Marc Stegherr · Kerstin Liesem Die Medien in Osteuropa
Marc Stegherr · Kerstin Liesem
Die Medien in Osteuropa Medien...
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Marc Stegherr · Kerstin Liesem Die Medien in Osteuropa
Marc Stegherr · Kerstin Liesem
Die Medien in Osteuropa Mediensysteme im Transformationsprozess
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
. . 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Barbara Emig-Roller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17482-2
Inhalt Vorwort .................................................................................................................................9 A
Die Medien in Osteuropa – eine Erfolgsgeschichte? .........................................11
1.
Der Einfluss westlicher Medienhäuser...................................................................18
2.
Sparten-und Minderheiten-Medien in Osteuropa...................................................21
B
Die Medien in Südosteuropa ...............................................................................25
1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7
Serbien: Zwischen Miloševi und Marktwirtschaft ...............................................29 Die serbischen Medien und das Wendejahr 2000.........................................31 Bedrängung der Medienfreiheit....................................................................37 Radio B92: Mit Multimedia gegen Miloševi ..............................................41 Streit um Rundfunkgesetze ..........................................................................43 Die älteste Zeitung Serbiens und ihre Nachfahren .......................................46 Öffentlich-rechtliches und privates Fernsehen und Radio............................52 Die Nachrichtenagenturen Serbiens .............................................................54
2. 2.1 2.2 2.3
Kosovo: die Medien als Motor der Unabhängigkeit ..............................................56 Kosovos Medien und die Unabhängigkeit....................................................59 Morddrohungen und Spionagevorwürfe – „Life in Kosovo“ .......................61 Medienfreiheit im Kosovo: Opfer „höherer Interessen“?.............................63
3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Das Mediensystem in Montenegro ........................................................................67 Die Entwicklung der Medien........................................................................68 Die Medienlandschaft...................................................................................70 Zeitungen und Zeitschriften .........................................................................72 Rundfunk und Fernsehen in Montenegro .....................................................73 Nachrichtenagenturen und Online-Medien ..................................................74 Ein besonderer Fall: Fernsehen im Sandžak.................................................75
4. 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6
Kroatien: Pressefreiheit zwischen Tudjman und Pavi..........................................77 Die kroatischen Medien nach der Unabhängigkeit.......................................79 Der Umbruch der Medienlandschaft nach der Tudjman-Ära .......................83 Der kroatische Medienmogul Ninoslav Pavi ..............................................85 Fernsehen, Rundfunk und Nachrichtenagenturen in Kroatien......................89 Das paradigmatische Schicksal eines Satire-Magazins ................................92 Bewegung auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt .................................95
5. 5.1 5.2
Das Mediensystem Sloweniens: Zwang zur Uniformität.....................................100 Die Tages- und Wochenzeitungen..............................................................105 Fernsehen und Rundfunk............................................................................107
6. 6.1 6.2 6.3
Bosnien und Herzegowina: Medien als Zankapfel der Ethnien ...........................113 Zeitungen und Zeitschriften .......................................................................116 Radio und Fernsehen ..................................................................................121 Ethnische Gräben in der Medienlandschaft Bosniens ................................126
5
7. 7.1 7.2 7.3
Mazedonien: der umkämpfte Staat und seine Medien .........................................131 Die Lage der Medien in Mazedonien .........................................................135 Zeitungen und Zeitschriften in Mazedonien...............................................136 Radio und Fernsehen ..................................................................................138
8. 8.1 8.2 8.3 8.4
Das Mediensystem in Bulgarien ..........................................................................144 Die Entwicklung der Medien nach 1989 ....................................................145 Der Westen kauft sich in den bulgarischen Medienmarkt ein ....................148 Radio und Fernsehen in Bulgarien .............................................................151 Zeitungen, Zeitschriften und Nachrichtenagenturen ..................................155
9. 9.1 9.2
Albanien: der mediale Nachzügler.......................................................................159 Zeitungen und Zeitschriften in Albanien....................................................163 Fernsehen und Rundfunk in Albanien ........................................................166
10. 10.1 10.2 10.3 10.4
Rumänien: Pressefreiheit gegen Marktmacht ......................................................169 Der Fall România Liber............................................................................173 Zeitungen, Zeitschriften und Nachrichtenagenturen ..................................176 Rundfunk und Fernsehen in Rumänien ......................................................182 Deutsche Zeitungen in Rumänien ..............................................................185
11.
Die Medien in der Republik Moldau ...................................................................188
C Die Medien in Mittelosteuropa....................................................................................193 1. 1.1 1.2 1.3
Die Tschechische Republik: Das Vorzeigeland in Sachen Medienfreiheit..........197 Die tschechischen Medien vor und nach der Wende..................................199 Tschechische Zeitungen und Zeitschriften .................................................203 Fernsehen und Rundfunk in der Tschechischen Republik..........................210
2. 2.1 2.2 2.3
Slowakei: Die Medien und der Populismus .........................................................215 Die slowakischen Medien nach dem Ende des Kommunismus..................217 Zeitungen und Zeitschriften in der Slowakei..............................................218 Rundfunk und Fernsehen in der Slowakei..................................................221
3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Das polnische Mediensystem...............................................................................225 Der polnische Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt........................................227 „In den Krieg gegen Gazeta Wyborcza“ ....................................................230 Nationalkonservative Wende auf dem polnischen Zeitungsmarkt?............237 Katholischer Journalismus nach dem Regierungswechsel .........................242 Fernsehen und Rundfunk in Polen .............................................................244 Medien der Minderheiten in Polen .............................................................246
4. 4.1 4.2 4.3 4.4
Ungarn: Medien zwischen Altkommunisten und Nationalisten...........................248 „Medienkriege“ und regierungs(un)freundliche Berichterstattung ............249 Die ungarische Medienlandschaft nach der Jahrtausendwende..................254 Die ungarische Zeitungs- und Zeitschriftenlandschaft ...............................258 Radio und Fernsehen in Ungarn .................................................................264
5. 5.1 5.2
Die Mediensysteme in den Ländern des Baltikums .............................................268 Estland: junge Journalisten und russische Medien .....................................269 Die Entwicklung des estnischen Mediensystems .......................................273
6
5.3 5.4
Fernsehen und Rundfunk in Estland...........................................................274 Digitalisierung und Presseagenturen in Estland .........................................277
6. 6.1 6.2 6.3
„Bunt und unkontrovers“ – die Medien in Lettland.............................................280 Die Zeitungsgeschichte Lettlands...............................................................283 Das Mediensystem Lettlands heute – Radio und Fernsehen ......................290 Zeitungen und Zeitschriften in Lettland .....................................................296
7. 7.1 7.2 7.3
Das Mediensystem in Litauen..............................................................................298 Fernsehen und Rundfunk in Litauen ..........................................................300 Zeitungen und Zeitschriften in Litauen ......................................................301 Medien der polnischen Minderheit in Litauen............................................303
D Die Medien in Osteuropa .............................................................................................305 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9
Medien in Russland: Perestrojka und ‚neue Sowjetisierung ................................308 Der Skandal um die Holding „Media Most“ ..............................................310 Informationsdiktatur und die Schere im Kopf ............................................312 Der russische Medienmarkt vor der Wende ...............................................314 Der Mordfall Anna Politkovskaja ..............................................................316 Die „Novaja Gazeta“ – die freie Stimme Russlands ..................................324 Mediale Uniformität im 21. Jahrhundert ....................................................326 „Russia Today“ und andere Inseln der Pressefreiheit.................................331 Fernsehen und Radio in Russland ..............................................................334 Die Komsomol’skaja Pravda und andere Zeitungen ..................................335
2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Das Mediensystem in der Ukraine .......................................................................338 Der Fall Gongadze als Wendepunkt...........................................................342 Protest gegen die politische Gängelung der Medien ..................................344 Die heutige Situation der Medien in der Ukraine.......................................347 Ukrainische Zeitungen und Zeitschriften ...................................................349 Fernsehen, Radio und Agenturen in der Ukraine .......................................351 Minderheiten- und Regionalmedien in der Ukraine ...................................354
3. 3.1 3.2
Weissrussland: Knebelung der Medien................................................................356 Das Mediensystem Weißrusslands .............................................................360 Radio und Fernsehen in Weißrussland .......................................................364
Nachwort: Die Zukunft der Medien in Osteuropa ........................................................367 Quellenverzeichnis ...........................................................................................................369 Literaturverzeichnis.........................................................................................................373
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Vorwort Vor gut zwanzig Jahren rollte eine Welle des Protests über Osteuropa hinweg. Bis zum Ende des Jahres 1989 hatte sie die kommunistischen Regierungen des damaligen Ostblocks unter sich begraben. Im Juni gewann das „Bürgerkomitee Solidarno“ die polnischen Parlamentswahlen, im Oktober verabschiedete Ungarn eine bürgerliche Verfassung. Im November fiel die Berliner Mauer und das Regime in Bulgarien wurde gestürzt. Im Dezember wurde der rumänische Diktator Ceauescu erschossen. Die Menschen hatten genug von Diktatur und Unfreiheit. Heute, zwanzig Jahre später, gilt es innezuhalten und zu fragen: Wie weit hat sich die Demokratie in den ehemaligen Ostblockstaaten entwickelt? Wie frei sind die Medien? Diese Fragen sind eng miteinander verknüpft. Denn gerade die Situation der Medien ist nach unserem Verständnis ein elementarer Maßstab dafür, wie hoch der „Pegel der Demokratie“ steht. Die Idee zu diesem Buch entstand, als wir ein Seminar zu den „Mediensystemen in Osteuropa“ hielten. Dabei stellten wir fest, dass ein generalisierendes Urteil an der Realität vorbeigeht. Eine Bestandsaufnahme der Entwicklung der Medien in Osteuropa seit der Wende vom Kommunismus zur Demokratie zeigt ein von Land zu Land unterschiedliches Bild. In Polen, der Tschechischen Republik, Ungarn, Slowenien und in den drei baltischen Staaten hat die Pressefreiheit – trotz aller nicht unerheblichen Anfangsprobleme – beachtliche Fortschritte gemacht. In Südosteuropa steht dem Fortschritt unter anderem die ethnische Zersplitterung entgegen, die das Schwarz-Weiß-Denken auch in den Medien fördert. Aber auch dort sind erhebliche Unterschiede zwischen den 1990er Jahren und dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends festzustellen. Nicht anders als besorgniserregend ist die Lage der Medien schließlich in den „Kernländern“ der ehemaligen Sowjetunion, in Russland und Weißrussland, wobei man mit Blick auf die Ukraine nur hoffen kann, dass die erfreulichen Entwicklungen der „Orangenen Revolution“ nicht unter der neuen Führung zurückgedreht werden. Dieses Buch soll einen Überblick über aktuelle Entwicklungen und Zukunftschancen der Medien in allen Ländern Osteuropas geben. Wir hoffen, dass wir damit eine Lücke im Diskurs über Osteuropa füllen können. Die Recherche hat in erster Linie Frau Dr. Liesem übernommen. Soweit sie in den Sprachen der untersuchten Länder stattfand, lag sie in der Hand von Herrn Dr. Stegherr, ebenso wie die Erstellung des Textes. Ganz herzlich danken möchten wir Frau Dr. Eva-Maria Schmied für ihre Geduld und für ihre technische Unterstützung. Unser Dank gilt ebenso unserer Lektorin, Frau Barbara Emig-Roller.
Freising/Berlin, im Juni 2010 Dr. Marc Stegherr
Dr. Kerstin Liesem
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A
Die Medien in Osteuropa – eine Erfolgsgeschichte?
Wenn man mit Zeitgenossen über Osteuropa im Allgemeinen und die Medien im Speziellen spricht, hört man oft, dort sei es ja mit der Freiheit noch nicht so weit her. Dabei wird gerne übersehen, dass es neben Russland, wo es um die Medienfreiheit tatsächlich nicht gut bestellt ist, durchaus auch Erfolgsgeschichten zu erzählen gibt, wenn es um die Entwicklung der Medien in Osteuropa geht. Die Staaten Südosteuropas konnten sich nach den postkommunistischen Umwälzungen, nach Bürgerkrieg und autoritärer Herrschaft allmählich dem doktrinären Erbe von Nationalismus und Meinungsdiktatur entwinden. Man könne heute von einem Erfolg sprechen, wenn es um die Entwicklung der Medien auf dem Balkan geht, meinte Aaron Rhodes, der für den „Stabilitätspakt für Südosteuropa“ eine Einschätzung der letzten Jahre wagte1. Das Wichtigste, schrieb Rhodes, sei „die Glaubwürdigkeit der angestammten unabhängigen Medien“ und es müsse alles getan werden, damit die Finanzierung nicht aufgrund ideologischer Prämissen geschehe. Genau um diese beiden Punkte ist es in den letzten Jahren in osteuropäischen Ländern extrem schlecht bestellt gewesen. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ stellte in ihrem Jahresbericht für das Jahr 20072 fest, das vergangene Jahr sei ein „besorgniserregendes Jahr“ gewesen, nicht nur in jenen Ländern, die ohnehin im Verdacht stehen, nicht viel für die Pressefreiheit übrig zu haben, sondern auch in den angeblich freien westlichen Ländern. Freiwillige, vorauseilende Selbstzensur der Presse, die angeblich zu kritisch über den Islam berichtet hätte, wie im Falle des französischen Philosophen Robert Redeker oder der Mohammed-Karikaturen des dänischen „Aftenposten“, standen neben schwerwiegenden Einschränkungen der Pressefreiheit von Seiten des Staates in Russland, wo die berühmte Kreml-kritische Journalistin Anna Politkovskaja am 7. Oktober 2006 vor ihrer Moskauer Wohnung ermordet worden war. Sie war mit Jevgenji Gerasimenko und Ilja Zimin, Korrespondent des landesweiten Fernsehsenders NTV, das dritte Opfer des Jahres 2006, und der 21. Journalist, der seit der Machtübernahme Putins im März 2000 gewaltsam ums Leben kam. Diese Entwicklung zeige, so „Reporter ohne Grenzen“, wie schwer es den Staaten des ehemaligen Ostblocks falle, mit ihrer totalitären Vergangenheit fertig zu werden. Die Neigung zur direkten und indirekten Beeinflussung bis Knebelung der Presse ist nach wie vor verbreitet, und viele Funktionäre, die sich aus der alten Zeit in die neue hinüberretten konnten, finden neue, oft wirtschaftliche Wege, um ihre Meinung auf den Seiten der Zeitungen und im Fernsehen wiederzufinden. In einer Rangliste, die „Reporter ohne Grenzen“ in punkto Pressefreiheit alljährlich veröffentlicht, finden sich neben Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien auch Bosnien-Herzegowina auf den vorderen Plätzen,
1
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Vgl. Rhodes, A.: Ten Years of Media Support to the Balkans. An Assessment. Published under the auspices of Yasha Lange on behalf of the Stability Pact for South Eastern Europe. Amsterdam, Juni 2007 [www.pressnow.nl/upload/publications/mediasupport_Balkan.pdf]. Vgl.: www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/rte/docs/2007/rapport_en_md.pdf.
