Forschungen zum Alten Testament herausgegeben von Bernd Janowski und Hermann Spieckermann
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Das Lichtkleid JHWHs Unte...
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Forschungen zum Alten Testament herausgegeben von Bernd Janowski und Hermann Spieckermann
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Das Lichtkleid JHWHs Untersuchungen zur Gestalthaftigkeit Gottes im Alten Testament und seiner altorientalischen Umwelt
von
Thomas Podella
J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen
Thomas Podella, geb. 1955, z. Zt. Vertretungsprofessur für Altes Testament in Siegen. Forschungsschwerpunkte: AlttestamentlicheTheologie und Religionsgeschichte Israels. Wichtige Publikationen: Kollektive Trauer um den verborgenen Gott im Alten Testament, AOAT 224, Neukirchen־Vluyn 1989; Grundzüge alttestamentlicher Jenseitsvorstellungen שאול, in: BN 43 (1988), 70-89; Der ״Chaoskampf" im Alten Testament. Eine Problemanzeige, in: Mesopotamica - Ugaritica - Biblica (FS K.Bergerhof), hg. von M.Dietrich und O. Loretz, AOAT 232, Neukirchen ־Vluyn 1993,283-330.
Dem Andenken meines Vaters Heinrich Karl Friedrich Podella (1913-1983)
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Podella, Thomas: Das Lichtkleid JHWHs : Untersuchungen zur Gestalthaftigkeit Gottes im Alten Testament und seiner altorientalischen Umwelt/von Thomas Podella. -Tübingen : Mohr, 1996 (Forschungen zum Alten Testament; 15) ISBN 3-16-146598-9 NE: GT
© 1996 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen aus der Times Antiqua belichtet, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Weissenstein in Pforzheim gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0940-4155
Vorwort Die Idee zu dieser Studie erwuchs im Jahre 1987, als mir Hubert Cancik, Tübingen, anbot, den Artikel ״Kleid/Be־, Entkleiden" für das Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe zu übernehmen.1 Während der Vorbereitung zeigte sich sehr bald, daß ein in seinem Umfang beschränkter Artikel notwendigerweise nur skizzenhaft würde bleiben können. Eine erste Sichtung der vielfältigen Literatur zum Thema ״Kleid" ergab, daß der Themenkomplex ״rituelle Bekleidungsvorgänge" für das Gebiet des Alten Orients kaum untersucht war. Dasselbe galt für den spezielleren Bereich der Bekleidung von Göttern und Kultbildern. Thematisiert wurde es nur Sporadisch.2 Andererseits stellte sich die Frage, wie die Bekleidungsvorgänge an den Kultbildern in der alttestamentlichen Umwelt zu der kultbildlosen Religion des alten Israels in Beziehung zu setzen waren. Das so skizzierte Grundproblem der Vergleichbarkeit zweier gerade in der Kultbildfrage so unterschiedener Kulturen gewinnt jedoch an Schärfe, wenn man die Frage nach der das Gewand tragenden Gestalt aufwirft. Sieht man einmal davon ab, daß im Alten Testament ein Kultbild JHWHs 3 nicht erwähnt wird, dann ist um so erstaunlicher, daß einerseits eine Reihe von Texten ein Gewand Gottes implizieren (Ps 93; 104), daß andererseits manche Texte ausdrücklich eine Gestalt JHWHs nennen oder beschreiben (Num 12,8; Jes 6; Ez 1; Ps 17,15) bzw. die Sichtbarkeit der göttlichen Herrlichkeit ( )כבוד יהרהvoraussetzen (Ex 24,17). Diese Texte erwiesen sich hinsiehtlieh einer ihnen gemeinsamen Königssemantik als konsistent und miteinander verwandt. Als ein spezieller Zug dieser königlichen Zeichnung der Gottesgestalt erwies sich im weiteren Verlauf der Untersuchung die enge Verbindung zwischen den Königsvorstellungen und der Licht-Recht-Relation (Ps 17). Die
1 Vgl. PODELLA, TH., Art. Kleid/Be-, Entkleiden, in: HrwG III, Stuttgart/Berlin/Köln 1993,381-385. 2 BRONGERS, H.A., Die metaphorische Verwendung von Termini für die Kleidung von Göttern und Menschen in der Bibel und im Alten Orient, in: Von Kanaan bis Kerala, FS J. P. van der Ploeg, hrsg. von W.C. Delsman, AO AT 211, Neukirchen ־Vluyn 1982, 61-74; SAUREN, H., Die Kleidung der Götter, Visible Religion 2 (1984), 95-117; VOGELZANG, M. E./ VAN BEKKUM, W. J., Meaning and Symbolism of Clothing in Ancient Near Eastern Texts, in: Scripta Signa Vocis. Studies about Scripts, Scriptures, Scribes and Languages in the Near East presented to J. H. Hospers, ed. by H. L. J. Vanstiphout u. a., Groningen 1986,265 -284. 3 Vgl. unten 37 Anm. 173.
VI
Vorwort
Erhaltung der Welt (creatio continua) durch einen königlich gezeichneten Gott, der ein Lichtkleid trägt, entfaltet explizit Ps 104. Die Vorstellung von einem göttlichen Lichtkleid ermöglichte nun, unmittelbare Bezüge zu den Nachbarkulturen Israels herzustellen, insofern die dort in Gebrauch befindlichen Kultbilder mit Prachtgewändern bekleidet werden, die einerseits den Lichtglanz der Götter im allgemeinen verkörpern, andererseits aber auch als irdische Realisationen der himmlischen Lichtherrlichkeit aufgefaßt werden können. Innerhalb dieser engeren Fragestellung wurde es nun möglich, das Lichtkleid JHWHs mit den Kleidern der Kultbilder in Israels Umwelt zu vergleichen, wobei sich eine bestimmte Form altorientalischer Tempeltheologie als gemeinsamer Hintergrund dieser Texte herauskristallisierte: die im tempeltheologischen Denken vorgestellte Einheit zwischen himmlisch-kosmischer und irdisch-kultischer Gottespräsenz. Diese, häufig transzendent genannte Einheit des jeweiligen Gottesbegriffs konnte schließlich in einem dritten Sektor der altorientalischen Religionsgeschichte, der Ikonographie, verifiziert werden. Schon immer hatte man versucht, die Gottesbeschreibungen des Ezechielbuches (Ez 1) durch Siegel- oder Reliefbilder plastischer hervortreten zu lassen und zu veranschaulichen. Die angesichts dieser Versuche aufgeworfenen Fragen konnten durch die Sichtung und erstmalige Zusammenstellung des Bildmaterials zu diesem Thema einer Klärung nähergebracht werden. Das untersuchte Bildmaterial ist im Anhang I der Studie aufgelistet. Eine repräsentative Auswahl der Siegelbilder findet sich auf den Tafelabbildungen I - I V im Anhang I. In einem Anhang II werden die Umzeichnungen der Reliefs aus dem Thronsaal B des Königspalastes von Nimrud auf fünf Plänen (Plan 1 - 5 ) abgebildet, um mit dem von mir angefertigten Faltplan dem archäologisch weniger versierten Leser die große Eindrücklichkeit und Systematik altorientalischer Kunst vor Augen zu führen und auf die enge Beziehung zwischen Bild und religiöser Idee hinzuweisen. Die Ausarbeitung des archäologischen Teils wäre ohne vielfältige Unterstützung kaum denkbar gewesen. So danke ich besonders den Herren Professoren J.-M. Durand und D. Charpin, Paris, für die Möglichkeit, im Jahre 1989 am Collège de France das archäologische Material sichten und zusammenstellen zu können. Frau Professor Eva Braun-Holzinger, die freundlicherweise als externes Mitglied in der Habilitationskonferenz mitwirkte, Frau Professor Ruth Mayer-Opificius und Frau Dr. Sylvie Lackenbacher gebührt mein herzlicher Dank für die ausführlichen Diskussionen über die neuassyrische Palastarchitektur, und Herrn Professor F. Joannès verdanke ich den Hinweis auf die neubabylonischen Lieferlisten zu den Götterkleidern. Darüber hinaus gilt mein besonderer Dank denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die die Entstehung dieser Arbeit in vielerlei Weise begleitet haben. Von ihnen ist an erster Stelle Herr Professor Bernd Janowski zu nennen, dessen Gesprächsbereitschaft trotz anfänglich widriger lokaler Gegebenheiten nie ermüdete und der mit Professor Hermann Spieckermann das Buch in die Reihe FAT aufnahm. Als seinem Assistenten in der Heidelberger Zeit ließ mir Bernd
Vorwort
VII
Janowski jede erdenkliche Freiheit und Förderung zukommen, die den Abschluß dieser (nun überarbeiteten) Studie ermöglicht hat, und die im WS 1993/ 94 der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls Universität zu Heidelberg als Habilitationsschrift zur Begutachtung vorlag. Ihm und Herrn Professor Manfred Weippert habe ich für die Erstellung der Referate, Professor Jan Assmann für ein Korreferat und wichtige Hinweise zur ägyptischen Literatur besonders zu danken. Last but not least soll Herr Professor Walter Groß nicht unerwähnt bleiben, der in der Anfangsphase des Habilitationsvorhabens seinem damaligen Mitarbeiter am Projekt ״EDV-gestützte Analyse alttestamentlicher Texte" großzügige Förderung zuteil werden ließ. Hinweise, Gespräche und fachkundige Ratschläge wurden in den letzten Jahren so mannigfaltig getauscht, daß neben den Erwähnten an dieser Stelle nur einige wenige Personen stellvertretend genannt werden können: Dr. Helga Weippert, Prof. Brigitte Groneberg, Prof. H.-P. Mathys, PD Dr. F. Blocher, PD Dr. K. Koenen, PD Dr. W. Zwickel, Prof. D. Kurth und der Heidelberger Kreis von Doktoranden und Habilitanden. In der Technik erwiesen sich als unverzichtbare und zuverlässige Hilfe Rosemarie Reimann, Detlef Bottenberg, Peter Riede und Annette Krüger. Schließlich sei hervorgehoben, daß das Buch ohne die Betreuung des nicht so ganz einfachen Manuskriptes durch die Mitarbeiter des Verlagshauses in dieser Perfektion nicht hätte erscheinen können. Ihnen allen gilt mein aufrichtiger Dank! Bargteheide/Heidelberg, im Sommer 1995
Thomas Podella
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
V
Verzeichnis der Abbildungen
XIII
Verzeichnis der Abkürzungen
XV
Einleitung
1
A. Die Kleidmetaphorik in der Bibel I. Altes Testament 1. Allgemein 2. Das Kleid JHWHs II. Neues Testament
4 4 4 6 7
B. Zum Forschungsstand I. Formgeschichtliches Deutungsmodell II. Traditionsgeschichtliches Deutungsmodell III. Religionsgeschichtliches Deutungsmodell IV. Ikonographisches Deutungsmodell 1. Der anthropomorphe Gott in der Flügelsonne 2. Istar im Strahlenkranz
10 16 19 22 26 26 31
C. Präzisierung der Fragestellung
34
Erstes Kapitel
Das Kleid im religiösen Kontext A. Definition und Abgrenzung des Kleidbegriffs
41
B. Zur Symbolik des Kleides I. Trauer und Recht II. Kult und Prophetie Exkurs 1: Mantel- und Gewandsaumsymbolik im Alten Testament III. Therapeutik IV. Priesterinvestitur und Priesterornat 1. Das Ritual der Priesterinvestitur (Lev 8 f) a) Zur Entstehung der priesterschriftlichen Sinaiperikope
43 44 48 51 53 55 55 57
.
X
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis b) Riten in Verbindung mit dem Priesterkleid a) Bekleidungsriten ß) Blutriten y) Riten an Kleidern 2. D i e Symbolik des Priesterornats (Ex 28) a) Farben b) Funktionsangaben
60 63 65 66 66 66 69
C. Zur ״Theologie des Kleides" I. D i e Thesen E. Petersons und K. Barths II. Das Kleid als Persönlichkeitszeichen
72 72 78
D . Zusammenfassung
80
Zweites Kapitel
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient A . Die Problematik der Kultbilder
83
B. Bekleidungszeremonien an Götterstatuen I. Ägypten 1. D i e Sonnentheologie des Neuen Reichs 2. Das morgendliche Kultbildritual II. Mesopotamien 1. Herstellung und Bekleidung von Götterstatuen a) Ritualtexte b) Historische Texte 2. Der Lichtglanz der Götterstatuen a) Schreckensglanz und Kleidungstermini b) Bekleidungszeremonien
88 88 89 95 107 108 108 113 116 116 120
C. Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit I. Istar im Strahlenkranz 1. Reliefdarstellungen 2. Siegeldarstellungen a) Konstellationen b) Nimbusformen II. AnthropomorpheFlügelsonne 1. Reliefkunst und Wandmalerei a) Bröken Obelisk und Wandgemälde aus Assur b) Nordwestpalast Assurnasirpals II. in Nimrud c) Fort Salmanassar in Nimrud 2. Siegeldarstellungen 3. Zur Identifizierung und Verbreitung des Flügelsonnenmotivs a) Identifizierung b) Verbreitung Exkurs2\ d Haldi und Ahuramazdä-anikonisch verehrte Götter?
124 126 126 128 128 130 132 133 133 134 140 142 146 146 152 154
D . Zusammenfassung
159
XI
Drittes Kapitel
Die Königsgestalt JHWHs A . JHWH und die Götzenbilder I. Gestalthaftigkeit versus Königsherrschaft 1. Das Spottgedicht Jer 1 0 , 1 - 1 6 2. Die Götzenbildschicht bei Dtjes II. Bilderverbot und Gestaltlosigkeit JHWHs 1. Zur Entwicklung des alttestamentlichen Bilderverbots 2. Beschreibungen JHWHs im Kontext der Horebepiphanie (Dtn 4;5) . .
164 165 165 171 178 178 180
B. JHWH als Königsgestalt I. Tempelkultische Wahrnehmungen der Königsgestalt JHWHs 1. Prophetische Berufungsberichte a) Jesajas Vision des thronenden Gottes (Jes 6,1—5) Exkurs 3: D i e Sonne als Gestalt des Königsgottes b) Ezechiels Vision desThronenden (Ez 1) Exkurs 4: Der Thron des Königsgottes JHWH 2. Der כבוד יהרהin der Priesterschrift a) Der כבוד יהרהund die Wolke im Aufriß von P G b) Wolken im nichtpriesterschriftlichen Material c) Form und Funktion der Herrlichkeit JHWHs bei P 3. Das Königsgewand JHWHs in Ps 93 II. Weisheitliche Wahrnehmungen der Königsgestalt JHWHs 1. Das Lichtkleid JHWHs (Ps 1 0 4 , 1 - 9 ) 2. Der Königsornat Hiobs (Hi 40,10) III. Prophetische Wahrnehmungen der Königsgestalt JHWHs 1. Mose und die Schau des Königsgottes (Num 1 2 , 6 - 8 ; Ex 2 4 , 9 - 1 1 ; 34,29ff) 2. Die Königsgestalt JHWHs in der dtr Redaktion (Dtn 5,24; Ex 33,18 ff)
186 187 187 187 196 200 210 212 214 217 219 226 232 232 240 243
C. JHWH und der königliche Mensch I. Der königliche Mensch als imago Dei (Gen 1 , 2 6 - 2 8 ; 5,1.3; 9,6) II. Der königliche Mensch als Herrscher (Ps 8)
252 252 259
Zusammenfassung und Ausblick
264
Anhang I: Katalog des Bildmaterials
275
A. B. C. D.
275 278 283 289
Hinweise zur Benutzung des Kataloges Katalog Tafelabbildungen zum Katalog Bibliographie zum Katalog
244 249
XII
Inhaltsverzeichnis
Anhang II : Das Bildprogramm des Thronsaals B in Nimrud
293
Plan 1 : Thronsaal B in Nimrud Plan 2: Raum C in Nimrud Plan 3: Reliefs B-12 - B-14/B-22 - B-24 Plan 4: Reliefs B-9 - B-ll/B-17 - B-20 Plan 5: Reliefs B - 3 - B - 8 Literaturverzeichnis Stellenregister (Auswahl) . Wortregister Sachregister
Verzeichnis der Abbildungen, Tafeln und Pläne
295 -
331 334
335
Abb. 1
(KEEL, Jahwe-Visionen, 262 A b b . 189)
Abb.
(UEHLINGER,
2
Zeichen des Bundes, Abb.
1 - 2 = BÖRKER-KLÄHN,
Bildstelen,
Nr. 131 u. LA YARD, M o n u m e n t s , pl. 21)
Faltplan des Thronsaals in der Tasche des hinteren Buchdeckels Abb. Abb. Abb. Abb.
Ijob, Abb. Ijob, Abb. ( K E E L , Ijob, Abb. ( E I C H L E R , Götter,
3
(KEEL,
13)
4
(KEEL,
30)
5 6
46) 28
S. 1)
Abb. 7
(KEEL, B l i c k e , A b b . 32)
Abb.
(KEEL,
8
Blicke, Abb.
34-35)
Abb. 9
(KEEL, B l i c k e , A b b . 33)
Abb. 10 Abb. 11
(KEEL/UEHLINGER, (SOLLBERGER,
Göttinnen, Abb. 286.287.288a-c) White Obelisk, Szene A3)
A b b . 12
(MUTHMANN, Granatapfel, A b b . 8)
Abb. 13
(MOORTGAT-CORRENS,
Tf. Tf. Tf. Tf. Tf. Tf. Tf. Tf. Tf. Tf. Tf. Tf.
Einfacher Adorationstyp, Anhang I, Nr. 69 (VR 598) Erweiterter Adorationstyp, Anhang I, Nr. 76 (CANES 691) Kultisch-ritueller Typ, Anhang I, Nr. 92 (CANES 681) Keulennimbus, Anhang I, Nr. 70 (VR 599) Strahlennimbus, Anhang I, Nr. 91 (CANES 680) Sternnimbus, Anhang I, Nr. 67 (VR 603) Kugelnimbus, Anhang I, Nr. 68 (VR 601) Einfache AFs, Anhang I, Nr. 19 (VR 596) Dreifache AFs, Anhang I, Nr. 32 (CANES 772) Dreifache AFs, Anhang I, Nr. 33 (CANES 771E) Astral-anthropomorph, Anhang I, Nr. 24 ( C O L L O N 396) Astral-anthropomorph, Anhang I, Nr. 26 (CANES 705)
Ia Ib Ic IIa IIb IIc lila Illb IIIc IVa IVb IVc
Plan 1 Plan 2 Plan 3 Plan 4 Plan 5 Karte
Kultbild, 123 Abb. 5b)
Rekonstruktion, Plan 3) , Rekonstruktion, Plan 4 und Tf. 4) ( M E U S Z Y N S K I , Rekonstruktion, Tf. 1.2, Tf. 2.1) ( M E U S Z Y N S K I , Rekonstruktion, Tf. 2 . 2 - 3 , Tf. 1 . 3 - 4 ) ( M E U S Z Y N S K I , Rekonstruktion, Tf. 2 . 3 - 4 ) (eigene Rekonstruktion nach M E U S Z Y N S K I , Rekonstruktion, Tf. 1—3) (MEUSZYNSKI,
(nach
MEUSZYNSKI
Verzeichnis der Abkürzungen Die Abkürzungen richten sich nach S . SCHWERTNER, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (IATG2), Berlin/New York 21992; für die ägyptologische Literatur siehe LÄ, für die assyriologische Literatur AHw und HKLI-II 2 . Darüber hinaus bzw. abweichend werden folgende Abkürzungen verwendet: AAT ABD ÄHG AOBPs ARTU ATS BAALIM BALI/II BEATAJ CuMo EKG GB 17
GB 18
HAL HKLI/II KTU
M.A.R.I. MLE N.A.B.U. RTAT SAHG
Ägypten und Altes Testament. Studien zu Geschichte, Kultur und Religion Ägyptens und des Alten Testaments, hg. von M. Görg, Bamberg 1979ff. Anchor Bible Dictionary, Vol. 1 - 6 , ed. by D.N. Freedman, New York u.a. 1992 J . A S S M A N N , Ägyptische Hymnen und Gebete, Zürich/München 1 9 7 5 O. KEEL, Die Welt der Altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Neukirchen־Vluyn 4 1 9 8 4 J. C. DE MOOR, An Anthology of Religious Texts from Ugarit, Religious Texts Translation Series 16, Leiden u. a. 1987 Arbeiten zu Text und Sprache im Alten Testament, St. Ottilien 1976ff Bulletin d'antiquités archéologiques du Levant inédits ou méconnues R. BORGER, Babylonisch-assyrische Lesestücke, Heft I/II (AnOr 54), Roma 2 1979 Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments und des antiken Judentums, Frankfurt a.M. 1984ff Cuneiform Monographs Evangelisches Kirchengesangbuch W. GESENIUS, Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, bearbeitet von F. Buhl, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1962 (= 17 1917) W. GESENIUS, Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament. Unter verantwortlicher Mitarbeit von U. Rüterswörden bearbeitet und herausgegeben von R. Meyer und H. Donner, Berlin / Heidelberg / New York / London / Paris /Tokyo ls 1987ff Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament, 3. Aufl. neu bearbeitet von W. Baumgartner und (ab Lfg. III) J. J. Stamm, Leiden 1967ff R. BORGER, Handbuch der Keilschriftliteratur I/II, Berlin / New York 1967/ 1975 M. DIETRICH / O. LORETZ / J. SANMARTÎN, Die keilalphabetischen Texte aus Ugarit. Einschließlich der keilalphabetischen Texte außerhalb Ugarits, Teil 1: Transkription (AOAT24), Kevelaer / Neukirchen-Vluyn 1976,31982 Mari annales de recherches interdisciplinaires Materiali Lessicali ed Epigraphici, Collezione di Studi Fenici 13, Roma 1982 Nouvelles assyriologiques brèves et utilitaires Religionsgeschichtliches Textbuch zum Alten Testament, hg. von W. Beyerlin (GAT1), Göttingen 21985 A. FALKENSTEIN / W. VON SODEN, Sumerische und akkadische Hymnen und Gebete, Zürich / Stuttgart 1953
XVI SEL SGL 1 SGL 2 SKIZ TGI
Verzeichnis der Abkürzungen Studi epigrafici e linguistici sul Vicino Oriente antico, ed. F. Pomponio, Ribichini e P. Xella, Verona 1984ff »־־FALKENSTEIN , Sumerische Götterlieder >־־VAN DIJK, Sumerische Götterlieder - »־W. H . P H . RÖMER, Sumerische Königshymnen *־־K. GALLING, Textbuch
Einleitung In Lebensfluten, im Tatensturm Wall'jch auf und ab, Wehe hin und her! Geburt und Grab, Ein ewiges Meer, Ein wechselnd Weben, Ein glühend Leben, So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid. (Goethe, Faust I, erste Szene 1 )
In vielfacher Hinsicht steht die in Goethes ״Faust" vorliegende Verwendungsweise der Kleidmetapher2 unserem landläufigen Verständnis entgegen. Der zentrale Vorgang des ״Webens", ausgeführt von dem Gott beigesellten Genius ״Erdgeist", der von Dr. Faustus evoziert wurde, ist vom Vorgang der Textilien- oder Stoffproduktion auf die Ebene der (Welt )־Geschichte transponiert. Am ״Webstuhl der Zeit" wirkt dieser Geist3 Geschichte und Leben zwischen ״Geburt und Grab". Hier tritt nicht die Welt als ״Gewebe"4, sondern die durch Zeit konstituierte Geschichte mit ihrer Fülle von Einzelindividuen in den Blickpunkt des Interesses. In dieser nach außen hin sichtbaren und erfahrbaren Seite besteht auf der Bildebene das ״lebendige Kleid" der Gottheit. Nicht die Geschichte, sondern der Alltag, das tägliche Leben der Menschen bildet dagegen das Gewand des deus vestitus in F. Hölderlins hymnischem Entwurf auf Griechenland in der dritten Fassung:
1 GOETHE, Faust I, 37, 501-509. Das Bild vom ״Webstuhl der Zeit" ist neben den übrigen Webe-Metaphern (vgl. Faust I, 83, 1922-1927 und das Gedicht Antepirrhema) bei GOETHE singulär, vgl. die kurzen Bemerkungen von SCHÖNE, Faust, Kommentare, 219.270. 2 Zur Metaphernfrage siehe unten S. 2 ff. 3 Nicht Gott selbst, vgl. dazu GOTHEIN, Der Gottheit lebendiges Kleid, 337ff, bes. 362f. Eine schöne Zusammenstellung von Belegen für die Metapher vom Gottesgewand innerhalb der islamisch-orientalischen und abendländischen Mystik und Dichtung findet sich jetzt bei SCHIMMEL, Gewänder Gottes, 9ff, bes. 17f. 4 Zur Welt als Text(-Gewebe) vgl. BAYER, Schöpfung als Anrede, 13ff; D E R S . , Schöpfung als ״Rede an die Kreatur durch die Kreatur", 316ff, mit dem Hinweis auf die von J . G . HAMANN selbst vollzogene Parallelisierung der alten Metapher vom Uber naturae mit dem ״Buch der Geschichte". Zur Problematik und Bestimmung der Differenz zwischen geoffenbarter und natürlicher Religion vgl. aaO. 316f.318f.
2
Einleitung ״Alltag aber wunderbar zu lieb den Menschen Gott an hat ein Gewand. Und Erkenntnissen verberget sich sein Angesicht Und decket die Lüfte mit Kunst". 5
Den Menschen zuliebe verbirgt Gott sein Angesicht, damit der Mensch nicht sterben müsse. In der Rede vom deus vestitus steckt allerdings ein Problem. Denn der seit alttestamentlicher Zeit und anschließend in der christlichen Tradition bildlos verehrte und an sich unsichtbare Gott wird anthropomorph und personhaft zum Träger eines Kleides unter gleichzeitiger Verbergung der Gestalt hinter der Lebendigkeit des ״Kleides". Das Bild ist ein doppeltes: Gott als anthropomorphes Wesen, das ein Kleid trägt und damit Körperlichkeit, Gestalt voraussetzt einerseits - ״Kleid" als Außenseite dieses Körpers, erfahrbar im Alltag und in der Geschichte andererseits. Gott bleibt als Person, und zwar in seiner Funktion als Lenker und Autor der Geschichte, hinter der (jedermann) offenbaren und erkennbaren Geschichte verborgen. Die Geschichte bildet die äußere und wahrnehmbare Gestalt Gottes, nicht die Schöpfung, nicht die Natur, nicht die Welt als ganze. Gibt es also trotz der gewichtigen theologischen Entwürfe dieses Jahrhunderts immanente Erkenntnismöglichkeiten Gottes?6 Wie wäre dann das Verhältnis zwischen Außen und Innen, zwischen der erkennbaren Seite des ״Kleides" und der dahinter verborgenen Wesenheit zu bestimmen? Ist der Träger des ״lebendigen Kleides" ein geistig-spirituell und körperlos vorgestelltes Subjekt, und trägt wie später bei Philo v. Alexandrien der Logos den Kosmos als Gewand?7 Mit diesen Fragen der Innen-Außen-Relation und der davon abhängigen Erkenntnis- bzw. Vorstellungsfrage hängt zentral zusammen, daß sich die Kleidmetapher einer äußerst großen Beliebtheit in Literatur und Theater erfreut. Auf den Punkt gebracht hat die Problematik G. Keller mit seiner 1874 im Zusammenhang der Novellensammlung ״Die Leute von Seldwyla" erschienenen Novelle ״Kleider machen Leute". Sie zeigt, wie Wenzel Strapinski, die Hauptfigur der Novelle, ohne aktive Absicht seine Identität verliert und später dann - zumindest teilweise - wiedererlangt. Der kostbare Mantel, den er trägt, ist es, der die Leute glauben macht, der Schneidergeselle Wenzel sei ein Graf. Das Kleid, die Interpretation der Leute und die ״Entlarvung" während der
5 Zitat aus HÖLDERLIN, Werke und Briefe, Bd. 1, 239; vgl. auch JAMME, ״Gott an hat ein Gewand", 18f. 6 Vgl. auch SPIECKERMANN, ״Die ganze Erde ist seiner Herrlichkeit voll", 415ff und 416: ״Herrlichkeit hin, Heiligkeit her - teilt das Alte Testament hier nicht auf seine Weise das Wissen von Gottes Allgegenwart in der Welt, ja mehr noch: von Gottes Einswerden mit der Welt, sofern seine Herrlichkeit nichts anderes als vollgültige Präsenzanzeige seiner selbst ist?" 7 Vgl. PHILO VON ALEXANDRIEN, De spec. leg. I , 85-97, zur Symbolik des Gewandes, das die Priester während ihres Dienstes im Heiligtum tragen und damit den göttlichen logos, eingehüllt in das Gewand des Kosmos, verkörpern.
Einleitung
3
Hochzeitsfeierlichkeiten verweisen zudem auf den Zusammenhang von sozialer Erhöhung und Erniedrigung. Kleider, Kleidertausch, Täuschung und Entlarvung hängen eng mit der Fähigkeit des Kleides zusammen, Wahrnehmungen zu steuern und dadurch zu täuschen, zu verdecken, zu verbergen, aber auch hervorzuheben und darzustellen. 8 Diese intentionsgeleitete Wirksamkeit des Kleides setzt zum einen voraus, daß man von der sichtbaren Außenseite auf die Innenseite, den Träger des Kleides, rückschließen kann. Zum anderen wird das Verhältnis zwischen Außen- und Innenseite oftmals als genuines Identitätsverhältnis bestimmt oder zumindest so interpretiert, daß die Außenseite als optimale Wiedergabe des Inneren anzusehen wäre. Unter dieser Voraussetzung wird es möglich, an der Art und Weise, wie man sein Äußeres gestaltet und sich also selbst darstellt, zu erkennen, welches anschauliche Bild man von sich selbst oder von der Person, die man entwirft, hat. Kleid(ung) zielt auf Erkenntnis[ Die literarische Redeweise vom ״Kleid Gottes" impliziert einen solchen Entwurf, eine Konzeption, die auf Erkenntnis, Identitätsermittlung über die wahrnehmbare Gestalt oder äußere Form der Gottheit abzielt. Zugleich deutet das breite Spektrum der Verwendungsbereiche der Kleidmetapher die verschiedenen Nuancen des Identitätsbegriffs an. Identität kann sowohl im emotionalen (Freude, Angst, Trauer), im ökonomischen (Seide, Samt, politischen (Insignien, Herrschaftsornat), sozialen (Dienstkleidung) und religiösen (Priesterkleidung) Sinne verstanden werden, als auch als Handlungs- (Monteuranzug, Uniform) oder Wesensidentität (weiß = sauber = hygienisch, schwarz = schmutzig etc.) gemeint sein.9 Entsprechend dieser Konnotationsbreite findet sich übertragene10 und reale Redeweise vom ״Kleid" entgegen landläufiger Annahme relativ häufig im biblischen Schrifttum. Wenngleich auch die Rede vom ״Kleid JHWHs"11 im engeren Sinn kein zentrales Theologumenon der Bibel darstellt, so gehört sie doch zu der breit bezeugten Verwendung der Kleidmetapher, die sich bis in die paulinische Taufparänese hinein verfolgen läßt und den getauften Christen als einen Menschen zeichnet, der mit Christus überkleidet ist und dadurch zu einem neuen Menschen wurde.12 Nach dieser allgemeineren Einleitung soll in den folgenden drei Abschnitten zunächst die Verwendungsbreite der biblischen Kleidmetaphorik summarisch 8
Vgl.
Lexikon der Weltliteratur, Bd. 3, 1625f; vgl. ebenfalls DAEMMRICH/ Themen und Motive, s.v. Verkleidung, 329f. 9 Siehe hierzu PODELLA, Kleid/Be-, Entkleiden, 381 ff. 10 Zu Funktion und Verwendung von Übertragung und Metapher vgl. u. a. BERGER, Historische Psychologie, § 7 Wahrnehmen, 106ff; vgl. PODELLA, Söm־Fasten, 20f; W A T S O N , Hebrew Poetry, 251-272 (Literatur !); KORPEL, A Rift in the Clouds, 35-76. 11 Es handelt sich um die folgenden Texte: Jes 59,17; 51,9; Ps 65,7; 93,1; 104,1-2; Jes 6 , l f f ; Hi 40,10. 12 S. unten Abschnitt II. HARENBERGS
DAEMMRICH,
5
Einleitung
Die Kleidmetaphorik in der Bibel
aufgezeigt werden. Speziell die selten bezeugte Rede vom ״Kleid" JHWHs führt in Kontexte, die an visuelle Wahrnehmungen der Gottesgegenwart denken lassen. Der zweite Abschnitt soll in forschungsgeschichtlicher Ausrichtung diese Kontexte benennen und ein Forschungsdefizit markieren, während der dritte Abschnitt methodische und sachliche Schlußfolgerungen für den Fortgang der Untersuchung formuliert.
Materiale Kleidungstermini sind Begriffe wie ״Heil", ״Rettung", ״Gerech־ tigkeit", ״Hoheit" und ״Pracht". Dies sind Begriffe, die einen Zustand der umkleideten Person kontrastiv von einem anderen und früheren Zustand abheben. Weil jeder rituelle und kultische Zusammenhang fehlt, stellt sich bereits hier die Frage, ob die ״Kleidmetaphorik" nur ein poetisches Stilmittel darstellt, also literarisch verstanden werden will, oder ob der so markierte Status-Wechsei zwei verschiedene Aussageebenen zusammenbindet. Statt einen rituellen Geschehensablauf mit dem Ziel kultischer Reinigung oder Sündenlösung etc. zu schildern, verlagert der Autor der Texte das Geschehen von der Handlungsauf die Sprachebene, wobei das reale Kleidungsstück durch einen Abstraktionsbegriff ״ersetzt" wird, der den neuen Status der Person bezeichnet. Zu einem anderen Bereich und nicht mehr zum eigentlichen Bekleiden gehört das Umfeld des Begriffs ״ אזרgürten, sich gürten", z.B. an folgenden Stellen:
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A. Die Kleidmetaphorik
in der Bibel
I. Altes Testament 1. Allgemein Als streng metaphorisch gilt der Gebrauch von Kleidungstermini in der Zusammenstellung der Belege bei Brongers13. Terminus für ״sich kleiden" im strengen Sinne ist :לבש ״Ich will frohlocken in JHWH/meine Seele soll jubeln in meinem Gott/denn er hat mich mit Kleidern des Heils gekleidet/in den Mantel der Gerechtigkeit mich gehüllt/ wie einen Bräutigam, der eine Brosche ,/und wie eine Braut, die ihr Geschmeide anlegt" (Jes 61,10). 1 4
Oder: ״Erhebe dich, JHWH, zum Ort deiner Ruhe, du und deine mächtige Lade/(9) deine Priester sollen sich kleiden in Gerechtigkeit/deine Getreuen mögen frohlocken .. . 1 5 . . . (16) seine (sc. Zions) Priester will ich kleiden mit Heil/Rettung, seine Getreuen sollen kräftig frohlocken" (Ps 132,8-9.16).
Oder: ״Und du, erhebe dich, JHWH Gott, zu deinem Ruheplatz, du und die Lade deiner Kraft, deine Priester mögen sich kleiden mit Rettung, und deine Getreuen sollen sich freuen ob dem Guten" (IlChr 6,41).
Hiob sagt von sich selbst:
״Bogen der Helden sind zerbrochen, doch Strauchelnde umgürten ( )אזרsich mit Stärke (( ")חילISam 2,4). ״Und du hast mich gegürtet ( )אזרmit Stärke ( )חילzum K a m p f . . . " (IlSam 22,40). ״Gott ist es, der mich gegürtet ( )אזרhat mit Stärke (( ")חילPs 18,33). ״Meine Trauerklage hast du mir gewandelt in ein Reigenlied, gelöst hast du mein SaqGewand 1 8 und mich gegürtet mit Freude" (Ps 30,12). ״Sie (die Frau) gürtet mit Macht ihre Hüften, und sie regt ihre Arme" (Prv 31,17). 1 9
Ebenso wie (״um-)gürten" bezieht sich das Verb ״ עטרkrönen" auf einen Vorgang des weiteren Umfeldes von ״sich kleiden", führt aber ähnlich wie ״gürten"20 sachlich in den speziellen Zusammenhang der Königsinthronisation hinein: ״Du hast ihn ein Weniges ( )מעטmangeln lassen (1?־חצר.) von Gott 2 1 ( )מאלהיםund mit Kabod und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt" (Ps 8,6). 2 2
Und: ״Der erlöst aus der Grube dein Leben, (ist der?) der dich krönt ( )עטרmit Güte und Erbarmen" (Ps 130,4). 2 3
״Mit Gerechtigkeit hatte ich mich gekleidet, und mich kleidete wie Mantel und Turban mein Recht" (Hi 29,14). 1 6
Oder Gott verlangt von Hiob, daß sich dieser wie Gott selbst verhalte: ״Schmücke dich mit Hoheit und Majestät, und zieh an Pracht und Herrlichkeit (הוד ( ״)והדרHi 40,10). 1 7
Metaphorische Verwendung, 64. Vgl. auch KOENEN, Ethik und Eschatologie, 121 f. 15 Vgl. auch KRAUS, B K XV/2, z. St. 16 Vgl. unten S. 79f. 230f, zur räumlichen Vorstellung von Abstraktionsbegriffen. 17 Hier liegen Königsattribute vor; vgl. auch zu Ps 8 in Kap. 3 C. II sowie zum Hiobtext in Kap. 3 B . II.2. 13
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BRONGERS,
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Zur Übersetzung von hebr. mit „Saq-Gewand" vgl. PODELLA, Rezension zu GB 1 S , 1 7 7 . Mit MTgegen G; vgl. MEINHOLD, ZBK 1 6 . 2 , 5 2 0 . 5 2 5 . 20 Der Terminus „s. gürten" wird gern in den Kontext des Krieges, speziell des JHWHKrieges gestellt, wobei aber zumeist der königliche Held „gegürtet wird". Vgl. unten S. 230f; auch JAMZADEH, The function of the girdle on Achaemenid costume, 2 6 7 f f ; SPEYER, Gürtel, pass. 21 Sowohl KRAUS, BK X V / 2 , 2 0 9 , als auch ZENGER, Mit meinem Gott, 2 0 2 , verstehen OTFTX (mit L X X ) als „Himmelswesen"; siehe aber HOSSFELD/ZENGER, NEB 2 9 , 7 9 f . Zur Gottähnlichkeit des Königs bzw. königlich konzipierter Figuren vgl. Ps 45,7 und unten S. 254ff. 22 Vgl. unten Kap. 3 C. II. 23 Text mit 4 QPs b . 19
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Einleitung
Die Kleidmetaphorik in der Bibel
Daneben gibt es weitere, von H.A. Brongers als ״in malam partem" bezeich־ nete Stellen, die als Kleidungsbegriff nicht ein Abstraktum positiver, sondern negativer Qualität nennen, wie z.B.:
daß auch unterschiedliche Formen der Verhüllung in die Betrachtung einbezogen werden:
״Voll Scham sollen alle erröten, die sich freuen über mein Unglück, in Schmach und Schande sich kleiden, die gegen mich großtun" (Ps 35,26). 2 4
2. Das Kleid JHWHs Wie H.A. Brongers selbst ausführt, gibt es im Alten Testament nur wenige Stellen, die von einem Kleid JHWHs oder von einem ״Sich kleiden" JHWHs sprechen. Damit gehören sie zu den im Alten Testament weit verbreiteten Anthropomorphismen und setzen - ähnlich der Rede von bestimmten Körperteilen JHWHs - Körperlichkeit, Gestalthaftigkeit voraus.25 Der Gedanke, daß JHWH als rein geistiges Wesen aufzufassen und die Rede vom Kleid JHWHs also spirituell zu verstehen sei, liegt nicht nur diesen Texten, sondern dem vorderorientalischen Denken insgesamt (noch) fern. Die Rede vom Kleid JHWHs begegnet explizit, z.B.: ״JHWH herrscht als König. Mit Hoheit ist er bekleidet ()לבעז. Bekleidet ist JHWH ()לבש. Macht hat er sich umgürtet C־ITK-Hitp.)" (Ps 93,1a),
Oder: ״Der gründet die Berge in/durch seine Kraft, er ist umgürtet (1אזר-א.) mit Macht" (Ps 65,7). 2 6
Ohne Nennung des Königstitels: ״JHWH, mein Gott, D u bist sehr groß, Pracht und Herrlichkeit hast du angezogen ()לבש, der sich mit Licht umhüllt wie in einen Mantel (( ")כשלמהPs 104,laa.b). 2 7
Und implizit, z.B.: ״Schmücke dich mit Hoheit und Majestät, und zieh an Pracht und Herrlichkeit (( ״)הוד והדרHi 40,10). 2 8
Im Kontext dieser wenigen, aber theologisch zentralen Stellen nehmen sich die Belege, die expressis verbis ein Kleid JHWHs erwähnen oder JHWH mit Vorgängen des Bekleidens in Verbindung bringen, eher peripher aus. Dieses Bild ändert sich jedoch, wenn man den Kleidbegriff dahingehend erweitert, 24
25 26 27 28
Metaphorische Verwendung, 66. Siehe jetzt GLADIGOW, Gottesvorstellungen, 40f. Vgl. auch Jes 51,9 und unten Kap. 3 B. 1.3. Vgl. ausführlich unten Kap. 3 B. II.L. Vgl. unten Kap. 3 B. II.2.
BRONGERS,
״Er neigte den Himmel und fuhr herab, und Wolkendunkel war unter seinen Füßen. Er fuhr auf dem Kerub und flog dahin und schwebte auf den Flügeln des Windes. Er machte Dunkelheit zu seiner Hülle ( ) ס ת ר ו, zu seiner Hütte Wasserdunkel" (Ps 18,10-12). 2 9
Oder: ״Gewölk und Wolkendunkel ist um ihn herum ()סביביו. Gerechtigkeit und Recht sind die Stütze seines Thrones. Feuer geht vor ihm her und verbrennt ringsum seine Feinde" 3 0 (Ps 9 7 , 2 - 3 ) .
Diese Aussagen, die von einer Verhüllung JHWHs durch Wolken, Dunkelheit etc. dergestalt reden, daß meteorologische Phänomene ״um ihn herum" seien, führen einerseits in den Bereich der sog. Theophanietexte mit ihren Beschreibungen des Kommens JHWHs und andererseits in den der großen Visionen Ezechiels (z.B. Ez 1) mit ihren stark anthropomorph-gestalthaften Gottesbeschreibungen: ״Und ,siehe', oberhalb der festen Platte über ihrem Haupte war es anzusehen wie Saphirstein - etwas wie ein Thron; und oben über dem, was aussah wie ein Thron, [auf ihm] war etwas zu sehen, was wie ein Mensch aussah. Und ich sah einen Glanz wie v o n Weißgold [ausgehend wie Feuer, das rings umrandet ist] von dem, was aussah wie seine Hüften, nach oben; und von dem, was aussah wie seine Hüften, nach unten, sah ich etwas, was aussah wie Feuer. Und er war rings von Glanz umgeben. Wie der B o g e n aussieht, der am Regentage in den Wolken steht, so sah der Glanz ringsherum aus. Das war der Anblick der Gestalt der Herrlichkeit Jahwes"(Ez l , 2 6 - 2 8 a ) . 3 1
Entsprechend dieser Verteilung des Textmaterials (explizite Bekleidungstermini; Theophanien; Visionen) wird in der forschungsgeschichtlichen Ortung unseres Problems zunächst der methodische Zugang diskutiert werden müssen, bevor eine Präzisierung der Fragestellung erfolgen kann.
IL Neues
Testament
Im Neuen Testament läßt sich, bezogen auf die Verwendung von Abstrakta als Kleidungstermini, die alttestamentliche Linie weiterverfolgen.
29 Par. IlSam 22,10-12 in der Textrekonstruktion von JEREMIAS, Theophanie, 34. Das Bild von der Wolkenhütte wirkt bis in die eschatologischen Vorstellungen des Koran hinein, vgl. z.B. Sure 2,210. 30 Vgl. auch JEREMIAS, Theophanie, 28f. 31 Übersetzung von ZIMMERLI, BK XIII/1, 2.
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Einleitung
Die Kleidmetaphorik in der Bibel
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13״ Deshalb legt die Waffenrüstung Gottes (πανοπλιών του θεοΰ) an, damit U n d : ihr am bösen Tag widerstehen und, wenn ihr alles vollbracht habt, feststehen könnt. 14 Steht ״Lügt nicht gegeneinander, zieht den alten Menschen mit seinem Handeln aus 10 und also, eure Hüften umgürtet mit Wahrheit angetan mit dem Brustpanzer der Gerechden neuen an, der (immer wieder) erneuert wird, zur Erkenntnis nach dem Bild seines tigkeit, 15 unter die Füße gebunden die Bereitschaft für das Evangelium des Friedens, Schöpfers" (Kol 3 , 9 f ) . 3 7 16 Zu alldem ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr alle feurigen Pfeile des Bösen auslöschen könnt. 17 Und nehmt den Helm des Heiles und das Schwert des N a c h G a l 3 , 2 7 f i n d e t d i e s e r ״K l e i d e r w e c h s e l " mit der T a u f e auf Jesus ChriGeistes, das ist das Wort Gottes. 18 (Steht da) mit lauter Gebet und Bitte . . . " (Eph stus als ״das e s c h a t o l o g i s c h e E x i s t e n z m o d e l l " 3 8 statt u n d führt d i e m e n s c h l i c h e 6,13—18a). 32 E x i s t e n z als e r k e n n e n d e n a c h ״d e m B i l d e s e i n e s S c h ö p f e r s " s e i n e r s c h ö p f u n g s g e m ä ß e n u n d a n t e l a p s a r i s c h e n B e s t i m m u n g zu: ״U r s p r ü n g l i c h m y t h o l o g i s c h 2Kor 6,7 nennt die ״Waffen der Gerechtigkeit" (οπλοι της δικαιοσύνης), auf die T e i l n a h m e a m K a m p f z w i s c h e n Licht u n d Finsternis b e z o g e n . . . ist sie und wiederum diese Waffen hat 2Kor 10,4 im Blick: (sc. d i e T a u f a n s p r a c h e ) e s c h a t o l o g i s c h a b g e w a n d e l t " 3 9 . ״Denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig für Gott E i n e n t h e o l o g i s c h e n H ö h e p u n k t in der V e r w e n d u n g der K l e i d m e t a p h e r , der zur Zerstörung von Bollwerken". 3 3 hier aber nicht n ä h e r z u a n a l y s i e r e n ist, stellt d i e I n t e r p r e t a t i o n der E i n h e i t v o n Rom 13,12-14 kombiniert das Bild von den geistlichen Waffen34 mit dem G o t t u n d M e n s c h i m Z u s a m m e n h a n g d e s c h r i s t o l o g i s c h e n Streites dar. U m ״Anziehen des Herrn Jesus Christus": e i n e r f a l s c h e n I n t e r p r e t a t i o n der j o h a n n e i s c h e n ״F l e i s c h w e r d u n g d e s L o g o s " zu w e h r e n , spricht M e l i t o v o n Sardes v o m Jnduere/indutus hominem"40. Ne״Die Nacht ist vorgerückt, der Tag herangekommen. Laßt uns also die Werke der b e n M e l i t o b e d i e n e n sich v o r a l l e m Tertullian u n d H i p p o l y t in a n t i d o k e t i s c her Finsternis ablegen, die Waffen des Lichtes anziehen! 13 Laßt uns als in den Tag A b s i c h t d i e s e s B i l d e s . ״ D e r L o g o s hat sich selbst sein G e w a n d , g e w o b en4 (gestellt) anständig wandeln, nicht in Schlemmereien und Trinkgelagen, nicht in 41 ( t e x u i t ) " . In d i e s e m Z u s a m m e n h a n g b e g e g n e t a u c h d i e M e l i t o z u g e s c h r i e b e Wollüsten und Ausschweifungen; nicht in Hader und Streit! 14 Zieht vielmehr den n e L e h r e v o n der K ö r p e r h a f t i g k e i t G o t t e s (De deo corporeo)42 Herrn Jesus Christus an und verwirklicht nicht des Fleisches Neigung zu allerlei 35 Begierden!" (Rom 1 3 , 1 2 - 1 4 ) . In d e n B e i s p i e l t e x t e n , die die breite B e z e u g u n g der K l e i d m e t a p h e r i n d e r
Diese deutliche Unterscheidung zwischen der Existenz mit und ohne Christus wird an anderen Stellen durch das Bild vom ״neuen Menschen" schärfer gefaßt und auf die existentielle Ebene gehoben: ״. . . daß ihr ablegt den alten Menschen, der gemäß eurer früheren Lebensführung verderbt war nach den Begierden des Trugs, 23 sondern euch erneuern laßt im Geist eures Sinnes 24 und anzieht den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit" (Eph 4 , 2 2 - 2 4 ) . 3 6
32 SCHNACKENBURG, EKK X, 273; vgl. auch CONZELMANN U.A., NTD 8, 89ff; zum Abschnitt Eph 6,10-20 s. SCHNACKENBURG, aaO. 272ff.281 ff; gemeint sind nicht primär Waffen, sondern es geht um die Schutzausrüstung des Gottesstreiters - freilich unter Anspielung auf alttestamentliche Texte wie z. B. Jes 11,15 LXX; 52,7; 59,17; Weish 5,17ff. 33 W E N D L A N D , NTD 7, 151; vgl. auch BULTMANN, KEK.S, 173f; s. ferner IThes 5,8 zur ״Rüstung des Glaubens und der Liebe und dem Helm der Heilshoffnung". 34 Vgl. KÄSEMANN, HNT 8a, 347ff; in der zwischentestamentarischen Literatur vgl. beispielsweise TestLev 8,2; dann lClem 30,3; IgnPol 1,2; ActThom, Perlenlied 70ff. 35 KÄSEMANN, HNT 8a, 347; vgl. auch BERGER/COLPE, RGTNT, 225, zu PLUTARCH, Polit. Lehren § 26: im Heiligtum ziehe ״Liebe zu Reichtum und Geld" aus. 36 SCHNACKENBURG, EKK X, 197; vgl. dazu aaO. 198ff; CONZELMANN U.A., NTD 8, 80, weist auf den Gebrauch in der Gnosis hin, wo der himmlische Doppelgänger des irdischen Menschen das ״Himmelsgewand" trage.
B i b e l v o r A u g e n f ü h r e n , steht e i n aktives H a n d e l n i m V o r d e r g r u n d . N i c h t d a s K l e i d als s o l c h e s , s o n d e r n der Vorgang des Bekleidens fungiert als Markierung eines Wechsels. D i e O p p o s i t i o n e n l a u t e n d a b e i e t w a g e t a u f t - u n g e t a u f t , D i e s s e i t s - E s c h a t o n ; sie w e r d e n v e r b u n d e n mit e t h i s c h e n Q u a l i f i z i e r u n g e n w i e L i e be, Recht, Gerechtigkeit und schöpfungstheologischen A s p e k t e n (״Erkenntnis nach d e m Bild Gottes").
37 SCHWEIZER, EKK XII, 137. Vgl. bes. aaO. 146f mit Anm. 508-511; 188 zum Rückverweis auf den Christushymnus Kol l,15f und Gen 1,27 LXX (κατ' εικόνα θεοΰ) Christus als Ebenbild Gottes schlechthin; siehe auch GNILKA, HThK X/l, 186ff. 38 M U S S N E R , HThK IX, 263. Diese Verwendungsweise der Kleidmetaphorik begegnet schließlich auch in zwei Kirchenliedern des 17. Jh.s n.Chr.: ״Nichts kann ich vor Gott ja bringen/als nur dich, mein höchstes Gut;/Jesu, es muß mir gelingen/durch dein heiiges, teures Blut./Die höchste Gerechtigkeit ist mir erworben,/da du bist am Stamme des Kreuzes gestorben ;/die Kleider des Heils ich da habe erlangt,/worinnen mein Glaube in Ewigkeit prangt" (EKG 259,6) und: ״Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, damit will ich vor Gott bestehn, wenn ich zum Himmel werd eingehn" (EKG 273,1) 39 KÄSEMANN, HNT 8a, 350; zu Gal 3,27 vgl. M U S S N E R , HThK IX, 262ff.263 zu Sir 17,3; Bar 5,1. Hinweise auf den Isiskult, wo der Myste mit dem Gewand der Gottheit bekleidet wird, aaO. 263 Anm. 89.
40 Vgl. Schema. 41 42
GRILLMEIER,
AaO. 210. Vgl. aaO. 210f.
Christus im Glauben der Kirche, Bd. 1, 210, s.a. 824 s.v. Bekleide-
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Einleitung
Zum Forschungsstand
B. Zum Forschungsstand
menen negativen Bewertung des ersten Oppositionsgliedes konnten vermeintlich unterschiedliche Kulturstile differenziert und kulturelle Werturteile etabliert werden.47 Diese kulturgeschichtlichen Urteile haben bis heute zu einer prinzipiellen Abwertung ikonischer und visuell orientierter Religionsformen geführt48 und einen vorurteilsfreien hermeneutischen Zugang zu ihnen verbaut. Kategorien wie ״linear", ״akustisch" und ״Buchreligion", die anhand heilsgeschichtlicher Interpretamente und der zentralen Vorstellung vom Wort Gottes gewonnen sind, stehen die eidetische Wahrnehmung implizierenden Aussagen von einer bestimmten Sichtbarkeit JHWHs entgegen.49 Diesem Sachverhalt kommt nun entscheidende Bedeutung dadurch zu, daß das früher als ursprünglich und alt erachtete Bilderverbot in der neueren Forschung erst als Endprodukt eines längeren Entwicklungsprozesses erscheint. In diese Richtung verweisen ebenfalls neuere Forschungen zu Ikonographie und Epigraphik. Demnach ist in der vorexilischen Zeit mit einer deutlich vielschichtigeren Religionsform in Israel/Palästina zu rechnen, die im ersten Jahrtausend auch deutlich ikonisch geprägt erscheint.50 Was die Herkunft und Verwendung anthropomorpher Vorstellungen an־ geht, so herrscht allgemein die Tendenz, sie als ״kühn" oder ״gewagt" dem Bilderverbot entgegenzusetzen51. Wo dies nicht geschieht, sind traditionsoder formgeschichtliche Fragestellungen zentral, die entweder die Lichtsymbolik allgemein astralen, solaren oder präsolaren Phänomenen zuordnen oder aber als Ursprung der Theophanieschilderung die Siegesfeier nach erfolgreichem Kriegszug benennen52 bzw. Theophanie und Epiphanie auf der literarischen Ebene (!) identifizieren zu können meinen.
Die die Rede vom Kleid JHWHs implizierende Frage nach der Erkennbarkeit und Gestalthaftigkeit JHWHs, kurz - nach den Vorstellungen, die man sich vom Aussehen JHWHs gemacht hat, wird heute explizit nicht (mehr) gestellt. Außer der umfangreichen, aber - infolge fortgeschrittenen Erkenntniszüwachses in der Bibelforschung und Altorientalistik - nicht mehr zeitgemäßen Arbeit R. Eislers43 sind es vor allem Einzeluntersuchungen, die sich unseres Themenkomplexes angenommen haben. So erscheint eine Untersuchung zur Problematik der ״Kleidung JHWHs" als dringendes Desiderat.44 Innerhalb der Rede vom Kleid JHWHs fällt besonders die Kleidungsmaterie auf. Einerseits handelt es sich um sog. Abstraktionsbegriffe, die einen ethisehen oder emotionalen Status beschreiben wie ״ צדקהGerechtigkeit", ישועה ״Heil/Rettung", ״ נקםVergeltung" und ״ קנאהEifer". Andererseits werden Begriffe aus dem semantischen Bereich Stärke/Macht wie z.B. ״ גברהMacht" und ״ עזKraft" oder aus dem Bereich der Licht- und Majestätsschilderungen wie ״ גאותHoheit", ״ הוד והדרHoheit und Pracht", ״ אורLicht" verwendet. Aus dem Bereich der Erscheinungsaussagen stammt vor allem der Terminus ״ כבודHerrlichkeit/Ehre/Gewicht", aus dem Bereich der Theophanie-/Epiphanietexte eine Vielzahl von meteorologischen Phänomenen wie Wolken, Blitz etc. 45 Unter dem übergreifenden Gesichtspunkt der sichtbaren, also epiphanen Gestalt JHWHs sind diese Himmelserscheinungen bislang kein Forschungsgegenstand gewesen46. Vielmehr ranken sich eine Reihe von Werturteilen, die theologisch und auch kulturgeschichtlich von größtem Gewicht sind, um die Problematik. Anhand der Unterscheidung Bildreligion/Buchreligion und weiterer Oppositionspaare wie z.B. ״zyklisch/linear" oder ״eidetisch/akustisch" wurde in der Vergangenheit häufig versucht, den Unterschied zwischen einem hebräischen und einem griechischen Denken zu beschreiben. Mit der zugleich vorgenom43 Weltenmantel und Himmelszelt. Die Arbeit behandelt vornehmlich das antike und mittelalterliche Material der späteren Religionsgeschichte. Der alttestamentlichen Entwicklung parallele oder vorausliegende Konzepte werden nicht berücksichtigt, so daß hier weitestgehend auf eine Darstellung der Thesen R. Eislers verzichtet werden kann. In ähnlicher Weise assoziativ und leider ohne nähere philologische Begründung arbeitet PARPOLA, The SkyGarment, pass., in seiner Untersuchung zur „trefoil"־Motivik auf dem Gewand des Priesterkönigs von Mohenjo-daro und dessen Beziehungen zu Mesopotamien und Indien. 44 So urteilt JANOWSKI, Königtum Gottes, 407 Anm. 59. Mit dem Thema haben sich ansatzweise befaßt: VOGELZANG/VAN BEKKUM, Meaning and Symbolism of Clothing, 265ff; SAUREN, Die Kleidung der Götter, 95 ff; WALDMAN, The Imagery of Clothing, 161 ff; BRONGERS, Metaphorische Verwendung, 61 ff; KORPEL, A Rift in the Clouds, 364-370. Zum Aspekt der Körperlichkeit JHWHs vgl. BJ0RNDALEN, Untersuchungen, 72ff. 45 Vgl. zur Typologie JEREMIAS, Theophanie, 88ff. 46 Einzelphänomene wurden allerdings untersucht, siehe unten zu den verschiedenen Deutungsmodellen I-IV.
47 Vgl. CANCIK/MOHR, Religionsästhetik, 1 2 3 mit Anm. 8 ; CANCIK, Rechtfertigung Gottes, 262 ff. 48 Sätze wie ״daß es dem Hebräer nur durch Verwendung von konkreten Gegenständen möglich war, den Gefühlswert von Abstrakta sichtbar zu machen . . . " (BRONGERS, Metaphorisehe Verwendung, 64) belegen, wie pauschal z. T. kulturelle Urteile etabliert werden. 49 Vgl. etwa BOMAN, Das hebräische Denken, der, fußend auf der Darstellung des Griechentums in O . SPENGLERS, Der Untergang des Abendlandes (vgl. auch zur Konzeption von Sprache bei B. L. WHORF), diese Diskussion maßgeblich entfacht hat und unter dem Abschnitt ״Der Eindruck von Gott" aaO. 92 bemerkt: ״Die Bildlosigkeit der Jahwereligion erstreckte sich . . . auch auf das fromme Bewußtsein: die führenden Geister machten sich zwar ganz konkrete, aber keine visuellen Vorstellungen von ihrem Gott. Ihre Vorstellungen waren motorisch, dynamisch, auditiv." 50 Vgl. z.B. DOHMEN, Bild, 294ff; DERS., Bilderverbot, 296ff; DERS., Das Bilderverbot, 276f; UEHLINGER, Götterbild, 890f; SCHROER, Bilder, pass.; KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 196 f. 317 ff.422 ff. 51 VON RAD, Theologie II, 431; DERS., Theologie I, 232, spricht von ״unbefangensten Anthropomorphismen". 52 Vgl. A A L E N , 163,אורf;LANGER, Gott als ״Licht", 156ff; WESTERMANN, Lob und Klage, 69.72ff; JEREMIAS, Theophanie, 146.179f und PODELLA, Licht, 633ff; DERS., Sich zeigen und gesehen werden, 160ff, bes. 181 ff; im einzelnen siehe unten S. 16ff. 19ff.
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Einleitung
Zum Forschungsstand
Diesen Deutungen stehen abstraktere Interpretationen gegenüber, die ihrerseits von der bildlosen JHWH-Verehrung und den ikonoklastischen Zügen der Kirchengeschichte ausgehen. In diesen Kontext gehört sowohl das eingangs zitierte Bild von der Weltgeschichte als dem Kleid des sonst unsichtbaren Gottes als auch die spiritualisierte, beinah mystische Idee vom Weltenmantel53 oder - wie Gamberoni formuliert:
Bevor diese Fragen im eigentlichen Sinne beantwortet werden können, muß auf die forschungsgeschichtliche Situation eingegangen werden. In einer groben Aufteilung konkurrieren vier Interpretationsmodelle miteinander: I. ein formgeschichtliches Modell; II. ein traditionsgeschichtliches Modell; III. ein religionsgeschichtliches Modell und IV. ein ikonographisches Modell. Unter der formgeschichtlichen Deutung (I.) werden solche Interpretationen alttestamentlicher Theophanietexte erfaßt, deren Ziel die gattungskritische Bestimmung der Textformen und die Eruierung des zugehörigen Sitzes im Leben ist. Als traditionsgeschichtliche Deutungen (II.) können demgegenüber solche Arbeiten und Analysen bezeichnet werden, die den geistigen Rückraum (O. H. Steck) des Verfassers eines Textes verstärkt ins Auge fassen. Besonders enge Berührungen bestehen freilich zwischen der traditions- und religionsgeschichtlichen (III.) Fragestellung. Während die klassische Methodenlehre den religionsgeschichtlichen Vergleich eher der Traditionsgeschichte (vgl. die Methodenbücher) zuordnet, wird hier eine striktere Differenzierung vorgeschlagen.
„Nicht das Kleid an sich interessiert dabei, sondern ein vorstellungsmäßiger Gegensatz: was dem Menschen seine letzte Privatheit schützt, aber auch seine Beschränkung markiert, ist bei Gott über den ganzen Kosmos ausgedehnt, ־überdeckt und beseitigt alle Grenzen . . . Überdies ,trägt' Gott selbstverständlich und mühelos die Schöpfungswunder, vor denen der Mensch nur staunen kann" 54 .
Im Urteil Gamberonis erscheint das Kleid nicht mehr als konkreter Gegenstand, sondern wird funktional („Schutz", „Beschränkung") und in übertragenem oder metaphorischem Sinn gedeutet. Die eigentliche wie auch die metaphorische Redeweise vom „Kleid" und „Bekleidetsein" nimmt in der Bibel so einen zunächst unvermutet großen Raum ein. Im religiösen Zusammenhang wird durch die auf visuelle Wahrnehmung zielende Eigenschaft des Kleides ein Wechsel markiert: unrein/rein, Sünde/gelöste Sünde. Oder der Wechsel bezieht sich auf das Amt einer Person und fällt damit unter die Rubriken Inthronisation und Investitur (Priesterweihe Ex 28-29; Lev 8-10). Als Beispiel sei hier nur Gen 41,41-43 genannt: „Und weiter sprach der Pharao zu Joseph: Siehe, ich habe dich über das ganze Land Ägypten gesetzt. U n d Pharao zog seinen Ring von seiner Hand und tat ihn an die Hand Josephs und bekleidete ihn mit kostbarem Leinen und legte eine goldene Kette an seinen Hals. U n d er ließ ihn fahren in einem zweiten Wagen, der ihm gehört, und ließ vor ihm ausrufen . . . und setzte ihn über das ganze Land Ägypten."
In diesen Zusammenhängen ist die Rede vom „Kleid" biblisch gut bezeugt, und der Begriff „Kleid" kann gleichsam als Abbreviatur den Akt des Statuswechsels markieren, als dessen sinnenfälligey nichtsprachliche Außenseite. Eine solche sinnenfällige Außenseite wollen offenbar die wenigen Texte zum Ausdruck bringen, die vom Kleid JHWHs sprechen (Jes 51,9; Jes 6,1 ff; Hi 40,10; Ps 93; 104). Ist die Rede vom Kleid jedoch nur eine Abbreviatur, womit keine Verkürzung, sondern lediglich die Komprimierung des komplexen Sinnzusammenhanges gemeint ist, dann ist präzise zu fragen: Wie sieht Gott aus? Welche Beschreibungen und Bilder verwendet das Alte Testament, um JHWHs Gegenwart oder Präsenz bzw. die Modi göttlicher Epiphanie zu beschreiben?55
Weitenmantel und Himmelszelt, pass.
53
EISLER,
54
GAMBERONI,
55
477
,לבשF.
Zur engen Verbindung zwischen Kultbild und Epiphanie einer Gottheit vgl. zuletzt GLADIGOW, Epiphanie, Statuette, Kultbild, 98ff; DERS., Gottesvorstellungen, 40f.43; DERS., Konkurrenz, 103ff; zum Götter־/Kultbild vgl. z.B. SOLLBERGER, The White Obelisk, 237f; METZLER, Anikonische Darstellungen, 96ff; A S S M A N N , Die Macht der Bilder, lff; DOHMEN,
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D i e Thematisierung eines spezifisch religionsgeschichtlichen Deutungsmodells (III.) geht davon aus, daß die Religionsgeschichte die Entwicklung einer Religion - hier der altisraelitischen - in allen ihren Darstellungsebenen (Schrift, Bild, Kult und Ritual) 5 6 sowohl in ihrem inneren Verlauf als auch im Kontext möglicher Einflüsse von außen zum Gegenstand hat. Methodologisch bedeutet dies für die Religionsgeschichte Israels, daß ihr Spezifikum nur in der Einbeziehung des kulturellen und religiösen U m f e l des genau bestimmt werden kann. In diesem Sinne erfordert religionsgeschichtliche Arbeit bisweilen auch die Darstellung von Sachverhalten anderer Religion(sform)en. Umgekehrt kann ein solches Verfahren dazu führen, daß Teilaspekte der altisraelitischen Religion im größeren Horizont einer allgemeineren altorientalischen Entwicklung oder Denkweise nicht nur besser, sondern überhaupt erst verstehbar und somit auch interpretierbar werden. 5 7 Die Religionsgeschichte fängt damit den Aspekt des Historischen, die zeitgeschichtliche Bedingtheit religiöser Vorstellungen (z.B. Gottesbild, Schöpfung) und
Gottesbeschreibung, 230ff; SCHMIDT, Sichtbarkeit und Vorstellbarkeit Gottes, 25ff; R E N G E R , Kultbild, 307ff; F U N K E , Götterbild, 663ff; UEHLINGER, Götterbild, 871ff; GUNNEWEG, Bildlosigkeit Gottes, 257ff; zur engeren Thematik der Epiphanien: PFISTER, Epiphanie, 277ff; MENSCHING, Erscheinungsformen der Gottheit, 606f; MORENZ/HEMPEL, Theophanie, 840ff; PAX, Epiphanie, 832ff; MÜLLER, Die kultische Darstellung, 183ff; SCHNUTENHAUS, Darstellung der Theophanie, 80ff; DERS., Kommen und Erscheinen Gottes, lff; JENNI, ״Kommen" im theologischen Sprachgebrauch, 251 ff; A S S M A N N , Das ägyptische Prozessionsfest, 1 0 5 f f ; sowie die von PODELLA, Sich zeigen und gesehen werden, 181 ff, genannte Literatur. 56 Vgl. STOLZ, Grundzüge, 101-114; DERS., Darstellungsebenen, 55-68; zu Ägypten siehe auch A S S M A N N , Die Macht der Bilder, 1 ff. 57 Zur Aufgabenbeschreibung von Theologie und Religionswissenschaft/Religionsgeschichte sowie zur gegenseitigen Abgrenzung vgl. STOLZ, Einführung, 34-44, bes. 43 zum „Fremdbild der eigenen Religion . . . das aber manches aufdeckt, was dem gewohnten Blick entgeht"; vgl. auch MÜLLER, Die religionsgeschichtliche Methode, 161 ff; MÜLLER, Alttestamentliche Theologie, 20ff; BERGER, Exegese, 191 ff; GUNNEWEG, Biblische Theologie, 1 0 - 2 0 und besonders ALBERTZ, Religionsgeschichte Israels, 32-38.
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Einleitung
Praktiken (Opfer) ein. Zugleich wird die Möglichkeit eröffnet, verlorene oder durch spätere Entwicklungen überlagerte theologische Gedanken freizulegen und für die Interpretation der Texte zurückzugewinnen ( z . B . das Problem der Göttin im Kontext feministisch orientierter Theologie und Exegese 5 8 ). Angesichts der Entwürfe einer Religionsgeschichte Israels, wie sie von W . H . Schmidt und neuerdings von R. Albertz 59 vorgelegt wurden, tritt das Problem der Methode verschärft zutage. Während W . H . Schmidt der geschichtlichen Dimension dadurch gerecht zu werden sucht, indem er einzelne Themen der Religionsgeschichte (Königtum Gottes, Schöpfung 60 etc.) in diachronen Schnitten vorführt, wählt R. Albertz einen anderen Weg. In seinem Werk werden die Epochen der altisraelitischen Religionsgeschichte unter sozialgeschichtlichen Aspekten (Großgruppe/Kleingruppe - offizielle Religion/familiäre Frömmigkeit 61 ) dargestellt. Dieser Ansatz bietet zwar den Vorzug, daß jeweils alle religiösen Darstellungsebenen gemeinsam behandelt werden. Für eine Übersicht über die Entwicklung einzelner biblisch-theologischer Themen (Königtum Gottes, Messiasvorstellungen, Kult, Feste, Priestertum etc.) scheint jedoch eine etwas andere Strukturierung wünschenswert. Entsprechend der Vorgaben, die von der (sozio)־ politischen Geschichte und den geographischen Rahmenbedingungen für eine staatlich organisierte Gesellschaftsform gemacht werden, könnten die zentralen Themen der biblischen Theologie jeweils in ihrer Entwicklung gebündelt analysiert und dargestellt werden. Ein solches Ziel kann in der vorliegenden Studie nur ansatzweise und nur an einem Beispiel, dem mentalen Gottesbild62, verfolgt werden.
In diesem Sinne werden solche Interpretationen als ״religionsgeschichtlich" bestimmt, die von der Frage nach der Bedeutung theologischer Vorstellungen innerhalb des religiösen Symbolsystems, hier spezieller der Tempeltheologie, geleitet sind. Tempeltheologie wird dabei als ein dynamischer Vorgang der Theoriebildung undTheologisierung verstanden, der mit der architektonischen Planung, dem Bau und der Ausgestaltung des salomonischen Tempels einsetzt und über die Phase des Exils bis in die Zeit des zweiten Tempels reicht.63 Als charakteristische Vorstellung der Tempeltheologie erweist sich die Vorstellung eines königlich konnotierten Gottes (Königsgott) samt einer spezifischen Herrlichkeitssemantik, welche durch den Untergang des politischen Königtums 58
Vgl. aus der Fülle der Literatur das Themaheft ״Der eine Gott und die Götter" der Zeitschrift BiKi 49/2, 1994 und das Themaheft ״göttin - kein abgeschlossenes kapitel" der Streitschrift Schlangenbrut 4 4 , darin WACKER, Die Göttin in vier Stimmen, 5 - 9 ; vgl. auch DIES., Feministisch-theologische Blicke auf die neuere Monotheismus-Diskussion, U f f ; FRYMER-KENSKY, Goddesses, 8 3 ff; BALZ-COCHOIS, Magna Mater, 108ff. Zur feministischen Religionswissenschaft vgl. z . B . PAHNKE, Feministische Aspekte, 13ff; BIEHL/SEIER, Überlegungen, 63 ff (Lit.!). 59 Vgl. SCHMIDT, Alttestamentlicher Glaube, pass; ALBERTZ, Religionsgeschichte Israels, pass.; zu letzterem siehe die kritischen Bemerkungen von H Ü B N E R , OLZ 89, 161 f; THIEL, Gesellschaft und Religion, 3ff. 60 Vgl. z.B. SCHMIDT, Alttestamentlicher Glaube, 170ff; 197ff. 61 Vgl. z. B. die entsprechenden Abschnitte bei ALBERTZ, Religionsgeschichte Israels, 47ff; 68 62 ff ;291 ff. Vgl. unten S. 36. 63 Vgl. auch den Abschnitt zur Tempeltheologie bei ALBERTZ, Religionsgeschichte Israels, 200-212.
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einerseits und den zeitweiligen Verlust des Jerusalemer Tempels andererseits markante Reformulierungen und Weiterentwicklungen (Solarisierung64) erfahren hat. Speziellere Züge dieser Tempeltheologie werden dort sichtbar, wo die Herrlichkeitssemantik im Kontext der altorientalischen Tempeltheologien und -kulte beschrieben werden kann. Allgemeinere Züge des tempeltheologischen Denkens lassen sich mit dem Stichwort der mutuellen Modellierung65 auf einen Begriff bringen, d.h. der engen und zur Identität neigenden Korrespondenz zwischen himmlischem Geschehen (Handeln Gottes) und kultisch-religiösem Handeln der Menschen (Natur/Gesellschaft). Sinnenfällig wird diese Korrelation besonders im Tempel, da hier alle drei religiösen Darstellungsebenen (Text/Sprache, Bild, Ritus) in einem Sachzusammenhang begegnen. 66 Tempeltheologie reflektiert im Rahmen des Tempels und seiner kultischen Veranstaltungen den Zusammenhang zwischen himmlischer und irdischer Welt in einer ihr eigentümlichen Weise, die vom prophetischen und weisheitlichen Diskurs (zumindest theoretisch) zu unterscheiden ist. 67 Diese Differenzierung schließt gegenseitige Beeinflussungen nicht aus! Entsprechend der religionswissenschaftlichen Unterscheidung verschiedener religiöser Darstellungsebenen wie Schrift = Text, Bild und Ritus wird als ikonographisches Deutungsmodell (IV.) die Einbeziehung von altorientalischen Bildmotiven zum Verständnis der Herrlichkeitssemantik in den alttestamentlichen Texten verstanden.68 Da das in Palästina gefundene Bildmaterial hinsichtlich der Motivik in mindestens drei Gruppen eingeteilt werden kann (Importstücke verschiedenster Provenienz; Motive palästinischen Ursprungs; importierte Motive in palästinischer Herstellung), steht bei der Einbeziehung des Bildmaterials jedesmal die Frage nach der ursprünglichen Bildsemantik und eventuellen Bedeutungsdifferenzierungen, die mit der Integration in das israelitische und judäische religiöse Symbolsystem erfolgt sein können, zur Diskussion.69
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Vgl. jetzt ALBANI, Astronomie, 311-315; TAYLOR, Yahweh and the Sun, pass.; JANOWSund der Sonnengott, 214ff; und zu den Forschungsmodellen II und III. 65 Zum Begriff vgl. JANOWSKI, Dem Löwen gleich, 169 Anm. 56; 170. 66 Zu den Darstellungsebenen von Religionen vgl. STOLZ, Hierarchien, 55ff, und unten S. 16. Die Sinnenhaftigkeit kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß neben den Bildsymbolen auf den Tempelgerätschaften und der architektonisch-dekorativen Symbolik des Tempels selbst auch die rituelle Symbolik in Gesten, Gebärden, Handlungen, Duft, Beleuchtung etc. Ausdruck findet. Rezitation von Texten, Liedgesang, Musik bilden die dritte Ebene der akustischen Wahrnehmung. 67 Vgl. unten Kap. 3 B. 68 Vgl. hierzu besonders KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 282ff; 3 2 7 ff. 69 Dieses Problem stellt sich besonders für das Bildmotiv der ״Istar im Strahlenkranz", siehe unten S. 31 ff, das zwar auf neuassyrischen Rollsiegeln in Palästina belegt ist, über deren Besitzer und eventuelle Kontakte zu alttestamentlichen Autoren wir aber keine Informationen besitzen, vgl. KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 332ff. KI, J H W H
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Sozialgeschichtliche Aspekte 7 0 wie etwa die Frage nach den Trägergruppen bestimmter Motive (Königssymbolik in der Tempel- und Palastreligion; Fruchtbarkeitssymbolik in weiten Teilen der Feld- und Weidewirtschaft) kommen in den jüngsten Zusammenfassungen zur Ikonographie in Israel/Palästina zu kurz. Unseres Erachtens wäre nicht nur die soziographische Verbreitung der Bildmotive (Hofkultur vs. Familienkultur) stärker zu beachten, sondern auch die grundsätzliche Frage zu stellen, ob es methodisch zulässig ist, importierte Einzelstücke in den Kontext einer Religionsgeschichte Israels/Palästinas einzubeziehen. 7 1 Beantwortet man diese Frage im positiven Sinne, muß der Weg beschrieben werden können, auf dem die Integration der Bilder in die religiöse Vorstellungswelt der alttestamentliehen Autoren oder in das visuelle Symbolsystem der Religion selbst erfolgt ist. Der bloße Hinweis auf die Existenz eines oder mehrerer Belegexemplare im Lande oder aber die Vermutung, ein solches Bild habe ein Autor vor Augen gehabt, reichen für ein historisches Wahrscheinlichkeitsurteil nicht aus, sondern bleiben rein hypothetisch. 72
I. Formgeschichtliches Deutungsmodell Unter der Voraussetzung, daß das Kleid eines Gottes dessen sichtbare Außenseite repräsentiert, werden wir religionsgeschichtlich in den Bereich der Epiphanien oder auchTheophanien geführt. An der unterschiedlichen Art und Weise, wie die Begriffe Epiphanie und Theophanie verwendet werden, soll das Problem verdeutlicht werden. J. Jeremias beginnt seine Untersuchung zur alttestamentliehen Theophanie mit folgendem Kommentar: ״Es war früher üblich, diese Gotteserscheinungen [sc. das ״Kommen Gottes"] in ihrer Gesamtheit ,Theophanien' zu nennen. In der neueren alttestamentliehen Wissenschaft hat sich jedoch weithin ein engerer Sprachgebrauch eingebürgert, demzufolge
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Auf die Trägergruppen bestimmter ikonographischer Konstellationen macht besonders Die Macht der Bilder, 5f, aufmerksam. Unseres Erachtens wäre für das gesamte ikonographische Material der ״Segensikonen", vgl. KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 14; 166ff, zu erwägen, ob hier nicht das Thema ״Fruchtbarkeit der Herden" in der landwirtschaftüch orientierten Volkskultur rezipiert wird. Der häufig dargestellte Vorgang der Säugung durch das Muttertier wird im Bild situativ entgrenzt und auf Dauer gestellt. Welche konkrete Gottheit dafür als verantwortlich gedacht wird, geben die Bilder jedenfalls nicht zu erkennen, so daß ihre Einbeziehung in eine Religionsgeschichte Israels höchst problematisch wird. 71 Ein besonders krasses Beispiel liegt vor im Falle des ״Gottes im Lotusnimbus", KEEL/ UEHLINGER, Göttinnen, 395ff. Während die Autoren ausdrücklich betonen, daß die beiden Stücke aus Arad und Bethlehem in ״assyrisierender syrophönizischer Ikonographie", aaO. 395, gestaltet seien, bleibt ein nahezu identisches Stück aus dem kleinasiatischen Lindos, vgl. STUCKY, Tridacna Shells, No. 41 PI. XXVI, unerwähnt. So stellt sich die Frage, ob bei der ohnehin auf die israelitische Umwelt deutenden Motivik und Gestaltung der Tridacna-Muscheln es methodisch zulässig ist, die beiden Belegstücke aus Palästina mit der israelitischen Schöpfungstheologie zu verbinden, KEEL/UEHLINGER, aaO. 396. 72 Vgl. jetzt auch die kritischen Bemerkungen von H. WEIPPERT, Z U einer neuen ikonographischen Religionsgeschichte, l f f , und schon die früheren ״Anfragen" derselben Autorin, Siegel mit Mondsichelstandarten, 43ff; 53f und von GÖRG, Schriftwort, 173ff. ASSMANN,
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der Terminus ,Theophanie' denjenigen Erscheinungen Jahwes vorbehalten bleibt, die nur an den Begleitumständen seines Kommens erkannt werden, ohne daß seine Gestalt und sein Aussehen beschrieben werden. Die Frage: Kann man Jahwe sehen? wird in diesen Schilderungen seines Kommens nicht ausdrücklich beantwortet. Sie wird implizit bejaht und verneint . . . Die ,Theophanien' reden etwa vom Kommen Jahwes in Sturm, Gewitter, Feuer etc. zum Gericht und zur Vernichtung." 73
Kennzeichen der Theophanie sind demnach Gestaltlosigkeit der erscheinenden Person, theophane Begleiterscheinungen und das mehr oder weniger martialische Ziel des Vorgangs. Wie besonders die Visionen bei Ezechiel zeigen, können dieselben Begleiterscheinungen auch bei der Erscheinung der Herrlichkeit JHWHs auftreten, und auch die Beschreibung der Gestalt erfolgt nur in Annäherungen. Als eigentliches Unterscheidungskriterium bleibt somit nur das Ziel der Theophanie, d.h. die Vernichtung von Feinden. Im Unterschied zu Jeremias bestimmt C. Westermann das Kommen Gottes, ״um seinem Volk zu helfen"74, als das entscheidende, positive Element einer Epiphanie. Epiphanie und Theophanie sind gerade dadurch gekennzeichnet, daß der Theophanie kultische Züge anhaften, die der Epiphanie fehlen. Hierin setzt sich Westermann mit einer These Weisers75 auseinander, wonach die tradi-
73 JEREMIAS, Theophanie, 1. Von diesem Ziel der Theophanie hebt JEREMIAS, aaO. 2, diejenigen Formen von Offenbarung ab, ״wie Jahwe den Erzvätern zu erscheinen pflegte, wie er zu Samuel trat (1 Sam 3,10), wie er zu seinen Auserwählten in Traum und Vision sprach, auch . . . die Hypostasen göttlicher Eigenschaften wie Käböd, Pänim, Sem, Tüb oder . . . den an vielen Stellen an den Platz Gottes tretenden Mälak Jahwe". Behandelt werden die folgenden Texte: Ps 18; 50; 68; 77; 97; 144; Nah 1; Hab 3; Ri 5; Dtn 33; die Berichte der Sinaitheophanie und eine Vielzahl kleiner Texte aus der prophetischen Gerichtsankündigung. 74 Lob und Klage, 72, bes. 69ff. Es handelt sich um die folgenden Texte, die sich naturgemäß mit den bei JEREMIAS behandelten überschneiden: Ri 5 , 4 - 5 ; Ps 18,8-16; Hab 3 , 3 - 1 5 ; Ps 68,8f. 34; 77,17-20; 97,2-5; 114; 29; 50,2-4; Dtn 33; Jes 30,27-33; 59,15b-20; 6 3 , 1 - 6 ; Mi 1,3-4; Nah l,3b-6; Sach 9,14; Jdt 16,18. Die Grundform der Theophanie bilden die Berichte der Sinaitheophanie Ex 19; 34 und die ״späteren Gotteserscheinungen vor einem Propheten" (Lob und Klage, 74). Es handelt sich um IKön 19; Jes 6; Ez 1 - 2 . Das Ziel der Erscheinung sei hier die Beauftragung eines Propheten, und auch der Vorgang selbst sei hinsichtlich der Unterscheidung Ziel-/Ausgangsort zu differenzieren. Schließlich seien die Begleiterscheinungen der Theophanie vulkanischer Art, die der Epiphanie an Gewitterphänomenen orientiert. Von dieser Unterscheidung her gelangt WESTERMANN, aaO. 75, zu einer Kritik an WEISER, daß nämlich Elemente der Sinaitheophanie höchstens in den prophetischen Offenbarungen, keinesfalls aber in den Epiphanien des Psalters zutage träten. ״Die Epiphanien gehören in den Zusammenhang des berichtenden Lobes Israels", ebd. 75 Vgl. WEISER, Beziehungen der Psalmen zum Kult, 513ff; in ähnlicher Weise auch MÜLLER, Die kultische Darstellung, 183ff, vgl. dazu JEREMIAS, Theophanie, 148f Anm. 3 u. lOOf; auf die Abhängigkeit WEISERS von den kultorientierten Arbeiten S. MOWINCKELS und V. GRÖNBECHS weist SCHNUTENHAUS, Darstellung der Theophanie, 80, hin. Durchgängig von Theophanie spricht MORENZ/HEMPEL, Theophanie, 841 ff, allerdings unter deutlicher Betonung, daß die Bilder größtenteil dem Kultus entnommen seien. So lasse die Präsentationsformel ״Ich bin Jahwe" wegen ihrer Nähe zu der Selbstvorstellung der neuassyrischen Istar v. Arbela den Schluß zu, daß hier ein Priester (in Hebron?) ״in Gewand und Maske des Gottes" amtierte (aaO. 842). MENSCHING, Erscheinungsformen, 607, verweist auf die Möglichkeiten
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tionsgeschichtliche Grundform aller im Alten Testament überlieferten Theophanien die Sinaitheophanie sei. Entscheidend sei, daß Gott sich einem Mittler an einem besonderen Ort zu einer besonderen Zeit offenbare. Das kultische Moment der Theophanie besteht somit in der dreifachen Gebundenheit der Gotteserscheinung an einen heiligen Ort, an eine besondere Zeit und an eine besondere Person. Die hier zutage tretende Problematik betrifft nicht allein die Tatsache, daß Jeremias und Westermann eine unterschiedliche Terminologie auf ein identisches Textkorpus anwenden, sondern es ist vor allem die formgeschichtliche Bestimmung zweier Gattungen (Theo- und Epiphanie) mit jeweils einem unterschiedlichen Sitz im Leben. Für Westermann folgt so beispielsweise aus der engen Verbindung von Ri 5,4-5; Ps 68,8-9.34; 18,8-16; Jdt 16,18 mit Siegesliedern, „daß die Epiphanien ursprünglich Psalmteile waren, nicht aber selbständige Psalmen darstellten".76 Jeremias hingegen kommt zu dem Ergebnis, daß die Theophanieschilderungen „wesenhaft dem Hymnus zugehören"77, womit allerdings nicht der Sitz im Leben gemeint sei. Diesen findet Jeremias in den „Siegesfeiern des israelitischen Heerbannes"78 und damit in einer - wenn auch ganz anderen - kultischen Situation .79 Im Vergleich mit der neuesten Abhandlung des Themas durch H. Cancik fällt auf, daß religionsgeschichtlich kein Anlaß besteht, die oben dargestellten Unterscheidungen aufrechtzuerhalten. Es wird deutlich, daß in religionswissenschaftlicher Perspektive der Terminus Epiphanie nicht von Hause aus das Sichtbarwerden von Gottheiten bezeichnet. Erst jüngere, hellenistische (?) Texte handeln von göttlichen Epiphanien im Kult80 im Kontext von Kultstiftungen, oder indem die Götter von einem Kultort zum anderen ziehen. Trotz
der hier vorgetragenen Bedenken und trotz des Vorschlags, besser nach ״Gottesvorstellungen" zu fragen81, sollen im folgenden alle Erscheinungen Gottes, die durch Audition, Begleitumstände und Vision gekennzeichnet sind, als Epiphanien bezeichnet werden.82
der Verwandlung einer Gottheit in Menschengestalt und diskutiert das Transzendenz-Immanenz-Problem unter den Stichworten der Gottesnähe/-ferne. Wiederum von Epiphanie spricht PAX, Epiphanie, 860ff, angesichts der alttestamentlichen Belege; kritisch gegenüber einer inflationären Ausweitung des Begriffs schließlich CANCIK, Epiphanie/Advent, 290. 76 WESTERMANN, aaO. 69. JEREMIAS, Theophanie, 136, spricht vorsichtiger von der „Gattung derTheophanietexte", während WESTERMANN, aaO. 73, aus einem Stellenvergleich den Schluß zieht, daß es sich um Varianten von einer Form handele. 77 JEREMIAS, aaO. 139. An dieser Stelle ist nun WESTERMANNS Beobachtung zentral, daß die Epiphanieschilderungen Psalmteile waren, so daß JEREMIAS zwischen dem Sitz im Leben des die Theophanie enthaltenden Hymnus und dem Sitz im Leben des literarischen Elementes Theophanieschilderung unterscheidet, aaO. 140. 78 Theophanie, 148; zur Diskussion neuerer Arbeiten, aaO. 179f. 79 Kultisch insofern, als JEREMIAS, ebd., davon ausgeht, daß das vorstaatliche Israel „keine kultfreie Sphäre" kannte; ganz anders insofern, als die Vertreter einer kultischen Darstellung der Theophanie an Großkult und regelmäßige Begehungen dachten und nicht an okkasionell veranstaltete Siegesfeiern. 80 CANCIK, aaO. 292f; P A X , Epiphanie, 834, verweist auf den relativ späten und neuzeitlichen Gebrauch des Begriffes „Theophanie", der ursprünglich ein Fest in Delphi bezeichnete und später zu einer allgemeinen Bezeichnung für Götterfeste geworden sei. Erst in der christlichen Theologie habe man zwischen „Theophanie" für Erscheinungen Gottes selbst, „Epiphanie" für Erscheinungen Christi (und Parusie für dessen Wiederkunft) differenziert.
PAX, aaO. 839ff, unterscheidet folgende Formen der Epiphanie: 1. mythische E., 2. epische E., 3. kultische E., 4. soteriologische E. und als eigene Gruppe 1. imperiale E., 2. legendäre E., 3. literarische E., 4. parodistische E., 5. mystische E., 6. E. in Zauber und Aberglauben, vgl. ähnlich PFISTER, Epiphanie, 277ff. Für den hier interessierenden Bereich des Alten Orients vermag PAX jedoch so gut wie kein Belegmaterial beizubringen. Vgl. aber die als Epiphanien vorzustellenden Reisen der in Statuen repräsentierten Götter; ähnliches gilt für die Götterversammlungen anläßlich des babylonischen Neujahrsfestes; oder die feierliche Epiphanie nach der Herstellung und Einweihung des Kultbildes, siehe dazu unten S. 113ff. 81 AaO. 292. 82 Damit sind im wesentlichen die Kriterien gemeint, die auch PAX, Epiphanie, 832f, in Anschlag bringt. ״Götter erscheinen üblicherweise aus der Richtung, in der sie ihren normalen Aufenthaltsort haben . . . zu den Epiphanieschemata . . . gehört eine Reihe von Indikatoren für göttliche Nähe: Glanz, Duft und Größe", GLADIGOW, Gottesvorstellungen, 43. 83 V O N R A D , Theologie 1 , 2 3 2 . 84 AaO. 159; zur übermenschlichen Größe der Götter vgl. auch CANCIK, Epiphanie/ Advent, 293; SMITH, Divine Form and Size, 424ff; GLADIGOW, Epiphanie, Statuette, Kultbild, 98; zum כ ב ו ד י ה ר הvgl. auch VON R A D , δόξα C., 240ff. Ähnlich urteilt auch KAISER über die Priesterschrift, DERS., Einleitung, 120: ״Daß sich der Priester Gott selbst in Menschengestalt vorstellte, zeigt Gen l,26f., wird aber auch durch Ez 1,26ff. bezeugt"! Die Charakterisierung des כ ב ו ד י ה ו הals ״Lichterscheinung" durch VON R A D , WEINFELD U . A . wird jetzt bei STRUPPE, Herrlichkeit Jahwes, 230f, abgelehnt.
IL Traditionsgeschichtliches Deutungsmodell Die in der formgeschichtlich orientierten Forschung erfolgte Ausblendung der prophetischen Epiphanien und der Sinai-Epiphanie hatte zwangsläufig auch zur Vernachlässigung der Frage nach dem ״Aussehen JHWHs" geführt. Und dies, obwohl G. von Rad schon 1960formuliert hatte: ״Sein Sinn [sc. des Bilderverbots] lag ja beileibe nicht darin, dem Volke Israel jede anschauliche Vorstellung von Jahwe zu verwehren - tatsächlich hat man sich Jahwe immer menschengestaltig, als Mann vorgestellt" 83 ;
und an anderer Stelle sagt von Rad über die Bedeutung der Vergleichspartikel כin Gen 1,26: ״ein unendlicher Unterschied und Abstand . . . zunächst rein größenmäßig, denn Israel hat sich Jahwe als riesengroß vorgestellt (Mi l , 3 f . ; Jes 6 3 , l f f . ; Ps 24,9), aber auch qualitativ, denn mit der feurigen, intensiv strahlenden Lichtnatur Jahwes ist der כבוד, den der Mensch hat, natürlich nicht entfernt zu vergleichen". 84
Auch H.A. Brongers resümiert in einer der wenigen Untersuchungen zur Kleidmetaphorik, daß hebr. ״ כבודaufgrund neuester Untersuchungen am
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besten als ,die sichtbare Erscheinungsform Jahwes' aufzufassen" sei. 85 Zuletzt hat Chr. Dohmen anhand der ״Gottesbeschreibung im Ezechielbuch" auf das Problem hingewiesen, daß angesichts der Ausweitung des Bilderverbots ״vom einfachen Kultbildverbot zum Verbot jedweder Darstellung im Kult... auf der anderen Seite die Sichtbarkeit Gottes [Hervorhebung von mir] für einzelne Menschen betont resp. die durch das Bilderverbot gesicherte Transzendenz Gottes zugunsten einer neu vermittelten Immanenz Gottes abgeschwächt"86 werde. Die Häufung der Vergleichspartikeln zeige jedoch, daß nicht die Schaffung eines visuellen Gottesbildes angestrebt sei, sondern die Beschreibungen dienten als '״Beglaubigungszeichen'"87 für den prophetischen Bericht. Warum, so lautet ein möglicher Einwand, wird dann aber diese bildhafte Sprache gewählt, deren Bildtermini (דמות, צלם, )תמונהtrotz aller Vergleichspartikeln eine visuelle Anschauung vermitteln, ja nachdrücklich die Bildhaftigkeit des Geschauten dem Hörer/Leser suggerieren? Gegenüber dieser eher literarisch zu nennenden Interpretation bezieht M.S. Smith die Beschreibungen einer ״superhuman-sized deity, human in form and dazzling in light"88 auf eine von mesopotamischer oder aramäischer Seite angeregte Solarisierung des JHWH-Glaubens (vgl. Dtn 33,2; Jes 60,1; Hos 6,3), die - um spezifische Naturphänomene (Sturm, Regen, Gewitter) erweitert - auf die Gestaltung der Gottesbeschreibungen eingewirkt habe. 89 Die solaren Elemente weist Smith einer indigenen Sonnentheologie im Staat Juda der ausgehenden Königszeit zu, deren ״theopolitical function" mit Aufgaben der Monarchie zusammenhinge, präzis: ״solar imagery . . . served to enhance the power of the monarchy through identification with the power of the divine king . . . as it was applied to both the king and the god [the solar imagery] enhanced the status of the king."90 Auch während der Zeit des Exils und darüber hinaus sei der solare, lichthafte und implizit königliche Aspekt theologisch wertvoll und prädizierbar geblieben, wie etwa Mal 3,20; Jes 58,8; Ri 5,38
u.a. zeigten. 91 In ähnlicher Weise bestimmt auch B. Langer große Teile der Lichtmetaphorik als Sonnensymbolik, wobei nicht mit einer planen Ineinssetzung von JHWH und dem Sonnengott Samas zu rechnen sei, sondern letzterer ״in Jahwe ,aufgehoben' bzw. von Jahwe absorbiert" zu denken sei. 92 Damit setzen sich B. Langer, M.S. Smith und auch H.-P. Stähli deutlich von einer Auslegungstradition ab, die engstens mit S. Aalen und seiner Konzeption einer präsolaren, von der Wahrnehmung des diffusen Tageslichts bestimmten LichtSymbolik verbunden ist.93 In einer neueren Arbeit zum ״Königtum Gottes in den Psalmen" gelangt J. Jeremias zu folgender Feststellung über die Herrlichkeitsaussagen:
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Die ״Prädikation ,Hoheit'(גאות, ג א ו ה, ) ג א ו ןweist auf die Kriegstaten des Weltenkönigs: Er tritt ,in der Fülle seiner Hoheit' die Gegner nieder (Ex 15,7), ist ,in seiner Hoheit' der am Himmel in Wolkenwagen einherfahrende, ständig hilfreiche Krieger für sein Volk (Dtn 33,26; vgl. V. 29 und Ps 68,35 sowie den von der ,Hoheit' Jahwes ausgehenden ,Schrecken' in Jes 2,10.19.21). Darin entsprechen diese Epitheta dem ,Schreckensglanz' (pulhi melamme) der kriegerischen Götter Mesopotamiens. Sind andernorts ,Majestät und Pracht' ( הודund הדר: Ps 104,1; Hi 40,10; vgl. Ps 96,6) als ,Kleidung' Zeichen der stärker statisch gesehenen königlichen Weltherrschaft Gottes, so ,Hoheit und Macht', verbunden mit dem Verb ,sich gürten', Zeichen seiner dynamisch-kriegerischen Kraft gegenüber allen Mächten, die die Welt in den Abgrund zu reißen drohen". 9 4
Für Jeremias stehen demnach nicht die Erfahrbarkeit und eventuelle Wahrnehmungsmöglichkeiten dieser Herrlichkeit an erster Stelle, sondern vielmehr eine grundlegende Unterscheidung, die als Kernthese seine Untersuchung durchzieht: die Unterscheidung zwischen einem statisch und dynamisch gesehenen Königtum JHWHs im Alten Testament.95 Er knüpft dabei an frühere Ausführungen etwa zu Dtn 33,26 an, wonach hier nicht von einer Epiphanie die Rede sei. Vielmehr soll ״das Einherfahren auf Wolken und im Sturm nur Jahwes Macht darstellen und seine Fähigkeit,
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BRONGERS, Die metaphorische Verwendung, 7 3 , zum Zusammenhang mit akk. melammu „Schreckensglanz". 86 DOHMEN, Das Bilderverbot, 333; vgl. unten Abschnitt III. 87 DOHMEN, aaO, 334, unter Rückgriff auf KEEL, Jahwe-Visionen, 13: „Im Rahmen ihrer jeweiligen literarischen Einheit erfüllen sie [die Visionen] die Aufgabe, das Berichtete zu legitimieren und zu beglaubigen. Sie verleihen der vorgelegten Botschaft und ihrem Anspruch durch das Bild Jahwes, der von geheimnisvollen Macht- und Schutzsymbolen umgeben ist, Autorität. Sie erfüllen die Funktion eines Siegelabdrucks." 88 SMITH, Seeing God, 182f; vgl. auch DERS., Early History, 115ff; DERS., Solar Language, 29 ff. 89 Vgl. SMITH, Solar Language, 31 ff. 90 SMITH, Solar Language, 38; vgl. auch DERS., Review zu H.-P. STÄHLI, Solare Elemente, JBL 106 (1987), 513-515. Zu Position und Ergebnissen STÄHLIS, die von SMITH unter breiter Zustimmung aufgenommen werden, siehe dort. Zur engen Verbindung zwischen Königsideologie und Sonnentheologie in Israels Umwelt und zur ikonographischen Präferierung von Sonnensymbolen in der neuassyrischen Kunst vgl. unten Abschnitt IV. und SMITH, Solar Language, 38f.
91
AaO. 37.
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LANGER,
Gott als ״Licht", 205; zum lichthaften Aspekt der alttestamentlichen GottesVorstellung vgl. auch PODELLA, Licht, 634f; vgl. jetzt KEEL, Jerusalemer Kulttraditionen, 488f, und die dort geäußerte These, daß der Jerusalemer Tempel ein ursprünglicher Sonnentempel gewesen sei, aus dem JHWH den Sonnengott ״ausgebürgert" habe. Siehe unten S. 185 f mit Anm. 104. 93 Dies wird beispielsweise deutlich in AALEN, 161,אורff und 163: ״Der religionsgeschichtliehe Hintergrund des at.lichen Lichtbegriffes ist in dem ,präsolaren' Stadium zu suchen, das in Ugarit, bei den Sumerern und in einer alten Schicht der ägyptischen Religion sichtbar ist". Der Autor fußt bisweilen auf religionsgeschichtlich veralteten Annahmen, etwa der Theorie, daß der babylonische Gott Marduk ursprünglich ein Gott der Frühlingssonne gewesen sei, aaO. 162. Zur Kritik an dieser sumerische Namensetymologie (damar־utu(־k) > d marutu(-k)) voraussetzenden These, vgl. SOMMERFELD, Aufstieg Marduks, 9ff. 94 Königtum, 20f. 95 Zur Kritik an dieser These vgl. JANOWSKI, Königtum Gottes, pass., bes. 402ff.
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Einleitung
jederzeit einzugreifen".96Allen genannten Arbeiten ist gemeinsam, daß ihre Ergebnisse die Thematik des Königtums explizit benennen oder zumindest umkreisen. Für die Frage nach dem Lichtcharakter alttestamentlicher Hoheitsprädikationen verstärkt sich die Tendenz, eine judäische Licht- und/oder Sonnentheologie97 anzunehmen, die wesentliche Aspekte der Sonne und Sonnengottheit (Sonnenlauf als Prozession, Durchleuchtung der Welt, Gerechtigkeit und Souveränität) für die Konzeption des politischen Königs und auch des im Tempel thronenden Königsgottes fruchtbar macht: ״Es hat den Anschein, daß in der Sonne und ihrem Lauf die Gottesherrlichkeit nach ihrer visuellen Seite hin konkretisiert werden soll." 98
III. Religionsgeschichtliches Deutungsmodell Stand im Zentrum der traditionsgeschichtlichen Arbeit die Frage, woher die Epiphanie- und Herrlichkeitsaussagen semantisch gespeist werden, so steht die religionsgeschichtliche Interpretation unter dem Stichwort der Tempeltheologie, die durch eben diese explizite Herrlichkeitssemantik geprägt sei. 99 Im Sinne einer alttestamentlich-religionsgeschichtlichen Fragestellung hat H. Spieckermann auf die Differenz in der Herrlichkeitstheologie zwischen vorexilischer und exilisch-nachexilischer Zeit hingewiesen. Der Differenzpunkt besteht einfach gesagt darin, daß im Laufe der Geschichte Israels und angesichts der vielfachen historischen Erfahrungen mit dieser Geschichte sich das Bild von dem im Tempel thronenden Königsgott gewandelt habe und damit auch die Modi der Gottespräsenz. So gelangt Spieckermann zu der Überzeugung, daß der nachexilische Endtext von Ps 19: ״von dem Wunder der Gottesherrlichkeit bestimmt [sei], die hörbar und sichtbar [Hvbg. von mir] den Kosmos durchwaltet und ihre vollendete Manifestation in Wort und Wirkung der Tora h a t . . . Es ist dies die tempeltheologische [sc. Tradition], deren Vorstellung der Gottespräsenz vom Tempel her in der Welt hier in einer pointierten Herrlichkeitstheologie gleichsam umgekehrt wird, indem die aus dem Kosmos diffus strömende Herrlichkeitskunde im Torawort theologische Identität... gewinnt. Die in
96
Theophanie, 71.173f. Vgl. auch KEEI/UEHLINGER, Göttinnen, 282ff; NIEHR, Der höchste Gott, 141ff; TAYLOR, Yahweh and the Sun, 257ff; KEEL, Jerusalemer Kulttraditionen, 484ff; JANOWSKI, JHWH und der Sonnengott, 227 ff.234ff. 98 SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 66. Zu den genannten Aspekten vgl. grundlegend JANOWSKI, Rettungsgewißheit, 174 ff. 99 Zum Terminus und seinem Bedeutungsumfang vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 220ff bes. 220: ״Folglich hat Tempeltheologie ihre eigene Artikulationsweise, welche das, was Jahwe ist und tut, ebensosehr verbirgt wie enthüllt. Sie ist durch eine umfassende Herrlichkeitsterminologie charakterisiert, die den inneren Vorstellungszusammenhang zu konturieren ermöglicht." 97
23
diesem Psalm von der Tora besetzte theologische Position wird in vorexilischen Psalmen von dem im Tempel thronenden Deus präsens wahrgenommen." 1 0 0
Auch wenn sich die Herrlichkeitstermini (הדר, הוד, )כבודsemantisch kaum bzw. gar nicht mehr identifizieren lassen, so läßt sich ihr ursprünglicher Kontext in der Königsideologie erkennen. Der mit ihrer Hilfe gebildete Aussagen־ komplex gestaltet im Rahmen der Tempeltheologie die Dimension der Teilhabe. Die Herrlichkeit und Majestät des im Tempel thronenden Königsgottes färbt auf seine Umgebung ab. Der Aspekt der Teilhabe an der Herrlichkeit des anwesenden Gottes bezieht sich sowohl auf den Tempel, als den ihn umgebenden Raum, als auch auf die ihn kontaktierenden göttlichen und menschlichen Wesen. 101 Insofern kennt die Tempeltheologie einen manifest werdenden ״Abglanz der Gottesgegenwart"102, der auch äußerlich, d.h. visuell erfahrbar ist. Die in der Interpretation Spieckermanns ästhetischen Urteile ״heilig schön", ״gipfel schön"103 (Ps 93,5; 48,3) sind kaum nur metaphorisch gemeint, sondern setzen ein visuell geleitetes Empfinden und Urteilen voraus.104 Dieses 1st ״an die im Tempelkult erfahrene und hymnisch vergegenwärtigte Präsenz des Weltkönigs"105 gebunden, daran daß JHWH ״sich allein in seiner königlichen Epiphanie loben lassen" will106 (Ps 93,1 f). Der Frage, wie und ob diese Epiphanie dargestellt wird, kommt damit besondere Bedeutung zu. T. Mettinger hat die Präsenz Gottes im Tempel den ״Theophanietraditionen" gegenübergestellt und danach gefragt, ob die Vorstellung des thronenden deus praesens die mehr dynamische Idee ״of the coming of God" ausschließe. 107 Die geflügelten Keruben, die mit ihren seitlich ausgestreckten Schwin־ gen den Thronsitz JHWHs im Allerheiligsten bilden, und JHWHs Fahren auf einem Keruben in Ps 18,11 dürfe man nicht als Gegensatz verstehen, sondern als komplementäre Elemente älterer kultischer Traditionen: ״The outstretched wings of the cherubim help to create an iconographic impression of ,frozen motion 4 , and thus through a brilliant paradox unify the idea of static presence implicit in the throne motif with the dynamic parousia implicit in the theophany". 1 0 8
100
SPIECKERMANN, a a O . 7 2 .
