MANFRED W E I P P E R T
Jahwe und die anderen Götter
Forschungen zum Alten Testament 18
Mohr Siebeck
Forschungen zu...
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MANFRED W E I P P E R T
Jahwe und die anderen Götter
Forschungen zum Alten Testament 18
Mohr Siebeck
Forschungen zum Alten Testament herausgegeben von Bernd Janowski und Hermann Spieckermann
18
Manfred Weippert
Jahwe und die anderen Götter Studien zur Religionsgeschichte des antiken Israel in ihrem syrisch-palästinischen Kontext
Mohr Siebeck
Manfred Weippert, geb. 1937, Professor für Altes Testament an der Universität Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: Geschichte und Religionsgeschichte des antiken Israel und Juda im Rahmen der Geschichte des Mittelmeerraums; westsemitische Sprachen; altorientalische Prophetie. Wichtige Publikationen: Die Landnahme der israelitischen Stämme in der neueren wissenschaftlichen Diskussion: Ein kritischer Bericht, FRLANT 92, Göttingen 1967 (englisch: London/Naperville, IL, 1971); Menahem von Israel und seine Zeitgenossen in einer Steleninschrift des assyrischen Königs Tiglathpilser III. aus dem Iran, ZDPV 89 (1973), 26-53; Assyrische Prophetien der Zeit Asarhaddons und Assurbanipals, in F.M FALES (Hrsg.), Assyrian Royal Inscriptions: New horizons in literary, ideological, and historical analysis, OAC 17, Rom 1981 (erschienen 1982), 71-115; The Relations of the States East of the Jordan with the Mesopotamian Powers during the First Millennium BC, Studies in the History and Archaeology of Jordan 3 (1987), 97-105; Die Petition eines Erntearbeiters aus M9sad Häsavyähü und die Syntax althebräischer erzählender Prosa, in: E. BLUM / CHR. MACHOLZ / E.W. STEGEMANN (Hrsg.), Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte: Festschrift für Rolf Rendtorff zum 65. Geburtstag, Neukirchen-Vluyn 1990, 4 4 9 - 4 6 6 ; Geschichte Israels am Scheideweg, ThR 58 (1993), 71-103; Israelites, Arameens et Assyriens dans laTransjordanie septentrionale, ZDPV 113 (1997), 19-38.
Die Deutsche Bibliothek
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CIP-Einheitsaufnahme
Weippert, Manfred: Jahwe und die anderen Götter : Studien zur Religionsgeschichte des antiken Israel in ihrem syrisch-palästinischen Kontext / Manfred Weippert. - Tübingen : Mohr Siebeck, 1997 (Forschungen zum Alten Testament; 18) ISBN 3-16-146592-X
© 1997 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, MikroVerfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen aus der Times Antiqua gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Weissenstein in Pforzheim gedruckt und von Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0940-4155
aan de nagedachtenis van Berend Maarsingh aan Tine Maarsingh-Kooistra
Vorwort «Nous ne cherchons jamais les choses, mais la recherche des choses.» B L A I S E PASCAL,
Pensees, frag. 135 Brunschvicg
Die Idee zu dieser Auswahl von Aufsätzen aus dreißig Jahren geht auf die Herren Herausgeber der Reihe Forschungen zum Alten Testament zurück, mit denen ich auch diskutiert habe, was in die Sammlung aufgenommen werden sollte. Es handelt sich dabei im wesentlichen um Arbeiten, in denen Gottheiten behandelt werden oder eine wichtige Rolle spielen. Ursprünglich sollte auch eine Anzahl von Aufsätzen zur altisraelitischen und altorientalischen Prophetie aufgenommen werden. Dieser Plan wurde jedoch fallengelassen, da der Band dann zu umfangreich geworden wäre. Die beiden Artikel über die ״Bileam"־ Inschrift von Teil Der cAllä mögen dieses Genre auf ihre Weise vertreten. Der älteste Aufsatz, der - auf ausdrücklichen Wunsch der Herausgeber - in der Sammlung enthalten ist, ist im Jahr 1961 erschienen; die anderen verteilen sich über die Zwischenzeit bis zum Jahr 1991. Es ist legitim, zu fragen, ob man solche Texte, die z.T. in einer von der heutigen ganz verschiedenen Wissenschaftssituation entstanden sind, im Jahr 1997 noch einmal weithin unverändert abdrucken darf. Ich habe mich dafür entschieden1, weil das Zeitkolorit wesentlich zu solchen Artikeln hinzugehört; außerdem kann man so die Entwicklung mancher Themen über einen gewissen Zeitraum hin verfolgen. Mit dem Versuch, die Aufsätze durch Nachträge zu modernisieren, bin ich an der Literaturflut unserer Tage gescheitert; die Ergänzungen wären allzu ungleichmäßig ausgefallen. So habe ich - von wenigen Ausnahmen2 abgesehen - darauf verzichtet und muß die Leser(innen) dieses Bandes bitten, sich über die neuere und neueste Diskussion durch die zur Verfügung stehenden bibliographischen Hilfsmittel zu informieren. Die Aufsätze wurden formal, so weit dies möglich war, vereinheitlicht. Insbesondere wurden die Literaturangaben, von bekannteren Textausgaben und Nachschlagewerken abgesehen, nach dem sog. Harvard-System umgestaltet, wie es in neueren Publikationen zunehmend gebräuchlich ist, und die genauen Titelangaben in einer Gesamtbibliographie zusammengefaßt. Dies mag zu1 2
Einige kleinere Retouchen waren unvermeidlich. Zur Dokumentation s.u. Sie sind in der Regel durch eckige Klammern eingefaßt.
IX
Vorwort
Vorwort
nächst einige Unannehmlichkeiten mit sich bringen; aufs ganze gesehen dürfte diese Zitations weise jedoch auch arbeitsökonomische Vorteile gewähren - insbesondere fällt das lästige Suchen nach der Stelle, an der ein Titel zum ersten Mal zitiert wurde, weg (oder die ebenso lästigen Rückverweise auf jene Stellen, die den Anrnerkungsapparat meist ungebührlich anschwellen lassen). Die erwähnten Textausgaben (z.B. KUB) und Nachschlagewerke (z.B. AHw) werden jedoch weiterhin mit den eingeführten (und auf S. 195-197 erklärten) Siglen angegeben. Die altorientalischen Schriften werden außerhalb von Zitaten sämtlich lateinschriftlich transkribiert, auch dort, wo in der Originalfassung eines Aufsatzes etwa hebräische oder arabische Schrift verwendet worden war. Zugrundegelegt ist die Umschriftpraxis der Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins, in der für alle semitischen Sprachen - in Anlehnung an das Transkriptionsschema der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft für die verschiedenen Ausprägungen der arabischen Schrift - gleichartige Prinzipien gelten3. Die Wiedergabe des Sumerischen und der altanatolischen Sprachen wurden diesem System unter Berücksichtigung des Üblichen möglichst angepaßt. Natürlich wurden auch zahlreiche Fehler in Stellen- und Literaturangaben beseitigt. Wieviel neue sich bei der Bearbeitung in die Texte eingeschlichen haben, wird erst die Zukunft zeigen. Die umfangreichen Arbeiten zur Vorbereitung des Neudrucks der Aufsätze wären ohne tatkräftige Hilfe nicht möglich gewesen, für die ich allen Beteiligten sehr dankbar bin. Die steinige Aufgabe, die Gesamtbibliographie herzustellen, ist von Thomas Meyer (Tübingen) übernommen worden. Sein Text wurde von Jobst Bösenecker (Rostock) gründlich überarbeitet und ergänzt. Beide haben im Verein mit Angelika Berlejung (Heidelberg) und Frank Zeidler (Heidelberg) zahlreiche Einzelheiten verifiziert oder herausgefunden, was wirklich gemeint war. Für alle Fehler, die dennoch stehengeblieben sind, liegt die Verantwortung aber selbstverständlich bei mir. Die zeitraubende Schlußrevision der bibliographischen Angaben wäre ohne den Einsatz meiner Frau, Dr. Helga Weippert, nicht möglich gewesen. Ihr ist darüber hinaus aber auch für mehr als fünfundzwanzig Jahre intensiver wissenschaftlicher Zusammenarbeit zu danken, die weiter geht, als die Texte erkennen lassen. Helene Eichrodt (Heidelberg) schließlich hat einen wesentlichen Beitrag zur Herstellung der Register erbracht. Dank gebührt auch den ursprünglichen Verlegern4 der hier wieder vorgelegten Aufsätze, die für den Neudruck ihr nihil obstat gegeben haben. Schließlich danke ich den Herausgebern der Reihe Forschungen zum Alten Testament, Bernd Janowski und Hermann Spieckermann, für ihre Initiative und die Bereitschaft, den Band zu veröffentlichen, und Herrn Georg Siebeck und den Mitarbeitern des Verlags J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen für ihre Bemühungen und deren Ergebnis.
Last but not least: Dit boek is opgedragen aan Tine en dr. Berend Maarsingh als een bescheiden teken van dank voor hun vriendschap tijdens de ruim zes jaren die wij, mijn echtgenote en mij, in Nederland doorgebracht hebben - een vriendschap die 00k door ons vertrek naar Heidelberg niet minder is geworden. Tot onze grote verdriet is Berend Maarsingh op 16 november 1995 overleden. Wie hem kende zal zieh steeds herinneren aan een beminnelijke man, een zorgzame vader en grootvader, een getrouwe dienaar des Woords en een diepzinnige en enthousiaste exegeet van het Oude Testament.
VIII
3 4
Siehe Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 119 (1994), 106f. Sie sind auf S. 193f. genannt.
Villeperdrix (Drome), 4. August 1996
Manfred Weippert
Inhalt Vorwort Verzeichnis der Abbildungen im Text Verzeichnis der Tafelabbildungen
VII XIII XIV
1. Synkretismus und Monotheismus: Religionsinterne Konfliktbewältigung im alten Israel
1
2. Über den asiatischen Hintergrund der Göttin ״Asiti"
25
3. Jahwe
35
4. Gott und Stier: Bemerkungen zu einer Terrakotte aus Yäfä 5. ״Heiliger Krieg" in Israel und Assyrien: Kritische Anmerkungen zu Gerhard von Rads Konzept des ״Heiligen Krieges im alten Israel" ..
45
6. Ecce non dormitabit neque dormiet qui custodit Israhel: Zur Erklärung von Psalm 121,4
71 99
7. Elemente phönikischer und kilikischer Religion in den Inschriften des Karatepe 8.
Die ״Bileam"-Inschrift von Teil Der cAllä [mit
109 H . WEIPPERT]
131
9. Der von Teil Der cAllä und ״Bileam"-Text das Alte Testament
163
Bibliographie und Beschreibung der abgedruckten Aufsätze Siglen Bibliographie
193 195 199
Register 1. Namen 2. Sachen und Begriffe 3. Wörter 4. Stellen
249 255 260 269
Verzeichnis der Abbildungen im Text Abb. 1. Stierfigur der Sammlung Ustinow, Katalog Nr. 1 ( H . VINCENT 1 9 0 7 , 1 6 9 A b b . 115)
46
Abb. 2. Karte der Verbreitung von Gottheiten in hieroglyphenluwischen Inschriften des 2 . und 1. Jahrtausends v.Chr. ( M . WEIPPERT) . . .
130
Abb. 3. Die ״Bileam"-Inschrift von Teil Der cAllä, Kombination I: Rekonstruktion der ursprünglichen Position der Fragmente zueinander ( H . WEIPPERT)
134
1. Synkretismus und Monotheismus
Verzeichnis der Tafelabbildungen
Religionsinterne Konfliktbewältigung im alten Israel 1:1 1:2 2:1 2:2 2:3 2:4 3:1 3:2 3:3 3:4 4:1 4:2 4:3 4:4
Apis (Oslo), Kat. Nr. 1, Frontalansicht Apis (Oslo), Kat. Nr. 1, Seitenansicht Apis (Frankfurt), Kat. Nr. 8 Apis (Frankfurt), Kat. Nr. 10 Apis (Frankfurt), Kat. Nr. 9, Frontalansicht Apis (Frankfurt), Kat. Nr. 9, Seitenansicht Apis (Groningen), Kat. Nr. 20, Frontalansicht Apis (Groningen), Kat. Nr. 20, Rückansicht Apis (Hildesheim), Kat. Nr. 21, Frontalansicht Apis (Hildesheim), Kat. Nr. 21, Schrägansicht Apis (Hildesheim), Kat. Nr. 22 Apis (Hildesheim), Kat. Nr. 23 Apis (Oxford), Kat. Nr. 28 Apis (Oxford), Kat. Nr. 29
189 189 190 190 190 190 191 191 191 191 192 192 192 192
(1990)
I. Kanoninterne Oppositionsliteratur
Vielstimmigkeit: im Alten Testament
Das Alte Testament will in seiner Letztgestalt, als Sammlung der heiligen Schriften des Judentums und als erster Teil des christlichen Kanons, ohne Zweifel als Zeugnis von dem einen und einzigen Gott gelesen werden, der die Welt geschaffen hat und erhält und sie ihrer endzeitlichen Bestimmung entgegenführt. Das Judentum hat bereits in der Antike die Aussagen seiner Bibel nicht anders als in diesem Sinne verstanden und etwa das Sdmac Yisrä'el, das ursprünglich wohl eher Vorstellungen von verschiedenen lokalen Ausprägungen des Gottes Israels abwehren sollte, wie selbstverständlich monotheistisch interpretiert. Dazu bedurfte es keiner exegetischen Akrobatik; denn die Formel von Dtn. 6,4 ist in ihrem hebräischen Wortlaut mehrdeutig1. Mochte sie anfangs bedeutet haben: ״Höre, Israel: Unser Gott Jahwe ist ein Jahwe!", also hier nicht ein anderer als dort2, so konnte sie, von der Grammatik ohne weiteres gedeckt, auch so gelesen werden: ״Höre, Israel: Unser Gott Jahwe - Jahwe ist einzig!" Für dieses נehäd, ״Einer!", sind die Märtyrer der Seleukidenzeit gestürben, die sich weigerten, den Göttern der Mächtigen zu opfern und der Thora untreu zu werden (2. Makk. 6 f., insbes. 7,37 [legendarisch]), mit diesem נ ehäd. auf den Lippen ging auch Rabbi Akiba in den Tod, als die Römer ihm sein Festhalten am öffentlichen Studium des Gesetzes mit grausamer Tortur vergalten (bSanh. 61 b3). In der Welt, die sie umgab, in der man vielerlei Götter verehrte, war ihnen die Einzigkeit ihres Gottes, des Gottes, dem Israel diente,
Die reichhaltige Literatur zum Thema findet sich in Auswahl in den Bibliographien von KEEL 1980; LANG 1981a und 1983; HAAG 1985. Da ich mich im folgenden im wesentlichen auf die Darstellung meines Standpunkts beschränke, wird Sekundärliteratur in der Regel nur als Beleg herangezogen. 1
ROSE 1 9 7 5 , 1 3 4 f.
2
DONNER 1973.
3
Dies ist die in der Tradition bezeugte Begründung für das Martyrium Rabbi Akibas. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß er wegen seiner Unterstützung Bar Kosebas (vgl. jTaan. 68 d) hingerichtet wurde.
155
Synkretismus
und
Monotheismus
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das Wesentliche. Die Frage nach der Einheit des Göttlichen hinter all seinen Gestalten, die die griechischen Philosophen seit den Vorsokratikern bewegte, wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen. Auch das frühe Christentum hat das Alte Testament in der ihm vertrauten zeitgenössischen jüdischen Deutung zu seiner Bibel gemacht. Dies hatte zur Folge, daß die Einheit | und Einzigkeit Gottes in der Kirche nie ernsthaft in Frage gestellt wurde. Gruppen, die hier einen anderen Weg gehen wollten, wurden rasch als häretisch ausgeschieden, die Bildung einer göttlichen Trias, die in der spätantiken Welt durchaus im Bereich des Möglichen gelegen hätte, durch das allmählich entstehende trinitarische Dogma definitiv verhindert. Schließlich dürfte für Muhammad in der Krise der altarabischen Religion im 7. Jahrhundert n. Chr. die Überzeugung seiner jüdischen Gewährsleute, daß die Bibel den einen und einzigen Gott verkünde, einer der Anstöße zur Ausbildung seines konsequent monotheistischen Glaubens gewesen sein; erinnert sei an die Rolle Ibrahims als eines der ersten Rechtgläubigen (hunafä3), d.h. Monotheisten und Muslims, bei Muhammad, die sich wesentlich aus der jüdischen Abraham-Legende erklärt (Qur'än 3,60/67; 26,69-82; 29,15-17.23-26/16-18.24-27 4 ). Nun ist aber - und damit laufe ich offene Türen ein - die Art und Weise, wie das Alte Testament über Gott und die Götter denkt und von ihnen spricht, bei historischer Betrachtung längst nicht so monolithisch, wie es nach meiner flüchtigen Skizze seiner Bedeutung für die Gotteslehre der drei großen monotheistischen Religionen unseres Kulturkreises den Anschein haben mag. Gewirkt haben hier Gedanken, die erst verhältnismäßig spät im 1. Jahrtausend v. Chr. aufgetreten sind5. Das Alte Testament hingegen ist ein Sammelwerk, das in Hunderten von Jahren zu seiner Endgestalt herangewachsen ist. So ist es nicht verwunderlich, eher schon natürlich, daß in ihm unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen, deren Aussagen, auch die über Gott, sich historisch gesehen nicht immer ohne weiteres auf einen Nenner bringen lassen. So findet sich unter ihnen selbstverständlich eine kleine Schar radikaler Monotheisten, für die Jahwe Gott ist und kein anderer (z.B. Dtn. 4,35.39; 32,39; 2. Sam. 7,22 = 1. Chr. 17,20; 2. Sam. 22,32 = Ps. 18,32; Jes. 43,10 f.; 44,6.8; 45,57.18.21 f.; 49,9; Jer. 16,19 f.; Ps. 86,106). Daneben steht die große Gruppe de4
Vgl. damit BIN GORION 1935, 192-208. Es ist umstritten, wo im Alten Testament sich der früheste Beleg für den Glauben an die Alleinigkeit Jahwes findet; vgl. BRAULIK 1985, 138-154 = 1988, 280-295. Braulik nennt das Deuteronomium (2. H. 7. Jh. v. Chr.). Gewöhnlich denkt man an Deuterojesaja (2. H. 6. Jh. v. Chr.); vgl. dazu WILDBERGER 1977. Die Stellen, die Braulik aus dem Deuteronomium anführt, sind m.E. jünger als Deuterojesaja; die Frage, ob und, gegebenenfalls, in welehern Maße sie von Deuterojesaja abhängig sind, kann hier auf sich beruhen. Eher wäre Jeremia zu nennen; vgl. Jer. 2,11, eine Stelle, die in der Regel dem Propheten nicht abgesprochen wird (anders freilich DUHM 1901, 17 vgl. 20). 6 In Ps. 86,8AB steht allerdings die traditionelle Unvergleichlichkeitsaussage (״Keiner ist wie du unter den Göttern, Herr"), die die Existenz anderer Gottheiten voraussetzt. Das läßt vermuten, daß man zumindest ״hymnische" Aussagen wie die von V. 10 nicht auf die Goldwaage legen darf. 5
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Synkretismus
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Monotheismus
rer, die man Monolatristen nennen könnte. Sie gestehen wohl zu, daß es viele Götter gibt, die für die anderen Völker auch ihre Bedeutungen haben mögen, fordern aber, daß für Israel ausschließlich Jahwe Gegenstand der Liebe und Verehrung zu sein habe7. Schließlich kann man in Resten oder Reflexen auch noch rein polytheistische Aussagen ausmachen, etwa solche, die Jahwe als Mitglied eines Pantheions zeigen (vgl. Dtn. 32,8 f.; Ps. 82; 89,6-8). Da Monolatrie | Polytheismus voraussetzt, kann man sogar sagen, daß das Alte Testament über weite Strecken hin ein polytheistisches Buch ist. In einem aber ist sich dieser polyphone, manchmal gar dissonante Chor einig: daß Jahwe Israels Gott, Israel das Volk Jahwes ist, und daß dieses besondere Verhältnis zwischen Gott und Volk einen konkreten, in der Geschichte auszumachenden Anfang hat. Man kann daher eine summarische Beschreibung der Vorstellungen geben, die das Alte Testament sich von diesem Verhältnis macht, ohne auf die spezifische Ausrichtung der jeweiligen Quellentexte allzu viel Rücksicht nehmen zu müssen. Jahwe ist in jedem Fall der Nationalgott Israels; diese Stellung nimmt er ein, unabhängig von der eventuellen polytheistischen, monolatrischen oder monotheistischen Überzeugung seiner Verehrer. Wenn wir die Sachverhalte stark vereinfachen, wird das Verhältnis zwischen Jahwe und Israel im Alten Testament auf zweifache Weise8 interpretiert. Das früher belegbare Deutungsmuster ist das der Ehe zwischen Jahwe und dem Land bzw. dem Volk Israel (oder Israel und Juda), bei dem manchmal die Israeliten als die Kinder dieser Verbindung erscheinen. Dieses Modell taucht literarisch zuerst in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. bei dem Propheten Hosea in Israel auf (Hos. 2,4 f. 7 C. 10 A. 11-15; 3,l-4 9 ) und dann, traditionsgeschichtlich von ihm abhängig, am Ende des 7./Anfang des 6. Jahrhunderts bei den judäischen Propheten Jeremia (2,1-3; 3,1-5.6-10 vgl. 11-13; 13,20-
7 Hier einzelne Stellen anzuführen, wäre müßig; vgl. aber so deutliche Formulierungen des Prinzips wie Mi. 4,5 und Dtn. 4,19 f. Letztere Stelle sieht aus wie eine Adaption von Dtn. 32,8 f. aus beträchtlich jüngerer Zeit. 8 Die Quellenlage bringt es mit sich, daß in dieser Skizze die im engeren Sinn polytheistische Fraktion kaum zu Wort kommt. Es ist unwahrscheinlich, daß sie in allen Punkten mit den übrigen Gruppen einer Meinung gewesen ist; das gilt vor allem für die im Rahmen unseres Themas wichtige Frage des ״Abfalls" von Jahwe. Aber wir wissen darüber nichts, und so wäre es wenig sinnvoll, langwierige Spekulationen über den Standpunkt dieser Gruppe anzustellen. 9 Die ständige Rede Hoseas vom ״Huren" (ZNI) bzw. von der ״Hurerei" (zsnümm) ist vor diesem Hintergrund zu sehen; sie beschreibt die unterstellte Hinwendung Israels von Jahwe weg zu anderen Göttern, die innerhalb des ״Ehe"-Bildes als Ehebruch erscheinen muß. Mit den in der wissenschaftlichen Literatur in diesem Zusammenhang immer wieder bemühten ״kanaanäischen Sexual(/Fruchtbarkeits-)riten", deren Existenz im 8. Jahrhundert v. Chr. mir mehr als fraglich ist, hat dieser Sprachgebrauch nichts zu tun. Vgl. dazu VENGASSARY 1985, 11-41, wo der Sachverhalt allerdings nicht deutlich genug angesprochen wird. Siehe noch Anm. 15. - In den Ergänzungen zum Hosea-Buch erscheint das Motiv von Verlobung/ Ehe für das Verhältnis Jahwes zu Israel im Anschluß an die authentische hoseanische Überlieferung in 2,16 f. 18 f.21 f.