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während Russland auf Platz 147, nach Ägypten und der Palästinensischen Autonomiebehörde folgt. Nach Russland kommen nur noch Länder wie Libyen, der Irak, Vietnam, Pakistan und Nordkorea. Daran hat sich bis heute sehr wenig geändert, wenn es auch hier und dort in Russland mediale Courage gibt, die hoffen lässt. In den Ländern, in denen Demokratisierung und Marktwirtschaft gut vorankommen, sei auch eine günstige Lage der Medien festzustellen3. Vor allem aber im ehemaligen Jugoslawien sowie in der Slowakei war es im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts mit der Pressefreiheit nicht weit her. Am schlimmsten stellte sich die Lage unabhängiger Medien in vielen GUS-Staaten dar. Eine Bestandsaufnahme der heutigen Situation der Medien in Mittel- und Osteuropa zeigt ein von Land zu Land, vor allem aber zwischen bestimmten Ländergruppen sehr unterschiedliches Bild. In Polen, der Tschechischen Republik, Ungarn, Slowenien und in den drei baltischen Staaten ist die Pressefreiheit nicht nur auf dem Papier, sondern auch de facto weitestgehend gewährleistet. In Südosteuropa ist das Bild uneinheitlich, insgesamt jedoch im Vergleich zu den vorgenannten Ländern schlechter. In Bulgarien, Rumänien und, in Ansätzen, sogar in Albanien gab es nach den politischen Veränderungen neue Lichtblicke, wobei vor allem in Bulgarien die unabhängigen Medien viel Spielraum gewannen. Bosnien-Herzegowina befand sich kriegsbedingt in einer Sondersituation; der mit westlicher Hilfe unterstützte Aufbau unabhängiger Medien ging dort nur langsam voran. Schlimm stand es bis zur Ablösung Miloševis und auch noch einige Zeit danach um die Pressefreiheit in Serbien, wo die wenigen regierungsunabhängigen Medien mit mehr oder weniger subtilen Methoden drangsaliert wurden. Auch in Kroatien hatte die kritische Presse unter der Regierung Präsident Tudjmans große Probleme. Nicht anders als schlecht ist die Lage unabhängiger Medien in mehreren Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). In Weißrussland hat Diktator Aleksandr Lukašenko die Gleichschaltung der Medien mehr oder weniger erreicht. In der Ukraine haben regierungskritische Medien bis heute vor allem mit großen ökonomischen Problemen zu kämpfen. Bis zur Orangenen Revolution, die positive Veränderungen mit sich brachte, mussten sie ständig mit politischen Interventionen bzw. Schwierigkeiten seitens staatlicher Behörden rechnen. In Russland, wo der medien-politische Umbruch in Osteuropa vor zehn Jahren mit Glasnost‘ begann, war es um die Pressefreiheit zu Beginn der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts besser bestellt als heute. Zwar findet sich dort immer noch eine pluralistische Medienlandschaft, doch verbirgt sich dahinter eine zunehmende Konzentration der Medienmacht in den Händen einiger mächtiger Finanzgruppen. Diese haben seit 1995 den Medienmarkt unter sich aufgeteilt und kontrollieren damit die wichtigsten Fernsehkanäle und Zeitungen. So erwarb zum Beispiel die „Most-Bank“ neben der angesehenen Tageszeitung „Sevodnja“ mit „NTV“ den erfolgreichsten privaten Fernsehsender. Boris Berezovskij, früherer Sekretär des russischen Sicherheitsrats, wurde durch den Kauf größerer Anteile des staatlichen Fernsehsenders „ORT“, des wichtigsten Moskauer Fernsehsenders „TV 6“ und mehrerer Zeitungen zum wichtigsten Medienmogul – bevor er von Putin entmachtet und ins Exil getrieben wurde, weil er sich politisch nicht unmissverständlich zum damaligen Präsidenten bekennen wollte. Zur Gruppe einflussreicher Medienbesitzer gehörte Vladimir Potanin („Oneximbank“) mit dem Erwerb von Kontrollmehrheiten an den großen überregionalen Zeitungen „Izvestija“ und „Komsomol’skaja Pravda“ (1,6 Millionen Auflage). Auch Gazprom mit seinem früheren Chef Viktor ernomyrdin mischte
3
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Vgl. Pflaumer, G.: Medien im Wandel. Zur Lage der Pressefreiheit in Mittel-, Südost- und Osteuropa. In: Internationale Politik, Juni 1998.
durch Kauf von Medienanteilen bzw. Patronage kräftig in diesem Geschäft mit. Dabei ging es weniger um den zu erzielenden Gewinn als um eine Instrumentalisierung der Medien zu politischer Einflussnahme. Bei der Suche nach den Ursachen für die missliche Lage vor allem der regierungsunabhängigen Medien in den GUS-Staaten und in Teilen Südosteuropas stößt man immer wieder auf Defizite bei den politischen, rechtlichen, ökonomischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen, von denen die Pressefreiheit abhängt. In autoritär-diktatorisch regierten Ländern wie Weißrussland hat die Pressefreiheit schon von den politischen Rahmenbedingungen her wenig Aussicht auf Erfolg. Die Medien, insbesondere Fernsehen und Radio, werden wie zu kommunistischen Zeiten weitestgehend von der herrschenden Partei oder Zensurbehörden kontrolliert und instrumentalisiert. Sie werden aus dem Staatshaushalt finanziert, sind also wie früher wichtiges Herrschaftsinstrument. Die Direktoren und Chefredakteure wichtiger Sender und Printmedien werden von den Staats- bzw. Regierungschefs persönlich ein- und abgesetzt. Eine unabhängige Gerichtsbarkeit, vor der sich die kleine Minderheit kritischer Journalisten gegen behördliche Repressalien wehren könnte, gibt es nicht. Die wenigen regierungsunabhängigen Medien, meist kleinere Zeitungen und Radiostationen mit nur lokalen Reichweiten, werden zum Teil mit üblen Methoden schikaniert oder unterdrückt. Mitarbeiter werden immer wieder verhaftet. Sie werden wegen angeblicher Verletzung der Ehre und Würde von Regierungsmitgliedern, Verrat von Staatsgeheimnissen, staatsfeindlichem Verhalten oder Gefährdung der nationalen Sicherheit vor Gericht gestellt, mit hohen Schadensersatzforderungen überzogen, verprügelt, ihr Leben wird bedroht, sie werden als ausländische Agenten diffamiert. Redaktionen werden durch Rollkommandos verwüstet, Photographen werden ihrer Kameras beraubt oder diese zerstört, der Zugang zu Regierungsinformationen wird verwehrt. Da Druck und Vertrieb sowie Papierzuteilung nach wie vor häufig staatlich monopolisiert sind, haben unabhängige Zeitungen immer wieder Produktions- und Verteilungsprobleme, weshalb sie, und dies oft unregelmäßig, zumeist nur in Städten erscheinen können. Die Folge ist, dass die Landbevölkerung über regierungskontrollierte Medien in der Regel einseitig informiert wird. Sie kann kritische Informationen über ihre Regierung und über die Lage ihres Landes allenfalls über ausländische Sender wie die „Deutsche Welle“, die „BBC“, die „Voice of America“ und andere empfangen. Papier- und Strompreise sowie Steuern werden willkürlich erhöht, Lizenzen werden ohne Begründung entzogen, Werbung wird verboten. Es grenzt fast an ein Wunder, dass es in den genannten Ländern Journalisten gibt, die sich unter diesen bis zur Gefährdung der physischen Existenz reichenden Bedingungen nicht anpassen. Umso mehr bedürfen sie des Schutzes der internationalen Gemeinschaft. Diese mehr oder minder subtilen Methoden der Einschränkung der Pressefreiheit finden bzw. fanden sich – in differenzierter und zum Teil abgeschwächter Form – in GUSStaaten wie der Ukraine, Armenien und Georgien sowie in Albanien, Kroatien und der Slowakei wieder. Und dies, obwohl dort von den rechtlichen Rahmenbedingungen her, zum Beispiel den Verfassungen und Pressegesetzen, die Pressefreiheit weitgehend gewährleistet erscheint. Einfallstore für Repressalien gegen kritische Journalisten bilden häufig besondere Antiverleumdungs- oder Beleidigungs-gesetze und Verunglimpfungsbestimmungen in Strafgesetzen, mit denen de facto Kritik an Staatspräsidenten oder Regierungsmitgliedern zum Straftatbestand erhoben wird – eine bequeme Art, Kritiker mundtot zu machen. Auch Registrierungspflichten für Medien oder die Einsetzung von staatlichen Kommissionen zur Beaufsichtigung der Medien dienen als Repressionshebel. Die schlechte Wirtschaftslage in fast allen GUS-Staaten und in den südosteuropäischen Ländern bildet ein weiteres Hindernis für die Freiheit und Unabhängigkeit der Medien. Ein
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großer Teil der Menschen in diesen Ländern kann es sich finanziell nicht leisten, eine Zeitung zu kaufen. Auch der Anzeigenmarkt ist noch stark unterentwickelt; wenn überhaupt, inserieren Geschäftsleute aus Angst vor behördlichen Repressalien in regierungstreuen Medien. Dies hat zur Folge, dass sich vor allem unabhängige private Zeitungen und Radiosender aufgrund geringer Einnahmen finanziell kaum über Wasser halten können. Ihre technische Ausrüstung ist oft veraltet, die Journalisten werden schlecht bezahlt. Manche Zeitungen und Sender können nur dank westlicher Hilfe, insbesondere von Nichtregierungsorganisationen wie der Soros-Stiftung, überleben. Viele regierungstreue Medien erhalten staatliche Zuschüsse und begeben sich damit in zusätzliche Abhängigkeit. Auftragsund Verlautbarungsjournalismus, „Boulevardisierung“ sowie Selbstzensur sind deshalb an der Tagesordnung. Schließlich gibt es Defizite im Professionalisierungsgrad, und vor allem gute Journalisten sind aufgrund der miserablen Bezahlung bei privaten Medien nur schwer zu halten. Dort arbeiten in der Mehrzahl jüngere Leute ohne qualifizierte Ausbildung. Mängel im journalistischen Arbeiten, zum Beispiel in Recherche- und Interviewtechnik, mangelnde Trennung von Nachricht und Kommentierung, beeinträchtigen das Niveau. Im Verlagsmanagement und Marketing fehlt es häufig noch an Fachwissen. Ausbildungsdefizite rühren auch daher, dass es zwar in allen ost- und südosteuropäischen Ländern an den Universitäten journalistische Fakultäten gibt, dort aber nicht selten noch nach den alten Curricula gelehrt und mit veralteten Lehrbüchern gearbeitet wird. Pressefreiheit hat schließlich mit soziokulturellen Rahmenbedingungen zu tun. Wo aus historischen, ideologischen oder kulturellen Gründen keinerlei Basis für die Herausbildung eines demokratischen Bewusstseins in der Bevölkerung und damit für die Entwicklung einer Zivilgesellschaft und einer politischen Kultur westlichen Musters vorhanden ist – und dies ist vor allem in den meisten GUS-Staaten der Fall –, wird es auf absehbare Zeit am notwendigen Nährboden für Pressefreiheit fehlen. Dort lassen sich die alten ideologischen Strukturen und Traditionen auch im Medienbereich, für die die Medien nach wie vor als Kampf-, Propaganda-, Desinformations- und Erziehungsmittel gelten, nicht von heute auf morgen beseitigen. Zumal da einige Staats- und Regierungschefs und viele Mitglieder der alten Eliten sich trotz ihrer Lippenbekenntnisse zur Demokratie von ihrer kommunistischen Vergangenheit nicht wirklich getrennt haben und die Medien, insbesondere die elektronischen, als willkommenes Herrschaftsinstrument einsetzen. Auf seiten der Bevölkerung gibt es infolge der politischen, ökonomischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen – von kleinen intellektuellen Minderheiten abgesehen – keine politisch relevante Gegenbewegung, die für die Pressefreiheit kämpfte. Die Oppositions-parteien sind meistens klein, zersplittert und infolge des ideologischen Vakuums programmatisch ungefestigt. Ähnliches gilt für Journalistenverbände und Journalisten-gewerkschaften, obwohl es zum Beispiel in Georgien, Armenien, der Ukraine und sogar Weißrussland Zusammenschlüsse unabhängiger Journalisten gibt. Liberale Streitkultur und Kritik bzw. eine Kontrollfunktion der Medien gegenüber der Staatsgewalt werden also noch lange auf sich warten lassen. Transformation auch im Medienbereich als unverzichtbares Element von Demokratieentwicklung darf der internationalen Gemeinschaft nicht gleichgültig sein. Stille Diplomatie behält durchaus ihren Stellenwert. In schwerwiegenden Fällen wie der Schließung von Zeitungen und Radiosendern, der Inhaftierung von Journalisten wegen kritischer Berichterstattung sind indes öffentliche Proteste unverzichtbar. Europarat und OSZE sollten angehalten werden, auf strengere Einhaltung der Beitrittskriterien, zu denen auch die Pressefreiheit zählt (Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention), in
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den Mitgliedstaaten bzw. bei den Antragstellern zu achten4. Da in Ländern mit staatlich kontrollierten und gesteuerten Medien die Bevölkerung fast ausschließlich im Sinne der jeweiligen Regierung informiert wird, hat dort die Information von außerhalb der Landesgrenzen einen besonderen politischen Stellenwert als Gegenpol zur Macht von Diktatoren und Zensoren. Gegen die Globalisierung der Kommunikation über Satelliten-fernsehen und -radio, Kurzwellensender, Internet, E-Mail und Fax sind auch Diktatoren im Prinzip machtlos. Die Deutsche Welle, die BBC, die „Voice of America“, „Radio Free Europe“ und andere sind in diesen Ländern als ‚Krisenradio‘ zur Überwindung der Isolierung von der Außenwelt unverzichtbar. Belege für die freiheitsbegünstigende Funktion derartiger Programme gibt es genügend. Zur Erosion des Systems der früheren DDR haben die westdeutschen Medien erheblich beigetragen. Bei den Studenten-demonstrationen in Belgrad spielten Internet und Fax eine wichtige Rolle, und auch die chinesischen Studenten bedienten sich 1989 bei ihren Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking der internen und internationalen Kommunikation per Fax. Die Darstellung der Probleme des Transformationprozesses im Medienbereich dürfte verdeutlicht haben, dass in den Staaten der GUS in Bezug auf die Erreichung der Pressefreiheit langer Atem notwendig sein wird. In einigen Ländern wie zum Beispiel in Weißrussland besteht ohne einen mit einer grundlegenden politischen Änderung verbundenen Machtwechsel keine Hoffnung. Aber selbst dann ist das Ziel noch nicht erreicht. Für die Existenz freier und unabhängiger Medien müssen neben politischen nämlich zugleich auch ökonomische, rechtliche und soziokulturelle Rahmenbedingungen erfüllt sein. Gemeinsam ist jedoch dem aktuellen Journalismus in Ost und West der Zug zur Unterhaltung zu Lasten der Information. In den Vereinigten Staaten greifen von 18- bis 34jährigen nur noch 8 Prozent zu einer Tageszeitung, um sich zu informieren. Nur die Freitags- und Wochenendausgaben finden in dieser Altersgruppe noch Abnehmer, was sich für die Verlage auf lange Sicht nicht lohnen kann. Die übrigen Tage verbringt man im Internet oder sieht sich jene Fernsehsendungen an, die „Infotainment“ bieten. Zugleich schwinden die Auflagen der großen Tageszeitungen wie „New York Times“, „Herald Tribune“ und anderer in besorgniserregendem Tempo, so dass bereits vom „Tod der Presse“ in den Vereinigten Staaten die Rede ist. Nur in Asien, Afrika und Osteuropa würden die Auflagen der Zeitungen noch steigen, vermerkte im Januar 2009 ein Artikel des serbischen Wochenmagazins „NIN“5. Was dem serbischen Autor des Artikels an amerikanischen Fernsehstationen, der US-amerikanischen Medienlandschaft insgesamt missfiel, ist die einseitige, auf bestimmte politische Positionen eingeschränkte Berichterstattung. „Fox News“ gibt nur ultrakonservativer Argumentation Raum, „New York Times“ und „CNN“ sprechen eine linksliberale Schicht an. Dieses Schielen nach der gerade von der Regierung vertretenen politischen Position oder der der Opposition hätte zum Vertrauensverlust der klassischen Medien in der jüngeren Generation beigetragen. Die Berichterstattung von „Fox News“ sei, so Zoran irjakovi in der „NIN“, eine Art Reinkarnation der schlimmsten Momente von Miloševis „TV Bastilje“. Was die Massenpresse in Ost und West verbindet, ist die Reduktion auf Schlagworte, auf das Reißerische, Sensationelle – die jedoch mittlerweile auch seriöse Medien erreicht. Die polemisch aufgeladene, über weite Strecken unsachliche Diskussion über die Mißbrauchsfälle in der deutschen katholischen Kirche im Frühjahr 2010
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5
Sanktionsmaßnahmen wie die Suspendierung der Mitgliedschaft oder des Sondergaststatus bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, aber auch positive Sanktionen sollten häufiger angewandt werden. , .: . . In: Nr. 42, 2009.