101
Dabei erscheint es fraglich, ob die Tempelbesucher vom ״König der Herrlichkeit" (Ps 2 4 ) , der ״ebenfalls in sein Heiligtum will", begleitet werden (SPIECKERMANN, ״Die ganze Erde ist seiner Herrlichkeit voll", 422). Von einer Begabung mit numinosen Qualitäten redet der Psalm - etwa im Vergleich zu Ps 8 - kaum. Eher ist an eine Prozession zu denken, die die Herrlichkeit JHWHs für das anwesende Volk erfahrbar macht; s. auch aaO. 221. 102
SPIECKERMANN, a a O . 2 2 2 .
Heilsgegenwart, 222; JANOWSKI, Königtum Gottes, 415 mit Anm. 95. Dem besonderen Verhältnis von Ästhetik und Numinosem, d.h. der Frage, inwieweit Numinoses immer auch ästhetisch ist, kann hier nicht weiter nachgegangen werden, vgl. aber die Ausführungen von CANCIK/MOHR zur Religionsästhetik in HrwG 1,121 ff. Mit der ״Schönheit" aus theologischer Sicht befaßt sich nun ZEINDLER, Gott und das Schöne, pass. 105 JANOWSKI, Königtum Gottes, 407. 106 SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 182; JANOWSKI, Königtum Gottes, 436. 107 METTINGER, Dethronement, 3 2 ff, unter dem Titel ״Temple andTheophany". los METTINGER, Dethronement, 36 und 37: ״The concept of God is thus at once both 103
104
SPIECKERMANN,
10
24
Einleitung
Zum Forschungsstand
Die enge Verbindung zwischen Tempeltheologie und politischem Königtum wird ebenfalls deutlich an den Insignien und Attributen des davidischen Königs in Ps 21,4.6:
und eigenständige Wirkgröße, die man sehen und beschreiben kann.115 Und so muß man ergänzen - auch jetzt gibt es ein Menschenwesen, das irdischer IHD-Träger ist: der königliche Mensch in der Tradition von Ps 8,6. 116 Über die Explikation zu V. 6, den Versen 7 - 9 (Herrschaftsauftrag), sind Ps 8 und der priesterschriftliche Passus über den Herrschaftsauftrag des Menschen in Gen 1,28 miteinander verbunden. Beide Texte verstehen in unterschiedlicher Deut־ lichkeit dieses Amt als ״Königsamt".117 Lag in früheren Arbeiten der Hauptaspekt auf der hier zum Ausdruck kommenden ״Demokratisierung der Königsvorstellung"118, so stellt Spiecker־ mann die Anthropologie dieses Psalms entwicklungs- und wirkungsgeschichtlieh ganz in den Rahmen der Tempeltheologie, wertet ihn als ״Summe tempel·־ theologischer Anthropologie".119 Ist Tempeltheologie primär königliche theologia gloriae und bestimmen Gen 1,28 und Ps 8,6ff das Amt des Menschen als Königsamt, dann hat dies unmittelbare Auswirkungen für die Gen 1,28 voran־ gehende Bestimmung des Menschen als imago dei (V. 26f). Es ist zu fragen, ob die imago-Vorstellung mit dem Hinweis auf den königlichen Herrschaftsauf־ trag zureichend beschrieben und die verwendete Bildterminologie eher als Denk- denn als Sehbild120 zu begreifen ist, oder eignet ihr nicht gerade auch jene visuelle Dimension, die über den tempeltheologisch gebundenen כבודBegriff an die Gestalt eines thronenden Gottes denken läßt? Diese nun schon materiale Erörterung der Frage, wie JHWH visuell vorgestellt, gedacht und beschrieben wurde, leitet über zum Thema der ikonographisehen Realisierung gottköniglichen Glanzes und Abglanzes.
״Denn du überschüttest ihn (sc. den König) mit gutem Segen du setzt auf sein Haupt eine goldene Krone . . . Groß ist sein כבודdurch deine Hilfe הוד והדרlegst du auf ihn 1 0 9 .״
Die göttlichen Attribute, die der König erhält und die an der Krone auf seinem Haupt gleichsam materialisiert und erfahrbar werden, lassen sich als Bindeglied zwischen Gott und König verstehen, wie auch umgekehrt gilt, daß Gott, wenn er diese Königsattribute verleiht, als Königsgott vorgestellt ist. Das Bild, das die Tempeltheologie von JHWH zeichnet, ist demnach nicht nur sprachlich ein königliches, sondern auch visuell und mental das Bild eines Königs. Aufgrund der bereits oben skizzierten Teilhabe-Theorie, wonach numinose Herrlichkeit auf Gegenstände und Personen abfärbt, eignet in letzter Konsequenz schließlich auch der Welt als Herrschaftsbereich dieses Gottes dessen majestas,110 d.h. darin ״liegt überhaupt die Eigenart der göttlichen Herrlichkeit ... Sie ist überall als Entäußerung des (im Tempel thronenden) Deus praesens, ohne in den Pantheismus abzugleiten"111, begreiflich. In der Person des politischen Königs und ausgehend vom Jerusalemer Tempel wird in vorexilischer Zeit die Herrlichkeit JHWHs manifest. Innerhalb der exilischen Theologie des Ezechielbuches (Ez 43,1-11) wird beschrieben, wie die Herrlichkeit JHWfHs in den neuen Tempel zurückkehren wird.112 Erstmals (?) begegnet an dieser Stelle - und dann113 vor allem in der Priesterschrift - die JHWH-Herrlichkeit als handelndes Subjekt. Der כבוד יהוהbildet ab jetzt die Erscheinungs- und Präsenzweise Gottes in der Welt. In der späten Prophetie begegnet diese Vorstellung z.B. bei TrJes (Jes 60,1) und wird in seltsamer Weise mit Aussagen von ״Licht", ״Strahlen" etc. parallelisiert. War also in früherer Zeit die majestas dei durch den im Tempel thronenden Gott lokal begrenzt114, so erscheint sie in exilischer Zeit als mobile
aniconic and anthropomorphic". Zur Umprägung der tempeltheologischen TOD-Theologie in der Priesterschrift vgl. aaO. 80ff.85 ff.96f. 109 Die Austauschbarkeit der Prädikationen für Königsgott und König betonen HOSSFELD/ ZENGER, NEB 29,142 f. Zu den Prädikationen siehe unten S. 235 ff. 110 Vgl. auch SPIECKERMANN, „Die ganze Erde ist seiner Herrlichkeit voll", 223. 111 SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 225. 112 Vgl. JANOWSKI, „Ich will in eurer Mitte wohnen", 168ff; SPIECKERMANN, „Die ganze Erde ist seiner Herrlichkeit voll", 430. 113 Zum Verhältnis zwischen Ezechiel und P G in sprachgeschichtlicher Hinsicht vgl. HURVITZ, A Linguistic Study, pass.; DERS., Dating the Priestly Source, 88-100. 114 „Begrenzt" heißt natürlich nicht begrenzte Wirksamkeit, sondern Begrenzung durch das Tempelhaus, Bindung an den Thron als Ausgangsort der Herrlichkeit, vgl. METTINGER, Dethronement, 32ff.24ff.
115
Zum „Erscheinen" der Herrlichkeit JHWHs vgl. unten Kap. 3 B. 1.2.c; zu den Beschreibungen vgl. bereits oben zu DOHMEN, S . 19 f; vgl. auch METTINGER, Dethronement, 9 6 f , bes. 97: „God is depicted as leading his people from campsite to campsite". 116 Vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 226ff; und Kap. 3 C . II. 117 SPIECKERMANN, aaO. 235; DERS., „Die ganze Erde ist seiner Herrlichkeit voll", 431f, unter dem Gesichtspunkt der Mehrungsverheißung; UEHLINGER, Zeichen des Bundes, 196 Anm. 2 nimmt eine „Übertragung der im Alten Orient auf den König bezogenen Aussage der ,Gottebenbildlichkeit' auf die Menschen in Gen 1,26" an. Zum Herrschaftsauftrag vgl. JANOWSKI, Herrschaft, 183ff; s. auch KAISER, Der Mensch, 99ff. Eine weitere Frage, die sich hier stellt, betrifft das Verhältnis zwischen priesterschriftlicher Anthropologie (Königsamt) und den Aussagen mesopotamischer Schöpfungstexte, die den Menschen generell als Diener der Götter sehen und - wie in einem Fall - von der Schöpfung des Königs explizit absondern, vgl. MAYER, Erschaffung des Menschen, 55ff. 118 Vgl. z.B. SCHMIDT, Glaube, 221.225-229, und SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 234mit Anm. 23. 119 SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 239„ vgl. auch 229f.232.235. 120 Vgl. KEEL, Jahwe-Visionen, 69; DERS., AOBPs, 8f, und die „Anwendung" dieser Einsicht auf „Sprachbilder" bei JANOWSKI, Königtum, 446.
26
Einleitung
Zum Forschungsstand
IV. Ikonographisches Deutungsmodell Ausgangspunkt der drei zuvor genannten Deutungsmodelle war der Sachverhalt, daß erstens JHWH als Subjekt eines Bekleidungsvorganges genannt wird121, daß zweitens als Erscheinungsformen JHWHs der ( כבוד יהרהEx 24,15ff) 122 und Licht- bzw. Sonnenphänomene in Anschlag gebracht werden und daß drittens die Hoheitstermini eine Herrlichkeitssemantik bilden, die das Zentrum der Tempeltheologie darstellt. Die deutlich sichtbare Tendenz, hebr. כבודund akk. melammu ״Schreckensglänz" miteinander zu identifizieren123, führt so einerseits auf die Frage zu, inwieweit der durch melammu und parallele Termini124 bezeichnete göttliche Schreckensglanz mit dem iranischen xvarnah und hebräischen כבודeinen Sachzusammenhang bildet.125 Andererseits erfordert sie, wie bereits W. H.Ph. Römer bemerkt, ״noch einmal der Frage nachzugehen, ob numinose Lichterscheinungen in der darstellenden Kunst des alten Mesopotamiens begegnen. Zu denken wäre dabei vielleicht wenigstens an die aus der Glyptik der Akkadzeit bekannten Darstellungen von Strahlengöttern".126 Ohne im einzelnen diese Frage zu erwähnen oder zu präzisieren, sind schon von H. Frankfort und neuerdings von O. Keel und Chr. Uehlinger bildliche Darstellungen als Repräsentationen der göttlichen Herrlichkeit bzw. des Schreckensglanzes gedeutet worden: der anthropomorphe Gott in der Flügelsonne und die Göttin Istar im Strahlenkranz, beides Bildelemente, die ab der neuassyrischen Zeit bekannt sind.
In Urartu findet sich das Motiv eines in der Flügelsonne stehenden, bisweilen auch schwebenden Gottes auf Metallscheiben, Gürteln, Pferdegeschirren und Wagenbeschlägen.129 Traditions- und motivgeschichtlich leiten sich schließlich auch die achämenidischen Darstellungen eines geflügelten Gottes bzw. der Büste im Ring von den (urartäisch vermittelten?) assyrischen Vorbildern ab.
1 Keel, Jahwe-Visionen, 262 Abb. 189
1. Der anthropomorphe Gott in der Flügelsonne Seit der neuassyrischen Zeit begegnet häufig in der Glyptik127 und seltener in der Reliefkunst128 in Assyrien ein anthropomorpher Gott, der aus dem Ring/ der Scheibe einer Flügelsonne herausragt. Der Gott erscheint hier zumeist über dem Sakralbaum schwebend, oder er begleitet in der Luft die darunter abgebildete Aktion des Königs (Abb. 1 - 5 , S. 27ff).
121
Siehe oben S.6f. Vgl. zum Text JANOWSKI, Sühne, 303ff; STRUPPE, Herrlichkeit Jahwes, 7ff; s. auch PODELLA, Sich zeigen und gesehen werden, 1 8 4 f . 122
123 V g l . WEINFELD, 124
Vgl.
28
,כבודf.
Splendeur divine, 17ff; RÖMER, Beiträge, 1 4 5 f f ; DERS., Lichterscheinungen, 65ff; OPPENHEIM, pul(u)h(t)u, 3 1 ff; BRUSCHWEILER, Inanna, 1 1 3 - 1 5 3 . 125 OPPENHEIM, Ancient Mesopotamia, 9 8 ״The royal halo is also referred to in Middle Persian (Sassanian) texts as xvarena, in late classical as aura, and a corresponding nimbus is pictured about the living emperor as late as in early Christian representations". 126 RÖMER, Lichterscheinungen, 6 5 - 1 2 2 , hier 1 2 2 mit Hinweis auf die akkadzeitlichen Darstellungen bei BÖHMER, Entwicklung, Abb. 3 2 2 . 3 2 7 . 3 2 8 . 3 2 9 . 3 3 9 . 3 4 0 . 127 Vgl. unten Kap. 2 C. II.2. 128 Vgl. unten Kap. 2 C. II.l.
27
CASSIN,
2 Uehlinger, Zeichen des Bundes, Abb. 1 - 2
129
EICHLER,
Götter, 28ff; siehe unten Exkurs 2.
10
Zum Forschungsstand
Einleitung
Während es früher als opinio communis galt, daß die so abgebildeten Gottheiten mit 1. dAssur, 2. dHaldi und 3. Ahuramazda zu identifizieren seien, 130 ist seit der Entdeckung des Fels-Reliefs von Sikaft־i Gulgul die Identifizierung mit dem Sonnengott dSamas gesichert. J. Reade 131 , P. Calmeyer und U. Seidl haben zudem in einer Reihe von Publikationen darauf hingewiesen, daß es weder kulturgeschichtliche noch philologische Gründe gebe, den Gott in der Flügelsonne mit Assur bzw. Ahuramazda zu identifizieren. Vielmehr sei die Flügelsonne in Assyrien als Symbol des Sonnengottes Samas durch eine Reihe von Inschriften auf Stelen gesichert, so daß es sich nur um den anthropomorph dargestellten Sonnengott oder eine Emanation desselben handeln könne. 132 Calmeyer verweist bezüglich der urartäischen Siegesdarstellungen auf den kriegerischen Aspekt des Sonnengottes und deutet schließlich das geflügelte Wesen in den urartäischen Darstellungen als ״sonnenhafte Hypostase des Königtums"133; im assyrischen Bereich als ״sonnenhaftes, götterähnliches zweites Selbst des Königs"134 sowie in den achämenidischen Darstellungen als jwarnah.135 Auf den sonnenhaften, aber mehr zum Lichtcharakter hin gerück־ ten Aspekt der anthropomorphen Flügelsonne hat H. Frankfort hingewiesen: ״The deity was . . . equipped with wings and with a feathered tail, and these wings, which had first symbolised the region where the god dwelt, now became an attribute, almost an organ of the deity. The disk, on the other hand, became a ,glory'... exalting the god's appearance and terrifying his enemies" 1 3 6 ,
während G.E. Mendenhall das Bildmotiv als melammu des Gottes Assur bzw. als ״the king's divine air power"137 versteht. Während K. Koch die Frage, wen die Person in der Flügelsonne repräsentiere, offen läßt138 und eher eine ״Grösse über dem Himmelszelt, die über die kosmische Ordnung einschließ־ lieh des grossköniglichen Regiments wacht"139, im Blick hat, gelangt B. Langer zu einer deutlichen Favorisierung des mesopotamischen Sonnengottes und seines Glanzes zur Erklärung des140 כ ב ו דיהרה.
WO VGL FRANKFORT, Cylinder Seals, 210ff; DOUGLAS VAN B U R E N , Symbols, 102f; aaO. 72; und die Liste bei CALMEYER/SEIDL, Siegesdarstellung, 108. 131
Vgl.
132
CALMEYER,
133 134 135 136 137
138 139 140
Shikaft־i Gulgul, pi. I (Abbildung) und bes. 3 8 f . Fortuna, 358. CALMEYER/SEIDL, Siegesdarstellung, 111. CALMEYER, Fortuna, 3 5 8 Anm. 2 6 . CALMEYER, Fortuna, 362. FRANKFORT, Cylinder Seals, 2 1 2 . MENDENHALL, The Tenth Generation, 44ff. Reichsidee, 95. Ebd., 93. Vgl. LANGER, Gott als „Licht", 69ff, bes. 71.
4 Keel, Ijob, Abb. 30
EICHLER,
READE,
5 Keel, Ijob, Abb. 46
29
Zum Forschungsstand
Einleitung
10
Chr. Uehlinger141 hingegen nimmt aufgrund der bisweilen in der Hand dieses Gottes dargestellten Waffe (Abb. 1.2, S.27) an, daß hier der göttliche Kriegs-/Siegesbogen ein Herrschaftssymbol darstelle. Aus einem Vergleich der Rollenkonstellation mit Gen 9 (Ordnung garantierender Gott - Widersacher Kriegsbogen) und der Gottesbeschreibung in Ez 1, die ebenfalls einen Hinweis auf einen Bogen 142 enthält, schließt Uehlinger, einen Hinweis O. Keels 143 aufgreifend: ״Dieser Vision liegt das Bild des Gottes in der geflügelten Scheibe zugrunde".144 Mehr symbolistisch ordnet an anderer Stelle Keel den anthropomorphen ״Sonnengott" einer Bildkonstellation der ״heilen Welt"145 zu (Abb. 3 - 5 , S. 29). Diese (vgl. Abb. 3, S. 29) ״besteht in der vollständigen Form in einem stark stilisierten Lebensbaum, der die Erde bzw. deren heilvolle Ordnungen repräsentiert, über dem von zwei Himmelsträgern gehalten, der Himmel mit dem [sie!] Köpfen der drei uranischen Hauptgötter zu sehen ist".146 Besondere Erwähnung verdient an dieser Stelle, daß E. Porada auf eine Neuerung in den künstlerischen Darstellungen aus Persepolis aufmerksam macht. Neu sei, daß der König in der Darstellung nicht von der Gottheit unterschieden werde bzw. daß durch Szenen, in denen der König Monster und Fabeltiere bezwinge, auch visuell zum Ausdruck gebracht werde, ״that the king rose into the sphere of superterrestrial powers"147. Eines der Hauptargumente gegen die Ahuramazda- und Assur-Theorie ist, daß die Achämeniden ihre Gottheiten, wie im alten Israel, bildlos verehrt hätten.148 Dies trifft in gewisser 141 Vgl. zum folgenden Zeichen des Bundes, 195ff. Zu Abb. 1 vgl. auch KEEL, A O B P S , 196, sowie aaO. Abb. 295. 142 Ez 1,28 sagt aber nun im Unterschied zu Gen 9 explizit, daß der Bogen ein Regenbogen ist und damit mit dem göttlichen Kriegsbogen nichts gemeinsam hat, vgl. unten S. 201 ff. 143 Vgl. KEEL, Jahwe-Visionen, 260f. Es handelt sich um das Problem, daß Ez 1,22ff in der Beschreibung des Thronenden eine Zweiteilung etwa im Hüftbereich vornimmt, derzufolge die Person nach oben Glanz wie Gold, nach unten aber Feuer ausstrahlt. Diese Beschreibung habe bereits im Jahre 1898 R. D U S S A U D zu einer Identifikation mit dem bogenschießenden Gott, s. o. Abb. 2, veranlaßt. Eine solche Interpretation hält KEEL, aaO. 261, allerdings ״vom ursprünglichen Bildgedanken her gesehen" für falsch. 144 UEHLINGER, aaO. 196. Die Quellen sind von KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 336ff, erneut interpretiert und um weitere Darstellungen, siehe unten Kap. 2 B.II., vermehrt worden. Sie gelangen dabei für den Gott in der Flügelsonne zu dem Ergebnis, daß in der EZ II C die geflügelte Scheibe ״nur noch episodisch und dann in Zusammenhängen vorfkäme], die oft eher ein Verständnis als Himmelsdarstellung denn eigentlich als Sonne oder Symbol für den Sonnengott Schamasch nahelegen", aaO. 338. Die Autoren (für dieses Kapitel VIII zeichnet CHR. UEHLINGER verantwortlich) formulieren allerdings die Analogie des geflügelten Sonnengottes mit Ez 1,26f ausgesprochen vage, aaO. 339, und unter der Voraussetzung der oben konstatierten Abschwächung des solaren Aspektes (vgl. den § 172 des o.g. Buches) in der EZ II C entsteht der Eindruck, als ob dies auch für die Ezechiel-Vision gelte. Vgl. besonders unten zu den Darstellungen der Istar im Strahlenkranz, Kap. 2 C. I. 145 KEEL, Ijob, 89f; aaO. 99 zu unserer Abb. 4; aaO. 108 zu unserer Abb. 5. 146
147
6 Eichler, Götter, 28 Objekt S. 1 - Urartu
Weise auch für die Darstellungen Assurs und für den urartäischen Gott Haldi (vgl. Abb. 6) zu. Besonders das häufige Vorkommen des Motivs auf Wagenbeschlägen in der Zeit des Ispuini/Menua (824 v. Chr.) deute zusammen mit einer für diese Zeit charakteristischen Einleitungsformel darauf hin, daß der Gott ״unsichtbar und körperlos in seinem Wagen" anwesend sei. 149 2. Istar im Strahlenkranz Als zweite Realisierungsvariante luminoser göttlicher Aspekte oder Attribute gilt der Strahlenkranz, der die Göttin Istar auf Siegeln der nA־Zeit und auch Anahita und Mithra seit Artaxerxes II. umgibt. Gemeint ist, wie schon die unterschiedlichen Termini aura, nimbus, halo, Strahlen- und Sternenkranz zeigen, daß die Göttin in einem kreisförmigen Gebilde erscheint, das nach außen hin mit Sternen oder Kugeln besetzt sein kann. Dieses distinktive Merkmal des astralen oder uranischen Charakters der Göttin wird sowohl von Keel als auch von U. Winter der ״Himmelskönigin" Istar zugeordnet.150 Unter dem Stichwort die ״ferne Göttin" analysiert Winter verschiedene Möglichkeiten, wie das ״ganze Spektrum weiblicher Existenz" visuell dargestellt wurde, w o z u er bemerkt: ״Die Frau, die sich im öffentlichen oder privaten Kult mit einem dieser Aspekte identifizierte, eiferte nicht einfach einem Ideal nach, sondern realisierte ein Stück weit ihre eigene Verklärung". 151 Die Grenze zwischen Gott und Mensch wird durch distinktive Merkmale angedeutet - Flügel als Zeichen der ״Allgegenwart", der
KEEL, a a O . 8 9 f .
Review zu SCHMIDT, Persepolis, J N E S 20 (1961), 68. Zur Frage nach der Religion der Achämeniden vgl. H. KOCH, Götter und ihre Verehrung, 239ff; DIES., Religion der Achämeniden, 393ff; DIES., Dareios, 276ff; BOYCE, The Religion of Cyrus the Great, 21 ff. 148
31
Zur Genese altiranischer Motive, 5 4 ; s. auch EICHLER, Götter, 7 2 . Blicke, 5 1 f; WINTER, Frau, 4 5 5 ff; sowie zur alttestamentlichen Form der Himmelskönigin 561 ff. 151 WINTER, Frau, 4 4 2 . 149
CALMEYER,
150
KEEL,
10
Einleitung
Zum Forschungsstand 32
״Thron" als Ausdruck der Distanz zwischen Herrscher und Untertan oder die „Schilderung einer Gottheit als astraler oder uranischer Erscheinung" 152 .
Unabhängig von der Frage, inwieweit die hier geäußerte Identifikationsthese tatsächlich zutrifft, hat Winter einen Sachverhalt beschrieben, den andernorts Keel unter dem Stichwort Theomorphie behandelt hatte. 153 Angesichts der Frage, welcher interpretatorische Stellenwert den astralen Bildelementen in literarischen Vergleichen zukomme, vergleicht Keel die als Göttin erscheinende Geliebte -: „Wer ist diese, die da herabschaut wie (die) Morgenröte, schön wie der Mond, rein wie die Sonne, angsterregend wie nidgälöt\" (Hld 6,10) 1 5 4 -
mit weiteren Texten der orientalischen Liebeslyrik und schließt, daß der Vergleich des/der Geliebten mit numinosen Himmelserscheinungen äußerst beliebt sei. Hier liegt nicht Mythologie, sondern zweifellos „Theomorphie"155 vor. Was ohne jede Parallele zu sein scheint, ist die Kombination „von astralen und kriegerisch furchteinflößenden Aspekten wie in Hld 6,10"156 innerhalb des Liebesliedes. Genau diese Kombination finde sich nun bei der assyrischen Istar, deren Kenntnis wohl über die Jer 7,18 u. ö. bekannte „Himmelskönigin" nach Israel gewandert sei. Auf Rollsiegelbildern nA Herkunft werden öfter die Waffen mit einem Stern bekrönt (Abb. 7, S. 33), oder die Göttin „ist von einem Nimbus aus Sternen (?) umgeben"157 (Abb. 9, S.35). Dieser Nimbus sei in einem anderen Beispiel (Abb. 8 oben, S. 33) „noch reicher gestaltet,... insofern zum einfachen Kugelring noch ein Ring mit Kugel- und Zackensternen kommt".158 Schließlich (Abb. 8 unten, S.33) werde die thronende und ohne Waffen dargestellte Göttin nach Keel im Strahlennimbus dargestellt. Der Nimbus, in dem die Göttin noch häufiger begegnet 159 , wird als visuelle Realisierung des astralen Aspektes verstanden und „stellt vielleicht das melammu, den numinosen Strahlenglanz dar".160 Die Analyse dieses Sachverhaltes hat O. Keel nun gemeinsam mit Chr. Uehlinger in den umfassenden und anspruchsvollen Horizont einer „Religionsgeschichte Kanaans und Israels"161 eingeordnet. 152
WINTER,
153
Vgl. KEEL, Blicke, 49. KEEL, Blicke, 46.
154
Frau, 442-455.
155 KEEL, Blicke, 48f. Zum Terminus aaO. 25f nach MÜLLER, Die lyrische Reproduktion des Mythischen, 32; auch Göttertravestie oder divine fictions nach DAVIS, Remarks, 112. Vgl. auch die Bezeichnung Elohim für den König in dem Hochzeitslied Ps 45,7.
156
KEEL, Blicke, 51.
157
Ebd., 52. Ebd. 159 Siehe im Katalog die Nummern 54 ff. 160 KEEL, Blicke, 52, unter Hinweis auf die feindüberwindende Kraft und CASSIN, Spiendeur divine, 73f.78; s. ferner RÖMER, Lichterscheinungen, 69ff; BRUSCHWEILER, Inanna, 183 ff. 161 So der Untertitel des von ihnen gemeinsam publizierten Buches Göttinnen, Götter und 158
8 oben: Keel, Blicke, Abb. 34; unten: Keel, Blicke, Abb. 35
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Einleitung
Nach der Beschreibung der EZ II C ist die Göttin Istar die einzige ikonographisch gut bezeugte Göttin in Palästina. In der Darstellung im Strahlennimbus (Abb. 10, S. 35) ist sie in Sichern, der Gegend von Beth-Schean und Dor belegt. ״Astralsymbole und Strahlenkranz . . . weisen darauf hin, daß wir es mit einer Macht zu tun haben, die sich bevorzugt in der Nacht (bzw. am Übergang von Tag und Nacht als Morgen- und Abendstern) in astraler Gestalt zu erkennen gibt".162 Die Belege dienen als Argument, daß in der EZ II C die Göttin ״primär in der astral konnotierten Erscheinungsweise im Strahlenkranz bzw. Sternennimbus bekannt war . . . Wie wir ... sehen .... sind die himmlischen Mächte unter assyrisch-aramäischem Einfluß in der EZ II C primär in ihrer astralen Erscheinungsweise (Mond, Venus, Pleiaden ...) als Gottheiten der Nacht wahrgenommen und verehrt worden."163 Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die personifizierte Flügelsonne entweder alsxvarnah ״königlicher Glücksglanz", als sonnenhaftes alter ego des Königs oder als Glorienschein des aus ihr herauswachsenden Gottes gedeutet wird. Ebenfalls als licht artiger, numinoser Glanz wird der Nimbus der Göttin Istar im Rahmen eines Prozesses zunehmender Astralisierung von Gottheiten verstanden. In stark verkürzter Form begegnen visuelle Darstellungen der majestas dei in parthischer, sassanidischer und, vermittelt über die Seidenstraße 164 und das China der Tang-Zeit, in der japanischen Kunst.165 Über die sich nun aufdrängende Frage hinaus, ob etwa auch der כבוד יהרהin dieser oder jener Weise vorzustellen sei, fällt auf, daß beide Motive in engstem Kontext mit der Figur und vielleicht auch den kultischen Aktivitäten des Königs stehen. Außerdem verrät die Unsicherheit in der Zuweisung zu namentlichen Göttern, daß visuell dargestellte Phänomene oftmals nur einen bestimmten Aspekt des Göttlichen darstellen wollen.
C. Präzisierung der Fragestellung Religionsgeschichtlich ist es von fundamentaler Bedeutung, daß das Aussehen der Götter, besser das Bild, das man sich vom Aussehen der Götter machte, nicht nur anthropomorph konzipiert war, sondern durch Kultbilder166
Gottessymbole. Zur Kritik an diesem Ansatz vgl. H . WEIPPERT, Zu einer neuen ikonographisehen Religionsgeschichte, l f f . 162 KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 3 3 4 ; vgl. auch KEEL, Z B K 1 8 , 2 0 6 , wo auf den Aspekt der „Erscheinung" der Göttin vor einem Verehrer hingewiesen wird. 163 AaO. 335. 164 Vgl. zuletzt LEVIT-TAWIL, The Sasanian Rock Relief at Darabgird, 1 6 1 ff. Zu der kulturund religionsgeschichtlich äußerst bedeutsamen Rolle der Seidenstraße vgl. HAUSSIG, Seidenstraße, 185 ff. 165 y g i TANABE, Iranian xvarnah, 365ff. !66 YGI GLADIGOW, Gottesvorstellungen, 40, zur grundsätzlichen Vergleichbarkeit von
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Einleitung
vermittelt wurde. Nicht eingeschlossen im hintersten, dunklen Teil des Tempels fristeten die Kultbilder ihr Dasein, sondern sie wurden vor allem im rituellen Ablauf bestimmter Feste epiphan.167 Diese Möglichkeiten, die verehrte Gottheit zu sehen bzw. über ihr Aussehen zu erzählen und zu berichten, führen zu einer imaginativen Idee von der Gestalt und auch Schönheit der Gottheit. Dieses mentale Götterbild wird so vermittelt durch die materiale Repräsentation im Kult (vgl. Kultbild Abb. 11, S. 37), durch Erzählungen und Tradition, durch Artefakte, die an Kulthandlungen beteiligte oder im Heilig־ tum befindliche und auch epiphan168 werdende Götter.darstellen, sowie durch öffentliche Prozessionen. In der Entschränkung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Götter ziehen sie hinaus ins Land und werden realiter und in concreto epiphan. Die die Epiphanie erlebende Menge bedarf keiner Vermittlungsinstanzen und offenbar auch keines Schutzes vor der überwältigenden göttlichen Aura. 169 Zahlreiche Texte Mesopotamiens wissen von der Herstellung solcher Götterbilder, nennen ihre Materialien und die beteiligten Handwerksdisziplinen . 170 Das anthropomorphe Götterbild, im 3. und 2. Jt. v.Chr. vermutlich eine Sitzstatuette, im 1. Jt. auch Standbilder, hatte in der Regel einen Kern aus Holz und wurde mit Edelmetallen überzogen, mit Gewändern bekleidet und auf einem Sockel angebracht.171 Ist vom Kleid eines Gottes die Rede, so ist also primär ein konkretes, wenn auch besonders kostbares und reich verziertes Gewand gemeint. Lieferurkunden der neubabylonischen Zeit geben ein nachhaltiges Zeugnis davon, welche Mengen von Wolle, Leinen und anderen Stoffen, aber auch welch große
Göttern und Menschen hinsichtlich ihrer Körperhaftigkeit. Wie im einzelnen zu zeigen sein wird, ist jedoch nicht eine beliebige Körperhaftigkeit, Gestalthaftigkeit gemeint, sondern die des Königs. 167 Vgl. unten Kap. 2 B. 168 Siehe dazu jetzt BRETSCHNEIDER, Götter in Schreinen, 13-32, bes. 16ff; DERS., Architekturmodelle, Abb. 7 4 - 8 5 . In Analogie zu den minoischen Göttinnen im Epiphaniegestus lassen sich Tempelmodelle, in deren Eingangsfassade eine Göttin „erscheint", ebenfalls als Darstellungen von Epiphanien bewerten. Darüber hinaus zeigen Darstellungen die Götter wohl auch als Kultbilder, vgl. MOORTGAT-CORRENS, Kultbild, 117ff, vgl. dazu PONGRATZLEISTEN/DELLER, Siegel, 49f, dazu LAMBERT, The Seal, 93f, und wiederum PONGRATZ-LEISTEN/DELLER/BLEIBTREU, Götterstreitwagen, 219ff; SEIDL, Kultbild B . , 316f; SOLLBERGER, White Obelisk, 231 ff zu Abb. 11. 169 Vgl. unten Kap. 2 B. Il.l.b. 170 Vgl. unten Kap. 2 B. Il.l.a. 171 RENGER, Kultbild A., 309ff; SCHROER, Bilder, 209, schließt aus den Hinweisen auf die Herstellung von Götterbildern in nA Texten, daß z.B. Jer 10,1-16 nachexilisch sein muß. Diese Schlußfolgerung ist falsch, denn zwischen den Texten herrscht ja keine genuine, auch keine literarische Beziehung. Die auf einem Berg und in einem Schrein dargestellten neuassyrischen Statuen sind Königsstelen, vgl. KEEL, A O B P S , 440; vgl. auch PRITCHARD, A N E P , 625. Aus der Beischrift zu diesem Detail aus den Bronzebeschlägen Salmanassars III. aus Balawat geht deutlich hervor, daß ein Königsbild gemeint ist.
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11 Sollberger, White Obelisk, Szene A 3
Gewichtsmengen an Edelmetallen zu den verschiedensten Applikationen verarbeitet wurden.172 Gegenüber diesem Sachverhalt stellt sich für das Alte Testament die Frage nach dem Aussehen Gottes als Frage nach dem Gehalt alttestamentlicher Gottesbeschreibungen unter den folgenden Voraussetzungen: 1. Israel hatte keine Gottesbilder in Gebrauch. 1 7 3 2. Statt Ritualen und religiöser Königsliteratur liegt im Alten Testament eine überaus dichte, mehrfach bearbeitete, hochliterarische religiöse Prosa und Lyrik vor, deren Aussagen, Metaphern und Bilder eben die literarische Verdichtung dessen sind, was andernorts durch Ritualanweisungen technisch ״konkret" formuliert wurde. 3. Ein Gott scheint verschiedene „Zustände" (engl. State) annehmen zu können, so daß Kleidung im eigentlichen Sinne seinem anthropomorphen Zustand zukommt, während z . B . der Himmel das Kleid des Gottes in seinem transzendenten Zustand sein kann. 1 7 4
172
Vgl. unten Kap. 2 B. II.2.b. Der einzige Textbeleg für eine andere Annahme stammt aus der Beuteliste des assyrischen Königs Sargon II., vgl. GADD, Iraq 16, 173ff, anläßlich der Eroberung Samarias 722 v. Chr. Es heißt dort, daß Sargon Menschen, Kriegswagen und Götter erbeutet habe, vgl. GALLING, TGI, 60. Es ist allerdings eine offene Frage, ob diese Notiz wirkliche Götterbilder meint, oder ob hier nicht eine Standardphrase der neuassyrischen Königsinschriften verwendet wird. 174 KORPEL, A Rift in the clouds, 367: „A cloak could be a piece of human attire when the god was in anthropomorphic state, but it could just as well become the clouded sky when he was not". 173
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Angesichts dieser Aufgabenstellung sind mehrere Vorbemerkungen nötig. Der Forschungsüberblick zeigt, daß im Kontext der Frage nach ikonographisehen Zeugnissen für ein Lichtkleid JHWHs Bildmotive verwendet werden, die nicht palästinischen Ursprungs sind (anthropomorphe Flügelsonne und Nimbus) und deren Aussageinhalt umstritten bzw. ungeklärt ist. 180 Diese bislang disparate Forschungssituation betrifft Philologie und Archäologie gleichermaWie ist unter solchen Voraussetzungen zu verstehen, daß das Alte Testament ßen und erfordert trotz aller gebotenen Knappheit eine Aufarbeitung des zur gegen Götterbilder und Kultbilder scharf polemisiert, andererseits aber doch Verfügung stehenden Materials. Diese Aufgabe erscheint auch darum notwendeutlich von einer ״ תמונהGestalt" JHWHs sprechen kann? Wie verhalten sich 175 dig, weil statt der wenigen Siegelbilder, die in diesem Zusammenhang immer Texte, die betonen, daß die Israeliten am Sinai ״eine Gestalt nicht sahen" wieder zitiert werden, ein Bildkorpus von insgesamt mehr als einhundert ( תמונה אינכם ראיםDtn 4,12, vgl. Ex 20,4; Dtn 4,23ff), zu Texten, die das Abbildungen existiert. Abbildungs- und Publikationsnachweise sowie exemgenaue Gegenteil ausdrücken: plarische Beispiele werden im Anhang zu der vorliegenden Studie erstmals 6״b Sollte ein JHWH-Prophet unter euch 1 7 6 sein, gäbe ich mich ihm zu erkennen zusammengestellt und im zweiten Kapitel für die Frage nach dem göttlichen durch Gesichte, im Traum redete ich zu ihm. 7 Nicht so mein Knecht Mose. Über alles Lichtkleid ausgewertet. Neben diese ikonographisch-archäologisch ausgerichin meinem Hause hat er sich verläßlich erwiesen. 8 Von Mund zu Mund rede ich mit tete Detailuntersuchung treten religionsvergleichende Untersuchungen zum ihm und durch Schauung 17 7 , nicht durch Rätsel. D i e Gestalt JHWHs () ת מ ו נ ת יהוה Götterkleid. Hier kann an Vorarbeiten der Assyriologen A.L. Oppenheim schaut er ( ^ ־ נ ב ט. ) , und warum schrecktet ihr nicht davor zurück, zu reden über und E. Cassin angeknüpft werden. Oppenheim hat mehrfach daraufhingewie178 meinen Knecht, über Mose?" (Num 1 2 , 6 b - 8 ) ? sen, daß die Furcht und Distanz auslösende göttliche Lichtherrlichkeit, akk. Um diesen Fragen nachzuspüren, soll im folgenden ersten Kapitel der Bemelammu ״Schreckensglanz", durch eine Lichtspiegelung des realen Gewangriff ״Kleid" systematisch und funktional definiert und seine Verwendung in des des Götterbildes verursacht sei, und zwar durch Edelmetallapplikationen, zentralen religiösen Bereichen skizziert werden. In einem Teilabschnitt zur die auf die Gewänder aufgenäht wurden.181 Da der König in aller Regel ״Theologie des Kleides" soll auf die tiefreichende Skepsis neuzeitlicher Theodiejenige Person ist, die die Reparatur, Neuanfertigung und Einkleidung eines logie gegenüber dem Kleid und den assoziierten Themenbereichen Mode und Gottes(bildes) veranlaßt und auch aktiv daran beteiligt zu sein scheint, ergibt Körpergestaltung hingewiesen und diese einer Kritik unterzogen werden. sich eine Themenkonstellation, die in folgende Arbeitshypothese zu fassen Das zweite Kapitel soll angesichts der im Forschungsüberblick erarbeiteten wäre: hier relevanten Themen eine doppelte Funktion erfüllen. Es soll der in der In Analogie zur Bekleidung des Königs werden auch Götterbilder bekleidet. D i e mit alttestamentlichen Wissenschaft verstärkten Einbeziehung ikonographischen Hilfe des Göttergewandes realisierte Lichtherrlichkeit spiegelt die irdische, an den Materials Rechnung getragen werden, und in religionsvergleichender PerspekTempel gebundene Herrlichkeit des jeweiligen Gottes wider. D e m entspricht in der tive179 soll die Frage nach dem Kleid JHWHs in den weiteren Horizont der Ikonographie eine zunehmende Betonung der Lichthaftigkeit der großen Götter. Für Bekleidung von Götterbildern gestellt werden. 4. D i e Forschung hat verstärkt darauf aufmerksam gemacht, daß in der israelitisehen Königszeit eine Tempeltheologie entwickelt wird, deren Herrlichkeitsprädikationen an die Person des thronenden Königsgottes gebunden sind und gleichzeitig solare Elemente der Königsideologie(n) aus der Umwelt Israels rezipiert und theologisiert werden.
175 תמונהbedeutet ״sichtbare Gestalt", vgl. DOHMEN, Das Bilderverbot, 220; vgl. ferner Dtn 34,10; Hi 4,16 sowie aaO. 221 f. 176 Lies mit LXX, L und V ;נביא בכם ליהוהsiehe unten S. 244ff. 177 Lies mit Mss, LXX, S und Targum במראה. Es liegt ein Wortspiel mit den beiden Termini ״ מךאהSehen, Aussehen" und ״ מו־אהErscheinung, Gesicht, Spiegel" vor. 178 Es ist nicht belanglos, daß die Septuaginta statt ״Gestalt" δόξα übersetzt und damit diese Anstößigkeit beseitigt. Dieselbe Interpretation durch LXX liegt auch in Ps 17,15 vor. Hier formuliert der Beter an JHWH seinen Schlußwunsch: ״Ich will in Gerechtigkeit schauen dein Angesicht //ich will mich sättigen beim Aufwachen (Inf. קיץ-111. + )בan deiner Gestalt (")תמונתך, siehe unten S. 196ff. 179 Religionsvergleichende Detailuntersuchungen werden jetzt auch angemahnt von ALBERTZ, Religionsgeschichte Israels, 19: ״Wenn heute die ,Religionsgeschichte Israels' erneut als sinnvolle und theologisch notwendige Aufgabe erscheint, dann hat dies neben sachlichen Erfordernissen, die neuen Einsichten religionsgeschichtlicher und religionsvergleichender Detailstudien zu bündeln [Hvbg. von mir], nicht zuletzt mit der allgemeinen theologiegeschichtli-
chen Lage der Gegenwart zu tun, daß die großen systematischen Entwürfe R . BULTMANNS und K . BARTHS und ihrer Nachfolger ihre alles beherrschende Faszination verloren haben." 180 Siehe oben S.26ff und S.31ff. 181 Vgl. OPPENHEIM,pul(u)h(t)u, 31 f; DERS., The Golden Garments, 178ff. Durch edelmetallene Ornamente verwandelten sich die einfachen Kleider ״from monotony of a solidcolored wrap into the sparkling glamour of of a ,golden garment' . . . It is worthy of note that the garments decorated in this way were definitely restricted to the wardrobe of the images and of the Assyrian king", aaO. 191; vgl. auch AHw 1343f s.v. tediqu(m) ״Bekleidung (v Gott u König)". Für den Sitz des Schreckensglanzes an Kleidungsstücken sprechen besonders Stellen wie die folgenden: ״Der Krone, die mit Glanz (und) Furchtbarkeit beladen ist", EBELING, TuL 5,5; ״Nergal, mit der Aura des Schreckensglanzes umgürtet", DERS., AGH 118, 7. Zum Zusammenhang vgl. hier CASSIN, Splendeur divine, 23-26. Vgl. ebenfalls den nB Text ״von der Erschaffung des Menschen und des Königs", MAYER, Erschaffung des Menschen, 55 ff, wo es zum Abschluß der Passage über den König heißt, aaO. 56 Z. 39: ״Nergal gab ihm die Waffen, Ninurta g[ab ihm gleissenden Glanz]"; vgl. unten S. 258f.
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Einleitung diesen Prozeß finden sich beredte Zeugnisse in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends v.Chr. in Assyrien und Babylonien. Sie können damit in einen allgemeinen Entwicklungsprozeß der vorderorientalischen Religionsgeschichte eingeordnet werden.
Das dritte Kapitel schließlich soll der Frage nachgehen, inwieweit die alttestamentlichen Aussagen vom „Lichtkleid JHWHs" an meteorologische und lichthafte Phänomene gebunden sind. Erst dann kann beurteilt werden, ob sie als göttliche Attribute innerhalb eines allgemeiner zu fassenden religionsgeschichtlichen Prozesses im 1. Jt. v.Chr. auf JHWH übertragen wurden. Den Ausgangspunkt bildet die in der sog. Götzenpolemik verhandelte Frage nach der grundlegenden Differenz zwischen den bekleideten Götterbildern der Umwelt und JHWH. In den einschlägigen Texten (z.B. Jer 10) wird dies im Blick auf das Königtum JHWHs im Himmel schöpfungstheologisch entfaltet. Diese an sich überraschende Antwort läßt sich durch weitere Texte, die an einer JHWH-König-Motivik partizipieren, untermauern. Dazu zählen auch Ps 93 und Ps 104, die expressis verbis vom „Kleid JHWHs" als seinem Königsornat im himmlischen Heiligtum sprechen. Darum ist allen Textuntersuchungen die Frage nach einem lichthaften Charakter des Königsgottes gemeinsam. In einem letzten Schritt wird die Gott-König-Relation in ihrer speziellen Ausformung der imago-dei-Vorstellung zu diskutieren sein. Wenn sich erweisen ließe, daß JHWH nicht nur wie eine Königsgestalt beschrieben wird, sondern auch königliche Züge durch den Schöpfungsakt an den Menschen vermittelt, hat dies unmittelbare Konsequenzen für das Verständnis von Gen 1,26 f. Die Gestalt- und Bildhaftigkeit JHWHs würde nicht rein funktional zu verstehen sein, sondern auch konkret visuell. Nach „dem Bilde Gottes" hieße nach einem königlichen Bilde. Irdisches Bild Gottes wäre der exemplarische Mensch des priesterschriftlichen Schöpfungsberichtes in seiner königlichen Gestalt und Funktion.
Erstes Kapitel
Das Kleid im religiösen Kontext A. Definition und Abgrenzung des Kleidbegriffs Der gegenwärtige deutsche Sprachgebrauch versteht unter ״Kleid(ung)", „be- und entkleiden", „kleidsam", die vornehmlich textile Abdeckung des menschlichen Körpers aufgrund klimatischer, beruflicher, sozialer oder individuell modischer, aber gesellschaftlich vorgegebener Erfordernisse.1 Der quantitative Umfang körperlicher Bekleidung ist in ethno-kulturellem Verständnis so variantenreich, daß die einfache (binäre) Opposition bekleidet-unbekleidet (= nackt) für eine differenzierte Erfassung des Phänomens ungenügend ist. Nacktsein und Bekleidetsein kann nicht anhand des quantitativen Grades körperlicher Abdeckung definiert werden, sondern muß jeweils kultur-, situations- und epochenspezifisch unter Berücksichtigung konventioneller Anweisungen zu Ort und Zeit interpretiert werden. Die etymologischen Wurzeln von „Kleid" liegen im dunkeln, wenngleich ein früher Zusammenhang mit „Zeug", „Kleidungszeug" = Material zum Anziehen oder auch klei/״Tonerde" = „Das mit Klei Gewalkte" notiert wird.2 Kleid als „einteiliges Obergewand der Frau"3 erscheint modern nicht nur festgelegt auf textiles Material, sondern zugleich als Index von Genus. Dieser restriktive Wortgebrauch erweist sich z.B. im Vergleich mit der englischen (garment, dress, clothfes]) und französischen Sprache (vêtement, habit) nicht als universell. „Kleider" bzw. „Kleidung" und nicht „Kleid" bilden daher den Oberbegriff für einzelne Kleidungsteile (Hemd-Bluse, Hose-Rock, Hut) wie auch für funktionsgebundene (Uniform, Talar, Robe, Ornat, Schurz, Schmuck) und situationsgebundene (Braut-, Trauer-, Abendkleider) Kleidungsformen.
1
Zum bibliographischen Nachweis der Einzelthesen in Abschnitt A. vgl. PODELLA, Kleid/ Be-, Entkleiden, 381 ff. Über die dort genannte Literatur hinausgehend vgl. ebenfalls mit Literaturangaben D I N G E S , Der „feine Unterschied", 49-76; vgl. ferner SCHECHNER, Theateranthropologie, 51.104 mit Anm. 8; G O U L D , Yuvara, 120ff; NIXDORFF, Kleidung, 97ff; R O L L E / SEEMANN, Haar und Bart, 111-139; MATTHIESEN, Outfit & Ichfinish, 413ff. Zur Gewandmetapher in antiken Texten bis zum 6.Jh. n.Chr. KEHL, Gewand = Person?, 213ff. Für bibliographische Hinweise danke ich an dieser Stelle Frau S. PHILIPPS, Tübingen, sehr herzlich. 2 Vgl. GRIMM, Deutsches Wörterbuch, Bd. 5, s.v.; D U D E N , Etymologie, s.v. 3 Vgl. MEYERS großes Taschenlexikon, Bd. 12, s.v.
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Zur ״Theologie des Kleides "
Das Kleid im religiösen Kontext
Die Vielfalt der zu beachtenden Aspekte verlangt eine gegenstandsunspezifische und transkulturelle Definition von ״Kleid" als künstlicher Körpergestaltung sowohl von Menschen und Tieren als auch ikonisch oder anikonisch präsentierter Numina und von Gegenständen. Das Be- und Entkleiden ist dann nur eine Form künstlicher Gestaltung der Oberfläche eines Körpers, seiner Kontur, Größe, Farbe. Von solchen reversiblen sind irreversible Gestaltungsformen zu unterscheiden, die nicht nur optisch, sondern primär somatisch einen Körper verändern wie Stigmatisierung (Brandmarken), Tatauierung4 und Mutilation (Verkürzen: als funktionale Begrenzung, oder Entfernen von Körperteilen: Zahnextraktionen, Circumcisio, Klitoridektomie, Labiotomie, Harnröhrensubinzision, Vulvainfibulation und Monorchie des Hodens) und Deformation (Schnüren von Taille oder Füßen, Einbringen von Fremdkörpern in die Lippen, Deformationen des Schädels durch Bandagen oder postnatales Aufbinden von Brettchen). Somatisch verändernd wirken ebenso das Epilieren von Haaren, Stigmatisierung und Tatauierung, wenn durch z. T. zielgerichtetes ahygienisches Arbeiten Narbenbildung gefördert oder intendiert wird. Im Unterschied zu Deformation und Mutilation zielen Stigma undTatau nicht auf eine Formveränderung des Körpers, sondern auf eine ornamentale, farbliche Gestaltung der Haut zum Zwecke der Kennzeichnung; darin sind sie dem Bekleiden analog. Das Kleid ist die zweite, ״soziale" Haut seines Trägers.5 Entsprechend der Unschärfe des Wortes Kleid und seiner Derivate finden sich auch kaum Untersuchungen, die über Beschreibung oder historische Entwicklung von Kleid, Kostüm oder Tracht hinausweisen. Kleid und Kleidung finden das Interesse historischer oder soziologischer Forschung primär in volkskundlichen Arbeiten zur Tracht, in entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen bestimmter Kleiderformen (Priester, Gelehrte), wobei die Fragen nach Material und Materialproduktion, Herstellungstechnik, ökonomischem Wert zentraler, die Frage nach den dem veränderten Kleidungsverhalten zugrundeliegenden gesellschaftlichen Bedingungen eher peripherer Natur sind. So setzt z.B. die Entstehung und Benutzung der militärischen Uniform technisch und ökonomisch die Möglichkeit von Massenproduktion voraus; ganz im Gegensatz zur Tracht, die erstmals nach der französischen Revolution unter Übernahme ehemals feudaler Kleidungselemente auf dem Lande in Erscheinung tritt und als wesentliches Indiz für die historische Auseinanderentwicklung von Stadt- und Landkleidung einerseits, für die sozialen Implikationen des Trachtenvereinswesens andererseits dient. Die alten Kleiderordnungen der
4 Aus der Fülle der Literatur vgl. BRIAN, The Decorated Body, pass.; CATTANI, Das Tatauieren, pass.; E B I N , The Body Decorated, pass.; EPSTEIN, Sex Laws and Customs in Judaism, 2 5 - 6 7 ; JONES, Stigma, 1 3 9 - 1 5 5 ; OETTERMANN, Zeichen auf der Haut, pass.; SCHÖNFELD, Körperbemalen, pass.; SCUTT, Art, Sex and Symbol, pass. 5 Vgl. auch unten S. 66 Anm. 91; S. 78ff.
43
vorindustriellen Epoche gestatten Einsichten in das tägliche Leben und die sozialen Verschiebungen der mittelalterlichen Standesgesellschaft.6 Funktional generalisiert als Schmuck, Scham Verhüllung und Schutz dient das Kleid eher als Argument, denn als Ausdruck. Auf den engen Nexus, der einerseits zwischen dem Kleid und seinem Träger besteht und der andererseits durch das Kleid zwischen seinem Träger und seiner sozialen Umwelt (Gesellschaft) hergestellt wird, machen psychologische und soziologische Untersuchungen aufmerksam.7 Farbgebung, Form und Materialauswahl verweisen auf größere soziale Zusammenhänge wie Milieu, Abstammung, Alter, Beruf, Reichtum. Applikationen in Form von Orden und (Rang)־Abzeichen geben Auskunft über Ansehen, erworbene Meriten und Autoritätsgrad der Einzelperson im sozialen Gesamtgefüge. Entwicklung, Integration und Isolation können durch Kleidung und Kleidungsvorschriften bewußt gesteuert und reglementiert werden. Die Betonung bestimmter Körperteile wirkt als Blickfang (Anziehung, Abwehr, Erotik) oder als Index von Genus, teilweise oder totale Verhüllung wirkt defunktionalisierend und desexualisierend (Robe/Talar). Im Zentrum eines übergreifenden Verständnisses von ״Kleid" steht somit nicht die materielle Realisierung, d.h. die Frage nach Produktionsweise und Produktionsbedingung, sondern die Frage nach dem Gebrauch des Kleides in bestimmten Situationen und nach der Art und Weise der Oberflächengestaltung des jeweiligen Körpers. Im folgenden Abschnitt sollen vornehmlich aus dem Bereich des Alten Orients als der kulturellen Umwelt des Alten Testaments zentrale Zusammenhänge erläutert werden, in denen das Kleid symbolische Funktionen erfüllt und in religiösen Kontexten begegnet. 8
B. Zur Symbolik des Kleides Innerhalb dieses Abschnitts sind die paradigmatischen Verwendungssituationen von ״Kleidern" oder deren Teilen vorzustellen und zu systematisieren. Das Material stammt im wesentlichen aus der vorderasiatischen Umwelt Israels
6
Vgl.
Illustrierte Alltagsgeschichte, 2 1 4 , und VON BOEHN, Die Mode, pass.; Mode und Tracht, 244ff; BRINGEMEIER, Priester- und Gelehrtenkleidung, pass.; EISENBART, Kleiderordnungen der deutschen Städte, 6f; HARGREAVES-MAWDSLEY, A History of Academical Dress. pass. 7 Vgl. etwa KÖNIG, Kleider und Leute, 4 0 f . Hier auch Beziehungen zu Ethologie, Ritualisierung; aaO. 42: körperliche Strukturen als Auslöser, Symbolbewegungen und Mode als ״überoptimale Attrappe" (K. Lorenz). Vgl. auch SIMMEL, Essay über die Mode, 5 - 3 2 ; WIEDERKEHR-BENZ, Sozialpsychologische Funktionen der Kleidermode, pass.; R Y A N , Ciothing, pass.; jetzt auch das Themaheft der Zeitschrift Saeculum 4 4 / 1 ( 1 9 9 3 ) mit dem Titel: ״Zwischen Sein und Schein. Kleidung und Identität in der ständischen Gesellschaft". 8 Damit wird der Verständnishorizont des Themas ״Kleid" weitestgehend abgesteckt, und JACOBEIT,
DERS./BRINGEMEIER,
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Zur ״Theologie des Kleides "
Das Kleid im religiösen Kontext
und ergibt mit dem alttestamentlichen Überblick zum Gewandsaum eine repräsentative Zusammenstellung wichtiger Verwendungszusammenhänge in religiösen Kontexten. Während in der Trauer und im Rechtswesen das Kleid vor allem eine intakte soziale/rechtliche Beziehung symbolisiert, ein zerrissenes Kleid deren Gegenteil, spielt in Kult und Prophetie das Gewand vornehmlich eine stellvertretende Rolle. Am geringsten ist freilich die Bezeugung in medizinischen bzw. therapeutischen Verfahren, aber dies mag an der Zufälligkeit der Textfunde liegen. Im Unterschied zu seiner Umwelt behandelt das Alte Testament ausführlich nur ein hier relevantes Thema: die Einkleidung der Priester anläßlich der Investitur, und dies gleich in fast vier Kapiteln (Ex 28-29; Lev 8-9).9
I. Trauer und Recht Im altorientalischen und auch alttestamentlichen Trauerverhalten, sei es in realer oder präventiver Trauer, spielen Riten der Körpergestaltung eine wichtige Rolle. Während an unmittelbaren Veränderungen der Körperoberfläche vor allem das Stutzen oder Wachsenlassen der Kopf- und Gesichtshaare sowie das Einritzen der Haut zu nennen sind10, besteht der zentrale Ritus darin, das eigene Gewand zu zerreißen. Dieser Riß symbolisiert wohl - die Texte geben keine eindeutige Interpretation - den Riß oder die Trennung innerhalb eines Sozialgefüges, die durch den biologischen oder auch sozialen Tod eines Mitgliedes hervorgerufen wird.11 Andere symbolische Formen wie das Bestreuen mit Staub und das sich darin Wälzen oder die notdürftige Verhüllung mit einem Saq-Gewand annoncieren den aus der Ordnung geratenen Status des Trauernden oder Büßenden. Die altorientalische Religionsgeschichte kennt viele solcher Beispiele, die sich durch ethnographische Aufzeichnungen bis in die Neuzeit verfolgen ließen: ״Da erhob sich Hiob, zerriß sein Obergewand und schor sein Haupt. Er warf sich zur Erde und betete. Dann sprach er: ,Nackt kam ich aus meiner Mutter Leib; nackt kehre ich dorthin zurück'" (Hi l , 2 0 - 2 1 a ) .
das Alte Testament kann in exemplarischer Weise für Sachparallelen, aber auch singuläre Vorstellungen in Anspruch genommen werden. Vollständigkeit der Verwendungssituationen ist nur insoweit angestrebt, als sie dem Aufweis der These (siehe Abschnitt C. II.) dient. 9 Eine ausführliche Analyse siehe unten Abschnitt IV. 10 Vgl. PODELLA, Söm-Fasten, 73ff. 11 Vgl. auch die Deutungen bei F. WERFEL, Jeremias, 180. Nachdem der König Josia offenbar vom Tode gerührt zu Boden gestürzt ist, handelt im Roman die Königin wie folgt: ״Da riß sie ihr Gewand auf, entblößte die mütterlichen Brüste und warf sich mit ihrem warmen Leben auf den blutbesudelten Leib des Gatten, um ihn zurückzuholen vom Tode"; und wenige Seiten weiter, als es wirklich mit dem König zu Ende geht, lesen wir von der Königin: ״Noch gestern war sie schön für ihn gewesen und hatte unter bitteren Qualen um ihre Schönheit sich Mühe gemacht. Heute aber war ihr Haar nicht mehr nach ägyptischer Art
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Oder: ״Und er [Jakob] zerriß seine Kleider, legte ein Saq-Gewand um seine Hüften und trauerte um seinen Sohn lange Zeit" (Gen 37,34). 1 2
Kleider und Kleidungsteile, besonders der Gewandsaum13, spielen in Gesetzestexten und vor allem in Urkunden eine prominente Rolle. Die frühesten Texte stammen aus altbabylonischer Zeit, vornehmlich aus Nuzi, Sippar, Mari und Ugarit. Innerhalb der mesopotamischen Gesetzbücher begegnen bis auf eine Ausnahme keinerlei Rechtsakte, in denen Kleider eine Rolle spielen. Die Ausnahme stammt aus dem mittelassyrischen Gesetzbuch14 und behandelt im sog. Frauenspiegel (Tafel A) die Verhüllung von Frauen in der Öffentlichkeit (§ 40—41).15 Gegenstand der Bestimmungen ist nicht die Ehefrau eines Bürgers, sondern vier verschiedene Frauengruppen: die esirtu ״Konkubine"16, qadiltu (= qadistu) ״Qadistu-Frau"17, harimtu ״Dirne" und amtu ״Sklavin". Von diesen Frauen heißt es in § 40,58ff, daß auf dem Marktplatz die Sklavin und
geschmückt. Ein fahles Kleid hing ohne wohlberechnete Falten um ihren milden Leib. Keine Blume der königlichen Gärten zierte sie. Keine Ringe klirrten an ihren Gelenken . . . Ungnädig hatte sie ihre Schönheit aus dem Dienst entlassen, da diese ihn nicht begleiten durfte, wohin er ging" (184). Zu den prophetischen Zeichenhandlungen, die mit Hilfe von Kleiderriten oder ritueller Nacktheit ausgeführt werden, vgl. FOHRER, Die symbolischen Handlungen, 16.20 ff. 12 Zur Kleidermanipulation in Trauer und Bußzeiten vgl. PODELLA, Söm-Fasten, 73 ff; zu altorientalischen Parallelen aaO. 37f.40.44.48; vgl. auch DERS., Thematischer Vergleich, 67 ff. 13 Zusammenstellung der Verwendungsbereiche im Rechtsleben bei PETSCHOW, Gewand(saum) im Recht, 318ff. In der Nachfolge KOSCHAKERS faßt auch PETSCHOW das Gewand oder -teile als ״Persönlichkeitszeichen oder -Symbole" (aaO. 318) auf. Aufschlußreich ist auch der Brauch, nebst dem Kaufpreis ein Gewand zu übergeben, das der alte Eigentümer bei dem den Kauf besiegelnden Mahl anzog und so ״,als rechtlich neuer Mensch'" (aaO. 319) erschien. Als Siegelsurrogat erscheint der Gewandsaum zuweilen mit der Beischrift ״Gewandsaum des NN" auf Dokumenten. Auch Abdrücke vom Fingernagel, akk. supru, sind bekannt. Schließlich kann der Gewandsaum auch als Pfand bis zur endgültigen Begleichung einer Schuld gelten. Das ״Ergreifen des Gewandsaums" ist in (schuld)rechtlichem Kontext ״symbolischer Ausdruck für die Bemächtigung einer Person" (aaO. 320f). 14 Der Text ist bearbeitet von BORGER, TUAT 1/1, 80-92; Auszüge der Transkription ebenfalls bei BORGER, BAL 1, 54ff. Die Tontafeln stammen aus der Regierungszeit TiglathPilesers I. (1115—1076 v.Chr.). Ob es sich tatsächlich um eine Ausnahme handelt, bleibt unklar, da im Verhältnis zu den anderen Gesetzbüchern die mA-Gesetze eher zu den sog. Hof- und Haremserlassen zu rechnen wären, vgl. GOODNICK-WESTENHOLZ, Female Role, 515 f. 15 Vgl. zum folgenden D U R A N D , Mission matrimoniale, 103f. 16 Die esirtu begegnet nur in mA-Texten als Konkubine eines Bürgers; in Nuzi und Bogazköy ist sie aber auch dem Königspalast zugeordnet und hat eine angesehene Position inne, vgl. CAD E, 336f. 17 Man läßt den Terminus besser unübersetzt. Aus der neueren Literatur vgl. GOOONICKWESTENHOLZ, Sacred Prostitution, 250f; zu unserem Text 254f; zum Thema der sog. Kultprostitution vgl. WILHELM, Marginalien, 505ff.
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Das Kleid im religiösen Kontext
Zur ״Theologie des Kleides "
Dirne immer „unverhüllt" (66 f .68f) 18 zu gehen hätten und sie bei Zuwiderhandeln von jedermann festgenommen werden können. Für die anderen beiden Frauengruppen wird bestimmt, daß eine esirtu in Begleitung ihrer Herrin und eine qadiltu nur, wenn sie verheiratet ist, „verhüllt" bleibe (58-62). Eine unverheiratete qadiltu bleibt „unverhüllt" (63-65). Die Verhüllung repräsentiert hier also den sozialen Status der Frauen, wobei soziale Gruppenunterschiede noch ein weiteres Kriterium bilden. Als gültiger Rechtsakt begegnet das Verhüllen der Frau im folgenden § 41. Hier lautet der Text:
den Besitz der Braut (und dann ihrer Kinder) übergeht und als ״emergency fund"22 betrachtet werden kann. Wie im Verfahren der Eheschließung spielt auch im Scheidungsprozeß der Gewandsaum eine wichtige Rolle, wenn ein verheirateter Mann sich scheiden lassen will. 23 Neben Belegen aus Nuzi muß besonders ein altbabylonischer Text aus Sippar erwähnt werden: CT 45,86. Es handelt sich um die Befragung eines Ehepaares vor dem lokal zuständigen Gremium. Auf die Frage, ob diese Frau seine Frau sei, antwortet der Ehemann negativ, während die Frau auf die entsprechend an sie gerichtete Frage antwortet „ich liebe meinen Ehemann". Z. 2 6 - 2 8 schildern dann die Reaktion des Ehemanns:
„Wenn ein Bürger seine esirtu-Konkubine verhüllen will, so soll er fünf oder sechs seiner Genossen Platz nehmen lassen, sie in ihrer Gegenwart verhüllen und sagen: ,Sie ist meine Gattin'. Dann ist sie (tatsächlich) seine Gattin. Eine esirtu-Konkubine, die nicht in Gegenwart von Leuten verhüllt ist und von der ihr Gatte nicht gesagt hat: ,Sie ist meine Gattin', ist keine Gattin, sondern nur eine esiriw-Konkubine".
Der Ritus der Verschleierung als rechtsgültiger Akt der Eheschließung ist aber schon in altbabylonischer Zeit in Mari bekannt. Hier reicht es sogar aus, daß Boten des Bräutigams der Braut den Schleier überwerfen und dadurch die Ehe geschlossen wird: „Das biblum-Geschenk, das unser Herr uns bringen ließ, ließen wir eintreten (in den Palast); daraufhin warfen wir die Schleier über das Mädchen." 1 9
Zu dem Überwerfen des Schleiers (tüg ku-tu-um-me) gehört auch das Überbringen des Brautgeschenkes (biblum), welches in einem symbolischen Akt innerhalb des Eheschließungsverfahrens auch in den Gewandsaum der Braut eingenäht werden kann. 20 Ein altbabylonischer Text aus der Zeit Ammiditanas aus Sippar (CT 48,50,6-19) erwähnt diesen Sachverhalt in aller Deutlichkeit: „2 Betten, 2 Stühle, 1 Tisch, 2 Körbe, 1 Mühlstein, 1 Gewürzmörser, 1 10-LiterGefäß, 1 leerer Krug: All dies hat Ibbatum seiner Tochter Sabitum gegeben und in das Haus von Ilsu-ibni, des Vaters seines Schwiegersohnes, bringen lassen. Ibbatum hat 10 Schekel Silber als ihr terhatum empfangen, hat es/sie geküßt und es in den Gewandsaum seiner Tochter Sabitum eingenäht - es wurde Warad-kubi [sc. seinem Schwiegersohn] zurückgebracht". 21
Sowohl akk. biblum als auch terhatum bezeichnen den Brautpreis, das Geld also, das die Familie des Bräutigams an die Familie der Braut zahlt und das in
18
Terminus hier ist pussun/mu < pasänu D, vgl. AHw II, 840a. Text: ARM XXVI:10,12-15. Dieser aB־Brief des Königs Yarim-Lim von Aleppo dient zur Vorbereitung der Hochzeit einer seiner Töchter mit dem König von Mari. 20 Zum Akt des ״Einnähens in den Gewandsaum" (ina qannim/sissiktim rakäsu) vgl. MALUL, Legal Symbolism, 179ff. Der Gewandsaum, akk. sissiktu, qarnu/qannu, westsemitisch knp, hebr. כנף, begegnet vor allem in der Mari-Prophetie, siehe unten S. 49ff. 21 Vgl.' WESTBROOK, Marriage Law, 122; Bearbeitung bei WESTBROOK, Marriage Law (Diss.), 160ff; vgl. auch MALUL, Legal Symbolism, 181f. 19
47
„Er war unwillig. Er knotete ihren Gewandsaum auf und schnitt ihn ab". 24
Nach dem vorher Gesagten scheint das Abreißen des Gewandsaumes einen Status Wechsel der Frau zu symbolisieren. Ob gleichzeitig das Auseinanderbrechen der Zweierbeziehung dargestellt werden soll - wie z.B. ein Riß im Sozialgefüge (siehe oben) - , bleibt undeutlich. 25 Ebenfalls in den Kontext sozialer Ablösungsprozesse gehören die Riten der Gewanddeponierung und des Nacktgehens. In einem Fall von Veruntreuung wird der Täter mit folgenden Worten aus dem Haus gejagt: „er soll sein nahlaptu(m)-Gcwsmd schwinden". 26
am Türriegel deponieren und auf die Straße ver-
Wiederum in Nuzi-Urkunden und im Kontext von testamentarischen Verfügungen findet sich die Vorstellung „Gewand ablegen und nackt gehen": „Sollte FPN mit einem (anderen) Ehemann leben wollen: Man wird (ihr ihre) Kleider abnehmen und sie nackt hinaustreiben". 27
Diese Vorstellung wird vor dem Hintergrund verständlich, daß in Nuzi eine Witwe sich wieder verheiraten darf, aber mit ihrem Ehemann das Haus des
22
Ausführliche Diskussion zum Eigentumsrecht und zur Symbolik bei MALUL, Legal Symbolism, 187ff; zum Sitz im Leben des Ritus im Eheschließungsverfahren, aaO. 190f. 23 Vgl. MALUL, Legal Symbolism, 197ff; WESTBROOK, Marriage Law, 68ff. 24 WESTBROOK, Marriage Law, 120; DERS., Marriage Law (Diss.), 145ff. 25 Vgl. auch MALUL, Legal Symbolism, 207f. 26 RS 20.146:8-10 ( = Ug. V. 177, 83) in der Übersetzung bei MALUL, Legal Symbolism, 94; weitere Texte für diesen Zusammenhang: RS 8.145; 17.159. Im zitierten Beispiel geht es offenbar um die Veruntreuung von Silber, das den Brüdern des zur Gewandablegung Aufgeforderten gehört hat. 27 HSS 5, 71: 3 3 - 3 6 bei MALUL, Legal Symbolism, 123; dort weitere Beispiele. Die offenbar enge Verflechtung zwischen Gewand und Person erhellt ebenfalls aus einem neuassyrischen Brief aus der Regierungszeit Asarhaddons. Anläßlich einer Mondfinsternis im Jahre 671 v. Chr. wird ein Ersatzkönig eingesetzt und die bösen Omina, die zunächst vor diesem rezitiert wurden, werden aufgeschrieben und dann an seinem Gewandsaum (i-na qa-an-ni-sü) befestigt (!ar-ta-kas), so daß sichergestellt ist, daß diese Omina in jedem Fall den Ersatzkönig und nicht den echten König treffen, vgl. PARPOLA, LAS 26 = ABL 676 mit LAS I I , 30.
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Das Kleid im religiösen Kontext
Zur ״Theologie des Kleides "
verstorbenen Mannes verlassen muß. Ihren Gewandsaum, d.h. symbolisch ihr Eigentum, behält sie. Versucht sie aber eigenmächtig, das Eigentum des verstorbenen Mannes zu veräußern, wird sie nicht nur aus dem Haus geworfen, sondern verliert auch ihr eigenes Eigentum. Diese Beispiele stammen vornehmlich aus dem Bereich der Rechtssymbolik und verweisen nicht auf einen religiösen oder kultischen ,Sitz im Leben4. Von daher ist es fraglich, ob eine allgemeine Interpretation im Sinne von pars-prototo-Magie28 oder anhand neuerer Symboltheorie sachgerecht ist. Gegenüber dieser Interpretation weist M. Malul darauf hin, daß zunächst im altorientalisch-mesopotamischen Rechtssystem selbst nach Verständnismöglichkeiten zu fragen sei. Als einfachste Erklärung dieser symbolischen Handlungen bietet sich demnach an, daß der an sich unsichtbare Wechsel eines rechtlichen oder sozialen Status öffentlich sichtbar gemacht wird. Der zu der abstrakten Rechtsvorschrift dazutretende öffentliche Gestus bezeugt und vermittelt die vollzogene Veränderung nach außen. Der am Kleid/Gewandsaum vorgenommene symbolische Rechtsakt bildet sichtbar (für die Öffentlichkeit) eine Veränderung ab. 29
wandsaum des/der Gottes/Göttin erfaßt habe. 31 So heißt es z.B. in einem suilla-Gebet an den Gott Madänu, Z. 16-20:
IL Kult und Prophetie Eher in den kultisch-religiösen Kontext weisen Beispiele, die das Ergreifen des Gewandsaumes von Gottheiten im Tempel oder von höhergestellten Persönlichkeiten beinhalten. Auch hier greifen wir wieder auf Texte aus Mesopotamien zurück. Innerhalb der Adda-Guppi-Inschrift aus Harran schildert die Mutter Nabonids, des letzten der neubabylonischen Könige, daß und wie sie trotz der Notlage immer wieder den Tempel zum Gebet aufgesucht und dabei immer wieder Gewand und Gewandsaum ihrer großen Gottheit dSin, des Hauptgottes von Harran, ergriffen habe:
16 [״Stimme] (wieder) freundlich zu mir meinen zornigen Schutzgott, meine zornige Schutzgöttin! 17 Gott und Göttin mögen mich recht leiten, es möge mir gut gehen! 18 Ich wende mich an dich unter den Göttern: hab Erbarmen mit mir! 19 Ich ergreife deinen Gewandsaum: schenk mir Gesundheit! 20 [Ne]nne ? meinen Namen, mach meine Tage lang!" 32 ,
oder in einem Suilla-Gebet an Dumuzi, Z.12'-14': 12' ״Tritt her und höre, was ich sage! 13' Ich ergreife hiermit deinen Gewandzipfel und halte deinen Gewandsaum fest: 14' gewähre mir Leben als Wohltat! (Dann) will ich (dich) loben. " 3 3
Beide Textbeispiele zeigen, daß der Gestus eine die Bitte begleitende Handlung darstellt, die nicht allein verbal zum Ausdruck bringt, daß der Beter eine Bitte um Gesundheit und Leben äußert, sondern die Zuwendung zu der Gottheit wird auch sinnfällig zum Ausdruck gebracht. Es handelt sich im wesentlichen um den Kontakt durch Berührung zwischen dem Beter und seinem Schutzgott, wobei Gewandsaum/־zipfel stellvertretend für das Gewand selbst stehen. Sind hinter dieser Aussage konkrete Handlungen, etwa die Berührung des Gewandes der Gottesstatue gemeint? Leider geben die Texte selbst keinen Hinweis darauf. Erwägenswert wäre ebenso die Möglichkeit, daß durch die Nennung des Gestus im Gebet dieser selbst real wird. Der Gestus findet also nur sprachlich, damit aber nicht weniger wirklich statt. Die prominenteste Rolle in Mesopotamien bildet aber der Gewandsaum in der Mari-Prophetie in der altbabylonischen Zeit. Anhand eines exemplarischen Textes, ARMTX,8 = ARMTXXVI,214 34 sei dies verdeutlicht: 1 2 3 4 5 6 7
„Ehrfürchtig war ich gegenüber ihrer großen Gottheit. Den Mantelsaum Sin's, des Königs der Götter, ergriff ich Nacht und Tag. Ich suchte immer wieder, täglich, ohne Unterlaß die große Gottheit des Sin, Samas, Istar, Adda - solange ich lebte" (Z. 1 1 * - 1 4 ) . 3 0
Dann begegnet die Wendung „den Gewandsaum ergreifen" in den Gebeten der Gebetsbeschwörungsserien als Aussage des Beters, daß er/sie den Ge-
31
Repräsentativer Überblick der Belege bei MAYER, IJFBG, 143f. 147-149. Text und Übersetzung von B M S 48 bei MAYER, U F B G , 463. 33 Der Text K.3434+9251 und Übersetzung bei MAYER, UFBG, 529. 34 Ältere Bearbeitungen bei ELLERMEIER, Prophetie, 58ff; die Belege für den Gewandsaum, akk. sissiktu(m), in den prophetischen Texten aus Mari sind: ARM(T) XXVI, 198 Rs. 2f = ARM(T) X,80; 200,22f; 201,15 = ARM(T) VI,45; 203,11; 204,20 = ARM(T) X,8; 214,21 f = ARM(T) X,8; 215,24; 217,29; 219,22; ARM(T) X,7,24; ARM(T) X,50,29f; ARM(T) XIII,112,12f sowie in dem Brief A 455; Bearbeitungen der Texte in ARM(T) XXVI und bei ELLERMEIER, Prophetie, 38f.42f.53f.56f.58f.64f.68f.70f. 32
28 Vgl. z.B. FOHRER, Die symbolischen Handlungen, 16ff u.ö., zur älteren, magisch orientierten Auffassung der Zeichenhandlungen. 29 Vgl. M A L U L , Legal Symbolism, 444f; zur Symboltheorie vgl. z.B. LEACH, Kultur, 16ff; SKORUPSKI, Symbol and Theory, pass.; LUCKMANN, Die unsichtbare Religion, 80ff; GEERTZ, Religion als kulturelles System, 47 ff; LANGER, Philosophie auf neuem Wege, 34 ff; MEYER, Die Inszenierung des Scheins, 50 ff. 30 Vgl. PODELLA, Söm-Fasten, 38f.
„Zu meinem Herrn sprich: So (sagt) Sibtu, deine Dienerin: Im Tempel der Annunitum, inmitten der Stadt, geriet Ahatum, eine Dienerin des Dagan-Malik in Raserei (und) sagte:
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Das Kleid im religiösen Kontext 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
'Zimrilim, auch wenn du mich mißachtest, ich werde über dir anschwellen, 3 5 deinen Feind in deine Hand werde ich füllen, und die mich bestehlen, werde ich ergreifen und sie zum Lager der Belet-ekallim aufhäufen.' A m nächsten Tag brachte mir Ahum, der Priester, diesen Bescheid, das Haar und den Gewandsaum. So schrieb ich meinem Herrn. Das Haar und den Gewandsaum versiegelte ich und zu meinem Herrn schickte ich es."
In diesem Text geht es um drei verschiedene Kommunikationssituationen. Die äußere behandelt die Beauftragung eines Boten, die folgende Rede zu übermitteln (Z. 2). Die zweite Kommunikationshandlung ist die nun folgende Rede der Sibtu, Z. 3ff. und die dritte das innerhalb dieser Rede geschilderte Auftreten einer Ekstatikerin und deren Orakel in Z. 8-18. Wenn man es genau nimmt, bildet die Übermittlung an Sibtu durch den Priester Z.20ff eine vierte Kommunikationshandlung. Dies läßt sich wie folgt darstellen: 1. Ekstase der Ahatum und Orakelbescheid für Zimrilim 2. Übermittlung des Orakelbescheides, der Locke und des Gewandsaumes durch einen Priester an Sibtu 3. Aufzeichnung dieses Vorgangs durch Sibtu 4. Beauftragung eines Boten mit der Übermittlung der Aufzeichnung
Locke und Gewandsaum stammen also nicht von den Zwischenträgern des Orakels, sondern von der Ekstatikerin selbst, sie begleiten ihren Orakelbescheid. Nach F. Ellermeier36 seien diese Beigaben nur dann vonnöten, wenn der/die Prophet/in nicht selbst den Orakelbescheid überbringe, sondern ein Bote. In diesem Fall dienten die Beigaben dazu, den ursprünglichen Absender für den Inhalt der Nachricht haftbar zu machen, also ״Macht über den anderen zu gewinnen".37 Diese Deutung wird zwar neuerdings von J.-M. Durand in 35 In der neuen Bearbeitung des Textes liest D U R A N D nach Kollation a-ha-ab-bu-UZ. Nach freundlichem Hinweis von Frau B. GRONEBERG, Hamburg, ist habäsu I ״anschwellen" eher anzunehmen als habäsu II ״niedertreten", vgl. AHw 303. 36 Vgl. Prophetie, 98-102. 37 AaO. 102. Nach einer anderen Interpretation spielen diese Beigaben eine Rolle in
Zur ״Theologie des Kleides "
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Zweifel gezogen38, allerdings ohne danach zu fragen, warum gerade Haarlocke und Gewandsaum als Legitimation dienen können. Gemäß der Beispiele aus dem Bereich der Rechtssymbolik und der Therapeutik39 besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Gewand und der Person selbst. Haar und Gewandsaum können als altorientalische Spielart der deutschen Redewendung ״vom Scheitel bis zur Sohle" als ganzheitliche Repräsentierung einer Person aufgefaßt werden. Durch die Beigabe von Haar und Gewandsaum erscheint der Orakelbescheid so, als ob der Prophet ihn selbst überbracht habe. Damit dienen diese ״Persönlichkeitszeichen" einerseits der Legitimation des Orakelbescheids, andererseits gelingt die Legitimation darum, weil Haar und Gewandsaum als Persönlichkeitszeichen angesehen und allgemein akzeptiert werden. Es handelt sich also um eine gesellschaftliche Konvention, die das Gelingen dieser durch Symbole geleiteten Kommunikation ermöglicht.
Exkurs 1: Mantel~ und Gewandsaumsymbolik im Alten Testament Terminus technicus für den Gewand- bzw. Mantelsaum ist 40כנף. Im engeren Kontext religiöser Praktik oder in sog. Zeichenhandlungen findet sich der Begriff allerdings nur in IKön 11,29-31; ISam 24,5 f; 15,27f und IKön 19,19-21. Dieser Terminus ist mit d e m üblicherweise mit ״Saum" übersetzten hebr.( שול)יםsemantisch nicht deckungsgleich. 4 1 Hebr. שולbegegnet außer der für das Kleid JHWHs gewichtigen Stelle Jes 6,1 und den Anweisungen zur Herstellung des hohepriesterlichen Ornats in Ex 28,33f; 39,24—26 noch in Jer 13,22.26; Nah 3,5 und Thr 1,9. Wie die Grundbedeutung ״was herabhängt, daher das niedrige" 42 bereits andeutet, eignet dem Lexem weder eine Beziehung zu Textilien im allgemeinen noch zu einem besonderen Teil eines Gewandes im speziellen. Entsprechend notiert auch H A L neben den Bedeutungen ״Säume", ״Weibliche Schamgegend" noch ״Säume od. unterer Teil des Leibes" (aaO.). Jer 13,22.26, und N a h 3,5
Reinigungszeremonien, vgl. zu ARM 2 6 , 2 0 4 , 1 8 z«&fc«m-Reinigungszeremonie. Nach neuerer Auffassung ist diese Meinung, vgl. ARM X, S. 267 zu ARM X, 81, zu korrigieren, vgl. D U R A N D , Introduction (ARM(T) XXVI), 5 7 ; D U R A N D S These, aaO. 4 0 Anm. 1 7 9 , daß sissiktu(m) einerseits ״Gewandsaum" bedeute, andererseits aber von der Form der Abdrücke auf den Tontafeln zu folgern sei, daß sie von einer Kordel (״cordelette") herrührten, an der das private Siegel getragen wurde, ändert an der hier geäußerten These zur Funktion der Beigaben nichts. Außerdem fragt sich, warum man die Kordel des Siegels und nicht das Siegel selbst benutzt hat. 38 D U R A N D , Textes Prophétiques, 4 0 9 : ״La transmission des ,symboles personnels' servait, simplement, tout comme dans le cas du rêve, à permettre de vérifier si Ton doit ou non tenir compte du fait prophétique, et éventuellement, pousser plus avant !,investigation." 39 Siehe unten III. 40 So auch im Aramäischen und Ugaritischen, vgl. HAL II, 4 6 2 f ; siehe auch DOMMERSHAUSEN, 243,כנףff. Die Grundbedeutung hier ist jedoch Flügel/Zipfel. 41 So spricht WELKER, Geist, 1 4 7 , unbefangen vom ״Kleid Gottes" in Jes 6 , 1 ff; siehe dazu unten S. 189 Anm. 119. 42 So HAL II s.v.
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verwenden die folgenden Konstruktionen: ^ ־ ג ל ה שוליך. , שוליך ע ל פניךrf?A-Pi. und חשף שוליך ע ל פניך. Vor allem die Wortverbindung ע ל פניךwird in der Regel als präpositionales Objekt zu den vorangehenden Verben interpretiert: ״so decke . . . ich deine Schleppe auf, dir übers Gesicht". 4 3 Dies soll besagen, daß die Säume des Gewandes bis über das Gesicht hochgehoben und dadurch die Scham sichtbar werde. Verfolgt man jedoch die Art und Weise, wie die beiden Verben גלהund ח ש ףmit der Präposition ע לverbunden sind, ergibt sich, daß חשףimmer mit direktem Objekt verwendet wird. 4 4 Auch Sätze 4 5 , die mit dem Verbum גלהgebildet werden, kennen keine doppelte Objektrealisierung, direktes Objekt + Präpositionalobjekt, wie o.g. Übersetzungen erforderten. 46 Dieser Befund läßt es geraten erscheinen, die Wendung שוליך ע ל פניך insgesamt als ein Syntagma (direktes Objekt) aufzufassen in der Bedeutung ״das, was über deinem Gesicht hängt". D a der Kontext vor allem feminin geprägt ist, wird es sich also um den Schleier einer Frau handeln, dessen Aufdeckung die Frau entblößt. 4 7 Auch Thr 1,9 muß nicht der Saum gemeint sein, sondern das herabhängende Kleid. Für die Annahme, daß ״ שולSaum" bedeute, könnten allenfalls Ex 28,33f; 3 9 , 2 4 - 2 6 und Jes 6,1 Argumente liefern, doch erklärt sich auch hier der Begriff ohne Mühe als ״das, was herunterhängt", als das untere Ende von etwas. Der eigentliche Gewandsaum (hebr. )כנףbegegnet in den oben beschriebenen Situationen nur in Ez 5,3; Hag 2,11 — 13 als Aufbewahrungsort. In Ez 16,8 und Ruth 3,9 könnte mit dem Bedecken einer Frau mit dem ״Zipfel" des Mantels ein alter Eheritus zugrundeliegen. Als Gegenstand religiös besetzter Handlungen figuriert der Mantel und Gewandsaum jedoch nur in den o.g. Texten IKön 11,29-31; ISam 24,5f; 15,27f und IKön 19,19-21. In ISam 15,26f wird von einer Begegnung zwischen Saul und Samuel berichtet. Nachdem Samuel die Verworfenheit Sauls konstatiert hat, wendet Samuel sich um, um fortzugehen. In diesem Moment ergreift Saul den ״Saum seines [Samuels] Mantels", so daß er abriß ( ) ק ר ע, V. 27. Daraufhin spricht Samuel zu Saul: ״abgerissen ( )קרעhat JHWH heute das Königtum Israels von dir". Die Beschädigung des Gewandsaumes Samuels wirkt unmittelbar auf das Königtum Sauls. Unter der Voraussetzung, daß Samuel in seiner Funktion als Richter/Gottesmann auftritt, greift die Beschädigung unmittelbar auf das Amt über. Ohne eine ״unbeschädigte Institution des Richters und Gottesmannes" kann das Königtum nicht bestehen. 4 8 Nicht das Abreißen, sondern das Abschneiden des Mantelsaums schildert die Erzählung ISam 24. Dadurch, daß David den Gewandsaum/־zipfel vom königlichen Gewand Sauls ״abschneidet" ()כרת, befindet
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sich Saul in der Hand Davids: ״Siehe an diesem Tag haben deine Augen gesehen, daß JHWH dich heute in der Höhle in meine Hand gegeben hat". Auch in diesem Fall bewirkt der Besitz des Gewandsaumes eines anderen ein bestimmtes Maß an Verfügungsmacht, hier sogar die totale Verfügungsgewalt - die aber nicht durchgesetzt wird. 4 9 IKön 11,29 f ist wiederum eine Szene unter Beteiligung eines religiösen Amtsträgers und des Königs: Ahia von Silo und Jerobeam von Israel. Hier zerreißt ( )קרעAhia seinen Mantel in zwölf Stücke und befiehlt dem Jerobeam, zehn Stücke zu nehmen. Dies wird wie in den Beispielen zuvor mit einer Gottesrede gedeutet: ״Denn so spricht JHWH der Gott Israels. Siehe ich reiße ( )קרעdas Königtum aus der Hand Salomos und werde dir zehn Stämme geben." Dieser Passus stellt nun entweder eine bloße Zeichenhandlung dar, die am Beispiel des Mantels verdeutlichen will, wie ein Ganzes in verschiedene Teile zergliedert wird. Oder auch hier bedeutet der Besitz von zehn Teilen des Prophetenmantels einen vorausverfügten Anteil am Königtum Salomos. 5 0 Schließlich könnte der Ritus des Mantelüberwerfens in IKön 19,19ff im Sinne einer Berufung als Nachfolger verstanden werden. Indem Elia seinen Mantel Elisa überwirft, wird dieser in Amt und Funktion seines Vorgängers ״berufen". 51 Alle Beispiele sind auf den Mantel bestimmter Funktionsträger bezogen, und gemäß den textinternen Deutungen wirkt der vollzogene symbolische Akt seinerseits auf ein Amt oder eine Institution. Vor allem aber bildet der symbolische Akt cor am publico einen zukünftigen Sachverhalt ab, so daß ganz real das initiiert wird, was geschehen soll. 5 2
III.
Therapeutik
In den medizinischen Bereich verweist die Praktik der therapeutischen Gewandapplikation, wenn der Kranke mit wirkmächtigen Kleidern oder Kleidungsteilen berührt und dadurch geheilt wird. Das bekannteste biblische Beispiel ist die Heilung der blutflüssigen Frau in Mk 5,25ff par., die sich in der Volksmenge von hinten der Person Jesu nähert und sein Kleid berührt (V. 28-34*): „28 Sie sagte (sich) nämlich: ,Wenn ich auch nur seine Kleider berühre, werde ich heil werden'. 29 U n d gleich ward getrocknet der Quell ihres Blutes, und sie merkte am Leib, daß sie von der Plage kuriert war. 30 Und gleich merkte Jesus an sich selbst die aus ihm gefahrene K r a f t ; . . . 34 Er aber sprach zu ihr: ,Tochter, dein Glaube hat dich heil g e m a c h t . . .'." 53
43
So RUDOLPH, H A T 12, 88, und HORST, H A T 14, 162; ZOBEL, גלה, 1022: ״die Schleppe hochheben". 44 Joel 1,7; Ps 29,9; Jes 47,2; Ez 4,7; Jes 30,14; Hag 2,16 und mit אתals n. acc. Jes 52,10; Jer 49,10. 45 Zum hebräischen Satz vgl. RICHTER, Grundlagen, B III, 7ff. 46 Auffallend sind Konstruktionen mit מעלin der Bedeutung ״wegführen aus" in IIKön 17,23; 25,21; Jer 52,27; Am 7,11.17. Nur ein Präpositionalobjekt, על+ Sündenterminus + ePP, bietet Thr 2,14; 4,22 aber ohne direktes Objekt. 47 Vgl. oben im mA Rechtsbuch zur Verhüllung von Frauen, S. 45 f. 48 So auch CONRAD, Samuel, 2 7 4 f f ; KRUGER, Symbolic significance, 1 0 9 ff, weist darauf hin, daß vom Kontext her eine Bitte vorliege, so daß der Ritus des Gewandsaumergreifens wohl von Saul aus als Bittgestus gedacht war, aber aus Ungeschick in sein Gegenteil verkehrt wurde.
49 Zum Text vgl. STOLZ, ZBK 9, 154f. Stolz veranschlagt den mesopotamischen Einfluß relativ gering. Doch ist zu fragen, ob hier überhaupt mit Einfluß zu rechnen ist, ob nicht vielmehr ein allgemein bekanntes Verhalten geschildert wird. Andererseits scheint sein Hinweis, daß das Abschneiden des Mantelzipfels eher die Tollkühnheit Davids symbolisieren solle, erwägenswert, wenn man die Szenerie stärker betont. 50 Vgl. FOHRER, Die symbolischen Handlungen, 18f. 51 Vgl. auch WÜRTHWEIN, ATD 11/2, z. St. „Der Mantel ist erfüllt von der Macht seines Trägers", aaO. 232f. 52 In dem Moment, wo z.B. von den Propheten das Ende der Regentschaft angekündigt und in einem symbolischen Akt visualisiert wird, sind Fakten geschaffen, die in die gewiesene Richtung wirken. 53 PESCH, HThK 11/1,296.
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Das Kleid im religiösen Kontext
Hinter dieser Aktion steht die Vorstellung, daß die Berührung besonders begabter Persönlichkeiten, die mit therapeutischer Kraft (ö׳uva^iig) ausgestattet sind, dadurch zur Heilung führt, daß diese Kraft während der Berührung auf den Patienten übergeht. „Daß die Vorstellung, die beim Hilfesuchenden einen starken ,Glauben' voraussetzt, der psychotherapeutischen Vermittlung von Gesundheit . . . dient, versteht sich."54 Der ursprünglich magische55 Akt der Heilung wird hier mit der dem Alten Testament (noch) fremden Kategorie des Glaubens (jciaxig)56 verbunden. Der Sache nach liegt aber eine Praktik vor, die schon in altorientalischen Texten gut bezeugt ist. Ein Text aus der antiken Hafenstadt Ugarit57 gehört zu den konkretesten Zeugen in dieser Hinsicht. Der Text RIH 78/20 beinhaltet eine Beschwörung gegen Dämonen, die einen jungen Mann befallen und eine Geschlechtskrankheit/Erektionsstörungen (?) verursacht haben. Neben der verbalen Beschwörung und anderen Riten erwähnen Z. 12—13* den Ritus der Gewandapplikation: Ibs il ystk c rm il ystk
„D as Kleid des Gottes lege man auf dich, die Bedeckung des Gottes lege man auf dich!" 58
Nicht als Gewandapplikation, bei der die Kräfte des Trägers auf den Patienten übergehen und dort heilende Wirkung auslösen, sondern als Heilmittelapplikation dient das Einnähen bestimmter therapeutischer Stoffe in den Gewandsaum. Im Kontext mesopotamischer Beschwörungen und therapeutischer Rituale begegnet das Phänomen jedoch selten: „Du rezitierst die Beschwörung über der kapäsu-Muschel (und) du wirst sie in deinen Gewandsaum binden (und der König wird freundlich zu dir sein)". 5 9
aaO. 302 unter Hinweis auf Act 19,12; 5,15. Weitere Literatur ebd. Anm.23. Vgl. auch FRIEDRICH, δύναμις, 865. 55 Vgl. auch HUTTER, Ein altorientalischer Bittgestus, 133ff, mit religionsgeschichtlichem Vergleichsmaterial. Hutters Interpretation, ״im Erfassen des Gewandsaums nicht eine magisehe Handlung zu sehen, wodurch die Heilung ,erschlichen' wird, sondern eine Geste äußerst intensiven Bittens" (aaO. 135), verharmlost u.E. den Sachverhalt. Auch im Alten Orient wird an die Wirksamkeit solcher Riten und an die heilende Kraft bestimmter Personen ״geglaubt" nur wird dieses nicht thematisiert und auf eine Person reduziert. 56 Zur Frage nach den alttestamentlichen Wurzeln des mit πίστις umschriebenen Sachverhaltes vgl. Ζ . B . MICHEL, Glaube, 566ff; BARTH, πιοτις κτλ., 217f. 57 Vgl. RIH 78/20 und KTU 1.124. 58 Text nach LORETZ/XELLA, MLE1,38; ug. Ibs ״Kleid/bekleiden" und ktn ״Weste/Mantel" begegnen in rituellem Zusammenhang nur noch in KTU 1.43,4.22; 1.41,54 vermutlich als Gaben an Sterngötter. Auf weitere Beispiele aus mesopotamischen Ritualen macht aus medizinhistorischer Sicht POLENTZ aufmerksam, vgl. MLE 1, 48f. Texte, die auf Bekleidungsriten an Götterstatuen schließen ließen, sind bislang nicht bekannt geworden. Vielleicht erlaubt der ug. Terminus ipd, vgl. hebr. א פ ו ד, einen Rückschluß; vgl. RIBICHINI/XELLA, La Terminologia dei tessili, 31 f. 59 KAR 238 r. 6, vgl. CAD Q, 84b; dort auch die Hinweise auf weitere Stellen: TCS II 51, l f f . , 6: [i-na] qa-an-ni-ka tär-kas [xxx (x)] in einem SÄ.ZI.GA Ritual gegen Potenzstörun54
PESCH,
Zur ״Theologie des Kleides "
55
IV. Priesterinvestitur und Priesterornat Innerhalb der Überlieferungen von der Priesterweihe Aarons (Ex 2 8 - 2 9 , Ex 39 + Lev 8f) und seiner Söhne finden sich die umfang- und zugleich materialreichsten Texte zur Funktion von Kleidern im Alten Testament. Die genannten Texte behandeln einerseits ausführlich die Herstellung des Priesterornats (Ex 28 par. 39), andererseits wird die Einkleidung der Priester innerhalb eines elaborierten Investiturrituals (Ex 29 par. Lev 8f) überliefert. Der Text dieses Rituals enthält in der nun vorliegenden Form mindestens einen Hinweis darauf, daß die Priesterweihe nicht nur an den Personen selbst, sondern auch an ihren Kleidern vollzogen wurde, Ex 29,21 par. Lev 8,30: ״So nimm [sc. Mose] von dem Blut, das auf dem Altar ist, und von dem Salböl und sprenge (nn-Hi.) auf Aaron und auf seine Kleider und auf seine Söhne und auf die Kleider seiner Söhne mit ihm, so daß er heilig wird ( )קדשund seine Kleider und seine Söhne und die Kleider seiner Söhne mit ihm." 6 0
Angesichts der unterschiedlichen Beurteilung des literarischen Wachstums unserer Texte61 soll sich die Textanalyse etwas ausführlicher mit der Verhältnisbestimmung der Texte zueinander und der religions- bzw. kultgeschichtlichen Entwicklung des Investitur-Rituals befassen.
1. Das Ritual der Priesterinvestitur (Lev 8f) Die Anweisungen zur Herstellung der priesterlichen Kleider und die Investitur der aaronidischen Priester findet sich innerhalb der priesterschriftlichen Sinaiperikope (Ex 16,1 ־Lev 9,24*) an pointierter Stelle. Im engeren Kontext gen, vgl. BIGGS, SÄ.ZI.GA, 2 ; ina SI subätika tarakkas in KÖCHER, BAM 318, iv 11; 316, iv 2 2 , und ״yesterday I let him (the Substitute king) hear (the signs?), I cut off (the[...]), (and) I bound (it) in his hem", ABL 676, r. 8, vgl. CAD Q , 85a. Insgesamt vgl. M A L U L , Legal Symbolism, 196 f. 60 Zum Text vgl. vorläufig NOTH, ATD 5, 189f; zum Ritus des Besprengens s. JANOWSKI, Sühne, 221-242. 61 Die Hauptunterschiede betreffen, kurz gesagt, die Zuweisung von Ex 28; 29; Lev 8; 9 zur priesterschriftlichen Grundschrift. Nach ELLIGER, Sinn und Ursprung, 121 f, gehören Ex 28,1-41; 29,1—37.42b—46; Lev [ 8 , l - 1 0 a a . l 2 - 3 6 ; ] 9 , 1 - 2 4 noch zu P G , ähnlich auch K O R N FELD, NEB 6, 34; während nach WEIMAR, Struktur II, 85, nur Ex 29,45.46 und Lev 9,la*.2. 3*.4b.5b.7a.ba.8*.12a.l5a.21b.23.24b zu dem ohnehin schon stark reduzierten Umfang von P G gehören; im Ergebnis nicht wesentlich anders lautet die Abgrenzung bei LOHFINK, Priesterschrift, 222f. Unterschiedliche Auffassungen werden auch hinsichtlich der Frage vertreten, ob Ex 29 oder Lev 8 f literarisch und überlieferungsgeschichtlich der Vorrang einzuräumen sei. Für Lev 8f plädieren ELLIGER, HAT 4, 106ff, mit eingehendem Vergleich mit Ex 29; indirekt G s JANOWSKI, Sühne, 232, der Teile von Lev 8 P , von Ex 29 aber P zuordnet; WALKENHORST, Sinai, 116. Für den Vorrang von Ex 29 plädieren KOCH, Priesterschrift, 67 ff; NOTH, ATD 6,55 f, da Lev 8 zu den Ausführungsberichten Ex 35—39 gehöre und diese bekanntermaßen sekundär zu Ex 25—31 seien, sowie deshalb, weil Ex 29 schon als ein Nachtrag zu P in Ex 28 aufzufassen wäre, und jetzt MILGROM, Consecration, 281 ff; DERS., AncB 3, 515. Nicht mehr berücksichtig werden konnte: POLA, Die ursprüngliche Priesterschrift.