24
Synkretismus
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Monotheismus
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27; wohl auch 30,12-15'°) und Ezechiel (16; 23)11. In jüngeren Texten tritt an die Stelle der Ehe, die vielleicht mit dem späteren Gottesbild nicht mehr ohne weiteres vereinbar war, in der Regel der Vertrag, in der Sprache der Theologen ״Bund" genannt, hebräisch bdfltn. Die Vorstellung von der bdfit zwischen Gott und Volk geht wahrscheinlich auf das Vorbild der Vasallenverträge zwischen einer politisch-militärischen Großmacht und den von ihr abhängigen Mittelund Kleinstaaten zurück, die man in Juda zur Zeit des Neuassyrischen und des Neubabylonischen Reiches kennenlernte13. Die gegenseitige Beziehung dieses Gottes und dieses Volkes beruht nach der Mehrzahl der Quellen auf göttlicher Wahl oder, in theologischer Terminologie, auf der Erwählung Israels durch Jahwe. Die Erwählung wird in der Regel an den Patriarchen, insbesondere an Abraham, festgemacht und von hier aus auf ihre | Nachkommen übertragen. Abweichende Vorstellungen fallen demgegenüber kaum ins Gewicht. Vielleicht liegt eine solche Abweichung in der vereinzelten Aussage des ״Moselieds" in Dtn. 32,10 vor, daß Jahwe Israel ״in der Wüste gefunden" habe14. Wegen ihres fragmentarischen Charakters läßt sie sich aber nicht in einen größeren Zusammenhang einordnen. In demselben Gedicht, das sich der Analyse als ein frühestens in die Exilszeit zu datierendes Mosaik unterschiedlicher Überlieferungsstücke darstellt, lesen wir jedoch auch eine deutlich vom Üblichen abweichende Version des Geschehens, das Jahwe und Israel zusammenführte; es heißt dort in V. 8 f.:
10 Angesichts der ungelösten Probleme der Entstehung und Schichtung des Jeremia-Buches ist auf eine Klassifikation der Jeremia-Stellen nach solchen aus authentischer jeremianischer Überlieferung und Ergänzungen verzichtet. Vgl. zu den literarischen Proble-
m e n THIEL 1 9 7 3 u n d 1 9 8 1 ; H . WEIPPERT 1 9 7 3 ; STULMAN 1 9 8 7 . 11
Vgl. ferner aus dem deuterojesajanischen Corpus Jes. 50,1; 54,1-10, und Dtn. 32,(15.) 18 f. 12 S. dazu PERLITT 1969; KUTSCH 1973. Ich bleibe trotz Kutsch bei der deutschen Wiedergabe von barlt mit ״Vertrag" oder ״Bund", weil m.E. auch die ״Verpflichtung" (sei es die der eigenen Person oder die eines/einer anderen) in der Regel Vertragscharakter hat. Zur einseitigen Stilisierung der verschiedenen Exemplare gegenseitiger Verträge im Alten Orient vgl. M . NOTH 1961, i n s b e s o n d e r e 1 3 8 - 1 4 5 = 1971, 1 6 1 - 2 1 0 , i n s b e s o n d e r e 1 7 9 - 1 8 5 ( w e n n
die Identifikation des Bir-Ga'ya der Inschriften von Seflre mit dem assyrischen Turtan Samsi-ilu bei LEMAIRE-DURAND 1984 richtig ist, müßte Noths These freilich neu überdacht werden). Vgl. auch Dtn. 26,17-19, wo der Ausdruck barit aber nicht fällt. 13
14
V g l . FRANKENA 1 9 6 5 , 1 5 2 f.
Vgl. auch Ez. 16,6. Ähnlich klingt auch Hos. 9,10AB: Wie Trauben in der Wüste fand ich Israel, wie eine Frühfeige (Glosse: seine erste!) an einem Feigenbaum erblickte ich eure Väter. Doch ist ״in der Wüste" Näherbestimmung zu ״wie Trauben", wodurch die Ungewöhnlichkeit des Vorgangs unterstrichen wird. Die Stelle ist also von der Tradition ״Finden in der Wüste" zu trennen, da man andernfalls auch eine Tradition ״Erblicken am Feigenbaum" zu postulieren hätte, was absurd wäre. Vgl. allgemein S. WAGNER 1984, 1059, der aber über Hos. 9,10A anders denkt.
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Als der Höchste die Völker als Erbbesitz gab 1 5 , als er die Menschen verteilte, setzte er die Gebiete der Völker fest nach der Zahl der Götter 1 6 . Da wurde 1 7 Jahwes Anteil sein Volk, Jakob der ihm zugemessene Erbbesitz.
Dieser Text ist trotz seiner Kürze äußerst interessant. Ein Jude der nachexilischen Zeit - wohl auch schon der Kompilator des Psalms - hätte nicht umhin gekonnt, den ״Höchsten" (hebr. cElyön; zu ergänzen ist sinngemäß ״Gott") von V. 8 mit dem in V. 9 auftretenden Jahwe zu identifizieren, wie es zeitgenössischem Sprachgebrauch entsprach18. Für die vorexilische Zeit, auf die dieses Fragment zweifellos zurückgeht, ist das nicht ohne weiteres anzunehmen, zumal das Stück unübersehbar polytheistische Züge aufweist. M.E. verbirgt sich hinter dem hier wie ein Gottesname verwendeten Epitheton cElyön der Gott El19, der, wie in der kanaanäischen Theologie der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr., als Schöpferg ott und Oberhaupt des Pantheions fungiert. Der Text schildert die Festsetzung der Zahl der Völker und ihrer Territorien durch El in Übereinstimmung mit der Zahl der Götter. Dieses auf den ersten Blick etwas merkwürdig anmutende Prinzip der Ethnogenese läßt sich jedoch aufgrund von V. 9 leicht erklären. Es handelt sich darum, daß jedem Mitglied des Pantheions - El selbst wohl ausgenommen - ein bestimmtes Volk und sein Gebiet zugewiesen wird. Die betreffende Gottheit wird damit zur Nationalgottheit des jeweiligen Volkes und zum eigentlichen Herrscher des dazugehörigen Landes. So entsteht ein Pantheion von Nationalgöttern unter der Ägide des gleichsam | ״neutralen" Gottes El, eine in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. - der Periode der vorderorientalischen Nationalstaaten - durchaus verständliche Abwandlung des klassischen nordwestsemitischen Götterkollegiums mit seinen ״internationalen" Gottheiten. In V. 9 findet sich die Anwendung auf Israel: Auf diese Weise wurde Jahwe von El zum Nationalgott Israels ernannt. Hier haben wir, wenn auch nur als kleinen Rest, neben der biblischen Urgeschichte (Gen. 1-11) einen weiteren in Israel entstandenen 15 Irn Lichte des folgenden bdhapridö bane נädäm muß man *bahanhil (so zu lesen statt bahanhel des Masoretischen Textes) cElyön göyun wohl so auffassen; zu NHL H mit Akkusativ der Sache und unterdrücktem Akkusativ der Person siehe Jes. 49,8E. 16 Masoretischer Text ״nach der Zahl der Israeliten", Septuaginta ״nach der Zahl der Engel Gottes". Ich folge (Septuaginta und) 4QDtn. s und lese hmispar b9ne °el[öhTm]. Literatur zur Stelle: SCHARBERT 1985, 190 f. 17 Anstelle von kl heleq des Masoretischen Textes scheint mir Septuaginta mit x a i eyevri'frri [lEQig xtL = *wayhT heleq den älteren Text zu bieten. Die Fassung des Masoretischen Textes geht auf eine ״Korrektur" zurück, die es dem Hörer oder Leser aus ״dogmatischen" Gründen erschweren soll, V. 9 im Lichte von V. 8 zu verstehen (der zudem selbst einer ״dogmatischen Korrektur" unterzogen wurde; siehe Anm. 16). 18
V g l . ZOBEL 1 9 8 9 , 1 5 0 f.
19
Z u celyön
als E p i k l e s e E i s s i e h e RENDTORFF 1 9 6 6 , 2 8 0 - 2 8 2 = 1 9 7 5 , 1 7 5 - 1 7 7 ; ZOBEL
1989, 1 4 3 - 1 4 5 ( L i t e r a t u r Sp. 1 3 1 - 1 3 3 p a s s i m ) .
149
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und
Monotheismus
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protogonischen Mythos, der wie die Urgeschichte in die Protohistorie oder Historie Israels übergeht. Nur wird das Verhältnis Jahwes zu Israel hier nicht, wie im Pentateuch, ״heilsgeschichtlich", also durch einen historischen Mythos, begründet; es geht vielmehr auf eine Setzung des Schöpfergottes zurück, ist also Teil der Schöpfungsordnung. Wenden wir uns nach dieser Abschweifung wieder der Hauptlinie des alttestamentlichen Verständnisses der Beziehung zwischen Jahwe und Israel zu! Seine begriffliche Fassung unter den Kategorien von ״Ehe" und ״Bund" (im Sinne eines Vasallenvertrags) impliziert für Israel als dem ״weiblichen" bzw. schwächeren Partner, daß Jahwe einen Anspruch auf Ausschließlichkeit besitzt, der für Israel die Verehrung anderer Götter neben ihm verbietet; hingegen beruht Jahwes Bezogenheit auf Israel - und nicht auf andere Völker - auf seiner freiwilligen Selbstbindung. In der Praxis läßt das Machtgefälle zwischen der Gottheit Jahwe und dem Volk das Verhältnis freilich oft als ein einseitiges erscheinen - der Gott, der befiehlt, das Volk, das zu gehorchen hat; aber der Eindruck täuscht. Man kann das gut am 1. Gebot des Dekalogs zeigen, in dem, vielleicht in spätvorexilischer Zeit20, die reziproke Ausschließlichkeit der Partner ihren klassischen Ausdruck gefunden hat: Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten, dem Sklavenhaus, herausgeführt hat. Nicht sollst du andere Götter über mich hinaus 2 1 haben! (Ex. 20,2 f.; Dtn. 6,5 f.)
Hier enthält der zweite Satz des Textes, das eigentliche 1״. Gebot", Jahwes Anspruch auf alleinige Verehrung: ״Nicht sollst du andere Götter über mich hinaus haben!" Das ist kein monotheisti|scher Satz: Daß es andere Götter gibt, die man verehren kann, wird nicht geleugnet; aber im Rahmen des zwischen den Partnern bestehenden Verhältnisses gehen sie Israel nichts an, ist ihre Verehrung Israels untersagt. Der erste Satz gehört nicht speziell zum 1. Gebot, sondern ist die Einleitung des gesamten Dekalogs, die also bei allen Geboten mitzubedenken ist. Hier stellt sich die die Gebote gebende Gottheit vor: ״Ich bin Jahwe." Wer Jahwe ist, wird durch zwei Attribute erläutert, die beide auf sein Verhältnis zu Israel Bezug nehmen. Durch die Apposition ״dein Gott" wird auf den Status hingewiesen, den Jahwe Israel gegenüber besitzt. Der Attributsatz ״der dich aus dem Land Ägypten, dem Sklavenhaus, herausgeführt hat" zitiert die große Rettungstat der Vergangenheit, durch die Jahwe seine Bindung an das Volk Israels erstmals manifest gemacht hat, und aufgrund derer er nun Treue gegen Treue erwarten darf. So wird angedeutet, daß die Zehn Ge-
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bote nicht das einseitige Diktat eines autoritären Gottes sind, sondern aus der Gegenseitigkeit der Beziehung zwischen Jahwe und Israel entspringen. Nun dürfte aber jedem aufmerksamen Hörer oder Leser alttestamentlicher Texte klar sein, daß das Verhältnis zwischen Jahwe und Israel nur selten ungetrübt gewesen ist. Dies ist jedenfalls die Meinung der Mehrzahl der Autoren, die sich in der hebräischen Bibel zu Wort melden. Sie erklären, daß zwar Jahwe alles oder sogar noch mehr als das getan hat, wozu er als Ehemann oder Vertragspartner Israels verpflichtet war, daß sich aber Israel bei jeder sich bietenden Gelegenheit seinen Verpflichtungen gegenüber Jahwe entzogen hat. Der Hauptvorwurf ist der der Hinwendung Israels zu anderen Göttern, sei es, daß es sie ״über Jahwe hinaus", sei es, daß es sie ausschließlich verehrte. 111 der Sprache des ״Ehe"-Modells bedeutet das Ehebruch, ״Hurerei"22, in der des bdritModells Vertragsbruch. Unter modernen Theologen spricht man in diesem Zusammenhang verallgemeinernd vom Abfall Israels von Jahwe. Einig sind sich alle alttestamentlichen Kritiker des religiösen Verhaltens Israels darin, daß der Abfall von Jahwe ein Phänomen ihrer Gegenwart ist, daß er aber bereits mehr oder minder weit in die Vergangenheit zurückreicht. In der Regel geht man von einer idealen Frühzeit aus, in der das Verhältnis zwischen Jahwe und Israel intakt und harmonisch gewesen sei (Hos. 9,10; Jer. 2,1-3); wann aber der Bruch eintrat, darüber gibt es verschiedene Theorien. Die einen meinen, dies sei schon auf dem Ex|odus während des Wüstenzugs geschehen (Ex. 32; Dtn. 9,8-21; Hos. 11,1 f.; 13,5 f.; Am. 5,26 [Zusatz]), als das Volk, frustriert von den Schwierigkeiten des Marsches, an den Führungsqualitäten Jahwes und Moses zu zweifeln anfing. Andere denken an den Augenblick, als die Wanderer zum ersten Mal mit den Bewohnern des Kulturlands, ihren Göttern und ihren Heiligtümern in engeren Kontakt traten (Num. 25; Hos. 9,10). Wieder andere geben den Tod der Exodusgeneration, die noch ״die großen Taten Jahwes, die er für Israel getan hatte, gesehen" hat, als den Zeitpunkt an, an dem Israel den Versuchungen des kanaanäischen Kults erlag (Ri. 2,7-10), noch andere schließlich die Niederlassung im Land Kanaan selbst, durch die sich die Kontakte mit den Einheimischen vervielfachten (Ri. 3,5 f.; 1. Kön. 14,23 f.; 2. Kön. 17,7-12; Hos. 13,1). Ganz große Pessimisten, wie der Prophet Ezechiel, sahen die Israeliten bereits in Ägypten und dann durchgängig bis auf ihre Zeit anderen Göttern dienen (Ez. 20; 23,3). Es ist eine bemerkenswerte Erscheinung, wenn sich fast die gesamte Literatur eines antiken Volkes, die uns überliefert ist, kritisch mit dessen religiöser, politischer und ethischer Haltung auseinandersetzt und sie verurteilt. Der Gedanke liegt nahe, daß sich darin der Genius Israels ausdrückt, daß dies ein Zeichen für seine Andersartigkeit, ja Analogielosigkeit in der Welt des Alten Orients - und darüber hinaus - ist. Ohne die Leistung der alttestamentlichen
HOSSFELD 1982, 2 6 4 - 2 6 7 .
21 c
al-pänay ״über mich hinaus": Die Präposition cal drückt häufig die Überschreitung einer gegebenen Norm(al)zal11 bzw. -menge durch Hinzufügung aus; vgl. GENESIUS-BUHL 1917, 587a s.v. cal Blby. Zu pänun i.S. v. ״Person" siehe ebd., 647a s.v. *päne 2.
22 Das ist der Grund für den Gebrauch von Derivaten der Wurzel ZNI ״huren" bei Hosea (siehe schon Anm. 9), Jeremia, Ezechiel, im Deuteronomistischen Geschichtswerk usw. als termini technici für die unterstellte Hinwendung Israels zu anderen Göttern Jahwe.
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Schriftsteller, um die es hier geht, schmälern zu wollen, denke ich doch, daß man die Dinge nüchterner betrachten muß. Um das beschriebene Phänomen zu verstehen, muß man sich vor Augen halten, daß die einschlägigen Texte sämtlieh tendenziös sind. Sie sind nicht sine ira et studio verfaßt. Sie haben eine Botschaft, die sie ihrem Publikum vermitteln wollen in der Absicht, es zu überzeugen und zur Änderung seines bisherigen Verhaltens zu veranlassen. Das ist unmittelbar einsichtig bei der offenen Polemik, die sich in fast allen alttestamentlichen Prophetenschriften findet, die sich nicht ausschließlich mit fremden Völkern beschäftigen. Die Kritik richtet sich hier an die politisch und religiös relevanten Bevölkerungsteile der Staaten Israel und Juda, insbesondere an die Könige und ihre Minister sowie an die Priester und Propheten der Staatsheiligtümer. Sie versucht die Angesprochenen zu einer Änderung ihres Tuns und Lassens zu bewegen, das nach Meinung dieser Propheten nicht mit dem übereinstimmt, was Jahwe als Ehe- oder Bundespartner verlangen kann, und so | Sanktionen seitens des hintergangenen Ehemanns bzw. der durch den Vertragsbruch geschädigten Partei23 nach sich zieht, die sich in Katastrophen wie Hungersnöten, Seuchen und Kriegen auswirken. Bei eintretender oder auch nach eingetretener Katastrophe handelt es sich darum zu erklären, weshalb es so weit kommen konnte. Bei erzählenden Werken, etwa dem sogenannten Deuteronomistischen Geschichtswerk, liegt die Polemik weniger offen zutage. Denn hier ist es Kritik aus der Rückschau, die im Gewand der GeschichtsSchreibung auftritt. M.E. stellt das Sub-Deuteronomistische Geschichtswerk in seiner von Genesis bis 2. Könige reichenden Letztgestalt24 eine doppelte Ätiologie dar: Es beschreibt, wie Israel in den Besitz seines Landes gekommen ist, und es erklärt, wie und weshalb es sein Land wieder verloren hat25. Als Grund für den Verlust des Landes in den militärisch-politischen Katastrophen von 722/20 (Untergang Israels) und 586 (Untergang Judas) geben die Autoren und Redaktoren des Werks den Abfall Israels - oder Israels und Judas - von Jahwe an. Allerdings wird der Abfall angesichts der verschiedenartigen Materialien, die in die Geschichtsdarstellung integriert worden sind, und der mehrfachen Redaktion des Werks unterschiedlich definiert: als Verehrung anderer Götter und als illegitimer Jahwekult (s. u.a. 2. Kön. 17,7-23; 23,26 f.). Ich denke, es ist deutlich, daß es sich bei den meisten alttestamentlichen Schriften um Äußerungen der Opposition handelt, die den vorhandenen Institutionen, Überzeugungen und Praktiken kritisch, oft völlig ablehnend gegenübersteht26. Man darf ihre Werke nicht mit der altisraelitischen Literatur ver23
Die Sache ist in Wirklichkeit noch komplizierter, da Jahwe nicht allein Partner, sondern zugleich der göttliche Garant der bdfit ist. Er hat also doppelten Anlaß, im Falle des Vertragsbruchs zu Sanktionen zu schreiten. 24
25
M . WEIPPERT 1 9 7 3 a , 4 3 3 f.
Ebd., 427-442. 26 Daß sich die etablierten Gewalten im Alten Orient häufig oppositionellen Bewegungen gegenübersahen, ist in der Wissenschaft, wie es scheint, erst in neuerer Zeit thematisiert worden; vgl. FINET O.J. Sicher in diesen Zusammenhang gehören die Auseinandersetzungen
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wechseln; diese umfaßte sicher sehr viel mehr27. Nur sind die Texte der den Status quo der vorexilischen Zeit vertretenden Autoren nach den Katastrophen von 722/20 und 586, die der Opposition Recht gaben, für nicht mehr überlieferungswürdig erachtet und der Vergessenheit anheim gegeben worden.