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darf als trauriges Beispiel dienen, ebenso der Fall der Tagesschausprecherin Eva Herman6. In der Herabstufung des seriösen zu tendenziösem Journalismus haben sich unter anderen der britische Mediengigant Rupert Murdoch, der hinter „Fox News“ steht, und ein deutscher Medienkonzern auch und gerade in Osteuropa zweifelhafte Verdienste erworben. Traditionsreiche Blätter in Ungarn oder Kroatien wurden ‚marktgängig’ gemacht, d.h. die renommierten, aber kostspieligen Abteilungen wurden abgestoßen und die Unterhaltungsund Gesellschaftskolumnen aufgebläht. Noch weitgehend unberührt ist davon die seriöse Presse Serbiens, was vor allem mit der politischen Marginalisierung des Landes nach Bosnien-Krieg und Kosovo-Konflikt zusammenhängt. In den letzten Jahren war immer wieder die Rede davon, Osteuropa erlebe den weltweit größten Rückschlag, was die Frage der Medienfreiheit betrifft. Schuld daran sei in erster Linie die zunehmende Politisierung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, so das Ergebnis einer Studie der amerikanischen Menschenrechtsorganisation „Freedom House“ von 2008. Laut „Freedom House“ gelten in der untersuchten Region „Zentral- und Osteuropa sowie ehemalige Sowjetunion“ nur acht Länder als frei, zehn als teilweise frei, und zehn als unfrei. Zu den zehn repressivsten Medienlandschaften der Welt gehören Weißrussland und Usbekistan. Vergleicht man damit die Lage in Westeuropa, wird der Unterschied deutlich: dort wird nur ein Land als teilweise frei eingestuft, dagegen 24 Länder als frei. In der Balkanregion belegt Slowenien mit Rang 49 den Spitzenplatz und Albanien mit Rang 105 den untersten. Nur etwas besser steht mit Rang 100 Mazedonien da, wo die Medien unter starker politischer Kontrolle stünden. Mehrere Attacken von Politikern oder Polizisten auf Journalisten wurden registriert. Montenegro fiel einen Platz hinter sein Ergebnis vom Vorjahr auf Platz 81 zurück. Schuld waren vor allem die hohen Geldstrafen für Verleumdung, die mehr als 14.000 Euro betragen können. Immer mehr Verfahren haben bei den Journalisten zu gravierender Selbstzensur geführt, zumal da die Ankläger meist hochrangige, in der Öffentlichkeit stehende Personen sind. Auch ungeklärte und daher unbestrafte Morde und Attacken auf Journalisten „sind ein sicheres Zeichen dafür, dass es wohl so weitergehen wird“, meinte die am Freedom-House-Bericht beteiligte Montenegrinerin Karin DeutschKarlekar in der Tageszeitung „Vijesti“ aus Podgorica. Die Hauptsorge von „Freedom House“ war jedoch die zunehmende Politisierung der öffentlich-rechtlichen Sender. Die Organisation kritisierte hier vor allem die Slowakei, Slowenien und Polen wegen ihres verstärkten politischen Einflusses auf die öffentlich-rechtlichen Medien. Auch Lettland verschlechterte seine Position wegen Einmischung der Regierung in die öffentlich-rechtliche Berichterstattung, vor allem in die Berichterstattung über Russland – was man allerdings verstehen konnte angesichts der unverhohlenen Einflussnahme der russischen Politik auf die russische Minderheit in Lettland. Die enge Verflechtung zwischen Politik und Medien rührt auch daher, dass viele Fernsehanstalten und Zeitungen in den Händen einflussreicher Medienrie-
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Der Bischof von Augsburg, Walter Mixa, musste im April 2010 von seinem Amt zurücktreten. Die mediale Auseinandersetzung mit den ihm zur Last gelegten Verfehlungen gerieten zu einer Kampagne, die Invektiven, Unterstellungen und persönliche Verunglimpfung einschlossen, und das bevor ein gerichtliches Verfahren stattgefunden hatte. Ebenso im Fall der Tagesschausprecherin Eva Herman, die eine Familienpolitik vertrat und diese auch in einer Talkshow verteidigte, die nicht mit den Positionen des klassischen Feminismus und der übrigen Studiogäste, einschließlich des Moderators übereinstimmte. Eva Herman verlor nicht nur ihre Stelle als Tagesschausprecherin, auch ihr berufliches Leben und ihr Ansehen wurden zerstört. Herman setzte sich in der Folge in Publikationen mit den rücksichtslosen Mechanismen einer fast unmenschlichen Medienwelt auseinander, die (Zitat Herman) „Züge einer Meinungsdiktatur offenbaren“.
sen sind, die ein freundschaftliches Verhältnis zur Politik pflegen, was beiden Seiten zugute kommt. Der Bericht, den „Freedom House“ Ende April 2010 vorlegte, rangierte Estland zusammen mit Deutschland in der Kategorie „frei“. Die Tschechische Republik und Litauen folgten mit ebenfalls freier Presse knapp dahinter, während „Freedom House“ den BalkanLändern erneut bescheinigte, die Presse sei dort nur „teilweise frei“. Während aber weltweit die Pressefreiheit im achten Jahr in Folge im Absteigen begriffen sei, stellte der Bericht für Serbien, Kroatien und die anderen Länder nur kleine Rückschläge fest. Insgesamt sah der Bericht leichte Verbesserungen. Kroatien fiel in der „Freedom House“-Rangliste in der Bewertung von 38 auf 40. Grund war der fehlende rechtliche Schutz von Journalisten, die Kriegsverbrechen auf der eigenen Seite untersuchen, wie auch Maßnahmen, die gegen sie ergriffen wurden. Die Vielfalt der Medien hätte in Kroatien wegen der steigenden Konzentration privaten Eigentums an den Medien gelitten. Verbesserungen stellte der Bericht in Bulgarien und in der Ukraine fest, was vor allem an der geringeren Zahl von Belästigtungen und physischen Angriffen auf Journalisten und der größeren Zahl an Herausgebern und Eigentümern lag. Serbien konnte sich gegenüber 2009 auch deswegen verbessern, weil der seit Februar 2008 unabhängige Kosovo nun separat gewertet wurde7. Woran liegt es, so muss man fragen, dass die für den Demokratisierungsprozess so wichtige Umwandlung der staatlichen zu öffentlich-rechtlichen Sendern bisher zumeist nur auf dem Papier gelang? Dass in Osteuropa die Demokratisierung der Gesellschaft nach wie vor ein Projekt mit offenem Ausgang ist, muss Rückwirkungen auf die Transformation der Medien haben. Auf das gedruckte Wort wirkt sich das aus, aber noch mehr auf die elektronischen Medien. Durch die begrenzten Frequenzen und deren manipulatives Potenzial sind elektronische Medien heiß umkämpft. Mögen auch in einem ersten Schritt die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine Demokratisierung geschaffen worden sein, so hängt doch die Umsetzung von der Mentalität der beschäftigten Journalisten ab. Von diesen arbeiten aber viele schon seit kommunistischen Zeiten in diesem Metier. Deshalb zeigen sie wenig Begeisterung, sich den gewandelten Verhältnissen anzupassen. Auch das Publikum sollte die Wandlung nachvollziehen, weiß aber oft nicht recht, was es von einem öffentlichrechtlichen Sender eigentlich erwarten darf. Zu diesen grundsätzlichen Defiziten postkommunistischer Gesellschaften kommt der sich allenthalben verstärkende Wettbewerbsdruck, den Investoren auch als Ausrede missbrauchen, um traditionsreiche Blätter auf Marktkurs zu bringen und sie damit in letzter Instanz ihres Renommees berauben. Redaktionsmitglieder, die unter Einsatz von Leben und Gesundheit gegen das alte Regime angeschrieben hatten, und sich verständlicherweise den Wandel unter dem vielbeschworenen Vorzeichen der Meinungsfreiheit anders vorgestellt hatten, sahen sich nun bei jedem kritischen Artikel mit dem Argument konfrontiert, das wolle der Leser nicht. Der Konflikt war unausweichlich.
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In die Beurteilungen fliessen die wirtschaftlichen (Eigentümerstrukturen, Kosten), politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen ein, die „Medieninhalte und die Neigung der Regierung beeinflussen könnten, diese Gesetze und gesetzlichen Institute zu benutzen, um die Fähigkeit der Medien einzuschränken, ihre Funktion zu erfüllen, einzuschränken“. Die Staaten kamen 2010 auf folgende Plätze: Bulgarien 76, Serbien 78, Montenegro 80, Kroatien 85, Rumänien 88, Mazedonien 94, Bosnien 97, Albanien 102, Kosovo 108.
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1.
Der Einfluss westlicher Medienhäuser
Die politische Wende in Osteuropa eröffnete den westlichen Medienkonzernen einen Absatzmarkt, der daheim schon mehr als gesättigt oder kartellrechtlich begrenzt war. Osteuropa freute sich andererseits über dringend benötigte Kapitalgeber und glaubte, mit diesen auch Hilfe zur Selbsthilfe zu erhalten, um im selben Aufwasch das Problem journalistischer Standards und Unabhängigkeit zu lösen. Verwundert rieb sich mancher die Augen, als sich herausstellte, dass für etliche Investoren aus dem Westen weniger die Meinungsbildung als die Wirtschaftlichkeit interessant war. Für westliche Medienhäuser ergab sich nach dem Zusammenbruch des Kommunismus eine historisch einmalige Situation, die ihnen erlaubte Joint Ventures mit den bis dahin national wichtigsten kommunistischen Medien zu schließen. Ohne öffentliche Diskussion, ohne Transparenz und Kontrolle wurden Titel und Lizenzen übernommen. Kontrollinstanzen wie Mediengesetze oder Gewerkschaften, die sich hätten einmischen können, gab es noch nicht. Diese einmalige Gelegenheit ließen sich die deutschen Mediengruppen Bauer, Springer, Gruner & Jahr, Burda, WAZ und die Passauer Neue Presse nicht entgehen. Die Passauer Neue Presse erzielte zuletzt gar 70 Prozent ihres Jahresumsatzes in Osteuropa. Kostenreduktionen bei gleichzeitiger Umsatzsteigerung ergaben sich, wenn diese Medienhäuser ein Titel-Konzept, das in einem Land erfolgreich war, in andere Länder exportierten, manchmal sogar unter dem gleichen Namen. Der österreichische „Styria Verlag“ gründete 2005 in Kroatien die Boulevardzeitung „24 Sata“, die rund eine Million Leser hatte, worauf 2007 in Slowenien das Gratisblatt „Žurnal 24“ folgte, das bereits nach einem Monat die höchste nationale Auflagenstärke erreicht hatte. Diese Strategie, ein zentral entworfenes Konzept in mehreren Ländern zu kopieren, hat zur Folge, dass sich viele Regionalzeitungen irgendwann gleichen – inhaltliche Gleichschaltung trotz medialer Vielfalt. In Polen, Tschechien und Ungarn befinden sich rund 80 Prozent der Medien im Eigentum westeuropäischer Medienhäuser. 85 Prozent der Medien in Osteuropa sind in ausländischen Händen, gut dreiviertel davon in deutschen. Unter den deutschen Verlagen und Medienhäusern, die sich in Osteuropa eingekauft haben, hat vor allem der Konzern der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, kurz „WAZ“, größere und nicht unbedingt positive Aufmerksamkeit erregt. Der „WAZ“-Geschäftsführer Bodo Hombach, Vertrauter des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder und gewiefter Taktiker, meinte lakonisch, in inhaltliche Fragen mische sich die Konzernführung normalerweise nicht ein. Doch die redaktionelle Freiheit zog im Falle der regierungskritischen rumänischen Zeitung „România Liber“, die mehrheitlich der „WAZ“ gehört, gegenüber wirtschaftlichen Interessen den Kürzeren. Trotz vehementer Proteste der Redaktion setzte man 2004 den Chefredakteur ab. Seitens der WAZ hieß es, man wolle das Blatt aus dem Auflagenverlust bringen – wobei nicht unmaßgeblich war, dass der Eigentümer im Gegensatz zur Redaktion der Zeitung einen guten Draht zur Regierung hatte. Geschäftsführer Bodo Hombach gehörte der „Rumänischen Agentur für Auslandsinvestitionen“ (ARIS) an, einer Organisation der rumänischen Regierung, die unter anderem den Ruf des Landes aufbessern soll. Da die Regierung große Teile der Werbeschaltungen vergibt, ging es der „WAZ“ schlicht und einfach ums Geld, wie eine deutsche Zeitung im November 2004 vermutete. Hombach war freilich ganz anderer Meinung. Er sah das Ganze als eine Art „strategischer Partnerschaft“. Wenn sie Partner seien, dann würden sich die Regierungen nicht mehr an die Medien herantrauen, meinte Hombach auf einer Hamburger Konferenz 2007. Außerdem hätten etliche Blätter ohne das Engagement der „WAZ“ längst Konkurs anmelden müssen. Ideologische Gründe spielten für Hombach keine Rolle. Des-
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halb zögerte er auch nicht, 2007 für den „WAZ“-Konzern ein Rahmenabkommen zur Verteidigung und Förderung von Pressefreiheit und Qualitätsjournalismus mit der „Internationalen Journalistenvereinigung“ (IFJ) zur Kontrolle von „WAZ“-Medien im Ausland zu unterzeichnen. Die ideologische Ausrichtung der Zeitungen und Zeitschriften unter „WAZ“-Regie entsprach den geschäftlichen Notwendigkeiten, was jedoch der Förderung von Qualitätsjournalismus und Medienvielfalt nicht widersprechen müsse. In Mazedonien und Bulgarien hat die „WAZ“ Anteile von mehr als 70 Prozent am Verlagsgeschäft, zehnmal mehr als in ihrer deutschen Heimat8. Was aber den einheimischen Journalisten, die eine kritische Öffentlichkeit schaffen wollen, übel aufstößt, ist die von manchen als ‚kolonial‘ kritisierte Mentalität der Neuinvestoren. Die ausländischen Medienhäuser seien nicht daran interessiert, die Gesellschaft zu demokratisieren. Sie wollten nur Geld verdienen und würden damit auch die wenigen Qualitätsblätter, die es noch gab, verdrängen. Auf lange Sicht schade das dem Vertrauen in Demokratie und Marktwirtschaft, so der Vorwurf. Außerdem fühlten sich viele von den fremden Investoren geradezu überrannt. Der durch die Mißstände des Medienkapitalismus verstärkte Verdacht der Osteuropäer, Wahrheit sei käuflich, würde jedoch auch die ohnehin bereits ausgeprägte Demokratieverdrossenheit in Westeuropa verstärken, meinen die Verfasser einer Studie zur Mediensituation in Osteuropa: Wenn die demokratische Öffentlichkeit aufgrund von Deregulierung, Kommerzialisierung und Privatisierung sowieso schon im Verfall sei, würden die medialen Landnahmen Osteuropas diesen Verfallsprozess nur verstärken. Hinzu kommt, dass sich die EU bei europaweiten Regelungen zur Medienkonzentration schwer tut. Man wolle nicht in lokal gewachsene Medienstrukturen eingreifen. Genau das taten die westlichen Medienunternehmen, ohne Rücksicht auf die „gewachsenen Medienstrukturen“. Man müsse jedoch zugestehen, hieß es in offiziellen Presseerklärungen und Interviews, dass ausländische Investoren das Kapital und das technische Wissen mitbrachten, das die heutige Vielfalt und politische Unabhängigkeit der Medien im Osten Europas erst ermöglichten. Markt- und Eigentumsanteile von über 80 Prozent nähren allerdings die Zweifel, ob sich Gewinnstreben mit Qualitätsjournalismus und Medienfreiheit vereinbaren lassen. Unterwandern die Medienkonzerne mit undurch-schaubaren Vernetzungen schleichend die Demokratie? Der WAZ-Konzern nahm in dieser Hinsicht kein Blatt vor den Mund. Zur Strategie des Konzerns gehöre es, in Länder zu gehen, in denen das Kartellrecht noch nicht so weit entwickelt ist wie in Deutschland und Westeuropa. Man hätte sich bemüht, Marktanteile einzukaufen, bevor die entsprechenden Bestimmungen verschärft werden. Die WAZ kaufte vornehmlich bestehende Zeitungen auf oder beteiligte sich mit mehr als der Hälfte. Die ‚Einkaufstour’ begann 1987 in Österreich mit der „Neuen Kronenzeitung“ und dem „Kurier“, worauf wenig später Rumänien, Ungarn, Kroatien, Montenegro, Serbien, Bulgarien und Mazedonien folgten. In den beiden letzten Ländern betrug der Marktanteil zwischenzeitlich sogar sage und schreibe 70 Prozent. Dass man auch drastischen Eingriffen in die Freiheit der Redaktion den Anstrich des Positiven verpassen
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Auch österreichische Medienhäuser beteiligten sich am Aufkauf des Ostens. Das Medienhaus von Eugen A. Russ, das für seine strikte Profitorientierung bekannt wurde, gibt in Ungarn und Rumänien jeweils vier Regionalzeitungen heraus, die dem Boulevard-Mutterblatt „Vorarlberger Nachrichten“ gleichen. In den Tochterunternehmen findet die elektronische Bildbearbeitung für das Stammhaus in Vorarlberg statt. Als Inhaber des Verlages Inform Média Kft. ist Russ der zweitgrößte Medienunternehmer in Ungarn. Der erfolgreichste österreichische Verlag in Osteuropa ist jedoch die „Styria Medien“ AG. Sie hat insgesamt 28 Magazine in Slowenien, Kroatien, Serbien und Montenegro. „Styria“ ist unter anderem auch Eigentümer der größten kroatischen Tageszeitung „Veernji List“.
