen mitgestalten können. Ihre Entlassung könnte daher das Effizienzprinzip verletzen. Wenn weiter davon ausgegangen wird, dass Menschen ihre normativen Erwartungen über die Zeit an die tatsächlichen Verhältnisse anpassen, werden sie eher das als gerecht bewerten, was üblich ist (Charness, Levine 2000). Die Tatsache, dass gering qualifizierte Arbeitnehmer in der Vergangenheit eher von Entlassungen betroffen waren als gut ausgebildete Fachkräfte, hätte dann Einfluss auf die Gerechtigkeitswahrnehmung.
Hypothese 2a: Entlassungen weniger qualifizierter Arbeitnehmer werden als gerechter bewertet als die Kündigung höher qualifizierter Beschäftigter.
Ein wichtiges Charakteristikum der Fähigkeiten eines Arbeitnehmers ist die Art des von ihm erworbenen Humankapitals. Dieses lässt sich in betriebsspezifisches und allgemeines Humankapital unterscheiden (Becker 1993). Auf internen
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Arbeitsmärkten kommt dem betriebsspezifischen Humankapital, das positiv mit der Dauer der Beschäftigungsbeziehung korreliert ist, eine besondere Bedeutung zu. Betriebsspezifisches Humankapital erhöht die Produktivität eines Arbeitnehmers in seinem gegenwärtigen Beschäftigungsverhältnis. Bei einem Firmenwechsel kann es im neuen Unternehmen jedoch nicht eingesetzt werden. Arbeitnehmer, die in betriebsspezifisches Humankapital investiert haben, werden bei ihrem aktuellen Arbeitgeber daher effizienter sein und ein höheres Einkommen erzielen können als anderswo (Milgrom, Roberts 1992: 363). Daraus folgen auch verschlechterte Wiederbeschäftigungschancen im Fall einer betriebsbedingten Kündigung. Arbeitnehmer, die über betriebsspezifisches Humankapital verfügen, werden von einer Entlassung daher härter getroffen als solche mit allgemeinem Humankapital, welches auch in anderen Unternehmen einsetzbar ist. Zudem können Investitionen in betriebsspezifisches Humankapital der Equity-Theorie entsprechend als größerer Beitrag zum Unternehmenserfolg gewertet werden.
Hypothese 2b: Entlassungen von Arbeitnehmern mit allgemeinem Humankapital werden als gerechter angesehen als die Entlassung von Arbeitnehmern mit betriebsspezifischem Humankapital.
Bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer müssen gemäß §1(3) KSchG soziale Kriterien beachtet werden. Wenn die normativen Erwartungen der Beschäftigten dieser institutionellen Regelung entsprechen, wird die Einhaltung sozialer Auswahlkriterien die wahrgenommene Gerechtigkeit von Entlassungen positiv beeinflussen. Ein häufig herangezogenes Entlassungskriterium ist dabei die Länge der Betriebszugehörigkeit. Das so genannte Senioritätsprinzip („last in, first out“) begünstigt sowohl das Beitragsprinzip als auch das Bedarfsprinzip, weil es gleichzeitig die erbrachten Leistungen für das Unternehmen und die schlechteren Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmer berücksichtigt. Zudem ist das Senioritätsprinzip ein konsistentes (Consistency Rule) und weitgehend anerkanntes Verteilungsprinzip (Engelstad 1997).
Hypothese 2c: Entlassungen werden als gerechter beurteilt, wenn die Auswahl der Arbeitnehmer nach sozialen Kriterien erfolgt. Hypothese 2d: Entlassungen von Arbeitnehmern mit einer kürzeren Betriebszugehörigkeit werden als gerechter bewertet als die Kündigung von Arbeitnehmern mit einer längeren Betriebszugehörigkeit.
Die Szenarien beschreiben drei verschiedene Formen der Ausgestaltung von Entlassungen: (1) „sanfte“ Entlassungen, (2) „harte“ Entlassungen und (3) Vermei-
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dungsstrategien. Bei sanften Entlassungen zahlt das Unternehmen Abfindungen und unterstützt die Betroffenen durch Outplacement-Beratungen. Um harte Entlassungen handelt es sich dagegen, wenn das Unternehmen weder Abfindungen noch sonstige Maßnahmen leistet, um die negativen Folgen der Entlassungen für die Beschäftigten abzumildern. In diesem Fall werden nur die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten. Vermeidungsstrategien schließlich beinhalten einen allgemeinen Lohnverzicht, um zumindest einen Teil der Entlassungen zu vermeiden. Für Abfindungen gilt, dass diese nicht nur als Kompensation für die Kosten einer möglichen Arbeitslosigkeit betrachtet werden. Vielmehr sehen viele Arbeitnehmer hierin auch eine Anerkennung der im Unternehmen geleisteten Arbeit (Marr, Steiner, Schloderer 1998). Outplacement-Beratungen versuchen, die materiellen, psychischen und sozialen Kosten einer Entlassung zu senken, indem Arbeitnehmer Hilfestellung bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz erhalten. Abfindungen und Outplacement verbessern daher die Situation der Betroffenen, wodurch auch die Einhaltung des Bedarfsprinzips begünstigt wird (Engelstad 1997). Diese Überlegungen werden auch von Brockner et al. (1987) gestützt: Weiterbeschäftigte Arbeitnehmer empfinden die Entlassung von Arbeitskollegen als gerechter, wenn diese dafür kompensiert werden. Auch Rousseau und Anton (1988) weisen nach, dass Abfindungszahlungen die Akzeptanz von Entlassungen signifikant erhöhen.
Hypothese 3a: Im Vergleich zu harten Entlassungen werden Kündigungen, deren Folgen durch Abfindungen und Outplacement abgefedert werden, als gerechter beurteilt.
Rousseau (1995) schränkt die Gültigkeit psychologischer Verträge auf Verpflichtungen ein, die – wenn auch informell – so doch tatsächlich eingegangen wurden. Beschäftigungssicherheit im Sinne einer Arbeitsplatzgarantie kann daher nicht als Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer angesehen werden. Allerdings setzen die Notwendigkeit des Erwerbs betriebsspezifischen Humankapitals oder eine Entlohnung nach dem Senioritätsprinzip implizit die Gewährung von Beschäftigungssicherheit voraus. Auch das KSchG erkennt den Anspruch der Beschäftigten auf Arbeitsplatzsicherheit an, indem es den Arbeitgeber verpflichtet, betriebsbedingte Kündigungen nur dann auszusprechen, wenn sie unvermeidbar sind. Nicht die Sicherheit des Arbeitsplatzes selbst ist dann im Rahmen des psychologischen Vertrages ein aus Sicht des Arbeitnehmers „einklagbarer“ Anspruch, sondern die Verpflichtung des Arbeitgebers, Beschäftigungssicherheit soweit wie möglich zu befördern. Das Engagement des
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Arbeitgebers, Entlassungen zu vermeiden, kann daher als Indikator für reziprokes Verhalten gelten.
Hypothese 3b: Das Engagement des Arbeitgebers zur Vermeidung betrieblicher Entlassungen hat einen positiven Einfluss auf die Gerechtigkeitsbewertung der Entlassungen.
Entlassungen sind nicht nur mit Kosten für die betroffenen Individuen (z.B. monetäre und psychische Belastungen) und den Staat bzw. die Gesellschaft (z.B. Arbeitslosigkeit), sondern auch mit Anpassungskosten für das Unternehmen verbunden (z.B. durch Abfindungszahlungen oder geringere Motivation der Weiterbeschäftigten) (Krogh, Kameny 2002). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten daher zunächst eine Vermeidungsstrategie verfolgen. Nach Berthold, Brischke und Stettes (2003) können die Folgen einer eingetretenen Unternehmenskrise durch Krisenbündnisse abgefedert werden. Häufig bewirken diese durch eine Modifikation der Arbeitszeit indirekt eine Reduzierung der Arbeitskosten. Im Rahmen eines solchen betrieblichen Bündnisses für Arbeit (BBA) werden Entlassungen also durch einen direkten oder indirekten Lohnverzicht vermieden (Seifert 2000). Ein BBA ist ein Kollektivvertrag zwischen der Unternehmensleitung und der betrieblichen Interessenvertretung, der dem Modell effizienter Verhandlungslösungen entsprechend nicht nur Lohn und Arbeitszeit, sondern auch das Beschäftigungsniveau festlegt (Schnabel 2002). BBA verbessern somit nicht nur das Ergebnis für die Betroffenen, sondern haben auch Vorteile für das Unternehmen (Massa-Wirth, Seifert 2004). Damit wird das Effizienzprinzip berücksichtigt (Konow 2001). BBA sind letztlich Änderungskündigungen, die gemäß § 4(3) Tarifvertragsgesetz (TVG) gegen das Günstigkeitsprinzip verstoßen, wonach Abweichungen von tarifvertraglichen Vereinbarungen nur zugunsten der Beschäftigten erlaubt sind (Mauer, Seifert 2001). Diese Perspektive wird zumindest vom höchsten deutschen Arbeitsgericht vertreten, das die Gewährung von Beschäftigungssicherheit nicht als Regelung zugunsten des Arbeitnehmers ansieht. Arbeitnehmer haben damit nicht die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis temporär mehr zu arbeiten oder auf Einkommen zu verzichten, um ihren Arbeitsplatz zu sichern (Berthold, Brischke, Stettes, 2003). Da BBA in der Regel Lohnabweichungen nach unten oder Arbeitzeitabweichungen nach oben beinhalten, müssen entsprechende tarifvertragliche Öffnungsklauseln vereinbart wurden. Promberger et al. (1996) untersuchen die Akzeptanz von Arbeitszeit- und Einkommensreduzierungen, die aufgrund von Öffnungsklauseln vereinbart werden, bei Arbeitnehmern der Volkswagen AG und der Ruhrkohle AG. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass
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eine überwiegende Mehrheit mit den neuen Regelungen zufrieden ist. Nach Kahneman, Knetsch und Thaler (1986: 733) empfinden gut zwei Drittel der Befragten die Aushandlung eines Lohnverzichts als gerechter, falls sich das Unternehmen in schlechter wirtschaftlicher Lage befindet. Nach Einschätzung der von Franz und Pfeiffer (2003) befragten Unternehmen sind Arbeitnehmer grundsätzlich dazu bereit, zur Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes auf einen Teil ihres Lohnes zu verzichten. Bei Geringqualifizierten ist diese Bereitschaft jedoch nicht besonders ausgeprägt.