2. Religionsinterner Pluralismus: Familien-, Lokalund Staatsreligion im vorexilischen Israel Wenn es stimmt, daß große Teile des Alten Testaments die literarische Hinterlassenschaft der vorexilischen politisch-religiösen Opposition in Israel und Juda und die ihrer jüdischen Erben enthalten, hat das schwerwiegende Konsequenzen: Man darf dann das Minderheitsvotum der im Alten Testament bezeugten Religion nicht mit der historischen Religion Israels in vorexilischer Zeit identifizieren. Man muß vielmehr auf eine strenge Trennung beider bedacht sein, wenn man den religionsgeschichtlichen Prozeß verstehen will, der die Theologie des Alten Testaments und die nachexilische jüdische Religion hervorgebracht hat, deren Urkunde die hebräische Bibel ist. Wie aber kann man sich einer versunkenen antiken Religion des Vorderen Orients wissenschaftlich annähern, von der uns direkte Zeugnisse nur in verhältnismäßig geringen Resten vorliegen - einige zeitgenössische Inschriften, eine kleine Anzahl von Texten oder Textfragmenten im Alten Testament, die dem großen Autodafe nach dem Zusammenbruch der sozialen und staatlichen Ordnungen, in denen sie ihre ursprüngliche Funktion hatten, entgangen sind, ein paar Kultinstallationen und eine Reihe von Kultgeräten, die bei Ausgrabungen in Palästina zutage gekommen sind? Hierauf gibt es in diesem Fall glücklicherweise eine einfache Antwort: Man muß sich an die Aussagen der Gegner halten, diese allerdings vom Kopf auf die Füße stellen. D.h., wir müssen das Schema ״Anfängliche ausschließliche Jahweverehrung Israels - Abfall zu fremden Göttern" kritisch unter die Lupe nehmen. Daß dies so historisch nicht zutrifft, ergibt sich bereits aus einfachen Beobachtungen im Alten Testament. So lassen etwa die Nachrichten über die Gottesverehrung der Patriarchen - wie immer man sie deuten mag - selbst nach ihrer Übermalung im Sinne der propagierten Monolatrie Jahwes noch durchschimmern, daß am Anfang nicht die Allein-
zwischen Propheten in Juda im 7./6. Jahrhundert v. Chr., die man historisch nicht auf die Formel ״wahre und falsche Propheten" reduzieren darf, da man so nur Überbauphänomene, nicht aber den Kern der Sache in den Blick bekommt. Auch die Studien von M. SMITH 1971, insbesondere Kapitel II (in deutscher Übersetzung bei LANG 1981a, 9 - 4 6 ) und LANG 1981b (überarbeitet in LANG 1983, 13-56) zur sogenannten ״Jahwe-allein-Bewegung" sind hier zu nennen. 27 Das Alte Testament zitiert selbst eine Anzahl anderer Schriften, die uns nicht mehr vorliegen; die in den Büchern der Chronik als Quellen angeführten Prophetenschriften sind allerdings fiktiv.
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Verehrung Jahwes stand . Was also die kritischen Autoren des Alten Testaments, die Propheten, Deuteronomiker und Deuteronomisten, als Abfall von Jahwe und Hinwendung Israels zur Religion Kanaans bekämpften, war m.E. die traditionelle israelitische Religion der vorexilischen Zeit. Diese Religion war polytheistisch. Das Alte Testament ist voll von kritisehen und polemischen Äußerungen des Inhalts, daß die Israeliten eine Mehrzahl von Gottheiten verehrten. Wenn ich auch nicht für alle Einzelheiten dieser Mitteilungen meine Hand ins Feuer legen möchte, sehe ich doch keinen Anlaß, an ihrer grundsätzlichen Richtigkeit zu zweifeln. Verehrt wurde selbstverständlich auch Jahwe, der als Nationalgott Israels sogar eine hervorgehobene Stellung einnahm, auch wenn er in der Hierarchie des | Pantheions urspriinglieh keineswegs den ersten Platz beanspruchen konnte. So erscheint er in dem bereits besprochenen Text Dtn. 32,8 f. als eines der Mitglieder des Pantheions (der bane נelöhim) unter der Autorität des ״höchsten" Gottes, m.E. Eis. Derselben Situation begegnen wir in Ps. 8229, dessen Verfasser den Götterkollegen Jahwes allerdings mit deutlicher Distanz gegenübersteht. Hier hält Jahwe ״in der Ratsversammlung Eis ... inmitten der Götter" den anderen Gottheiten, wahrscheinlich wie in Dtn. 32,8 f. den Nationalgöttern der fremden Völker, eine Philippika, in der er sie der Förderung der Ungerechtigkeit unter den Mensehen beschuldigt und ihnen ihren Untergang ankündigt. Der Psalmist kann daraufhin am Ende des Gebets Jahwe auffordern, den Völkern Recht zu sprechen, und ihm die Herrschaft über alle Nationen zuschreiben30. Hier ist Jahwe auf dem Weg, der ihn schließlich an die Spitze des Pantheions führen wird. In dem spätvorexilischen Ps. 89 ist er dann wohl bereits Oberhaupt der Götter, wie die Verse 6-8 zeigen: Preisen möge der Himmel deine Wundertaten, Jahwe, ja, deine Beständigkeit die Versammlung 3 1 der Heiligen. Ja, wer im G e w ö l k ist Jahwe gleich, gleicht Jahwe unter den Göttern? Gott ist furchterweckend in der Ratsversammlung der Heiligen, größer und furchtbarer als alle, die ihn umgeben.
Die ״Versammlung" oder ״Ratsversammlung der Heiligen" ist hier nicht, wie in jüngeren Texten32, die judäische oder jüdische Jahwe-Gemeinde, sondern, wie in Dtn. 32 und Ps. 82, der Götterrat, der sein Haupt Jahwe umgibt. Ich habe diese drei Psalmentexte an den Anfang dieses Kapitels gesetzt, weil sie demonstrieren, daß selbst die ״offizielle" Theologie des Jerusalemer Tem28
ALT 1929 = 1953, 1-78 passim.
29
L i t e r a t u r zu P s . 82: SCHARBERT 1985, 191 f.
30 Der Text von V. 8C ist schwierig; m.E. ist er aufzufassen als ״denn du hast Erbbesitz (tinhal) in Gestalt (bs-) aller Völker". 31 Ich lese *q3hal statt biqhal\ vgl. sämayim V. 6A. Die Lesart des heutigen Textes ist wohl entstanden, als man die qadösTm von V. 6B.8A nicht mehr als die Götter, sondern als die jüdische Gemeinde verstehen wollte. 32 M. NOTH 1955 = 1957a, 274-290; HANHART 1967.
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pels bis in die spätvorexilische Zeit hinein weder monolatrisch noch gar monotheistisch, sondern einfach polytheistisch war. Nun ist aber noch lange nicht ausgemacht, daß der von Salomo erbaute Tempel in Jerusalem als repräsentativ für ״die" israelitische Religion der vorexilischen Zeit gelten kann; im Gegenteil - man hat allen Grund, daran zu zweifeln. Der Tempel war Staatsheiligtum, erst das Groß-Israels unter Salomon, dann, nach dem Zerfall der davidisch-salomonischen Doppelmonarchie um 925 v. Chr., das ihres südlichen Nachfolgestaats Juda, und als solches auf das engste mit dem Königtum und seiner Ideologie verbunden. Man darf annehmen, daß die dort gepflegte Theologie für das Leben des ״einfachen" Israeliten oder Judäers keine große Bedeutung hatte. Darüber hinaus war Jerusalem bis auf David (und wohl auch noch später) eine ״kanaanäische" Stadt mit eigenen politischen und religiösen Traditionen, die sicher nicht ohne Einfluß auf den Tempel geblieben sind. Schließlich stand der Tempel selbst mit seiner architektonischen Anlage in mittel- und spätbronzezeitlich-kanaanäischer Tradition33. Man wird also Jerusalemer Theologumena nicht unbesehen für das Land Juda oder gar für Israel voraussetzen können. Dies ist eine Einschränkung, die uns auf einen wichtigen Sachverhalt aufmerksam macht. Es wäre sicher eine unzulässige Vereinfachung, generell von ״der" vorexilischen israelitischen Religion zu sprechen. Bei näherem Zusehen zeigt sich in der Tat, daß sich das religiöse Leben im alten Israel auf drei Ebenen abspielte, die in der Praxis und z.T. auch in den damit verbundenen VorStellungen deutlich voneinander geschieden waren. Diese drei Ebenen waren die Familie, der Wohnort oder die Region und der Staat34. Die Familienreligion läßt sich aus alttestamentlichen Texten erschließen, die von Familiengeschichte handeln oder Seitenblicke auf das häusliche Leben erlauben, in erster Linie aus den Patriarchenerzählungen der Genesis35. Gegenstand der Verehrung auf dieser Ebene ist der Familiengott, wohl der persönliche Gott des paterfamilias, der in der Regel bereits der eines früheren Oberhaupts oder des Ahnherrn der Familie gewesen sein wird. Er hat die Funktion eines Schutzgottes, der in allen Situationen des täglichen Lebens für die Familie als ganze sorgt, ihren Fortbestand sichert und sich auch um ihre einzelnen
33
34
H . WEIPPERT 1 9 8 8 a , 4 6 4 m i t A n m . 2 0 .
Vgl. dazu allgemein ALBERTZ 1978, der allerdings nur die Familienreligion und die offizielle Religion unterscheidet. 35 Es ist für die Zwecke dieser Skizze nicht notwendig, auf die in der Literatur kontrovers diskutierte Frage einzugehen, ob diese Geschichten die Gottesverehrung der ״Patriarchen", d.h. der ״nomadischen" Vorfahren der Israeliten, historisch genau widerspiegeln oder ob ihre Angaben über die Religion der ״Väter" nach dem Vorbild der Familienreligion ihrer seßhaften Nachkommen gestaltet sind. M.E. handelt es sich dabei um ein Scheinproblem, da der Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse der Israeliten durch die Ansiedlung zunächst nicht so tiefgreifend gewesen sein dürfte, daß er sich auf den Charakter der Familienreligion ausgewirkt hätte. Ob und in welchem Maße sie im Laufe der Zeit Wandlungen unterworfen war, bleibt zu untersuchen. Insgesamt ist aber eher Kontinuität als Bruch mit der Vergangenheit zu postulieren.
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Mitglieder kümmert36. Das enge persönliche Verhältnis, das zwischen ihm und seinen Verehrern besteht, drückt sich in der Weise aus, wie man von ihm spricht. Der Familiengott erscheint in unseren Quellen meist nicht unter seinem Eigennamen, sondern unter einer deskriptiven Bezeichnung, die auf seinen ersten oder heutigen Verehrer Bezug nimmt. So reden die PatriarchenerZählungen vom ״Gott Abrahams", vom ״Gott Nahors", vom ״Schrecken Isaaks" oder vom ״Starken Jakobs", und man kann auch einfach ״mein/dein Gott" oder ״der Gott meines/deines Vaters" sagen37. Deshalb läßt sich nicht mehr feststellen, wer diese Götter ursprünglich waren. In der alttestamentlichen Fassung der Patriarchenerzählungen sind sie fast alle - mit Ausnahme etwa des ״Gottes Nahors" - mit Jahwe | identifiziert; doch das ist spätere Gleichsetzungstheologie. Auffällig ist, daß das Alte Testament Opfer, die man den Familiengöttern dargebracht hat, nicht ausdrücklich erwähnt. Es gibt dafür jedoch archäologische Indizien38. So sind seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert v. Chr. in israelitischen Wohnhäusern kleine Altäre aus Kalkstein belegt, die angesichts ihrer geringen Ausmaße nur für Räucheropfer gebraucht worden sein können. Demselben Zweck dienten wohl Keramikständer mit lose eingesetzter Schale und tassenförmige Tongefäße mit perforierten Wänden39. In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts kamen noch Libationsgefäße hinzu, wenn wir die sogenannten ״Handschalen" in diesem Sinne deuten dürfen40. Ob man den Familiengottheiten auch blutige Opfer dargebracht hat, läßt sich aus den Ausgrabungsbefunden nicht sicher ermitteln. Ausgeschlossen ist es nicht41; insbesondere könnte man an verschiedene rites de passage denken42. Vielleicht gehörte das Passa, das ja deutlich ein Familienfest ist, selbst wenn es, wie zur Zeit des nachexilischen Jerusalemer Tempels und bei den Samaritanern, an einem zentralen Heiligtum begangen wird, einmal in diesen Zusammenhang. Die Fundstellen der Kultgeräte zeigen, daß der Familienkult seinen Platz im Haus hatte; reiche Bauern wie der Ephraimit Micha von Ri. 17 f. konnten sich dafür auch eine eigene ״Hauskapelle" mit Gottesbild, Priester und Orakelgeräten leisten43. 36 Wie man zu einem persönlichen Gott kommen konnte, zeigt Gen. 28,20 f., wo auch einige seiner Funktionen genannt werden. 37 Das Verdienst, diesen Religionstypus in das Bewußtsein der Wissenschaft gehoben zu haben, gebührt noch immer A. Alt (ALT 1929 = 1953, 1-78), auch wenn seine These vom ״nomadischen" Ursprung der ״Väterreligion" der Kritik (LEWY 1934; DIEBNER 1975; VOR-
LÄNDER 1 9 7 5 ; A L B E R T Z 1 9 7 8 , 4 9 - 9 5 ) n i c h t s t a n d g e h a l t e n h a t . 38
H. WEIPPERT 1988a, 409.447 f. Ebd., 448.628 f. 40 Ebd., 629.664 f. 41 Vgl. ebd., 409. 42 Man vergleiche die ״Opfer" der arabischen Bevölkerung Palästinas bei verschiedenen Wendepunkten (Geburt, Beschneidung, Hausbau etc.) im Leben der Familie; CANAAN 1962. Familienopfer an einem regionalen Heiligtum: 1. Sam. 1. 43 Zur Familienreligion gehören auch die Theraphim (tsräpim) (Gen. 31,19B.30C.32A; Ri. 17,5B; 1. Sam. 19,13.16BC), die gelegentlich ״Götter" ( נelöhTm) genannt werden (Gen. 31,30C.32A) und von denen man, wie es scheint, Orakel erlangen konnte (Ez. 21,26; Sach. 39
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Die Familienreligion war in keiner Weise exklusiv, so daß sich die Familien, ohne mit ihrem Gott in Konflikt zu geraten, am Kult der lokalen oder regionalen Heiligtümer beteiligen konnten (vgl. 1. Sam. 1). Diese Heiligtümer sind für die vorexilische israelitische Religion typisch. Sie befanden sich in der Nähe der Ortschaften oder an hervorgehobenen Punkten einer Landschaft, nach der hinsichtlich der Quantität wohl etwas übertreibenden - Beschreibung durch ihre deuteronomistischen Gegner ״auf jedem hohen Hügel und unter jedem grünen Baum" (Dtn. 12,2; 1. Kön. 14,23; 2. Kön. 16,4 = 2. Ch. 28,4; 2. Kön. 17,1044). Über ihren Charakter läßt sich zunächst negativ sagen, daß sie in den Texten niemals bayit oder hekäl, ״Tempel", genannt werden. Das bedeutet wohl, daß sie ein Gebäude, in dem die Gottheit, vertreten durch ihr Kultbild oder Symbol, wohnend gedacht war, nicht besaßen. Ihre übliche Bezeichnung ist bämä (Plural bämöt), ein in seiner Bedeutung bisher leider nicht geklärter Begriff, den wir im Deutschen mehr | schlecht als recht mit ״Höhe", ״Kulthöhe" oder ״Höhenheiligtum" wiedergeben. Positiv lassen sich die bämöt als Kultstätten unter freiem Himmel beschreiben. Ihr einfaches Inventar45 bestand aus einem Altar oder Altären für die Opfer und Steinpfeilern (Masseben, hebr. massdböt) und Holzpfählen oder heiligen Bäumen (Äscheren, hebr. יasefim), die männliche bzw. weibliche Gottheiten repräsentierten. Die Gottheiten konnten jedoch auch durch Statuetten oder, in jüngerer Zeit unter nordsyrisch-mesopotamischem Einfluß, durch ihre Embleme in Standartenform46 vertreten werden. Im Laufe der Zeit sind dann einzelne bämöt auch mit Kultgebäuden ausgestattet worden, wie die Erwähnung von bet/bäte bämöt, wörtlich ״Höhenhäusern", im Alten Testament (1. Kön. 12,31; 13,32; 2. Kön. 17,29.32; 23,19) und die archäologisch nachgewiesene Baugeschichte des Heiligtums auf dem Teil cAräd im Süden Judas zeigen. Doch ist das höchstwahrscheinlich auf Eingriffe des Staates in die lokalen Kulte zurückzuführen (vgl. 1. Kön. 12,31; 2. Kön. 23,19). Die bämöt waren für den Alltag der Umwohnenden unentbehrlich, da ursprünglich jede Schlachtung als Opfer galt und am Heiligtum ausgeführt werden mußte. Für den täglichen Kult, der im wesentlichen wohl aus Räucheropfern samt dem sie begleitenden Ritual bestand, waren Priester angestellt, die man, wie es scheint, lew!(״Levit") oder höhen (״Priester") nannte. An den Hei10,2A). Nach ROUILLARD-TROPPER 1987 handelte es sich um Symbole oder Figuren von vergöttlichten Ahnen. Ob ihre Funktion in Ri. 18,14B.(17C sekundär.) 18B.20B; 2. Kön. 23,24; Ez. 21,26, wo sie als Objekte des offiziellen Kults erscheinen, noch richtig verstanden wurde, steht dahin. 44 Vgl. noch Jes. 57,5; 65,7; Jer. 2,20; 3,6.13; 13,27; 17,1-3; Ez. 6,13; 18,6.11.15; 22,9; Hos. 4,17; 2. C11. 21,11. 45 Vgl. u.a. Dtn. 12,3; 1. Kön. 14,23; 2. Kön. 17,19; Ez. 6,3 und zur archäologischen Seite H. WEIPPERT 1988a, 407-409.447 f.627 f. (die Verhältnisse in der Eisenzeit HC, ebd., 621-628, sind komplex; vgl. dazu aber die sogleich zu besprechenden Erwähnungen von bet/bäte bämöt im Alten Testament). Zu mittel- und spätbronzezeitlichen Vorläufern siehe ebd., 233-236.281-284. 46
H . WEIPPERT 1 9 8 8 a , 6 2 7 f.
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ligtümern wurden auch die großen Kultfeste des landwirtschaftlichen Jahres gefeiert, die die Orts- und Landschaftsgenossen bei den Opfermahlzeiten vereinten. Der Kult an den bämöt galt in der israelitisch-judäischen Königszeit ohne Zweifel Jahwe, in der Regel wohl in Gesellschaft einiger anderer Götter. Lokal unterschiedliche Epitheta Jahwes wie 3El cÖläm in Beerseba (Gen. 21,33), 3El Rö31 in Beerlahairoi im Negeb (Gen. 16,1347) und wohl auch 3El Bet-3El in Bethel (Gen. 35,7), die ihm im Alten Testament beigelegt werden, lassen jedoch erkennen, daß Jahwe an einer Reihe von Orten die Nachfolge anderer Götter, in den genannten Fällen die lokaler Manifestationen Eis, angetreten hat. Ob auch mit dem נelöhe Dan, dem ״Gott Dans", in Dan (Am. 8,14) oder mit *Död in Beerseba (Am. 8,1448) und dem östlich des Toten Meeres gelegenen Ataroth (KAI 181,12) Jahwe gerneint ist, läßt sich aus den Belegstellen nicht erkennen49. Neben diesen Göttern werden im Alten Testament häufig noch Baal, Aschera und Astarte erwähnt. | Interessant ist die Götterwelt der sogenannten Bileam-Inschrift50 aus dem Heiligtum des transjordanischen Teil Der cAllä aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts51. Hier heißen die zur Rats Versammlung zusammentretenden Gottheiten generell 3Ihn oder sdyn. Aus ihrem Kreis werden im einzelnen genannt der Gott El und die Göttinnen c Astar, Sagar und eventuell Sams52. Die Gesamtbezeichnung sdyn, ״die zu Sadday Gehörigen", weist vielleicht darauf hin, daß El dort unter dem Kultnamen (3II) Sadday verehrt wurde. Die Inschrift wurde in dem Heiligtum angebracht, als der Teil Der cAllä höchstwahrscheinlieh zum Territorium des Reiches Israel gehörte. Kein wirkliches Pantheion bilden die Götter, die in den Inschriften der Kulträume von Kuntilet cAgrüd, einer - wohl von der judäischen Armee gesicherten - Straßenstation an einem eisenzeitlichen Vorläufer des Darb el-Gazze weit südlich der Südgrenze Judas, erwähnt werden53. Hier sind El, Baal, Jahwe und Aschera belegt, wobei Jahwe auch in zwei lokalen Manifestationen als ״Jahwe von Samaria" (YHWH smrn) und ״Jahwe von Theman" (YHWH (h)tmn) auftritt, 47
Nach KNAUF 1985a, 48 f., i s t נE l Rö'i literarische Erfindung. 48 Der masoretische Text bietet derek, das aber nach Analogie von 'elöhekä wahrscheinlieh *döddkä ״dein Död" zu lesen ist. 49 Eine griechisch-aramäische Weihinschrift an ״den Gott in Dan" {6sw tu ev Aävoig, ohne genaues aramäisches Äquivalent), die auf dem Teil el-Qädi, dem Ruinenhügel der Stadt Dan, gefunden worden ist (BIRAN-TZAFERIS 1977), zeigt die Kontinuität der Gottesbezeichnung *,elöhe Dan bis in hellenistische Zeit (ca. 2. Jh. v. Chr.). Das läßt vermuten, daß der am Heiligtum verehrte (Haupt-)Gott nicht Jahwe war. Bei der Einrichtung des israelitischen Staatsheiligtums in Dan könnte Jahwe sein Paredros geworden (E. A. KNAUF, persönliche Mitteilung) oder aber zeitweilig mit dem ״Gott von Dan" identifiziert worden sein (die Tünche fiel dann wohl ab, als Dan [wann?] Israel verlorenging). 50
HOFTIJZER-VAN DER KOOIJ 1 9 6 7 .
51
H . W E I P P E R T - M . WEIPPERT 1 9 8 2 [ ־u n t e n S . 1 3 1 - 1 6 1 ] ,
52 In Kombination I Z. 6 ist vielleicht S[wzi] statt 5[gr] zu ergänzen; vgl. die Diskussion bei HACKETT 1984a, 41 f. [und s. unten S. 179f.]. 53
M E S H E L 1 9 7 8 ; W E I N F E L D 1 9 8 2 b ; 1 9 8 4 . B i b l i o g r a p h i e : SCHARBERT 1 9 8 5 , 1 9 2 .
