Marc Szydlik (Hrsg.) Flexibilisierung
Sozialstrukturanalyse Herausgegeben von Peter A. Berger
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Marc Szydlik (Hrsg.) Flexibilisierung
Sozialstrukturanalyse Herausgegeben von Peter A. Berger
Marc Szydlik (Hrsg.)
Flexibilisierung Folgen für Arbeit und Familie
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frank Engelhardt Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-15216-5
Inhalt Marc Szydlik Flexibilisierung und die Folgen .................................................................
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Flexibilisierung und Arbeit Hans-Peter Blossfeld, Dirk Hofficker, Heather Hofmeister, Karin Kurz Globalisierung, Flexibilisierung und der Wandel von Lebenslfiufen in modernen Gesellschaften ....................................................................... 23 Dana MtHler Der Traum einer kontinuierlichen Besch~.ftigungErwerbsunterbrechungen bei Mfinnern und Frauen ................................... 47 Wolfgang Lauterbach, Mareike Well Mehrfachausbildungen und die Folgen ft~r die Erwerbstfitigkeit. Oder: Wer ist am erfolgreichsten? ............................................................. 68 Sigrid Betzelt Zur begrenzten Nachhaltigkeit flexibler ErwerbsmusterDas Beispiel hoch qualifizierter Alleinselbstfindiger ................................. 93 Peter Kels Flexibilisierung und subjektive Aneignung am Beispiel globaler Projektarbeit .......................................................... 113 Michael Nollert, Alessandro Pelizzari Flexibilisierung des Arbeitsmarktes als Chance oder Risiko? Atypisch Beschfiftigte in der Schweiz ..................................................... 130 Beat Fux Flexibilisierung und PolitikEin Vergleich west- und osteuropNscher L~.nder .................................... 149
Flexibilisierung und Familie Anne Goedicke, Hanns-Georg Brose The Proof of the Pudding is in the Eating: Was heiBt ,Familienfreundlichkeit' von Personalpolitik? .......................
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Simone Scherger Flexibilisierte Lebenslfiufe? Die Dynamik von Auszug und erster Heirat ............................................ 193 Alexandra Dantgen, Martin Diewald Auswirkungen der Flexibilisierung von Beschfiftigung auf eine erste Eltemschaft ........................................................................
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Michaela Kreyenfeld Okonomische Unsicherheit und der Aufschub der Familiengrandung ................................................ 232 Svenja Pfahl Moderne Z e i t e n - Ansprache an Arbeits- und Familienzeiten aus Sicht von Eltern und Kindern .................................... 255 Tatjana Thelen, Astrid Baerwolf Traditionalisierung in der Flexibilisierung: Familifire Arbeitsteilung in Ostdeutschland ............................................. 275 Lutz C. Kaiser Arbeitsmarktflexibilitfit, Arbeitsmarkttibergfinge und Familie: Die europfiische Perspektive ............................................... 295
Zusammenfassungen ................................................................................
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Autorinnen und Autoren ..........................................................................
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Flexibilisierung und die Folgen Marc Szydlik 1
Einleitung
Die Arbeitswelt befindet sich in Bewegung. Dem alten Bild vom sicheren NormalarbeitsverhNmis stehen neue Anforderungen und Lebensmuster gegent~ber. Flexible Menschen sollen beruflich und geografisch mobil sein, lebenslang lemen und schnell auf wechselnde Arbeitssituationen reagieren. Man soll sein eigener Arbeitskraftunternehmer sein, Selbstmanagement betreiben, eine Ich-AG grt~nden und eher in Projekten als in festen Arbeitsplfitzen denken. Atmende Fabriken stellen kurzfristig Arbeitskrfifte ein und sto6en sie bei Absatzrackgang gleich wieder aus. Neue Arbeitszeitregelungen erfordem spontane Einsatzfzihigkeit. Qualifikationen werden zagig redundant und massen stfindig aufgefrischt, wenn nicht gar v611ig neu erworben werden. Hinzu kommen prek~ire Beschfiftigungsbedingungen, befristete Vertrfige, Zeitarbeit, Leiharbeit, Billigjobs, Scheinselbstfindigkeit und Arbeitslosigkeit. Mit diesem Band wird das Ziel verfolgt, Ausma6 und Auswirkungen der flexibilisierten Arbeitswelt nachzugehen und dabei Chancen und Risiken auszuloten. Im Zentrum stehen dabei Arbeit und Familie. Einige der Fragen lauten: Wie weit ist die Flexibilisierung der Arbeit vorangeschritten, welche Flexibilisierungsformen lassen sich identifizieren, was sind m(Sgliche Ursachen? Wie stark sind Erwerbspersonen Flexibilisierungsanspr~Jchen ausgesetzt, welche Wansche setzen sie dem entgegen, und inwieweit kOnnen sie ihre eigenen Vorstellungen verwirklichen? Welche Folgen ergeben sich far Lebenslfiufe? Wer ist vonder Flexibilisierung in besonderem Mal3e betroffen, far wen ergeben sich hierdurch mehr Chancen als Risiken, wer sind die Flexibilisierungsverlierer, wer die Gewinner? Im Hinblick auf Familien ergeben sich weitere wichtige Forschungsfragen: Welche Folgen hat die Flexibilisierung der Arbeitswelt for die private Lebensfahrung, for Partner- und Generationenbeziehungen, die Geburt von Kindern und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Immerhin ergibt sich eine paradoxe Situation: Einerseits ist auf dem Arbeitsmarkt grol3e Flexibilit~it zu beweisen, andererseits erfordem Familienbeziehungen eine gewisse Stabilit~it, um zum Beispiel Kindern eine verltissliche Lebensumwelt bieten oder hilfebedt~rftige Eltern versorgen zu k6nnen. Wie bringt man diese verschiedenen Ansprtiche, falls aberhaupt, unter einen Hut, welche subjektive Bedeutung hat diese Paradoxie far die Individuen, und welche arbeits- und familienpolitischen Schlussfolgerungen lassen sich daraus ziehen?
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Marc Szydlik
Dieser einleitende Beitrag gliedert sich folgendermaBen: Zun~ichst werden Flexibilisierung, Globalisierung sowie ihre Beziehung zueinander diskutiert. Zweitens wird argumentiert, dass es auch im Hinblick auf potentielle Flexibilisierungsfolgen hilfreich sein kann, nicht nur von einem einzigen allgemeinen, sondern von mehreren divergierenden Lebenslaufregimes auszugehen. Hierfiir wird exemplarisch auf einen Segmentierungsansatz zurtickgegriffen. Drittens werden einige Szenarien zum Zusammenhang von Flexibilisierung und Destandardisierung entwickelt. AbschlieBend erfolgt ein kurzer Oberblick tiber die hier versammelten Beitr~ige.
Flexibilisierung, Globalisierung Das Gegenteil von Flexibilisierung ist Standardisierung. Wenn man versucht, die Flexibilisierung der Arbeit zu beschreiben, liegt es nahe, die fordistische Massenproduktion als Ausgangspunkt heranzuziehen. Es handelt sich dabei idealiter um eine einzige groBe Fabrik, in der zumeist gering qualifizierte, an einem FlieBband t~itige Arbeitskr~ifte immer wieder dieselben einfachen durchrationalisierten Handgriffe durchf'tihren. Vor dem Hintergrund der fordistischen Produktion lassen sich drei generelle Flexibilisierungsformen benennen (vgl. Kiely 1998: 98f.): 1. Flexible Technologie. Ein wesentlicher Nachteil der fordistischen Massenproduktion ist eben ihre Standardisierung. Wenn immer schnellere Produktwechsel mit einer gr(SBeren Produktpalette einhergehen, reagiert die standardisierte fordistische Massenproduktion zu langsam und schwerf'~fllig auf die neuen Anforderungen. Es ist somit nOtig, mit flexiblen Technologien zu produzieren, so dass beispielsweise bei einem Produktwechsel die einzelnen Maschinen einschlieBlich der gesamten FertigungsstraBe ziigig umgestellt werden k/Snnen. 2. Flexible Beziehungen zwischen Kernfirma und Zulieferem. In der fordistischen Fabrik wird relativ viel unter demselben Dach hergestellt und montiert. Dabei existieren groBe Lager mit entsprechend hohen Lagerkosten. Flexibilisierung meint auch, dass immer mehr Aufgaben an Zulieferfirmen weitergegeben werden, die oftmals selbst wieder Zulieferfirmen beauftragen (,Outsourcing'). Dabei handelt es sich nicht um einen fixen Stamm an Zulieferern, sondern es erfolgen immer wieder Neuaushandlungen und Firmenwechsel. Die Zulieferung erfolgt ,just-in-time', so dass auch die hohen Lagerkosten minimiert werden. 3. Flexible Arbeit. Der typische Arbeiter in der fordistischen Fabrik fiihrt(e) wenige, sehr einfache Handgriffe aus. In der Fabrik in Highland Park, in der Henry Ford im Jahre 1913 FlieBbandarbeit einf'tihrte, verf'tigten viele Arbeiter noch nicht einmal fiber Englischkenntnisse, weil sie gerade erst in
Flexibilisierung und die Folgen
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die USA eingewandert waren (Womack et al. 1992: 35). In der flexiblen Fabrik mt~ssen auch die Flie6bandarbeiter qualifiziert sein. Fehler werden an Ort und Stelle erkannt, angegangen und behoben, und nicht erst am Ende des gesamten Produktionsprozesses. Die flexible Fabrik kommt mit weniger Hierarchieebenen aus (Stichworte ,Lean Production', ,Lean Management'), und sie verlagert einen groBen Teil der Verantwortung ,nach unten'. Dies erforde~ besondere Kenntnisse und Ffihigkeiten der beteiligten ArbeitskNifte, die entsprechend flexibel eingesetzt werden kOnnen. Flexibilit~it existiert aber auch im Hinblick auf die Arbeitszeiten (Stichwort ,Atmende Fabrik'), auf die Arbeitsort~e und auf die Arbeitseinkommen. Die Flexibilisierungsformen sind selbstverst~indlich nicht auf die Produktion beschr~inkt, sondern gelten auch ftir den Dienstleistungssektor. Zudem sind sie nicht voneinander unabh~ingig, sondern stehen in einem Bedingungsge~ge. Es soll damit auch weder unterstellt werden, dass der Flexibilisierungsprozess weit fortgeschritten sei (dies ist eine empirische Frage, der auch in den Beitr~igen des vorliegenden Bandes nachgegangen wird), noch dass sich in historischer Perspektive eine stetige Flexibilisierung nachzeichnen lie6e (so existier(t)en z.B. neben und vor der fordistischen Massenfertigung durchaus flexiblere Produktionsformen). Vielmehr ist der jeweilige Grad an Standardisierung bzw. Flexibilisierung von vielf~iltigen r technologischen, politischen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten gepr~igt, deren Zusammenwirken spezifische Folgen haben kann. Dart~ber hinaus l~isst sich eine interne und externe Flexibilisierung feststellen (z.B. Keller, Seifert 2007: 15f.). Betriebsinternen MaBnahmen wie zeit-, orts-, verdienst- oder arbeitsplatzbezogener flexibler Personaleinsatz stehen dann Flexibilisierungskonzepte gegent~ber, die externe Fluktuation beinhalten, wie z.B. tempor~ire Einstellungen und Entlassungen. Gleichzeitig existieren Mischformen zwischen interner und externer Flexibilit~it, wenn beispielsweise Leiharbeitern oder ,Freien Mitarbeitern' im Vergleich zur Stammbelegschaft eine besonders gro6e Flexibilit~it bei betrieblichen Anforderungen abverlangt wird. Welche Beziehung besteht zwischen Flexibilisierung und Globalisierung? Wenn man sich mit ,Flexibilisierung' besch~iftigt, ist h~iufig auch von ,Globalisierung' die Rede, und beide haben sich mittlerweile zu schillernden Begriffen entwickelt- so dass zunfichst auch eine Begriffsklfirung von Globalisierung angebracht ist. Giddens (1990: 64) definiert Globalisierung als eine ,,intensification of worldwide social relations which link distant localities in such a way that local happenings are shaped by events occurring many miles away and vice versa". Wichtig ist dabei festzuhalten, dass Globalisierung ein Prozess ist und nicht beinhaltet, dass wir bereits in einer vollst~indig globalisierten Welt leben w~rden. Globalisierung und die gleichzeitige Weiterexistenz nationaler M~irkte sind somit kein Widerspruch.
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Auf der Basis dieser Begriffsdefinition kann man m.E. drei Globalisierungsformen thematisieren, n~imlich eine 6konomische, eine politische sowie eine kulturelle Globalisierung. Politische Globalisiemng meint eine grOBere Dichte zwischenstaatlicher Beziehungen sowie die Entwicklung einer globalen Politik. Ein Beispiel sind hier Weltklimakonferenzen. Kulturelle Globalisierung unterstellt einen Prozess der globalen Verbreitung kultureller Ausdrucksformen sowie eine Vermischung origin~ir separater kultureller Spezifika. Als Beispiele kOnnen hier die weltweite Verbreitung von Hollywoodfilmen oder die so genannte Weltmusik dienen. Aufgrund der Vielschichtigkeit von Globalisierung ist es hilfreich, klar aufzuzeigen, welche Dimension jeweils gemeint ist. Im Zusammenhang mit der Flexibilisierung der Arbeit ist die 6konomische Globalisierung zentral, also die Internationalisierung von Waren, Kapital und Produktion. Zu den Merkmalen der ,,Internationalisierung des Wirtschaftens" (Dahrendorf 1998: 44) geh6ren die Ausweitung des internationalen Warenhandels und die zunehmende Vemetzung von Finanzm~irkten (vgl. Habermas 1998). C)konomische Globalisierung bedeutet insbesondere, dass die Produktion von GtRern und die Erbringung von nicht personengebundenen Dienstleistungen nicht auf ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Region beschr~inkt sind. Vielmehr wird die Gesamtproduktion auf verschiedene Kontinente, L~inder und Regionen aufgeteilt, je nachdem, wo jeweils der hOchste Ertrag mit den geringsten Kosten einhergeht. Die Produktion einzelner Bauteile erfolgt beispielsweise an ganz anderen Orten als die Endmontage oder die Produktentwicklung bzw. die Planung und Organisation von Produktion und Vertrieb. Wesentliche Ursachen der 6konomischen Globalisierung liegen im Abbau von Handelsschranken und Beschr~inkungen des Kapitalverkehrs sowie in der Kostenreduktion bei Transport und Kommunikation (Thurow 1996" 169f.). Im Vergleich zu Globalisierung ist Flexibilisierung der konkretere Begriff. Er basiert im Wesentlichen auf Prozessen innerhalb und zwischen Betrieben. Globalisierung und Flexibilisierung k6nnen damit f'tir Entwicklungen stehen, die auf unterschiedlichen Ebenen liegen und im Hinblick auf viele Bedeutungsvarianten wenig miteinander zu tun haben. Allerdings existieren deutliche Zusammenhfinge zwischen Flexibilisierung und 6konomischer Globalisierung. Begriffstheoretisch ist dabei die Globalisierung der Flexibilisierung iabergeordnet. Der globalisierte Wettbewerb ist ein Ausl6ser ~ r betriebliche Flexibilisierungsmal3nahmen. Wenn man im Sinne einer kontrafaktischen Geschichtsschreibung unterstellen wiarde, dass nur nationale Binnenm~rkte ohne Konkurrenz aus anderen L~indem existierten, w~iren z.B. die in Japan entwickelten flexibleren Produktionskonzepte heute in Europa noch weitaus weniger verbreitet. Betriebliche Umstrukturierungen kOnnen dann aber Globalisierungsprozesse verst~irken, wenn beispielsweise im Rahmen fiexiblerer Beziehungen zwischen Kemfirma und Zulieferem Produktionsteile in andere Lfinder ausgelagert werden.
Flexibilisierung und die Folgen
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Insofern ist Globalisierung ein Prozess, der zu verfinderten Rahmenbedingungen mit weit reichenden Folgen ~hrt. Damit geht eine Flexibilisierung der Arbeitswelt einher, die sich nicht nur auf die Erwerbssituation der Arbeitskr~ifte auswirkt, sondern auch auf ihr Familienleben.
Flexibilisierung, Segmentierung Vor einer Analyse der Flexibilisierungsfolgen for Arbeit und Familie kann es jedoch hilfreich sein, auf die Besonderheiten nationaler Okonomien einzugeh e n - und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen sind Globalisierung und Flexibilisierung nicht in allen L~indem gleich fortgeschritten, und sie kOnnen sich auch im Sinne einer Pfadabh~ingigkeit in unterschiedlichen L~indern bzw. Wohlfahrtssystemen deutlich unterschiedlich auswirken. Dies liegt beispielsweise im Vergleich von Schwellen- mit hoch entwickelten Industriel~indern auf der Hand, abet auch zwischen hoch entwickelten L~indern existieren unterschiedliche Globalisierungs- und Flexibilisierungsgrade einschlieBlich divergierender Auswirkungen for Arbeit und Familie (z.B. Mayer 2001). Zum anderen sind nationale Okonomien in sich diversifiziert. Man verschenkt mitunter Analysepotential, wenn man prinzipiell ausschlieBlich von nationalen Gesamtarbeitsmfirkten ausgeht. Ft~r die Einsch~itzung von Flexibilisierungsfolgen kann es vielmehr hilfTeich sein, spezifische Teilarbeitsm~irkte in den B lick zu nehmen. Quasi als ,Nebeneffekt' kOnnen damit zudem exemplarisch Auswirkungen der Flexibilisierung der Arbeit for Arbeitsmarkttheorien in den Blick genommen werden. Immerhin stellt Flexibilisierung ,alte' Theorien vor neue Herausforderungen. Inwiefern sind etablierte Arbeitsmarkttheorien unter neuen Gegebenheiten fiberhaupt weiterhin anwendbar? Mt~glicherweise h~ilt die eine oder andere Theorie den neuen Entwicklungen nicht stand, m6glicherweise bietet abet gerade der Rt~ckgriff auf bew~ihrte Anstitze ein hilfreiches Instrumentarium for die Einschfitzung der Flexibilisierungsfolgen im Sinne von mC~glichen Szenarien. Segmentationstheorien gehen davon aus, dass der Gesamtarbeitsmarkt in unterschiedliche Teilarbeitsm~irkte mit spezifischen Regeln und Gesetzm~iBigkeiten aufgespalten ist. Ftir die Bundesrepublik hat sich die Vorstellung von drei Segmenten durchgesetzt, n~imlich ein unstrukturierter Jedermannsmarkt mit einfachen Arbeiten, ein fachliches Segment mit qualifizierten, aber allgemeinen T~itigkeiten sowie ein betriebsinterner Teilarbeitsmarkt mit qualifizierten betriebsspezifischen Aufgaben (Lutz 1987; Sengenberger 1987; Blossfeld, Mayer 1988; Szydlik 1990, 1993). Da zwischen den Segmenten hohe Mobilit~itsbarrieren existieren, kann man auf der Basis der Theorie drei unterschiedliche Lebenslaufregimes unterstellen, denen die Arbeitskr~ifte jeweils ausgesetzt sind.
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Im unstrukturierten Jedermannsmarkt wirken die Marktkrfifle Angebot und Nachfrage unumschrfinkt. Die Folge sind entsprechend unsichere Besch~iftigungsverhNtnisse, die zu sehr unregelmfif3igen, unstandardisierten Lebenslfiufen fahren. Im fachlichen Arbeitsmarkt existiert bereits eine gewisse Bindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Diese Bindung ist jedoch nicht auf die jeweilige Person bezogen, sondern auf eine standardisierte Qualifikation, die vor allem im Rahmen des dualen Berufsausbildungssystems erworben wurde. Die Lebenslfiufe in diesem Segment sind bereits strukturierter, weisen jedoch z.B. immer noch h~iufige zwischenbetriebliche Wechsel einschlieBlich zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeitsphasen auf. Man kann hier yon einem halbstandardisierten Lebenslauf sprechen, lm betriebsinternen Segment existiert schliel31ich eine besondere Bindung zwischen spezifischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Diese Bindung beruht insbesondere auf der so genannten betriebsspezifischen Humankapitalausstattung der Beschfiftigten, so dass ein Betriebswechsel mit hohen Fluktuationskosten einhergehen warde - hier existiert abrigens eine Verbindung mit der Effizienzlohntheorie. Die Lebensltiufe dieser Arbeitskrfifte sind entsprechend geregelt und standardisiert. Welche Auswirkungen hat die Flexibilisierung der Arbeit far die drei Teilarbeitsm~irkte? Das unstrukturierte Segment, so die These, wird an Bedeutung verlieren. Die einfachen Arbeitsplfitze werden aufgrund aller drei genannten Aspekte flexibleren Wirtschaftens abgebaut, n~imlich der flexiblen Technologie, der flexiblen Beziehung zwischen Kernfirma und Zulieferern und der flexiblen Arbeit. Im Gegensatz zur fordistischen Massenproduktion sind in der flexiblen Fabrik einfache Arbeitspltitze mit kurzen Anlemzeiten weniger gefragt. Gleichzeitig entstehen aufgrund der Globalisierung verlfingerte Werkb~inke augerhalb Deutschlands. D.h., der Jedermannsmarkt wird zum Teil in ,Billiglohnltinder' ausgelagert. Globalisierung in diesem Sinne betrifft vor allem die einfachen Tfitigkeiten, die an anderen Often kostengiinstiger ausgef'ahrt werden als in einem hoch entwickelten Land wie der Bundesrepublik. Damit findert sich auch der Charakter des Jedermannsmarktes. Er bezieht sich immer weniger auf die Produktion und immer mehr auf einfache, nicht exportierbare personengebundene Dienstleistungen. Im Gegensatz dazu dt~rfte das fachliche Segment vom Arbeitskrfifteanteil her wachsen. Gleichzeitig verfindert sich dieser Teilarbeitsmarkt insofern, als dass er neue Besch~ftigungsformen hinzugewinnt. Ein wesentlicher Grund hierfiir ist die Flexibilisierung der Beziehungen zwischen Kernfirma und Zulieferern. Durch Outsourcing werden Aufgaben aus den Groguntemehmen herausgenommen und auf kleinere Firmen t~bertragen. Dies bedeutet, dass bislang geschatzte T~tigkeiten aus dem betriebsinternen Segment verlagert werden in den weniger stabilen und weniger gut bezahlten Bereich des fachlichen Arbeitsmarktes. Das fachliche Segment expandiert aber auch in den alten betriebsinternen Markt hinein. So gehen eine Reihe von Unternehmen da-
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zu tiber, eigene Personalagenturen zu grtinden, far die z.B. Tarifvertr~ge nicht gelten, die far das Gesamtunternehmen abgeschlossen wurden. D.h., eher randst~indige Arbeitspl~itze im Mutterkonzern werden aus dem betriebsinternen Markt herausgenommen und dem fachlichen Segment aberantwortetmit entsprechend negativen Folgen far die Arbeitskr~ifte. Flexibilisierung stellt vor allem Herausforderungen an den betriebsinternen Arbeitsmarkt- und damit auch an die Segmentationstheorie insgesamt. Immerhin liefern die Vorstellungen vom betriebszentrierten Markt den Kern des Segmentierungsansatzes. Dieser Teilarbeitsmarkt dtirfte kleiner werden. Immerhin wird die besondere Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund der betrieblichen Humankapitalausstattung durch mehrere Faktoren aufgebrochen. Dabei nimmt insbesondere das AusmaB der ben6tigten betriebsspezifischen Qualifikationen ab, und zwar a) mit der Auslagerung von Produktionsteilen und b)aufgrund der rasanteren technologischen und organisationalen Weiterentwicklung, die schneller zu Redundanzen bei betriebsspezifischen Kennmissen und F~ihigkeiten Nhrt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass betriebliche Qualifikationen unn6tig werden. Im Gegenteil erh6ht die Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen ,nach unten' sogar die Notwendigkeit entsprechender Kenntnisse und F~ihigkeiten. Gr6Bere Fluktuation bei Personal und Technologie verstfirkt die Bedeutung von Arbeitskrfiften, die tiber umfangreiches betriebliches Wissen verfagen und den Oberblick behalten bei den andauernden Ver~inderungen. Gerade diese Personen mtissen im Betrieb gehalten werden, und vor allem dann, je mehr betriebsspezifisches Humankapital anderer Beschfiftigter durch Fluktuation verloren geht. Gleichzeitig muss dafar gesorgt werden, dass diese wichtigen Arbeitskr~ifte ihr Wissen auch tatsfichlich weitergeben, ohne zu riskieren, sich damit selbst aberflassig zu machen. Daraus ergibt sich far die Betriebe eine paradoxe Situation: Sie mtissen Kosten reduzieren und das Personal flexibel austauschen k6nnen, aber gleichzeitig far Stabilitfit und Sicherheit sorgen - man k6nnte dies als StabilitfitsFlexibilitfits-Paradoxie bezeichnen. Thurow (1996:451 f.) argumentiert, dass das Loyalit~ts- und Motivationsproblem fiber garantiel~e Weiterqualifizierungen angegangen werden k6nnte. Dann sei nicht mehr der sichere Arbeitsplatz mit erwerbslebenslanger Betriebszugeh6rigkeit der Anreiz, sondem die ,,lebenslange Besch~iftigbarkeit". Aus segmentationstheoretischer Sicht ist dieser L6sungsvorschlag far die Stabilit~its-Flexibilit~.ts-Paradoxie jedoch nicht unmittelbar einleuchtend: Betriebe haben kein groBes Interesse an der Schaffung allgemein verwendbarer Qualifikationen. Sie sind kostenintensiv, und die Mitarbeiter k6nnen den Betrieb wechseln, sobald sie an anderer Stelle far ihre allgemeinen Kenntnisse und Ffihigkeiten mehr verdienen- was nicht unwahrscheinlich ist, zumal der Konkurrenzbetrieb die Qualifizierungskosten spart. Das Szenario lautet daher: Zwar werden die Segmentgrenzen durchlfissiger. Dies gilt Nr Waren und Dienstleistungen, aber auch far Personen aus
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,besseren' Segmenten, also vom betriebsinternen in das fachliche und vom fachlichen in den unstrukturierten Teilarbeitsmarkt. Das betriebsinterne Segment wird sich jedoch weiterhin vom fachlichen und Jedermannsmarkt abschotten und sichere Beschfiftigungsverhfiltnisse und Lebenslfiufe ft~r die Arbeitskrfifte bieten. Es ist schwierig, von den Mitarbeitern Loyalit~,t zu erwarten, wenn man nicht selbst dazu bereit ist. Dies trifft jedoch im Wesentlichen auf den Kernbereich eines reduzierten betriebsinternen Segments zu. Dieses Szenario unterstreicht damit sogar die Bedeutung von Arbeitsmarktsegmenten. Das betriebsinterne Segment ,entlfisst' sozusagen eine Reihe von weniger zentralen Bereichen in den fachlichen Arbeitsmarkt. Dadurch erhOhen sich wiederum die Segmentgrenzen sowie die Diskrepanzen zwischen den segmenttypischen ,guten' und ,schlechten' Arbeitsplfitzen- mit entsprechenden Folgen ft~r segmentspezifische Lebensl~,ufe und soziale Ungleichheit.