Hypothese 3c: Vermeidungsstrategien in Form von betrieblichen Bündnissen für Arbeit werden im Vergleich zu Entlassungen als gerechter beurteilt.
Betroffene Personen empfinden ein negatives Ergebnis als gerechter, wenn der Entscheidungsträger keinen eigenen Vorteil daraus zieht. Wenn ein Entscheidungsträger dagegen von der Entlassung profitiert, muss seine Unvoreingenommenheit bei der Entscheidungsfindung angezweifelt werden – die Bias-Suppression Rule wird verletzt (Leventhal 1980). Dem Verantwortlichkeitsprinzip entsprechend sollten die Entscheidungsträger schließlich einen Teil der Lasten mittragen (Konow 1996, 2000). Der Attributionstheorie zufolge wird die Verantwortung denjenigen zugeschrieben, die den Entscheidungsprozess kontrollieren (Weiner 1994). Die Schuld an den Entlassungen dürfte daher in erster Linie der Unternehmensleitung zugewiesen werden. Deren Verzicht auf eine Bonuszahlung ist dann ein Signal für „sharing the pain“ und müsste daher die wahrgenommene Gerechtigkeit der Entlassungen erhöhen.
Hypothese 4: Entlassungen werden als ungerechter beurteilt, falls die Unternehmensleitung einen Bonus erhält, und als gerechter, falls der Bonus abgelehnt wird.
Bei Entlassungen muss – soweit vorhanden – der Betriebsrat einbezogen werden. Darüber hinaus kann die Belegschaft selbst an Entscheidungsprozessen beteiligt sein. Eine umfassende Beteiligung der Arbeitnehmer oder des Betriebsrates ist ein Signal dafür, dass die Unternehmensleitung alle Mittel ausgeschöpft hat, um die Entlassungen zu vermeiden und deren negative Folgen für die Betroffenen soweit wie möglich abzumildern. So ist der Betriebsrat für die Aushandlung von Sozialplänen und Abfindungen verantwortlich, wodurch dem Bedürfnisprinzip (Engelstad 1997) und dem Beitragsprinzip (Adams 1965) Rechnung getragen wird. Da sowohl die Arbeitnehmer als auch das Unternehmen von dieser Zusammenarbeit profitieren (Sadowski, Backes-Gellner, Frick 1995:
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497ff.), wird das Effizienzprinzip begünstigt (Konow 2001). Zudem drückt die Unternehmensleitung durch dieses Verhalten – der interpersonalen Gerechtigkeit entsprechend – ihre Besorgnis um das Wohlergehen der Arbeitnehmer aus (Greenberg 1990a, 1993a). Die Beteiligung der Belegschaft oder des Betriebsrates begünstigt ferner die Einhaltung eines Großteils der Regeln prozeduraler Gerechtigkeit (Leventhal 1980). Der Accuracy Rule folgend werden relevante Informationen und Meinungen sowie die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt. Konkret senkt die Beteiligung des Betriebsrats die Transaktionskosten für die Beschaffung dieser Daten, und Informationsasymmetrien werden abgebaut (Freeman, Lazear 1995). Der Betriebsrat garantiert der Correctability Rule entsprechend auch eine unkomplizierte und sichere Einspruchsmöglichkeit für die Betroffenen („collective voice“), die sie vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen des Arbeitgebers schützt (Hirschman 1970; Freeman, Medoff 1984: 7ff.). Eine gewisse Kontrollfunktion des Betriebsrates kann das Eigeninteresse des Arbeitgebers begrenzen. In Verbindung mit der Möglichkeit neue Konzepte anzustoßen, wird so die BiasSuppression Rule befriedigt. Des Weiteren wird durch die Involvierung des Betriebsrates der Representativeness Rule Rechnung getragen. Trotz möglicher Einwände hinsichtlich der Repräsentativität betroffener Gruppen ist der Betriebsrat ein demokratisch gewähltes Gremium, das die Interessen der Gesamtbelegschaft vertritt. Die Beurteilung von Entlassungen ist weiterhin stark von der Kommunikation des Managements mit den gekündigten und weiterbeschäftigten Arbeitnehmern abhängig (Brockner et al. 1990; Brockner, Greenberg 1990: 66f.), die durch eine Beteiligung des Betriebsrates intensiviert werden kann und daher die informatorische Gerechtigkeit erhöht (Greenberg 1990a, 1993a). Aus Sicht der Attributionstheorie wird der Prozess durch eine aktive Beteiligung des Betriebsrates für die Arbeitnehmer kontrollierbarer. Zugleich wird ihnen eine höhere Mitverantwortung zugeschrieben, woraus geringeres „Mitleid“ mit den Betroffenen resultiert (Weiner 1994).
Hypothese 5: Entlassungen werden als gerechter beurteilt, wenn die Beschäftigten bzw. der Betriebsrat am Entscheidungsprozess beteiligt werden.
3.1.3 Wann werden betriebsbedingte Lohnkürzungen akzeptiert? Die Bewertung der Gerechtigkeit eines Lohnkürzungsszenarios wird wesentlich durch die Referenztransaktion beeinflusst, die dieser Beurteilung zugrunde liegt.
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Die Referenztransaktion wird im Fall von Lohnkürzungen durch einen Referenzlohn und einen positiven Referenzgewinn des Unternehmens beschrieben. Unterstellt ist dabei, dass die Gerechtigkeit der Referenztransaktion selbst nicht fraglich ist. Nach dem „Prinzip des dualen Anspruchs“ haben Unternehmen einen Anspruch auf ihren Referenzgewinn und Arbeitnehmer auf ihren Referenzlohn. Eine Firma darf den Anspruch der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer nicht willkürlich verletzen, um den Gewinn zu erhöhen. Ist jedoch der Referenzgewinn des Unternehmens bedroht, kann dies neue Bedingungen schaffen, die einen Schutz dieses Gewinns auf Kosten der Mitarbeiter rechtfertigen (Kahneman, Knetsch, Thaler 1986: 729f.). Nach Angaben des IAB-Betriebspanels arbeiten etwa 85% der westdeutschen und knapp 80% der ostdeutschen Beschäftigten in Betrieben, die Branchen- oder Firmentarifverträge anwenden oder sich an Branchentarifen orientieren. Tarifstandards haben einerseits eine moderierende Wirkung, sowohl in wirtschaftlich guten als auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten, und sie schaffen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber verlässliche Rahmenbedingungen. Andererseits setzen Tarifverträge auch Anspruchsniveaus, so dass Tariflöhne als Mindestlöhne wirken. Obwohl zahlreiche Studien belegen, dass Lohnrigiditäten auf Arbeitsmärkten ein vorherrschendes Phänomen darstellen, legen die Ergebnisse von Kahneman, Knetsch, Thaler (1986) und Charness, Levine (2002) nahe, dass Gerechtigkeitsstandards nicht verletzt werden, falls ein Unternehmen, das Verluste macht, die Löhne der Beschäftigten senkt. Erfolgen Lohnsenkungen dagegen als Reaktion auf veränderte Marktlöhne, ist zu erwarten, dass diese Kürzungen eher als ungerecht angesehen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn bereits beschäftigte Arbeitnehmer Lohnkürzungen erfahren.
Hypothese 6a: Lohnkürzungen werden als gerechter angesehen, wenn ein Unternehmen Verlust macht. Hypothese 6b: Lohnkürzungen für Beschäftigte aufgrund einer Änderung des Marktlohnes werden als ungerechter angesehen als die Zahlung niedrigerer Marktlöhne für neu eingestellte Mitarbeiter.
Entscheidend für die Gerechtigkeitsbewertung von Lohnkürzungen ist auch, auf welche Weise das Unternehmen die Verringerung des Einkommens durchführt: in Form einer allgemeinen Lohnkürzung und damit als Verlust kodiert oder als Streichung von Bonuszahlungen und/oder Erfolgsprämien und damit als Wegfall eines Gewinns kodiert. Vorliegende Studien individuellen Wahlverhaltens legen nahe, dass der Disnutzen eines als Verlust kodierten Ergebnisses als größer eingeschätzt wird als der Disnutzen desselben als Streichung eines als Gewinn ko-
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dierten Ergebnisses (Kahneman, Knetsch, Thaler 1986: 731f.). Die Untersuchungen in den USA und Kanada unterstützen diese Vermutung, da sich der Widerstand gegen eine Verringerung von Erfolgsprämien im Vergleich zur Kürzung der Löhne im gleichen Umfang als geringer erweist (ebd.; Charness, Levine 2002). Neben solchen Framing-Effekten sind weitere Aspekte von Bedeutung. So ist zu vermuten, dass die meisten Arbeitnehmer ihren Lohnsatz auch als ihren Anspruchslohn betrachten, während Erfolgsprämien als variable Entlohnungsbestandteile angesehen werden, deren Zahlung vom wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens abhängt.
Hypothese 6c: Im Vergleich zu einer allgemeinen Lohnkürzung im gleichen Umfang werden Entgeltkürzungen dann als gerechter empfunden, wenn sie eine Streichung von Erfolgsprämien beinhalten.
Es wurde bereits in Abschnitt 3.1.2 erläutert, dass durch Lohnsenkungen in Form betrieblicher Bündnisse für Arbeit (BBA) Entlassungen vermieden werden können. Dieser Aspekt sollte die Akzeptanz der Lohnkürzung positiv beeinflussen. BBA setzen allerdings tarifvertragliche Öffnungsklauseln voraus, falls der Lohn unter die Tariflohnhöhe sinkt. Den Befragten wurden daher Szenarien präsentiert, die unterschiedliche Verfahren zur Senkung des bisher gezahlten Tariflohns beschreiben. Die erste Möglichkeit besteht in der einvernehmlichen Nutzung einer Öffnungsklausel, d.h. unter Zustimmung der Gewerkschaft und des Betriebsrates. Die zweite Möglichkeit besteht in der Ausgründung von Teilen des Produktionsbereichs. Die wahrgenommene Gerechtigkeit der beiden Möglichkeiten sollte vor allem durch zwei Aspekte beeinflusst werden: Die Zustimmung von Arbeitnehmervertretungen hat eine legitimierende Wirkung, da den Arbeitnehmern der Attributionstheorie zufolge in diesem Fall eine stärkere Mitverantwortung für das Ergebnis zugeschrieben wird (Weiner 1994). Ausgründungen von Betriebsteilen bedürfen nicht der Zustimmung der Belegschaft oder ihrer Vertreter. In diesem Fall ist das Ergebnis für die Betroffenen schlechter: Einerseits müssen sie vielfach Lohnkürzung hinnehmen. Andererseits kann der Wechsel aus dem Stammunternehmen langfristig mit weiteren Nachteilen verbunden sein (z.B. Wegfall betrieblicher Zusatzleistungen, Beschäftigungsunsicherheit).