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und Aschera mit Jahwe zusammengehört. Dabei dürfte es sich um Götter von Reisenden unterschiedlicher Herkunft handeln, die in der Festung von Kuntilet c Agrüd Station gemacht und ihre Inschriften hinterlassen haben. Doch ist die Vielgestaltigkeit der Götterwelt der vorexilischen israelitisch-judäischen Religion auch so deutlich zu erkennen. Jahwe, der Nationalgott Israels (bzw. Israels und Judas), stand in vorexilischer Zeit nicht allein, wie wir es von der Zeit des nachexilischen Judentums an gewöhnt sind, sondern hatte eine Göttin neben sich. Diese war nicht immer dieselbe. Der ältere Zustand wird paradoxerweise durch die jüngeren Texte repräsentiert, nämlich die aramäischen Briefe und Rechtsurkunden ״jüdischer"54 Truppenteile der persischen Armee, die im 6./5. Jahrhundert im oberägyptischen Elephantine (nahe dem heutigen Assuan) stationiert waren und dort einen Jahwetempel besaßen. 111 diesen Texten erscheint neben Jaho (Jahwe) die Göttin cAnät-Yahö (COWLEY 1923, Nr. 44,355), d.h. ״die Anath des Jaho". Einmal kommt auch cAnät-Befil (COWLEY 1923, Nr. 22,12556), ״die Anath des Bethel" vor; doch halte ich es für ziemlich sicher, daß Bethel ein anderer Name für Jaho ist. Daß hier der ältere Zustand reflektiert ist, | ergibt sich daraus, daß die Göttin Anath, um es zunächst abstrakt und negativ zu sagen, nach den Texten der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. nicht die Gefährtin des höchsten Gottes gewesen ist. Wir haben schon gesehen, daß Jahwe erst allmählich in die Stellung des Haupts des Pantheions hineingewachsen ist; doch war dies zur Zeit der Entstehung der Elephantine-Texte eine Tatsache. Wir müssen also annehmen, daß die Religion dieser persischen Soldaten ״jüdischer" Herkunft fern ihrer ursprünglichen Heimat ältere Züge bewahrt hat. Der jüngere Zustand findet sich im Alten Testament. Hier steht neben Jahwe die Göttin Aschera. Aschera - im 2. Jahrtausend נAtirat - ist von Hause aus die Gemahlin Eis, des höchsten Gottes des älteren nordwestsemitischen Pantheions. Möglich wurde die Zuordnung Ascheras zu Jahwe dadurch, daß letzterer, wie bereits angedeutet, im Laufe der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends zum 54 Die Verfasser der Texte nennen sich selbst ״Judäer" (Yhwdy ) נ. Der Gottesname Jaho (geschrieben Yhw und Yhh, M. WEIPPERT 1976-80b, 24[= unten S. 39] ist aber nicht judäisch (bislang auch in Inschriften immer Yhwh), und die Verwendung von Befil als Wechselname für Jaho läßt vielleicht auf Beziehungen zu dem (ehemals) israelitischen Heiligtum in Bethel schließen (nicht zwingend). Zur Entscheidung von kultischen Fragen wenden sie sich zudem in ״ausgewogener" Weise sowohl an die Autoritäten in Samaria als auch an die in Jerusalem (COWLEY 1923, Nr. 30-32). Eine gewagte Vermutung: Handelt es sich vielleicht um Nachkommen israelitischer Berufssoldaten im assyrischen (dazu M. WEIPPERT 1976-80a, 203 f.: DALLEY 1985), ägyptischen und persischen Heer, die wegen ihres Einsatzes fern der alten Heimat eine ältere Form der israelitischen (ephraimitischen?) Religion bewahrt haben? 55 In einem Eid neben ״dem Gott Jaho" (Y[hw , I h f ) und dem vergöttlichten Tempel (.Msgd )נan dritter Stelle. 56 In einer Tempelsteuerliste des Jaho-Heiligtums von Elephantine, in der in ZZ. 120125 das eingegangene Geld auf Jaho selbst (126 S e k e l ) , נs m b y f l (70 Sekel) und cAnät-Befil (120 Sekel) verteilt wird. - Als weitere Gottheit erscheint noch Hrmbyfl in COWLEY 1923, Nr. 7 , 7 .
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Haupt des Pantheions geworden, d.h., in die Funktion Eis eingerückt ist. Voraussetzung dieser These ist freilich, daß hinter dem Kultobjekt Aschera die gleichnamige Göttin steht; doch dafür sprechen die Stellen des Alten Testaments, an denen Aschera eindeutig eine Gottheit ist57. Daß Jahwe und Aschera tatsächlich zusammengehören, hat in den letzten Jahren eine überraschende epigraphische Bestätigung erfahren. In den Inschriften des 9./8. Jahrhunderts aus Kuntilet cAgrüd wie auch in einer Inschrift des 8. Jahrhunderts aus Hirbet el-Qöm nordwestlich von Hebron kommt nämlich mehrfach der formelhafte Ausdruck ״Jahwe und seine Aschera" vor58. Hier kann Jahwes Aschera nicht das aus dem Alten Testament bekannte Kultobjekt sein, da Jahwe als männliche Gottheit durch eine Massebe repräsentiert werden müßte. Der ursprüngliche Charakter Jahwes, des Nationalgotts Israels, ist auf der Grundlage des Alten Testaments nur schwer zu ermitteln. Eine Reihe von Indizien weist jedoch darauf hin, daß er von Hause aus eine Gottheit des HadadTypus gewesen ist, also, in der üblichen, wenn auch stark vereinfachenden Terminologie der Orientalisten und Alttestamentler, ein ״Wettergott"59. Zugunsten der These spricht zunächst, daß Jahwe seinen Wohnsitz auf einem Berg hatte, ursprünglich auf dem Sinai, später in der Theologie des Jerusalemer 57 Die meisten Stellen des Alten Testaments, die Aschera erwähnen, beziehen sich auf das Kultobjekt. Für den Tempel in Jerusalem wird eine Aschera erwähnt in 2. Kön. 23,6; ihre Entfernung ist nach dem ursprünglichen Text des Berichts über die Josianische Reform (vgl. vorläufig STADE 1885, 292 = 1907, 194 f.) der wesentliche Reformakt des Königs Josia von Juda im Jerusalemer Staatsheiligtum (siehe noch Anm. 79). Danach kann man auch die Aschera, die nach 2. Kön. 18,4 Hiskia beseitigt haben soll, dort lokalisieren, auch wenn die Reform Hiskias insgesamt historisch fraglich ist. Eindeutig eine Göttin ist Aschera in 1. Kön. 15,13 (= 1. Ch. 15,16); 18,19; 2. Kön. 21,7; 23,4.7 vgl. noch Ri. 3,7, wo der Plural ״Baale und Äscheren" aber deuteronomistische Verallgemeinerung ist). 2. Kön. 21,7 nennt ein ״Bild der Aschera" (pesel hä'äserä), das in V. 3 einfach als ״Aschera" bezeichnet wird. 58 Kuntilet cAgrüd: drei Pithosinschriften, der Form nach Briefe, vielleicht Schreibübungen (LEMAIRE 1981, 26-28). Der Ausdruck steht jeweils in einer Segensformel, die Teil des Briefpräskripts ist (siehe dazu M. WEIPPERT 1975b): (1) Pithos 1 (MESHEL 1978, 13*.20. 24 f.), 1 f.: brktנtkm lyhwh smrn wl'srth, ״ich segne euch bei Jahwe von Samaria und bei seiner Aschera"; (2) Pithos 2 (WEINFELD 1984, 125), 4 - 6 : brktk lyhwh tmn wPsrth, ״ich segne dich bei Jahwe von Theman und bei seiner Aschera"; (3) Pithos 3 (WEINFELD 1982b, 237), 1': [brktk] lyhwh htmn wl'srth dto. (hier ist das h- von htmn vielleicht Dittographie des auslautenden -h von lyhwh). - Hirbet el-Qöm, Grab II, Inschrift 3,2 f. (LEMAIRE 1977, 5 9 7 608): brk °ryhw lyhwh (w)l'srth" gesegnet ist/sei Uria bei Jahwe und bei seiner Aschera". Im Lichte der (später entdeckten) Inschriften von Kuntilet cAgrüd erscheint mir Lemaires Textherstellung noch immer als die bei weitem einleuchtendste, zumal die abweichenden Deu-
t u n g e n v o n M I T T M A N N 1 9 8 1 u n d JAROS 1 9 8 2 e p i g r a p h i s c h e n b z w . g r a m m a t i k a l i s c h e n B e -
denken unterliegen. Beachtenswert ist, daß der Ausdruck ״Jahwe und seine Aschera" auch hier in einer Segensformel begegnet. - Das Personalsuffix der 3.m.sg. in der Form ,srth sollte m.E. nicht gegen die Deutung von *'srh als Gottesname ins Feld geführt werden; wer Gottesbezeichnungen wie die oben S. 15 und Anm. 56 genannten (aus Elephantine) und etwa cstrkms, ״die c Astar des Kamos" (KAI 181,17), als existierend und grammatisch anerkennt, kann die Möglichkeit der Ersetzung des im Genitiv stehenden Gottesnamens durch ein Possessiv(= Genitiv-)suffix nicht gut leugnen ('srth = *'srt Yhwh). 59 M. WEIPPERT 1976-80b, 252 [= unten S. 43],
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Tempels auch auf dem Palast- und Tempelberg Zion, der in der Kultlyrik mit dem Zaphon identifiziert werden konnte (Ps. 48,3), dem Wohnsitz Baals (= Hadads) in der | kanaanäischen Mythologie. Ferner erscheint Jahwe wie Hadad/ Baal im Gewittersturm, indem er auf den Wolken über den Himmel hinfährt60. Das Epitheton ״der Wolkenfahrer", das sich auf diese typische Manifestation der Gottheit bezieht, trägt sowohl Baal in den in Ugarit gefundenen Epen (DIETRICH-LORETZ-SANMARTI'N 1976, Nr. 1.3 II 40; 1.4 III 11.18. V 60; 1.5 II 7; 1.19 I 43 f.) als auch Jahwe in einem wohl aus dem Jerusalemer Kult stammenden Psalm (68,5). Jahwe ist wie Hadad/Baal der Spender von Regen, Fruchtbarkeit und Erntesegen (vgl. Jer. 10,13 = 51,16; 14,22; 31,12; Hos. 2,10 A. 11 [:: 7]; Ps. 18 [= 2. Sam. 22], 8-16; 29; 65,10-14; 68,34; 104 passim; Hi. 36,27-37,13). Er kann, besonders in Personennamen, ״Baal" genannt werden61. Schließlich ist auch noch einmal auf Jahwes - von mir für ursprünglich gehaltene - Verbindung mit der Göttin Anath hinzuweisen, die in der kanaanäischen Mythologie des 2. Jahrtausends, wie wir sie aus Ugarit kennen, die Schwester und Geliebte Baals gewesen ist. Man kann die meisten dieser Beobachtungen in die Sphäre des Synkretismus verweisen und als Zeichen der ״Baalisierung" des ursprünglichen reinen Jahwismus nach der Seßhaftwerdung der Israeliten in Kanaan erklären. Das haben bereits die Propheten getan und damit bis in neueste Zeit viel Nachfolge gefunden. Doch sind einige der Hadad-Züge wie der Gottesberg und die Gewitter-Theophanie unlöslich mit Jahwe verbunden, so daß man auch die übrigen für authentisch halten kann. Nimmt man die aufgezählten Koinzidenzen zusammen, so liegt der weitere Schluß nahe, daß es sich hier gar nicht um phänomenologische Ähnlichkeit handelt, sondern um Identität. Mit anderen Worten: Von Hause aus sind Jahwe und Baal nicht zwei verschiedene Gottheiten, sondern zwei Namen für ein und denselben Gott62. Das erklärt die Schwere des Konflikts, der ausbrach, als ein Teil der Verehrer Jahwes diese Identität nicht mehr wahrhaben wollte. Der Staatskult fand an Heiligtümern statt, die im Unterschied zu den bämöt der beschriebenen Art vom König, d.h. vom Staat, eingerichtet und beaufsichtigt wurden, und in denen der König gelegentlich auch kultisch amtierte. Inauguriert wurde der Staatskult wohl noch zur Zeit der davidisch-salomonischen Doppelmonarchie mit der Erbauung des Jahwe-Tempels im Palastbezirk von Jerusalem durch König Salomo. Nach Auflösung der Personalunion zwischen Israel und Juda um 925 v. Chr. wurde der Jerusalemer Tempel das Staatsheiligtum Judas, während man in | Israel den Heiligtümern von Bethel und Dan 60
61
JEREMIAS 1 9 6 5 .
Söhne Sauls, Jonathans und Davids tragen Namen mit dem theophoren Element Baal, das man gewöhnlich als Referenz an Jahwe erklärt, zumal die Überlieferung Saul als entschiedenen Jahwe-Verehrer schildert. Baalhaltige Namen kommen auch noch in den Ostraka von Samaria (8. Jh. v. Chr.) vor. 62 Das könnte auch WELLHAUSENS Etymologie des Namens Jahwe (1897, 25 Anm. 1: ״er fährt durch die Lüfte, er weht") wieder attraktiver machen; siehe KNAUF 1984.
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diesen Status verlieh (1. Kön. 12,19). Auf dem Gebiet des staatlichen Kults lassen sich beträchtliche Unterschiede zwischen Israel und Juda beobachten. Der Tempel in Jerusalem wurde von vornherein in der Hauptstadt als königliches Heiligtum gegründet (1. Kön. 6). Da Jerusalem eine kanaanäische Stadt war, war er ohne israelitische Tradition; eine solche hat man ihm durch die Überführung der ״Lade Jahwes" in seine Cella (1. Kön. 8,3-8) und sehr viel später durch Versuche, Jerusalem irgendwie mit Abraham in Verbindung zu bringen (Gen. 14,18-20), geben wollen. Wenn der Jerusalemer Tempel überhaupt eine Tradition hatte, war das eine kanaanäische, wie er ja auch in seiner baulichen Anlage und in der in seinen Mauern gepflegten Theologie63 stark dem Kanaanäertum verpflichtet war. Die Staatsheiligtümer des Nordreichs Israel hingegen wurden fern der Hauptstadt an der Peripherie des Staats eingerichtet; sie waren von Hause aus lokale oder regionale bämöt, die voll in israelitischer Tradition standen. Das gilt wohl auch von den dort von Jerobeam I. als Repräsentationen Jahwes64 aufgestellten Stierbildern, wenn man das vor einigen Jahren von A. Mazar in der Nähe von ez-Zabäbde im Norden des mittelpalästinischen Berglands ausgegrabene offene Heiligtum mit seiner Stierbronze65 für israelitisch und typisch halten darf66. Im Kult der Staatsheiligtümer beider israelitischer Staaten stand selbstverständlich der Nationalgott Jahwe im Mittelpunkt. Als seine Paredros ist für Jerusalem seit dem 9. Jahrhundert Aschera bezeugt67; wir haben schon gesehen, daß sie im Zusammenhang mit dem Aufstieg Jahwes zum Haupt des Pantheions an die Stelle Anaths getreten ist. Über Bethel und Dan wissen wir in dieser Hinsicht nichts Sicheres68. Neben Aschera dürften auch noch andere Götter oder der göttlichen Sphäre angehörende Wesen ihren Platz in den Staatsheiligtümern gehabt haben. Die Überlieferung weiß von einem wahrscheinlich schlangengestaltigen Kultobjekt namens Ndhustän im Jerusalemer Tempel, das auf Mose zurückgeführt wurde und Räucheropfer erhielt, bis es König Hiskia gegen Ende des 8. Jahrhunderts entfernen ließ (2. Kön. 18,469). Die sukzessive Expansion der mesopotamischen Großreiche Assyrien und Babylonien, die von der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts an über die 63
V g l . SCHMID 1 9 5 5 ; STOLZ 1 9 7 0 ; ECK. OTTO 1 9 8 0 , 3 8 - 4 1 . 5 7 - 6 0 .
64
M. WEIPPERT 1961b, 106f. [= unten S. 56f.].
65
A. MAZAR
1982.
66 Vgl. noch WENNING-ZENGER 1986. Wenn die dort gefundene Stierbronze (in ״subbronzezeitlichem" Stil) kultisch gedeutet werden darf, stellt sie das Symboltier des ״Wettergottes" dar. Die Frage, ob der Kult des Heiligtums Jahwe oder Baal gegolten habe, ist im Zusammenhang der hier vertretenen These anachronistisch. 67 Siehe Anm. 57. 68 In Bethel soll der König Josia von Juda nach 2. Kön. 23,15D wie in Jerusalem das Kultsymbol der Aschera entfernt haben; doch gehört diese Nachricht zu einer Überarbeitungsschicht des Berichts über die Josianische Reform, so daß ihr historisch nicht zu trauen ist. 69 Ihrer Sprachgestalt nach ist diese konkreteste Nachricht über die Kultreform Hiskias protomittelhebräisch, literarisch damit postdeuteronomistisch, so daß historisch auch hier Vorsicht geboten ist.
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Staatenwelt Syriens und Palästinas hereinbrach, wurde von den Betroffenen zu Recht als existenzbedrohend empfunden - in der Tat fiel ja die Eigenstaatlichkeit Israels im Jahr 722 bzw. 720 den Assyrern, die Judas im Jahr 586 den Babyloniern zum Opfer. In jener Zeit der Angst wandte man sich in zunehmendem Maße Göttern und Kulten zu, von denen man glaubte, daß sie den Großmächten ihre unwiderstehliche Stärke verliehen, und zwar auf allen Ebenen der Religion vom privaten bis zum offiziellen Kult. Es ist strittig, ob die Assyrer von ihren Vasallenstaaten die Übernahme von Elementen ihres Staatskults verlangten70. Gesichert ist aber aufgrund schriftlicher Quellen und archäologischer Funde, daß vom 8. Jahrhundert an insbesondere die Verehrung von Astralgottheiten, des Sonnengotts Samas, des Mondgotts von Harrän, des ״Himmelsheers" (s3bä has-sämayim), d.h. der Gestirne ingesamt, eine beträchtliche Popularität erreichte71, die sich bis in die Kultinstallationen des Tempels von Jerusalem hinein bemerkbar machte. Vor allem Frauen wandten sich auch an die ״Königin des Himmels" (Jer. 7,18; 44,1719.2572)״, d.h. die assyrische oder babylonische Istar, oder versammelten sich zur rituellen Tammuz-Klage (Ez. 8,14). Aus dem aramäischen oder phönizischen Bereich wurde der MolochDienst übernommen73, der von seinen Anhängern symbolische oder faktische Kinderopfer forderte. Es ist deutlich, daß es sich hier nicht um die Weiterbildung der traditionellen israelitischen Religion handelt, sondern um Kultimporte in einer Zeit der politischen Krisen und der religiösen Unsicherheit. Die Propheten und die deuteronomisch-deuteronomistischen Theologen haben dann allerdings beides, die einheimische Religion und die ausländischen Importe, in einen Topf geworfen und als Abfall von Jahwe verurteilt.
3. Abgrenzung
und Einigung im Zeichen des Einen Gottes
In den beiden ersten Kapiteln dieser Studie ist bereits mehrfach angeklungen, daß der Weg von der polytheistischen Religion Israels der vorexilischen Zeit zum nachexilischen Monotheismus von Konflikten gesäumt war. Das ist nichts Auffälliges; denn Konflikte konnten nicht ausbleiben, wenn eine mili70
V g l . d i e v e r s c h i e d e n e n M e i n u n g e n b e i M C K A Y 1 9 7 3 ; COGAN 1 9 7 4 ; SPIECKERMANN
1982, 3 0 7 - 3 7 2 . 71
72
V g l . u.a. Jer. 8,2; H. WEIPPERT 1988a, 6 2 7 f.
Der Masoretische Text hat an allen Stellen maleket hassämayim, was man nach Septuaginta 7,18 und seit STADE 1886ab gern als ״Werk" = ״Heer des Himmels", identisch mit sdbä hassämayim, gedeutet hat. Die griechischen Versionen haben jedoch für mlkt vorherrschend ß a a d i o o a . Eine mlkt smyn hatte nach den aramäischen Papyrusbriefen von Hermopolis im 5. Jahrhundert auch einen Tempel in Elephantine (BRESCIANI-KAMIL 1966, 398 Brief 4,1). 73 Moloch (hebr. mölek) ist nach EISSFELDT 1935a eine Opferart; doch hat sich diese These zu Recht nicht gegen die Ansicht durchsetzen können, daß es sich um eine Gottheit handelt; siehe WEINFELD 1972. M.E. ist hebr. mölek Gottesname < *mulk- ״Königtum" (abstractum pro concreto).