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kann, bewies Hombach, als er im November 2008 erklärte, künftig werde die WAZ ihren bisherigen Grundsatz, sich nicht in die Redaktionsarbeit einzumischen, aufgeben. Es hätte zu viele negative Erfahrungen gegeben, vor allem in der Einhaltung journalistischer Qualitätsstandards. Den Anlass lieferte der Kampagnen-journalismus der bulgarischen WAZZeitungen „24 asa“ und „Trud“, die nicht unbedingt als Qualitätszeitungen bekannt waren. Diese hatten sich an der Medienhetze gegen die Historikerin Martina Baleva beteiligt. Diese hatte die Zahl der Toten in der nationalmythisch überhöhten Schlacht von Bataka relativiert. Die WAZ profitierte von den gewaltigen Auflagensteigerungen und trat erst auf die Bremse, als Baleva nach Deutschland floh und sich dort Journalisten mit ihr solidarisch erklärten. Die ganze Angelegenheit war zweischneidig. Nicht nur, weil eine junge Historikerin meinte, sich mit historischer Aufklärung profilieren zu müssen und damit das bulgarische Selbstbewusstsein stark berührte. Auch dass Hombach Einsicht heuchelte und die Redaktionen kujonierte, was er sonst nur tat, wenn kritische Artikel die guten Beziehungen zur Politik und damit die Geschäftsinteressen hätten stören können, stimmte manchen nachdenklich. Wenn kommerziell denkende Unternehmen das Mediensystem dominieren und kein Gegengewicht haben, gerät das System in Schieflage, warnen Kenner Osteuropas. Die ‚Reichweite’ von Medienunternehmen sei in Osteuropa so groß, dass damit eine strukturelle Unwahrscheinlichkeit kritischer Medienberichte einhergehe: Medien, die hauptsächlich kommerziellen Interessen dienen, brächten nur bestimmte Inhalte und diese nur in bestimmter Form.
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2.
Sparten-und Minderheiten-Medien in Osteuropa
Auf die marktgängigen Vorgaben hinsichtlich Inhalt und Form müssen sie keine Rücksicht nehmen – die Piratensender und Webradiostationen, die als Sprachrohr für junge Künstler, strenge Katholiken oder ethnische Minderheiten dienen und früher als Sprachroher gegen die Unterdrückung dienten. Sie senden mit und ohne Genehmigung, und leben zumeist von Geldern aus den USA, von Nichtregierungsorganisationen, selten von den eigenen Hörern. Die freien Radios haben in Osteuropa zwar eine lange Tradition, doch ohne Sendefrequenzen bleibt der Raum für eine alternative Öffentlichkeit und nicht-kommerzielles Denken beschränkt. Und um diese zu erhalten, bräuchte es vor allem Geld und entsprechende politische Beziehungen, über die die Sender aus naheliegenden Gründen selten verfügen. Selbstorganisierte, unabhängige und nichtkommerzielle Radios gibt es vor allem in den exjugoslawischen Ländern. Das erste Roma-Radio etwa kam 1963 in Mazedonien auf. Nach der Wende nahmen sich Länder wie Ungarn daran ein Vorbild. So sendet heute aus Budapest „Radio C“, das erste Radio, das rund um die Uhr von und für Roma sendet, aber von Nicht-Roma ebenso gern gehört wird. Zwar befindet man sich in einem ständigen Kampf um Geld, denn als Werbefläche sind Roma-Medien nicht gerade begehrt und jene NGOs und Stiftungen wie die Schweizer Medienhilfe und die Soros Foundation, die in der Vergangenheit solche Projekte ins Leben riefen und großzügig unterstützten, ziehen nun in den Nahen Osten weiter. Die von der Regierung ausgeschriebene Frequenz für nichtkommerziellen Hörfunk konnte das Radio jedoch für sich gewinnen. Ebenfalls zu den ältesten und zugleich größten freien Sendern in Europa zählt „Radio Student“. Dies ist ein UKW-Sender aus der slowenischen Hauptstadt Ljubljana mit 120 Mitarbeitern und 500.000 Hörern Reichweite. Als Studentenradio, entstanden aus den Studentenrevolten Ende der 1960er, wird es mit vergünstigten Sendegebühren sowie einem Zuschuss des Kultusministeriums und der Studentenverbände unterstützt. Zusammen mit „Radio Mars“ aus dem ebenfalls slowenischen Maribor konnte es sich noch in vordemokratischen Zeiten Frequenzen sichern. Heute sei das anders, meint ein Moderator von „Radio Mars“. Es sei heute fast unmöglich, an Frequenzen zu kommen. Abgesehen davon, dass angeblich keine mehr frei seien, zählen bei der Vergabe vor allem Geld und Beziehungen. Slowenien hat heute bei zwei Millionen Einwohnern 80 kommerzielle Radiostationen. Lokale Gruppen mit kleinem Budget haben in diesem Wettbewerb fast keine Chance; und Piratensender haben in Slowenien keine Tradition. Anders ist die Lage in Polen, wo zu Anfang der 1990er Jahre Radio gleich Piratenradio war, weil es schlicht noch nicht möglich war, legal zu senden. Doch da die Hürden für die begehrten Lizenzen hoch sind, blieben die meisten dieser Sender auch später Piratensender. Eine der wenigen Ausnahmen bildet der viel gehörte und leidenschaftlich umstrittene katholische Sender „Radio Maryja“, der eine freie Sendefrequenz erhielt. Mag auch mancher unterstellen, dass die meisten Piratensender weniger an Frömmigkeit denn an Gesellschaftskritik interessiert seien, so war doch gerade in Polen der Glaube der Faktor, der das Regime in die Knie zwang. Auch heute ist „Radio Maryja“ trotz teils berechtigter Kritik ein Sender, der nach Meinung seiner Hörer und Unterstützer genauso wie die Piratensender jene Fragen stellt, die in den legalen, öffentlich-rechtlichen Medien nicht gestellt werden. Im Unterschied zu „Radio Maryja“ ist die Wirkung der illegalen Sender freilich gering, weil nur wenige von ihnen wissen. Die Polizei geht gegen sie vor, es drohen empfindliche Strafen. In Bulgarien zum Beispiel traue sich aus diesem Grund niemand, als Piratensender aufzutreten, so ein Redakteur vom Webradio „Cult“, das sich als offene Plattform für Kunst
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und neue Medien versteht. Auch in Ungarn sind solche Radiosender der Regierung politisch zu suspekt, um mit ihnen über Frequenzen zu verhandeln. Deshalb wählte der älteste freie Sender des Landes, „Tilos Radio“, ein anderes Arbeitsmodell. Das 1991 gegründete und gemäß seinem Namen ‚verbotene Radio’ in Budapest erkämpfte sich eine zunächst sieben Jahre gültige Sendegenehmigung. Politisch und wirtschaftlich ist es unabhängig, weil es von den eigenen Hörern finanziert wird, und zweieinhalb Leute als gering bezahlte Redakteure arbeiten, während über 180 Mitarbeiter ehrenamtlich Beiträge liefern. Mag auch „Tilos Radio“ eine der Erfolgsgeschichten des freien Rundfunks in Osteuropa sein, und mag auch die Zahl freier Sender seit der Wende stark gestiegen sein, die Macht darüber zu entscheiden, wer gehört wird und wer nicht, bleibt trotz allem in den Händen jener, die die Frequenzen vergeben. Während die freien Radiosender weltanschauliche und kulturelle Sparten abdecken, die die offiziellen Medien unberücksichtigt lassen, bemühen sich die deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften, die bis zur Vertreibung der Deutschen aus Mittelost- und Osteuropa die deutschen Volksgruppe im Sudetenland, in Schlesien und Russland informierten, die Identität der letzten Verbliebenen zu stärken. Heute sind Pensionisten, Geschäftsleute, Touristen und Studenten aus dem Westen die neue dankbare Leserschaft der deutschsprachigen Zeitungen in Osteuropa. Vor allem deshalb, weil der Großteil der traditionellen Minderheiten längst in den Westen abgewandert ist. Dies gilt zum Beispiel für die „Moskauer Deutsche Zeitung“, die 1870 gegründet, aber bereits nach dem Ersten Weltkrieg wieder verboten worden war. Erst 1998 ist sie vom Internationalen Verband der deutschen Kultur (IVdK) neu gegründet worden. Dass die traditionelle deutsche Minderheit die „Moskauer Deutsche Zeitung kaum noch liest, hat damit zu tun, dass die Russlanddeutschen Deutsch nur noch rudimentär sprechen und lesen können. Das ist auch verständlich: Denn jedes Zeichen von Minderheitenzugehörigkeit wirkte sich im Kommunismus nachteilig für die Menschen aus. Heute wird Deutsch zwar wieder mehr gelernt, zugleich wandern aber die jungen Russlanddeutschen in Scharen in den Westen ab. Daraus ergab sich eine mehr als paradoxe Situation: im wöchentlichen Wechsel erscheinen die zum Verlag gehörende russischsprachige Zeitung „Moskovskaja Nemeckaja Gazeta“ (MNG) und die deutschsprachige „Moskauer Deutsche Zeitung“. Während die „Moskauer Deutsche Zeitung“ mit einer Auflage von 25.000 kostenlosen Exemplaren von Russen, die Deutsch lernen, Geschäftsleuten, Touristen und Studenten gelesen wird, hat die russischsprachige Zeitung (Auflage 15.000) die traditionelle deutsche Minderheit als Zielgruppe, wobei sie sich auf Geschichte und Traditionen der Russlanddeutschen konzentriert. Im Gegensatz zur „Moskauer Deutschen Zeitung“ wird ihr russisches Pendant vom russischen Außenministerium unterstützt; die deutsche Zeitung bekommt dafür Volontäre und projektbezogene Unterstützung vom deutschen Institut für Auslands-beziehungen. Die Minderheitenpolitik Putins hatte sich insofern stark gewandelt als der Präsident beim Forum der Russlanddeutschen im November 2007 den Russlanddeutschen eine Fördersumme von 84 Millionen Euro bis 2012 zusagte, das Doppelte der Unterstützung aus Deutschland. Ursache könnte die Sorge der Regierung sein, dass noch mehr der fleißigen, pünktlichen Deutschen und damit der begehrten Arbeitskräfte aus dem wachsenden russischen Markt abwandern könnten. 65 Prozent der weltweit ungefähr 3.400 deutschsprachigen Medien im Ausland haben ihre Heimat in den osteuropäischen Staaten. Die weltweit älteste Zeitung ist die „St. Petersburger Zeitung“. Sie wurde schon 1727 gegründet. Derzeit gibt es einen regelrechten Boom deutschsprachiger Zeitungen. Einen Zuwachs von zehn Prozent verzeichnete die Internationale Medienhilfe (IMH) seit 1990, der höchste in Osteuropa. Dort kommen pro Jahr drei bis
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vier neue Publikationen hinzu. Zum Teil liegt das am sogenannten ‚ethnischen Revival’ der Minderheiten, die während des Kommunismus unterdrückt worden waren. Entscheidend für das Aufleben deutschsprachiger Zeitungen dürfte jedoch sein, dass sie die wichtigste Informationsquelle für Touristen und Geschäftsleute sowie Leser aus dem deutschen Sprachraum darstellen. Gut ist es um diese Zeitungen jedoch nicht unbedingt bestellt. Ohne Förderung durch Staaten und Medienorganisationen könnten sie kaum überleben. Die auflagenstärkste fremdsprachige Wochenzeitung in Ungarn ist der „Pester Lloyd“, der bereits 1854 gegründet wurde. Seine Zielgruppe sind die ‚Neu-Deutschen’, die deutschen und österreichischen Pensionäre, die sich in Ungarn wegen der niedrigeren Lebenshaltungskosten niedergelassen haben. 2004 rief der „Pester Lloyd“ den „Wiener Lloyd“ ins Leben, eine zwei bis vier Seiten umfassende Beilage, mit dem sich die nach Ungarn gezogenen Österreicher über die kulturellen Ereignisse der Nachbarstadt auf dem Laufenden halten können. Österreicher und Deutsche schätzen die Zeitung für ihre Qualität und Unabhängigkeit, die in Ungarn sonst kaum zu finden ist. Eine gewisse Narrenfreiheit in Sachen politischer Bericht-erstattung genießen die Zeitungen dank der Fremdsprachigkeit und ihrer niedrigen Auflage von 20.000 Exemplaren. Zensur betrifft die Minderheiten-Zeitungen in Osteuropa so gut wie nicht, ganz im Gegensatz zu Westeuropa, insbesondere zu Frankreich, wo die Elsässer bis heute keine rein deutschsprachige Zeitung herausbringen dürfen. Vor dem Fall der Mauer und der politischen Wende in Osteuropa konnte sich Kritik an den realsozialistischen Verhältnissen nur in Zeitschriften äußern, die im sogenannten ‚Samizdat’, im Selbstverlag erschienen, wofür Verteiler und Autoren ihre Freiheit aufs Spiel setzten. Den Wechsel zur Marktwirtschaft hat kaum eines dieser Blätter überlebt. Ein Beispiel ist die tschechische Literaturzeitung „Host“, die der Landwirtschaftsstudent Dušan Skála 1985 gründete. Dass er die Charta 77, jene Petition von 1977 gegen die Menschenrechtsverletzungen des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei, unterschrieb, verstellte ihm alle Berufsaussichten. Er musste als Hilfsarbeiter sein Dasein fristen. Unter dem Deckmantel eines speziellen Darlehens für frisch vermählte Heiratspaare kamen er und seine Frau, ohne Verdacht zu erregen, an das Geld für den Druck der ersten Exemplare in ihrer Brünner Privatwohnung. Geschaffen hatte den Begriff ‚Samizdat’ vor dreißig Jahren der russische Dichter Nikolaj Glaskov. Als Parodie auf die Staatsverlage mit ihren ideologisch genormten Produkten. Per Handschrift, Typoskript oder Fotokopie verbreitete man Texte, Tonbandaufnahmen oder ganze Bücher. Die ersten Ausgaben von „Host“ (damals 500, heute rund 1400) wurden verkauft und über Freunde bis nach Prag in Umlauf gebracht, wobei die Zeitschrift damals kein Literaturjournal, sondern einfach ein Heft mit verschiedensten Texten, auch Übersetzungen aus dem Polnischen war. Man wollte in erster Linie verbotenen Autoren ein Forum bieten, als Insel freien Denkens dienen. Nur einmal, 1987, wurde Skála wegen Verbreitung verbotener Texte für zwei Monate verhaftet. Danach machte er weiter wie vorher, in der Annahme, das wahre Ausmaß des Projektes sei unerkannt geblieben. Erst 1989 erfuhr er durch Akteneinsicht, dass die Polizei durchaus Einblick hatte. Sie griffen nicht ein, weil sie über „Host“ weitere Dissidentenkreise bespitzeln konnten. Schließlich wusste man voneinander, auch wenn Host damals keine direkten Kontakte zur Prager „Revolver Revue“ pflegte, der heute einzig verbliebenen Mitstreiterin von damals. Das Wendejahr 1989 mit dem Ende des Drucks und der Illegalität ließ die Gemeinschaft auseinanderfallen. Die „Revolver Revue“ hat heute einen Namen für Kulturkritik und gibt jenen Künstlern Raum, die vom Markt ignoriert werden. Alle anderen Publikationen werden im Prager Privatarchiv „Libri Prohibiti“ gesammelt. Über 25.000 Bücher, Broschüren, Kataloge, Kunstwerke und Filme aus den Jahren 1960-89 lagern dort, darunter Václav Havels Einakter „Protest“ von 1978. Dass die Literatur mit der Wende ihren sub-
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versiven Charakter verlor und das Publikuminteresse nachließ, ist auch ein Grund, warum die Samizdat-Blätter langsam verschwanden. „Host“ verschwand nicht. Es wandelte sich zu einem offenen Literaturjournal mit hauptsächlich informativem Charakter und neuem Layout. Das Tagesaktuelle, das die Mainstream-Medien so sehr beherrscht, wurde wichtiger. Es erhielt jedoch nicht den Stellenwert wie in anderen Blättern. Denn die ehemalige SamizdatPublikation erhält im Gegensatz zu ihrer marktgängigeren Konkurrenz staatliche Unterstützung und beschäftigt drei Redakteure. Auch im ehemaligen Jugoslawien herrschte ein gewaltiger Anpassungsdruck auf Medien und Kulturschaffende, so gut es Tito auch gelang, seinen ‚dritten Weg’ des Sozialismus im Westen als Alternative zum Sowjetmodell zu verkaufen. Dieser Druck bezog sich auf Irredentisten, Separatisten und Nationalisten, wie die Etiketten des Regimes für politische Opposition hießen. Dahinter verbargen sich serbische Intellektuelle wie der Ex-Kommunist und spätere Radikalen-Chef Vojislav Šešelj, der wegen „anarcho-liberalistischer und nationalistischer Standpunkte“ 1984 zu acht Jahren Haft verurteilt wurde, von denen er aber nur zwei absitzen musste, weil sich Intellektuelle aus ganz Jugoslawien für seine Freilassung einsetzten; oder kosovo-albanische Politiker, die ihre Politik eher an Tirana als an Belgrad ausrichten wollten. 1971 und 1981, in den Jahren des heftigsten Gärens separatistischer Ambitionen, gerade im Kosovo, zählten Menschenrechtsorganisationen in Jugoslawien mehr politische Gefangene pro Kopf der Bevölkerung als in der damaligen Sowjetunion. Die Presse war fest in der Hand des Regimes. Deshalb wanderte auch in Jugoslawien die Kritik zwischen die Zeilen oder in Abschriften ab. Die kroatische Schriftstellerin Dubravka Ugreši war bis in die 1990er Jahre in ihrem Heimatland vielfachen Formen von „Medienlynch, Ostrazismus, professioneller Marginalisierung und persönlicher Diskriminierung“9 ausgesetzt, weil sie die „national-faschistische“10 Entwicklung in Kroatien deutlich kritisiert hatte. 1993 verließ sie Kroatien und ging ins amerikanische Exil. Was sie an Kroatien kritisierte, galt ebenso für Serbien. In beiden ehemaligen Teilrepubliken konnte sich über den Zusammenbruch des Kommunismus eine gelenkte Presse erhalten, weil die nationalen Regierungen auf beiden Seiten einen gegensätzlichen Standpunkt schnell als Verrat an der Nation beargwöhnten. Man stehe, so hieß es während des jugoslawischen Bürgerkriegs, im Kampf um das Überleben der eigenen Nation, und dem hätten sich die Medien unterzuordnen. In vielen Berichten über den Bürgerkrieg ist deshalb auch von der Instrumentalisierung der Medien für die hasserfüllte Propaganda gegen die Nachbarn und den innenpolitischen Gegner die Rede, obwohl es durchaus auch abweichende Stimmen gab, die aber im Kriegslärm nicht mehr gehört wurden. Als sich der Lärm gelegt hatte, versuchten die alten Kader diese abweichenden Stimmen mundtot zu machen. Der Widerstand der freien Medien wuchs. Der Übergang zu einer freien Gesellschaft hatte begonnen.