Flexibilisierung, Destandardisierung Welche Flexibilisierungsfolgen lassen sich damit vermuten? Die These lautet: Auch wenn man generell von groBen Beharrungstendenzen eingefahrener Lebenslaufregimes ausgehen kann und sich mit waghalsigen Vermutungen t~ber kt~rzliche, aktuelle und zukt~nftige Verfinderungen zurt~ckhalten sollte, spricht doch einiges ft~r eine tendenzielle Destandardisierung von Lebenslfiufen - und nicht nur deshalb, weil das ,klassische' betriebsinterne Segment schrumpft. Dies heiBt allerdings keineswegs, dass nun alle Lebenslfiufe generell destandardisiert seien oder werden. Man sollte die Flexibilisierungsfolgen nicht t~bertreiben, sondern vielmehr eine ausgewogene, differenzierte Analyse und Argumentation vornehmen. Die so genannten Normalarbeitsverhfiltnisse mit unbefristeten Vertrfigen, stabilen Einkommen und gesicherter Vollzeiterwerbstfitigkeit gehen zwar zurt~ck- sie sind abet lfingst nicht pass6, sondern im Gegenteil weiterhin dominant. Auch haben sich lange BetriebszugehOrigkeiten lfingst nicht t~berlebt (Kocka, Offe 2000; Auer, Cazes 2003, Kohli 2003). Dart~ber hinaus darf man nicht vergessen, dass manches, was heutzutage unter ,neuer' Flexibilisierung firmiert, gar nicht neu ist. Zudem ist wie bei Globalisierung auch im Hinblick auf Flexibilisierung zu betonen, dass es sich um einen Prozess handelt und nicht etwa unterstellt, dass wir bereits oder in naher Zukunft in einer weitgehend flexibilisierten Arbeitswelt leben wt~rden. Dennoch lfisst sich auch ein tendenzieller Rt~ckgang des standardisierten Normallebenslaufes ausmachen. Die tendenzielle Destandardisierung erfolgt in doppelter Hinsicht: Einerseits werden die einzelnen Lebenslfiufe unterschiedlicher, d.h., es vergrOBert sich die Bandbreite an unterschiedlichen Lebenslaufmustern. Andererseits werden Lebenslfiufe in sich weniger standardi-
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siert, d.h., sie werden ungeregelter und unberechenbarer. Man kann diese Szenarien fiber die Dreiteilung des Lebenslaufs in Ausbildungs-, Berufs- und Ruhestandsphase (Kohli 1985) nfiher umrei6en: 1. Die Flexibilisierung der Arbeit beinhaltet einen Trend zu einer Destandardisierung im Hinblick auf die Trennung zwischen Ausbildungs- und Berufsphase. Die Vorstellung von der strikten Trennung dieser Phasen entspricht immer weniger der Realitfit. Dass man in einer Ausbildungsphase einen Beruf erlernt, den man dann im gesamten Erwerbsleben ausfibt, geh(Jrt far immer mehr Menschen der Vergangenheit an. Schnellere Technologieentwicklungen sowie dynamischerer Wandel in Dienstleistungen und Produktion verlangen lebenslanges Lernen, sei es in Form von Weiterbildung, sei es durch Umlemen far neue T~tigkeiten. Gleichzeitig erhOht sich die Qualifikationsredundanz, d.h., vormals Gelerntes wird auf dem Arbeitsmarkt schneller nicht mehr nachgefragt. Damit wird vor allem die Beschfiftigung im fachlichen Segment mit standardisierten Erstausbildungen riskanter, insbesondere wenn in kleinen und mittleren Betrieben systematische Weiterbildungsangebote fehlen. All dies hat Auswirkungen auf Obergangsmuster zwischen Ausbildung und Arbeitsmarkt (siehe Wolfgang Lauterbach und Mareike Well in diesem Band), aber auch auf die Passung von Qualifikation und Arbeitsplatzanforderungen fiber das gesamte Erwerbsleben (Szydlik 2002). 2. Einerseits verltingert sich die Ausbildung, andererseits zeigt sich ein Trend zum frfihen Ruhestand (Kohli 2003). Im betriebsinternen Segment kOnnen hierfar neben 6ffentlichen Mitteln auch betriebliche Anreize geboten werden. Wenn Altere fiber ihrer Grenzproduktivitfit entlohnt werden (vgl. Lazear 1981), k/Snnte man diese Mittel auch far den ,goldenen Handschlag' verwenden. Denn bei der Einfahrung neuer, flexibler Technologien oder Produktionsablfiufe bergen Fortbildungen oder gar Umschulungen far filtere Mitarbeiter aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Gefahr, dass sich diese ,lnvestitionen' nicht mehr ,amortisieren' - geschweige denn ,Renditen' bringen (vgl. Sennett 1998: 124f.). Dies spricht dafar, dass betriebliche Umstrukturierungen in nennenswertem Umfang fiber Vorruhestandsregelungen im betriebszentrierten Teilarbeitsmarkt umgesetzt werden und im Zusammenwirken von interner und externer Flexibilisierung Lebensl~iufe segmentspezifisch prfigen. Im fachlichen Segment stehen solche betrieblichen Anreizmittel far einen Vorruhestand weniger zur Verfagung, gleichzeitig verfagen die Beschfiftigten dort generell fiber geringere eigene Ressourcen - so dass im Sinne des jobcompetition-Modells zuweilen ein Obergang in den Jedermannsmarkt droht, der dort zu sekundfiren Verdrfingungen f0hrt. Far die Zukunft ist es jedenfalls eine spannende Frage, inwiefern die Rfickfahrung staatlich sanktionierter Vorruhestandsregelungen vor dem Hintergrund knapper Rentenkassen AItersfiberg~inge neu strukturiert (siehe Beat Fux in diesem B a n d ) - zumal die L0sung der Stabilit~ts-Flexibilit~its-Paradoxie im betriebsinternen Segment durchaus auch sprite Rentenfibertritte von qualifizierten Alteren zul~.sst.
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3. Arbeitsmarktflexibilisierung kann Destandardisierungen in der mittleten Phase des Lebenslaufs zur Folge haben. Immerhin tragen Globalisierung und Flexibilisierung zu Arbeitslosigkeit in hoch entwickelten Industrielfindem bei. Aufgrund der Verkleinerung des unstrukturierten Arbeitsmarktsegments sind vor allem gering Qualifizierte noch h~ufiger von Arbeitslosigkeit und unsicheren Besch~ftigungsverhNtnissen betroffen. H~ufigere Arbeitslosigkeit sowie unfreiwillige Arbeitsplatz- und Berufswechsel treffen aber auch die Beschfiftigten in dem Teil des fachlichen Segments, der sich aus fraheren Randbereichen des betriebsinternen Marktes rekrutiert. Au6erdem fahren kurzfristigere Unternehmensziele aufgrund einer st~rkeren Konzentration auf den ,Shareholder Value' zu einer schnelleren Aufgabe von Betriebsteilen, sobald sich diese nicht mehr rentieren. Aufgrund des verschfirften Standortwettbewerbs reicht vielfach bereits die Drohung der Kapital- und Betriebsverlagerung far Einschnitte bei den Arbeitsgratifikationen. All dies fahrt entsprechend zu geringeren Chancen auf einen geregelten standardisierten Lebenslauf. Man darf zwar bei diesen Szenarien nicht vergessen, dass es sich um tendenzielle Flexibilisierungen handelt, die durchaus ein Nebeneinander von mehrheitlich sicheren, aber zunehmend auch unsicheren Beschfiftigungsverhfiltnissen beinhalten (siehe Sigrid Betzelt, Peter Kels sowie Michael Nollert und Alessandro Pelizzari in diesem Band). Flexibilisierung der Arbeit meint jedoch auch eine gr66ere Mobilitfit zwischen Beschfiftigung und Nichtbeschfiftigung, zwischen abhfingiger Beschfiftigung und Selbstfindigkeit, zwischen Betrieben und Unternehmensteilen sowie zwischen mehr oder weniger klar umrissenen und zeitlich fixierten Arbeitsprojekten innerhalb von Betrieben. Von diesen Entwicklungen sind besonders (abet nicht nut) die jangeren Jahrgfinge betroffen (siehe Hans-Peter Blossfeld, Dirk Hofficker, Heather Hofmeister und Karin Kurz sowie Dana Mallet in diesem Band). Okonomischer Wandel tangiert nicht alle Lebenslfiufe in gleichem Ma6e, sondern insbesondere die jeweiligen Berufseinstiegskohorten. Dann allerdings k/Snnen sich die strukturellen Bedingungen zum Zeitpunkt des Erwerbsbeginns auf das gesamte Arbeitsleben auswirken. Der Zusammenhang zwischen Flexibilisierung und Destandardisierung zeigt sich jedoch nicht nur in Ausbildung und Beruf. Immerhin sind gerade Familienbeziehungen stark von der Erwerbssituation der einzelnen lndividuen und ihrer Angeh/3rigen geprfigt, und somit schlagen sich Verfinderungen im Erwerbsleben dutch Arbeitsmarktflexibilisierungen auch deutlich im Familienleben nieder (z.B. BMFSFJ 2006: 235ff.). Eine ganze Reihe dieser Zusammenh~,nge und Folgen werden im vorliegenden Band behandelt, so zum Beispiel der Auszug aus dem Elternhaus und die Heirat (Simone Scherger), die Geburt von Kindern (Alexandra Dantgen, Martin Diewald und Michaela Kreyenfeld), die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch im Hinblick auf Arbeits- und Familienzeiten (Anne Goedicke, Hanns-Georg Brose, Svenja
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Pfahl und Lutz C. Kaiser) sowie die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (Yatjana Yhelen und Astrid Baerwolf). Der Zusammenhang zwischen Flexibilisierung und Familie zeigt sich dabei nicht nur bei den Paarbeziehungen und dem Verhfiltnis zwischen Eltern und minderjfihrigen Kindern. Auch bei den Generationenbeziehungen unter Erwachsenen sind Flexibilisierungsfolgen im Sinne einer Destandardisierung erkennbar oder denkbar. Drei Beispiele mOgen dies verdeutlichen: 1. Die engen Bindungen zwischen erwachsenen Familiengenerationen t~ber die Haushaltsgrenzen hinweg ft~hren auch dazu, dass Probleme der einen auch auf die andere Generation wirken. So verringern finanzielle Engpfisse die Beziehungsenge zwischen erwachsenen Kindern und Eltern, und dies gilt auch ~ r eine Arbeitslosigkeit. Arbeitslose berichten t~ber mit der Zeit flt~chtigere und weniger enge Generationenbeziehungen- auch wenn man nicht mehr im selben Haushalt lebt. Besonders interessant ist zudem, dass nicht nut die Arbeitslosigkeit an sich die Familienbeziehung belastet. Vielmehr wirkt bereits die Sorge vor dem Stellenverlust: Wer sich trotz durchgfingiger Beschfiftigung Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen muss, berichtet deutlich seltener von engeren familialen Generationenbeziehungen (Szydlik 2000: 225ff.). Dieser Befund legt nahe, dass sich nicht nur eine in Arbeitslosigkeit mt~ndende externe betriebliche Flexibilisierung belastend auf Familienbeziehungen auswirkt, sondern dass dies auch bereits Dr interne Flexibilisierungsansp~che gilt, die t~ber mehr oder weniger explizite Stellenverlustdrohungen durchgesetzt werden. 2. Eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Determinante Dr Generationensolidaritfit unter Erwachsenen ist die Wohnentfernung. Eine kt~rzere geographische Distanz geht mit hfiufigeren Kontakten, persOnlichen Hilfeleistungen und einer engeren emotionalen Bindung einher (Szydlik 2000). Die Tatsache, dass die meisten erwachsenen Kinder und Eltern auch bei getrennten Haushalten nicht weit voneinander entfernt leben, ist sicher ein wesentlicher Grund f't~r den starken, lebenslangen Generationenzusammenhalt. Wenn die Flexibilisierung der Arbeit aber mit einer grOBeren geographischen Mobilitfit einhergeht, dt~rfte sich auch die Wohnentfernung zwischen erwachsenen Kindern und Eltern vergr~Bern - und damit die Generationensolidaritfit fiexibler Erwerbstfitiger tendenziell verringern. Dafter sprechen auch zunehmende Bildungsinvestitionen, die ebenfalls die rfiumlichen Distanzen zu den Eltern erhOhen (BMFSFJ 2006: 138). Empirische Befunde weisen jedenfalls bereits auf eine Vergr~Berung der Wohnentfernung zwischen erwachsenen Kindern und Eltern in Deutschland hin (Hoff 2006:25 lff.). 3. Die oben genannte paradoxe Situation zwischen den Flexibilitfitsanforderungen der Arbeitswelt und den Stabilitfitswfinschen der Familienwelt bezieht sich nicht nur auf die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung. Auch im Hinblick auf Unterstt~tzungen von hilfe- und pflegebedt~rf-tigen Eltern kOnnen sich zunehmende Flexibilitfitsanforderungen im Erwerbsleben he-
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gativ auswirken. Pflegeleistungen gehen h~iufig mit groBen Belastungen, oft sogar mit 13berlastungen einher. Dabei werden die Pflegelasten aufgrund des demographischen Wandels in den n~ichsten Jahrzehnten noch erheblich zun e h m e n - und die Betreuungspotentiale tendenziell abnehmen. Hierfiar sind neben anderen Faktoren auch gestiegene Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich: Wenn im Erwerbsleben immer mehr Flexibilit~itsansprtiche gestellt werden, verringert dies die Zeitressourcen der erwachsenen Kinder und versch~irft die Vereinbarkeit von Beruf und Hilfe bzw. Pflege. Ohnehin schlagen sich die genannten Mobilit~itsansprtiche mit den damit einhergehenden gr/3Beren Wohnentfernungen besonders stark auf intergeneratiohale Hilfe- und Pflegepotentiale nieder (BMFSFJ 2006: 142). Wie bereits mehrfach angedeutet, beinhalten die genannten Flexibilisierungsszenarien auch deutliche Folgen ~ r soziale Ungleichheit. Frauen sind der Flexibilisierung in anderer Form ausgesetzt als M~inner. Wachsende Qualifikationsansprtiche auf dem Arbeitsmarkt einschlieBlich lebenslanges Lernen stellen sich fiar ht~her Gebildete weniger dramatisch dar. Einen frtiheren lJbergang in den Ruhestand kt~nnen Personen mit besserem finanziellem Hintergrund leichter verkraften, und dies gilt auch fiar zunehmend unsichere Arbeitsverh~fltnisse im Erwerbsleben einschlieBlich der T~itigkeit in ungtinstigen Arbeitsmarktsegmenten. Genauso l~isst sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sei es die Versorgung von Kindern oder hilfe- bzw. pflegebedtirftiger Eltern, trotz gestiegener Ansprtiche aus der Arbeitswelt leichter organisieren, wenn man selbst ,Outsourcing' betreiben und Familiendienstleistungen extern bezahlen kann (z.B. Lange/Szymenderski 2005: 234, BMFSFJ 2006: 239). Es ist somit auch ein wesentliches Ziel dieses Buches, Flexibilisierungsfolgen fiar soziale Ungleichheit herauszuarbeiten. Neben all den ,objektiven' Flexibilisierungsfolgen ist zudem nicht die subjektive Seite zu vergessen. Die Flexibilisierung der Arbeit hat auch Folgen fiar die Selbsteinsch~itzung und biographische Interpretation der eigenen Lebenssituation. D.h., dies als letzte These, auch wenn der tats~ichliche Lebenslauf im Nachhinein objektiv weniger Brtiche und Destandardisierungen beinhaltet als vorher beftirchtet, so nehmen doch die Unsicherheitsgrade zu. Dass damit bereits die Referenz des Normalarbeitsverh~ltnisses ad acta gelegt wird, ist jedoch zu bezweifeln.
Folgen fiir Arbeit und Familie Man begibt sich auf schwieriges Terrain, wenn man die Flexibilisierungsfolgen ftir Arbeit und Familie genau einsch~itzen m6chte. Es handelt sich um einen sich gerade ereignenden Prozess, dessen weitere Entwicklungen niemand genau vorhersehen kann. Vieles an dem, was heutzutage unter Globali-
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sierung, Flexibilisierung und Destandardisierung firmiert, ist Zukunftsmusik. Nichtsdestotrotz lassen sich manche wesentlichen Entwicklungen bereits jetzt identifizieren und in ihren Folgen beschreiben und bewerten. Grundlage hierl~r sind neben theoretischen 0berlegungen vor allem empirische Studien. Damit lfisst sich auch feststellen, inwiefern Flexibilisierungsprozesse an der Oberfl~.che bleiben, oder ob sie tief greifende Auswirkungen auf die Erwerbsund Familienleben haben. Das vorliegende Buch bietet in diesem Sinne jeweils sieben Beitr~.ge zu den Folgen der Flexibilisierung fdr Arbeit und Familie (ausffihrlichere Zusammenfassungen der Autorinnen und Autoren finden sich am Ende des Bandes): Flexibilisierung und Arbeit
Hans-Peter Blossfeld, Dirk Hof(~cker, Heather Hofmeister und Karin Kurz argumentieren, dass die mit zunehmenden Unsicherheiten einhergehende Flexibilisierung insbesondere auf Globalisierungsprozesse zurt~ckgeftihrt werden kann. Die wachsenden Unsicherheiten werden jedoch institutionell gefiltert, so dass Individuen mehr oder weniger davon betroffen sind. Zu den Verlierern gehOren insbesondere Berufseinsteiger, Arbeitslose und Frauen. Dana Mtiller berichtet t~ber Erwerbsunterbrechungen und ihre Wirkung auf den weiteren Berufsverlauf. Dabei wird der Wandel der Erwerbskarrieren seit den 70er Jahren anhand eines Kohortenvergleichs mithilfe der erweiterten IABBeschfiftigtenstichprobe untersucht. Es bestfitigt sich, dass insbesondere jt~ngere Jahrgfinge sowie Frauen von diskontinuierlichen bzw. ,flexiblen' Erwerbsverlfiufen betroffen sind. Wolfgang Lauterbach und Mareike Weil untersuchen, inwiefern sich Destandardisierungsprozesse jt~ngerer Jahrgfinge beim Obergang vonder Ausbildung in den Arbeitsmarkt bt~ndeln und in ihren Folgen abschfitzen lassen. Die Befunde belegen vier ,,typische" Ausbildungsverlfiufe, die teilweise deutlich von traditionellen Obergfingen in den Beruf abweichen- und klar unterschiedliche Arbeitsmarktchancen nach sich ziehen. Sigrid Betzelt geht es um flexible Erwerbsformen am Beispiel hoch qualifizierter Alleinselbstfindiger im Kultur- und Mediensektor. Der relativ gro6en Arbeitszufriedenheit und den Autonomiegewinnen stehen allerdings die unsichere Auftragslage, ein eher niedriges Einkommen, st~.ndige materielle Unsicherheit in Gegenwart und Zukunft sowie die Abhfingigkeit von finanziellen Zuschassen von Partnern und Eltern gegent~ber. Peter Kels dokumentiert Ambivalenzen zwischen Arbeitserfahrung, Karriere und individueller Lebens~hrung am Beispiel weltweiter Projektarbeit. Die Chancen der Bewfiltigung der r~.umlichen und zeitlichen Flexibilitfit sind dabei ungleich verteilt, wobei insbesondere hochflexible Experten von neuen Kompetenzen profitieren k6nnen - allerdings oft auch mit negativen Folgen ft~r das Privat- und Familienleben. Michael Nollert und Alessandro Pelizzari fragen nach den Chancen und Risiken der Flexibilisierung der Arbeit ~ r den Erwerbshabitus sowie ~ r Be-
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w~iltigungsstrategien von atypisch Besch~iftigten in der Schweiz. Da sich diese vor allem in ungtinstigen Arbeitsmarktsegmenten mit geringen Aufstiegschancen befinden, tiberwiegen klar die Risiken: die atypisch Besch~iftigten geh6ren zu den Flexibilisierungsverlierern. Im Anschluss daran - und gewissermaBen als Oberleitung zum zweiten Teil des Bandes - untersucht Beat Fux, wie flexibilisierungsorientierte Senioren- und Familienpolitik bewertet wird, und zwar sowohl von Seiten der Bev01kerung als auch von politischen Akteuren in West- und Osteuropa. Dabei werden Risiken der Flexibilisierung der Arbeit, aber auch Chancen far zunehmende Handlungsoptionen herausgestellt. Flexibilisierung und Familie Auch im Beitrag von Anne Goedicke und Hanns-Georg Brose geht es um Flexibilisierungspolitik, hier allerdings im Hinblick auf die ,Familienfreundlichkeit' von Personalpolitik. Wichtig ist dabei u.a., dass diese Personalpolitiken gem~iB der Wettbewerbsstrategie des Unternehmens variieren und unterschiedliche Folgen far die Okonomischen, erwerbsbiographischen und familienbezogenen Risiken und Chancen der Besch~iftigten haben. Simone Scherger stellt die Frage nach einer Flexibilisierung, Destandardisierung oder Differenzierung in der Dynamik westdeutscher Lebensl~iufe nach dem Zweiten Weltkrieg- am Beispiel von Auszug aus dem Elternhaus und erster Heirat. Zwar lassen sich hierbei Destandardisierungstendenzen ausmachen- eine Flexibilisierung der Verkntipfungsregeln zwischen diesen beiden Oberg~ingen im Lebenslauf ist allerdings nicht in Sicht. Alexandra Diintgen und Martin Diewald berichten daraufhin von Auswirkungen der Arbeitsflexibilisierung auf eine erste Elternschaft. Die Analysen belegen, dass Unstetigkeit und damit Erwartungsunsicherheiten die Familiengrtindung beeinflussen. ,Flexiblere' Arbeitsverhfiltnisse wie Teilzeitarbeit oder hfiufige Job- und Verdienstwechsel tragen demnach dazu bei, dass eine Elternschaft verz~Sgert bzw. aufgeschoben wird. AnschlieBend stellt Michaela Kreyenfeld ihre Analysen zur Okonomischen Unsicherheit und dem Aufschub der Familie n ~ d u n g vor, die ebenfalls auf dem SOEP beruhen. Spannend sind insbesondere die Schichteffekte: Wenn hochgebildete Frauen arbeitslos oder mit ihrer 6konomischen Situation unzufrieden sind, schieben sie die Familiengrtindung eher a u f - bei Frauen mit niedrigerer Bildung trifft hingegen genau das Gegenteil zu. Svenja Pfahl besch~iftigt sich mithilfe qualitativer Interviews mit Ansprtichen an Arbeits- und Familienzeiten aus Sicht von Eltern und Kindern. Wie werden die flexiblen Arbeitszeiten bewertet, und inwiefern gelingt das Ausbalancieren von flexibler Arbeit und Familie? Familienzeiten werden offenbar l~ngerfristig und auch mit den Kindern ausgehandelt: dabei werden Defizite der Arbeitszeitgestaltung deutlich. Tatjana Thelen und Astrid Baerwolf untersuchen geschlechtsspezifische Familienrollen in Ostdeutschland. Ihre qualita-
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tive Studie beinhaltet u.a. Tagesmtitter, die selbst flexibel beschfiftigt sind und gleichzeitig den Eltem der betreuten Kinder eine Erwerbst~itigkeit erm6glichen. Aufgrund der Flexibilisierung ist eine Traditionalisierung mit ,Rehausfrauisierung' und Orientierung am ,male-breadwinner'-Modell zu beobachten. Lutz C. Kaiser analysiert die Folgen der Arbeitsmarktflexibilisierung far Arbeitsmarkttibergfinge von Frauen in fiinf europfiischen L~indem: Inwieweit gelingt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Vergleicht man Rahmenbedingungen wie Kinderbetreuung, Elternzeit und Einkommensbesteuerung, so wird in den untersuchten L~indem bislang einzig in Dfinemark erfolgreich mit Flexibilisierungsfolgen umgegangen. Die hier ausgewfihlten Beitr~ige gehen auf eine Tagung der Sektionen ,Soziale Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse' und ,Familiensoziologie' der Deutschen Gesellschaft far Soziologie zurtick, die im Mai 2006 an der Universit~it Ztirich stattgefunden hat. Ftir hilfreiche Untersttitzungen bei der Tagung bzw. dem vorliegenden Band bedanke ich mich herzlich bei Martina Brandt, Christian Deindl, Klaus Haberkern, Isabel H~iberling, Hannele Hediger, Corinne Krohn, Wolfgang Lauterbach und Dilip Vimalassery.