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tante Minderheit | die traditionelle Religion und damit ein wesentliches Element der bestehenden Gesellschaftsordnung mehr oder weniger radikal in Frage stellte. Die erste Auseinandersetzung auf religiösem Gebiet, die in den Quellen sieher bezeugt ist, ist zwar eher als Vorspiel zu den späteren Konflikten zu vers t e h e n , h a t aber n i c h t s d e s t o w e n i g e r Geschichte g e m a c h t . I c h m e i n e d e n Kampf zwischen Jahwe und ״Baal" zur Zeit des Königs Ahab von Israel und seiner Nachfolger um die Mitte des 9. Jahrhundert v. Chr. Dabei ist für uns die Hauptschwierigkeit, welche Gottheit in diesem Zusammenhang mit ״Baal" gemeint ist. Da sein Kult in den Elia-Erzählungen mit der Königin Isebel, einer phönizischen74 Prinzessin, in Verbindung gebracht wird, legt sich die Vermutung nahe, daß es sich bei ihm um einen phönizischen Gott handelte, etwa den tyrischen Melqart, der den Titel bcl Sr (DONNER-RÖLLIG 1971, Nr. 47,1), ״Herr von Tyrus", trug. Ich vermute weiter, daß er unter Ahab und Isebel zum Schutzgott der omridischen Dynastie erhoben wurde und als solcher unter den Gefolgsleuten des Königshauses, den Beamten und Militärs, eine Verhältnismäßig breite Anhängerschaft fand. Er erhielt auch einen Tempel in der HauptStadt Samaria (1. Kön. 16,32; vgl. 2. Kön. 10,18-27), vielleicht im Palastbezirk. Repressionsmaßnahmen der Regierung gegen Jahweverehrer und ihre Kultstätten (vgl. 1. Kön. 18,4.11; 19,10-14; 2. Kön. 9,775) deuten wohl darauf hin, daß sich gegen die Propagierung des fremden Gottes in der Bevölkerung Widerstand erhob. Wortführer der Opposition waren, wie es scheint, die Propheten Jahwes, die mit den bämöt des flachen Landes verbunden waren, an ihrer Spitze Elia von Thisbe, auf dessen Gestalt sich die Überlieferung konzentriert. Im Hintergrund standen wohl auch soziale Konflikte, die sich aus der Absicht der Omriden ergaben, Israel in Anlehnung an die Phönizier und
74 Die ״Nationalität" Isebels ist umstritten. Nach 1. Kön. 16,31 war sie eine Tochter des Sidonierkönigs Ethbaal. Flavius Josephus identifizierte diesen Ethbaal mit dem 'I'&obßcdog׳ Etfrobßcdog seiner aus Menander von Ephesus übernommenen oder exzerpierten tyrischen Königsliste (AJ 8,13,2 § 324; c.Ap. 1,18 § 123), und nannte ihn ״König der Tyrier und Sidonier" (AJ 8,13,1 § 317; 9,6,6 § 138). Darin ist ihm die Wissenschaft in der Regel gefolgt, und so wird Isebel in der Literatur gewöhnlich als eine ״tyrische Prinzessin" bezeichnet. Dafür ließe sich die Analogie des von Sanherib erwähnten Königs Lüll von Sideon anführen, der zumindest nach der Inschrift von Stier 4,15 f. (LUCKENBILL 1924, 68 f.) auch über Tyrus verfügt haben dürfte und mit dem König ־E?i0׳u^a10g der von Flavius Josephus gebotenen tyrischen Überlieferung (AJ 9,14,2 §§ 283 f.) identisch sein könnte. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß Tyrus und Sidon zeitweise in Personalunion regiert wurden, wobei die Doppelmonarchie von Außenstehenden - angesichts des Prestiges des Namens Sidon, dessen Gentilizium in der Antike häufig generell für ״Phönizier" gebracht wurde (PIETSCHMANN 1889, 104-106) - als ״Sidon" bezeichnet wurde. Vgl. dazu KATZENSTEIN 1973, 132-135. Gegen die Verwendung der (Dius- und) Menander-Notizen für die Geschichte des 9. Jahrhunderts v. Chr. jetzt TIMM 1982, 200-241; vgl. DONNER 1986, 268. 75 Die Repressalien, insbesondere gegen die Propheten Jahwes, werden in den Texten der Königin Isebel zugeschrieben; vgl. dazu aber MILLER-HAYES 1986, 271.273.
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Aramäer in einen ״modernen" Staat zu verwandeln76. Die Revolution Jehus im Jahr 841, die m.E. in erster Linie eine Wendung in der Außenpolitik Israels herbeiführen sollte, beseitigte mit der Omridendynastie auch ihren Gott ״Baal" und seinen Tempel in Samaria (2. Kön. 9 f.). Nebeneffekt dieser Aktionen war, daß die überlieferte Religion Israels wieder ungestört ausgeübt werden konnte; Jehu und seine Nachfolger haben sie nicht angetastet, weshalb sie in den Prophetenüberlieferungen der Königsbücher anders als bei Hosea (1,4) und den Deuterono|misten (2. Kön. 10,29.31; 13,2.11; 14,24; 15,9) verhältnismäßig positiv beurteilt werden. Doch scheint der Konflikt mit dem fremden Gott der Omriden in bestimmten Kreisen in Israel das Bewußtsein dafür geschärft zu haben, daß es neben ihrem als Baal betrachteten Nationalgott Jahwe durchaus noch andere Baale gab, deren Kult sich weder in den dafür nötigen Einrichtungen noch im Ritual sehr von dem des Gottes Israels unterschied, und die auch in ihren Funktionen mit Jahwe in Konkurrenz treten konnten. Dies ist allerdings nur eine Vermutung, da die Quellen für die nächsten hundert Jahre von religiösen Konflikten in Israel schweigen; doch ist kaum denkbar, daß der Prophet Hosea im dritten Viertel des 8. Jahrhunderts seine radikale Religionskritik ohne Rückhalt an einer aus den Erfahrungen des 9. Jahrhunderts herkommenden Tradition formulieren konnte. Hosea ist der erste im Alten Testament bezeugte Vertreter der ״Jahwe-allein"-Theologie. Sein Auftreten fällt in die Zeit der politischen und ideologisehen Krisen, die in Israel und Juda durch die die Existenz aller Staaten Syriens und Palästinas bedrohende Expansion des neuassyrischen Reiches unter Tiglathpileser III. und seinen Nachfolgern heraufbeschworen wurden. Hosea fragte nach Wesen und Ursachen der tödlichen Gefahr, in der Israel schwebte. Da Jahwe nicht für Israel einstand, konnten die assyrischen Militäraktionen nur Sanktionen dafür sein, daß Israel die Ehe mit ihm gebrochen hatte. Deutliche Anzeichen des Ehebruchs erkannte er in den Elementen der traditionellen israelitischen Religion, die auch bei anderen Völkern, die Jahwe nicht kannten, vorkamen: in der Vielzahl der verehrten Gottheiten, den Heiligtümern, den Götterbildern und -Symbolen, dem Opferkult, den mantischen Praktiken. Aus diesem Denkansatz ergab sich für Hosea, daß all dies von den Völkern übernommen sein mußte, denen Israel bei seinem Eintritt ins Land begegnet war77. Hier war für ihn der Abfall Israels von Jahwe mit Händen zu greifen. Damit wurde auch die traditionelle Vorstellung von Jahwe selbst in Frage gestellt, denn er war es ja, der im Gottesdienst der als ״kanaanäisch" verworfenen bämöt im Mittelpunkt stand. Das bedeutete, daß es sich bei dem Jahwe der Höhenheiligtümer in Wirklichkeit gar nicht um Jahwe handeln konnte, sondern daß er eine Maske war, hinter der sich Baal, der Gott Kanaans, verbarg. Den wirklichen Jahwe, Israels ״Gott von Ägypten her", hatte das Volk | 76
M . WEIPPERT 1 9 7 6 - 8 0 a , 2 0 2 ; MILLER-HAYES 1986, 2 7 3 f. D i e M o d e r n i s i e r u n g ist ar-
chäologisch in der gewaltigen Steigerung der öffentlichen Bautätigkeit und im Charakter der Bauten zu erkennen; siehe H. WEIPPERT 1988a, 507-551. 77 Vgl. VENGASSARY 1985, 72.84 u.ö.
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nach Hoseas Meinung vergessen oder, durch die Schuld seiner Priester, erst gar nicht kennengelernt. Der gesamte Gottesdienst Israels galt demnach Baal oder seinen lokalen Manifestationen, den Baalen, denen Israel die Segnungen seines Landes, Getreide, Wein, Öl, Wolle, Flachs, zuschrieb, die in Wirklichkeit doch Gaben Jahwes waren (vgl. bes. Hos. 2,4-15). Es ist faszinierend zu beobachten, wie im Denken des Propheten Jahwe und Baal, ursprünglich, wie wir gesehen haben, ein- und dieselbe Gottheit, auseinandertreten und zu zwei scharf miteinander konkurrierenden Göttern werden. Was wir hier miterleben, ist eine religionsinterne Grenzziehung, die als Abgrenzung nach außen interpretiert wird. Die Gedanken Hoseas und seiner eventuellen Mitstreiter wurden in Israel nicht ernstgenommen; dafür war es wohl schon zu spät. Die ״Jahwe-allein"־ Theologie hatte jedoch beim Fall Samarias im Jahr 720 längst in Juda Fuß gefaßt, wo die Reihen ihrer Anhänger nun durch israelitische Flüchtlinge verstärkt wurden, die u.a. die Hosea-Überlieferung und vielleicht auch eine Vorform des späteren Deuteronomiums mitbrachten. Auch hier war die neue Theologie Sache einer kritischen Minderheit. Aber die Bedingungen, die sie vorfand, waren bedeutend günstiger als in Israel, schon weil sie genügend Zeit zu ihrer Weiterentwicklung hatte. Noch wichtiger als der Zeitfaktor war jedoch, daß der Gedanke der Alleinverehrung Jahwes in Juda auch Teile der politisch einflußreichen und gebildeten Aristokratie bis in die unmittelbare Umgebung des Throns erfaßte und sich unter ihren Händen mit der Theologie des Jerusalemer Tempels verband. In Jerusalem war Jahwe selbstverständlich der Nationalgott Judas. Er galt aber auch in der Nachfolge des kanaanäischen StadtgottesנEl c Elyön (Gen. 14,19 f.22) als König der Götter und Schöpfer der Welt. Er war schließlich als Schutzgott der herrschenden Dynastie eine Gottheit, der man im Rahmen der von den Traditionen des Großreichs Davids geprägten Königsideologie eine weltweite Wirksamkeit zuschrieb (vgl. Ps. 2,1-9; 89,26.28; 110; auch 72,8-11)78. Aus dieser Verbindung erwuchs die Verkündigung oppositioneller Propheten wie Jesaja und Jeremia, etwa Jesajas Aufruf, gegenüber militärischer Bedrohung allein auf Jahwe zu vertrauen (Jes. 7,9), oder die von ihm mit Jeremia geteilte Überzeugung, daß die Weltmächte ihrer Zeit, die Assyrer und Babylonier, Werkzeuge in der Hand Jahwes seien, um sein Gericht über die Welt zu brin|gen (vgl. Jes. 8,5-8; 31,1-3; Jer. 27 f. und die Stellen, an denen Jahwe den König von Babylon als ״mein Knecht" bezeichnet: Jer. 25,9; 27,6; 43,10). Politisch wirksam wurde die ״Jahwe-allein"-Theologie unter König Josia, der am Ende des 7. Jahrhunderts in einer vom deuteronomischen Gesetz inspirierten Kultreform die Alleinverehrung Jahwes und die Eliminierung der als nichtjahwistisch interpretierten Elemente der Religion mit staatlichen Machtmitteln durchzusetzen suchte (2. Kön. 22 f.79). Der Reform fielen die 78
S. dazu GROSS 1953. Der ״Reformbericht" muß allerdings sehr kritisch gelesen werden (vgl. Anm. 57), da er im Laufe der Zeit mehrfach überarbeitet wurde, um Josia die Beseitigung aller ״Greuel" 79
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Monotheismus
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Lokalheiligtümer zum Opfer; zugleich wurde im Tempel zu Jerusalem der Kult anderer Götter, vor allem der der Aschera, unterbunden, ihr Kultinventar vernichtet. Abweichend von der Haltung der radikal kultkritischen Fraktion der monolatrischen Bewegung (vgl. Hos. 6,9; 8,11; 9,4 f.; 10,1-8) wurden die tägliehen Opfer und der Festkult am Jerusalemer Staatsheiligtum konzentriert. Das stand formal im Einklang mit dem in der Frage des Kults gemäßigter denkenden Deuteronomium, das allerdings den ״Ort, den Jahwe erwählen wird, um dort seinen Namen wohnen zu lassen"80, nicht mit einem bestimmten Hei ligtum identifizierte. In der folgenschweren Entscheidung für Jerusalem kam wohl auch das Interesse des Königs und seiner Umgebung zum Ausdruck, die Kontrolle über den Staatskult, der nun mit dem Gottesdienst der Nation überhaupt identisch sein sollte, nicht zu verlieren. Allerdings scheint man in Juda nach Josias unerwartetem Tod weithin zu der traditionellen Religionsübung zurückgekehrt zu sein. Die großen judäischen Oppositionspropheten standen mit ihrer Theologie an der Schwelle zum Monotheismus. Vollzogen wurde der Schritt von dem einen zum einzigen Gott aber in Babylonien im Kreis judäischer Exulanten, die die Jerusalemer Variante der ״Jahwe-allein"-T11eologie an den Ort ihrer Deportation mitgenommen hatten. In der Reflexion über die Ursachen des Untergangs des judäischen Staates wurde ihnen zur Gewißheit, daß Jahwe in der Niederlage seines Volkes nicht, wie ein beliebiger Nationalgott, besiegt worden war, weil er ja selbst den König von Babylon als sein Werkzeug gebraucht hatte, um Juda zu strafen. Da für sie Jahwe mehr als ״nur" der Gott Judas, nämlich Schöpfer und Weltherrscher, war, konnten sie den entscheidenden Schritt tun und in Jahwe den einzigen Gott erkennen. ״Theoretisch" formuliert hat das in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts ein uns namentlich unbekannter Prophet, den wir ״Deuterojesaja" nennen: | Vor mir ward ein Gott nicht gebildet, und nach mir wird einer nicht entstehen. Ich, ich bin Jahwe, und außer mir ist kein Heiland! (Jes. 43,10 f.).
Als nach der Übernahme des neubabylonischen Reiches durch die Perser ein Teil der ExiLJudäer in das Land ihrer Väter zurückkehrte, knüpften sie wie selbstverständlich an die Josianische Reform an, indem sie den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem als einzigen Ort legitimer Verehrung Jahwes anstrebten. Sie konnten sich dafür auch auf das Edikt Kyros' d. Gr. über die Restitution gestörter Kulte von 538 berufen, das u.a. die Wiederherstellung des Tempels zuschreiben zu können, die nach späterer Meinung in der vorexilischen Zeit (oder auch in der Zeit der Ergänzer) in Juda im Schwange waren. Das folgende gibt wieder, was m.E. historisch aus 2. Kön. 22 f. über die Kultreform entnommen werden kann. Die umfangreiche Analyse des Textes bei SPIECKERMANN 1982, 46-160, beruht z.T. auf grammatikalischen Voraussetzungen, die ich nicht teilen kann. Vgl. auch LEVIN 1984; DONNER 1986, 343-356. 80 Dazu H. WEIPPERT 1980.
Synkretismus
24
und
Monotheismus
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mit staatlicher Hilfe vorsah (Es. 6,2 C-5)81. Dies fügte dem Konflikt der Rückkehrer mit den Nachkommen der 597 und 586 im Lande verbliebenen judäischen Bevölkerung eine religiöse Komponente hinzu, da man in Juda weiterhin der überlieferten Religion anhing (vgl. Jes. 57,3-13; 65,1-7.11 f.; 66,3). Die lange Verzögerung des Tempelbaus, der schließlich 520 begonnen und 515 abgeschlossen wurde, ist vielleicht nicht nur auf den Widerstand der Nachbarn Judas zurückzuführen, sondern auch auf interne Schwierigkeiten. Der Konflikt erreichte seinen Höhepunkt, als irgendwann im 5. Jahrhundert82 Esra das ״Gesetz des Himmelsgottes" (d.h. Jahwes) nach Jerusalem brachte, wohl eine in Babylonien im Sinne der neuen Theologie redigierte Fassung der späteren Thora83. Da Esra einen auf dieses Dokument bezüglichen offiziellen Titel führte84, ist anzunehmen, daß es als Gesetz einer dem Reich angehörenden Ethnie den Status eines persischen Reichsgesetzes hatte85. Das bedeutete, daß es gegen die Anhänger der traditionellen Religion auch mit staatlichen Machtmitteln durchgesetzt werden konnte (Es. 7,25 f.; vgl. Neh. 13); wer sich ihm nicht unterwerfen wollte, schloß sich damit aus der Jahwe-Gemeinde und zugleich aus der jüdischen Ethnie aus (vgl. Es. 10,8) und wurde in das ״Heidentum" abgedrängt. Das beendete in der verbleibenden jüdischen Gemeinschaft den Konflikt zwischen der traditionellen Religion und der ״Jahwe-allein"-Theologie. Unter dem Vorzeichen des Monotheismus wurde die ursprünglich religionsinterne Abgrenzung nun zu einer Grenzziehung zwischen Religionen - und Nationalitäten. Die Auseinandersetzung mit dem ״Heidentum" trat in den Vordergrund, sei es, daß man heftig, mit allen Mitteln der Vernunft und des Spottes, gegen | die Bilderverehrer polemisierte, sei es, daß man die friedliche Bekehrung der Völker zu dem in Jerusalem thronenden Jahwe erwartete, sei es, daß man der Bekehrung gelegentlich, wie im Falle der Idumäer, mit dem Schwert nachhalf. Jahwe hatte in dem geschilderten Prozeß einen komplexen Charakter angenommen. Aus untergeordneter Position zum Haupt des Pantheions in die Rolle Eis aufgestiegen, hatte er als allein verehrter und schließlich einziger Gott all die Funktionen an sich gezogen, die man sonst auf verschiedene Götter verteilte. So entstand allmählich ein ״synkretistischer" Monotheismus, in dessen Namen später Juden, Christen und Muslime sich aufmachten, um ihren Gott mit Ölzweig oder Schwert der Welt nahezubringen.
81
V g l . GALLING 1964, 4 0 - 4 2 . 6 1 - 7 7 ; DONNER 1986, 4 0 6 - 4 1 0 .
82
Nach Es. 7,7 im 7. Jahr eines Artaxerxes. Welcher das war, ist umstritten, m.E. am ehesten Artaxerxes II.; vgl. DONNER 1986, 418-420. 83 Auch das ist umstritten; siehe den Forschungsüberblick bei DONNER 1986, 428-430. 84 Säpar data dlנeläh sdmayyä, ״Staatskommissar für das Gesetz des Himmelsgottes", Es. 7,12.21; dazu SCHAEDER 1930, 39-59 (etwas anders GALLING 1964, 166 f.). In Es. 7,6.11 findet man zwei inoffizielle hebräische Paraphrasen des Titels. 85
FREI 1 9 8 4 .
2. Uber den asiatischen Hintergrund der Göttin ״Asiti" (1975)
Auf einer der unzähligen punischen Stelen, die dem Götterpaar Tinnit und Baal-Hammon aus Anlaß eines Gelübdes gesetzt worden sind, findet sich in der Filiation des die Stele Weihenden der Vatersname Bdcst (CIS 13568,5 f. aus Karthago). Der Name besteht aus dem überaus häufigen Element bd- (*böd-), dessen Deutung umstritten ist1, und dem Gottesnamen cst und repräsentiert damit einen geläufigen Typus; auffällig ist nur das theophore Element. Der Bearbeiter des Texts, J.-B. Chabot, bemerkt dazu2: ״Nomen hucusque inauditum; suspiciamur lapsum, potius quam coarctationem, pro בדעש]תו״[ת." Daß hier ein Schreibfehler (״misspelling") vorliege und der oft belegte Personenname Bdcstrt gemeint sei, vermutet fragend auch F.L. Benz3, und es läßt sich zugunsten dieser Ansicht jedenfalls anführen, daß die Inschrift der Stele nachlässig auf den Stein gesetzt ist und gleich in der für diese Denkmälergattung konstitutiven Eingangsfloskel [l]rbt lt(nt p)n b[c]l wl3d[n l]bcl hmn ״für die Herrin Tinnit-Gegenwart-Baals4 und für den Herrn Baal-Hammon" (ebd. 1-3) eine durch Abirren des Auges des Steinmetzen von dem n in Tnt auf das n in pn verursachten Buchstabenauslassung aufweist. Dieses Urteil über die Qualität der Handwerksarbeit gilt jedoch nicht für die punische Stele CIS 15614, ebenfalls aus Karthago, die von einem Manne gesetzt wurde, der wie sein Großvater den wiederum mit dem Gottesnamen cst gebildeten Personennamen cstczr ״cst ist Hilfe" trägt (ebd. 3.*4 f.)5. In diesem Fall vermutet Chabot denn auch
Bei der Transliteration von Wörtern in ägyptischer Schrift ist 1 durch \ 11 durch y, % durch i" wiedergegeben. Die sog. ״syllabische Orthographie" ist nach den bei M. WEIPPERT 1969b, 35 Anm. 1; 1970, 261 Anm. 6, angegebenen Grundsätzen umschrieben. Angesichts der ungeklärten Problematik dieser Schreibweise folgt einer jeden derartigen Umschrift in Klammern eine Wiedergabe des reinen Konsonantenbestands, eine Transliteration nach dem System HELCKS in der Fassung von HELCK 1971, 536 ff., und eine hieroglyphische Wiedergabe. 1 Vgl. Referat und Diskussion der verschiedenen Meinungen bei BENZ 1972, 283-286. 2 CIS I 3, 72b. 3 BENZ 1972, 81.100. SCHULT 1973, 83, vermutet eher ein Hypokoristikon. 4 Vgl. zu dieser Gottesbezeichnung CROSS 1973, 28.30. 5 Der Name ist in Z. 3 vollständig erhalten, in Z. 4 - 5 mit Sicherheit zu ergänzen (cst[cz]r). Nach der Photographie in CIS I Taf. LXX 9 ist der Vatersname des Weihenden gegen Chabot ([x(x)]ldnm) eher [x(x)]mdnm zu lesen. Ergänzung?