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Ugreši, D. in: Djiki, Ivica: Zastava za metenje. In: Feral Tribune, 21.9.1998, S. 34f. „Nationalismus und Faschismus sind zwei Wörter für eine mehr oder weniger gleiche Sache.“ („Nacionalizam i fašizam su dvije rijei za više-manje istu stvar.“) [„Die Kultur der Lüge“, S. 331].
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Die Medien in Südosteuropa
Der Raum Südosteuropa bietet mit Blick auf die Medien ein durchaus widersprüchliches Bild: Auf der einen Seite existierten und existieren gravierende Defizite in der Mediendemokratie und im Medienpluralismus. Medientechnisch und medienkulturell könne man von Peripherie und Hinterland sprechen, meinen Beobachter. Andererseits wirke die Vitalität der dortigen Medienlandschaft ausgleichend. Zu bedenken ist aber, dass sie oft auf zügellose Piraterie auf allen Gebieten des medialen Lebens zurückzuführen ist. Auch heben Analysen immer wieder die angesichts der Allgegenwart audiovisueller Medien bemerkenswerte Lesekultur in den Ländern Südosteuropas hervor. Diese stützt und fördert die lokale Medienkultur. Dennoch herrschen auch jetzt – Jahre nach dem Ende der kommunistischen Diktaturen – immer noch nicht der Pluralismus und die Freiheit, die sich viele erhofft hatten. Staatliches und Privates sind nach wie vor vermischt, Medienrecht und Medienrealität gerieten oft genug in Widerspruch, weil sich die alt-neuen Eliten das Heft nicht ohne weiteres aus der Hand nehmen lassen wollten. Die Nachfolgestaaten Jugoslawiens (mit der löblichen Ausnahme Sloweniens) erlebten nach 1989 eine wahrhaft explosionsartige Entfaltung neuer, in der Regel privater Medien. Zahllose Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehsender wurden gegründet, von denen jedoch viele auch sehr schnell wieder eingingen. Ihr Erscheinungsbild ist oft schreiend bunt und emotionsgeladen, wobei die Grenzen zwischen seriösen Medien und Boulevard-Medien oft genug verschwimmen. Manche halten das für ein Indiz für die ‚Balkanisierung‘ der Medien. Aber gerade westeuropäische Medienkonzerne haben zum Beispiel in Kroatien oder Rumänien eine Art des Journalismus durchgesetzt, der wenig mit Information, dafür sehr viel mit bildlastiger Sensation, Auflagenhöhen und Einschaltquoten zu tun hat. Somit hätte sich die Balkan-Region wohl eher an westeuropäischen Usancen angepasst. Gerade die wirtschaftlichen Nöte der südosteuropäischen Transformationsstaaten zwangen die Medien, nach Investitionspartnern auch im Ausland zu suchen. Viele versuchten ihren Kostendruck dadurch zu senken, dass sie Copyright und Autorenrechte ignorierten. Dies wiederum ging vor allem auf Kosten westeuropäischer Medienanbieter. Diese haben sich aber, so der vielfach geäußerte Vorwurf gerade westlicher Medienbeobachter, dafür mehr als schadlos gehalten, indem sie sich in die Märkte eingekauft und über Gebühr den Kurs auch kritischer Medien bestimmten. Ohne Medientechniktransfer aus dem Westen wäre es aber niemals gegangen. In Zeiten kommunistischer Herrschaft kam dieser teilweise auch aus der Sowjetunion11. Die autokratische Tradition der Staaten Südosteuropas wie auch die ihres Vorgängers, ebenso wie die des Osmanischen Reiches wirkten auf dem Balkan eher hemmend auf die Entfaltung einer funktionierenden Mediendemokratie.
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Vgl. Milev, R.: Medien. In: Hatschikjan, M./Troebst, St. (Hrsg.): Südosteuropa. Ein Handbuch. Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur. München 1999, S. 463.
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Dieser Befund würde auch für das EU-Mitglied Griechenland gelten, deren Medien jedoch im Zusammenhang dieser Arbeit nicht näher beleuchtet werden. Mit dem Begriff ‚Osteuropa‘ meinen wir neben dem geographischen den politischen Raum, also jene Länder und Staaten, die bis heute damit zu kämpfen haben, sich von einer kommunistisch-totalitär regierten in eine demokratische Gesellschaft zu transformieren – ein Prozess, der freilich Griechenland nicht betrifft, obwohl es ebenfalls auf der Balkanhalbinsel liegt. Griechenland müsste sich allerdings vorhalten lassen, dass es sich damit schwer tut, den großen ethnischen Minderheiten der Bulgaren, Mazedonen und Albaner kulturelle Rechte einzuräumen, was zu einem Gutteil wiederum mit historischen Erfahrungen zusammenhängt. Was das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit betrifft, ist das Bild, das die Balkanstaaten bieten, sehr gemischt. Während die Ungarn in Rumänien weitgehende Minderheitenrechte genießen – was man wiederum umgekehrt nicht unbedingt behaupten kann – mussten die Albaner im Kosovo nach 1989 eine weitgehende Beschneidung ihrer Rechte hinnehmen. In Mazedonien schwankte das Nebeneinander zwischen der großen albanischen Minderheit und der slawischen Mehrheit zwischen Koexistenz und militantem Separatismus seitens der Minderheit. Kroatien und namentlich Bosnien-Herzegowina haben, was die Medienkultur der Minderheiten betrifft, noch Nachholbedarf. Aber auch dort gab und gibt es löbliche Gegenbeispiele. Selbst in den ärgsten Kriegswirren gelang es einem Redaktionsstab aus Serben, Kroaten und bosnischen Muslimen die bis heute renommierte Tageszeitung „Oslobodjenje“ in Sarajevo herauszugeben. In Bosnien-Herzegowina, genauso wie in Albanien oder Mazedonien hält sich das finanzielle Engagement des westlichen Auslands in extrem engen Grenzen, ganz im Gegensatz zur Türkei, deren Investitionsbereitschaft gerade in muslimisch geprägten Balkanregionen seit 1999 deutlich zugenommen hat. Westliche Medienunternehmen waren bisher in größerem Maße lediglich an Ungarn, Rumänien, teilweise Bulgarien und Slowenien interessiert. Die Privatisierung, auch grenzüberschreitend, verlief in den Balkanstaaten nicht nur über den Verkauf an private Investoren – der größte private Fernsehsender in Sofia gehört zum Beispiel dem serbischen Unternehmer Darko Tamindži –, sondern auch über den Verkauf an ausländische staatliche Unternehmen. So begann die Privatisierung, interessanterweise in Serbien, damit, dass Belgrad Anteile an seiner Telekommunikation an griechische und italienische Unternehmen verkaufte. Die griechische, ebenfalls staatliche Telekommunikationsgesellschaft „OTE“ kaufte sich Anteile am rumänischen Gegenstück „Romtelecom“. In Rumänien waren, ganz im Gegensatz zu den Nachbarländern auf der Balkanhalbinsel, die Investitionsbedingungen bereits 1991/92 so gestaltet, dass potenzielle Investoren nicht abgeschreckt wurden. Politisch motivierte Willkür, Kompetenzstreitigkeiten und institutionelle Unsicherheiten sorgten dafür, dass einerseits halblegale elektronische Medien boomten und andererseits mancher Investor auf Abstand ging. Man bemühte sich aber, die nötigen medienrechtlichen Regelungen auf Grundlage der Presse- und Redefreiheit zu verabschieden, die in allen nach 1989 erlassenen Verfassungen verankert sind. Dazu gehören das duale System, das bedeutet die Koexistenz von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien; dazu gehören Autorenrechte, die internationalen Standards entsprechen, und eine Entmonopolisierung und Privatisierung im Telekommunikationswesen. Die medienrechtlichen Entscheidungen unterlagen freilich den wechselnden politischen Verhältnissen. So gab es in Serbien nach dem Aufbruch den großen Rückschlag der Miloševi-Jahre und nach dessen Sturz die Versuche der Politik, die Uhr während der Djindji-Regierung zurückzudrehen. In Rumänien hatte man es 1992 trotz der Parlamentsmehrheit der Post-Kommunisten geschafft, ein Gesetz über die audiovisuellen Medien und 1994 ein spezielles Gesetz zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und zum Fernsehsektor durchzusetzen. Nachdem eine
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konservative Koalition die Regierung übernommen hatte, wurde zusätzlich 1997 ein Gesetz über das Filmwesen und ein Jahr später eines über die elektronischen Medien verabschiedet. In Bulgarien brachte der Regierungswechsel von den Sozialisten zur konservativen „Union der demokratischen Kräfte“ im Frühjahr 1997 zwar einen Fortschritt hinsichtlich der bisher sehr restriktiven Medien-gesetzgebung. Doch auch die neuen Mediengesetze wurden von europäischen Institutionen kritisiert, weil sie nach wie vor zuviel Kontrolle bei der Vergabe von Radio- und Fernsehlizenzen vorschreiben würden. Die Parteien und Politiker hatten ein natürliches Interesse daran, sich einen möglichst großen Einfluss namentlich auf die öffentlich-rechtlichen Medien zu sichern, weshalb auch für fast alle Staaten ExJugoslawiens – mit Ausnahme von Slowenien und auch eventuell Mazedonien – gilt, dass der öffentlich-rechtliche Sektor, besonders das Fernsehen als der Multiplikator schlechthin zum Schauplatz verbissener ‚Medienkriege‘ wurde. Darüber hinaus ging es um die Frage, welche privaten Anbieter Sendelizenzen erhalten und ob ausländische Investoren in ihren Aktivitäten und Programminhalten beschränkt werden sollten. Ende der 1990er Jahre stritt in Albanien ebenso wie in Ungarn die Opposition dafür, dass sie ebenfalls angemessen in den Aufsichtsräten der staatlichen Fernsehanstalten vertreten wäre, denn nach wie vor betrachteten die regierenden Parteien gerade den Staatsfunk als Dreingabe ihres Wahlsieges. Ungarn war indes wie Rumänien oder Slowenien ein Land, in dem die institutionelle und rechtliche Fundierung des Transitions-prozesses in relativ ruhigen Bahnen verlief. In den Anfangsjahren, da einschlägige Gesetze und Gegenmaßnahmen nicht vorhanden waren oder nicht griffen, grassierte die Produktpiraterie. Im Kosovo, das nach 1999 unter internationaler Verwaltung stand, türmten sich in den Läden die Raubkopien westlich-amerikanischer Unterhaltungsware. Dennoch ist die Amerikanisierung in Südosteuropa lange nicht so dominierend wie in Westeuropa. Die Jugend hört neben der internationalen Popmusik zum Beispiel genauso gerne den so genannten serbischen ‚TurboFolk‘ einer Svetlana „Ceca“ Ražnatovi, einer Lepa Brena oder eines Željko Joksimovi, die auch in Bulgarien oder Mazedonien populär sind. Grundsätzlich kann man, was die Umsetzung medienrechtlicher Normen in den 1990er Jahren betrifft, feststellen, dass jene Staaten am schlechtesten abschnitten, die von Kriegen und Bürgerkriegen betroffen waren, also Serbien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina und Albanien; am besten schnitten Slowenien und Ungarn ab, dazwischen lagen Mazedonien, Bulgarien und Rumänien. In Kroatien hatte man zwar die Medien bereits 1990 im Zuge der Abspaltung vom jugoslawischen Bundesstaat für unabhängig erklärt. Dennoch sprach das Gesetz über die öffentliche Kommunikation von 1992 mehr von den Pflichten der Journalisten und Veröffentlichungen als von deren Rechten. Die Konsequenz war, dass die regierende HDZ („Hrvatska Demokratska Zajednica“, „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“) von Präsident Franjo Tudjman massiv gegen Andersdenkende vorgehen konnte. Mit überhöhten Geldstrafen wurden Medien ruiniert und zahllose Strafprozesse gegen Journalisten angestrengt. Änderungen an der Gesetzeslage waren meist keine Verbesserungen, sondern rein kosmetisch, wie auch die OSZE-Mission in Zagreb aus Anlass der Änderungen des Rundfunkgesetzes vom Oktober 1998 feststellen musste. In der Bundesrepublik Jugoslawien, das heißt in Serbien und Montenegro, unterwarf sich das Miloševi-Regime den staatlichen Rundfunk in einem Maße, das das 1991 erlassene Mediengesetz zur Makulatur und regierungskritische und Journalisten zu Staatsfeinden machte. Gegen alternative Medien wurde mit allen
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Mitteln vorgegangen, von steuerlicher Überbelastung, Verleumdungsklagen12 bis zum Verbot der Übernahme ausländischer Rundfunkprogramme, das das Informationsgesetz vom 20. Oktober 1998 festschrieb. Nachdem das Miloševi-Regime die bürgerlichen Oppositionsparteien aus dem serbischen Parlament, der Skupština, verdrängt hatte, musste sich der Widerstand in die noch freien Medien verlagern. 1998 gab es in Serbien die erstaunliche Zahl von rund 300 Radiosendern und 90 Fernsehstationen. Deren Freiheit wurde jedoch drastisch eingeschränkt, als die Nato im März 1999 militärische und zivile Einrichtungen im Zusammenhang mit dem Kosovo-Konflikt zu bombardieren begann.
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Die wegen Verleumdung verhängten Geldstrafen zwangen die regimekritische Zeitung „Naša Borba“ zur Aufgabe; die unabhängigen Tageszeitungen „Danas“ und „Dnevni Telegraf“ mußten ihren Betrieb von Belgrad nach Montenegro verlagern [vgl. Milev, R.: Medien. In: Hatschikjan, M./Troebst, St. (Hrsg.): Südosteuropa. Ein Handbuch. Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur. München 1999, S. 473].
1.