Hypothese 7a: Lohnkürzungen werden als gerechter beurteilt, falls dadurch Entlassungen vermieden werden können. Hypothese 7b: Tarifvertragliche Öffnungsklauseln werden im Vergleich zu Ausgründungen als gerechter bewertet.
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Eine wichtige Rolle spielt auch die Ausgestaltung der Lohnkürzung und die Beteiligung der Betroffenen. Die Theorie psychologischer Verträge legt nahe, dass Beschäftigte in Deutschland auch im Hinblick auf Einkommensstabilität implizite Erwartungen an den Arbeitgeber richten: Das Prinzip des Flächentarifs steht grundsätzlich im Widerspruch zu Lohnanpassungen an die jeweilige Marktlage der Unternehmen. Betriebliche Vereinbarungen von Lohnkürzungen zur Sicherung von Beschäftigung müssen sich daher auf entsprechende Öffnungsklauseln im Tarifvertrag berufen können. In dem Maße wie der Arbeitgeber versucht, betriebliche Lohnkürzungen zu umgehen, berücksichtigt er somit die implizite Erwartung der Arbeitnehmer an Einkommensstabilität.
Hypothese 8a: Lohnkürzungen werden als gerechter wahrgenommen, wenn der Arbeitgeber im Vorfeld versucht hat, sie zu vermeiden.
Betriebliche Lohnkürzungen als Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung bedürfen der Zustimmung des Betriebsrates (§77 BetrVG). Analog zur Beteiligung des Betriebsrates im Fall betriebsbedingter Entlassungen (vgl. Abschnitt 3.1.2) gilt auch hier, dass die Unternehmensleitung damit alle Möglichkeiten wahrnimmt, negative Ergebnisse für die Beschäftigten abzuschwächen. Auch in diesem Fall wird mit der Beteiligung des Betriebsrates ein gerechtes Entscheidungsverfahren gewährleistet: So hat die Belegschaft z.B. die Möglichkeit, ihre eigenen Belange in den Prozess der Entscheidungsfindung einzubringen, während sie zugleich die Möglichkeit erhält, einzuschätzen, inwieweit der Arbeitgeber tatsächlich im Interesse beider Seiten entscheidet. Auch der Aspekt der informatorischen Gerechtigkeit wird berücksichtigt. Sowohl der Einfluss prozeduraler Gerechtigkeit auf die Akzeptanz betrieblicher Lohnkürzungen als auch der Zusammenhang zwischen informatorischer Gerechtigkeit und Reaktionen auf Lohnungleichheit konnten bereits nachgewiesen werden (Greenberg 1990b, Greenberg 1993b). Schließlich wird die Lohnkürzung durch die Beteiligung des Betriebsrates als kollektiv vereinbarte Maßnahme wahrgenommen und daher eher von der Belegschaft mitgetragen als eine Lohnkürzung, die ohne Beteiligung der Beschäftigten vollzogen wird.
Hypothese 8b: Lohnkürzungen werden als gerechter beurteilt, wenn die Belegschaft aus Sicht der Beschäftigten am Entscheidungsprozess beteiligt war.
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3.1.4 Welche Bedeutung haben soziodemographische Merkmale der Befragten? Zwischen Ost- und Westdeutschen konnten seit der Wiedervereinigung immer wieder Einstellungsunterschiede nachgewiesen werden (u. a. Delhey 2001; Wegener, Lippl, Christoph 2000; Gensicke 1998; Westle 1994). Sowohl Unterschiede in der Sozialisation als auch in den situativen Bedingungen Ost- und Westdeutschlands werden als Ursachen der fortbestehenden „inneren Mauer“ untersucht. Ein zentrales Ergebnis bisheriger Studien ist der Nachweis, dass Ostdeutsche das Gleichheitsprinzip deutlich stärker befürworten als Westdeutsche. Das Bedürfnis nach staatlicher Regulierung des Arbeitsmarktes ist in Ostdeutschland stärker ausgeprägt als in Westdeutschland (Wegener 2003; Gensicke 1998), die Akzeptanz von Einkommensungleichheit ist hier ebenfalls niedriger als im Westen Deutschlands (Wegener, Lippl, Christoph 2000). Darüber hinaus war das Recht auf Arbeit in der Verfassung der DDR verankert. Für ostdeutsche Beschäftigte ist die aktuelle Arbeitsmarktsituation zudem prekärer als für westdeutsche Erwerbstätige: Während die Arbeitslosenquote im Jahr 2004 in Ostdeutschland 20,1% betrug, lag sie in Westdeutschland bei 9,4% (Statistisches Bundesamt 2005). Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst liegt in Ostdeutschland nach wie vor unter dem der westdeutschen Erwerbstätigen. So betrug der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Arbeitern im produzierenden Gewerbe im Jahr 2004 in Westdeutschland 2594 Euro, in Ostdeutschland dagegen 1920 Euro (ebd.). Lohn- und Beschäftigungsanpassungen stellen in Ostdeutschland daher ein größeres Risiko für die Beschäftigten dar als in Westdeutschland.
Hypothese 9: Entlassungen und Lohnkürzungen werden von Ostdeutschen im Vergleich zu Westdeutschen als ungerechter bewertet.
Ein Einfluss des Lebensalters auf die Gerechtigkeitsbewertung betrieblicher Entlassungen und Lohnkürzungen ist deshalb zu erwarten, weil Erwerbstätige je nach Altersgruppe unterschiedliche Beschäftigungs- und Einkommensrisiken tragen. Einerseits finden sich jüngere Beschäftigte häufiger in befristeten Arbeitsverhältnissen wieder und tragen damit auch ein höheres Arbeitsplatzrisiko. Andererseits ist die steigende Arbeitsmarktmobilität wesentlich auch der Mobilität der jüngeren Erwerbstätigen geschuldet (Holst, Schupp 2004). Diese trägt zu den relativ höheren Wiederbeschäftigungschancen der jüngeren Erwerbstätigen bei. Zudem stellt ein Arbeitsplatzwechsel zumindest dann, wenn er ohne Erwerbsunterbrechung erfolgt, häufig eine Verbesserung des Arbeitsplatzes dar (ebd.).
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Auch ist zu vermuten, dass in unterschiedlichen Altersgruppen unterschiedliche Erwartungen an das Beschäftigungsverhältnis bestehen. Jüngere werden eher antizipieren, dass Arbeitgeber keine dauerhafte Einkommens- und Beschäftigungssicherheit garantieren können. Ältere Arbeitnehmer werden sich in ihren Gerechtigkeitseinstellungen dagegen eher am Ideal der sicheren lebenslangen Beschäftigung orientieren, von der sie zu Beginn ihres Erwerbslebens in vielen Berufen noch ausgehen konnten.
Hypothese 10: Im Vergleich zu Beschäftigten mittleren Alters und älteren Beschäftigten schätzen jüngere Erwerbstätige betriebliche Entlassungen und Lohnkürzungen als gerechter ein.
Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Gerechtigkeitsbewertung von Verteilungskonflikten sind unbestritten. Generell wird davon ausgegangen, dass Frauen eher Verteilungen nach dem Gleichheitsprinzip, Männer dagegen meritokratische Verteilungen als gerecht ansehen (Davidson, Steinmann, Wegener 1995: 290). Unterschiede in der Gerechtigkeitswahrnehmung lassen sich dabei allerdings nicht allein auf die unterschiedlich sozialisierten normativen Präferenzen der Geschlechter zurückführen, sondern sind auch durch unterschiedliche rationale Interessen beeinflusst, die Frauen und Männer aufgrund ihrer jeweiligen ökonomischen Lage entwickeln (ebd.; Döbert, Nunner-Winkler 1986). Betriebliche Entlassungen und Lohnkürzungen erhöhen die soziale Ungleichheit zwischen den Betroffenen und denen, die von der Entscheidung profitieren bzw. nicht von negativen Ergebnissen betroffen sind. Zudem sind Frauen gegenüber Männern am Arbeitsmarkt noch immer benachteiligt. Lohnkürzungen z.B. treffen Frauen aufgrund ihrer zum Teil deutlich niedrigeren Bruttomonatsverdienste relativ stärker als ihre männlichen Kollegen (Statistisches Bundesamt 2005).
Hypothese 11: Im Vergleich zu Frauen bewerten Männer betriebliche Entlassungen und Lohnkürzungen als gerechter.
Der Ausbildungsabschluss wird häufig als Indikator unterschiedlicher Arbeitsmarktchancen und -risiken verwendet. Der Einfluss der eigenen Wiederbeschäftigungschancen scheint gerade im Hinblick auf die Einstellung zu betrieblichen Entlassungen und Lohnkürzungen von zentraler Bedeutung zu sein. Die Wiederbeschäftigungschancen werden in den nachfolgenden multivariaten Analysen in einer gesonderten Variable berücksichtigt. Die berufliche Bildung wird dagegen als Indikator unterschiedlicher Urteilskompetenzen in der normativen Bewertung
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von Verteilungssituationen herangezogen. So weist der Einfluss des Bildungsstandes darauf hin, dass Ostdeutsche den Transformationsprozess hin zu einer marktwirtschaftlichen Verteilungsordnung umso leichter bewältigt haben, je höher ihr Bildungsgrad war (Liebig, Wegener 1995: 283).
Hypothese 12: Die Gerechtigkeitsbewertung betrieblicher Entlassungen und Lohnkürzungen variiert mit dem Bildungsgrad.
Hinsichtlich des Erwerbsstatus werden drei Gruppen unterschieden: Erwerbstätige, Arbeitslose und Personen, die aus anderen Gründen nicht erwerbstätig sind. Arbeitslose waren in der Regel bereits selbst von Entlassungen betroffen und mussten dann die materiellen und immateriellen Konsequenzen tragen. Sie dürften sich der negativen Folgen betrieblicher Entlassungen für die Betroffenen daher am stärksten bewusst sein und Entlassungen vor diesem Hintergrund bewerten. Im Hinblick auf Lohnkürzungen ist dagegen ein entgegengesetzter Einfluss zu erwarten: Eine Absenkung des Lohns stellt vor dem Hintergrund der eigenen Arbeitslosigkeit einen weniger gravierenden Einschnitt dar als der Verlust des Arbeitsplatzes.