Über den asiatischen Hintergrund
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der Göttin ״Asiti"
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eine ״coarctatio" (gedrängte, d.h. Kurzschreibung), während Benz wiederum von ״misspelling" spricht6. Die Wahrscheinlichkeit der Annahme einer Fehlschreibung schwindet jedoch weiter und m.E. ganz angesichts eines möglicherweise israelitischen Siegels wohl des 7. Jahrhunderts v. Chr., das aus den Beständen der Bibliotheque Nationale in Paris im Jahre 1966 von N. Avigad veröffentlicht wurde7. Dieses Siegel enthielt ursprünglich eine vierzeilige Inschrift, deren erste Zeile weggebrochen ist; der Text lautet: (1) [... bn] (2) נbndb s nd(3)r lcst bsdn (4) tbrkh ([״Siegel) des NN, Sohnes des] Abinadab. (Dies ist es,) was er der (Göttin) cstin-Sidon gelobt hat, daß sie ihn segnen möge." Es muß als ziemlich zweifelhaft angesehen werden, daß in diesen drei Fällen jeweils der Name der Göttin Astarte durch denselben Schreibfehler verstümmelt worden ist. Eher diskutabei erscheint daher die Annahme einer Kurzschreibung oder einer auch in der gesprochenen Sprache beheimateten Verkürzung - wenn es sich überhaupt um Astarte (phön. cstrt) handelt. Die Vergleichsbasis kann nun durch Material aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. verbreitert werden, das auch eine Klärung des Identifikationsproblems gestattet. Wenn man die ägyptologische und semitistische Literatur über die üblicherweise ״Asiti" genannte Göttin8 durchmustert, ergibt sich rasch, | daß die Fachleute, die sich mit ihr befaßt haben, in zwei Gruppen gespalten sind: in eine, die sie mit Astarte identifiziert, und eine andere, die jede Beziehung zwischen ״Asiti" und Astarte leugnet. Der Streit läßt sich jedoch entscheiden, wenn auch auf einigen Umwegen. Seit dem Anfang des vorigen Jahrhunderts ist ein Relief Sethos' I. bekannt, daß sich im Wädi Miya an einem Felsen östlich des Tempels (el-Kanä3is)9 des Königs befindet und in seinem unteren Register eine asiatische Göttin zu Pferde zeigt. Die Beischrift lehrt, daß c!-s-1-t3 (cst, Helck cä-si-tä s l P w l ^ ) dargestellt ist10. Eine ähnliche Darstellung einer reitenden Göttin bietet die Stele Turin 1308 Suppl. aus der Zeit der 18. Dynastie, nach J. Leclant und R. Stadel-
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der Göttin ״Asiti"
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mann vielleicht der Tuthmosis' IV.11. Die schlecht erhaltene Beischrift liest W. Helck ״c ä-tä-ja von su-[k]d-si", d.h. wohl c)-f-y[ ] (cty[ ]i[&M ] 2IM und interpretiert diesen Namen als ״Istar von Suksi"; doch ist seine Lesung und noch mehr seine Erklärung nicht über jeden Zweifel erhaben12. Ferner erscheint im 3. Register der Nordwand der Cella des Amuntempels von rHß1g (״Hibis") in der Oase el~Härgeu aus persischer Zeit unter den Göttern von Herakleopolis in dreifacher Gestalt die Göttin cst(.t) ^ : S o i , deren Name wohl cst zu lesen ist14. Sie ist jeweils mit Pfeil und Bogen bewaffnet, einmal auch zu Pferd dargestellt, so daß es sich wohl um den bisher jüngsten ägyptischen Beleg für ״Asiti" handeln muß. Beizuziehen ist auch der Name der Göttin c3-s-'i-f-y~h)-w-rw (csty/cst j hr, Helck cä-si-tä-ya-hü-rü IlSPwIW A i ^ ) , an die eine der Weihinschriften der Basaltstatuette des Pth~cnh, Dieners des Oberpriesters des Ptah Ptahmose und Vorstehers der Sänger des Ptah, also wohl eines memphitischen Tempelbeamten, gerichtet ist15. In der Inschrift wird die Göttin als hnw-t tyw3 hnw-t ntr-w nb-w ״Herrin der beiden Länder, Herrin aller Götter" apostrophiert. Über ihre Identität ist, trotz der divergierenden wissenschaftlichen Literatur, kaum ein Zweifel möglich. E. von Bergmann, der die Inschriften der Statuette veröffentlichte, interpretierte den Namen fragend als ״Astarte von Xaru"16 (״Xaru" = H!rw). Richtig verglich H. Madsen17 damit den Namen der Göttin cys-f-n-h]~ rw (cstr hr, Helck cä-s-tä-ra-hä~rü 53 (KIT! j ^ T n ) , die auf der Kopenhagener Stele des Türhüters R}1ni&angeredet ist und dort die Epitheta nb(-t) p-t nb(-t) tyw3 hnw-t ntr-w ״Herrin des Himmels, Herrin der beiden Länder, Herrin der Götter" führt. Madsen gab diesen Namen als ״die syrische Astarte" wieder. H. Ranke19, der dieser Interpretation grundsätzlich zustimmte und nur ״Astarte" wegen der fehlenden Femininendung -t in ״Istar" korrigieren wollte, gab jedoch zu bedenken, ob hier nicht das Namenselement h!(-w)-rw (hr) statt in seiner üblichen Bedeutung ״Palästina-Syrien" konkret für Hurru = Mitanni gebraucht sei, der Gottesname cst(r) hr somit die ״hurritische Istar", d.h. die Istar
6
J.-B. Chabot, CIS I 3, 457b; BENZ 1972, 174. AVIGAD 1966, 247-251 u. Taf. 26D. Meine Übersetzung weicht von der AVIGADS a.a.O., 249, insofern ab, als ich das Determinativpronomen s nicht auf den Weihenden, sondem - z.B. nach Analogie der punischen Exvoto-Stelen - auf die Weihgabe(n) beziehe. Dabei muß offen bleiben, ob mit dem Siegel die Weihgabe(n) gesiegelt wurde(n) oder ob es selbst die Weihgabe ist. Für letztere Annahme kann angeführt werden, daß der Brauch, Gottheiten Siegel zu weihen, aus Mesopotamien wohlbekannt ist; vgl. dazu H. Tadmor bei NAVEH-TADMOR 1968, 452 mit Anm. 14-16; RAINEY 1973. Vgl. auch das aramäische Siegel CIS II 75: l'kdbn br Gbrd srs נzy hqrb Ihdd (״Siegel) des Akkadbani, Sohnes des Gabradda. des sa-resi. (Dies ist es,) was er dem Hadad geweiht hat." Die Echtheit des Siegels wird allerdings von Tadmor a.a.O., 451 f., in Zweifel gezogen. 8 Literatur bei LECLANT I960, 34 Anm. 4; ferner: RANKE 1932; HELCK 1966, 10 f.; 1971, 458-460; STADELMANN 1967, 99-101 (Lit.); W. HERRMANN 1969, 21 Anm. 40. 49; H. Gese in GESE-HÖFNER-RUDOLPH 1970, 162 f.; M. WEIPPERT 1971a, 431 f. 7
11
B i b l i o g r a p h i e bei LECLANT a . a . O . , 2 3 A n m . 4; f e r n e r : LECLANT e b d . , 2 3 - 2 8 ( D o c . 2);
STADELMANN 1 9 6 7 , 1 0 2 f . ; W . HERRMANN 1 9 6 9 , 4 9 ; HELCK 1 9 7 1 , 4 5 8 f . 12
HELCK 1971, 458. Zur Kritik seiner These von der ״Istar von Suksi" siehe unten Anm.
13
B i b l i o g r a p h i e b e i PORTER-MOSS 1 9 5 2 , 2 8 5 - 2 8 7 N r . 1 1 7 f . ; L E C L A N T 1 9 6 0 , 5 0 A n m . 3 ;
22. f e r n e r : LECLANT e b d . 4 9 - 5 3 ( D o c . 9 ) ; W . HERRMANN 1 9 6 9 , 4 9 . K o p i e : DAVIES 1 9 5 3 , T a f . 3
= LECLANT a.a.O., 51 Abb. 27. Gute Photographien: DAVIES a.a.O., Taf. 72B (Ausschnitt); LECLANT a . a . O . , T a f . I I I B . 14 Ein für die Lesung bedeutungsloses ^ in Verbindung mit dem Determinativ O häufig bei weiblichen Namen in späten Texten. Vgl. GARDINER 1957, 467 zu F 51. 15 Bibliographie bei M. WEIPPERT 1969b, 48 Anm. 86. 16
VON BERGMANN 1 8 8 6 , 1 9 6 .
S. SCHOTT 1961 (Lit.). B i b l i o g r a p h i e bei PORTER-MOSS 1952, 3 2 5 Nr. 2 9 ; LECLANT 1960, 32 A n m . 1; f e r n e r :
17
MADSEN 1 9 0 4 , 114 f.
18
LECLANT ebd., 31-34 (Doc. 5). Gute Photographien: LECLANT ebd., 33 Abb. 11 u. Taf. IIB.
19
Bibliographie bei M. WEIPPERT 1969b, 48 Anm. 86. RANKE 1932, 414.418.
9 10
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der Göttin ״Asiti"
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von Ninive20, bezeichne. Er verwies noch darauf, daß nach dem Amarnabrief 23 die Könige Suttarna II. und Tusratta von Mitanni die (Statue der) Istar von Ninive nach Ägypten geschickt hätten, nach Ranke, um Amenophis III. Heilung zu verschaffen. Daß Rankes Deutung grundsätzlich richtig war, kann heute als erwiesen gelten. Die ״hurritische" Istar spielte auch im Kult der nordsyrischen Stadt Ugarit (Räs es-Samrä) eine Rolle und erscheint dort in Texten in babylonischer Keilschrift in der Schreibung d1sg.TÄR(Istar) hur-ri, der in einem alphabetischen Keilschrifttext die nordwestsemitische Namensform cttrt hr entspricht21. Aus dieser im engeren Sinn ugaritischen Bezeichnung geht zugleich hervor, daß die semitische Bevölkerung der Stadt | den Namen der mesopotamischen Istar mit dem der einheimischen Astarte (ug. cttrt) gleichgesetzt hat22. Rankes Aiternative hie Istar - hie Astarte existiert also nicht. Vielmehr dürfte die jeweils gebrauchte Namensform von der Bevölkerung abhängen, die die gleichsam ״internationale" Göttin verehrte oder ihre Verehrung und ihren Namen an andere Völker weitergab. Die nordwestsemitische Namensform ist schließlich auch noch im phönikischen Bereich belegt. F.M. Cross und der Verfasser23 haben die ״hurritische" Istar/Astarte auch in der cstrt hr erkannt, der die Weihinschrift einer in Spanien gefundenen phönikischen Bronzestatuette des 8. Jahrhunderts v. Chr., jetzt im Archäologischen Museum zu Sevilla, gilt24. Wir erhalten damit folgende Gleichungen: phön. cstrt hr = ug. cttrt hr = ug.akk. Hstarhurri = äg. cstrhr = äg. cst(y) hr. Die Gleichungen sind ״laut"gesetz20 Die Identität kann im Augenblick noch nicht exakt bewiesen werden, ist jedoch wahrscheinlich und, so weit ich sehe, allgemein anerkannt. Vgl. auch ALBRIGHT 1968, 125 Anm. 88. 21
S i e h e LIVERANI 1 9 6 2 , 1 0 4 A n m . 2 1 ; DE M O O R 1 9 7 0 , 2 0 3 N r . 1 7 5 ; M . WEIPPERT 1 9 7 1 a ,
4 3 1 f.; W. HERRMANN 1 9 7 3 / 7 4 . 22 Dies gilt für Ugarit auch sonst und ist ein Argument gegen die These Helcks (HELCK 1971, 458-460), der von der kanaanäischen Form *cAttar ausgeht, die ״hurritische" Istar ferner aufgrund des Ugarit-Textes PRU IV 19.01 (S. 230) und seiner Lesung der Bildbeischrift der Stele von Turin in der Stadt Suksu ansiedelt und für eine ״ugaritische Göttin" erklärt. Suksu, heute Teil Sükäs, war in der Tat eine Stadt des Staates Ugarit. Ebenso hatte die ״hurritische" Istar in Ugarit einen Platz im Kult, wie der Text CTA 33,1-8 zeigt. Nur war ihr nordwestsemitischer Name dort eben cttrt hr und nicht *ctt hr. Wenn man einmal von der unsicheren Turiner Steleninschrift absieht, besagt der Text PRU IV 18.01 auch nicht, daß die ״hurritische" Istar eine ״Istar/ c Attar von Suksi" gewesen sei; aus dem Text geht nur hervor, daß die Göttin in der Flur der Stadt Suksu Grundbesitz gehabt hat. Die in ugaritischen Personennamen vorkommende Gottheit cttr ist wohl in allen Fällen männlich, auch in dem (männlichen) Namen 'ttrum = /'Attar-'umml/ ״c Attar ist meine Mutter" (sie); vgl. dazu GRÖNDAHL 1967, 113 £ u. bes. 46 § 75. Zu HELCK 1971, 259 f. Anm. 123, kann schließlich noch angemerkt werden, daß auch die Namensform cttr im nordwestsemitischen Bereich für eine Göttin vorkommt; vgl. die aramäisch-nordarabische Göttin c Atarsamain, die ihren zentralen Kultort in der Oase Duma (Dümat al-Gandal, heute el-Göf) hatte, und die aramäische Göttin Atargatis (aram. ctrcth), in deren Namen das Element cAtar- jedenfalls auf *cAttar zurückgeht. Vgl. noch Anm. 34. 23
CROSS 1 9 7 1 , 1 9 2 ; M . WEIPPERT 1 9 7 1 a , 4 3 1 f.
24
SOLÄ-SOLE 1966; weitere Literatur bei M. WEIPPERT 1971a, 432; ferner: GALLING
1 9 7 2 , 1 6 6 - 1 6 8 ; W . HERRMANN 1 9 7 3 / 7 4 ; QUATTROCCHI PISANO 1 9 7 4 .
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der Göttin ״Asiti"
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lieh exakt25: Nach den bekannten Regeln der Graphemsubstitution entspricht in Fremdwörtern äg. (c) nwsem. (c), äg.(s/s) nwsem. (t) (und <s», äg. (t) nwsem. (t) (und oft (d)), äg. (r) nwsem. (r) (und phön. /hl). Für die ägyptische Form cstr, die wahrscheinlich der mesopotamischen Istar entspricht, sind folgende Erklärungen möglich: (1) Der Name ist direkt aus Mesopotamien übernommen. Akk. (s) wurde im nordwestsemitischen Bereich im 2. Jahrtau|send als /t/ gehört26, und es ist von vornherein wahrscheinlich, daß die Ägypter den Laut dann nach Analogie des nordwestsemitischen /t/ mit ihrem (s/s) wiedergegeben haben. Bestätigt wird diese Erwartung durch den weiblichen Personennamen '-s-t^-rj-'-w-m(') ( נs t f m , Helck נa-s-tä-ra-'u-md Win^f der nur einem akkadischen Istar-ummi ״Istar ist meine Mutter" entsprechen kann und äg. (s) für akk. (s) aufweist . Die Entsprechungen von (t) und (r) sind problemlos. Den Laut /7 konnte die babylonische Keilschritt nicht oder nur sehr unvollkommen ausdrücken, und er ist auch im Laufe der Zeit in der Aussprache des Akkadischen geschwunden bzw. durch [ ] יersetzt worden28. Die ägyptische Wiedergabe des Namens Istar-ummTbietet folglieh im Anlaut auch das ״Schilfblatt", das den Laut [ ] יausdrückt. Im Falle der Schreibung cstr müßte daher angenommen werden, daß (a) die Ägypter hier den Namen der Istar in Analogie zu dem der nordwestsemitischen Astarte mit einem anlautenden (c) ausgestattet hätten bzw. (b) daß es sich damit ebenso verhält wie mit dem Ortsnamen c-k-S]-p-W (cksp, Helck ca-k-sä-pu Pap. Anastasi I 21,4 für kan. l'Aktap-/ (hebr. נAksäp). Oder: (2) Die Ägypter haben den Namen cstr für die ״hurritische" Istar überhaupt durch nordwestsemitische Vermittlung in nordwestsemitischer Lautgestalt - mit (c), aber ohne die Femininendung -t - erhalten. Wie dem auch sei - die oben begründeten Gleichungen berechtigen nun auch dazu, ganz allgemein die Göttin ״Asiti" mit Astarte (bzw. Istar) zu identifizieren. Die cst(y) Sethos' I. im WädTMiya ist daher in der Tat ״Astarte ä cheval"29, und es bleibt nur noch zu klären, wie sich die Namensform /cst/ zu der Normalform ״Astarte" verhält. Handelt es sich, wie es J. Leclant30 für wahrscheinlich hielt, um eine ״graphie defectueuse d'Astarte"? Oder ist eher R. Stadelmann31 im Recht, wenn er eine innerägyptische Lautentwicklung für die Entstehung 25
Da die folgenden Gleichungen, die allerdings nur für das hier in Frage kommende jüngere Umschreibungssystem gelten, allgemein anerkannt sind, kann auch auf genaue Nachweise verzichtet werden. 26 Vgl. z.B. Assür, ug. *ätr in dtr[y]m ״Assyrer". 27 Urk. IV 11,11; vgl. RANKE 1932, 414. Zu ug. cttrüm siehe Anm. 22. 28 Zur Behandlung des /7 im Akkadischen vgl. VON SODEN 1952, §§ 8g.9a.23.24. Die Lösung (lb) ist mir die wahrscheinlichere. Zum Charakter des äg. (c) siehe grundsätzlich RÖSSLER 1971, 275-279.301 f. und passim. 29 So der Titel von LECLANT 1960. 30
31
LECLANT 1 9 6 0 , 3 4 .
STADELMANN 1967, 99-101. Seine Argumentation ist jedoch nicht ganz einheitlich (Entstehung der Form in Syrien :: Lautwandel in Ägypten). Außerdem ist in seinen Zitaten des ägyptischen Namens der ״Asiti" sein s überall durch s (= äg. (s/s)) zu ersetzen.
26
Über den asiatischen Hintergrund
der Göttin ״Asiti"
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der Form ״Asiti" verantwortlich macht? Stadelmann - und ähnlich auch Helck32 - geht von | der Form cstr aus, die auf der Stele des Rjm belegt ist, und erklärt die anscheinend auf -y auslautende Namensform °sty auf dem Exvoto des Pthcnh durch die bekannte ״Mouillierung" des auslautenden r im jüngeren Ägyptisch, die etwa, um nur das bekannteste Beispiel anzuführen, aus dem Wort pr ״Haus" in vielen Fällen gesprochenes [pT] gemacht hat. Er postuliert also eine Entwicklung *cAstar > *cAstaj, die an sich denkbar ist, aber m.E. weder die Form cst (c3-s-i'-f) bei Sethos I. noch die späte Form cst in el-HTbe plausibel zu machen vermag. Erstere Form kann ja nicht einfach ״c Astaj" gelesen werden, da das ״Schilfblatt" am Wortende nur in Ausnahmefällen den selbständigen Laut [j] wiedergibt, den man in der ״syllabischen Orthographie" in der Regel mit dem Doppel-״Schilfblatt" (y) schreibt, sondern am ehesten das Komplement zum vorhergehenden Zeichen f darstellt. Bei letzterer Form stellt sich das Problem gar nicht. Soll man bei dieser Sachlage annehmen, daß sich die Form /cAstaj/ zu /cAstä/, /cAsta/ oder /cAst(3)/ weiterentwickelt habe33? Es könnte indessen die Frage gestellt werden, ob die Ägypter nicht wie die Namensformen cstrt und cstr so auch die Namensform cst(y) aus Asien übernommen haben. Anlaß dazu gibt zunächst die Beobachtung, daß im nordwestsemitischen Bereich der Gottesname /cAttar(t)/ auch sonst gelegentlich lautlich verkürzt wird. Die geläufigste Form tritt bei den Aramäern und Nordarabern (die in engem Kontakt mit dem Aramäern lebten) auf. Sie lautet ctr, d.h. /cA(t)tar/34, und ist entweder durch Ausstoßung des ursprünglichen! oder durch seine Assimilierung an das folgende t entstanden. Da in den assyrischen, griechischen und lateinischen Umschreibungen von ctr m.W. kein einziges Mal eine Verdoppelung des t angedeutet ist, spricht einiges dafür, daß erstere Erklärungsmöglichkeit zutrifft. Eine zweite gesicherte Art der Verkürzung des Gottesnamens findet sich in altsüdarabischen Inschriften. In dem himjarischen Text | RES 4151 ist in Z. 9 die Buchstabengruppe ...]ttddb[... erhalten, deren Ende nach vielen Analogien als ddb[n] zu lesen ist und das bekannte Epitheton dü Dibän ״Herr von Dlbän" des Gottes cAttar35 ergibt. Danach kann der Text 32
HELCK 1 9 7 1 , 4 5 9 .
33
Im folgenden gehe ich davon aus, daß die ״richtige" ägyptische Form cst lautet. Es bleibt jedoch das Problem der Schreibung csty auf dem Exvoto des Pth-Cnh mit dem auslautenden Ml. Ein Emendationsvorschlag findet sich bei W.M. MÜLLER 1893, 317 Anm. 3. Selbst habe ich in M. WEIPPERT 1969b, 48 Anm. 86, erwogen, ob nicht besser cl-s-i-f- נzu umschreiben wäre (das erste ״Schilfblatt" Komplement zum Zeichen f , das zweite Vokalandeutung?). Nicht ganz auszuschließen ist, daß das ״Doppelschilfblatt" einem Schreiber verdankt wird, der ein Komplement k zu S irrtümlich als Ausdruck für [j] deutete und dementsprechend Mi schrieb, oder daß es, wie in der ״syllabischen Orthographie" öfter, für die Lesung bedeutungslos ist. Doch sind alle diese Erklärungsmöglichkeiten noch nicht recht befriedigend. 34
V g l . J. L E W Y 1 9 4 5 / 4 6 , 4 2 3 - 4 2 5 ; GARBINI 1 9 6 0 ; M . W E I P P E R T 1 9 7 3 / 7 4 , 4 4 f . A n m . 2 4 .
Zu dem altaramäischen Namen ctrsmk (Seftre) vgl. jetzt MILLARD-TADMOR 1973, 59 mit Anm. 9 u. 10. 35 Beispiele: RES 3622,2; 3658; 4052,*2. *4 f.; 4150,2; 4151,*3 (zu Z. 9 siehe oben im Text); 4760 A *6; 4848,*3 f.