Serbien: Zwischen Miloševi und Marktwirtschaft
Als Slobodan Miloševi, der letzte sozialistische Präsident Jugoslawiens und zuletzt Staatschef der Bundesrepublik Jugoslawien, die territorial mit dem späteren Serbien und Montenegro identisch war, am 5. Oktober 2000 durch den Druck der Straße aus dem Amt gedrängt wurde – wochenlang hatten Studenten, Pensionisten, Kirchenvertreter und viele andere gegen das Regime des sozialistischen Präsidenten protestiert – bekam die Meinungs- und Pressefreiheit in Serbien13 einen gewaltigen Schub. Doch die Gewohnheiten der alten Ära ließen sich nicht von einem Tag auf den anderen beseitigen. Politik und Wirtschaft wollten nicht einfach ihren alten Anspruch aufgeben, die Medien nach ihrem Gutdünken zu beeinflussen. Für die Regierungsparteien war und ist das staatliche Fernsehen RTS14 dabei von besonderem Interesse, wobei es in der Hauptstadt die Mitglieder des Verwaltungsrates von RTS sind und in der Provinz die Kommunalbehörden, unter deren Rechtsaufsicht die Lokalsender stehen15, die ihren politischen Einfluss geltend machen. Den Vertretern der etablierten Parteien waren in der Zeit nach der Ablösung des einst allgewal-
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Der südosteuropäische Binnenstaat Serbien (serbisch / Srbija), offizielle Bezeichnung Republik Serbien (! /Republika Srbija), liegt im Zentrum der Balkanhalbinsel und grenzt im Norden an Ungarn, im Osten an Rumänien und Bulgarien, im Süden an Mazedonien und Albanien, im Südwesten an Montenegro und im Westen an Bosnien und Herzegowina (Republika Srpska) und Kroatien. Die längste Nord-SüdAusdehnung beträgt 500 km, die längste Ost-West-Ausdehnung 350 km (Gesamtfläche: 88.361 qkm, exkl. Kosovo; 79 Einw./qkm). Zu Serbien gehören die beiden autonomen Provinzen Vojvodina im Norden und das von den Vereinten Nationen verwaltete Kosovo im Süden des Landes, das sich am 17. Februar 2008 einseitig für unabhängig erklärte. In der Republik Serbien leben 7,531 Millionen Einwohner, davon 83% Serben (Minderheiten: 4% Ungarn, 2 % Bosniaken. Als Folge der Kriege der 1990er Jahre leben in Serbien zur Zeit 98.997 Flüchtlinge und 227.590 Binnenvertriebene. Die Landesteile Serbiens unterscheiden sich nach ihrer Bevölkerungsverteilung. In Zentralserbien leben mehrheitlich Serben, daneben auch Roma und Vlachen; in der Region Stari Ras eine starke bosnische Minderheit; im Preševo-Tal in Südserbien eine albanische Minderheit. Nordserbien (Vojvodina: Banat, Baka und Srem) ist schon seit Jahrhunderten geprägt durch ein buntes Völkergemisch: Serben (65,05 %), Ungarn (14,28 %), Slowaken (2,79 %), Kroaten (2,78 %), Roma (1,43 %) und früher auch etwa 200.000 bis 350.000 Deutschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben wurden. Das Kosovo wird von Albanern dominiert. Ergab die im Jahr 1981 durchgeführte Volkszählung noch einen albanischen Bevölkerungsanteil von 80 %, gehen die Schätzungen nach dem Kosovo-Krieg von über 90 % aus. Viele zuvor dort wohnende Serben, wie auch Angehörige anderer Minderheiten, etwa Roma, Bosniaken, Goranen und Türken zogen weg oder wurden vertrieben. In die Vojvodina (Nordserbien) und das Engere Serbien kamen in den letzten Jahren etwa 490.000 (Binnen)-Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten in Kroatien, Bosnien und Herzegowina und dem Kosovo (etwa 180.000 aus Kroatien, 90.000 aus Bosnien und Herzegowina, 220.000 aus dem Kosovo). Die Amts- und Verwaltungssprache Serbiens ist Serbisch. In der nordserbischen Provinz Vojvodina sind neben Serbisch auch Ungarisch, Kroatisch, Ruthenisch, Slowakisch und Rumänisch als Amtssprache anerkannt. Nach der im November 2006 in Kraft getretenen Verfassung wird die serbische Sprache in Serbien offiziell in kyrillischer Schrift geschrieben, wobei im Alltag und in den Medien auch die lateinische Form verwendet wird. RTS ist die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Serbiens – Radio-Televizija Srbije, kurz RTS. Am 24. März 1929 nahm RTS dem Sendebetrieb auf. Aktuell ist Aleksandar Tijani Intendant von RTS. Empfangen kann man die Programme via Kabel, Satellit und DVB-T. Die vier Fernsehsender, die von Radio-Televizija Srbije betrieben werden sind: RTS 1 (prvni Program), RTS 2 (drugi Program), Radio Televizija Vojvodine, früher unter dem Namen „TV Novi Sad“ bekannt, und RTS SAT (Satelitski Program). Bei allen vier Sendern handelt es sich um Vollprogramme. Der Sender 3K stellte 2006 den Sendebetrieb ein. Daneben betreibt die staatliche Rundfunkanstalt mehrere Radioprogramme: Radio Beograd 1, Radio Beograd 2, Radio Beograd 3, Beograd 202, Radio 101, Radio Novi Sad, und Radio Jugoslavia, den Auslandssender Serbiens. Vgl.: Mittel- & Osteuropäisches Journalistenseminar, 12. bis 23. Sept. 2007 [www.ssm-seminar.de/2004/msys_serb.htm].
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tigen Präsidenten vor allem die kritischen Medien, die Zeitungen und Wochenmagazine ein Dorn im Auge. Im Februar und März 2000 titelten westliche Zeitungen wie die „Neue Zürcher Zeitung“ oder der schweizerische „Tages-Anzeiger“, dass das serbische Regime einen wahren Medienkrieg gegen unabhängige Journalisten führe16. Am 10. Februar hätte der Premierminister und Vorsitzende der Serbischen Radikalen Partei, Vojislav Šešelj, auf einer Pressekonferenz zur „Jagd auf Journalisten“ geblasen. Er beschuldigte die Mitarbeiter unabhängiger Medien, im Solde Amerikas zu stehen17: „Wir werden gegen alle diejenigen vorgehen, die ihre Befehle aus dem Westen erhalten, die Geld von den Amerikanern und ihren Verbündeten erhalten, um gegen uns zu handeln. Wir haben die Samthandschuhe ausgezogen. Es ist kristallklar: Wer zum Schwert greift, soll durch das Schwert umkommen. Daran sollt ihr denken. Ihr von B9218 und der andere verräterische Abschaum. Ihr dürft nicht meinen, dass ihr überleben werdet, wenn wir hingerichtet werden. [...] Ihr arbeitet gegen euer eigenes Land; ihr werdet bezahlt mit amerikanischem Geld, um unser Land zu zerstören. […] Ja, diejenigen von euch, die für die Amerikaner arbeiten, ihr von Danas, von B92, von Glas javnosti, von Novosti, ihr von Blic19. Ihr seid die Verräter der serbischen Nation. Ihr arbeitet freiwillig für die Interessen derjenigen, die serbische Kinder umgebracht haben. Ihr habt eure Seelen verkauft.“ Der Vorsitzende der Radikalen spielte mit seinem Vorwurf, die serbischen Journalisten arbeiteten für diejenigen, „die serbische Kinder umgebracht haben“, auf den Juni 1999 an, als die Bundesrepublik Jugoslavien wegen der Ereignisse im Kosovo tagelang bombardiert worden war. Wenige Tage vor Šešeljs Pressekonferenz hatte der serbische Minister für Information, Aleksandar Vui, ebenfalls Mitglied der Radikalen, in einem Artikel der regierungstreuen Tageszeitung „Politika“ die freien Medien in gleicher Weise angegriffen: „Der Westen versucht durch seine unterwürfigen Medien hier alle elementaren Menschenrechte abzuschaffen – inklusive der Medienfreiheit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung.“ Vui richtete seinen Angriff vor allem gegen das Netzwerk unabhängiger elektronischer Medien in Serbien, ANEM, dessen einziges Ziel es sei, mit millionenschwerer Unterstützung durch den Westen und in Zusammenarbeit mit den „terroristischen Medien im Kosovo“ sich den serbischen Interessen entgegenzustellen. Er bezichtigte die Mitarbeiter von ANEM und die internationalen Geldgeber, serbische Gesetze zu umgehen, illegale Finanztransaktionen zu tätigen und systematisch den Staat zu unterwandern. Als ein Journalist zugab, dass die unabhängigen Medien Unterstützung von Freunden aus dem Ausland erhielten, wandte Vui ein: „Ausländische Regierungen, die einen Krieg gegen Jugoslawien finanzieren, sind keine Freunde.“ Trotz sofortiger und scharfer Proteste internationaler Medienorganisationen – zum Beispiel der internationalen Journalisten-
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„Attacken gegen Serbiens ‚Verräter-Medien’“ (NZZ, 18.2.2000); „Prügel für die ‚Mörder Serbiens’“ (TagesAnzeiger, 7.3.2000). Vgl. auch: www.medienhilfe.ch/fileadmin/medienhilfe/mh-infos/mh-info2000-1.pdf. Vgl.: „Medienkrieg in Serbien“. In: Medienhilfe Ex-Jugoslawien. 200/1 [http://www.medienhilfe.ch/ fileadmin/medienhilfe/mh-infos/mh-info2000-1.pdf]. B92 war im Ursprung ein unabhängiger, kritischer Sender, der sich immer wieder mit den Mächtigen in der serbischen Politik anlegte. „Danas“ ist ein politisches Magazin. Die Erstausgabe von „Glas javnosti“ erschien am 20. April 1998 unter dem Namen „Novi Blic“. Gegründet wurde die Zeitung von einigen Journalisten der Tageszeitung „Blic“, die sich damit dem wachsenden politischen Einfluss der Miloševi-Regierung auf die Redaktion der Zeitung entziehen wollten. Nach fünf Ausgaben unter dem Namen „Novi Blic“ musste sie aufgrund einer gerichtlichen Anordnung ihren Namen ändern. Am 25. April 1998 wurde der Name in „Glas javnosti“ geändert. Ursprünglich war „Glas javnosti“ eine ehemalige Tageszeitung in Kragujevac, deren Erstausgabe am 15. Juli 1874 erschien. Die „Veernje Novosti“ („Abendnachrichten“) ist eine Tageszeitung, die am 16. Oktober 1953 gegründet wurde. Während der Miloševi-Zeit galt sie als Sprachrohr des Regimes.
Union IFJ – verschärften Vertreter der Radikalen Partei ihre verbalen Angriffe weiter und gingen zu direkten Angriffen über. Aleksandar Tijani, Journalist und Freund des 1999 ermordeten Slavko uruvija, wurde von der staatlichen Nachrichtenagentur Tanjug angeklagt, persönlich in den Mord an Verteidigungsminister Bulatovi eingeweiht gewesen zu sein. Tijani, der 1997 den Posten als Informationsminister Serbiens aufgegeben hatte, um als unabhängiger Journalist zu arbeiten, wurde als ‚Verräter’ und ‚Feind’ gebrandmarkt. uruvija, Verleger, Direktor der unabhängigen Tageszeitung „Dnevni Telegraf“, und Gründer der Zeitschrift „Evropljanin“ („Der Europäer“), war ursprünglich zu fünf Monaten Haft verurteilt worden, und wurde am 11. April 1999 von unbekannten Tätern vor seinem Haus erschossen. Die Angriffe gegen unabhängige Journalisten waren aber nicht einfach das Steckenpferd der Serbischen Radikalen. Der Jugoslawische Informationsminister Goran Mati stellte sich damals ausdrücklich hinter die Übergriffe: „Es gibt tatsächlich Journalisten in Jugoslavien, die von ausländischen Mächten benutzt werden, um das Land zu destabilisieren.“ Und Mirjana Markovi, die Ehefrau von Präsident Miloševi und Chefin der „Vereinigten Linken“ JUL, rief zur „Dekontaminierung der Medien“ auf. Am 6. März 2000 folgten fünf Bewaffnete und als Polizisten Uniformierte diesem Aufruf, stürmten die Sendeanlagen des unabhängigen Belgrader Radio- und Fernsehsenders „Studio B“ im Vorort Torlak, schlugen einen Nachtwächter und einen Techniker zusammen, zerschnitten Kabel und stahlen einen Teil der Ausrüstung. Anstatt den Fall aufzuklären, verurteilten die Behörden Dragan Kojadinovi, Chefredakteur des Senders, zu einer hohen Geldstrafe. Denn ein Gast in einer Diskussions-sendung hatte angeblich eine staatsfeindliche Aussage gemacht. Nur zwei Stunden später erhielt „Studio B“ die Rechnung der serbischen Telecom. Innerhalb von sieben Tagen sei die Summe von einer Million Euro (nach heutigem Wechselkurs) für die Benutzung der Radio- und Fernseh-Frequenzen zu überweisen. Absender der Telecom-Rechnung war Ivan Markovi, jugoslawischer Minister für Telekommunikation und ranghohes Mitglied von Marjana Markovis JUL. Die oppositionelle Stadtregierung von Belgrad beschloss, den Betrag zu zahlen, forderte aber eine detaillierte Rechnung, weil diese ihrer Meinung nach illegal war.
1.1
Die serbischen Medien und das Wendejahr 2000
Illegal war für einen erheblichen Teil der serbischen Öffentlichkeit vor allem die kritische Opposition, die über den Äther und gedruckt ihre abweichende, vielfach als westlich unterwandert verunglimpfte Meinung kundtat. Je größer die Bedrängung von außen wurde, je mehr der Bürgerkrieg sich gegen Serbien kehrte, desto mehr zog man sich auf sich selbst zurück. Nach dem Bürgerkrieg stritt man weiterhin darüber, ob die freien, kritischen Medien nicht Serbiens Widerstandswillen unterminiert hätten. Der Journalist Mihailo Antovi gehörte dagegen zu jenen, die beklagten, dass man der serbischen Öffentlichkeit noch immer nicht die volle Wahrheit über ihre Gegenwart und Vergangenheit sage. Miloševis Aufstieg zur Macht sei ohne die mediale Unterstützung nicht denkbar. Aber auch das Ende seines Regimes symbolisiere nichts besser als das Bild des zerstörten Gebäudes des nationalen Fernsehens in der Belgrader Takovska-Straße im Oktober 2000. Der nationalistische Furor, die Massenhysterie, die die serbischen Staatsmedien nach Ansicht westlicher Beobachter so lange und so schmerzlich beherrscht hätten, nahmen ihren Anfang in den frühen 1990er Jahren. Nachdem die ehemaligen Kommunisten die ersten Mehrparteienwahlen allein in Serbien gewonnen hatten, veränderte sich die Medienlandschaft nur partiell zum
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Besseren. Einige mutige Redakteure versuchten der Öffentlichkeit eine Meinung zu vermitteln, die von der staatlichen Meinung abwich. So wurden die Belgrader Fernsehstation „Studio B“ und der Studentenradiosender „B92“ und „Radio Index“ binnen kürzester Zeit zu Inbegriffen oppositionellen Denkens in Serbien. Wann immer das Miloševi-Regime in Bedrängnis geriet, wurden diese Sender schikaniert, ihre Räume durchsucht oder auch geschlossen. Für einen unabhängigen Radiosender wie „Radio Index“ war die MiloševiZeit besonders schwer durchzustehen, sowohl aus professioneller wie aus existenzieller Sicht, erinnert sich der Radiojournalist Pedja Uroševi. Man wäre an die Politiker nicht herangekommen, außer in Pressekonferenzen, wo man Antworten auf vorher verabredete Fragen bekam. Der Druck war mit Händen zu greifen. Die Journalisten waren die ersten, die die Polzei während der Demonstrationen angriff und verprügelte. Dennoch wäre das schwierigste Jahr, so Uroševi, das Jahr 2000 gewesen, als Miloševi Radio „B92“ schließen ließ, dessen Büroräume auf dem selben Stockwerk wie die von „Radio Index“ lagen. Der neue Nachbar, der anstelle von „B92“ für zwei Wochen einzog, war eine Spezialeinheit der Polizei, die nur dort einquartiert wurde, um die Journalisten einzuschüchtern und davon abzuhalten, jene Nachrichten zu senden, die Miloševi nicht gerne hörte. Man hätte „Radio Index“ weiterexistieren lassen, sagen dessen Redakteure, weil das Regime aus diplomatischen Gründen einen lebenden Beweis brauchte, dass es noch eine unabhängige Radiostation im Lande gäbe, die nicht vom Regime kontrolliert wird. Am 9. März 1991 fanden in Belgrad gewaltige Demonstrationen gegen die Regierung statt. Die Demonstranten forderten, die Führung des staatlichen Fernsehsenders „RTS“ solle unverzüglich zurücktreten. Die Proteste endeten im Chaos – etliche Verletzte und zwei Tote waren zu beklagen, Panzer ratterten durch die Straßen der Hauptstadt. Da sich auch Studenten den Protesten angeschlossen hatten – das erste Mal seit 1968 –, ließ sich der Staatschef zu einer öffentlichen Diskussion mit ihnen überreden – ein Fehler, wie sich heraustellen sollte, weil die offziellen Delegierten der Studentenschaft Miloševi vor laufenden Kameras argumentativ bloßstellten. Der sonst rhetorisch nicht ungeschickte Miloševi sollte danach nie mehr live mit politischen Opponenten diskutieren. Der Tiefststand der Pressefreiheit wurde jedoch erst im Laufe des jugoslawischen Bürgerkriegs erreicht, wobei keine der ehemaligen Teilrepubliken hiervon eine Ausnahme machte. Zwischen 1992 und 1996 wurden praktisch alle unabhängigen Fernseh- und Rundfunkstationen außerhalb Belgrads geschlossen. Eine Ausnahme und den letzten publizistischen Rückhalt der Opposition stellte ausgerechnet und ironischerweise die ehemalige kommunistische Parteizeitung „Borba“ dar, die bis in die späten 1980er Jahre als solche fungiert hatte. Doch die Bürger des untergehenden Jugoslawien konnten sich oft nicht einmal eine Zeitung leisten. Denn die Inflation war enorm, vergleichbar vielleicht nur der, die Deuschland in den 1920er Jahren erlebte. In der Konsequenz wurde das Staatsfernsehen der Monitor der offiziellen Wahrheit. Die allabendliche Hauptnachrichten-sendung „Agenda“ um halb acht wurde mit jedem Abend länger und ausführlicher. Anfangs dauerte sie eine halbe, dann eine dreiviertel Stunde. Zuletzt brachte man geschlagene eineinhalb Stunden Nachrichten, wobei der Informationsgehalt dem politisch Gewünschten immer mehr angepasst wurde. Bürgerkriegsgegner wurden fast nur noch mit Schimpf-namen wie ‚Ustaše’ (für die Kroaten) bezeichnet. Oppositionspolitiker wie Zoran Djindji, der unter anderem auch in Deutschland studiert hatte, wurden als Verräter und West-Spione beschimpft, und gemäßigt nationalistische Schriftsteller und Politiker, namentlich der national-konservative Oppositionsführer Vuk Drašovi, wurde als „Metzger und Wahnsinniger“ apostrophiert. Die Verbrechen der Kroaten und bosnischen Muslime wurden im Detail beschrieben, die eigenen kamen nicht vor. Dass auch die Gegenseite das gleiche mit ihren Medien machte, war zumindest den
