WALTER SCHMITHALS
Paulus und Jakobus
WALTER SCHMITHALS
Paulus und Jakobus
GÖTTINGEN. VANDENHOECK & RUPRECHT· 1963
...
69 downloads
865 Views
7MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
WALTER SCHMITHALS
Paulus und Jakobus
WALTER SCHMITHALS
Paulus und Jakobus
GÖTTINGEN. VANDENHOECK & RUPRECHT· 1963
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testamentes Herausgegeben von Ernst Käaemann und Ernst Würthwein Der ganzen Reihe 85. Heft
UDIICblac: Cbrtl&el S&elpawm. C Vmdenboeck & Baprecbt, GOtUDPD 1908. - PriD&ed lD Oerman:y. Olme audrtlctl.lcme GeDe1uD11uD1 dll Vedaael II* ea DJoht aeatat&et, du Buch oder TeUe d.araua auf roto· oder akuatomecbaDJicbem Wep 1111 vervlelfiltlpo. OeumtbenteUunc: Buben & Co., «Mttblaen 8081
in memoriam Professor Dr. theol. HANS GttNTEB GR'Ö'NWELLER
• 1926
t 1961
VORWORT D&& vorliegende Büchlein enthält einen in sich abgeschlossenen Teil meiner Habilitationsschrüt, die im Jahre 1962 von der Theologischen Fakultät der Philipps-Universität in Marburg angenommen wurde. Es bildet den vorläufigen Abschluß einer Reihe von Studien zu den urchristlichen Parteiverhältnissen. Zu diesen Studien gehört meine Untersuchung über "Die Gnosis in Korinth', die demnächst in neubearbeiteter Auflage erscheinen wird, und eine Anzahl zum größten Teil bereits veröffentlichter Aufsätze, deren gemeinsamer Abdruck zu erwarten ist. Wenn auch die hier vorgelegte Untersuchung in engem Zusammenhang mit diesen früheren Studien gesehen und gelesen werden möchte, so ist sie doch unabhängig von ihnen durchgeführt; sie möchte darum in ihren exegetischen Teilen auch unabhängig von ihnen beurteilt werden. Mein Dank gilt der Theologischen Fakultät der Marburger Universität, insbesondere Herrn Prof. D. W. G. Kümmel, für die Bereitwilligkeit, mir die venia legendi für das Fach Neues Testament zu erteilen. Ferner danke ich herzlich Herausgeber und Verleger für die Freundlichkeit, diese Untersuchung in die angesehene Reihe aufzunehmen, in der sie erschienen ist. Wie die Widmung zu erkennen gibt, möchte diese Arbeit zugleich ein bescheidenes Denkmal einer früh zerrissenen Freundschaft sein. Raumland, im April 1963
Walter Schmithals
INHALT Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
ö
Paulus und Jakobus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
I S'tephanus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
li Das
~Apostelkonzil'
III Der Zwischenfall in Antiochien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 51
IV Die Sammlung der Kollekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 V Der letzte Besuch des Paulus in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . .
70
VI Das •Aposteldekret' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
VII J udaisten 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
PAULUS UND JAKOBUS Die Beurteilung des Verhältnisses von Paulus zu J akobus, d. h. der von Paulus gegründeten hellenistischen Gemeinden zu der judenchristlichen Urgemeinde in Jerusalem 1 , steht bis heute unter dem Einfluß der historischen Ergebnisse der exegetischen Arbeiten F. C. BAUBS. Nach F. C. BAUR waren es Judaisten aus Jerusalem, die für die von den Paulusbriefen bezeugten heftigen Kontroversen auf dem paulinischen Missionsgebiet verantwortlich zu machen sind. Das Urteil ~Lügena.postel' und ~satansdiener' (2.Kor. 11, 13ft'.) trifft direkt die Urapostel in Jerusalem. Damit ist dann ein eindeutiges Urteil über das Verhältnis von Paulus zu Jakobus gefällt. Daß sich dies Urteil der Tübinger Schule nicht aufrechterhalten läßt, ist längst erkannt. Zwar besteht heute weniger denn je Einmütigkeit über Charakter und Hintergründe der antipaulinischen Aktionen in Galatien und Korinth, Philippi und Thessalonich; kaum jemand aber wagt es heute noch, in der Jerusalemer Gemeinde und ihren Säulen Petrus und Jakobus die Gegner des Paulus in seinen Briefen zu sehen. Wer, wie es üblich ist, mit mehr oder weniger umfangreicher j1Ulaisti8cker Agitation gegen Paulus rechnet, macht für diesen Judaismus meist eine extreme Sonderrichtung des pa.lä.stinischen Judenchristentums verantwortlich. Wer die Träger der Gegenmission in den paulinischen Gemeinden als hellenistische oder gnostische Judenchristen oder gar als judaisierende Heidenchristen ansieht, muß schon deshalb jede besondere Beziehung dieser Gegner des Paulus zu der Urgemeinde in Jerusalem bestreiten. Dann steht die Forschung aber von neuem vor der Frage, wie das Verhältnis von Paulus zu Jakobus zu beurteilen ist, und diese Frage stellt die Aufgabe, dies Verhältnis erneut zu untersuchen. Natürlich ist an dieser Aufgabe stets gearbeitet worden. Zahlreiche Aufsätze und die entsprechenden Abschnitte in den Kommentaren beschäftigen sich mit den einschlägigen Texten vor a.llem aus dem Korpus Paulinum und der Apostelgeschichte und mit den von diesen Texten aufgeworfenen Problemen. Jedoch ist es, wie mir scheint, ein besonderes Verdienst von J. MUNCK, in seinem Buch ~Paulus und die Heilsgeschichte' 1 die Frage nach dem Verhältnis von Paulus zu J a.kobus umfassend aufgeworfen und damit darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß hier ein Problem, das der Tübinger Schule schon gelöst 1 In diesem Sinne ist im folgenden von 'Paulus' und 'Jakobus' die Rede. ' Kopenhagen 1954.