Hypothese 13a: Arbeitslosigkeit hat einen negativen Einfluss auf die Gerechtigkeitsbewertung betrieblicher Entlassungen. Hypothese 13b: Arbeitslose Personen bewerten betriebliche Lohnkürzungen im Vergleich zu Erwerbstätigen als gerechter.
Gerechtigkeitspräferenzen sind positionsabhängig. Shepelak argumentiert, dass die Akzeptanz sozialer Ungleichheit von der Wahrnehmung der eigenen Lebenschancen abhängig ist: „It is when individuals question their own opportunity chances (…) that individuals begin to challenge the legitimacy of inequality.” (Shepelak 1989: 229). Das Einkommen stellt eine der zentralen Determinanten sozialer Lebenschancen dar. Zugleich produzieren sowohl betriebliche Entlassungen als auch Lohnkürzungen soziale Ungleichheit, weil sie die Streuung der Einkommen in der Gesellschaft verstärken. Zwischen dem eigenen Einkommen und der Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen ist daher ein Zusammenhang zu vermuten.
Hypothese 14: Erwerbstätige mit niedrigem Einkommen nehmen Entlassungen und Lohnkürzungen verglichen mit den übrigen Beschäftigten als ungerechter wahr.
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Die Befragten wurden gebeten anzugeben, ob noch weitere Personen von ihrem Einkommen abhängig sind. Durch die finanzielle Abhängigkeit anderer Personen verschärfen sich die negativen Folgen, die Entlassungen und Lohnkürzungen für die Beschäftigten nach sich ziehen.
Hypothese 15: Die Abhängigkeit anderer Personen vom eigenen Einkommen hat einen negativen Einfluss auf die Gerechtigkeitsbewertung betrieblicher Entlassungen und Lohnkürzungen.
Es kann vermutet werden, dass Gewerkschaftsmitglieder besonders ausgeprägte Gerechtigkeitsvorstellungen in Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis aufweisen. In der Aushandlung der Arbeitsbeziehungen sind die Gewerkschaften grundsätzlich um die Vermeidung von Beschäftigungsabbau und Einkommenssenkungen bemüht und stehen betrieblichen Personal- und Lohnanpassungen daher kritisch gegenüber. Darüber hinaus kann die Reduktion sozialer Ungleichheit zwischen den Beschäftigten als traditionelles Anliegen der Gewerkschaften gelten (Schulten 2002). Lengfeld und Liebig (2003: 473) konstatieren, „dass die Verbesserung industriell organisierter Arbeits- und Entlohnungsverhältnisse für die europäische wie für die US-amerikanische Gewerkschaftsbewegung immer auch ein „Kampf um soziale Gerechtigkeit“ war. Zudem betonen Gewerkschaften stark das Solidaritätsprinzip (vgl. GMH 1996).
Hypothese 16: Gewerkschaftsmitglieder beurteilen Entlassungen und Lohnkürzungen als ungerechter als nicht gewerkschaftlich organisierte Befragte.
Kahneman, Knetsch und Thaler (1986) verweisen darauf, dass die Bewertung von Szenarien informationsabhängig ist. Die in einem Szenario gegebenen Informationen bedingen die Annahmen, die seiner Bewertung zugrunde gelegt werden (Konow 2003: 1219). Im Hinblick auf Entlassungen und Einkommenskürzungen hat die berufliche Stellung einen ähnlichen Effekt: Selbständige werden auf der Basis ihrer Erfahrungen und Interessen über die Notwendigkeit betrieblicher Personal- und Lohnanpassungen anders informiert sein als abhängig Beschäftigte. Darüber hinaus werden sie sich eher mit den Arbeitgebern und nicht mit den Arbeitnehmern identifizieren. In ihrer Funktion als Unternehmer sind sie zudem selbst nicht direkt negativ von Lohn- und Beschäftigungsanpassungen betroffen.
Hypothese 17: Selbständigkeit hat einen positiven Einfluss auf die Gerechtigkeitsbewertung betrieblicher Entlassungen und Lohnkürzungen.
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Die Bedeutung der Betriebsgröße für die Erklärung von Gerechtigkeitsbewertungen konnte bereits empirisch belegt werden. Je größer eine Organisation ist, desto formalisierter und spezialisierter sind die Beziehungen innerhalb der Organisation. Die Anzahl der sozialen Gruppen nimmt zu und dementsprechend die Wahrscheinlichkeit der sozialen Nähe zu den von betriebsbedingten Entlassungen Betroffenen ab. Umgekehrt bewerten Beschäftigte ihre Ansprüche umso eher nach egalitaristischen Prinzipien, je kleiner ein Betrieb ist (Lansberg 1989). Daraus folgt, dass die Akzeptanz von Entlassungen durch Beschäftigte kleinerer Betriebe geringer ist als in größeren Betrieben. Aufgrund der Nähe der Beschäftigten zur Entscheidungsebene und deren Handlungsbedingungen sind die Informationstransparenz und die Beteiligungsmöglichkeiten in kleinen Betrieben jedoch höher als in größeren Unternehmen. Demnach würden Entlassungen dann in großen Unternehmen als ungerechter wahrgenommen werden. Diese Argumentation lässt sich analog für betriebliche Lohnkürzungen führen. Eine Verletzung des Gleichheitsprinzips trifft allerdings eher auf Entlassungen als auf Lohnkürzungen zu: Im Falle von Entlassungen können nicht alle Beschäftigten gleich behandelt werden, es muss eine Auswahl der zu Entlassenden stattfinden. Betriebliche Lohnkürzungen betreffen dagegen in der Regel alle Beschäftigten gleichermaßen. Insgesamt ist daher sowohl ein positiver als auch ein negativer Zusammenhang zwischen der Organisationsgröße und der Gerechtigkeitswahrnehmung von Entlassungen und Lohnkürzungen plausibel.
Hypothese 18a: Beschäftigte kleiner Betriebe schätzen Entlassungen und Lohnkürzungen im Vergleich zu den übrigen Beschäftigten als gerechter ein. Hypothese 18b: Beschäftigte kleiner Betriebe schätzen Entlassungen und Lohnkürzungen im Vergleich zu den übrigen Beschäftigten als ungerechter ein.
Die von der Entlassung oder Lohnkürzung Betroffenen tragen die negativen Konsequenzen der Lohn- und Personalanpassungen. Die eigene Betroffenheit von der Entlassung oder Lohnkürzung wird deren Gerechtigkeitswahrnehmung daher negativ beeinflussen.
Hypothese 19: Die eigene Betroffenheit von der betriebsbedingten Entlassung oder Lohnkürzung hat einen negativen Einfluss auf das Gerechtigkeitsurteil.
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Lohn- und Beschäftigungsanpassungen erscheinen Unternehmen als notwendig, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dem steht das Interesse der Arbeitnehmer an Beschäftigungs- und Einkommensstabilität gegenüber. Zu vermuten ist, dass Personen, die relativ gute Chancen sehen, im Falle betriebsbedingter Entlassungen oder Einkommenskürzungen einen neuen Arbeitsplatz zu finden, Entlassungen und Lohnsenkungen weniger stark unter dem Eindruck der eigenen Risikolage bewerten als vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Notwendigkeit.
Hypothese 20: Personen, die ihre Wiederbeschäftigungschancen als gut einschätzen, beurteilen Entlassungen und Lohnsenkungen im Vergleich zu Personen mit subjektiv geringer wahrgenommenen Arbeitsmarktchancen als gerechter.
3.2 Empirische Ergebnisse Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse der Bewertung der Entlassungsszenarien und der Lohnkürzungsszenarien vorgestellt. Daran anschließend erfolgt die Darstellung der Ergebnisse der Gerechtigkeitswahrnehmung der eigenen Erfahrungen der Befragten. Doch zunächst einige Anmerkungen zur Methodik: Für die multivariaten Analysen wurden Logit-Schätzungen durchgeführt. Abhängige Variablen sind erstens die Gerechtigkeitsbewertung der Szenarien sowie zweitens die Erfahrung der Beschäftigten im Arbeitsumfeld. Die vierstufig erhobenen Bewertungsskalen wurden für die Berechnungen dichotomisiert und nehmen den Wert 1 an, wenn eine Bewertung mit „eher gerecht“ oder „sehr gerecht“ vorliegt, und den Wert 0 bei einer Bewertung mit „eher ungerecht“ oder „sehr ungerecht“. Um den Einfluss zu analysieren, den die einzelnen Dimensionen der Szenarien haben, wurden diese in Anlehnung an die Methode des faktoriellen Surveys (Rossi, Anderson 1982; Beck, Opp 2001) als kategorial unabhängige Variablen kodiert. Zudem sind die Modelle mit robusten Standardfehlern geschätzt worden, da jeder Befragte mehrere Szenarien präsentiert bekam und nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Gerechtigkeitsbewertungen einer Person unabhängig voneinander erfolgen (Beck, Opp 2001: 297).
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen?
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3.2.1 Zur Bewertung der Szenarien Eine erste deskriptive Analyse ausgewählter Entlassungsszenarien zeigt bereits, dass die Mehrheit der Befragten Entlassungen eher als ungerecht bewertet. Lediglich zwei Entlassungsszenarien werden von einer deutlichen Mehrheit der Befragten als „eher gerecht“ oder „sehr gerecht“ eingestuft (Abbildung 1). In beiden Fällen ist eine externe Kündigungsursache vorgegeben worden: Betroffen sind hoch qualifizierte Mitarbeiter. Als sehr ungerecht werden zwei Szenarien mit einer internen Entlassungsursache beurteilt, wobei in einem Fall die Unternehmensleitung eine Erfolgsprämie „für die erfolgreiche Kostensenkung“ durch den Personalabbau erhält. Abbildung 1:
Gerechtigkeitsbewertung ausgewählter Entlassungsszenarien
60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 8.3
8.1 sehr ungerecht
Szenarien eher ungerecht
4.3 eher gerecht
5.2 sehr gerecht
Kurzbeschreibung Szenarien 8.3 Allgemeiner Absatzeinbruch, Entlassung von Ingenieuren mit 10jähriger Betriebszugehörigkeit und speziellem Humankapital, Zahlung von Abfindungen und Outplacementberatung. 8.1 Allgemeiner Absatzeinbruch, Entlassung von Ingenieuren mit 2jähriger Betriebszugehörigkeit und allgemeinem Humankapital, Entlassungen unter Einhaltung der Mindeststandards. 4.3 Einführung einer neuen Produktionstechnologie, Entlassung von Ingenieuren mit 10jähriger Betriebszugehörigkeit und speziellem Humankapital, Entlassungen unter Einhaltung der Mindeststandards. 5.2 Einführung einer neuen Produktionstechnologie, Entlassung von Ingenieuren mit 10jähriger Betriebszugehörigkeit und speziellem Humankapital, Entlassungen unter Einhaltung der Mindeststandards, Erfolgsprämie für Unternehmensleitung.