72
56
Das Kleid im religiösen Kontext
Zur ״Theologie des Kleides "
der von JHWH auf dem Berge Sinai (Ex 24,15b-18) an Mose ergehenden Anweisung (Ex 25,1 ff) zum Bau des Zeltheiligtums mit seinem Inventar (Ex 25-31) behandeln Ex 28 die Herstellung der Priesterkleider und Ex 29,1-35 die Investitur der Priester, Ex 29,36-46 die Weihung des Brandopferaltars und den beginnenden Opferkult. Einigkeit herrscht in der Forschung darüber, daß der diesem Anweisungsteil62 korrespondierende Ausführungsbericht in Ex 35-39 literarisch sekundär ist, 63 so daß dieser Teil hier weitgehend ausgeklammert werden kann. Größere Schwierigkeiten bereitet allerdings der Umstand, daß die Priesterinvestitur und der beginnende Opferkult innerhalb des Buches Exodus ohne Ausführungsbericht bleiben. Dieser findet sich erst in Lev 8, und zwar nachdem in Ex 40,17.34f (P G ) das Heiligtum bereits fertiggestellt ist, die Herrlichkeit JHWHs das Heiligtum in Besitz genommen hat und - nach dem gegenwärtigen Text - von dort aus (Lev 1,1) dem Mose die Vorschriften für die Opfer bekannt gegeben wurden (Lev 1 - 7 ) . 6 4 Zur genaueren Erfassung der kontextuellen Verankerung unserer Texte muß kurz auf den Aufriß der Sinaiperikope65 von P G und deren sukzessiven Ausbau eingegangen werden.
Innerhalb unseres Kontextes erhält neben den sonstigen Gliederungssystemen in P° 6 6 das Erscheinen des כבוד יהוהentscheidendes Gewicht. So bilden die Geschichte vom Murren Israels (Ex 16,1-12* und Erscheinung des k.J.) und die vom ersten Opfer (Lev 9,1-24* erste Opfer und Erscheinen des k.J.) nicht nur den Rahmen für die Sinai-Offenbarung (Ex 19,1-40,35*), sondern zugleich ״eine bewußte Antithese"67, um die im Exodus vollzogene Schöpfung des Gottesvolks mit der Errichtung des Heiligtums Wirklichkeit werden zu lassen.68 Nach den Analysen von P. Weimar, B. Janowski und G. Steins ergibt sich für den Textkomplex der Sinaioffenbarung (P G ) nun folgender Aufbau (siehe S. 58):
62 Charakteristisch für den Anweisungsteil wie auch für die Opfertorot in Lev 1 - 7 ist der Ritualstil, d.h. kurze Sätze (w = qatal), die in der 2. Sg. an einen Priester gerichtet sind, vgl. schon KOCH, Priesterschrift, 7f; DERS., Rituale, 82ff, zur Parallelität zwischen den Anweisungen Lev 5 und der babylonischen Ritualserie Šurpu, und RENDTORFF, Studien, 8; DERS., Gesetze, 5ff.77; DERS., B K I I I , 18ff. 63 Vgl. STEINS, Struktur und Entstehung, 146 Anm. 2 mit Hinweisen auf ältere und neuere Literatur. 64 Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, daß der jetzige Zusammenhang zwischen Lev 8 und 9 durch ein sekundär eingefügtes 7-Tage־Schema gewonnen ist, so daß der Eindruck entsteht, als ob erst am Ende von Lev 9 auch die Priesterweihe sachlich zum Abschluß käme. Zur Abgrenzung von P G in diesem Zusammenhang vgl. LOHFINK, Priesterschrift, 222f; WEIMAR, Struktur I, 85; ELLIGER, Sinn und Ursprung, 121 f; KOCH, Priesterschrift, 19ff; WALKENHORST, Sinai, 116ff; für Lev 8f ELLIGER, HAT4,113ff.l27ff; KORNFELD, NEB 6,34ff; UTZSCHNEIDER, Heiligtum, enthält sich jeder Quellenzuweisung; ähnlich GERSTENBERGER, ATD 6,91 ff. Eine sehr ausführliche Kommentierung von Lev 8 - 9 jetzt bei MILGROM, AncB 3, 493-595(!). 65 Nach ELLIGER, Sinn und Ursprung, 121 f, umfaßt die Sinaiperikope von P Ex 25,1-27,19; 28,1-41; 29,l-37.42b-46; 31,18; 35,la.4b-10.20-29; 36,2.32.43; 40,17.33b.34 [.35] und Lev 9 , 1 - 2 4 . Nach neueren Untersuchungen kommt WEIMAR, Struktur I, 85 Anm. 18, zu einem deutlich knapperen Minimaltext: Ex 16,laß.23.6.7־aba.8bß.l0aab.ll.l2; 19,1; 24,15b. 16.18a; 25,la.2aa.8.9; 26,l*.2a.6*.7.8a.lla*.15a.l6.18*.20*.22*.23a.30; 29,45.46; 39,32b.43; 40,17.34; Lev 9,la*.2.3*.4b.5b.7a.ba.8*.12a.l5a.21b.23.24b; vgl. auch DERS., Sinai und Schöpfung, 340ff. Nach der Abgrenzung von JANOWSKI, Tempel und Schöpfung, ist dieser Textbestand noch um Ex 24,17; 29, 43.44a; 40,35 zu vermehren, vgl. DERS., Sühne, 304 Anm. 168.169; 317f; 305 Anm. 171. Dieses Material ist nun nach der jüngsten Untersuchung von STEINS, Struktur und Entstehung, 145ff, innerhalb des Abschnitts Ex 24,12-31,18 nochmals zu erweitern: Ex 25,3-7; 27,1-8* (STEINS 1. Stufe 25,1-9*; 26,1-27,8*). Damit ergibt sich als Textumfang: Ex 16,laß.2—3.6.7aba.8bß.l0aab.ll.l2; 19,1; 24,15b.l6.i7.18a; 25,la.2aaJ-7.8.9; 26, 1*.2a.6*.7.8a.IIa*. 15a. 16.18*.20*.22*.23a.30; 27,7-8*; 29,43-44a .45 A6• 39,32b.43; 40, 17.34.35; Lev 9,1a*. 2.3*.4b.5b.7a.ba.8*.12a.l5a.21b.23.24b.
a) Zur Entstehung der priesterschriftlichen
Sinaiperikope
Nach den bisherigen Überlegungen soll anhand des umseitigen Aufbauschemas die Verankerung unserer Thematik innerhalb der Sinaiperikope näher erläutert werden. Da nur die Situierung der Priesterthematik von besonderem Interesse ist, müssen einige wenige Beobachtungen genügen. Entlang der kursiv dargestellten priesterschriftlichen Grundschrift findet sich eine ganze Reihe von späteren Ergänzungen, die die Ausstattungsdetails des Offenbarungszeltes und seines Inventars betreffen. Hinsichtlich dieser Ergänzungen herrscht dahingehend Übereinstimmung, daß im Anweisungsteil Ex 3 0 - 3 1 * sekundär sind und im Ausführungsbericht (in eckigen Klammern) Ex 3 5 , 1 - 3 9 , 3 2 a . 6 9 Auffällig ist weiterhin, daß die Abschnitte über das Inventar des Allerheiligsten (Ex 2 5 , 1 0 - 4 0 par. 3 7 , 1 - 2 4 ) den Zusammenhang von Ex 25,9; 26,1 (P G ) unterbrechen und offenbar durch Ex 2 6 , 3 1 - 3 7 motiviert sind. Auch die zwei Verse über das Leuchteröl (Ex 2 7 , 2 0 - 2 1 ) wirken eingeschoben. Es ergibt sich im Anweisungsteil somit eine klare Reihenfolge: Vorhang + Allerheiligstes, Brandopferaltar, Vorhof, Priesterkleider, Priesterweihe, Altarweihe (Ex 26,31-29,44*). Der sekundäre Ausführungsbericht zeigt nun, daß diese Reihenfolge durch die Themen: Inventar des Allerheiligsten (Ex 3 7 , 1 - 2 4 ) , Räucherkult (Ex 3 7 , 2 5 - 2 9 ) , Wasserbecken (Ex 38,8) und die Kostenfrage (Ex 3 8 , 2 1 - 3 1 ) stark unterbrochen wird. Daraus ergibt sich der Schluß, daß diese Themen innerhalb des Anweisungsteils (Ex 3 0 - 3 1 ) die jüngste Schicht repräsentieren. 7 0 Läßt man diese Themen jedoch außerhalb der Betrachtung, so erhalten wir auch im Ausführungsbericht exakt dieselbe Themenfolge wie im Anweisungsteil. Aus der Stellung von Ex 29 und Lev 8, wobei vor allem Lev 8 wie ein Einschub wirkt, wird zugleich deutlich, wie die jetzige Textanordnung entstanden sein könnte.
66
Vgl. WEIMAR, Struktur I , 88ff.98ff. 105ff; JANOWSKI, Tempel und Schöpfung, 4 7 f. Auf der Ebene des Endtextes argumentieren Untersuchungen zur narrativen Struktur von Ex 1 9 - 2 4 , vgl. z . B . CHIRICHIGNO, The Narrative Structure of Exod 1 9 - 2 4 , 4 5 7 f f . 67 WEIMAR, Sinai und Schöpfung, 376. Zur Konstitution des ״Volkes" in Lev 9,23 f, vgl. aaO. 377. 68 Vgl. ebd. 69 Vgl. die Übersicht bei CHILDS, Exodus, 529f.535; Nora, ATD 5, 220f; STEINS, Struktur und Entstehung, 146 Anm. 2. 70 Vgl. auch Nora, aaO. 1 9 2 ; CHILDS, aaO. 5 3 3 . 5 4 2 zum Einschub der Erzählung vom goldenen Kalb in Ex 3 1 , 1 8 - 3 4 , 3 5 ; s. auch unten S. 178F.
72
Zur ״Theologie des Kleides "
Das Kleid im religiösen Kontext
DerAußau
der Sinaioffenbarung bei PG
Ex 16,1-12*
RAHMEN
/ . Ex 19,1+24,15b—18a: IL Ex 25,1.2aa JHWH-Rede
Die Gegenwart des keböd JHWH auf dem Berg Ex 25,2-7*: Sammlung
8a Herstellen d. Heiligtums: 8b Zielangabe: 9a Anordnungsgemäß:
עשה מקדש Wohnen שכן תבנית. . . ככל אשר ן-> Ex 25,10-40 Inventar des I
Bauanweisung für den miskan III. Ex 26,1-29* - Aufrichtungsanweisung IV. Ex 26,30 Vorhang + Allerheiligstes 26,31-37 Brandopferaltar 27,1-8 Vorhof 27,9-19 28,1-42
V. Ex 29,43-45*
31,1-11 31,12-18 35,1-3
38,1-7
- • קום
V. 2 0 - 2 1 Leuchteröl
Priesterkleider 29,1-35 Priesterweihe 29,36-44 Altarweihe Zielangabe
Begegnen: יעד w. Wohnen שכן Ex 30,1-10.17-48 Zubehör Ex 30,11-16 Steuer
Handwerker Sabbat Sabbat
35,30-36,1 Handwerker III.* [[Ex 36,8-34 Bauausführung des miskan 36,35-38
Allerheiligsten
Vorhang + Allerheiligstes
Ex 35,4-29: Sammlung Ex 36,2-7: Sammlung Ex 37,1-24 Inventar des Allerheiligsten
P G wurde sukzessive um Ausstattungsdetails ergänzt. Letztes Element in der Inventarliste sind die Priesterkleider in Ex 28. Diesem Sachverhalt entspricht auch der Ausführungsbericht. Wie aber ist die Thematik der Priesterkleider mit der Priesterweihe verknüpft? An dieser Stelle hilft eine Beobachtung Elligers weiter, wonach Lev 8 redaktionell mit Lev 9 über das 8״-Tage-Schema" (Lev 8,33; 9,1) verbunden wurde, und zwar mit dem Ziel, die ab Lev 9 amtierenden Priester als rite in ihr Amt eingesetzte Priester darzustellen und auf der Ebene des Endtextes durch eine Epiphanie zu legitimieren. 71 In einem weiteren Schritt wäre dann aus Symmetriegründen Ex 29 verfaßt worden und, da Ex 28 thematisch schon mit den Priesterkleidern befaßt war, zwischen Ex 28 und Ex 29,43 (P G ) eingefügt worden. 72 Auf der Ebene des Endtextes ergibt sich somit eine konzentrische Struktur mit folgendem Aufbau: 73 Ex 24,12-18 Beginn der Gottesrede auf dem Berg Ex 25,1-27,21 Anweisungen für das Heiligtum Ex 28,1-43 Priesterkleider Ex 29,1-37 Priesterweihe Ex 29,38-31,11 Aufrichtung des Heiligtums Ex 31,12-18 Ende der Gottesrede auf dem Berg Die Abschnitte über die Priester bilden nach der Kompositionsstruktur demnach das Zentrum der Sinaiperikope. Sie sind die für das Funktionieren des Kultes nötigen Agenten. Als solche bilden sie zugleich ein Stück ״Inventar" des Heiligtums. Wie die Analyse der Eingangsverse der Kapitel 25 und 28, also der Abschnitte, die mit den Sach- und Personalfragen des Kultes befaßt sind, nahelegt, werden die Priester samt ihren Kleidern auch von dem Autor/Redaktor unseres Textes als Ausstattungselemente des Heiligtums angesehen: Ex 25,1 Redeeinleitung: Gottesrede 2aa Redeauftrag: Imperativ 2aß Auftrag + Ziel ( ( ל י תרומה 3aa Liste ()וזאת התרומה Ex 2 8 , 1 - 2 Gottesrede 3aa Redeauftrag: sPP 4 ־PK-D/2 sg m 3b Auftrag + Ziel ((לכהנו״לי 4aa! Liste ()ואלה הבגדים
Brandopferaltar Ex 37,25-29 Räuchern Ex 38,8 Becken
38,9-20
59
Vorhof Éx 38,21-31 Kosten
39,1-32a Priesterkleider] ] II. * Ex 39,32b. 43: Anordnungsgemäße 1 Herstellung עשהכאשרJ TV*Ex40,17 Aufrichtung des Heiligtums — קום Die Gegenwart des kcböd JHWH im Heiligtum I* Ex 40,34.35 Lev 8 Priester- und Altarweihe Lev 9,1-24* RAHMEN
71 Vgl. ELLIGER, HAT 4,127; zum Verhältnis zwischen Lev 1 - 7 und Lev 8 siehe aaO. z. St. sowie RENDTORFF, BK I I I , 7f. 72 So fügen sich auch diese rein am Aufbau der Perikope gewonnenen Beobachtungen zu den älteren Einsichten, daß Ex 28 und Ex 29 nicht von einer Hand seien, vgl. Nora, ATD 5, 187 f. 192, und daß Lev 8 gegenüber Ex 29 der Vorzug zu geben sei. 73 Zum folgenden vgl. STEINS, Struktur und Entstehung, 150-153.
Legende zu S. 58 kursiv: P G ; fett: Thema: Priester(kleider) einfach bzw. doppelt unterstrichen: thematische Korrespondenzen; | 1 Thema: Erhebung von Abgaben [[ ]]: sek. Ausführungsbericht
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Zur ״Theologie des Kleides "
Das Kleid im religiösen Kontext
Wie bereits Steins beobachtet hatte 7 4 , markiert diese Strukturanalogie nicht allein die formale Parallelität und Zuordnung dieser Textabschnitte, sondern im Vergleich mit P G zeigt sich vor allem, daß der Abschnitt Ex 2 5 , 2 - 7 eher P s zuzurechnen ist. Thematisch geht es um die Erhebung einer Abgabe, mit der die Ausstattung des Heiligtums und des hohepriesterlichen Ornats (Ex 25,7b) vorgenommen werden soll. Dabei handelt es sich um kostbare Edelsteine/־metalle, Stoffe und Felle, also genau diejenigen Materialien, die für den eigentlichen Miskan und den Ornat des Hohenpriesters benötigt werden. Diese formale und inhaltliche Kongruenz liefert gute Argumente für die Annahme, daß Ex 28 und Ex 25, 2 - 7 , wie auch die P s -Anteile in Ex 26* 7 5 , auf einen gemeinsamen Urheber zurückgehen. Sein Interesse gilt primär der visuellen Gestaltung des Heiligtums und des Ornats und der über Farbidentität erreichten gegenseitigen Zuordnung. 7 6 Nach diesen Beobachtungen und den Hinweisen Elligers 77 kann Ex 2 9 , 1 - 4 2 als jüngstes Kapitel in diesem Abschnitt gelten. Deshalb ist für die Analyse der Priesterinvestitur von Lev 8* allerdings mit modifizierter Datierung auszugehen. Die These Elligers, der noch größere Teile von Lev 8 zu P G zählte, bedarf nach unseren Beobachtungen nun dahingehend einer Korrektur, daß Lev 8 wohl eher einem P G zeitlich nahestehenden (älter als Lev 1 - 7 ) Autor oder einer jungen Redaktionsschicht, die traditionsgeschichtlich altes Material verwendet, zuzuordnen ist.
61
ihm das Ephodgewand ( )אפדan, und er umgürtete ihn mit der Binde ( ) ח ש בdes Ephod und schürzte ihn damit. 8 Er legte ihm die Brusttasche ( )חשןüber und legte in die Brusttasche Urim und Tummim. 9 Und er setzte ihm den Kopfbund ( )מצנפתaufs Haupt und befestigte am Kopfbund [ . . . ] das heilige Diadem (נזר )הקדש, wie JHWH Mose befohlen hatte. II.c
lOaot Und Mose nahm das Salböl 12aa* und goß 12aß.b dem Aaron aufs Haupt und salbte ihn [ . . . ] .
II.d
13 Dann brachte Mose die Söhne Aarons dar, und er bekleidete sie mit Leibrökken, gürtete ihnen die Schärpe um und band ( )חשבihnen Mützen ( ) מ ג ב ע הauf, wie JHWH Mose befohlen hatte.
IILa
14 Dann ließ er den Sündopferfarren herbeibringen, und Aaron und seine Söhne stemmten ihre Hand auf den Kopf des Sündopferfarrens. 15aa U n d Mose schlachtete und nahm das Blut und gab mit seinem Finger an die Hörner des Altars ringsum, 15ba und das (Rest-)Blut goß er an den Fuß des Altars. 16 Dann nahm er alles Fett, das an den Eingeweiden sitzt, den Leberlappen, die beiden Nieren und das Fett an ihnen, und Mose ließ es auf dem Altar in Rauch aufgehen. 17 D e n (übrigen) Farren, seine Haut, sein Fleisch und sein Gedärm verbrannte er im Feuer, draußen vor dem Lager, wie JHWH Mose befohlen hatte.
IH.b
18 Dann brachte er den Brandopferwidder dar, und Aaron und seine Söhne stemmten ihre Hände auf den Kopf des Widders. 19 Und Mose schlachtete und sprengte das Blut an den Altar ringsum. 20 D e n Widder zerlegte er in seine Stücke, und Mose ließ den Kopf, die Stücke und das Nierenfett in Rauch aufgehen. 21 Die Eingeweide und Schenkel wusch er mit Wasser. Und Mose ließ den ganzen Widder auf dem Altar in Rauch aufgehen. Ein Brandopfer ist es zum beruhigenden Geruch, ein Feueropfer ist es für JHWH, wie JHWH Mose befohlen hatte.
IV.
22 Dann brachte er den zweiten Widder dar, den Einsetzungswidder, und Aaron und seine Söhne stemmten ihre Hände auf den Kopf des Widders. 23 U n d Mose schlachtete und nahm von seinem Blut und gab es an das rechte Ohrläppchen Aarons und an seinen rechten Daumen und an seine rechte große Zehe. [24a . . . ] 24b Und Mose sprengte das (übrige) Blut an den Altar ringsum. 25 Dann nahm er das Fett, den Fettschwanz, und alles Fett, das an den Eingeweiden sitzt und den Leberlappen, die beiden Nieren und das Fett an ihnen [ . . . ] 26a Und aus dem Korb mit dem Ungesäuerten, der vor JHWH steht, nahm er ein ungesäuertes Ringbrot, ein Ringbrot aus Ölteig und einen Fladen 27 und gab alles in die Hand Aarons und in die Hand seiner Söhne und vollzog mit ihnen die Webe vor J H W H . 28 Dann nahm sie Mose aus ihren Händen und ließ [sc. sie] in Rauch aufgehen auf dem Altar auf dem Brandopfer. Ein Einsetzungsopfer sind sie zum beruhigenden Geruch, ein Feueropfer ist es für JHWH, 29bß wie JHWH Mose befohlen hatte.
V.
31 Und Mose sagte zu Aaron und zu seinen Söhnen: Kocht das Fleisch am Eingang des Begegnungszeltes, und dort soll ihr es essen und das Brot i m Korb des Einsetzungsopfers [ . . . ] 32 Was übrig bleibt vom Fleisch und vom Brot, sollt
b) Riten in Verbindung mit dem Priesterkleid Nach der Analyse Elligers, dessen Textaufteilung wir uns im wesentlichen hier anschließen, gehören große Teile - zunächst von Lev 8 - noch zur priesterliehen Grundschrift P° 7 8 , d.h. nach dem bisher Gesagten zu einer P G nahestehenden Redaktionsschicht. Der Übersichtlichkeit halber sei der P G ! zuzuweisende Ritualtext in eigener Gliederung nach Elliger wiedergegeben: I.
8,1״ Und Jahwe sprach zu Mose. 2a Nimm Aaron und seine Söhne mit ihm und die Kleider und das Salböl 3 und versammle die ganze Gemeinde zum Eingang des Begegnungszeltes. 4 Und Mose tat, wie JHWH ihm befohlen hatte, und er versammelte die Gemeinde am Eingang des Begegnungszeltes. 5 Und Mose sagte zu der Gemeinde: Dies ist es, was JHWH zu tun befohlen hat.
II.a
6 Und Mose brachte ( m p - H i . ) Aaron und seine Söhne dar, und er wusch sie mit Wasser.
11.b
7 Dann legte er ihm den Leibrock ( ) כ ת נ תan und gürtete ( )חגרihm die Schärpe ( )אבנטum, und er bekleidete ( )לבשihn mit dem Obergewand ( )מעילund legte
74
Vgl. ebd. Vgl. WEIMAR, Sinai, 345 mit folgendem P G -Bestand: Ex 26,la.bß.2a.6*.7.8a.lla.b ß. 15a.16.18*.22.23*. 76 Vgl. dazu unten S. 68f. 70f. 75
77
78
V g l . ELLIGER, H A T 4 , 1 0 4 f f , b e s . 107.
Und zwar in einer älteren Form P G ! und einer Überarbeitungsform P° 2 , vgl. ELLIGER, HAT 4, 104-105; s. auch GERSTENBERGER, ATD 6, 98 Anm.5. Anders jedoch MILGROM, AncB 3, 542f.
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Zur ״Theologie des Kleides "
Das Kleid im religiösen Kontext ihr im Feuer verbrennen. 36 U n d Aaron und seine Söhne taten [ . . . ] was JHWH durch Mose geboten hatte."
Auffälligstes Merkmal der Textgliederung sind die צרה... ^KD-Formeln, jeweils am Ende der einzelnen Abschnitte mit den Handlungsberichten: V. 5.9.13.17.21.29bß.36. Orientiert man die Gliederung jedoch am Handlungsablauf des Rituals und zudem unter der Voraussetzung, daß es sich hier um ein Initiationsritual79 handelt, innerhalb dessen die priesterlichen Prätendenten zu den allerersten Priestern eines neuen Heiligtums werden sollen, so ergibt sich eine andere Zuordnung der Abschnitte, für die die Handlungen an den Initianden und die Handlungen der Initianden wesentlich sind. I. Vorbereitung des Rituals: Zelteingang II. Handlungen an den Initianden a) Waschen: Aaron und Söhne b) Bekleiden Aarons c) Salben Aarons d) Bekleiden der Söhne Aarons III. a) Opfer der Initianden: 8^111־חטאת III. b) Opfer der Initianden: 1018^עולה IV. Handlungen an den Initianden 80 a) Blutapplikation an die Person b) Weben vor JHWH V. Ende des Rituals: Opfermahl am Zelteingang
II.
III. IV.
a) Bekleidungsriten Zu dem ersten substantiellen Abschnitt II (nach obigem Schema) gehören Darbringung, Waschung, Bekleidung und Salbung des/der Initianden am Eingang des Begegnungszeltes. Dieser Ort, an dem sich innerhalb der priesterschriftlichen מועד das kultische Leben Israels öffentlich abspielt, ist in der Wüstenüberlieferung speziell der Ort, wo JHWH bzw. die Herrlichkeit JHWHs Israel erscheint, und vor allem der Ort der Opferdarbringung.82 Besonders die Terminologie in V.6 verdeutlicht, daß die Initianden wie ein Opfertier behandelt werden. Der Darbringungsterminus ist mp-Hi. (vgl. z. B. Ex 28,1; 29,4; 40,12) und begegnet mit dem in P für das Waschen von Opfern typischen Terminus ( רחץvgl. z.B. Lev 1,9.13; 9,14; Ex 29,17) gemeinsam in Lev 8,18.21.83 Nach diesem Akt der Darbringung erfolgt in I l . b - d die eigentliche Bekleidungszeremonie. Akteur ist und bleibt Mose in seiner prie־ sterlichen Funktion.84 Er bekleidet Aaron mit: -
Leibrock ()כתנת Schärpe ()חגר אבנט Obergewand als Hauptkleidungsstück () ל ב ש מעיל Ephod und Ephodbinde ( חשבund )אפד Brusttasche ()חשן, und als Kopfschmuck: Kopfbund ( )מצנפתund Diadem ()נזר הקדש.
V.
Innerhalb des obigen Schemas werden zwei korrespondierende Rahmenteile (I, V), die jeweils am ״Eingang des Begegnungszeltes" situiert sind, dergestalt aufeinander bezogen, daß die in I noch zu weihenden Personen in V zum erstenmal selbst aktiv werden (essen des Opferfleisches), wodurch das Ende des Rituals angezeigt wird. Innerhalb der Abschnitte II und IV finden sich nun die für die eigentliche Investitur wesentlichen Riten: die Reinigung, Bekleidung und Salbung und die eigentliche Weihung durch Blutriten. Diese Handlungen werden an den Personen selbst vollzogen und bilden damit den eigentlichen Kern des Rituals, während die in lila und Illb für die Initianden vollzögenen Sünd- und Brandopferriten keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Investitur erkennen lassen.81 Während der Opferkomplex (Illa/b) wohl allgemein zur Entsündigung der Initianden dient, liegt das Schwergewicht auf den Handlungen II und IV, die im folgenden näher betrachtet werden müssen.
79
63
Vgl. aus strukturalistischer und kulturanthropologischer Sicht die Beschreibung des ganzen Komplexes bei LEACH, Kultur, 101-118. 80 Vgl. unten S. 63f. 65f. Das Sündopfer bleibt ohne Funktionsangabe. Während der חטאתRitus wohl in der vorpriesterschriftlichen Überlieferung zur Entsündigung (und Entsühnung) von Altar und Heiligtum diente (Ez 43,19ff; 45,18-20), läßt Lev 8 bereits den Übergang zur Entsündigung von Menschen voll erkennen, vgl. RENDTORFF, Studien, 206; JANOWSKI, Sühne, 2288 1f. Bezeichnenderweise enthält der Abschnitt über das Sündopfer keine ״deklaratorische
Formel", wie es beim Brandopfer der Fall ist. So spricht auch diese Beobachtung für die schon von ELLIGER, HAT 4 , 1 1 8 , vertretene Ansicht, daß Sünd- und Brandopfer hier zusammenzunehmen seien und ersteres nur vorbereitende Funktion habe. Das Fehlen jeglicher Funktionsbestimmungen wie ״Heiligung"/״Sühne" (קדש/ )כפרin Lev 8 (P G !) etwa im Unterschied zu Lev 1 - 7 zeigt zumindest, daß unser Text ein älteres Entwicklungsstadium widerspiegelt als die Lev 1 - 7 zugrunde liegende Systematik unter dem Sühne-Aspekt, vgl. auch ELLIGER, aaO. 3 6 . Folgt man ELLIGERS präziser Analyse von Lev 8 besonders an den Stellen, wo deutlich wird, daß der Kopist von Ex 29 Passagen aus Lev 8 mit denen der Systematik Lev 1 - 7 kreuzt, erscheinen die neuerdings von MILGROM, Consecration, 2 8 1 ff, vorgetragenen Argumente für den Vorrang von Ex 2 9 durchweg nicht überzeugend. Während MILGROM mehr auf der Strukturebene der Texte Redundanzen und Auslassungen diskutiert, orientiert sich ELLIGER bei seinem Textvergleich am jeweils in den Texten repräsentierten Entwicklungsstadium der Einzelriten und kann von daher die Texte in ein plausibles Entwicklungsschema einordnen. 82 Vgl. Num 2 0 , 6 ; ferner Ex 2 9 , 1 1 ; Lev 1 , 3 . 5 ; 3 , 2 ; 4,4; 17,3ff. ״Der Zelteingang ist so der ,Kultplatz' schlechthin", UTZSCHNEIDER, Heiligtum, 1 2 6 . Nach Ex 2 6 , 3 6 handelt es sich um den Eingang des Zeltes, das die Wohnung, den משכן, beherbergt und sich auf einer Achse mit dem Vorhang vor dem Allerheiligsten und dem Vorhang des Vorhofes nach Osten hin befindet. Der Kultplatz ist damit sachlich mit dem östlichen Teil des Vorhofes identisch, in dessen Mitte, und zwar wiederum in einer Achse mit den Vorhängen, sich das Becken und der Brandopferaltar befinden, vgl. die Skizze bei JANOWSKI, Sühne, 2 2 3 . Der Vorhof ist dementsprechend auch der Ort, wo die Handlungen des kleinen Blutritus vorgenommen werden. 83 Vgl. ELLIGER, HAT 4 , 116; UTZSCHNEIDER, Heiligtum, 178f, dort weitere Beispiele zur Terminologie. 84 Vgl. zu den ״Rollen" des Mose UTZSCHNEIDER, Heiligtum, 152ff. 154ff, und vor allem unten Kap. 3 B.III.
72
Weitaus knapper und einfacher sind die Kleider der ״Söhne Aarons", also der einfachen Priester. Sie erhalten wie er den Leibrock mit Schärpe und eine Priestermütze ( 85 .( מגבעהDieser schon anhand des Ornats nicht unerheblichen Differenz zwischen dem einen Priester Aaron und den einfachen Priestern, seinen Söhnen, entspricht nun auch der nur für Aaron überlieferte Ritus der Salbung.86 Aaron wird als Hoherpriester, und zwar ohne daß das Stichwort 87 הכהן המשיחfällt, durch den Akt der Salbung und durch die zusätzlichen Kleider: Obergewand, Ephod, Brusttasche, Kopfbund und Diadem deutlich von den übrigen Priestern abgehoben. Dieser Priesterornat unterscheidet sich allerdings von den Linnen-Kleidern, die die Priester nach Lev 16,4.23-24; 6,3-4; Ex 28,42-43; Ez 42,14; 44,15ff tragen. Nach den Ezechieltexten sind die Kleider aus Leinen offenbar für den normalen Dienst im inneren Bereich des Heiligtums bestimmt, der mit dem inneren Vorhof kulttopographisch abgegrenzt wurde. Dasselbe gilt für den Hohenpriester, wenn er einmal im Jahr das Allerheiligste betritt (Lev 16). Er darf nicht in seinem hochpriesterlichen Ornat vor JHWH treten.88 LinnenKleider (hebr. )בדin strahlendem Weiß sind demnach die ursprünglichen und normalen Priesterkleider, während (״ שש )משזרByssus/Linnen" ausschließlich
85
Zum nur schwer zu rekonstruierenden Aussehen dieser Kleidungsteile vgl. GALLING, Priesterkleidung, BRL 2 , 256f; sowie DERS., Priesterkleidung, BRL 1 , 429ff; H. WEIPPERT, Kleidung, 1 8 5 f f ; GÖRG, Zum sogenannten priesterlichen Obergewand, 242ff; HOUTMAN, The Urim and Thummim, 229ff; DERS., Pomegranates, 223 ff. 86 Nach ELLIGER, HAT 4, 114f, sei die Salbung der Söhne an dieser Stelle unterdrückt worden, um die Person des Aaron besonders herauszustellen, und in Lev 8,24 als Blutsalbung wieder reintegriert worden. Daß die Söhne ebenfalls gesalbt werden, berichtet nur die literarisch sekundäre Anweisung zum Aufstellen der Wohnung in Ex 40,13-15, die offenbar in engem Zusammenhang zu den ebenfalls gegenüber Lev 8 sekundären Funktionszuweisungen in Ex 28,1; 29,1.9b stehen. Der verbleibende und von ELLIGER, aaO. präferierte Beleg Ex 28,41 verrät aber durch die hier belegte Funktionszuweisung der Salbung als ״Heiligung" wiederum große Nähe zu Ex 29,1. Kulthistorisch ist eher zunächst nur mit der Salbung Aarons zu rechnen, die dann mit zunehmender Bedeutung des Priestertums auf die anderen Priester ausgeweitet wurde, vgl. auch SEYBOLD, 57,משח.IlChr 29,22 kennt in seiner Darstellung der Übernahme des Königtums durch David die Salbung des Königs und parallel die Zadoks zum Priester (beide Male משח+ ל+ Person + ל+ Amtstitel; und auch Sach 4,14, das noch deutlich zwischen König und Priester differenziert, kennt nur zwei gesalbte Personen, vgl. auch SEYBOLD, aaO. 52). Zur möglichen Verwandtschaft mit der Königssalbung in vorexilischer Zeit siehe unten S. 66ff zu Ex 28. 87 Diese Bezeichnung begegnet in den späteren P-Abschnitten des 5. Jh.s. v.Chr. z.B. in Lev 4,3.5.16; 6,15, vgl. ELLIGER, HAT 4, lOf; JANOWSKI, Sühne, 194f.224f. Der Titel כ ה ן ה ג ד ו לfindet sich in Num 35,25.28; Hag 1,1.2.12.14; 2 , 4 ; Sach 3,1.8; 6,11, nicht in Esra, aber wieder in Neh 3,1.20; 13,28; IlChr 34,9; vgl. SEYBOLD, 57,משח.Nach DOMMERSHAUSEN, ,כהן 76f, bezeichnet er das hohepriesterliche Amt in der Zeit des zweiten Tempels. Eine entwicklungsgeschichtliche Zuordnung beider Bezeichnungen bleibt angesichts der Quellenlage schwierig, vgl. aber Lev 21,10. Vgl. auch Sir 45; zu Sir 50 siehe den Ausblick am Ende der Studie. 88
V g l . ZIMMERLI, B K X I I I / 2 , 1 0 6 4 . 1 1 3 3 F ; ELLIGER, H A T 4 , 2 0 6 z u L e v 1 6 , 2 3 F ( P G ) .
65
Zur ״Theologie des Kleides "
Das Kleid im religiösen Kontext
im Kontext des Heiligtumbaus und des hohepriesterlichen Ornats begegnet. 89 Bevor die Symbolik des Ornates im einzelnen zu untersuchen ist, müssen noch kurz die Weiheriten angesprochen werden. ß) Blutriten Im Zentrum der Priesterinitiation steht das Ritual mit dem Einsetzungswidder Lev 8,22-36*. Als Abfolge des Geschehens legt sich folgende Gliederung nahe: 22 23* 24* 25-26 27a 27b 28a 28b 31—32
Heranbringung und ״Designation" des Tieres -1- Schlachtung Nehmen ()לקח Geben an ( )נתן עלOhr/Daumen/Zehe Sprengen ( )זרקan den Altar י Nehmen der Opfergaben ()לקח Übergabe an Aaron ( ( ע ל נתן ־ Schwingen vor JHWH · Zurücknehmen der Opfergaben ()לקח für JHWH als Einsetzungsopfer darbringen (־TOp-Hi.) Opfermahlzeit
Das Ritual ist durch ein komplexes Wechselspiel von Nehmen und Geben gekennzeichnet, dessen Ziel offenbar Identifikationen und Zuordnungen sind. In einem ersten Akt wird die Identifikation (Handaufstemmung) mit dem Opfertier vollzogen. Die daran anschließende Applikation des Blutes an die extremen Außenstellen des Körpers der Initianden (Ohr, Daumen, Zehe: in vertikaler Sicht) läßt sich gut mit der hier jedoch sekundär eingefügten Blutapplikation an die ״Hörner" = Ecken des Altars im Sündopferritus (V. 15aß.bß) vergleichen. In Analogie zu diesem kleinen Blutritus und der Applikation von DXün־Blut an Kulteinrichtungen dient auch der an den Initianden vollzogene Blutritus der Entsündigung (und Entsühnung) der Personen.90 In einem zweiten Akt werden die Opfergaben in die Hände der Initianden gelegt, in den Händen der Priester vor JHWH ״gewebt" = geschwungen; sie werden aus den Händen zurückgenommen und als Einsetzungsbrandopfer JHWH dargebracht. Das Gewicht liegt hier auf dem Ritus, der mit den die Opfermaterie festhaltenden Händen der Priester vollzogen wird. Dabei bleibt unklar, ob es sich um einen Weihe- oder Reinigungsritus handelt. Er dient aber deutlich dem Zweck, die Hände der Priester für den künftigen Opferdienst mit der nötigen Autorität zu begaben. Das Kochen und Verzehren des Einsetzungsopfers führen das Ritual in einem heiligen Mahl seinem Abschluß zu.
89 90
Siehe unten S. 67f. Zu dieser Funktion des kleinen Blutritus vgl.
JANOWSKI,
Sühne,
233.
72
67
Das Kleid im religiösen Kontext
Zur ״Theologie des Kleides "
In einem Nachtrag (V. 30) zur Grundschicht des im vorigen Abschnitt behandelten Rituals (Elligers P G !) wird ein zusätzlicher Ritus an den Priesterkleidern vollzogen, der erst jetzt verständlich wird:
Herstellungsanweisungen und Funktionsaussagen in Ex 28 ist zu entnehmen, daß Farben bzw. in bestimmten Farben96 gefärbte textile Stoffe eine prägnante Rolle spielen, die den Priesterornat mit den Anweisungen zum Bau des משכןin Ex 26 verbinden. Es sind dies blauer ( )תכלתund violetter Purpur ( )ארגמןsowie ״ תולעת שניkarmesinrot".97 Beide Purpurarten begegnen in einem deutlich königlichen Kontext auch im Ester-Buch:
y) Riten an Kleidern
״Und Mose nahm von dem Salböl und von dem Blut, was auf dem Altar war, und sprengte (ntt־Hi.) es auf Aaron, auf seine Kleider und auf seine Söhne und auf die Kleider seiner Söhne mit ihm. Und er heiligte (tf־rp-Hi.) Aaron, seine Kleider und seine Söhne und die Kleider seiner Söhne mit ihm."
Dieser Passus wurde zwischen die Notiz von der Beendigung des מלאיםOpfers (V. 28) und vor die Anweisung zum Kochen des Opferfleisches (V. 31) eingefügt. Durch die konkludierende Angabe V. 30b ״und er heiligte" wird der Zweck der Einfügung deutlich. Offenbar spiegelt dieser Zusatz eine Verschärfung der Heiligungsriten wider, wie sie vor allem aus den Aussatzritualen Lev 14,11 ff bekannt ist91. Auch hier wird der Patient mit Opferblut an den Extremitäten bestrichen, und anschließend ״sprengt" (nn־Hi.) der Priester mit Öl siebenmal vor JHWH (V. 16).92 Der Zusatz Lev 8,30 will - ähnlich den Zusätzen in V. 15aß.bß - sicherstellen, daß alles Inventar93, zu dem nach Ex 28 ja auch die Priester und ihre Kleider zählen, rite entsündigt und für den nun beginnenden Opferkult mustergültig präpariert ist. Wenn, wie dieser Zusatz nahelegt, den Kleidern eine so bedeutende Stellung zukommt, stellt sich die Frage nach der Symbolik der Kleider und möglicher Funktionen innerhalb von Ex 28. 2. Die Symbolik des Priesterornats (Ex 28) a) Farben Quellentext ist entsprechend den oben gegebenen Hinweisen zur Entstehung der Sinaiperikope94 Kapitel 28 des Exodusbuches.95 Nach dem zuvor untersuchten Investitur-Ritual gilt die Einkleidung der Priester als Voraussetzung für die eigentlichen Investiturriten und ihren Dienst im Heiligtum. Den
91 Der Charakter des Kleides als zweiter ״sozialer" Haut, vgl. oben S.42, zeigt sich hier sehr schön, insofern das Thema ״Aussatz an Kleidern" (Lev 13,47ff) zwischen die Abschnitte über ״Hauterkrankungen" (Lev 13,1-46*) und ״Reinigungsvorschriften für Aussatz" (Lev 14,1 ff) plaziert wurde, vgl. JACOB, Das erste Buch der Tora, 124, zu Gen 3,7.21. Für JACOB, ebd., ist der urgeschichtliche Bekleidungsakt geradezu der ״Schlüssel zur ganzen Paradiesgeschichte". 92 Vgl. hierzu JANOWSKI, Sühne, 224 mit Anm. 203. 93 Das Interpretament in V. 15 verrät durch die Herkunft seines Tenors aus Ez 43,20; 45,18b.19, vgl. JANOWSKI, Sühne, 231 ff, daß es hier um die Entsühnung von ״Sachen" geht. 94 Siehe oben S. 57ff und Anm. 72. 95 Ex 28 ist nicht ganz einheitlich. In unserem Zusammenhang ist wesentlich der Zusatz V . 3 9 . 4 2 - 4 3 , vgl. NOTH, ATD 5 , 1 8 6 , und die Abgrenzung einer Grundschicht Ex
״Mardochai aber ging vom König fort in einem königlichen Gewand () ב ל ב ו ש מלכות aus blauem Purpur und Linnen ( ) ת כ ל ת וחורund einem großen goldenen Diadem und einem Mantel aus Byssus und rotem Purpur". 98
Dieser Text, der die Restitution Mardochais und die Besiegelung der Ver־ sammlungsfreiheit für alle Juden in den persischen Satrapien schildert, zeigt exemplarisch, daß Purpur neben seiner Verwendung für Priesterkleider vor allem, wenn nicht sogar exklusiv zum Königsornat gehört.99 Neben weißem
28,2a.6*.9a.ll.l2aa.l5f.30a.36.37aa.38aa bei STEINS, 1031,ציץ.Bedarf diese noch einer weitergehenden Begründung, so fallen seiner Analyse zufolge alle Funktionszuweisungen einer Bearbeitungsschicht zu. Das Stichwort זכרוןkönnte die Bearbeitungsschicht mit den späten Ergänzungen innerhalb von Ex 30, bes. V. 16 verbinden, siehe dazu unten S. 70f. 96 Zu den Farben im Alten Orient vgl. neben LANDSBERGER, Farben, 139ff, aus der neueren Literatur BRUNNER-TRAUT, Farben, 117ff, unter Hinweis auf die ägyptischen Göttertrachten [vgl. STAEHELIN, Göttertracht, bes. 718, zur Ähnlichkeit zwischen Göttertracht und Königsornat] und den Königsornat [vgl. STAEHELIN, Ornat, 613 ff, mit Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Priester- und Königstracht]; G R A D WOHL, Die Farben im Alten Testament, 74 f, zu Gen 38,30; 76f zu den Materialien in Ex 26; vgl. auch die wichtigen Hinweise auf antike Texte (PLUTARCH, Aratus, 53,4; ATHENAIOS 7,289c) und die Kriegsrolle in Qumran 10QM 7,10-11, wo es von den sieben Priestern und deren weißen Kleidern, durchwirkt mit blauen, roten und karmesinfarbigen Fäden, heißt: ״ לוא בגדי מלחמה ואל המקדשKriegsgewänder <sind es>, man soll sie nicht ins Heiligtum bringen", bei DANKER, Purple, hier 558. Vgl. weiter GÖRG, Farben, 660 [ältere Literatur!]; SCHROER, Bilder, 184; SAHLINS, Colors and Cultures, lff. 97 "Karmesinrot" begegnet 26mal allein in der Sinaiperikope von P. Daneben 5mal in den Vorschriften zur Beseitigung von Aussatz in Lev 14 sowie im Ritual der roten Kuh in Num 19. Neben allgemeineren Farbbezeichnungen (Jos 2,18.21; Hld 4,3; Gen 38,28.30; Jer 4,30) geben Prv 31,21 (״tüchtige Hausfrau") und IlSam 1,24 auch hier einen königlichen Referenzrahmen zu erkennen. Jes 1,18 ist der einzige die Farbe bewertende Text im Alten Testament: karmesinrot = blutrot == Sünde. 98 Est 8,15a; vgl. z.St. GERLEMAN, B K X X I , 127ff. 99 Blauer und roter Purpur ( תכלתund )ארגמןsind neben den Texten zum Heiligtumsbau noch in Num 4,13 und Num 4,6.7.9.11.12 belegt. Alle Ausstattungsstücke des משכןsollen in blaue Purpurtücher eingewickelt werden, in roten Purpur nur der Brandopferaltar. Roter Purpur allein ist die Farbe des Thronsitzes des Königs Salomos Hld 3,10, der Königsgewänder Midians Ri 8,26 und die Haarfarbe des Geliebten in Hld 7,6. Purpurblau sind die Gewänder von Fürsten Ez 23,6 und die Kleiderquasten der Israeliten Num 15,38. Als Handelsgut und als Material zum Königsornat begegnen beide Purpurfarben gemeinsam in Ez 27,7.16.24; Est 1,4ff steht Purpur auch terminologisch in engster Verbindung mit königlicher Herrlichkeit: כבוד מלכותו ואת יקר תפארת גדולתו. Schließlich dient in Jer 10,6.9 beides als Bestandteil von Götterkleidern, vgl. auch Prv 31,22. IlChr 2,6.13; 3,14 können als Rückprojektionen der priesterschriftlichen Bauanweisungen für den salomonischen Tempel verstanden werden.
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Das Kleid im religiösen Kontext
Zur ״Theologie des Kleides "
Leinen 100 sind es die Purpur- und Karmesinfarbe, die den Hohepriesterornat mit dem משכןund seiner Kulttopographie verbinden. Das später als ״Zelt der Begegnung" bezeichnete Wanderheiligtum101 ist nach dem Bauritual Ex 26,1 ff eine Konstruktion aus Brettern für den inneren משכן, darüberliegendenTeppichen als äußerer משכןund einem Zelt ()אהל, das über beidem liegt. 102 Die königlichen Farben Purpur und Karmesin sind nach Ex 26,1 nur für die Teppiche der Wohnung, nach V. 31ff für den Vorhang, der zwischen Heiligem und Allerheiligstem trennt, zu verwenden. Teppiche und innerer Vorhang werden zudem mit Keruben bestickt 103 , die nicht nur zum ikonographischen Dekor, sondern auch zum bildplastischen Repertoire des vorexilischen Tempels gehören. 104 Auch der Eingang des Zeltes (V.36) und der Eingang des dem Zelt vorgelagerten Vorhofes, der vermutlich im Osten lag 105 , wird ebenfalls mit diesen Farben ausgestattet (Ex 27,9-16). Purpur und Karmesin ermöglichen somit eine visuell geleitete kulttopographische Orientierung, die vom äußersten Eingang des Vorhofes bis zum Vorhang vor dem Allerheiligsten reicht und in das Innere der Wohnung, also mitten in das Zentrum der Heiligkeit hineinführt. Genau dieselben Farben werden für drei Bestandteile des Hohepriesterornats verwendet: den Ephod samt Befestigungsbinde (Ex 28,6-14), die Brusttasche für das Losorakel (Ex 28,15-30) und die Granatapfelapplikation106 am Obergewand (V. 33f), während der Verbindungsgurt, Obergewand und die ״Schnur der Rosette" 107 lediglich in blauem Purpur ausgeführt werden (Ex 28,28.31.36). 108
Der Hohepriester erscheint in dieser auf die Kulttopographie farblich abge־ stimmten Tracht nicht nur wie ein Stück ״Inventar" des Heiligtums, sondern er partizipiert, vermittelt durch das ihn umgebende Prachtgewand, an der in das Zentrum der Heiligkeit weisenden Symbolik. Diese Heiligkeits- und Herrlichkeitssymbolik ist aufgrund der Verwendungssituation der Farben bzw. FärbStoffe eindeutig königlich determiniert. 109 Eine Fortsetzung findet die königliche Symbolik in der Rosette am Kopfbund des Priesters, wie aus Lev 8,9 (נזר קדש: P G !) und der späten Interpreta־ tion in Ex 39,30 als ״Diadem" (hebr. )נזרersichtlich ist. 110 Zu diesen königlichen Determinanten gehören schließlich auch die allgemeinen Bewertungen der Priesterkleider, daß sie den Priestern ״zur Ehre und zum Schmuck" ( )לכבוד ולתפארתdienen sollen (Ex 28,2). 111 Schließlich begegnet auch der Kopfbund ausschließlich als priesterliches (Ex 28) und - einmal - als königliches Utensil (Ez 21,31).
72
100 ששbegegnet nur zur Herstellung des משכןund des Priesterornats in den Bauanweisungen Ex 25ff sowie in Ez 16,13.10; 27,7; Gen 41,42 und wieder für das Kleid der ״tüchtigen Hausfrau" in Prv 31,22. בוץ, akk. büsu, (vgl. unten S. 203) Byssus findet sich nur in späten Texten des Alten Testaments: Ez 27,16; IChr 4,21; 15,27; Est 1,6; 8,15; IlChr 2,13; 3,14; 5,12. ב ד- 1 1 1 ״Linnen" ist dagegen Standard-Terminus für heilige Gewänder: für den Ephod ISam 2,18; 22,18; IlSam 6,14; IChr 15,27; dann für die Priesterkleider bei P und Ez: Ex 28,42; 39,28; Lev '6,3; 16,4.23.32; Ez 9,2.3.11; 10,2.6f und als Kleid des Engels in Dan 10,5; 12,6. 101 Vgl. dazu auch JANOWSKI, Sühne, 336ff; DERS. , ״Ich will in eurer Mitte wohnen", 184f; siehe auch unten S. 220ff. 102 Vgl. hierzu WEIMAR, Sinai, 3 4 7 f, und jetzt HOUTMAN, Zeltheiligtum, 107ff. 103 Zu den Keruben des Jerusalemer Tempels vgl. JANOWSKI, Sühne, 286 ff; DERS. , Keruben und Zion, 241ff.248ff (Lit.); H . WEIPPERT, Palästina, 466f; KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, !75ff; KEEL, Jerusalemer Kulttraditionen, 470.477ff; METZGER, Kerubenthroner, 75ff, und Exkurs 4 unten S.210ff. 104 Vgl. ebd. und IKön 7,1-8,11. 105 Zur Orientierung von Tempeln und Heiligtümern in Palästina der SB und E-Zeit vgl. jetzt mit aller nötigen Deutlichkeit gegen jede Spekulation über etwaige Kultrichtungen oder festliegende Orientierungen M A Z A R , Temples, 178 (Schaubild). 186f. 106 Vgl. zur Symbolik wiederum den Tempelschmuck IKön 7,18.42; s. auch H . WEIPPERT, Palästina, 466f, und die oben S. 64 Anm. 85 genannte Literatur. 107 Zum pflanzlichen Dekor des Jerusalemer Tempels vgl. H. WEIPPERT, Palästina, 466f; zu צ י ץvgl. STEINS, 1028,ציץff.l030zur Tempelikonographie; zum Diadem des Hohenpriesters 1031 f. 108 Die übrigen Kleidungsstücke bestehen aus Leinen ()שש.
b)
Funktionsangaben
Neben der Farbgebung und der Ausstattung mit Gold und Silber sollen vor allem Edelsteine Verwendung finden. Auf die Schulterstücke des Ephod wird rechts und links jeweils ein Edelstein gesetzt, in den jeweils die zwei mal sechs Namen der Stämme Israels eingraviert werden sollen: ״Und du sollst die zwei Steine auf die Schulterstücke des Ephod setzen, Steine des Gedenkens an die Söhne Israels, und Aaron soll ihre Namen tragen vor J H W H auf seinen beiden Schultern zum Gedenken" (Ex 28,12). 1 1 2
Wiederum sind es die Namen der zwölf Stämme, die auf dem zweiten in den heiligen Farben gestalteten Kleidungsstück, der Brusttasche, durch vier Reihen zu jeweils drei Edelsteinen repräsentiert sind: ״Und Aaron soll tragen die Namen der Söhne Israels mittels der Brusttasche des Losorakels auf seinem Herzen, wenn er das Heiligtum betritt, zum ständigen Gedenken vor JHWH" (Ex 28,29). 1 1 3
109 Vgl. oben S. 67ff und Anm. 96. 99. Auch aus dem seleukidischen Uruk ist bekannt, daß der Priester im Ritual Leinen-Kleider trägt, die er jedoch zum Dienst an der Kesselpauke gegen Kleider mit Stern- und Regenbogenmotiven austauscht, vgl. FALKENSTEIN, Zwei Rituale, 40ff. 110 Vgl. deutlich positiv in der Beurteilung der königlichen Perspektive MAYER, 333 ,נזרf. Anders hingegen STEINS, 1031,ציץf,der die Belegstellen des Begriffs in Königs-Kontexten (IIKön 11,12a; Ps 132,18; IlSam 1,10) insgesamt als späte Angleichung von Königen an den Hohenpriester (!) hält, d. h. priesterliche Bearbeitungen dieser Texte annimmt. 111 Vgl. JACOB, Das erste Buch der Tora, 124. Zu diesen königlichen Hoheitsprädikationen vgl. unten S. 189 Anm. 120; S. 235f Anm. 366. 112 Vgl. die Kommentare z. St. 113 Zu den Steinarten vgl. die Kommentare z.St.; vgl. auch UTZSCHNEIDER, Heiligtum, 168f, und unten zu Ez 1 in Kap. 3 B. I.l.b.
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Zur ״Theologie des Kleides "
Das Kleid im religiösen Kontext
Die dritte funktional gebundene Zuweisung an ein Element des Hohepriesterornats findet sich im Zusammenhang der ״goldenen Rosette" in V. 36-38: ״Und du sollst eine ״Blume" ( = Rosette = Diadem?) aus reinem Gold machen und darauf gravieren, wie man Siegel graviert, ,heilig für JHWH'. 37 Und du sollst es befestigen an einer purpurblauen Schnur, [daß es am Kopfbund sei, an der Vorderseite des Kopfbundes soll es sein,] 38 daß es an der Stirn Aarons sei, [und Aaron soll tragen die Verfehlungen der heiligen Handlungen, mit denen die Söhne Israels weihen all ihre heiligen Abgaben ( = Opfer), so sei es ständig an seiner Stirn, zum Gefallen zu ihren Gunsten vor JHWH]". 1 1 4
Die Funktionsangaben zu den Kleidungsstücken des Hohepriesterornats zeichnen sich durch zwei wesentliche Elemente aus, den Stellvertretungsgedanken und das Erinnerungsmotiv. Die parallelen Wendungen שמות+ נשא bzw.115ערן+ נשא mit dem gemeinsamen Subjekt Aaron begegnen in allen Funktionsbestimmungen: V12b.29a.38a. Die mit den Namen der zwölf Stämme versehenen Edelsteine auf dem Gewand Aarons lassen den Priester so als ״Träger der zwölf Stämme" erscheinen und damit als kultischen Repräsentanten und Stellvertreter des Volkes. Das zweite gemeinsame Charakteristikum in V. 12b.29b ist das Erinnerungsmotiv116 in Form einer Funktionsbestimmung:לזכרן. Es begegnet sonst in der Sinaiperikope nur noch in dem schwer verständlichen und mehrere Stufen argumentativer Explikation voraussetzenden Abschnitt über die Tempelsteuer (P s : Ex 30,11-16). 117 Im Zentrum dieses Abschnitts steht die ursprüngliche Veranlagung aller ״Söhne Israels" zu einer allgemeinen und regelmäßig zu zahlenden Kultsteuer.118 Diese Zahlungen sollen den Israeliten zum ״Gedenken vor JHWH" verhelfen. 119 Aaron repräsentiert damit nicht allein das Volk Israel in seiner Vielfalt als 12־Stämme־Volk, sondern bringt mit seinem Gewand das Volk als Stifter und ״Betreiber" des Heiligtums und des an ihm stattfindenden Kultbetriebes vor Gott. Wie der Nachtragscharakter dieser Funktionszuweisungen zeigt, spiegelt diese Stufe der Textentwicklung Verhältnisse wider, wie sie am ehesten in (spät)nachexilischer Zeit denkbar sind. Auch hier lassen sich verschiedene
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Tendenzen ausmachen. Während die an den Kleidern vorgenommenen Blutriten 120 eine gesteigerte Reinheits- und Heiligkeitskonzeption voraussetzen, zeigt die Stellvertretungs- und Königsmotivik, daß der Hohepriester schon längst als einziger, und zwar königlicher Repräsentant Israels gilt. 121 Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die Herstellung und Symbolik des hohepriesterlichen Gewandes in engstem Bezug zum vorausgesetzten Religionssystem und seiner Symbolik steht. Auf der symbolischen Ebene erscheint der Hohepriester nicht allein als 4״Kleiderständer'"122, sondern ist durch ein vielfältiges Bezugssystem (Farben, Motive) dem Heiligtum auch visuell eingegliedert. Die Heiligtumstexte in der Priesterschrift stellen „den absoluten Beginn eines kontinuierlichen Priesteramtes dar ... Mit den Kleidern wird das Amt gemacht".123 Gleichzeitig zeigt sich anhand des Amtsornats der ambivalente Status des Priesters. Einerseits gehört er zur Ausstattung des Tempels, andererseits repräsentiert er das Volk. In der Figur des Priesters kommen Gott und Volk zueinander. In dem Moment, wo der Priester den Amtsornat anlegt, ereignet sich die Transformation124 der Priesterpersönlichkeit zum Repräsentanten und Stellvertreter des Volkes. Unabhängig von der Frage, ob der so dargestellte Ornat je real existiert hat, wird auf der Text-, Erzähl- und Rezitationsebene ein Netz symbolischer Relationen und Qualifikationen errichtet, die dem Rezipienten des Textes es ermöglichten, sich ein präzises Bild des Geschehens zu machen, am Heiligtum und seinem Kult imaginativ teilzuhaben. Leider vermittelt uns das Alte Testament selbst keine zeitgenössische Interpretation dieser Texte, wie sie etwa Flavius Josephus in seinen „Altertümern" (Antiquitates Judaicae)125 den Teilen und Farben des hohepriesterlichen Gewandes gibt. Aus seiner kosmologischen Deutung sei hier im Wortlaut zitiert: „ . . . D i e aus vier Stoffen gewebten Vorhänge [sc. des Allerheiligsten] bezeichnen die Natur der Elemente; der Byssus nämlich entspricht der Erde, aus der der Flachs
120
Siehe oben S. 65. Damit läßt diese Stufe der Textentwicklung die Erwartung einer priesterlichen und königlichen Gestalt (vgl. Sach 6,9ff) hinter sich, vgl. hierzu KOCH, Die Profeten II, 166ff. 122 UTZSCHNEIDER, Heiligtum, 1 7 2 . 121
114 Nach STEINS', 1 0 3 1,ציץ,Abgrenzung und Interpretation des Textes gehören die in [...] stehenden Partien einer späteren Ergänzungsschicht an. 115 Die Wendung begegnet vor allem im Kontext des Azazel-Ritus (Lev 16,21 f). Zur Bedeutung des Azazel-Rituals vgl. JANOWSKI, Azazel, 97ff; DERS./WILHELM, Der Bock, 109ff; auch im Kontext von Sünden-/Schuldbeseitigung Num 10,17; 18,1 werden ebenfalls Aaron und seine Söhne stellvertretend für die ganze Priesterzunft als ״Schuldträger" benannt. 116
117
V g l . EISING,
586
,זכרff.
Zu den Schwierigkeiten dieses Abschnitts vgl. ausführlich JANOWSKI, Sühne, 161 f. 118 Vgl. NOTH, ATD 5,193; JANOWSKI, aaO. 161 mit Anm. 282. Eine ähnliche Kultsteuer ist auch Neh 10,33f für den Opferdienst, die Festtage und für die Arbeit am Gotteshaus vorgesehen. 119 So auch UTZSCHNEIDER, Heiligtum, 295f, zur Stiftung von Priesterkleidern durch die Heimkehrer in Neh 7,69 und Esr 2,69.
123
AaO. 175. Zum Transformationsbegriff in Theater, Spiel und Ritual vgl. SCHECHNER, Theateranthropologie, 10ff. Für Hinweise in diesem Zusammenhang danke ich Herrn G. THOMAS, Heidelberg. 125 JOSEPHUS, Ant., III 7; vgl. auch Sach 3,4f mit JANOWSKI, Sühne, 51; zu den Farben in der apokalyptischen Vision Sacharjas (Sach 6,1 ff) vgl. GESE, Anfang und Ende der Apokalyptik, 215f; zu den vier Grundfarben (Blau, Purpur, Scharlach [= Karmesin], Weiß) innerhalb des Wüstenheiligtums und ihrer Verwendung in der Priesterkleidung vgl. besonders SCHOLEM, Farben und ihre Symbolik, 108ff; dort auch der Hinweis auf Jes 1,18, wo der angekündigte Farbwechsel Scharlachrot - Weiß als Metapher für die Vergebung und Lösung von Schuld gebraucht wird. Vgl. auch SCHNITZLER, Was die Sakramente bedeuten, 195, zur ״vestitio" in der kath. Priesterweihe. 124
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hervorwächst, der Purpur dem Meer, das vom Blut der Fische gefärbt ist, der Hyacinth der Luft und der Scharlach dem Feuer. Ebenso bedeutet das Gewand des Hohepriesters, weil es von Leinen ist, die Erde, der Hyacinth aber den Himmel. Die Granatäpfel bedeuten den Blitz, der Schall der Glocken den Donner. Das Ephud, das aus vier Stoffen gewebt ist und unter dem Auge Gottes steht, zeigt die ganze Natur an, und das ihm beigewirkte Gold bedeutet nach meinem Dafürhalten den Lichtglanz, der alles überstrahlt. Der Brustlatz in der Mitte des Ephuds entspricht gleichfalls der Erde, die in der Mitte der Welt gelegen ist, der Gürtel aber dem Ocean, der die ganze Erde umfließt. Sonne und Mond bedeuten die beiden Sardonyxe auf den Schultern, die hier das Gewand des Hohepriesters zusammenheften. D i e zwölf Edelsteine aber kann man mit den zwölf Monaten vergleichen, oder auch den zwölf Sternbildern in dem Kreise, den die Griechen Zodiakus nennen. Der Kopfbund endlich scheint mir ein Bild des Himmels zu sein, da er von Hyacinth i s t . . . , und eine leuchtende goldene Krone sich an ihm befindet, entsprechend dem Glänze, der Gott umgiebt". 12 6
C. Zur ״Theologie des Kleides" Nachdem in den vorigen Abschnitten zunächst eine Begriffsbestimmung (Abschnitt A) vorgenommen wurde und anschließend nach repräsentativen symbolischen Funktionen des Wortfeldes ״Kleid" gefragt wurde (Abschnitt B), sollen im folgenden systematisch-ethische Aspekte einer ״Theologie des Kleides"127 aufgezeigt werden. Zu diesem Zweck werden die Positionen zweier Vertreter der systematischen Theologie, des zum Katholizismus konvertierten E. Peterson und des für die protestantische Theologie dieses Jahrhunderts einflußreichen K. Barth, vorgestellt.
I. Die Thesen E. Petersons und K Barths Beide Autoren befassen sich in ihren Ausführungen mit Gen 3,7.21, also den Stellen der Paradiesgeschichte, die über die (zu verbergende) Nacktheit des ersten Menschenpaares handeln. Die hier zum Ausdruck kommende Desavouierung des menschlichen Körpers und Herabsetzung von Erotik und Sexualität wird festgemacht an der jahwistischen Sündenfallgeschichte in Gen 3 und der dort als Folge des Sündenfalls entdeckten ״Nacktheit". In der jeweiligen ״heilsgeschichtlich" orientierten Perspektive der Autoren wird das Bewußtsein von Nacktheit und daraus resultierender Scham im Kontext der Vorstellung von einer ״Ur-Sünde" angesiedelt und interpretiert.128 Worum geht es? 126
Zitiert nach CLEMENTZ, Jüdische Altertümer, 1 6 6 . Der Ausdruck ״Theologie des Kleides" stammt, soweit ich sehe, von E. PETERSON aus dessen gleichnamigem Vortrag. Er findet Aufnahme in GAMBERONIS Artikel ל ב שim ThWAT, siehe oben S. 12. 128 VGL A U C H die Thesen VON R A D S zur ״Hamartiologie" des Jahwisten, VON R A D , Theologie 1,167 oder: ״Ebenso bekannt ist es, wie der Jahwist mit der sich ständig erweiternden Kluft 127
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Im jahwistischen Schöpfungsbericht schließt Gen 2 den Abschnitt über die MenschenSchöpfung mit folgendem Resümee ab: ״Beide waren nackt, der Mann und seine Frau, und sie schämten ( )בושsich nicht" (Gen 2,25). Nachdem im weiteren Verlauf die Schlange das erste Menschenpaar dazu überredet hatte, von dem Baum die Apfelfrucht zu kosten, heißt es weiter: ״Da gingen ihnen die Augen auf ()פקח, und sie erkannten/wußten ()ידע, daß sie nackt waren, und sie nähten ( ) ת פ רFeigenblätter zusammen und machten sich Schurze" (Gen 3,7). Das Bewußtsein, ״nackt" zu sein, führt zu einer ersten pflanzlichen Bekleidung des Genitalbereichs und weiter dazu, daß Gott erkennt, daß die Menschen sein Gebot übertreten haben. In der Argumentation der Schlange gegenüber der Frau spielte das Argument eine wichtige Rolle, daß mit dem Genuß der Frucht die Menschen ״wie Götter sein werden". D i e s wird näher durch die Fähigkeit, ״gut und böse" zu unterscheiden (Gen 3,5), qualifiziert. Unsterblichkeit gehört, wie Gen 3,22 zeigt, nicht dazu. Dahinter steckt die Gewißheit, daß Gott seine gottgleich 129 gewordenen Menschen nicht vernichten wird. Dieser Gedankengang wird in Gen 3,22 wieder aufgenommen und mit der Problematik des Lebensbaumes verbunden. Doch bevor die Menschen aus dem Paradies 130 gewiesen werden, macht Gott ihnen ״Kleider aus Fellen und bekleidete sie damit" (Gen 3,21). 1 3 1
zwischen Gott und Mensch ein heimliches Mächtigwerden der Gnade bezeugt. Die Sündenfallgeschichte, die Kaingeschichte, die Sintflutgeschichte zeigen doch zugleich auch ein vergebendes und tragendes Heilshandeln Gottes", DERS., Problem des Hexateuch, 72; zusammenfassend siehe UEHLINGER, Weltreich, 2 7 7 f f . Ein positives Verständnis des menschlichen (nackten) Körpers fehlt weitestgehend auch bei WOLFF, Anthropologie, siehe aber zur Schönheit aaO. 111 ff und WESTERMANN, Das Schöne im Alten Testament, 119ff. 129 An anderer Stelle wird darauf einzugehen sein, wie die unterschiedlichen Konzeptionen der Gottähnlichkeit des Menschen bei P G , J und in Ps 8 aufeinander zu beziehen sind, siehe unten S. 261 f. Mit der Vertreibung aus dem Paradies verliert der Mensch diese Gottähnlichkeit ja nicht, sondern er behält sie. Ähnlich dem strikt auf die Tiere bezogenen Herrschaftsauftrag in P G erhält der Mensch die Bestimmung, Ackerbauer zu sein. Geordnet wird das Verhältnis zwischen Mann und Frau und zwischen dem Mann und dem Ackerboden. Hier werden also deutlich agrarische Verhältnisse reflektiert, auch scheint das Töten von Tieren nicht vorausgesetzt zu sein (Opfer-Terminus in Gen 4,3, auf das das sPP der 3. Sg. m. in V. 5 zurückweist, ist .(מנחה 130 Zur Garten- bzw. Paradiesvorstellung in der Antike und im Alten Orient vgl. STECK, Jesaja 6 0 , 1 3 - Bauholz oder Tempelgarten?, 29ff; die Beiträge in CARROLL-SPILLECKE, Der Garten von der Antike; zu den ersten Kleidern vgl. ferner LAMBDEN, From Fig Leaves to Fingernails, 82ff. Zur Kulturgeschichte des Gartens innerhalb des Islams vgl. den Katalog zur gleichnamigen Ausstellung ״Die Gärten des Islam". 131 Zum Text vgl. WESTERMANN, BK1/1, 366f; ZIMMERLI, ZBK 1.1,180ff; VON R A D , ATD 2 - 4 , 69; STECK, Die Paradieserzählung, 116, mit deutlich anderer Akzentuierung. Die Scham rührt nicht aus dem ״Nacktsein an sich, sondern aus dem Vergehen"; vgl. aber BONHOEFFER, Schöpfung und Fall, 82, der wiederum von Bloßstellung als Folge der Nacktheit spricht. Überhaupt erscheint eine Studie zur ״Nacktheit" in Bibel und Auslegungsgeschichte als dringendes Desiderat. Vgl. aber die Untersuchung von DÜRR, Nacktheit und Scham. Die Kleider, die J H W H den ersten Menschen gibt, bilden ein neues und überlieferungsgeschichtlieh altes Motiv innerhalb der jahwistischen Urgeschichte. Nacktheit und Bekleidung gehören über das Alte Testament hinaus zu der grundlegenden Differenz zwischen Urzeit und kultureiler Zeit. Mesopotamische Texte kennen ebenfalls eine vorkulturelle Urzeit, in der es noch keine Kleider gab: ״II n'y avait pas de vêtements pour se couvrir ..." BOTTÉRO/KRAMER, Lorsque les dieux, Nr. 41,15ff; vgl. auch Gilg. 2. Taf. II 106, siehe MORAN, Humanization of Enkidu, 121 ff; auch bei PHILO V. BYBLOS (10,10) zählen Kleider zu den ersten Kulturleistun־
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In der Auslegungsgeschichte dieser Stelle sind folgende Themen zentral: Nacktheit, Scham132 und das Sein wie Gott. Nach Peterson rühre die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu seinem Kleide an die „zentralsten Wahrheiten des christlichen Glaubens überhaupt" (Theologie des Kleides, 41). In seiner Auslegung von Gen 3 nimmt die Unterscheidung von „Nacktheit" und „Unbekleidetheit" eine kategoriale Bedeutung ein. Antelapsarisch habe es nur Unbekleidetsein gegeben, postlapsarisch aber Nacktheit, d.h. den bewußt wahrgenommenen Zustand, unbekleidet zu sein. Nacktheit ist „bemerktes" Unbekleidetsein. Nach Peterson ist durch das Aufgetan-Werden der Augen auch die Existenz des Menschen ontologisch determiniert:
das von Gott gemachte Kleid aus Fellen (getöteter Tiere) als „Bußkleid . . . um uns zu zeigen, daß wir, die wir in unserem Leibe zwischen Leben und Tod stehen, den Verlust des Paradieseskleides mit der Strafe des Todes bezahlen müssen" (aaO. 49). Und weiter heißt es bei ihm:
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„Aber der Mensch verlor die göttliche Glorie durch die Sünde, und nun wird in seiner Natur ein Leib ohne göttliche Glorie sichtbar: das Nackte des rein Körperlichen, die Entblößung des rein Funktionellen [sc. des Genitals?], ein Körper, dem der Adel fehlt, da die letzte Würde des Leibes in der verlorenen göttlichen Glorie beschlossen war" (aaO. 44f).
Nur schwerlich lassen sich solche Aussagen aus einer Exegese von Gen 3 ableiten, zumal dort vom Körper des Menschen keine Rede ist. Auch das Thema der Scham begegnet im Text nur en passant, am Ende von Gen 2. Daß mit dem Bewußtsein der Nacktheit sich automatisch Scham voreinander einstellt, läßt sich nur mit Hilfe eines Umkehrschlusses eruieren, der hier gewiß nicht erlaubt ist. 133 Von dieser Voraussetzung her interpretiert Peterson auch
gen. Hier ist es der Kulturheros Usoos, der Kleider aus Fellen einführt, weil er in der Lage ist, Tiere zu jagen; vgl. EBACH, Weltentstehung, 84.287ff. In Gen 3,21 hat JHWH die Funktion des Kulturheros nicht einfach übernommen, sondern das Motiv steht ganz im Dienst der Paradiesgeschichte. Die Kleider JHWHs sind nicht einfach „Ausstattung fürs Elend", GUNKEL, HK1/1, 23, sondern erster Akt der Fürsorge für das Leben außerhalb des Paradieses. 132 Vgl. METZGER, Die Paradieserzählung, 130ff; zur Entmythisierung des „Mythos vom Zivilisationsprozess", vgl. DÜRR, Nacktheit und Scham, 9ff. Systematisch-dogmatische Engführungen im Sinne einer anhand von Gen 3 entwickelten Hamartiologie haben exegetische Vorbilder. Zum Nachweis seien einige Zitate zusammengestellt: „Die erwachende Scham ist die nächste Begleiterin der Sünde, ohne die Sünde gibt es keine Scham, sie ist das unwillkürliche Zeugnis der verletzten Unschuld und tritt auch beim empirischen Menschen gleichzeitig mit der Entwicklung des Wissens um Recht und Unrecht auf", DILLMANN, KEH 11, 84, im Jahre 1875; „Die ersten Menschen sind als geistige Kinder gedacht; gerade Kinder sind beim Sündigen feig und lieben es gleich andere mit hereinzuziehen . . . " , HOLZINGER, KHC1/1, 32, im Jahre 1898; „In der Geschichte des Jahweglaubens haben gerade die Frauen immer wieder einen Hang zu dunklen Afterkulten gezeigt . . . Scham will immer verbergen, sie scheut die ,Bloßstellung' . . . die Erzählung sieht in ihr vor allem anderen das Zeichen einer schweren Störung, die von der untersten Schicht der Leiblichkeit aus das ganze Wesen des Menschen bestimmt", so VON RAD, ATD 2 - 4 , 6 4 , im Jahre 1949. Aber es gibt auch eine andere Stimme. Bereits 1910 schrieb GUNKEL gegen DILLMANN und HOLZINGER in seinem Genesiskommentar: „Daß dieser behauptete Zusammenhang von Schuldgefühl und (geschlechtlichem) Schamgefühl in Wahrheit nicht besteht, weiß jeder, der Kinder beobachtet hat", GUNKEL, HK 1/1,18. D. BONHOEFFERS Ausführungen in der Vorlesung „Schöpfung und Fall" des Jahres 1932/ 33 zu Gen 3,7, publiziert als: Schöpfung und Fall, 2. Aufl. Berlin 1937, 71 f, interpretieren das Problem der Geschlechterdifferenz wesentlich vom „Geschlechtlichen" her. Wie das folgende 133
Das „Kleid, das der gefallene Mensch trägt, ist Andenken an das verlorene Kleid, das der Mensch im Paradiese getragen hat. Es ist so sehr lebendige Erinnerung daran, daß jede Veränderung und Erneuerung des Kleides in der Mode, die wir bereitwillig auf uns nehmen, weil sie uns einen neuen Ansatz zu einem Verständnis unser selbst verheißt, doch nur die Hoffnung nach dem verlorenen Kleide weckt, das allein unser Wesen deuten, allein unsere ,Würde' sichtbar machen kann" (aaO. 50).
Unter dem hier schon gefallenen Stichwort der Mode charakterisiert Barth in seiner nur fragmentarisch erhaltenen Ethik eine der „herrenlosen Gewalten", d.h. Lebensbereiche, die ursprünglich dem Menschen nützen sollten, sich nun aber verselbständigt haben und - ähnlich dem wildgewordenen Besen in Goethes ,Zauberlehrling' - den Menschen völlig in Besitz nehmen. Barth formuliert: „Wer oder was bestimmt eigentlich Mode: etwa die, der gehorsam der Mensch seine Bekleidung und Behauptung und nicht zuletzt seinen Haarwuchs jetzt so, jetzt so gestalten zu müssen glaubt: jedesmal seiner Sache ganz sicher und jedesmal nur zu bald zur mitleidigen Verwunderung und ein wenig später schon zum Entsetzen und Gelächter derer, die dann schon wieder einer neuen Mode folgen zu müssen meinen? Wie kommt es, daß der Wandel der Mode in der Frauenwelt so viel rascher und
längere Zitat zeigt, meint „Geschlechtlichkeit" hier Sexualität. Eine Begriffsdifferenzierung, wie sie z.B. die engl. Sprache (sex/gender) kennt, unterbleibt. Das mit dem Sündenfall geweckte Erkenntnisvermögen von Gut und Böse werde sich nach BONHOEFFER zuallererst im Verhältnis von Adam zu Eva niederschlagen. Die Einheit der Liebe sei durch den Sündenfall zerstört worden. Es widerspreche demnach der schöpfungsgemäßen Bestimmung des Menschen, die durch das Anderssein des anderen Menschen gegebene Grenze zu überschreiten (vgl. KUHLMANN, Ethik, 108). Genau dies aber geschehe in der „Sexualität", darin: „daß der Mann sich auf seinen Anteil an dem Leib des Weibes beruft, allgemeiner, daß der eine Mensch sich auf sein Anrecht am anderen beruft und den Anspruch auf den Besitz des anderen erhebt und eben hiermit die Geschöpflichkeit des anderen verneint, zerstört. Diese Sucht des Menschen nach dem anderen Menschen findet ihren ursprünglichen Ausdruck in der Sexualität. Die Sexualität des seine Grenze überschreitenden Menschen ist das Nichtanerkennenwollen irgendeiner Grenze, ist die maßlose Sucht grenzenlos zu sein. Sexualität ist leidenschaftlicher Haß jeder Grenze . . . Sexualität will die Vernichtung des anderen Menschen als Geschöpf . . . im Vernichten ist der Mensch schöpferisch, in der Sexualität erhält sich das Menschengeschlecht in seiner Vernichtung. . . . Aus dieser Entzweiung aber folgt nun zweitens: das Sich verhüllen des Menschen. Der grenzenlose, der hassende, der süchtige Mensch zeigt sich nicht in seiner Nacktheit" (72f). BONHOEFFER argumentiert also von Gen 2,21 f her, wenn er die Sexualität supralapsarisch an den männlichen „Anteil an dem Leib des Weibes" bindet. Die Sprache („maßlose Sucht"/„Vernichtung des anderen M."/„leidenschaftlicher Haß") des Zitats verrät indes die tiefreichende Negativbestimmung der Sexualität, so daß es fraglich erscheint, ob diese theologische Anthropologie auch substantiell durch „Gleichheit im formalen Sinn", KUHLMANN, aaO. 108, zutreffend gekennzeichnet ist.
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Das Kleid im religiösen Kontext interessanter, die Beschäftigung mit ihm auch so viel andächtiger und intensiver ist als in der der Männer? Warum scheint es doeh auch den gescheitesten Frauen, wenn nicht ein Majestätsverbrechen, so doch unmöglich zu sein, ,altmodisch' daher zu kommen? Wer will es so haben? D i e besondere, an dieser Sache unermüdlich viel Geld verdienende Industrie, deren Könige, wie man hört, besonders in Paris sitzen sollen? Aber wer hat diese Könige eingesetzt? Was ist es, das diese Industrie von jeher so lukrativ gemacht hat? Wie kommt es wiederum, daß die Männerkleidung seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts so monoton und langweilig geworden ist? Wie kommt es aber umgekehrt, daß man die Weltgeschichte doch auch unter dem Gesichtspunkt der Folge darstellen könnte, in der der Mann sein Gesicht abwechselnd rasieren und nicht rasieren bzw. durch die kühnsten und grausigsten Haargebilde verzieren zu müssen meinte? Wer inspiriert, wer dirigiert in solchen und ähnlichen für das jeweilige Lebensgefühl und alle seine Folgen doch gar nicht gleichgültigen Vorgängen? Man komme nicht zu rasch mit dem offenbar wechselnden ,Geschmack'! Das ist es ja eben: welcher losgelassene Erdgeist zieht denn die Drähte, wenn dieser ,Geschmack' geht, ein anderer, von Millionen ängstlich beobachtet, kommt und sich durchsetzt, um dann nach einer Weile doch auch wieder gehen zu müssen? - Das Beispiel ,Mode' mag trivial erscheinen. Die gleichen Fragen stellen sich aber auf höherer Ebene angesichts der Verschiedenheit und des Wechsels im Stil der Malerei, der Plastik, der Musik und der Dichtung jetzt und hier, dann und dort." 134
Auch wenn man Barths bisweilen satirisch anmutender Kulturanalyse nicht in allen Punkten folgen will, läßt sie doch implizit erkennen, daß Mode nicht als positiver Ausdruck etwa von Lebensfreude, Kreativität oder psychologisch als Außenseite des eigenen Erlebens begriffen wird.135 Sie steht vielmehr - wie das Beispiel von den gescheiten Frauen zeigt - in Widerspruch zu einer höheren Ordnung, die hier durch Stetigkeit gekennzeichnet wird. Trotz dieser Kritik an Barth erscheint es uns als wesentlich, daß am Ende des Zitats die zuvor genannte Problematik auf die Ebene des künstlerischen Stils gehoben und damit weitgehend dem Bereich der Ästhetik zugeordnet wird.136
134
BARTH, Das christliche Leben, 391. Überhaupt erscheint die Frage nach der christlichen Haltung zu allen Fragen des menschlichen Körpers, die sich vor allem in den Themen „Schmuck" und „Kleidung" konkretisiert, als forschungsgeschichtliches Desiderat. Erste Ansätze finden sich dazu denn auch in einer ethnologischen Arbeit über die Basler Frauenmission und den „Export des europäischen Frauenideals" in die kolonialisierten und missionierten Gebiete, vgl. PRODOLLIET, Wider die Schamlosigkeit, pass. Vgl. besonders das Kapitel „Die ,Kleider- und Schmuckfrage'", aaO. 71-75. 136 Zur ästhetischen Dimension von Wahrnehmung vgl. z.B. LUTHER, Subjektwerdung, 193f. 196ff; eine positive Bestimmung von Kleidung/Mode, wie sie z.B. in der dreifachen Bestimmung Schmuck/Schutz/Scham zu finden ist, bietet BARTH nicht. Ethnologie wie Psychologie haben gezeigt, daß innerhalb dieser dreifachen Bestimmung das Element „Scham" kulturell sehr verschieden definiert wird und darum nicht kulturgeschichtlicher Auslöser von Bekleidung ist. Als Hauptaufgabe der Kleidung erscheint immer deutlicher die Herstellung eines (in sich ambivalenten) Gleichgewichts zwischen Schmuck und Scham. Innerhalb dieses Prozesses spielen vor allem Fragen der Abgrenzung, Identifikation und Identität eine hervorragende Rolle, vgl. z.B. FLÜGEL, Psychologie, 209f.213ff. 135
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Eigentlicher Kritikpunkt der Ausführungen Barths ist der Automatismus, der durch Industrie und Medien ausgeübte Zwang, ein modisches Kleid zu tragen und daß der Mensch dadurch einer kreativen freien Entscheidung beraubt werde. Wir berühren mit dieser Frage nach möglichen, dem Wandel in Stil und ästhetischem Bewußtsein nicht unterworfenen Handlungsnormen und Gestaltungsdirektiven den größeren Fragenkomplex der Normativität von Religion.137 Das in der Urgeschichte des Jahwisten an den Sündenfall gebundene Bewußtsein der Nacktheit gilt der christlichen Theologie und Ethik bis heute als anthropologische Konstante menschlicher Existenz. Die Auswirkungen des dogmatisierten Kausalzusammenhanges zwischen der Kleidung des Menschen und der zuvor begangenen Sünde sind ungebrochen als körperfeindliche Tendenz spürbar. Daß Mode als temporäre Zeiterscheinung die Dynamik ästhetisch-materieller Zusammenhänge symbolisiert und sich deshalb als vorläufig und ungeeignet erweist, um dem Menschen normative Gestaltungsdirektiven zu bieten138, bedarf in kulturanthropologischer Hinsicht einer Überprüfung. Anhand nur eines Aspektes der in christlicher Tradition vermittelten alttestamentlichen Urgeschichte entstehen so vermeintlich kultur- und zivilisationsgeschichtliche Basisurteile. So wird die Entwicklung des ursprünglich nackten Menschen über die Stadien pflanzlicher und tierischer Bekleidung verfolgt und dabei nicht nur der Übergang von der Hortikultur zur Jagdkultur postuliert, sondern auch als Fortschritt bewertet. Mit der Entwicklung von Kleidung erscheint jene Ursprungssituation als überwunden, und von da an gilt die Identifizierung von Nacktheit mit Scham als anthropologische Konstante, oder wie ein jüdischer Text volksetymologisch erklärt: ״ לבושKleid" sei eine Abbreviatur von ״ לא ברשohne Scham".139 Den Nachweis bleibt zumindest Gen 3 schuldig. Die alttestamentlichen Aussagen partizipieren vielmehr an einer inter- und innerkulturellen Begriffsvarianz. Ohne ihren jeweiligen kulturellen Kontext bleiben Begriffe wie ״Nacktheit", ״Scham" und ״Schamschwelle" in gleicher Weise bedeutungslos wie Undefiniert.140 So lassen sich prinzipiell erscheinende Wertungen des Alten Testaments, etwa die Reduktion von Scham auf den männlichen Genitalbereich141, durch ethnographischen Vergleich und das in alttestamentlichem Urteil sicherlich ״schamlose" Herausstellen von Genitalien in anderen Kulturen, etwa durch ein Penisfutteral, leicht konterkarieren.142 137 Zur Bedeutung und zum Vorrang von ״Wahrnehmung" gegenüber dem Handeln als Problem der Ethik vgl. etwa FISCHER, Glaube als Erkenntnis, 106ff. 138
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Vgl. KORFF, Normen, 122f.
Vgl. bShab 77b. 140 Die kulturellen und historischen Differenzierungen markiert ausführlich DÜRR, Nacktheit und Scham, pass. 141 Vgl. etwa das Verbot, auf einen Altar zu steigen (Ex 20, 26) oder die Schlafdecke zu heben (Dtn 23,1; 27,20). Siehe zum ״Emporheben des Gewandes" oben S. 51 ff. 142 Vgl. die oben genannte Literatur zur ethnographischen Varianz von Körperdekorationen, 4 1 ff sowie PODELLA, Kleid/Be-, Entkleiden, 3 8 1 ff.
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Das Kleid im religiösen Kontext
Die in ihrer Wirkungsgeschichte noch nicht zu einem Ende gekommene paulinische Kleiderordnung schreibt so der Frau im Gottesdienst eine Kopfbedeckung vor (IKor. 11,2ff). Dies geschieht in deutlicher Unterscheidung zum Mann143, insofern das unverhüllte Haar der Frau mit der Glatze des Mannes, d.h. mit Schande identifiziert und schöpfungstheologisch begründet wird. Der Mann sei εικών Gottes, die Frau aber εικών des Mannes. In Anspielung auf Gen 6,2 müsse sie eine εξουσία „wegen der Engel" auf ihrem Haupte tragen. Dieser Zusammenhang wird schließlich von Paulus naturgesetzlich ausgeweitet: „(14) lehrt uns denn nicht die Natur (φύσις) selbst, daß es eine Schande für den Mann ist, wenn er Frauenhaar trägt (15), für die Frau aber eine Ehre ist, wenn sie Frauenhaar trägt? Denn das Frauenhaar ist ihr als Hülle/Mantel (άντί περιβόλαιου) gegeben" (IKor. 11,14-15).
Deutlich treten magisch-mythische (εξουσία) und physiologische Argumentation nebeneinander, die z.B. für das islamische Gedankengut von Hunke 144 dahingehend zusammengefaßt werden, daß der Prophet der Frau geboten habe, all ihre Reize bis auf das notwendig Sichtbare, die Hände, in der Öffentlichkeit zu verhüllen. Die Definition jenes notwendig Sichtbaren bleibt für Interpretationen allerdings offen. Gerade im Bereich der islamischen Kultur dient Kleidung einerseits der Verbergung weiblicher Erotik. Andererseits erlangen aber erotische Technik(en) und Literatur Weltruhm. Androzentrische und patriarchale Strukturen führen somit zu einer kultischen Inferiorisierung145 und damit auch Desexualisierung und Enterotisierung der Frau.146
IL Das Kleid als Persönlichkeits zeichen Die für das Kleid in bestimmten Zusammenhängen benutzten Termini ״Persönlichkeitszeichen" oder auch ״personality symbol"147 bringen den Sachver143
Vgl. z.B. KÜCHLER, Schweigen, Schmuck und Schleier, 73ff. Vgl. HUNKE, Allahs Sonne, 279. 145 Dies geht vor allem daraus hervor, daß die Frau während der Menstruation und im Anschluß an die Geburt kultisch ״unrein" und damit auch kultunfähig ist. Nicht das Wunder menschlicher Reproduktion marginalisiert also die Frauen, sondern jede Form regulärer wie irregulärer Sekretion. Darüber hinaus vgl. BASSLER, 1 Corinthians, bes. 3 2 6 F ; BIRD, The Place of Women, 398ff; DIES., Women (OT), bes. 9 5 5 ; MEYERS, Discovering Eve, 1 5 7 f f ; WACKER, Gefährliche Erinnerungen, 30f; HACKETT, Can a Sexist Model Liberate us?, 6 5 - 7 6 , bes. 6 6 : ״And women . . . are defined almost exclusively in terms of their sexual functions". 146 Auf enterotisierende wie erotisierende Kleidungsschemata weist hin FUCHS, Ich bin der Herr dein Gott!, 1 5 6 - 1 7 8 , bes. 1 5 8 f ; hierher gehört auch die vermutlich desexualisierte Darstellung der zum Istar/Astarte-Kreis gehörigen pillar figurines, insofern diese Terrakottastatuetten zwar immer mit überproportional groß dargestellten weiblichen Brüsten, niemals aber mit angedeutetem Schambereich hergestellt werden, vgl. die Bemerkungen von WENNING, Wer war der Paredros der Aschera?, 8 9 - 9 7 , bes. 9 1 .
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halt auf den Begriff, daß das Kleid oder ein Teil desselben den Eigentümer symbolisch vertreten kann. Hatte Koschaker noch damit argumentiert, daß der Mensch in wärmeren Ländern sein Gewand nur wenig wechsele und von daher mit der Person enger verbunden sei 148 , so lehrt heute die Ethnologie, daß der Begriff ״Kleid" kulturphänomenologisch notdürftige Verhüllungen, Körperbemalungen, ja eigentlich jede Form meint, die den nackten Körper gestaltet. 149 Die Möglichkeit, daß das Kleid die Person symbolisieren kann, ist eher auf dieselben Gedanken zurückzuführen, die auch Haare, Fingernägel etc. als Persönlichkeitssymbole betrachten und sie z.B. in der schwarzen Magie verwenden. 150 Daß innerhalb solcher Symbole im Alten Orient das Gewand bzw. Kleid eine derartige Wertschätzung genießt, mag vielleicht auch damit zusammenhängen, daß das Kleid oftmals der einzige Besitz ist, den ein Mensch hat und der darum besonders zu schützen ist. Die Frage, was im letzten Grunde die Symbolhaftigkeit des Kleides initiiert oder bewirkt, läßt sich im Rahmen dieser Untersuchung lediglich umreißen. Dabei ist von den Verwendungssituationen auszugehen, die bereits anhand exemplarischer Beispiele skizziert wurden. Hier läßt sich festhalten, daß der Brauch, Kostbarkeiten, Notgroschen in das Gewand einzunähen, darauf hindeutet, wie die Relation zwischen Kleid und Person gesehen und empfunden wurde. Was sich im/am Kleid befindet, befindet sich im Besitz und in der Verfügungsgewalt des Eigentümers. Umgekehrt bildet das Gewand für sich einen im juridischen Sinne vollgültigen Vertreter der Person. Dieser Sachverhalt kommt in der Verwendung des Gewandsaumes als Siegelsurrogat zum Ausdruck, sowie darin, daß der Besitz des Gewandsaumes einer anderen Person diese in ihrer Bewegungs- und Handlungsfreiheit einschränkt. Den engen Konnex zwischen einer Person und ihrem Gewand legt darüber hinaus jener Zusammenhang nahe, den Koch im Kontext des Tun-ErgehenZusammenhangs schicksalwirkende ״Tatsfäre"151 genannt hat. Im Umkreis des Tun-Ergehen-Zusammenhangs werden sogenannte Abstraktionsbegriffe wie z.B. Schuld/Sünde/Unrecht etc. noch ganz archaisch als substanzhafte Materie begriffen, die man mechanisch behandeln, d.h. wegnehmen/übertra-
144
147
Vgl.
KOSCHAKER,
Persönlichkeitszeichen,
2 4 6 f f ; MALUL,
Legal Symbolism,
193.
148
AaO. 246. Vgl. STRECK, Wörterbuch der Ethnologie, s.v. Kleidung. 150 Zu solchen magischen Praktiken, besonders zur Verwendung von Bildern und plastisehen Figuren vgl. z . B . DAXELMÜLLER/THOMSEN, Bildzauber, 36ff.43ff; THOMSEN, Zauberdiagnose, 30ff; WIGGERMANN, Mesopotamian Protective Spirits, xif. 151 Vgl. KOCH, 519,צדקff;DERS., Profeten 1,70. KOCH spricht hier von ״Wirkhüllen". Mehr räumlich sieht diesen Sachverhalt KEHL, Gewand (der Seele), 968. Er bestreitet einen Zusammenhang mit der Gewandmetapher, da deren Vergleichspunkt nicht ein Sein ״im Raum", sondern ein ״Geschmücktsein" sei, ebd. Dem ist entgegenzuhalten, daß die umgebende, umhüllende Funktion des Gewandes per se räumlich gedacht werden muß. Siehe auch unten S. 231. 149
80
Das Kleid im religiösen Kontext
gen/abwaschen, kann. 152 Ganz entsprechend bezeichnet auch das Kleid eine die Person umgebende Sphäre, etwa im Sinne einer zweiten Haut. 153 So ist eine Person nicht abstrakt „gerecht", sondern von Gerechtigkeit umgeben, sie „ist in sedaqa".154 „Trotz vereinzelter Gegenbeispiele . . . ,füllen' Gefühle, Gedanken, Eigenschaften nicht das Innere einer Gottheit oder Person, sondern ,umhüllen' sie; mit dem Wechsel des Gewandes wechselt die Gesinnung und Stimmung".155
D.
Zusammenfassung
Die vielfältigen Verwendungssituationen, in denen Gewänder im Alten Testament und im Alten Orient eine Rolle spielen, verweisen auf zentrale Vorstellungskomplexe. Kleiderwechsel visualisieren Veränderungen der Eigentumsverhältnisse, des Personenstandes. Und: Verfügung über das Kleid bedeutet Verfügungsgewalt über den Eigentümer. Die Vorstellung, daß tugendhafte oder weniger tugendhafte Eigenschaften einer Person im Sinne des Wortes „anhaften", wurzelt wie die sinnenfällige Markierung von Statuswechseln im Medium „Kleid" in einer mythischen Denkweise. Das Adjektiv „mythisch" bezeichnet hier jedoch nicht eine Verwandtschaft mit Mythen, sondern eine Form des Erkennens und Denkens, die zur theoretischen und abstrakten Lösung spezieller Probleme (noch) nicht fähig ist. 156 Eigenschaften von Menschen oder Gottheiten, die heute durch Abstraktionsbegriffe wie „Schuld", „Sünde", „Gerechtigkeit" bezeichnet werden, sind in diesem Denken mit der
Zusammenfassung
81
Person, der sie zugeordnet werden, eins. Dabei erscheint die Art und Weise dieser Einheit als eine räumliche Verbindung, so daß Begriffe wie ״Hülle", „zweite Haut" und „Kleid" nicht uneigentlich, metaphorisch oder symbolisch zu deuten sind.157 Innerhalb solcher Denkstrukturen werden Zustandsveränderungen von Personen (Heirat/Investitur) zumeist auch visuell markiert.158 Daneben eignet dem Faktum „Kleid" immer auch eine ästhetische Dimension, die mit den Begriffen „Schönheit" und „Schmuck" zwar oft verbunden sein kann159, aber nicht in neuzeitlichem Sinne einem bestimmten Schönheitsideal verpflichtet ist. Schönheit als Selbstzweck, als Inszenierung des Selbst war dem orientalischen Denken 160 dieser Zeit fremd. Aus der engen (räumlichen) Relation zwischen Gewand und Person folgt in kommunikationstheoretischer Hinsicht, daß der Inhalt der Information „Kleid" unmittelbar auf seinen Träger übergeht oder mit ihm identifiziert wird. In diesem Sinne ereignet sich mit dem Kleiderwechsel zwar eine Transformation der Person, aber keine IdentitätsVeränderung.161 Schließlich errichten die Informationen, die das Kleid enthält (Farben/Materialien), ein symbolisches Beziehungsgeflecht, das die Person (vermittelt über das Kleid) in einen größeren Zusammenhang einordnet. So zeigt sich am Beispiel des Hohepriesterornats, wie sehr ein Gewand symbolisch aufgeladen sein kann und wie stark die Verbindungslinien zwischen Priesterdienst und dem Ort dieses Dienstes optisch-visuell dargestellt werden.162 Für die im nächsten Kapitel zunächst noch allgemeiner zu formulierende Frage nach der Funktion und Form realer Götterkleider wird somit besonders
152
Vgl. etwa zur kontagiösen Magie und zum stofflichen Verständnis von Sünde, Bösem, Schuld etc. JANOWSKI, Sühne, 211 ff. 153 Vgl. nochmals JACOB, Das erste Buch der Tora, 124, zu Ex 22,26. Hier geht es um die Bestimmung, einen als Pfand genommenen Mantel bis Sonnenuntergang zurückzugeben, „denn er ist seine (d. Gläubigers) einzige Bedeckung, er ist seine Umhüllung für seine Haut 154
KOCH, Profeten 1 , 7 0 f f .
QUITTNER, Die „Hülle" aus Gefühlen, 7 4 - 7 5 ; es ist dabei eine offene Frage, ob man pauschal annehmen darf, vgl. aaO. 74 oben, daß die Gewandmetaphorik grundsätzlich immer ein kultisch-rituelles Pendant hat. Dies mag mit Sicherheit für Stellen wie Ps 30,12 „Meine Klagen hast du in Reigen verwandelt, mein Bußkleid gelöst, mich mit Freude gegürtet" gelten, die explizit auf ein Büß- bzw. Trauerritual anspielen; zur Rolle von Gewändern im Bußritual vgl. PODELLA, Söm-Fasten, 73f.38ff. Materialsammlung bei BRONGERS, Die metaphorische Verwendung, 63 ff. 156 So zeigt z.B. VERNANT, Vom Mythos zur Vernunft, 338ff, daß selbst das Denken der griechischen Naturphilosophie noch dem Mythos verhaftet ist, insofern die in den Mythen auftretenden personifizierten Mächte und Elemente in den philosophischen Diskursen weiterwirken. Für die hebräische Wurzel sdq „gerecht s./Gerechtigkeit" bezeugen z.B. Personennamen wie mlkysdq (Gen 14,18), ;dnysdq (Jos 10,1.3), Rab-sidqi aus dem Amarnaarchiv (EA 170,37), phönizisches sdqmlk (KAI 28,2) und ugaritische Namen wie Sdql und Sdqslm (GORDON, UT, 472 No. 2147 s.v. sdq) vermutlich eine ältere Gottheit, welche die Wirkkraft von „Gerechtigkeit" personalisierte. 155
157 Ähnliches beschreibt auch CASSIRER, Philosophie der symbolischen Formen III, 118ff, für das mythisch gedachte Verhältnis zwischen Leib und Seele. Zur Beziehung zwischen Objekten und Zeichen bzw. Symbolen vgl. auch LEACH, Kultur, 16ff; die historisch bedingte Abwertung des Symbolischen bei der Interpretation von Texten analysiert BURKE, Der Aufstieg des buchstabengetreuen Denkens, 19ff. 158 Zahlreiche Beispiele zum Transvestismus bei Pubertäts- und Initiationsritualen sind aus der Ethnologie bekannt, vgl. etwa BETTELHEIM, Die symbolischen Wunden, 149ff. 159 Zur Herrschaftsterminologie und theologia gloriae im Kontext königlicher Machtausübung siehe SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 220ff. 160 Vgl. etwa zur Schönheit ägyptischer Frauen CHR. MÜLLER, Körperpflege, 668ff, sowie den von B . SCHMITZ herausgegebenen Sammelband: Waren sie nur schön? Frauen im Spiegel der Jahrtausende, Mainz 1989. 161 Daraufweisen sowohl KEHL, Gewand = Person?, 213 ff, wie auch SCHECHNER, Theateranthropologie, lOff, mehrfach hin. Diejenige Person, die in eine darstellende Rolle schlüpft, bleibt sich ihrer Identität immer bewußt. In diesem Sinne sehen auch die ägyptischen Texte den König in der Rolle des Sonnengottes, identifizieren ihn aber genausowenig mit ihm wie mit der Sonne selbst. 162 Das Priestergewand wird durch Herstellungsanweisung und optische Gestaltung als architektonisches Glied des Heiligtums ausgewiesen. Gleichzeitig rückt der Träger dieses vom Volk gestifteten Gewandes in eine Repräsentantenrolle, die ihn zum Stellvertreter des Volkes und seines himmlischen Dienstherrn werden läßt, vgl. oben S. 69ff.
82
Das Kleid im religiösen Kontext
auf die Rollenkonstellationen zu achten sein. Dies bedeutet im einzelnen, daß das Götterkleid und an es geknüpfte Manipulationen Vorgänge im Kosmos und in der sozialen Welt symbolisieren. Die Art der Vernetzung von empirischer Wirklichkeits- und Naturerfahrung mit der Ebene der Götterwelt und des Mythos erscheint dabei besonders tief von tempeltheologischen Reflexionen geprägt zu sein. Für diese Art der Entsprechung zwischen weltlichem und himmlischem Geschehen wird häufig auf die Mikrokosmos-MakrokosmosRelation163 oder eine Vermischung von Darstellungsebenen164 verwiesen. Jedoch zeigt die tempeltheologische Tiefendimension der Beziehung zwischen Gesellschaft und Kosmos, daß in besonderer Weise der Kult, also das menschliche Handeln im Heiligtum, diese Relation mitgestaltet. Neben strukturelle Entsprechungen treten die dynamischen Elemente menschlichen Handelns. Es erscheint darum angemessener, von einer mutuellen Modellierung165 beider Ebenen zu sprechen, da die Dynamik des Handelns im Begriff der ״Modellierung" zum Ausdruck kommt. Dies soll zunächst in einer Übersicht zu den Bekleidungsritualen der Kultbilder und im Anschluß daran in einer Untersuchung zur ikonographischen Darstellung jener Vernetzung von himmlischer und irdischer Wirklichkeit anhand der Gott-König-Relation dargestellt werden.