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Globalisierung, Flexibilisierung und der Wandel von Lebensl~iufen in modernen Gesellschaften
Hans-Peter Blossfeld, Dirk Hof'~icker, Heather Hofmeister, Karin Kurz
1
Einleitung
Die Prozesse der Arbeitsmarktflexibilisierung sind heute sehr eng mit dem Ph~inomen der Globalisierung verbunden. Globalisierung ist dabei sicherlich kein neues Ph~inomen, aber die Intensit~it und Reichweite grenztiberschreitender Interaktionsbeziehungen, seien es 0konomische Transaktionen, informationelle und kulturelle Austauschprozesse oder internationale politische Abmachungen und Vertr~ige, scheinen seit der Mitte der 80er Jahre, insbesondere seit dem Ende des Ost-West-Gegensatzes, in den meisten Industriel~indern schubartig zugenommen zu haben (siehe Grafik 1). Dieser Beitrag besch~iftigt sich mit den Effekten dieser Ausweitung der gesellschaftlichen Beziehungen tiber die Grenzen des Nationalstaates hinaus auf die Arbeitsmarktflexibilisierung und den Wandel individueller Lebensl~iufe in verschiedenen modernen Gesellschaften. Er wendet sich der spezifischen Frage zu, wie sich die Mobilit~itsprozesse von M~innern und Frauen in Europa und Nordamerika im Flexibilisierungs- und Globalisierungsprozess wandeln und berichtet tiber ausgewfihlte empirische Ergebnisse des an der Universitfit Bamberg durchgefiihrten und vonder VolkswagenStiftung finanzierten Projektes ,GLOBALIFE - Lebensverlfiufe im Globalisierungsprozess'.
Globalisierung, wachsende Unsicherheit und Arbeitsmarktflexibilisierung in modernen Gesellschaften Die meisten Sozialforscher gehen heute davon aus, dass die Prozesse der Globalisierung gekennzeichnet sind durch das Zusammenwirken von vier makrostrtnkturellen Entwicklungen, die sich vor allem seit Mitte der 80er Jahre zunehmend verst~irkt haben (siehe Abbildung 1). Diese beinhalten:
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Hans-Peter Blossfeld, Dirk Hofdcker, Heather Hofmeister, Karin Kurz Globalisierung und wachsende Flexibilisierung in modernen Gesellschaften
A b b i l d u n g 1"
GLOBALISIERUNG Internationalisierung von Markten, Wettbewerb zwischen Landern mit unterschiedlichen Lohn- und Produktivitatsniveaus bzw. Sozialstandards
Verstfirkter Standortwettbewerb zwischen Sozialstaaten, Politik der Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung
Wachsende Geschwindigkeit von Innovationen, beschleunigter sozialer und 0konomischer Wandel
Zunehmende weltweite Vernetzung durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien
B edeutungszuwachs yon Markten, aber gleichzeitig zunehmende Instabilitat und Verwundbarkeit lokaler Markte durch externe weltweite Schocks
Beschleunigung der Marktprozesse auf allen Markten
Zunahme unvorhersehbarer Marktentwicklungen, steigende Volatilitat yon Markten
Zunehmende Unsicherheit und Bedfirfnis der Betriebe nach Arbeitsmarktflexibilisierung
INSTITUTIONELLE Beschafiigungssysteme
Bildungssysteme
FILTER
Wohlfahrtsstaatsregime
Familiensysteme
kanalisieren die durch Globalisierung erzeugte Unsicherheit und Flexibilisierung in spezifischer Weise und beeinflussen ... das Ausmag an Beschafiigungsund Arbeitsplatzstabilitat das Ausmag an Flexibilitat und Job-Sicherheit die Haufigkeit verschiedener Formen von Karrieremobilitat
9 die M0glichkeiten des Berufseinstiegs sowie dessen Timing 9 M0glichkeiten der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens
die Ausgestaltung des sozialen Sicherungssystems, z.B. 9 Verfagbarkeit von Kinderbetreuung sm0glichkeiten 9 Beschaftigungsf0r dernde Magnahmen 9 Rentensysteme
9 die Pr•valenz verschiedener Familienformen, Haushalts- und Erwerbsmuster 9 die Ausgestaltung familialer Rollen 9 das AusmaB familialer Pflegeverantwortlichkeiten
INDIVIDUALEBENE Arbeitsmarktflexibilisierung wird auf spezifische gesellschafiliche Gruppen kanalisiert! Quelle: Eigene Darstellung.
Globalisierung, Flexibilisierung und der Wandel von Lebensldufen 1.
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Die zunehmende Internationalisierung von Mfirkten und den damit verbundenen wachsenden Wettbewerb zwischen L~ndem mit sehr unterschiedlichen Lohn- und Produktivitfitsniveaus sowie verschiedenen Sozialstandards (insbesondere nach dem Fall des ,Eisemen Vorhangs' und der Integration osteuropNscher sowie asiatischer Lfinder wie Indien und China in den Weltmarkt). Die Versch~irfung des Standortwettbewerbs zwischen Sozialstaaten und die sich daraus ergebende Tendenz zur Senkung von Unternehmenssteuern in vielen europNschen Lfindem sowie die zunehmende Neigung moderner Staaten zur Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung und damit zu einer St~irkung des Marktes als Koordinationsmechanismus. Die rasche weltweite Vernetzung von Personen, Unternehmen und Staaten auf der Grundlage neuer Informations- und Kommunikationstechnologien u n d - daraus resultierend- die zunehmende globale Interdependenz der Akteure sowie die wachsende Beschleunigung von sozialen und wirtschaftlichen Interaktionsprozessen. Den rasanten Bedeumngszuwachs von weltweit vernetzten Mfirkten und die damit verbundene zunehmende Interdependenz und Volatilitfit lokaler Mfirkte, die von schwer prognostizierbaren weltweiten sozialen, politischen und 6konomischen ,externen Schocks' und Ereignissen (wie z.B. Kriegen, 6konomischen Krisen, Verbrauchermoden, technologischen Innovationen) immer stfirker beeintrfichtigt werden.
In den vergangenen Jahren hat Globalisierung damit auf der einen Seite zu Produktivitfitszuwfichsen und zu einer allgemeinen Verbesserung des Lebensstandards in modernen Gesellschaften gefahrt. Aber auf der anderen Seite ist Globalisierung in diesen Lfindern auch verbunden mit einer Zunahme unerwarteter Marktentwicklungen in einer sich immer schneller ver/~ndernden Weltwirtschaft, mit rapideren sozialen und Okonomischen Wandlungsprozessen, mit einer immer stfirker abnehmenden Vorhersagbarkeit von Okonomischen und sozialen Entwicklungen (Abbildung 1) und damit einhergehend mit einem wachsenden Bedt~rfnis auf der Seite der Arbeitgeber und Betriebe, die Arbeitsmarktflexibilit/~t zu erh6hen. In einer kUrzlich verOffentlichten Untersuchung hat die Konjunkturforschungsstelle der EidgenCSssischen Technischen Hochschule (ETH) in Ztirich ein neues Instrument zur Messung des Globalisierungsprozesses entwickelt. Grafik 1 stellt die Verfinderung der Globalisierungsintensit/~t in den wichtigsten vom GLOBALIFE-Projekt untersuchten Lfindern mit Hilfe dieser MaBzahl dar (Dreher 2006). Es ist dort ersichtlich, dass so genannte liberale Lfinder wie die USA und GroBbritannien sowie die skandinavischen Lfinder wie Schweden und D~inemark heute zu den am meisten globalisierten L~ndern der Welt ztihlen, gefolgt von kontinentaleurop/~ischen Lfindern wie Deutschland und Frankreich.
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Erst d a n a c h findet m a n die st~deuropfiischen Lfinder wie Italien u n d Spanien und schlieBlich die e h e m a l s sozialistischen Lfinder O s t e u r o p a s wie Ungarn und Estland. Im V e r g l e i c h z u m weltweiten D u r c h s c h n i t t s i n d e x a b e r alle 123 Lfinder wird deutlich, dass sich der G l o b a l i s i e r u n g s p r o z e s s in den europ N s c h e n Lfindern und in den U S A seit der Mitte der 80er Jahre des vergang e n e n J a h r h u n d e r t s b e s o n d e r s intensiv vollzieht und dort die D y n a m i k der E n t w i c k l u n g weit a b e r d e m g l o b a l e n D u r c h s c h n i t t s n i v e a u liegt.
Verdnderung des Globalisierungsgrades (Globalisierungsindex), ausgewdhlte Ldnder
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1975 1980 1985 1990 1995 USA GB Jahr A Schweden O Dfinemark USA GB Deutschland - - 4- - . Frankreich Schweden Dänemark Italien ~ Spanien Deutschland Frankreich Ungam ~ Estland Italien Spanien KOF Globalisierungsindex,Welt Ungarn
Estland
KOF Globalisierungsindex, WeltDreher (2006). Datenbasis: eigene Darstellung auf Basis von
2000
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Arbeitsmarktflexibilisierung und Filterung des Globalisierungsprozesses durch liinderspezifische Institutionen Ein zentrales Ergebnis des GLOBALIFE-Forschungsprojektes ist es, dass die beschriebenen gemeinsamen transnationalen Wandlungsprozesse in verschiedenen modernen Gesellschaften jedoch nicht zu dem gleichen Ergebnis gefiihrt haben. Vielmehr trifft der Globalisierungsprozess in unterschiedlichen L~inderkontexten auf verschiedene, fest verankerte institutionelle Strukmren, etwa wohlfahrtsstaatliche Einrichmngen oder bestimmte Formen der Regulierung von Arbeitsm~irkten oder lokale Normen und Werte. Diese nationalen Instimtionen filtem die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses in spezifischer Weise und fahren damit zu besonderen Formen der Arbeitsmarktflexibilisierung (vgl. Abbildung 1). Diese Institutionen wandeln sich zwar im Zuge des Globalisierungsprozesses, bleiben aber in der Regel welter von jeweils spezifischer Bedeumng far die L~inder. Ziel des GLOBALIFE-Projektes war es, die Auswirkungen der Globalisierung auf die Arbeitsmarktflexibilisierung in verschiedenen L~indern mit ihren spezifischen institutionellen Kontexten empirisch vergleichend fiber mehrere Jahrzehnte zu analysieren und gegenfiber zu stellen.
Das GLOBALIFE-Projekt Das GLOBALIFE-Projekt untersuchte in vier aufeinander folgenden Forschungsphasen die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses und der Arbeitsmarktflexibilisierung auf vier zentrale Phasen im Lebens- und Erwerbsverlauf von M~innem und Frauen: 1.
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den Obergang von der Jugend in das Erwachsenenalter und die w~ihrend dieser Zeit stattfindende Etablierung im Arbeitsmarkt sowie deren Auswirkungen auf die Familienbildung und Fertilit~it, den Erwerbsverlauf von M~innem in der Mitte ihrer beruflichen Karriere, den Erwerbsverlauf von Frauen, unter besonderer BerOcksichtigung von Familienentwicklung und Mutterschaft, die sprite Erwerbskarriere und den Obergang in den Ruhestand.
In den einzelnen Forschungsphasen wurden fiJr insgesamt 17 OECD-L~inder nationale L~indersmdien von ausgewiesenen Experten erstellt, die die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses auf individuelle Lebens- und Erwerbsverl~iufe im jeweiligen nationalen Kontext rekonstruierten. Auf Basis einer detaillierten Analyse ihrer instimtionellen und kulturellen Charakteristika wurden diese L~inder in fiinf verschiedene Gruppen, so genannte ,,Wohlfahrtsregime" (vgl. Esping-Andersen 1990, Ferrera 1996), eingeteilt:
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Liberale Wohlfahrtsregime: Kanada, Grol3britannien und die Vereinigten Staaten, Konservative Wohlfahrtsregime: Deutschland, die Niederlande und Frankreich, Sozialdemokratische Wohlfahrtsregime: Norwegen, Dfinemark und Schweden, Familienorientierte Wohlfahrtsregime: Italien, Spanien, Irland und Mexiko, sowie Post-sozialistische Wohlfahrtsregime: Estland, Ungarn, die Tschechische Republik und Polen.
Die Ergebnisse der vier Projektphasen wurden in vier Sammelbfinden ver~Sffentlicht: Blossfeld, Klijzing, Mills und Kurz (2005), Blossfeld, Mills und Bernardi (2006), Blossfeld und Hofmeister (2006) sowie Blossfeld, Buchholz und Hofficker (2006). Ausgewfihlte Ergebnisse dieser Forschungspublikationen werden im Folgenden kurz zusammengefasst.
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Ausgew~ihlte Ergebnisse des GLOBALIFE-Projekts
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Jugendliche u n d j u n g e E r w a c h s e n e die Verlierer der Globalisierung
Gegenstand der ersten Forschungsphase des GLOBALIFE-Projektes war es, aus international vergleichender Perspektive zu untersuchen, wie Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter den Bedingungen der Globalisierung der Einstieg in den Arbeitsmarkt gelingt. Bewirkt Globalisierung durch die Flexibilisierung von Beschfifligungsverhfiltnissen eine Zunahme von Unsicherheiten beim Berufseinstieg? Und in welcher Weise beeinflussen lfinderspezifische Institutionen, wie etwa die Regulierung von Arbeitsmfirkten oder die Gestalmng wohlfahrtsstaatlicher Leistungen, das Ausmag von Unsicherheiten beim Berufseinstieg? Dart~ber hinaus sollte auch analysiert werden, wie sich ver~.nderte berufliche Einstiegs- und Beschfiftigungsmuster bei jungen Menschen auffamilidre Entscheidungen- wie z.B. das Eingehen von Partnerschaften oder die Grandung einer Familie - auswirken. Entwickeln junge Menschen unter den Bedingungen zunehmender Unsicherheit neue, alternative Entscheidungsstrategien? 5.1.1 Flexibilisierung der Erwerbstfitigkeit junger Erwachsener In allen untersuchten Lfindem zeigten die Analysen des GLOBALIFEProjekts, dass sich junge Menschen mit zunehmenden Unsicherheiten beim
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Einstieg in das Erwerbsleben konfrontiert sehen (Blossfeld et al. 2005). Diese Unsicherheiten manifestieren sich insbesondere in Form einer starken Zunahme prekfirer, atypischer Formen der Besch~.ftigung (z.B. zeitlich befristete Besch~.ftigung, Teilzeitarbeit, prekfire Formen der Selbstfindigkeit, und im Kohortenvergleich geringere Einkommen). Aufgrund dieser Entwicklungen k6nnen junge Menschen tendenziell als Verlierer des Globalisierungsprozesses angesehen werden. Junge Menschen sind besonders stark von Globalisierung betroffen, da ihnen vielfach die Berufserfahrung und eine stabile Verankerung im Arbeitsmarkt, insbesondere in ,internen' Arbeitsm~.rkten, fehlt. Sie k6nnen ot~als nicht auf soziale Netzwerke und Arbeitsorganisationen zurackgreifen, und sie besitzen nicht die Verhandlungsmacht, stabile und kontinuierliche ArbeitsverhNmisse einzufordern. Ihre Arbeitsvertr~ge k6nnen vergleichsweise einfach ver~.nderten Bedingungen angepasst, flexibilisiert und zu ihren Lasten verschlechtert werden. Unabh~.ngig vom nationalen Kontext wird flit junge Menschen Bildung im Globalisierungsprozess immer wichtiger (Blossfeld et al. 2005). Besonders hart von den globalen Ver~.nderungen werden Berufseinsteiger ohne Qualifikation getroffen. Globalisierung verstfirkt insgesamt die sozialen Ungleichheiten innerhalb der jungen Generation, weil individuelle (Humankapital-) Ressourcen durch die zunehmende Relevanz des Marktes und der individuellen Konkurrenz an Bedeutung gewinnen. Die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses auf die Arbeitsmarktpositionen der jungen Generation unterscheiden sich dabei je nach Wohlfahrtsstaats- und Arbeitsmarktregime. In den ausgeprfigten Insider-OutsiderM~rkten Sadeuropas (aber auch z.T. in Deutschland) kommt es vermehrt zu Arbeitslosigkeit und/oder zeitlich befristeten Besch~ftigungsverhNmissen (Bemardi/Nazio 2005, Kurz et al. 2005, Sim6 Noguera et al. 2005). Insbesondere in St~deuropa nehmen dabei auch Formen von prek~irer Selbst~.ndigkeit zu. In den Niederlanden kommt es zu vermehrten Teilzeitbeschfiftigungen von jungen Mfinnem und jungen Frauen (Liefbroer 2005), und in den offenen BeschfiftigungsverhNmissen der liberalen Lfinder (USA, GroBbritannien) manifestieren sich die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses t~ber die Generationen hinweg in wachsenden Einkommensverlusten junger Menschen (Berkowitz King 2005, Francesconi/Golsch 2005). 5.1.2 Zunehmende Erwerbsunsicherheiten und der Prozess der Familiengrt~ndung Die Erfahrung von Unsicherheit im jungen Erwachsenenalter hat ihrerseits Konsequenzen Nr familifire Entscheidungsprozesse. Steigende 6konomische und zeitliche Unsicherheiten (durch Teilzeitarbeit, Einkommensverluste, Ar-
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beitslosigkeit, befristete ArbeitsverhNmisse) fahren dazu, dass junge Menschen das Eingehen einer Partnerschaft und die Grandung einer Familie zunehmend aufschieben oder sogar vNlig darauf verzichten (Blossfeld et al. 2005). Auf gesellschaftlicher Ebene entsteht dadurch ein Dilemma, denn einerseits werden verbesserte Bedingungen far betriebliche Flexibilitfit im Sinne h~herer Wettbewerbsf~higkeit weithin als wanschenswert angesehen, andererseits aber auch steigende Geburtenraten. Als Reaktion auf steigende Unsicherheiten im Lebenslauf entwickeln junge Menschen vier Verhaltens- und Anpassungsstrategien (Mills et al. 2005): (1) Langfristig bindende Entscheidungen werden zunehmend aufgeschoben, die Jugendphase wird immer mehr zu einem ,Moratorium', und Uberg~.nge in das Erwerbsleben verlaufen oft chaotisch. (2) Junge Menschen weichen zunehmend in Altemativrollen zur Erwerbstfitigkeit aus (sie bleiben z.B. l~.nger im Bildungssystem, anstatt sich als ,arbeitslos' definieren zu lassen). (3) Es bilden sich zunehmend flexiblere Formen von Partnerschaften heraus (z.B. nicht-eheliche Lebensgemeinschaften), die eine Anpassung an die verfinderten Bedingungen von Unsicherheit ohne das Eingehen langfristig bindender Versprechen erm6glichen. (4) Es entwickeln sich insbesondere in den familienorientierten Staaten Mittel- und Osteuropas geschlechtsspezifische Strategien des Umgangs mit Unsicherheit: M~.nner sind in immer geringerem Mage in der Lage, als ,Emfihrer' eine langfristige Einkommenssicherheit far einen Haushalts zu garantieren, so dass die Familiengrandung oft aufgeschoben wird. Unqualifizierte Frauen, die ,nichts zu verlieren haben', weichen hingegen als Reaktion auf wachsende Arbeitsmarktunsicherheiten teilweise in die Sicherheit der Familie und in die traditionellen Rollen der Mutter und Hausfrau aus. Umgekehrt h~.ngt die Neigung hochqualifizierter Frauen, Kinder zu bekommen, in zunehmend unsichereren Arbeitsmfirkten davon ab, ob sie ihre Berufschancen durch eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf wahren k6nnen. Da die Kinderbetreuung insbesondere in Sadeuropa schlecht ausgebaut ist, entscheiden sich dort viele der qualifizierten Frauen far den Beruf und gegen Kinder (Bernardi/Nazio 2005, Sim6 Noguera et al. 2005). 5.1.3 Nationale Institutionen und die differentiellen Auswirkungen des Globalisierungsprozesses aufjunge Erwachsene Es ist dementsprechend ein paradoxes Ergebnis des Globalisierungsprozesses, dass gerade in traditionell familienorientierten Gesellschaften die Geburtenrate aufgrund der zunehmenden Erfahrung von Unsicherheiten deutlich sinkt. Ein fihnlich zurackhaltendes Fertilitfitsverhalten zeigt sich zudem in jangster Zeit auch stark in den Transformationslfindem Osteuropas (Katus et al. 2005, R6bert/Bukodi 2005). Wfihrend demographische Ansfitze diesen Wandel
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lediglich auf einen ,Wertewandel' in modernen Gesellschaften zu~ck~hren, ist eine an zunehmenden Unsicherheiten orientierte Globalisierungsperspektive in der Lage, das Paradox zwischen einem oftmals ausgepr/~gten Kinderwunsch und dessen tatsfichlicher Nicht-Realisierung bei jungen Erwachsenen aufzul6sen: Die Grtindung einer Familie erfordert ein MindestmaB an wirtschaftlicher und sozialer Zukunftssicherheit, die unter den globalen Bedingungen zunehmender Arbeitsmarktunsicherheit h/~ufig nicht gew~ihrleistet werden kann. Der Verzicht auf Kinder ist somit eine Okonomisch und sozial rationale Reaktion einzelner Individuen auf strukturelle Entwicklungen. In den skandinavischen L/~ndem, in denen der Staat fl~r junge Menschen und Familien vergleichsweise groBzt~gige, universelle Leistungen und Betreuungseinrichtungen ~ r Kinder zur Verff~gung stellt und eine aktive Besch/~ftigungspolitik betreibt, ist hingegen die Geburtenrate vergleichsweise h6her, verbleibt jedoch auch dort unterhalb der Netto-Reproduktionsrate (Bygren et al. 2005, Nilsen 2005). Irland stellt hingegen bezt~glich der Auswirkungen der Globalisierung auf den Prozess der Familiengr~ndung eine bemerkenswerte Ausnahme dar. Der irische Fall ist nahezu ein ,Bilderbuchbeispiel' da~r, wie ein Land von Globalisierung profitieren kann, indem es sich der Konkurrenz auf dem Weltmarkt stellt, offene Handelsbeziehungen f'6rdert und steuerliche Anreize for auslfindische Investoren setzt (Layte et al. 2005). Irland, das Ende der 1990er Jahxe nahezu Vollbesch/~ftigung realisieren konnte, ist das einzige Land im Rahmen der Untersuchungen des GLOBALIFE-Projekts, in dem die Globalisierung zu einer Abnahme von Erwerbsunsicherheiten ge~hrt hat. Seit Mitte der 1990er Jahre ist in Irland entsprechend auch ein deutlicher Wiederanstieg der Heirats- und Geburtenraten zu beobachten. Es gilt jedoch zu beachten, dass sich der Konkurrenzvorteil Irlands gegent~ber anderen modernen Industriestaaten insbesondere aus der Tatsache ergibt, dass andere L/~nder bislang ihre Unternehmenssteuern nicht so deutlich gesenkt haben. Der erfolgreiche Weg Irlands kann deswegen nicht von allen Lfindern gleichzeitig beschritten werden, weil damit der Vorteil eines nationalen Sonderweges verloren ginge. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, darauf hinzuweisen, dass es bei der Strukturierung von Entscheidungen zur Familieng~ndung nicht auf das absolute Unsicherheitsniveau ankommt, sondem auf das in einem Land von den Arbeitskrfiften jeweils subjektiv erlebte relative Unsicherheitsniveau. Junge Erwachsene vergleichen sich im Alltag in jedem Land mit ,signifikanten Anderen' (wie Freunden, Verwandten, Bekannten oder beruflichen Vorbildern), wenn sie ihre individuelle Arbeitsmarktlage beurteilen. So ist beispielsweise in den USA das absolute Unsicherheitsniveau ~ r die junge Generation insgesamt weit hOher als in vielen europfiischen Lfindern. Es kommt dort h/~ufiger zu Hire-and-Fire-Prozessen, aber die Arbeitslosen k6nnen darauf vertrauen, dass sie aufgrund geringer Mobilitfitsbarrieren im Arbeitsmarkt rasch wieder einen anderen Job finden kC~nnen, also zum ,Insider' werden.