Dies zeigt bereits den Einfluss der unterschiedlichen Szenariendimensionen auf das Gerechtigkeitsurteil. Die multivariaten Analysen in Tabelle 1 unterstützen diese Ergebnisse auch bei Kontrolle der individuellen Merkmale der Befragten.
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr
Die Modelle 1 und 2 zeigen die Ergebnisse für alle Befragten, die Modelle 3 und 4 diejenigen für das Teilstichprobe der Erwerbstätigen. In den Modellen 1 und 3 wurden als unabhängige Variablen zunächst nur die Szenariendimensionen aufgenommen. In den Modellen 2 und 4 sind zusätzlich soziodemographische und erwerbsbezogene Merkmale kontrolliert. Ausgewiesen werden nicht die geschätzten Koeffizienten, die den marginalen Effekt der jeweiligen unabhängigen Variablen auf die Gerechtigkeitsbewertung angeben, sondern Odds-Ratios. Werte kleiner 1 indizieren eine geringere Wahrscheinlichkeit, Werte größer 1 indizieren eine höhere Wahrscheinlichkeit, Entlassungen oder Lohnkürzungen als gerecht zu bewerten. Ein Beispiel: Die Odds-Ratio in Modell 1 für die Variable „Produktionstechnologie“ besagt, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Szenario mit diesem Entlassungsgrund als gerecht einzustufen, etwa das 0,5-fache der Wahrscheinlichkeit beträgt, Szenarien mit der Entlassungsursache „Absatzeinbruch“ als gerecht zu bewerten. Tabelle 1: Gerechtigkeitsbewertung von Entlassungsszenarien Alle Befragten Modell 1 Modell 2 Szenariendimensionen Ursache (Ref.: Absatzeinbruch) Produktionstechnologie Verbesserungsvorschläge Produktionsarbeiter (Ref.: Ingenieure) Betriebszugehörigkeitsdauer (1 = bis 2 Jahre, 0 = 2-10 Jahre) Allgemeines Humankapital (Ref.: spezielles HK) Maßnahme (Ref.: sanfte Kündigung) Harte Kündigung Lohnverzicht Verhalten Management (Ref.: nicht erwähnt) Annahme der Prämie Verzicht auf Prämie Beteiligung Betriebsrat (Ref.: nicht erwähnt) Umfassende Beteiligung Mindestbeteiligung
Alle Erwerbstätigen Modell 3 Modell 4
0,537*** (7,39) 0,525*** (6,15) 0,998 (0,02) 1,580*** (4,45)
0,523*** (7,50) 0,505*** (6,31) 1,000 (0,00) 1,638*** (4,75)
0,472*** (6,79) 0,469*** (5,48) 1,049 (0,44) 1,637*** (3,69)
0,449*** (6,92) 0,428*** (5,90) 1,009 (0,08) 1,706*** (3,91)
1,869*** (6,14)
1,908*** (6,31)
1,717*** (4,13)
1,761*** (4,24)
0,284*** (11,49) 0,276*** (9,61)
0,269*** (11,68) 0,260*** (9,86)
0,287*** (8,69) 0,244*** (8,22)
0,283*** (8,50) 0,243*** (7,93)
0,424*** (6,44) 1,429** (3,42)
0,420*** (6,45) 1,439** (3,37)
0,411*** (5,22) 1,196 (1,31)
0,379*** (5,59) 1,119 (0,78)
1,023 (0,14) 1,497* (2,38)
1,020 (0,12) 1,560** (2,60)
1,130 (0,57) 1,680* (2,33)
1,192 (0,79) 1,764* (2,48)
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Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? West (Ref.: Ostdeutschland) Alter (Ref.: 20 bis 35 Jahre) 36 bis 50 Jahre 51 bis 60 Jahre Männlich (Ref.: weiblich) Berufliche Ausbildung (Ref.: Lehre/ Facharbeiter) (Berufs-)Fachschule/ Meister/ Techniker (Fach)Hochschulabschluss Kein Ausbildungsabschluss Erwerbsstatus (Ref.: Erwerbstätig) Nicht erwerbstätig Arbeitslos Gewerkschaftsmitglied Selbständige Betriebsgröße (Ref.: größer 50 Besch.) (1= weniger als 50 Beschäftigte) Öffentlicher Dienst (Ref.: priv. Wirt.) Monatliches Nettoeinkommen 1001 bis 2000 Euro mehr als 2000 Euro Abhängigkeit Anderer vom Einkommen Entlassungserfahrung
0,899 (1,53)
0,819* (2,11)
0,843* (2,12) 0,684*** (3,81) 1,529*** (6,05)
1,059 (0,53) 0,775 (1,78) 1,306** (2,67)
1,163 (1,71) 1,658*** (5,87) 0,848 (1,26)
1,079 (0,67) 1,470** (3,22) 0,796 (0,98)
0,855 (1,62) 0,646*** (4,06) 0,772** (2,84)
0,824 (1,69) 1,534* (2,59) 1,227 (1,70) 1,065 (0,54) 1,251* (1,98) 1,685** (3,42) 0,738** (3,27) 1,308** (2,91) 1,427** (3,27) 3255 0,111 -2202,609 -1957,197
Chance neue Stelle zu finden (1 = wahrscheinlich) N 5520 5520 3255 Pseudo R2 (McFadden) 0,066 0,090 0,072 log pseudolikelihood, erste Schätzung -3685,244 -3685,244 -2202,609 log pseudolikelihood, letzte Schätzung -3442,570 -3352,624 -2045,089 Abhängige Variable: Gerechtigkeitsbewertung zu den Szenarien (1 = gerecht); Logistische Regression, Odds-Ratios, |z|-Werte in Klammern; *) pz < 0,05; **) pz < 0,01; ***) pz < 0,001.
Eine Dimension, die in den Szenarien variiert wurde, ist der Anlass der Entlassungsmaßnahme. Hier zeigt sich erwartungsgemäß, dass die Wahrscheinlichkeit
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr
ein Szenario als gerecht zu bewerten signifikant höher ist, wenn Entlassungen Folge eines externen Schocks sind, als bei betriebsinternen Ursachen (Hypothese 1a). Entsprechend dem auf der Equity- und der Attributionstheorie basierenden Verantwortlichkeitsprinzip ist die Beurteilung der Entlassungsgründe tatsächlich davon abhängig, ob und inwieweit dem Management des Unternehmens die Verantwortung für sein Handeln zugeschrieben werden kann. Hingegen werden Entlassungen im Zusammenhang mit der Einführung einer neuen Produktionstechnologie nicht als gerechter beurteilt als solche aufgrund von Verbesserungsvorschlägen aus der Belegschaft – dies widerspricht dem Reziprozitätsgedanken aus Hypothese 1b. Möglicherweise lassen sich die Befragten von der Überlegung leiten, dass die betriebsbedingten Kündigungen von den Arbeitnehmern quasi mitverursacht wurden und damit letztlich Konsequenz ihrer eigenen Handlung sind. Die Höhe der Qualifikation der Betroffenen (Hypothese 2a) scheint keinen Einfluss auf die wahrgenommene Gerechtigkeit der Szenarien zu haben. Für die Bewertung eines Szenarios ist es ohne Bedeutung, ob Ingenieure oder Produktionsarbeiter betroffen sind. Hier könnten auf Seiten einiger Befragter Erwägungen sozialer Gerechtigkeit eine Rolle gespielt haben: Produktionsarbeiter befinden sich am unteren Ende von Unternehmenshierarchien, während Ingenieure eher hohe Positionen einnehmen. Geht man davon aus, dass Beschäftigte auf unteren Hierarchieebenen in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit in aller Regel auch diejenigen sind, die vorrangig die Lasten gravierender Fehlentscheidungen des Managements tragen, dann erklärt sich, warum sich Hypothese 2a nicht bestätigt hat. Dagegen haben die Art des erworbenen Humankapitals und die Dauer der Betriebszugehörigkeit einen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Bewertung eines Szenarios als gerecht bzw. ungerecht (p < 0,001). Entlassungen von Arbeitnehmern mit allgemeinem Humankapital werden als signifikant gerechter bewertet als Entlassungen von Beschäftigten, die spezifisches Humankapital erworben haben. Spezifisch qualifizierte Beschäftigte haben im Allgemeinen geringere Wiederbeschäftigungschancen. Dies scheint bei der Bewertung berücksichtigt zu werden, womit Hypothese 2b unterstützt wird. Auch Hypothese 2d wird gestützt: Die Wahrscheinlichkeit, ein Entlassungsszenario als gerecht zu bewerten, ist signifikant höher, wenn die Betroffenen erst seit zwei Jahren und damit vergleichsweise kurz im Betrieb beschäftigt sind. Mit Blick auf die Entlassung langfristig Beschäftigter scheint das Senioritätsprinzip, das auch in den sozialen Auswahlkriterien im KSchG verankert ist, die Bewertung in Richtung einer geringeren Akzeptanz zu beeinflussen.
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen?