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gewissenhafteren Mitarbeitern bei „RTS“ ein Trost. Dabei muss aber dazu gesagt werden, dass bis zum Frühjahr 1995 alle renommierten Journalisten und Redakteure dem Sender den Rücken gekehrt hatten oder entlassen worden waren. Bei den Zeitungen geschah ähnliches, mit besonderem Nachdruck bei der serbischerseits und balkanweit bedeutendsten und ältesten Tageszeitung, der „Politika“, die dem Zugriff Miloševis nicht entgehen konnte. Wer gehen musste, sollte nach dem Sturz des Präsidenten den Kern des unabhängigen Journalismus in Serbien bilden. Der Friedensvertrag von Dayton 1995 hatte zwar Miloševi gestattet, sich ohne großen Gesichtsverlust aus der bosnischen Katatstrophe zu retten, doch zuhause war er mit einem kriegsmüden Volk konfrontiert, das die alte Rhetorik der Staatsmedien satt hatte. Die Folge war, dass Miloševi die Regionalwahlen 1996 verlor. Erst der versuchte Wahlbetrug brachte die Massen landesweit zu friedlichen Demonstrationen auf die Straße, die drei Monate dauerten. Etliche Städte und Kreisverwaltungen konnte die Opposition im Frühjahr 1997 für sich gewinnen, unter anderen Niš, Novi Sad und Belgrad, womit sich auch die Situation in den Medien etwas verbesserte. Lokale Fernsehsender schossen aus dem Boden je mehr die Anti-Miloševi-Proteste in den Städten an Boden gewannen. Der Westen und ausländische Nicht-Regierungsorganisationen stärkten den Demonstranten, die täglich mehr wurden, den Rücken. Dies wiederum lieferte der Regierungspresse den willkommenen Vorwand, die Demonstrationen als Intrige des Westens anzugreifen. Doch der Einfluß der unabhängigen Medien wuchs. Jede von der Opposition kontrollierte Stadt hatte schließlich mindestens eine unabhängige regionale Fernsehstation – Niš hatte zwölf, wovon drei wiederum unabhängige Nachrichten und Talkshows sendeten, die allen Oppositions- und Regierungspolitikern offenstanden. Aber so sehr auch die offizielle Version der Dinge wie sie die staatlichen Medien transportierten in Bedrängnis geriet, so stark war ihr Zugriff nach wie vor auf die Hauptstadt. In Belgard entstanden zwar neue Zeitungen wie das Boulevardblatt „Blic“ und später dessen Ableger „Glas Javnosti“ („Stimme der Öffentlichkeit“), doch die Stadt war die einzige in Serbien, in der es keiner unabhängigen Fernseh- oder Radiostation erlaubt war zu senden. „Borba“ wurde unter Kuratell gestellt, woraufhin der gesamte Redaktionsstab zurücktrat und das Pendant „Naša Borba“ aus der Taufe hob. Dass sich die Medienszenerie aufheizte, blieb auch westlichen Investoren zu dieser Zeit nicht verborgen und Politiker entdeckten die Förderung der unabhängigen Medien als Mittel, um den vielfach als ‚Panzer-Kommunisten’ apostrophierten Präsidenten in die Knie zu zwingen. Doch sollte sich Miloševi mit dem offenen Ausbruch des Kosovo-Konflikts eine Chance bieten, das Blatt zu wenden. Die offiziellen Medien riefen das serbische Volk zur Solidarität mit den drangsalierten Brüdern und Schwestern in der Südprovinz auf und ließen keine Gelegenheit aus, um die kosovo-albanischen Politiker als ungebremste Separatisten und Großalbaner zu brandmarken. Der Wind begann sich zu drehen. Die Anti-MiloševiDemonstranten, viele westorientierte Serben und vor allem die Jugend, die noch vor kurzem ihre Hoffnung in den freien Westen gesetzt hatten, fühlten sich durch die Halbwahrheiten, die der Westen als Vorwand für das Bombardement auf serbische Städte im Frühjahr 1999 benutzte, desillusioniert. Sie fühlten sich gedemütigt durch die Art, wie die westlichen Medien die Serben grosso modo an den Pranger stellten. Die alten Parolen der staatlichen Medien verfingen wieder, vor allem, weil viele Serben nun an Leib und Leben bedroht waren. Die Absichten des Westens hatte man in Serbien stets mit einem Fragezeichen versehen, auch nachdem sich das politische Klima geändert hatte. Da die Staatsmedien wieder obenauf waren, lebte auch der alte Druck auf die unabhängigen Medien wieder auf. Das Staatsfernsehen denunzierte nicht mehr nur angebliche Verräter in den eigenen Reihen, sondern wütete erneut gegen die ‚Mörder’ in den Nicht-Regierungsorganisationen, gegen
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‚Spione’ unter den freien Journalisten und ‚Faschisten’ unter den Studenten. Dass die Nato als „verkommener und feiger Aggressor“ beschimpft wurde, verwunderte niemanden. Ein prominenter freier Journalist wurde an Ostern 1999, während des Kosovo-Konflikts, umgebracht, unter Umständen, die bis heute nicht aufgeklärt sind. Oppositionspolitiker wurden bestochen, erpresst und schikaniert, Studenten wurden verhaftet. Serbien befand sich, nachdem die letzten Soldaten der Volksarmee das nunmehr von Nato-Truppen besetzte Kosovo verlassen hatten, im Schockzustand – bis alles im Oktober 2000 aufbrach. Mit der politischen Wende konnte daran gegangen werden, die Dinge zum Besseren zu wenden, was freilich nicht von heute auf morgen möglich war. Die kompromittierten Massenmedien hatten ihre politischen Abhängigkeiten zu klären, sie mussten sich demokratisieren, entmonopolisieren und sich gesetzlichen Regelungen für die Pressefreiheit, das heißt Rundfunkgesetzen, beugen. Der Journalismus hatte sich einer gründlichen Veränderung und vor allem Professionalisierung zu unterziehen. Während des Miloševic-Regimes in den 1990er Jahren konzentrierte sich alles zunächst auf die Entmonopolisierung, um das Überleben unabhängiger Medien zu sichern. Die Medien waren ein ständiger Streitpunkt der Politik und blieben in den 1990ern größtenteils abhängig von staatlichen Autoritäten. Diese Abhängigkeit nahm in den für das Regime gefährlichen Phasen wie dem Kosovo-Krieg drastisch zu. So förderte man einerseits Nachrichten- und Unterhaltungsmedien, die die Belange der Regierung unterstützten und behinderte aktiv den Aufbau alternativer Medien. Darüber hinaus schränkte man deren Reichweite über das Monopol an den Sendefrequenzen ein. Die meisten terrestrischen Sender blieben in Regierungsbesitz. Außerdem behinderte die Regierung den Import von Zeitungen aus dem Ausland. Gegen regierungskritische Medien gab es regelmäßig Anklagen, nicht patriotisch genug zu handeln. Offen wurde mit Gewalt gedroht. Die Eigentumsübertragung von Medien tat ein Übriges. Gesetzliche Dokumente, die die Regierung vor dem Gesetz belastet hätten, wurden über Nacht einfach für nichtig erklärt. Zwar existierte auch vor der Wende eine Vielzahl privater Sender, aber gut die Hälfte war nicht ordnungsgemäß registriert, oder hatte nur einen Einjahresvertrag. Ihren Höhepunkt erreichte die Unterdrückung im „Gesetz zur Information der Öffentlichkeit“ von 1998, mit dem die Regierung erstmals auch den Inhalt der Medien kontrollierte. Die Nachrichten bezogen sich zu dieser Zeit in den staatlichen Medien zum großen Teil auf die regierende Partei, die meist positiv oder neutral, jedoch nie negativ dargestellt wurde. Die Meinung der unabhängigen Medien wurde an den Rand gedrängt. Diese hatte die natürliche Folge, dass diese sich meist der Opposition anschlossen. So wurden beispielsweise die Kriege in Kroatien und Bosnien von den regimetreuen Medien als Kampf um die Selbstbestimmung der Serben dargestellt. Ziel der internationalen Gemeinschaft sei es gewesen, die Serben in die Knie zu zwingen. Gezeigt wurden vorwiegend die Situation an der Front und das Elend der serbischen Kämpfer. Die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung wurden nicht gezeigt. Die unabhängigen Medien hingegen lehnten den Nationalismus des Regimes ab. Gewalthandlungen wurden als Konflikte zwischen den verschiedenen Nationalismen dargestellt, die besser durch Friedensverhandlungen zu lösen wären. Als die Medienpropaganda bei den Neuwahlen im Jahr 2000 ihren Höchststand erreichte, brannten Demonstranten ein Fernsehgebäude des regimetreuen staatlichen Senders „RTS“ nieder. Die regierungsabhängigen Medien änderten daraufhin über Nacht ihre politische Ausrichtung und schwenkten auf die Linie der demokratischen Opposition ein. Die Berichterstattung des Staatsfernsehens war aber nach wie vor alles andere als unparteiisch, weil die neue Redaktion, hastig angeworbene Ex-Journalisten, vor allem aus überzeugten Anhängern der neuen Regierung bestand. Die Situation besserte sich jedoch rasch. Im
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Grunde findet heute fast jede Meldung ihren Weg in das RTS-Programm. Nach der friedlichen Ablösung des Miloševi-Regimes dauerte es oft lange bis sich ein Vertreter der serbischen Sozialisten zu einem aktuellen Thema äußern durfte. Andere erschienen dafür fast schon zu oft auf dem Bildschirm. Die Politiker der serbischen Radikalen waren lange bei „RTS“ nicht gern gesehen, gleichwohl wurden deren Verlautbarungen und Kommentare für gewöhnlich wiedergegeben. Die zweitwichtigste Fernsehanstalt Serbiens war bis 2007 das private Unternehmen „BK Televizija“, das im Dezember 1994 erstmals auf Sendung ging. „BK Televizija“ gehörte dem einstigen Miloševi-Vertrauten, Bogoljub Kari, und dessen Bruder. Bogoljub Kari, gewiefter Geschäftsmann aus dem Kosovo-Ort Pe, schaffte es, sich innerhalb weniger Jahre ein Wirtschaftsimperium aufzubauen. Dabei halfen ihm seine exzellenten Beziehungen zu den Kreisen um Miloševi enorm: gegen Bargeld bekamen er und andere aus seinen Kreisen politische Gunst und nicht zuletzt wertvolle Geschäftslizenzen. Aus dieser Verbindung ging auch „BK Televizija“ hervor, das das serbische Fernsehen immerhin durch neue innovative Formate belebte, teils selbst entwickelt, teils aus dem Ausland importiert, wie im Falle der Morgen-Show „Budilnik“ („Wecker“) oder des populären Quiz „Želite li da postanete milioner?“ („Wer wird Millionär?“). Das Programm des Senders konnte man sehr bald schon auch über Internet live verfolgen oder sich später einzelne Sendungen ansehen, was bei BK Televizija unter dem Programmnamen „BK Player“ lief. Das Totenglöckchen begann dem Sender zu läuten, als er Ende April 2006 für dreißig Tage seine Sendelizenz verlor, angeblich, weil Senderegeln verletzt worden wären. Am Tag nach dem Widerruf der Lizenz wurden die Redaktionsräume von der Polizei durchsucht, wobei sich der Sender dadurch behalf, dass er sein Programm weiter über Satellit präsentierte und über Fernsehgeräte, die in der Belgrader Knez-Mihailova-Straße aufgestellt waren. Der Lizenzentzug löste zwar eine landesweite Kontroverse aus – viele vermuteten ein politisches Motiv – der Sender versuchte zu überleben, indem er ein abgespecktes Programm über Satellit ausstrahlte. Doch die Tage des Senders waren gezählt. Der Großteil des Redaktionspersonals kündigte – so wechselte Dejan Panteli zu „RTS“, wo er seitdem das Quiz „Visoki napon“ („Hochspannung“) moderiert. Am 9. Mai 2007 wurde der Sendebetrieb eingestellt. Bestimmte Formate, die bereits auf „BK Televizija“ erfolgreich gelaufen waren, übernahmen andere Fernsehsender: das Millionärs-Quiz lief ab sofort auf „TV B92“ oder die Sendung „Top Speed“ auf dem Sensations-Kanal „Foks televizija“ (www.foxtv.rs), der von Anfang an mit dem Argwohn der serbischen Zuschauer leben musste, die in diesem nur einen Klon des amerikanischen konservativen Senders sahen. Daher auch der Werbespruch „Fox Televizija Srpska i drugaija“ – „Fox TV Serbisch und anders“. Oder auch das Motto, wonach mit dem Sender „die wahre Bedeutung der Worte Nachricht und Objektivität“ nach Serbien zurückgekehrt sei („u Srbiju vraaju pravo znaenje rei vest i objektivizam“) – was jedoch die Einschaltquoten nicht wesentlich erhöhen konnte. Die lokalen Sender Serbiens versuchten sich ebenfalls vom Einfluss der alten Politik freizumachen. Dabei waren sie mit der Frage konfrontiert, woher die Finanzen für den Sendebetrieb kommen sollten. Gerade den renommierten Tageszeitungen und den auflagenstarken Massenblättern machte man nach dem Oktober 2000 den Vorwurf, sich all zu sehr dem autoritären Regime angedient zu haben. Die „Veernje Novosti“ hatten noch kurz vor dem Ende der Herrschaft Miloševis auf dem Titelblatt ihrer Ausgabe vom 21. September 2000 ein manipuliertes Photo vom Wahlkampftreffen des Präsidenten in Berane abgedruckt, auf dem auf beiden Seiten die selben Bäume und die selbe Menschenansammlung zu sehen waren, um den Eindruck eines Massenauflaufs zu erzeugen. Die Zeitung sprach von 100.000 Anwesenden, die Opposition relativierte die Zahl auf 15.000. Auch die traditionsreichen Zeitungen „Poli-
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tika“ oder „Borba“, die Miloševi ebenfalls bis zuletzt die Stange gehalten hatten, begannen, sich zu mehr oder weniger unabhängigen Organen zu wandeln. Mit neuen Herausgebern und Journalisten, die teils von ihrer Treue zum alten Regime nicht ganz lassen wollten, andererseits aber auch die neuen politischen Größen, Koštunica oder Djindji, über den grünen Klee lobten, um ihr altes Sündenregister vergessen zu machen. Die „Politika“, die älteste Zeitung auf dem Balkan, und das publizistische Schlüsselorgan der neueren serbischen Geschichte schlechthin, schaffte den Sprung zurück zu einer seriösen und geachteten Tageszeitung, wobei lange darüber spekuliert wurde, ob etwas daran sei, dass die Hälfte der Anteile an einen ausländischen, am Ende gar an einen kroatischen Investor gehen würde. Die alten Oppositionsblätter, das Boulevardblatt „Blic“ und die „Glas Javnosti“ – die beide mehrheitlich ausländischen Investoren gehörten – verteilten ihre politische Gunst: „Blic“ eher für den populären, westlich gesonnenen Premierminister Djindji, und „Glas Javnosti“ für den gemäßigten Nationalisten Koštunica. Grundsätzlich gilt jedoch, dass politische Vorlieben, zumindest was die großen Tageszeitungen und Magazine betrifft, nur bei genauer Lektüre erkennbar sind. Die Grundlinie ist bis heute wohl vor allem ‚patriotischkritisch‘, was man am deutlichsten am Dauerthema Kosovo merkt, das in fast allen Zeitungen ähnlich behandelt wurde und wird. Man sei trotz (einseitig erklärter) Unabhängigkeitserklärung nicht bereit, sich dem internationalen Druck zu beugen und ein Gebiet aufzugeben, das zum Kernbestand Serbiens gehört. Dass die liberaldemokratische Partei von edomir Jovanovi eine Aufgabe des Kosovo aus pragmatischen Gründen befürwortete, fand in der Presse nur wenig zustimmenden Widerhall. Gerade ein Magazin wie die angesehene und vielgelesene „NIN“, die sich durch ausführliche, gut recherchierte Artikel auszeichnet, fand ausgewogene, aber stets kritisch-pointierte Worte, wenn es um das Kosovo oder allgemein gesprochen um Themen von nationalem Interesse geht. Unverblümter äußerten sich Magazine wie „Reporter“, „Svedok“ oder der umstrittene „Nedeljni Telegraf“, der stets überquoll von angeblich exklusiven, aber meist unbestätigten Nachrichten aus den inneren Zirkeln der Macht. Serbien kämpfte wie alle Gesellschaften des ehemaligen Jugoslawien mit den Hinterlassenschaften des Bürgerkriegs, des alten Regimes und Seilschaften. Die am meisten exponierten Fürsprecher der Miloševi-Zeit konnten zwar oft genug in ihren Verlagen und Redaktionen bleiben, wurden aber degradiert. So wechselte der ehemalige Vorstandschef von „RTS“ zu einem heruntergekommenen Lokalsender irgendwo im Lande. Wer früher einfacher Sprecher oder Nachrichtenansager war, behielt seine Stelle, vorausgesetzt, die Zuschauer bekamen sein Gesicht nicht zu sehen. Natürlich waren auch die Zeitungsredaktionen von den Fährnissen der Transformation betroffen. Zwei Journalisten-gewerkschaften waren jahrelang in Händel verwickelt über Eigentumsrechte, politische und soziale Privilegien und die alles überragende Frage, wer eine Funktion ausüben dürfe und wer nicht. Ein Kommentator stellte lakonisch fest, die Dinge besserten sich ohne Zweifel, und man könne sich auf jeden Fall darüber freuen, „dass die offene Verfolgung von Journalisten durch die Behörden endgültig hinter uns liegt“. Dass die alten Seilschaften diese Wende nicht widerstandslos hinzunehmen gewillt waren, zeigt der Fall des Oppositionspolitikers, Intellektuellen, ersten nicht-kommunistischen Bürgermeisters Belgrads und späteren Premierministers Zoran Djindji, der im März 2003 vor dem Gebäude der serbischen Regierung von einem Scharfschützen so schwer verletzt wurde, dass er noch auf dem Weg ins Spital starb. Sein Verbrechen war seine kompromissloser Kampf gegen das organisierte Verbrechen und die Korruption, das Erbteil des alten Regimes.