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Arbeitsmarktunsicherheit, Berufsmobilitfit und Flexibilitfit hat don deswegen auch eine andere soziale Bedeutung und wird subjektiv anders wahrgenommen als in den Insider-Outsider-Mfirkten Europas, in denen das ,OutsiderSein' oft einen identitfitsgef~hrdenden, dauerhaften Ausschluss vonder Arbeit bedeutet und flexible Beschfiftigungsverhfiltnisse in der Regel nur als eine Behelfs- und Obergangsl0sung zu einer dauerhaften Beschfiftigung betrachtet werden. Junge Personen in flexibilisierten Beschfiftigungsformen werden deswegen in den europfiischen Insider-Outsider-Mfirkten ihr Schicksal als gravierend negativer erfahren als in den USA. Der sich im Zuge der Globalisierung vollziehende Obergang von einem Insider-Outsider-Arbeitsmarkt zu einem flexiblen Arbeitsmarkt wird deswegen vonder jungen Generation nicht nur als schmerzvoller erlebt, sondern wird sich auch tiber lfingere Zeitrfiume hinziehen- bis sich in den Strukturen des nationalen Arbeitsmarktes die fiexibleren Beschfiftigungsverhfiltnisse in voller Breite als Standardbesch~.ftigungsform etabliert haben.
5.2
Globalisierung und der Wandel der Erwerbsverl~iufe von Frauen
5.2.1 Grundlegende Entwicklungsmuster der Erwerbs- und Familienarbeit von Frauen Seit Beginn der 1960er Jahre nehmen Frauen mittleren Alters in Europa und Nordamerika zunehmend aktiv am Erwerbsleben teil. Mehrere Faktoren haben zu dieser zunehmenden Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt beigetragen: Zum einen durchlaufen Frauen in spfiter geborenen Generationen infolge der Bildungsexpansion eine lfingere Ausbildung in einer gr6Beren Vielzahl von Berufsfeldern. Aufgrund dieser quantitativen und qualitativen Verbesserung ihrer Bildungsteilnahme weisen junge Frauen einerseits ein gr0Beres Interesse an einer eigenen Berufstfitigkeit, andererseits aber auch verbesserte Voraussetzungen Dr eine erfolgreiche Arbeitsmarktkarriere auf als Frauen fr~herer Generationen. Dartiber hinaus haben auch jtingere soziodemographische Ver~inderungen den Anstieg weiblicher Erwerbstfitigkeit in den vergangenen Jahrzehnten gef'6rdert. Hierzu zfihlen ein immer sp~teres Heiratsalter, die sinkende Zahl von Kindern pro Familie, die Zunahme von Kinderlosigkeit sowie steigende Scheidungsraten. SchlieBlich hat die in einigen Lfindem abnehmende Sicherheit der Erwerbskarriere von Ehemdnnern f~r mehr weibliche Erwerbsbeteiligung gesorgt. Infolge dieser Verfinderungen haben weibliche Erwerbseinkommen f'tir die materielle Sicherheit von Frauen und von deren Familien zunehmend an Bedeutung gewonnen. Trotz der steigenden Erwerbsintegration von Frauen werden in allen modernen Gesellschaften unbezahlte Familien- und Pflegetfitigkeiten jedoch noch weitestgehend ausschlieBlich von Frauen tibernommen. In der Familienphase investieren Ehepaare vielfach eher in die kontinuierliche Erwerbs-
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karriere des Ehemanns als in diejenige der Ehefrau. In Situationen, in denen familiale Pflegeleistungen, etwa Dr eigene Kinder, erbracht werden mtissen, wird also in der Regel die Erwerbskarriere der Frau und nicht die des Mannes eingeschr~inkt. Dieses Verhalten begrenzt zum einen die VerdienstmOglichkeiten von Frauen und kann zum anderen auch langfristig deren Besch/~ftigungskontinuitfit und Karrierechancen beeintr/~chtigen, insbesondere, wenn Frauen ihre Erwerbst~itigkeit zugunsten derjenigen des Ehemannes ganz aufgeben oder sie zeitlich und r~iumlich an diejenige ihres Partners anpassen. Die daraus resultierenden Erwerbsunterbrechungen und Arbeitszeitreduzierungen sind Dr die betroffenen Frauen meist mit einem Verlust an beruflicher Erfahrung, an innerbetrieblichem Einfluss sowie reduzierter Teilhabe an sozialen Netzwerken verbunden. Benachteiligungen in der Erwerbskarriere betreffen jedoch nicht nur diejenigen Frauen, die tatsdchlich ihre Erwerbskarriere aus famili~iren Grtinden unterbrechen. Auch denjenigen Frauen, die keine derartige Unterbrechung planen, wird vielfach ein derartiges Verhalten als mOglich oder wahrscheinlich unterstellt, und mit diesem Argument werden ihnen Arbeitspl~tze, Bef'6rdemngen und Weiterbildungsm6glichkeiten allein aufgrund ihres Geschlechts vorenthalten: die so genannte ,statistische Diskriminierung'. Frauen finden sich dementsprechend t~berproportional in flexiblen Arbeitsformen wieder. Zur Legitimierung dieser Konzentration ,flexibilisierter' Arbeitsformen auf Frauen geben Arbeitgeber verschiedene Grt~nde an. Dazu geh6ren die im Vergleich zu M~nnern geringere Berufserfahrung, die h6here Wahrscheinlichkeit einer spfiteren Erwerbsunterbrechung, die M6glichkeit, auf eine Alternativrolle (z.B. als Ehefrau und Mutter) auszuweichen oder das (angebliche) Angewiesensein yon Frauen auf flexible Arbeit, um so Beruf und Familie vereinbaren zu k6nnen. Diese far Frauen oft notwendige pers6nliche Flexibilitfit, d.h. die Option, Arbeit bei parallelen Betreuungspflichten ggf. kurzfristig aufgeben, unterbrechen oder reduzieren und nach eigenen Bedtirfnissen zeitlich flexibel gestalten zu k6nnen, entspricht jedoch meist nicht der von Unternehmern gewanschten Flexibilitfit, die dem Arbeitgeber kurzfristige Entscheidungsspielrfiume zubilligt. De facto wird sie der letzteren vielfach untergeordnet. Im Gegensatz zu flexibel organisierten, aber grundsfitzlich sicheren Beschfiftigungsformen ist die von Untemehmern gewt~nschte Flexibilit~.t oftmals verbunden mit unsicheren, prekfiren Formen der Beschfiftigung. Dieser Prozess der Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt wird sowohl durch die Arbeitgeber als auch durch die weiblichen Arbeitskr~fte selbst legitimiert. Denn wahrscheinlich akzeptieren Frauen eher als Mfinner flexible Arbeitsformen, um parallelen familialen Verpflichmngen nachkommen zu k6nnen, wenn andere, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie f'6rdernde Mal3nahmen nicht oder nur unzureichend vorhanden sind.
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5.2.2 Globalisierung und die Verlagerung prek~irer Arbeitsformen auf Frauen Im Zuge der Globalisierung nimmt die Nachfrage von Unternehmen nach fiexiblen Arbeitsformen weiter zu. Es ist daher davon auszugehen, dass sich im Globalisierungsprozess verschiedene Formen der Benachteiligung am Arbeitsmarkt zu Ungunsten von Frauen kumulieren: prek~ire, unsichere und gering bezahlte Besch~iftigungsverh~iltnisse, Teilzeitstellen oder Stellen mit wechselnden Arbeitszeiten, Stellen mit geringerer Arbeitsplatzautonomie, Kontrolle oder Verantwortung, Jobs mit geringeren beruflichen Aufstiegsm/Sglichkeiten, mit hohen Abstiegs- oder Arbeitslosigkeitsrisiken (Hofmeister et al. 2006). Insbesondere die letztgenannten drei mit der Flexibilisierung von Besch~iftigungsverhWmissen verbundenen Risiken far Frauen wurden in der dritten Phase des GLOBALIFE-Projektes ausftihrlich untersucht. Dabei standen vier zentrale Forschungsfragen im Mittelpunkt: 1.
2.
3.
4.
Wie wirkt sich der Globalisierungsprozess grunds~itzlich auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen aus? Dr~,ngt die mit dem Globalisierungsprozess verbundene Ausbreitung flexibler Arbeitsformen Frauen in die Alternativrolle der Hausfrau und Mutter? Oder schafft sie neue Beschdiftigungschancen fiir Frauen, und trfigt sie damit zur Verktirzung familienbedingter Erwerbsunterbrechungen bei? Wie beeinflussen Globalisierung und Flexibilisierung die Qualitdt der Beschdfiigungsverhdlmisse yon Frauen? Erm6glichen flexible Arbeitsformen eine bessere Arbeitsmarktintegration von Frauen und erleichtern sie deren Zugang zu internen Arbeitsmarkten? Oder fiihren sie vielmehr zu einer disproportionalen Verlagerung yon Beschdfiigungsunsicherheiten auf Frauen, die dadurch zunehmend in eine ,Auflenseiterrolle' auf dem Arbeitsmarkt geddingt werden? Wie nehmen nationale Wohlfahrtsstaaten Einfluss auf die Erwerbsverl~iufe von Frauen im Globalisierungsprozess? Profitieren in bestimmten L~indem bestimmte Gruppen von Frauen von globalisierungsbedingten Ver~inderungen auf dem Arbeitsmarkt, oder werden sie durch diese benachteiligt? Welche Rolle spielen im Globalisierungsprozess Humankapitalfaktoren wie Bildung oder Berufserfahrung far Frauen? Und inwiefern wirken sich haushaltsbezogene Kontextfaktoren, wie etwa das Vorhandensein von Kindern oder das Fehlen eines Ehepartners, auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen in einer globalisierten Welt aus?
Die Ergebnisse der dritten Projektphase des GLOBALIFE-Projekts zeigen fiir Frauen in der Mitte ihres Lebenslaufs eine Entwicklung, die sich deutlich von den Ergebnissen fiir M~inner im selben Lebensabschnitt unterscheidet (Bloss-
Globalisierung, Flexibilisierung und der Wandel von Lebensldufen
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feld et al. 2006). Dabei offenbaren sich in den untersuchten Lfindem verschiedene Auswirkungen des Globalisierungs- und Flexibilisierungsprozesses auf die Integration von Frauen in das Erwerbsleben: (1) In einer Reihe von Lfindern (in Spanien, Italien, Deutschland, den Niederlanden, Schweden, GroBbritannien und in den Vereinigten Staaten) hat die Schaffung neuer, flexibler Besch(~fiigungsmOglichkeiten far Frauen im G lobalisierungsprozess, die wachsende Notwendigkeit eines zweiten Haushaltseinkommens sowie die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz der Erwerbstfitigkeit verheirateter Frauen zu einer besseren Integration der Frauen in nationale Arbeitsmi~rkte und zu einer Verkftrzung yon Erwerbsunterbrechungen beigetragen (Buchholz/Grunow 2006, Golsch 2006, Hofmeister 2006, Kalmijn/Luijkx 2006, Korpi/Stern 2006, Pisati/Schizzerotto 2006, Sim6 Noguera 2006). (2) In L~ndem mit zuvor bereits relativ hohen weiblichen Erwerbsquoten ergeben sich im Globalisierungsprozess hingegen divergierende Trends: Schweden ist es gelungen, die ausgesprochen hohe weibliche Erwerbsbeteiligung unter Beibehaltung von Beschdftigungssicherheit im Globalisierungsprozess noch weiter auszubauen (Korpi/Stern 2006). Dagegen ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Ddnemark infolge der Einfiihrung von Urlaubsregelungen leicht gesunken (Grunow/Leth-Soerensen 2006). Und auch in den osteuropi~ischen L~ndem zeigen sich im Zuge der Integration in die Weltwirtschaft bei der Frauenerwerbsquote stagnierende oder sogar riickldufige Entwicklungen (Bukodi/R6bert 2006, Hamplovfi 2006, Helemfie/Saar 2006, Plomien 2006). Gleichzeitig belegen die Ergebnisse des GLOBALIFE-Projekts ldndertibergreifend eine Tendenz zur Verlagerung von Beschdfiigungsunsicherheiten aufFrauen als ,AuBenseiter' des Arbeitsmarktes. Frauen sind aberproportional in den unsicheren, flexiblen Beschdfiigungsverhdltnissen zu finden, die sich im Zuge des Globalisierungsprozesses ausweiten. Globalisierung trfigt damit zu einer ,Marginalisierung' von Frauen auf dem Arbeitsmarkt bei. In keinem der untersuchten Lfinder hat die Beschfiftigungssicherheit von Frauen im Kohortenvergleich zugenommen. Nur in Dfinemark, Schweden und den Niederlanden war ihr Erwerbsverlauf im Globalisierungsprozess stabil (Grunow/Leth-Soerensen 2006, Kalmijn/Luijkx 2006, Korpi/Stern 2006). Ebenso wie far Mfinner sind auch far Frauen im mittleren Lebensalter individuelle Ressourcen, insbesondere in Form von Bildungskapital, von zentraler Bedeutung Far den Verlauf ihrer Erwerbskarrieren (Hofmeister/Blossfeld 2006). Dieser Bildungseffekt wirkt zudem kumulativ: Gut gebildete, junge Frauen in modemen, wissensbasierten Wirtschaftsbereichen verfagen tiber die grOBten Chancen, Arbeitslosigkeit zu vermeiden und beruflich aufzusteigen. Benachteiligt sind demgegentiber im Globalisierungsprozess Frauen mit geringer Bildung, mit wenig Berufserfahrung und mit h~iufigeren und l~ingeren Phasen der Arbeitslosigkeit und frtiheren famili~iren Erwerbsunterbrechungen. Sie tragen ein besonders hohes Risiko, in unsicheren, prek~iren Besch~iftigungsverh~lmissen arbeiten zu mtissen oder (wieder) arbeitslos zu werden.
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Ein erwerbst6tiger Ehepartner mit regelmfiBigem Einkommen gibt Frauen jedoch die Option, bei der Arbeitsplatzsuche geringer qualifizierte Jobs abzulehnen, wfihrend alleinstehende Frauen diese aufgrund finanzieller Notwendigkeiten eher annehmen re%sen. Auch das Vorhandensein von (mehreren) Kindern ffJhrt zu einer Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt: Neben der skizzierten statistischen Diskriminierung durch Arbeitgeber haben Frauen mit familifiren Verpflichtungen in den meisten Lfindern beim Wettbewerb um Arbeitsplfitze Flexibilitfitsnachteile. Benachteiligt auf dem globalisierten Arbeitsmarkt sind dart~ber hinaus vor allem Frauen, die ihre Erwerbst(~tigkeit l(~ngerfamilienbedingt unterbrechen und erst in einem h6heren Alter auf den Arbeitsmarkt zu~ckkehren. 5.2.3 Die Auswirkungen nationaler Institutionen aufweibliche Erwerbsverlfiufe im Globalisierungsprozess Nationale Institutionen tiben im Globalisierungsprozess einen starken Einfluss auf die Arbeitsmarktbindung von Frauen aus und spielen eine zentrale Rolle fiir den Verlauf ihrer Erwerbskarrieren: In den sozialdemokratischen L/andem sind Frauen meist umfassend und nahezu vollst/andig in das Erwerbsleben integriert. Der Ausbau des 6ffentlichen und privaten Dienstleistungssektors und die staatliche F6rderung familienfreundlicher MaBnahmen er6ffnen Frauen hier, trotz wachsender Fluktuationen im Globalisierungsprozess, gute, stabile Besch~iftigungsm6glichkeiten und verktirzen die Dauer m6glicher Arbeitslosigkeitsepisoden (Grunow/ Leth-Sorensen 2006, Korpi/Stem 2006). In konservativen (z.B. Deutschland) und siideuropdischen Staaten (Italien, Spanien) existieren- insbesondere infolge der fehlenden Infrastruktur z~ar Kleinkinderbetreuung- nur unzureichende M6glichkeiten zur Vereinbarkeit (Buchholz/Grunow 2006, Pisati/Schizzerotto 2006, Sim6 Noguera 2006). Hier mtissen Frauen oft zwischen Erwerbskarriere und Familie w~ihlen. Frauen in diesen L/andem entscheiden sich daher h~iufiger dafi3r, kinderlos zu bleiben oder weniger Kinder zu bekommen als eigentlich gewiinscht. Dartiber hinaus spielt insbesondere in den konservativen Staaten (Deutschland und v.a. in den Niederlanden) Teilzeitarbeit eine besonders groBe Rolle ~ r Frauen. Liberal orientierte Staaten, die wenig Untersttitzung ffir Familien bieten und arbeitsmarktpolitisch einer ,laissez-faire'-Politik folgen (z.B. Estland, USA), dr~ingen hingegen insbesondere Frauen mit geringem Einkommen dazu, informelle L6sungen fiir die Betreuung ihrer Kinder zu suchen und jede Form von Erwerbst~itigkeit zur finanziellen Untersttitzung ihrer Familien anzunehmen (Helem/ae/Saar 2006, Hofmeister 2006). Mehrere L~inderstudien in den postsozialist&chen Staaten demonstrieren schlieBlich eindrucksvoll die drastischen Auswirkungen des Falls des ,Eiser-
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nen Vorhangs' und der damit verbundenen pl6tzlichen Integration dieser L~.nder in die Weltwirtschaft auf das Erwerbs- und Familienleben von Frauen: W~ihrend einerseits die wirtschaftliche Notwendigkeit die Erwerbst~itigkeit beider Ehepartner erfordert, fehlen andererseits flexible Arbeitsformen. Dies f't~hrt zu einer Polarisierung zwischen Vollzeit arbeitenden Frauen auf der einen und erwerbslosen Frauen auf der anderen Seite. Die w~ihrend des ,Sozialismus' staatlich erzwungene Doppelbelastung von Frauen durch Familienund Erwerbsarbeit hat zudem in diesen Lfindem in jtingerer Vergangenheit partiell zu einem Popularitfitsgewinn des klassischen Em~ihrermodells beigetragen. 5.2.4 Mittlere Erwerbskarrieren im Geschlechtervergleich Die Auswirkungen des Globalisierungsprozesses auf die Erwerbsverl~iufe von Frauen unterscheiden sich signifikant von den Auswirkungen auf die mittleren Erwerbskarrieren von M~innem. W~ihrend sich far Frauen ein Trend zur Marginalisierung im Arbeitsmarkt erkennen l~isst, erweisen sich mfinnliche Erwerbsverlfiufe im Globalisierungsprozess als vergleichsweise stabiler. Die Ergebnisse des GLOBALIFE-Projekts zeigen, dass Mfinner aus jangeren Geburtskohorten zwar mit etwas gr6Berer Arbeitsmarktunsicherheit konfrontiert werden als ~.ltere Geburtsjahrgfinge (Blossfeld et al. 2006). Globalisierung ~hrt jedoch keinesfalls, wie vielfach angenommen, in allen modernen Gesellschaften zu einer zunehmenden AushOhlung traditioneller mannlicher Beschafiigungsverhaltnisse bzw. zur Verbreitung von ,Patchwork-Karrieren '. Nur far einzelne Lander l~sst sich eine allgemeine Destabilisierung der Erwerbskarrieren von M~innem nachweisen. In sozialdemokratischen, familienorientierten u n d - in geringerem AusmaB- auch in konservativen Wohlfahrtsregimen ist far die Mehrheit der M~inner eine hohe Stabilitat der Erwerbskarrieren zu beobachten. Hingegen finden sich in den USA, in Mexiko sowie in Osteuropa eindeutige Anzeichen far eine steigende Erwerbsunsi-
cherheit bei Mannern im mittleren Karriereverlauf Gleichzeitig zeigen die GLOBALIFE-Forschungsergebnisse, dass l~.nderUbergreifend ein Trend zur Herausbildung von spezi)qschen mannlichen, Verlierern' der Globalisierung existiert: In allen untersuchten Lfindem findet man eine quantitativ bedeutsame Gruppe m~innlicher Langzeitarbeitsloser, denen es nicht gelingt, erfolgreich in den Arbeitsmarkt zurackzukehren. Eine Reihe m~innlicher Arbeimehmer ,pendelt' dariiber hinaus zwischen Arbeitslosigkeit und Jobs mit geringem beruflichem Status. Der relative Umfang dieser Gruppe yon ,Globalisierungsverlierern' variiert zwischen den untersuchten L~indem; er f~llt jedoch insbesondere in den Vereinigten Staaten und Mexiko ausgesprochen groB aus.
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FUr die Zugeh0rigkeit zu dieser Gruppe von mfinnlichen ,Risikoarbeitnehmern' spielen- analog zu den Ergebnissen for F r a u e n - individuelle Ressourcen, insbesondere Bildungsabschliisse und berufliches Humankapital, die ausschlaggebende Rolle (Hofmeister/Blossfeld 2006, Mills/Blossfeld 2006). Vor allem mfinnliche Arbeitnehmer mit umfangreichen Humankapitalressourcen erweisen sich auf dem Arbeitsmarkt als ,geschfitzte' Gruppe: Paradoxerweise mt~ssen Unternehmen zwar einerseits unter Globalisierungsdruck flexibler reagieren. Sie m~ssen aber andererseits auch darauf achten, bei qualifizierteren Positionen ein Vertrauensverhdltnis mit ihrem Personal aufrechtzuerhalten, um diese langfristig an sich zu binden und Personalfluktuationen bei hochqualifizierten Mitarbeitern zu vermeiden. Diese ambivalenten Ziele (Flexibilitfit versus Stabilitfit/Kontinuitfit) ~hren in gr0Beren Betrieben zu einer Segmentierung der Arbeitskr~ifte in Kern- und Randgruppen, in ,Insider' und ,Outsider' des Arbeitsmarktes, wobei sich im Globalisierungsprozess die Grenze zwischen denjenigen, die zu den Insidern und denjenigen, die zu den Outsidern gehOren, zunehmend verschiebt, im wesentlichen zuungunsten der weniger Qualifizierten. Neben diesen individuellen Faktoren spielen auch betriebliche Merkmale wie Wirtschafiszweig und FirmengrOfle eine zentrale Rolle FOr das AusmaB von Beschfiftigungsunsicherheiten von Mfinnern in der Karrieremitte. Arbeitskr~ifte in international wettbewerbsf~higen Industrien ebenso wie Beschfiftigte im 0ffentlichen Sektor weisen zumeist stabilere Karrieremuster auf. In GroBbetrieben verringern dar~ber hinaus der stfirkere Einfluss von Gewerkschaften sowie ein h0herer Beschfiftigungsschutz das Risiko f~r m~innliche Arbeitnehmer, in der Lebensmitte arbeitslos zu werden.