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Die Wahrscheinlichkeit, ein Szenario als gerecht zu bewerten, ist weiterhin signifikant geringer, wenn die Entlassungen lediglich unter Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards erfolgen (harte Entlassung), verglichen mit Szenarien, in denen großzügige Abfindungen gezahlt werden und die Betroffenen bei der Stellensuche unterstützt werden (sanfte Entlassung). Hypothese 3a wird damit unterstützt. Unerwartet ist dagegen, dass sich Hypothese 3c abgelehnt werden muss, wonach Strategien, durch Lohnverzicht Entlassungen zu vermeiden, im Vergleich zu Entlassungen als gerechter angesehen werden. Im Gegenteil: Die Anwendung dieser Vermeidungsstrategie wird als signifikant ungerechter angesehen (p < 0,001) als sanfte Entlassungen. Die Differenz zu harten Entlassungen ist dagegen gering und entspricht nicht der erwarteten Richtung. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass die Befragten die Folgen des betrieblichen Bündnisses für Arbeit in den entsprechenden Szenarien als eine Doppelbelastung für die Arbeitnehmerschaft interpretiert haben, d.h., dass der positive Aspekt der Vermeidungsstrategie, durch den vereinbarten Lohnverzicht zumindest einen Teil der Entlassungen zu umgehen, übersehen wurde. Auch Pfeifer (2004) konnte in einer Studierendenbefragung keine Präferenz für betriebliche Bündnisse gegenüber sanften Entlassungen, jedoch gegenüber harten Entlassungen feststellen. Hypothese 4, der zufolge Entlassungen als ungerechter bewertet werden, wenn die Unternehmensleitung eine Erfolgsprämie erhält, und als gerechter, wenn sie darauf verzichtet, wird voll unterstützt. Ganz besonders deutlich zeigt sich die negative Wirkung der Annahme der Erfolgsprämie auf die Gerechtigkeitsbewertung dadurch, dass die Fälle als Referenz gewählt wurden, in denen das Verhalten des Managements gar nicht erwähnt wurde. Trotzdem ist das Ergebnis hoch signifikant (p < 0,001). Dagegen erhöht ein Verzicht auf die Prämie („sharing the pain“) die Akzeptanz der Entlassungen, wobei die Odds-RatioWerte hier nur in den Szenarien für das Gesamtsample signifikant sind. Entsprechend der Hypothese 5 wäre zu erwarten, dass Entlassungen dann als gerechter beurteilt werden, wenn der Betriebsrat am Entscheidungsprozess beteiligt wird. Diese Hypothese wird jedoch nur für die Fälle gestützt, in denen der Betriebsrat den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechend beteiligt wurde, während Entlassungen nach einer frühzeitigen und umfassenden Betriebsratsbeteiligung im Vergleich hierzu als signifikant ungerechter bewertet werden. Eine Erklärung könnte sein, dass dann, wenn die betriebliche Interessenvertretung frühzeitig intervenieren konnte, die Enttäuschung über Entlassungen und damit zugleich über den Misserfolg der Intervention der Betriebsräte besonders deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Auch die meisten Lohnkürzungsszenarien werden eher als ungerecht bewertet. Deskriptive Auswertungen einiger ausgewählter Szenarien sind in Abbildung
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr
2 dargestellt. Von einer deutlichen Mehrheit als gerecht beurteilt wird hier ein Szenario, in dem ein variabler Lohnbestandteil gestrichen wird. Szenarien hingegen, in denen aufgrund veränderter Marktbedingungen eine allgemeine Lohnkürzung erfolgt, werden von der Mehrheit eher als ungerecht bewertet. Abbildung 2:
Gerechtigkeitsbewertung ausgewählter Lohnkürzungsszenarien
60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
5.1
2.2
4.1
Szenarien sehr ungerecht
eher ungerecht
eher gerecht
sehr gerecht
Kurzbeschreibung Szenarien 5.1 2.2 4.1
Kleines Unternehmen mit verlangsamter Umsatzsteigerung, Streichung bisheriger Erfolgsprämie. Kleiner Copy-Shop, Arbeitslosigkeit ist hoch, Lohnsenkung von 7 auf 5,50 Euro. Kleiner Copy-Shop, Arbeitslosigkeit ist hoch, Nachfolger erhält 5,50 statt 7 Euro.
Die Modellierung der Regressionsgleichungen zur Analyse der Lohnkürzungsszenarien weicht von der der Entlassungsszenarien ab. Aufgrund des teilweise sehr unterschiedlichen Aufbaus konnten nicht alle Szenarien in ein Modell aufgenommen werden. Es wurden daher getrennte Schätzungen durchgeführt, deren Ergebnisse Tabelle 2 zeigt. Tabelle 2: Gerechtigkeitsbewertung von Lohnkürzungsszenarien Modell 1 Szenariendimensionen Ausgangslage (Ref.: Unternehmensgewinn) Unternehmensverlust Verlangsamte Umsatzsteigerunggerung Prämienstreichung (Ref.: allg. Lohnkürzung) Neuer Mitarbeiter (Ref.: bisheriger Mitarbeiter) Nutzung Öffnungsklausel (Ref.: Ausgründung von Teilen der Produktion)
Alle Befragten Modell 2 Modell 3
2,976*** (6,19) 1,131 (0,67) 4,190*** (8,08)
Alle Erwerbstätigen Modell 1a Modell 2a Modell 3a
3,502*** (5,19) 1,456 (1,53) 5,796*** (7,43) 2,258*** (3,78)
2,666** (3,33) 1,533* (2,34)
1,896* (2,43)
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Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? West (Ref.: Ostdeutschland) Alter (Ref.: 20 bis 35 Jahre) 36 bis 50 Jahre 51 bis 60 Jahre Männlich (Ref.: weiblich) Berufliche Ausbildung (Ref.: Lehre/ Facharbeiter) (Berufs-)Fachschule/ Meister/ Techniker (Fach-)Hochschulabschluss Kein Ausbildungsabschl. Erwerbsstatus (Ref.: Erwerbst.) Nicht erwerbstätig Arbeitslos Gewerkschaftsmitglied Selbständige Betriebsgröße (1= weniger als 50 Beschäftigte) Öffentlicher Dienst Monatliches Nettoeinkommen 1001 bis 2000 Euro mehr als 2000 Euro Abhängigkeit Anderer vom Einkommen Lohnkürzungserfahrung
1,115 (0,84)
1,089 (0,39)
0,845 (0,91)
0,862 (0,83)
1,181 (0,55)
0,879 (0,47)
0,888 (0,77) 0,686* (2,12) 1,548** (3,35)
0,929 (0,28) 0,597 (1,69) 1,156 (0,67)
0,525** (2,83) 0,306*** (4,50) 1,207 (1,01)
0,904 (0,47) 0,851 (0,61) 1,522* (2,19)
1,242 (0,61) 0,708 (0,75) 0,911 (0,28)
0,332** (3,09) 0,210*** (3,81) 1,054 (0,17)
1,510* (2,51) 1,681** (3,29) 0,958 (0,17)
1,057 (0,18) 1,883* (2,47) 2,713** (2,71)
1,185 (0,71) 3,378*** (4,97) 1,489 (1,21)
1,225 (0,93) 1,160 (0,66) 0,782 (0,53)
0,958 (0,11) 1,715 (1,50) 1,334 (0,40)
1,227 (0,61) 3,021** (2,99) 0,440 (1,43)
1,037 (0,20) 0,795 (1,22) 0,991 (0,05)
1,197 (0,60) 0,885 (0,36) 0,758 (0,90)
0,920 (0,38) 1,595 (1,57) 1,351
0,888 (0,31) 2,125 (1,59) 1,530
1,016 (0,05) 4,878** (2,82) 1,143
(1,35) 1,151 (0,65)
(1,08) 1,873 (1,71)
(0,41) 1,354 (0,95)
1,114 (0,51) 1,773 (1,93) 0,896 (0,61) 1,195 (0,92) 1,179 (0,77) 711 0,137 -491,864
1,312 (0,77) 1,335 (0,60) 0,890 (0,39) 1,063 (0,19) 0,813 (0,57) 343 0,079 -174,913
1,300 (0,82) 1,831 (1,33) 0,742 (1,07) 1,014 (0,05) 1,253 (0,72) 325 0,143 -220,248
0,803 (0,87) 1,056 (0,21) 0,839 (0,72)
Chance neue Stelle zu finden (1 = wahrscheinlich) N 1200 572 566 Pseudo R2 (McFadden) 0,092 0,064 0,723 log likelihood, erste Schätzung -829,108 -300,325 -387,982 log likelihood, letzte Schät-753,189 -281,135 -359,914 -424,740 -161,020 -188,656 zung Abhängige Variable: Gerechtigkeitsbewertung zu den Szenarien (1 = gerecht); Logistische Regression, Odds-Ratios, |z|-Werte in Klammern; *) pz < 0,05; **) pz < 0,01; ***) pz < 0,001.
Werden die Ergebnisse im Einzelnen betrachtet, so zeigt sich zunächst: Im Vergleich zu Szenarien, in denen das Unternehmen Gewinne verzeichnet, ist die
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr
Wahrscheinlichkeit das Szenario als gerecht zu bewerten, signifikant höher, wenn die Lohnkürzung im Zusammenhang mit Unternehmensverlusten steht (Modelle 1 und 1a). Damit wird die Hypothese 6a gestützt. Zudem wird auch Hypothese 6b unterstützt, wonach eine Lohnkürzung in Anpassung an neue Marktgegebenheiten bei einem neu eingestellten Mitarbeiter als gerechter beurteilt wird als bei einem bereits Beschäftigten (Modelle 2 und 2a); wiederum wird die Bedeutung des Senioritätsprinzips sowie der Einfluss eines einmal erworbenen Anspruchsniveaus deutlich. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass in den entsprechenden Szenarien jeweils der einzige Mitarbeiter eines kleinen Copy-Shops betroffen ist. Es ist fraglich, ob sich dieser Unterschied im Gerechtigkeitsurteil auch dann noch zeigen würde, wenn in einem Unternehmen mehrere Mitarbeiter beschäftigt sind, so dass in dem einen Fall alle Beschäftigten betroffen wären und im anderen nur ein Teil, nämlich die Neueingestellten. Denkbar ist, dass dann auch andere Erwägungen eine Rolle spielen. Z.B. könnte eine Lohnkürzung bei nur einem Teil der Beschäftigten mit der Befürchtung verbunden sein, dass diese später doch noch auf alle Arbeitnehmer übertragen wird. Eine Lohnsenkung bei Neueinstellungen dürfte dann kritischer gesehen werden. Den stärksten positiven Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit ein Szenario als gerecht zu bewerten, hat schließlich die Streichung einer Erfolgsprämie im Vergleich zu einer allgemeinen Lohnkürzung im selben Umfang (Modelle 1 und 1a), womit Hypothese 6c unterstützt wird. Die Nutzung einer Öffnungsklausel zur Durchführung von Lohnkürzungen wird als signifikant gerechter bewertet als Lohnkürzungen, die über die Ausgründung von Unternehmensteilen erreicht werden (Modelle 3 und 3a). Dieses Ergebnis entspricht Hypothese 7b. Die Befragten scheinen sich also der größeren Belastung der Arbeitnehmer bei Ausgründungen bewusst zu sein und/oder einer Legitimation durch die Zustimmung der Gewerkschaft und des Betriebsrates besondere Bedeutung beizumessen. Dies widerspricht nicht den Ergebnissen zur Beteiligung des Betriebsrates im Hinblick auf die Entlassungsszenarien, sondern ist vielmehr ein Hinweis darauf, dass bestehende institutionelle Regelungen die impliziten Erwartungen der Befragten widerspiegeln. Welchen Effekt haben nun die soziodemographischen Merkmale in den Szenarien? Auf die Beurteilung der Lohnkürzungsszenarien scheinen die meisten der individuellen Merkmale erstaunlicherweise nur wenig Einfluss zu haben (Tabelle 2). Die Ergebnisse der Schätzungen zu den Entlassungsszenarien ergeben ein etwas anderes Bild (Tabelle 1). Entgegen Hypothese 9 werden Entlassungen von westdeutschen Befragten als ungerechter bewertet als von Ostdeutschen. In Bezug auf das Lebensalter der Betroffenen zeigt sich nur für die höchste Altersgruppe ein signifikant negativer Einfluss auf die abhängige Variable (Hypothese
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen?