[14/15]
Über den asiatischen Hintergrund
der Göttin ״Asiti"
27
als ... bc]tt d Db[n ... ״bei ctt (cAttar), dem Herrn von Dlbän" vervollständigt werden. Die Kurzform ctt ist auch in dem Personennamen Srhctt in der himjarischen Inschrift RES 4150,*1.*3.536 bezeugt und kehrt vielleicht noch einmal in der hadramischen Inschrift RES 4223,1 aus Gaybün als ...]tt (am ZeilenSchluß; Anfang der Z. 2 nicht erhalten) wieder. Es ist nun nicht schwer zu sehen, daß ein analoger Fall auch bei dem phönikisch-punischen Gottesnamen cst vorliegt, von dem wir ausgegangen sind37. Schon N. Avigad hatte hinsichtlich der Form lcst in der Inschrift des Siegels der Bibliotheque Nationale die Vermutung geäußert: ״This is obviously an abbreviation of ל ע ש ת ר ת,to Ashtart'", dann aber hinzugefügt: ״There seems to be no parallel to such an abbreviation of her name". Diesem Mangel dürfte das oben beigebrachte Material abgeholfen haben. Darüber hinaus kann nun aber auch die Vermutung gewagt werden, daß auch die bei den Ägyptern gelegentlieh für Astarte gebrauchte Namensform ״Asiti" auf einen nordwestsemitischen Prototyp *ctt des 2. Jahrtausends zurückgeht, der nur bisher noch nicht belegt ist. Entgegen dem Augenschein ist der Zeitraum, der die 18. Dynastie oder Sethos I. von den phö|nikisch-punischen Belegen trennt, kein entscheidendes Argument gegen diese Annahme. Denn es gibt Anzeichen dafür, daß zumindest die südphönikischen Städte Byblos, Tyrus und Sidon der Katastrophe, die am Ende der Spätbronzezeit etwa das Hethiterreich, Alalah und Ugarit und wohl auch einen Teil der palästinischen Stadtstaaten vernichtet hat, entgangen sind, so daß in ihrem Bereich mit ethnischer und kultureller Kontinuität gerechnet werden darf. Die ״Herrin von Byblos" (phön. BHt Gbl) ist in Byblos vom 3. Jahrtausend bis in hellenistisch-römische Zeit verehrt worden38, und auch der Kult der Astarte (vielleicht der ״hurritischen") in Sidon läßt sich seit der 36
In Z. 5 vollständig; in Z. 1 ist [...]//, in Z. 3 5[...] erhalten. Vielleicht gehört auch der ugaritische Gottesname cttpr in diesen Zusammenhang, der sich in Ug V iii 8,16'; 10 Vs. 10'jeweils neben cttr findet, falls er mit ASTOUR 1966, 279 a , als c tt+pr zu analysieren ist (ASTOUR übersetzt ״c Astar the Young Bull" und stellt Elision oder Assimilation des -r von *cttr zur Wahl). Er ist von dieser Interpretation in ASTOUR 1968b, 175 f., wieder abgerückt und vermutet nun (im Anschluß an eine briefliche Äußerung Ch. Virolleauds) unter Vorbehalt, daß es sich dabei um eine ugaritische Transkription von akk. astapifiru handeln könne. Auf Astours Deutung des Namens Tasmisu- des Dieners des Kumarbi in den hethitischen (hurritischen) Mythen vom ״Königtum des Himmels" als Ableitung von der semitischen Wurzel /sms/ ״dienen" gehe ich hier nicht ein. Es sei nur bemerkt, daß tasmisu ein Nomen actionis von /sms/ D in der Bedeutung ״Dienst" sein müßte (daß hier einer der wenigen Fälle vorliege, in denen Nomina actoris nach der Form *taf'il gebildet werden, ist kaum anzunehmen). Andererseits kann astapi/Tru, wie auch sein Sumerogramm SAG.GEME.IR ausweist, nicht einfach als ״servant" (Astour) aufgefaßt werden; es ist vielmehr ein Kollektivnomen ״Gesinde" (״Sklavin/Dienerin+Sklave/Diener"), so daß *tasmisu im Sinne Astours und astapi/iru auch semantisch nicht ohne weiteres verglichen werden können. - Man könnte auch auf Kt CTA 3 VI 18 hinweisen, womit nach dem Kontext sicher der Gott Ktr gemeint ist; doch liegt an dieser Stelle am Zeilenende sicher ein Schreibfehler vor, so daß Kt(r) zu restituieren ist (Platz für das r wäre jedoch gewesen). Anders GORDON 1965, § 5.27; dazu kritisch DAHOOD 1965a, 8 zu § 5.27; vgl. allgemein auch FRONZAROLI 1955, 73 § 57. 38 Siehe H. Gese in GESE-HÖFNER-RUDOLPH 1970, 45 f. 185. 37
26
Über den asiatischen Hintergrund
der Göttin
״Asiti"
[13/14]
Spätbronzezeit bis in die römische Periode nachweisen39. Der älteste mir bekannte Beleg findet sich in einer hethitischen evocatio, d.h. einem Ritualtext, durch den die Istar von Ninive aus ihren verschiedenen Kultorten ins Hethiterreich gerufen werden soll. Unter den Kultorten ist auch Sidon als U m [am]zi-i-du-na- KBo II 9 I 4 bzw. [K]U[R ] zi-in-du-na- KBo II 36 Vs. 14 ge40 nannt . Im Alten Testament wird Astarte (hebr. cAstöret) an drei - allerdings relativ jungen - Stellen ausdrücklich als ״die Gottheit" bzw. ״der Greuel der Sidonier" (3elöhe/siqqüs STdönim/Sidöniri) bezeichnet (1. Kön. 11,5.33; 2. Kön. 23,13). Die sidonischen Könige Esmunazor I. und Tabnit führten in der persisehen Zeit neben ihrem Königstitel die Amtsbezeichnung khn cstrt ״Priester der Astarte" (KAI 13,1.2), °mcstrt, die Mutter des Königs Esmunazor II., den Titel khnt cstrt ״Priesterin der Astarte" (KAI 14,14 f.). In der Sarkophaginschrift Esmunazors II. ist berichtet, daß er und seine eben genannte Mutter den Tempel der Astarte bzw. der Astarte-Name-Baals (cstrt sm Bcl)41 in Sidonנ rs-ym erbaut hätten (KAI 14,16.18). Vom Astartetempel in Sidon sprechen noch Lukian von Samosata, de dea syria 4, und Achilles Tatius 1,1. Es ist nun nicht ohne Bedeutung, daß die Weihgabe(n), auf die sich das Siegel der Bibliotheque Nationale bezieht, der Göttin cst bsdn ״c,st-in-Sidon" (Z. 2) galt(en)42. Hier dürfte nun endgültig jeder Zweifel an der Identität der cst und der Astarte a u s g e r ä u m t sein. Andererseits lehrt die Bezeichnung der Adressatin, daß der uns namentlich unbekannte Sohn des Abinadab seine Weihgaben der spezifisch sidonischen Ausprägung der großen Göttin | Astarte-C5r darbringen wollte. Den Grund dafür wissen wir nicht; doch können wir mit allem Vorbehalt vermuten, daß die Astarte von Sidon eine besondere, nämlich die ״hurritische" Astarte, d.h. eigentlich die Istar von Ninive gewesen ist43, deren sidonischer Kult für das späte 2. Jahrtausend durch die angeführte hethitische evocatio bezeugt ist. An anderer Stelle wurde schon vermutet, daß die phönikische Bronzestatuette im Museum von Sevilla, die der cstrt hr geweiht ist, aus Sidon stammt oder wenigstens von einem Sidonier gestiftet worden ist44. Diese Statuette bezeugt auch das Fortleben des spätbronzezeitlichen Namens der ״hurritischen" Astarte bis ins 8. Jahrhundert hinein. Die Kontinuität ist auch hier evident. 39
Zu Astarte als Stadtgöttin von Sidon siehe H. Gese a.a.O., 188 f. 191 f.
40
V g l . SOMMER 1 9 2 1 , 9 6 ; FRIEDRICH 1 9 2 5 , 2 1 ; BOSSERT 1 9 4 6 , 3 5 f .
Dieser Sondername der Astarte ist in der Form cttrt sm Bcl auch in Ugarit (CTA 16 VI 56; vgl. 21 *8) bezeugt. Sein Auftreten im Sidon der persischen Zeit ist ein weiteres Indiz für die kulturelle Kontinuität zwischen dem 2. und dem 1. Jahrtausend im südphönikischen Raum. Vgl. zu dem Gottesnamen H. Gese in GESE-HÖFNER-RUDOLPH 1970, 188 f.; CROSS 1973, 30. 42 Zur Deutung von Inschrift und Zweck des Siegels siehe oben Anm. 7. 43 Ob das dem 1. Jahrtausend noch bewußt gewesen ist, steht freilich dahin. 44 Siehe M. WEIPPERT 1971a, 432. Meine leicht mißverständliche Bemerkung ebd., daß in der Inschrift der Statuette ״der westlichste Belege für die weite Verbreitung der ,hurritischen' Istar/Astarte, der Göttin von Nineve", vorliege, und die in dieser Form von W. HERRMANN 1973/74, 136 Anm. 17, zu Recht beanstandet wurde, ist im Lichte der folgenden Aussage zu lesen, aus der hervorgeht, daß ich im konkreten Fall die phönikische Göttin cstrt hr gemeint habe.
[14/15]
Über den asiatischen Hintergrund
der Göttin ״Asiti"
27
Für die Verehrung der Astarte-״Asiti" bzw. der ״hurritischen" Istar/Astarte in Ägypten, besondern in Memphis45, bedeutet das, daß die Göttin auf einem doppelten Weg ins Land am Nil gekommen sein kann: Sicher haben H. Ranke und, ihm folgend, R. Stadelmann etwas Richtiges gesehen, wenn sie das Auftreten der ״hurritischen" Istar/Astarte (und eventuell des Namens ״Asiti") mit den in dem Amarnabrief 23 bezeugten ״Reisen" der Istar von Ninive aus Mitanni nach Ägypten verbinden wollten46. Wahrscheinlich aber führte ein zweiter Weg über die syrischen Küstenstädte, vielleicht direkt über Sidon, so daß auch die These von W. Helck47, wenn auch nicht in ihrer Ausrichtung auf die hypothetische ״Istar vor! Suksi", zu ihrem Recht kommt.
41
45
Die Verehrung der Astarte in Memphis muß hier nicht behandelt werden; vgl RANKE
1932, 4 1 5 - 4 1 8 ; LECLANT 1960, 3 - 1 5 ; 1969, 6 5 - 6 7 ; H e l c k STADELMANN 1 9 6 7 , 1 0 4 . 46
RANKE 1 9 3 2 ; STADELMANN 1 9 6 7 , 1 0 1 .
47
Siehe oben, bes. Anm. 22.
1966, 1 - 4 ; 1971,
458-460;
3. Jahwe (1977)
1.
Namensformen
Jahwe1 ist der Name eines Gottes, der in den Quellen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, als Nationalgott der ״Israeliten" (Israeliten und Judäer) erscheint. Der Name ist sowohl selbständig als auch in theophoren Personennamen verbaut in verschiedenen Varianten überliefert. Bei dem selbständig gebrauchten Jahwe-Namen entsteht ein schwieriges Problem dadurch, daß er seit der Achämenidenzeit zunehmend tabuisiert und bei der Lesung der heiligen Schriften, beim Gebet und im Alltag durch Ausdrücke wie ״der Herr" (hebr. נ ädönäy [eigentlich ״mein Herr", erstarrte Anredeform], griech. wupiog), ״der Name" (hebr. hassem, aram. samä) u.ä. ersetzt wurde, so daß die authentische Aussprachetradition im Laufe der Zeit unsicher wurde und schließlich ganz abbrach. Die heute in der Wissenschaft (mit individuellen Schreibvarianten) meist gebrauchte Namensform Jahwe (hebr. *Yahwe), beruht auf Rekonstruktion aufgrund vereinzelter antiker Zeugnisse (siehe 1.3). 1.1. In nordwestsemitischer
Konsonantenschrift
Der selbständige Gottesname Jahwe erscheint in Inschriften des 9.-6. Jahrhunderts v. Chr.2 regelmäßig in der vierkonsonantigen Form YHWH (״Tetragramm"), die auch im Alten Testament und der jüngeren (vormischnischen) jüdischen Literatur in hebräischer und aramäischer Sprache vorherrscht3 und auch noch in Handschriften griechischer Bibelübersetzungen, soweit sie jüdi1
Allgemeine Literatur: ALBRIGHT 1957a, 15 f. 158-251; 1968, 146-149; ALFRINK 1948;
B O W M A N 1 9 4 4 ; CROSS 1 9 7 3 , 6 0 - 7 5 ; D R I V E R 1 9 2 8 ; EISSFELDT 1 9 3 5 b ; 1 9 3 6 ; 1 9 5 6 ; F R E E D MAN 1 9 6 0 ; G Ö R G 1 9 7 6 ; G O I T E I N 1 9 5 6 ; S . H E R R M A N N 1 9 6 6 ; 1 9 6 7 ; PARKE-TAYLOR S C H L E I F F 1 9 3 6 ; VON S O D E N 1 9 6 6 ; T H I E R R Y 1 9 4 8 ; DE VAUX 1 9 7 1 a , passim]
1975;
VRIEZEN 1 9 5 0 ;
ZIMMERLI 1 9 7 2 . 2 Mesa c -Stele (moab.), 9. Jh. v. Chr.: KAI 181,18; Siegel u.H., 8. Jh.: CROSS 1973, 61 m. Anm. 62 Z. 2; Hirbet el-Qöm, Grabinschrift 3, Mitte 8. Jh.: DEVER 1969/70, 158 f. Z. 2; Teil c Aräd, Ostraka, 8.-6. Jh.: AHARONI-NAVEH 1981 ,passim׳, Tell ed-Duwer, Ostraka, fr. 6. Jh.: TORCZYNER-HARDING-LEWIS-STARKEY 1938, passim; Hirbet Bet Layy, Grabinschriften A -
C , f r . 6 . J h . : CROSS 1 9 7 0 . 3
Statistik f ü r das Alte Testament: JENNI 1971, 703 f.; zur Vokalisation siehe 1.3.
Jahwe
38
[248/249]
4
scher Herkunft sind, vorkommt . Davon weicht nur die Inschrift eines Steingefäßes aus dem Heiligtum (?) von Kuntilet cAgrüd im nördlichen Sinai ab, die die Namensform Yhw bietet (wohl 8. Jahrhundert)5. Yhw lautet der Gottesname auch in den aramäischen Papyrusurkunden und -briefen der jüdischen Kolonie in Elephantine (5. Jahrhundert)6, während auf den weniger formellen Ostraka Yhh verwendet wird7. Schließlich kommt im Alten Testament gelegentlich die Form Yh (vokalisiert Yäh) vor (meist in der Formel hallü Yäh ״Halleluja"8). In Zusammensetzungen werden statt des Tetragramms kürzere Namensformen gebraucht. Am häufigsten ist in den Inschriften (Belege seit dem 8. Jahrhundert) Yhw sowohl als erstes als auch als zweites Element theophorer Personennamen; diese Form scheint nach ihrem Verbreitungsgebiet ursprünglich judäisch zu sein und läßt sich auf israelitischem Territorium erst in persischer Zeit sicher nachweisen9. Im 5. Jahrhundert kommt sie als erstes Element von Personennamen auch in Ägypten vor10. Als zweites Element ist °Yhw zu Beginn des 3. Jahrhunderts vereinzelt in Edfu belegt11. Dafür findet sich in epigraphischen Texten der persisch-hellenistischen Zeit aus Ägypten (Elephantine, Edfu; 5.-3. Jahrhundert), auf judäischen Siegeln wohl schon seit dem 7./ 6. Jahrhundert, die weiter apokopierte Form °Yh (vgl. auch die zweimalige Felsinschrift Twbyh in cEräq el-Emir in Transjordanien, wohl eine archaisierende Inschrift des 2. Jahrhunderts12; °Yh ist auch sonst in jüdischen Inschriften der hellenistisch-römischen Zeit häufig). Von Haus aus (nord-)israelitisch scheint die Namensform Yw gewesen zu sein, die als erstes wie zweites Element theophorer Personennamen zuerst in den Ostraka von Samaria | (1. Hälfte des 8. Jahrhunderts)13, aber bereits seit dem 8. Jahrhundert auch in Inschriften aus Juda belegt ist14 und, beschränkt auf den Personennamen נhyw, im 5. Jahr4 F.DUNAND 1966, 39-48 (Belege, lit); 1971; ALY 1971 (Edition des Papyrus Fuad 266); MERCATI 1958, passim. Gelegentlich steht dafür I A Q , SKEHAN 1957, 157. Handschriften christlicher Herkunft haben stattdessen das ״Qare" KIJQIOC;. In der handschriftlichen Überlieferung der jüngeren griechischen Übersetzungen des Alten Testaments wird das quadratschriftliche Tetragramm ihrer jüdischen Vorlagen aus Unkenntnis in griechischer Schrift als N I M o.ä. wiedergegeben; siehe dazu ZIEGLER 1939, 100; 1952, 63. 5
MESHEL-MEYERS 1976, 8 A b b . 2.
6
COWLEY 1923; KRAELING 1953; siehe jeweils den Index s.v. Yhw. DUPONT-SOMMER 1947; auch einmal auf Papyrus: COWLEY 1923, Nr. 13, Z. 14. 8 Nicht in Elephantine, da bei KRAELING 1953, Nr. 3 Z. 15, lyh[wf zu lesen ist; sonst siehe 1.3. 9 Bulle des [Ysc]yhw bn [Sn]blt pht Smrn aus Mugäret Abu Singe, 4. Jh.: LAPP-LAPP 1 9 7 4 , Taf. 6 1 . 10 Elephantine: COWLEY 1923, Index s.w. Yhw'wr (auch bei KRAELING 1953), Yhwhn(n), Yhwtl, Yhwysmc (auch bei KRAELING 1953), Yhwntn, Yhwcly (f.), Yhwsmc (f.); Saqqära: AIMEGIRON 1931, Nr. 33 Z. 1. In Elephantine finden sich auch die Varianten Yhh° (Yhh'wr [f.] COWLEY 1923, Nr. 1 Z. 2; Yhhdry ebd. Nr. 11 Z. 13) und Yh° (Yhntn ebd. Nr. 2 Z. 21).
Jahwe 39
[248/250]
37
hundert auch in Elephantine vorkommt15. Die meisten dieser Formen des Gottesnamens Jahwe finden sich auch im Alten Testament: als erstes Element theophorer Personennamen Yhw° (vokalisiert Ydhö°) und Yw° (vokalisiert Yö°), oft als Varianten nebeneinander, als zweites Element °Yhw (vokalisiert °Yähü, daneben, wohl akzentbedingt, °Yahü in MTkäyahü), °Yh (vokalisiert °Yä), ebenfalls oft als Varianten, und °Yw (vokalisiert °Yö, wie in Elephantine nur in dem Namen 3Ahyö), wobei die Formen auf Yö° und °Yä wohl eine spätere Sprachstufe widerspiegeln (die Verhältnisse sind durch den Überlieferungsprozel3 allerdings etwas verwischt). 1.2. In Keilschrifttexten Keilinschriftlich ist der selbständige Gottesname Jahwe bisher nicht belegt. Doch lassen sich in assyrischen und babylonischen Texten seit dem 9. Jahrhundert zahlreiche mit dem theophoren Element Jahwe gebildete nordwestsemitische Personennamen nachweisen, die z.T. durch ihren Kontext als solche von Israeliten oder Judäern ausgewiesen sind, so daß diese Identifikationen auch für die übrigen gelten wird. In assyrischen Texten erscheint Jahwe als erstes Element in dem israelitisehen Königsnamen lIa-ü-a (fehlerhaft [?] auch lIa-a-ü) = Jehu bei Salmanassar III.16 und lIa-°a-su = Joas bei Adadnarari III.17 als Ia°, bei dem judäischen Königsnamen1Ia-ü-ha-zi = *Ydhö3ähäz (Ahas) bei Tiglathpileser III.18 als Ia-ü°. Möglicherweise bezeichnen die unterschiedlichen Schreibungen die Tatsache, daß in ersterem Fall *7w°19, in letzterem *Yhw° zugrundeliegt. Als zweites Element wird Jahwe in den israelitischen Personennamen lNa-ad-bi-ia-a-ü (Name eines mukll appäte20, der wohl von Sargon II. \ deportiert worden ist; 709 v. Chr.)21 und lNa-tan-ia-u (Grundbesitzer in Geser)22 wie in dem judäischen Königsnamen lHa-za-qi-ia(-a)-ü/u = Hiskia23 und dem Namen des hamathensischen Befreiungskämpfers lAz-ri-ia-a-ü24 °Ia(-a)-u/u geschrieben. Nur per analogiam kann vermutet werden, daß bei israelitischen Namen *°Yw, bei dem judäischen *°Yhw gemeint ist, während die Frage bei dem hamathensischen ganz offen bleiben muß.
7
11
c
12
V g l . NAVEH 1 9 7 0 , 6 2 - 6 4 .
13
14
bdyhw
COWLEY 1 9 2 3 , N r . 8 1 Z . 2 2 . 2 3 . 4 3 .
REISNER-FISHER-LYON 1 9 2 4 , 2 3 9 - 2 4 3
passim.
Früheste Belege: TelVAräd: lywx[...] AHARONI-NAVEH 1981, Nr. 89; Kuntilet c bdyw, Smcyw, MESHEL 1977, 53.
c
Agrüd:
15
COWLEY 1 9 2 3 , KRAELING 1 9 5 4 ,
16
M . WEIPPERT 1 9 7 8 , 1 1 4 f .
passim.
17
PAGE 1 9 6 8 , 1 4 2 Z . 8 .
18
ROST 1 8 9 3 , 7 2 Z . 1 1 ' ; v g l . M . WEIPPERT 1 9 7 3 b , 4 5 A n m . 7 8 . 5 2 .