5.3
Globalisierung und der Wandel sp~iter Erwerbskarrieren
5.3.1 Globalisierung, Flexibilisierung und die Arbeitsmarktsituation filterer Arbeitnehmer Die vierte und abschlieBende Forschungsphase des GLOBALIFE-Projekts zeigte schliel31ich, dass nicht nur junge Arbeitsmarkeinsteiger und Mfinner und Frauen in der Mitte ihres Erwerbslebens von den Auswirkungen der Globalisierung betroffen sind. Vielmehr erfuhren auch die Erwerbsverlfiufe filterer Arbeitnehmer im Globalisierungsprozess eine bemerkenswerte Transformation. Urs~chlich ~ r diesen Wandel spfiter Erwerbskarrieren war eine zunehmende Diskrepanz zwischen wachsenden Flexibilitfitsanforderungen an Arbeitskrfifte einerseits - und den andererseits nur begrenzten MOglichkeiten der Flexibilisierung der Arbeitsverhfiltnisse und Qualifikationsprofile ~ilterer Arbeitnehmer, die sich durch die Globalisierung noch verst~irkte. Unter den Bedingungen globaler Weltmarktkonkurrenz mfissen Unternehmen in zunehmendem MaBe in der Lage sein, sich kontinuierlich flexibel
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auf wandelnde 6konomische Rahmenbedingungen einzustellen: Dies kann zum einen beinhalten, sich neuen Marktentwicklungen numerisch flexibelalso flexibel im Hinblick auf den Umfang der eigenen Belegschaft- anpassen zu kOnnen. Zum anderen massen innerbetriebliche Lohnstrukturen innerhalb kurzer Zeitr~.ume an sich stetig wandelnde Wettbewerbsbedingungen angepasst werden k6nnen. Zunehmende Flexibilitfitsanforderungen stellen sich flir Unternehmen jedoch nicht nur im Hinblick auf die Ausgestaltung von Arbeitsverhfilmissen. Im Zuge des durch Globalisierung bef'6rderten Bedeutungszuwachses neuer Informations- und Kommunikationstechnologien verbreiten sich technologische Innovationen immer schneller, so dass ,klassische' berufliche Qualifikationen rapide an Bedeutung verlieren. Um im Weltmarkt konkurrenzffihig zu bleiben, sind Unternehmen daher darauf angewiesen, ein adfiquates Qualifikationsprofil der eigenen Belegschaft sicherzustellen und dieses kontinuierlich an sich wandelnde technologische Neuerungen anzupassen. Im Hinblick auf diese globalisierungsbedingten Flexibilit~tserfordemisse weisen gltere Arbeimehmer im Vergleich zu jangeren Arbeitsmarktkonkurrenten mehrere komparative Wettbewerbsnachteile auf. Altere Arbeimehmer verfagen meist nur fiber veraltete technologische Kenntnisse und berufliche Qualifikationen, die es ihnen erschweren, sich rapidem technologischem Wandel anzupassen. Der fraher bedeutsame Vorteil filterer Arbeitnehmer, den sie hinsichtlich ihrer Arbeitserfahrung gegentiber jungen Arbeitsmarkteinsteigem besaBen, verliert rapide an Bedeumng. Gleichzeitig ist eine Requalifizierung Nterer Arbeitskr~ifte durch Fort- und WeiterbildungsmaJ3nahmen aufgrund ihrer wenigen verbleibenden Erwerbsjahre flir Arbeitgeber oftmals kostenintensiv. Junge Arbeitskrfifte besitzen demgegenaber modernere technologische Qualifikationen, ihre Ausbildung entspricht oft neuesten beruflichen Standards, und ggf. notwendige FortbildungsmaBnahmen amortisieren sich bei ihnen tiber einen 1/~ngeren Zeitraum. In einer Reihe von L/~ndem beziehen filtere Arbeitnehmer zudem altersbedingt h6here ,Senioriti~tslOhne'. Entsprechend sind Arbeimehmer in ihrer sp/~ten Erwerbskarriere oft sehr viel teurer als ihre jtingeren Mitbewerber, ohne dass dieser Lohnunterschied mit einer h6heren Produktivit~t des filteren Arbeimehmers verbunden ist. Ihre Arbeitsverhfiltnisse sind oft durch einen ausgeprfigten Kiindigungs- und Bestandsschutz gesichert, der sich nur bedingt aufweichen lfisst. Lohnktirzungen oder Ktindigungen filterer Arbeimehmer sind daraber hinaus auch personalpolitisch nur bedingt realisierbar, da sie die Motivation und das Vertrauen der ,Kernbelegschaft' des Unternehmens empfindlich beeintrfichtigen k6nnen. Demgegentiber haben jtingere Arbeimehmer im Zuge des Globalisierungsprozesses eine Destabilisierung und Flexibilisierung ihrer Erwerbskarriere erfahren (vgl. Abschnitt 5.1). Ihre Arbeitsverh~ltnisse sind dementsprechend weniger rigide durch Arbeitsvertrfige reguliert, und sie beziehen meist geringere L6hne.
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Altere Arbeimehmer werden daher von Untemehmen oft als weniger flexible, nicht adfiquat qualifizierte und kostenintensive Arbeitskrfifte angesehen. Es liegt damit sowohl im Interesse von Untemehmen als auch einer an der Attraktivitfit des eigenen Wirtschaftsstandorts orientierten Politik, L/Ssungen far die skizzierte Diskrepanz zwischen steigenden Flexibilitfitsanfordemngen und dem begrenzten Flexibilisierungspotential filterer Arbeimehmer zu linden. 5.3.2 Nationale Strategien: Frahverrentung versus Beibehaltung filterer Arbeitnehmer Eine M0glichkeit zur Aufl0sung dieses Widerspruchs stellen attraktive finanzielle An_reize Nr einen frahzeitigen Erwerbsausstieg filterer Arbeitnehmer dar. In der Tat belegen vergleichende Arbeitsmarkdaten, dass sich in fast allen westlichen Industriegesellschaften seit den 1970er Jahren ein Trend zu einem immer fraheren Ausstieg filterer Arbeimehmer aus dem Arbeitsmarkt vollzog (vgl. OECD 2006). Detailliertere Analysen des GLOBALIFE-Projektes zeigen aber, dass sich das AusmaB dieses Frahverrentungstrends in verschiedenen OECD-Lfindem deutlich unterscheidet (vgl. Hofficker/Pollnerovfi 2006). Zur Bew~.ltigung der problematischen Arbeitsmarktsituation ~lterer Arbeimehmer im Globalisierungsprozess verfolgen moderne Gesellschaften also offenbar unterschiedliche Strategien, die sich in drei verschiedene (Ideal)-Typen unterscheiden lassen (vgl. Buchholz et al. 2006). Insbesondere die mittel- und z.T. auch die sadeuropfiischen Staaten folgen zur Bew~ltigung des globalen Wettbewerbsdrucks und des wirtschaftlichen Strukturwandels einer Strategie der einseitigen F6rderung eines Erwerbsausstiegs dlterer Arbeitnehmer. Hier erweist sich die Diskrepanz zwischen den im Globalisierungsprozess steigenden Flexibilitfitsanforderungen und dem Flexibilisierungspotential ~lterer Arbeitnehmer als besonders grog: Ein hochgradig standardisiertes, weitgehend auf die frahe Erwerbskarriere ausgerichtetes Bildungssystem mit wenigen Fort- und Weiterbildungsm0glichkeiten fl~hrt in den mittel- und sadeurop~ischen Staaten dazu, dass filtere Arbeimehmer im Vergleich zu jangeren Arbeitsmarktkonkurrenten oft betrfichtliche Qualifikationsnachteile aufweisen. Gleichzeitig beschrfinken ein ausgepr~.gter Kandigungsschutz und ein etabliertes Seniorit~.tssystem in der Entlohnung die M/Sglichkeiten der Flexibilisierung ihrer Arbeitsverhfiltnisse. Als Ausweg aus diesem Dilemma wurden in den sad- und mitteleurop~.ischen Lfindem bereits existierende Frahverrentungsm0glichkeiten im Zuge des Globalisierungsprozesses erweitert, neue Frahverrentungsoptionen geschaffen und z.T. durch zusfitzliche wohlfahrtsstaatliche ,Bracken in den (Vor-) Ruhestand' ergfinzt (vgl. Beckstette et al. 2006, Buchholz 2006, Henkens/Kalmijn 2006). Die Attraktivitfit derartiger staatlicher Frahverrentungsoptionen wird in vielen F~llen noch durch zusfitzliche betriebliche Abfindungen (,goldener
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Handschlag') erh(Sht. Zusammengenommen erm0glichen diese Programme filteren Arbeitnehmern einen vorzeitigen Erwerbsausstieg bei gleichzeitiger Wahrung eines adfiquaten Lebensstandards. Unternehmen erhalten gleichzeitig die M6glichkeit, ihre Belegschaft zu restrukmrieren und ggf. neue jfingere Arbeitskr~fte einzustellen. Auch Wohlfahrtsstaaten profitieren von derartigen Arrangements, da durch sie die Attraktivitfit des nationalen Produktionsstandorts far Unternehmen erh0ht und gleichzeitig der nationale Arbeitsmarkt entlastet wird. Trotz dieser evidenten Vorteile stellt die Frahverrentungsstrategie eine kostenintensive Option far Volkswirtschaften und Betriebe zur L0sung des Flexibilisierungsdilemmas dar. Andere Gesellschaften verzichten weitgehend auf derartige FrahverrentungsmaBnahrnen und ermOglichen durch die F0rderung lebenslangen Lernens sowie durch aktive Beschfiftigungspolitik filteren Arbeimehmern, sich flexibel an die Herausforderungen des strukturellen und technologischen Wandels anzupassen. Empirisch lassen sich zwei Strategien einer derartigen Beibehaltung dlterer Arbeitskrdfie unterscheiden: Die liberalen Staaten (Vereinigte Staaten, GroBbritannien) verfolgen weitgehend ein Modell der Beibehaltung dlterer Arbeitskrdfie dutch den Markt, in dem zur Anpassung filterer Arbeitskr~fte an neue Flexibilitfitserfordernisse weitgehend auf einen flexiblen Arbeitsmarkt und ein wenig standardisiertes (Aus-)Bildungssystem vertraut wird. Geringe Mobilit~.tsbarrieren im Arbeitsmarkt und die dezentrale Organisation des Erwerbs berufsrelevanter Qualifikationen ,on-the-job' erm/Sglichen es filteren Arbeimehmem, sich fiexibel durch Arbeitsmarktmobilitdt an wandelnde Anforderungen anzupassen. Gleichzeitig begrenzen niedrige staatliche Renten und die hohe Bedeutung privater Absicherung durch Kapitalanlagen oder Betriebsrenten die M0glichkeiten eines vorzeitigen Erwerbsausstiegs. Mtere Arbeitnehmer in den liberalen Staaten weisen entsprechend lange Erwerbskarrieren auf und steigen oft erst sp~iter aus dem Erwerbsleben aus. Aufgrund der weitgehenden Zurackhaltung des Staates und des Vertrauens auf den Marktmechanismus neigt das liberale System jedoch dazu, soziale Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt fiber das Rentenalter hinaus zu verlfingem: Arbeitnehmer mit geringen finanziellen Ressourcen sind unter Umstfinden sogar nach Erreichen des Rentenalters erwerbst~tig bzw. kehren aus dem Ruhestand auf den Arbeitsmarkt zurack (vgl. Wamer/Hofmeister 2006). Demgegent~ber unterstatzen die sozialdemokratischen Staaten Skandinaviens (in der GLOBALIFE-Smdie Schweden, Norwegen und Dfinemark) die Anpassungsffihigkeit filterer Arbeimehmer an globalisierungsbedingte Flexibilitfitserfordemisse durch aktives staatliches Engagement (Beibehaltung i~lterer Arbeitnehmer durch den Staat). Eine aktive Arbeitsmarktpolitik sowie die staatliche F0rderung lebenslangen Lernens und beruflicher Weiterqualifikation unterstfitzen hier die Beschfiftigungsffihigkeit Nterer Arbeitnehmer, so dass deren Erwerbskarrieren im Vergleich zu dem an Arbeitsmarktmobilitfit
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orientierten liberalen Modell kontinuierlicher und stabiler verlaufen. Gleichzeitig begtinstigen Rentensysteme mit geringeren Vorruhestandsanreizen eine lange Erwerbskarriere und einen spfiteren Erwerbsausstieg. Wenngleich im Zuge steigender Arbeitslosenquoten auch die sozialdemokratischen Staaten vereinzelte Frtihverrentungsoptionen ein~hrten, verbleibt die Erwerbsbeteiligung ~ilterer Arbeitnehmer hier deutlich tiber dem internationalen Durchschnitt (vgl. Aakvik et al. 2006, Hof'ficker/Leth-Sarensen 2006, Sj6gren Lindquist 2006). 5.3.3 Der Wandel spfiter Erwerbskarrieren und die Entwicklung sozialer Ungleichheit Neben den skizzierten internationalen Unterschieden bestfitigen die Ergebnisse der vierten Phase des GLOBALIFE-Projektes die bereits in den vorangegangenen Projektphasen demonstrierte zentrale Bedeutung von Humankapitalfaktoren ~ r individuelle Erwerbsverlfiufe. Individuelle Ressourcen (insbesondere in Form yon Bildung und beruflichen Qualifikationen) stellen auch ~ r ~.ltere Arbeimehmer eine zentrale Einflussgr6Be flir ihren spfiten Erwerbsverlauf dar: HOher gebildete Arbeimehmer bleiben in der Regel l(~nger erwerbst~itig und haben ein geringeres R&iko fiir Arbeitslosigkeit und berufliche Abstiege. Dartiber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass die Gefahr eines erzwungenen Ausstiegs aus dem Arbeitsmarkt bzw. eines beruflichen Abstiegs ~ r Arbeitnehmer in denjenigen Betrieben am gr6Bten ist, die in besonderem MaBe dem globalen Wettbewerb bzw. wirtschaftlicher Restrukturierung unterworfen sind (z.B. in der verarbeitenden Industrie oder der Schwerindustrie). Trotz der daraus resultierenden sozialen Selektivitfit in der Lfinge, Stabilitfit und Qualitfit spfiter Erwerbskarrieren lfisst sich im relativen Lebensstandard ~ilterer Arbeitnehmer im Globalisierungsprozess kaum eine Verschlechterung feststellen. Ein frt~her Erwerbsausstieg wurde im GroBteil der untersuchten Lfinder dutch groBztigige staatliche und betriebliche Kompensationsle&tungen materiell weitgehend ausgeglichen. In den liberalen Staaten stellt hingegen eine Kombination von staatlicher und privater Absicherung f'tir weite Teile der Bev61kerung das materielle Auskommen im Alter sicher. Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt jedoch Esdand dar. Hier ~hrte der Versuch einer Obertragung des liberalen Modells bei weitgehend geschlossenen Arbeitsmarktstrukturen zu einer bedenklichen Verschlechterung der finanziellen Lage i~lterer Arbeitnehmer: Einerseits garantierten staatliche Renten- und Sozialleistungen glteren Esten keinen ausreichenden Lebensstandard im Alter, andererseits hinderte ein rigider ,Insider-Outsider-Arbeitsmarkt' ~iltere Esten daran, ihren Lebensstandard durch Erwerbst~itigkeit zusfitzlich abzusichern. Der Fall Estlands verweist damit auf die notwendige wechselseitige Abstim-
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mung verschiedener wohlfahrtsstaatlicher Institutionen, um Nteren Arbeitnehmem eine materiell angemessene Anpassung an die durch Globalisierung ausgel6sten Wandlungsprozesse zu erm6glichen. 5.3.4 Umkehr des Frahverrentungstrends? Jtingere Arbeitsmarktdaten zeigen, dass sich seit Ende der 1990er Jahre in einer Reihe modemer Gesellschaften erste Anzeichen far eine Umkehr des bislang beobachteten Frtihverrentungstrends abzeichnen. Aus mehreren Granden ist davon auszugehen, dass es sich dabei nicht nur um einen vortibergehenden konjunkturellen Effekt, sondem um eine langfristige Trendwende in der Erwerbsbeteiligung ~ilterer Arbeitnehmer handelt. Unterschiedlichste nationale Rentensysteme geraten sowohl demographisch als auch durch die zunehmende Lebensarbeitszeitverkiirzung finanziell unter Druck, da 6ffentliche Kassen durch das zunehmende Ungleichgewicht zwischen Einzahlern und Anspruchsberechtigten belastet werden. Entsprechend reduzieren viele OECD-Staaten die durch ihre Rentensysteme und andere wohlfahrtsstaatlithen Institutionen angebotenen Frtihverrentungsanreize, so dass ein vorzeitiger Erwerbsausstieg finanziell immer unattraktiver wird (vgl. OECD 2006). Ahnliche Tendenzen zeigen sich auch hinsichtlich betrieblicher Rentenanreize. Grol3ztigige betriebliche Rentensysteme ~hren - wie sich derzeit in den USA z e i g t - mittelfristig dazu, dass Unternehmen ihre internationale Konkurrenzfdhigkeit einbgiflen. Die damit einhergehende Verlagerung der Verantwortung fiir die Alterssicherung auf den Einzelnen spricht daher far eine graduelle Rtickkehr zu lfingeren Erwerbskarrieren. Durch die gefallenen Geburtenraten in modemen L~indem stehen zudem langfristig nicht mehr geniigend junge Arbeitskrdfie zur Verfiigung, die die Positionen ~ilterer Arbeitnehmer tibemehmen k6nnen. Langfristig ist daher davon auszugehen, dass - sowohl individuell als auch volkswirtschaftlich betrachtet- wieder l~ngere Erwerbskarrieren angestrebt werden mtissen.
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Fazit
Die skizzierten Ergebnisse demonstrieren, in welch differentieller Weise sich die Prozesse der Globalisierung und Flexibilisierung auf verschiedene zentrale Oberg~inge in den Familien- und Erwerbsverl~iufen in modemen Gesellschaften ausgewirkt haben. Als l~indertibergreifendes Ergebnis Risst sich jedoch festhalten, (1) dass Globalisierung makrostukturell die Unsicherheit in modemen Gesellschaften deutlich erh6ht hat.
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(2) dass die Unsicherheit jedoch nicht alle Individuen in gleicher Weise trifft, sondern sehr stark auf bestimmte Gruppen (Berufseinsteiger, Arbeitslose, Frauen nach einer famili~iren Erwerbsunterbrechung) kanalisiert wird. Diejenigen Personen, die nicht fest im Erwerbsleben verankert sind bzw. sich an den R~.ndern des Arbeitsmarktes oder in unsicheren Besch~ftigungsverhWtnissen befinden, sind besonders durch Verlagerungen von Marktrisiken zu ihren Ungunsten betroffen. (3) dass der Globalisierungsprozess durch seine differentielle Wirkung auf spezifische Personengruppen zu einer Verstdrkung sozialer Ungleichheiten in westlichen Industriegesellschaften geft~hrt hat. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von M~rkten werden individuelle Arbeitsmarktressourcen (wie etwa Bildung, berufliche Qualifikationen, Berufserfahrung oder Alter) ftir den Erwerbsverlauf immer wichtiger und verst~,rken damit noch die bereits durch das Bildungssystem angelegten Ungleichheiten innerhalb moderner Gesellschaften.
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Der Traum einer kontinuierlichen Besch iftigungErwerbsunterbrechungen bei M innem und Frauen Dana Mfiller* 1
Einleitung
Die Erwerbst~itigkeit nimmt einen zentralen Stellenwert im Lebensverlauf ein. Neben der Sicherung des Lebensunterhalts w~ihrend der Erwerbsphase ist sie notwendig fiir den Erhalt einer staatlichen Rente im Ruhestand. Sie dient der Befriedigung yon pers/Snlichen Bedtirfnissen und dem Erreichen gesellschaftlicher Wertsch~itzung. Erwerbsunterbrechungen, wie z.B. dutch Arbeitslosigkeit, fiihren aufgrund der sozialen Sicherungssysteme zwar nicht zum materiellen Existenzverlust. Sie k/Snnen jedoch nachhaltige Auswirkungen auf den weiteren Erwerbsverlauf haben. Bei einer Betrachtung der derzeitigen Lage Deutschlands, die u.a. gekennzeichnet ist von anhaltender Arbeitslosigkeit und Zunahme unsicherer Besch~iftigungsverhNtnisse, ist eine stetige Erwerbstfitigkeit v o n d e r Ausbildung bis zur Rente kaum noch vorstellbar. Dieser Beitrag untersucht, ob die am Arbeitsmarkt in Deutschland lange vorherrschende kontinuierliche Besch~iftigung heute noch m6glich oder eher zu einem Traum geworden ist. Hierbei wird zunfichst der Wandel von Erwerbsverl~iufen der letzten fiinf Jahrzehnte unter Berticksichtigung der sozialstrukturellen Verfinderungen in Deutschland zusammenfassend beschrieben. Den theoretischen Hintergrund bildet hierbei die Diskussion zur Instimtionalisierung versus De-Institutionalisierung von Lebensverl~iufen. W~ihrend bis Anfang der 1970er Jahre der instimtionalisierte Lebenslauf dominierte, kam es anschlie6end- einhergehend mit strukturellen Vedinderungen, z.B. der Zunahme der Frauenerwerbst~itigkeit, der Ausdehnung des terti~iren Sektors oder der Produktionsverlagerung ins A u s l a n d - zu einem Stillstand der Institutionalisierung. Eine Anpassung an die ver~inderten Rahmenbedingungen Nhrte zu einem Wandel von Lebensund Erwerbsverl~iufen. Das Aufbrechen bestehender starrer instimtioneller Regelungen wird als Prozess der De-Instimtionalisierung des Lebensverlaufs interpretiert. Nach den theoretischen Erl~iuterungen erfolgt in einem zweiten Far die hilfreichen Kommentare danke ich den Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Tagung ,,Flexibilisierung: Folgen far Familie und Sozialstruktur" vom 12. bis 13. Mai 2006 in Zarich. Insbesondere danke ich Stefan Bender, Agnes Dundler, Peter Jacobebbinghaus, Annette Kohlmann, Alexandra Schmucker und Marc Szydlik far die Unterstatzung und konstruktiven Anmerkungen.
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Dana MMler
Schritt die empirische Untersuchung zum Wandel von Erwerbsverlfiufen. Vier Kohorten werden hinsichtlich verschiedener Statusaberg~inge (z.B. Eintritt in den Erwerbsverlauf) und Statuspassagen (z.B. Dauer der Arbeitslosigkeit) analysiert. Im Mittelpunkt steht hierbei die Betrachtung des gesamten Erwerbsverlaufs von M~innem und Frauen ~.
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Erwerbsverl~iufe im Wandel
Im Mittelpunkt des modernen Lebenslaufs steht die Erwerbsphase. Als Vorbereitung auf die Erwerbsphase dient die Schul- und Berufsausbildung (Vorbereimngsphase), und am Ende der Erwerbsphase steht der Eintritt in den Ruhestand. Die staatlichen Bildungs- und Rentensysteme dienen einerseits der Strukturierung des Lebenslaufs um die Erwerbsphase. Andererseits beeinflusst das Bildungssystem die beruflichen M/Sglichkeiten im sp~iteren Erwerbsverlauf, und die H6he der gesetzlichen Rente wird durch die Beschfiftigungsdauer und die H~She des Erwerbseinkommens bestimmt. Die Gliederung individueller Lebensl~iufe mittels instimtioneller Regelungen, die sich am chronologischen Alter orientieren, kennzeichnet die Institutionalisierung des Lebensverlaufs (vgl. Kohli 1985). Die Verl~ingemng der Lebenszeit und der Ausbau der Bildungs- und Rentensysteme Nhrten zu relativ gleichartigen Mustem von Lebensverl~iufen mit definierten Oberg~ingen. Der moderne Lebenslauf unterliegt somit einer Dreiteilung, dessen struktureller Kern die Erwerbsarbeit ist (vgl. Kohli 1985, 1994). Entscheidend zur Kontinuitfit des Lebenslaufs tragen die sozialen Systeme bei. Zum einen sind die Sozialversicherungssysteme zugeschnitten auf eine kontinuierliche und langfristige Erwerbsphase in abh~ingiger Besch~iftigung, da sie primfir auf beitragsfinanzierten Versicherungsleistungen beruhen. Zum anderen sichem sie die materielle Existenz, wenn Brache auftreten wie z.B. Arbeitslosigkeit (vgl. Mayer/Mailer 1994, Mayer 2001). Durch die zunehmende Institutionalisierung in der Nachkriegszeit hat sich eine Normalbiographie herausgebildet, die einen erwartbaren Lebenslauf erm(Sglichte. Die Stabilit~it der Erwerbsverh~iltnisse in den 1950er und 1960er Jahren, einer Zeit, die durch Wirtschattsaufschwung, expandierende Arbeitsmfirkte und steigenden Wohlstand charakterisiert ist, hatte dabei einen entscheidenden Einfluss. Parallel hierzu konnte sich in dieser Zeit das NormalarbeitsverhNmis herausbilden, verstanden als ein auf Dauer bestehendes sozialversicherungspflichtiges ArbeitsverhNtnis in Vollzeit, mit festem Arbeitszeitmuster, geregeltem Lohn und Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers gegenaber dem Arbeitgeber (Miickenberger 1985, Hoffinann/Walwei 1998). 1
Alle Aus~hrungen werden sich auf Westdeutschland beziehen, da tar ostdeutsche Erwerbsverlfmfeerst ab 1990 vergleichbareDaten vorliegen.