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10). Hypothese 11, der zufolge Männer Entlassungen als gerechter bewerten, wird bestätigt. Erwartungsgemäß unterscheidet sich die Wahrscheinlichkeit ein Entlassungsszenario als gerecht zu beurteilen für Befragte mit (Fach-)Hochschulabschluss signifikant von der Referenzgruppe der Personen mit abgeschlossener Lehre (Hypothese 12). Dieser Zusammenhang zeigt sich auch im Hinblick auf die Lohnkürzungsszenarien (Tabelle 2). Hypothese 13a, nach der Arbeitslosigkeit mit negativeren Gerechtigkeitsbewertungen einhergeht, wird unterstützt. Mit steigendem Einkommen steigt auch die Wahrscheinlichkeit, ein Entlassungsszenario als gerecht anzusehen. Hingegen bewerten Befragte, von deren Einkommen noch andere Personen abhängig sind, Szenarien mit signifikanter Wahrscheinlichkeit als ungerechter. Damit werden die Hypothesen 14 und 15 unterstützt. Gewerkschaftsmitglieder beurteilen Entlassungen in Übereinstimmung mit Hypothese 16 als ungerechter. Wie erwartet, beurteilen Selbständige betriebsbedingte Entlassungen im Vergleich zu den übrigen Befragten als signifikant gerechter (Hypothese 17). Die Betriebsgröße scheint dagegen keinen signifikanten Einfluss auf die Gerechtigkeitsbewertung zu haben, so dass die Hypothesen 18a und 18b nicht bestätigt werden können. Überraschend ist, dass Erfahrungen mit Entlassungen im eigenen Arbeitsumfeld die Gerechtigkeitsbeurteilung eines Szenarios signifikant positiv beeinflussen. Ein Ergebnis, dass der Hypothese 19 zu widersprechen scheint. Hier könnte eine Rolle gespielt haben, dass die Befragten nicht unbedingt selbst von der miterlebten Entlassung betroffen waren und dass sie, selbst wenn sie unmittelbar betroffen waren, anschließend einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben. Im Hinblick auf die Bewertung hypothetischer Szenarien könnte der positive Effekt dann daraus resultieren, dass die Betroffenen in der Realität durch die eigene Erfahrung Strategien zur Bewältigung von Entlassungen erlernt haben und diese als weniger negativ wahrnehmen. Personen, die ihre Wiederbeschäftigungschancen positiv einschätzen, beurteilen die Entlassungsszenarien erwartungsgemäß mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit als gerecht als solche, die ihre Chancen eher negativ bewerten (Hypothese 20). 3.2.2 Zur Bewertung eigener Erfahrungen Die Analyse der Gerechtigkeitswahrnehmung eigener Erfahrungen bezieht sich auf die im eigenen betrieblichen Umfeld innerhalb der letzten 5 Jahre erlebten betriebsbedingten Entlassungen respektive Lohnkürzungen. Die Befragten waren nicht unbedingt selbst davon betroffen. Für die Analyse wird nur die Teilstichprobe der Erwerbstätigen herangezogen. Tabelle 3 zeigt den Anteil der befragten
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr
Erwerbspersonen, die zwischen 1999 und 2004 in ihrem betrieblichen Umfeld Erfahrungen mit Beschäftigungs- und/ oder Lohnanpassungen gemacht haben. Tabelle 3: Erfahrungen mit betriebsbedingten Entlassungen und Lohnkürzungen im eigenen Arbeitsumfeld innerhalb der letzten 5 Jahre; getrennt nach Ost- und Westdeutschland* Ostdeutschland Entlassungen ja, einmal ja, mehrmals nein, keine Total Lohnkürzungen ja, einmal ja, mehrmals nein, keine Total
Westdeutschland
n
%
n
%
222 474 792 1488
14,92 31,85 53,23 100,00
139 324 875 1338
10,39 24,21 65,40 100,00
187 176 1129 1492
12,53 11,80 75,67 100,00
194 155 984 1333
14,55 11,63 73,82 100,00
* Befragt wurden Erwerbspersonen. Sie waren nicht notwendig selbst von der Entlassung oder Lohnkürzung betroffen.
Für den Zeitraum von 1999 bis 2004 werden mehr Entlassungen als Lohnkürzungen berichtet. Dabei geben ostdeutsche Befragte mit knapp 47% deutlich häufiger an, eine oder mehrere Entlassungen erfahren zu haben, als westdeutsche Befragte mit knapp 35%. Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland haben mehr als zwei Drittel der Betroffenen mehrere Entlassungen erlebt. Das Ausmaß an Lohnkürzungserfahrungen ist demgegenüber in beiden Teilen Deutschlands deutlich geringer. In Ostdeutschland haben zwischen 1999 und 2004 etwa 24% der Befragten eine oder mehrere Lohnkürzungen im eigenen Arbeitsumfeld erlebt, in Westdeutschland waren es etwa 26%. Im eigenen Arbeitsumfeld erlebte Entlassungen und Lohnkürzungen wurden von den Befragten insgesamt häufiger als ungerecht erlebt. Allerdings werden sie jeweils auch von mehr als einem Viertel der Befragten als „eher gerecht“ eingeschätzt. Im Vergleich zu Entlassungen werden Lohnkürzungen dabei häufiger als ungerecht wahrgenommen: Etwa 70% der Befragten schätzen die erlebte Lohnkürzung als „eher ungerecht“ oder „sehr ungerecht“ ein, während es im Hinblick auf Entlassungen etwa 60% der Befragten sind (Abbildung 3).
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? Abbildung 3:
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Gerechtigkeitseinschätzung betrieblicher Entlassungen und Lohnkürzungen
60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Entlassungserfahrungen sehr ungerecht
Lohnkürzungserfahrungen eher ungerecht
eher gerecht
sehr gerecht
(Bewertung der im eigenen Arbeitsumfeld innerhalb der letzten 5 Jahre erlebten betrieblichen Entlassung und/oder Lohnkürzung, getrennt nach Ost- und Westdeutschland. Die Befragten waren nicht unbedingt selbst betroffen. Bei mehreren Entlassungs- oder Lohnkürzungserfahrungen im angegebenen Zeitraum wurde die letzte bewertet.)
Als Indikatoren reziproken Verhaltens sowie der prozeduralen und distributiven Gerechtigkeit der betrieblichen Anpassungsmaßnahme werden im Folgenden die in Tabelle 4 aufgeführten Dummy-Variablen herangezogen: Tabelle 4: Indikatoren Reziprozität Prozedurale Gerechtigkeit Distributive Gerechtigkeit
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Dummy-Variable Engagement des Arbeitgebers zur Vermeidung von Entlassungen Engagement des Arbeitgebers zur Vermeidung von Lohnkürzungen Beteiligung der Belegschaft bzw. ihrer Vertretung Auswahl nach sozialen Kriterien Lohnkürzung als Vermeidungsstrategie von Entlassungen
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Abfindungen oder aktive Unterstützung bei Stellensuche
Die Beteiligung der Belegschaft oder ihrer Vertretung an der Unternehmensentscheidung und die Sozialauswahl beziehen sich dabei auf zwei unterschiedliche Gesichtspunkte der Verfahrensgerechtigkeit (siehe Kapitel 2.1.2): Während eine Beteiligung die Accuracy Rule, die Bias-Suppression Rule, die Correctability Rule sowie die Representativeness Rule berücksichtigt, wird durch die Auswahl der Betroffenen nach sozialen Kriterien der Ethicality Rule entsprochen.