Zweites Kapitel
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient A. Die Problematik der Kultbilder B. Gladigow hat überzeugend dargestellt, daß ikonische wie anikonische Kulte über spezifische Vor ־und Nachteile verfügen, die je nach Präferierung eines bestimmten Typs ausgeglichen werden müssen.1 Als bedeutendster Vorteil ikonischer Typen wäre z. B. die real sichtbare Gottespräsenz zu nennen, die in anikonischen Formen entweder über hypostasierende Derivate, wie im Alten Testament z.B. den JHWH-Namen oder den כבוד יהרה, über Symbole (leerer Thron) oder über Traditions- und Lehrbildung wie im Judentum und Islam aufzufangen wäre.2 Was jedoch die Präsenz der Götter in Form von ״Bildern'VStatuen angeht, so wissen wir aus der Antike und aus den Umweltreligionen des alten Israel, daß die in den Tempeln in Form von Kultbildern (= Statuen) wohnenden Götter rituell bekleidet wurden. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit der Belege zu erheben, soll deutlich gemacht werden, daß die soziale Behandlung des 1
163 164 165
Vgl. z. B . BERGER, Zur Dialektik von Religion und Gesellschaft, 29ff, bes. 33f. Vgl. JANOWSKI, Dem Löwen gleich, 169 Anm. 56. Zum Begriff vgl. oben Anm. 164.
Vgl. GLADIGOW, Konkurrenz, 108f. Er nennt als Vorteile Ritualhandlungen, die als Vorbild soziale Interaktionen haben wie ״Begrüßen, Speisen, Waschen, Kleiden und Ausführen". Dem entspräche in anikonischen Formen ״Anrufung und Prädikation". Der Nachteil, nämlich Mißbrauch mit oder am Kultbild, wird durch Zugangsregelungen aufgefangen, die mit der Heiligkeit und Gefahr des Gottesbildes priestertheologisch begründet werden. Diesem Nachteil lassen sich innerhalb anikonischer Formen wiederum die Scheu vor dem Aussprechen des Gottesnamens, Euphemismen und Antonomasien zuordnen. Auch fällt hierunter die Verehrung eines Gottes an verschiedenen Orten durch verschiedenartige Kultbilder, wobei seine Vielfalt durch einen abstrahierenden Gottesnamen reduziert wird. Hier stellt sich z.B. das Problem um die Einheit Gottes, vgl. IKön 8,14ff, wo JHWH im Himmel Gebete erhört, sein Name aber im Tempel ist, vgl. auch Ps 11,4; 20,3.7. Hierher gehören ebenfalls die neueren Fragen der Religionsgeschichte Israels, vgl. z.B. STOLZ, Probleme, lOff. Wie ist zu beurteilen, daß neben dem Jerusalemer Heiligtum zumindest zeitweilig ein Heiligtum in Arad (und in der nachexilischen Diaspora in Elephantine) bestand und in Betrieb war? Wie lassen sich die beiden epigraphisch ausgewiesenen lokalen JHWH-Manifestationen jhwh smrn ״JHWH von Samaria" und jhwh (h)tmn ״JHWH von Teman" verständlich machen? Vgl. hierzu KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 258f; H. WEIPPERT, Palästina, 482.620-631. Zur Vielgestaltigkeit und Vielnamigkeit der Götter in Ägypten vgl. HORNUNG, Der Eine und die Vielen, 114 ff. 2
V g l . GLADIGOW, a a O . 111.
84
Die Problematik der Kultbilder
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Kultbildes ein allgemeines Phänomen der altorientalischen (und altmediterranen) Religionsgeschichte darstellt, wenn die Götter in den Tempeln nicht nur durch Proskynese und andere Gesten verehrt, sondern auch gepflegt3 wurden. Solche Götterpflege besteht einerseits aus der ״Ernährung" der Götter durch denjenigen Teil des Opferkultes, dessen Fleisch und Brotgaben an die Priester und anderes Tempelpersonal zur Sicherung des täglichen Nahrungsbedürfnisses fällt (Tempelökonomie). Andererseits existiert aber wohl auch ein Bereich der Körperpflege, wie z.B. ägyptische und griechische Texte erkennen lassen, die den Göttern eine regelrechte Morgentoilette angedeihen läßt. Innerhalb dieses thematischen Komplexes, dessen einzelne Traditionselemente hier nicht untersucht werden können, spielt offenbar das Baden und Bekleiden der Götter eine prominente Rolle. Über die Aufstellung und allgemeine Zugänglichkeit von Götterbildern in mesopotamischen und syrischen Tempeln sind wir im Unterschied zu den griechischen Heiligtümern kaum unterrichtet. In den ägyptischen Tempeln steht das Götterbild in einem der Öffentlichkeit unzugänglichen Schrein und verläßt nur während der Feste das Heiligtum.4 In phönizischen Heiligtümern steht das Götterbild für die zum Eintritt in die Antecella Befugten sichtbar in einer Cella, die mit dem Hauptraum einen Kult- und Versammlungsplatz bildet.5 Dies gilt im wesentlichen auch für den salomonischen Tempel und die bronzezeitlichen und eisenzeitlichen Tempelanlagen in Palästina.6 Für die palästinischen wie auch die mesopotamischen Tempel bleibt aber zu vermuten, daß das Götterbild durch einen Vorhang vor dem Publikum verborgen war.7
85
Über Götterbilder, die in den griechischen Tempeln aufgestellt waren8, berichtet der griechische Schriftstellers Pausanias. In seiner im 2. Jh. n.Chr. entstandenen Beschreibung Griechenlands nennt er mehrfach Ausstattung und Namen bekleideter Kultbilder.9 Das Aussehen der Götterbilder scheint wie im Fall der Demeter mit Episoden aus denjenigen Mythen zusammenzuhängen, deren Hauptakteure sie sind. 10 Kultbildpolemik äußert sich als beißender Spott auch in Augustinus' Bericht über die Toilette der Götterbilder in Rom: ״Doch dieser Raserei [sc. auf dem Kapitol] ist eine bestimmte Frist gesetzt. Einmal im Jahre verrückt zu sein, kann man sich gefallen lassen. Aber geh aufs Kapitol, so wirst du dich schämen, wie da die Tollheit sich breit macht, wie da im priesterlichen Dienst albernster Wahnsinn zutage tritt. Einer trägt dem Jupiter Namen vor, ein anderer meldet ihm die Stunden, einer ist Bader, ein anderer salbt, das heißt, er macht bloß solche Handbewegungen, als salbte er. Es gibt Frauen, die Juno und Minerva frisieren, und das in weiter Entfernung nicht nur von ihrem Bildnis, sondern auch vom Tempel, mit bloßem Fingerspiel, andere halten den Spiegel·'. 11
Diese Beispiele zeigen, daß Götterbilder entweder bestimmte Episoden aus den den Göttern zugeordneten Mythen bildlich festhalten oder aber Gegenstand einer täglichen Pflege sind.12 Neben der Ernährung wird diese Pflege als Morgentoilette konzipiert, was nicht ausschließt, daß die Götter auch an den über die Todesstunde Jesu Mk 15,38 par. voraus. In mesopotamischen Ritualtexten begegnet häufiger die Wendung ina birlt siddl ״cubicle surrounded by curtains" als Aufenthaltsplatz von Göttern, vgl. CAD B, 2 5 4 s. v. biritu; CAD S 2 , 4 0 8 s. v. siddu\ zur Terminologie auch FARBER, Tamarisken-Fibeln-Skolopender, 9 9 F ; siehe jetzt auch PONGRATZ-LEISTEN, INA SULMI IRUB, 4 8 , 5 2 und die Edition von BM 3 2 2 0 6 + durch £AÖIRGAN/LAMBERT, KislTmu Ritual, 9 6 Z. 74.
3
Statt vieler Einzelnachweise vgl. exemplarisch den noch immer als ״klassisch" geltenden Abschnitt ״The care and feeding of the gods" von OPPENHEIM, Ancient Mesopotamia, 183-198. 4 Siehe unten S. 96. 5 Vgl. B U S I N K , Der Tempel von Jerusalem, Bd. I., 588. Davon zu trennen ist wohl der Brauch, Götterstatuetten in Modellschreinen aufzustellen, wie dies vor allem aus dem Obeliskentem'pel von Byblos bekannt ist, vgl. BRETSCHNEIDER, Architekturmodelle, 113. Hier handelt es sich vor allem um Götterbilder, die als Votivgaben aufgestellt wurden. 6 Vgl. die Tempelgrundrisse bei MAZAR, Temples, 163.174. Der Platz des Kultbildes liegt entweder direkt dem Eingang gegenüber, z. T. auf einem über einen Treppenaufgang erreichbaren erhöhten Podium. Im Falle der Knick-Achs-Tempel wird eine 90°-Drehung des Besuchers verlangt, um auf das Kultbild zu schauen. 7 So vermutlich im Susin-Tempel von Esnunna (frdl. Hinweis v. Frau R. MAYER-OPIFICIUS, Münster) und auch im Gimilsin-Tempel von Teil Asmar und der Pa-Sag-Kapelle von Ur, vgl. FRANKFORT/LLOYD/JACOBSEN, Gimilsin Temple, 22 mit Anm.6; vgl. auch CHARPIN, Clerge, 352 ff, zur Topographie des Nanna-Heiligtums (Ekisnugal) in Ur sowie zum Verhältnis zwischen der Cella des Hauptgottes und den (Kult-)Nischen der anderen im Heiligtum anwesenden Götter. Auf Vorhänge im zweiten Tempel in Jerusalem deuten die alttestamentlichen Baunotizen für das Wüstenheiligtum in Ex 26,31 ff, während IKön 8,8f ausdrücklich sagt, daß die Tragestangen der im Allerheiligsten stehenden Lade im Hauptraum zu sehen waren. Einen Vorhang vor dem Allerheiligsten setzen ebenfalls die neutestamentlichen Nachrichten
8 Zu den altorientalischen Tempeltypen vgl. die Grundrisse bei KEEL, A O B P S , 112ff, und die bereits oben genannte Zusammenstellung palästinischer Tempelformen bei M A Z A R , Temples, 161 ff; zur Charakterisierung von Kultbauten vgl. ZWICKEL, Tempelkult, 8 - 1 6 ; zu den griechischen Tempeln vgl. GRUBEN, Tempel Α - B , 294ff; HERBERT, The Orientation of Greek Temples, 31 ff; zu den ägyptischen Tempeln vgl. A R N O L D , Tempel, 13ff; B R U N N E R , Religion, 77ff; KURTH, Treffpunkt der Götter, 23-65. Vgl. auch NILSSON, Prozessionstypen, 309. 9 PAUSANIAS I 1 4 , 6 : ein Bild der Athena mit blauen Augen neben dem Hephaisteion in Attika; II 2,6: Holzbilder (Ξόανον) der ephesinischen Artemis und des Dionysos in Korinth, deren Gesichter mit einem roten Überzug versehen, deren Körper vergoldet sind; II 30,lf: ein nacktes Holzbild des Apollon, ein bekleidetes der Artemis und des Dionysos in Aegina; III 30,2: dem Apollon in Amyklai weben jährlich die Frauen eine Tunika (χιτών) in Sparta; V 16,2: in jedem fünften Jahr weben Frauen der Hera ein Gewand (πέπλος) in Olympia; VI 25,4: ein Holzbild der Tyche von Elis. Gesicht, Hände und Füße sind aus Marmor, der Körper vergoldet; daneben steht der Gott Sosipolis und ist mit einem sternenübersäten Mantel bekleidet; V I I I 4 2 , 1 f: ein schwarz gekleidetes Bild der Demeter entsprechend ihrer Kleidung nach dem Raub ihrer Tochter Persephone in Phigalia. 10 Vgl. die schwarze Kleidung der Demeter und auch der Thetis bei HOMER, vgl. Horn. Hymn. II, 39f; Horn. IL 24, 93f. 11 AUGUSTINUS, De Civitate Dei, V I 1 0 , Ausgabe von THIMME und ANDRESEN, 3 1 1 . 12 Das kolossale Götterbild darf somit als Angleichung an die ״mythische Größe" der Göttergestalten gewertet werden, vgl. GLADIGOW, Gottesvorstellungen, 4 1 .
84
Die Problematik der Kultbilder
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Hauptfesten gewaschen und bekleidet wurden. Die antiken Autoren überliefern im wesentlichen zwei größere Festzyklen: die Peplos-Prozession während der Panathenaia und die Plynteria. Im ersten Monat des attischen Jahres, Hekatombaion, fand das Jahresfest der Göttin Athene, die Panathenaia, statt. Es ist seit dem 7. Jh. v. Chr. schriftlich und auf dem Parthenonfries des 5. Jh.s v.Chr. auch ikonographisch bezeugt.13 Im Zentrum dieses Festes stand die feierliche Überbringung eines in langer Arbeitszeit zuvor hergestellten Peplos an die Göttin Athena Polias. Bedeutsam ist der Dekor. Offenbar wird die „Überwindung des Enkelados durch Athena in der Schlacht der Götter und Giganten" dargestellt.14 In diesem Fall würde dieses Ereignis Jahr für Jahr vergegenwärtigt. Der Peplos für die ortsfeste Kultstatue der Göttin fungiert als szenische Darstellung des Sieges, in den die Göttin erneut „hineinschlüpft".15 Solche Bekleidungsszenen hat Gladigow unter Hinzuziehung weiteren Materials in den Kontext der Epiphanien gestellt. Innerhalb des Vorgangs des Schmückens und Einkleidens „entsteht" der Gott, und es ereignet sich seine Epiphanie.16 Dieses trifft offensichtlich auch für die Plynteria zu, ein ursprüngliches Waschritual für Holzbilder. Am Ende des elften attischen Monats, Thargelion, fanden die Plynteria im Zusammenhang der „Frühjahrssäuberung des Kultbildes und des Tempels der Athena" statt.17 Die Reinigung der Statue der Göttin vollzog sich in rituell festgelegten Schritten: Entkleidung, Verhüllung der nackten Statue, Transport in feierlicher Prozession zum Meer und dann die Reinigung. Dieses Verfahren dauerte einen Tag, an dessen Ende die Rückkehr zum Tempel und
13 Vgl. PARKE, Athenische Feste, 40ff; DEUBNER, Attische Feste, 22ff; NILSSON, Prozessionstypen, 311; BURKERT, Religion, 232f; M U T H , Einführung, 39f. 14 PARKE, Athenische Feste, 50. Vgl. ebd. zur weiteren Geschichte dieses Festes. Zur Verbindung MERKELBACH, Gefesselte Götter, 549-565. 15 Hier zu vergleichen ist ebenfalls das Pherekydeische Fragment (DIELS, Fragmente, 202ff), wonach sich Zeus mit der kretischen Göttin Chtonia vermählt. Als Brautgeschenk läßt er ihr einen Mantel (φάρος) weben, auf den die Erde (Γή) und der Ozean (Ώγηνός) eingewebt sind. In dem Moment, wo Chtonia den Mantel überzieht, verwandelt sie sich - so die Legende - in Gaia, die kultivierte Erde, vgl. VON FRITZ, Pherekydes, 2025ff; JOHANN, Pherekydes, 729ff. 16 Vgl. GLADIGOW, Epiphanie, Statuette, Kultbild, 104f. Zu den soziologischen Fragen, die mit dem Wechsel von der portablen Kultstatuette zur ortsfesten, überlebensgroßen Statue verbunden sind, vgl. auch METZLER, Anikonische Darstellungen, 98f. Vgl. auch die dort gegebenen Hinweise zur politischen Auswirkung von Tempelmonopolen und zur „Verknappung" göttlicher Präsenz durch monotheistische Eingrenzung; ebenfalls dort der Hinweis auf L U H M A N N , Funktion der Religion, 82.167; vgl. auch RUTKOWSKI, Frühgriechische Kultdarstellungen, 110ff, zu Votivkleidern im ägäischen Raum, aaO. 116f; dazu KIECHLE, Götterdarstellung durch Menschen, bes. 262f zur Möglichkeit, daß die Priesterin/Königin im Gottesgewand die Göttin sichtbar machte, epiphan werden ließ. Zu den Votivbildern vgl. NICHOLLS, Greek Votive Statuettes, 1 - 3 7 . 17 PARKE, Athenische Feste, 234; vgl. DEUBNER, Attische Feste, 17ff; GLADIGOW, Epiphanie, Statuette, Kultbild, 100; NILSSON, Prozessionstypen, 317.
86
die Einkleidung und das Schmücken des Kultbildes stattfand. Diese wenigen Bemerkungen zu den Bekleidungsriten für Kultbilder ermöglichen erste Systematisierungen. Zunächst lassen sich, wie schon Nilsson18 deutlich macht, unterschiedliche Prozessions- und Epiphanietypen differenzieren: Prozessionen zum Gott und Überbringung des Gewandes; Prozessionen mit dem Gott (Erneuerung nach Reinigung/Kultstiftung). Die Art und Weise, wie das Kultbild des Gottes mitgeführt wird, in aller Öffentlichkeit = sichtbar-epiphan oder verhüllt = unsichtbar-epiphan, führt zu der Annahme unterschiedlicher Epiphanieformen, die nicht nur durch die Gestalthaftigkeit der Götter variieren, sondern in der darstellenden Kunst auch als Möglichkeit einer Epiphanie realisiert wurden.19 D.h.: Statt ikonischer Götterdarstellung wird auf Orte möglicher Gottespräsenz, z.B. den leeren Thron, verwiesen, oder es wird durch Teildarstellungen (vgl. die Götterhand auf dem Bröken Obelisk) die Gottespräsenz annonciert.20 Für den Fortgang der Untersuchung bedeutet diese Systematik, daß nach den verschiedenen Gestalten/Gestaltungen21 der Götter in Israels unmittelbaren Nachbarkulturen, Ägypten und Mesopotamien, zu fragen ist. Während kulturelle Kontakte zwischen dem alten Israel und Assyrien/B abylonien unmittelbar in Form von Fremdherrschaft und Exilierung über Jahrhunderte hinweg bestanden22, kann dies für die Beziehungen zu Ägypten während der staatlichen Zeit Israels gerade nicht behauptet werden.23 Entsprechend der Beschränkung des Themas auf die Funktion des Götterkleides sollen in den folgenden Abschnitten zentrale und exemplarische Situationen analysiert werden, in denen Götterstatuen, also Kultbilder, in ritueller Weise bekleidet werden. Für das ägyptische und mesopotamische Vergleichsmaterial bedeutet dies noch nicht, daß Vorstellungen oder Teilelemente in Israel adaptiert oder umgeformt wurden. Vielmehr soll zunächst (rein phänomenologisch) der Blick auf den Sachverhalt der Bekleidung von Kultbildern als solchen gelenkt wer-
18
Vgl. NILSSON, Prozessionstypen, 309ff. Was nicht bedeutet, daß jede Darstellung von Gottheiten auf Siegelbildern als Epiphanie zu verstehen ist. 20 Zu diesen Formen möglicher Epiphanie vgl. METZLER, Anikonische Darstellungen, 102ff. Auch GLADIGOW, Epiphanie, Statuette, Kultbild, 98ff, nennt ״Größe", „Schönheit", „Glanz", „Wohlgeruch" und „Bekleiden" als die klassischen Darstellungsformen für präsente oder epiphan werdende Götter; zur ägyptischen Barkenprozession vgl. BARTA, Götterkult־ bild, 75ff; siehe auch unten S. 133. 21 Solche Gestaltungen artikulieren sich z.B. in Kultbild, Votivbild, kosmischer Gestalt, Gott selbst vgl. unten zu Ägypten. 22 So zeigen besonders die alttestamentlichen Texte zur Kultbildpolemik, daß ihre Autoren über die Herstellung von Götterbildern, wie wir sie aus assyrischen Quellen kennen, gut informiert waren, siehe unten Kap. 3 A. I. 23 Die weiteren gravierenden Unterschiede zwischen der israelitischen und ägyptischen Kultur und Religion betreffen vor allem Jenseitsglauben und Schrift, siehe oben S. 89f. 19
102
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
den, um die wenigen Aussagen des Alten Testaments zum Kleid Gottes im Blick auf Gemeinsamkeiten und Differenzen präziser beurteilen zu können.24
B. Bekleidungszeremonien
an Götterstatuen
Da die durch das Alte Testament bezeugte Religionsform Israels anikonl· scher Art ist, könnte eingewendet werden, daß ein Vergleich mit den ikonischen Religionstypen der Umwelt zwei prinzipiell verschiedene Dinge zum Gegenstand habe. Ein solcher Einwand wäre allerdings erst dann berechtigt, wenn die Anikonizität der israelitischen Religion erwiesen wäre. Am Beispiel Ägyptens kann jedoch gezeigt werden, daß es sehr wohl möglich ist, anikonisch konzipierte Götter (Aton/Amun-Re) gestalthaft zu denken, und zwar auf dem Wege einer Theologie der Einwohnung.25 Und auch umgekehrt gilt, daß Polemik gegen Bilder (und Götterbilder im speziellen) nicht allein alttestamentlichen Ursprungs ist, sondern gerade auch in ikonischen Religionen bekannt ist. Sowohl in der griechischen als auch römischen Antike gibt es Polemik und beißenden Spott (Heraklit/Varro26) gegen die Bilder. Was den Gottesbegriff betrifft, so führt dies z.B. Xenophanes zur Annahme eines rein „immobilen, invarianten Geistwesens"27 jenseits aller bildhaften Repräsentation. Darum mag ein Vergleich unterschiedlicher religiöser Anschauungen zutage bringen, wo tiefergreifende Differenzen, aber auch Gemeinsamkeiten bestehen. Nur so wird ein Verständnis alter Kulturen und ein Verstehen antiker Texte ermöglicht, indem auch Anderes zur Verdeutlichung des Einzigartigen herangezogen und interpretiert wird.
I. Ägypten Obwohl die kulturellen Wechselbeziehungen zwischen Israel und Ägypten ungleich geringer als zu Mesopotamien waren, eignet der ägyptischen Theologie des ausgehenden 2. Jt.s eine Paradigmatik, die es ermöglicht, Grundzüge tempeltheologischen Denkens und Handelns in der gebotenen Kürze zu vergegenwärtigen. Nach einem kurzen Abriß zur Sonnentheologie des Neuen Reichs soll dies anhand des täglich durchzuführenden Kultbildrituals verdeutlicht werden.
24
Zu den vielfältigen Wechselbeziehungen der Mittelmeerkulturen und deren Ethnien vgl. La Méditerranée, pass., sowie zu den Beziehungen im ersten Jahrtausend v.Chr. BURKERT, Die orientalisierende Epoche, 15ff; GURALNICK, East to West, 327ff. Die Verhältnisse im antiken Ugarit sind trotz einer Vielzahl von ausgegrabenen Texten zu undeutlich, um hier Ergebnisse präsentieren zu können, vgl. oben S. 54 Anm. 58. 25 Vgl. unten S. 95. 26 Vgl. AUGUSTINUS, De Civitate Dei, IV, 31. 27 GLADIGOW, Konkurrenz, 104, mit weiteren Beispielen.
BRAUDEL,
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1. Die Sonnentheologie des Neuen Reichs Im Unterschied zu Israel und zu Mesopotamien haben die Theologen ägyptischer Kultzentren eine elaborierte Sonnentheologie hervorgebracht, die sowohl in Sonnenhymnen als auch in Sonnentempeln/־heiligtümern und Königsgräbern28 manifest wird. Unsere Kenntnisse der Sonnentheologie stammen überwiegend aus Grabinschriften, deren Besitzer die Sonnenhymnen des Tempelkults frei oder nach Vorlagen kopieren und ihren eigenen Intentionen nutzbar machen. Damit wird eine zweite wesentliche Differenz zwischen der ägyptischen und den israelitischen und syrisch-mesopotamischen Religionsformen erkennbar: der Jenseitsglaube. In Ägypten bringt der Glaube an ein Leben nach dem Tod eine ausgeprägte Grab- und Jenseitskultur hervor, so daß man beinahe bereit ist, das Grab nicht nur als ״Vorschule der Literatur "29, sondern auch der Theologie zu bezeichnen. Was jedoch in den Gräbern erscheint, ist ohne die im Diesseits gesammelten Erfahrungen nicht denkbar, so daß hier die Erkenntnis der lebenerhaltenden Sonne für die Jenseitsexistenz fruchtbar gemacht wird. Im alten Vorderasien ist das anders, denn hier ist die ״Lebensphilosophie" ganz und gar diesseitsorientiert; man stirbt alt und ״lebenssatt" (Gen 25,8). 30 Die Toten existieren in der Unterwelt in einer gegenüber dem diesseitigen Leben deutlich reduzierten ״Lebens"form. Wie vor allem aus der mesopotamischen Totenpflege (akk. kispum)31 ersichtlich ist, bedarf der Tote auch weiterhin der Pflege durch seine Angehörigen. Dieses kommt vor allem in der Totenspeisung und der Namens־ erinnerung zum Ausdruck. Bleibt solche Pflege aus, dann kann es geschehen, daß der Tote als Totengeist (akk. etemmü) in das Diesseits zurückkehrt und dort als Dämon sein Unwesen treibt. Zwar gibt es gewisse Anzeichen dafür, daß auch in der Unterwelt soziale Rangordnungen eingehalten werden, doch alles in allem fristen die Toten in Mesopotamien wie auch in Israel ein eher tristes Dasein fernab aller Kultur- und Zivilisationsgüter und, was weitaus wichtiger ist: „Die Toten loben JETWH nicht".32
28 Vgl. z.B. STADELMANN, Sonnenschatten, 1103f, zur Bezeichnung der Sonnenheiligtümer seit dem NR; DERS., Sonnenheiligtum, 1094ff. 29 Vgl. den Untertitel „Das Grab als Vorschule der Literatur im alten Ägypten" der Studie von A S S M A N N , Schrift, Tod und Identität, 64ff, und DERS., Ägypten, 5 6 . 30 Vgl. z.B. PODELLA, Grundzüge, 70ff; und die Beiträge von J.BOTT£RO, G. SACANDONE MATTHIAE und P . X E L L A in dem Sammelband Archeologia delVinferno. L'Aldilä nel mondo antico vicino-orientale e classico, hrsg. v. P . XELLA, Verona 1987; den Unterschied zu Ägypten charakterisiert ebenfalls der Titel des Beitrags von GRONEBERG, Zu den mesopotamischen Unterweltsvorstellungen: Das Jenseits als Fortsetzung des Diesseits, 244ff. 31 Vgl. grundsätzlich TSUKIMOTO, Untersuchungen zur Totenpflege, 1 ff. 1 2 5 f f . 2 2 8 f f ; GRONEBERG, Z U den mesopotamischen Unterweltsvorstellungen, 244ff; PODELLA, Söm-Fasten, 86ff. 32 Vgl. zusammenfassend PODELLA, Söm-Fasten, 73—116.
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In Ägypten hingegen zeigt schon die ausgeprägte Literatur, die sich mit dem Jenseits beschäftigt33, daß es der sehnlichste Wunsch eines jeden Lebenden ist, nach seinem Tode ein Ach, ein seliger Totengeist, zu werden. Untrennbar mit diesem Jenseitswunsch verknüpft ist die Vorstellung von der Nachtfahrt des Sonnengottes, der beim Untergang der Sonne die Sonnenbarke besteigt und in der Nacht durch die Unterwelt fährt, um den Toten Licht und Wärme zu spenden.34 Im Totengericht wird für jeden Menschen festgestellt, wie sein Verhältnis zu der den Kosmos durchdringenden Grundordnung, der Ma'at, war und ist. Der Sonnengott ״bringt den Seligen die ־Maat und erneuertes Leben, den Verdammten aber Bestrafung und Entzug ihrer Existenz".35 Allen altorientalischen Kulturen ist die Beobachtung des täglichen Sonnenlaufs gemeinsam, so daß unterschiedliche Riten im Morgenlicht der belebenden und lebenspendenden Kraft der Sonne stattfinden.36 Denn sowohl in Mesopotamien als auch in Ägypten dient die Exponierung von Mumien, Statuen oder Kultobjekten deren Belebung bzw. Einweihung.37 Allerdings ist die Ausformulierung einer Sonnentheologie, die den König als Repräsentanten des Sonnengottes38 versteht, und ihre konzeptionelle Verbindung mit dem Jenseitsglauben in der ägyptischen Religion singulär. Neben dem Jenseits- oder Totenglauben besteht noch ein weiterer wesentlicher Unterschied zu den östlicher gelegenen Kulturen. Hier ist der König zwar Tempelbauherr und während bestimmter Feste auch Priester des Staatsgottes. Er gilt aber weder in Mesopotamien noch irgendwo sonst außerhalb Ägyptens als Sonnenpriester.39
33 Vgl. z . B . BRUNNER, Unterweltsbücher, 215ff; DERS., Religion, 122ff; A S S M A N N , Ma'at, 122ff; HORNUNG, Unterweltsbücher, 13 ff. 34 Vgl. BRUNNER, Religion, 122ff; JANOWSKI, Rettungsgewißheit, 112ff, und HORNUNG, Nachtfahrt der Sonne, pass. 35 HORNUNG, Nachtfahrt der Sonne, 26. Die Vorstellung von einem Totengericht und einer Vergeltung für gute und schlechte Taten, wie sie sich ausgeprägt im Neuen Testament findet, ist den alttestamentlichen Texten unbekannt. Selbst die neutestamentliche Lehre vom ewigen Leben findet sich im Alten Testament nur ansatzweise in der Vorstellung einer eschatologischen Totenauferweckung vgl. MARTIN-ACHARD, Resurrection (OT), 680ff; NICKELSBURG, Resurrection (Early Judaism and Christianity), 684ff. 36 Vgl. JANOWSKI, Rettungsgewißheit, pass. 37 Für Ägypten vgl. A S S M A N N , Ägypten, 54; zu Mesopotamien siehe unten S. 110 Anm. 110. 38 Zur Rolle und Funktion des Königs vgl. jüngst A S S M A N N , Politische Theologie, 48ff. 39 Vgl. oben Anm. 38; s. auch A S S M A N N , Ägypten, 19ff. Zum König als Schöpfergott vgl. HORNUNG, Der Eine und die Vielen, 133; auch die Königin Hatschepsut tritt, vermittelt durch Wohlgeruch und Akklamation, in die Rolle des Gottes ein, vgl. aaO. 123f. Die Göttergestalt ist entweder vermittelt durch ihr Kultbild, aaO. 119, oder anthropomorph oder tiergestaltig oder eine Mischform, aaO. 114f. Im Gegensatz zu Griechenland stand so auch die Geheimhaltung des Kultbildes in Ägypten, die durch die Abgeschiedenheit der Kultbildkammern noch verstärkt wird, vgl. A R N O L D , Wandrelief und Raumfunktion, 7. Die enge Beziehung zwischen Sonnengott und König wird auch daran sichtbar, daß der Sonnengott kein eigenes Kultbild besaß, vgl. BRUNNER, Religion, 80. Auch dies ist in Mesopotamien anders, wie die Lieferurkunden für Gewänder u. a. für den Sonnengott Samas zeigen. Siehe unten S. 120ff.
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In der Zeit des imperialen Aufschwungs, die nach der Vertreibung der Hyksos mit dem Neuen Reich (NR) und der 18. Dynastie einsetzte, geriet das polytheistische Weltbild der Ägypter in eine tiefgreifende Krise. Im traditionellen Sonnenkult spielten die Motive der Vertreibung der antikosmischen Feinde, die Bändigung der Apophis-Schlange und der nächtlichen Unterweltsfahrt eine zentrale Rolle. So heißt es in einem vor-Amarna-zeitlichen Hymnus zum Sonnenuntergang: ״Das Bild deiner Majestät (ruht) in SOKARIS, man jubelt laut aus Liebe zu dir. Dir sind die Tore geöffnet in deinen beiden Horizonten bei deinem Untergang zum westlichen Lande. Deine Strahlen dringen in die Erde, um den Westlichen Licht zu spenden. Die Unterweltlichen stimmen dir Preisungen an und Loblieder bei deinem Anblick Tag für Tag." 40
Während dieses Aufstiegs Ägyptens zur Weltmacht und zu einer vorher nie gekannten Vormachtstellung im gesamten alten Orient wurde die mit der Nachtfahrt verbundene Feind- und Chaosvorstellung mehr und mehr obsolet. Das harmonische Zusammenwirken der Göttervielheit, welches - begleitet und magisch unterstützt durch den Tempelkult - den Sonnenlauf in Gang hielt und ״sicherstellte", wird zusehends auf einen Gott, Amun-Re, konzentriert. Unter dem Thema ״die Krise des polytheistischen Weltbildes" hat Assmann sowohl das Neue dieser Theologie als auch den Problemhorizont, aus dem sie erwuchs, beschrieben. Der Problemhorizont, zugleich eine der Wurzeln der Religionsstiftung Echnatons, besteht darin, daß ein neuer ״nicht-konstellativer" Gottesbegriff und ein ״nicht-polytheistisches" Weltbild etabliert wurden. 41 Hier liegen die Anfänge der neuen Sonnentheologie, die in der Amarna־ Zeit ihren Höhepunkt erreicht und in der Ramessidenzeit ihre Fortsetzung findet. Amenophis IV. (Echnaton) radikalisiert diese Tendenzen durch die Erhebung des Sonnengottes Aton zum einzigen Gott. 42 Verbunden ist dieser gewaltsam inaugurierte Monotheismus mit einem einzigartigen neuen Bildprogramm, mit der Ausmerzung anderer Götterbilder und neuen theologischen Vorstellungen, die sich in der ägyptischen Literatur breites Gehör verschaff-
40 Text pBM 10554 ed. B U D G E , The Greenfield Papyrus, t. Vii; Bologna, Kat. Nr. 1940, hier ÄHG Nr. 2 4 , 5 - 1 2 ; vgl. auch ÄHG 87E, 121-124. 41 Vgl. A S S M A N N , Ägypten, 221ff.232ff; DERS., Re und Amun, 3ff: es geht vor und nach Amarna (d.h. zwischen 1500 und 1200 v.Chr.) um die ״Vermittlung eines transzendenten Höchsten Gottes mit der kosmischen polytheistischen Götterwelt", ebd. 3; HORNUNG, Echnaton, 97 ff. 42 Vgl. speziell REDFORD, Akhenaten, 57ff bes. 137ff; DERS., Art. Akhenaten, 135ff; A S S M A N N , Ägypten, 221ff.232ff; A S S M A N N , Monotheismus, 25ff; HORNUNG, Echnaton, 81 ff.94 ff.
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ten. So heißt es nun in dem kleinen Amarnahymnus Echnatons an den Sonnengott Aton: „Wenn du untergehst im westlichen Lichtland des Himmels, dann schlafen sie wie im Zustand eines, der tot ist; ihre Köpfe sind verhüllt, ihre Nasen verstopft, bis daß dein Aufgang eintritt im östlichen Lichtland des Himmels." 4 3
Und im großen Amarnahymnus lesen wir über den Zustand der Welt in der Nacht: „Gehst du unter im westlichen Lichtland, ist die Erde in Finsternis, in der Verfassung des Todes". 4 4
In diesen beiden Texten bleibt der Blick der Verfasser auf der nächtlichen Erde, die in einen todesähnlichen Schlaf gefallen ist. Von der Nachtfahrt des Sonnengottes und seinem bejubelten Empfang in der Unterwelt ist keine Rede mehr.45 Neben dieser Ausblendung des für die Jenseitsvorstellungen so zentralen Aspektes der nächtlichen Unterweltsfahrt tritt als zweite Neuerung die Vorstellung, daß der einzige Gott ikonographisch, in Form von Götterbildern, nicht eingefangen werden kann. Nochmals im kleinen Amarnahymnus lesen wir: „Du bist die lebendige Sonne, die unendliche Zeit ist dein Abbild." 4 6
Was diese Textzeile noch positiv (Zeit als Abbild) formuliert, fassen andere Texte schärfer und explizit: „Der Eine, der sich selbst baut mit seinen Armen, die Bildhauer kennen ihn nicht. Der beständig auf- und untergeht, Tag für Tag, unaufhörlich. Er ist im Himmel und zugleich auf Erden, jedes Auge schaut ihn, aber sie erkennen seinen Gang nicht." 47
In einem sehr zerstörten Text findet sich eine Passage, die den Sonnengott Aton deutlich von den „alten Göttern" der Epoche vor Amarna absetzt. Der König Amenophis IV. (Echnaton) spricht: „ [ . . . ] Horns(?) [ . . . ] . [ . . . ] . [ . · · their temples(?)] fallen to ruin, [their bodies(?)] shall/ do not [ . . . ] . [ . . . since the time of (?) the ancestors; it is wise men that [ . . . ] . [ . . . ] look, I am speaking that I might inform [you] [ . . . ] . [ . . . the fo]rms(?) of the gods, I know [their(?)] temples [ . . . ] . [ . . . the writings of/and the inventory manual of their primeval
43 44 45 46 47
Zum kleinen Sonnenhymnus vgl. ÄHG 91, 2 6 - 2 9 . ÄHG 9 2 , 2 7 - 2 9 . Vgl. ASSMANN, Monotheismus, 28; HORNUNG, Echnaton, 105ff. Ä H G 91, 52. HELCK, Urkunden IV/22,12-13.
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bodies [ . . . ] . [ . . . they have ceased one after the other, whether of] precious stones, [gold], [ . . . ] . [ . . . who himself gave birth] to himself, and no one knows the mystery of [ . . . ] . [ . . . ] he [go]es where he pleases, and they know not [his] g[oing . . . ] . [ . . . ] to him(?) by(?) night, but I approach [ . . . ] . [ . . . the .. .]s which he has made, how exalted they are! [ . . . ] their [.. .]s as stars. Hail to thee in [thy (?)] radiance! [ . . . ] . [ . . . ] What would he be like, another of thy kind? Thou are he who [ . . . ] . [ . . ·] [to them in that(?) name of thine] [.. .]." 48
Deutlich werden die alten Götter als seit alters her auch mit ihren Tempeln bekannte Götter genannt. Auf ihre Kultbilder beziehen sich wohl auch die Beschreibungen der kostbaren Edelsteine. Ganz anders der Gott Aton. In seiner Einzig(artig)keit kennt niemand seinen Ursprung und auch nicht den Weg, den er nach Sonnenuntergang nimmt. Das einzige, was man zu erkennen scheint, ist seine von Strahlen umgebene Gestalt in der Sonnenscheibe auf dem Horizont. Diese Vorstellung, daß der Weg des Sonnengottes ein Mysterium ist und er selbst verborgen bleibt, überdauert die Amarna-Epoche bis zur darauffolgenden Ramessidenzeit: „Gerüsteter, Gerüsteter, dessen Wesen man nicht kennt und von dem es keine Bilder der Künstler gibt. Der das Leben wiederholt am Anfang (je)des Monats, dessen Gestalt man in den Schriften nicht finden kann; Gott von gestern, der heute geboren wird". 49
Im Mittelpunkt der theologischen Bemühungen der Ramessidenzeit stehen „theologische Ausdeutungen kosmischer Phänomene, und zwar der Sonne, des Lichts und ihrer Bewegung"50, also von allgemein beobachtbaren Wirkgrößen des sichtbaren Taghimmels.51 Auch diese Weiterentwicklung der Sonnen- und Licht-Theologie ereignet sich parallel zu dem anhaltenden Aufstieg Ägyptens zur Weltmacht und den internationaler und weltoffener werdenden Außenbeziehungen. Ihr Charakteristikum besteht in der polymorphen Präsenz des Sonnengottes im Kosmos. So werden die polytheistischen Strukturen, die die Amarna-Religion gewaltsam beiseite schaffen wollte, nicht aufgehoben, sondern als Emanationen des einen Sonnengottes gedeutet.52 Die ägyptischen Theologen gehen damit einen umgekehrten Weg als Echnaton oder die Kultbildgegner Israels. 48
REDFORD, Akhenaten, 1 7 2 . Theben TT 106, STG Nr. 113,152-155; zitiert nach ÄHG 102, 7-11. 50 ASSMANN, Ägypten, 236; vgl. auch WESTENDORF, Sonnenlauf A . , llOOff. 51 Vgl. unten S. 171 u.ö. 52 Gegen die Vielheit und Vielfalt der Götter, aber auch gegen die entstehende „persönliche Frömmigkeit" in Ägypten richtete sich in der Amarna-Zeit (ca. 1360 v. Chr.) der Versuch, per Verordnung einen neuen und monotheistischen Religionstyp zu etablieren: die sonnentheologisch orientierte anikonisch-ikonoklastische Religion des Königs Amenophis IV./Echnaton, vgl. ASSMANN, Ägypten, 243ff.265. Während der nur etwa 20 Jahre dauernden Amarna-Zeit werden die Kulte anderer Götter abgeschafft, Tempel geschlossen und der König „zum Gott des Einzelnen erklärt", aaO. 265. 49
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Statt Götterbilder zu vernichten53, Göttervielfalt zu verbieten und die unterschiedlichen Aspekte und Funktionen der Götter auf den Einen Gott zu konzentrieren, wählen sie einen theologischen Weg. Die Vielfalt der Götter neben dem einen Sonnengott wird nicht im Sinne eines radikalen, die Existenz anderer Götter negierenden Monotheismus gelöst, sondern sie wird pantheistisch als verschiedene ״Aspekte, Namen, Erscheinungsformen, kurz: zu immanenten Brechungen der transzendenten Einheit Gottes erklärt".54 In diesem Prozeß spielt die Zusammenordnung der Götter zu Triaden einerseits, die trinitarische Entfaltung verschiedener Aspekte andererseits eine besondere Rolle. 55 So heißt es über die Götter Atum und Amun: ״Sein Ba ist im Himmel, sein Leib im Westen, sein Kultbild ist im südlichen Heliopolis und trägt sein Erscheinen. Einzig ist Amun, der sich vor ihnen verborgen hat, der sich vor den Göttern verhüllt, so daß man sein Wesen nicht kennt; er ist ferner als der Himmel, tiefer als die Unterwelt. Kein Gott kennt seine wahre Gestalt, sein Bild wird nicht entfaltet in den Schriftenrollen, man lehrt nicht über ihn [...]." 5 6
Die trinitarische Entfaltung der Götter in einen Ba, ein Kultbild und einen Leichnam wird vom Neuen Reich an für die ägyptischen Vorstellungen bis hin zur Spätzeit leitend.57 Die theologische Reflexion der Spätzeit setzt sich angesichts dieser Vorstellungen mit dem Verhältnis zwischen dem materiellen Kultbild und dem Gott selbst auseinander. Dies erfolgt im Vergleich mit den unten zu behandelnden mesopotamischen Texten, aber auch im Verhältnis zu Israel in einer theologisch äußerst dichten und singulären Art. In dem Ritual mit dem Namen „Vereinigung mit der Sonne" werden die Kultbilder auf das Tempeldach getragen, um sie dort der Morgensonne auszusetzen und um sie „mit Gottessubstanz aufladen zu lassen".58 Dieser Vorgang impliziert, daß die Lebens-AVirkkraft aller Götter in der Sonne gedacht wird.59
53
Vgl. zur Geschichte des alttestamentlichen Bilderverbots unten S. 178ff. A S S M A N N , Ägypten, 274. 55 AaO. 276. 56 Aus der Leidener Papyrus-Sammlung von Hymnen an Amun und seine Stadt; pLeiden J 350 IV, 12-21, hier ÄHG 138, 13-22. Vgl. auch ÄHG 127A, 62ff. Zur trinitarischen Entfaltung der Götter in Ba, Körper und Kultbild vgl. auch HORNUNG, Der Eine und die Vielen, 225, zur Frage der göttlichen Gegenwart im Leidener Amunhymnus IV 16f; vgl. auch A S S M A N N , Ägypten, 240, Text 50f. 57 Vgl. A S S M A N N , Ägypten, 54; speziell zur £a-Theologie der Ramessidenzeit DERS., Monotheismus, 37 ff. 58 A S S M A N N , Ägypten, 54. Zum Tempelritual von Dendera vgl. D A U M A S , Dendera, 65; siehe auch KURTH, Treffpunkt der Götter, 107ff; 344. 59 In diesem Zusammenhang verweist ASSMANN auf die „Lehre des Ani" aus dem 13. Jh. v.Chr. Es heißt dort u.a.: „Der Gott des Landes ist die Sonne am Himmel. Seine Symbole (nur) sind auf Erden" STG Nr. 111,11; 155; s. auch LICHTHEIM, AEL III, 141.
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Eine Ausformung dieser Idee findet sich dann in der ebenfalls im NR erfolgenden Verbindung des alten Mundöffnungsrituals mit dem Sonnenkult, das in ptolemäischer Zeit auch am Tempel selbst durchgeführt wurde.60 Für das Verhältnis zwischen der Gottheit und ihrem (Kult-)Bild besagt diese, freilich erst in der Spätzeit ausformulierte Theologie, daß das Kultbild nicht den Körper des Gottes darstellt, sondern umgekehrt, der ״Leib der Gottheit" ist, der Ort seiner Einwohnung.61 Die Bedeutung dieses religionsgeschichtlichen Prozesses ist für die Theologie des Alten Testaments von unschätzbarem Wert. Denn hier wird die Problematik der Identität eines höchsten Gottes, sein Verhältnis zu den anderen Göttern und zu seinem Kultbild erstmals in der altorientalischen Religionsgeschichte systematisch durchdacht. Darin ist es z. B. den theologischen Reflexionen der Deuteronomisten verwandt, die in der Krise des Tempelverlustes neu über die Präsenz und Identität ihres Gottes JHWH nachdenken. Sie lösen es, indem an die Stelle des Tempelgottes der Gottesname tritt und an die Stelle des Tempels ״der Ort, den JHWH erwählen wird, um seinen Namen dort wohnen zu lassen".62 Die Einheit der Gestalt eines Gottes wird somit in verschiedene Aspekte und Wirkgrößen aufgefächert. Wie das obige Zitat eine polymorphe Existenz Gottes in den drei kosmischen Bereichen Himmel, Erde und Unterwelt zu erkennen gibt, so wäre auch für die alttestamentlichen Texte zu erwägen, ob und wie die an den Tempel gebundene Gestalt JHWHs in verschiedene Existenzweisen differenziert wird. Die Form der transzendenten Einheit und die Art und Weise, wie die himmlische Existenzweise und die kultische, an den Tempel gebundene Präsenz der Gottheit in Kultus und Ritual miteinander vernetzt sind, soll im folgenden anhand des ägyptischen Kultbildrituals verdeutlicht werden. 2. Das morgendliche
Kultbildritual
Als architektonisch singuläre Leistung gilt innerhalb der nach Amarna beibehaltenen neuen Sonnentheologie der Tempel Sethos I. in Abydos mit seinen am besten erhaltenen und nur durch die Handwerkskunst der Amarna-Zeit denkbaren Reliefdarstellungen des morgendlichen Kultbildrituals.
54
60 Vgl. auch OTTO, Mundöffnungsritual I I , 1 1 0 f ; KURTH, Der Sarg der Teüris, 1 2 6 Anm. 407; DERS., Treffpunkt der Götter, 153ff. Vgl. unten zu den mesopotamischen Mundwaschungs-/Mundöffnungsriten, die auch an Kultobjekten vorgenommen wurden, besonders S. 1 1 0 Anm. 110. 61 A S S M A N N , Ägypten, 57. Vgl. auch ebd. zur Lehre des Merikare, wo es vom Kultbild heißt: ״der aus Edelsteinen gemacht und aus Erz gebildet ist", ÄHG 89,21 f. Zur Bekleidung der Götterbilder mit Edelsteinen vgl. auch A L D R E D , Bildhauer und Bildhauerei, 800f; vgl. auch unten S. 115 f. 62 Vgl. JANOWSKI, ״Ich will in eurer Mitte wohnen", 173ff. Zur Ablösung einer tempelkultisch geprägten Zebaoth-Theologie durch die Namens ־und Herrlichkeitstheologien der Deuteronomisten und der Priesterschrift vgl. METTINGER, Dethronement, 78ff.
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Sethos I. (1304-1290 v. Chr.), Nachfolger des Gründers der Ramessidendynastie Ramses I., zählt zu den wichtigsten Königen des Neuen Reichs. Entsprechend der triadisch orientierten Theologie (und unter politischem Legitimationszwang) wählt dieser König eine bislang singuläre Architekturform für seinen großen Tempel in Abydos. 63 Das architektonische Novum besteht darin, daß alle Nebenräume in einen nach Süden weisenden Tempeltrakt verlagert sind. Einer der Gründe dafür mag in der zweiten Eigenart dieses Tempels liegen, der Gruppe von sieben parallel angeordneten Sanktuaren.64 Die Kammern waren dem zweiten Säulensaal vorgelagert und von Süden nach Norden dem nach seinem Tode verehrten König selbst sowie den Göttertriaden des Landes und der Stadt geweiht. Die die alte Institution des Reichsgottes ersetzende Reichstriade wird gebildet durch Ptah von Memphis, Re-Harachte von Heliopolis und im Zentrum der Anlage Amun-Re von Theben 6 5 ; die Triade der Stadt Abydos durch deren heilige Familie: Osiris, Isis und Horus. Die sieben Sanktuare waren in zwei Hälften unterteilt. In der vorderen, d.h. östlichen Hälfte stand ein goldener Schrein, der das Kultbild desjenigen Gottes enthielt, dem die Kammer geweiht war. Es war mit einer realen Krone, Schmuck und einer Art Schal bekleidet. In der westlichen Hälfte der Kammern befindet sich ein Podest, auf das die goldene Götterbarke zur Vorbereitung der Prozession während der Jahresfeste gestellt wurde. 6 6 Vor den Kultbildern dieser Sanktuare vollzieht sich seit dem Neuen Reich allmorgendlich das Kultbildritual bzw. tägliche Ritual.
Im Mittelpunkt des die Morgentoilette des Königs zum Vorbild nehmenden Rituals67 steht das Waschen, Bekleiden und Schminken der Kultbilder. Es läßt
63
Vgl. ARNOLD, Tempel, 168ff; D A V I D , Guide, 7ff. Zu anderen Theorien über die L־förmige Anlage des Tempelkomplexes vgl. D A V I D , Guide, 10. Normalerweise enthält der ägyptische Tempel eine Cella für den Hauptgott sowie zwei weitere für die Königsgattin und den Sohn des Gottes, den König. 65 Vgl. zum Vorgang A S S M A N N , Ägypten, 276f. Vielleicht liegt darin der bewußte Versuch, an die durch die Amarna-Zeit unterdrückte Verehrung dieser Götter wieder anzuknüpfen. 66 Die Statue des Gottes wurde anläßlich der als Prozessions feste begangenen ägyptischen Jahresfeste in einen „Schrein" auf die Barke gebracht. Indem die Barke von Priestern aus dem Tempel in den Hof hinausgetragen und von dort in feierlicher Prozession durch die Stadt geführt wurde, wie z.B. am Tage des Osiris-Festes, zeigte sich der Gott in seiner epiphanen Gestalt. Das ortsfeste Kultbild und die Barke symbolisieren somit die enge Verbindung zwischen Alltagskult und Festkult, vgl. A S S M A N N , Das ägyptische Prozessionsfest, 106. Damit mag eine weitere Eigentümlichkeit dieser Tempelanlage, der im südlichen Trakt liegende Raum für die Götterbarken, zusammenhängen, vgl. ARNOLD, Tempel, 170; DERS. , Wandrelief und Raumfunktion, 22. Normalerweise gehört zu dem Sanktuar des verehrten Gottes auch eines für die Götterbarke. Zur Unterbrechung der jährlichen Festlichkeiten durch die Amarnaepisode vgl. A S S M A N N , aaO. 117f. 67 Das tägliche Ritual vereint in sich sowohl ältere, in Heliopolis tradierte Anschauungen über die allmorgendliche Reinigung des Sonnengottes und dessen Repräsentierung durch den König als auch Osiris-Traditionen. In diesen geht es um die morgendliche Wiederbelebung 64
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sich aus Texten aus Abydos und Karnak rekonstruieren.68 Die einzelnen Handlungselemente des Rituals sind ikonographisch am umfassendsten bezeugt auf den Wänden von fünf der sechs Sanktuare für die beiden Göttertriaden im Tempel Sethos I. in Abydos. 69 Als ausführender Priester erscheint auf den Reliefs der König selbst, was wohl nur für die großen Feste zutrifft (sonst ist es ein Priester in der Rolle des Horus repräsentierenden Königs). Beischriften geben die Worte wieder, die im Verlauf der Handlungen zu sprechen sind. Das Ritual gliedert sich insgesamt in dreiunddreißig einzelne Handlungen, die exemplarisch die angestrebte Routine verdeutlichen.70 Die Riten der Entkleidung und Einkleidung behandeln im abydenischen Bildprogramm und im Amun-Papyrus die Reliefszenen 15.17.19.21 mit den im Anschluß an die Abbildungen zitierten Sprüchen.71 Sie lauten:
des Osiris durch den den Gott Horus darstellenden König. Die älteren Vorstellungen sind solar konnotiert. Schon im Alten Reich ist das ״Morgenhaus" (ägypt. pr.dw3t) als Ankleideraum des Königspalastes bezeugt. Zur selben Zeit vor Sonnenaufgang, da die Reinigung des Sonnengottes vorgestellt wurde, unterzog sich der König konkreten Reinigungs- und Bekleidungsriten im „Morgenhaus". In späterer Zeit, als die meisten Götter mit dem Sonnengott identifiziert wurden, gelangte das „Morgenhaus" auch in deren Tempel, vgl. hierzu BLACKMAN, The House of the Morning, 148.153.157.159; zum Zusammenhang der Reinigungsriten mit dem Beginn des Mundöffnungsrituals vgl. aaO. 159 und KEES, PR-DW3Tund DB3T, hier 7f.l0; sowie GRIESHAMMER, Mundöffnung(sritual), 223-224; GRAEFE, Morgenhaus, 205; vgl. auch D A V I D , Guide, 58ff; KURTH, Treffpunkt der Götter, 136-140. Nach einem Hinweis von J. A S S M A N N , Heidelberg, ist das Kultbildritual wohl im königlichen Totenkult entwickelt und von dort in die Tempelkulte übernommen worden. 68 Das tägliche Ritual kann aus drei Textquellen rekonstruiert werden, wobei die abydenisehe Fassung am schlechtesten erhalten ist, vgl. MORET, Le Rituel du Culte Divin Journalier; MARIETTE, Abydos I, pass.; Papyrus Berlin 3055 (Amun-Ritual); Papyrus Berlin 3053-+3014־ (Mut-Ritual); eine deutsche Übersetzung der Sprüche des Amun-Rituals jetzt in TU AT II, 391-405; eine Kurzfassung des Rituals findet sich ebenfalls auf der Stele des Pije (früher Pianchi), vgl. TU ATI, 557-585, hier 578f; vgl. auch BARTA, Kult, 841ff. Für die Spätzeit vgl. KURTH, Treffpunkt der Götter, 8 9 - 9 3 . 69 Das Sanktuar des Osiris bildet nur einen Durchgang zu den Osiriskammern im tieferen Tempelinnern, vgl. ARNOLD, Wandrelief und Raumfunktion, 22. Eine Zusammenstellung von Kultbildkammern mit und ohne Darstellungen des täglichen Rituals findet sich bei ARNOLD, a a O . 11 f f . 70 Neben dieser dem Alltagskult zuzuordnenden Routine nennt A S S M A N N , Prozessionsfest, 106, drei weitere Charakteristika des täglichen Rituals: Abgeschlossenheit im Tempelinnern; Ortsgebundenheit = Ruhe (und nicht Bewegung); Tausch (priesterliche Versorgung gegen Segensgüter). 71 Konkordanz der einzelnen Sprüche und Zuordnung der am besten erhaltenen Darstellungen aus dem Sanktuar der Re־Harachte bei D A V I D , Guide, 7 2 - 8 2 ; ARNOLD, Wandrelief und Raumfunktion, 2 2 ; T U A T I I , 394f; vgl. auch MORET, aaO. 1 7 8 ff („Habillage de la statue divine"). Wiedergabe der Szenen nach DAVID, aaO.
98 102
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
10״. Spruch für die Enthüllung des Antlitzes des Gottes
Bekleidungszeremonien an Götterstatuen O Amun־Re, Herr von Nesut-Tawi, empfange dieses dein Seschep-Kleid! Empfange dieses dein Nefer-Kleid! Empfange dieses dein Mar-Kleid! Empfange dieses dein Menechet-Kleid! Empfange dieses weiße Auge des Horus, das aus Nechab kommt, damit du in ihm erstrahlst, damit du durch es trefflich wirst in diesem seinem Namen »Menechet-Kleid«, damit es an dir haftet in diesem seinen Namen »Idemi-Leinen«, damit es groß ist auf dir in diesem seinen Namen »Aat-Leinen«, damit es wirkt (?) auf dir in diesem seinen Namen »Schemat-Leinen«. Ich bekleide dich mit dem Auge des Horus und der Ausstattung der Renenutet, o AmunRe, Herr von Nesut-Tawi. Nimm hin das weiße Auge des Horus vom Haus des Wassers (?), damit die Götter sich vor dir fürchten, damit die Götter sich vor ihm (dem Auge) fürchten, so wie sie sich vor dem Horns-Auge fürchteten. 51. Spruch für das Anlegen des grünen
Gewandes
D i e beiden Pforten des Himmels sind geöffnet, die beiden Pforten der Erde sind geöffnet, Geb huldigt den Göttern, die fest auf (ihrem) Thron sitzen, indem er sagt: Die beiden Pforten des Himmels sind geöffnet, die Neunheit der Götter erstrahlt. Erhoben ist Amun-Re, Herr von Nesut-Tawi, auf seinen Großen Thron. Erhoben ist die gewaltige Götterschar auf ihren Thron. Deine Schönheit wird dir zuteil, Amun-Re, Herr von Nesut-Tawi; der du nackt bist, du wirst gekleidet, Vollendeter, du wirst vollendet.
49. Spruch ßr das (Anlegen des) weißen
Gewandes
Es glänzt Uto, die Herrin von Nebit, die Treffliche, die keiner abwehrt im Himmel und auf der Erde. U t o läßt Amun-Re, den Herrn von Nesut-Tawi, ergrünen durch ihr grünes (Gewand), sie läßt ihn trefflich sein in diesem seinen Kleid, sie läßt ihn gedeihen für die, die in ihrem (der Uto) Grünen sind. Er wird jung durch es (das grüne Kleid), wie R e jung wird. O Amun-Re, Herr von Nesut-Tawi, nimm in Empfang das Auge des Horus. M ö g e für ihn (Horus) der (Gott) heil gemacht werden, der darin (im Auge = im grünen Kleid) ist.
100
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
53. Spruch beim Anlegen des Gewandes aus
Idemi-Leinen
Bekleidungszeremonien an Götterstatuen
101
Spruch 23: Anlegen des Pektorale
Szene 2 3 - P e k t o r a l e
Amun-Re, Herr von Nesut-Tawi, empfange sein Sched-Kleid aus Idemi-Leinen aus den Armen derTajit für seinen Leib. Gott schmiegt sich an den Gott, der Gott kleidet sich mit einem Gott in diesem seinem Namen »Idemi-Stoff«. Ausgewaschen ist ihr Schmutz durch Hapi, erhellt ist ihr Gesicht durch den Glanz des Gewandes. Gesponnen hat es Isis, gewebt hat es Nephthys. Sie machen den Glanz des Gewandes für Amun-Re, den Herrn von Nesut-Tawi. Gerechtfertigt ist Amun-Re, Herr von Nesut Tawi, vor seinen Feinden. Viermal (zu sprechen)." 72
״Hail to thee Atum! Hail to thee, Khepri! Thou art elevated upon the stairway, thou risest in the Benben, in the House of the Benben in Heliopolis!..
Spruch 27: Anlegen der
Doppelfeder
Die übrigen Szenen widmen sich den Herrschaftsabzeichen. Das Pektorale, die Doppelfeder, die Königsinsignien und das große Gewand (Nr. 33) sind im Amun-Papyrus nicht bezeugt, wohl aber im Abydos-Ritual:
Szene 2 7 - Doppelfeder
72
Übersetzung nach TUATII,398ff.
„The great crown is on the head of Atum, who resides in the Mansion of Menmaetre. Isis establishes it for thee upon thy head, Soker adorns it for thee, and Re glorifies it, when he makes thee triumphant over thy enemies, for Atum is more sacrosanct than gods and spirits. Thy two plumes are on thy head, having appeared upon thy forehead."
102
Spruch 28: Übergabe der Insignien
Szene 28 - Königsinsignien
״I have given thee thy Horus Eye, I have bound for thee thy bones, I have made thy limbs to grow for thee. May he give the lifespan of his body in the sky, and love of him in the hearts of the patricians to the sons of Re ..
Spruch 33: Anlegen des großen
Gewandes
„His raiment is the cloth which Tw.s-'3.s, who resides in the Mansion of Menmaetre, received. Her raiment is the idmi-c\oth from the arms of T a i t . . . the god approaches his god, that he may array the god in this his own name of idmi... Isis has woven it, Nephthys has spun it. Mayest thou make the cloth to shine on the day of (Iw.s-'3.s. May thou triumph against thy enemies." 7 3
73
Bekleidungszeremonien
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Übersetzung von DAVID , Guide, 67 ff.
an Götterstatuen
103
Aus der Zusammenschau von bildlicher Darstellung, zugehöriger Ritualhandlung und zu rezitierenden Sprüchen ergibt sich ein äußerst anschauliches Bild dieses komplexen Rituals. Die Ritualhandlungen sind grundsätzlich in Reinigungsriten und Bekleidungsriten unterteilt. Bei den an dieser Stelle allein interessierenden Bekleidungsriten können nochmals eigentliche und uneigentliche Riten unterschieden werden. Letztere bestehen im Überreichen der königlichen Insignien und im Schminken. Dieser Vorgang wird mit der Übergabe des Pektorale (siehe oben Szene 23), der Krönung mit der Doppelfeder (siehe oben Szene 27) und der Darreichung des großen Zeremonialgewandes (siehe oben Szene 33) beendet. Zu den eigentlichen Ent- und Bekleidungsriten zählen die Szenen 15.17.19.21. Innerhalb der Sprüche beherrschen zwei Vorstellungen die Aussagen: der Strahlenglanz (15.17.33) und die Identifizierung der Insignien (28) und Kleider (15.17) als Horusauge.74 Die einander abwechselnde Folge von Reinigungs- und Bekleidungsriten weist darauf hin, daß hier der Sonnengott mit den Kultbildern identifiziert und jeden Morgen gereinigt und wiederbelebt wird. Ein Schaubild vermag den Zusammenhang zu erläutern: DIESSEITS: Ritual
HIMMEL: sichtbarer Bereich
MYTHOS: Textebene
Kultbild Kleider u. Schmuck
Sonnengott Reinigung am Morgen
Akteur: Priester (König)
Akteur: Sonnengott
Osiris Horusauge = Wiederbelebung Akteur: Horns (König)
Auf der Ebene des kultisch-rituellen Geschehens im Tempel agiert der Priester als Vertreter des Königs, welcher seinerseits in der aus dem Mythos bekannten Rolle des Horus gesehen wird. Der rituellen Handlung am Kultbild des Gottes entspricht exakt das kosmische Geschehen: Die verborgene Reinigung des Sonnengottes (Spruch 10: Nacktheit des Gottes), seine Einkleidung (Spruch 49.51.53 und Szene 23.27.28.33) und sein strahlender Aufgang am himmlischen Horizont. Tempelritual und kosmischer Prozeß erscheinen zudem, durch die mythologischen Anreicherungen aus dem Osiris-Mythos, als tägliche Konkretionen der Wiederbelebung des Gottes Osiris mit Hilfe seines Sohnes Horus. So entsteht im täglichen Ritual die Vorstellung, daß der König in der aus dem Mythos vorgegebenen Rolle des Horus jeden Morgen neu den Sonnengott durch Körperpflege und Bekleidung zum Leben erweckt und dadurch auch den kosmischen Prozeß75 in Gang hält. Die allmorgendliche Bekleidung der Kultstatue läßt die Gottheit im Kult und im Kosmos ״entstehen" und epiphan werden.76 74 Als Horusauge gelten vor allem Opfer, die ״der Sohn dem Vater (mythisch Horus dem . Osiris) wiederbringt, und mit dem er ihn dadurch wiederbelebt", HELCK, Horusauge, 364. 75 Zum Terminus vgl. ASSMANN, Macat, 160ff. 76 Vgl. auch oben Exkurs 3.
102
Bekleidungszeremonien an Götterstatuen
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Dieses Konzept einer mutuellen Modellierung71, in dem im Tempelkult himmlisches und irdisches Geschehen zueinander in Beziehung treten, findet sich ebenfalls in den Texten der Spätzeit, wie sie z.B. durch das elaborierte Bild- und Inschriftenprogramm des Tempels von Edfu repräsentiert werden.78 Im Zusammenhang mit der Reinigung des Königs im Morgenhaus, die dem täglichen Ritual jeweils vorausgeht, weckt der König mit dem Morgenlied den Hauptgott von Edfu Horus-Behedeti: „Erwache friedlich. D u mögest gut und in Frieden erwachen. Erwache, HorusBehedeti, mit Leben! Die Götter sind früh auf am Morgen, "um zu verehren deinen Ba (die Sonne), den prächtigen geflügelten Skarabäus, der am Himmel aufleuchtet: denn du bist es ja, der mit der Schöpfung beginnt am (Morgen)himmel und das Land mit Goldstaub erfüllt, der auflebt im Ostgebirge, der hinabsinkt ins Westgebirge und in Edfu schläft, Tag für Tag." 79
Diese Passage ist insofern für unsere Fragestellung von besonderer Bedeutung, da sie nicht nur die trinitarische Dimension der Göttergestalt (Ba = Sonne = kosmische Gestalt/Unterweltsgestalt/Gestalt im Tempel von Edfu) deutlich hervorhebt, sondern auch das Motiv des die Morgensonne darstellenden „geflügelten Skarabäus". An anderen Stellen nennen die Edfu-Texte Horus auch den „Buntgefiederten" oder „große Flügelsonne" als Beispiel der Vereinigung der Sonnenscheibe (Re) mit dem Flügelpaar des Horus(-Falken). 80 Für das Verhältnis zwischen dem als Sonnengott vorgestellten Horus und seinen Kultbildern sind folgende zwei Texte von Interesse. Der erste Text stammt wiederum aus dem Morgenlied, jetzt aber aus dem Abschnitt mit Weckrufen für den Tempel und seine Ausstattung: „Es erwachen in Frieden deine Bilder, die in die Wände eingeschnitten wurden, und alle deine machtvollen Erscheinungsformen, wie sie auch heißen mögen: D u mögest friedlich erwachen." 81
Wie genau dieser Vorgang des Erwachens der Bilder vorzustellen ist, zeigt eine Passage aus den Texten, die an der West- und Ostseite des Sanktuars des Edfu-Tempels angebracht sind: „Es gibt einen Horizont am Himmel mit dem Horizontischen (Horus-Re) darin, es gibt einen weiteren auf Erden mit dessen Bild. Der westliche Horizont am Himmel enthält den Re, und Mesen auf Erden (Edfu) enthält den (Horus) Behedeti. Werden die Türen von Mesen geöffnet, dann leuchtet die Sonnenscheibe auf, so wie Re im Horizont e r g l ä n z t . . . .
77
Vgl. oben S. 82. Zum folgenden vgl. jetzt KURTH, Treffpunkt der Götter, pass, und zu den jeweiligen Texten. 79 Text E I , Morgenlied an Horus, KURTH, aaO. 82. 80 Vgl. aaO. 113. 81 Text G III, Z.12, KURTH, aaO. 88. 78
105
Der Himmel ist weit entfernt mit R e darin, Mesen (Edfu) ist erhaben mit seinem Bild. Es ist der Horizont in ihm (dem Himmel) verborgen, und der Große-Sitz (das Sanktuar) ist geheim im Thronsitz (dem Tempel von Edfu). Sobald Api (Horns) an den Himmel gekommen ist, an jedem Tage, um sein Abbild in seinem Sanktuar zu sehen, läßt er sich auf seiner Statue nieder; er vereinigt sich mit seinen (Relief)־ Bildnissen, und sein Herz ist zufrieden in seiner Kapelle." 8 2
Das Motiv der Vereinigung des Sonnengottes mit seinem Kultbild, indem die Lichtstrahlen der Sonne durch die geöffneten Tempeltore auf das Bild fallen, ist zentral in den Edfu-Texten.83 Vor allem das Verhältnis zwischen Himmel und Tempel bestimmt der zitierte Text in eigentümlicher Weise. Mittels der Vorstellung vom ״Horizont" und der „Verborgenheit" werden die Korrespondenz-Relationen verdeutlicht. Der himmlische Horizont als Aufstiegs- und Untergangspunkt der Sonne findet seine irdische Entsprechung im Tempel. Dies wird vor allem auch durch die beiden Pylonen als kulttopographische Darstellungen des Ost- und des Westberges am Eingangsbereich der Tempelanlage sinnfällig. Eine zweite Entsprechung betrifft die kosmische Präsenz der Sonnenscheibe am Horizont und die kultische Präsenz als Gottesbild. Die dritte Entsprechung betont die Verborgenheit des Horizonts im Himmel, welcher die Abgeschlossenheit der Kultbildkammer zugeordnet wird. Neben anderen architektonischen Merkmalen erläutern so vor allem die an den Fassaden des Sanktuars angebrachten Inschriften, daß der Tempel als irdische Entsprechung des kosmischen Himmels verstanden wird.84 In der konzeptionellen Bezogenheit der Tempelarchitektur, Kulttopographie und des Kultbildrituals auf Sonnenlauf und täglichen Sonnenaufgang wird „Gott, der Ferne,... durch den täglichen Dienst im Bild gegenwärtig gemacht. So ist er denn wirklich im Tempel anwesend, der andererseits auch als Abbild der Welt, als Himmel und Erde begriffen und dargestellt wird; speziell der Gottesschrein heißt geradezu ,Himmel' oder im Hinblick auf seine Tür ,Türflügel des Himmels4."85 Entsprechend der symbolischen Darstellungsfunktion des Tempels darf auch der Tempelkult als ein Geschehen verstanden werden, das die Welt der Götter (Himmel) und der Menschen (Natur/Gesellschaft) mittels Sprache und Ritus zusammenhält.86 „Der Kult zieht das Wirken der Götter auf die Erde herab,
82
Text A (Westseite) und B (Ostseite), KURTH, aaO. 8 1 . Zur Vereinigung des Gottes mit seinen Bildern vgl. z. B. KURTH, Treffpunkt der Götter, 67.79.81.94.123, vgl. auch aaO. 109f. 84 Vgl. KURTH, Treffpunkt der Götter, 80f; zum Tempel als Kosmos vgl. JANOWSKI, Tempel und Schöpfung, 41 ff. 85 MORENZ, Ägyptische Religion, 93. Zum Tempel als Mikrokosmos vgl. BRUNNER, Religion, 8 1 f; JANOWSKI, Tempel und Schöpfung, 39ff zu den mesopotamischen, aaO. 4 1 ff zu den ägyptischen Tempelvorstellungen; BRUNNER, Religion, 86ff; ASSMANN, Das kulturelle Gedächtnis, 182f. Vgl. auch oben Spruch Nr. 10 zum Öffnen des Schreins vor der Entkleidung des Kultbilds. 86 So in freier Wiedergabe einer Formulierung bei JANOWSKI, Tempel und Schöpfung, 83
102
107
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Bekleidungszeremonien an Götterstatuen
oder besser . . . in die dem menschlichen Handeln zugängliche Sphäre hinein."87 Die ägyptische Tempeltheologie der Spätzeit, die wir schon an anderer Stelle als Theologie der Einwohnungss gekennzeichnet hatten, basiert also auf der Grundannahme, daß mit Texten, Riten und Bildern89 die vielgestaltige Götterwelt aus der Ferne von Himmel und Unterwelt, aber auch aus Vergangenheit und Zukunft in das tägliche Leben auf der Erde hineingeholt wird. Mit der Einwohnung/Vereinigung der Götter in/mit ihren Bildern begeben sich die Götter kondeszendierend in die Welt hinein. In den kultischen Veranstaltungen, von denen hier die Rituale des Weckens, Bekleidens und Schminkens ausgewählt wurden, erhält die durch König und Priester vertretene Menschenwelt segensreichen Anteil am Wirken der Götter zum Wohle des Königs und des Landes. Gleichzeitig weisen die Rituale der Menschenwelt eigene Verantwortung für das Gelingen des kosmischen Prozesses zu, indem sie den Kult organisieren, betreiben und ihn zum Wohle der Götter und ihrer selbst nicht abreißen lassen. Nur anmerkungsweise sei darauf aufmerksam gemacht, daß die Bekleidung der Götterbilder auch unter dem Aspekt der Verhüllung gesehen werden kann. Das bekannteste Beispiel hierfür findet sich in Plutarchs Bericht über das ״verschleierte Bild zu Sais". Nach seinem Bericht handelt es sich um ein Sitzbild der mit Athena identifizierten ägyptischen Göttin Isis, das von einem Mantel (πέπλος) verhüllt wird. Es trägt die Aufschrift:
Damit erscheint auch dieser Text als freilich spätester Beleg für die zugrunde gelegte Annahme, daß die Götter, obgleich in der Welt präsent, sich nie in toto auf die Welt einlassen, sondern nur unter den (von ihnen) gesetzten Rahmenbedingungen.92
IL
Mesopotamien
Der zuletzt herausgearbeitete Zusammenhang zwischen der Bekleidung einer Kultstatue und dem gleichzeitigen Epiphanwerden des Gottes in der Welt läßt sich auch in Mesopotamien belegen; hier jedoch nicht als Ritus des täglichen Kults, sondern als exzeptionelles Geschehen anläßlich der Reparatur eines Kultbildes, der Neuschaffung eines Kultbildes zwecks Heiligtumserneue־ rung/-gründung oder im Festkult. Innerhalb dieser Verwendungszusammenhänge verdient das Ritual zur Herstellung von Götterstatuen deshalb besondere Beachtung, weil es erstens in den bereits angedeuteten Kontext Einkleidung und Epiphanie gehört, und zweitens, weil das Alte Testament verschiedentlich scharf gegen die Herstellung von Kultbildern in der Umwelt Israels polemisiert.93 Zum Verständnis dieser Polemik und damit auch zum besseren Verständnis der dort angebotenen Alternative seien im folgenden die Grundzüge dieses Rituals skizziert.94
״Ich bin alles was da war, was ist und was sein wird; kein Sterblicher hat jemals meinen Mantel gelüftet". 9 0
In diesem Ich-bin-Wort fehlt zwar der aus dem biblischen Johannes-Evangelium (Joh 14,6) vertraute Wahrheitsbegriff, doch wird dieser von Friedrich Schiller in seiner Ballade ״Das verschleierte Bild von Sais" verwendet. Unter dem Mantel verbirgt sich die ״nackte" Wahrheit (= Göttin in ihrer Hauptfunktion? 91 ), deren unbefugter und damit schuldhafter Anblick zum Tode führt. 44.38. Zu den Implikationen für alttestamentliche Texte siehe unten Kap. 3 zu Ps 93 und zu Ps 104. Auch für Ps 104 und verwandte weisheitliche Strömungen wäre somit die Frage zu stellen, ob die kompendienhafte Auflistung des Wissens über die Natur zur Gotteserkenntnis führen soll. Oder wäre nicht eher umgekehrt davon auszugehen, daß die Auflistung dieses Wissens dazu dient, Gott in die Natur hinein zu entfalten. Die Natur selbst wäre ein ״einziger großer Hymnus auf den Schöpfer", A S S M A N N , Ägypten, 248. 87 A S S M A N N , Ägypten, 59. 88 Siehe oben S. 95. 89 Diese Dreiheit entspricht zugleich den drei Darstellungsdimensionen von Religionen, wie STOLZ, Hierarchien, pass., deutlich macht. 90 PLUTARCH, De Iside, 9 , 9 - 1 1 . Vgl. auch A S S M A N N , Monotheismus, 19f. 91 Ob die Aufdeckung des Mantels klar sexuell konnotiert sei, wie GWYN-GRIFFITHS, Plutarch's De Iside, 284f, in seinem Kommentar zur Stelle vermutet, kann hier leider nicht erörtert werden. Anhand der Zuständigkeitsbereiche der Göttin Isis für Fruchtbarkeit und Mutterschaft werden wohl eher diese speziellen Züge als allgemein Sexualität gemeint sein. Vgl. hierzu und den formgeschichtlich nahestehenden Isis-Aretalogien KÖSTER, Einführung, 190-197.
92 Nach einem freundlichen Hinweis von J . A S S M A N N , Heidelberg, findet sich die Vorstellung von einem ״Lichtkleid" ebenfalls im Bereich des für Ägypten so zentralen Totenkults. Die Riten der Einbalsamierung und Mumifizierung werden hier als Einkleidung, Solarisierung und Royalisierung des Toten verstanden. Eine angemessene Darstellung und Würdigung dieses Sachverhalts würde jedoch den Rahmen unserer Untersuchung erheblich überschreiten. Als weiterführender Hinweis sei auf das Kapitel ״Kleider für das Jenseits" in HORNUNGS Studie: Die Nachtfahrt der Sonne, 137ff, aufmerksam gemacht. Zur Vorstellung, daß der verstorbene König an der mit ihrer Bildsymbolik in die Grabkammern hineingenommenen nächtlichen Verjüngung/Erneuerung der Sonne Anteil bekommt, vgl. BRUNNER, Religion, 138. 93 Vgl. Jer 10; Jes 40,19ff; 41,6f; 44,9-20; 46,5-7. Die mangelnde Berücksichtigung der mesopotamischen Texte beklagen mit Hinweis auf weiterführende Literatur DIETRICH/LORETZ, Jahwe und seine Aschera, 3 mit Anm. 7. 94 Der von DIETRICH in DIETRICH/LORETZ, Jahwe und seine Aschera, 2 5 ff, gebotene Rekonstruktionsversuch bleibt in vielem hinter der vorausgesetzten Studie von WALKER zurück, vgl. aaO. 27, der Begriff gistuppu ״Goldplättchen", vgl. AHw s.v. 294, CAD G, s. v., wird im Text überhaupt nicht erwähnt; die ebd. genannten Eide der Handwerker finden nicht am ersten Tag statt, sondern im Gegenteil beschließen sie das Ritual vor der Überführung der Statue in den Tempel; auch bleibt der Begriff ״Kultbild" in seiner dortigen Verwendung für alle möglichen Formen von Symbolen unscharf.
102
1. Herstellung und Bekleidung von Götterstatuen a) Ritualtexte Informationen über die Herstellung von Götterstatuen erhalten wir aus zwei unterschiedlichen Textgruppen. Aus historischen Inschriften einerseits, aus Ritualtexten andererseits. Der akkadische Name des Rituals mlspi ״Mundwaschung" leitet sich ab von den Unterschriften der zugehörigen Gebetsbeschwörungen, sum. inim-inim-ma xx dingir־ra ka־luh־ü־da.kam ״Beschwörung des xx für die Mundwaschung eines Gottes" bzw. inim־inim־ma su-il-la dingir־ra kaduh-ü־da-kam ״Beschwörung. Handerhebungsgebet für die Mundöffnung eines Gottes".95 Das seit dem 9. Jh. v. Chr. bekannte Ritual ist bislang in drei z.T. erheblich differierenden Rezensionen überliefert: - der Niniveh-Rezension: Zimmern, B B R 3 1 - 3 7 . 3 9 = K6324+ - der Babylon-Rezension: Smith, JRAS 1925, 3 7 - 6 0 = BM 45749 = Ebeling, TuL Nr. 26 - der Assur-Rezension: Ebeling, TuL Nr. 27 + W. 20030/3 + W. 20030/5 + W. 20030/ 98 = Mayer, OrNS 47,443 ff 9 6
Der im folgenden skizzierte zweitägige Ablauf des Rituals (1. Tag: Mundwaschung, 2. Tag: Mundöffnung und Prozession zum Tempel) folgt der NinivehRezension in der Bearbeitung von Walker. 1. Tag: An einem durch Opferschau oder Sterndeutung festgelegten günstigen Tag geht der Priester vor Sonnenaufgang ins Feld hinaus, zu einem Garten am Flußufer. Bei Sonnenaufgang grenzt er dort den künftigen Ritualplatz ab (Z. I
95
Bekleidungszeremonien
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Zur Terminologie vgl. WALKER, mls pi, 162. Dort auch zu der eingebürgerten akkadisehen Wiedergabe der Mundöffnung mit pit pi, das keine Übersetzung des sum. ka-duh darstellt. Zur allgemeinen Terminologie in diesem Kontext, zu Form und Aufbau von Gebetsbeschwörungen vgl. MAYER, UFBG, 22ff, zu ähnlichen Gebetsformen aaO. 32ff, zum Aufbau aaO. 34 ff. Die aaO. 543 zu AfO 12 genannten und ebenfalls zur Ritualserie mls pi gerechneten Gebete gehören wohl eher in den Kontext der Mundwaschung des Königs und sind hier nicht einschlägig, vgl. auch WALKER, aaO. 153ff und 157f zur Verwendung der Mundwaschung in anderen Kontexten als der Konsekrierung der Götterstatue. Zur Grobeinteilung vgl. auch die Übersicht bei JANOWSKI, Rettungsgewißheit, 69ff; DAXELMÜLLER/THOMSEN, Bildzauber, 33 ff. 96 Die zur Niniveh-Rezension gehörenden Texte (und andere) wurden 1966 in einer bislang unpublizierten Studie von WALKER bearbeitet. Eine aufgrund vermehrter Textfunde notwendige Gesamtedition wird von ihm vorbereitet. Auf die Unterschiede der einzelnen Rezensionen und auf die historische Entwicklung des Rituals kann aus Raumgründen nicht näher eingegangen werden. Auch würden solche Erwägungen über das hier angestrebte Ziel hinausführen. Vgl. statt dessen WALKER, mls pi, 23ff.l63ff, mit dem Ergebnis, daß das Ritual wohl permanent weiterentwickelt wurde. Die Ausführungen zu den unterschiedlichen Farben der verwendeten Tücher von CASSIN, Splendeur divine, 105, beziehen sich ausschließlich auf die babylonische Fassung.
an Götterstatuen
109
1 - 3 ) . Dann geht der Priester in die Stadt zurück und inspiziert die dort getroffenen Vorbereitungen (Z. 14). Er geht dann zurück aufs Feld (in denselben Garten?) und stellt Schilfrohrstangen in einem Kreis auf, sowie Schilfhütten für die Götter Ea, Šamaš und Asalluhi. Jetzt folgen zwei zu rezitierende Beschwörungen, STT 198, 9 - 2 0 und STT 198, 1 - 8 , die die Reinheit des Erdbodens und des verwendeten Schilfrohrs hervorheben.97 Nachdem weitere Schilfhütten aufgestellt sind, folgen (vermutlich in der Textlücke ab Z. I 13) weitere Beschwörungen, STT 198, 21 ff, in denen es um die Reinheit des verwendeten Schilfrohrs und die korrekte Aufstellung der Schilfrohrstangen geht. 98 Der Priester führt danach eine nicht weiter verständliche Handlung mit verschiedenen Erzen, Edelmetallen, Edelsteinen, Ölsorten sowie weißer, roter und blauer Wolle durch und rezitiert eine weitere Beschwörung (Z. I x+8), KAR 229 Rs. 3 ff, in deren Mittelpunkt die Verwendung von reinem Wasser steht.99 Danach reinigt der Priester das ganze Areal und rezitiert drei Beschwö־ rungen, Rm 225,21 ff; STT 208-209; die dritte ist nicht erhalten.100 Diese Beschwörungen nennen nun die für die Herstellung der Statue (die bislang noch nicht erwähnt wurde) verwendeten Materialien und die Götter, die sie herangebracht haben. Das Ziel dieses Abschnitts ist die Reinheit des Weihwassergefäßes.101 Nach einem Opfer und einer weiteren, nicht erhaltenen Beschwörung (Z. I x+20) 102 kehrt der Priester in die Stadt zurück, zum ״Haus des Zubehörs"103 (bīt ishi, Z. I x+22). Dort stellt er einen Opfertisch auf und inspiziert ein Flußmodell (?). 104 Im ״Haus der Handwerker" (bīt mār^ ummānī Z. I x+23) 105 , wo der ״Gott geschaffen wurde" (ila ibbanifi), soll der Priester den Boden fegen, Wasser sprengen und vor Ea, Asalluhi und das nun ״Gott" genannte Werk Räucherständer aufstellen, Bier libieren und erstmals die Riten Mundwaschung und Mundöffnung durchführen, ihn mit dem Weihwassergefäß reinigen und zu ihm sprechen (I x24-28): 97
Text STT 1 9 8 bei WALKER, aaO. 32ff. Mit ״Schilfrohrstange" wird der verwendete akk. Terminus urigallu übersetzt, vgl. WALKER, aaO. 20; WIGGERMANN, Spirits, 70ff und 71 zur Verwendung in Ritualen. 99 Vgl. WALKER, aaO. 58ff. Offenbar handelt es sich um die Herstellung des später benutzten Weihwassergefäßes agubbü, AHw 17 s. v. 100 vgi ־WALKER, aaO. 48ff; STT208-209 entsprechen Textzeuge E in RM225+, d.h. Z. 66-70. x + 1 - 7 . 98
101 Nach dem nicht vollständig erhaltenen Text Rm 225,51 ff haben der Gott Gibil verschiedene Hölzer, Ninagal Metalle (Eisen, Kupfer, Blei), Guskinbanda Edelmetalle, Ninkurra Edelsteine und Kusug verschiedene Öle gebracht. Die Beschwörung schließt mit der dreiteiligen Reinheitsformel: [״Möge] das Weihwassergefäß [lauter werden] wie der Himmel, möge das Weihwassergefäß [rein werden] wie die Erde, möge das Weihwassergefäß leuchtend werden wie die Mitte des Himmels". Zur häufigen Verwendung dieser Formel vgl. unten S . l l l Anm. 111; S. 112. 102 Nur die Stichzeile ist erhalten in Rm 225 y+3. 103 Zur Übersetzung vgl. WALKER, aaO. 20 und oben Z. 4. 104 Vgl. CAD N, 190. 105 Ist dieses Haus mit dem zuvor genannten ״Haus des Zubehörs" identisch bzw. ist hier
102 102 Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient „Von heute an wirst du vor deinem Vater Ea gehen. Laß dein Herz freundlich sein, laß dein Gemüt sich freuen. Möge Ea, dein Vater, bei deinem Entgegentreten voller Freude sein" (Z. I x + 2 9 - I I 2). 1 0 6
Der Priester soll die Proskynese vollziehen, den Gott bei der Hand nehmen . . . und vom Haus der Handwerker mit einer Fackel zum Fluß hinabgehen. Währenddessen soll er eine Beschwörung sprechen, die die erste Bewegung des Gottes begleitet, STT 199, 13-40. 1 0 7 Der Gott bzw. die hölzerne Statue wird angesprochen als eine Holzart, die aus allen möglichen Gegenden (Wald, Gebirge, Sumpf, See, Flut, Garten) und aus verschiedenen Baumarten (Feige, Maulbeerbaum etc.) hervorgegangen sei und dann von den Handwerkergöttern Ninildu, Ninzadim, Ninkurra und Guskinbanda seine konkrete Form als Götterbild erhalten habe. 108 Auch alle beteiligten Handwerker und deren Ausrüstung ziehen mit dem Gott zum Flußufer, wo Opfervorrichtungen installiert werden (Z. II 7f). Der Gott wird nun auf eine Schilfmatte gesetzt, und die (zuvor präparierten) Hütten werden aufgerichtet. Für Ea und Asalluhi werden Opfertische aufgestellt, ein Opfer wird dargebracht und weitere Riten vollzogen (Z. II 9-20). Nach einer Lücke soll eine weitere Beschwörung rezitiert werden (Z. II x+2). 1 0 9 Danach wird das Opfergerät für Ea weggeräumt. Der Priester soll den Gott erneut bei der Hand nehmen und ihn in den Garten zwischen die Schilfrohrstangen und Schilfhütten auf eine Schilfmatte setzen, seine Augen nach Osten (d. h. zum Sonnenaufgang110) richten und neben dem Gott seine Ausrüstung und die der Handwerker deponieren (Z. II x3-9). Es folgt nun der Höhepunkt des ersten Tages. Räuchergeräte werden für Anu, Enlil, Ea, Sin, Samas, Adad, Marduk, Gula, Ninsianna in Richtung Abendstern aufgestellt ..., ein Stier wird geopfert, Bier libiert und Mundwaschung und Mundöffnungvollzogen. Das Op-
das bit mumme gemeint, oder handelt es sich um drei verschiedene Werkstätten, die dem Tempel assoziiert waren? Vgl. M E N Z E L , Assyrische Tempel, 34f.287. 106 y o r dieser dreimal zu rezitierenden Bitte fügt die Variante aus Nippur - wie auch die Babylon-Rezension - eine weitere Beschwörung für die Reinheit des Priesters ein: STT 199,1-12. WALKER, aaO. 9.62ff. 107 Text bei WALKER, aaO. 62ff. 108 Die genannten Götter begegnen auch sonst in diesem Kontext, vgl. EBELING, T U L Nr. 26,104; T H U R E A U - D ANGIN, R A C C 46,29ff. 109 Zum Problem der Textrekonstruktion an dieser Stelle vgl. WALKER, aaO. 60 f. 110 Der Sonnenaufgang markiert nicht nur die „Hilfe Gottes am Morgen", sondern die Ausstellung angefertigter Geräte und Statuen vor dem aufgehenden Sonnengott dient in der Regel einer Art Belebung. So werden z.B. in der Beschwörungsserie Maqlü von den bösen Zauberern Statuen angefertigt, um an diesen real-stellvertretend das Urteil zu vollstrecken. Bevor die richterliche Funktion des Sonnengottes angesprochen wird, werden die Figuren dem aufgehenden Sonnengott ausgestellt und damit die „Belebung" der Statuen vollzogen, so daß sie als echte Repräsentanten der Zauberer gelten, vgl. A B U S C H , An Early Form of the Witchcraft Ritual Maqlü, 12f. 15.21.25; vgl. auch das Ritual zur Bespannung der Kesselpauke, T H U R E A U - D ANGIN, RAcc, 16,15 ff.
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fergerät wird weggeräumt, und nochmals werden Räuchergeräte für Mah, Kusug, Ningirim, Ninkurra, Ninagal, Guskinbanda, Ninildu, Ninzadim und den Gott in Richtung ״Götter der Nacht" aufgestellt, ein Stier geopfert und Mundwaschung und Mundöffnung durchgeführt (Z. II x+10-18). 1 1 1 Da die nächste Zeile mit ״am Morgen" (Z. II x+19) einsetzt, liegt hier der Beginn des zweiten Tages. Wann in der Nacht die zuvor genannten Riten durchgeführt wurden, ist unbekannt. 2. Tag: Am Morgen des zweiten Tages werden zwischen den Hütten drei Throne für Ea, Samas und Asalluhi aufgestellt. Sie werden zunächst mit einem roten Tuch und darüber mit einem Leinentuch bedeckt; anschließend erhalten die Götter eine Mahlzeit (Lücke von mehreren Zeilen). Nochmals wird für die großen Götter und die Handwerkergötter geräuchert, geopfert, libiert, dann für den Gott Mundwaschung und Mundöffnung vollzogen; dann wird er mit dem Weihwassergefäß gereinigt. Der Priester soll sich entfernen (Z. III 1-14). Im Beisein des masmasu-Priesters112 wird offenbar dem Gott ein Opfer dargebracht und die zweisprachige Beschwörung en u 4 dingir dim-ma ״Als ein Gott gemacht wurde" (STT 200) rezitiert,113 die nach ihrer Unterschrift als ״Handerhebungsgebet für die Mundöffnung" (STT200,82) bezeichnet ist. Aus ihr sei im folgenden nach der akkadischen Fassung zitiert: ״Beschwörung: als der Gott gemacht (banü) [und] die reine Statue vollendet (suklulu II) wurde, da wurde der Gott hell (wörtlich: herrlich wapü St) über allen Ländern. Er trägt (nasü) salummatu, ist angetan mit Herrenwürde, fürstlich, voller Stolz, 1 1 4 umgeben 1 1 5 mit melammu, die Gesichtszüge (bunnannü) sind angetan mit rasubbatu. Prächtig strahlt er auf 1 1 6 , die Statue sieht lauter aus. Im Himmel wurde er gemacht, auf der Erde wurde er gemacht. Diese Statue wurde in der Gesamtheit von Himmel und Erde gemacht (Z. 1 - 1 3 ) . . . Statue, deren Gesichtszüge {bunnannü) von Gott und Mensch sind (Z. 18) . . . Ohne Mundöffnung vermag diese Statue weder Weihrauch zu riechen, weder Speise zu essen noch Getränke zu trinken (Z. 43 f)."
111 Nach der babylonischen Rezension wird dieser zentrale Teil des Rituals von einer Beschwörung begleitet, K3511 + , 1 - 1 4 ; vgl. WALKER, aaO. 40ff. Angesprochen wird die Tamariske, aus deren Stamm „Götter gemacht werden". Die Beschwörung schließt mit der nun auf den Gott bezogenen dreiteiligen Reinigungsformel, siehe oben Anm. 101. 112 Zum masmasu bzw. äsipu vgl. RITTER, Magical-Expert (=Äsipu), 299ff. 113 Text bei WALKER, aaO. 83ff. 114 Zur Wendung vgl. auch IVR 25 III 46f und CAD E, 382 s. v. etellu. 115 Vgl. CAD S, 52 s. v. sahäru, hier zur Phraseologie unter sutashuru. 116 Vgl. CAD N!, 23f s.v. nabätu bzw. Gtn itanbutu „to gain radiance, to shine brightly" eine Aussage, die nur von Sternen (!) getroffen wird.
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Der Gott Asalluhi wendet sich nun (STT 200,45) an seinen Vater, Enki, mit der Bitte um Anweisungen, was jetzt zu tun sei. Asalluhi soll Wasser und verschiedene Ingredienzen herbeibringen und in den Pflanzungen des Gartens ein bit rimki ״Waschhaus"117 aufrichten. Dorthin und ״vor Samas" soll er dann den Gott bringen, ebenso alle Handwerker, die ihn berührt haben. Ihre Hände werden mit Bändern gebunden und die Handflächen, die den Gott berührt haben, werden mit einem Tamariskenholzmesser abgeschnitten. Dann soll Asalluhi fortgehen: ״Der weise Mann und der abriqqu-Priester von Eridu haben deinen Mund zweimal siebenmal mit Honig, Butter, Zeder und Cypresse geöffnet" (Z. 78-80). Es folgt die dreigliedrige Reinigungsformel. Von einer nach dem Haupttext K6324 anschließenden weiteren Beschwörung (Z. III x+8) ist leider nur ein Fragment bekannt, Sm 290 Obv. V—5'.118 Entsprechend der Anzahl der beteiligten Handwerkergötter sollen nun die Handwerker vortreten (Z. III x+19ff) und jeweils sagen, daß nicht sie, sondern der entsprechende Handwerkergott den neuen Gott geschaffen habe (Z. IV 1-11). Daran anschließend trägt der masmasu-Priester sieben Beschwörungen vor, wobei die ersten vier an den Gott und die letzten drei an seine Insignien Gewandy Krone und Thron gerichtet sind. 119 Diese drei Beschwörungen mit den Namen ״Prächtiges Gewand", ״Erhabene Krone" und ״Reiner Thron" können im Wortlaut leider nicht rekonstruiert werden; ihre Rezitation bezeugt aber auch die babylonische Fassung, TuL Nr. 26,56. Der Priester rezitiert nun vor der Prozession der Statue zum Tempel dreimal die Beschwörung gin-na na-an-gub-be-en ״Geh los, verweile nicht"120, um den Gott zur Bewegung zu veranlassen (Z. IV20ff). Während die Niniveh-Rezension nun nur noch über das Wegräumen der Geräte am Flußufer handelt, bietet die Babylon-Rezension weitere Einzelheiten für die Überführung der Statue in den Tempel und die Cella. Ohne dies als die Fortsetzung der Niniveh-Rezen־ sion behaupten zu wollen, sei kurz der weitere Verlauf nach jener Fassung mitgeteilt: Bis zum Tempel soll eine Beschwörung rezitiert werden, deren Thema die Reinheit des masmasu-Priesters in der unreinen Stadt, d.h. hier auf seinem
117 Zur Ritualserie bit rimki und deren Ablauf vgl. die Zusammenstellung und Übersicht bei JANOWSKI, Sühne, 4 8 ff. IIS VGL. WALKER, aaO. 77f.80. 119 I V ! 3 - 1 6 und I V 17-19. Zur Textrekonstruktion an dieser Stelle vgl. WALKER, aaO. 97ff. Die erste Beschwörung ״Wenn du losgehst" ist in STT 199+, 1 3 - 4 0 enthalten. Es ist dieselbe Beschwörung wie während der Prozession von der Werkstatt zum Flußufer, siehe oben Z. II 5. Die zweite und dritte Beschwörung ״Statue, an einem heiligen Ort geboren" und ״Statue, im Himmel geboren" (Z. IV14-15) sind vermutlich nur fragmentarisch in K2946+, WALKER, aaO. 102ff, und K3472, 11-15, aaO. 137, erhalten und betonen die himmlische Herkunft. 120
Die babylonische Variante, TuL Nr. 26,56 liest an־na . . . ״im Himmel verweile nicht".
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Gang zum Tempel ist. 121 Im Tor des Tempels werden dem Gott Opfer dargebracht, man faßt ihn bei der Hand, läßt ihn eintreten (erebu S, TuL Nr. 26,61) und rezitiert eine Beschwörung bis zur Cella (papähu) und ״läßt den Gott sich auf seinen Sitz (subtisu) setzen" (Z. 61). Es folgen nochmals eine Beschwörung, Opfer, Mundwaschung und abschließende Verrichtungen. Dieses zweitägige Ritual beschreibt die handwerklichen und rituellen Vorgänge, die zur Herstellung eines Gottesbildes nötig sind, von den Vorbereitungen bis hin zur Überführung des Gottesbildes in die Cella des Heiligtums. Ein Höhepunkt des Rituals ist die Beschwörung am zweiten Tag122. Hier werden die anthropomorphe Form des Gottesbildes (Gesichtszüge) und seine anthropomorphen Eigenschaften (Riechen, Essen, Trinken) deutlich benannt. Der Herstellungsvorgang selbst ist dabei nicht auf ein Geschehen in der Werkstatt beschränkt, sondern wird als ein Himmel und Erde umgreifendes Handeln aufgefaßt. Dem entspricht offenbar auch die Terminologie des ״Hellwerdens über allen Ländern" und des ״Aufstrahlens", denn so entstehen deutliche Assoziationen an astrale Vorgänge. Damit ist das Gottesbild nicht einfach Menschenwerk, wie es die alttestamentlichen Propheten in ihrer Kritik bezeichnen123, sondern die himmlisch-göttliche und die irdisch-menschliche Natur des Kultbildes werden differenziert betrachtet. Das Ineinandergreifen göttlichen und menschlichen Handelns bei der Herstellung von Gottesbildern bringen auch Texte aus dem Inschriftenwerk des assyrischen Königs Asarhaddon zum Ausdruck. Dem ist nun nachzugehen. b) Historische Texte An zwei Stellen innerhalb der neuassyrischen Königsinschriften begegnen Hinweise zur Prozession neugeschaffener Kultbilder: Assurbanipal, VAB VII/ 2, 268, 18ff und weitaus umfangreicher bei Asarhaddon, Borger, AsBbA 14ff und AsBbE 9 ff + AsBbH 6 ff. Der bislang gewonnene zweitägige Ablauf, an dessen Ende eine feierliche Prozession des Kultbildes zum Tempel bis in das Allerheiligste hinein steht, ist im folgenden mit dem in den Inschriften des neuassyrischen Königs Asarhaddon gegebenen Ablauf zu vergleichen. Nachdem Asarhaddon sich in einem Gebet an die Götter gewandt hatte, um deren Gunst für die Herstellung neuer Kultbilder zu erfragen, und nachdem diese - durch eine Opferschau vermittelt - einen günstigen Termin verkündet haben, fährt der königliche Bericht in Z. 27 fort. Der Wortlaut der entsprechenden Passagen sei im folgenden zitiert:
121 122 123
Vgl. aber hierzu K4813+ bei Vgl. oben S. 111. Vgl. unten S. 169.
WALKER,
aaO. 124ff.