Der Traum einer kontinuierlichen Besch~ifiigung
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Das Normalarbeitsverhfiltnis ist jedoch nach Mt~ckenberger (1985) eine Fiktion. Zum einen habe es schon immer abweichende Arbeitsverhfilmisse gegeben, und zum anderen sei es ,,vielmehr auch eine juristisch anerkannte und darum ,gesetzte Fiktion'" (Kress 1998: 490). Der Staat, Unternehmen und Gewerkschaften orientieren sich am NormalarbeitsverhNtnis, was sich in den gesetzlichen Regelungen und der gewerkschaftlichen Tarifpolitik widerspiegelt. Far den Einzelnen ergibt sich damit die M6glichkeit einer Kontinuitfit im Erwerbsleben sowie Stabilit~t in der materiellen Absicherung, z.B. bei Brachen im Erwerbsleben und im Ruhestand (vgl. Osterland 1990). Der Lebensverlauf wird somit flir viele vorausschaubar und planbar. Das NormalarbeitsverhNtnis gilt jedoch nicht flir beide Geschlechter gleichermaBen, sondern ist zugeschnitten auf den m~nnlichen Erwerbsverlauf. Das Familienleben sowie die Geburt und Erziehung der Kinder bestimmten das Leben der meisten Frauen. Gesetzliche Regelungen und Normen unterstatzten dabei das mfinnliche Emfihrermodell und das traditionelle Rollenbild der Frau. Die auBerhfiusliche Erwerbsarbeit der Frauen war nur notwendig, wenn das Haushaltseinkommen nicht ausreichte (vgl. Sorensen 1990, Prinz 1994). Erste familienpolitische Anderungen gab es bereits in den 1960er Jahren. Wfihrend in den 1950er Jahren die Versorgerehe als Vorbild galt, wurde in den 1960er Jahren das Dreiphasenmodell- Berufstfitigkeit bis zur Geburt des Kindes, Familienphase, Rackkehr zur Erwerbstfitigkeit- familienpolitisch postuliert. Von einer Annfiherung an den mfinnlichen Erwerbsverlauf kann nur teilweise gesprochen werden. Trotz gleicher Ausgangsbedingungen, erm6glicht durch das Bildungssystem Deutschlands, betrifft die Unterbrechung der Erwerbstgtigkeit zur Grandung einer Familie nach wie vor die Frauen. Bei einer Rt~ckkehr in die Erwerbstfitigkeit ist es vorrangig ihre Aufgabe, Familie und Beruf zu koordinieren. Nicht zuletzt aufgrund eingeschr~nkter Betreuungsm6glichkeiten (vgl. Engstler/Menning 2003: l l9ff.) gehen Frauen Beschfiftigungsverhfiltnisse ein, die vom NormalarbeitsverhNtnis abweichen, um Familie und Beruf vereinbaren zu k6nnen. Seit Beginn der 1970er Jahre haben sich gravierende Ver~.nderungen in der Sozial- und Wirtschaftsstruktur vollzogen, die in der Literamr als Phase der De-Instimtionalisierung, De-Standardisierung, Individualisierung und Flexibilisierung, einhergehend mit dem Wandel von Lebensverl~ufen, gewertet werden. Zahlreiche wissenschaftliche Ver6ffentlichungen spiegeln die Diskussion um den sozialen Wandel von Lebensverlfiufen wider (u.a. Berger/ Hradil 1990, Mayer et al. 1991, Berger/Sopp 1992, Mayer/Mt~ller 1994, Zapf et al. 1996, Heinz et al. 1998, Nave-Herz 2002). Interessant flir den Erwerbsverlauf sind die Verfinderungen auf dem Arbeitsmarkt. Kennzeichnend Nr den deutschen Arbeitsmarkt sind seit Mitte der 1970er Jahre ein hohes Arbeitslosigkeitsniveau und die Zunahme von atypischen, also vom Normalarbeitsverhfilmis abweichenden Beschfiftigungen wie
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Dana Miiller
Teilzeit, Leiharbeit, befristete und geringftigige Besch~iftigungen. Grafik 1 veranschaulicht die Besch~iftigungsentwicklung in Westdeutschland seit 1960. Auffiillig sind hierbei die gestiegene abh~ingige Erwerbsbeteiligung seit Mitte der 1970er Jahre, die bereits erw~ihnte Zunahme der Arbeitslosigkeit 2 und der Anstieg der Teilzeitbesch~iftigung, die vorrangig auf Frauen zutrifft (vgl. Bundesministerium fiar Arbeit und Soziales 2006). In Anlehnung an Struck (2006) k6nnen die Ursachen des Strukturwandels am Arbeitsmarkt in fi~nf Punkten zusammengefasst werden: 1.
2.
3. 4.
5.
Ver~indemng von Arbeitsnachfrage und Arbeitsangebot durch die Zunahme der Frauenerwerbst~itigkeit, Zuwanderung 3 und Verschiebung der Besch~iftigung in den terti~iren Sektor 4 (sektoraler Strukturwandel), wirtschaftliche Verfinderungen und Anpassung von Seiten der Unternehmen mittels Rationalisierungsstrategien wie z.B. Produktionsverlagerung ins Ausland, vedinderte Qualifikationsanforderungen im Zuge der Technisierung und Informatisierung, ver~inderte Beschfiftigungsinteressen durch das Bedtirfnis nach Selbstentfalmng und den gegebenen MOglichkeiten, diese zu befriedigen mit dem Hintergrund der Absicherung von Risiken durch die soziaien Systeme sowie rechtliche und institutionelle Anderungen zur Unterstatzung einer h6heren Flexibilit~it am Arbeitsmarkt wie bspw. durch das Besch~iftigungsfOrderungsgesetz 5.
Die beschriebenen Ver~inderungen des Arbeitsmarktes verdeutlichen, dass die Stabilit~it von Besch~iftigungen nicht mehr in dem Umfang gewfihrleistet werden kann, wie es bis zu Beginn der 1970er Jahre mOglich war. Stattdessen werden die starren institutionellen Regelungen aufgebrochen, um das Gleichgewicht am Arbeitsmarkt wieder herzustellen. Dabei werden instabile Besch~iftigungen zugelassen, die zur Diskontinuit~it im Erwerbsverlaufbeitragen. Jedoch kann nicht geschlussfolgert werden, dass instabile Besch~iftigungen zwangsl~iufig in die Arbeitslosigkeit ~hren. 2
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Um ein vollst~indiges Bild der Unterbesch~iftigung zu erhalten, masste zu den Arbeitslosen noch die ,Stille Reserve" gezlihlt werden. Dies sind Personen, die nicht erwerbst~tig aber erwerbsf~ihig sind und nicht in der Arbeitslosenstatistik auftauchen (vgl. Fuchs et al. 2005). Nichtnur die Zuwanderung von Personen aus dem Ausland bzw. tier Aus- und 0bersiedler ist bier von Bedeutung, sondern auch die Vertinderungen, die sich in Folge der Einheit Deutschlands ergaben. Anzumerkenist hier, class der Tertiftrisierungsprozess nach Blossfeld (1984) ,,die wesentliche Grundvoraussetzung zur Verbesserung der beruflichen Lage der Frauen geliefert" hat (ebd.: 41). Das Besch~iftigungsfOrderungsgesetz yon 1985 regelte z.B. die befristete Besch~iftigung neu und lockerte far Kleinbetriebe den Kandigungsschutz (vgl. Kress 1989).
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Beschdfiigungsentwicklung in Westdeutschland (mit West-Berlin)
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20000
....
in Tausend
15000
15000
10000 10000
5000 5000 0
1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2004 1960
9
1965
1970
1975
1980
Teilzeit Besch~i~igte Arbeitnehmer ~ Teilzeit
1985
1990
1995
2000
Vollzeit registrierte Arbeitslose Vollzeit
2004
Quelle: Allmendinger et al. Beschäftigte 2005: 200-207. Berechnungen desregistrierte IAB. Arbeitnehmer Arbeitslose Eine befristete Beschfiftigung kann beispielsweise in ein unbefristetes Arbeitsverhfilmis mt~nden. Jedoch gehen instabile Beschfiftigungen mit hOheren Risiken einher, zum einen arbeitslos zu werden und zum anderen nicht die notwendige Beschfiftigungsdauer und die HOhe des Einkommens zu erzielen, die eine eigenstfindige materielle Sicherung im Ruhestand gewfihrleisten. Zahlreiche Einflussfaktoren (individuelle und kontextuelle Faktoren 6) erhOhen und verringern die Stabilitfit von Beschfiftigungen (z.B. Bender et al. 2000, Struck 2006). Untersuchungen t~ber den Einfluss von Bildung zeigen seit Jahrzehnten das gleiche Bild. Akademiker tragen das geringste Risiko, arbeitslos zu werden, w~hrend Geringqualifizierte das hOchste Risiko aufweisen (vgl. Reinberg/Hummel 2005). Die Darstellung des Wandels von Erwerbsverlfiufen verdeutlicht bereits, dass die Institutionalisierung des Lebenslaufs in seiner Dreiteilung zwar noch gegeben ist, aber BriOche bzw. Aufweichungen sowohl am Anfang als auch Zu den kontextuellen Faktoren z~hlen z B. Reformen wie das Arbeitnehmer0berlassungsrecht oder betriebliche Faktoren wie die Betriebsgr0Be. Individuelle Faktoren sind Bildung, Beschaftigungsdauer im Betrieb und Engagement.
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Dana Mfiller
innerhalb und am Ende des Erwerbsverlaufs wahrscheinlicher werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Phase der Standardisierung der Erwerbsverl~.ufe, die bis zu Beginn der 1970er Jahre w~.hrte, eine Ausnahme darstellt und nicht die Normalit~.t. Diese These greifen bereits Berger und Sopp (1992) auf und kommen zu dem Schluss, dass die 1950er und 1960er ,,(...) kaum als ,normale' oder als ,Standardperiode' in der deutschen Geschichte angesehen werden kann" (Berger/Sopp 1992: 179). Sie untersuchten Erwerbsverlfiufe, deren Beobachtungszeitraum bereits Anfang der 1980er Jahre endet. Mit den vorliegenden Daten, die bis 2003 reichen, ist es mOglich, einen lfingeren Beobachtungszeitraum zu analysieren und die These erneut zu prafen. In einer zweiten These wird davon ausgegangen, dass Personen Planung und materielle Sicherheit in ihrem Erwerbsverlauf anstreben und somit diskontinuierliche Erwerbsverl~.ufe zu vermeiden versuchen, indem sie u.a. auch atypische BeschfiftigungsverhNtnisse eingehen. Einerseits kOnnen sie dadurch individuelle Bedarfnisse befriedigen, andererseits materielle Sicherheit im Ruhestand erreichen. Personen haben die MOglichkeit, ihren Erwerbsverlauf selbst zu gestalten, bzw. sie kOnnen Einfluss darauf nehmen und werden entsprechend ihrer Bildungs- und Berufchancen agieren, um in Beschfiftigung zu bleiben.
Datenbasis und Vorgehensweise Die Analyse des gesamten Erwerbsverlaufs steht im Mittelpunkt dieses Beitrags. Deshalb werden Daten benOtigt, die einerseits einen langen Zeitraum abbilden und anderseits genaue Zeitangaben ausweisen 7. Far die Analysen wird deshalb auf die IAB-Beschfiftigtenstichprobe 1975-1995 mit Ergfinzungsteil ! und II zurackgegriffen. Es handelt sich hierbei um einen einzigartigen Datensatz, der sowohl Daten der Bundesagentur far Arbeit (BA) als auch Daten der Deutschen Rentenversicherung enthfilt und den gesamten Erwerbsverlauf von Personen abbildet, die sozialversicherungspflichtig (svp.) beschfiftigt waren. Die Basis des verwendeten Datensatzes ist die IAB-Beschfiftigtenstichprobe 1975-1995. Die Daten entstammen aus der Historikdatei der Besch~ftigtenstatistik 8, die im Instimt ~ r Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gef~hrt wird. Die Grundlage der Historikdatei bildet das Meldeverfahren zur Sozialversicherung, den Pflichtmeldungen der Arbeitgeber aber ihre sozialversicherungspflichtigen Arbeimehmer. Far die IAB-Beschfiftigtenstichprobe wurde eine l%-Stichprobe aus der Gesamtheit aller Personen, die im Zeitraum von 7 8
Erwerbsverl~ufek0nnen ebenfalls mit den Daten aus der Lebensverlaufsstudie des MaxPlanck-Instituts Far Bildungsforschung oder dem Sozio-0konomischen Panel untersucht werden. Die Beschaffigtenstatistikwird yon der Bundesagenturmr Arbeit (BA) erstellt.
Der Traum einer kontinuierlichen Beschdftigung
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1975-1995 mindestens einmal svp. beschfiftigt waren, gezogen 9. Zusfitzlich wurden Leismngsbezugszeiten und Betriebsinformationen in die Stichprobe aufgenommen. Bei den Angaben in der Stichprobe handelt es sich um tagesgenaue Informationen zu svp. BeschfiftigungsverhNmissen und zum Leistungsbezug flir einen Zeitraum von 21 Jahren (vgl. Bender et al. 1996, Bender et al. 1999). Mit der IAB-Beschfiftigtenstichprobe allein ist es nicht m0glich, den gesamten Erwerbsverlauf zu untersuchen. Deshalb wurden weitere Informationen zur IAB-Besch~,ftigtenstichprobe hinzugespielt, um Besch~,ftigungsund Arbeitslosenzeiten vor 1975 analysieren zu k0nnen. Diese Informationen stammen vom Verband deutscher Rentenversichemngstr~ger (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) und werden als Erg~nzungsteil ! bezeichnet. Auch diese Informationen sind zum grN3ten Tell den Meldungen zur Sozialversicherung entnommen ~~ Mit Hilfe dieser zus~tzlichen Angaben ist es nun m/3glich, die gesamte sozialversicherungspflichtige Erwerbsbiographie und Leistungsbezugszeiten bis 1995 zu analysieren. Des Weiteren sind Zusatzinformationen fiber Zeiten zur Mutterschaft und Krankheit enthalten (l~r eine detaillierte Beschreibung siehe Wtibbeke 2005a, 2005b). Ein weiterer Vorteil der Rentendaten ist, dass vor der Berechnung der Rente die vorliegenden Informationen zur Person von Seiten des Antragsstellers gepraft werden (Kontenkl~mng). Durch die Prafung liegen letztendlich genaue Daten vor. Da die IAB-Besch~ftigtenstichprobe 1975-1995 mit Ergfinzungsteil I nur bis 1995 reicht, wurden die Informationen, die in der IAB-Beschfiftigtenstichprobe enthalten sind, aus der gleichen Quelle bis 2003 ergfinzt und als Erg~.nzungsteil II definiert. Zusammenfassend liegt nun ein Datensatz vor (vgl. Abbildung 1), der tagesgenaue, verlfissliche und vollstfindige Informationen zu den versicherungsrechtlich relevanten Merkmalen enthNt. Probleme, die sich mittels retrospektiver Befragungen ergeben warden, wie Erinnerungslacken, treten bei prozessproduzierten Daten nicht auf, ebenso wenig wie Antwortverweigerungen oder Panelmortalitfit. Selbststfindige ~, Beamte und mithelfende Familienangeh0rige werden in den Daten nicht erfasst, da sie nicht in den Aufgabenbereich der BA und der Deutschen Rentenversicherung fallen. Entsprechend fehlen auch Informationen zur Parmerschaft und zum Haushaltskontext. Atypische Beschfiftigungen wie Teilzeitarbeit (ab 1975) oder gering~gige Beschfiftigungen (ab 1999) sind zwar in den Daten ab einem bestimmten Zeitpunkt enthalten, werden 9
Die IAB-Beschaftigtenstichprobe ist eine repr~entative Stichprobe far alle sozialversicherungspflichtig Beschaftigten. Sie ist nicht repr~entativ far die Zeiten in Arbeitslosigkeit. 10 Jedochwerden nur die Informationen, die sowohl die BAals auch die Deutsche Rentenversicherung far ihre Aufgabenerft~llung ben0tigen, in den beiden Institutionen vorgehalten. Eine andere Informationsquelle far die Deutsche Rentenversicherung ware das Einwohnermeldeamt, das die Geburten abermittelt. 11 Selbststandige k0nnen auf Antrag rentenversicherungspflichtig werden bzw. freiwillig Beitrage in das deutsche Rentensystemeinzahlen.
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Dana Miiller
aber nicht als Unterscheidungskriterium verwendet. Wichtig ist far diesen Beitrag, den gesamten Erwerbsverlauf bzw. Altersbereiche zu untersuchen, in denen alle ben6tigten Informationen aber den gesamten Zeitraum vorliegen. Abbildung 1:
IAB-Beschdftigtenstichprobe mit Ergi~nzungsteil I und H 1% Stichprobe 1% Stichprobe
1975
:i:i:i:i:i:i:i:i:i:i:i:l 1995
2003
m IAB-Beschfiftigtenstichprobe 2003 1975 1995 D Ergfinzungsteil I [~ IAB-Beschäftigtenstichprobe IAB-Beschfiftigtenstichprobe und Ergfinzungsteil I I II IT']Ergänzungsteil Ergfinzungsteil IAB-Beschäftigtenstichprobe und Ergänzungsteil I Far Ergänzungsteil die Analysen IIvon Verfinderungen im Erwerbsverlauf wird ein Kohortenansatz gewfihlt. Die Geburt gilt hierbei als kohortendefiniertes Ereignis (Mayer/Huinink 1990). Vier Kohorten, die jeweils drei Geburtsjahrgfinge umfassen, wurden far die Analyse ausgewfihlt: die Kohorten 1929-1931, 19391941, 1949-1951 und 1959-1961. Da die Geburtsjahrgfinge eng beieinander liegen, werden kaum heterogene Schicksale der einzelnen Geburtsjahrg~.nge erwartet. Insgesamt stehen Informationen zu 73.142 Personen zur Verfagung. Die Verteilungen von Mfinnem und Frauen nach den einzelnen Kohorten sind in Tabelle 1 abgebildet: Tabelle 1:
Anzahl der Personen nach Kohorten und Geschlecht Manner
Frauen
Geburtsjahrgange 1929-1931 Geburtsjahrgange 1939-1941 Geburtsjahrgange 1949-1951 Geburtsjahrgange 1959-1961
5.786 10.108 9.610 13.585
3.856 8.258 8.919 13.020
n
39.089
34.053
Datenbasis: IAB-Beschfiftigtenstichprobe 1975-1995 mit Ergfinzungsteil I und II, eigene Berechnungen. Ft~r die Untersuchung wurden Altersgruppen, die jeweils zehn Jahre umfassen, gebildet, um Erwerbssequenzen gleicher Lfinge analysieren zu k6nnen. Der Vorteil yon Altersgruppen ist, dass perioden- und kohortenspezifische
Der Traum einer kontinuierlichen Beschdftigung
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Einfltisse fiir verschiedene Altersbereiche erfasst werden und somit Inter- und Intrakohortenvergleiche vorgenommen werden k6nnen. Ein Nachteil ist, dass fiir die jtingeren Kohorten nicht der gesamte Erwerbsverlauf untersucht werden kann, sondern nur bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes. lm Mittelpunkt des Artikels steht die Kontinuit~it von Besch~iftigung. Deshalb ist es notwendig, Kontinuitfit und Diskontinuit~it von Erwerbsverlfiufen zu definieren. Als Anhaltspunkt far Kontinuitfit dient der Erhalt einer gesetzlichen Rente im Ruhestand, ohne auf andere Sozialsicherungsleistungen wie z.B. Sozialhilfe zurtickgreifen zu massen. Kontinuitfit kennzeichnet somit eine stetige Dauer in einem bzw. mehreren Besch~iftigungsverhNtnissen. Brtiche von kurzer Dauer unterbrechen zwar kurzfristig gesehen die Kontinuit~it, werden aber aufgefangen durch die sozialen Sicherungssysteme und verursachen langfristig keine Nachteile fiir die materielle Existenzsicherung im Alter. Ausschlaggebend ist hierbei die dominierende Verlaufsform, und zwar die Besch~iftigung. Anders verhfilt es sich bei diskontinuierlichen Verl~iufen. Treten z.B. mehrere Arbeitslosigkeitsphasen auf, die l~ingere Zeitr~iume umfassen, und mehren sich die Statuswechsel, dann kann nicht mehr von Kontinuit~t ausgegangen werden, da sich das Risiko der Altersarmut erh6ht. Die Zuordnung yon kontinuierlichen und diskontinuierlichen Erwerbsverl~iufen erfolgt fiir beide Geschlechter gleich. Die Unterbrechung der Erwerbst~itigkeit fiir die Grtindung einer Familie ftihrt nicht zu diskontinuierlichen Erwerbsverl~iufen, wenn eine Rtickkehr in das Erwerbsleben stattfindet. Erst das Ausbleiben des Wiedereintritts in den Arbeitsmarkt bzw. eine sprite Rackkehr hat nachhaltige Auswirkungen wie z.B. den Verlust des Anspruches auf die gesetzliche Rente bzw. eine verminderte Rente oder die vollst~indige materielle Abh~ingigkeit vom Ehepartner. Neben der Bestimmung der Begriffe Kontinuit~it und Diskontinuit~it ist es notwendig, Statustiberg~inge und Statuspassagen auch hinsichtlich der zur Verfagung stehenden Daten zu definieren. Das Eintrittsalter in eine Besch~iftigung wurde erst gez~ihlt, wenn eine Person ein Jahr abh~ingig besch~iftigt war. Somit werden kiirzere Besch~iftigungszeiten z.B. w~ihrend des Studiums ausgeschlossen 12. Eine Person bekommt erst dann den Zustand ,arbeitslos' zugewiesen, wenn sie vorher abh~ingig besch~iftigt war und danach mindestens eine Arbeitslosigkeitsepisode mit Leistungsbezug bestand (in Anlehnung an Fitzenberger/Wilke 2004). Lticken ohne Leistungsbezug k6nnen nicht deftniert werden, da es sich hier um eine Selbstst~indigkeit, den Wechsel zum Beamtenstams oder freiwillige Arbeitslosigkeit handeln kOnnte. Entsprechend 12 Anzumerkenist, dass die Ausbildung als Besch~iftigunggilt. Die ersten drei Jahre vor dem 25. Lebensjahr werden immer als Besch~ifligung im Datenteil der Deutschen Rentenversieherung gez~ihlt. Sprite Eintritte in eine svp. Besch~ifligung kOnnen daher rtihren, dass zuvor eine Selbstst~indigkeit bestand, die Person mithelfender FamilienangehOrigeroder geringfiigig besch~ifligtwar.
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Dana Miiller
der Definition von Kontinuitfit wurden bei der Berechnung von Dauern Lticken bis zu 31 Tagen ignoriert. Eine Lticke von weniger als 32 Tagen wird bei ansonsten stetiger Beschfiftigung keine Auswirkungen auf den weiteren Erwerbsverlauf haben und kann somit ignoriert werden. Eine kurze Besch~iftigung bis zu 31 Tagen bei ansonsten stetiger Arbeitslosigkeit hat kaum Auswirkungen auf die Verbesserung der Situation und kann ebenfalls auBer Acht gelassen werden.