19 Zur Wiedergabe von Iii + Diphthong /au/ durch (IA) siehe M. WEIPPERT 1978, 115, und vgl. 1.1. 20
Z u l e s e n ist
21
3R 49:1,30.
lü
D1B. k l %A.MEs.
22
C . H . W . J o h n s b e i MACALISTER 1 9 1 2 , 2 7 f . V s . 1.
23
LUCKENBILL 1924, passim, mit Varianten ,Ha-za-qi-a-ü
24
ROST 1 8 9 3 , 2 0 Z . 1 2 3 . 2 2 Z . 1 3 1 ; v g l . M . WEIPPERT 1 9 7 6 - 8 0 a , 2 0 4 f .
und
l
Ha~za-qi-a-a-a.
Jahwe
38
[248/249]
In babylonischen Texten der Zeit Nebukadnezars II.25 erscheint das theophore Element im Namen des Königs Jojachin von Juda als la^-ü0/Ia^u°/Ia-au°/Ia-ku-ü°, während Jahwe als zweites Namenselement wie in den babylonisehen Texten aus der Achärnenidenzeit °Ia-a-ma oder °A-ma geschrieben wird26. Bei den achämenidischen Texten handelt es sich meistens um Urkunden des Bankhauses Murasü27. In diesen Texten erscheint Jahwe als erstes Element theophorer Personennamen in den Formen dIa-a-hu-ü/u°28, Ia-a-hu-ü°29, (d)Iaa-hu°30, dIa-hu-ü°31, also als * Yhw°32, und, sekundär gekürzt, als AHu-ü33. Für Jahwe als zweites Element von Personennamen wird ähnlich wie in den | Texten der Zeit Nebukadnezars II. °Ia-a-ma34, °Ia-ma35 und °A-ma36 geschrieben. Die nordwestsemitische Grundlage dieser Schreibungen kann nicht mit absoluter Sicherheit gestellt werden. Ohne Zweifel ist aber das Zeichen (MA) als wa6 zu lesen, so daß sich °Ia(-a)-wa6 bzw. °A-wa6 ergäbe. Am ehesten ist dahinter *°Fw (gesprochen *°Yaw, mit rein graphischem Auslautvokal37) zu vermuten, da *°Yhw mit konsonantischen (w) in Personennamen nicht vorkommt und °Ia(a)-wa6/°A-wa6 kaum *°Yähu wiedergeben kann. Dem widerspricht allerdings die aramäische Beischrift Plyh™ BM 13264 (STOLPER 1974, 471) Rs. zu lPi-liia-a-ma ebd., 4. l.Rd.39, so daß zu fragen ist, ob °Ia(-a)-wa6/°A-wa6 nicht wenigstens zum Teil nur konventionelle (aber auf *Yaw zurückgehende) Schreibung des israelitischen Gottesnamen als zweites Element von Personennamen ist, hinter der sich, jedenfalls in der Achärnenidenzeit, unterschiedliche phonetische Realitäten verbergen.
25
WEIDNER 1 9 3 9 .
26
In lSa-ma-ku-ia-a-ma WEIDNER 1939, 928; lSä-lam-ia-a-ma ebd., 927; lQa-na{-*)-ama ebd., 926, C Rs. II 18; D 21; zur Interpretation siehe unten. 27 Zahlreiche Belege in den Indices von BE 9 und 10; PBS 2: 1 und bei STOLPER 1974; v g l . a u c h TALLQVIST 1 9 0 6 , 2 4 5 . 28 29 30 31 32
Z.B. Z.B. Z.B. Z.B. Vgl.
in ldIa-a-hu-ü-na-tan-nu PBS 2:1,97,7; 420/19 v. Chr. in lIa-a׳hu-ü-la-qi-im CBS 13089 (STOLPER 1974, 458-463), 2; nach 432 v. Chr. in läIa-a-hu-za-badA[a\ CBS 13089,3 (siehe Anm. 29). in ldIa-hu-ü-na-ta-nu BE 9,25,19; 434 v. Chr. die aramäische Beischrift Yhwntn CBS 12924 (STOLPER 1974, 389 f.), Rs:
DELAPORTE 1 9 1 2 , N r . 4 7 . 33 In wHu-ü-na-tan""-na CBS 5510 (STOLPER 1974, 336-339), Vs. 1.10. Rs 2'; 424 v. Chr. Siehe auch STOLPER 1976, 25 f. 34 Z.B. in 1 Su-bu-nu-ia-a-ma 82-7-14,4175 (PINCHES 1892/93, 14), Rs. 4; 414/13 v. Chr. (?); einmal odIa-a-ma: lMan-nu-ta-ni-dia-a-ma CBS 12986 (STOLPER 1974, 4 3 5 437), 2; Zeit Artaxerxes' I. 35 In xA-qa-bi-ia-ma 82-5-22,1349 (PINCHES 1892/93, 15); Zeit Artaxerxes' I. 36 Z.B. in lPa-da-a-ma BE 9,25,18; 434 v. Chr. 37
V g l . HYATT 1 9 4 1 , 2 3 .
38
Vgl. bibl.-hebr. Pdläyä 1 Chr. 3,24.
39
V g l . a u c h STOLPER 1 9 7 6 , 2 7 b .
37 [ 2 4 8 / 2 5 0 ]
1.3.
Jahwe
39
Vokalisationsprobleme
Die in Abschnitt 1 Anfang beschriebenen Verhältnisse und die nordwestsemitische Konsonantenschrift, die die Vokale der Wörter nicht oder nur unvollkommen andeutet, bringen es mit sich, daß die Vokalisation der verschiedenen Formen des Gottesnamens Jahwe in erster Linie aus der antiken NebenÜberlieferung, soweit sie sich vokalbezeichnender Schriftsysteme bediente, und aus der - frühmittelalterlichen - masoretischen Punktation des Bibeltextes erschlössen werden muß. Für den selbständigen Namen liegen direkte Aussprachezeugnisse erst aus der Spätantike vor. In den masoretischen Textformen des Alten Testaments erscheint das Tetragramm YHWH, wenn es in den Handschriften überhaupt punktiert wird, durchgängig mit den (leicht modifizierten) Vokalen seines Q9re נ ädönäy als יהוהoder, falls es neben ausgeschriebenemנädönäy steht, mit den Vokalen von נelöhim ״Gott" als !40יחוד. Aus den griechischen Wiedergaben *Iao׳ue/*Iao׳ua1 bei Clemens von Alexandria (3. Jahrhundert 11. Chr.)41, laße bei Epiphanius von Salamis (2. Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr.)42 und laße/ laßai bei Theodoret von Cyrrhus (1. Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr.)43 ergibt sich, daß diese Autoren für das Tetragramm die (wohl korrekte) Aussprache *Yahwe kannten. Für Yhw bei den Juden von Elephantine beweist die Variante Yhh die Aussprache *Yahö (nicht * Yahü)44, die wohl auch durch die häufige griechische Form law bezeugt wird45; unsicher bleibt freilich, ob die Schreibung Yhw in Kuntilet cAgrüd ebenso gelesen werden darf. Die masoretische Punktation Yäh für Yh schließlich wird durch die griechische Umschrift Ia 46 bestätigt. Bei den unselbständigen Namensformen erscheint Yhw° als erstes Element theophorer Personennamen keilschriftlich als Ia(')u°/Iahu°/Iaku° (d.h. *Iaku°); diese Schreibungen können sowohl *Yahü° als auch *Yahö0 wiedergeben. Doch sprechen die in Elephantine belegten Varianten Yhw°/Yhh°/Yh° für *Yahö, auf diese Form geht auch das masoretische Ydhö° (mit wortakzentbedingter Reduktion des ersten Vokals) zurück. Yw° in derselben Position wird assyrisch durch Ia° und Iau°, beides wohl für *Yaw°, wiedergegeben (siehe dazu 1.2), während im Alten Testament | die jüngere monophthongisierte Form Yö° 40 So tiberiensisch; analog auch in der babylonischen Punktation. Hingegen wird im Codex Leningradensis B 19 dafür, wohl absichtlich unvollständig, י הןהbzw. illir punktiert. Wie י ה ו הanzeigt, kann י ה ו הhier nicht die Aussprache samä (aram. ״der Name"; so die heutigen Samaritaner) andeuten. 41 Strom. 5,6,34,5 (GCS 15, 348). 42 Adv. haer. 1,3,40,5 (MPG 41, 685). 43 Quaest. in Ex. XV (MPG 80, 244); haer.fab.comp. 5,3 (MPG 83, 460). 44 So auch DUPONT-SOMMER 1947, 175-177. 45 Vgl. GANSCHINIETZ 1914 und oben Anm. 4. Hieronymus (2. Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr.) behauptet, daß man das Tetragramm (!) laho ״lesen könne"; Comm. in Ps. VIII 2 (CCL 7 2 , 1 9 1 ) . 46 Z.B. Epiphanius a.a.O. (Anm. 42); lat. Ia, (Hieronymus, ep. 25,3 (CSEL 54, 219).
Jahwe
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(cax' e£oxr|v, richtete36. Bei den uns vorliegenden Texten handelt es sich um Protokolle, in denen auf die nach einem festen Formular gestalteten Anfragen Auszüge aus Sammlungen von Leber-Omina folgen, die man anscheinend zu den während der Extispizin gemachten Beobachtungen angezogen hat; sie geben die Deutung. Ähnlichem Zwecke dienten wohl Sammlungen von Schaf-Omina, die auf der Beobachtung des Verhaltens des Opfertieres vor und während der Schlachtung beruhen, und | deren Apodosen fast regelmäßig lauten: usser immera dük nakra ״laß das Schaf; töte den Feind!" - wie es scheint, eine Aufforderung, die Opferschauen einzustellen und ins Feld zu ziehen. Als Beispiel sei nur eine Zeile aus einem solchen Text aus der Bibliothek Tiglathpilesers I. von Assyrien zitiert37: Wenn das Schaf, nachdem es geweiht ist, ״M ä h " schreit (und) sein Ohr zittern läßt: laß das Schaf; töte den Feind!
Durch Beobachtung der Gestirne suchte man einen günstigen Feldzugstermin festzustellen38, und schließlich kamen auch ״spontane" Orakel vor, nämlich Träume oder den alttestamentlichen Prophetenworten vergleichbare Gottessprüche. Für Träume ein Beispiel vom Beginn des Feldzugs Assurbanipals gegen seinen abtrünnigen Bruder Sarnassumukin, Vizekönig von Babel39:
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Wie vor allen Entscheidungen von einigem Gewicht wird auch vor beabsichtigten oder vorn Feind erzwungenen Feldzügen der Wille der Götter erforscht.
״Heiliger Krieg " in Israel und Assyrien
S i e s i n d g e s a m m e l t b e i K N U D T Z O N 1 8 9 3 u n d KLAUBER 1 9 1 3 .
VAT 9518 = Assur 11919 = Photo Assur 2731 Vs. 5, EBELING 1931, 42; zu lesen ist: [summa immeru i]s-tu kär-bu em-me-a is-si uzun-sü ü-na-ra-at7 us-se-er immera du-uk nakra\ vgl. EBELING 1933/34, 326 Anm. 1 (zur Lesung der Apodosis); VON SODEN 1936a, 253. Zur Herkunft und Bezeichnung des Textes siehe WEIDNER 1952/53, 200 Nr. w. 38 Siehe Sargon II., TCL III, 317-319: 3 1 1 ina qibiti sirte sa dNabü dMarduk sa ina manzäz kakkabe sa sutbe kakklya isbatü täluku mu idät dumqe sa leqe kissüte d Mä.gur 8 bei age ana sulput mät Gutikl usänihä massarta 319/«a anni süquri sa dSamas qurädi sa sire tikilti sa aläk idiya usastira amüti... ״auf den erhabenen Befehl Nabüs (und) Marduks hin, die am Standort der Sterne eine Bahn eingeschlagen hatten, die ,Erheben meiner Waffen' (bedeutet), und während günstige Vorzeichen, die ,Ergreifen der Macht' (bedeuten), d Mä.gur g (Sin), der Herr des Diadems, (bedeutend) ,um das Land Guti zu plündern', die Beobachter ermüdeten, auf das kostbare Jawort des Helden Samas hin, der Ermutigungsorakel, die ,Gehen an meiner Seite' (bedeuten), als meinen Leberbefund (im Schaf) verzeichnen ließ ..." (folgt Aufbruch). 39 Prisma A III 118-127 (STRECK 1916, 32 f.).
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Krieg " in Israel und
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D a m a l s h a t t e e i n sabrü-Beamter in d e r N a c h t e i n e n T r a u m u n d sah ein G e s i c h t : A u f d e m S o c k e l S i n s (d.h. d e r S i n - S t a t u e ) s t a n d g e s c h r i e b e n : ״D e n e n , d i e g e g e n Assurbanipal, den König von Assyrien, Böses planen, Feindseliges unternehmen,
A u f G e h e i ß A s s u r s ( u n d ) M a r d u k s , d e r g r o ß e n Götter, d i e m i c h d u r c h g ü n s t i g e V o r z e i c h e n , O r a k e l , das W e r k d e r O r a k e l p r i e s t e r , e r m u t i g t e n , b r a c h t e ich i h n e n (seil, d e n E l a m e r n ) in T i l - T u b a e i n e N i e d e r l a g e bei. ( A s s u r b a n i p a l ) 4 8
b e s c h e r e ich e i n e n b ö s e n T o d . M i t r a s c h e m S c h w e r t , F e u e r r e g e n 4 0 , H u n g e r s n o t , Pest 4 1 m a c h e ich i h r e m L e b e n e i n E n d e . "
Göttliche Kundgebungen dieser Art, also Ermutigungs- oder Heilsorakel, sind nun auch der ״Sitz im Leben" der Aufforderung, sich nicht zu fürchten49, und der sog. Übergabeformel, d.h. der Versicherung, daß \ die Gottheit die Feinde in die Hand des Königs übergibt oder übergeben hat50. In einem Gottesspruch für Asarhaddon wohl aus der Anfangszeit seiner Regierung, der durch einen sonst unbekannten Mann namens Istar-lä-taslyat aus Arbela ergangen ist, finden wir beides zusammen (das redende Ich ist Istar von Arbela)51:
D i e s e s h ö r t e ich u n d a c h t e t e auf das W o r t S i n s , m e i n e s H e r r n . (Es f o l g t d e r F e l d z u g s b e r i c h t . )
Auch während des Krieges fragt man ständig nach dem Willen und Beistand der Götter. Zu diesem Zweck nimmt man Kultpersonal, etwa | professionelle Opferschauer (bärü), mit ins Feld42 und achtet dort auch auf Vorzeichen und Träume43. Sogar die ״Heimat" berichtet von göttlichen Kundgebungen an die Kämpfenden; so schreibt Sibtu, die Königin von Mari, an den gegen IsmeDagan von Assyrien im Feld stehenden König Zimri-Lim (18. Jh. v. Chr.)44: B e z ü g l i c h d e r N a c h r i c h t v o n d e m F e l d z u g , d e n m e i n H e r r u n t e r n i m m t , h a b e ich d i e V o r z e i c h e n a b g e w a r t e t . E i n e n M a n n u n d e i n e F r a u h a b e ich b e f r a g t , u n d d a s O r a k e l ( i g e r r ü m 4 5 ) ist f ü r m e i n e n H e r r n s e h r g ü n s t i g . W e g e n I s m e - D a g a n h a b e ich g l e i c h f a l l s d e n / e i n e n M a n n u n d d i e / e i n e F r a u 4 6 b e f r a g t , u n d d a s O r a k e l f ü r ihn (igerrü-su) ist u n g ü n s t i g u n d l a u t e t : ״U n t e r d e m F u ß m e i n e s H e r r n liegt er."
Selbstverständlich hat man auch vor jeder Schlacht den Willen der Götter erforscht: Z u A s s u r u n d d e n g r o ß e n G ö t t e r n , m e i n e n H e r r e n , e r h o b ich m e i n e H ä n d e , u n d mit z u v e r l ä s s i g e m J a w o r t a n t w o r t e t e n sie m i r in r e c h t e r W e i s e . ( S a l m a n a s s a r I.; es folgt der Schlachtbericht.)47
A s a r h a d d o n , K ö n i g d e r L ä n d e r , f ü r c h t e d i c h nichtl Schau52, d e r W i n d , d e r g e g e n d i c h a n s t ü r m t e 5 3 - h a b e ich n i c h t s e i n e Flügel54 abgebrochen? Deine Feinde rollen55 wie reife Äpfel56 vor deinen Füßen umher. | D i e g r o ß e H e r r i n bin i c h ! I c h bin Istar v o n A r b e l a , d i e ich d e i n e F e i n d e v o r d e i n e F ü ß e hinwarf! 48
Prisma B V 9 3 - 9 6 (PIEPKORN 1933, 68). VON RAD 1952, 7 f.; vgl. HEINTZ 1969, 121-125, und dazu DION 1970; ferner: DION 1967a. Die Formel lä tapallah ״f ü r c h t e dich nicht!" findet sich im Z u s a m m e n h a n g assyrischer Ermutigungs(Heils)orakel an folgenden Stellen: B M 8 2 - 5 - 2 2 , 5 2 7 (LANGDON 1914 Taf. II f.) 1 1 5 ׳. III 1 3 2 3 . ' ׳. IV 8 ׳.24 ;׳K 883 (CRAIG 1895, 26 f.), 2.20.25; K 4 3 1 0 (4 R 2 61) I 6 ' - 3 1 ' . II 16 ׳.33' .11138 ׳. V 21. 50 VON RAD 1952, 7 - 9 ; vgl. HEINTZ 1969, 125-129. ״Ü b e r g a b e f o r m e l " : WESTERMANN 1964a, 87. Vgl. Ri. 20,28; 1 Sam. 23,4; 2 Sam. 5,19. 49
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K 4 3 1 0 ( 4 R 2 6 1 ) I 5 ' - 2 5 ' . B e a r b e i t u n g e n u n d Ü b e r s e t z u n g e n : BANKS 1 8 9 7 / 9 8 , 2 6 9 f . ;
JASTROW 1 9 1 2 , 1 5 8 f . ; LANGDON 1 9 1 4 , 1 2 8 f . ; SCHMIDTKE 1 9 1 7 , 1 1 7 f . ; E . E b e l i n g i n G R E S S 40
Wörtlich: miqit isäti ״Fall von Feuer". 41 Wörtlich: lipit dEra ״Eingriff Eras". 42 Vgl. Assurnasirpal II., Ann. III 20 (BUDGE-KING 1902, 351): ״Bel-apla-idinna, den Opferschauer ( l ü hal = bärü), der vor ihren (seil, der Herrscher von Sühu) Truppen herging, ergriff ich zusammen mit ihnen (seil, den Truppen) mit der H a n d . " Siehe auch den unten zitierten Assurbanipal-Text Prisma B V 9 3 - 9 6 und bereits aus dem 18. Jahrhundert v. Chr. A R M HC A. 103 und A. 4 2 2 2 (briefliche Berichte über Hepatoskopie auf Feldzügen; Mari), NOUGAYROL 1961a, 2 2 7 - 2 3 2 . 43 Vgl. noch Assurbanipal, Prisma A V 9 5 - 1 0 3 (STRECK 1916, 48 f.): ״D i e (Var.: Meine) Truppen sahen den Fluß Id'id'e, eine wütende Flut, (und) fürchteten sich vor der Furt. Istar, die in Arbela wohnt, ließ während der Nacht meine Truppen einen Traum sehen und sprach folgendermaßen zu ihnen: ,Ich gehe vor Assurbanipal her, dem König, den meine Hände gemacht haben.' Auf diesen Traum vertrauten meine Truppen. Den Fluß Id 3 id'e überschritten sie wohlbehalten." 44 A R M X 4 , 3 - 1 3 . Bearbeitungen: MORAN 1969, 4 6 - 5 0 ; RÖMER 1971, 5 0 - 5 3 . Die der Übersetzung zugrundeliegenden Lesungen nach Römer; zu Z. 6 siehe auch W. von Soden bei BERGER 1969b, 221. 45 Die hier verwendete Technik des e/igerrüm beruht wahrscheinlich auf der Interpretation zufälliger menschlicher Äußerungen, denen man eine Vorbedeutung beilegte; vgl. OPPENHEIM 1 9 5 4 — 5 6 . 46 47
Ob in beiden Fällen dieselben Personen befragt wurden, ist nicht sicher. IAK XXI 1 III 12-14.
MANN 1926, 281; LUCKENBILL 1927, §§ 618 f.; R.H. P f e i f f e r in A N E T 2 , 4 4 9 f.; R. Labat in LABAT-CAQUOT-SZNYCER-VIEYRA 1970, 257. Der Text lautet: 5 ' [ l As+sur-PAP(ahu).\]S(idin8 na) LUGAL(sar) KUR.KUR ( m ä t ä t e ) 6' [la t]a-pa-läh T [s]u• -'i sä-a-ru sa i-di-ba-ka-a-ni ' a10 qa-pu-sü la ak-su-pu-u-ni 9' na-ka-ru-te-ka ' ki-i sä-ah-su-re sa ״USIG4(simäne) AS (ins) 12 D IGI(mahar) GIR.2.MES(sepe)-ka i-tan-ga-ra-ru ' GASAN\beltu) GAL-tü(rab1tu) a-na-ku 13' a15 na-ku D15 {Istar) sa URUL1׳MMU.D1NG1R(Ar&A'//E) 14' sa na-ka-ru-te-ka ' AS (ina) IGI {mahar) 16 [T 18 GIR.2MEL{sepe)-ka ak-kar-ru-u-ni ' a-a-ü-te di-ib-bi-ia sa aq-qa-ba׳kan׳ni ' \I(ina) muh-he la ta-zi-zu-u-ni 19' a-na-ku d\5(Istar) sa UML1MMU.MKGM(Arba'ile) 20' na-ka-ru-te-ka 2 22 D URU 23 ü-qä-a-a ' יa-da-na-ka (Rasur) a-na-ku ' 15(Istar) sa UMMU.D1NG1R(Arfof//