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27 ״Auf ihr unvertauschbares Ja vertraute ich . . . betrat ich das bit mumme, die Stätte der Erneuerung, die ihr Herz wünschte. 29 Zimmerleute, Edelsteinarbeiter, Metallarbeiter und Bildhauer (?), tüchtige Künstler . . . liess ich eintreten in das Haus, das Samas und Adad durch die Opferschau bestimmt hatten, 30 und liess sie dort weilen. Die kunstvolle Krone, das Abzeichen der Herrschaft 33 meines Herrn Assur, des Königs der Götter, liess ich aus rotleuchtendem Golde und Edelsteinen herstellen und brachte sie an ihren Ort zurück. Diese Krone, bekleidet mit Glanz 34 erfüllt mit Pracht, tragend Schreckensglanz, überzogen mit Gefunkel, gefiel dem grossen Herrn Assur sehr; sein Gemüt wurde froh und sein Antlitz glänzte.124 . .־. . . . mit erhabenen Schmucksachen (sukuttu) und kostbaren Juwelen verzierte ich 37 ihren Nacken und füllte ich ihre Brust . . . 38 D i e Statuen (salmu) ihrer grossen Gottheit bildeten sie [sc. die Künstler] noch kunstvoller als vorher, machten sie weit herrlicher, machten sie furchtbar an Lebenskraft und ließ (sie) leuchten (usanbitu) wie die Sonne (kima dSamas*)... ( A s B b A Rs. 2 7 - 3 8 ) " . 1 2 5 Und weiter heißt es: ״In jenem Jahre 9 habe ich Esagila, den Palast der Götter . . . neu errichten lassen und weit grösser gemacht als vorher. 11 Bei und Beltiia, die liebenden Götter wurden gemäß ihrem Befehle in Assur ,erschaffen' (banü), 12 in Ehursaggalkurkurra rechtmäßig ,geboren' (walädu); Belet-Bäbili, Ea und Madanu wurden 13 in Assur, dem Ort wo die Götter ,geboren' werden (nabitu), ,gemacht' (epesu). Ich machte ihre Gestalt (nabnitu) vollkommen; 14 mit 50 Talenten von rotleuchtendem z/sariru, einem Erzeugnis des Arallu-Berges, Staub des Gebirges, 15 das noch nicht zu einem Werke (sipru)126 verarbeitet war, machte ich ihre Gestalt herrlich, mit erhabenen Schmucksachen und kostbaren Juwelen, 16 die für ihre Majestät besonders geeignet waren, verzierte ich ihren Nacken und füllte ich ihre Brust. 17 D a . . . sie, zogen aus Ehursaggalkurkurra [strahlend] hinaus, wie Samas über dem Land aufgeht, 18 und schlugen den Weg nach Suanna(Babel) ein, einen festlichen Weg. Von Baltil bis zum Hafen von 19 Babel wurden auf je 1/3 Doppelmeile Scheiterhaufen angezündet, und auf je eine Doppelmeile schlachtete man 20 fette Stiere. Und ich, Asarhaddon, ergriff die Hand seiner grossen Gottheit und . . . vor ihm einher. 21 In Babel, die Stadt ihres Trachtens, liess ich sie freudig einziehen. In die Baumpflanzungen, die Gärten ( gls /czn), 22 die Kanäle und die Äcker von Ekarzaginna, dem reinen Orte, traten sie ein durch die Kunst des ,Weisen', Mundwaschung, 23 Mundöffnung, Waschung und Reinigung, vor die Sterne des Himmels, Ea, Samas, Asariluhi, 24 Mah (Belet-ile), Kusu, Ninahakuddu, Ninkurra, Ninagal, Guskinbanda, Niniginangargid und Ninzadim . . . " (ÄsBbERs. 9-24).127
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günstigen Zeitpunkts und die Herstellung durch die Handwerker im bit mumme. In der anschließend geschilderten Prozession, der eventuell ein verlorenes Kultitinerar zugrunde lag, wird die babylonische Göttergesellschaft von der Tempelwerkstatt in Assur nach Babylon überführt. Der Anlaß ist wohl darin zu suchen, daß Asarhaddons Vater, Sanherib (705-681 v.Chr.), das babylonische Heiligtum Esangila zerstört und die Götter nach Assyrien verschleppt hatte 128 und der König nun einen Ersatz schaffen will. Die in AsBbE Rs. 9 - 2 4 für den einen Vorgang begegnende synonyme Terminologie ״machen"/״herstellen"/״gebären" benennt die Herstellung der Götterbilder aus je unterschiedlicher Perspektive. Während ״machen" wohl für den produktiven Vorgang als ganzen steht, meint ״herstellen" den technischen Aspekt der handwerklichen Tätigkeit. ״Gebären" transponiert diese profanen Aspekte in den mythischen Bereich der Götterwelt und läßt den neuen Gott als ״von Göttern geborenes" Wesen erscheinen. Daneben sind die Abschlußnotizen über die Herstellung der Krone, der Statuen und deren Überführung wesentlich. Hier begegnet wiederum der Hinweis auf (siehe oben zu STT 200) den Schreckens- und Lichtglanz, mit dem die Statuen nach ihrer Fertigstellung, aber noch vor der eigentlichen Konsekrierung ausgestattet waren. 129 Die Ausstattung des Kultbildes mit diesem Glanz wurde nach dem Kontext vor allem durch Edelmetalle, Edelsteine, Schmuck und Juwelen erreicht,130 wenngleich sich auch Insignien und Schmuckstücke kaum noch jemals verifizieren lassen. Dieser in concreto vorhandene Lichtglanz entstammt also nicht etwa einer astralen Dimension, sondern ist hier zunächst das fascinosum und tremendum göttlicher Anwesenheit im allgemeinen, das durch Metallapplikationen am Götterkleid gespiegelte Licht131 im besonderen. Dies führt unmittelbar zu den Vergleichen mit der Sonne. Sonnenaufgang (״Erstrahlen") und Sonnenlauf (״Überführung") verwendet dieser Text als vergleichsspendende Phänomene des sichtbaren Taghimmels. Spiegelung von Licht und das Beleuchten der Götterbilder impliziert nicht allein dieser Text, sondern kann auch aus anderen neuassyrischen Quellen erschlossen werden, deren Inhalt das sanmuru sa zimi ״Strahlenlassen des Angesichts (eines Gottes)" ist. Zum einen sind es entzündete Kultleuchten (an-zälag-mes) ״durch die ihre [sc. der Gottheiten] Tempel wie die aufgehende Sonne erstrahlen"132. Andererseits bringt der
Beide hier hintereinander gestellten Berichte beziehen sich auf die Herstellung und Überführung neuer Kultbilder. Der erste Teil behandelt die Frage des 128
Zu dieser Art des ״Godnapping" [der Terminus stammt von A. LIVINGSTONE] vgl. Söm-Fasten, 40ff; s. ferner DIETRICH/LORETZ, Jahwe und seine Aschera, 20f; MAYER, Der babylonische Feldzug, 156f. 129 Vgl. hier ebenfalls die nur fragmentarisch erhaltene Beschwörung an die Krone innerhalb des mispf-Rituals K4866 bei WALKER, aaO. 112 zu rasubbatu und melammu. 130 Siehe unten Abschnitt 2.b zur Verwendung von Schmuckapplikationen auf Götterkleidern. 131 In diesem Sinne ist es unerheblich, ob hier natürliches (Sonnen-)Licht oder künstliches Licht von Fackeln bzw. Leuchtern gemeint ist. 132 DELLER/MAYER/SOMMERFELD, Akkadische Lexikographie, 188 s. v. niphu zu ABL 216. PODELLA,
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Hvbg nicht im Original. Die Passage lautet im Originaltext: agü sü-a-tü la-bis me-lammu 34 za-in bal-tu na-si sä-lum-ma-tu hi-it-lu-up nam-ri-r[i] ma-har Assur beli rab& ma-C~)dis im-hur-ma i-tib ka-bat-ta-sü im-me-ru zi-mu-sü. 125 Nach BORGER, Inschriften, 83f. Vgl. auch die aus seleukidischer Zeit stammenden Texte aus Uruk-Warka bei MAYER, Seleukidische Rituale, 433,35 ff; 436f. BORGER, Inschriften, 88f. Die akkadischen Leitbegriffe wurden vom Verfasser zur Verdeutlichung eingefügt.
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Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
König ״Geräte zum Aufscheinenlassen" (musanmirate) in den Assurtempel und läßt dort ״das Antlitz [des Gottes Assur] aufleuchten" (A. 125 II 13'.24V 3 3 Das Leuchten des göttlichen Antlitzes und das Tragen göttlichen Lichtglanzes verstehen diese Ritualtexte somit als ein künstlich herbeigeführtes Phänomen, das als solches noch nicht astral oder solar konnotiert wäre. Erst die expliziten Vergleiche der Götterbildprozession mit dem Sonnenaufgang (״wie die Sonne aufgeht über dem Land"134) stellen über das tertium comparationis der Lichtherrlichkeit einen Zusammenhang her zwischen dem Geschehen im Tempel und dem Geschehen im Kosmos. Dieser als Tempel-Kosmos-Korrelation zu bezeichnende Vorgang ist für das Ritual zur Herstellung von Kultbildern zentral. So zeigen die Polarität von technischer Herstellung versus göttlichem Geborensein, die Polarität von Handwerksmeistern und deren Patronatsgöttern sowie die Polarität von Himmel (Tempel) und Erde den tiefen Respekt der Menschen vor dem Umgang mit dem Numinosen. Die Ritualspezialisten waren sich der differenzierten Erscheinungsformen und Existenzweisen ihrer Götter im Tempel und im Himmel sehr bewußt.135 2. Der Lichtglanz der Götterstatuen a) Schreckensglanz und Kleidungstermini Weitere Hinweise auf die konkrete Realisierung numinoser Lichtherrlichkeit gewinnen wir, wie bereits erwähnt, aus Wirtschaftstexten babylonischer Tempel(werkstätten) über die Materialien der Götterkleider. Den entscheidenden Hinweis, daß der göttliche Schreckensglanz mit der Kleidung in irgendeiner Form zusammenzubringen sei, gab A. Leo Oppenheim in einem mittlerweile korrekturbedürftigen Aufsatz, in dem er die These vertrat, daß der Schreckensglanz durch eine Art ״Maske" repräsentiert werde. 136
133
Textedition bei M E N Z E L , Assyrische Tempel, T24; vgl. auch VAN DRIEL, The Cult of Assur, 121 ff. Vgl. auch A.499+500 Rs. 18 bei MENZEL, aaO. T27. In diesen Kontext gehört ebenfalls ein von DELLER nur in Auszügen mitgeteiltes physiognomisches Omen (STT 324). Z. 21 lautet: ״wenn jemand die goldenen Gesichtszüge des Gottesbildes schnell . . . leuchtend sein läßt, wird er demnächst sterben", DELLER, Die Hausgötter, 70. 134 Vgl. AsBbE Rs. 17. 135 y o n daher erscheint auf den ersten Blick auch der כבוד יהרהals diejenige Existenzweise JHWHs, die nicht an den Tempel gebunden ist. So begegnet in Ex 40,34f und IKön 8,10ff jeweils die Herrlichkeit Gottes, um ein neues Heiligtum in Besitz zu nehmen. Da zur Heiligtumsgründung aber auch die Herstellung eines Kultbildes gehört, dessen sich die Gottheit anschließend bemächtigt, erscheinen die alttestamentlichen Aussagen über die Herrlichkeit Gottes in neuer Perspektive, d.h. die Annahme einer ortsungebundenen Existenzweise JHWHs muß keineswegs als theologische Konsequenz der Tempelzerstörung angesehen werden, siehe unten S. 124. 136 Vgl. OPPENHEIM, pul(u)h(t)u, 31-34, mit überleitenden Bemerkungen zur christlichen Heiligenikonographie; vgl. DERS., Ancient Mesopotamia, 98, und die Bemerkungen E. REI-
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Unabhängig von der Repräsentationsfrage begegnet in sumerischen und akkadischen Texten in breiter Streuung die Vorstellung, daß der Schreckensglanz mit der Krone (siehe oben) oder dem Gewand des Gottes verbunden ist. So heißt es in einem sumerischen Hymnus an den Gott Ninurta: ״Held, Kräftiger unter den Anunna, der aus dem Ekur [ausgegangen ist], Ninurta, der Herr Nunamnir hat w[ie(?!)] einen gr[os]sen Sturm dich geboren, seinen Triumph hinzustellen [dir(!?) b e f o h l e n barsud Nintu hat dir ihre alles erschaffende Hand geöffnet(?), an ihrer süssen Brust(!) dir den Mund geöffnet, dich Milch der Jugendlichkeit trinken lassen, wie (von) - — hat sie deine Gestalt stark (!?), deine(!) Gliedmassen dick gemacht, Herr, Schreckensglanz (und) Heldenhaftigkeit hat sie dir zur Umgürtung (?) gemacht." 1 3 7
Oder: ״Der Schreckensglanz seiner ( = Nannas) Kappe möge wie eine schwere Wolke des Königs ( = Rimsins) Hasser bedecken". 1 3 8
Neben dem Mondgott Nanna begegnet vor allem immer wieder die sumerische Göttin Inanna als Trägerin göttlichen Glanzes : ״Inanna, die Tochter Su'ens . . . bekleidete sich mit dem Göttergewand, warf sich das Panzerhemd (?) über, schmückte ihre Stirn mit wütendem Schreckens-me-läm, machte an ihrer reinen Kehle Karneol (als Schmuck) zurecht, tat die siebenköpfige-Waffe in Jugendlichkeit an ihren rechten (Arm)". 1 3 9
Und von der semitischen Komplementärgestalt140 Istar heißt es: 1״ Szepter des Königtums, Gesamtheit geeignet (?). 3 Er gab ihr Mannestum, 4 Grösse, Stärke; 5 Blitze funkelnden Glanzes 6 fügte er hinzu, liess sie [damit] umgeben; . . . 8 er liess sie Schreckensglanz tragen, 9furchteinflössenden Glanz und Kriegertum". 141
Daß diese Vorstellungen nicht auf die sumerische und altbabylonische Zeit beschränkt waren, zeigt die Darstellung der Göttin Istar in der neuassyrischen Zeit bei Assurbanipal (668-627 v. Chr.): der Herausgeberin der Neuauflage, aaO. 3 5 8 Anm. 2 0 ; dazu CASSIN, Splendeur divine, 9—15.20ff.65ff. 120ff. Auf den ״umhüllenden" Charakter des sum. me־läm, akk. melammu, verweist auch OBERHUBER, Prolegomena, 1 8 f . 137 RÖMER, SKIZ, 8. Weitere Beispiele bei RÖMER, Beiträge, 152. 138 UET6/1,104,36 bei RÖMER, Beiträge, 149. 139 UET6/1,13, 19ff. Es handelt sich um eine Passage der sumerischen Dichtung ״Inanna und Ebih", hier nach RÖMER, Lichterscheinungen, 69; eine franz. Übersetzung des Epos liegt jetzt vor bei BOTT£RO/KRAMER, Lorsque les dieux, 219-229, hier 221. 140 Zum Verhältnis von Inanna/Istar vgl. GRONEBERG, Hermaphroditos, 26ff; FRVMERKENSKY, In the Wake of the Goddesses, 67; WILCKE, Inanna/Istar, 74ff. 141 VS 1 0 , 2 1 4 I V 1 - 9 . Text bei GRONEBERG, Agusayahymnus, 109.113. NERS,
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„79 Istar, die in Arbela wohnt, war in Feuer gehüllt [wörtlich ״bekleidet" litbusat], und trug einen furchtbaren Glanz (melammu)".142
Diese wenigen Beispiele, die sich um weitere vermehren ließen, 143 bestätigen die Vermutung, daß göttlicher Schreckens־/Lichtglanz mit den Kleidern oder den göttlichen Insignien verbunden ist. Formulierungen, die das Bekleidetsein bzw. das Umgebensein mit Schreckensglanz ausdrücken, verweisen zudem auf den 144 erweiterten Kleidbegriff und die damit zusammenhängende Vorstellung, daß persönliche Attribute/Qualitäten die Gestalt wie eine Umhüllung umgeben. Für die Göttin Inanna/Istar hat neuerdings Bruschweiler eine eigene Untersuchung zum Vokabular der luminosen Erscheinungsformen der Göttin vorgelegt.145 Sie verweist dort auf sum. si ״Hörner (des Lichts)", unter denen sie die ״Mondsichel" versteht. In der Form der nur Göttern beigegebenen ״Hörnerkrone" sei diese Vorstellung ikonographisch transponiert worden. 146 Die einzigen Personen, die neben Göttern Kronen und Schreckensglanz tragen, sind Könige. Mit der literarischen Aussage, daß der Gestalt des Königs Schreckensglanz eigne, 147 wird nicht nur der Gewißheit Ausdruck verliehen, daß dieser König von den Göttern berufen und legitimiert ist, sondern im Krönungsritual wird der Schreckensglanz dem König übergeben. Die Zueignung abstrakter Größen (Kampf; Glanz; Aussehen) erscheint so neben der Darreichung der Parapher־ nalia (Krone; Thron; Waffen) in einem nB Text zur Erschaffung des Menschen und des Königs. Der Text schließt nach der Erschaffung des Königs mit folgenden Zeilen:
142 STRECK, VAB 7/2, 79. Die hier angesprochene Istar von Arbela wird auf einem Relief aus Til Barsip mit überkreuzten Köchern dargestellt, die eine Art Nimbus bilden, vgl. unten Abschnitt C . I . L . 143 VGL RÖMER, Beiträge, pass.; DERS., Lichterscheinungen, pass. ; C A D L, 17f s. v. labäsu\ CAD M, lOf s.v. melammu 1.
Bekleidungszeremonien 37' 38' 39' 40'
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118
״Es gaben dem König den Kampf die [großen] Götter. Anu gab ihm die Krone, Ellil ga[b ihm den Thron], Nergal gab ihm die Waffen, Ninurta g[ab ihm gleißenden Glanz], Belet-ilT gab [ihm schönes Aus]sehen." 1 4 8
Die andere Vorstellung verbindet mit der Verleihung des Schreckensglanzes eine Veränderung der äußeren Gestalt des Königs im Krönungsritual. Darüber berichtet Adadnäräri II. (911-891 v.Chr.): „5 D i e großen Götter . . . , die die Schicksale bestimmen, sie haben mich zuverlässig erschaffen (band), Adadnäräri, den aufmerksamen Prinzen [ . . . ] , 6 sie verwandelten meine Gestalt in eine Gestalt der Herrschaft, die Züge meines Gesichtes vervollkommneten sie in richtiger Weise, und den Körper meiner Herrschaft füllten sie an mit Einsicht/Verständnis. 7 Nachdem die großen Götter bestimmt hatten (das Schicksal) füllten sie den Herrscherstab, der die Menschen hütet, in meine Hand, 8 erhoben mich höher als gekrönte Könige; den Schreckensglanz des Königtums (melammu) setzten sie mir auf den Kopf 1 4 9 , 9 sie ließen meinen Namen größer sein als (die Namen) aller Herrscher " 150
Die hier relevante Passage begegnet in Z. 6 nab-ni-te a-na nab-ni-ti en-ti uste-en6-nu-ü „sie verwandelten meine Gestalt in eine Gestalt der Herrschaft"151. Der Gestaltwandel des Königs vollzieht sich durch die Inthronisation und Krönung.152 Schreckensglanz bildet somit ein für die Gott-König-Relation wesentliches Element. Der lichthafte Charakter der mit dem Schreckensglanz verbundenen Phänomene, die seine Träger wie eine Aura umhüllen, geht in vorgeschichtlicher Zeit vielleicht auf die Beobachtung astraler Phänomene zurück. In den hier vorgestellten Texten bietet sich ein voll ausgeprägter Vorstellungskomplex, dessen zentrale Charakteristik u.a. 153 darin liegt, daß Schreckensglänz und Kleidung eng aufeinander bezogen sind.
144
Vgl. oben S.41ff. BRUSCHWEILER, Inanna, Abschnitt B . ״Inventaire des termes relatifs aux manifestations lumineuses d'Inanna", 113—153. 146 Vgl. BRUSCHWEILER, Inanna, 156. Die für den Lichtglanz Inannas verwendeten Termini su־zi ״éclat aveuglant", su־lim ״lueur éblouissante et redoutable", mùs ״aspect radieux" und me־lâm ״halo lumineux" sind ausschließlich astralen Gottheiten vorbehalten. Entsprechend konnte Inannas Gemahl, der König, mit der aufscheinenden Sonne verglichen werden, vgl. aaO. 169f. OBERHUBER, Prolegomena, 20, verweist auf symbolische Bezeichnungen des Mondgottes Sin: ״Mondsicher7״Trog"/״raaÄ:Mm samsatulsamsu eru Kopfband gab Brust guhalsu/ guhassu Schal har Kette/Ring har־gü־gil Halsring hasü Goldornament hullänu Standardisiertes Leinentuch kibsu B Standardisiertes Leinentuch kirltu Goldornament als Teil von kulülu kusītu
muslptu nahlaptu nebēhu nig-lal parslgu pisannu raqqatu sanhu sūnu sibtu A 3 salhu
samsatu šamšu 4 tensü
Schmuckstücken eine Art Turban Gewand in nB Zeit nur für Götter = heth. kusiši = hurr. alali = ugar. all Standardisiertes Stück Tuch Umhang/Mantel Gürtel Granatapfel (?) Kopfbinde/Mütze Tasche dünnes Gewand/Schmuck-
C A D A!, 154 ff C A D A!, 229 f C A D E, 320f
C A D G, 124
CAD CAD CAD CAD
H, H, K, K,
145 145 339 407f
C A D K, 527ff C A D K, 585 ff Neu, Das Hurritische, 16f Anm. 43
Ribichini/Xella, LaTerminologia, 2 8 f C A D M 2 , 242 C A D N!, 138 ff CAD N2,143 f A H w 836 A H w 868 A H w 958
plättchen Ring C A D S, 146f Kleidungsbestandteil (?) C A D S, 388ff Gewand C A D S, 162f standardisiertes Leinengewand C A D Š!, 242f neben -*kibsu B. —> hullänu Sonnenscheibe 1 6 4 C A D Š!, 332ff Sonnenscheibe C A D Š!, 338 ein kleiner Metallgegenstand A H w 1347
: n n e r K e ״e a U S d e m K u n s t h a n d e l < H e r k u n f t vermutlich Dilbat 19./18. Andent^Art 31 Fig 17. ° m a m e n t e n S O W i e ^ ° l d e n e n Göttersymbolen findet sich bei PITTMAN, J h
124
Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient tunsu uskäru
Prachtgewand Mondsichel/Sichel
A H w 1370 f A H w 1438
Dem Licht- und Schreckensglanz von Göttern eignet eine doppelte Dimension, die konkrete, durch die Art der Herstellung des Kultbildes bedingte tempelkultische Form und die von der ortsfesten Statue losgelöste, frei bewegliche und allein agierende Form. 165 Diese Form des Schreckensglanzes, der Feinde niederwirft, der aber auch dem König übergeben und weggenommen werden kann, bildet quasi den Aspekt der Wirkmächtigkeit. Während die an das Kultbild gebundene Herrlichkeit den tempelkultischen Aspekt repräsentiert, eignet der mit dem Sonnenlauf verglichenen Herrlichkeit ein kosmischepiphaner Aspekt. Die Rede von der Herrlichkeit und vom Lichtglanz der Götter entspringt somit nicht von vornherein einer grundsätzlich solaren oder astralen Konnotierung der Götterwelt. Sie erweist sich vielmehr als Ausdruck der tempeltheologischen Überzeugung, wonach irdisches Kultbild und himmlische Gottessubstanz in einer engen Beziehung zueinander stehen. Innerhalb dieses Denkens kann das strahlende Kleid des Kultbildes als irdische Realisation der himmlischen Lichtherrlichkeit eines Gottes verstanden werden. Das Ent- und Bekleiden der Kultbilder ist dann aber nur der rituelle Nachvollzug göttlicher Handlungen, die in den mesopotamischen Texten leider nicht näher spezifiziert werden. Wir können also davon auszugehen, daß die Phänomene des sichtbaren Tagund Nachthimmels als kosmische Äquivalente des kultischen Geschehens im Tempel interpretierbar sind. Damit lassen sich kosmische und tempelkultische Phänomene nicht als Gegensätze bzw. im gegenseitigen Verhältnis einer Entwicklung oder Ausdifferenzierung stehend begreifen, sondern als verschiedene Wahrnehmungsformen göttlicher Präsenz. Bevor dieser Frage im Alten Testament nachgegangen werden kann, ist es notwendig, die archäologischen Quellen, d.h. ikonographische Götterdarstellungen, auszuwerten. Dies dient nicht allein der Korrelation von schriftlichen Urkunden, literarischen Texten und archäologischen Fakten, sondern entspringt der Notwendigkeit, daß möglichst alle zur Verfügung stehenden Quellen analysiert werden sollten, um eine Theorie zu erhärten oder zu falsifizieren.
anthropomorphem Gott darstellen. Die Mehrzahl der Exemplare zeigt den Istarstern (?), der die Göttin wie eine Halo, Nimbus etc. umgibt, oder eine Flügelsonne, in deren Sonnenscheibe eine anthropomorphe Gottheit eingezeichnet ist. Beide Bildthemen sind auch in Palästina bekannt und verbreitet. 166 In der Forschung werden sie jeweils als bildliche Darstellungen des göttlichen Schreckens־/Lichtglanzes interpretiert167 und/oder in die Entwicklung der alttestamentlich-palästinischen Religion der EZ II C eingeordnet. In dieser Epoche seien unter assyrischem Einfluß die himmlischen Mächte immer stärker in astraler bzw. uranisierter Form dargestellt168 und verstanden worden. Während für die Figur der Istar keinerlei Vorarbeiten zum Verständnis dieses Symbols existieren, herrscht hinsichtlich der Identifikation des Gottes in der Flügelsonne zumindest dahingehend Konsens, daß der Sonnengott Samas dargestellt sei. 169 Obwohl die frühere Forschung dazu tendierte, den Gott Assur hier symbolisiert zu sehen, wird in der gegenwärtigen Bibelwissenschaft das Bildmotiv zur Verdeutlichung dessen herangezogen, wie die feurige Erscheinung des170כבודיהרה visuell vorzustellen sei. Die Frage, was dieser etwa mit den mesopotamischen Göttern Assur oder Samas gemeinsam haben könnte, bleibt offen. Da diese Versuche immer nur an zwei oder drei Beispielen vorgenommen werden, erscheint eine Aufarbeitung eines repräsentativen Anteils des Belegmaterials, d.h. Siegelbilder und Reliefdarstellungen, schon allein aus methodischen Gründen als Desiderat. Ziel dieses Abschnittes soll demnach sein, die bis nach Palästina bekannten Bildmotive in ihrem ursprünglichen Sitz im Leben zu untersuchen und dabei vor allem auf den Kontext und die Konstellationen zu achten, in denen sie vorkommen. Neben der Frage, ob solche Bilder wirklich dazu helfen, alttestamentliche Sachverhalte besser zu verstehen, gewinnt die Einsicht immer mehr Raum, daß sich hinter dem Aufkommen dieser neuen Bildmotive religionsgeschichtliche Vorgänge verbergen, die auch auf israelitische Entwicklungen im 9. und 8. Jh. v.Chr. eingewirkt haben bzw. israelitische Entwicklungen als Teilelement gesamtlevantinischer Prozesse erweisen.171
166
Vgl. KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 327ff. Siehe oben S.28ff.34f. 168 Siehe oben S. 30 Anm. 144; vgl. oben Abb. 1 - 5 . 7 - 1 0 . 169 Siehe oben S.28 und vgl. zuletzt BLACK/GREEN, Gods, 185f; MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonne, 208. 170 Siehe oben S. 28 mit Anm. 140. 171 Im Zusammenhang der Frage nach der anthropomorphen Flügelsonne führen z.B. KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 297, aus: ״Die Korrelation der ikonographischen Sonnen- und Himmelssymbolik mit dem durch die epigraphischen Zeugnisse dokumentierten zeitgenössischen, dominant jahwistischen Kontext führt zwangsläufig zur Hypothese, daß Tendenzen der Uranisierung und Solarisierung nicht nur im Umfeld des phönizischen Bacal bzw. Ba c alsamem anzunehmen sind, sondern als Aspekte eines die levantinischen Religionen generell prägenden Prozesses auch in Israel zu verstehen sind" (Hvbg. von mir). 167
C. Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit Ausgangspunkt der Frage nach möglichen ikonographischen Realisationsformen der göttlichen Lichtherrlichkeit, die immer auch eine bestimmte Wahrnehmungsform implizieren, ist der Sachverhalt, daß in der neuassyrischen Zeit verstärkt Bildmotive auftreten, die eine Kombination aus astralem Symbol und
165 Diese hypostasierte Form des Schreckensglanzes bildet somit auch die eigentliche Parallele zum כבוד יהרה. Allerdings sind auch die Unterschiede gravierend.
125
124
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Für die alttestamentliche Fragestellung nach dem Lichtkleid JHWHs bedeutet die ikonographische und religionsvergleichende Fragestellung somit nicht eo ipso eine Unterstellung von Einflüssen und Abhängigkeiten. Vielmehr kann am Beispiel der Umwelt ein religionsgeschichtlicher Prozeß, wie z. B. die oben genannte Astralisierung einer Religion, aufgrund größeren Quellenmaterials sehr viel präziser und auch anschaulicher beschrieben werden, so daß sich für die Analyse alttestamentlicher Texte ein erweiterter Fragehorizont öffnet.
I. Istar im Strahlenkranz Seit dem 9. Jh. v.Chr. begegnet sicher datierbar172 in der neuassyrischen Glyptik eine signifikante Darstellungsform einer Gottheit, der Nimbus.173 Gemeint ist ein halb- bzw. vollkreisförmiges Gebilde, das die dargestellte Gottheit wie eine Hülle umgibt. Aufgrund der Darstellungsform der Gottheit und ihrer Attribute (Löwe, Stern174) herrscht dahingehend Konsens, daß die Göttin Istar in dieser Form dargestellt ist. 175 Bereits an dieser Stelle ist festzuhalten, daß der Nimbus exklusiv dieser Gottheit zuzurechnen ist und damit kein allgemeines und verallgemeinerbares Phänomen darstellt. 1.
Reliefdarstellungen
Bislang sind nur drei Darstellungen der Istar im Nimbus in der Reliefkunst bekannt. Das Relief der Istar von Arbela aus Til Barsip (Kat. Nr. 53), ein Lamastu-Amulett (Kat. Nr. 53a) und eventuell eine Detailfigur einer Wagendeichsel (Kat. Nr. 52). 176 Die Darstellung auf der Til-Barsip-Stele ist durch eine auf der Rückseite der Stele angebrachte Inschrift der Göttin Istar von Arbela zuzuordnen.177 Die Göttin, die in ihrer Beziehung zu den neuassyrischen Königen besondere Beliebtheit genoß und im Zentrum der neuassyri-
Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
126
sehen Prophetien steht178, steht auf einem Löwen und hält mit ihrer linken Hand das Leitseil. Sie trägt eine Federkrone, die durch einen Stern bekrönt wird. Rechts und links an Nacken bzw. Hals ansetzend sieht man die oberen Hälften der überkreuzt getragenen Köcher und Bogentasche. An dem hinter die Göttin weisenden Köcher sitzt von den Schultern bis zum Hüftbereich ein halbkreisförmiges, leicht gezacktes Gebilde. Von seiner Form her könnte es als Darstellung eines Schildes gedacht sein, 179 wie es sich auch in den Eroberungsszenen Assurnasirpals II. aus Nimrud findet. 180 Für das Relief von Til Barsip bleibt somit festzuhalten, daß hier wohl eher ein Schild der Göttin dargestellt wird. Die zweite Darstellung findet sich in einer Reihe anthropomorpher Gottesdarstellungen auf einem Lamastu-Amulett. Vermutlich ist es auch hier die Göttin Istar im Nimbus, die neben einer dreifach anthropomorphen Flügelsonne und dem anthropomorphen Mondgott in der Mondsichel dargestellt wird.181 Der dritten Darstellung auf einer Wagendeichsel sind keine weiteren Details zu entnehmen, so daß eine Auswertung hier nicht möglich ist. Die kreisförmige Darstellung des Nimbus der Göttin begegnet außerhalb der Glyptik sonst nur noch auf fünf Silbermedaillons des 9. Jh.s aus dem syrischen Sam'al.182 Hier ist die Göttin auf ihrem Attributtier, dem Löwen, dargestellt. Sie trägt einen Polos mit einem Hörnerpaar, der von einem Stern bekrönt wird. Hinter dem Oberkörper der Göttin ist ein kreisförmiges Gebilde zu erkennen, das mit acht Zacken, auf denen jeweils eine Kugel sitzt, besetzt ist. Vor der Göttin steht ein Adorant, womit diese Darstellung der Gruppe von Adorationsszenen zuzuordnen ist. Ein nach Porada mittelassyrischer Siegelabdruck (Katalognummer 54a) zeigt neben Pleiaden und Mondsichel einen Nimbus aus Zacken und Sternen, in dem eine Gottheit zu erkennen ist. 183 Dies könnte für die Herkunft der Zacken aus dem Istarstern sprechen, doch muß dies leider offen bleiben.
172
Vgl. PORADA, Corpus, 84, zu Katalognummer 76. Zum Nimbus vgl. aus der älteren Literatur COLLINET-GUERIN, La Nimbe, pass.; STEPHANI, Nimbus und Strahlenkranz, 357-500; KRÜCKE, Der Nimbus, pass.; FURLANI, L'Aureola delle divinitä assire, 234. 174 Der Stern und eine Reihe von Sternen an der Rückenlehne des Thrones können aber auch die Göttin Ninlil bezeichnen, vgl. die Darstellungen der Istar (letzte göttliche Figur) und der Gemahlin des Gottes Assur, Ninlil (zweite göttliche Figur), auf dem Maltai-Relief, vgl. BÖRKER-KLÄHN, Bildstelen, Tf. 207, und besonders BOEHMER, Felsreliefs, 4 6 - 5 0 und 54f. Ausgehend von dieser Differenzierung wäre zu überlegen, ob nicht auch die Siegel bei MOORTGAT, Rollsiegel, Nr. 654-656, die Gemahlin Assurs, Ninlil, darstellen. 175 Vgl. zu den Originalpublikationen der Katalognummern 52-124 und z.B. PORADA, Corpus, 84; MOORTGAT, Rollsiegel, 140; KEEL, Blicke, 51f; KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 332 f. 176 Katalognummer 52-53a. PRITCHARD, A N E P , 522, spricht von einem Nimbus der Göttin. 177 Zur beischriftlichen Nennung der Istar vgl. auch BÖRKER-KLÄHN, Bildstelen, Tf. 231 mit der entsprechenden Beschreibung. Nur diese Reliefstele des Samas-res-usur, das Anubanini173
Relief und die Stele aus Til Barsip identifizieren die Darstellungen inschriftlich mit der Göttin Istar. 178 V G L WEIPPERT, Prophetien, 71ff; DERS., Bildsprache, 55ff; zu Arbela M E N Z E L , Assyrische Tempel, 6 ff. 179 Vgl. MALLOWAN/DAVIES, Ivories II, pl. V . 6; MEUSZYNSKI, Rekonstruktion, Tf. I B-18 hinten am Königswagen, ebenso Tf. 2 B - l l und B-10. 180 Vgl. ORTHMANN, PKG 203a (letzte Figur, rechts); siehe auch Reliefszene B3־, Plan 5. 181 Die Götter Istar, Samas, Sin, Anu und Enlil sind auch auf anderen Lamastu-Amuletten durch ihre Symbole dargestellt und werden auch in den Ritualtexten häufiger genannt, vgl. WIGGERMANN, Lamastu, 111. 182 Katalognummer 54. !83 VGL PORADA, Corpus, 84.
124
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
2. Siegeldarstellungen a) Konstellationen Die Siegelbilddarstellungen der Istar im Nimbus unterteilen sich zunächst in zwei Hauptgruppen. Die erste Gruppe stellt nur die isolierte Figur dar; sie begegnet beinahe ausschließlich auf Stempelsiegeln.184 Eine zweite Gruppe stellt Figurenkonstellationen dar.185 Für die Untersuchung der Konstellationen ist nur diese von Interesse, während für eine Untersuchung der Nimbusformen das gesamte Belegmaterial relevant ist. Anhand der begegnenden Bildkonstellationen, d.h. im besonderen anhand der Frage, mit welchen Personen in welchen Zusammenhängen die Istar vorkommt, können mehrere Grundtypen unterschieden werden. Zu einem einfachen Adorationstyp, wie ihn das oben genannte Silbermedaillon vertritt, und der einen Verehrer unmittelbar vor der Göttin zeigt, gehören siebzehn Darstellungen.186 Zwischen Verehrer und Göttin tritt allenfalls das Marduksymbol oder ein Stern.187 Als astrale Symbole begegnen in den freien Bildräumen Mondsichel + Pleiaden, Mondsichel 4 ־Istarstern, Pleiaden + von Skorpionmenschen gestützte Flügelsonne + Mondsichel, Flügelsonne + Istarstern bzw. eine Kombination: durch Skorpionmensch gestützte Flügelsonne + Istarstern + Pleiaden + Mondsichel + Blitzbündel + Stierkopf.188 Die Breite der astralen Symbole und ihre freie Kombinierbarkeit erlauben keine Differenzierung hinsichtlich eines Tages- oder Nachtaspektes. Ein erweiterter Adorationstyp zeigt die Istar im Nimbus entweder mit zwei Adoranten oder mit einem Adoranten und einem zweiten Gott. 189 Sie begegnet viermal in der Mitte zwischen zwei von rechts und links an sie herantretenden Verehrern bzw. Genien oder Mischwesen mit Eimer. 190 Dreimal begegnet
184
Katalognummer 104a.b-124. Katalognummer 54—103. 186 Katalognummer 5 4 - 7 0 ; Tf.Ia. 187 Vgl. Katalognummer 58.64. Nr. 63 treten mehrere Personen an die Istar heran. Zwei die Siegelhöhe ausfüllende Personen begleiten in ihrer Mitte zwei um ein Drittel kleinere Figuren. Es stellt sich die Frage, ob hier eventuell Motive verwendet werden, die wie Affen, Zwerge, Gaukler, Musiker und kezertu-Darstellungen aus dem Umfeld der Göttin Istar stammen, vgl. BLOCHER, Untersuchungen, 231 f. Auch WIGGERMANN, Staff, 28ff, verweist auf den Zusammenhang zwischen der Göttin Istar und der in der Glyptik vorkommenden ״nackten Frau". Im Unterschied zu BLOCHER, ebd., der die ״nackte Frau" als kezertum deutet, möchte WIGGERMANN, ebd., eine figürliche Darstellung von bastu ״Lebenskraft"/״Dignity" erkennen. Schon aufgrund dieser Verweise auf den Istar-Ritual-Kreis erscheint eine Deutung der Figuren, wie auch der schon im frühen 2. Jt. bezeugten Affen, als reine „Füllsel" oder „Füllmotive" (vgl. D U N H A M , The Monkey in the Middle, 245ff) kaum zutreffend. 185
188
189
K a t a l o g n u m m e r 69; vgl. auch HROUDA, G ö t t e r s y m b o l e u n d - a t t r i b u t e , 494.
Katalognummer 7 1 - 8 0 ; Tf. Ib. Katalognummer 71-74.78. Nr. 71 (s. auch die vorige Anm.) trägt die Figur im Nimbus einen Bart und könnte demnach ein Mann sein; ein Bart ist ebenfalls in Nr. 106a angedeutet. Handelt es sich um männliche Götter im Nimbus oder um Darstellungen der Halsketten der 190
Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
128
sie hinter einem zweiten Gott, dem ein Verehrer gegenübersteht, zweimal hinter einem Verehrer, der im Adorationsgestus vor einem weiteren Gott dargestellt ist. 191 Die Kombination astraler Symbole läßt auch hier keine zeitlichen Dimensionen erkennen, wobei die gemeinsame Darstellung von astralem Symbol und symbolisierter Gottheit eine deutliche Aspektdifferenz signalisiert.192 Als weitere distinkte Gruppe von Darstellungen gelten Szenen, die zwischen Verehrer und Göttin einen Opfertisch oder ein kultisches Symbol plazieren und deshalb als kultisch-ritueller Typ anzusprechen sind.193 Hier begegnet ganz singulär eine sitzende Darstellung der Göttin (Nr. 81). Sie gehört zu insgesamt sechs Exemplaren, die zwischen Göttin und Verehrer einen Opfertisch darstellen. 194 Eine Art Vase oder Gefäß auf diesem Tisch findet sich zweimal. 195 Dagegen stellen neun Bilder zwischen Göttin und Verehrer einen Räucherständer dar, auf dem ein Feuer brennt.196 In dieser Teilgruppe begegnen als astrale Symbole nur der Istarstern und die Mondsichel, was Uehlinger zu der Annahme führt, ״daß wir es mit einer Macht zu tun haben, die sich bevorzugt in der Nacht (bzw. am Übergang von Tag und Nacht als Morgen- und Abendstern) in astraler Gestalt zu erkennen gibt; das Räuchern unterstreicht den uranischen Charakter der Gottheit."197 Der für diese neun Siegel charakteristische Räucherständer begegnet allerdings auch außerhalb dieser Gruppe, davon einmal vor dem anthropomorphen Wettergott. 198 Räuchern gehört überdies in der neuassyrischen Zeit zu den täglichen Dienstleistungen, die der Priester allen Göttern darzubringen hat. 199 Aus diesen Gründen wird man die Teilgruppe eher in den Bereich der kultischen Verehrung und Versorgung der Gottheit einordnen; alles andere wäre spekulativ.
Istar? Zu diesen früher als Bart der Istar interpretierten Bilddetails vgl. COLBOW, Die kriegerische Istar, 91. 191 Katalognummer 7 5 - 7 7 und 7 9 - 8 0 . 192 Vgl. dazu unten S. 161 f. 193 Katalognummern 81-100; Tf.Ic. 194 Katalognummer 81-86. 195 Katalognummer 87-88. Drei Siegel dieser Hauptgruppe bilden eine Mondsichel über dem Tisch/Altar so ab, als ob eine statische Verbindung zwischen Mondsichel und Tisch bestünde, vgl. Katalognummer 98-100. 196 Katalognummer 89-97. Wohl auch gehören Nr. 9 7 a - c hierher. 197 KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 3 3 4 . 198 Vgl. z. B. COLLON, First Impressions, Nr. 810.811.813. 199 Vgl. M E N Z E L , Assyrische Tempel, 153. Eine flüchtige Durchsicht der Lemmata qatäru/ qutrinu zeigt darüber hinaus, daß Räuchern zur kultischen Reinigung, zur Parfümierung, zur Verbrennung und zu Divinationszwecken stattfand, vgl. CAD Q, 323ff. 166ff. Ein Bezug zu speziellen Zeremonien, die während der Nacht stattfanden, wie etwa zum Maqlü-Ritual, das während einer Nacht und dem folgenden Morgen im Monat Abu stattfand (vgl. A B U S C H , Maqlü, 346-351), läßt sich der Darstellung des Siegels nicht entnehmen; vgl. auch P O R A D A , Corpus, 81.
124
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Schließlich bilden drei Siegel eine nicht weiter zu systematisierende Gruppe. Hier steht die Göttin hinter einem Bogenschützen, der mit dem (Anzu ähnlichen?) Vogel kämpft. Ein anderes Mal steht sie hinter einem vierflügeligen Genius, der mit einem geflügelten Stier kämpft. 200 Für die Frage nach dem zweiten hier zu behandelnden Motiv, dem ״Gott in der Flügelsonne", sei darauf hingewiesen, daß drei Darstellungen eine Motivkombination bieten. 201 In den zwei Beispielen der Glyptik handelt es sich um den erweiterten Adorationstyp: Verehrer vor zwei Gottheiten. Die Position der Gottheit wechselt. Einmal steht die Istar vor einer Mondsichel (auf Ständer) und einer personifizierten Flügelsonne. Das andere Mal steht sie hinter einem stilisierten Sakralbaum, über dem - von zwei Stiermenschen gestützt - die anthropomorphe Flügelsonne schwebt. Die folgende Tabelle zeigt eine eindeutige Verteilung der möglichen Konstellationen, die in ihren drei Gruppen ausgesprochen signifikant ist. Neben den meisten Darstellungen des Adorationstyps mit 54,9% begegnet in nennenswertem Umfang nur noch der Bereich kultischer Verehrung mit 39,22%.
b)
Adoration:
Kult:
Sonstige:
54,90%
39,22%
5,88%
Nimbusformen
Nachdem die begegnenden Konstellationen erfaßt sind, stellt sich die Frage nach der Form, Herkunft und Bedeutung des für das Motiv so charakteristischen Nimbus. Insgesamt konnten aufgrund der Abbildungsqualität und des Erhaltungszustandes der Stücke siebenundsechzig Exemplare untersucht werden. Die hier zu unterscheidenden großen Hauptgruppen variieren zunächst die Form der Scheibe, die die kreisförmige Struktur des Nimbus darstellt: es sind entweder einfache bzw. doppelte Kreislinien oder ein Kugelring. Daß diese Unterscheidung nicht etwa auf die unterschiedliche Fertigungstechnik zurückzuführen ist, belegen zwei Beispiele, die mit dem Kugelbohrer hergestellt sind. 202 Innerhalb dieser zwei Hauptgruppen sind sechs bzw. fünf Nimbusformen zu unterscheiden (s. Seite 131). Die für die einzelnen Nimbusse konstitutiven Elemente sind demnach in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit: 200 201 202
Keulen (44) Zacken (16) Strahlen (13) Sterne (4) Früchte (3).
Katalognummer 101-103. Nr. 103 läßt sich nicht näher beschreiben. Katalognummern 27-28.53a. Katalognummer 69.70. Vgl. auchTf. lila.
130
Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
Gruppe I. Kreisring
4״
a)
A
^
b)
c)
d)
e)
f)
Gruppe II. Kugelring
(ע a)
b)
c)
d)
e)
Den Ausgangspunkt der vorliegenden Charakteristik bildet die typische Darstellung eines Schaftes, an dessen äußerem Ende eine Kugel sitzt, so daß sich ein Vergleich mit den seit dem 3. Jahrtausend als Waffen der Istar bekannten Keulen aufdrängt.203 Daneben erscheint das bereits oben erwähnte Zakkenband, welches einerseits Affinität zu den Zacken des Istarsterns aufweist, andererseits aber auch in einer Darstellung der anthropomorphen Flügelsonne (vgl. Abb. 1, oben S. 27) zur Andeutung von Strahlen begegnet. 204 Als Strahlen werden etwas breitere Einschnitte bezeichnet.205 Diese Einschnitte oder Einritzungen begegnen zwar häufig in der Gruppe des ״linear style", doch zeigen auch hier zwei Beispiele, daß Keulen und Strahlen innerhalb einer Stilgruppe deutlich differenziert wurden.206 Demgegenüber werden als Sterne nur deren deutlich erkennbare und ausgearbeitete Formen bezeichnet.207 Daß auch hier bei den mit dem Kugelbohrer hergestellten Siegeln differenziert wurde, zeigt besonders schön das plastisch gearbeitete Siegel Nr. 69. Hier wird der Nimbus durch Zacken gebildet, die alternierend mit einem Keulenkopf und einem Stern bekrönt werden. Zu den ״Früchten" werden jene blütenkelchoder fruchtförmigen Elemente gerechnet, die insgesamt nur dreimal den äußeren Nimbus bilden. Es handelt sich vermutlich um Granatäpfel.208 Eine Tabelle 203 VGL. grundsätzlich BARRELET, Les Déesses armées, 222ff, bes. 227Fie.2; 229 Fig 5· hier Tf. IIa. 204 Vgl. hierzu auch PORADA, Corpus, 81. 205 Vgl. besonders die Katalognummern 88 ff ; Tf. IIb. 206 Vgl. Katalognummern 91.92 mit 98. 207 Tf. IIc. 208 Katalognummer: 62.73.75; auch am Sakralbaum vgl. z. B. Katalognummer: 1.2.10.
124
132
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
vermag die Häufigkeit der einzelnen Motive auch graphisch zu veranschaulichen:
den, sollen sie ausführlich innerhalb des Reliefprogramms dieses Palastes diskutiert und vorgestellt werden.
Keulen
Zacken
Strahlen
Sterne
Granatäpfel
54,32%
20,99%
16,05%
4,94%
3,70%
1. Reliefkunst und Wandmalerei a) Bröken Obelisk und Wandgemälde aus Assur
Die Tabelle macht besonders in diesem Fall deutlich, daß das Keulenelement mit 54,32% mehr als die Hälfte aller konstitutiven Elemente ausmacht. Weniger als die Hälfte davon, nur 20,99%, beträgt die Anzahl der mit Zacken gebildeten Formen. Strahlen mit 16,05% schließlich bilden immer noch gut das Dreifache der mit 4,94% überraschend geringen Anzahl von Sternen. Die Verteilung zeigt damit eine eindeutige Präferenz des Keulenelements, d. h. der Waffen. Der lichthafte Aspekt, sofern dieser Strahlen (und Zacken) zugeordnet werden darf, und der astrale Aspekt sind zudem deutlich differenziert. Dies erlaubt den Schluß, daß hier verschiedene Aspekte der Göttin Istar ikonographisch dargestellt werden. Ihre Eigenschaften umgeben ihren Körper wie eine Hülle.209 IL Anthropomorphe
Flügelsonne
Neben dem Waffen- und Lichtnimbus, den die Göttin Istar bisweilen trägt, gilt vor allem der Gott in der Flügelsonne als die ikonographische Realisierung der göttlichen Lichtherrlichkeit und wird verschiedentlich mit hebr. כבודidentifiziert.210 Die Frage, ob der in dieser Art dargestellte Gott den Stadt- und Staatsgott211 Assur, den personifizierten Sonnengott Samas oder eine sonnenhafte Hypostase des irdischen Königs darstellt, sei vorläufig zurückgestellt.212 Das Objekt wird darum im folgenden deskriptiv anthropomorphe Flügelsonne, abgekürzt ״AFs", genannt. Das Material verteilt sich im wesentlichen auf die beiden großen Gruppen von Bildträgern, die Stempel- bzw. Rollsiegel einerseits und die Reliefkunst/Malerei andererseits. Da sämtliche Objekte der zweiten Gruppe nicht nur eindeutig datierbar sind, sondern im Fundkontext des Nordwestpalastes von Nimrud weitestgehend auch in situ213 aufgefunden wur-
209 Zur ikonographischen Darstellbarkeit solcher ״Eigenschaften" vgl. unten Abschnitt D. Wichtige Hinweise aber schon bei KEEL, Blicke, 51 f. 210 Vgl. oben zur Forschungsgeschichte S. 26ff; einschlägig sind hier die Katalognummern 1 - 3 8 . Da die Reliefs ausführlich hier behandelt werden, wurden sie nicht in den Katalog aufgenommen. 211 Zur Charakteristik und Entwicklung dieses Gottes vgl. LAMBERT, The God Assur, 82ff; zur Symbolik vgl. U N G E R , Die Symbole des Gottes Assur, 463ff; neuerdings MOORTGATCORRENS, Zum Siegel der assyrischen Königin Rimeni, 260ff, die an eine enge Verbindung zwischen Assur und Baum denkt. 212 Vgl. zuletzt MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonne, 200ff, mit Hinweisen auf die zahlreichen Arbeiten von CALMEYER zum Thema. 213 Zur Fundsituation vgl. MEUSZYNSKI, Rekonstruktion, 17.
Die älteste Darstellung einer AFs im assyrischen Raum findet sich auf dem sog. Bröken Obelisk, der dem neuassyrischen König Assur-bel-kala (1073 bis 1056 v. Chr.) zugeschrieben wird. Vom Himmel herab ragen aus einer Sonnenscheibe mit Federkranz zwei Hände dem König entgegen. Die rechte Hand ist wie zum Gruß geöffnet und ausgestreckt, die andere hält Pfeil und Bogen. Neben dieser halbanthropomorphen Darstellung der Flügelsonne finden sich die Göttersymbole des Assur (Hörnerkappe), des Sin (Mondsichel), der Istarstern und das Blitzbündel des Gottes Adad. 214 Gleichzeitig besitzen wir mit dieser bildlichen Darstellung das früheste Exemplar der ikonographischen Annalistik Assyriens.215 Das zweite Exemplar der AFs datiert in die Zeit Tukultl-Ninurtas II. (890-884 v.Chr.) und ist Teil eines Wandgemäldes aus Assur. Es zeigt einen mit gespanntem Bogen am Himmel zwischen dicken Regenwolken agierenden Gott. Sein Oberkörper zeigt rechts und links am Rücken ansetzend Flügel, sein Unterkörper ist als Vogelschwanz dargestellt. Hinter dieser kriegerischen Figur ist die Sonnenscheibe zu sehen, die nach außen durch vier konzentrische feine Linien und darauf sitzenden kleinen Flammenzungen abgeschlossen wird. In den Freiräumen, die nicht von der Person verdeckt werden, sieht man deutlich die Strahlen der Sonne, wie sie auch sonst für Darstellungen von Sonnensymbolen bekannt sind.216 In der unteren Hälfte der Malerei, die leider zerstört ist, läßt sich noch der Kopf, vermutlich eines Reiters, erkennen.
214 Vgl. MAYER-OPIFICIUS, aaO. 2 0 0 ; sowie zu den Göttersymbolen SEIDL, Göttersymbole und -attribute, 485ff; vgl. oben S. 27 Abb. 2 (links). 215 Der Begriff der ikonographischen Annalistik ist nicht ganz eindeutig, da schon die Geierstele Bildgeschehen und historische Ereignisse auf der Textebene zueinander in Beziehung setzt. Für die Entwicklung der assyrischen Reliefs ist aber von Bedeutung, daß im Laufe der Jahrhunderte regelrechte Bildfriese entstehen wie z.B. auf dem ״Weißen Obelisken" Assurnasirpals I., dem ״Schwarzen Obelisken" Salamanassars III. und vor allem auch im Reliefprogramm Assurnasirpals I I . in Nimrud. Vgl. MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonne, 199; MOORTGAT, Die Kunst I I , 86f. Die nächsten Exemplare dieser bildlichen Annalistik sind der Weiße Obelisk Assurnasirpals I. (1049-1031 v.Chr.) und das den Höhepunkt bildende Reliefprogramm Assurnasirpals II. (883-859 v. Chr.) in dessen Nordwestpalast in Nimrud. 216 Zur Deutung der Darstellung vgl. auch KEEL, A O B P S , 196ff; vgl. die sonst in den Zwickeln der in Mesopotamien ursprünglicheren Sonnenscheibe sitzenden Strahlen bei SEIDL, Kudurru-Reliefs, z. B . 56 Abb. 19; 58 Abb. 21; vgl. oben S . 27 Abb. 1.
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Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
b) Nordwestpalast Assurnasirpals IL
inNimrud
Alle bisher bekannten Reliefdarstellungen der AFs finden sich innerhalb des Nordwestpalastes Assurnasirpals II. in Nimrud (Kalhu). Sie bilden Teilelemente eines Bildprogramms, das als ikonographische Annalistik oder als „narrative art"217 anzusprechen ist. In dieser ikonographischen Annalistik geht es nicht um den narrativen Aspekt der Reliefszenen und ihren Bezug zu geschichtlichen Ereignissen oder um die fiktive Abfolge einzelner Episoden als Geschichte, sondern ihr Ziel ist, die Rolle und Funktion des Königs darzustellen und seine besondere Beziehung zu der anthropomorphen Flügelsonne. Assurnasirpal II. gilt als einer der aktivsten Könige der neuassyrischen Epoche. Als Bauherr widmete er sich primär seiner Hauptstadt Kalhu, der er eine neue Blüte verschafft und wo er (zwischen 863 und 859 v. Chr.?) einen neuen Palast, den Nordwestpalast, errichtet 218 , das „erste imperiale Architekturdenkmal in Assyrien" 219 . Als Kriegsherr unternimmt er in seiner frühen Regierungszeit beinahe jedes Jahr einen Feldzug, dringt als erster der neuassyrischen Könige weit in das Gebiet der syrischen Kleinfürstentümer und Stadtstaaten ein und macht diese zu Vasallen und tributpflichtig. 220 Alle hier interessierenden Reliefs gehören zur Innenausstattung des Thronsaales (Raum B) des Nordwestpalastes, der überaus reichlich mit Wandmalereien, Laibungsfiguren und Reliefplatten ausgestattet war (vgl. die Faltkarte). Wie die Abbildung auf Plan 1 erkennen läßt 2 2 1 , handelt es sich um einen Breitraum auf der OstWest-Achse. Er mißt 45,5 auf 10,5 m und war nach Osten orientiert, wenn man das vor der östlichen Schmalseite gefundene Podest als Orientierungskriterium verwendet. Aus der Dicke der Wände kann auf eine Raumhöhe von ca. 6 - 8 m geschlossen werden. Zwei Wände weisen Nischen auf: die Ostwand hinter dem Podest und die Südwand gegenüber Eingang „e". Der niedrige Sockel diente aller Wahrscheinlichkeit nach als Podest für den Königsthron. Raum B besitzt vier Eingänge. Ein schmaler Eingang „b" im Osten der Südwand verbindet Raum B mit dem parallel im Süden vorgelagerten Raum F. Nach Norden ist Raum B ein großer Hof vorgelagert, von dem
217 Vgl. oben Anm.215 sowie die ausführliche und umfangreiche Arbeit von WINTER, Royal Rhetoric, bes. 2 - 6 ; zur Weiterentwicklung dieses Stils vgl. GERARDI, Epigraphs, bes. lff. 218 Vgl. die historische Einleitung GRAYSON, RIMA 2, 189f, sowie die entsprechende Passage in der Inschrift A.0.101.1 III 132bff und der sog. Standard-Inschrift A.0.101.23. 219 D O N N E R , Geschichte, 295. 220 VGL D O N N E R , Geschichte, 262, besonders zu der expansiven Politik seines Sohnes und Nachfolgers Salmanassars III.; vgl. auch die Einleitung bei GRAYSON, ARI § 529ff; zu den religiösen Bauprojekten in Kalhu, Niniveh und Imgur Enlil (Balawat) vgl. M E N Z E L , Assyrische Tempel 1,91f.92ff.114; LACKENBACHER, Le Roi Batisseur, 53ff; vgl. ferner LAMBERT, The Reigns of Assurnasirpal II and Shalmaneser III, 107f. Von diesem König sind ebenfalls die meisten Inschriften aller neuassyrischen Könige überliefert, vgl. GRAYSON, RIMA 2, 189-393:138 Inschriften und 7 Fragmente oder kleinere Inschriften. 221 Zur Konzeption und Anlage der neuassyrischen Königspaläste vgl. schon MOORTGAT, Die Kunst II, 92-108; die folgenden Beschreibungen nach WINTER, Royal Rhetoric, 2ff; zur Dekoration vgl. auch LACKENBACHER, Le Palais, 109ff.
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drei Eingänge in den Thronsaal führen: ein Ost- (״c") und ein Westeingang („d") und der Haupteingang „e" in der Mitte der Nordfassade. Weniger als Eingänge sind die beiden Korridore zu bezeichnen, die Raum B im Westen mit Raum C verbinden und den Blick auf die westliche Rückwand von Raum C freigeben. 2 2 2 Sämtliche Eingänge und Korridore (vgl. die Faltkarte) werden von überlebensgroßen, menschengesichtigen Stier- und Löwenfiguren (aladlammü) flankiert, die ihrerseits von großen, bis zu 2,7 m hohen Orthostatenreliefs umrahmt werden und deren Bildmotivik von geflügelten Genien und bisweilen dem Sakralbaum 223 beherrscht ist. D i e Innenwände von Raum B, die Nordfassade von Raum B und die mit Raum F gemeinsame Südwand waren umlaufend mit Reliefplatten ausgestattet. Jede Reliefplatte enthielt in ihrer Mitte ein Exemplar der sogenannten Standardinschrift Assurnasirpals II. In den annalistischen Darstellungen fungiert die Standardinschrift zugleich als Trennzone zwischen einem oberen und unteren Register. D i e Reliefs, die an der Nord-, West- und Ostwand von Raum B angebracht waren, konnten vollständig rekonstruiert werden. 2 2 4 Von der Südwand (Raum B innen) und der Nordfassade (dieselbe Wand in der Sicht von Hof D ) ist nahezu das meiste verloren oder zerstört. Raum C und F sind wieder besser erhalten. Für die Darstellung an dieser Stelle wurden diese beiden Räume nur insoweit berücksichtigt, als der Dekor der Eingänge und Übergänge zu Raum B mit der Ikonographie des Thronsaales thematisch eine Einheit bildet bzw. Raum B und Raum C optisch auf einer A c h s e liegen (Plan 1 + 2 ) . Augenfällig an der Gestaltung von Raum B ist zunächst, daß in allen vier Ecken des Raumes der Baumstamm eines stilisierten Sakralbaumes figuriert, dessen Zweige auf die beiden anstoßenden Wände übergehen. Dieses symmetrische Prinzip 225 erweist sich insgesamt für die Gestaltung des Raumes und seiner Ikonographie 226 als beherrschend.
Das Motiv der AFs begegnet zunächst als die Bildfläche ausfüllendes Motiv auf den zwei großen Reliefplatten (B-13, B-23, Plan 3), die in den Nischen der Ost- und Westwand angebracht waren und deren Darstellung ca. ein Drittel der Fläche höher lag als die der übrigen in zwei Register unterteilten Reliefs (Plan 4). Unmittelbar gegenüber des Eingangs „e" zeigt Relief B-13 einen stilisierten 222 Zur Einbeziehung der Rückwand von Raum C in das Gestaltungsprinzip des Raumes B siehe unten. 223 Zur mehr deskriptiven Bezeichnung des häufig auch „Lebensbaum" genannten stilisierten Baumes, an dem sakrale Handlungen vorgenommen werden, vgl. MAGEN, Königsdarstellungen, 78ff; vgl. auch METZGER, Zeder, 197ff, zum alttestamentlichen Zusammenhang von „Baum" und königlichen Konnotationen; zu diesem Bereich vgl. vor allem GENGE, Lebensbaum, 321 ff. 224 Vgl. MEUSZYNSKI, Rekonstruktion, 6ff.l7ff. 225 VGL WINTER, Royal Rhetoric, 1 0 . 3 2 ; A L B E N D A , Symmetry in the art of the Assyrian Empire, 2 9 7 f f ; vgl. jetzt auch CZICHON, Gestaltungsprinzipien, 174ff u.ö. 226 Ikonographie und Ikonologie werden hier nicht unterschieden; vgl. aber PANOFSKY, Ikonographie und Ikonologie, bes. die Übersicht 5 0 ; siehe auch BIALOSTOCKI, Skizze einer Geschichte der beabsichtigten und der interpretierenden Ikonographie, 47f. Zur Symbolik der Bilder und dem kommunikativen Handlungsrahmen zwischen dem Künstler und dem Betrachter von Kunstwerken vgl. auch BOURDIEU, Zur Soziologie der symbolischen Formen, 159ff („Elemente zu einer soziologischen Theorie der Kunstwahrnehmung").
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Sakralbaum, über dem die AFs schwebt. Rechts und links des Baumes steht, den Baumstamm wiederum als Symmetrieachse nutzend, eine Königsfigur im Gestus des ״ausgestreckten Fingers" (ubäna taräsu), hinter dem König jeweils ein geflügelter Genius mit Pinienzapfen und Eimer. 227 Der Gott in der Sonnenscheibe ist ähnlich einem wohl urartäischen Exemplar228 auf einem Rollsiegel und ähnlich dem Wandgemälde aus Assur deutlich vor der Scheibe schwebend vorgestellt; die Flügel gehen jedoch nicht vom Oberkörper der Person, sondern vom Kreisbogen der Sonnenscheibe aus. Der Gott, dessen Unterkörper ein Vogelschwanz ist, wendet sich nach links. Seine rechte Hand ist grüßend erhoben, in der linken hält er einen abgesenkten Bogen.
lichkeit auf, denn die an der Symmetrieachse des Baumes gespiegelten Königsfiguren sind nicht identisch. Sie unterscheiden sich sowohl in der Haltung der Arme und des Zepters als auch in ihrer Kleidung und in der Gestaltung der Halsketten und Diademe, die sie tragen.233 Relief B-13 wird um nochmals zwei weitere Könige in den anschließenden Reliefs B-14 und B-12 erweitert (Plan 3). Eine ähnliche Darstellung von zwei unterschiedlichen Königsfiguren neben dem Sakralbaum, über dem die AFs schwebt, bietet auch das Siegel des Musezib-Ninurta (Katalognummer 1). Das beschriftete Siegel nennt den Eigentümer und seinen Vater und Großvater.234 B. Brentjes deutet nun in Analogie zu diesem Siegel auch die Königsfiguren des Thronsaales in Nimrud als königliche Ahnen Assurnasirpals II. ״die die Rechtmäßigkeit des Monarchen als legitimen Herrscher demonstrieren."235 Mit dieser ansprechenden Deutung tritt Assurnasirpal II. selbst im Relief nicht figürlich in Erscheinung, sondern das Kernstück der Reliefs, Sakralbaum und AFs, ist ״auf Assurnasirpal selbst zu beziehen".236 Baum und Flügelsonne bildeten so eine ״Ikone". 237 Angesichts dieser weitergehenden Deutung stellt sich aber die Frage, ob der König selbst in diesen beiden zentralen Reliefs dargestellt sein muß, wenn doch Relief B-23 hinter dem Podest mit dem Königsthron abgebildet war? Dem Betrachter bietet sich dann ein zweiachsiges Bild:
Ähnlich der architektonischen Funktion des Knick-Achs-Tempels 229 verlangt der nach links weisende Gestus des Gottes von demjenigen, der von Hof D aus den Raum betritt, eine Linkswendung um 90°, um dem König, dessen Thron an der östlichen Schmalseite gestanden hat, gegenüberzutreten. Hinter und über dem Königsthron war in der Nische der Ostwand das zweite große Relief (B-23) mit einer Darstellung der AFs angebracht. Es zeigt dieselbe Darstellung wie B-13, jedoch mit dem gravierenden Unterschied, daß sich der Gott nun nach rechts wendet und in seiner linken Hand nicht den Bogen, sondern den als göttliches Herrschaftssymbol auch sonst gut bekannten Ring 2 3 0 hält (Plan 3).
Die Reliefs B-13 und B-23 bilden damit den hermeneutischen Schlüssel, die ״organizing pivot-points"231 des Thronsaales. Vom Königsthron aus fällt der Blick nach Westen den Thronsaal entlang und durch die beiden Korridore im Westen von Raum B auf die Rückwand des angrenzenden Raumes C. Die Reliefs dieser Wand (Plan 2) zeigen ebenfalls in voller Reliefhöhe die Figur des Königs. Er steht und setzt seinen Bogen auf den Erdboden.232 Die großen Reliefs B-13 und B-23 weisen aber noch eine weitere Eigentüm227
Es handelt sich hier um die klassische Darstellung der sakralen Reinigung des Baumes zum Zwecke seines Wachstums und seiner Fruchtbarkeit, vgl. M A G E N , Königsdarstellungen, 79; vgl. auch BLACK/GREEN, Gods, 46.86f.170f; NEVLING-PORTER, SacredTrees, 129ff. Vogelköpfige Genien in demselben Gestus sind in Raum B am Eingang a ohne Herrscher oder Baum dargestellt. Die Mehrzahl der Darstellungen des Gestus sind aber auf den stilisierten Baum bezogen. Diese enge Beziehung zwischen dem Baum als Symbol der Fruchtbarkeit und der Person des Königs als dem Erhalter und Erneuerer des Lebens betont auch MOORTGAT, Die Kunst II, 102f. 228 VGL MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonne, 219 Nr. 20, die das Stück mittelsyrisch datiert; vgl. aber CALMEYER/SEIDL, Siegesdarstellung, Fig. 1 - 3 und 113. 229
Vgl. schon oben S. 84, sowie die gute Übersicht bei MAZAR, Temples, 169ff. Vgl. u. a. BLACK/GREEN, Gods, 156; DOUGLAS VAN B U R E N , Symbols, 155ff. 231 WINTER, Royal Rhetoric, 1 0 . Die im folgenden wiedergegebene Aufteilung in Sequenzen ebd. 230
232 Die Art und Weise, wie der Bogen aufgestellt wird - mit vom Körper abgewandter Sehne - , könnte als symbolische Herrschaftsausübung über diejenigen Personen verstanden werden, denen die Sehne des Bogens zugewandt wird, vgl. WILKINSON, The Representation of the Bow, 84f. Nach dem Hinweis von WINTER, Royal Rhetoric, 10.32 mit Anm. 3, haben die drei Reliefs C - 6 - 8 dieselben Maße wie diejenigen von Raum G - 2 - 4 . Diese nun zeigen den König auf einem Hocker sitzend, nach links blickend und mit einer Trinkschale in seiner
Es symbolisiert in der Vertikalen den Zusammenhang von himmlischer, irdischer und politischer Herrschaft und in der Horizontalen den Zusammenhang von Fruchtbarkeit und durch die Ahnen gestifteter Kontinuität und Legitimität. Diese Herrschaftsikone, die die Königsideologie symbolisiert, wird durch die weiteren Reliefs um Szenen der Herrschaftsausübung ergänzt und konkretisiert. erhobenen rechten Hand. Vor dem König steht eine Person mit einer Schale und einem Wedel, hinter ihm eine Person mit Wedel, Bogen und Köcher, hinter dieser eine weitere Person mit Zepter, Bogen und Köcher. Das ganze wird rechts und links von zwei geflügelten Genien mit Pinienzapfen und Eimer umrahmt. 233 BRENTJES hat diesen Differenzen einen längeren Aufsatz ״Selbstverherrlichung oder Legitimitätsanspruch?" gewidmet, auf den für weitere Einzelheiten hier verwiesen sei. Genauso differenziert sind die Könige auf der Wandverkleidung aus Fort Salmanassar dargestellt, s. unten Abschnitt c). 234 "Seal (of) Mushezib-Ninurta, sangü-priest, son of Ninurta-eresh, ditto, son of Samanuha-shar-ilani, ditto", COLLON, First Impressions, 7 7 N o . 3 4 1 . 235 BRENTJES, Selbstverherrlichung, 5 5 . 236
BRENTJES, a a O . 5 9 .
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Ebd.
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Lediglich durch B-13 unterbrochen, zeigen die Reliefs der Südwand in zwei Registern Episoden aus der Regierungstätigkeit des Königs. Es handelt sich um Szenen der Jagd und die Eroberung von Städten. Innerhalb dieser Szenen, die im eigentlichen Sinne als ״narrative art" anzusprechen sind, findet sich das Motiv der AFs insgesamt viermal 238 , in B-3, B-5, B-7 und B - l l (Plan 4 und 5). Dies ist nun zu erläutern. Die Komposition der Szenen ist nicht einheitlich. Weder gehören die umlaufenden Einzelszenen zu einem historischen Ereignis noch lassen sich in allen Registern die Motive der oberen Register denen der unteren zuordnen (im folgenden obere Register = a; untere Register = b). Ins Auge fällt jedoch sofort, daß die Szenen sowohl Aktionen in ihrem Verlauf, also Sequenzen, bilden, als auch einteilig und nicht sequentiell geschaffen wurden. Im einen Fall dient dies der Unterstreichung der Dramatik und Dynamik, im anderen Fall strebt die Szene nach ruhiger Betrachtung und vermittelt ein Ende der Aktionen. Bei allen sequentiell dargestellten Aktivitäten verläuft die Ereignisrichtung immer nach Westen, d.h. weg vom thronenden König. Auf der Südwand wird die Szenenabfolge durch den Eingang ״b" und das westlich angrenzende große Relief B-13 unterbrochen, allerdings so, daß die östlich und westlich angebrachten narrativen Kompositionen nicht in ihrer sequentiellen Folge gestört werden. D i e östliche Gruppe umfaßt die Reliefs B - 1 7 - 2 0 , die westliche B3 - 1 1 und die wenigen Fragmente der westlichen Nordwand B - 2 7 - 2 8 . Unmittelbar nach dem die Süd-Ost-Ecke bildenden Sakralbaum bilden 20a/b und 19a/b zwei einzelne Jagdszenen, wobei das Verhältnis zwischen oberem und unterem Register als Aktion und Resultat zu beschreiben wäre, insofern die Jagd im oberen, der König als Sieger über das am Boden liegende Tier (in B-20 ein Stier, in B-19 ein Löwe) im unteren Register im Bild festgehalten wird. Ähnlich stellen 18a und 17a jeweils den Angriff auf eine befestigte Stadt dar, während 18b und 17b eine Sequenz bilden, in deren Zentrum der König und sein Feldherr 4 ־assyrische Soldaten sich gegenüberstehen und rechts hinter den beiden zentralen Figuren Gefangene zu sehen sind, über deren Köpfen offenbar Beutestücke dargestellt werden. Das Thema von B - 1 8 - 1 7 lautet demnach Eroberung mit Gefangenen und Beute. D i e westliche Szenengruppe wird zunächst durch eine Vierersequenz lla-9a gebildet, die den Kriegszug des Königs, bestehend aus vier Kriegswagen und berittenen Soldaten, darstellt. Das Ende des Zuges (IIa) bildet der Königswagen, davor Wagen mit aufgepflanzten Standarten oder Feldzeichen 2 3 9 (10a), davor die Reiter (9a) und an der Spitze des Zuges ein weiterer Wagen (8a). Über dem gespannten Bogen des Königs schwebt die AFs, deren Gottheit bis ins Detail hinein (vgl. die Handhaltung) die Aktion des Bogenschießens mitmacht. A n derselben Position begegnet an der Spitze des Zuges (8a) ein fliegender (Aas)Geier. 2 4 0 Im unteren Register bilden llb-9b wiederum eine Sequenz, die die drei Phasen einer Flußüberquerung darstellt: Able-
238 Nicht aus dem Thronsaal, sondern aus Raum P stammt eine Gewandapplikation eines Genius, deren Umzeichnung bei CANBY, Decorated Garments, Fig. 3, publiziert ist. Sie zeigt eine Begegnungsszene zweier Repräsentanten, u.a. den König. Zwischen beiden Personen schwebt die AFs, links oben erkennt man die Symbole des Gottes Sin und der Göttin Istar. 239 Vgl. zu den Standarten unten S. 148ff. 240 Diesen Vogel nimmt PERING, Die geflügelte Scheibe, 287ff, zum Anlaß einer weitgreifenden Theorie, derzufolge AFs und Vogel austauschbar seien und auf einen alten Adlergott zurückgingen, der mit dem Gott Ninurta zu verbinden sei. Vgl. hierzu weiter unten zu 3.
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gen vom Ufer (IIb), auf dem Fluß (10b), Ankunft am gegenüberliegenden U f e r (9b). Es folgt im unteren Register nun ganz undramatisch eine Dreiersequenz (8b6־b). Im Zentrum stehen wiederum der König und sein Feldherr (7b), links hinter dem König drei Kriegswagen (8b/7b), rechts hinter der zweiten zentralen Figur wiederum eine Gruppe Gefangener (6b). D i e zentrale Szene zeigt den König, wie er in der linken Hand einen Bogen waagerecht, mit der entspannten Sehne nach oben hält, und in der rechten erhobenen Hand ein Bündel Pfeile. 2 4 1 Zwischen beiden Personen schwebt die AFs, ohne Waffe und in der Richtung des Königs nach rechts blickend mit grußartig erhobener rechter Hand. In den darüber liegenden Registern bilden 7a5־a eine Dreiersequenz, wobei 7a eine Lagerszene 2 4 2 darstellt, auf die sich - nun ereignet sich die Aktion von West nach Ost - in den Szenen 5a6־a der siegreich zurückkehrende königliche Zug zubewegt. Auch hier folgt der Königswagen dem Wagen mit den zwei Standarten. Im Königswagen sieht man auf der linken Seite den König, die rechte Hand ist grüßend erhoben, mit der linken hält er seinen Bogen waagerecht aus dem Wagen, die Sehne zeigt entspannt zum Boden. Wiederum schwebt die AFs vor dem König in der Luft. Der dargestellte Gott ist im Gestus dem König genau nachempfunden. Handhaltung und die Art, den Bogen zu halten, sind identisch. Die letzten beiden Szenengruppen bilden nochmals zwei Sequenzen von Belagerungsszenen. Die erste Sequenz in 3a-4a zeigt einen Kriegszug, der sich auf eine befestigte Stadt zubewegt. Hier ist jedoch der Königswagen an der Spitze, und der Wagen mit den Standarten folgt. Wie bei den sonstigen Kriegszugdarstellungen des Thronsaales fliegt auch hier hinter dem Standartenwagen ein Geier und vor dem König schwebt nochmals die AFs, in Gestus und Darstellung exakt dem bogenschießenden König entsprechend. D i e unteren Register 5b-3b zeigen links den eine Stadt angreifenden König, in der Mitte die Stadt und ihre Verteidiger und rechts den Feldherrn/Kronprinzen der Assyrer mit seinen Gefolgsleuten. Auch in diesen Szenen begegnet der Geier über dem bogenschießenden König, aber auch - und zwar zweimal - über dem Kriegswagen der von rechts kommenden Personen (der Kronprinz?, B3b). Die Fragmente der Nordwand B - 2 7 - 2 8 scheinen ebenfalls Szenen aus Kriegszügen abzubilden.
Die Szenen stellen somit zentrale Bereiche aus dem politischen Leben des Königs dar. Sie zeigen den König im Jagdzeremoniell, bei der Flußüberquerung, als Angreifer von Städten, als siegreichen Rückkehrer in sein Lager und
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In den übrigen Darstellungen hält der König seinen Bogen entweder gespannt, stellt ihn senkrecht auf den Boden, oder er hält ihn waagerecht abgesenkt, wobei die Sehne nach unten zeigt, vgl. B5־a und die Darstellung des ״Bröken Obelisk" oben S. 27 Abb. 2 (links). 242 Das Lager ist deutlich zweigeteilt. In dem als rundes Camp dargestellten linken Bereich werden vier Szenen untergebracht, deren Darstellungen mit der Zubereitung von Nahrung und (unten links) mit einer Eingeweideschau zu tun haben, vgl. R E A D E , Assyrian Sculpture, 29f; vgl. auch STARR, SAA 4 , xxvi, fig. 3 . Zur Eingeweideschau s. jetzt die Beiträge von LORETZ und MAYER in dem Sammelband: JANOWSKI/KOCH/WILHELM (Hrsg.), Religionsgeschichtliche Beziehungen. Vor dem Camp steht das königliche Zelt, mit einem Baldachin überdeckt, auf den den Eingang bildenden Trägerstangen sitzt jeweils eine gehörnte Ziege/ Stier/Steinbock(?), neben dem Zelt befinden sich fressende Pferde. Vor dem Zelt sind allerlei Aktivitäten dargestellt, u.a. zwei Priester in einem Löwenkostüm.
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als Herrn über Tributäre und Vasallen.243 Die beiden großen Reliefs sind in der Darstellung der Reinigung des Sakralbaumes eher der kultischen und priesterlichen Funktion des Königs zuzuordnen.244 Die AFs begegnet ebenfalls in kultischem Kontext über dem Sakralbaum schwebend und in Analogie zum König in folgenden Kontexten: Angriff auf eine Stadt, Abschluß der kriegerischen Auseinandersetzung und innerhalb der siegreichen Rückkehr. Damit sind die drei Hauptphasen des Krieges und ihre zentralen Handlungen zureichend umschrieben. Es erscheint nicht rein zufällig, daß die AFs im Jagdritual und in der Flußüberquerung, also weniger zentralen Tätigkeiten, nicht begegnet. 245 Im Reliefprogramm des Thronsaales Assurnasirpals II. beherrscht nicht nur eine sakralarchitektonische Symmetrie den Raum und läßt ihn somit als in sich geschlossene Einheit erscheinen, sondern zugleich werden die zentralsten Funktionen des Königs im Frieden und im Krieg als Priester und Kriegsherr ikonographisch hervorgehoben.246 Den hermeneutischen Schlüssel der Darstellung bildet, wie bereits oben bemerkt, die symbiotische, vollständige Äquivalenz zwischen dem König und dem Gott der AFs als komplementärer Aktionseinheit. Dieses Bild großköniglicher, imperialer Innenarchitektur wird komplettiert durch die Darstellungen neben den Eingängen in Raum F und auf der Nordfassade des Hofes D. Während Raum F nahezu vollständig vom Bildthema ״Flügelgenius und Sakralbaum" beherrscht wird, zeigen die Übergänge von Raum E und dem Hof D ausländische Völkerschaften, welche ihre Abgaben zum König bringen. Die ikonographische Strukturierung des Thronsaales und seiner Eingangsfront spiegelt somit die Innen- und Außenperspektive der Königspolitik wieder. Im Innern agiert der König als Priester und Kriegsherr gegen die umliegenden Völker; auf der Außenfassade des Thronsaales erscheinen die Tributäre und Vasallen mit ihren Abgaben. Narrativikonographisch wird hier ein zentrales Element neuassyrischer Königsideologie kompositorisch entfaltet und für jeden Besucher des Thronsaales, der ״reception suite", optisch vermittelt und visuell auf das Zentrum dieser Ideologie, den König und seinen Gott, geleitet.
der sogenannte ״schwarze Obelisk", der in fünf Registern pro Schauseite u.a. die Themen ״Huldigung vor dem Herrscher" und ״Tributbringer" im Bild festhält. Darunter befindet sich im 2. Register auch die Darstellung des israelitischen Königs Jehu. 247 Ebenso zählen das Bronzetor aus Balawat (Imgur Enlil) und die Dekoration des Thronsockelpodestes aus dem Thronsaal T von Fort Salmanassar zu den hervorragendsten Zeugnissen ikonographischer Annalistik.248 Aus Fort Salmanassar stammt ebenfalls eine Wandverkleidung aus glasierten Ziegeln, die vermutlich über dem Eingang zum Raum T3 ־angebracht war (vgl. Abb. 12, S. 143). Die Darstellung mißt 4,07m in der Höhe und 2,91m Breite an der Basis. 249 Die zentrale Darstellung ist stark heraldisch geprägt und durch fünf Zonen, jeweils durch Doppellinien voneinander getrennt, überwölbt. Sie zeigen von innen nach außen: umlaufende Sterne, Flechtband, Rosetten, alternierend Granatäpfel und Knospen, alternierend Palmetten und Ziegenböcke. In der oberen Hälfte ist ein stilisierter Sakralbaum zu sehen, dessen innere Fruchtreihe durch alternierende Palmetten und Knospen, die äußere durch alternierende Palmetten und Granatäpfel gebildet wird. Der Sakralbaum wird von einer Palmette bekrönt. An ihm richten sich beidseitig zwei gehörnte Stiere auf. Darunter findet sich eine kurze Inschrift Salmanassars III. In der unteren Darstellung erscheinen zwei unterschiedliche Königsfiguren im Gestus des ״ausgestreckten Fingers" (ubäna taräsu).250 In der Mitte zwischen beiden Figuren schwebt die AFs, wie sie bereits von den Reliefs Assurnasirpals II. bekannt ist. Der Gott hat einen menschlichen Oberkörper und ab den Hüften einen Vogelschwanz. Er ist vor der Flügelsonne dargestellt, deren Strahlen deutlich in den von der Figur nicht verdeckten Freiräumen der Sonnenscheibe zu sehen sind. Er blickt nach rechts und hat die rechte Hand grüßend erhoben, in der linken hält er den Ring als Herrschaftssymbol. Dies ist das einzige Exemplar einer AFs der sog. Großkunst aus der Regierungszeit Salmanassars III. Vielleicht waren weitere Exemplare in der Dekoration seines Thronsaales vorhanden. In den Darstellungen auf den Bronzetüren von Balawat und auf dem Thronsockelpodest begegnet die AFs dagegen nicht. Auch die Nachfolger Salmanassars III. verwenden das Motiv der AFs in den
c) Fort Salmanassar in Nimrud Assurnasirpals II. Sohn und Nachfolger Salmanassar III. (858-824 v. Chr.) bleibt der annalistischen Tradition seines Vorgängers treu. Von ihm stammt
247
Abbildungen in HROUDA, Der Alte Orient, 134f; alle vier Seiten in PRITCHARD, ANEP, zur historischen Situation aus israelitischer Perspektive vgl. DONNER, Geschichte, 280, aber auch schon Ahab v. Israel findet in der Monolithinschrift Salmanassars III. (Kol. II, 7 9 - 1 0 2 ) als Teilnehmer an einer antiassyrischen Koalition Erwähnung, vgl. aaO. 2 6 2 f. 248 Abbildungen des Bronzetores bei H R O U D A , aaO. 1 3 2 - 1 3 3 ; die Reliefdarstellung auf der Frontseite des Thronsockels, aaO. 131 oben. 249 Rekonstruktion und Umzeichnung bei R E A D E , A Glazed-Brick Panel from Nimrud, 3 8 - 4 7 und pl. I X ; eine Farbphotographie der rekonstruierten Verkleidung bei H R O U D A , aaO. 349; bemalt war ebenfalls ein erst vor kurzer Zeit entdecktes Orthostatenrelief Salmanassars III., das in symmetrischer Verdoppelung geflügelte Genien am Sakralbaum zeigt, aaO. 351-354;
243 Astrale Symbole (Flügelsonne und Istarstern) finden sich auch auf dem ״Schwarzen Obelisken" in der ersten Unterwerfungsszene über dem demütigen Vasallen zwischen König und Feldherr, vgl. BÖRKER-KLÄHN, Bildstelen, Tf. 152 AI. 244 Zur priesterlichen Funktion der neuassyrischen Könige vgl. MAGEN, Königsdarstellungen, 65 ff; M E N Z E L , Assyrische Tempel, 130ff. 245 Dies muß jedoch angesichts der fehlenden Darstellungen der Nordwand hypothetisch bleiben. 246
Vgl. GENGE, Lebensbaum, 327.
232-233. 250
Vgl. auch hierzu BRENTJES, Selbstverherrlichung, 62f.
124
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
uns erhaltenen Reliefs nicht mehr. Damit erscheint in der Tat ein Höhepunkt und zugleich auch das Ende einer religiös-mythologischen Darstellungsform erreicht zu sein, die anders als die rein annalistisch orientierten Darstellungsformen der späteren neuassyrischen Könige religiöse und imperialistisch-kriegerische Motive miteinander kombinierten. Die Ursache für diesen signifikanten Wechsel im ausgehenden 9. Jh. v.Chr., der genauer als ikonographische Säkularisierung zu beschreiben wäre, mag vielleicht mit dem Verlust ״kognitiver Kompetenz"251 bei den stets internationaler bzw. multikultureller werdenden Audienzen und ihrer Teilnehmer zusammenhängen. Die Rezeption historischer und annalistischer Darstellungen erfordert kein ״religiöses Vorwissen" und ist demnach weniger elitär.252 2.
Siegeldarstellungen
Die AFs begegnet erstmals auf einem mittelsyrischen Rollsiegel aus dem Louvre und datiert in das 13. Jh. v. Chr.253 Dargestellt ist ein stehender Gott, dessen Oberkörper so vor der geflügelten Sonnenscheibe plaziert ist, daß der obere Bogen der Sonnenscheibe und die Kopfbedeckung des Gottes bündig sind. Es entsteht der Eindruck, daß der Oberkörper in der Scheibe ruht, während der mit einem Rock bekleidete Unterkörper den Schwanz der Flügelsonne bildet. Zwei knieende Atlanten stützen die AFs etwa im Hüftbereich. Die Szene wird gerahmt durch zwei Göttinnen, die wassersprudelnde Gefäße halten. In der Interpretation von R. Mayer-Opificius handelt es sich hier um den frühesten Beleg für eine Bedeutungsverschiebung des Flügelsonnensymbols. Diente dieses seit der Mitanni-Glyptik als Himmelsdarstellung, so findet sich hier das erste Zeugnis für die ״Erscheinung des Sonnengottes am Himmel".254 Dieser Sonnengott begegnet innerhalb der neuassyrischen Glyptik in drei signifikanten Konstellationen: als einfache AFs 255 , als dreifach anthropomorphe Flügelsonne256, d.h. mit der Darstellung von drei aus ihr herauswachsenRoyal Rhetoric, 2 9 : ״cognitive competence". Zum Zusammenhang vgl. WINTER, Royal Rhetoric, 29f. ״Insgesamt möchte man aufgrund der veränderten Motive späterer assyrischer Großkunst mit dem Ende der Regierungszeit Assurnasirpals II. das ,mythologische Zeitalter' ebenfalls als beendet ansehen. In der Hofkunst macht sich mehr und mehr eine ,Säkularisierung' bemerkbar", MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonne, 200. In diesen Zusammenhang ordnet WINTER, ebd., auch die im 8. Jh.v. Chr. erfolgte Verdrängung des Akkadischen durch die Aramäische Sprache als lingua franca ein; vgl. jedoch eher skeptisch SPIECKERMANN, Juda, 231 f. 253 MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonne, Abb. 12 und 194f. 254 AaO. 195, im Original gesperrt. 255 Katalognummer 1 - 2 1 ; Tf. Illb. 256 Katalognummer 29-35.35d.36c.37-38; Tf. Illc.IVa. Vielleicht wäre auch in diesem Falle zu erwägen, die Figuren rechts und links neben der zentralen Sonnengottheit als (verstorbene) Könige zu verstehen, die gemeinsam mit dem Sonnengott die politische Herrschaft legitimieren, vgl. oben S. 137mit Anm. 233. 251 Y G ! WINTER, 252
12 Fort Salmanassar
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Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
den Büsten, und neben anderen personifizierten astralen Symbolen.257 Die achämenidische Gruppe I bilden 14 Exemplare.258 Innerhalb dieser Grobeinteilung begegnet zunächst das bereits bekannte Motiv der Reinigungsszene am Sakralbaum.259 Ohne Reinigungskontext begegnet die AFs über einem Opfertisch bzw. einem Sakralbaum in einer einfachen Adorationsszene.260 Neben isolierten Einzeldarstellungen261 bildet die interessanteste Gruppe eine Reihe von Siegeln, die szenische Darstellungen und anthropomorphe Himmelserscheinungen beinhalten. Die szenischen Darstellungen bilden Nr. 18.34,17. Das erste Siegel zeigt rechts unten einen Bogenschützen, der auf einen geflügelten Stier anlegt, der sich einem Sakralbaum nähert. Über dem Stier schwebt die AFs, dem Bogenschützen zugewandt. Das zweite Siegel zeigt in der linken Bildhälfte - stark ägyptisierend - eine Flügelsonne mit drei Göttern über einem Falken auf einer Lotusblüte, die von zwei Genien flankiert wird. In der rechten Bildhälfte typisch assyrischen Stils - bändigt ein vierflügeliger Genius zwei sich aufbäumende Flügeldrachen. Die aramäische Inschrift und der ägyptisierende Stil deuten auf westliche (syrische?) Herkunft.262 Das dritte Siegel (Fälschung?) zeigt einen thronenden Gott, vor den ein Verehrer tritt. Hinter dem Gott steht eine weitere Figur mit einer Art Lanze; hinter dem Verehrer ist ein knieender Held dargestellt, der einen Stier hochhebt. Zwischen Verehrer und Thronendem schwebt die dem Verehrer zugewandte AFs. So bildet die von der AFs beschirmte Begegnung der beiden Personen das Zentrum des Bildes. Die letzte hier anzuschließende Gruppe bilden Siegel, die die AFs neben Gottheiten in einem Strahlennimbus darstellen. Im Unterschied zur Istar im
Nimbus, die immer auf der Standlinie der Siegel positioniert war, handelt es sich hier um Personifizierungen der am oberen Siegelrand dargestellten Astralsymbole. Siegel Nr. 23 zeigt rechts eine thronende Göttin, Ninlil263, die ihre Füße auf einen Löwen setzt und deren Thronlehne mit Sternen geschmückt ist. Vor ihr liegt der Schlangendrache und trägt das Symbol des Gottes Marduk. Von links treten auf die Göttin zwei Personen (weiblich und männlich) im Gestus des ״ausgestreckten Fingers" (ubäna taräsu) zu. In den Freiräumen des Siegels schweben in Kopfhöhe der Personen zwei anthropomorphe Gestalten, die beide den Verehrern zugewandt sind, also mit der thronenden Göttin eine Aktionsrichtung bilden. Vor der thronenden Göttin ist Istar in einem Strahlennimbus264 dargestellt und vor dieser eine AFs. Das Siegel Nr. 26a zeigt im Zentrum einen Schrein, der von zwei Stiermenschen flankiert ist. Hinter dem linken Stiermenschen steht ein weiterer, der einen Kugelring stützt, in dem eine anthropomorphe Gottheit in Aktionsrichtung mit dem Gott im Schrein dargestellt ist. In dem Schrein steht rechts auf einem flachen Sockel eine Gottheit, deren Polos von einem Stern bekrönt wird (Istar?), links davor ein Verehrer. Ein anderes Siegel (Nr. 26) zeigt in symmetrischer Verdoppelung einen Verehrer rechts und links eines Sakralbaumes, über dem eine anthropomorphe, nach links agierende Gottheit schwebt. Die Gottheit wird von einem Kugelring mit Zacken265 umgeben. Die Nimbusformen der letzten beiden Siegel begegnen gemeinsam auf einem gänzlich unassyrischen Siegel aus AI Mina, Syrien (Nr. 24). Dieses wiederum ägyptisierende Stück266 zeigt im Zentrum einen knieenden Helden, der eine nach links agierende AFs stützt. Im linken oberen Bildfeld ist eine anthropomorphe Gottheit vor einem Stern, im rechten oberen Bildfeld eine Gottheit in einer nach oben ausgezogenen Mondsichel dargestellt; neben der rechten Gottheit die Pleiaden. 267 In dieser singulären Darstellung scheint die nimbusförmige Mondsichel den Mondgott, der Sternnimbus die Göttin Istar zu umgeben, so daß hier Istar, Sin und Samas als anthropomorph-astrale Symbole abgebildet werden. Diese hier angedeutete Austauschbarkeit zwischen astralem Symbol und astral-anthropomorpher Darstellung findet sich auch in Nr. 25 (Samas), Nr. 54a (Istar), Nr. 76 (Samas und Istar) und für den Mondgott innerhalb der Mondsichel in den beiden Siegeln Nr. 19 und 22 und den Mondgott im Istar-Nimbus Typ I.c) in Nr. 137a.
257
Katalognummer 22—28, wobei Nr. 27.28 das Motiv gemeinsam mit der Istar im Nimbus darstellen, s. auch oben S. 130. 258 Katalognummer 39—51.125. Die achämenidische Gruppe wird hier in zwei Abteilungen behandelt. Die erste Abteilung umfaßt eine anthropomorphe Flügelsonne, die zweite Abteilung umfaßt das Motiv einer Flügelsonne + Ring mit Büste, vgl. Katalognummern 126—135; vgl. unten Exkurs 2. 259 Katalognummern 1 (mit Person im Gestus des ״ausgestreckten Fingers" [ubäna taräsu]).2 A (mit einem einen Strauß bändigenden König?).5a.b.6 (mit König?).8.11.12.32 (dreifach; gestützt von Atlanten; König?).33 (dreifach; gestützt von Atlanten; König?).37. 260 Katalognummer 3 (über Opfertisch).7.9 (mit Person im Gestus des ״ausgestreckten Fingers" [ubāna taräsu], an Bändern von zwei Skorpionmenschen gehalten). 10 (mit Person im Gestus des ubäna taräsu)A3 (über Opfertisch mit König [?]).14.15.20.21 (flankiert von zwei Stiermenschen).21a (neben König im Kampf [?] mit Mischwesen [?]).27.28.29.30.31 (mit Person im Gestus des ubäna taräsu).35 (dreifach; von Atlanten gestützt; Person im Anbetungsgestus). 261 Stempelsiegel und eine fragmentarische Darstellung. Katalognummern 14-16.35a. 35b.35c.36c. 262 VGL. ausführlich COLLON, Baalim III, 425f; zu ägyptisierenden Stücken vgl. DIES., First Impressions, 83ff.
263
Vgl. oben S. 126. Zur Charakteristik siehe oben S. 130 f. 265 j f IVc. Zur Klassifikation siehe oben S. 130 f. Die Nimbusform ist dem Nimbus der Istar in Nr. 79 auffallend ähnlich, und es ist zu fragen, ob dieses Siegel nicht eher in die Gruppe der Istar-Siegel einzuordnen wäre. 266 Tf. IVb. Vgl. COLLON, First Impressions, 83ff. 267 Zum Zusammenhang zwischen Mondgott und Pleiaden vgl. STOL, The Moon, 253 ff. 264
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Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Resümierend läßt sich festhalten, daß die aus den Reliefs bekannten Darstellungen in der Siegelkunst nur für die Reinigungs- und Sakralbaummotivik gelten. Sehr häufig ist in diesen und auch den Adorationsszenen der König oder ein Würdenträger dargestellt, so daß die Szenen nahezu einen klassisch-offiziellen Charakter erhalten. Die Flügelsonnen mit drei Götterbüsten bzw. die von Atlanten oder Helden gestützte Flügelsonne begegnen innerhalb dieser Gruppen als Variationen und nicht als diskrete Konstellationskonstituenten. Die größte Aufmerksamkeit gehört jenen deutlich anthropomorph dargestellten Astralsymbolen. Im Vergleich mit den Darstellungen von Flügelsonne, Istarstern und Mondsichel auf neuassyrischen Siegeln bilden die sechs hier genannten Siegel einen Sonderfall. Zudem weisen zwei Stücke westliche und ägyptische Einflüsse auf. Statt von einer Astralisierung ist eher von einer Anthropomorphisierung astraler Symbole zu sprechen, insofern am Himmel sichtbare Phänomene (Sonne, Mond, Venus) in Menschengestalt dargestellt werden. Dieser Prozeß rückt die Himmelsgötter also nicht in die Ferne, sondem im Gegenteil. Himmelsphänomene gelten nicht allein als sichtbare Symbole göttlicher Präsenz, sondern diese Darstellungen behaupten die Identität von personaler und kosmischer Anwesenheit.268 3. Zur Identifizierung und Verbreitung des Flügelsonnenmotivs a) Identifizierung Vorschläge zur Identifizierung des Gottes in der AFs reichen von Assur, Samas, dessen Wesir Bunene, Salmu und Ninurta bis hin zu den Annahmen, daß hier nur der Schreckensglanz Assurs oder ein ״sonnenhaftes zweites Selbst des Königs" ikonographisch dargestellt werde. 269 In alttestamentlichem Zusammenhang erweist sich die Beantwortung dieser Frage darum als gravierend, weil man hier ein der Herrlichkeit JHWHs ( )כבוד יהרהanaloges und diese auch ikonographisch repräsentierendes Phänomen erkennen zu können glaubt.270 Die nun zu entwickelnde Deutung muß ihren Ausgangspunkt in mehreren Voraussetzungen nehmen, die besonders in der mittel- und neuassyrischen Glyptik zu belegen sind. D i e erste Voraussetzung geht davon aus, daß das Motiv der einfachen Flügelsonne ursprünglich in Ägypten beheimatet war und dort als Symbol des göttlich legitimierten Königtums galt. Von dort aus wurde es zunächst nach Syrien, später dann nach Kleinasien und von dort nach Assyrien entlehnt. Während in der altsyrischen Zeit die
268 Das damit gegebene Phänomen ist auf einer anderen Ebene mit der Identität zwischen Gottheit und Kultbild vergleichbar. 269 Vgl. bereits oben S. 26ff; Übersicht der Deutungen bei MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonnenscheibe, 19; CALMEYER, Fortuna, 358 mit Anm. 26; DALLEY, The God Salmu, 85-101. 270 Zu diesen Positionen vgl. oben S. 26ff. 30.124f.
Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
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Flügelsonne, besonders, wenn sie über einem Sakralbaum schwebend dargestellt wurde, als Himmelsdarstellung zu interpretieren ist, mithin Sakralbaum + Flügelsonne den Raum zwischen Himmel und Erde symbolisieren271, ereignet sich in der mittelsyrischen Zeit schließlich eine Verschiebung der Aussageintention : Das Symbol repräsentiert nicht mehr den Himmel, sondern den am Himmel erscheinenden Sonnengott 2 7 2 und ersetzt die Sonnenscheibe mit Strahlenbündeln. Diese Differenz bleibt vor allem an der neuassyrischen Königskette deutlich sichtbar, insofern hier nie eine Flügelsonne als Anhänger abgebildet wird, sondern das sog. Ständerkreuz. 273 In Assyrien erscheint die Flügelsonne dann erstmals als Symbol des Sonnengottes Samas. 2 7 4 Als ein solches Symbol des Sonnengottes begegnet sie dann vor allem auf den Stelen der neuassyrischen Könige neben den sonstigen Symbolen: Hörnerkappe, Mondsichel und Istarstern. 275 In der neuassyrischen Glyptik begegnet die einfache Flügelsonne häufig - wie die AFs - über einem Sakralbaum schwebend. 2 7 6 Sie ist ferner bezeugt über einem Opfertisch, über der Begegnung zwischen Gott und Verehrer, bisweilen werden ihre Flügel von einem Genius/Atlanten gestützt 277 .
Die Verwendungsbreite der einfachen Flügelsonne variiert demnach einerseits zwischen 1. Himmelsdarstellungen, 2. dem symbolisch dargestellten Zusammenhang zwischen dem Sonnengott des Himmels und der Fruchtbarkeit der Erde und 3. der Konstellation Sonnengott - König - Sakralbaum als ikonographischer Verdichtung der religiösen Implikationen königlicher Amtsausübung andererseits. Daß dieser Zusammenhang auch für die anthropomorphe Flügelsonne anzunehmen ist, zeigt zunächst der Verwendungszusammenhang im Nordwestpalast Assurnasirpals II., sodann aber auch die Tatsache, daß die o.g. Konstellationen der einfachen Flügelsonne mit solchen der anthropomorphen Flügelsonne austauschbar sind. Anthropomorphe und einfache Flügelsonne repräsentieren dieselben Zusammenhänge!278 Dies erlaubt nur den Schluß, daß hier, und zwar auch in den
271
Vgl.
272
V g l . MAYER-OPIFICIUS, a a O . 1 9 5 .
273
MAYER-OPIFICIUS,
Die geflügelte Sonne, 192.
Ausführlicher Nachweis von CALMEYER, Zeichen der Herrschaft, 138ff. Statt vieler Einzelnachweise vgl. MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonnenscheibe, 19; FAUTH, Königliche Sonne, 228ff; SEIDL, Göttersymbole und -attribute, 4 8 5 ; zum Zusammenhang Sonnengott(heit)/König(tum) vgl. detailliert auch JANOWSKI, Rettungsgewißheit, 85ff. 101 Anm. 4 7 7 . 275 Vgl. etwa die Darstellungen auf den Stelen Assurnasirpals I I . in ORTHMANN, PKG 1 4 , 197, des Adadnirari III., aaO. 212, des Asarhaddon, aaO. 232, und neubabylonisch des Nabonid, aaO. 2 5 1 ; eine Zuordnungsliste bietet R E A D E , Shikaft־i Gulgul, 3 3 - 4 4 pl. I - I V . 276 Vgl. z . B . PORADA, C A N E S , 6 4 0 . 6 4 2 - 6 4 5 . 6 4 6 - 6 4 9 . 6 9 7 . 7 0 7 . 7 0 9 . 7 2 2 und neubabylonisch 7 2 6 - 7 3 1 ; MOORTGAT, Rollsiegel, 6 0 6 . 6 4 3 . 6 3 4 . 6 3 6 . 6 7 3 - 6 7 8 . 277 Vgl. Atlanten/Skorpionmensch stützen die Sonne: PORADA, aaO. 690; MOORTGAT, aaO. 638.598.599; Begegnung zwischen Verehrer/König und Gottheit: PORADA, aaO. 694; MOORTGAT, aaO. 600; über Opfertisch: PORADA, aaO. 699.700; MOORTGAT, aaO. 636; als einfaches Göttersymbol neben anderen: PORADA, aaO. 711. Eine Übersicht und eine Strukturierung des Materials nach Epochen und Kulturräumen findet sich bei MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonne, 191 ff. 278 Vgl. MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonnenscheibe, 19; Beispiele für diese Aus274
124
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient 279
kriegerischen Szenen, der Sonnengott Samas anthropomorph dargestellt werde, wobei zwischen Gott und König auffallende Ähnlichkeiten bestehen. 280 Die Inschriften Assurnasirpals II., vor allem aber die große Inschrift des Ninurta-Tempels von Nimrud281, betonen mehrfach, daß der Schreckensglanz des Gottes Assur die feindlichen Völker niedergeworfen habe. 282 Die Hauptgottheiten, die aktiv an den königlichen Aktionen beteiligt sind, ihn unterstützen, sind Assur, Adad und Samas.283 In diesem Zusammenhang scheinen die Götterstandarten von Interesse, die auf den Reliefs des Thronsaales B zu sehen sind.284 Die mittels eines langen Schaftes in den Streitwagen mitgeführten Standarten werden durch einen Kreisring gebildet, in dem in den Darstellungen Assurnasirpals II. genau zwei Bildelemente begegnen, ״ein Bogenschütze auf einem Stier, oder zwei Stiere rechts und links einer Mittelsenkrechten", die oben in einer Pfeilspitze endet und darum als Lanze bzw. Blitzsymbol anzusprechen ist. 285 Der Behauptung, daß diese Symbole infolge mangelnder ״Untersuchungen zur Götterikonographie der neuassyrischen Zeit"286 bestimmten Gottheiten nicht zugewiesen werden könnten, stehen jedoch die folgenden Beobachtungen entgegen. Wie ein kürzlich von U. Moortgat-Correns287 publiziertes neuassyrisches Rollsiegel des 9. Jh.s v. Chr. zeigt, können das Kultbild eines Gottes und das Gottesbild für Kriegszüge, die Standarte, nebeneinander abgebildet werden. Nimmt man die bildliche Darstellung (Abb. 13) genau, dann ist der Gott Ninurta zweifach dargestellt: als Kultbild auf seinem Symboltier, dem blitze-
tauschbarkeit finden sich bei PORADA, CANES, 771-773; MOORTGAT, Rollsiegel, 596. Und vgl. nochmals BÖRKER-KLÄHN, Bildstelen, Tf. 152 AI. 279 Vgl. MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonnenscheibe, 19; DIES., Die geflügelte Sonne, 200f. Die ältere Position einer Präferierung des Gottes Assur vertritt SPIECKERMANN, Juda, 253. Er rechnet immerhin mit einer ״Usurpation der Flügelsonne durch Assur" (aaO. 255 Anm. 82), d. h. auch er setzt einen religionsgeschichtlichen Prozeß voraus, in den der oberste Staatsgott und der Sonnengott involviert sind. 280 Zur ikonographisch realisierten Gott-König-Relation siehe unten S. 162 f. 281 GRAYSON, RIMA2, A.0.101.01. 282 A.0.101.1,1 57: me-lam-me sä as-sur en-ia; 80: ρύΐ-hi me-lam-me sä as-sur en-ia\ II 46: pul-hi me-lam-me sä as-sur en-ia; II 80f: ρύΐ-hi me-lam-me sä as-sur en-ia; III 54: pul-hi melam-me as-sur en-a und schließlich des Königs eigener Schreckensglanz in II 112: me-lam en-tia\ II 113: me-lam-me man-ti-a. 283 Es sind die drei Götter ASSur, Samas und Adad, vgl. A.0.101.1 1 12.22.42.76.104 ״By the command of Assur, the gods Samas and Adad, the gods who help me ..."; II 65; III 46.119.128 (Ninurta !). Standardterminus ist an diesen Stellen: ina gwtukul-mes. Die hier gegebenen Belege lassen sich aus den anderen Inschriften Assurnasirpals II. beliebig vermehren. Vgl. ferner II 107: Vergleich der Truppen mit Anzu: an-ze-emu*ea. 284 Sie sind auf den Standartenwagen der Reliefs B-6a, B-lOa, B-4a, B8־b (Plan 4 und 5) deutlich zu sehen. Sie wurden zuletzt behandelt von BLEIBTREU, Standarten, 347ff. 285 BLEIBTREU, aaO. 350; KEEL, Recht der Bilder, 177f mit Abb. 171-173. 286 So die Schlußfolgerung von BLEIBTREU, aaO. 353. 287 MOORTGAT-CORRENS, Kultbild, 117ff; zur Inschrift vgl. die bereits oben S. 36 Anm. 168 genannte Literatur.
Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
149
speienden Drachen im Zentrum des Siegelbildes und in der linken Standarte, während in der rechten Standarte der Gott Adad auf dem Stier dargestellt ist. In beiden Standarten sind die Götter des Feldzuges in voller Aktion wiedergegeben: im Schnellauf (beide) und mit gespanntem Bogen (Adad).
13 Moortgat-Correns, Kultbild, 123 Abb. 5b Stier und blitzespeiender Drache sind von Hause aus die Symboltiere des Wettergottes Adad, sum. Iskur. Seit der akkadzeitlichen Glyptik begleitet der geflügelte Löwendrache Wettergottheiten288, während im 2. Jahrtausend der Stier als Symboltier größere Verbreitung findet. 289 Die beiden Standarten und die zentrale Figur repräsentieren somit anscheinend die Götter Adad und Ninurta.290 Ähnlich ist auch ein Siegel aus Berlin291 zu interpretieren. Ein bogenschießender Gott steht im Schnellauf auf einem blitzespeienden Drachen, ein kleinerer Wettergott mit dem Blitzbündel steht rechts daneben. 292
288
Vgl. BRAUN-HOLZINGER, Löwendrache, 97; aB vgl. MOORTGAT, Rollsiegel, 516; O R T H PKG 14, 267p; BLACK/GREEN, Gods, 63ff. 121; KEEL, Recht der Bilder, 173f. Auf die Kombination von Rind(erhörnern) und Löwenkopf auf den Standarten Assurnasirpals II. und Sargons II. weist jetzt ausführlich SEIDL hin, vgl. SEIDL, Zur zweiten Feldzugstandarte Assurnasirpals II., 61. 289 Vgl. BLACK/GREEN, Gods, 110f, mit einer akkadzeitlichen und neuassyrischen Abbildung aus Arslan Ta§. 290 Zur Lesung der Gottesnamen siehe PONGRATZ-LEISTEN, Mesopotamische Standarten, 339. Zur Zuordnung des Stieres zu Wettergottheiten im allgemeinen, zu Adad im speziellen vgl. KEEL, Recht der Bilder, 173ff. Allerdings bleibt zu beachten, daß in diesem Falle keine genauere Differenzierung der Götter Ninurta, Adad und dem in der Legende genannten Gott Nergal möglich wäre. Auf die zeitweilige Kongruenz von Ninurta- und Nergal-Symbolen verweist auch SEIDL, aaO. 61. 291 Vgl. MOORTGAT, Rollsiegel, 5 9 5 . 292 Vgl. auch BRAUN-HOLZINGER, aaO. 99. MANN,
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Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Im Kontext der Frage nach den Gottheiten, die die Standarten im Thronsaal Assurnasirpals II. symbolisieren, wird diskutiert, ob hier nicht an Adad und Nergal zu denken wäre, ein Paar, das in aB Zeit und bei Sargon II. ( 7 2 1 - 7 0 5 v. Chr.) im Kontext von Streitwagen und Standarten bezeugt ist. 2 9 3 Scheinbare Absicherung erhielte insbesondere die Nergal-These dadurch, wenn 1. in den Inschriften Assurnasirpals II. der Gott Nergal eine besondere Rolle spielte, und 2., wenn die Schreibung d uri-gal in der Inschrift des Ninurta-Tempels Assurnasirpals II. als eine der möglichen vier Schreibvarianten für den Gottesnamen Nergal gelten könnte. 2 9 4 Dieser Sachverhalt bildet in der Tat ein Problem, da in den Inschriften Assurnasirpals II. auch die Schreibungen d u־gur (A.0.101.20,10) und d igi-du (A.0.101.2, 40) belegt sind. 2 9 5 Es fällt jedoch auf, daß der Gott Nergal außerhalb der hier genannten Stellen keine wesentliche Rolle spielt. Die singularischen Formulierungen zeigen zunächst, daß wohl nur an eine einzelne Standarte gedacht ist. 2 9 6 D i e übrigen Belegstellen im Inschriftenwerk Assurnasirpals II. machen jedoch deutlich, daß die Waffen der Götter (Assurs und des in der Standarte repräsentierten Gottes) im Einsatz sind. Schließlich geben die Reliefs des Thronsaales B deutlich zu erkennen, daß in der Regel zwei Standartenwagen dem König vorausfahren, so daß mit großer Wahrscheinlichkeit neben Adad ein weiterer, unbekannter Gott (Nergal?) anzunehmen ist.
Der genannte ikonographische Befund zur Wettergottmotivik, d.h. die Möglichkeit zur Kumulierung verschiedener Aspekte und deren ikonographischer Darstellung, erlaubt es nun auch, die beiden Standarten auf den Reliefs Assurnasirpals II. als Symbole des Wettergottes aufzufassen. Dieses geht auch aus der Inschrift des Ninurta-Tempels hervor. Neben der üblichen Schreibung d Iskur297 begegnet noch in II 106 (vgl. auch III 120) ein spezieller Typus, Iskur sä gir-bal. Die Wendung lautet: gim dIskur sä gir-bal ugu-sü-nu äs-gu-um „wie Adad/Iskur der Überschwemmung brüllte ich über ihnen".298 Dieses Epitheton läßt sich vielleicht mit den als Wasserlinien gedeuteten geriffelten Linien in der lanzenförmigen Standarte vergleichen.299 Jedoch darf man Kultbilder und Standarten hinsichtlich ihrer Göttlichkeit nicht qualitativ unterscheiden. Das Kultbild und das Standartenbild ist je für
293
V g l . PONGRATZ-LEISTEN, a a O . 3 3 6 f f .
Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
150
sich eine vollgültige Gottesrepräsentation und lediglich durch den Verwendungszusammenhang unterschieden. In den Reliefs wären demnach die Standarten der kriegsbegleitenden Götter (Adad/Nergal?) und als Himmelsgott Samas abgebildet. Angesichts der überragenden Bedeutung des Gottes Assur und seiner (selteneren) anthropomorphen Darstellungen300 muß auffallen, daß dieser höchste Gott der Assyrer offenbar nicht im Detail dargestellt wird. Dies bedeutet, daß Assur entweder in anderer Form präsent gedacht wurde oder aber mit dem Sonnengott in einem Solarisierungsprozeß verschmolzen wäre. 301 Ein solcher ikonographischer Synkretismus, der den ״höchsten Gott" Assur mit sonnenhaften Aspekten ausstattet bzw. den Sonnengott in die höchste Position rückt, dient dem Zweck, diesem Gott absolute Beweglichkeit (Vogelwesen) = Omnipräsenz und Ortsungebundenheit zuzueignen. Dies erklärt zugleich die enge Verbindung zwisehen Sonnengott und König. Der König agiert auf der Erde in einer doppelt determinierten Rolle: Assyrischer Tradition gemäß fungiert er als legitimierter Statthalter des Gottes Assur302; und innerhalb der imperial-universalistischen Staatsideologie agiert er an der Stelle des Sonnengottes, dessen durchleuchten־ dem Zugriff kein Bereich des Kosmos entzogen ist. 303 Dieser Sachverhalt läßt sich auch philologisch untermauern. Erstmals wieder seit der altbabylonischen Zeit führen die neuassyrischen Könige das Epitheton: dsamsu kissat niseme§ ״Sonnengott der Gesamtheit der Menschen". Es begegnet sporadisch in der Frühzeit der neuassyrischen Epoche unter Tukulti-Ninurta I., Adadnirari II. und Tukulti-Ninurta II. Signifikant häufig führen es jedoch Assurnasirpal II. und sein Sohn Salmanassar III. 304 Die Verwendung des Epithetons korreliert damit in auffälliger Weise mit dem erstmaligen Auftauchen der noch halbanthropomorphen Flügelsonne im 11. Jh. v. Chr. bis zu deren ikonographischer Endgestalt unter Salmanassar III. im9. Jh. v.Chr. Mit diesem Ergebnis läßt sich die vielfach vermutete Behauptung einer Verbindung zwischen AFs und כבוד יהוהzumindest dahingehend modifizieren, daß an eine direkte Verbindung beider Phänomene wohl nicht zu denken ist. Vergleichbar ist jedoch der religionsgeschichtliche Prozeß, der die neuassy־ rische Königsideologie schon im 9. Jh. v. Chr. stark solarisiert erkennen läßt.
294
Letztere Annahme vertritt PONGRATZ-LEISTEN, aaO. 335; vgl. auch aaO. 350ff. Die Autorin stützt sich auf die Passage bei GRAYSON, RIMA 2, A.0.101.1 III 52: Jna qi-bit as-sur EN GAL-e EN-a u d ÜRI.GAL a-lik IGI־w" [dieselbe Phrase auch in II 50], da neben Assur als Befehlsgeber wohl eher ein weiterer Gott als eine Standarte zu erwarten sei, aaO. 355. 295
V g l . PONGRATZ-LEISTEN, a a O . 3 3 2 m i t A n m . 1 5 2 .
296 Vgl. bei Sargon II. die deutlich pluralischen Formulierungen: düri־gal dIskur ύ-rin(!)gal-li a-li-kut mah-ri-ia (TCL 3,14); von einer „vielfältigen Emblem-Usurpation" geht jedoch SPIECKERMANN, Juda, 255 ff, aus. 297 Belege siehe oben Anm. 283. 298 gvir.bal = rihsu Überschwemmung; zu sagämu „brüllen" vgl. AHw III 1125f; als göttliches Subjekt ist ebenfalls Adad belegt. 299 Eine Kontamination beider Motive begegnet dann später unter Sargon II. in Khorsabad (Dür Sarrukin). Vgl. auch KEEL, Recht der Bilder, 178.
300
Vgl. Maltai: BÖRKER-KLÄHN, Bildstelen, Tf. 207; Bawian/Hinnis: aaO. Tf. 187a, 188. Zu solchen Solarisierungsprozessen im beginnenden 1. Jahrtausend in Syrien vgl. NIEHR, Der höchste Gott, 141 ff. 302 Vgl. MAGEN, Königsdarstellungen, 9ff; LARSEN, City-State, 109ff. 303 ygi <jie g r o ß e Bedeutung, die die Anfragen an den Sonnengott in der späteren neuassyrischen Zeit einnehmen, vgl. STARR, SAA 4, pass.; vgl. auch SPIECKERMANN, Juda, 238ff. Zu einem möglichen Zusammenhang zwischen einer solarisierten Königsideologie und gleichzeitiger Ausdehnung politisch-militärischer Macht im ägyptischen Neuen Reich, in Assyrien, Urartu und unter den Achämeniden siehe unten Exkurs 3. 304 Erst später wieder Asarhaddon, vgl. die Übersicht bei SEUX, Epithetes Royales, 284. 301
124
152
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
Dieser Sachverhalt ist darum so auffällig, weil die in Palästina gefundene und zugegebenermaßen ägyptisierende Kleinkunst in der EZ II B 305 ebenfalls eine starke Anreicherung solarer und herrschaftlicher Symbole erkennen läßt. Diese Entwicklung ist nur ein Element innerhalb eines gesamtlevantinischen Prozesses, innerhalb dessen nicht allein solare Phänomene, sondern überhaupt Himmelssymbolik steigende Bedeutung erlangt, und in deren Verlauf am Himmel sichtbare meteorologische und astrale Phänomene kumulativ zur Machtsteigerung bzw. aspekthaft differenzierend auf einen Gott konzentriert werden.306
beine begegnet die Flügelsonne auch über dem Streitwagen eines Fürsten311 an derselben Position wie im Reliefprogramm des Nord-West-Palastes in Nimrud.
b) Verbreitung In der neuen Diskussion um die Solarisierung höchster Götter und königsideologischer Vorstellungen spielen die Krise des Polytheismus in der ausgehenden Bronzezeit und die Astralisierung der assyrischen Religion ab dem 8. Jh. v. Chr. eine wesentliche Rolle. 307 Besonders in der Phase des intensiven Kontaktes zwischen Israel und Assyrien seien astrale Elemente auch in die israelitische Theologie eingedrungen308. Wie in unserer Untersuchung zur neuassyrischen Palastikonographie des 9. Jh.s (siehe oben Abschnitt lb) deutlich wurde, findet sich hier bereits eine voll ausgeprägte Solarisierung des ״höchsten Gottes" im Kontext königlicher Herrschaftsausübung und beginnender Großreichsbildung. Eine ikonographische Annalistik ist jedoch als typische Darstellungsform auch in der syrischen (späthethitischen) Kleinstaatenwelt verbreitet. Sowohl die Wagen- und Tierjagdmotive sind hier bekannt309 wie auch das überaus häufige Vorkommen des Flügelsonnenmotivs auf aramäischen und luwischen Stelen im sog. frühluwischen Stil des 11. Jh.s bis hin zum assyrisierenden Stil des 8. Jh.s. 310 Als deren hervorstechendste Zeugnisse seien nur die Stelen aus Amrit und die Stele des Barrakib genannt. Innerhalb der phönizischen Elfen-
305 Vgl. KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 318f; NIEHR, Der höchste Gott, 319 Anm.291, rechnet ebenfalls mit Umbrüchen in der assyrischen Zeit. Für Israel nimmt er die ״,produktivste Phase' der Solarisierung" im 8. Jh. an. 306 y g i KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 297, und zusammenfassend unten S. 162f. 307
Vgl. NIEHR, Der höchste Gott, 141ff; SPIECKERMANN, Juda, 257ff. Vgl. SPIECKERMANN, aaO. 229ff; KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 199ff, bes. 282ff. 297 ff. 310 ff. 309 Vgl. G E N G E , Reliefs, Nr. 33.35.36. Zur Herkunft und Darstellung des Wagens vgl. MOOREY, Emergence, 196.203ff. 310 Vgl. G E N G E , aaO. Nr. 17.22.41.42.44.54.65.79.84.107.113.114. Zur Flügelsonne im speziellen vgl. auch PARAYRE, A Propos d'une plaque de Harnais, 45-51, zu einer Flügelsonnendarstellung auf einer Pferdescheuklappe, vgl. hierzu RÖLLIG/KYRIELEIS, Ein altorientalischer Pferdeschmuck, 6 2 - 7 5 Tf. 9 - 1 0 . Hier handelt es sich wohl noch eher um Himmelsdarstellungen als um Darstellungen des Sonnengottes, vgl. auch TARACHA, Göttertiere, 270ff. 308
Nur am Rande sei erwähnt, daß die Darstellungen der Elfenbeine insofern einen Sonderfall bilden, als Elfenbeineinlagen von Fort Salmanassar (Nimrud) über einer geflügelten Sonnenscheibe eine Göttin mit Hathorlocken darstellen, die in Analogie zur ugaritischen Sonnengöttin Sapsu gedeutet wurde. 3 1 2 Als weibliche Sonnengottheiten sind vor allem die Sonnengöttinnen von Arinna, Ugarit, Ebla und Alt-Südarabien bekannt. Besonders die Sonnengottheit von Arinna, die in Ugarit unter dem Namen spsarn313 bekannt war, übt dort in der neuhethitischen Zeit die ״Königsherrschaft über Himmel und Erde" aus, wie ein Gebetstext formuliert, und eilt dem König zu Hilfe. Das enge Verhältnis zwischen Sonnengottheit und König 3 1 4 verlagert sich mit dem Zusammenbruch des hethitischen Großreichs auf der Textebene in das Gebiet der späthethitischen Kleinfürstentümer und wird dort ausschließlich anhand der königlichen Epitheta der hieroglyphen-luwischen Inschriften deutlich 315 . Diese
311 Vgl. DECAMPS DE MERTZENFELD, Inventaire II, pl. XXIVNr. 342b + pl. XXXVNr. 342a (Megiddo) und fragmentarisch ohne Kontext pl. XCVT Nr. 923 (ArslanTa§). 312 Vgl. MALLOWAN, Nimrud and its Remains II, 496ff; MALLOWAN/HERRMANN, Ivories from Nimrud III, 16ff und PI. XLVIIIff. Die enge Verbindung zwischen Flügelsonnenmotivik und königlicher Amtsausübung wird ebenfalls in der Ikonographie einer phönizischen Silberschale bestätigt, die im italienischen Etrurien, in Praenaeste, im Bernardini-Grab, gefunden wurde und die in das ausgehende 8. Jh. v. Chr. datiert. Im äußeren Register dieser Schale wird ein königlicher Jagdausflug dargestellt. Eine Flügelsonne begegnet hier vor dem eine Ruhepause einlegenden König und einem Opfertisch. In der daran anschließenden Szene tritt ein bedrohliches Monster (ein Affe?) auf, das nach einer Rettungsaktion vom König auf seinem Rückweg erlegt wird. Die Rettungsaktion ist nicht szenisch festgehalten, sondern so dargestellt, daß eine weibliche Himmelsgottheit (mit Hathorfrisur [?]) den König samt seinem Wagen zu sich in den Himmel emporhebt und ihn dadurch vor dem Monster bewahrt; vgl. RANDALL-MACIVER, Villanovans, 209ff; HOPKINS, Astrological Interpretations, 2 8 - 3 6 pl. XVII; zum Zusammenhang geflügelter weiblicher Gottheiten und deren Darstellung auf Tridacna-Muscheln vgl. POULSEN, Der Orient und die Frühgriechische Kunst, 59ff, bes. 65 ff; s. auch A N D R A E , Gravierte Tridacna-Muscheln, 88-98; GEVA, A Fragment of a Tridacna Shell, 41-47; H . WEIPPERT, Palästina, 660; die Darstellung eines Gottes im Lotusnimbus mit Sonnenscheibe diskutieren KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 395 f, wiederum im Kontext der Gottesbeschreibung von Ez l,26b27 ;־vgl. aber ein ähnlich gearbeitetes Stück aus Lindos (vgl. STUCKY, Tridacna Shells, Nr. 41), so daß man das Exemplar aus Bethlehem (STUCKY, aaO. Nr. 26) innerhalb einer Religionsgeschichte Palästinas besser unberücksichtigt lassen sollte. Bislang unpublizierte Tridacna-Muscheln jetzt bei REESE/SEASE, Some Previously Unpublished Engraved Tridacna Shells, 109-128. Die artifizielle Kombination einer Göttin mit einer Flügelsonne begegnet neben dem oben erwähnten Exemplar sonst nur noch innerhalb der urartäischen Kesselattaschen (frdl. Hinweis von Frau E. CANCIK, Tübingen), vgl. MAYEROPIFICIUS, Einige Bemerkungen zur urartäischen Kunst, 337ff Taf. 67-68; einen Bezug zum urartäischen Sonnengott Sivini vermutet WARTKE, Die Berliner Kesselattasche VA 2988, 94ff; siehe auch BARNETT, Sirens and Rephaim, 112-120, bes. 112ff (zum Motiv der sechs Finger). 313 Vgl. KTU 3 . 1 , 1 9 : als Wiedergabe für heth. dutuÄ lugal-gal (sarru rabü). Vgl. auch zum Zusammenhang von König und Sonne in Amarna EA 1 5 5 , 6 . 4 7 ; 3 2 3 , 2 2 ; s. ferner JANOWSKI, Rettungsgewißheit, 100. 314 Vgl. FAUTH, Königliche Sonne, 247. 315
V g l . FAUTH, a a O . 2 3 5 .
124 Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient ״kosmische Kompetenz" 3 1 6 einer Sonnengottheit begegnet dann auch in der Zusammenstellung von B e l-Smm und Sms- C lm in der Karatepe-Inschrift.
Ikonographie und Epigraphie weisen neben der imperialen Groß- und Kleinkunst Assyriens somit auch deutlich in den Bereich der syrisch-palästinischen Kleinstaatenwelt. Hier findet sich also ein weiteres Zentrum herrschaftlich motivierter Sonnentheologie, dessen Einflüsse sowohl in Assyrien als auch in Israel spürbar werden.317 Die Anfänge dieser Entwicklung, die offenbar Nordmesopotamien und die Levante insgesamt betreffen, liegen bereits in der mittleren und späten Bronzezeit. In der Nuzi- bzw. Ke'rkuk-Glyptik findet sich bereits ab dem 16./15. Jh. v.Chr. das Flügelsonnenmotiv in Verbindung mit einem Baum oder einer Standarte.318 Dasselbe gilt für die Mitanni-Glyptik des sog. elaborate style.319 Darstellungen von Kriegs- und Jagdszenen mit zweirädrigen Wagen und einem bogenschießenden Helden finden sich bereits auf Siegeln der Stufe Ugaritisch VII. 320 Einmal begegnet die Flügelsonne über einem (königlichen?) Helden, der rechts und links Löwen abwehrt.321 Die Ursprünge der im 1. Jt. voll ausgebildeten Sonnenmotivik im Kontext imperialer Kunst liegen somit bereits in der Mitte des 2. Jt.s v. Chr. im nordsyrischen Raum, der in dieser Zeit noch unter deutlich ägyptischem Einfluß steht. Auf die engen kulturellen Kontakte zwischen der ägyptischen Hegemonialmacht und der Staatenwelt Nordsyriens geht dann auch die Entlehnung des Flügelsonnenmotivs als Herrschaftsinsignie zurück.322
Exkurs 2: dHaldi und Ahuramazda - anikonisch verehrte Götter? Außerhalb Palästinas und Assyriens begegnet das Motiv einer anthropomorphen Flügelsonne nur noch in der urartäischen und achämenidischen Kunst. Die erstmals im 13. Jh. 316
317
FAUTH, a a O . 2 6 3 .
Zur besonderen Rolle, die vermutlich das antike Karkemisch gespielt hat, vgl. PODELNotzeit-Mythologem, 444f; PARAYRE, Carchemish entre Anatolie et Syrie, 319-360. 318 Ygi PORADA, Seal Impressions of Nuzi, 114ff. Besonders häufig findet sich die Flügelsonne in Alalakh, vgl. COLLON, Alalakh Cylinder Seals, z.B. Nr.95.96.105.110.117; DIES., Seal Impressions, Tf. XLVIIf. Hier findet sich ebenfalls der Geier, der in den Reliefdarstellungen des NW-Palastes Assurnasirpals II. über dem Kriegswagen fliegend dargestellt war (vgl. B-9a, B8־a, B6־a, B-5b, B3־b). FRANKFORT, Cylinder Seals, 275, deutet den Vogel als Horus-Falken, der durch ägyptischen Einfluß (gemeinsam mit der Flügelsonne) in die Kirkuk-/ Mitanni-Glyptik gelangt sei. 319 Vgl. MAYER-OPIFICIUS, Die geflügelte Sonne, 1 9 4 ; SALJE, Mitanni-Glyptik, Tf. IV 7 2 (über dem ״bouquet-tree"), 7 6 , 7 7 ; Tf. V 88; Tf. VI 1 0 2 , 1 0 3 . 320 Es handelt sich um die Siegel RS 4.021, RS. 5.085; RS 8.325; RS 9.481 aus dem 14./ 13. Jh. v.Chr.; vgl. SALJE, Mitanni-Glyptik, 123. Wagen und Pferd gehen hier auf hurrischmitannische und wohl auch hethitische Einflüsse zurück. 321 SALJE, Mitanni-Glyptik, 329 Tf. XIX. Eine eigenständige Entwicklung der MitanniGlyptik ist wohl die Flügelsonne auf einer Standarte, vgl. auch STEIN, Art and Architecture, 88. 322 Für Alalakh weist COLLON, Seal Impressions, 192, auf eine Übernahme des ägyptischen LA,
Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
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v. Chr. erwähnten Stämme und/oder Völker, die unter den Namen uruatri subsumiert werden, schließen sich in einer Art Gegenreaktion auf das entstehende neuassyrische Großreich erstmals im 9. Jh. zu einem vereinten Königreich zusammen. 3 2 3 Auch hier galt, daß der König ״die Einheit von herrschaftlicher Gewalt mit der Funktion des obersten Priesters" 324 verkörperte. Nach der Gründung einer königlichen Dynastie unter Sardur I. formiert sich im 8. Jh. unter Ispuini und Menua durch Einbeziehung des Zentrums Musasir ein Staatswesen, das den Assyrern erhebliche Schwierigkeiten bereiten sollte. Sargon II. machte dieser expansiven Phase der urartäischen Geschichte mit der Plünderung des Haldi-Tempels in Musasir ein jähes Ende. In dieser Phase militärischer und nationaler Expansion des Reiches von Urartu steigt der Hauptgott der Stadt Musasir, Haldi, zum obersten Gott des Pantheons auf. ״C'est donc parallèlement à la naissance de l'état que je vois la naissance du dieu Haldi en tant que dieu de la dynastie régnante". 325 Es erscheint kaum als Zufall, wenn alle bislang bekannten Darstellungen eines Gottes in der Flügelsonne exakt in diese Phase des 9. und 8. Jh.s v. Chr. datieren. 3 2 6 D i e Bildträger sind dank der metallurgischen Kenntnisse und Fähigkeiten der urartäischen Künstler Metallscheiben (S), Pferdegeschirre und Wagenbeschläge (P. W.), (Pferde-)Pektorale (P.) und Blechgürtel (G). 3 2 7 Nach der Zusammenstellung der Stücke durch S. Eichler sind 18 Exemplare des Motivs bekannt. 3 2 8 Von diesen entfallen elf auf die Gruppe der Pferdegeschirre und Wagenbeschläge und gehören damit in militärischen Kontext. D i e Art der Darstellung des Gottes variiert wenig. Neben fünf Stücken, auf denen der Gott - einen Kriegsbogen haltend - in der Luft schwebt 3 2 9 , finden sich vier
Flügelsonnenmotivs bereits in Schicht VII, d.h. im späten 17. Jh. v.Chr. hin. Hier findet sich die Flügelsonne ebenfalls in herrscherlichem Kontext neben dem ״Fürsten im Wulstsaummantel", vgl. z.B. Nr. 11.12.25.53. Siehe auch SCHROER, Der Mann im Wulstsaummantel, 55 ff. 323 Ab Salmanassar I. (1273-1244 v.Chr.), z.B. GRAYSON, RIMA 1, A.0.77.1 Z. 40. Vgl. KLENGEL, Kulturgeschichte, 474ff; FREYDANK et al., Wörterbuch, 449f; WARTKE, Urartu, 36f. Hier finden sich interessante Parallelen zu der israelitischen Reichsgründung im 11./10. Jh. v.Chr. 324 KLENGEL, Kulturgeschichte, 478. 325 SALVINI, Le Panthéon de l'Urartu, 85; vgl. auch BIAGOV, Über die Natur des Gottes Haldi, 149 ff. 326 So resümierend EICHLER, Götter, 72. 327 Wie mir freundlicherweise Herr Prof. M. VAN LOON mitteilt, findet sich innerhalb der Glyptik und Kleinfunde von Hasanlu kein weiteres Exemplar dieses Motivs. Zu den einzelnen Gattungen vgl. EICHLER, Götter, 13ff; HAERINCK/OVERLAET, Zur Funktion einiger urartäischer Bronzegegenstände, 57ff; BELLI/KELLNER, Urartäische Bronzegürtel, 317ff Tf. I — I I ; eine Bronzescheibe zeigt im äußeren Fries eine Schlachtszene in assyrischer Darstellungsweise. Im Zentrum steht der Gott in der Flügelsonne auf einem Podest, seine Flügel werden von zwei auf Bergen knieenden inferioren Göttern gestützt, vgl. CALMEYER/SEIDL, Siegesdarstellung, 103—114. Beide Autoren lassen eine namentliche Identifikation des Gottes offen. Sie verweisen jedoch mehrfach auf die Hilfe des Sonnengottes im Krieg, wie sie z.B. auch im Alten Testament in Jos 10,11 ff angesprochen sei, aaO. 112.110. 328 Vgl. EICHLER, Götter, 28ff. Die Exemplare sind die folgenden: G.26; S. 1, S.4, S.5, S. 6; P.W.l, P.W.2, P.W.3, P.W.5, P.W.6, P.W.8a.b, P.W.II, P.W.12, P.W.13, P.W.14; P.4, P.5. 329 P.W.8a.b,P.W.10, P.W.14; P.5.
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Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit
Exemplare, die ihn stehend und von Genien mit Reinigungsgerät flankiert zeigen. 3 3 0 Neunmal findet sich der Gott auf einem Stier stehend. 3 3 1 Diese häufigste Art der Darstellung bildet somit folgende Kombination: anthropomorphe Gottheit + geflügelter Sonnenring + Stier. Es ist unklar, ob hier der höchste und oberste Gott, Haldi, in einer Art Funktionskumulierung als Wetter- und Sonnengott repräsentiert werden soll. 3 3 2 Angesichts dieser Unklarheit hatte P. Calmeyer erwogen, ob nicht dieser Gott anikonisch in Form eines ״leeren Wagens" dargestellt wurde. 3 3 3 Gegen diese Auffassung spricht neben der bereits angedeuteten Vermutung einer Funktions- und Aspektkumulierung zweierlei. Einerseits gibt es keine eindeutigen Indizien dafür, daß die Reliefdarstellungen eines leeren Wagens urartäisch sind, und andererseits bedeutet das Wort šuri nicht ״Wagen", sondern leitet sich her von hurr. šauri ״Waffe". 3 3 4 Die an sich bedenkenswerte Vermutung Calmeyers schlägt zugleich eine Brücke zu den achämenidischen Darstellungen einer anthropomorphen Flügelsonne. Nach dem Zeugnis Herodots (Historien, 1,131) hätten die Perser weder Götterbilder (dydXfiaxa) noch Tempel und Altäre zur Verehrung ihrer Götter benutzt und keine anthropomorphen Götter verehrt. D i e persische Religion sei demnach anikonisch gewesen. Diese Aussage, kombiniert mit dem vielfachen Vorkommen der anthropomorphen Flügelsonne in der persischen Relief- und Siegelkunst, impliziert zugleich einen möglichen Zusammenhang mit den urartäischen Darstellungen. So haben Calmeyer und Shabazzi in einer Reihe von Untersuchungen den Nachweis führen wollen, daß in den achämenidischen Darstellungen nicht der oberste Gott Ahuramazdä, sondern der königliche Glücksglanz, das xvamah ikonographisch dargestellt sei. 3 3 5 Gemeinsam mit den antiken Nachrichten über die persischen Götterwagen, auf denen sich ein leerer (Thron-)
Sitz für Zeus/Ahuramazdä 3 3 6 befand, könnte dies in der Tat darauf hindeuten, daß unter den Achämeniden der höchste Gott, Ahuramazdä, zunächst bildlos verehrt wurde. 3 3 7 Dieser, dem alttestamentlichen Kultbildverbot nächstliegenden religionsgeschichtlichen Parallele stehen allerdings auch Beobachtungen entgegen. So sagt der von Herodot benutzte Begriff dyaXpia nur etwas über Kultstatuen aus, nichts dagegen über ikonische Darstellungen von Göttern, etwa auf Reliefs oder Siegeln. 3 3 8 Eine weitere Beobachtung betrifft den Zusammenhang zwischen abgebildeter Königsfigur und der anthropomorphen Flügelsonne. Die Zuordnung beider Motive findet sich zunächst auf den achämenidischen Felsreliefs am Bisotun-Felsen, aus Persepolis und auf den Grabreliefs in Naqs־i Rustam. 3 3 9 D e s weiteren begegnet sie auf Siegelbildern als anthropomorphe Flügelsonne und auf solchen mit einfacher Flügelsonne + Büste im Ring. 3 4 0 Innerhalb der Reliefdarstellungen wird der bärtige Mann in der Flügelsonne immer mit dem Herrschaftssymbol in der Hand (Ring) dargestellt. Demnach herrscht formale Ähnlichkeit mit dem Relief hinter dem Thronpodest im Thronsaal B in Nimrud. 3 4 1 D a der Ring immer in der Hand von Gottheiten begegnet - auch im Anubanini-Relief von Sarpol, das auch sonst auf die Gestaltung der Bisotun-Darstellung eingewirkt hat - und zudem der Polos des Mannes in der Flügelsonne am Bisotun-Felsen von einem großen Stern bekrönt wird, handelt es sich eindeutig um die Darstellung eines Gottes. 3 4 2 Die Persepolis-Reliefs lassen diese Differenzierung jedoch nicht zu. Hier ist die figürliche Darstellung beider Personen identisch. Die Osttür des Tripylon und die Südtür des Hundert-Säulen-Saales zeigen den König und eine einfache Flügelsonne, über denen der Gott in der Flügelsonne schwebt. D a die Flügelsonne, ähnlich wie im Zentrum der Apadäna-Treppen, einen den König überwölbenden Baldachin bekrönt, dessen ober-
330 p. W.5; P.4; S. 5, S. 6. Die Darstellung des Gottes mit vier Flügeln, von denen ein Paar nach oben, das andere nach unten zeigt, ist typisch für die Menua-Zeit. Hierin drückt sich nach EICHLER, aaO. 71, eine Verschiebung von den starren und wenig Bewegung vermittelnden Darstellungen der Ispuini-Zeit zu dynamischeren Ausdrucksformen aus.
die Herkunft des achämenidischen Flügelsonnensymbols gibt DU BREUIL, Des dieux de l'ancien Iran, 23 ff. 336 Ygi HERODOT, Historien, VII, 40; XENOPHON, Kyroupaideia 8,3,11 f.24; Q U I N T U S CURTIUS R U F U S , Historiae 3,3,11.
331
P.W.l, P.W.2, P.W.3, P.W.6, P.W.II, P.W.12, P.W.13; S. 1; G.26; einmal auf einem geflügelten Pferd, S . 4. Dazu kommt eventuell ein weiteres Fragment, vgl. CALMEYER-SEIDL, Zu einem Pferde-Pektorale des Ispuini, 309ff Tf.I. 332 Haldi wird sonst mit einem Löwen dargestellt, vgl. SALVINI, aaO. 85f. Die nicht differenzierenden Zuordnungen Wettergott : Stier und Sonnengott : Flügelsonne übersehen, daß es sich hier um eine Motivkombination handelt, die man als feste Konstellation bezeichnen kann. 333 CALMEYER, Zur Genese altiranischer Motive II, 63. Er beruft sich zunächst auf Zeugnisse antiker Schriftsteller über persische Götterwagen, bezieht aber auch neuassyrisches und alttestamentliches Material (Ez 1 !) ein. In der Argumentation spielen zwei Sachverhalte eine zentrale Rolle; 1. Eine Standardformulierung urartäischer Königsinschriften: ״Es fuhr aus das su-ri-i-e von Haldi, er suchte heim das Land NN" und 2. zwei Reliefs, die einen leeren Wagen darstellen, vgl. aaO. 54fundTf. 10.3,11,12. 334 Siehe hierzu SALVINI, Le Panthéon de l'Urartu, 86. 335 y g i Z g CALMEYER, Dareios in Bagestana, 77; DERS. Zur bedingten Göttlichkeit des Großkönigs, AMI 14 (1981), 5 5 - 6 0 , bes. 55 A n m . l ; DERS., Fortuna, 347ff, und die oben S. 147 Anm. 273 genannte Arbeit. Den gegenwärtigen Forschungsstand der Debatte um den Gott in der Flügelsonne fassen zusammen JACOBS, Das Chvarnah, 230ff, und jetzt A H N , Religiöse Herrscherlegitimation, 208ff; ohne Hinweis auf das Problem und mit traditioneller Deutung als Ahuramazdä H. KOCH, Dareios der König, 40f. Die Deutung als Ahuramazdä favorisieren jetzt LECOQ und JACOBS, vgl. DERS., aaO. 238ff. Die Verbindung mit einer ״Solarsymbolik" sieht auch KAIM, Das geflügelte Symbol, 33. Einen kurzen Überblick über
337
So AHN, Religiöse Herrscherlegitimation, 216f. Erst ab Artaxerxes II. begegnen bildliche Darstellungen von Göttern, so etwa von Anahita und Mithra. Es ist jedoch zu bedenken, daß diese beiden (altiranischen) Götter unter den Achämeniden keine Opferzuteilungen erhielten, also wohl nicht offiziell verehrt wurden. Dies ändert sich erst in späterer Zeit, so daß die ikonographische Darstellung dieser Gottheiten mit religionspolitischen Veränderungen der spätachämenidischen Zeit zusammenhängen mag, vgl. H. KOCH, Dareios der König, 285f; A H N , aaO. 211 mit Anm. 18. 338 YGI AHN, Religiöse Herrscherlegitimation, 211 Anm. 168; H. KOCH, Dareios der König, 2 8 2 mit Anm. 2 1 3 ; JACOBS, Das Chvarnah, 2 3 1 mit Anm. 6 2 . 339 Das älteste Exemplar bildet wohl das Relief Darms' I., das er kurz nach seinem Herrschaftsantritt in den Bisotun-Felsen nahe Kermänsäh schlagen ließ. Als programmatisches Konzept begegnet das Bildmotiv dann im Zentrum der Osttreppen des Apadäna von Persepolis; wohl nicht auf Darius selbst gehen die Darstellungen des Tripylon an der Nordund Osttür zurück sowie die vier Darstellungen der beiden Südtüren des Hundert-SäulenSaales. Die Fassade des Grabreliefs Darius' I. in Naqs־i Rustam ahmt nicht nur die Palastfront aus Persepolis nach, sondern wurde zum Vorbild aller weiteren achämenidischen Königsgräber - auch für die seit Artaxerxes II. nach Persepolis übertragenen Kopien; vgl. H. KOCH, Dareios der König, 290ff; KOCH, Reichsidee, 72-93. 340 Vgl. Katalognummern 3 9 - 5 1 und 125-135. 341 Siehe oben Anm. 258. 342 Vgl. PORADA, J N E S 20, 68; auch JACOBS, aaO. 240, mit dem Hinweis, daß das xvarnah, wenn überhaupt, durch diesen Ring versinnbildlicht werde.
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Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Zusammenfassung
ster Fries mit Rosetten besetzt ist, darf man mit Koch vermuten, daß ״der Baldachin über dem Großkönig vermutlich einen Thronhimmel" repräsentiert, der den ״Thron mit der astralen Sfäre in Beziehung" 3 4 3 setzt. Über diesem Thronhimmel schwebt als höchster Himmelsgott Ahuramazdä. Die einfache Flügelsonne repräsentiert demnach wohl eher den von der Sonne erleuchteten Himmel. Ähnliches läßt sich anhand der achämenidischen Siegelbilder beobachten. D i e anthropomorphe Flügelsonne begegnet über Räucherständer, Sakralbaum, dem König als Held und über der Königsbüste im Ring. 3 4 4 D i e einfache Flügelsonne findet sich über der Königsbüste im Ring und einmal über einem vierflügeligen Wesen. 3 4 5 Ein einzelnes Wesen mit vier Flügeln begegnet zweimal. 3 4 6 Siegelbilder und Reliefdarstellungen bilden damit auch hier die Beziehung zwischen dem König und den in der Flügelsonne personifiziert gedachten himmlischen Mächten ikonographisch ab. Gegenüber den assyrischen und urartäischen Darstellungen wirklich neu sind die Szenen, die den König als Bezwinger von Mischwesen darstellen: auf der Ost- und Westtür des Hundert-Säulen-Saales und auf Siegeln. Diese Funktion, die bislang nur Genien und Göttern vorbehalten war, wird hier erstmalig auf den König übertragen und visuell vermittelt ״that the king rose into the sphere of super-terrestrial powers" 347 . Diese Funktionsübernahme verweist zusammen mit der gestalthaften Ähnlichkeit zwischen König und Himmelsgott auf den engen Konnex zwischen beiden. In Assyrien bestand in der Palastikonographie die Ähnlichkeit zwischen Gott und König in Gestus und Aktion. Die iranischen Zeugnisse sind dagegen statischer und suchen eine gestalthafte Ähnlichkeit durch analoge Kronen, Frisuren und Gewänder auszudrücken, während die Siegelbilder den königlichen Helden häufiger im Kampf mit Tieren zeigen.
nie begrifflich zu fassen und zu beschreiben. Daß sich sassanidische, kuschanische und avestische Vorstellungen und Begriffe in diesem Versuch überschneiden, sollte einer ikonographischen Interpretation nicht im Wege stehen. 3 4 9 So mag auch Herodot im Recht sein, wenn er die Existenz von Götterstatuen im strengen Sinne verneint. D a ß es keine bildlichen Darstellungen des höchsten Gottes gegeben habe, bedeutet dies freilich nicht. Die urartäischen und achämenidischen Beispiele zeigen vielmehr, daß König + (solarisierter) Himmelsgott eine Aktions ־und Gestalteinheit bilden, deren Elemente manches Mal mehr zum Himmel, ein anderes Mal mehr zum Diesseits tendieren. 3 5 0 Hier werden nicht willkürlich neue Symbole kreiert, sondern es werden angesichts der internationaler und multikultureller werdenden Großreiche allgemeinverständliche Symbole geschaffen, die in ihren Einzelelementen jedermann zugänglich sind (Himmelsphänomene), die als Konstellation jedoch feste Aussagekomplexe bilden.
158
Die Aufgabe dieser Reichsinsignie auf den Reliefs von Persepolis läßt sich so kaum auf pure Herrschaftslegitimation beschränken. Sie gehört vielmehr - wie in Nimrud - zu einem ikonographischen Programm, das bildlich das vom Himmel gestützte Weltregiment des Königs darstellt. ״In den Reliefs werden also Grosskönig und gegliederte Völkervielfalt als Teil einer weit über den irdischen Bereich hinausreichenden allumfassenden Ordnung dargestellt."348 Wie insbesondere die neueste Forschungsgeschichte lehrt, liegt der Vorteil der bildlichen Darstellung darin, daß sie ohne Begriffe auskommt und aufgrund der Anordnung und Konstellationen verstanden werden kann. Wie das hier Abgebildete später interpretiert, welche Begriffe dafür gefunden wurden, liegt jenseits unserer Fragestellung. Festzuhalten ist jedoch, daß das assyrische, urartäische und achämenidische Großreich ein und dasselbe Herrschaftssymbol benutzen: einen am Himmel licht- und vogelartig verkehrenden höchsten Gott mit seinem auf der Erde ihn stellvertretenden König. Dabei kommt es weder auf den Namen dieses Gottes an noch darauf, welcher abstrakte Sachverhalt gemeint sei und welches Lexem diesen zutreffend auf den Begriff gebracht habe. So ist gut denkbar, daß spätere Traditionen versuchten, die Reichsinsig-
343
D.
Zusammenfassung
Als Ergebnis dieses Kapitels bleibt festzuhalten, daß die Bekleidung von Götter(bilder)n ganz dem Schema sozialer Behandlung folgt, innerhalb dessen Götter wie Personen der diesseitigen Welt ernährt und gepflegt, d.h. auch bekleidet wurden. Hierbei handelt es sich vor allem um ein tempelkultischrituelles Schema, nach dem das Kultbild der Götter entweder allmorgendlich anläßlich seiner Herstellung und Konsekrierung oder im Kontext monatlich festliegender bzw. agendarischer Zeremonien bekleidet wird.351 I. Die ägyptischen und mesopotamischen Bekleidungszeremonien lassen unterschiedliche Handlungs- und Wahrnehmungsebenen erkennen, die die Rituale miteinander verbinden. Im ägyptischen Ritual wird dem kultischen Handeln an der Statue ein analoges Handeln des durch die Statue repräsentierten Gottes vor seinem Sichtbarwerden im Kosmos zugeordnet. Diese Korrelation von tempelkultischer und kosmischer Ebene findet sich in ähnlicher Form auch in Mesopotamien. Hier wird der Vorgang des ״Herstellens" des Gottesbildes in ein diesseitiges Handeln der Menschen (״machen"/״herstellen") und jenseitiges Handeln der Götter (״gebären") komplementär differenziert. Indem schließlich die Überführung der neuen Kultstatue in den neuen Tempel mit dem kosmischen Geschehen des Sonnenlaufs verglichen wird, äußern sich in diesem Ritual kontextgebundene Wahrnehmungs- und Darstellungsformen göttlicher Präsenz. Innerhalb beider Kulturen werden diese Wahrnehmungsformen sprachlich und motivlich differenziert. Trotz aller kulturellen Differenz zeigt sich in dieser engen Tempel-Kosmos-Relation das Typische und Entscheidende der Tempel-
KOCH, Reichsidee, 91.
344
Katalognummern 3 9 - 4 1 ; 42-44; 45-46.135 re.; 47-49. Katalognummer 126.128-129.135 Ii.127. 346 Katalognummer 50.125. Vgl. aber auch KOCH, Reichsidee, 93f; in der Auswertung und im Katalog wurden nicht mehr berücksichigt die Siegel dreier achämenidischer Hofmarschalle, vgl. H. KOCH, Dareios der König, Abb. 18-20. 347 PORADA, JNES 20,68 und oben S. 30f. 348 KOCH, Reichsidee, 93. Hvhbg. nicht im Original. 345
349 Zur Einbeziehung dieses zum Teil mehrere hundert Jahre älteren Materials vgl. nochmals JACOBS, Das Chvarnah, 237ff. 350 Vgl. AHN, Religiöse Herrscherlegitimation, 34ff, zum Reziprozitätsverhältnis zwischen Königstitulatur für Götter und königlicher Machtkompetenz. 351 Vgl. oben Abschnitt B.,S.88ff.
160
Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Zusammenfassung
theologie. Als Schnittpunkt zwischen Himmel und Erde 352 markiert der Tempel nicht nur den Bereich, wo Himmel und Erde ineinander übergehen, sondern im kultischen Handeln nimmt der Mensch aktiv am göttlichen Geschehen selbst teil. Die Bekleidung der Götterbilder initiiert die Epiphanie, die Einwohnung oder Besitzergreifung des Kultbildes. Bekleidung von Götterbildern markiert in diesem tempeltheologischen Sinn die soziale Voraussetzung für die göttliche Nähe. Zur Ausübung ihrer Funktionen innerhalb der Welt schlüpft die jeweilige Gottheit in ihr Kultbild und das zugehörige Kleid. II. Für die alttestamentliche Fragestellung nach den.Wahrnehmungsformen der kultbildlos gedachten Präsenz JHWHs führt dies unmittelbar zu einer methodischen Konsequenz. Wie bereits Mettinger mehrfach betonte, dürfen tempelkultische und ״theophanische" Aspekte nicht gegeneinander ausgespielt werden. 353 Astralisierende oder solarisierte Aussagen, wie z. B. die Rede vom ״Aufstrahlen" JHWHs, bilden für sich genommen noch keinen Gegensatz zu anthropomorphen oder statischen Vorstellungen, die ein Thronen im Tempel voraussetzen. Wenn lichthafte astrale Züge eines Gottes beschrieben werden, so sind zunächst eine Präsenz im Bereich des Kosmos (Himmel/Natur) und entsprechende Wahrnehmungsformen (Beobachtung/Erfahrung) gemeint. Und umgekehrt gilt: Aus der Korrelation des Geschehens im Tempel und im Kosmos folgt ebenfalls nicht, daß Aussagen über JHWHs Kleider und Prozessionen unmittelbar auf ein Kultbild zu beziehen wären.354 Im Vergleich mit den behandelten Ritualtexten wird deutlich, daß die Frage nach der Bekleidung JHWHs, wie sie durch Ps 93 und Ps 104 aufgeworfen wird, Zusammenhänge des Tempelkults als Hintergrund hat. Daß JHWH ״sich bekleidet", erscheint somit nicht allein als purer Anthropomorphismus, sondern wird durch die Rituale und Texte der Umwelt präziser vorstellbar. Während hier der am Kultbild vorgenommene Bekleidungsakt den Gott selbst aus dem Himmel in den Tempel hinabholt, ihn epiphan werden läßt, begegnet im Alten Testament die Vorstellung, daß JHWH sich selbst mit königlichen Attributen ״bekleidet". So markiert der BekleidungsVorgang den Beginn einer bestimmten Rolle oder Funktion, die JHWH von nun an ausübt. Er schlüpft in die Rolle eines Königsgottes.355 Für die anthropomorphen und beschreibenden Aussagen im Kontext von JHWH-Epiphanien bleibt also die Differenzierung der hier erarbeiteten Aspekte eine wesentliche Aufgabe. So wollen Epiphaniedarstellungen, in die verschiedene Himmelsphänomene eingebunden sind, nicht einen Gegensatz zu Vorstellungen vom Thronen JHWHs markieren, sondern sie betonen seinen
uranophanen356, d.h. für jedermann offenbaren Aspekt. Oder, um es mit Assmann zu sagen: sie betonen die die Himmelsphänomene lenkende ״Gottessubstanz".357 Dieser Aspektdifferenzierung können nun die Beobachtungen aus der altorientalischen Ikonographie zur Seite gestellt werden. III. Im wesentlichen waren drei verschiedene Ausgestaltungen göttlicher Präsenz in der Welt zu beobachten. Zum einen, und dies ist sicherlich der wichtigste Prozeß, eine Solarisierung von Königsdarstellungen und von königlichen Aufgabenbereichen. Zum anderen eine Anthropomorphisierung astraler Symbole, die das Ziel hat, die Identität zwischem kosmischem Ereignis = astralem Symbol (z.B. Mondsichel, Venusstern) und personalem Gott zu veranschaulichen,358 und schließlich die Visualisierung unterschiedlicher Aspekte/Funktionen. So zeigt das Beispiel der Istar in ihren verschiedenen Nimbusformen, daß unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche und Eigenschaften dieser in einzigartiger Weise ״multifunktionalen" Göttin auch ikonographisehen Niederschlag gefunden haben. Diese exzeptionelle und aspekthafte Darstellung der Göttin sowie die an königsideologische Vorstellungen gebundene Darstellung einer anthropomorphen Flügelsonne machen nun weiterhin deutlich, daß sie von sich aus nicht mit solchen Phänomenen in Verbindung gebracht werden dürfen, die als ״Schrekkensglanz" (akk. melammu und Paralleltermini) bezeichnet werden. Gegen eine solche Verbindung spricht nicht nur der restriktive Kontext (Istar, Samas), sondern auch das Fehlen jeglicher negativer Konnotationen. Nur im Falle der Istar läßt sich von einem Lichtnimbus sprechen, der die mit dem Venusstern verbundene, personal vorgestellte Göttin umgibt. Nach möglichen Realisierungen des göttlichen Lichtglanzes ist eher in der ornamentalen Gestaltung der Götterkleider und in der Lichtreflexion durch verschiedene Arten der Beleuchtung des Kultbildes zu suchen.359 Im Falle der personifizierten Flügelsonne besteht das tertium comparationis vielmehr in der anthropomorphen Struktur, wonach in das Sonnensymbol eine
352
Vgl.
Heaven on Earth, 67ff; JANOWSKI, Tempel und Schöpfung, 44f.39ff; Dethronement, 30: ״When God speaks from Zion, he also speaks from heaven". 353 YGJ METTINGER, Dethronement, 35 ff. 354 Vgl. die Diskussion und auch die Anthropomorphismus-Debatte bei DIETRICH/LORETZ, Jahwe und seine Aschera, 158 ff. 355 Vgl. ausführlich zu Ps 93 unten S. 226ff. AHLSTRÖM,
METTINGER,
159
356 Dieser Terminus soll die m.E. falsche Alternative astral/solar vermeiden. Wesentlich ist die Analogiebildung zwischen sichtbaren Phänomenen des Himmels und konkreten Aktionen entsprechender Götter. 357 Vgl. oben S . 94f und A S S M A N N , Ägypten, 54.58ff. 358 Dabei wurde die Frage, inwieweit hier Identitätskrisen von Gottheiten infolge zunehmender Pluralisierung der nationalen Beziehungen zugrundeliegen, noch nicht erörtert. Ebenso ungewiß ist, nach welchen Kriterien Gottheiten anthropomorph, symbolisch oder astral-anthropomorph dargestellt werden. So zeigt z. B. die Asarhaddon-Stele aus SendschirIi, vgl. BÖRKER- KLÄHN, Bildstelen, Tf. 219, die Pleiaden, Istar, Samas, Sin, Marduk, Nabü, Ea und Ninurta nur als (astrale) Symbole, während Assur, Ninlil, Enlil und Adad anthropomorph dargestellt werden. Ähnliches gilt für die wechselhaften Darstellungen des Mondgottes, anthropomorph mit Mondsichel auf der Hörnerkrone oder in späterer Zeit anthropomorph in der Mondsichel oder im Boot, vgl. COLLON, Moon God, 19ff; STOL, The Moon 245 f.247 f. 359 Siehe oben S. 116ff. Auch hier zeigt sich die Differenz der Wahrnehmungsformen, wenn Schmuck-Termini etwa mit Himmelsphänomenen in Relation gesetzt werden, vgl. zum
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Götterkleider und Göttergestalt im Alten Orient
Zusammenfassung
anthropomorphe Figur in deutlicher Parallele zum König eingezeichnet wird, um so Sonnengott und König als Handlungseinheit darzustellen. Das in den Inschriften begegnende Königsepitheton ״Sonne der gesamten Menschheit" geht den umgekehrten Weg. Damit werden zwei Bewegungen erkennbar: In der Ikonographie eine Angleichung des Sonnengottes an den König; in den Königsinschriften eine Angleichung des Königs an den Sonnengott. IV. Das Ziel dieser in königsideologischem Sinne klassisch zu nennenden Motivkonstellation besteht in der Schaffung einer großherrschaftlichen Insignie, die die tempeltheologische Korrelation von himmlischem und irdischem Geschehen bildlich festhält.360 Neben dem Tempel erweist sich damit auch der König in seinen Aufgaben als Kriegsherr und Priester sowie in seiner Überlegenheit über die nicht domestizierten Tiere als Symbol göttlicher Macht. In der Person des Königs gewinnt der Himmelsgott seine irdische Gestalt! Während in späterer Zeit, z.B. in sassanidischen Felsreliefs, die Investitur des Königs durch den höchsten Gott dargestellt wird, zeigen unsere Darstellungen nicht den Beginn der Gott-König-Relation, sondern ihren Vollzug. Es ist auffällig, daß die solar konnotierte Gott-König-Relation vornehmlich im Kontext universaler Herrschafts- und Machtausübung begegnet: in der ägyptischen Königsideologie des Neuen Reichs, in der neuassyrischen Palastkunst, in der gleichzeitigen Kunst des aus mehreren Völkern zusammengeschlossenen jungen Königreichs von Urartu und schließlich in der achämenidischen Relief- und Siegelkunst. So bildet die anthropomorphe Flügelsonne während der gesamten Geschichte Israels eine königsideologisch-ikonographische Konstante. Sie formuliert bildlich einen universalen Herrschaftanspruch des Königs nach außen, der sonnengleich alle Bereiche der Erde durchdringt und sich ihrer bemächtigt. Sie repräsentiert nach innen den Zusammenhang zwischen dem Sonnenlicht, der Fruchtbarkeit der Natur und der auf den König zurückzuführenden Prosperität des Landes. Diese enge Verbindung zwischen den Göttern bzw. dem Sonnengott des Himmels und dem König erweist sich somit als ein gesamtlevantinischer Prozeß, dessen Anfänge in der Übernahme des ägyptischen Flügelsonnensymbols in die syrische Herrschaftsikonographie im 17. Jh. v. Chr. zu sehen sind.361 Der zeitliche Rahmen dieses Prozesses umfaßt die Zeit der ägyptischen Oberhoheit über Syrien und die Levante in der Mitte des 2. Jt.s bis zur achämenidischen Zeit. Das Symbol der Rügelsonne erscheint damit als ein traditionsgeschichtliches Kontinuum. Es verbindet die alte, seit dem 3. Jt. aus
Babylonien bekannte Beziehung zwischen Sonnengott und König mit der neuassyrischen Großreichskonzeption auf ikonographischem Wege. 362 V. Von diesen allgemeineren religionsgeschichtlichen Beobachtungen ausgehend, stellt sich für die nun folgende Untersuchung alttestamentlicher Texte die Frage, inwieweit die in Tempeltheologie und Ikonographie der Nachbarkulturen greifbare Beziehung zwischen dem Sonnengott und dem König auf die Entwicklung der alttestamentlichen Gottesvorstellung und auf die Gott-KönigRelation eingewirkt hat. Um möglichst nahtlos an die zu Beginn dieses Kapitels behandelte Kultbildthematik anknüpfen zu können, sollen in einem ersten Abschnitt (A) die Kultbildpolemik der Propheten Jeremia und Deuterojesaja dargestellt und ihre Aussagen zur königlichen Gestalt JHWHs überprüft werden. 363 In einem zweiten Abschnitt (B) sollen tempelkultisch beeinflußte Texte nach der Gestalt JHWHs als königlichem Tempelgott befragt werden. Und schließlich nimmt ein dritter Abschnitt (C) die durch die Ikonographie aufgeworfene Frage nach der Gott-König-Relation wieder auf, und zwar speziell unter dem Aspekt einer Royalisierung des Menschen nach dem Verlust des institutionalisierten Königtums.
״Strahlenbüschel", akk. sipru, und zur (Mond-)Sichel, akk. uskaru, WEIDNER, Handbuch der Astronomie 1,15; DERS., Ein astrologischer Sammeltext, 105ff, bes. 110. 360 D e r e n g e Zusammenhang zwischen höchstem Gott und irdischem König wird ikonographisch auch dadurch ausgedrückt, daß innerhalb des nur von Göttern gehaltenen Rings eine kleine Königsfigur abgebildet wird, vgl. z . B . die Reliefs von Bawian/Hinnis bei BÖRKERKLÄHN, Bildstelen, Tf. 187a-b.l88. 361 Vgl. oben S. 152ff.
362
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Zur engen Verbindung zwischen Sonnengott und König vgl. besonders unten S. 255 ff. Da in dieser Textgruppe hauptsächlich die himmlische Dimension der Gottespräsenz reflektiert wird, bildet sie tempeltheologisch ausgedrückt das kosmische Korrelat zu den mehr am Tempel orientierten Texten im Abschnitt B. 363
JHWH und die Götzenbilder
Drittes Kapitel
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z.B. Jer 10; Jes 44,13; Jes 40,18; Ez 16,186, und das Kultbildverbot in Ex 20,4; Dtn 5,8f. 7 Angesichts des in den polemischen Texten vorausgesetzten Bekanntheitsgrades der mesopotamischen Bräuche muß das besondere Augenmerk darauf gerichtet sein, was im Alten Testament dem Götterbild entgegengesetzt wird und ob dabei visuelle und gestalthafte Züge zur Gänze unterdrückt oder lediglich transformiert werden.
Die Königsgestalt JHWHs I. Königsherrschaft Der bisherige Gang der Untersuchung hat gezeigt, daß in Israels altorientalischer Umwelt Götter repräsentierende Statuen/Statuetten mit realen und besonders reich verzierten, kostbaren Gewändern bekleidet wurden.1 Die an den Statuen und damit an den Göttern selbst vollzogenen Bekleidungszeremonien fallen entweder unter die Kategorie einer sozialen Pflege ähnlich der Götterspeisung durch Opfer oder einer Kultinstallation bzw. Kulterneuerung.2 Auch in der Bildkunst, sei es Rundbild oder Flachbild, werden die zahlreichen Götter regelmäßig bekleidet dargestellt.3 Vor allem in der neuassyrischen Bildkunst wurden Aspektdifferenzierungen der Götter beobachtet, die mit Hilfe künstlerischer Gestaltungstechniken realisiert wurden.4 Sie werfen die Frage auf, wie die im Alten Testament vorausgesetzte kultbildlose Religionsform Aspektdifferenzierungen realisiert hat und wodurch die Defizite einer visuellen Unzugänglichkeit Gottes5 aufgefangen werden.
A. JHWH und die
versus
Gestalthaftigkeit
1. Das Spottgedicht Jer 10,1—16 Das Verhältnis zwischen JHWH und den bekleideten Götterstatuen der Umwelt nimmt in besonderer Weise Jer 10,1-10.12-16 in den Blick. Ohne hier im einzelnen auf die verwickelte Textgeschichte eingehen zu können, sollen zunächst einige Eckdaten genannt werden. In seiner Endgestalt stammt der Text aus dem 5.Jh. v.Chr. und wird durch den sekundären aramäischen Bannspruch V. 11 (Glosse) deutlich in zwei Teile untergliedert, die thematisch und zeitgeschichtlich zu differenzieren sind. Für unsere Frage nach der Kultbildpolemik, wie sie primär in V.(2.)3-9 zum Ausdruck kommt, ist aber genau diese Verbindung mit dem älteren und noch vorexilischen Stück V. 12—16 wesentlich.8 Anhand einer Übersetzung und Aufbauskizze des Endtextes (ohne V. 11) seien im folgenden die textimmanenten Bezüge in ihrer Relevanz für unsere Fragestellung erläutert.
Götzenbilder
Dieser Problematik ist anhand zweier Textkomplexe nachzugehen, die im weitesten Sinne gegen Statuen/Statuetten als Repräsentationen von Göttern polemisieren: die Spottgedichte über die Götterstatuen Mesopotamiens, wie 6
1
Vgl. oben S. 120ff. 2 Vgl. oben S. 108ff. 113ff; s. auch S. 83ff. 95ff. 3 Markanteste Ausnahmen sind die Darstellungen einer nackten Göttin bzw. einer nackten Kultaktantin aus dem Istar-Kreis, vgl. zuletzt BLOCHER, Untersuchungen, 231 ff; BÖHM, Die „nackte Göttin", pass.; und KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 327ff. Grundsätzlich gilt wohl, daß die Nacktheit selbst noch kein Attribut für Göttlichkeit darstellt. Dies gilt auch für Tempeloder Naosmodelle, deren den Eingang flankierende Säulen durch die Darstellung einer nackten Frau ersetzbar sind, wobei die Frau entweder mit dem Attributtier der Istar/Astarte als Göttin oder durch dessen Weglassung als Kultaktantin/Priesterin ihres Kultes gekennzeichnet wird, vgl. auch BRETSCHNEIDER, Architekturmodelle, 150ff; DERS., Götter in Schreinen, 13 ff. 4 Siehe oben S. 131 f. 5 Vgl. dazu GLADIGOW, Konkurrenz, 112.114.115f; und oben S. 83f.
Zur Binnenperspektive dieser Polemik gegen die Götter fremder Völker vgl. GERSTENAndere Sitten, 127ff, und 131: ״Wenn Israel als Glaubensgemeinschaft überleben will, muß es sich auf sein Eigenstes konzentrieren, so wie alle Minderheiten der Geschichte sich auf charakteristisch Eigenes zurückziehen müssen". Eine unkritische Aneignung des polemischen Umgangs mit den Religionen und Numina anderer Völker, wie sie z . B . der christliche Sprachgebrauch im Begriff des ״Heiden" erhalten hat, erscheint damit mindestens aus historischen Gründen überholt zu sein. 7 Zur gemeinsamen Intention der beiden Textgruppen und ihrer sonstigen Eigenständigkeit vgl. HOSSFELD, D U sollst dir kein Bild machen, 9 1 f; DOHMEN, 6 9 6,פסלf;vgl. auch WEINFELD , AncB 5 , 2 2 6 F . 8 Über die Probleme der Textgeschichte, insbesondere das Verhältnis zwischen M T und LXX bzw. 4Q Jerb und der Textentstehung (Dublette zu V. 12-16 in Jer 51,15-19) informiert präzise H. WEIPPERT, Schöpfer, 28ff; vgl. auch KREUZER, Der lebendige Gott, 287f; vgl. sonst RUDOLPH, HAT 12, 71 ff; WEISER, ATD 20,87ff; HOLLADAY, Jeremiah 1,322ff. BERGER,
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JHWH und die Götzenbilder
Die Königsgestalt JHWHs
Und gemeinsam sind sie dumm und töricht. Die Unterweisung der Nichtse - Holz ist es. 1 8
Übersetzung von Jer 10,2—16: 2
„So spricht JHWH: D e n Weg der Völker sollt ihr nicht einüben und vor den Zeichen des Himmels nicht erschrecken, obwohl 9 die Völker vor ihnen erschrecken.
3
4 9
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Denn die Sitten 10 der Völker - Vergänglichkeit ist es 1 1 , denn Holz 1 2 , aus dem Hochwald gefällt, ist es, ein Machwerk der Hände des Handwerkers mit der Axt. Mit Silber und Gold macht man es schön 1 3 , mit Nägeln und Hämmern befestigt man sie, so daß es nicht wackelt. Dünngehämmertes Silber, aus Tarschisch kommend, und Gold aus Ufas, ein Machwerk des Handwerkers und der Hände des Goldschmieds. Blauer und roter Purpur ist ihr Kleid, ein Machwerk aller Künstler. Wie eine Scheuche im Gurkenfeld sind sie und reden nicht; sie müssen getragen werden 1 5 , denn sie können nicht gehen. Fürchtet euch nicht vor ihnen, denn sie tun kein Unheil, und Gutes < i s t > nicht bei ihnen. 1 6 Niemand ist dir gleich, JHWH, groß < b i s t > du, und groß ist dein Name in Macht. Wer fürchtet dich nicht, König der Völker, denn dir gebührt dies, denn unter allen Weisen der Völker und allen ihren Königreichen gleicht dir niemand. 1 7
7
9
10
V g l . RUDOLPH, H A T 1 2 , 7 0 .
Aufgrund des parallelen Aufbaus in V. 2 ״Weg der Völker" scheint auch hier auf die damit zusammenhängenden Bräuche angespielt zu werden, vgl. ähnlich WEISER, ATD 2 0 , 8 5 . 11 Das das pendierende Subjekt (״Sitten der Völker") wieder aufnehmende sPP הוא kongruiert in Numerus und Genus mit dem Prädikat des Nominalsatzes ()הבל, vgl. GROSS, Pendenskonstruktion, 126 f mit Anm. 100,140. 12 Hier liegt wiederum eine Pendenskonstruktion vor, die das pendierende Subjekt in einem ,O-Satz voranstellt, vgl. GROSS, aaO. 128 Anm. 113. 13 Als ״Sitte der Völker" wird jetzt der Brauch verstanden, sich Gottesbilder anzufertigen. Zur ״Schönheit" solcher Bilder vgl. oben S. 111.114f. 14 Nach V. 4 ist mit LXX V. 9 an dieser Stelle einzufügen, vgl. auch die entsprechende Abfolge in 4Q Jerb, vgl. weiter H.WEIPPERT, Schöpfer, 34. Eine Aufgliederung des V. 4 in die Abfolge V. 4a.9.4b, so RUDOLPH, HAT 12, z. St., ist unnötig. 15 Lies ינשאו, vgl. Apparat der BHS. 16 Lies u m . 17 מאין כמוףam Anfang von V. 6 und am Ende von V. 7 bildet stilistisch eine envelope figure, vgl. WATSON, Classical Hebrew Poetry, 282ff.
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Aber JHWH ist ein treuer Gott, er ist ein lebendiger Gott und ein ewiger König, vor seinem Zorn erzittert die Erde, und die Völker halten seinen Grimm nicht aus. Der die Erde gemacht hat in seiner Kraft, der gegründet hat den Erdkreis in seiner Weisheit [und] 19 hat in seiner Klugheit die Himmel ausgespannt. Auf seine Stimme ergießt 20 sich die Wassermenge im Himmel, und er läßt Wolken aufsteigen vom Rand der Erde, Blitze für den Regen hat er gemacht und läßt den Wind aus seinen Kammern herausgehen. Dumm steht jeder Mensch da, ohne Erkenntnis, beschämt jeder Goldschmied vor dem Bild, denn Trug sind seine Gußbilder 21 , und ,Leben' ist nicht in ihnen. Nichtse 2 2 < s i n d > sie, ein Machwerk der Spötterei, zur Zeit ihrer Heimsuchung gehen sie zugrunde. Nicht wie diese ist der Anteil Jakobs, denn er hat dies alles gebildet, und Israel ist der Stamm seines Erbteils, JHWH Zebaoth ist sein Name.
18 V. 3 und V. 8 bilden durch die Begriffe ״Holz" und die antithetische Konstruktion ״Sitten der Völker"/״Unterweisung der Nichtse" einen Rahmen, der V. 3 - 8 als ersten Teil der Dichtung markiert. 19 Ist die Kopula hier als Dittographie zu streichen? Das Subjekt des Satzes wären dann die voraufgehenden Partizipialsätze. 20 Lies ל ק ו ל ו נ ת ך, vgl. RUDOLPH, H A T 1 2 , 7 2 . 21 Punktiere .נסכו 22 Der Begriff הבלverbindet V. 15 mit V. 8 und V. 3, so daß sich als thematisch gegliederte Texteinheiten ergeben: V. 3 - 4 . 9 . 5 Götterbilder; V. 6 - 7 JHWH; V.8 Götterbilder; V. 10-13 JHWH; V. 14-15 Götterbilder; V. 16 JHWH. Diese Abfolge entspricht exakt einer antithetischen Struktur, so daß jedem Thema der ersten Strophe das entsprechende Thema der zweiten Strophe entgegengesetzt wird: Strophe I: A Götterbilder: V. 3 - 4 . 9 . 5 B JHWH: V. 6 - 7 A Götterbilder: V. 8 Strophe II: B' JHWH: V. 10-13 A' Götterbilder: V. 14-15 B' JHWH: V. 16.
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Die Königsgestalt JHWHs
JHWH und die Götzenbilder
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23
Außau und Strukturanalyse zu Jer 10,3-16 : V. 3 - 4 . 9 . 5 Unfähigkeit der Holzbilder V. 6 - 7
Unvergleichbarkeit JHWHs Größe JHWHs + Furcht
V. 8
Dummheit der Götterbilder
V. 10
D E R KÖNIGSGOTT wahrhaftig, lebendig
עץ,הבל,מעשה מלך הגרים
״Dünngehämmertes Silber - aus Tarschisch kommt es - und Gold aus Ufas, Arbeit des Künstlers und der Hände des Goldschmieds, blauer und roter Purpur ist ihr Kleid. Arbeit von Künstlern sind sie alle" (Jer 10,9). 2 8
בער-111,צורף עץ,הבל | j
מלך עולם
V. 12
D E R SCHÖPFERGOTT I Erde ארץ j Festland תבל j Himmel שמים j V. 13 E R H A L T U N G D E R S C H Ö P F U N G A U S D E M HIMMEL j Stimme - Wasser d. Himmel ()מים בשמים j Wolken v. Erdrand ()נשאים ! Blitze - Regen (ברקים/)מטר I Wind aus Kammern ()רוח j V. 1 4 - 1 5 Dummheit der Menschen und der Bilder בער-111, פיסל צורף,הבל,מעשה V. 16
JHWH Zebaoth ist sein Name
Ausstattung dieses Werkstückes mit Edelmetallen und kostbaren Gewändern werden Analogien zur Umwelt sichtbar, die sich auf das mīs ;7?-Ritual zur Herstellung von Götterstatuen beziehen lassen:27
יהוה צבאות
Wenden wir uns zunächst V. 1 - 1 0 zu. Dieser aufgrund seiner Verwandtschaft mit der Endgestalt des Dtjes-Buches höchstwahrscheinlich nachexilische Abschnitt wendet sich nach dem Aufmerksamkeitsruf (V. 1) in einer Gottesrede an das ״Haus Israel". Inhalt der Mahnung ist, nicht den Bräuchen der Völker der Umwelt zu folgen, was konkret als ״erschrecken" (nnn־Ni.) 24 vor den ״Zeichen des Himmels" gefaßt wird. Es bleibt offen, ob mit ״Zeichen" die sichtbaren Phänomene des Himmels gemeint sind oder ob eine Anspielung auf Sternomina vorliegt.25 Als Begründung dieser Ermahnung ist der ganze Abschnitt V. 3 - 1 6 aufzufassen. Als Argumente fungieren in V. 3-4.9.5 die ״Nichtigkeit" ( )!זבלder Götterstatuen26, denen als von Handwerkern bearbeitetem Stück ״Holz" die folgenden Fähigkeiten abgesprochen werden: Standfestigkeit (V. 4), Sprache, Bewegung und die Fähigkeit, Unheil und Gutes (יטב/ )רעעzu bewirken (V.5). Im Vergleich mit der in V.4a.9 erwähnten
Daran, daß der dort wesentliche ״belebende" Ritus der ״Mundöffnung" hier quasi unterschlagen wird,29 zeigt sich deutlich, daß Jer 10,2ff nicht allgemein gegen Götterstatuen polemisiert, sondern gegen die Dinghaftigkeit dieser ״Götter", und daß sie Produkte menschlicher Handwerkerarbeit sind. In dem anschließenden Teilstück V. 6 - 7 wird der Negativcharakteristik die Größe JHWHs als des zu fürchtenden Gottes gegenübergestellt. Elemente der Vor- und Überordnung JHWHs sind die ״Größe" ()גדול, die ״Größe des Namens durch/in Machttaten" ( )גדול שם בגבורהund sein ״weises" ()חכם Handeln.30 Diese Attribute bleiben zunächst wohl noch - bis auf den Gegensatz ״nichtig"/״weise" - inhaltlich abstrakt. Worin die Unvergleichlichkeit JHWHs besteht, sagt der Text noch nicht. Vielmehr bietet V. 8 eine weitere Opposition, die die Gegenständlichkeit (Künstlerwerk) und die daraus resultierende ״Dummheit" (111 ־בערpar. )פסלder Statuen hervorhebt. Dem stehen V. 10.12-13 als Beginn des zweiten Abschnitts (V. 10.12-16) nun diametral entgegen: ״Aber JHWH ist ein wahrhafter Gott. Er ist ein lebendiger Gott und ewiger König. Vor seinem Zorn erzittert die Erde, und nicht vermögen die Völker seinem Grimm standzuhalten (V. 1 0 ) . . . Der die Erde gemacht hat in seiner Kraft, der gegründet hat den Erdkreis in seiner Weisheit [und] hat in seiner Klugheit die Himmel ausgespannt. Auf seine Stimme ergießt sich die Wassermenge im Himmel, und er läßt Wolken aufsteigen vom Rand der Erde, Blitze für den Regen hat er gemacht und läßt den Wind aus seinen Kammern herausgehen" (V. 1 2 - 1 3 ) .
Die Intention dieser Entgegensetzung ergibt sich aus der Abfolge der Aussagen: wahrhaftiger Gott - lebendiger Gott - ewiger König. Während die ersten
27
23
Zur Funktion von V. 1 - 2 siehe unten. Zur Struktur vgl. auch CLENDENEN, Discourse Strategies, 402ff. 24 Neben י ר אauch sonst im Jer-Buch z.B. 23,4; 30,10, vgl. MAASS, 298 ,חתתf. 25 Es ist wohl kaum daran gedacht, daß böse Dämonen durch die astrologischen Praktiken unschädlich gemacht werden sollen, wie RUDOLPH, HAT 12, z. St. meint. Eher wäre an die in der neuassyrischen Zeit zu einem Höhepunkt gekommene Beobachtung und Katalogisierung astraler Phänomene zu denken. Dies hatte jedoch Zukunftsdeutung und Erkenntnis von Regeln im Ablauf naturhafter Prozesse als Zielsetzung, vgl. den noch immer klassischen Aufsatz von OPPENHEIM, Divination, 97ff; SPIECKERMANN, Juda, 257ff. 26 Terminus der Götzenpolemik vgl. SEYBOLD, 339 ,הבל.
Zu den weiteren „handwerklichen" Voraussetzungen unseres Textabschnittes vgl. Bilder, 197-210. Ob in diesem Zusammenhang von Statuen zu handeln ist, die in den Privatkult gehören, aaO. 209, ist zu bezweifeln. In privaten Kulten scheint nach dem archäologischen Befund der Eisen- und der Perserzeit eher mit billigen Terracotten vom Typ der pillar figurines zu rechnen zu sein, vgl. STERN, Cult Figurines, 2 2 - 2 9 . 5 3 - 5 4 . 28 Zu den Purpurkleidern vgl. oben S. 66f; zu den Edelmetallen im Kontext der Statuenherstellung siehe oben S. 114ff. 122ff; vgl. ferner Jes 44,9-20, den ausführlichsten Text der Götzenpolemik, der die Herstellung der Götter verspottet. 29 Vgl. oben S. 111. Die Unterschlagung des „Mundöffnungsrituals" beruht entweder auf Unkenntnis oder Absicht. Wie die einzelnen Riten in ihrem Bezug aufeinander zeigen, ist die vom Autor von Jer 10,2 ff unterstellte Naivität der Völker unrichtig. 30 Dies verbindet den Text beispielsweise mit Ps 95,3; 96,4; 99,3; 104,1 und Prv 3 , 1 9 - 2 0 SCHROER,
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Die Königsgestalt JHWHs
beiden Attribute zielgenau gegen die Gegenständlichkeit der zuvor genannten Statuen gerichtet sind, leitet die Königsprädikation zum Folgenden über. Wer ist dieser Gott, der Erde und Völkerwelt erzittern läßt? Was macht den qualitativen Unterschied aus? Bei genauerer Betrachtung nennt V. 12.13 nicht nur eine Abfolge von schöpferischen und welterhaltenden Handlungen, sondern weist ersteren weitere Attribute zu. Erde, Erdkreis und Himmel sind בכח,בחכמה und בתבונה, also vor allem mittels mentaler und intellektueller Fähigkeiten von JHWH geschaffen worden.31 Die Erhaltung der Welt vollzieht sich dadurch, daß dieser Gott den Befehl zum Abregnen der Himmelswasser gibt. Dies geschieht sichtbar und in meteorologischen Phänomenen: Regenwolken ()נשאים, Blitzen ()ברקים, Sturmwind ( )רוחund Regen ()מטר, als Gewitter. Hierin liegt die Spitze des in immer neuen Anläufen voranschreitenden Textes, der zunächst die Größe JHWHs, seine Einzigkeit und sein Königtum behauptet und dieses schließlich in zweifacher Gestalt entfaltet: als Schöpfungstätigkeit im Kontext einer creatio prima und im Sinne einer creatio continua32 Ist die ״Größe JHWHs" offenbar einer weisheitlich geprägten Tradition zugeordnet, die den Text z. B. mit Ps 104,24 verbindet, so verweist die Wettergott-Topik mit ihrer konkreten Benennung der sichtbaren Phänomene auf das Lichtkleid JHWHs in Ps 104,1-4. 33 Gemäß dieser engen Parallele zu Ps 104 verlaufen die in Jer 10 aufgemachten Oppositionen auf verschiedenen Ebenen: Kompetenz: Dummheit-Weisheit; Verehrung: Nicht zu fürchten - zu fürchten; Wirkmächtigkeit: weder Heil noch Unheil - Schöpfungshandeln; Erkennbarkeit: Statue im Purpurkleid - Wettergott im Lichtkleid. Donner, Blitz, Wolken und Sturmwind bilden nach Jer 10,10.12-13 die erkennbare Außenseite Gottes. Nicht eine anthropomorphe Gestalt, sondern die Wirkzeichen einer Wettergottheit zeigen das Handeln dieses Gottes weithin sichtbar an. Im Vergleich mit den Texten zur Konsekrierung von Götterstatuen aus Mesopotamien, die diesen Vorgang als ein in Himmel und Erde gleichzeitig stattfindendes Geschehen darstellen und eine himmlische und eine statuenhafte Form göttlicher Existenz unterscheiden, blendet der Redaktor von Jer 10,2-10.12-16 den Aspekt der Gegenständlichkeit Gottes aus34, während die Dimension der himmlischen Existenz für JHWH reklamiert wird.
bzw. Ps 1 0 4 , 2 4 , vgl. MEINHOLD, Z B K 1 6 / 1 , 8 1 f; vgl. auch Jes 4 4 , 1 8 . 2 0 und MATHEUS, Spottgedicht, 321. 31 Vgl. wiederum in der Psalmensprache z.B. Ps 29,4; 65,7; 104,24 und HOLLADAY, Jeremiah 1,335, sowie LANGER, Zum Problem des Umgangs mit Macht, 168f. 170f. 32 Weltschöpfung und Welterhaltung sind die klassischen „Fälle", in denen ein Gott sein Königtum unter Beweis stellt. In diesem Sinne sind die so differenzierten Schöpfungsakte auch nicht als das Königtum allererst begründende, sondern dieses entfaltende Handlungen anzusehen, vgl. JANOWSKI, Königtum Gottes, 450f; PODELLA, Chaoskampfmythos, 302ff. 33 Siehe ausführlich unten S. 232ff. 34 Vgl. besonders oben S. 111 Anm. 116, zum Ritualablauf am zweiten Tag und die Beschwörung STT 200,82 mit ihrem Hinweis, daß die Statue nach Fertigstellung wie ein „Stern aufstrahlt" und gleichermaßen „im Himmel und auf der Erde" gemacht sei.
JHWH und die Götzenbilder
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V. 14-15 bilden schließlich nochmals eine durch Stichwortanknüpfung markierte Entsprechung zu V. 3-4.9.5.8 und übertragen die Unfähigkeit und ״Dummheit" der Statuen auf die Menschen, die ein solches Machwerk verehren (V. 14aa), und auf die Handwerker, die vor seiner Dummheit und Geistlosigkeit ( )רוחresignieren (V. 14aß.b.l5). Gegen diese Machwerke der Handwerker steht in V. 16 der in Aufnahme von V. 12 als ״Bildner von Allem" ( )יוצר הכלprädizierte Schöpfergott unter seinem offenbar Bezüge zu V. 13 und den dort genannten Wolken, Blitze, Regen und Wind herstellenden Namen JHWH ״der Heerscharen".35 In der Verbindung der Götzenpolemik in V. 3-4.9.5.8 mit dem kleinen Königshymnus V. 10.12-13 verändert sich das Ziel der Polemik. Jetzt wird nicht mehr die Dummheit und Handlungsunfähigkeit der Götterstatuen der Umwelt satirisch der Lächerlichkeit anheimgegeben, sondern mit der breiten Entfaltung des Königsepithetons durch Weltschöpfungs- und Welterhaltungsaussagen wird JHWH als Königsgott im Himmel dargestellt. Die Form der Welterhaltung, die sichtbaren und spürbaren Phänomene: Regen, Blitze, Wolken und Wind, gelten dabei aufgrund universaler Erfahrbarkeit nicht nur Israel, sondern allen Völkern.36 Die Theologie dieses späten Stückes israelitischer Religionsgeschichte strebt damit nicht nach einer wie sonst für die nachexilische Zeit öfter behaupteten Transzendierung37 der Gottesvorstellung, sondern visualisiert sie, indem die Wetterphänomene des Himmels als sichtbare Außenseite des Königsgottes beschrieben werden. 2. Die Götzenbildschicht
bei Dtjes
Obwohl die Götzenpolemik des Alten Testaments mit dem verwendeten Fachterminus ( פסלJer 10,14; Jes 40,19, vgl. Dtn 4,16; 5,8) Bezüge zu den Bilderverbotstexten herstellt - und auch intentional einiges mit ihnen gemein־ sam hat - , muß sie als eine eigenständige Parallelentwicklung zum Bilderverbot verstanden werden. Dazu zählt auch die Götzenschicht im Deuterojesajabuch.38 Zu ihr zählen die folgenden Texte: Jes 40,18-20; 41,6-7.24b.29b; 44,9-20; 45,15-17.20b und 46,5-7. Diese in konzentrischer Struktur um den Haupttext Jes 44,9-20 3 9 gelagerten Texte sind vermutlich um die Wende vom
35
36
V g l . RUDOLPH, H A T 1 2 , 7 5 ; WEISER, A T D 2 0 , 9 0 .
Vgl. NÖTSCHER, HSAT V I I / 2 , 1 0 3 . Er spricht von einer „Art kosmologischer Gottesbeweis: Weltschöpfung und Welterhaltung zeigen die Macht und Weisheit Jahwes!" 37 Vgl. etwa HOSSFELD, D U sollst dir kein Bildnis machen, 94, zur Darstellung JHWHs als transzendenter Gott bei P. Daß gerade die Hinweise auf Himmelsphänomene nicht als Transzendierung, sondern als Universalisierung der Gottesvorstellung begriffen werden wollen, hat die Analyse der ikonographischen Beispiele gezeigt, s. oben S. 141ff; vgl. auch mit sozialgeschichtlichen Differenzierungen VAN OORSCHOT, Der ferne deus praesens des Tempels, 416ff, bes. 429f. 38 Vgl. zuletzt KRATZ, Kyros, 192ff; DERS., Anfang, 409; DICK, Prophetic Poiesis, 238ff. 39 Vgl. hier besonders MATHEUS, Spottgedicht, 318ff, und das Strukturschema, aaO. 324.
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Die Königsgestalt JHWHs
6. zum 5. Jahrhundert im Zuge der Fortschreibung von Grundschrift, Zionsund Kyrosschicht in das Dtjes-Buch gelangt. 40 ״Die Bilderherstellung und -Verehrung wird offenbar speziell mit Babylon in Jes 47 (44,25) in Verbindung gebracht, worauf auch sprachliche Bezüge führen. Beides muß - anstelle der Völker und gemeinsam mit dem Status Babels als ,Königin4 der Welt - verschwinden, bevor durch Vermittlung des persischen Königs von dessem politisehen Zentrum in Babylon aus (48,12-14; 4 9 , 1 - 6 mit Rückverweisen) das Heil Israels in Zion-Jerusalem, Königin und Braut des dort residierenden Königs Jhwh, und aller sich dorthin verneigenden Welt stattfinden kann."41 Diesem mehr auf der Ebene der Literaturgeschichte angesiedelten theologisehen Argument widerspricht jedoch nicht, daß Jes 4 4 , 9 - 2 0 wie auch Jer 10 Informationen über die Herstellungstechnik von Götterstatuen in Mesopotamien verarbeiten. 42 Besonders in den Kapiteln 4 0 - 4 1 überlagert diese Götzenschicht die vorwiegend in Sprucheinheiten gefaßte Völker- und Feindproblematik, deren Ziel es ist, Jakob/Israel der Überlegenheit und Größe seines Gottes JHWH zu vergewissern (Jes 40,27; 41,8.14). 43 Geschah dies ursprünglich durch die Ableitung aus JHWHs Schöpfermacht und Geschichtsmächtigkeit (Jes 40,12ff.21 ff), so verschiebt die Götzenschicht den Akzent und weitet das Problem auf das Verhältnis zwischen JHWH und den als Statuen begriffenen Göttern der Völker aus. Als exemplarischer Text in dieser Hinsicht erweist sich Jes 40,18-20. Zwischen 40,12-17 und 40,21-26 positioniert, entsteht eine in sich klar strukturierte Texteinheit, die ähnlich Jer 10,3-16 die Bilderfrage in einen königsideologisch geprägten Rahmen stellt. Anhand des den Abschnitt strukturierenden Frage-Schemas ( מיV. 12.13 / את מיV. 14 / ואל מיV. 18.25 / הלוא V. 21) und der in V. 15-17.23-24 begegnenden Völkerthematik legt sich folgender Gesamtaufbau 44 mit einer Strophenfolge A - B - C/A' - B' - C' nahe:
40
Einzelnachweis bei
41
KRATZ, a a O . 1 9 7 .
KRATZ,
aaO. 192ff. 197f.
JHWH und die Götzenbilder
Übersetzung von Jes
13 14
15
43
44
Vgl. KRATZ, Kyros, 4 3 f .
Nach wie vor ungeklärt ist die Frage, ob Jes 40,12-31 als einheitlicher Abschnitt zu gelten hat, vgl. WESTERMANN, ATD 19, 41 ff, oder nur V. 18-26, vgl. ELLIGER, BK XI/1, 59ff, bzw. V. 12-26 (hier favorisierte Lösung), vgl. auch KRATZ, Kyros, 192ff. Unstrittig ist jedoch, daß die beiden jeweils mit הלואeingeleiteten Fragereihen in V. 21.28 mit den Verben שמע/ידע aufeinander Bezug nehmen. Ebenfalls nicht zu übersehen ist die Abfolge der Disputationsworte, wozu dann auch V. 27—31 zu zählen wären, vgl. WESTERMANN, aaO. 51. Für die hier zu verhandelnde Frage, wie V. 1 8 - 2 0 in seinen Kontext eingepaßt ist, ist in jedem Fall der strukturell-parallele Abschnitt V. 25.26 wesentlich. Trotz der ähnlichen Abfolge von V. 27 ״Warum-Frage" + mit rhetorischem הלואeingeleiteter Beantwortung in V. 28 ff und in
Sieh, Völker sind wie ein Tropfen vom Eimer, und wie Staub der Waagschalen werden sie gewichtet. Sieh, Inseln wiegen wie Körnchen. 4 7 Und der Libanon reicht nicht zum Brand, und sein Getier reicht nicht zum Brandopfer. Alle Völker sind wie Nichts ihm gegenüber, wie nichtig 48 und wesenlos zählen sie ihm.
16 17
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Und mit wem wollt ihr Gott vergleichen und welches Abbild ihm gegenüberstellen? Das Gußbild gießt der Handwerker, und der Künstler überzieht es mit Gold, und silberne Ketten .. .? 4 9 Der arm ist an Abgaben .. .? 5 ° Holz, das nicht fault, wählt er, einen kundigen Handwerker sucht er sich, um zu befestigen das Gußbild, daß es nicht wackelt.
19
20
Wißt ihr nicht, habt ihr nicht gehört, ist euch nicht bekannt seit Beginn, versteht ihr nicht seit Gründung 51 der Erde -
42
Siehe oben S. 108ff; zu den einzelnen handwerksspezifischen Termini vgl. SCHROER, Bilder, 210ff, bes. 214ff; zum Text im einzelnen s. WINTON THOMAS, Isaiah XLIV.9-20, 319ff; ELLIGER, BK XI/1, 407ff; WESTERMANN, ATD 19,117ff. Besonders Jes 44,18 ״verklebt sind ihre Augen" macht deutlich, daß auch dieser Autor die geheimen Riten der Statuenbelebung des mis pi-Rituals entweder nicht kennt, versteht oder bewußt ausblendet. Hätte er weniger polemisch formuliert, wenn er genauere Informationen besessen hätte?
40,12-26:
״Wer vermaß mit seiner hohlen Hand das Wasser des Meeres 4 5 , und < w e r > gründete den Himmel mit seiner Spanne 4 6 , und < w e r > maß mit dem Dreiling den Staub der Erde, und < w e r > wog mit der Waage die Berge, und die Hügel mit Waagschalen? Wer bestimmte den Geist JHWHs, und < w e r > ist sein Ratgeber, der ihn unterwiese? Mit wem hat er sich beraten, und < w e r > hat ihm Einsicht verliehen, < w e r > hat ihn unterrichtet über den Pfad des Rechts, und < w e r > hat ihn Wissen gelehrt und den Weg der Klugheit ihm bekannt gemacht?
12
21
173
V. 18-20 + V. 21 ff, ist der Numeruswechsel signifikant: V. 12-26 sind durchgängig pluralisch, V. 27ff singularisch formuliert (vgl. z.B.V. 21 mit 28). 45 Lies mit Q a .מי ים 46 Lies mit Q a .בזרתו 47
V g l . ELLIGER, B K X I / 1 , z . S t .
48
Lies
49
V g l . ELLIGER, B K X I / 1 , z . S t .
.עאפם
50 Über die textuellen Schwierigkeiten dieser Stelle informiert ELLIGER, BK X I / 1 , z.St. Eine befriedigende Lösung kann auch hier nicht geboten werden, zumal das Problem für unsere Argumentation nur von untergeordneter Bedeutung ist. 51 MT ״versteht ihr nicht die Grundmauern der Erde" erscheint kaum plausibel. Wahrscheinlich ist in Analogie zu מראשhier מסודתzu lesen, vgl. ELLIGER, BK XI/1, z.St.; WESTERMANN, ATD 19,41.
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Die Königsgestalt JHWHs 52
Der thront über dem Kreis der Erde, - deren Bewohner < s i n d > wie Heuschrecken der ausspannt den Himmel wie einen Schleier(?), und der sie (sc. die Himmel) breitet wie ein Zelt zum Wohnen. Der die Fürsten dem Nichts hingab, die Herrscher der Erde wie wesenlos machte. Gerade waren sie gepflanzt, gerade waren sie gesät, gerade war gesprossen in der Erde ihr Reis, da blies er sie an, und sie welkten, und der Sturm trug wie Stoppeln sie fort. Und mit wem wollt ihr mich vergleichen, < w e m > bin ich ähnlich, spricht der Heilige? Erhebt zur H ö h e eure Augen und seht, wer dieses geschaffen hat. Der heraufführt nach der Zahl ihr Heer. Sie alle ruft er beim Namen. Vor der ,Menge an Kraft' und der ,starken Kraft' 53 bleibt keiner zurück."
Aufbauschema von Jes 40,12—26: A
V. 12 V. 13.14
Schöpfung: Meer, Himmel, Erde, Berge Schöpfungsplan: Geist, Wissen, Klugheit
B
V. 15 V. 16 V. 17
Völker Opferkult Völker
C
V. 18 V. 19.20
Vergleichbarkeit Gottes Angefertigte Götzenbilder
A'
V. 21 V. 22
Schöpfung: Erde Königtum im Himmel
B'
V. 23.24
Fürsten der Völker
C'
V.25 V. 26
Vergleichbarkeit Gottes Geschaffene ״Sterne"
JHWH und die Götzenbilder
und Völkerwelt (V. 15-17.23-24), während V. 25-26 rein schöpfungstheologisch argumentiert. Die in V. 18 und V. 25 variierte Kernfrage lautet: ( ואלימי תדמיון אל ומהידמות ת ע ר כ ו לוV. 18) ״und mit wem wollt ihr Gott vergleichen und welches Abbild ihm gegenüberstellen?" ( ואלימי תדמיוני ואשוה יאמר קדושV. 25) ״und mit wem wollt ihr mich vergleichen, < w e m > bin ich ähnlich, spricht der Heilige?".
Vor allem anderen auffällig ist das dreimalige Vorkommen von hebr. ־דמה 1./?דמות, was im Kontext von Gottesvorstellungen unseren Text mit Gen 1,26ff; 5,1.3 zusammenbindet.54 Diese Fragen gehören im Gesamtaufbau des Textes unmittelbar zu den ebenfalls als Fragen formulierten Abschnitten V. 12-14.21-22, wobei der auf V.25 antwortende V.26 mit V. 19-20 parallelisiert ist. Wodurch zeichnen sich diese Passagen aus, und wodurch setzen sie ein Gegengewicht zu dem in V. 19-20 bespöttelten, aus Holz geschnitzten Gottesbild?55 Der erste Diskussionsgang in V. 12-14 formuliert mit drei rhetorisch-ironisehen Fragen (V. 12 ^/V. 13 ^/V. 14 )אודמי, wer denn Meer, Himmel, Erde, Berge und Hügel nach Handwerksart mit ״hohler Hand", ״Spanne", ״Dreiling" und ״Waage" angefertigt habe (V. 12). Wie Elliger zu Recht betont, ist hier nicht JHWH gemeint, sondern die Antwort lautet: Niemand. Dieselbe Antwort verlangt V. 13-14. Niemand hat JHWH bei seinem planvollen und ordnenden Handeln (vgl. das Schöpfungshandeln in Jer 10,12 mit V. 12) beraten. Aus dieser absoluten Einzigartigkeit JHWHs folgt in V. 15-17 die Nichtigkeit der Völker, bevor V. 18 im Kontext die entscheidende Frage nach der Vergleichbarkeit Gottes stellt. Dies wird in dem zweiten Diskussionsgang in V. 21-22 nun in positiver Weise als JHWHs welterhaltendes Handeln dargestellt. Als erste und damit alles weitere qualifizierende Aussage begegnet der Hinweis auf dieses seit Gründung der Erde andauernde Schöpfungshandeln JHWHs: ״Wißt ihr nicht, habt ihr nicht gehört, ist euch nicht bekannt seit Beginn, versteht ihr nicht seit Gründung der Erde: Der thront über dem Kreis der Erde - deren Bewohner < s i n d > wie Heuschrecken -
Der Textabschnitt beinhaltet in der vorliegenden Form drei Diskussionsgänge: I.V. 12-14 Frage + V. 15-17 Antwort, U.V. 18-20 Frage + V . 2 1 - 2 4 Antwort und III. V. 25 Frage + V. 26 Antwort. Bis auf den letzten Gang sind die Diskussionen von zwei Themen beherrscht: Schöpfung (V. 12-14.21-22) 54
Vgl. weiter unten S. 259ff zum Terminus innerhalb der imago-dei-Thematik. Zu den Textproblemen der V. 19-20 vgl. ELLIGER, BK XI/1, 59ff. Die Einzelaussagen des kaum noch in Ordnung zu bringenden Textes betreffen das Rohmaterial ״Holz", den Überzug aus ״Gold" und die Beteiligung der verschiedenen Handwerkszünfte. Auch hierin stimmt V. 1 9 - 2 0 mit den Ritualanweisungen zur Herstellung von Götterbildern überein, vgl. SCHROER, Bilder, 210f. 55
52 Zur Frage, inwieweit diese Vorstellung mit dem Titel JHWHs ״der auf den Keruben thront" zusammenhängt, vgl. unten S. 210ff. 53 Zum Schlußsatz vgl. ELLIGER, BK XI/1, z.St.; WESTERMANN, ATD 19,42.50.
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Die Königsgestalt JHWHs
JHWH und die Götzenbilder
der ausspannt den Himmel wie einen Schleier (?) und der sie (sc. Himmel) breitet wie ein Zelt zum Wohnen" (Jes 40,21.22).56
Dient der Rekurs auf die Sterne des Himmels demnach nicht allein dazu, deren Geschöpflichkeit zu profilieren, sondern eher dazu, hinter dem ״Gehörsam" der Sterne ihren Schöpfer und Befehlshaber zu erkennen, so lautet die ins Positive gewendete Antwort auf die Frage nach einem vergleichbaren Bild (rraTV. 18) Gottes: Der als König über dem Erdkreis thronende, Erde und Himmel erschaffende und erhaltende, das Sternenheer befehligende Gott ist durch keinerlei Götterbilder darstellbar. Königsvorstellung, Schöpfungshandeln und der Bezug zum Himmelsheer bilden den engen Konnex zu der auch in Jer 10,10.12—13.16 bezeugten Vorstellung. Diese Art und Weise, den nach mesopotamischem Vorbild hergestellten und mit Prachtgewändern (Jer 10,9; Ez 16,18) bekleideten Götterstatuen mit dem Hinweis auf die Königsgestalt JHWHs zu begegnen, ist jedoch nicht singulär, sondern kommt ebenfalls in Ps 96,5—6 zum Ausdruck:
In der Form des hymnischen57 Partizipialstiles legt der Autor seinen israelitisehen Zuhörern auseinander, daß seit der Schöpfung der Erde JHWH als König über dem Erdkreis thront und sich den Himmel wie ein Wohnzelt bereitet. Die Vorstellung von JHWH als Königsgestalt vermitteln das Thronmotiv und die Schöpfungsthematik.58 Auch diesem schöpfungstheologisch geprägten Abschnitt wird ein Passus zur Völkerfrage (kenntlich an dem Stichwort ״ רוזניםFürsten" und שפטי ארץ ״Richter der Erde") zugeordnet und ihre Vergänglichkeit ausgesagt.59 Dies führt nun auf den dritten Diskussionsgang mit der erneuten Frage nach der Vergleichbarkeit Gottes (V. 25). Die Antwort ergeht in V. 26: ״Erhebt zur Höhe eure Augen und seht, wer dieses geschaffen hat. Der herausführt nach der Zahl ihr Heer. Sie alle ruft er beim Namen. Vor der ,Menge an Kraft' und der ,starken Kraft' bleibt keiner zurück" (Jes 40,26).
In der Aufforderung, ״in die Höhe/nach oben" zu schauen, bleibt der Gebrauch von מרוםals Richtungsadverbialis (IIKön 19,22)60 oder als Hinweis auf JHWHs Wohnort (Jes 33,5.16; 57,15; Ps 93,4 u.ö.) zunächst seltsam in der Schwebe. Wie jedoch das Schöpfungsverb ברא+ Demonstrativum verdeutlicht, wird das in der Höhe Geschaute als Schöpfung angesprochen.61 Im folgenden Satz werden diese ״Geschöpfe" genauer bestimmt, und zwar indem JHWH ״ihr Heer ( )צבאםherausführt". Obwohl der Terminus ״Himmelsheer" hier nicht fällt, ist doch wohl an die sichtbaren Gestirne des Himmels gedacht. ״An der Stelle des Eingreifens Gottes in die Geschichte (V. 15-17; V. 23-24) steht hier das Lenken und Regieren der Sterne"62, also der natürlichen Himmelsphänomene.
״Denn alle Götter der Völker sind Nichtse ()אלילים, JHWH aber hat den Himmel geschaffen. Pracht und Herrlichkeit sind vor ihm, Macht und Glanz in seinem Heiligtum" (Ps 96,5—6).
Hier sind es ebenfalls Schöpfungs- und Hoheitsprädikationen (/תפארת/עז הדר/)הוד, die das königliche Walten JHWHs zum Ausdruck bringen.63 Angesichts dieser Dominanz königlich geprägter Vorstellungen in Opposition zu den Götterstatuen der Umwelt ist mit von Rad die Frage zu stellen, ob es nicht auffallen muß, daß ״sich keine einzige dieser Polemiken in ihrer Argumentation auf das alte Bilderverbot beruft?"64 Dabei ist im folgenden der durch von Rad selbst gegebenen Antwort kritisch nachzugehen. Sie lautet: ״Wer die Welt so verstand - so voller Aussage, voller Zeugnis für den Schöpfer - , für den war die Errichtung eines Bildes Gottes aus den Elementen der Schöpfung wirklich eine Torheit".65 Um den Zusammenhang von Gotteserkenntnis und Bilderverbot geht es im folgenden Abschnitt.