4
Ergebnisse
Die Verfinderungen der Erwerbsbeteiligung sind in Grafik 2, getrennt nach M~innem und Frauen, abgebildet. Der Anteil der Erwerbst~itigen wurde zum Stichtag 30.6. im jeweiligen Alter ermittelt. Aufffillig bei den Mfinnem ist zun~ichst, dass die jtingeren Kohorten 1949-51 und 1959-61 eine geringere Besch~iftigungsbeteiligung im jt~ngeren Alter aufweisen als die Kohorte 1939-41. Es handelt sich hierbei um den bekannten Verschiebungseffekt durch den l~ingeren Verbleib im Bildungssystem, ausgelOst durch die Bildungsexpansion 13. W~ihrend knapp tiber 60 Prozent der zwei jtingsten Kohorten im Alter von 20 abh/angig besch~iftigt waren, betrug der Anteil bereits 80 Prozent bei den M/annem der Kohorte 1939-41 im gleichen Alter. Die hohe Besch/aftigungsbeteiligung dieser Kohorte war zu Beginn der 1960er Jahre, die durch Stellenzuwachs, niedrige Arbeitslosenquoten und einer Knappheit an Arbeitskr/aften gekennzeichnet war. Die Erwerbsbeteiligung der/altesten Kohorte im Alter 20 befand sich dagegen ann/ahemd auf dem gleichen Niveau wie bei den jtingsten Kohorten. Sie hatten beim Eintritt in die Erwerbst/atigkeit die Auswirkungen der Nachkriegszeit zu bew/altigen. Der deutlich erkennbare Einbruch der Erwerbsbeteiligung der M~inner um das Alter 20 kennzeichnet die Wehrdienstzeit. Die Geburtskohorten 1929-30 sind davon nicht betroffen, weil sie bei der Einfahrung der Wehrpflicht in der BRD 1955 bereits das Einzugsalter tiberschritten hatten. Bei Betrachmng der Erwerbsbeteiligung der M~inner im Alter von 30 bis 40 bzw. 50 zeigt sich deutlich, dass der Anteil in svp. Besch~iftigung bei den filteren Geburtskohorten durchgfingig bei tiber 80 Prozent liegt. Die VerDas Eintrittsalter in Besch~ftigung wurde differenziert nach Bildungsabschluss untersucht. Die zwei jOngsten Kohorten weisen einen hOheren Anteil an Personen mit Abitur und Hochschulabschluss auf (fiber 20 Prozent) als die zwei ~alterenKohorten (unter 14 Prozent). Die Untersuchung wurde nur far Manner durchgeft~hrt, da bei den Frauen ein Selektionsproblem aufgrund der Stichprobenziehung vorliegt. Frauen der Kohorte 1929-1931 mussten z.B. mindesten einmal im Alter von 44-64 abh~ngig besch~fligt sein, um in die Stichprobe zu gelangen. Letztendlich fehlen Frauen in der Stichprobe, die ausschlieBlich vor 1975 erwerbst~tigwaren.
Der Traum einer kontinuierlichen Beschgifiigung
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schlechterung der Situation auf dem Arbeitsmarkt, verbunden mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit ab Mitte der 1970er Jahre, prfigte bei den jOngeren Kohorten bereits den Eintritt in die Erwerbstfitigkeit. Der Besch~.ftigtenanteil der Kohorten 1949-51 und 1959-61 betrfigt knapp Ober 70 Prozent ab dem Alter 26 bzw. 29. Das Sinken der Erwerbsbeteiligung der jangeren Kohorten beginnt in den 1980er Jahren. FOr die Kohorten 1929-31 und 1939-41 ist es m6glich, die Erwerbsbeteiligung Ober einen lfingeren Zeitraum zu betrachten. Auff'~.llig ist, dass der Anteil in Besch~ftigung vor dem 60. Lebensjahr rapide sinkt. Nur wenige Personen verbleiben bis zum gesetzlichen Rentenalter in svp. Besch~.ftigung. Der frahe Austritt aus dem Erwerbsleben ist far diese Kohorten m6glich, weil die hohen Besch~ftigungsanteile ein Zeichen far kontinuierliche Erwerbsverlfiufe Ober einen langen Zeitraum abbilden. Somit war die Alterssicherung durch eine gesetzliche Rente bereits vor dem gesetzlichen Rentenalter erreicht. Ein frOher Austritt aus dem Erwerbsleben ist nicht unbedingt von den Personen gewollt. Altersteilzeit und Abfindungen fOrdern einen Austritt vor dem gesetzlichen Rentenalter (vgl. Krone/M011er 2000, BOttner et al. 2004). Grafik 2:
Anteil der Personen in svp. Beschdfiigung zum Stichtag 30.06. nach Geschlecht und Kohorten Manner
f?2
Frauen
..........
li
l
i
i
i
I
~'0
4'0
Alter zum 30.06.
Kohorte 1929-31 ......... Kohorte 1949-51
6'0
Kohorte 1939-41 - - - - Kohorte 1959-61
8'0 I I
I
;
I
~'0 I
4'0
Alter zum 30.06.
Kohorte 1929-31 ......... Kohorte 1949-51
go
- - - - Kohorte 1939-41 Kohorte 1959-61
8'o I
Datenbasis: IAB-Beschfiftigtenstichprobe 1975-1995 mit Ergfinzungsteil I und II, eigene Berechnungen. M~nner: 39.086, Frauen: 34.042.
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Dana M~iller
Bei den Frauen zeigt sich zunfichst bei den jangeren Kohorten, dass der Anteil der Erwerbst~tigen im Alter 20 ~hnlich ist wie bei den Mfinnem der gleichen Kohorte. Der geringe Beschfiftigtenanteil um das Alter 20 ist bei den filteren Kohorten nicht verwunderlich. Frauen stiegen entsprechend dem damals dominierenden Rollenbild ,,Hausfrau und Mutter" nach der Heirat beziehungsweise nach der Geburt eines (ersten) Kindes aus dem Erwerbsleben aus. Jedoch wird der geringe Beschfiftigtenanteil der Nteren Kohorten noch durch den Selektionseffekt der Stichprobenziehung verstfirkt (siehe Fuf3note 11). Die rapide Verringerung des Anteils der erwerbst~tigen Frauen ab dem Alter 20 kennzeichnet die Altersspanne, in der traditionell die Familienphase beginnt. Bei den Frauen der filteren Kohorten setzt diese frt~her ein als bei den jangeren Kohorten. Dies spiegelt die bekannte Verschiebung des Erstgebfiralters wider. Der Anteil der Erwerbsbeteiligung steigt ab Anfang 30 bei den zwei Ntesten Kohorten bzw. ab Mitte 30 bei den zwei jangeren Kohorten und erreicht bei allen Kohorten ab dem Alter 40 fiber 60 Prozent. Der Austritt aus dem Erwerbsleben verlfiuft bei den Frauen der Kohorten 1929-31 und 193941 fihnlich wie bei den Mfinnem. Bereits aber die Hfilfte der Frauen scheidet vor dem 60. Lebensjahr aus dem Erwerbsleben aus. Zusammenfassend zum Wandel der Erwerbsbeteiligung lfisst sich feststellen, dass die Mfinner der Kohorte 1929-31 und 1939-41 eine durchgehend hohe Erwerbsbeteiligung in der Haupterwerbsphase im Alter von 30-50 aufweisen. Hingegen zeigen die jangeren Kohorten eine deutlich geringere Erwerbsbeteiligung bis zum Ende des Beobachtungszeitraumes. Bereits beim Eintritt in das Erwerbsleben fanden die jangsten Kohorten verschlechterte Ausgangsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt vor, wfihrend die ~ltesten Kohorten vom Wirtschaftsaufschwung ab den 1960er Jahren profitierten. Die verfinderte Beschfiftigungsbeteiligung zwischen den Kohorten verdeutlicht zun~chst, dass diskontinuierliche Erwerbsverlfiufe bei den Kohorten 1949-51 und 1959-61 tendenziell h~.ufiger auftreten als bei den filteren Kohorten. Bei den Frauen zeigt sich far die zwei jangsten Kohorten eine Annfiherung an den mfinnlichen Erwerbsverlauf beim Eintritt in die Erwerbsphase. Jedoch bleibt die Besch~.ftigungsbeteiligung der Frauen nach Beendigung der Familienphase weit unter der Besch~.ftigungsbeteiligung der Mfinner. Der geringe Anteil in abh~.ngiger Beschfiftigung bei den zwei Nteren Kohorten liegt im damals vorherrschenden traditionellen Rollenbild der Frau begrandet und der gegebenen M6glichkeit der Versorgerehe mit dem Mann als Hauptemfihrer der Familie. Die gestiegene Erwerbsbeteiligung der Frauen ab den 1970er Jahren spiegelt sich in den Untersuchungsergebnissen wider. Die Erwerbsbeteiligung der Frauen der Kohorten 1929-31 und 1939-41 stieg ab dem Alter 40 aufweit fiber 60 Prozent an.
Der Traum einer kontinuierlichen Beschaftigung Grafik 3"
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Beschaftigungsdauer ab dem Alter 30 (Kaplan-Meier Schdtzer) nach Kohorten und Geschlecht 14
0.50
0.75
1.00
Männer Manner
0.25
~:,..
0.00
o~ 0;
10 1'0
20 2'0
30 3;
40 ;0
0.00
0.25
0.50
0.75
1.00
Frauen Frauen
I
I
I
I
I
00
10 10
20 20 Beschäftigungsdauer Beschfiftigungsdauer in in Jahren Jahren
30 30
40 40
Kohorte Kohorte 1929-31 1929-31 ......... Kohorte Kohorte 1949-51 1949-51
Kohorte Kohorte 1939-41 1939-41 Kohorte Kohorte 1959-61 1959-61
Datenbasis: IAB-Besch~iftigtenstichprobe 1975-1995 mit Erg~inzungsteil I und II, eigene Berechnungen. Mfinner: 31.078, Frauen" 14.776. Die Vedinderungen der Erwerbsbeteiligung lassen nur oberfl~ichlich Aussagen zur Kontinuit~it von Erwerbsverlfiufen zu. Deshalb wird mittels Ereignisdatenanalyse die Dauer in svp. Besch~iftigung untersucht. In die Analyse wurden Personen einbezogen, die zum Stichtag 30.6. abh~ingig besch~iftigt und 30 Jahre alt waren (siehe Grafik 3). Dies betrifft 80 Prozent aller Mfinner und 43 Prozent aller Frauen im generierten Datensatz. 14 Die Schatzergebnisse kOnnen bei der Autorin nachgefragt werden (siehe Autorenangaben am Ende des Bandes).
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Dana Miiller
Analysiert wird der Verbleib in Besch~ftigung bis zum Zustandswechsel ~5. Auffallend ist zunfichst, dass die Hfilfte der M~inner der filtesten (192931)16 und der jt~ngsten Kohorte (1959-61) bereits nach weniger als elf Jahren einen Zustandswechsel aufweisen. Stetige Beschfiftigung zeigt sich vor allem bei den Mfinnem der Kohorten 1939-41 und 1949-51. Mehr als 16 Jahre Beschfiftigung erreicht die Hfilfte der Mfinner dieser Kohorten. Rund ein Drittel der Mfinner der Kohorten 1929-31, 1939-41 und 1949-51 kann sogar auf mehr als 25 Jahre kontinuierlicher Beschfiftigung in einem oder mehreren aufeinander folgenden Beschfiftigungsverhfilmissen zurackblicken. Bei den Frauen wechseln bereits 50 Prozent in allen Kohorten weit vor dem Ablauf von zehn Jahren den Zustand. Ann~hemd 25 Prozent in den Kohorten 1929-31, 1939-41 und 1949-51 weisen eine stetige Beschfiftigung von 20 Jahren auf. Zusammenfassend zur Beschfiftigungsdauer ist festzustellen, dass Mfinner in hOherem Ausma6 stabile abhfingige Beschfiftigung ab dem Alter 30 aufweisen als Frauen. Bei den Mfinnem liegen vor allem bei den zwei mittleren Kohorten stetige Beschfiftigungsdauem fiber einen sehr langen Zeitraum vor. Jedoch wird auch deutlich, dass ca. 30 Prozent der Mfinner in allen Kohorten Besch~.ftigungsdauem von unter flinf Jahren aufweisen. In welchen Status die Personen wechseln, wurde bei dieser Analyse nicht untersucht, da das Hauptinteresse auf der kontinuierlichen Beschfiftigung lag. Der Zustandswechsel kann den 0bergang in eine Arbeitslosigkeit, aber auch in die Selbststfindigkeit oder in den Beamtenstatus markieren. Aufschluss fiber die Zeiten von Arbeitslosigkeit wird die folgende Analyse zum Beschfiftigungsintegrationsgrad geben. Der Beschfiftigungsintegrationsgrad beinhaltet den Anteil der Beschfiftigungsdauer an der Beschfiftigungs- und Arbeitslosigkeitsdauer. Far diese Analyse wurde aufgrund des begrenzten Beobachmngszeitraumes der jangsten Kohorten die Altersspanne 30 bis 40 ausgewfihlt. Die Dauer der Beschfiftigungs- bzw. Arbeitslosigkeitszeiten ergibt nicht zwangslfiufig die Summe von zehn Jahren, da Lacken in diesem Zeitraum enthalten sein kOnnen 17. , 100 Prozent' bedeutet hierbei, dass eine Person zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr ausschlie61ich erwerbstfitig war. Dagegen meint ,0 Prozent', dass ausschlie61ich Arbeitslosigkeit vorliegt. Entsprechend bedeuten ,50 Prozent', 15 Bei der berechneten Beschftftigtendauer ist nicht die Zugeh0rigkeit zu einem Betrieb abgebildet, sondern die stetige Besch~ftigung, die Betriebswechsel beinhalten kann. Betriebswechsel k0nnen bier nicht ausgewiesen werden, da in den Rentendaten keine Angaben zur Betriebsnummer vorliegen. Lticken yon maximal einem Monat werden nicht als Zustandswechsel gewertet. Es handelt sich hierbei um rechtszensierte Daten, da ein Zustandswechsel nicht bei allen Personen beobachtet werden kann. 16 Es wird angenommen, dass die kt~rzerenBesch~ftigungsdauemder Wtesten Kohorte auf die industrielle Strukturkrise in den 60er Jahren (B0hme 1977), die vor allem den Bergbau und das Baugewerbe betraf, zurtickzuf'tihren ist. 17 In die Analyse gehen nur Arbeitslosigkeitsdauern mit Leistungsbezug sowie sozialversicherungspflichtige Besch~ftigungsdauern ein.
Der Traum einer kontinuierlichen Beschdfiigung
61
dass Arbeitslosigkeits- und Besch~iftigungsdauer jeweils den gleichen Anteil aufweisen. Fiir eine bessere Darstellung wurde der Besch~iftigungsintegrationsgrad gruppiert (Tabelle 2). Auffallend ist, dass die Mehrheit der M~inner und Frauen in jeder Kohorte keine Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug in der Altersspanne 30 bis 40 erlebt haben. Tabelle 2:
Beschdfiigungsintegrationsgrad im Alter von 30 bis 40 Jahren nach Geschlecht und Kohorten
Besch~tftigungsintegrationsgrad (gruppiert) in Prozent
Kohorte 1929-31
Kohorte 1939-41
0,1 0,0 0,4 6,8 92,7 100 5.476
0,1 0,2 1,2 13,7 84,7 100 9.854
Kohorte 1949-51
Kohorte 1959-61
2,4 2,4 4,9 17,6 72,8 100 8.858
1,9 3,0 6,1 19,2 69,8 100 12.368
2,2 1,6 5,2 19,7 71,3
2,0 1,6 4,7 17,0 74,8
Manner 0 bis < 25 25 bis < 50 50 bis < 75 75 bis < 100 100 Gesamt n
Frauen 0 bis < 25 25 bis < 50 50 bis < 75 75 bis < 100 100 Gesamt n
0,3 0,1 0,2 5,7 93,8
0,6 0,3 1,7 13,9 83,5
100
100
100
100
2.847
6.801
7.036
11.292
Datenbasis: IAB-Beschfiftigtenstichprobe 1975-1995 mit Erg~inzungsteil I und II, eigene Berechnungen. Bei ,,Gesamt" k6nnen Rundungsfehler auftreten. Wfihrend unter acht Prozent der filtesten Kohorten 1929-31 und unter 18 Prozent der Kohorte 1939-41 Arbeitslosigkeit im Alter zwischen 30 und 40 erfahren haben, sind bereits mehr als ein Viertel der M~inner und Frauen der beiden jUngeren Kohorten (1949-51 und 1959-61) von Arbeitslosigkeit betroffen. Zwischen vier und fiinf Prozent der M~inner und Frauen der zwei jUngsten Kohorten weisen sogar eine l~ingere Arbeitslosigkeitsdauer als Besch~iftigungsdauer auf. Die Kohortenunterschiede treten noch stfirker zum Vorschein, wenn die erste Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug analysiert wird ~8. Positiv scheint zun~ichst, dass ann~ahernd die H~ilfte aller M~inner und 18 In der nachfolgenden Betrachtung erfolgte keine Standardisierung des Untersuchungszeitraums beim Vergleich der Kohorten, d.h. die Analysen enthalten unterschiedliche Beo-
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Frauen in jeder Kohorte keine Arbeitslosigkeit im gesamten Beobachtungszeitraum aufweisen ~9. Die H~ilt~e der Manner der Kohorte 1929-31 hatte ihre erste Arbeitslosigkeit bis zum Alter 42 erfahren 2~ 36 Prozent dieser Kohorte erlebten ihre erste Arbeitslosigkeit sogar erst ab dem Alter 50. Das mittlere Alter der ersten Arbeitslosigkeit verschiebt sich ab der Kohorte 1949-51 immer starker in die frtihere Erwerbsphase und betr~.gt bei der jtingsten Kohorte bereits 22 Jahre. Die Ergebnisse bei den Frauen sind fihnlich wie bei den M~innern der jeweiligen Kohorte. Die Berechnung des mittleren Alters der ersten Arbeitslosigkeit verdeutlicht, dass Arbeitslosigkeit kein ,,Altersrisiko" mehr darstellt, sondern alle Altersgruppen davon betroffen sein kOnnen. Es handelt sich somit um einen Perioden- und keinen Alterseffekt. Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen den Kohorten und M~innern und Frauen im Hinblick auf das Arbeitslosigkeitsrisiko. Die Chancen werden vor allem for die jt~ngeren Kohorten fiir M~inner und Frauen zunehmend ungtinstiger, da sie im Vergleich zu den ~ilteren Kohorten noch einen langen Zeitraum im Erwerbsleben bis zum Eintritt in den Ruhestand vor sich haben. Abschlie6end werden die Ergebnisse zur Dauer der Arbeitslosigkeit vorgestellt. Die Haupterwerbsphase wird erneut for die Untersuchung der Dauer ausgew~ihlt. Es wird die Arbeitslosigkeitsdauer 2~ von den Personen analysiert, die im Alter von 30 bis 40 arbeitslos wurden. Da mehrere Arbeitslosigkeitsepisoden in diesem Zeitraum auftreten kOnnen, wird nur die erste betrachtet (siehe Grafik 4). Das Ende der Arbeitslosigkeit kennzeichnet den Obergang in Besch~iftigung. Bei den M~innern zeigt sich deutlich, dass die ~ilteren Kohorten 1929-31 und 39-41 ktirzere Arbeitslosigkeitsdauern aufweisen als die Kohorten 194951 und 1959-61. W~hrend die H~ilfte der M~inner aller Kohorten nach einer kurzen Arbeitslosigkeitsdauer weit unter einem Jahr wieder in Besch~ittigung ist, treten starke Differenzen zwischen den Kohorten bei den restlichen 50 Prozent der M~inner auf. Weniger als ein Viertel der M~inner der Kohorte 1929-31 und knapp ein Drittel der Kohorte 1939-41 erlebte eine Arbeitslosigkeitsdauer von tiber einem Jahr. bachtungszeitraume for die einzelnen Kohorten. Dies hat einen Einfluss auf die Ergebnisse und kann bei den jOngeren Kohorten zu einer Verzerrung der Ergebnisse nach unten ftihren. Jedoch verdeutlichen bereits die Ergebnisse zum Beschaftigungsintegrationsgrad, dass tier Erwerbsverlauf der jOngeren Kohorten haufiger yon Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit im Alter von 30 bis 40 Jahren gekennzeichnet ist als bei den alteren Kohorten. 19 Keine Arbeitslosigkeit trat bei 48 Prozent der Manner und 53 Prozent der Frauen der Kohorte 1929-31, bei 45 bzw. 50 Prozent der Kohorte 1939-41, 57 bzw. 51 Prozent tier Kohorte 1949-51 und bei 50 bzw. 44 Prozent der Kohorte 1959-61 auf. 20 Personen,die keine Arbeitslosigkeit aufweisen, sind bei diesen Berechnungen ausgeschlossen. 21 Die Dauer der Arbeitslosigkeit kann auch Zeiten umfassen, die nicht an Leistungsbezug gekoppelt sind.
Der Traum einer kontinuierlichen Beschdfiigung
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Bei den jUngeren Kohorten 1949-51 und 1959-61 wiesen bereits rund ein Viertel der M~.nner pro Kohorte Arbeitslosigkeitsdauern von aber zwei Jahren auf. Allgemein l~.sst sich far die Mfinner feststellen, dass die Mehrheit in jeder Kohorte eine kurze erste Arbeitslosigkeitsdauer im Alter von 30 bis 40 aufweist. Allerdings sind bereits die jtingeren Kohorten 1949-51 und 1959-61 von lfingeren Arbeitslosigkeitsdauern betroffen als die filteren Kohorten. Grafik 4:
Erste Arbeitslosigkeitsdauer im Alter von 30-40 Jahren (Kaplan-Meier Schdtzer) nach Kohorten und Geschlecht 22
0.00
0.25
0.50
0.75
1.00
Manner Männer
1~0 10
0
2~0 20
30
0.00
0.25
0.50
0.75
1.00
Frauen
0
5~
1~0 1~5 10 15 Arbeitslosigkeitsdauer in Jahren Arbeitslosigkeitsdauer
Kohorte 1929-31 1929-31 ......... Kohorte 1949-51 1949-51
2~0 20
2~5 25
Kohorte 1939-41 1939-41 Kohorte 1959-61 1959-61
Datenbasis: IAB-Besch/afligtenstichprobe 1975-1995 mit Erg/anzungsteil I und II, eigene Berechnungen. M~inner: 10.442, Frauen: 9.695. 22 Die Schatzergebnisse k0nnen bei der Autorin nachgefragt werden (siehe Autorenangaben am Ende des Bandes).
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Bei den Frauen zeigt sich ein anderes Bild. Die erste Arbeitslosigkeit im Alter zwischen 30 und 40 betrfigt bei der Mehrheit der Frauen, ausgenommen die Frauen der Kohorte 1929-31, bereits t~ber ein Jahr. Wfihrend mehr als ein Drittel der Frauen der Kohorte 1929-31 l~.nger als ein Jahr arbeitslos sind, bevor sie wieder abh~.ngig beschfiftigt sind, erh6ht sich die Arbeitslosigkeitsdauer bei den jt~ngeren drei Kohorten. Am stfirksten von langer Arbeitslosigkeit sind die Frauen der Kohorte 1949-51 betroffen. Ein Drittel dieser Kohorte weist Arbeitslosigkeitsdauern von t~ber drei Jahren auf. Es wird davon ausgegangen, dass die Betreuung der Kinder hierbei eine entscheidende Rolle spielt. Aufgrund der Verschiebung des Erstgebfiralters bei den jt~ngeren Kohorten verschiebt sich die Betreuungsphase im Lebensverlauf nach hinten. Zudem sind die Betreuungseinrichtungen in Westdeutschland nicht flfichendeckend vorhanden (vgl. Engstler/Menning 2003) und die ()ffnungszeiten nicht auf eine Ganztagsbetreuung ausgerichtet. Frauen sind somit einem h6heren Risiko ausgesetzt, l~ngerfristig ohne Besch~ftigung zu bleiben.