8
Paulus und Jakobus
schien, als Ganzes noch seiner Lösung harrt 1 • Was J. MuNCK selbst als Lösung anbietet, ist allerdings kaum als solche zu bezeichnen. Daß, wie J. MUNCK meint, Paulus und Ja.kobus, Heidenchristen und Judenchristen stets in gänzlicher Obereinstimmung lebten und lehrten, wird man nicht von vornherein für unmöglich halten müssen; aber die oft geradezu abenteuerlichen Begründungen, auf die J. MuNCK seine These stützt 1 , dürften kaum breitere Zustimmung finden. Nun ist es in der Tat gar nicht so leicht, die hier gestellte Frage zu beantworten. Die Tübinger hatten als ausgedehnten Grund ihres Urteils jene zahlreichen Ausführungen der Briefe, in denen Paulus sich mit seinen Gegnern auseinandersetzt. Dieser Grund fällt nunmehr fort, und es verbleiben vor allem jene gelegentlichen Äußerungen, in denen Paulus explizit über sein Verhältnis zu Jerusalem Auskunft gibt, sowie die nur mit allergrößter Vorsicht zu benutzenden Angaben der Apostelgeschichte. Andere Quellen stehen uns für die Beschreibung des Verhältnisses von Paulus zu Jakobus nicht zur Verfügung; denn mit Recht wagt es heute niemand mehr, mit den Tübingern aus späteren Schriften wie den Pseudo-Clementinen und apokryphen Evangelien angeblich judenchristlicher Observanz Schlüsse auf die Verhältnisse innerhalb der christlichen Gemeinden vor dem jüdischen Aufstand zu ziehen. Auch der Jakobusbrief, die Petrusbriefe, die Offenbarung des Johannes und andere Schriften können doch unter unserer Fragestellung kein ersnthaftes Interesse verdienen. Allerdings ist das Verhältnis von Paulus zur J erusa.lemer Gemeinde nur ein- bedeutsamer- Sonderfall des Verhältnisses vom Judenchristentum zum Heidenchristentum überhaupt. Darum wäre uns viel geholfen, wenn wir über dieses umfa.ssende Verhältnis Genaues wüßten. Das aber ist nicht der Fall, wie jeder Kenner der Geschichte der frühen Christenheit weiß. Die eben genannten und andere nachapostolische Schriften erlauben, wie heute allgemein anerkannt ist, keinerlei zuverlässige Rückschlüsse auf irgendwelche Richtungen des Judenchristentums vor dem Jahre 70. Die besonderen Beziehungen des Paulus zu Jerusalem bilden vornehmlich die Quelle unserer Kenntnis der im 1. Jh. bestehenden Beziehungen zwischen Heidenchristentum und Judenchristentum überhaupt, nicht umgekehrt. Eine gewichtige Nachricht aus früher Zeit, die nicht das besondere Verhältnis von Paulus zu Jakobus betrifft, vermittelt uns allerdings der Bericht der Apostelgeschichte über das Martyrium des Stephanus und die dazu führenden Vorgänge: Apg. 6, 1-8, 3. Freilich handelt es 1 A.a.O. 8. 61-78; diese Seiten sind das Beste von J. MUNCJtS Buch undaufs Ganze ~eeehen - überaus lesenswert. 1 Zur Kritik von J. MUNOKS Buch s. R. BuLTMANN in ThLZ 84, 1959, Sp. 481---486.
Stephanus
9
sich hierbei um nichts weniger als um einen getreuen historischen Bericht. Trotzdem sei der Versuch gewagt, uns von diesem Text in die Probleme des Verhältnisses von Judenchristentum und Heidenchristentum überhaupt, deren Sonderfa.ll Paulus- Ja.kobus uns dann vor allem interessieren soll, einführen zu l.a.ssen.
I. STEPHANUS 1. Die Szene Apg. 6,1-7 bezeugt eine Spa.ltung in der Jerusa.lemer Urgemeinde. Luka.s hatte aber bisher mit Empha.se die Einheit der Gemeinde zu Jerusalem beschrieben: 1,14; 2,1. 46; 4,32; 5,12 u.ö. Er läßt denn auch die Apostel prompt die beginnenden Streitigkeiten beseitigen. Schon diese Beobachtung zeigt, daß Lukas die seiner Tendenz widerstreitende Szene Apg. 6,1-7 nicht einfach erfunden haben kann 1 , wie H. J. SCHOEPS [2] S. 439ff.; [3] S. 5f.; 13 meint. Die Gemeinde ist in 'Eßeaiot und 'Ell.""unal gespa.lten. Wir erfahren nicht, welches der Unterschied dieser Gruppen ist. Der Begriff 'Ell'l",