56
Vgl. zu Ps 104 unten S. 232f. Vgl. zu den alttestamentlichen Hymnen SPIECKERMANN, Hymnen, 97ff. 58 Vgl. wiederum Ps 104,2 (Ausspannen der Himmel) und in Dtjes: 42,5; 44,24; 45,12; 48,13; 51,13-16; Prv 8,27; Hi 22,14; Sir 43,12 (Kreis); vgl. HABEL, He who stretches, 417ff; ferner Ps 103,19; 113,5; 29,10; 2,4; 123,1; Jes 33,14, zum Himmel als Stätte göttlichen Thronens vgl. METZGER, Thron, 264ff; vgl. zu Ps 104 unten S.232ff. Zur Entfaltung der Königsperspektive durch Schöpfungshandeln siehe oben S. 107 Anm. 32. 59 Gemeint sind den Königen der Völker unterstellte Würdenträger, die herrscherlich und Recht schaffend tätig sind, wie besonders Ps 2,10 und Prv 8,16 deutlich machen, vgl. ELLIGER, BK XI/1,84f; MEINHOLD, ZBK16/1,141. 60 So auch HAL III, 599 z.St. 61 בראbei Dtjes: Jes 40,26.28; 41,20; 43,1.7.15; 45,7.8.12.18; 48,7; 54,16; siehe zu Ps 8,7f unten S. 262 f. 62 WESTERMANN, ATD 19, 50. Es ist allerdings fraglich, ob WESTERMANNS weitere Interpretation, ebd., derzufolge Völker, Fürsten, Sterne ( = astral konnotierte Götter der Umwelt) 57
hier in einer Linie genannt seien, nicht überzieht. Soll in V. 26 die ״Göttlichkeit", ebd., der Gestirne abgewiesen werden, oder geht es nicht vielmehr um die Erkenntnis JHWHs als Schöpfer und Erhalter der Welt in der Natur? Die Aspekte von Geschaffenem und Gehorsam in bezug auf das Heer hebt auch ELLIGER, B K X I / 1 , 8 9 f , hervor. Auch er übergeht die Aufforderung zum ״sehen" in V. 26aß. 63 Vgl. JEREMIAS, Königtum, 121 ff, der ebenfalls auf die enge Verwandtschaft zwischen Ps 96 und deuterojesajanischer Theologie hinweist. 64 V O N R A D , Weisheit, 2 3 7 [Hvbg. nicht im Original]; vgl. auch KRATZ, Kyros, 1 9 2 Anm. 6 2 8 . 65 V O N R A D , aaO. 2 3 9 .
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Die Königsgestalt JHWHs
IL Bilderverbot
und Gestaltlosigkeit
JHWH und die Götzenbilder
JHWHs
Nachdem bereits G. von Rad den Blick auf die unterschiedlichen Begründüngen für das Bilderverbot einerseits und für die Götzenpolemik andererseits gelenkt hatte, zeigen neuere Arbeiten von Hossfeld und Dohmen, daß Bilderverbot und Götzenpolemik in etwa zeitgleich und parallel zueinander entwikkelt wurden. Der sich damit erneut stellenden Frage nach möglichen Schnittpunkten dieser Entwicklungen soll im folgenden zunächst dadurch nachgegangen werden, daß die Entwicklung des alttestamentlichen Bilderverbotes in Grundzügen skizziert wird und dann in einem zweiten Schritt nach den Ausdrucksformen der Deuteronomisten für die Gegenwart Gottes im Kontext der Sinai־/Horebepiphanie zu fragen ist. 1• Zur Entwicklung des alttestamentlichen
Bilderverbots
Die Entstehungsgeschichte des alttestamentlichen Bilderverbots ist aufs engste mit Fragen zur Entstehung des Dekalogs und zu seinem Verhältnis zu Fremdgötterverbot und Privilegrecht verknüpft.66 Aus dem mittlerweile aufgrund der Komplexität kaum noch zu überschauenden Fragenbereich scheint folgender Konsens absehbar. Während die älteren Gesetzestexte, wie z.B. das Bundesbuch (Ex 20-23) und das Privilegrecht JHWHs in Ex 34, noch kein Bilderverbot67, sondern nur das Fremdgötterverbot und das Fremdkultverbot (Ex 34,14) kennen, entsteht erstmals im 8. Jh.v.Chr. unter dem Propheten Hosea (Hos 8,4f; 10,5f) eine Kritik an den verwendeten Mazzeben und dem Stierbild in Bethel als ״Problematisierung der Funktion von darstellenden Kultobjekten".68 Das ältere Fremdgott- und Fremdkultverbot wird anscheinend hier erstmals auf eine aktuelle Kultpraxis im Land bezogen und äußert sich als Bilderpolemik. Motiviert durch eine Reihe von Erfahrungen, wie z.B. das Stierbild in Bethel, die Bilderkritik Hoseas, den Untergang des Nordreiches und die kultischen Vergehen Manasses (IIKön 21,7 )פסל האשרה, gestaltet der erste eigentliche Historiograph Jerusalems69, der sog. Jehowist, die Beispielerzählung vom ״goldenen Kalb".70 Dieses Göttersymbol71 wird nach der literarischen Verbindung mit 66 Aus der Fülle der Literatur vgl. die neueren Arbeiten besonders von DOHMEN, Das Bilderverbot, 236ff; DERS., Bilderverbot, 296f; DERS., Dekaloganfang, 175ff; DERS., Sinaibund, 51 ff; DERS. , 6 9 4,פסלff;HOSSFELD, D U sollst dir kein Bildnis machen, 86ff. 67 Ex 34,17 ist ein Nachtrag infolge der Einschaltung des Bundesbuchs, vgl. DOHMEN, Das Bilderverbot, 180ff; HOSSFELD, Pentateuch, 52. 68 HOSSFELD, aaO. 89. Hos 8,6; 11,2; 13,2; 14,4 gehören aber zu einer dtr Bearbeitungsschicht im Hoseabuch, vgl. DOHMEN, .696 ,פסל 69 Vgl. HOSSFELD, Pentateuch, 32ff; WEIMAR, Jehowist, 2 8 1 ff. 70 Vgl. HOSSFELD, Pentateuch, 40. Für unsere Frage ist unerheblich, ob und wie stark Ex 32 von JE gestaltet wurde bzw. ob mit einer literarisch selbständigen Grunderzählung zu rechnen ist, vgl. auch ZENGER, Exodus, 227ff.236. 71 In Ex 32,8.31 als ע ג ל מ ס כ הbzw. א ל ה י ז ה בbezeichnet.
der vorpriesterschriftlichen Sinaiperikope zum Negativbeispiel par excellence. Die Anfertigung eines ״Stierbildes" als Gottesbild wird erstmals und grundsätzlich als ״Sünde" (V. 30 JE) qualifiziert. In Anlehnung daran entfernt Hiskia in seiner kleinen Kultreform die ״eherne Schlange" aus dem Tempel in Jerusalern (IIKön 18,4). In dieser Phase der Geschichte geraten Juda und Jerusalem unter den immer stärker werdenden Einfluß der neuassyrischen Macht und, wie häufig übersehen, in den Einflußbereich nordisraelitischer und phönizischer Flüchtlinge, die so massiv nach Jerusalem strömten, daß sich das Stadtgebiet zum Ende des 8. Jh.s beinahe verdreifachte und über die Stadtmauern am Ostabhang des Ophel und auf den Westhügel expandierte.72 Historisch gesehen liegen hier, zu Beginn des 7. Jh.s, die Anfänge der frühen dtn-dtr Bewegung. Literarisch wird dies darin greifbar, daß das dtn Gesetzeskorpus verbietet, neben dem Altar JHWHs Äscheren und/oder Mazzeben aufzurichten (Dtn 16,21.22).73 Diese Forderung bildet den eigentlichen Vorläufer zu der später formulierten Kurzfassung des Bilderverbotes in Dtn 5,8. Unter Verwendung des dtn Gesetzbuches vollzieht im letzten Viertel des 7. Jh.s der König Josia die nach ihm benannte Kultreform. In diesen Geschichtsabschnitt fällt die Götterpolemik der Propheten Jeremia (Jer 2,26ff) und später auch Ezechiels (Ez 8-11; 6,4; 22,3; 23,14-16). In frühexilischer Zeit erfolgt die Fremdgötter- und Bilderverbotsformulierung für den dtr Dekalog in Dtn 5,7-8, und zwar zunächst als Kurzprohibitiv: ״Du sollst dir kein פסלmachen".74 Dieses erstmals im frühen Exil formulierte Bilderverbot erfährt dann weitere Bearbeitungen, die durch die Erweiterung von Dtn 4,9-13 um die Verse 15-16a*. 19-28 motiviert sind und zunächst das כל תמונהbetreffen. In einer weiteren, durch die Dekalogfassung in Ex 20 angeregten Novellierung des Dekalogs in Dtn 5 werden, wiederum durch die Fortschreibung in Dtn 4,16a*.17-18 motiviert, die ־WK-Sätze eingefügt. ״Nicht nur kein Kultbild, sondern jedwede Darstellung im Kult, ob Bild oder greifbares Symbol, ist verboten".75 Erst jetzt wird das Bilderverbot in den Rechtskorpora, wie im Bundesbuch, an den Anfang gestellt, und nach der Eingliederung des Bundesbuches in die Sinaiperikope wird auch das Privileg־ recht in Ex 34,17 auf den neuesten Stand gebracht.76 Nach diesem Kurzüberblick zur Entwicklung des allgemeinen und verschärften Bilderverbots muß die oben aufgeworfene Frage von Rads77 mindestens 72
Vgl. FRANKEN/STEINER, Excavations in Jerusalem, pass.; HOSSFELD, Pentateuch, 3 2 . Nach OTTO, Ethik, 193, liegt schon hier eine dtr Ergänzung der dtn Gerichtsordnung vor, so daß Dtn 5,8 und 16,21 f zeitlich noch näher aneinanderrücken als hier vorausgesetzt. 74 Vgl. HOSSFELD, D U sollst dir kein Bildnis machen, 9 0 f ; DOHMEN, Bilderverbot, 2 9 7 . Zur Kritik an der Verhältnisbestimmung beider Dekalogfassungen durch DOHMEN am Beispiel des Bilderverbotes vgl. GRAUPNER, Verhältnis, 311 ff. 75 HOSSFELD, D U sollst dir kein Bildnis machen, 91. 76 Vgl. HOSSFELD, D U sollst dir kein Bildnis machen, 90f; DERS., Pentateuch, 5 2 f ; OTTO, Ethik, 24. 77 Siehe oben S. 177f. 73
166 Die Königsgestalt JHWHs
aufgrund von Datierungsfragen modifiziert werden, denn Bilderverbot und Götzenpolemik entwickeln sich, was die Endphase des einen und die Anfangsphase des anderen betrifft, in etwa der gleichen Epoche der spät exilischen/ frühnachexilischen Zeit, also in der Phase des sich neu konstituierenden und formierenden Israels.78 Dieser Entwicklung entspricht in der dtr reflektierten Horebperikope die Betonung, daß am Sinai/Horeb ״keine Gestalt" Gottes ( )תמונהzu sehen, sondern nur eine Stimme zu hören war (Dtn 4,12.15). In welchem Kontext stehen diese Aussagen? Und wie verhalten sie sich z.B. zu den dezidierten Hinweisen auf eine ״Gestalt" Gottes in Num 12,8 und Ps 17,15?79 2. Beschreibungen JHWHs im Kontext der Hörebepiphanie
(Dtn 4;5)
Die Fortschreibungen des Bilderverbotes in Dtn 5,8 (ab )כל תמונהsind vor allem durch eine starke Betonung der Gestaltlosigkeit JHWHs charakterisiert. Besonders erkennbar ist dies daran, daß bereits die früheste dtr Darstellung der Sinai/Horeb-Ereignisse in Dtn 5 und die später erfolgende Reflexion dieses Geschehens in Dtn 4 80 großen Wert darauf legen, daß das Bilderverbot aus der Art und Weise der Gotteserscheinung am Sinai/Horeb direkt abzuleiten sei. Die Argumentation der dtr Rahmenstücke des Deuteronomiums lautet: ״So hütet euch nun sehr, denn ihr habt nicht gesehen eine ganze Gestalt ()כליתמונה am Tag, als JHWH zu euch redete, am Horeb mitten aus dem Feuer heraus, damit/daß ( )פןihr nicht niederfallt und euch anfertigt ein ,Gottesbild'(( ")פסלDtn 4,15.16a*). 8 1
Die für das Leben im gelobten Land gegebene Anweisung, keine fremden Götter zu verehren und kein ״Gottesbild" anzufertigen, wird damit begründet, daß innerhalb der JHWH-Epiphanie keine ״ תמונהGestalt/Abbild" zu sehen war.82 Demgegenüber wird betont, daß JHWH ״aus dem Feuer heraus" geredet hat. Der Hinweis auf ״Feuer" begegnet überaus häufig und konstant in der Erzählung. וההר ב ע ר באש מתוך האש. . . ו י ד ב ר מתוך האש. . . ד ב ר 78
Dtn 4,11 Dtn 4,12 Dtn4,15
Vgl. DOHMEN, Bilderverbot, 297. Zu letzteren siehe unten S. 196ff. 244ff; vgl. auch KEEL, Jahwe-Visionen, 11 ff. 80 Vgl. BREKELMANS, Deuteronomy 5, 171 f. Zur Mosefiktion und den dtr Fortschreibungen in Dtn 4; 5 vgl. HOSSFELD, Pentateuch, 46f.50f; vgl. ferner BRAULIK, Deuteronomium, 280f.295; KNAPP, Deuteronomium, 158ff, rechnet mit insgesamt drei Bearbeitungsschichten des deuteronomischen Deuteronomiums; vgl. auch DOHMEN, Das Bilderverbot, 200ff.203ff. 81 Vgl. zum Text auch WEINFELD, AncB 5,205; MILLER, Deuteronomy, 58ff. 82 Der Begriff selbst ist nicht scharf zu bestimmen, vgl. HALIV, s. v.; er begegnet im Alten Testament nur lOmal, davon allein 7mal im Kontext der dtr Sinai/Horeb-Geschichte Dtn 4,12.15.16.23.25; 5,8 und Ex 20,4; übrige Belege sind Hi 4,6; Num 12,8 und Ps 17,15, vgl. z. B. CLEMENTS, Deuteronomy, 51; DOHMEN, Das Bilderverbot, 216ff. Siehe unten S. 181. Zum religionsgeschichtlichen Vorgang vgl. auch GLADIGOW, Konkurrenz, 112. 79
180
JHWH und die Götzenbilder אש אכלה הוא אל קנא מפני האש מתוך האש. . . ד ב ר וההר ב ע ר באש מתוך האש. . . שמע האש הגדלה מתוך האש. . . מ ד ב ר
Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn Dtn
4,24 5,5 5,22 5,23 5,24 5,25 5,26
Insgesamt zehnmal betonen diese Textabschnitte, daß der Berg ״im Feuer" brennt oder daß JHWH ״aus dem Feuer" heraus spricht bzw. die Israeliten ihn ״aus dem Feuer" sprechen hören.83 Die Wendung בער באשbegegnet ausschließlich hier und in der jehowistischen Gestaltung der Mose-Berufung/ Dornbuscherzählung in Ex 3,2. 84 Damit stellt der Deuteronomist eine bewußte Analogie zu jener phänomenhaften, aber gestaltlosen Gotteserscheinung her.85 Neben dieser wohl allgemeinsten Charakteristik der Epiphanie verbinden Dtn 4,11; 5,22.23 mit dem Feuer noch drei weitere, dem Bereich des visuell Wahrnehmbaren zugeordnete Phänomene: וההר ב ע ר באש עד ל ב השמים חשך ענן ו ע ר פ ל ״Und der Berg brannte im Feuer bis in den Himmel hinein, Finsternis, Wolken und Wolkendunkel" מתוך האש הענן והערפל. . . ד ב ר יהוה ״JHWH sprach . . . mitten aus dem Feuer, der Wolke und dem Wolkendunkel" כשמעכם א ת י ה ק ו ל מתוך החשך ״Wie ihr gehört habt die Stimme mitten aus der Finsternis heraus"
Dtn 4,11
Dtn 5,22
Dtn 5,23
Die hier in Form einer Trias auftretenden Begriffe ״Finsternis" ()חשך, ״Wolke" ( )ענןund ״Wolkendunkel" ( )ערפלspielen in der nicht dtr Sinaiperikope 83 Vgl. MILLER, Deuteronomy, 5 9 . Zum mythologischen Hintergrund von ״Feuer" und ״Flamme", besonders als Konnotation des kriegerisch-kämpferischen Helden, vgl. MILLER, Fire, 259. Die Feuer-Motivik begegnet ebenfalls in der priesterschriftlichen Version in Ex 2 4 , 1 7 , allerdings als signifikantes Attribut der ״Herrlichkeit" JHWHs. Sie begegnet auch in dem jahwistischen Bericht Ex 19,18 als Medium des Herabsteigens JHWHs ״im Feuer", vgl. ZENGER, Exodus, 1 9 6 . Das Element des Feuers sei nach ZENGER, aaO. 1 9 7 , jedoch erst vom Jehowisten zugefügt worden. ZENGERS These, wonach der in Ex 1 9 , 1 8 aufsteigende Rauch (״ )עשןdie Rauchsäule der ununterbrochenen Rauchopfer, die aus dem Jerusalemer Tempel aufsteigen", aaO. 196, meine, erscheint schon darum problematisch, weil der Terminus im Kontext des für eine Räucherpraxis typischen Vokabulars, wie z.B. קטרund ענן, vgl. Lev 1 6 , 1 3 , niemals begegnet. Zum ״Feuer(-Opfer)" in kultischen Kontexten vgl. auch ZWICKEL, Tempelkult, 346. ״Rauch" gehört vielmehr in den Kontext militärischer Eroberungsberichte als ״aufsteigender Rauch" in Flammen stehender Städte, vgl. Ri 2 0 , 4 0 ; Jos 8 , 2 0 . 2 1 ; Jes 9 , 1 7 ; 1 4 , 3 1 , und in Epiphaniekontexten: Ps 1 8 , 9 und Jes 6 , 4 , vgl. dazu DERS., Räucherkult, z. St. 84 Vgl. ZENGER, Exodus, 44f; SCHMIDT, BK II/l, llOff. 85 Analog gebildet sind auch die Vorstellungen, daß Gott oder sein Bote ״mitten aus" ( )מתוךdem Dornbusch/Feuer erscheinen oder reden, vgl. etwa auch die Anspielung ״der im Dornbusch" in Dtn 33,16, dazu SCHMIDT, BK II/L, 118ff. Eine weitere Ausgestaltung der
182
Die Königsgestalt JHWHs
des Tetrateuch - mit Ausnahme von 86 ענן- keine Rolle. Gemeinsam erwähnt werden sie allerdings in den Epiphanieankündigungen der Jöm-JHWH-Texte in Joel 2,2 und Zeph 1,15. Hier heißt es: ״Ein Tag der Finsternis ( )חשךund des Dunkels ()אפלה, ein Tag der Wolke ( )ענןund des Wolkendunkels (( ")ערפלZeph l,15bß).
Und: ״Ein Tag der Finsternis ( )חשךund des Dunkels ()אפלה, ein Tag der Wolke ( )ענןund des Wolkendunkels ( )ערפל. . . dann läßt JHWH seine (Donner-)Stimme erschallen . . . " (Joel 2 , 2 a a . l l * ) .
Während der hier zusätzlich verwendete Terminus ״Dunkel/Dunkelheit"87 deutlich negativ konnotiert ist und nicht auf den Bereich der Himmelsphänomene verweist, bilden die ״Finsternis" und die Wolkentermini88 offenbar einen geprägten Vorstellungszusammenhang, der kurz zu erläutern ist. D i e Termini finden sich ausschließlich im Kontext von Epiphanien oder in weisheitlichen Zusammenhängen. Ps 18,10 par. II Sam 22,10 begegnet ע ר פ לinnerhalb einer älteren Epiphanietradition, in der JHWH aus dem Himmel herabsteigt und ״Wolkendunkel" unter seinen Füßen ist, während er sich selbst ״Finsternis" als ״Hülle" ( ) ס ת ר und zu seiner ״Hütte" (״ )סוכהWasserdunkel" und ״dichte Wolken" ()עבי שחקים bestimmt (V. 12). 8 9 Dieser Ansammlung von Gewitterphänomenen, die eher ein Wolkenkleid JHWHs bezeichnen als ein Lichtkleid, folgt in V. 13 jedoch sofort die Ergänzung ״aus dem Glanz vor ihm, seine Wolken, brechen hervor Hagel und feurige Kohlen". 9 0 Beide Phänomene, ״Glanz" und ״feurige Kohlen", begegnen nur noch an einer weiteren Stelle in einem gemeinsamen Kontext: ״Und er sprach zu dem linnenbekleideten Mann [und sprach]: Geh hinein an den Ort zwischem dem galgal an die Stelle unterhalb der Keruben und fülle deine Hände mit glühenden Kohlen ( )גחלייאשvon der Stelle zwischen den Keruben und streue (sie) über die Stadt. Und er ging vor meinen Augen hinein. Und die Keruben standen
Vorstellung eines abgestuften Ineinanders epiphaniebegleitender Phänomene bietet P in Ex 24,18, vgl. auch weiter unten S. 217f. 86 Vgl. MILLER, Deuteronomy, 58f; WEINFELD, AncB 5,324, notiert auch hier die Opposition zwischen ״lebendigem" Gott und ״toter" Götterstatue. Ex 20,21 gehört frühestens zur dtr Überarbeitung der Sinaiperikope, vgl. ZENGER, Exodus, 216f. 87 Hebr. א פ ל ה/ א פ לbezeichnet ״Dunkelheit" in Analogie zur Nacht, vgl. Prv 7,9, oder die Verfinsterung des lichten Taghimmels, vgl. Ex 10,22 par.חשך. Die weiteren Belege'verwenden den Begriff metaphorisch zur Bezeichnung von Notlagen bzw. der Abwesenheit von Recht, vgl. Jes 8,22; 58,10; 59,9; Jer 23,12; Prv 4,19. Das Wortfeld scheint dabei eine gewisse Vorliebe in der Weisheitsliteratur zu genießen, vgl. zu אפל: Hi 3,6; 10,22; 23,17; 28,3; 30,6. 88 Vgl. F R E E D M A N / W I L L O U G H B Y , 2 7 0,ענןff,bes. 272f; M U L D E R , 397,ערפלff,'bes.400f. 89 Wörtlich: ״Er machte Dunkelheit zu seiner Hülle um ihn herum, zu seiner Hütte Wasserdunkel, dichte Wolken", vgl. HOSSFELD/ZENGER, NEB 29,125. 90 Übersetzung mit HOSSFELD/ZENGER, aaO. 125. Der Begriff ״Glanz" ( ) נ ג הist fest eingebunden in astrale und epiphane Bezüge: als Glanz des Mondes (Jes 60,19), des Sonnenaufgangs (Prv 4,18), der Sterne (Joel 2,10; 4,15), in den Visionen Ezechiels Ez l,4.13.27f; 10,4 und in der Epiphanie Hab 3,4.
183
JHWH und die Götzenbilder rechts vom (Tempel-)Hause, als der Mann hineinging. U n d die Wolke erfüllte inneren Vorhof. D a erhob sich die Herrlichkeit vom Keruben hin zum Podium (Tempel-)Hauses und das (Tempel-)Haus wurde von der Wolke erfüllt, und Vorhof war erfüllt vom Glänze ( )נגהder Herrlichkeit Jahwes (")כבוד יהוה 10,2—4). 91
den des der (Ez
D e m Kontext zufolge kann das Ausschütten der ״Glühkohlen" über der Stadt als Konkretisierung und Erfüllung des ״Zornausgießens" in Ez 9,8 verstanden werden. Nach den Analysen Zimmeriis und Keels werden in Ez 10 zwei verschiedene Vorstellungen kombiniert. Im Grundtext geht der Linnenbekleidete in den Tempel hinein und nimmt dort von der vor JHWH stehenden Kohlenpfanne 9 2 die Glühkohlen, die er anschließend über die Stadt streut, während die Wolke den inneren Vorhof erfüllt (10,3). Jetzt erhebt sich die Herrlichkeit Gottes vom Thron im Allerheiligsten und verläßt dann über ״Schwelle" und ״Vorhof" den Tempel, um das Kerubengefährt (V. 18) zu besteigen und durch das Osttor die Stadt zu verlassen. 93 D i e ״Glutkohlen" 94 gehören hier also, wie auch in Lev 16,12, zum Kultinventar des Jerusalemer Tempels (vgl. auch Jes 6,6: )רצפה, während der ״Glanz" der ״Herrlichkeit JHWHs" zugeordnet wird. Ps 18,13 kombiniert also Wirkphänomene einer Wettergottheit mit denen einer Tempelgottheit. 9 5 Diese Aspektzusammenstellung findet sich auch in Ps 97,2 wieder, einem JHWHKönigspsalm der nachexilischen Zeit. Es heißt dort in der Beschreibung des Thronenden: ״Wolke und Wolkendunkel ( )ענן וערפלsind um ihn herum ()סביביו, Gerechtigkeit und Recht sind Stützen seines Thrones". D i e Vorstellung des JHWH-Thrones im himmlischen Heiligtum und das mit Gewittermotiven gestaltete dortige Rechtshandein des Thronenden (V. 3 - 5 ) wird nach V. 6 durch die ״Himmel" verkündet, ״daß alle Völker sehen seine Herrlichkeit". Die Wolkenphänomene des Himmels als sichtbare Hülle des im Himmel thronenden Gottes und das als Blitzlicht/Blitzfeuer visualisierte Rechtshandeln sind für jedermann zugänglich. In diesem Sinne können die Himmel JHWHs Gerechtigkeit ״bekannt machen" (TU-Hi.), und die Völkerwelt vermag seine Herrlichkeit zu erkennen. Der Terminus ע ר פ לgehört somit fest in die Vorstellungswelt des erscheinenden oder in seinem himmlischen Heiligtum thronenden Wettergottes. In der Weisheitstradition werden ענןund ע ר פ לals ״Kleid" bzw. ״Windeln" des Meeres verstanden (Hi 38,9), was noch einmal verdeutlicht, daß die Regenwolken das Meerwasser transportieren. Ein letzter Wolkenterminus, der sowohl hier als auch im Sinaigeschehen (Ex 19,9) begegnet, ist 96. עבAngesichts der Dominanz der Belege in der Weisheitsliteratur ist zunächst diesen Stellen nachzugehen.
91
Zu Text und Übersetzung siehe
92
Vgl. z . B . L e v 16,13.
ZIMMERLI,
BK
XIII/1,189.198.
93 Zu dieser Rekonstruktion des Grundtextes vgl. ZIMMERLI, B K XIII/1, 230ff, und KEEL, Jahwe-Visionen, 146 ff. 94 Es handelt sich wohl um glühende Holzkohle, vgl. F U H S , .1005 ,גחל 95 Es ist also weder nötig, den Passus für eine Glosse zu halten, noch ohne weitere Textbasis einfach zu konstatieren, daß hier an Vulkansteine gedacht sei, HOSSFELD/ZENGER, NEB 2 9 ,
126, und FUHS, aaO. 1007f. Zum Phänomen des Glanzes s. unten S. 202ff. 96
Vgl. IKön
18,44f;
Jes
14,14; 19,1;
Ex
19,9;
Ri
5,4;
Ps
3 , 4 4 u n d H i 22,14; 2 6 , 8 ; 3 6 , 2 7 - 3 3 ; 37,11; 38,34; Prv 16,15.
18,12.13; 77,18; 104,3; 147,8;
Thr
166
Die mit ע בbezeichnete Wolke spielt eine herausragende Rolle in den Texten des Hiobbuches, die sich JHWHs weisheitlichem, welterhaltenden Schöpfungshandeln 97 bzw. den ״Satzungen des Himmels" ( חקרת השמיםHi 38,34) zuwenden, also die Ordnung und Regelhaftigkeit der natürlichen Himmelsphänomene durchdenken und dadurch JHWHs Handeln erkennen. 9 8 So bedeutet JHWHs Existenz im Himmel, seine Wolkenhülle ( עביםdienen als )! ס ת רund sein ״Wandeln am Himmelskreis" ( )הרג שמיםnicht Gottesferne. Ebenso verhindern die dunklen Wolken ( )ערפלkeineswegs Gottes richterliches Handeln (Hi 22,12-14). D e m Weisen entstehen keinerlei Zweifel darüber, daß die himmlischen Wasser in den עבים-Wolken ״gebunden" sind, unter denen die }^-Wolken wie eine Art Trägerwolke ״nicht auseinanderreißen" (Hi 26,8). Dies macht zugleich den unendlichen Unterschied zwischen diesem Gott und dem Menschen aus, der die Dimension ( )מפרשder Wolke und das ״Krachen"()תשאות der göttlichen ״Hütte" ( )סבתוnicht begreifen bzw. verstehen kann (Hi 36,27ff, bes. 29). Diese Texte, die ganz realistisch die Wolken des Himmels als JHWHs Hülle und Hütte, also in bezug auf das Thema dieser Studie als sein Wolkenkleid verstehen, kennen ebenso wie Ps 18,9ff auch den lichthaften Aspekt, wenn es von Gott heißt: ״Mit Wasserfülle belädt er die Wolke ^ ) / e r läßt die ענן-Wolke ausbreiten ( f ^ - H i . ) sein Licht (( ")אורHi 37,II). 9 9
Wolkenkleid und Lichtkleid JHWHs sind nach diesen Traditionen offenbar identisch und das, wie Ps 18,9ff zeigt, nicht nur in weisheitlichen, sondern auch in epiphanen Kontexten. 100 Dieselben weisheitlichen Traditionen begegnen dann in Ps 147,8; 104,3.101 Schließlich gehört die ־עבWolke zum himmlischen Thronsitz des höchsten Gottes im ״höchsten Norden" (Jes 14,13f). 102 Wolken der verschiedensten Art spielen nach dieser Übersicht nur in zwei großen Traditionsbereichen des Alten Testaments eine zentrale Rolle: in der Weisheitsliteratur und in Epiphanie-Texten. Beide Traditionsbereiche kennen ein Wolken- bzw. Lichtkleid JHWHs (סוכה/)סתר, das als äußere Umhüllung des diese Himmelsphänomene dirigierenden und lenkenden Gottes verstanden
97
Vgl. Hi 38,37: ״wer zählt die Wolken in Weisheit". Vgl. PREUSS, Theologie 1, 221 f. Hi 28,20ff betont demgegenüber die Verborgenheit der Weisheit selbst, vgl. auch Prv 3,19f; 8,22ff, vgl. MEINHOLD, ZBK16/1,81f.l43. Immer wieder bildet in diesen Texten die ״Wasserversorgung" der Schöpfung das zentrale Thema. 99 L c App BHK ! ענןähnlich auch DRIVER/GRAY, ICC 13/1, 319; ICC 13/2, 291f. Der Apparat von BHS notiert keine Varianten. Anders dagegen POPE, AncB 15, 243; FOHRER, KAT16, z.St.; H E S S E , ZBK 14,190; HABEL, Job, 513 f. Den Zusammenhang von Licht, Leben und der Regenwolke bezeichnet auch Prv 16,15: ״Wenn das Angesicht des Königs leuchtet, Leben //und sein Wohlgefallen ist wie eine Wolke des Spätregens (")כעב מלקועז, vgl. MEINHOLD, ZBK 16/1,271. 100 Vgl. Ri 5,4; Ps 77,18f, wo die 0^ ^עבals Parallelbegriff zur D^PM-Wolke, dem Donner im Sturmwind ( )קול רעם בגלגלund den Blitzen ( )ברקיםvorkommt, also wieder deutlich Gewittermotivik vorherrscht. 101 Siehe unten S. 236ff. 102 Der Wolkenterminus ענןist im Kontext der כבוד יהוה-Vorstellung in der priesterlichen Grundschrift zu behandeln. Siehe unten S. 214ff; vgl. vorläufig KORPEL, A Rift in the Clouds, 594ff; DEMOOR, Rise of Yahwism, 247-250. 98
JHWH und die Götzenbilder
Die Königsgestalt JHWHs
185
wird. Die aus der Naturbeobachtung abgeleitete Lehre des Weisen entdeckt so nicht nur die ״Satzungen" bzw. das innere Prinzip103 der am Himmel beobachtbaren Prozesse, sondern kann sogar in lehrhafte Rede übergehen. Vor diesem Hintergrund erscheint es mehr als natürlich, daß die Wolken als Begleitelemente göttlicher Epiphanie im Gewitter auftreten und vor allem in der dtr Version der Sinai/Horeberzählung eine so profilierte Rolle spielen. Will der Deuteronomist damit sagen, daß der am Himmel als Wettergott epiphane Gott universal erkennbar ist und darum in keine gestalthafte Form gebracht werden kann?104 Waren Götzenpolemik und Bilderverbotstexte bislang als zwei selbständige Parallelentwicklungen verstanden und diskutiert worden, so zeigen beide Themenbereiche auch eine starke sachliche Entsprechung. Sie berühren sich in dem ihnen gemeinsamen Gedanken einer Erkennbarkeit Gottes in seinem die Welt erhaltenden Handeln als Wettergott. Während die Götzenpolemik stärker den königlichen Zug dieses Gottes im Lichtkleid herausstellt und dies durch ein umfassendes Schöpfungshandeln darlegt, betonen die Bilderverbotstexte und die dtr Sicht der Sinaiepiphanie, daß ausschließlich dieser exklusiv am Himmel offenbare Gott verehrt wird. Damit wird zugleich jede ikonische Frömmigkeitsform ausgeschlossen (Fremdgott ־und Bildverbot). Innerhalb der Traditionen dieser Texte begegnet Gott in einem Licht- oder Wolkenkleid, das kaum nur als ״Verhüllung" und als Gegensatz zur Gottesschau anderer Religionen zu begreifen ist. 105
103
Nicht zu verwechseln mit der Weisheit selbst! Vgl. auch den Reflex dieser Absicht im Tempelweihbericht (IKön 8,12) mit der theologiegeschichtlich bedeutsamen Umdeutung des ״Wolkendunkels" auf den Tempel. In seiner ursprünglichen, wohl in LXX bewahrten Fassung lautet er: ״Damals sprach Salomo: JHWH hat der Sonne (ihren Platz) im Himmel angewiesen, er sagte (selbst) im Dunkel zu wohnen. Ich habe ein Herrschaftshaus für dich gebaut, eine Stätte des Thronens auf ewig", vgl. NOTH, BK IX/1, 172; STÄHLI, Solare Elemente, 15f. KEEL, Jerusalemer Kulttraditionen, 484ff, bes. 488f, erkennt hier neuerdings eine ״Ausbürgerung" des Sonnengottes aus dem Jerusalemer Tempel im Zuge der salomonischen Neu- und Umgestaltung eines älteren Heiligtums, das als Sonnentempel konzipiert gewesen sei; vgl. auch DERS., Sturmgott, 86 ff; kritisch jetzt JANOWSKI, JHWH und der Sonnengott, 230f. Selbst tempeltheologische Vorstellungen einer irgendwie gearteten Gottespräsenz auf der Erde will Dtr vermeiden, etwa in Dtn 4,36: ״vom Himmel her ließ er dich hören seine Stimme . . . und auf der Erde ließ er dich sehen sein großes Feuer, und seine Worte hörtest du mitten aus dem Feuer". Himmlischer und irdischer Bereich ״durchdringen" sich in der Aussage, daß die ״Worte", nicht die Stimme (!), aus dem auf der Erde sichtbaren Feuer stammen (LOHFINK, Verkündigung, 188 f). ״God's true place of habitation could only be in heaven", während seine Anrufung im Tempel nur dadurch möglich wird, weil er dort seinen ״Namen" hingesetzt hat, vgl. CLEMENTS, Deuteronomy, 52f.54. Vgl. auch zu Mose unten S. 249ff. 105 Vgl. M U L D E R , 401,;ערפלvgl. auch FREEDMAN/WILLOUGHBY, ע נ ן, 273: ״Die Sturmwolken lieferten den Propheten das eindrucksvolle Bild, um den vernichtenden Zorn Gottes gegenüber seinen Feinden zu schildern. Dieser Gebrauch von cänän gründet in der alten Tradition, Gott als in einen Mantel aus Wolken oder Licht (vgl. Ps 104,2) gehüllt zu beschreiben". Zu der anderen, noch nicht so radikalen Sicht in Dtn 5,23 ff siehe unten S. 250f. 104
I 186
B. JHWH als
I. Tempelkultische
Königsgestalt
In einem ersten Abschnitt war anhand der Bilderverbotstexte, der Götzenpolemik und anhand der dtr Fassung des Sinai/Horebereignisses dem Problem der Gestaltlosigkeit JHWHs nachzugehen. Die Texte stimmen darin überein, daß der am Himmel epiphane und in seinem Wirken erkennbare Schöpfergott durch keinerlei Gestalt repräsentiert werden kann. Dies gilt auch dann, wenn Epiphanien durch Gewitterphänomene angereichert und visualisiert werden. Der Gegensatz zwischen Götterstatue und Himmelsgott wird in der Lehre dieser Theologen am Beispiel des ״schöpferischen Handelns" entwickelt. Gerade der für ein solches Handeln konstitutiv planende Verstand ist es, der den Statuen fehlt. Darüber hinaus nimmt das deuteronomistische Denken weisheitliche Traditionen auf, die global auf die allen Völkern106 zugänglichen Himmelsphänomene verweisen. Diese offenbar durch die Völkerthematik und die religiöse Vielfalt im Achämenidenreich bedingte Universalisierung der Gottesvorstellung läßt sich in ähnlicher Konstellation auch in der Glyptik und Reliefkunst des neuassyrischen Großreichs nachweisen.107 Der kunstgeschichtliche Vergleich wird deshalb ermöglicht, weil die theologische Problematik ähnlich gelagert ist. Tempelvielfalt in einem polytheistisch strukturierten Religionstyp stellt vor dieselbe Aufgabe wie der israelitische Tempelverlust in einer, wenn noch nicht streng monotheistischen, so aber doch mindestens kultzentralistisch konzipierten Religionsform. Kultische Vielfalt wie auch der Verlust des Hauptkultortes stellen gleichermaßen vor dasselbe Problem, die Präsenz und Identität der Götter zu sichern und zu wahren.108 Den bisher diskutierten Texten, die die himmlische Präsenz und eine uranophane Erkennbarkeit JHWHs voraussetzen, sind nun solche Aussagen gegenüberzustellen, die die Art der Gottespräsenz deutlich an den Jerusalemer Tempel binden.
1. Prophetische
Dtn
4,19
und die Völkerthematik in Jer
10,2.3.7.10;
Jes
40,15.17;
Ps
96,5;
Dtn
4,
6.19.27 ff. 107
Vgl. oben S. 154ff. Konkurrenz, 1 0 9 , zur Vielfalt der Bilder eines Gottes an verschiedenen Kultorten, die durch ״Abstraktionsleistungen" wie einen gemeinsamen ״Namen" reduLOS VGL GLADIGOW,
ziert wird. Während anikonische Kulte per se diese Schwierigkeiten der Identitätssicherung haben, aaO. 111, verschärft sich die Problematik noch einmal, wenn eine Konkurrenzsituation zu ikonischen Kulten entsteht, wie sie unsere Texte zum Bilderverbot z. B. voraussetzen. Dann ״muß es die Aufgabe der Theologen sein, den Schluß von dem unsichtbaren auf den nichtexistenten Gott zu widerlegen und auf dem Niveau des unerkennbaren Gottes zu stabilisieren", aaO. 112.
Wahrnehmungen
der Königsgestalt
JHWHs
Berufungsberichte
a) Jesajas Vision des thronenden Gottes (Jes 6,1—5) Der Sendlings- und Visionsbericht Jes 6,1—11 enthält nicht nur den ältesten sicher datierbaren Beleg für die Königstitulatur JHWHs, sondern innerhalb des Visionsberichtes auch eine detaillierte Beschreibung des vom Propheten Geschauten.109 Um der Anschaulichkeit und der komplexen stilistischen Struktur des Textes willen seien Übersetzung und Aufbauschema vorangestellt. Übersetzung und Textstruktur110 von Jes 6 , 1 - 5 lauten: (lal
״Im Todesjahr des Königs c Uzzijahu)
la lb 2a 2b 2c 2d 2e 3a 3b 3c 3d
da sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Unterstes füllte den Hekal. Serafen waren solche, die über ihm standen. Jeweils sechs Flügel hatte einer. Mit zweien bedeckte er sein Gesicht, und mit zweien bedeckte er seine Füße, und mit zweien flog er. Und einer rief dem anderen (abwechselnd) zu und sprach: ,Heilig, heilig, heilig ist JHWH Zebaoth. Das, was die ganze Erde erfüllt, ist sein Kabod.'
Ptz Ptz NS x-yiqtol x-yiqtol x־yiqtol w=qatal-x w=qatal NS NS
4a 4b
D a erbebten die Schwellen vor der Stimme des Rufenden, das Haus aber füllte sich mit Rauch.
wa=yiqtol w=x-yiqtol
5a 5b 5c 5d 5e
D a sagte ich: ,Weh mir, denn ich vergehe. Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich und inmitten eines Volkes von unreinen Lippen wohne ich. Denn den König JHWH Zebaoth haben meine Augen gesehen. '"
wa=yiqtol NS x־qatal NS
5f 106
187
JHWH als Königsgestalt
Die Königsgestalt JHWHs
wa=yiqtol
Ptz x-qatal
109 Zuletzt beschäftigen sich IRSIGLER, Gott als König, 127ff, und MÜLLER, Beobachtungen, 163ff, mit dem Text (Literatur!); vgl. jedoch auch JANOWSKI, Königtum Gottes, 423; SPIECKERMANN, ״Die ganze Erde ist seiner Herrlichkeit voll", 417ff; SEITZ, Isaiah 1—39, 52ff. Die hier übernommene Textunterteilung (V. 1 - 5 , V. 6 - 7 und V. 8 - 1 1 ) wie auch wesentliche Gesichtspunkte seiner sprachlichen Gestaltung profitieren insgesamt von der Analyse des literarisch einheitlichen Textes durch IRSIGLER, aaO. 131 ff. Zur Fortsetzung der Vision durch die Mundreinigung des Propheten und Auftragserteilung vgl. die reichhaltigen Beobachtungen zur Religionsgeschichte bei MÜLLER, aaO. 171 ff. 110 Um die Abfolge der syntaktischen Einheiten und ihren Bezug untereinander bereits in der Übersetzung sichtbar zu machen, wurde die Satzgliederung IRSIGLERS, aaO. 133f, nach der
189
193
Die Königsgestalt JHWHs
JHWH als Königsgestalt
Wie bereits die Angabe der Satzarten am rechten Rand der Übersetzung andeutet, schreitet der Text im Ablauf der Handlung kaum voran (la.4a.5a), sondern stagniert und konzentriert sich auf die Beschreibung des Thronenden und der ihn umgebenden Wesen (2a—Sd). 111 Zu den stilistischen Eigentümlichkeiten des Textes gehört vor allem das Dreierschema. Seinen Höhepunkt erreicht die Dreierstruktur in der Identifikation des Königsgottes in 5 f. 112
Thronratstext IKön 22,19ff eigentlich nur V. 19b vergleichbar ist. 114 Hinsichtlich der Motive besteht eine Verwandtschaft mit dem assyrischen Text (thronender Gott/Hofstaat/Fülle an Schreckensglanz bzw. Heiligkeit/Zittern des Visionärs). Tempelmotivik und der ״superhuman size"115 des Thronenden in Jes 6 markieren aber auch gleichzeitig die Differenzen. Was Jesaja in seiner Vision sieht, ist zunächst ein kosmisch dimensionierter Königsthron, denn nur das „Unterste" des Thronenden befindet sich im Tempel auf der Erde. Diese Übergröße beabsichtigt, „kultische Durchschnittsvorstellungen vom Thronen Jahwes im Tempel zu entgrenzen".116 Der äußersten Aussagesteigerung dient sodann die Aktion der Serafen117 und der beschwörend klingende118 dreifache Heiligkeitsruf. Von einer anthropomorphen Gestalt wie bei Ezechiel ist jedoch nicht die Rede. 119 Wie ist der Erkenntniszuwachs am Ende des Textes zu erklären, der den Geschauten als „König" bezeichnet? Es erscheint kaum zufällig, daß Jesajas Berufungserlebnis bzw. sein prophetischer Auftrag in tempeltheologischen Bezügen verankert ist. Denn neben dem Terminus „Herrlichkeit" gehört auch das JHWH-Attribut „heilig" im ersten Jesajabuch in das Umfeld einer Jerusalemer Tempel- und Zionstheologie. 120 Somit verwundert nicht, daß auf den Ruf der Serafen hin Begleitphänomene der Epiphanie wie „Rauch" und „Beben" auftreten.121 Bevor jedoch
lal
Zeitangabe
la־b 2a-e
Beschreibung des Thronenden (Ptz) Hofstaat + 3a־d Heiligkeitsproklamation
4a-b 5a-f
Reaktion im Tempelhaus Reaktion Jesajas
Im Gesamtaufbau der Szene läßt sich ein klarer, auf den Höhepunkt zulaufender Aufbau erkennen, der zunächst den Thronenden beschreibt, sodann die ihn umgebenden Wesen und schließlich deren Lobgesang in 3a—d mitteilt. Es folgen die Reaktionen des Tempelhauses (4a) und des Propheten selbst (5a). Der Text lebt somit von einer Dreierstruktur, die ihn stilistisch, syntaktisch und erkenntnisleitend profiliert. Als Visionsbericht ist Jes 6,1—5 mit Ez 1 und der sogenannten „Unterweltsvision eines assyrischen Kronprinzen"113 eng verwandt, während aus dem Vorgabe der BHi Biblia Hebraica Transcripta beibehalten und die einzelnen Sätze innerhalb des Verses mit alphabetischen Buchstaben bezeichnet, wobei das Zeichen ״I" Infinitivkonstruktionen markiert; vgl. ferner KAISER, ATD 17,120ff; WILDBERGER, BK X/l, 230ff. 111 Ein Handlungsprogreß liegt in 4a und 5a vor. Entsprechend dem folgenden Schema und den beiden Narrativformen gehört 4a zu einer innervisionären Handlungsebene (Folgehand־ lung auf das Rufen der Serafen), in 5a meldet sich Jesaja selbst in einer Deutung des Geschauten zu Wort. Das Verbum ״sehen" ( )ראהfungiert in la und 5f zugleich als eine Klammer, die den Text umschließt. 112 Jedes Wesen hat 3 Flügelpaare, deren Funktionen syntaktisch auf drei Verbalsätze in iterativer Akzentuierung (2c.2d.2e) verteilt sind; insgesamt also sechs einzelne Flügel (2b). Ebenfalls ist die Rede der Wesen als dreifacher Heiligkeitsruf (3c: Trishagion) gestaltet. Und wiederum auf syntaktischer Ebene formulieren drei ^-Sätze (5c.5d -1 ־syndetisch gefügtem 5e.5f) die Konsequenzen aus dem Erschauten. Ebenfalls dreifach begegnet die Wurzel מלא (lb.3d.4b) und die Anrede Gottes: la (Herr), 3c (JHWH Zebaoth) und 5f (König JHWH Zebaoth). 113 Darauf machen IRSIGLER, aaO. 132 Anm. 12, und MÜLLER, Beobachtungen, 166ff, aufmerksam. Der assyrische Text findet sich nun in neuer Bearbeitung bei LIVINGSTONE, SAA 3, Nr. 32, bes r. 11 f: 11 ״When I raised my eyes, (I saw) the valiant Nergal seated on a regal throne, apparelled with the royal tiara; with both hands he grasped two grim maces, each with two . . . heads. 12 [ . . . ] were heaped [upon] them. Lightning was flashing in . . . his arms, the Anunnaki, the great gods, knelt to his right and left [...]. 13 The nether world was full of terror; a mighty silence lay before the crown prince [...] He took me by my forelock and pulled me in front of him. 14 I looked at him and my bones shivered! His grimly luminescent splendour overwhelmed me ...", aaO. 72; vgl. auch WILDBERGER, BK X/l, 235f; KAISER, ATD 17,126 f.
114 ״Ich habe JHWH sitzen gesehen auf seinem Thron, und das ganze Himmelsheer stand bei ihm, zu seiner Rechten und zu seiner Linken". Der Text berührt sich in derTopik ״Thron"/ ״Himmelsheer" und terminologisch (״stehen bei" )עמד עלmit Jes 6, bleibt in bezug auf die Ausgestaltung der Phänomene aber weit hinter letzterem zurück. 115 So SMITH, Divine Form, 425; vgl. ausführlich MÜLLER, Beobachtungen, 168f. 116 IRSIGLER, Gott als König, 142. 117 Vgl. IRSIGLER, aaO. 1 4 3 . Auf die Analogie zwischen Serafen und den Uräen am Stirnband der ägyptischen Pharaonen hat KEEL, Jahwe-Visionen, 8 0 - 1 1 5 , hingewiesen. 118 Vgl. KEEL, Jahwe-Visionen, 118F; IRSIGLER, aaO. 1 4 3 . 1 4 4 Anm. 4 3 . 119 Mit IRSIGLER, aaO. 1 3 3 Anm. 1 4 , wird ש ו ל י םals ״unterer Teil" verstanden. Es sind also nicht die Säume eines königlichen Gewandes oder gar Schleppen gemeint, vgl. KEEL, JahweVisionen, 56 ff, und oben S. 51 ff. 120 כ ב ו דist neben Jes 6,1 ff vor allem in den Psalmen tempeltheologisch und königsideologisch gebunden, tempeltheologisch: Ps 24,7ff; 29,9; 26,8; 57,3 ( ; 1 0 2 , 1 6;66,13;63,3;(עליון 138,5; als Attribut des Königsgottes: Ps 24,7; 29,10; 96,10; 97,1; 145,1; vgl. auchPREUSS^ Theologie 1, 191 ff. Termini der Wurzel קדשbegegnen im ersten Jesajabuch 14mal· Jes 5 16' 6,3(3x).13; 8,13; 11,9; 13,3; 23,18; 27,13; 29,23(2x); 30,29; 35,8. Von diesen Belegen sind'jes 11,9; 27,13; 35,8 auf das Zionsgelände zu beziehen und Jes 5,16; 8,13; 29,23 auf den Gott Israels bzw. auf den Zebaoth-Namen, vgl. JANOWSKI, Keruben und Zion, 232ff· KEEL Jerusalemer Kulttraditionen, 439ff.476f.477ff.482ff.484ff. Dazu kommen die Belege für den JHWH-Namen ״Heiliger Israels" in Jes 1,4; 5,19.24; 10,20; 12,6 (Zion); 17,7 (Schöpfer versus Altar/Ascheren); 29,23; 30,11.12.15; 31,1; 37,23. Dabei erscheint besonders hervorhebenswert, daß Jes 5,16 JHWH Zebaoth dadurch seine ״Heiligkeit" erweist (tznp-Ni., vgl. RINGGREN, 1194,)קדש,daß er ״Gerechtigkeit und Recht" durchsetzt. Vgl. auch IRSIGLER aaO 139.151 ff. 121
Vgl.
IRSIGLER,
aaO.
1 4 3 ; KEEL,
Jahwe-Visionen,
121
ff.
190
Die Königsgestalt JHWHs
JHWHals 122
diesem Motiv des durch Gottespräsenz gefüllten (Tempel)-Hauses nachzugehen ist, sind Überlegungen zu der dreifach gesteigerten Heiligkeitsproklamation notwendig. Auf das dreifache ״heilig, heilig, heilig" im Gesang der Serafen folgt, als identifizierender Nominalsatz formuliert, die Aussage: ״Das, was die Erde füllt, ist seine Herrlichkeit".123 Versteht man den Vers im Sinne eines räumlichen Abmessens, so wäre gemeint, daß nur JHWHs Herrlichkeit die Erde ״erfüllen", d.h. auszufüllen vermag.124 Was aber ist konkret mit ״Herrlichkeit" gemeint? Ist an ein die Erde durchdringendes Gotteslob oder eine abstrakte Vorstellung göttlichen Ruhmes gedacht?125 Eine mögliche Antwort geben Hab 3,3f und einige Belege des Psalters. Zunächst die engste Parallele Hab 3,3 f: 126 ״Gott kommt von Teman und der Heilige vom Berge Pharan; Seine Hoheit ( )הודbedeckt den Himmel, und sein Ruhm füllt die Erde. Glanz ist wie Licht,
122 Die Vorstellung der ״Heiligtumsfülle" kommt außer an dieser Stelle mit dem Subjekt ״Rauch" noch in Ex 4 0 , 3 4 (Herrlichkeit); Ez 4 3 , 5 (Herrlichkeit) und in IKön 8 , 1 0 - 1 1 (Wolke) vor. Während in Ex 4 0 , 3 4 ; Ez 4 3 , 5 die Herrlichkeit Gottes den Tempel füllt, ist das in Jes 6,3 eher umgekehrt. 123 Aufgrund der syntaktischen Eigentümlichkeit (estr. Verbindung von ״ מל)ו(אFülle") ist als Bedeutung auszuschließen, daß das, was die Erde füllt, seine Herrlichkeit sei, also im weitesten Sinne ein naturalistisches Verständnis, das die Schöpfungswerke als innerweltliche Darstellungen der Gottesherrlichkeit begreift, vgl. Ps 1 0 4 , 2 4 . So mit ausführlicher Diskussion der Syntax des Satzes IRSIGLER, Gott als König, 1 3 4 Anm. 1 5 . Vgl. KAISER, ATD 17, z.St. ״seine Herrlichkeit füllt die ganze Erde", ähnlich METZGER, Thron, 2 9 1 f; nochmals anders WILDBERGER, BK X/l, 2 3 1 : ״Seine Ehre kündet, was (immer) die Erde erfüllt". 124 Die Wendung ״die Erde erfüllen" begegnet entweder mit verbalem מלאin der Urgeschichte Gen 1 , 2 8 ; 6 , 1 1 . 1 3 ; 9 , 1 oder in den historischen Texten in der Bedeutung ״Land" in Ex 1 , 7 ; Lev 1 9 , 2 9 ; IKön 2 0 , 2 7 ; IIKön 3 , 2 0 ; Jer 2 3 , 1 0 ; 4 6 , 1 2 ; Ez 8 , 1 7 ; 9 , 9 ; 3 0 , 1 1 ; Jes 1 1 , 9 . In Jesaja 2,7.8 heißt es, daß das Land Jakobs, also der Norden, voller Götzen sei. Will Jes 6,3 hier einen Kontrast schaffen? Die übrigen Belege, die die Füllmasse JHWH zuordnen, sprechen dagegen, wie Num 1 4 , 2 1 ; Ps 3 5 , 5 ; 1 1 9 , 6 4 und vor allem die engste Parallele in ebenfalls epiphanem Kontext in Hab 3,3 zeigen. Die nominal konstruierte Wendung findet sich sonst nur noch in Jes 8,8, einem späteren Zusatz: ״Aber es wird geschehen, daß seine ausgespannten Flügel die ganze Weite deines Landes füllen, Immanuel." ״Seine Flügel" kann unmöglich auf die im Kontext genannten Wasser des Euphrat zu beziehen sein, die das Land überfluten, vgl. WILDBERGER, BK X/l, 3 2 7 . Nun findet sich in demselbem Kontext allerdings eine weitere Ergänzung, die als Apposition zu den ״Wassern" gedacht ist, in V. 7: ״den König von Assur und all seine Herrlichkeit (")כבודו. Unter Annahme einer identischen Verfasserschaft für beide Ergänzungen wäre an die neuassyrischen Bilder zu denken, die den König als Kriegsherrn unter dem Schutz der geflügelten Sonne darstellen. 125
So etwa KAISER, ATD 1 7 , 1 2 9 ; schon eher auf dem Weg zu einem konkreten Verständnis der Herrlichkeit ist WILDBERGER, BK X/l, 2 5 0 : ״es ist der belebte und unbelebte Kosmos, der auf seine eigene Weise . . . von Jahwes Herrlichkeit spricht." 126 Siehe oben Anm. S. 90.
Königsgestalt
191
Strahlen, ausgehend von seiner Seite, gehören ihm, und dort ist die Hülle seiner Kraft" (Hab 3,3-4). 127 Die Epiphanie des Berggottes vollzieht sich als ein Geschehen, das Himmel und Erde gleichermaßen betrifft. Der Himmel ist bedeckt von Hoheit, 128 und die Erde ist gefüllt mit Ruhm/Gotteslob. Dies Ergebnis theologischer Reflexion knüpft offenbar an die Beschreibung der Erscheinung in V. 4 an. Dabei ״scheint der Verfasser an die wie Feuer vom Himmel herabglühenden Sonnenstrahlen ( )קרביםgedacht zu haben."129 Die Identifikation des Lichtglanzes und die theologische Abstrahierung unter den Hoheitsterminus ״ הודHoheit" führen unweigerlich zur Vorstellung vom Lichtkleid JHWHs in Ps 104,1: ״Hoheit und Pracht hast du angezogen". Welche Anhaltspunkte liefern nun die Psalmbelege für ein konkretes Verständnis der Gottesherrlichkeit? Ps 72 gehört hinsichtlich seiner Bindung an die Person des Königs zu den vorexilischen Königspsalmen und beschreibt die ideale, ganz und gar gewaltlose Herrschaft in einem universalen Friedensreich, wo Gerechtigkeit und Fruchtbarkeit herrschen. Motiviert durch solchermaßen paradiesische Zustände, zollen die Völker und Königreiche diesem Friedenskönig Respekt und Anerkennung. Die JHWH-Beziehung des Königs wird in V. 1*.18.19 verdeutlicht: ״. . . Gott, deine Rechtssprüche gib dem König und deine Gerechtigkeit dem Königssohn . . . Gesegnet sei JHWH-Gott, der Gott Israels, der allein Wunder tut. Gesegnet sei sein herrlicher Name auf ewig, und es erfülle 1 3 0 seine Herrlichkeit die ganze Erde . . . " (Ps 72,1*.18.19).
Der auf die Redaktion des zweiten Psalmenbuches zurückgehende Schlußwünsch hat offenbar die Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit mit ihren Implikationen für die sozialen Verhältnisse im Innern, für die friedenspolitisehen Aspekte im Äußeren und die lebenserhaltende Fruchtbarkeit der Natur im Blick. Dieser (Nach-)Interpretation entspricht, daß der König ״lang lebe mit der Sonne und vor dem Mond von Geschlecht zu Geschlecht"131 (V. 5) bzw. daß neben dem Namen Gottes auch sein Name ״sprosse vor der Sonne" (V. 17).132 Die Konkretisierung der göttlichen Herrlichkeit anhand eines uni127 Zum Text vgl. weh, 234ff. 128
JEREMIAS,
Theophanie, 38ff. Zu solaren Bezügen siehe
TAYLOR
Yah-
Zur ״Hoheit" als Kleid JHWHs vgl. Ps 104,1 und unten S. 235f Anm. 366. Theophanie, 45. 130 Lies 3.Sg.m. Qal. 131 Lies 3.sg.m. P K Hi. ״ א ר ךlang machen" = ״lang leben", vgl. HAL I , s.v.; RICHTER, Untersuchungen zur Valenz, 29 Anm. 1; KRAUS, B K XV/2,656. 132 Vgl. JANOWSKI, JHWH und der Sonnengott, 231 f; SMITH, Solar Language, 36, zur engen Verbindung von Sonnen- und Wettergott-Typologie schon in Hos 6,3, siehe dazu W E R N E R , Anmerkungen, 368; vgl. auch Ez 43,8 und IlSam 23,3b-4. 129
JEREMIAS,
192
Die Königsgestalt JHWHs
versalen Friedensreiches, das seinerseits ״Gerechtigkeit und Recht" abbildet, läßt vermuten, daß zwischen dem כבוד יהוהund der Rechtsgarantie durch den König engere Verbindungen bestehen könnten, die mit der Rolle des Sonnengottes als Retter (V. 4aß ״Hilfe") und Richter (V. 4aa ״Rechtsentscheid") und dem König als seinem Repräsentanten133 zu tun haben. Wohl ohne an die sonnentheologische Rückbindung zu denken, erklärt denn auch Kraus unter explizitem Hinweis auf Jes 6,3: ״Der Lichtglanz Gottes soll die Welt füllen".134 Ähnliches meint der folgende Text: ״JHWH, mein Gott, ja dich suche ich, 1 3 5 nach dir dürstet meine Seele So schaue ich nach dir aus im Heiligtum, um zu erblicken deine Macht und deine Herrlichkeit" (Ps 63,1.3).
In Ps 63, einem vielleicht noch vorexilischen Königsgebet (V. 12), wartet der Notleidende (V. 10.12b) in der Sicherheit des Tempels136 die Nacht über (V. 7) auf Hilfe (V. 8). Der Beter erwartet demnach im Heiligtum am Morgen, genauer: zur Zeit des Sonnenaufgangs, seine Rettung. In der aufgehenden Sonne manifestiert sich die ״Macht" zur Vertreibung der Feinde und die ״Herrlichkeit" JHWHs. Explizit findet sich das Morgenmotiv in Ps 57: ״Ich schreie zu JHWH, dem Höchsten, zu Gott, der zu meinen Gunsten vergilt. 137 Er sende vom Himmel und helfe mir.
133 Ygj exemplarisch JANOWSKI, Rettungsgewißheit, 84ff.l78. Zum engen Zusammenhang zwischen Sonne(ngott) und König vgl. Ps 89,37: ״sein Thron ist wie die Sonne vor mir", vgl. SMITH, Solar Language, 34ff, und oben S.90. Dem lassen sich aus Ugarit die Namen sps.°lm (KTU 2.42,7) und aus Karatepesms c lm (KAI 26 A III 19) hinzufügen. Das Epitheton ״Sonne" für den ägyptischen Großkönig (mlk.rb) begegnet in Ugarit in KTU 2.23; für den hethitischen Großkönig in KTU 3.1,11.19.25; 2.39. KTU 2.34,13 ist unklar; in Mari für den König Zimrilim ״meine Sonne" samslja (ARM X, 39,1 vgl. auch 99,5) und im Prolog des Codex Hammurapi als Selbsttitulatur des Königs kima dSamas (UTU), CH 1,40; im Alten Testament im Kontext der Ahndung von Rechtsbrüchen etwa Num 25,4; IlSam 12,11 f; Gen 32,26 vgl. STÄHLI, Solare Elemente, 28-30; TAYLOR, Yahweh, 239ff. Die enge Verbindung zwischen König und Sonne findet sich ebenfalls im Flügelsonnensymbol der Königsstempel, vgl. H. WEIPPERT, Palästina, 674f; KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 282ff.302ff; KEEL, Jerusalemer Kulttraditionen, 488ff. 134
BK XV/2, 661; vgl. auch STÄHLI, Solare Elemente, 26; NIEHR, Der höchste Gott, 154f. 135 א ת הdient zur Verstärkung des ePP der 2.sg.m., vgl. KRAUS, B K X V / 2 , 6 0 0 . Zur impliziten Paronomasie zwischen dem hier verwendeten Verb ״ שחרsuchen" und ״ שחרMorgenröte" vgl. SMITH, Seeing God, 1 7 5 , und Hos 5 , 1 5 4 . 6 , 3 ־ 136 ״Im Schatten deiner Hügel" vgl. auch Ps 17,8; 57,2; 61,5; 91,4 u. ö. Zu diesem vielfältigen ״Schutzbild", das vielleicht doch eher an die geflügelte Sonne (Mal 3,20a) denken läßt als an die Flügel des Kerubenthrones, vgl. HERMISSON, Sprache und Ritus, 114 Anm. 3; HossFELD/ZENGER, NEB 29,117; SMITH, Seeing God, 178f. 137 Zu ״ גמרvergelten, ahnden" s. H A L I s. v.
JHWH als Königsgestalt
193
Sei erhaben über den Himmeln, JHWH, über der ganzen Erde sei deine Herrlichkeit Wach auf, meine Ehre 1 3 8 , wach auf, Leier und Harfe, Ich will wecken die Morgenröte" (Ps 57,3.4*.9).
Dieses ebenfalls zu den Individualpsalmen zählende Klagelied enthält die Bitte eines von Feinden139 bedrängten Menschen, der im ״Schatten der Hügel" Gottes (V. 2) Zuflucht gesucht hat, um Hilfe (V. 4) am Morgen. V. 6 begreift die erwartete Rettung nicht nur als ein Geschehen, das ״vom Himmel" ausgeht (V. 4: שמים+ Präp.)מן, sondern als etwas, das sich so am Himmel ausbreitet, daß es ״über der ganzen Erde" sein kann. Damit kann im Kontext des Morgenmotivs aber nur das Licht der aufgehenden Sonne gemeint sein. 140 Ähnliches setzt Ps 5 voraus: ״Vernimm mein lautes Schreien, mein König und mein Gott, denn ich flehe zu dir. Herr, am Morgen lege ich dir dar (meinen Rechtsfall) und schaue aus nach (deinem Rechtsentscheid)" (Ps 5,3.4). 1 4 1
Ebenfalls im Kontext einer individuellen Klage an den Königsgott ergeht die Bitte um Klärung der Rechtssache ״am Morgen" ( )בקרin Ps 5. Der Text setzt den gesamten komplexen Vorstellungsgehalt über den Sonnengott als Richter und Retter voraus, im besonderen also das Ineinander zwischen dem die Rechtsfrage durchleuchtenden Licht der Sonne (Rechtsentscheid) und dem kosmischem Ereignis selbst (Sonnenaufgang).142 Als letztes Beispiel für den diese Texte prägenden Sachzusammenhang des Königsgottes in der Rolle des richtenden Sonnengottes sei auf die an JHWH Zebaoth gerichtete Fürbitte eines Pilgers für den ״Gesalbten", als Repräsen138 ״ כבודיmeine Ehre" oder als Anrede ״meine Herrlichkeit"? Im letzteren Falle läge eine Übertragung königlicher Hoheitsprädikationen auf den Menschen vor, ähnlich Gen 1,26 ff; Ps 8. 139 140 141
Zu den Feindpsalmen (mit der Bitte um Rechtsentscheid) vgl. SEIDEL, Spuren, 31. Vgl. unten S. 196ff zu Ps 17. Zur Übersetzung vgl. JANOWSKI, Rettungsgewißheit, 188; HOSSFELD/ZENGER, NEB 29,
64 f. 142 Zur Korrelation von Schöpfungs- und Sozial- bzw. Rechtsordnung in diesem Zusammenhang vgl. JANOWSKI, Rettungsgewißheit, 175f; DERS., JHWH und der Sonnengott, 227ff. Derselbe Zusammenhang findet sich auch in Ps 7,12 in der Vorstellung des ״täglichen" Strafgerichts des auch hier als König und höchstem Gott (thronen V.8/ עליוןV. 18) vorgestellten gerechten Richters, vgl. HOSSFELD/ZENGER, NEB 29, 72.113. In diesem Sinne ist wohl auch zu verstehen, daß die Wolken JHWHs Licht ausbreiten, Hi 37,11. Zur Verbindung von Sonnengott und Rechtsfall in Mesopotamien vgl. jetzt MAUL, ״Auf meinen Rechtsfall werde doch aufmerksam!", 131 ff. Hier finden sich auch Hinweise zur Verbindung von Fürbitte, Lösegeld (iptiru) und Eröffnung des Rechtsverfahrens durch den Sonnengott Sama§, aaO. 138 f.
195
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Die Königsgestalt JHWHs
tant der nachexilischen Gemeinde, in Ps 84,12 verwiesen; sie endet mit der Gewißheit: „Denn Sonne und Schild ist JHWH, ( . . . ) Gnade und Herrlichkeit". 143
„Gnade" und „Herrlichkeit" lesen sich wie Parallelbegriffe zu Sonne und Schild, so daß sich auch hier im Kontext tempeltheologisch geprägter Zebaoththeologie ein Zusammenhang zwischen der „Herrlichkeit Gottes" und dem Sonnenlicht nahelegt. 144 Wie dieser insgesamt spätere Text verdeutlicht, vollzieht sich erst in der exilisch/nachexilischen Zeit die Hinwendung zur Übertragung expliziter Sonnentermini auf JHWH. In der vorexilischen Prophetie wird dies durch die Kombination von Sonnen- und Wettergottmotivik (Hos 6,3) bzw. in den Psalmen über das Morgenmotiv und die solarisierte Vorstellung vom ״Gott schauen" erreicht.145 Trotz dieser inneralttestamentlichen Entwicklungen muß hervorgehoben und beachtet werden, daß im Alten Orient bereits seit dem späten dritten Jahrtausend v.Chr. Sonnenmotivik und Königsideologie aufs engste verbunden sind.146 In dieser tempeltheologischen Tradition, die den höchsten Gott in der Rolle des alles Unrecht durchleuchtenden und Recht (Jes 5,16) schaffenden Sonnengottes versteht, kann auch das Trishagion (Jes 6,3) entsprechend gedeutet werden. JHWH erweist seine Heiligkeit darin, daß er das Gottesverhältnis Israels „zu Recht" bringt.147 Die Herrlichkeit, die die Welt erfüllt, ist damit eine Vorform dessen, was später als das auf JHWHs Rechtshandeln hin transparente Sonnenlicht verstanden wird.148 Der vom Tempel aus in die Welt hineinscheinenden Herrlichkeit (außen) korrespondiert ein analoges Geschehen im Tempel selbst (innen). Die „Schwellen beben" und „das ganze Tempelhaus füllt sich mit Rauch". Schon immer war aufgefallen, daß diese beiden Begleiterscheinungen zu Epiphanien gehören und daß sie hier offenbar durch den Ruf der Serafen - und nicht etwa durch Gott selbst - ausgelöst werden. 149
143 Zum Text vgl. KRAUS, B K XV/2,747; SMITH, Seeing God, 177; SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 280f. Zu den solaren Bezügen vgl. TAYLOR, Yahweh, 219f; JANOWSKI, J H W H und der Sonnengott, 227.230.235. 144 Dies wird auch durch Ex 16,7 (P): ״und am Morgen ( )בקרwerdet ihr sehen die Herrlichkeit JHWHs, wenn er hört euer Murren gegen JHWH" deutlich, vgl. ZENGER, Exodus, 163, bes. 170, und siehe unten S. 216f. 224. 145 Vgl. SMITH, Seeing God, 171 ff; DERS., Psalms, 52ff; DERS., Solar Language, 30; einen kurzen Abriß der Solarisierungsgeschichte im Alten Testament bieten NIEHR, Der höchste Gott, 149ff, und JANOWSKI, J H W H und der Sonnengott, 221ff. 146 Vgl. oben S. 192 Anm. 133; s. auch unten S. 255ff. *47 Vgl. WILDBERGER, BKX/1,190f.255ff. 148 Auch SMITH, Divine Form, 425, notiert, daß Jes 6 neben der übermenschlichen Größe auch ״dazzling light" als Gottesattribut impliziere. Zu der Vorstellung, daß im Tempel Licht erscheint, d. h. die Sonne aufgeht, vgl. FALKENSTEIN, SGL 1,42. 149 Vgl. nochmals KEEL, Jahwe-Visionen, 121 f.
JHWH als Königsgestalt Die Vorstellung von der Ausfüllung eines Heiligtums mit Rauch, Wolken oder Herrlichkeit findet sich an insgesamt vier Stellen im Alten Testament: Jes 6,4; IKön 8,10; Ex 40,34 und Ez 10,4. D a diese Ereignisse immer einem parallelen Geschehen korreliert sind, seien die Texte im folgenden zitiert: ״Und die Priester brachten die Lade des Bundes JHWHs an ihren Platz, in den Debir des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Keruben . . . U n d es geschah, als die Priester das Heiligtum verließen, da erfüllte die Wolke das Haus JHWHs" (IKön 8,6.10). ״Da bedeckte die Wolke das Zelt der Begegnung, und die Herrlichkeit JHWHs erfüllte die Wohnung" (Ex 40,34). ״Da erhob sich die Herrlichkeit JHWHs von dem Kerub hin zum Podium des Tempelhauses, da füllte sich das Haus mit der Wolke, und der Vorhof war erfüllt vom Glanz der Herrlichkeit JHWHs" (Ez 10,4). Während in den ersten beiden Texten der Einzug JHWHs in sein Heiligtum dargestellt wird, ist in Ez 10,4 das Verlassen des Tempels gemeint, und entsprechend füllt sich der äußere Bereich auf dem Hof mit ״Herrlichkeit", während das Tempelinnere von der Wolke ausgefüllt wird. 1 5 0 In Ex 40,34 und Ez 10,4 scheint die Wolke eine Art Verhüllung für die Herrlichkeit selber zu sein, während IKön 8,10 offenbar die Exklusivität des Geschehens unterstreicht, indem erst die Priester das Heiligtum verlassen müssen. 1 5 1 Aus der Korrelation eines Innenbereichs mit einem Außenbereich ergibt sich folgende Struktur: Innen: Herrlichkeit Wolke Rauch
Außen: Wolke Herrlichkeit Herrlichkeit
Folge: Raum nicht betretbar Glanz im Vorhof Herrlichkeit in der Welt
(Ex 40,34f) (Ez 10,4) (Jes 6,3 f)
Aus dieser Korrelation der Ereignisabläufe sowie aus dem engen kontextuellen Bezug zwischen der ״Herrlichkeit" außen und dem ״Rauch" innen ergibt sich für Jes 6,3.4 (מלא: Tempel - Erde - Tempel), daß Jesaja in seiner Vision ״Kunde von einer ständigen ,Theophanie' Jahwes in seiner erscheinenden Majestät bzw. Herrlichkeit auf der ganzen Erde"152, d.h. nach dem vorher Gesagten: von seiner dem morgendlichen Sonnenlicht analogen Lichtherrlichkeit erhält. Die Herrlichkeit geht nicht auf alles über, wie etwa der mesopotamische Schreckensglanz auf das, was mit dem Gott in Berührung kommt, sondern sie durchdringt als sichtbare Außenseite des sich ״in Recht und Gerechtigkeit" als heilig erweisenden Königsgottes vom Tempel aus die Welt. ״Jahwe Zebaoth ist nach dem Zeugnis von Jes 6,3 ganz in der Welt da, ist Gott in Welt und macht Welt zum Ort der Gottesherrlichkeit, welche für Gott selbst steht."153 150
V g l . ZIMMERLI, B K X I I I / 1 , 2 3 3 .
151 Ygi auch e x 40,35, wonach Mose deswegen nicht in das Zelt eintreten konnte, weil es von Wolke und Herrlichkeit „erfüllt" war. 152 IRSIGLER, Gott als König, 146; WILDBERGER, BK X/l, 249f, verweist ferner auf Ps 19,1; 29,1 f; 89,6 bzw. darauf, daß es Mitglieder des himmlischen Thronrats sind, die JHWHs Ehre verkünden, d.h. die personifiziert gedachten Himmelsbewohner; zur anthropomorph konzipierten Himmelsvorsteilung vgl. STOLZ, Himmelsgott, 141 f. 153 SPIECKERMANN, „Die ganze Erde ist seiner Herrlichkeit voll", 4 1 9 .
197
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Die Königsgestalt JHWHs
JHWH als Königsgestalt
Eine gegenüber Jes 6,3 fortgeschrittenere, d.h. im Sinne der bisher behandelten Psalmstellen explizit gewordene Solarisierung der Königsgott־Vorstellung setzt ebenfalls Ps 17 voraus. Da die tempelkultische Prägung des Textes umstritten ist, ja sogar die Königsmotivik zu fehlen scheint, sei der Text in einem Exkurs näher beleuchtet.
Exkurs 3: Die Sonne als Gestalt des
Königsgottes
2 3
4
5
6
154
156 157 158
8
Bewahre mich wie die Pupille des Auges 1 6 2 , im Schatten deiner Flügel verbirg mich 1 6 3 vor den Frevlern, die mich hart bedrängen, vor den Feinden, die schnaubend mich umzingeln.
9
11 12
13
[״Ein Gebet Davids]
14
Höre, JHWH, die Rechtssache 1 5 4 , höre hin auf mein Flehen, höre auf mein Gebet ohne Lippen des Truges. 1 5 5
15
Das Beste ihres Herzens 1 6 4 haben sie verschlossen, ihr Mund redet stolze Worte. Unsere Tritte 165 - jetzt haben sie mich umkreist 166 , sie trachten danach, (mich) zu Boden zu werfen. Seine Ähnlichkeit ist wie ein Löwe trachtet zu zerreißen, und wie ein Junglöwe, der im Hinterhalt sitzt. 167 Erhebe dich, JHWH, ihm entgegen, zwing ihn in die Knie. Entreiße meine Seele dem Frevler mit deinem Schwert, den Männern (entreiße meine Seele) 1 6 8 deine Hand, den Männern, denen, die lebenslangen Anteil am Leben haben. 1 6 9 Aber dem bei dir Geborgenen 1 7 0 - ihren Leib füllst du, ihre Kinder werden satt und hinterlassen einen Rest ihren Enkeln. Ich will schauen in Gerechtigkeit dein Angesicht, ich will mich sättigen beim Aufwachen an deiner Gestalt."
Von deinem Angesicht gehe mein Recht(sspruch) aus, deine Augen sehen Aufrichtigkeit/gerechte Ordnung. D u hast geprüft mein Herz, hast heimgesucht nachts, hast mich geläutert, fandest nicht Schandtat bei mir 156 , nicht übertrat mein Mund 1 5 7 . Wegen der Taten der Menschen 1 5 8 im Wort 1 5 9 deiner Lippen habe ich beobachtet die Wege des Räubers. Festgehalten 1 6 0 haben meine Schritte an deiner Spur, nicht haben gewankt meine Tritte. Ich habe dich gerufen, denn du erhörst mich, Gott, wende dein Ohr mir zu, höre, was ich sage.
Vgl. Lev 19,36; Ps 42,2, vgl. VON R A D , ״Gerechtigkeit" und ״Leben", 231 f; NEB 29,116. Also eine wahrhaftige Rede ohne Täuschungen. Lies Ein Gebot, eine Weisung? Zu diesem Gebrauch von לvgl. HAL II, 485.
HOSSFELD/
ZENGER, 155
Erweise wunderbar deine Huld, Retter der Zuflucht Suchenden, vor denen, die sich auflehnen, an deiner Rechten. 1 6 1
10
Neben den schon oben genannten Argumenten sind es zwei weitere Beobachtungen, die hier zu einer genaueren Betrachtung nötigen. Einerseits findet sich in Ps 17,15 einer der zwei positiv bewerteten Belege für תמונהmit Bezug auf JHWH (vgl. Num 12,8). Andererseits wird der Psalm, wie zu zeigen ist, vom Morgenmotiv her strukturiert, so daß nach den Erwägungen zur ״Herrlichkeit Gottes" in Jes 6 auch ein inhaltlicher Anschluß zum Vorhergehenden gegeben ist. Eine Übersetzung und Aufbauanalyse von Ps 17 sei vorangestellt: 1
1
159
V g l . KRAUS, B K X V / 1 , z . St.
160
Lies תמכו.
.ץמתי
161 Syntaktisch sind folgende Möglichkeiten gegeben: 1. direktiv: die sich auflehnen gegen deine rechte Seite; 2. nachhängender Instrumentalis: erweise Huld, Retter der Zuflucht Suchenden, vor denen, die sich auflehnen, mit deiner Rechten; 3. lokativ: vor denen, die sich auflehnen, bei/an deiner Rechten. Letzteres würde mit den ״Schatten deiner Flügel" in V. 8 einen Parallelismus versuum bilden. 162 Wörtlich ״wie die Pupille, Tochter des Auges". 163 Der Satz wird in V. 9 weitergeführt. Unter dem ״Schatten des Königs", d. h. unter der Vorstellung, ״sich unter dem Schirm/Schatten des Königs zu befinden", verstehen bereits mesopotamische Texte ein Verhältnis königlicher Protektion, die demjenigen, der sich unter dem Schirm befindet, gewisse (Rechts)־Ansprüche ermöglicht, vgl. OPPENHEIM, The Shadow of the King, 7ff; siehe oben S. 192f. 164 Lies חלב לבמו. Wörtlich das ״Fett", metaphorisch das ״Beste" vgl. H A L I s. v. 165 Vgl. HOSSFELD/ZENGER, NEB 29, 116. Vielleicht ist gemeint: Unsere Schritte waren einmal gemeinsame - nun aber haben sie mich umringt? 166 Lies mit K e tib. Das Q e re hat: ״sie haben uns umringt". 167 ParaphrasierterText. 168 Aus dem vorigen Satz sind Prädikat und direktes Objekt zu ergänzen. 169 Dies ist nur als Übersetzungsversuch des sehr schwierigen Textes zu verstehen, vgl. HOSSFELD/ZENGER, N E B 29,117; KRAUS, B K XV/1, z.St. 170 Kollektiv zu verstehen aufgrund der folgenden Suffixe der 3.pl.c. im Sinne von ״allen, die bei dir geborgen sind".
199
Aufbau und Strukturanalyse: B
V. 1 V. 2 V. 3
C D
C'
B'
A'
V. 13 V. 14 V. 15
Bitte um Erhörung des Gebets משפט Bitte um Rechtsentscheid לילה Prüfung der Sache bei Nacht V. 4 Unschuldsbekenntnis des Beters V. 5 Vertrauen auf JHWH V. 6 Erhörungsgewißheit V. 7 Schutz ״an deiner ״Rechten" בימניך V. 8 Schutz ״im Schatten deiner ב צ ל כנפיך Flügel" V. 9 Schutz vor den andrängenden Feinden V. 10 Reden der Feinde V. 11 Handeln der Feinde V. 12 Charakter der Feinde (Tiere) Handeln an den Frevlern Handeln an den Frevlern Handeln an dem/n Schutz Suchenden Erwartung des Rechtsentscheides
צדק
Bitte . Soziale Welt: Leben des Beters
Zufluchtsort des Beters
Rechtswelt: ^^"״׳ Wiederherstellung
. Soziale Welt: Leben der Feinde Erhörung
בצדק
Vgl. WATSON, Hebrew Poetry, 284. Vgl. KRAUS, BK XV/1, 275f, zur ״Prüfung" und ״Untersuchung" des Beters während der Nacht. Zum richtenden und rettenden Handeln Gottes vgl. JANOWSKI, JHWH der Riehter, 53 ff. 68 ff. 173 Es geht also nicht darum, daß der Beter als Angeklagter im Tempel inhaftiert ist und auf sein Urteil wartet (WEISER, ATD 14/15,120 spricht sogar vom ״Gottesurteil"), sondern um die Klärung seiner Rechtsangelegenheit. 174 Ob dies gleichzeitig der Ort eines Ordals bzw. eines Tempelordals ist, wie GERSTENBERGER, Psalms 1, 94f, vorschlägt, läßt sich kaum anhand von Parallelbelegen erweisen. Diskuta־ bei ist allenfalls die Vorstellung, daß der Beter im Tempelbereich eine Art Asyl gefunden hat. Die Wortverbindung כנף+ צלbegegnet nur noch in Ps 36,8; 57,2; 63,8. Die genannten Belege enthalten mit Ausnahme des letzten keine konkreten Hinweise auf einen Aufenthalt des 172
Die internen Beziehungen zwischen den in dem Text angesprochenen Sinn- und Symbolebenen macht die folgende Übersicht deutlich. Von der Zufluchtsstätte des Beters (imTempel?) im Schutz JHWHs ausgehend, werden die sozialen Relationen in der Rechtswelt und unmittelbar folgend in der Lebenswelt geordnet.
Rechtswelt: Verfahren
Der gesamte Text wird durch die Wurzel ( צדקV. 1.15) in der Stilform der ״envelope figure" 171 umrahmt. Daraus ergibt sich eine einander interpretierende Zuordnung der Teile A ־A \ B-B' und C-C', die sich konzentrisch um die Textmitte D lagern. In A - A ' sind Gebetserhörung und Gottesschau verbunden. Von diesem äußeren Rahmen in das Textzentrum vordringend sind B-B' (Rechtsprüfung: V. 2.3/Rechtsdurchsetzung: 13.14) aufeinander bezogen. Auf der Ebene des Rechtsverfahrens entspricht der Bitte um einen Rechtsentscheid des in der nächtlichen Rechtsprüfung172 unschuldig erfundenen Beters die Rechtsdurchsetzung in der Bestrafung der Täter. Dies vollzieht sich im Niederwerfen der Feinde, in der Befreiung des Beters und seiner anschließenden Restitution. 1 7 3 Die unterschiedlichen Dimensionen und Aspekte des Rechtsverfahrens werden dabei so in ihrer gegenseitigen Bezogenheit differenziert zum Ausdruck gebracht. Hinter der Ebene des Rechtsverfahrens wird das konkrete Sozialverhalten des Beters und der Feinde sichtbar. Während der Beter ״die Wege des Räubers" nicht beachtete (Unschuld des Beters: V . 4 - 5 ) , gebärden sich die Feinde (Schuld der Feinde: V. 1 0 - 1 2 ) ihm gegenüber wie wilde Tiere, C־C'. Im Zentrum des Textes schildert der Beter offenbar seine Flucht in den Schutz JHWHs, hier äußert er sein Vertrauen, und hier wartet er auf die Klärung seiner Rechtsangelegenheit. 1 7 4
171
193
JHWH als Königsgestalt
Die Königsgestalt JHWHs
Insbesondere zeigen die Verse 1.2.15, daß die Entscheidung der Rechtssache mit dem ״Angesicht" Gottes aufs engste verbunden ist, denn der Beter strebt ja danach ב צ ד ק, d.h. als einer, dem zum Recht verholfen wurde, Gott zu schauen. Von diesem Angesicht geht nicht nur der Rechtsspruch aus, sondern in einem synonymen Parallelismus membrorum (V. 15) wird dies als ״Sättigung beim Aufwachen an deiner Gestalt" gedeutet. Versteht man mit Janowski die Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit, vor allem aber die jeden Morgen neu erfahrene Epiphanie des Sonnengottes als Überwindung der Not und Rechtsunsicherheit, dann partizipiert Ps 17 genau an diesem Zusammenhang. 1 7 5 Nicht nur die vorausgesetzte Rechtsnot des Beters, sondern auch der im Duktus der Textanordnung sich vollziehende Wechsel von der Nacht (V. 3) zum ״Aufwachen" (V. 15) des Beters am Morgen des folgenden Tages legen dies nahe. D i e Erwartung einer ״ תמונהGestalt" als Synonym zu פנים ״Angesicht" ist dann aber etwas qualitativ anderes als der erwartete Rechtsspruch in Ps 5,4 (vgl. hier V. 2 פנך+ ל+ )מן. Gemeint ist JHWHals der am Morgen aufsteigende Sonnengott. Ps 17,15 steht damit sowohl in krassem Gegensatz zu den dtr Texten, die ja gerade aus der Gestaltlosigkeit JHWHs das generelle Bilderverbot ableiten 1 7 6 , als Beters im Tempelbezirk. Wohl aber stehen die beiden letzten Belege in engem Bezug zum Morgenmotiv, siehe oben S. 192f und 197 Anm. 163. Zu älteren Theorien, die mit einer nächtlichen Tempelinkubation, einer Heiligtumsasylie oder einem Tempelgerichtsverfahren der individuellen Klagepsalmen rechnen, vgl. grundsätzlich JANOWSKI, Rettungsgewißheit, 6 - 1 4 ; als Beispiel sei auf KRAUS, BK XV/1, 273, hingewiesen, der für Ps 17 mit einer ״kultischen Institution der Gottesgerichtsbarkeit" rechnet. Zum Institutionenbezug der alttestamentlichen Klage- bzw. Bittzeremonie vgl. ebenfalls GERSTENBERGER, Der bittende Mensch, 151 ff. 175 Vgl. JANOWSKI, Rettungsgewißheit, pass. Auch hierin zeigt sich die für die Tempeltheo־ logie charakteristische Korrelation zwischen kosmischem und irdischem Geschehen, vgl. oben S. 103f; zu den solaren Bezügen in Ps 11,7; 17,15; 27,4.13; 63,3; 84,4.12 und zur Relation zwischen Licht und Recht vgl. JANOWSKI, J H W H und der Sonnengott, 227; PODELLA, Licht, 633 ff. 176 Vgl. oben S. 180f; und DOHMEN, Das Bilderverbot, 216ff, der in seiner kurzen Analyse zu תמונהzwar die Bedeutung des Terminus im Sinne einer Gestalthaftigkeit betont, nach der Form dieser Gestalt aber nicht fragt.
201 Die Königsgestalt JHWHs auch zu solchen Aussagen, die mit dem Morgenmotiv nur den Akt der Hilfeleistung verbinden. 1 7 7 Diese Solarisierung der JHWH-Religion berührt in Ps 17 nicht nur den Bereich der Rechtsvorstellungen, sondern JHWH selbst in seiner Funktion als Königsgott und als Garant von Recht und Gerechtigkeit. Daß beide Bereiche nicht voneinander getrennt werden können, zeigen z . B . die Königstitulatur und die Bitte um Rechtshilfe in Ps 5,2—4. 178 Eine explizite Solarisierung JHWHs, wie sie z . B . in Termini des Lichts/ Aufstrahlens etc. greifbar wird, liegt noch nicht konturiert vor.
b) Ezechiels Vision des Thronenden (Ez 1) Analog der Vision Jesajas und der Thronratsvision Micha ben Jimlas (Jes 6; IKön 22,19) zählt auch Ez 1 zu den großen Visionen im Alten Testament im Zusammenhang prophetischer Beauftragung.179 Ihnen ist gemeinsam, daß JHWH als Königsgott wahrgenommen und dargestellt wird. Während Jesaja einen überdimensionierten Thron erblickt und Gott selbst anhand seiner Epitheta ״Zebaoth/König" beschreibt, gehört Ez 1 zu den Ausnahmetexten, die trotz eines (schon verschärften?) Bilderverbotes eine gestalthafte Beschreibung JHWHs wagen. 180 Gleichzeitig gilt dieser Text als locus classicus für eine ikonographische Interpretation, dergemäß JHWH hier wie eine anthropomor-
177
Von daher ist fraglich, ob der Explizitheitsgrad solarer Elemente für Datierungsfragen herangezogen werden darf oder ob nicht mit graduell unterschiedenen Ausprägungen in differenzierten Zusammenhängen gerechnet werden muß. Offizielle Hofhistoriographie ist z.B. ein anderer Bereich als die Volksfrömmigkeit. In diesem Zusammenhang weist GLADIGOW, Konkurrenz, 115, auf das Phänomen hin, daß abstrakte Gottesvorstellungen durch eine zunehmende Bilderverehrung im Bereich unterer Gesellschaftsschichten konterkariert werden. 178 Siehe oben S. 193. Diese Verbindung von Königstitulatur und richtendem Sonnengott zeigt paradigmatisch ein nachaltbabylonischer Beschwörungstext aus dem Umkreis des mispiRituals, vgl. oben S. 108ff, aus Bogazköy, vgl. COOPER, Bilinguals from Boghazköi II, 65ff, zu KBo 71 + + und die Bearbeitung 69 ff. Der Sonnengott Sama§ ( d UTU) trägt nicht nur den Titel lugal an־ki־sä־ra־ke4 ״König der Gesamtheit von Himmel und Erde" (Z. 9), dessen Thron (V. 1.26) im Himmel steht, sondern auch das Epitheton aga hus-an-na ״Rote Krone des Himmels" (Z. 2). Diese Vorstellung, daß ein Himmelsphänomen, die Sonne, als Krone oder Kappe bezeichnet wird, findet sich ebenfalls in dem epischen Ninurtahymnus lugal ud meläm-bi nir-gäl, vgl. VAN DIJK, LUGAL U D ME־LÄM־bi NIR-GÄL, I 9: ״Ninurta, deine Krone ist der Regenbogen, vor dir blitzt er immer wieder wie ein Blitz" dnin-urta aga-zu dtiran-na igi-zu nim-gir-gim g[ir־gi]r[־r]e und akkadisch dII a-gu-ka dman-za-ät ina pa-ni-ka ki-ma bi-ir-q[iit-ta-nab-r]iq, vgl. auch FALKENSTEIN, SGL 1, Nr. 1 Z . 96ff: ״Wenn er ( = Enlil) im . . . , im Gebirge, den Hochsitz einnimmt, erfüllt er wie ein Regenbogen den Himmel, zieht er nach eigenem Willen daher wie dahinsegelnde Wolken"; vgl. auch aaO. 65, und CASSIN, Splendeur Divine, 118, s. ferner VAN LOON, Rainbow, 149ff; LAMBERT, A List of Gods' Names, 187; DERS., RLA 7, 344ff, zu dManziat, einer wohl elamischen Göttin des Regenbogens. Zum ״Regenbogen" im Alten Testament vgl. zu Ez 1 weiter unten. 179 Die spezielle Frage nach der Gattung bzw. Gattungsgeschichte dieser Texte kann hier unberücksichtigt bleiben, vgl. ZIMMERLI, BK XIII/1,16ff; SCHMIDT, BK II/l, 123ff. 180 Vgl. DOHMEN, Gottesbeschreibungen, 330ff.
JHWH als Königsgestalt
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phe Flügelsonne dargestellt werde. 181 Da für unsere Fragestellung die textge־ schichtlichen und literarkritischen Probleme in Ez 1, vor allem in Verbindung mit Ez 8-11, und eine genauere Aufarbeitung der ikonographischen Parallelen zu den Mischwesen und Keruben nicht von unmittelbarer Relevanz sind, wird auf eine Erörterung weitestgehend verzichtet.182 In einer Sturm-/Gewitterepiphanie schaut der schon 597 v. Chr. nach Babylonien deportierte Prophet Ezechiel einen Thronwagen bzw. menschengestaltige Trägerfiguren, über deren Köpfen sich eine Platte befindet (Ez 1,4-22*). Die Beschreibung der Platte und was über ihr zu sehen ist, folgt in V. 22.26-28: 22״ regendes) Kristall, ausgebreitet von oben her über ihren Köpfen . . . 26 Und oberhalb der Platte, die auf ihren Köpfen war, war etwas, das wie Lasurstein aussah, etwas wie ein Thron, und auf dem Abbild des Thrones war etwas, das aussah wie ein Mensch auf ihm von oben herab. 27 Und ich sah das Aussehen von Weißgold [ . . . ] vom Aussehen seiner Hüften nach oben, und von dem Aussehen seiner Hüften nach unten sah ich etwas wie das Aussehen von Feuer, und ein Glanz war rings um ihn herum. 28 Wie das Aussehen des (Regen-)Bogens, der am Tage des Regens in der Wolke ist, so war das Aussehen des Glanzes rings um ihn. Das war das Aussehen des Abbildes der Herrlichkeit JHWHs. Und als ich es sah, fiel ich auf mein Angesicht und hörte eine Stimme reden."
Ohne jeweils ganz konkret zu werden, berichtet der Prophet mittels der Vergleichspartikel כund umschreibender Formulierungen (מראה/ )דמות, was er oberhalb der ״Platte", die wohl mit Gen 1,6-8 als ״Himmelsfeste" ( )רקיעzu verstehen ist183, sieht. Oberhalb der Himmelsfeste also schaut Ezechiel ״etwas,
181 Zu dieser Interpretation vgl. oben S.28f, sowie schon ZIMMERLI, BK XIII/1, 56, mit Hinweisen auf ältere Deutungsmodelle in dieser Richtung. 182 Immer noch grundlegend ist die literarkritische Analyse von ZIMMERLI, BK XIII/1,21 ff, der sich KEEL, Jahwe-Visionen, 126ff, und wir uns anschließen. Demgegenüber erscheinen die ikonographischen Probleme als ein dringendes Forschungsdesiderat. Die Ursachen dafür liegen vor allem in der hochentwickelten Symbolik des Textes, die auch schon KEEL konstatieren ließ, daß die Bildwelt des Alten Orients zwar Einzelzüge der Vision aufzuhellen vermöge, für das Ganze aber keine adäquaten Beispiele vorhanden seien, aaO. 167. Neue Aspekte könnten sich vor allem für die Frage des ״Thronwagens" ergeben, wenn sich Beispiele für Götterwagen/Thron wagen in Verbindung mit Misch wesen finden ließen. Tierprotome und Schutzgottheiten (lamassäte) begegnen z. B. als Ausstattungsmerkmale des aus Mari bekannten nübalu-Wagens, vgl. GRONEBERG, La Culture Matérielle a Mari II, 171 f. 174. Z u Tierprotomen an Kesselwagen siehe H. WEIPPERT, Die Kesselwagen Salomos, 30ff. Zu vergleichen sind neben den zyprischen vor allem auch die etruskischen Kultwagen, vgl. Die Etrusker, 162 f.248. 183 s o n s t n u r ״QCJJ j m priesterschriftlichen Schöpfungsbericht als Bezeichnung des Firmaments, das den Himmelsozean abtrennt, an dem sich die ״Leuchten" des Himmels befinden, und als Bereich der Vögel, vgl. Gen 1,6.7.8.14.15.17.20; mehrfach in Ez 1: 22.23.25.26 + Ez 10,3; den ״Glanz des Firmaments" nennt Dan 12,3. Ps 150,1 kennt in
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Die Königsgestalt JHWHs
JHWH als Königsgestalt
das aussieht wie Lasurstein, das Bild eines Thrones". Das als Apposition nachhängende ״Bild eines Thrones" ist eng mit dem Lasurstein verbunden184 und will offenbar an einen Lapislazulithron185 denken lassen. Alle drei Umschreibungsweisen verwendet der Autor nun für das, was oben auf dem Thron sichtbar wird: ״ דמות כמראה אדםdas Bild von etwas, das ein Aussehen wie ein Mensch hat". Es wird nicht gesagt: ״etwas, das aussah wie ein Mensch", sondern noch rätselhafter spricht der Text von einem ״Abbild"186 dessen. Von dieser menschengestaltigen Figur eines Thronenden gehen nun verschiedene Licht- und Glanzphänomene aus, die am ehesten von V. 28 her zu erklären sind. V. 28 beschreibt mittels einer ״ כ—כןwie-so"־Konstruktion das Aussehen des Glanzes ()נגה, der den Thronenden umgibt. Die Formulierung ״wie das Aussehen des Regenbogens" kann in bezug auf den ״Lichtglanz" ( )נגהjedoch nur die im Sonnenlicht sich bildenden Spektralfarben meinen und nicht etwa die Form des Bogens. Der Thronende ist also von verschiedenfarbigem Licht umgeben. Auf diese Farben scheint dann auch die Beschreibung der Figur selbst bezogen zu werden: oberhalb der Hüfte ״wie Weißgold" und unterhalb der Hüften ״wie Feuer"187. Ein goldfarben bzw. rötlich-gelber Lichtschein geht von der Figur auf dem Thron aus. Das ganze Phänomen ließe sich zusammenfassend so beschreiben: Auf einem Lapislazulithron im Himmel erscheint ein menschengestaltiger Königsgott, von dem sonnen- und feuerartiger, d. h. gelblich-roter Lichtschein ausgeht, während der Thron und die Figur des Thronenden von buntfarbigen Lichtstrahlen umhüllt werden. Dies identifiziert Ezechiel mit dem ״Abbild des Aussehens der Herrlichkeit JHWHs". Hält man dieser Beschreibung die häufiger geäußerte These entgegen, daß hier das Bild des ״Assur in der Flügelsonne" zugrunde liege 188 , fallen die Differenzen sofort ins Auge. Innerhalb der gesamten Motivkonstellation der anthropomorphen Flügelsonne fehlt der Thron.189 Und innerhalb der
Ezechiel-Vision fehlt jeder Hinweis auf Flügel und Vogelschwanz des anthropomorph dargestellten Sonnengottes bzw. des solarisierten Gottes Assur. Beide Vorstellungkomplexe, anthropomorpher Gott + astrales Symbol, und die Idee eines im Himmel stehenden Lapislazulithrones verbindet aber der babylonische Kultkommentar VAT 8917 vs. 30-33 aus der 1. Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. Die hier entscheidende Passage des Textes lautet:
synonymem Parallelismus neben ״in seinem Heiligtum" ( )בקדשוdie Wendung ״in der Feste seiner Macht" ()ברקיע עזו. Ist das eine Anspielung auf das himmlische Heiligtum? Und schließlich kennt Ps 19,2 die רקיעals Parallelbegriff zu ״Himmel" und als Ort, wo die Sonne ihr ״Zelt" hat, vgl. HOSSFELD/ZENGER, NEB 29,133f; vgl. auch KEEL, Jahwe-Visionen, 250ff. 184 LXX: ״auf ihm": Sie lokalisiert den Thron auf dem Lasurstein und vereinfacht also den Text. 185 Zu hebr. ״ ספירtiefblau"/״Lapislazuli", akk. uqnü, sum. za-gin, ug. iqnu, vgl. HAL III, 722; KEEL, Jahwe-Visionen, 255ff; RÖLLIG, RIA 6 , 488f; HERRMANN/MOOREY, RLA 6 , 489-492 (Lit.); PLATT, Jewelry, 824, zu den Farben. 186 Zur ״abbildenden" Konnotation von דמותim Unterschied zum plastischen Bild ()צלם und den Termini des Bilderverbots vgl. DOHMEN, Die Statue von Teil Fecherije, 97f; DERS., Das Bilderverbot, 281 ff; PREUSS, .274 ,דמה 187 Die auch hier verwendete Vergleichspartikel will demnach nicht Funktionen vergleichen, wie z.B. ״wie verzehrendes Feuer", sondern das tertium comparationis ist an den ״Lichtglanz" ( )נגהgebunden und drückt farbliche Differenzierungen aus. 188 Vgl. ZIMMERLI, BK X I I I / 1 , 5 6 ; KEEL, Jahwe-Visionen, 2 6 0 - 2 6 3 ; UEHLINGER, Zeichen des Bundes, 1 9 6 ; METTINGER, Dethronement, 1 0 3 f , sowie oben S. 2 8 . 189 Vgl. oben S. 132ff; hier scheitert auch KEELS Substitutionstheorie, wonach die ״Him-
30 31 32 33 30 31 32 33
193
samü" elüti (an-ta) d ™4lu-lu-da-ni-tü sa da-nim 300 6i-gi-gl ina llb-bi ü-s[e-sib] samü" qablüti(murub4)ti n!i4sag-gil-mut sa di-gi-gi be-lu4 ina lib-biparamahhi(barämah)i-na Ub-bi ina parak(b Feind und Gegner.
5a 5b
Wenn ich ansehe deinen Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du gegründet hast, was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst, und das Menschenkind, daß du seiner dich annimmst?
6a 6b 7a 7b 8a 8b 9a 9b
D u hast ihn ein Weniges mangeln lassen von Gott, und mit Kabod und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt. D u läßt ihn herrschen über das Werk deiner Hände, alles hast du unter seine Füße getan, Kleinvieh und Rinder in ihrer Gesamtheit und auch das Getier des Feldes, Vögel des Himmels und Fische des Meeres, was durchzieht die B ahnen der Meere.
10
JHWH, unser Herr, wie herrlich ist dein Name in aller Welt". 4 9 7
4b
Bereits der hymnische Rahmen dieses Psalms (V. 2a. 10) macht deutlich, daß JHWH hier als königlicher Weltherrscher angesprochen wird, dessen königliche Pracht am Himmel erkennbar ist. 498 Angesichts dieser sich am Himmel, an 496 Wörtlich „der du gesetzt, gegeben hast", 1 c o N N M , vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 229 Anm. 4; HOSSFELD/ZENGER, NEB 29,78. 497 V. 1 ist Überschrift der Psalmredaktion; V. 3 (hier eingerückt) geht ebenfalls auf eine spätere Bearbeitung des Textes im Sinne einer relecture zurück. Zur näheren Begründung vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 230f, und HOSSFELD/ZENGER, NEB 29,77. Der dritte Stichos der hymnischen Prädikation in V. 2b fehlt in V. 10. Dies hat seine Ursache aber wohl im Gedankengang des Psalms selbst, der ja gerade mit der Betrachtung der himmlischen Pracht einsetzt und mit der Herrschaft des Menschen auf der Erde abschließt, vgl. KRAUS, BK XV/1, 212. Die strophische Gliederung des Psalms hängt davon ab, ob V. 4 - 5 als Frage mit der Antwort in V. 6 - 9 verstanden wird oder ob die Frage V. 4 - 6 und die Antwort V. 7 - 9 umfaßt. Für diese Möglichkeit vgl. ZENGER, Gott, 204f; anders aber HOSSFELD/ZENGER, NEB 29, 79. Vgl. jetzt auch KAISER, Erwägungen, 207ff. 498 Königstypologie Hegt durch das Epitheton „unser Herr" vor, vgl. ISam 25,14.17; IKön 1,11.43.47, vgl. auch Ps 135,5; 147,5; HOSSFELD/ZENGER, NEB 29, 78f; weniger deutlich,
dafür aber pauschal auf Tempeltheologie verweisend, SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 231 f. Zur Verwendung von הודin königlichen Kontexten vgl. oben S. 235f Anm. 366. 499 Diese Bedeutungskonnotationen dürften in der hier gewählten Terminologie wohl mitschwingen, vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 2 3 3 Anm. 2 1 ; KRAUS, B K X V / 1 , 2 0 9 ; HOSSFELD/ZENGER, N E B 2 9 , 8 0 . 500
Zu diesem Verständnis von ״gedenken"
()זכר
und ״s. zuwenden"
()פקד
vgl.