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In hierarchischen Modellen wird nun in einem ersten Schritt der Einfluss des Entlassungs- und Lohnkürzungsprozedere auf die Gerechtigkeitswahrnehmung geschätzt. Die weiteren Schritte ergänzen das Modell um die allgemeinen soziodemographischen Variablen und die Merkmale des Erwerbskontextes. Die Ergebnisse in Tabelle 5 zu Erfahrungen mit Entlassungen zeigen, Aspekte der Reziprozität und Gerechtigkeit spielen nicht nur in der Bewertung hypothetischer Szenarien, sondern auch in der Realität eine Rolle: Miterlebte Entlassungen werden auch unter Kontrolle soziodemographischer und erwerbsbezogener Merkmale der Befragten als signifikant gerechter beurteilt, wenn der Arbeitgeber im Vorfeld versucht hat, sie zu vermeiden (p < 0,001), und die Belegschaft am Entscheidungsprozess beteiligt war (p < 0,01). Dieses Ergebnis entspricht den Hypothesen 3b und 5. Die Tatsache, dass die Betroffenen aufgrund sozialer Kriterien ausgewählt wurden, beeinflusst die Akzeptanz der Entlassung nur schwach positiv. Damit geht dieser Effekt in die Richtung von Hypothese 2c, er ist jedoch nicht signifikant. Der Einfluss von Abfindungszahlungen bzw. der aktiven Unterstützung der Betroffenen bei der Stellensuche ist dagegen insignifikant wie auch negativ. Hypothese 3a kann damit nicht bestätigt werden. Dieses Resultat widerspricht auch den Ergebnissen der Szenarienanalyse, die diese Hypothese voll unterstützen. Einen Einfluss hat möglicherweise die Tatsache, dass die Befragten im Hinblick auf ihre eigenen Entlassungserfahrungen nur gebeten wurden, anzugeben, ob überhaupt Abfindungen gezahlt wurden. Über die Höhe der Abfindungen liegen keine Informationen vor. In den Szenarien werden den von der Entlassung Betroffenen dagegen ausdrücklich großzügige Abfindungen gezahlt. Ein negativer Effekt der Abfindungszahlung auf die Bewertung der miterlebten Entlassung könnte dann daraus resultieren, dass die Betroffenen aus Sicht der Befragten eine zu geringe Abfindungszahlung erhalten haben. Die soziale Position des Befragten sollte in der Gerechtigkeitswahrnehmung eigener Entlassungserfahrungen eine größere Rolle spielen als in der Bewertung hypothetischer Szenarien. Wie die Ergebnisse zeigen, hat zwar keines der allgemeinen soziodemographischen Merkmale einen stabilen signifikanten Einfluss. Der Erklärungsgehalt der Schätzungen nimmt jedoch stark zu. Es lassen sich einige Besonderheiten festhalten: Überraschend ist zunächst, dass Entlassungen im Widerspruch zu Hypothese 9 nicht in Ost-, sondern in Westdeutschland als ungerechter wahrgenommen werden. Dieser Zusammenhang hat sich bereits in der Analyse der Entlassungsszenarien gezeigt. Einen positiven Einfluss auf das Gerechtigkeitsurteil der ostdeutschen Befragten hat möglicherweise die Tatsache, dass diese im Unterschied zu den westdeutschen Befragten, wie bereits in der Einleitung ausgeführt, sehr viel häufiger mit Entlassungen als üblichem Bestandteil des Arbeitslebens konfrontiert sind.
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? Tabelle 5: Gerechtigkeitsbewertung miterlebter Entlassungen im Betrieb Prozess Entlassungsvermeidung im Vorfeld Beteiligung der Mitarbeiter Auswahl nach sozialen Kriterien Abfindung/ Unterstützung Region (1= West) Alter (Ref.: 18 bis 35 Jahre) 36 bis 50 Jahre 51 bis 60 Jahre Geschlecht (1=männlich) Berufliche Ausbildung (Ref.: Lehre/ Facharbeiter) (Berufs-)Fachschule/ Meister/ Techniker (Fach-)Hochschulabschluss Kein Ausbildungsabschluss Monatliches Nettoeinkommen 1001 bis 2000 Euro mehr als 2000 Euro Abhängigkeit anderer vom Einkommen Betriebsgröße (1= weniger als 50 Beschäftigte) Öffentlicher Dienst Eigene Betroffenheit Chance neue Stelle zu finden ( 1 = wahrscheinlich) Gewerkschaftsmitglied Selbständige
Modell 1
Modell 2
Modell 3
Modell 4
3,394*** (6,20) 1,872** (3,19) 1,014 (0,08) 0,814 (1,10)
3,488*** (6,18) 1,886** (3,18) 1,015 (0,08) 0,802 (1,13) 0,713 (1,66)
3,536*** (6,04) 2,049** (3,48) 1,081 (0,39) 0,965 (0,17) 0,726 (1,52)
3,482*** (5,80) 1,945** (3,15) 1,053 (0,25) 0,973 (0,13) 0,740 (1,40)
0,872 (0,61) 0,668 (1,42) 1,465 (1,91)
0,868 (0,62) 0,641 (1,52) 1,290 (1,22)
0,914 (0,38) 0,760 (0,90) 1,361 (1,44)
0,674 (1,66) 0,934 (0,28) 0,753 (0,57)
0,674 (1,61) 0,988 (0,05) 0,843 (0,32)
0,629 (1,85) 0,939 (0,24) 0,813 (0,39)
0,971 (0,13) 1,168 (0,48) 1,171 (0,81)
1,101 (0,41) 1,321 (0,83) 1,183 (0,83) 3,151*** (5,18) 1,197 (0,70)
1,049 (0,20) 1,139 (0,38) 1,404 (1,60) 3,108*** (4,67) 1,324 (1,06) 0,485** (2,92) 1,640* (1,98) 0,520* (2,28) 1,149 (0,40) 563 0,166 -384,681 -320,953
N 563 563 563 Pseudo R² (McFadden) 0,084 0,101 0,140 log likelihood, erste Schätzung -384,681 -384,681 -384,681 log likelihood, letzte Schätzung -352,551 -345,979 -330,834 Abhängige Variable: Gerechtigkeitsbewertung eigener Entlassungserfahrung (1 = gerecht); Logistische Regression, Odds-Ratios, |z|-Werte in Klammern; *) pz < 0,05; **) pz < 0,01; ***) pz < 0,001.
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Im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Einkommen entsprechen die Effekte den Hypothesen, sie sind allerdings insignifikant. Beschäftigte mittleren Alters sowie ältere Arbeitnehmer beurteilen die Entlassungen im Vergleich zur Referenzgruppe der jüngeren Arbeitnehmer als ungerechter (Hypothese 10). Männer nehmen die Entlassungen im Unterschied zu Frauen als gerechter wahr (Hypothese 11); in der Szenarienanalyse ist dieser Effekt ebenfalls signifikant. Entsprechend der Hypothese 14) ist die Akzeptanz der Entlassung bei Befragten mit höheren Einkommen höher als in der Referenzkategorie. Der Effekt bleibt jedoch im Gegensatz zu den Ergebnissen der Szenarienanalyse insignifikant. Die Abhängigkeit anderer Personen vom eigenen Einkommen schließlich beeinflusst das Gerechtigkeitsurteil schwach positiv. Im Gegensatz zur Szenarienanalyse wird Hypothese 15 nicht gestützt. Im Unterschied zu den allgemeinen soziodemographischen Merkmalen hat der Erwerbskontext des Befragten stabile Effekte auf das Gerechtigkeitsurteil: Der Einfluss der Gewerkschaftsmitgliedschaft ist entsprechend Hypothese 16 negativ und signifikant (p < 0,05). Beschäftigte kleinerer Betriebe bewerten die Entlassungen signifikant positiver (p < 0,001). Damit wird Hypothese 18a unterstützt. Hypothese 19 kann ebenfalls nicht abgelehnt werden: Die eigene Betroffenheit von der Entlassung hat einen signifikant negativen Einfluss auf die Gerechtigkeitswahrnehmung (p < 0,01). Hier ist zu vermuten, dass der negative Effekt sogar eher unterschätzt wird, weil lediglich diejenigen einbezogen wurden, die nach einer Entlassung eine neue Stelle gefunden haben. Personen, die nach der Entlassung keinen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, wurden nicht nach ihrem Gerechtigkeitsurteil hierzu befragt. Die eigenen Arbeitsmarktchancen beeinflussen die Akzeptanz der Entlassung signifikant positiv (p < 0,05), womit auch Hypothese 20 unterstützt wird. Selbständigkeit dagegen zeigt keinen signifikanten Einfluss auf das Gerechtigkeitsurteil. Die positive Richtung des Effekts stimmt allerdings mit Hypothese 17 überein. Tabelle 6 dokumentiert die Ergebnisse der Analyse eigener Lohnkürzungserfahrungen. Neben dem Arbeitgeber-Engagement und der Beteiligung der Belegschaft wird dabei der Einfluss kontrolliert, den die Vermeidung von Entlassungen als Ursache der Lohnkürzung auf die Gerechtigkeitseinschätzung hat.
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Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? Tabelle 6: Gerechtigkeitsbewertung eigener Lohnkürzungserfahrungen Modell 1 Prozess Vermeidungsversuch im Vorfeld Beteiligung der Mitarbeiter Einkommenskürzung zur Entlassungsvermeidung Region (1=West) Alter (Ref.: 18 bis 35 Jahre) 36 bis 50 Jahre 51 bis 60 Jahre Geschlecht (1=männlich) Berufliche Ausbildung (Ref.: Lehre/ Facharbeiter) (Berufs-)Fachschule/ Meister/ Techniker (Fach-)Hochschulabschluss Kein Ausbildungsabschluss Monatliches Nettoeinkommen 1001 bis 2000 Euro
2,305*** (3,63) 1,414 (1,45) 2,094** (3,26)
Modell 2
Modell 3
Modell 4
2,314*** (3,53) 1,543 (1,74) 2,270** (3,46) 1,409 (1,38)
2,202** (3,28) 1,550 (1,74) 2,423*** (3,65) 1,547 (1,71)
2,068** (2,96) 1,579 (1,80) 2,505*** (3,75) 1,476 (1,51)
1,204 (0,63) 0,990 (0,03) 0,864 (0,60)
1,265 (0,79) 0,972 (0,08) 0,863 (0,58)
1,373 (1,04) 1,098 (0,25) 0,877 (0,56)
1,170 (0,53) 1,751 (1,91) 0,672 (0,70)
1,189 (0,57) 1,786 (1,92) 0,729 (0,55)
1,186 (0,55) 1,735 (1,81) 0,748 (0,50)
1,266 (0,74) 1,660 (1,25) 1,068 (0,28)
1,416 (1,05) 1,776 (1,39) 1,075 (0,30) 2,231** (2,59) 1,549 (1,52)
1,483 (1,18) mehr als 2000 Euro 1,880 (1,50) Abhängigkeit anderer vom Einkommen 1,126 (0,49) Betriebsgröße 2,082* (1= weniger als 50 Beschäftigte) (2,12) Öffentlicher Dienst 1,568 (1,54) Eigene Betroffenheit 0,799 (0,70) Chance neue Stelle zu finden 1,356 ( 1 = wahrscheinlich) (1,09) Gewerkschaftsmitglied 0,765 (0,93) Selbständige 0,855 (0,35) N 419 419 419 419 Pseudo R² (McFadden) 0,071 0,100 0,113 0,119 log likelihood, erste Schätzung -264,813 -264,813 -264,813 -264,813 log likelihood, letzte Schätzung -245,908 -238,286 -234,839 -233,428 Abhängige Variable: Gerechtigkeitsbewertung eigener Lohnkürzungserfahrungen (1=gerecht); Logistische Regression, Odds Ratios, |z|-Werte in Klammern; *) pz