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Fazit
Die Betrachtung von Erwerbsverlfiufen mit Hilfe von Prozessdaten- wie die hier vorliegende IAB-Beschfiftigtenstichprobe mit Zusatzinformationen der Deutschen Rentenversicherung- wird in Zukunft wichtiger werden. Obwohl Prozessdaten ein begrenztes Merkanalsspektrum aufweisen, haben sie Vorteile gegent~ber Befragungsdaten. Prozessdaten bieten grol3e Fallzahlen, die durch Befragungen nicht realisierbar sind. Des Weiteren treten keine Probleme wie z.B. Erinnerungslt~cken oder Antwortverweigerungen auf, die sich mittels retrospektiver Befragungen ergeben w~rden. Die Analyse von dis- bzw. kontinuierlichen Verlfiufen ist somit unabhfingig von spezifischen Rahmenbedingungen, die bei Befragungen gegeben sind. Anwendungen mit Prozessdaten werden in Zukunft zunehmen, da sie durch die neu entstandene Infrastruktur von Forschungsdaten- und Servicezentren Wissenschaftlern ~ r Analysen einfacher zugfinglich gemacht werden. Im vorliegenden Beitrag wurden ~ r vier Kohorten (1929-31, 1939-41, 1949-51 und 1959-61) die Erwerbsbeteiligung, die kumulierte Beschfiftigungsdauer ab dem Alter 30, das Verhfiltnis von Erwerbstfitigkeit und Arbeitslosigkeit und die Dauer der Arbeitslosigkeit betrachtet. Generell lfisst sich sagen, dass jt~ngere Kohorten stfirker von der Zunahme diskontinuierlicher Erwerbsverlfiufe betroffen sind als die filteren Kohorten. Wfihrend bei den filteren Kohorten Arbeitslosigkeit keine bzw. erst am Ende der Erwerbsphase eine Rolle spielt, erleben die jt~ngeren Kohorten bereits zu Beginn des Erwerbsleben die erste Arbeitslosigkeit. Der Erwerbsverlauf ist ~ r Frauen und Mfinner nicht identisch. Beide haben- aus unterschiedlichen Grt~nden-
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mit Erwerbsunterbrechungen zu kfimpfen. Trotz erschwerter Arbeitsmarktbedingungen gelingt zumindest der Mehrheit der Mfinner eine schnelle Rt~ckkehr ins Erwerbsleben. Bezug nehmend auf die These von Berger und Sopp (1992) sind die 1950er und 1960er Jahre als au6ergew0hnliche Zeit zu betrachten, denn den Traum einer kontinuierlichen Beschfiftigung konnten vor allem die Mfinner der ~lteren Kohorten realisieren. Sie profitierten von den Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs in dieser Periode, die eine Standardisierung der Erwerbsverlgufe und stetige Beschfiftigungen ermOglichte. Auch unter verfinderten bzw. schlechteren Arbeitsmarktbedingungen konnten die kontinuierlichen Erwerbsverl~ufe fortgesetzt werden. Dies wird durch die hier vorliegenden Ergebnisse weitestgehend bestfitigt. Eine kontinuierliche Beschfiftigung ist generell realisierbar, aber nicht far alle gleicherma6en. Fehlende Bildung, die Branche in der man arbeitet, uneingeschrfinkte oder fehlende institutionelle Regelungen sowie die historische Zeit sind einige Beispiele tar Einflussfaktoren, die eine kontinuierliche Besch~.ftigung zum Traum werden lassen. Es bleibt eher ein unerNllter Traum far Frauen als ~ r Mfinner. Wfihrend eine Angleichung des weiblichen an den m~innlichen Erwerbsverlauf bei den jangeren Kohorten stattfindet, sind es nach wie vor die Frauen, die ihren Erwerbsverlauf for die Familienphase unterbrechen und schlie61ich versuchen, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren.
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Mehrfachausbildungen und die Folgen ffir die Erwerbst itigkeit. Oder" Wer ist am erfolgreichsten? Wolfgang Lauterbach, Mareike Weil
Untersuchungsrahmen In der sozialwissenschaftlichen Debatte gilt der Arbeitsmarkt als ein durch Institutionen beeinflusster Markt, der die Chancengleichheit und die durch Einkommen bestimmte kurz- und langfristige individuelle oder familiale Wohlstandsposition maBgeblich beeinflusst (Sesselmeier/Blauermel 1997, Hinz/Abraham 2005). Von besonderer Bedeutung ist, dass die Wohlstandsposition maBgeblich durch Faktoren bestimmt wird, die dem Eintritt in den Arbeitsmarkt vorgelagert sind: Dies sind ganz wesentlich die soziale Herkunft, die schulische und die berufliche Ausbildung. Deshalb war in der arbeitsmarktsoziologischen Debatte in den letzten Jahren der Obergang in den Arbeitsmarkt von besonderer Bedeutung (Konietzka 1999, 2002, Hillmert/ Mayer 2004, Abraham/Hinz 2005, Seibert/Solga 2005). Dabei ist das Augenmerk vor allem auf den Obergang von der Schule in den ersten langfristigen Beruf gerichtet, denn dieser Obergang ist ganz wesentlich von der beruflichen Ausbildung gepr~igt. Der Eintritt in die erste l~ingerfristige Tfitigkeit baut auf den erlernten Beruf auf. In den 1990er Jahren wurde jedoch immer wieder darauf hingewiesen, dass das berufliche Ausbildungssystem nicht mehr den gegenw~irtigen Anforderungen eines modernen Arbeitsmarktes entspricht. Besonders augenfNlig war das ver~inderte Verhalten junger Erwachsener: Junge Erwachsene begannen Mehrfachausbildungen abzuschlieBen oder wechselten zwischen zwei oder mehreren beruflichen Ausbildungen (Leisering et al. 1994). Hinsichtlich der Befunde tiber die verl~ingerten Oberg~inge in den Arbeitsmarkt wurde in der Literatur die Abkehr vom 2-Schwellen-Modell als standardisiertes BeschreibungsmodelI ~ r die Oberg~inge zwischen dem Schulbildungs- und Ausbildungssystem (erste Schwelle) sowie zwischen dem Ausbildungs- und Arbeitsmarktsystem (zweite Schwelle) z.B. von Mayer (2004) betont, der den Weg in die ,,7-Schwellen-Gesellschaft" (ebd.: 205) beschreibt. Der Vorstellung, dass nach der Schule im direkten zeitlichen Anschluss eine berufliche Ausbildung absolviert wird und danach die erste Hauptberufst~itigkeit beginnt, wird der Anteil von jungen Erwachsenen mit mehreren Ausbildungen nicht mehr gerecht (Mertens 1976: 68).
Mehrfachausbildungen und die Folgen fiir die Erwerbstdtigkeit
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Das Ausbildungsverhalten in den 1990er Jahren fi~hrte dazu, dass die Phase zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn der ersten Hauptberufst~itigkeit fi~r immer gr6f3ere Gruppen immer lfinger wurde. Konietzka bezeichnete die berufliche Ausbildungsphase in den sp~ten 1980er und 1990er Jahren treffenderweise als ,,Spielwiese" (Konietzka 1999:193) fi~r die Suche nach einer geeigneten Ausbildung und darauf aufbauend nach einem geeigneten Beruf. Unklar blieb bisher aber vor allem, welche unterschiedlichen Muster von Mehrfachqualifikationen sich in den letzten Jahren herausgebildet haben und wie diese von den unterschiedlichen Schulformen und den Qualifikationen abh~ngen. Diese Fragen wollen wir mit den Daten der LifE Studie beantworten.
Die Bedeutung des beruflichen Qualifikationserwerbs von jungen Erwachsenen fiir den Zugang zum Arbeitsmarkt- Bisherige Befunde Das Ausbildungssystem gleicht einem ,,qualifikatorischen Raum" (Maurice et al. 1979: 308), der durch tiberregionale Verbreitung und Einheitlichkeit im Qualifikationserwerb gekennzeichnet ist. Das System baut auf drei Sfiulen auf: dem dualen Ausbildungssystem, dem vollzeitschulischen Ausbildungssystem und dem universit~iren System. Diese drei Sfiulen des deutschen Ausbildungssystems existieren segment~ir nebeneinander und koppeln bestimmte Berufslaufbahnen an die entsprechenden Ausbildungen in den drei Systemen.
2.1 Die Bedeutung des Qualifikationserwerbs fiir die Arbeitsmarktintegration Unabhfingig von speziellen betrieblichen Kenntnissen hat die berufliche Qualifikation eine groBe Bedeutung fi~r den Erwerbsverlauf und ist das entscheidende Kennzeichen des Bildungsabschnittes zwischen Schulabschluss und erster hauptberuflicher Erwerbstfitigkeit. Ftir Personen, die eine Qualifikation erworben haben, wird sichergestellt, dass sie diese auch tatsfichlich in einer beruflichen Tfitigkeit austiben k6nnen. Das Ausmal3 der Bedeutung von beruflichen Qualifikationen for die Arbeitsmarktintegration wird an der seit Jahren hohen Arbeitslosenquote von Personen deutlich, die keine berufliche Ausbildung absolviert haben (Allmendinger et al. 2005). Die 1980er und 1990er Jahre sind durch den Anstieg der Arbeitslosenquote unqualifizierter Personen von fi~nf Prozent im Jahre 1980 auf 24 Prozent im Jahre 1998 gekennzeichnet (Hillmert 2004: 28). Im Jahre 2004 betrug die Arbeitslosenquote von Personen ohne Berufsabschluss in Westdeutschland 21 Prozent, in Ostdeutschland
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sogar 51 Prozent (Allmendinger et al. 2005). Viele Jugendliche, die keine berufliche Ausbildung abgeschlossen haben, befinden sich zudem in einer besonderen beruflichen Qualifizierungsmal3nahme (Dietrich 2004). Durch die berufliche Qualifikation wird aber nicht nur entschieden, ob ein hohes Arbeitslosigkeitsrisiko besteht. Sie beeinflusst aul3erdem die berufliche Mobilit~it. Denn Berufsmobilit~it wird durch die segment~ir organisierte Ausbildungsorganisation extrem stark kanalisiert: ,,Since access to jobs and career lines is stronglydependent on educational attainments, the chances of transcending these barriers during work life is small. At the same time, the educational credentials provide a generally recognized asset, preventing certificate holders from status loss. These conditions limit the amount of mobility, apart from systematic short distance promotions" (K6nig/Mt~ller 1986:91 ). So kann das Ausbildungssystem in Deutschland als ein ,gatekeeper' far den Arbeitsmarkt bezeichnet werden.
2.2 Besondere Merkmale des Arbeitsmarktzugangs fi~rjunge Erwachsene Die Organisation des deutschen Ausbildungssystems ist in international vergleichender Perspektive als sehr gut zu bezeichnen (Heinz 2003). Beim Berufszugang sind beispielsweise zu Beginn der 1990er Jahre 80 Prozent der Absolventen einer Ausbildung ausbildungsadfiquat besch~iftigt (Btichtemann et al. 1994: 132f.). Diejenigen, die einen Hochschulabschluss absolvierten, haben die geringste Arbeitslosenquote im Vergleich zu jungen Erwachsenen ohne Berufsausbildung und denjenigen mit einer abgeschlossenen Lehre (Allmendinger et al. 2005). Dennoch hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten der Obergang in den Arbeitsmarkt stark gewandelt. Zwei Verfinderungen waren besonders auffallend. Erstens wurde beobachtet, dass in der Kohortenabfolge das Alter beim Ersteintritt in den Arbeitsmarkt anstieg und wesentlich vom Geschlecht und Abschlussniveau der schulischen B ildungsqualifikation abh~ingig ist. W~ihrend bei M~innern und Frauen mit Hauptschul- oder Realschulabschluss das Alter beim Obergang in die erste Hauptberufst~itigkeit in der Kohortenfolge nut sehr gering anstieg, erhOhte sich das Alter von Mfinnern und Frauen, die das Abitur erwarben, deutlich: Schulisch hochqualifizierte M~inner, die um 1950 geboren wurden, nehmen mit 24 Jahren die erste Haupterwerbst~itigkeit auf, fiir die um 1960 geborenen M~inner mit gleichem Schulbildungsniveau stieg das Alter auf nahezu 30 Jahre an, was einen Anstieg um 25 Prozent bedeutet. Bei schulisch hochqualifizierten Frauen stieg das Alter von 21 auf 26 Jahre an, was einem Anstieg von 24 Prozent gleichkommt (Konietzka 1999). Hinsichtlich der Zeitspanne zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn der ersten Hauptberufst~itigkeit zeigte sich zweitens, dass die
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Phase zwischen beiden Ereignissen ebenso markant angestiegen ist und wiederum nach dem Abschluss der schulischen Ausbildung variiert. Die Dauer zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem Beginn einer ersten Erwerbst~.tigkeit stieg bei Abimrienten der Geburtskohorte 1960 auf zehn Jahre an. HauptschOler der gleichen Geburtskohorte hingegen verzeichnen zwischen dem Ende der Schulausbildung und dem ersten Hauptberuf nur eine Zeitspanne von dreieinhalb Jahren (Konietzka 1999).
2.3 Der Wandel des qualifikatorischen Raums in den 1990er Jahren Neueste Befunde zeigen nun, dass junge Erwachsene in der Phase zwischen Schulabschluss und Arbeitsmarkteinstieg zahlreiche berufsbezogene MaBnahmen durchlaufen (z.B. Dietrich 2004). Das heiBt, dass ein wesentlicher Grund far ein sp~.teres Eintreten in den Arbeitsmarkt dem aufeinander folgenden Durchlaufen mehrerer berufsbezogener Bildungsphasen geschuldet ist. Jacob (2004) hebt beispielsweise in ihren Arbeiten hervor, dass Mehrfachausbildungen von beiden Geschlechtern absolviert werden, allerdings hfiufiger von M~.nnem. Jacobs Befunden nach hat nahezu jeder zweite Mann der Geburtskohorte um 1960 zwei Ausbildungen absolviert, wfihrend es bei den Frauen nur jede dritte war. Der Berufsbildungsbericht des Jahres 2005 (BMBF 2005) zeigt zudem, dass bemfsbezogene MaBnahmen, wie Praktika oder Volontariate, ebenso verstfirkt besucht werden. BegrOndet wird diese Entwicklung durch zwei Faktoren: Zum einen dient die Aneinanderreihung mehrerer Ausbildungen der Absicherung eines mit Risiken behafteten Studiums. So zeigt sich hfiufig, dass von Abiturienten eine berufliche Ausbildung vorgezogen und nachfolgend ein Studium absolviert wird. Hillmert und Jacob (2004) verweisen darauf, dass Mehrfachausbildungen mit H0herqualifizierungen einhergehen. Zum anderen zeigt sich aber auch, dass zahlreiche Umstiege stattfinden, weil eine neue Qualifikation angestrebt wird. Ausbildungen k0nnen also zu einem Teil mit Weiterqualifikationen und zum anderen Teil mit qualifikatorischen Umstiegen begr0ndet werden. Unabhfingig davon, welche beruflichen Tfitigkeiten innerhalb dieser Phase verrichtet werden, trifft deshalb das in den 1970er Jahren geprfigte Modell des 2-Schwellen-Ubergangs als alleiniges Beschreibungsmodell des Ubergangs vonder Schule in den Beruf far einen Teil der jungen Erwachsenen in den 1980er und den 1990er Jahren nicht mehr zu. Aufgrund der Ausdehnung des qualifikatorischen Raumes zwischen Schulabschluss und erster hauptberuflicher Erwerbstfitigkeit lfisst sich der Obergang vom schulischen Bildungssystem in das Arbeitsmarktsystem mit dem Begriff der ,Schwellenbiografie' zutreffender beschreiben: Junge Erwachsene massen mit dem Ende der Schulzeit mehrere Schwellen aberschreiten, bevor sie in eine dauerhafte Er-
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werbst~,tigkeit- dem Normalarbeitsverhfiltnis gleichend- t~bertreten (Mayer 2004).
Untersuchungsfrage und theoretische Untersuchungsperspektive Nun ist in der Forschung mittlerweile hinlfinglich bekannt, dass Mehrfachausbildungen abgeschlossen werden, weitgehend unbekannt ist aber noch, welche Konsequenzen FOr den Berufsverlauf aus der Tatsache folgen, dass mehr als eine Ausbildung begonnen wurde. Daraus leitet sich die Untersuchungsfrage ab: Welche Folgen hat die Aufnahme einer weiteren Ausbildung nach der Erstausbildung f~r die Erwerbstfitigkeit? Der Analyse liegt die Episodendefinition von Mehrfachausbildungen zu Grunde. Mehrfachausbildungen werden als mindestens zwei begonnene Ausbildungen ~ definiert. Der Vorteil dieser Definition liegt darin, alle Ausbildungen unabhfingig von deren Ausbildungsende (Abschluss oder Abbruch) zu erfassen. Jede begonnene Ausbildung wird als eine individuelle Investition in das eigene Qualifikationsprofil betrachtet, die auch aus verschiedenen Grt~nden abgebrochen werden kann.
3.1 Die Entscheidungfiir eine weitere Ausbildung als Kosten-Nutzen-Kalkiil Lebensverlfiufe und speziell Ausbildungs- und Erwerbsverlfiufe sollen hier nicht ausschlieBlich tiber die ihnen zu Grunde liegenden institutionellen Vorgaben nachgezeichnet werden. Bereits vorliegende Studien der Lebensverlaufsforschung haben das zahlreich getan. Eine Ausnahme stellt beispielsweise Jacob dar, die die Gestalt des Lebensverlaufs durch ,, [...] individuelle Entscheidungen zwischen unterschiedlichen Handlungsalternativen, die sich auf Kennmisse Uber institutionelle Vorgaben st~tzen und denen zielgerichtetes perspektivisches Denken zu Grunde liegt [...]" (Jacob 2004: 24), deftniert. Hinsichtlich der Entscheidung ~ r eine Handlungsalternative geht Jacob AIs Ausbildungen werden hier alle voll beruflich qualifizierenden Aus- und Fortbildungen verstanden, die standardisiert und staatlich geregelt sind und mit einem anerkannten Ausbildungs- oder Fortbildungsberuf oder einem akademischen Grad beendet werden. Berufsausbildungen im dualen und vollzeitschulischen System, universitare Ausbildungen, Meister- und Technikerausbildungen und Fortbildungen, die mit einer staatlichen PrOfung abschlieBen (z.B. Fachwirte) sowie Promotionenwerden in den Ausbildungsbegriff einbezogen. Praktika und Weiterbildungen in Lehrg~ngen, Volontariate, Trainieeprogrammeund Fachoberschulausbildungen stellen keine voll beruflich qualifizierenden Ausbildungen dar und werden nicht in die Analyse einbezogen.
Mehrfachausbildungen und die Folgen fiir die Erwerbst~itigkeit
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aus der Perspektive der Rational Choice Theorie von nutzenmaximierenden Akteuren aus. Individuen handeln insofern rational, indem sie sich aus einem Umfang an mOglichen Handlungsoptionen far diejenige entscheiden, die deren Nutzen maximiert und Kosten minimiert. Dieser Argumentationslinie folgend ist die berufliche Qualifizierungsphase im Ausbildungssystem von gewinnsteigemden Entscheidungen geprfigt. Innerhalb des institutionellen Spielraumes an Handlungsmr beispielsweise far Abiturienten nach der ersten beruflichen Ausbildung eine weitere universitfire Ausbildung zu beginnen oder die erste Erwerbstfitigkeit aufzunehmen, erfolgt eine Abwfigung, wie folgenreich bzw. gewinnbringend zum Beispiel das zusfitzliche Studium nach der Berufsausbildung ist. Aus der engen Verknt~pfung zwischen Qualifikation und Arbeitsmarktzugang (siehe Abschnitt 2.1) bezieht sich die Nutzenmaximierung im Rahmen von Ausbildungsentscheidungen auf die Erwerbst~tigkeit. Far die Forschungsfrage nach den Folgen von Mehrfachausbildungen far den Arbeitsmarktzugang heiBt das: Junge Erwachsene ordnen- in institutionell vordefinierten Obergangssituationen - dem Beginn einer weiteren Ausbildung einen Wert zu. Die Institution des segmentfir organisierten Schulbildungssystems kanalisiert dabei den Zugang zu den drei Ausbildungszweigen des deutschen Ausbildungssystems: den vollzeitschulischen, den beruflich dualen und den akademischen Ausbildungen. Wfihrend Haupt- und Realschulabsolventen ausschlieBlich vollzeitschulische bzw. dual berufliche Ausbildungen aufnehmen k/Snnen, ist Jugendlichen, die das Abitur erworben haben, zusfitzlich der Zugang zum universit~.ren Ausbildungssystem geiSffnet. Die Entscheidung far eine weitere Ausbildung wird hinsichtlich der Ausbildungsart (Berufsausbildung oder Studium) institutionell eingeschrfinkt. Der Wert einer weiteren Ausbildung bezieht sich dabei auf den Gewinn far bestimmte Arbeitsmarktpositionen nach dem Ausbildungsabschluss, wobei die Arbeitsmarktposition schon allein durch die Ausbildungsart mitbestimmt wird. Beispiele far den Nutzen einer weiteren Qualifikation sind Hr fizierungen, Arbeitslosigkeitsvermeidung oder berufliche Umorientierungen auf dem Arbeitsmarkt, die unterschiedliche Arbeitsmarktpositionen zur Folge haben (Jacob 2004). Die Folgen einer weiteren Ausbildung far die Erwerbsposition sind deshalb auf die Motive von Mehrfachausbildungen, d.h. auf den erwarteten Nutzen, zurackzufahren.
3.2
Untersuchungshypothesen
Den theoretischen Ausfalmangen folgend hfingt die rationale Wahl zur Aufnahme einer weiteren Ausbildung von der Nutzensteigerung ab, die mit einer weiteren Qualifikation far die Erwerbsposition verbunden ist. Indikatoren far den Gewinn, den eine weitere Qualifikation einbringt, sind beispielsweise die
Wolfgang Lauterbach, Mareike Weil
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H6he des (zukianftigen) Einkommens, die (erwartete) Besch~iftigungsstabilit~it im erlernten Beruf oder die (voraussichtliche) Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Jacob 2004). Die durch gezielte Ausbildungsaktivit~,ten angestrebte Erwerbsposition auf dem Arbeitsmarkt wird auch durch das gesellschaftliche Berufsprestige der ausgetibten Erwerbstfitigkeit widergespiegelt. Denn die mit dem Berufsprestige verkntipften sozio-6konomischen Privilegien und Einflusschancen stellen ~ r Individuen einen Nutzen dar. Die abh~ingige Variable der vorliegenden Analyse ist das Berufsprestige der hauptberuflichen Erwerbst~itigkeit, das mit der Magnitude-Prestige-Skala (MPS) von Wegener (1985, 1988) gemessen wird 2. Es wird angenommen, dass das Prestige des Hauptberufes von jungen Erwachsenen danach variiert, ob eine weitere Qualifikation nach der Erstausbildung erworben oder der Hauptberuf ohne eine weiterqualifizierende Ausbildung begonnen wurde. Denn aus einzelnen Studien tiber Mehrfachausbildungen ist bereits bekannt, dass zwei aneinander anschlieBende Ausbildungen zu einem groBen Anteil aus Grtinden der Weiterqualifikation absolviert werden (Jacob 2004). Aus theoretischer Perspektive heiBt das, dass die Erwartung, das Berufsprestige durch eine weitere Ausbildung zu erh6hen, die Kosten eines verl~ingerten Ausbildungsverlaufes tibersteigt. Zusammenfassend kann formuliert werden: Die Entscheidung ~ r eine weitere Ausbildung ist erstens von den institutionellen Rahmenbedingungen abh~ingig und wird zweitens vor dem Hintergrund einer erwarteten beruflichen Prestigesteigerung getroffen. Aus den theoretischen Oberlegungen werden folgende Hypothesen abgeleitet:
Institutionelle Rahmenbedingungen Hypothese 1
Hypothese 2
Das Berufsprestige des ersten ausgetibten Hauptberufes von jungen Erwachsenen mit hohem schulischem Bildungsniveau ist h6her als das Berufsprestige von jungen Erwachsenen mit niedrigem schulischem Bildungsniveau. Das Berufsprestige des Hauptberufes, der im mittleren Erwachsenenalter mit 35 Jahren ausgetibt wird, ist bei Personen mit hohem Schulbildungsniveau h~her als das Berufsprestige von Personen mit niedrigem Schulbildungsniveau.
Ausbildungskontext Hypothese 3
Nimmt die Person nach der ersten Ausbildung eine weitere Ausbildung auf, ist das Berufsprestige des ersten Hauptbe-
Die Magnitude-Prestige-Skala(MPS) ist eine Skala zur Erfassung des beruflichen Status in Deutschland, die Wegener (1985, 1988) auf der Basis der ISCO-Klassifikationkonstmierte. Die metrische Skala reicht von einem minimalen Berufsprestigewert von 20 for Handlanger und ungelernte Arbeiter bis zu einem maximalen Skalenwert von 186,8 ~r das Berufsprestige von .~rzten (ausf0hrlichzur Skalenkonstruktion:Wolf 1995).
Mehrfachausbildungen und die Folgen fiir die Erwerbstdtigkeit
Hypothese 4
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rufes gr0Ber im Vergleich zu dem Berufsprestige der Personen, die dies nicht ran. Nimmt die Person nach der ersten Ausbildung eine weitere Ausbildung auf, ist das Berufsprestige der Haupterwerbst~.tigkeit im mittleren Erwachsenenalter mit 35 Jahren gr0Ber im Vergleich zu dem Berufsprestige der Personen, die dies nicht tun.
Das Berufsprestige des ersten Hauptberufes bildet dabei den kurzfristigen Nutzen, das Berufsprestige der hauptberuflichen Erwerbst~_tigkeit im Alter von 35 Jahren bildet dagegen den langfristigen Nutzen der Entscheidung far eine weitere Ausbildung im Sinne einer Weiterqualifikation ab.
Datengrundlage und Systematisierung individueller Ausbildungspfade Far die Beantwortung der Untersuchungsfrage wird auf die Daten des im Jahre 2002 durchgefahrten Follow-Up >>Lebensverl~ufe ins fr~.he Erwachsenenalter ( L i f E ) - Die Bedeutung von Erziehungserfahrungen und Entwicklungsprozessen far die LebensbewNtigung>Entwicklung im Jugendalter