SPIECKER-
MANN, Heilsgegenwart, 233. 501 Das von ZENGER, Gott, 2 0 4 , vorgetragene Argument, daß die Sätze in V . 6 syndetisch, in V. 7 asyndetisch gefügt seien bzw. daß die Narrativform in V. 6a noch auf die Frage aus V. 5 zu beziehen sei, hat zwar in den späteren Aufnahmen von Ps 8 in Ps 144 und Hi 7,17f syntaktische Parallelen. Inhaltlich aber spiegeln diese Texte, wie SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 237f, ausführt, eine vollkommen andere Auffassung der in Ps 8 aufgeworfenen Frage wider. Durch die Ausblendung von V. 2b wird ferner die theologische Spitze des Textes gebrochen, dem es ja gerade um die Analogie und eben nicht um die Differenz zwischen der himmlischen Pracht und der dem Menschen verliehenen Majestät geht. 502 Charakteristisch sind auch die pluralischen Formulierungen hier und in Gen 1,26; sie gehen vermutlich auf die in polytheistischen Kulturen übliche Göttervielfalt im Prozeß der Menschenschöpfung zurück. Zur Verdrängung insbesondere der Muttergöttinnen aus diesen Prozessen vgl. aus der Fülle der Literatur z.B. FRYMER-KENSKY, Goddesses, 70ff. Es ist überhaupt bezeichnend, daß beide Schöpfungsberichte der Genesis (Gen 1,26ff; 3,22) und auch Ps 8 das Motiv der ״Gottähnlichkeit" offenbar traditionsgeschichtlichen Vorgaben entnommen und unterschiedlich ausgestaltet haben. 503 Zur Terminologie vgl. statt vieler Nachweise ZENGER/HOSSFELD, NEB 2 9 , 8 0 ; FABRY, .98,חסר 504 Vgl. auch WASCHKE, ״Was ist der Mensch ...", 804. Zu den Termini siehe bereits oben S. 235f Anm. 366; S. 189f Anm. 120. 505 Vgl.obenS.235f.238f.
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Die Königsgestalt JHWHs
JHWH und der königliche Mensch
Mag der Mensch im Vergleich mit der königlichen Pracht der himmlischen Schöpfungswerke auch gering erscheinen, so hat er dennoch Anteil an ihr. Zenger ist durchaus zuzustimmen, wenn er auf den Himmel als das Kleid des Königsgottes verweist506, denn dieses findet seine irdische Entsprechung in der durch die Krönung verliehenen Majestät des Menschen. Was der Priester in Gen 1,26 in technische Begriffe (דמות/ )צלםkleidet, entfaltet der Lyriker in poetisch stark verdichteter metaphorischer Sprache.507 Und schließlich konkretisiert ־־wie auch Gen 1,26ff - Ps 8,7 die Ähnlichkeit und Verwandtschaft des königlichen Menschen508 mit ·Gott durch die Bestimmung zur ״Herrschaft". Das hier im Unterschied zu Gen 1,26ff verwendete Verbum ־משל11 ״herrschen" bezeichnet ״Herrschaft" als Allgemeinbegriff ohne weitere engführende Konnotationen, so daß es zwar seiner Bedeutung nach in die Nähe zu מלךrückt509, aber gerade auf den Aspekt der Königsperson verzichtet. Beide Aspekte werden in Ps 8,6 durch die königliche Stellung des Menschen verbunden. Im Unterschied zum real existierenden König, dem die Fremdländer, Völker oder Feinde ״unter die Füße gelegt"510 sind, nennt V. 7a.b alle Schöpfungswer-
ke bzw. summierend ״alles" als denjenigen Bereich, über den der Mensch zur Herrschaft eingesetzt ist. Was darunter konkret zu verstehen ist, wird durch die folgende (V. 9), immer größere Kreise ziehende Weltperspektive entfaltet. Kleinvieh und Rinder bezeichnen in ihrer Gesamtheit zunächst die domestizierte und agrikultureile Lebens weit des Menschen. Der zunächst davon entferntere Bereich ist der des ״Feldes" (V. 8). Dies wird auch an dem für die israelitische Lebenswelt typischen Gegensatz zwischen Kulturland und Steppe deutlich.511 Diese engere Lebenswelt des Menschen wird schließlich analog zu Gen 1,26 ff durch den Raum des Himmels und des/der Meere(s) erweitert und dadurch eine weltumfassende Dimension erreicht.512 Die am Beispiel der Tiere dargestellte Herrschaft über Lebensräume evoziert aber auch das königliche Hirtenamt.513 Damit denkt der Exeget weder an eine Hirtenidylle romantischer Art noch an die konkrete Hege-Funktion des Waidmanns.514 ״Herrschaft über die Tiere" meint vielmehr ein bewahrendes und schützendes, Gerechtigkeit und Recht respektierendes Regiment. Insofern ist der Topos ״Herrschaft über die Tiere" als metaphorische Qualifizierung königlicher und gerechter Herrschaft zu verstehen. Überblickt man die Aussagen von Gen 1,26 ff und Ps 8 in dem hier dargestellten Zusammenhang, so erscheint nach den Aussagen dieser Texte der Mensch in zweifacher Hinsicht als Königsgestalt. Er ist einerseits dazu beauftragt, königlich, d.h. JHWH auf der Erde vertretend zu herrschen. Diese Herrschaft umfaßt die ganze Weite der Erde bis hin zu den entfernten ״Bahnen" der Meere. Als Charakteristikum solcher Weltherrschaft entwickelt dieTiermeta־ phorik die grundsätzliche und die altorientalische Königsideologie insgesamt prägende Vorstellung vom guten Hirten. Führung, Schutz bzw. Bewahrung und die Aufrichtung von Recht und Gerechtigkeit sind seine oberste Maxime. Andererseits wird der Mensch in seiner körperlichen Gestalthaftigkeit (דמות/ )צלםals Stellvertreter JHWHs mit königlicher Würde (עטר/ )כבודausgestattet und materiell behaftet. 515 Der Mensch an sich erscheint damit in Analo-
Gott, 206. Gerade deswegen scheinen Gen 1,26ff und Ps 8 sich weitaus näher zu stehen, als SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 235, unter weitgehender Ausblendung des unterschiedlichen Textgenres meint. 508 Vgl. besonders Ps 45,7 und dazu HOSSFELD/ZENGER, NEB 29, 282f; JANOWSKI, Herrschaft, 193. 506
ZENGER,
507
509
V g l . GROSS,
.74
,משל
510 Vgl besonders Ps 47,4, wo ein kollektives ״Wir" in diesem königlichen Habitus gezeichnet wird; vgl. auch die königstheologischen und kollektivierenden Passagen in dem Ps 8 voraussetzenden Ps 144,1-11.12-15. Auf sehr alte mesopotamische Traditionen geht auch das auf Israel übertragene Bild eines weitaufragenden Weinstocks/Baumes zurück, das als Königsmetapher bekannt ist. So sagt ein neusumerischer Königshymnus Ismedagans v. Isin in königlicher Selbstprädikation: ״ein höchster mes-Baum mit dicken(?) Wurzeln, mit strahlenden weit (ausgebreitet)en Zweigen bin ich, der Schirm Sumers, sein süsser Schatten bin ich", RÖMER, SKIZ, 52, 244f [fehlerhaftes Zitat und Zeilenangaben bei KOCH, Gottes Herrschaft, 106 mit Anm.98]; vgl. auch RINGGREN, 286,עץ.Die hier als Königsepitheton verwendete Bezeichnung ״mes-Baum" ist an anderer Stelle, BE 29, 1 III, 7, auf den Gott Ninurta bezogen. Gleichzeitig begegnen ״Zweige" (sum. pa), die ״strahlen/leuchten" (sum. rin bzw. mül), s. dazu VAN DIJK, SGL 2, 59.67f; METZGER, Zeder, 197ff, bes. 212f; zum ikonographisehen Zusammenhang zwischen Baum und König bzw. Baum und Königsgott vgl. BRENTJES, Selbstverherrlichung, 50ff; METZGER, Kerubenthroner, 75ff; zum königlichen Schatten siehe oben S. 197 Anm. 163. Weitere, auf ein kollektives, königliches Subjekt zu beziehende Aussagen des Psalters finden sich, ohne daß die Datierungsfragen im einzelnen geteilt werden, bei BECKER, Deutung, 294ff .306ff; im Pentateuch ist vor allem die dtr Deutung des Sinaibundes in Ex 19,6 zu vergleichen: ״Und ihr, ihr sollt mir sein ein Königreich von Priestern", vgl. dazu ZENGER, Exodus, 190ff; DERS., Israel, 154. Die ehemalige Rolle des Königs als Vertragspartner ist hier bereits voll auf das Volk übergegangen. Zusammen mit Ex 24,9-11, siehe oben S. 246ff, dient auch dieser Abschnitt der Intention der abschließenden Pentateuchredaktion, JHWH als ״König seines Volkes [sc. zu beschreiben], der von seinem heiligen Berg, dem Thronschemel seiner Herrschaft aus, sein Volk zur exemplarischen Freiheit formen will", ZENGER, Israel, 50.
511 Wie ZENGER, Gott, 207f, zutreffend bemerkt, hat Ps 8 kein Königtum über die Tiere im Visier. Das große Gewicht allerdings, das ZENGER dem König als Beschützer der „Erde als Lebensraum" zuordnet, aaO. 208, läßt sich so anhand unseres Textes nicht verifizieren. 512 So zu Recht ZENGER, Gott, 207, und KRAUS, B K XV/1,211f. 513 Vgl. ZENGER, Gott, 207f. Dazu siehe VANCIL, Sheep, Shepherd, 1188f; JANOWSKI/ NEUMANN-GORSOLKE, Der „gute Hirte", 85ff (Lit.!). 514 Vgl. die kritischen Bemerkungen von JANOWSKI, Herrschaft, 1 8 7 , zu dem besonders von KOCH entwickelten Gedanken der Hege, Zu den Entstehungsbedingungen ästhetischer Naturerfahrung vgl. GROH/GROH, Weltbild, 92ff. 515 Dies konkretisiert sich im Vorgang der „Krönung", der als Sachobjekt eben keine „Krone", sondern wiederum dem KocHschen Sphärentheorem entsprechend Majestätsprädikate verwendet. Es hieße, das altorientalische Denken verkennen, wollte man daraus den Schluß ziehen, daß mit jedem einzelnen Menschen nun JHWH selbst präsent wäre. Dies ist genausowenig der Fall, wie jedes Gewitter eine Epiphanie darstellt. Die Denkbewegung verläuft eher umgekehrt. So wie die meteorologischen Phänomene im allgemeinen auf einen sie koordinierenden Himmelskönig (erkenntnisleitend) schließen lassen, so können persönli-
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Zusammenfassung und Ausblick
gie zum König als dem exemplarischen Menschen bzw. als dem Urmenschen.516 Fassen wir zusammen, dann zeigt die hier dargestellte Strömung alttestamentlicher Anthropologie ein erstaunliches Beharrungsvermögen königlich geprägter Vorstellungen in einer Zeit, in der ein institutionalisiertes Königtum nicht mehr existiert. Die damit zum Ausdruck kommende Royalisierung des Menschen zu verschweigen oder, weil in der Neuzeit kaum noch vermittelbar, wegzuinterpretieren, bedeutet eine erhebliche Verkürzung, ja Nivellierung ihrer Aussageintention. Königliches Sein, königliche Existenz des Menschen erhält darin ihr besonderes Gewicht, daß sie als eine dreifache Bestimmung greifbar wird. Der als Abbild des himmlischen Königsgottes in einer Königsgestalt geschaffene Mensch wird mit königlicher Würde ausgestattet, um die Erde in ihrer unermeßlichen Weite als Repräsentant dieses Gottes zu beherrschen, indem er Recht und Gerechtigkeit aufrichtet.517 So bleibt auch im tempeltheologischen Diskurs der exilisch-nachexilischen Zeit die für dieses Denken so typische Korrelation zwischen Kosmos und Geschichte, die tempeltheologische Ausdeutung und Reformulierung soziopolitischer Kategorien bewahrt.
diese ״Abstrakta" als Sachobjekte eines Bekleidungsaktes erscheinen (Ps 132,8f 518 ). Die Wendung „sich/jemanden mit Gerechtigkeit/Herrlichkeit bekleiden" ist also nicht eine metaphorische Redeweise, sondern bezeichnet höchst konkret, daß eine Person mit diesen Qualitäten umgeben, umhüllt, d.h. ausgestattet ist. Aus demselben Grunde ist es umgekehrt möglich, daß auch das Kleid zum Stellvertreter der es tragenden Person werden kann.519 Ein zweiter wesentlicher Gesichtspunkt ergibt sich daraus, daß Kleid und Bekleiden immer eine Form von Körperlichkeit und darum Gestalthaftigkeit voraussetzen. In diesem Sinne konnte der Kleidbegriff umfassend als jede Form körperlicher Gestaltung verstanden werden, die auf eine Sichtbarkeit oder eine veränderte Gestalt zielt. 520 Unter dieser Voraussetzung wird verständlich, daß Kleiderwechsel nicht nur eine Veränderung des darunter liegenden Körpers indizieren, sondern auch die sozialen Beziehungen der Person berühren, ja sogar den sozialen Status visuell darstellen und abbilden.521 Die damit umrissene (a\tonentalisch-)alttestamentliche Theologie des Kleides522 war sodann in ihrem Teilaspekt des Götterkleides zu untersuchen (Kap. 2 B). II. Anhand der Kultbildrituale aus Ägypten und Mesopotamien konnte gezeigt werden, daß die im Tempel stattfindende Bekleidung des Kultbildes in einem speziell tempeltheologisch zu nennenden Erfahrungs- und Reflexionshorizont steht. 523 Das Kennzeichen eines so geprägten Denkens ist, daß dem kultischen Handeln am Kultbild eine Reaktion des repräsentierten Gottes selbst folgt. 524 Wie der König jeden Morgen die Morgentoilette vollzieht und sich bekleidet, so muß auch das Kultbild einer sozialen Pflege unterzogen werden. Mit dem Abschluß dieser Kultbildpflege hat sich der entsprechende Gott in seinem Bild niedergelassen und seine kosmische Gestalt (z.B. als Sonne) in eine tempelkultische Gestalt transformiert. Diese enge Korrelation zwischen der unsichtbaren Gottessubstanz525 und ihrem Kultbild wird rituell dadurch zum Ausdruck gebracht, daß das Gewand des Kultbildes mit Edelsteinen und astralen Symbolen aus Gold und Silber reichhaltig verziert ist. Die Lichtherrlichkeit und der Strahlenglanz des Kultbildes repräsentieren demnach die Lichtfülle der Götter selbst. Dieses Licht ist mit Ausnahme Ägyptens jedoch nicht exklusiv
Zusammenfassung und Ausblick I. Ausgangspunkt der Untersuchung war die biblisch gut bezeugte Vorstellung, daß das Kleid/die Kleidung besonders geeignet erscheint, um eine enge und essentielle Relation zwischen der Person und dem Körper, den es umgibt, auszudrücken. Mit der Vorstellung, daß das Kleid wie eine „zweite Haut" den Körper umgibt, sind im wesentlichen zwei Konsequenzen verbunden. Einerseits können innerhalb des altorientalischen Denkens Abstraktionsbegriffe wie Recht und Gerechtigkeit noch ganz archaisch materiell gedacht werden, so daß
che oder kollektive Rettungserfahrungen mit Hilfe dieser Vorstellungen zu Epiphanien ausgestaltet werden. Dasselbe gilt für die Royalisierung des Menschen. Nicht jede Einzelperson ist König, sondern der Mensch an sich. Es ist darum auch kein Zufall, daß an den betreffenden Stellen im Singular und im Abstraktum (Gen l,26b.27a.b; Ps 8,5a.5b) formuliert wird. Erst ab Gen 1,27c begegnet der Mensch in seiner geschlechtlichen Differenziertheit als pluralisches Konkretum, dem konkrete Aufträge erteilt werden. 516 In dieser Hinsicht zutreffend K R A U S , B K XV/1,211. 517 Man muß jedoch fragen, ob innerhalb des priesterschriftlichen Geschichtsentwurfes (P G ) diese schöpfungsgemäße Bestimmung nicht durch die „Verderbtheit" der Erde verlorengeht, was zu den bekannten Einschränkungen (Blutvergießen) in Gen 9 führt. In diesem Sinne könnte plausibilisiert werden, daß Noah aufgrund seiner Gerechtigkeit (Gen 6,9) als der „Prototyp" des königlichen Menschen in vorsintflutlicher Zeit galt, vgl. den entsprechenden Hinweis bei JANOWSKI, Herrschaft, 194 Anm.61; die Einteilung der mythischen Vorzeit in eine Epoche vor und nach der Flut, die jeweils mit der Herabkunft des institutionalisierten Königtums (nam-lugal) aus dem Himmel eingeleitet werden, kennt bereits die sumerische Königsliste (SKLI lf.40f), vgl. JACOBSEN, SKL, 55ff.
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Siehe oben S.4f. Vgl. oben Kap. 1 zur Verwendung des Kleides in rechtlichen und therapeutischen Kontexten, S. 44ff. 53ff. 520 Siehe oben S. 41 ff. 521 Vgl. hierzu besonders Kap. 1 zu den Verwendungsbereichen in Trauer, Recht, Kult und Therapeutik. 522 Zum Terminus vgl. oben S. 72ff. 523 Vgl. oben S. 89ff. 95ff. 103ff. 524 Siehe oben S. 103f. 525 Zum Terminus vgl. oben S. 94f. Es ist das Charakteristikum der Sonnentheologie des NR, daß alle Götterbilder durch das aufgehende Sonnenlicht belebt werden. Darum ist es nicht notwendig, astrale Götter von chtonischen oder theriomorphen Göttertypen zu differenzieren. Auch in Mesopotamien ereignet sich die Prozession der Kultbilder, ohne daß astrale Göttertypen gemeint wären, in Analogie zum Sonnenlauf. 519
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Zusammenfassung und Ausblick
der Sonne zuzuordnen, sondern ist ein allgemeines Kennzeichen für die Lebendigkeit und Aktionsbereitschaft der Götter schlechthin.526 Das Götterkleid und die an ihm haftenden Riten symbolisieren somit den Kern aller Tempeltheologie, insofern kultisches Handeln die Götter und ihr Wirken auf die Erde herabholt.521 Dieses Ineinander von Himmel und Erde konnte schließlich auch innerhalb der altorientalischen Ikonographie nachgewiesen werden. Hier ist es besonders das Motiv der ägyptischen Flügelsonne, das schon früh im 2. Jt. v. Chr. in die Ikonographie Syriens und Mesopotamiens als Herrschaftsinsignie entlehnt wird.528 Gemeinsam mit dem König oder einem königlichen Repräsentanten betont die Flügelsonne die enge Beziehung zwischen dem Sonnengott des Himmels und dem König. Deshalb eignen dem politischen König dieselbe Lichtherrlichkeit und derselbe majestätische Glanz wie dem Sonnengott Samas und auch wie den Kultbildern.529 Nach babylonischen Texten des dritten und zweiten Jahrtausends gilt der König in seiner Funktion als Rechtssprecher und Gesetzgeber als ״Sonne(ngott) des Landes".530 Diese ältere solarisierte Königskonzeption wird innerhalb des zweiten Jahrtausends auch ikonographisch umgesetzt, um dann im ersten Jahrtausend das klassische Symbol für die Beziehung des Königs zum Sonnengott oder zu einem solarisierten höchsten Gott zu werden. 531 Das Kleid des Kultbildes und die Figur des Königs haben genau dies gemeinsam, daß sie den lichthaften Aspekt (vgl. zur Licht-Recht-Relation) der Götter auf der Erde verkörpern bzw. diesen Gottheiten ihren Leib zur Verfügung stellen und damit den Göttern ihre irdische Gestalt geben. III. Diesem Zusammenhang war in der Analyse der alttestamentlichen Texte nachzugehen. Innerhalb der alttestamentlichen Polemik gegen die Kultbilder der Nachbarreligionen konnte festgestellt werden, daß das Ziel der Polemik vornehmlich die Dinghaftigkeit der Götterbilder war (Jer 10; Jes 40,18ff). Mit einem Verweis auf die am Himmel sichtbaren (Licht-)Phänomene antworten die alttestamentlichen Texte auf die Frage nach dem handlungsfähigen und wahren Gott. 532 Dies geschieht allerdings so, daß JHWH stets als Königsfigur, d.h. mit tempeltheologisch geprägten Vorstellungen beschrieben wird. Als Königsgott im Himmel begegnet JHWH nicht nur als den Göttern der Völker überlegener höchster Gott, sondern auch als einziger Gott (Jes
40,12ff). 533 Die Betonung der Himmelsphänomene ist also nicht etwa auf den Verlust des Tempels zurückzuführen, sondern auf die Auseinandersetzung mit den Völkern, denen insgesamt die kosmische Gestalt JHWHs offenbar ist 534 (vgl. Ps 97,2ff; 18,10ff). Erst der Verlust des Tempels mit dem auf die Einwohnung des himmlischen Gottes verweisenden leeren Thron535 und die Kritik am religiösen Synkretismus der späten Königszeit führen die Deuteronomisten dazu, JHWH ganz und gar gestaltlos und auch seine Präsenz nur in Form seines Namens zu denken (vgl. Dtn 4,15f; 12,5.11).536 Gegenüber der tempelkultisch geprägten Präsenzvorstellung eines im Tempel unsichtbar thronenden Königsgottes betonen jene Texte die kosmische, in der Natur erkennbare Gestalt JHWHs als Himmelsgott. Auf die eingangs537 gestellte Frage nach einer Erkennbarkeit Gottes in der Natur ist nun zu antworten, daß hinsichtlich der königlichen Überlegenheit über die Götter der Völker eine natürliche Gotteserkenntnis möglich ist. Die Frage nach der Erkennbarkeit Gottes hat demnach verschiedene Facetten, die aus unterschiedlichen Perspektiven auch differenziert beantwortet werden. Hinsichtlich der irdischen Gestalt JHWHs, seiner Präsenz im Tempel, gilt demgegenüber, daß JHWH als Königsgestalt unsichtbar über den Keruben im Allerheiligsten thront. Diese Konzeption dient nicht nur Propheten wie Jesaja oder Ezechiel (Jes 6,1-5; Ez l 5 3 8 ) zur Legitimation ihres Auftretens 539 , sondern selbst im Exil begegnen eindeutig königsideologische Vorstellungen. Eine Lichtnatur JHWHs oder einen solaren Charakter machen - im Unterschied zu Jesaja - erst Ezechiel und die mrp TDD-Konzeption der Priesterschrift deutlich. Während für Ezechiel vor allem das im himmlischen Licht (Ez 1,26-28) sichtbare Farbenspiel die Königsgestalt JHWHs umhüllt, scheint P G mit dem Morgenmotiv bereits implizit solare Vorstellungen vorauszusetzen.540 Daß solche Vorstellungen jedoch nicht eine typische Exilserfahrung reflektie-
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Siehe oben S. 248ff. 116ff. Siehe oben S. 105f. 528 Vgl. dazu auch WESTENDORF, Flügelsonne, 21 ff; s. oben S. 132ff. 529 Vgl. oben S. 113ff. 116ff. 118f. 530 Siehe oben S.256f. 531 Siehe oben S. 134ff. 154ff. Solarisierungstendenzen daran festzumachen, wie in Götterlisten oder Götteraufzählungen die Sonnengottheit plaziert wird (vgl. NIEHR, Der höchste Gott, 142ff), erscheint nach unserem Untersuchungsergebnis nicht besonders tragfähig. Zumindest müßte diese Art einer Solarisierung von der Solarisierung des Rechts und der Königsideologie deutlich getrennt werden. 532 Siehe oben S.169f.l76ff. 527
533 Man spürt hier förmlich die gedankliche Nähe zur Sonnentheologie des N R und des amarnazeitlichen Monotheismus. 534 Siehe oben S. 182ff. 535 Dies reflektiert besonders deutlich die Theologie der Priesterschrift, wenn sie die Art der Gottespräsenz im Heiligtum als ein zeitweiliges Begegnen beschreibt. Vgl. auch METZLER, Anikonische Darstellungen, 101.103. 536 Vgl. oben S . 178ff; JANOWSKI, ״Ich will in eurer Mitte wohnen", 173f mit Anm. 36-38; METZGER, Himmlische und irdische Wohnstatt, 149ff; METTINGER, Dethronement, 59ff. Nach allem bisher Gesagten gilt auch für die dtr Vorstellungen, die JHWHs Thronen im Himmel betonen (z.B. IKön 8,29f), daß hier eine Tempeltheologie deuteronomistischer Prägung vorliegt, die um die Konzeption des ״Namens" Gottes erweitert wird, vgl. dazu unten S. 271. Ähnlich wie in der Götzenpolemik und den Bilderverbotstexten blendet auch hier die Deuteronomistik eine Gestalt JHWHs auf der Erde (im Tempel) aus und ersetzt die visuelle Präsenzform durch eine akustisch orientierte Anrufungs- bzw. Gebetstheologie. 537 Siehe oben S.2f. 538 Siehe oben S. 187ff. 200ff. 539 Als Beglaubigungszeichen siehe oben S. 20. 540 Siehe oben S. 217f; siehe unten 284f.
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Die Königsgestalt JHWHs
Zusammenfassung und Ausblick
ren, zeigen die noch vorexilischen Psalmen, die mit der morgendlich aufsteigenden Sonne JHWHs Rechtshilfe und Rettung verbinden (vgl. Ps 63,1 ff; 5,3 f; 17). Neben die Gestalt JHWHs als königlicher Tempelgott tritt hier also die Gestalt der aufgehenden Morgensonne.541 Während für den Alten Orient insgesamt die Verbindung von Königtum und Sonnengottheit zentral und explizit ist, gilt das für Israel frühestens für die Zeit Jesajas und die erste sicher datierbare Königsprädikation JHWHs. 542 Was hier literarisch erst im 8. Jh. v. Chr. greifbar wird, versteht der vorexilische Ps 93 543 allerdings als eine urzeitliche Grundgegebenheit. JHWH hat sein Königtum weder erworben noch erkämpft, sondern der Tempelkult und die Erfahrung der Stabilität der Erde vermitteln die Gewißheit, daß der dafür verantwortliche (Schöpfer-)Gott auch Königsgott ist. In diesem Sinne erscheint JHWH mit denjenigen Attributen und Qualitäten umhüllt, ja bekleidet, die die gegenwärtige Ausübung des Königseins ermöglichen.544 Während nach dem Verlust des Tempels die Deuteronomisten alles daransetzen, eine gestalthafte Wahrnehmung JHWHs auch in der Sinaigeschichte (Ex 20,21) zu tilgen545, ist dem Endredaktor des Pentateuch sehr daran gelegen , diese tempeltheologisch-königliche Perspektive zurückzugewinnen. Nachdem in der dtr Fassung des Tetrateuch selbst Mose JHWH nicht in seiner Gestalt sehen durfte, korrigiert R p angesichts des zweiten Tempels diese Vorstellung. Er stilisiert Mose zur einzigen Figur der vorstaatlichen Zeit, die JHWH in seiner königlichen Gestalt von Angesicht zu Angesicht gesehen hat (Num 12,6ff; Ex24,9ff). 5 4 6 Tempeltheologische Vorstellungen und Argumentationen begegnen jedoch nicht nur, wo explizit vom Königtum, Thron oder Tempel JHWHs geredet wird, sondern auch in der Lehre des Weisen. Im Mittelpunkt des weisheitlichen Diskurses steht nicht die narrative Entfaltung des Königstitels durch Schöpfungs- und Chaoskampfreminiszenzen. In Analogie zu den Aussagen in der Kultbildpolemik versteht die Weisheit die regelhaften Abläufe in der Natur als kosmischen Hinweis auf JHWH als Königsgott (Ps 104,lff; Hi 40,10). 547 In diesem Sinne kann das Licht des Himmels als Kleid JHWHs verstanden wer-
den. Hier erscheint der Himmel als der Tempel, das Licht der Sterne insgesamt als Umhüllung JHWHs und der lebendige Kosmos als derjenige Bereich, der dem Handeln dieses Gottes Gestalt verleiht (Ps 104,10ff). Während in der vorexilischen Zeit die tempeltheologische Vorstellung eines im Heiligtum thronenden Gottes nach außen durch die Person des Königs sichtbar vermittelt wurde, bedurfte es in exilischer und nachexilischer Zeit einer Anpassung an den Verlust des Königtums. Jetzt erscheint innerhalb der Tempeltheologie des zweiten Tempels der Hohepriester als Stellvertreter des Volkes gegenüber JHWH und als Stellvertreter JHWHs gegenüber dem Volk (Ex 28). 548 Dies wird symbolisch durch den königlichen Ornat des Priesters vermittelt. Hinsichtlich der Materialien und Farbgebung erscheint der Ornat als Teil des Tempelinventars. Hinsichtlich der die zwölf Stämme symbolisierenden Edelsteine erscheint er als Stellvertreter des Volkes. So treten in der Figur des Hohenpriesters Gott und Mensch, Himmel und Erde miteinander in Beziehung.549 Anders löst die Priesterschrift (P G ) und der ihr nahestehende Ps 8 das Problem. Innerhalb dieser Texttradition ist es der Mensch selbst, der als die irdische Gestalt des Königsgottes JHWH verstanden wird.550 Die verschiedenen, anhand der unterschiedlichen Wahrnehmungsformen gewonnenen Gestalten JHWHs: als Königsgestalt im ersten Tempel, als Gestalt des Hohenpriesters im zweiten Tempel, als Gestalt des königlichen Menschen und als lichtumflutete Königsgestalt des Himmels erscheinen angesichts des religionsgeschichtlichen Vergleichsmaterials als jeweils unterschiedliche Betonungen verschiedener Aspekte. Sie geben Antwort auf die Frage nach der Gestalt Gottes in je eigener Perspektive. Die Pluralität der Aussagen bildet keine wahllose Zusammenstellung verschiedenster Konzeptionen, sondern erweist sich als mehr oder weniger deutlich tempeltheologisch beeinflußt. Das Charakteristikum altorientalischer wie auch alttestamentlicher Tempeltheologie besteht darin, daß neben der Einheit Gottes immer auch eine kosmische Gestalt (im Lichtkleid) und eine körperliche Gestalt (Kultbild im Purpurkleid) unterschieden wird. Diese differenzierte Betrachtung macht nun auch deutlich, daß ortsungebundene Präsenzformen Gottes wie z.B. ״Herrlichkeit", „Name" und später auch die „Schechina" keineswegs die Vorstellung eines Tempels auch nicht eines irdischen - ausschließen.551 Daß die Präsenz JHWHs im Himmel eine Gottesvorstellung impliziere, die transzendent oder fern zu nen-
268
541
Vgl. zu Ps 17 oben S. 196ff. Vgl. oben S . 1 8 7 f f und JANOWSKI, Königtum Gottes, 4 2 3 f . 543 Siehe oben S. 226ff. 544 Vgl. oben S. 230ff. 545 Vgl. zu Dtn 5,24; Ex 33,18ff oben S. 249ff. 546 Vgl. oben S. 244ff, und zur prominenten Rolle dieser Texte in der jüdischen Mystik s. unten S. 270ff. 547 Vgl. schon oben S. 169ff. 176ff. 182ff. 232ff. 240f. Darin, vgl. auch oben S. 184, unterscheidet sich Israel fundamental von Mesopotamien und anderen divinatorischen Gesellschaften, die den Himmel beobachten und Regelmäßigkeiten, vor allem aber Anomalien notieren. Norm und Abweichung der himmlischen Zeichen dienen in diesen Gesellschaften (neben Mesopotamien vor allem China) der Stabilisierung gesellschaftlicher Ordnung; vgl. die große Menge astrologischer Berichte, die an den assyrischen Hof gesandt werden, bei 542
HUNGER, S A A 8 ; STARR, S A A 4 u n d PARPOLA, L A S I.
548
Zur königlichen Dimension des Hohepriesterlichen Amtes vgl. oben S.66ff. Auch hierin liegt ein fundamentaler Unterschied zu Mesoptamien, wo der König zwar priesterliche Funktionen erfüllt, der Priester aber nie in die Funktion des Königs eintritt. Nochmals anders sind die Verhältnisse in Ägypten, da hier der König im Kult einen Gott verkörpert und in dieser Funktion auch von einem Priester vertreten werden kann, s. oben S. 103 f. 549 Vgl. oben S. 68ff. 70f. 550 Vgl. oben S. 252ff. 259ff. 551 Vgl. auch oben S. 116ff zu den kosmischen Realisierungen göttlichen Schreckensglanzes.
270
265
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nen wäre552, läßt sich nun gerade nicht behaupten. Mobilität und gesteigerte Aktivität lassen hinsichtlich des göttlichen Eingreifens eher an eine größere Nähe als an Gottesferne denken. Mit der Gottespräsenz im Himmel hängt schließlich auch die Vorstellung von der Lichthaftigkeit der großen Götter zusammen. Wie in Ex 28 die Edelsteine und das Prachtgewand des Hohenpriesters verdeutlichen, bleibt neben der königlichen Symbolik auch der lichthafte Aspekt erhalten. Seit dem dritten Jahrtausend v. Chr. sind die großen Gestirngottheiten (Sonne = Samas/Mond = Sin/Venus = Istar) und ihr Licht mit der altorientalischen Königs ־und Rechtskonzeption eng verbunden, so daß der Hohepriester in die Rolle des Königs und seine das Recht garantierende Funktion einzutreten vermag.553 IV. Die im Verlauf dieser Studie in ihren vielfachen Aspekten behandelte Frage nach der körperlichen Gestalt Gottes und nach den verschiedenen Gestaltungen göttlicher Präsenz bleibt nun aber keineswegs auf das Alte Testament beschränkt. Vielmehr bildet die Rezeptions ־und Wirkungsgeschichte einiger von uns untersuchter Texte (z.B. Jes 6; Ez 1; Ps 104) eine breite Strömung innerhalb der jüdischen (und islamischen554) Mystik. Als wichtigste Bereiche und Ausprägungen der Frage nach der Gestalt Gottes sei hier nur in der Form eines Ausblicks auf die Merkaba-Mystik555, die Hekalot-Literatur, Sicur Qomah-Spekulationen und die Kabbala556 hingewiesen. Ihre Wirkung hat nicht nur die christlichen Jahrhunderte bis weit über das Mittelalter hinaus
geprägt, sondern mit der Rede vom ״Gewand Gottes" auch in der Literatur prägnante Spuren hinterlassen. 1. Während in den ersten (altkirchlichen) Jahrhunderten des christlichen Zeitalters die Gottesbeschreibungen von Ez l,26-28 5 5 7 entweder in den Auslegungen und Homilien ausgespart oder im Sinne einer völligen Transzendenz Gottes gedeutet wurden558, erleben diese Vorstellungen und Texte in der jüdischen Mystik und Esoterik eine ungeheure Renaissance. Wie auch in der hebräischen Bibel selbst - trotz des verschärften Bilderverbotes (Ex 20,4) und seiner Begründung in der späteren Deuteronomistik (Dtn 4,12ff) - eine Gestalthaftigkeit Gottes vorausgesetzt wird (Num 12,8), so bleibt auch im Judentum der ersten nachchristlichen Jahrhunderte diese plurale Auffassung von den verschiedenen ״Gestalten" erhalten. Dienten im Alten Testament kosmische Phänomene und königliche Personen, die ihrerseits in der Mythologie 559 fest verankert waren, dazu, der Gottheit Gestalt zu verleihen, so gilt nun, daß sich die mythischen Vorstellungen in ״mystische Symbole"560 verwandelt haben. Genügte innerhalb der Weisheitsliteratur ein Hinweis auf den am Himmel erkennbaren Gott in seinem himmlischen Tempel561, so ist es das oberste Ziel des Mystikers, in diesen Himmel selbst vorzudringen und unmittelbare Anschauung von der Gottesgestalt zu gewinnen. Dieselbe Polarität zwischen der Gestalt und dem Namen562 Gottes, wie sie das Alte Testament erkennen ließ, weisen auch die Beschreibungen der Mystiker auf. Auf der einen Seite wird die anthropomorphe Gestalt Gottes auf das Zehntausendfache bekannter Maße gesteigert, auf der anderen Seite bleibt die Herrlichkeit hinter den Namen bzw. Geheimnamen Gottes verborgen.563 So manifestiert sich die Gestalt Gottes in zweierlei Weise: ״im Sichtbaren für den Visionär als Gestalt des Menschen auf
552
Vgl. oben S. 94f. Diesen Zusammenhang bringt sehr schön Sir 50,5ff zum Ausdruck, wenn von dem Hohenpriester Simon ben Jochanan gesagt wird: ״Wie herrlich war er, wenn er aus dem Zelt hervorschaute, wenn er hervortrat aus dem Haus des Vorhangs! 6 Wie ein Stern leuchtete er zwischen Wolken, und wie der Vollmond an den Tagen des Festes, 7 und wie die Sonne, die da scheint auf das Heiligtum des Königs, und wie der Bogen, der in den Wolken gesehen wird" (Sir 50,5-7). Diese in kosmologischen Termini gehaltene Beschreibung des Priesters erfolgt in nahezu derselben Weise wie andernorts die Beschreibung des כבוד יהיה. Zur königlichen Gestaltung des Priestergewandes in Ex 28 vgl. oben S. 66ff und SKEHAN/DI LELLA, Ben Sira, 552ff. Zur Frage, ob die Beschreibung des Priesters auf den großen Versöhnungstag zu beziehen sei, an dem er das Allerheiligste betritt, oder ob mit dem ״Haus des Vorhangs" der Tempel in toto gemeint sei, vgl. aaO. 551 f, und FEARGHAIL, Sir 50,5-21, 301-316; zu den Vorhängen s. auch oben S. 63 Anm. 82; S. 84 f mit Anm. 7. 554 Vgl. SCHIMMEL, Gewänder Gottes, 9ff, und oben S . l f . 555 Ein früher Beleg für eine Kultszene im himmlischen Tempel findet sich in 4Q SL 40,24, 2ff, vgl. STRUGNELL, Angelic Liturgy, 335 ff; 4 Q SL 40 = 4 Q 400 ShirShabba vgl. Τον, Unpublished QumranTexts, 122; vgl. auch EGO, Der Diener im Palast, 361 ff. 556 Die mystischen Vorstellungen von der dem Menschenkörper analogen Körperlichkeit Gottes führten in Verbindung mit der imago-dei-Lehre schließlich auch soweit, daß der menschliche Körper zur aussagekräftigen Quelle über die moralischen und spirituellen Qualitäten des Menschen werden konnte und damit zu einer Vielzahl physiognomischer Spekulationen und chiromantischer und metoposkopischer Praktiken, vgl. GRUENWALD, Apocalyptic, 218 ff. Zur Wiederbelebung der Sicur Qomah-Traditionen in der Kabbala und zur Repräsentation der einzelnen Sefirot durch die Glieder des Körpers, wie sie vor allem im Zohar Ausdruck gefunden haben, vgl. SCHOLEM, Gestalt der Gottheit, 36ff. 553
557
Vgl. oben S. 19ff, und DOHMEN, Gottesbeschreibung, 330ff. Sie werden in der Auslegung übergangen bei Irenaus, Hippolyt, Tertullian, Cyprian von Karthago, Klemens von Alexandrien, Origenes, Ambrosius, dem Kappadozier Gregor von Nazianz, Cyrill von Jerusalem und Johannes Chrysostomus, vgl. den Einzelnachweis bei DASSMANN, Trinitarische und christologische Auslegung, 163 ff. 559 Vgl. z.B. die Vorstellung vom König als ״Bild" der Gottheit, oben S.254ff; auch die Entfaltung gottköniglicher Herrschaft durch Schöpfung, Chaoskampf und Tempelbau gehört hierher, siehe oben S. 221 f. 560 SCHOLEM, Gestalt der Gottheit, 12, bes. 7ff, und siehe im folgenden. 561 Vgl. oben S.236f. 562 Vgl. zur Namenskonzeption in der Deuteronomistik JANOWSKI, ״Ich will in eurer Mitte wohnen", 177-180; GLADIGOW, Götternamen, 13-32; DERS., Konkurrenz, 109f.ll5f. 563 Vgl. etwa die Aussage über Gottes Größe: ״Seine Höhe ist 236 Myriaden tausend Meilen", Merkaba schelema, Bl. 34a/b zitiert nach SCHOLEM, Gestalt der Gottheit, 16; vgl. auch den Bericht über die Entrückung Henochs und die anschließende Transformierung seiner Körpergröße in 3 Hen 9. Henoch erhält 365000 Augen, von denen jedes größer als die Sonne ist, ebd. In der späteren Kabbala symbolisieren die Gestalt des Sefirot-Baumes und die göttlichen Namen die mystische Gottesgestalt, vgl. SCHOLEM, aaO. 31 ff. Einen sachlichen Zusammenhang zwischen dem kabbalistischen Sefirot-Baum und dem neuassyrischen (!) Sakralbaum als dem Symbol imperial-königlicher Herrschaft stellt jetzt PARPOLA, Tree of Life, 161-208, mit reichhaltigem Material (sehr unterschiedlicher Epochen) her. 558
272
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dem Throne, die jenes höchste Urbild darstellt, in dessen Ebenbild der Mensch geschaffen wurde; im Hörbaren, mindestens dem Prinzip nach, als der Name Gottes, der sich in seine Elemente gliedert und in der Struktur des Namens die Struktur allen Seins vorwegnimmt. Denn nicht die Ideen sind für diese Auffassung die Gestalt Gottes, sondern die Namen." 564 Die zuetzt genannte Auffassung geht dabei soweit, daß die Buchstaben des Namens in ihrer übergeordneten Kategorie als Alphabet der Gottheit die Gestalt verleihen.565 2. Die Auffassung von der Körperlichkeit Gottes bzw. des כבוד יהרהerreicht die im Rahmen dieser Studie naheliegendste Parallele mit der Vorstellung vom ״Gewand Gottes" (hebr. )חלוקin der den Sicur Qomah-Traditionen (״Maß des Körpers") eng verwandten Hekalot-Literatur.566 In einem Hymnus auf den unter einem seiner Geheimnamen vorgestellten Königsgott im Himmel trägt JHWH analog den mesopotamischen Vorstellungen vom Schreckensglanz567 ein strahlendes Gewand, das den Mystiker in Furcht und Schrecken versetzt, ihn gleichsam paralysiert.568 An anderer Stelle innerhalb von Hekalot rabbati heißt es von dem Gewand Gottes:
dem Pherekydeischen Fragment und den Götterbeschreibungen des Pausanias572 bekannt ist, verwandelt. Während die griechische Mythologie jedoch ein konkretes Gewand des Kultbildes im Sinne hatte, in das die kosmischen Bereiche eingewebt waren, versteht der Mystiker die Himmelsphänomene selbst als das kosmische Gewand Gottes, dessen Licht die Himmel und die Erde erfüllt. V. Die eingangs aufgeworfene Frage nach der Gestalt Gottes, die Frage, wie sieht Gott aus, läßt sich nun dahingehend präsizieren, daß jeweils ein: ״in welcher Hinsicht" zu ergänzen ist. Hinsichtlich der königlichen Überlegenheit JHWHs über die Götter der Völker ist er uranophan und anhand der Himmelsphänomene erkennbar. Hinsichtlich seiner Recht und Gerechtigkeit schaffenden Funktion erscheint JHWH in Analogie zum Licht der aufgehenden Morgensonne. Hinsichtlich seiner irdischen Repräsentanz verleiht der König, der Hohepriester und schließlich der Mensch allgemein dem Gott Gestalt. Hinsichtlich der Gottespräsenz im ersten und zweiten Tempel verkörpert nicht ein Kultbild den sonst unsichtbaren Gott, sondern der leere Thron und die vom Tempel ausgehende Lehre und Unterweisung. VI. Das alttestamentliche Gottesbild erfährt vielfältige Gestaltungen, die Phänomene der natürlichen Welt (des Himmels) und der altorientalischen Königsideologie samt ihrer sakralen Architektonik und ihrem Inventar zum Vorbild nehmen. Obwohl alle Vorstellungen in Texten, also im Wort, begegnen, ist ihnen ein visuelles Element inhärent, das wir als mentales Gottesbild bezeichnet haben. Der unscharfe Sprachgebrauch, der zwischen ״Bildern", ״Kultbildern" und ״Gottesbildern" weder funktional noch sachlich unterscheidet, hat im Laufe der Theologiegeschichte - besonders zu Beginn dieses Jahrhunderts - zu einer heute zu problematisierenden Überbetonung des Wortes vor dem ״Bild" geführt. Nur eine differenzierte Verwendung des Bildbegriffs vermag die semantische Tiefe der alttestamentlichen Vorstellungen von Gott zurückzugewinnen. Die Bilder, die das Alte Testament verwendet, um JHWH in verschiedenen Funktionen und Rollen (als Schöpfer im Himmel, als Richter, als epiphaner Himmelsgott) zu beschreiben, sind nicht wahllos. Sie konvergieren in der Vorstellung einer königlich gezeichneten Gestalt, die im irdischen Tempel oder im Kosmos präsent ist. Den verschiedenen Gottesbildern eignet damit eine ästhetische Qualität, die ihren Grund in der mutuellen Beziehung zwischen Tempel und Kosmos hat. 573
״Wer ist unserem König vergleichbar, wer ist gleich unserem Bildner, wer wie JHWH unser Gott? Sonne und Mond werden ausgesandt und ziehen aus von der Krone seines Hauptes. Die Pleiaden und der Orion und der Venusstern, die Konstellationen, Sterne und Sternbilder ziehen ein und aus von seinem Gewand ()מחלוק שלו. D e r gekrönt ist und in ihm [dem Gewand] thront auf dem Thron seiner Herrlichkeit (על ( ")כסא כבודוHekalot rabbati 4,2). 5 6 9
Hier begegnen wir fast exakt derselben Darstellung wie in Ps 104570, nur daß die Vorstellung von JHWH, der die himmlischen Phänomene als Hofstaat um sich versammelt, hier auf das Gewand und die Krone selbst übertragen ist. Von dem Gewand des Königsgottes aus ziehen die Sterne ihre Bahn. 571 Hier nun hat sich das Lichtkleid JHWHs in ein kosmisches Gewand, wie es z.B. aus
Gestalt der Gottheit, 21. So z.B. in der Gnosis, vgl. SCHOLEM, aaO. 18f, dann aber auch in der spanischen Kabbala im Buche Sefer ha־Temunah ״das Buch von der Gestalt" mit deutlichem Rückbezug auf Num 12,8 (siehe oben S. 244ff), aaO. 41. 566 y g i SCHOLEM, aaO. 21 ff; DERS., Jewish Gnosticism, 56ff; GRUENWALD, Apocalyptic, 213 ff; LOEWE, Divine Garment, 153-160; ALEXANDER, Hebrew Apocalypse, 241 Anm. 60. 564
SCHOLEM,
565
567
Siehe oben S. 116ff. Hekalot rabbati 3,4. Zum Text vgl. SCHOLEM, Jewish Gnosticism, 59f (der Name Gottes: ) ז ה ר ר י א ל. Hebräischer Text bei WERTHEIMER, .ב ת י מדרשות 568
569
265
V g l . SCHOLEM, a a O . 6 0 f .
570
Siehe oben S.232ff. Entsprechend findet das Gewand Gottes auch Verwendung in der magischen Zauberpraxis. So lautet die Beschwörungsformel eines griechischen Zauberpapyrus ״durch die Macht des Iao und die Stärke des Sabaoth und das Gewand des Elohim (τό ένδυμα τ < ο > υ Έλωέ)", vgl. Ρ XXXV, 20f bei PREISENDANZ, Papyri Graecae Magicae, 161. Ebenso begegnet die Vorstellung, daß man einen Namen ״anziehen" könne, in einem theurgischen Ritual, in welchem die Geheimnamen Gottes auf ein Gewand aus Hirschpergament geschrieben werden, welches der Adept dann anzieht, vgl. SCHOLEM, Tradition und Neuschöpfung, 148f. 571
572
Siehe oben S. 85-87. Ob also gerade das alttestamentliche Bilderverbot eine theologische Ästhetik begründet, vgl. GRÖZINGER, Praktische Theologie und Ästhetik, 103f, und nicht viel eher die verschiedenen Gottesbilder im Alten Testament, ist die Frage. 573
Anhang I
Katalog des Bildmaterials A. Hinweise zur Benutzung des Katalogs Die im folgenden Katalog zusammengestellte Sammlung von Roll- und Stempelsiegeln, Abdrücken auf Tontafeln und Reliefdarstellungen wurde anhand der wichtigsten Sammlungen und Kataloge erstellt. Die Sammlung des Materials wurde 1991 abgeschlossen. Neuere Publikationen wurden nur aufgenommen, soweit es sich um Gesamtdarstellungen handelt. Einzelstücke bzw. nur schwer zugängliche Literatur wurde soweit wie möglich berücksichtigt. Aus diesen Gründen bietet das hier vorliegende Material eine sicherlich repräsentative, aber keineswegs vollständige Zusammenstellung. 1. Die Anlage des Katalogs (Abschnitt B) ist so gestaltet, daß neben der Katalognummer, auf die im Textteil Bezug genommen wird, und einer internen Laufnummer zunächst die Angabe der/des Sammlung/Museums + Inventarnummer (soweit aus den Publikationen ersichtlich) durch eine Abkürzung erfolgt. Ein Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen ist dem Katalogteil vorangestellt. 2. Da aus Raum- und Kostengründen eine Darbietung des Bildmaterials nicht erfolgen kann, wurden repräsentative Abbildungen in einem Tafelteil (Abschnitt C) zusammengestellt. Die dortigen Legenden beziehen sich auf die Katalognummern, so daß ein schnelles Nachschlagen vom Text- wie auch vom Katalogteil aus möglich ist. 3. Den Sammlungsbezeichnungen folgt ein Hinweis auf den Publikationsort des entsprechenden Stückes bzw. Spezialliteratur, die sich mit diesem Stück besonders befaßt hat. Ein Verzeichnis der im Katalog verwendeten Literatur findet sich am Ende des Katalogs (Abschnitt D). 4. Innerhalb der Rubrik Abbildungsnachweis finden sich weitere Hinweise auf Abbildungen.
276
Hinweise
Anhang I
Abkürzungen der Museen und Sammlungen AO Ash BM BN Brett Clq FuB M. Marc New PM ROM USNM VA WAG Williams
Musée du Louvre, Paris Ashmolean Museum, Oxford British Museum, London Bibliothèque Nationale, Paris Collection Mrs. A . B . Brett Collection de Clercq Sammlung Oppenländer Aleppo Museum, Aleppo Marcopoli Collection Collection Mrs. E. T. Newell Pierpont Morgan Library Royal Ontario Museum, Ontario United States National Museum Vorderasiatisches Museum, Berlin Walters Art Gallery, Toronto Collection Williams
DenHaag
FuB GGG
ICK Imp. Iran M.
OIP32
Abkürzungsverzeichnis zum Katalog AG AMI Arts As. 26 Arts As. 28 Ash III
Bachm BN
Bru CANES
Cat. CS dClercq
R . , Assyrische Glyptik des 1 4 . - 8 . Jh.s, Habilitationsschrift Münster o. J. (Masch.) Archäologische Mitteilungen aus Iran A M I E T , P., Glyptique élamite a propos de documents nouveaux, Arts Asiatiques 26 (1973), 1 - 4 5 pl. I - X V I I I A M I E T , P., La glyptique de la fin de l'Elam, Arts Asiatiques 28 (1973), 3—32 pl. I—XI B U C H A N A N , B . / M O O R E Y , P . R . S . , Catalogue of Ancient Near Eastern Seals in the Ashmolean Museum, Vol. Ill, The Iron A g e Stamp Seals, Oxford 1988 B A C H M A N N , W., Felsreliefs in Assyrien. Bawian, Maltai und Gündük, W V D O G 52, Osnabrück 1969 (Nachdruck d. Ausg. Leipzig 1927) DELAPORTE, L., Catalogue des cylindres orienteaux et des cachets assyrobabyloniens, perses et syro-cappadociens de la Bibliothèque Nationale, Paris 1910 SPEELERS, L., Catalogue des Intailles et Empreintes orientales de musées royaux du cinquantenaire, Bruxelles 1917 P O R A D A , E., Corpus of Ancient Near Eastern Seals in North American Collections. The Collection of the Pierpont Morgan Library, Vols. I - I I , Washington 1948 DELAPORTE, L., Catalogue des cylindres cachets et pierres gravées de style oriental, Musée du Louvre, Vol. I - I I , Paris 1920/23 FRANKFORT, H . , Cylinder Seals. A Documentary Essay on the Art and Religion of the Ancient Near East, London 1939 (reprinted London 1965) COLLECTION D E CLERCQ. Catalogue méthodique et raisonné, Vol. I., Cy-
MAYER-OPIFICIUS,
OIP
37
PBS 14
PKG South USNM
VR WAG
277
lindres orientaux, Paris 1888; Vol. II., Cachets, briques, bronzes, basreliefs, Paris 1903 JITTA, A . N . Z A D O K S - J O S E P H U S / F R A N K E N A , R., Catalogue Sommaire des Cylindre Orientaux au Cabinet Royal des Médailles à la Haye, L a Haye 1952 MOORTGAT-CORRENS, U . , D i e ehemalige Sammlung Erwin Oppenländer, BaM 4 (1968), 2 3 2 - 2 9 7 T f . 3 7 - 5 2 K E E L , O . / U E H L I N G E R , C H R . , Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen, Quaest. Disp. 134, Freiburg u.a. 1992 L ' O R A N G E , H . P . , Studies on the Iconography of Cosmic Kingship in the Ancient World, Oslo 1953 C O L L O N , D . , First Impressions. Cylinder Seals in the Ancient Near East, London 1987 G H I R S H M A N , R., Iran. Protoiranier, Meder, Achämeniden, München 1 9 6 4 H A M M A D E , H . (HITCHCOCK, L.), Cylinder Seals from the Collections of the Aleppo Museum, Syrian Arab Republic, 1. Seals of Unknown Provenience, B A R Int. Ser. 335, Oxford 1987 O S T E N , H . H . V.D., Ancient Oriental Seals in the Collection of Mrs. EdwardT. Newell, OIP 32, Chicago 1934 O S T E N , H . H . V. D ., Ancient Oriental Seals in the Collection of Mrs. Agnes Baldwin Brett, OIP 37, Chicago 1936 L E G R A I N , L . , The Culture of the Babylonians: from their Seals in the Collections of the Museum, The University of Pennsylvania, PBS 14, Philadelphia 1925 O R T H M A N N , W., (Hrsg.) Der Alte Orient, PKG 18, Berlin u. a. 1975 CARNEGIE, H . , Catalogue of the Collection of Antique Gems formed by James, 9th Earl of Southesk II, London 1908 C A S A N O W I C Z , I. M., The Collection of Ancient Oriental Seals in the United States National Museum, Proc. of the United States National Museum, Vol. 69 (1926), 1 - 2 3 pl. I - X X MOORTGAT, A . , Vorderasiatische Rollsiegel: Ein Beitrag zur Geschichte der Steinschneidekunst, Berlin 1940 G O R D O N , C . H . , Western Asiatic Seals in the Walters Art Gallery, Iraq 6 (1933), 3 - 3 4 Pl. I I - X X V
Anhang I
278
Katalog
B. Katalog Nr.
Lfd. Nr. Museum und Literatur
1 2 3 4 5a 5b
57 60 71 7 103 104
B M 89135; Layard, Discoveries 1853,603 B M 89415; Wiseman, Cylinder Seals, pl. 66 Brett 119; OIP37,pl.XI:119
6 7 8 9 10 11 12
99 137 30 32 42 183 179
13 14 15 16 17 18 19
17 148 147 106 100 59 122
Mo 82; OIP 47, pl. X:86 D a m 46; Kühne, Rollsiegel, Nr. 85 A O 1894; Delaporte, Cat. II, 701 A O 2618; Delaporte, Cat. II, 703 A s h 630; Buchanan, Ashm. I, no. 630; A G 260 D e n Haag 129 Harvard 1356; P. Amiet, La glyptique de la fin del'elam, Arts As. 28 (1973), Nr. 30 unb., AnOr 107; Douglas v.Buren, AnOr 21,107 Ash III 371; Buchanan/Moorey 371 Ash III 367; Buchanan/Moorey 367 N D 7045; Parker, Iraq 24,Tf. 22.6 Abb. 14 M o 83; OIP 47, pl. X: 100 B M 89403; Wiseman, Cylinder Seals, pl. 82 V A 511 ;VR 596
20 21 21a 22 23
92 96 72 40 43
24 25
51 63
26 26a 27 28 29 30
9 33 3 152 46 47
31 32 33 34 35
62 10 12 11 182
PM 773E; C A N E S 773E N D 2328; Parker, Iraq 17,Tf. 23.1, Abb. 5 N D 2328; Parker, Iraq 17, xxiii: 1
Fribourg 103 M o 143; OIP 47, pl. X:85 Brett 127; OIP 37, pl. XI :127 Ash 631; Buchanan, Ashm. 631 Ashm. 1922.61; Buchanan, Cat. I., No. 633; A G 191 B M 126064; Collon, Alalakh Cyl., No. 120 B M 89590; A M I 17 (1984), 152 Abb. 9
Nr. Abbildungsnachweis Collon, Imp. 341 Collon, Imp. 879
PKG107 f Collon, Imp. 357 Umzeichnung
PKG 273g Arts A s 28, Nr. 30
PKG 107b Fälschung? Collon, Imp. 335 Collon, Imp. 344 PKG S. 358 Collon, Imp. 345
Collon, Imp. 554; PKG 273c Collon,Imp. 396 Wiseman, Cylinder Seals, 81
PM705; C A N E S 705 A O 3877; Delaporte, II, 678; A G 185 PM 698; C A N E S 698 IndMus Calcutta, A S I A R (1928/9), 136 pl. LV:1 B M 102965; Layard, Discoveries, 606 B M 102966; Frankfort, CS, 33e; Ward 1153; Galling, Z D P V 6 4 , Nr. 154; CIS 85 B M 89502; Layard, Discoveries, p. 160 PM 772; C A N E S 772 PM771E; C A N E S 771E Collon, Syria 6 3 , 4 2 5 - 6 Borowski; The Israel Museum, Jerusalem cat. n o . l , May 1965, S. 247
PKG 273b Digard 3550 Collon, Imp. 464 Collon, Imp. 355 Collon, Imp. 812
Collon, Imp. 398
Lfd. Nr. Museum und Literatur
35a 35b 35c 35d 36a--c 139
279 Abbildungsnachweis
37 38 39 40 41 42a 42b
142 140 69 70 68 144 81
43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 53a 54
58 53 143 55 23 38 64 4 73 50 187 150
Ninive 44; Herbordt, S A A S I,Tf. 13.2 Herbordt, S A A S I,Tf. 13.3 BM 84619; Herbordt, S A A S I, Tf. 13.8 Ninive 28; Herbordt, S A A S I,Tf. 13.13 Met; Galling, Z D P V 6 4 , Nr. 107; Lidzbarski, Eph. II, 146 BM; Galling, Z D P V 6 4 , Nr. 161; Ward 1154 Ass 51, M 3:2; Hrouda, M D O G 1 2 3 , 1 0 1 Abb 8 B N 400; Delaporte, B N 400 B N 401; Delaporte, B N 401 Collon, Imp. 754 B N 399; Delaporte, B N 399 Schlumberger; CIS 101; Galling, Z D P V 6 4 , Nr. 169 CdM 263 Inv. 129 Bordreuil, Catalogue des Sceaux, No. 128 BM 89352; Lajard, Mithra, pl. 106 Collon, Imp. 864 B M 132505 Collon, Imp. 747 BM; Galling, Z D P V 6 4 , Nr. 163; CIS 100 BM 89132; Wiseman, Cylinder Seals, no. 100 Collon, Imp. 558 unb., AnOr 109; Douglas v.Buren, AnOr21,109 Ankara 18361; Parrot, Assur, Fig. 256 Collon, Imp. 424 BM 89852; Layard, Discoveries, p. 607 Collon, Imp. 884 unb., Stronach, Pasargadae, pl. 1 6 2 a - b Collon, Imp. 425 Brüssel 678; Speelers, Catalogue, Suppl., 678 BM 124867; Reade, IrAnt 12, pl. 3b A O 11503 ANEP522 Wiggermann, Lamastu, Nr. 62, fig. 4 vonLuschan, Sindschirli V,Tf. 44+46; Winter 503 Winter, Frau,
54a 55 56 57 58
26 129 93 176 185
Heinrich, Tempel, Abb. 318c W A G C30; Iraq 6, pl. XIII :103 FuB 108; Moortgat-Correns, B A M 4 , T f . 47:106 OIP 40 58:95; A G 797 M.6381
59
184
M.6012
60 61 61a 62 63 64 65 66 67 68
154 41 191 35 132 98 110 109 116 119
Coli Williams; A J A I I , 3 , pp. l - 1 4 p l . V:3 Ash 637; Buchanan, Ashm., 637 unpubl.; Keel/Uehlinger, G G G 288c A O KLq 63; Delaporte, Cat. II, 683 Marc 212; Teissier, No. 212 Mo 181; OIP 47, pl. IX:83 New 444; OIP 22, pl. X X X :444 New 442; O I P 2 2 , p l . X X X : 4 4 2 V A 130; V R 603 V A 3471 ;VR 601
Nr. 503 W V D O G 5 8 , Abb.
Hammade, B A R 335,265 Hammade, B A R 335,264 Digard 22
280
Anhang I Abbildunüsnachwcis
Nr.
Lfd. Nr. Museum und Literatur
Collon, Imp. 883 V A 508; VR 598 V A 10114; VR 599 Pittman 64 Met A O D58; Delaporte, I, D71; Furlani, 227 Steine der Antike 70 Handel CBS 1043; PBS 14, pl. XXX:584 PM 704; CANES 704 Mo 142; OIP 47, pl. IX :84; AG 646 A O 1510; Delaporte, Cat. II, 681 PM 691E; CANES 691E, A G 197 BN 353; Delaporte, B N 353 Digard 3853 Bogazköy; AfO 13, p. 254fig. 2; MDOG 78, p. 65 fig. 17(1), a - b A O 1161; Delaporte, Cat. II, 680 Digard 4439 BM; Ward, AJA3,7fig. 7; Ward, Nr. 765 Collon, Imp. 391 A O 2063; Delaporte, Cat. II, 958 Marc 237; Teissier, No. 237 Marc 238; Teissier, No. 238 V A 2048; VR 602 Marc 211; Teissier, No. 211 New 440; OIP22,pl. XXX:440 V A 7055; Jakob-Rost 388 Marc 210; Teissier, No. 210 CBS 1052; PBS 14, pl. XXX:580 BN 352; Delaporte, B N 352 PM 680; CANES 680 PM 681; CANES 681 A O MN 550; Delaporte, Cat. II, 682 PalMusI744;B. Parker, Iraq 11 (1949), pl. 1:6 ROMD1547; Meek, Berytus 8, p. 8, pl. 111:35; pl. Digard 3928 VI:35 V A Ass 1969; VR 661 V A 4214; VR 658 PM 683; CANES 683 PM 672; CANES 672 BN 351; Delaporte, BN, p. 194ff.,no. 351 (Lajard, fig. 9) PM 682; CANES 682 Digard 1139 Send; Andrae, Sendschirli 1943, pp. 73,162 pl. 39:m PM679; CANES 679 unb., Jeremias, H A O G Abb. 173 Digard 29 Coli Williams; AJA II 3, pp. 1 - 1 4 pl. V:8 Marc 213; Teissier, No. 213 PKG1071 N D 7005; Parker, Iraq 24,Tf. 20.3, Abb. 4 Collon, Imp. 513 BM 122698; Herbordt, SAAS I,Tf. 1.7
105 106
146 151
Nr.
Lfd. Nr. Museum und Literatur
69 70 70a 71 71a 72 73 74 75 76 77 78
121
79
28
80 81 82
153 31 135 136 117 131
83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95
115 188 34 189 74 14 95 29 22 67 157
108 175 130 75
66 25 24 37 138 158
96 97 97a 97b 97c
125
98 99
5 156
100 101 102
16 177 155 133 105
103 104a 104b
120 1 15 65
Ash III 364; Buchanan/Moorey 364 Clark 212
Abbildungsnachweis
Schroer, Bilder, rvn n Nr. 98, S. 276 xT
106a 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127
190 145 149 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 114 21 127 118
128 129 130 131
8 2 112 186
132 133 134 135
180 61 80 49
136 137 137a 138
19 128 91
140 141 142 143
82 83 84 85
unpubl.; Keel/Uehlinger, GGG 288b Ash III 363; Buchanan/Moorey 363 Ash III 402; Buchanan/Moorey 402 V A 2037; Jakob-Rost 193 V A 2153; Jakob-Rost 197 V A 2529; Jakob-Rost 198 V A Ass 2463; Jakob-Rost 199 V A 1626; Jakob-Rost 200 V A Ass 1980; Jakob-Rost 201 V A Ass 1955; Jakob-Rost 202 V A 5146; Jakob-Rost 203 V A 2039; Jakob-Rost 219 V A 1625; Jakob-Rost 220 V A Bab 1579; Jakob-Rost 221 V A 2571; Jakob-Rost 222 V A 2083; Jacob-Rost 223 V A 2531; Jakob-Rost 226 V A Ass 1781; Jakob-Rost 325 USNM 300585; Casanowicz,Tf. 11:4 PM 831; CANES 831 WAG C24; Iraq 6, pl. XIII: 107 V A 3022; VR 768; Moorey, Iran 16 (1978), 147 A *7Q J\. /o PM 818; CANES 818 PM 817; CANES 817 New 457; OIP22, pl. XXXI :457 M.4605 Amiet, P., Art As. 26, pl. 18 A A BM 89422; Wiseman, Cylinder Seals, pl. 101 CBS XLV:955; PBS 14, pl. XLV:955 BM 124015; Dalton,TheTreasure of Oxus, pl. VA TT llg. A'/y114 11/1 AVI, PM 685; CANES 685 WAG C25; Iraq6, pl. XIII:105 BM 84562; Herbordt, SAAS I, Tf. 11.2 Eremitage; Boardman, Greek Gems, pl. 595; p. 203 no.3; s. auch Moorey, AMI E 6 , 2 1 8 - 2 2 6 fig. 4. Clq 308 pl. XXIX: 308 Clq 326 pl. XXX:326; Menant, Glyptique II, 55 Clq 326bis pl. XXXVII :326bis A G 580 Clq 326ter. pl. XXXIX:326ter
Hammade, B A R 335,288 Collon, Imp. 895
Collon, Imp. 432
282
Anhang I
Nr.
Lfd. Nr. Museum und Literatur
144 145 146 147
86 87 88 89
Clq 327 pl. XXX: 327 Clq 327bis pl. XXXVII :327bis Clq 331 pl. XXX:331 Clq 332 pl. XXX: 332
Abbildungsnachweis
C. Tafelabbildungen zum Katalog (Tf. I - I V )
Tf.I
Tafelabbildungen zum Katalog
a) Einfacher Adorationstyp (Nr. 69), siehe oben S. 128.
b) Erweiterter Adorationstyp (Nr. 76), siehe oben S. 128f.
c) Kultisch-ritueller Typ (Nr. 92), siehe oben S. 129.
285
286
Anhang I
Tf. II
a) Keulennimbus (Nr. 70), siehe oben S. 130ff.
b) Strahlennimbus (Nr. 91), siehe oben S. 130ff. b) Einfache AFs (Nr. 19), siehe oben S. 142.
c) Dreifache AFs (Nr. 32), siehe oben S. 142f. c) Sternnimbus (Nr. 67), siehe oben S. 130ff.
288
Anhang I
Tf. IV
Bibliographie zum Katalog
289
D. Bibliographie zum Katalog Die Kleinfunde von Sendschirli, Mitteilungen aus den orientalischen Sammlungen Heft XV, Ausgrabungen in Sendschirli V, Berlin 1943 A M I E T , P., La glyptique de la fin de l'Elam, Arts Asiatiques 28 (1973), 3 - 3 2 pl. I - X I B O A R D M A N , J . , Greek Gems and Finger Rings. Early Bronze A g e to Late Classical, London 1970 B O R D R E U I L , P., Catalogue des Sceaux ouest-sémitiques inscrits de la Bibliothèque Nationale du Musée du Louvre et du Musée biblique de Bible et Terre Sainte, Paris 1986 B U C H A N A N , B . / M O O R E Y , P. R. S., Catalogue of Ancient Near Eastern Seals in the Ashmolean Museum, Vol. Ill, The Iron A g e Stamp Seals, Oxford 1988 CARNEGIE, H . , Catalogue of the Collection of Antique Gems formed by James, 9th Earl of Southesk II, London 1908 C A S A N O W I C Z , I . M . , The Collection of Ancient Oriental Seals in the United States National Museum, Proc. of the United States National Museum, Vol. 69 (1926), 1 - 2 3 pl. I - X X COLLECTION D E CLERCQ, Catalogue méthodique et raisonné, Vol. I., Cylindres orientaux, Paris 1888; Vol. II., Cachets, briques, bronzes, basreliefs, Paris 1903 C O L L O N , D . , The Alalakh Cylinder Seals. A New Catalogue of the Actual Seals Excavated by Sir Leonard Woolley at Tell Atchana, and from Neighbouring Sites on the Syrian Turkish Border, B A R Int. Ser. 132, London 1982 C O L L O N , D . , Baalim III, Syria 63 (1986), 4 2 5 - 4 2 6 C O L L O N , D . , First Impressions. Cylinder Seals in the Ancient Near East, London 1987 D A L T O N , O. M . , The Treasure of the Oxus, 3rd. Ed., London 1964 DELAPORTE, L . , Catalogue des cylindres cachets et pierres gravées de style oriental, Musée du Louvre, Vol. I - I I , Paris 1920/23 DELAPORTE, L., Catalogue des cylindres orienteaux et des cachets assyro-babyloniens, perses et syro-cappadociens de la Bibliothèque Nationale, Paris 1910 D I G A R D , F., Répertoire analytique des cylindres orientaux publiés dans des sources bibliographiques éparses (sur ordinateur), Volume 1, Principes et résultats, Paris 1975 D O U G L A S VAN B U R E N , E., Symbols of the Gods in Mesopotamian Art, AnOr 23, Roma 1945 FRANKFORT, H . , Cylinder Seals. A Documentary Essay on the Art and Religion of the Ancient Near East, London 1939 (reprinted London 1965) G A L L I N G , K., Beschriftete Bildsiegel des ersten Jahrtausends v. Chr. vornehmlich aus Syrien und Palästina, Z D P V 6 4 (1941), 1 2 1 - 2 0 2 GESCHNITTENE STEINE der Antike, Münzen und Medaillen A . G., Basel o.J. G O R D O N , C. H . , Western Asiatic Seals in the Walters Art Gallery, Iraq 6 (1933), 3 - 3 4 Pl. II-XXV G R A Y S O N , A . K., The Assyrian Relief from Shikaft־i Gulgul, IrAnt 11 (1975), 2 9 - 3 8 H A M M A D E , H . ( L . H I T C H C O C K ) , Cylinder Seals from the Collections of the A l e p p o Museum, Syrian Arab Republic, 1. Seals of Unknown Provenience, B A R Int. Ser. 335, Oxford 1987 H E I N R I C H , E., Tempel und Heiligtümer im alten Mesopotamien. Typologie, Morphologie und Geschichte, D A I Denkmäler Antiker Architektur 14, Berlin 1982 Hotel Drouot Auction Catalogue, 25 April 1966 HERBORDT, S . , Neuassyrische Glyptik des 8 . - 7 . Jh. v.Chr., S A A S I , Helsinki 1 9 9 2 ANDRAE, W . ,
a) Dreifache AFs (Nr. 33), siehe oben S. 143 f.
b) Astral-anthropomorph (Nr. 24), siehe oben S. 145.
c) Astral-anthropomorph (Nr. 26), siehe oben S. 145.
290
291
Anhang I
Bibliographie zum Katalog
Vorläufiger Bericht über die neuen Ausgrabungen in Assur Frühjahr 1 9 9 0 , M D O G 123 (1991), 9 5 - 1 1 4 J A K O B - R O S T , L., Die Stempelsiegel im Vorderasiatischen Museum, Berlin-Ost 1975 J A M Z A D E H , P., The Winged Ring with Human Bust in Achaemenid Art as a Dynastie Symbol, IrAnt 17 (1982), 9 1 - 9 9 2 JEREMIAS, A . , Handbuch der Altorientalischen Geisteskultur, Leipzig 1929 JITTA, A . N . Z A D O K S - J O S E P H U S / F R A N K E N A , R., Catalogue Sommaire des Cylindre Orientaux au Cabinet Royal des Médailles à la Haye, La Haye 1952 K E E L , O . / U E H L I N G E R , CHR., Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen, Quaest. Disp. 134, Freiburg u. a. 1992 K Ü H N E , H . , Das Rollsiegel in Syrien: Zur Steinschneidekunst in Syrien zwischen 3300 und 330 vor Christus, Tübingen 1980 L A J A R D , F . , Recherches sur le culte public et les mystères de Mithra en Orient et en Occident, Paris 1867 L A Y A R D , H. A . , Discoveries among the Ruins of Nineveh and Babylon. With Travels in Armenia, Kurdistan, and the Desert, Beeing the Result of a 2nd Expedition Undertaken for the Trustees of the British Museum, London 1853 L A Y A R D , H. A . , The Monuments of Nineveh from Drawings made on the Spot, London 1849 L E G R A I N , L . , The Culture of the Babylonians: from their Seals in the Collections of the Museum, The University of Pennsylvania, PBS 14, Philadelphia 1925 L U S C H A N , F . VON, Die Kleinfunde von Sendschirli. Ausgrabungen in Sendschirli V , Berlin 1943 M E U S Z Y N S K I , J . , Die Rekonstruktion der Reliefdarstellungen und ihrer Anordnung im Nordwestpalast von Kalhu (Nimrüd), BaghF2, Mainz 1981 MOORTGAT, A . , Vorderasiatische Rollsiegel: Ein Beitrag zur Geschichte der Steinschneidekunst, Berlin 1940 MOORTGAT-CORRENS, U . , Die ehemalige Sammlung Erwin Oppenländer, BaM 4 (1968), 232—297Tf. 3 7 - 5 2 N O U G A Y R O L , J., Cylindres-Sceaux et Empreintes de Cylindres trouvés en Palestine, Paris 1939 OPIFICIUS, R., Syrische Glyptik der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausends, U F 1 (1969), 9 5 - 1 1 0 , Tf. I * - I I I * PARKER, B . , Cylinder Seals from Palestine, Iraq 11 (1949), 1 - 4 3 pl. I - X X V I I PARKER, B . , Excavations at Nimrud, 1949-1953. Seals and Seal Impressions, Iraq 17 ( 1 9 5 5 ) , 9 3 - 1 2 5 pl. X - X X I X PARKER, B . , Seals and Seal Impressions from the Nimrud Excavations, 1 9 5 5 - 5 8 , Iraq 2 4 (1962), 26- 40 pl. IX—XXII PARROT, A . , Assur. Die mesopotamische Kunst vom XIII. vorchristlichen Jahrhundert bis zum Tode Alexanders des Großen, München 1961 PITTMAN, H . , Ancient Art in Miniature. Near Eastern Seals from the Collection of Martin and Sarah Cherkasky, New York 2 1988 P O R A D A , E . , Corpus of Ancient Near Eastern Seals in North American Collections. The Collection of the Pierpont Morgan Library, Vols. I - I I , Washington 1948 R E A D E , J . E . , Shikaft-i Gulgul: Its Date and Symbolism, IrAnt 1 2 ( 1 9 7 7 ) , 3 3 - 4 4 pi. I-IV SEIBERT, I., Die Frau im Alten Orient, Leipzig 1 9 7 3
L., Catalogue des Intailles et Empreintes orientales de Musées royaux du cinquantenaire, Bruxelles 1917 SPEELERS, L., Supplement, Bruxelles 1943 Steine der Antike - > Geschnittene Steine der Antike, Münzen und Medaillen A . G . , Basel o. J. STRONACH, D . , Pasargadae. A report on the excavations conducted by the British Institute of Persian-Studies from 1961 to 1963, Oxford 1978 pi. 1 6 2 a - b Teissier, B . , Ancient Near Eastern Cylinder Seals from the Marcopoli Collection, Berkeley u.a. 1984
HROUDA, B . ,
SPEELERS,
H . , The Seal Cylinders of Western Asia, Washington 1910 F. A . M., Lamastu, Dochter van Anu, in: Zwangerschap en Geboorte bij de Babyloniers en in de Bijbel, hrsg. von M. Stol, Leiden 1983, 9 5 - 1 1 6 W I N T E R , U . , Frau und Göttin. Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichen Gottesbild im Alten Israel und in dessen Umwelt, O B O 53, Fribourg/Göttingen 1983 W I S E M A N , D . J., Cylinder Seals of Western Asia, London o. J. WARD, W .
WIGGERMANN,
Anhang II
Das Bildprogramm des Thronsaals Β in Nimrud
B-24
B-23
B-14
B-22
B-13
B-12 Plan 3
Plan 5
Literaturverzeichnis S., Art. אור, ThWATI, Stuttgart u.a. 1973,160-182 T., Babylonian Witchcraft Literature. Case Studies, Brown Judaic Studies 132, Atlanta 1987 A B U S C H , T., Art. Maqlû, RLA7, Berlin/New York 1 9 8 7 - 9 0 , 3 4 6 - 3 5 1 A B U S C H , T., An Early Form of the Witchcraft Ritual Maqlû and the Origin of a Babylonian Magical Ceremony, in: Lingering Over Words. Studies in Ancient Near Eastern Literature in Honor of W.L. Moran, ed. by. T. Abusch u.a., HSS 37, Atlanta 1990,1-57 A H L S T R Ö M , G. W., Heaven on Earth - at Hazor and Arad, in: Religious Syncretism in Antiquity. Essays in Conversation with G. Widengren, ed. by B. A. Pearson, Missoula 1975, 6 7 - 8 3 AHN, G., Religiöse Herrscherlegitimation im achämenidischen Iran. Die Voraussetzungen und die Struktur ihrer Argumentation, Actlr 31, Leiden/Louvain 1992 A L B A N I , M., Astronomie und Schöpfungsglaube. Untersuchungen zum Astronomischen Henochbuch, WMANT 68, Neukirchen ־Vluyn 1994 A L B E N D A , P., Symmetry in The Art of The Assyrian Empire, in: La circulation des biens, des personnes et des idées dans le proche-orient ancien, textes réunis par D. Charpin et F. Joannes, Paris 1 9 9 2 , 2 9 7 - 3 0 9 A L B E R T Z , R., Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit. Teil 1 : Von den Anfängen bis zum Ende der Königszeit; Teil 2: Vom Exil bis zu den Makkabäern, ATDE 8/1 - 2 , Göttingen 1992 A L D R E D , C . , Art. Bildhauer und Bildhauerei, L Ä I , Wiesbaden 1 9 7 5 , 8 0 0 - 8 0 5 A L E X A N D E R , P., 3 (Hebrew Apocalypse of) Enoch, in: The Old Testament Pseudepigrapha, Vol. 1, ed. by J. H. Charlesworth, Garden City/New York 1983,223-315 A N D R A E , W., Farbige Keramik aus Assur und ihre Vorstufen in altassyrischen Wandmalereien, Berlin 1923 A N D R A E , W., GravierteTridacna-Muscheln aus Assur, Z A 45 (1939), 8 8 - 9 8 A R N O L D , D . , Wandrelief und Raumfunktion in ägyptischen Tempeln des Neuen Reiches, MÄSt 2, Berlin 1962 A R N O L D , D . , Die Tempel Ägyptens. Götterwohnungen, Kultstätten, Baudenkmäler, Zürich 1992 A S H E R - G R E V E , J . M . , Head-Lines. Reading the Horned Crown. A Review Article, in: AfO [im Druck] A S S M A N N , J . , Ägyptische Hymnen und Gebete, Zürich/München 1 9 7 5 ( = ÄHG) A S S M A N N , J . , Re und Amun. Die Krise des polytheistischen Weltbilds im Ägypten der 18.-20. Dynastie, OBO 51, Fribourg/Göttingen 1983 A S S M A N N , J., Schrift, Tod und Identität. Das Grab als Vorschule der Literatur im alten Ägypten, in: A. u. J. Assmann/Chr. Hardmeier (Hrsg.), Schrift und Gedächtnis. Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation, München 1 9 8 3 , 6 4 - 9 3 AALEN,
ABUSCH,
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Nachtrag Durch ein Versehen fehlt im Literaturverzeichnis: JANOWSKI, B., Die Tat kehrt zum Täter zurück. Offene Fragen im Umkreis des „TunErgehen-Zusammenhangs", ZThK 91 (1994), 2 4 7 - 2 7 1 Nach Abschluß der Druckfassung erschienen und konnten nicht mehr berücksichtigt werden: LORETZ, O., Semitischer Anikonismus und biblisches Bilderverbot, U F 26 (1994), 209-223 METTINGER, T. N. D., N o Graven Image? Israelite Aniconism in its Ancient Near Eastern Context, CB.OT42, Stockholm 1995 ZWICKEL, W., Rezension zu METTINGER, Image, ThLZ 120 (1995), 986-987
Stellenregister (Auswahl) Altes Testament Genesis 1,3.14-19 1,26 1,26-28 3,7.21 5,1.3 6,2 9 9,6 9,12a—14 19,1-40,35* 37,34 41,41-43
239 19;40;175 253 ff ;262 72 ff 175;253f 78 30 253 f 218f 57 45 12
Exodus 3,2 15,17a 16,1-12* 16,7.10 19,18 20,21 24,9-11 24,15 ff 24,17 25,2-7 25,22 28 28-29 28,12 28,29 28,30-36 29,1-42 29,43-46 30,11-16 32,8.31 33,18 34,29-35 40,34
181 222 f 57 216 f 181 182 246;268 26 223;225 60 221 66 ff 55 ff 69 69 70 60 220 70 178 249 ff 246f 195
Leviticus 8 8,22-36* 8,30 9,1-24* 14,11 ff
55 ff ;60 ff 65 f 66 57 66
Numeri 12,6b8־ 12,8 14,2 16,4
38;245;268 180;271 224 224
Deuteronomium 4,12 4,15.16a 4,23 ff 4,36 5,7-8 5,23 ff 18,18 33,26 34,10-12
38 180 38 185 179 ff 249 ff 245 21 f 244
/Samuel 2,4 15,26f 24
5 52 52 f
!!Samuel 22,10 22,40
182 5
!Könige 8,10 8,12 ll,29f 19,19 f 22,19
195 185 53 53 188 f
!!Könige 21,7
178
332 Jesaja 6,1-5 6,1 6,4 14,13f 40,12-26 40,18-20 40,21-22 40,22 ff 40,26 44,9-20 51,9a 52,1 60,1 60,1-3.19 61,10 62,1-3 Jeremia 7,18 10,1-16 10,6.9 13,22-26 10,1-16
Stellenregister
187 ff; 267 211 195 184 173 ff 172;266 176 f 211 176 171 ff 222 222 24 207 4 208
32 165 ff; 177; 240; 266 67 51 f 36
Ezechiel 1 1,22.26-28 1,26-28 1,28 10,2-4 10,4 43,1-11
30;189f 201 ff 7;267;271 219 183 195;207 24
Hosea 6,3 8,4f 19,5f
194 178 178
Habakuk 3,3f
190f;249
Zephania 1,15b Psalmen 5,2-4 5,3f 8
Hiob 1,20-21 29,14 37,11 38,9 40,10
4; 6; 240ff; 268
Proverbien 31,17
5
44 4 oc
182
5 196 ff 180 7 182 23;212 183 5 22 f 24 211 210 5 6 23 193 192 6 191 194 40;268 6 261 23 177 7 183 237f 40;272 170 232 ff; 268 6;191;261 211 170 5 4
00
Joel 2,2.11
8,6 17 17,5 18,10-12 18,10 18,11 18,13 18,33 19 21,4.6 29,3 29,10 30,12 35,26 48,3 57,3 f. 9 63,1.3 65,7 72,1.18f 84,12 93 93,1a 93,lf 93,1.5 96,5-6 97,2-3 97,2 103,19-22 104 104,1-4 104,1-9 104,1 104,3 104,24 130,4 132,8-9.16
Stellenregister
182
200 193 259 ff; 269
Esther 8,15
67
IlChronik 6,41
4
Neues Testament Markus 5,25 ff
53 f
Römer 13,12-14
8
1 Korinther 11,2 ff 11,14-15
78 78
2Korinther 10,4
8
Epheser 4,22-24 6,13-18
8 8
Galater 3,27
9
Kolosser 3,9
9
Qumran-Texte 4QSL40,24,2ff 10 QM7,10 f
270 67
Ägyptische Texte ÄHG24 ÄHG87E ÄHG91 ÄHG92 ÄHG102 ÄHG138 pBerlin 3055 pBM 10554 pLeidenJ 350 Urk I V/22 STG 111,11 STG113
91 91 92 92 93 94 97 ff 91 94 92 94 93
Mesopotamische Texte ABL 652,9-13' ABL 676 ACh Adad6,6 AGH 62,28f AGH118,7 ARM XXVI: 10
255 47; 55 219 248 39 46
ARMTX:8 AsBbA 14 ff AsBbE9ff AsBbHöff Atr.-H. III v 46 vi, 2-4 BAL 1,54 ff BAM316iv22 B AM 318 iv 11 BMS48 CT48,50,6—19 CT 48,86 EA Ee IV, 144 ff Gilg. IX, ii, l f f Gilg. IX, iii,47ff Gilg. XI, 162 ff HSS5,71 Iraq 16,173 ff ISmedagan A 74 ff K.833,36-38* K.3434+9251 K.4310H6—8* KAR 238 r. 6 Lugal-e mis pf-Texte Nabonid HjB OrNS 56,55 ff (VAT 17019) RAcc 129 RIMA2,147 SAA3,32 SAHG24 SAHG27 SGL 1,1 SGL 1,22 SGL 2,87 SKIZ8 SKIZ52 SKIZ213 STT200 TCS 11,51 T N I A , 10'ff TuL 26 UET6/1,13 UET6/1,104 VAB VII/2,268 VAT8917 VS 10,214 iv
49 f 113 ff 113 ff 113 ff 218f 45 55 55 49 46 f 47 266 204 205 205 f 219 47 37 256 248 49 248 54 200 108 ff 48 39;119; 258f 209 119 188 f 257 257 200 205 206 117 262 256 l l l f ; 115; 170 54 f 255 112 f 117 117 113 ff 203 f 117
334
Stellenregister
Ugaritische Texte KTU 1.4V31ff KTU2.16II6—10 RIH 78/20 RS 20.146
205 248 54 47
RIH 78/20 RS 20.146
54 47
Sachregister Wortregister
ägyptisch: pr-dw3t akkadisch: baštu bīt mumme esirtu kezertu lubuštu makurru melammu
96 f
128 115; 122 45 f 128 120 ff 118 26;28ff;32;39; 148; 161 ;249; 2:
mīs pis. Mundwaschung nabnītu pullņmelamme qadiltu šukuttu tēdīqu(m)
114; 119 21;231 45 f 114; 122 39
hebräisch: אזר בד דמה/דמות ת/ן/גאוה גלה הוד הוד והדר זכרון זרח ישב
5; 231 64 175; 177; 201 ff 21;231 51f 118;191 4 69 f 207 ff 210 f
צוה. . . כ א ש ר כבד כבוד יהוה
כנף לב)ו(ש נגה נזר עטר פסל (צדק)ה קרב-^י. קרן/קרנים ראה רחץ שולים שש תמונה
62 215 ff; 220 19ff;24ff;28ff;34; 83;116;125;146;151 189; 206ff; 212-226; 249 ff; 256; 263; 270; 272 51 ff 4f;77;233;242 182ff;207f 70 5f;259ff 171;178f 198 f 63 191;249 213 f 63 51 ff; 189 64 f 38; 179ff; 196 ff; 246
persisch: xvarnah
26; 28 ff; 34; 156
sumerisch: me-lām müs si su־lim su-zi
118 118 118 118 118
Abstraktionsbegriffe 10; 231; 264 Abydos 96 ff d Adad 148 ff Ästhetik 76; 273 Ahuramazda 28-31; 154 ff Amarna-Zeit 91 ff; 95 Amenophis IV. 91 ff; 233 Amun(-Re) 88; 91; 94 Anahita 31 Angesicht Gottes 2 Anthropomorph(ismen) 6; 11 anthropomorpher Gott 26 ff; 124 f; 203 Anthropomorphisierung astraler Symbole 146 f; 161; 204 d Aššur 2 8 - 3 1 ; 125; 132-146 Astralisierung 126; 152; 160 Astralsymbole 34; 124f; 146f; 203; 265 Athena/e 86; 106 Aton 88; 93 Atum 94 Aufstrahlen (v. JHWH) 207 f -> זרח Aura
Nimbus
Ba'al 125 Ba'alšamem 125; 154 Bekleidungsrituale /-Zeremonien 164 ff - an Kultbildern 83-125; 160 Bernadini-Grab 153 Bild(er) - konstellation 30 - religion 10 f - terminologie 25 - verbot 11; 19f; 94; 177ff; 185 Broken Obelisk 133; 139 Buchreligion 10 f Chaos 221; 229; 231; 238; 240f; 268 Christologischer Streit 9 creatio prima 170 f; 238 creatio continua 170 f Darstellungsebenen, religiöse 13 Demokratisierung 25; 252 f
deus vestitus 2 Diadem 69 Edelsteine 69 ff; 204; 269 Edelsteingarten 205 f Edfu 104 ff Einwohnung 88; 95; 106; 160 Epiphanie, epiphan 10; 16ff; 36; 87; 107; 160; 180ff; 185; 189ff; 201; 213; 218; 225; 242;263 Farbe(n) 202f;204f;219 - des Priesterkleides 66 f - im Alten Orient 67 Finsternis 181 ff Flügel Gottes 192 f Flügelsonne 26 ff; 157 f; 266 - achämenidische 154 ff - anthropomorphe 26ff; 132-146; 200f - urartäische 154 ff Fort Salmanassar 137; 140 ff Frauen - mission 76 u. Sündenfall 74ff Fremdgötterverbot 178 ff Fremdkultverbot 178 f frozen motion 23 Gegenständlichkeit Gottes 170 Gerechtigkeit 191 f; 200; 264; 273 Geschlechterdifferenz 74 f Gestalt/־haftigkeit Gottes 2; 6; 9ff; 40; 87; 95; 200ff; 246; 265; 269ff; 273 Gestaltlosigkeit Gottes 17f; 178ff; 186; 267 Gewanddeponierung 47 Gewandsaum 45—53 - Symbolik 51 ff Glanz 182 ff Götter - bilder —» Kultbilder - der Nacht 34 - kleid —» Kleid Gottes - Standarten 148 ff - statuen/־statuetten 164ff; 168; 172; 186
336
Stellenregister
- Transzendenz 95 - Triaden 94f; 97 - Trinität 94 f; 104 f - uranischer Charakter 129 - uranophan 160 f; 186 Götzenbilder 164 ff Götzenpolemik 40; 243 Gott-König-Relation 40; 162f; 252ff; 259 Gottesbeschreibungen 7; 20; 30; 37; 271 f Gottesbild 37 ff - als Mann 19 - mentales 14; 36; 273 - visuelles 20 Gottesferne 184 Gottespräsenz 83ff; 160; 186; 206; 228; 251; 267;270;273 Gottesschau 185
Isis 106 d Istar 26; 31-35; 125; 126-132; 248f Jenseitsglaube 89 f JHWH-Thron 183
Karmesin(rot) 67 Keruben 23; 68; 211; 221; 267 Kerubenthron(er) 209 ff Kesselattaschen 153 Kleid(ung) 41 ff; 81 f - als Index v. Genus 41; 43 - als soziale Haut 42; 66 - als zweite Haut 42f; 66; 80f; 264 - formen 42 - Funktion 42 ff Kleid Gottes/JHWHs 1; 3; 6; 10; 12; 16; 36; 38ff; 82; 115f; 226ff; 232f; 262; 268ff d Haldi 28-31; 154 ff Kleider 3 Halo »־־־Nimbus Kleidmetapher, -metaphorik lff; 4ff; 9; 222 Hekalot-Literatur 270ff Königsgesetz 247 Herrlichkeit Gottes 17; 191 f; 194f; 202ff; Königsgestalt Gottes 176f; 186ff; 196ff; 207; 212-226; 250ff 226 ff; 252; 263; 268 ff -*TOD Königsgott 14; 24; 160; 171; 188; 193ff; Herrlichkeitssymbolik 69 f 200ff; 206; 209; 212; 221ff; 235f; 243; 246; Herrschaftsikonographie 162 249; 251; 262ff; 266ff; 272f Herrschaftsinsignie 154; 162; 266 Königskleid/־ornat 39; 67; 228ff; 235f Himmelserscheinungen 32 Königtum Gottes 21 ff; 40; 170ff Himmelsgott 158; 273 Körper(lichkeit) Gottes Gestalt Himmelsheer 176 Körpergestaltung, rituelle 42 ff Himmelskleid 112; 240 kosmischer Prozeß 103 f; 106 Himmelskönigin 31 ff Kosmos als Tempel 211 f Himmelsphänomene 159; 176 f; 182 f; 184 ff; Krone 24 186;240;243;266f;272 Kult Himmelsregionen 203 ff - anikonisch/ikonisch 83 ff Himmelssymbolik 152 - bilder 34ff; 38; 83-125; 150f; 156; 240ff; himmlischer Palast 236 ff; 240 266; 273 himmlischer Thron 228 - bildritual 88; 95 ff; 265 himmlisches Heiligtum 183f; 206; 211 f - topographie 68 f; 105 Horebepiphanie 178 ff; 213 Kulturstile 11 Horus-Behedeti 104 ff Identität (Gottes) 3; 81; 146; 186; 251 ikonographische Annalistik 133 ff; 152 ikonographische Säkularisierung 142 ikonographischer Synkretismus 151 imago dei 40; 252ff; 270 Inanna 118 f s. a. Istar Initiation/Initiand - ritus/־ritual 62 ff Investitur 261 - Ritual 66 ff
Lamastu- Amulette 127 Lapislazuli(-Thron) 202ff; 219; 246 Licht 93; 193; 202; 239; 258; 265 - kleid 39f; 170f; 182ff; 184f; 191; 206; 232ff; 269; 272f -
Symbolik 11; 2 1
- theologie 93 f Licht-Recht-Relation 208; 266 Logos 9 Ma'at 90 Majestätsschilderungen 10 f
Stellenregister d
Manziat 200 Marduk 21 Mari-Prophetie 49 ff Maske d. Mose 248 f Merkaba-Mystik 270ff Meteorologie, m. Phänomene 7; 10; 170f Mikro־/Makrokosmos 82 Mode 75 f Mond 208; 239; 261; 270 Mondgott 145; 204; 256ff Monotheismus 91 ff; 94 Morgen 224ff - motiv 193; 216; 267 - sonne 225 ff ;273 Mundöffnung(sritual) 95; 109ff; 169; 200 Mundwaschung(sritual) 109 ff Mutilation 42 mutuelle Beziehung 273 mutuelle Modellierung 15; 82; 104; 211 d
Nacktgehen 47 Nacktheit, -sein, nackt 41 ff; 73 ff Naturphänomene 20 Nimbus 31 ff; 130ff; 145 Nimrud-Kalhu 132; 134ff d Ninlil 126; 145 d Ninurta 148 ff Normativität v. Religion 77 Pantheismus 24; 94 Paradies(vorstellung) 72 ff Peplos 86; 106 Persönlichkeitszeichen 78 ff personality symbol 78 Priester - amt 71 f - Hoher P. 68 ff ;71 - investitur55ff - ornat 55 ff Priesterschrift 24; 212-226 - Kompositionsstruktur 58 ff - Sinaiperikope 56; 57ff; 214ff Prophetie 243 ff s.a. Mari־P. Prozession 36; 86f; 112; 160 Purpur 67f Recht 191f; 195; 200; 264; 270; 273 Rechtshandeln 183 Rechtsstreit 241 f Rechtssymbolik 48; 51 Rechtsverfahren 198 ff Regenbogen 30; 200; 213
337
Reichsinsignie 158 f Religionsästhetik 23 Religionsgeschichte 13 ff Religionssystem - symbolisches 71 Retten u. Richten 242; 263 —> Sonnengott Royalisierung 163; 253; 264 Sakralbaum 26 ff; 135 f; 144 ff; 147 Salbung 64 d Samas 28f; 125; 132-146; 266 Scham 74 ff Schatten d. Königs 262 Schönheit 23; 36; 81 Schöpfergott 171 f; 186 Schöpfermacht 172 Schöpfung - » creatio —> Weltschöpfung Schöpfungshandeln 175 f; 184 Schöpfungstexte - mesopotamisch 25 Schreckensglanz 39; 115; 116ff; 124; 148; 195; 231; 272 —» ־melammu Sichtbarkeit Gottes 20 f d S!n 145 Si'ur Qomah 270ff Solarisierung 15; 20; 151; 153; 161; 194; 246 Solarsymbolik 156 Sonne 239; 270 Sonnenaufgang 115 f; 207f; 224 Sonnengott 28ff; 90ff; 103; 142; 147; 151; 162f; 185; 192f; 258 - als Richter u. Retter 192-200; 268 Sonnenlauf 159 Sonnentheologie 20; 22; 88 ff Sonnenphänomene 26 Sonnenring 156 Spektralfarben 202 Stigmatisierung 42 Sternenkleid 112 f Sternenkranz 31 ff Strahlen 249 »־,PP Strahlenkranz 26; 31 ff Sünde(nfall) 72 ff superhuman size 189 Symbol(system), religiöses 14 f - theorie48 Tatau, -ierung 42 f Tatsfäre 79f
338
Stellenregister
Taufe 9 Tempel 23; 84 ff; 186; 206; 209; 231 - architektur 105 - gott 183 - kult(isch) 159 - theologie 14; 23; 38; 106; 124; 159f; 163; 220; 250 Tempel-Kosmos-Relation 116; 206; 211; 232 theologia gloriae 25; 81 Theologie des Kleides 38 ff; 72 ff; 265 Theomorphie 32 Theophanie —» Epiphanie Therapeutik 51; 53f Thronhimmel 158 Thronwagen 201 Til-Barsip-Stele 126 f Transformation v. Personen 71; 81 Transzendierung d. Gottesvorstellung 171 Tridacna-Muscheln 153 Tun-Ergehen-Zusammenhang 79 f
Universalisierung d. Gottesvorstellung 171; 186 Unsichtbarkeit Gottes 243 Verschleierung 46 Waffen, geistliche 8f Weben l f Weltbild - polytheistisches 91 f Weltenmantel 12 Welterhaltung 170f; 240 Weltschöpfung 176 Wettergott 183 ff; 194; 218 Wohnort JHWHs 176 Wolken 195; 214; 218; 236f; 245 Wolken, verschiedene Arten 181 ff Wolkenkleid Gottes 182 ff; 184 f Wolkensäule 223 f
Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Bernd Janowski und Hermann Spieckermann 1
Reinhard Gregor Kratz
Kyros im Deuterojesaja-Buch Redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zu Entstehung und Theologie v o n Jes 4 0 - 5 5 1991. X , 254 Seiten. Leinen. 2
Rolf P. Knierim
Text and Concept in Leviticus 1:1 — 9 A Case in Exegetical M e t h o d 1992. V I , 124 Seiten. Leinen.
3 Studien zu Opfer und Kult im Alten Testament Herausgegeben von Adrian Schenker 1992. VIII, 162 Seiten. Leinen. 4
Odil H a n n e s Steck
Gottesknecht und Zion G e s a m m e l t e Aufsätze zu Deuterojesaja 1992. X I , 230 Seiten. Leinen. 5
Ian Young
Diversity in Pre-Exilic Hebrew 1993. XIV, 256 Seiten. Leinen. 6
Hermann Michael N i e m a n n
Herrschaft, Königtum und Staat Skizzen zur soziokulturellen Entwicklung im monarchischen Israel 1993. X , 318 Seiten. Leinen. 7
Jutta Hausmann
Studien zum Menschenbild der älteren Weisheit 1995. I X , 415 Seiten. Leinen. 8
Lothar Perlitt
Deuteronomium-Studien 1994. VIII, 271 Seiten. Leinen. 9
Matthias Miliard
Die Komposition des Psalters Ein formgeschichtlicher Ansatz 1994. VIII, 299 Seiten. Leinen. 10
Wolfgang Zwickel
Der Tempelkult in Kanaan und Israel Ein Beitrag zur Kultgeschichte Palästinas von der Mittelbronzezeit bis zum Untergang Judas 1994. X V I , 424 Seiten. Leinen.
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Forschungen zum Alten Testament
11 Brian B. Schmidt IsraeVs Beneficent Dead Ancestor Cult and Necromancy in Ancient Israelite Religion und Tradition 1994. XV, 400 Seiten. Leinen. 12 Thomas Willi Juda — Jehud — Israel Studien zum Selbstverständnis des Judentums in persischer Zeit 1995. IX, 209 Seiten. Leinen. 13 Jörg Jeremias Hosea und Arnos Studien zu den Anfängen des Dodekapropheton 1996. VII, 286 Seiten. Leinen. 14 Der leidende Gottesknecht Jesaja 53 und seine Wirkungsgeschichte. Herausgegeben von Bernd Janowski und Peter Stuhlmacher 1996. VI, 286 Seiten. Leinen. 15 Gerlinde Baumann Wer mich findet, hat Leben gefunden Traditionsgeschichtliche und theologische Studien zur Weisheitsgestalt in Proverbien 1 - 9 1996. Ca. 390 Seiten. Leinen. 16 Thomas Podella Das Lichtkleid JHWHs Untersuchungen zur Gestalthaftigkeit Gottes im Alten Testament und seiner altorientalischen Umwelt 1996. Ca. 360 Seiten + 4 Seiten Kunsdruck + 3 Ausschlagtafelen + 1 Karte. Leinen. 17 Walter Groß Die Satzteilfolge im Verbalsatz alttestamentlicher Untersucht an den Büchern Dtn, Ri und 2Kön unter Mitarbeit von Andreas Diße und Andreas Michel 1996. Ca. 430 Seiten. Leinen.
Mohr Siebeck
Prosa