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1.2
Bedrängung der Medienfreiheit
Die Nutznießer des alten Regimes waren freilich nicht bereit, ihren Einfluss von heute auf morgen aufzugeben, was für die Medien zu einem zermürbenden Kampf führte, der auch etliche Opfer unter kritischen Journalisten forderte. In jenem schicksalhaften Oktober 2000, als Slobodan Miloševi zum Rücktritt gezwungen wurde, durfte der schwer herzkranke serbische Journalist Miroslav Filipovi das Gefängnis in Niš verlassen20. Im Laufe seiner Haft hatte er zwanzig Kilo abgenommen. Der oberste Militärgerichtshof hatte die Haftstrafe ausgesetzt und die Entlassung angeordnet. Präsident Vojislav Koštunica stellte in Aussicht, den Journalisten zu begnadigen. Reporter ohne Grenzen forderte darüberhinaus die volle Rehabilitation des Journalisten. Die gegen Filipovi erhobene Anklage müsse zurückgezogen, das Urteil aufgehoben werden. Der Korrespondent der serbischen Tageszeitung „Danas“ und der Nachrichtenagentur AFP war wegen Spionage und Verbreitung falscher Tatsachen zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Grundlage dafür waren Artikel im Internet für das in London ansässige „Institute for War and Peace Reporting“ (IWPR), in denen Filipovi u. a. Aussagen serbischer Armeeangehöriger zitiert hatte, die das Vorgehen im Kosovo verurteilten. Die internationale Menschenrechts-organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit erklärte aus Anlass der Entlassung Filipovis, sie erwarte von der neuen serbischen Regierung die Aufhebung bzw. Abschaffung aller Maßnahmen, die die Presseund Meinungsfreiheit beschränken. Im Jahre 2000 waren in der Bundesrepublik Jugoslawien weiterhin eine Reihe von Gesetzen und Dekreten in Kraft, die die Presse- und Meinungsfreiheit erheblich einschränkten. Dazu gehörte zum Beispiel das im Oktober 1998 während der Rambouillet-Verhandlungen verabschiedete Informationsgesetz, das u.a. die Ausstrahlung von „politischen und propagandistischen“ Sendungen ausländischer Medien unter Strafe stellte und zu einer Reihe von Verboten unabhängiger jugoslawischer Radiostationen geführt hatte. Ein weiterer Fall eines Mordes an einem unabhängigen Journalisten ereignete sich am 11. Juni 2001. Am Morgen dieses Tages wurde Milan Panti, Korrespondent der Belgrader Tageszeitung „Veernje Novosti“ im südserbischen Jagodina, vor seiner Wohnung tot aufgefunden21. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft starb der Journalist an Kopfverletzungen, die ihm die Täter mit einem scharfkantigen Gegenstand zugefügt hatten. Panti hatte für das lokale Radio und Fernsehen von Jagodina gearbeitet. Er hatte kurz zuvor eine Serie von Artikeln zu Themen veröffentlicht, u.a. über Schwerverbrechen in der Region, die Anhaltspunkte für die Ermittlungen der Täter bieten könnten, meinte die Organisation „Reporter ohne Grenzen“. Panti war damit der erste Journalist, der seit dem Sturz von Slobodan Miloševi am 5. Oktober 2000 ermordet worden war. Der Fall Filipovi zeigt, dass der Kampf gegen unabhängige Medien in Serbien vor allem mit juristischen Mitteln geführt wurde. Mit dem Ende November 1998 erlassenen restriktiven Mediengesetz wurde gegen Medien vorgegangen, die sich der Regierungslinie widersetzten. Immer wieder erhielten Zeitungen und Zeitschriften sowie ihre verantwortlichen Herausgeber hohe Strafen wegen „Ehrverletzung gegen Regierungs-mitglieder“ oder „staatsfeindlicher Propaganda“. Die Periodika „Danas“, „NIN“ und mehrere lokale Zeitungen wurden immer wieder mit Geldstrafen belegt, die ihr weiteres Erscheinen unmittelbar
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Berlin, 10.10.2000 – Jugoslawien (Serbien): Miroslav Filipovic frei. Radikaler Schnitt zur Medienpolitik der Milosevic-Ära notwendig [www.reporter-ohne-grenzen.de/archiv2000/news/101000.html]. Berlin, 12.6.2001 – Jugoslawien (Serbien): Journalist zu Tode geprügelt [www.reporter-ohnegrenzen.de/aktu/pm/pm2001/pm120601.htm].
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gefährdeten. Bei „Glas javnosti“ („Stimme der Öffentlichkeit“) ging die Polizei so weit, Büro-Inventar zu konfiszieren und die Druckerei „ABC Glas“, die die Zeitung druckt, zu übernehmen und 400 Angestellte zu entlassen. Lokale Journalisten schlossen sich daraufhin zusammen, um diesen Angriffen Widerstand zu leisten. Auf Initiative der Unabhängigen Journalisten-Vereinigung Serbiens, „NUNS“, wurden die staatlichen Behörden aufgefordert, die Provokationen und Aufrufe zur Gewalt zu ahnden und die Medienfreiheit zu garantieren. 32 elektronische Medien und 21 Printmedien beschlossen außerdem, Medienkonferenzen und Medienmitteilungen von Šešeljs Partei zu boykottieren. Man reichte sogar Strafanzeige gegen den Vorsitzenden der Radikalen ein. Mit internationaler Unterstützung hofften die serbischen unabhängigen Medien, den Angriffen widerstehen zu können. Der unabhängige Journalismus in Serbien musste jedoch bald erkennen, dass man den Angriffen aus dem eigenen Land eher widerstehen konnte als jenen aus dem Ausland, die im Gewande des Wandels und der Reform auftraten. Am 29. Januar 2002 unterzeichneten die Geschäftsführer der deutschen „WAZ“-Gruppe (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) und der Aktiengesellschaft „Politika“ einen Vertrag zur Gründung eines gemeinsamen Zeitungs- und Verlagsunternehmens in Belgrad. Der Gesamtwert des Unternehmens betrug 30 Millionen D-Mark. Die Vertreter der „Politika“ hofften, mit der Neugründung wieder zum stärksten Medienhaus auf dem Balkan zu werden, eine Stellung, die die „Politika“, einst führende Zeitung Jugoslawiens, nach dem Sturz Miloševis und dem Ende des jugoslawischen Kommunismus eingebüßt hatte. Auch hoffte man, damit auf den Weg nach Europa zurückzufinden und irgendwann soweit zu gesunden, dass man Dividenden ausschütten könne. Bevor den serbischen Redakteuren die Tragweite des Vertrags-abschlusses klar geworden war, erschütterte der Fall des Chefredakteurs des Wochen-magazins „NIN“, Stevan Nikši, die kritische Öffentlichkeit. Nikši war vom Ersten Stadtgericht in Belgrad am 25. Januar 2002 zu einer fünfmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, die dann für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden war. Trotzdem stellte sie die höchste Haftstrafe dar, die seit dem Regierungswechsel gegen einen Journalisten ausgesprochen worden war. Der Bundesminister für Information, Slobodan Orli, und der Verband der unabhängigen elektronischen Medien, „ANEM“, verurteilten den Richterspruch als Beispiel für die Kontinuität von politisch motivierten Strafurteilen gegen Journalisten in Serbien und verlangten die Aufhebung des Urteils. Hintergrund des Urteils war eine Klage, die Aleksa Djilas, Sohn des früheren hochrangingen kommunistischen Funktionärs und späteren Dissidenten Milovan Djilas, wegen Verleumdung seines Vaters eingereicht hatte. Es stelle sich die Frage, meinten Journalistenkollegen, was für das konkrete Urteil ausschlaggebend war – das Mediengesetz Miloševis, das immer noch in Kraft war, oder verbargen sich hinter dem Urteil noch alte Gewohnheiten? Nikši sagte der Deutschen Welle, das Urteil sei gefährlich, weil es auf historische Urteile zurückgreife22. Wenn weitere Urtei-
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„In diesem Falle bin ich betroffen. Es hätte genauso gut jemand anders sein können. Das ist gleich. Das Urteil erging wegen eines Briefes, in dem sich der Autor über geschichtliche Ereignisse, die genau vor 60 Jahren geschehen sind, äußert. Es wurde darin die Frage gestellt, und das ist sehr charakteristisch, ob die Kommunisten Verbrechen begangen haben oder nicht – und zwar konkret während des Bürgerkrieges in Montenegro. Der Autor des Briefes vertrat den Standpunkt, daß Verbrechen begangen worden seien und daß jemand für diese Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden müsse. Ferner sei es schrecklich, daß die Täter ihre Verbrechen nie bereut hätten. Dies ist der Hauptinhalt dieses Schreibens. Der zivilrechtliche Kläger vertrat die Ansicht, daß dies seinen Vater beleidige. Es ist durchaus das Recht dieses Klägers, diese Ansicht zu vertreten. Allerdings hat das Gericht, nachdem es sich laut Urteil um Verleumdung handle, praktisch auch das Urteil gefällt, daß diese Verbrechen nicht begangen wurden und sich niemand dafür verantworten muß. Und ich meine, daß dies ein gefährlicher Präzedenzfall ist. Ich muß Ihnen nicht erklären, daß in unserer Umgebung auch in
le dieser Art gefällt werden würden, dann träte das ein, was sich ‚Gerichtspraxis’ nennt, so Nikši: „Und wenn es zur Praxis der Gerichte in Serbien wird, die Journalisten dafür zu verurteilen, dann ist es eine Warnung an alle Medien, sich nicht auf Debatten über Verbrechen, über historische Dinge, die von Bedeutung für die Geschichte des Landes sind, einzulassen.“ Nach Einschätzung von Fachleuten hätte ein solches Urteil umgangen werden können, wenn ein Informationsgesetz existiert hätte. Das Mitglied des Exekutivrates des Unabhängigen Journalistenverbandes Serbiens (NUNS), Filip Mladenovi, meinte aber, dass das Problem nicht die Gesetze seien, sondern die Gesinnung. Am 5. Oktober 2000 sei lediglich das Regime Miloševis gestürzt worden, aber nicht die Denkweise. Man nehme nach wie vor an, dass man die Medien beeinflussen dürfe. Man nehme weiterhin an, „dass der Journalismus kein Handwerk, kein Beruf, kein Geschick, kein Talent ist, sondern etwas, das manipuliert werden kann; und das ist das Tragische daran. Es gibt kein Gesetz, dass dabei helfen kann, dieses Bewusstsein zu ändern, das immer noch verkehrt ist.“ Erst müsse eine ganze Generation aussterben, in der Politik oder in den Medien, damit man einsieht, dass dem Journalismus nicht ins Handwerk gepfuscht werden darf, „und die Grundlagen jedes Handwerks nicht angetastet werden dürfen. Und das wäre die Unabhängigkeit!“ Das Verhältnis der Mächtigen in Serbien zu den elektronischen Medien, der „biblia pauperum“, untersuchte Slobodan Djori in seinem „Weißbuch über den Rundfunk“ (Bela knjiga o radiodifuziji, 2003)23, das sich auf die entscheidenden zehn Jahre zwischen 1990 und 2000 bezieht. Nach dem Fall der Berliner Mauer sei in den Staaten, die aus dem zerfallenen kommunistischen Block übriggeblieben waren, eine neue, bisher unbekannte Spielart des Totalitarismus entstanden, das System des kontrollierten Chaos, das auch für Serbien charakteristisch gewesen sei, ja dessen ureigentliches Geschöpf es sei, so Djori. Nachdem man anfangs schlicht versucht hatte, die Medien den ideologischen Vorgaben zu unterwerfen, sei man in einer zweiten Phase dazu übergegangen, das mediale Chaos zu akzeptieren, es selbst zu forcieren, es sich zum Besten der eigenen Macht nutzbar zu machen. So entstand der von Djori so genannte „neue Totalitarismus“, das System des ‚kontollierten Chaos’. 1990 gab es noch das „einheitliche Rundfunksystem der Republik Serbien“, das aus dem staatlichen Fernsehen, TV Belgrad/Beograd und den mit diesem verbundenen regionalen Studios, bestand. Dieses konnte eine Gesellschaft der „Übereinkommen und Absprachen“, der „idyllischen Selbstabgeschlossenheit“ so lange zufriedenstellen, als es keine Mehrparteienwahlen gab, die „Studio B“ und unmittelbar danach „TV Politika“ entstehen ließen. „TV Politika“ war mit technischer Unterstützung von „TV Beograd“ geschaffen worden, um die in den Ohren manches Mächtigen dissonante Stimme von „Studio B“ zu neutralisieren. Als ‚feindlich’ galt auch „Yutel“, und bald wurde klar, dass sich die Entwicklung unabhängiger Stationen schwer mit dem Takt der ideologisierten Parteipolitik Serbiens in Gleichklang würde bringen lassen. Nach den dramatischen Ereignissen des 9. März 1991 gelang es dank des Drucks, den die Opposition ausübte, im serbischen Parlament, der Skupština, ein über weite Strecken demokratisches und liberales Informationsgesetz zu verabschieden. Dass der demokratische Charakter nur Fassade war, werde, so die Kritik, aus jenem bedenklichen Absatz klar, dass „die Regierung der Republik Serbien über das Spektrum an Radiofrequenzen bestimmt, auf denen in der Republik Serbien gesendet
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jüngster Vergangenheit Verbrechen begangen worden sind, und ich frage mich, wie sich dieses Urteil morgen auswirken wird, wenn die Debatte in unserer Zeitschrift fortgesetzt wird. Und diese Debatte über diese Verbrechen und die Verantwortung dafür wird geführt und muß auch geführt werden.“ Vgl. Miškovi, Dragan: Medijska represija u Srbiji prethodne decenije. In: Republika, 1.-31. Jan. 2003, Jhrg. XV. (2003), S. 300f.
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wird“. Damit wurde das Bundesgesetz über die Verbindungs-systeme missachtet und außerdem der Regierung alle Mittel in die Hand gegeben, das gesamte Mediensystem zu beeinflussen. Das konnte jedoch nicht verhindern, dass allein 1991 Dutzende neuer Radiostationen geschaffen wurden. Jedes Jahr kamen in Serbien neue hinzu, so dass es heute mehr als 1.200 Sender gibt, was mancher als Belastung empfindet. Wer Geld habe und auf sich aufmerksam machen wolle, könne relativ leicht einen Sender ins Leben rufen. Der Regierung kam dieser provisorische, ja unverbindliche Charakter der Medien nur recht. Da das Regime jede kritische Stimme zum Schweigen bringen konnte, waren Unterhaltungs- und Musikprogramme wie sie paradigmatisch „Pink TV“ bot24, das politisch Gewünschte wärend der Bürgerkriegsjahre. Die Dinge begannen sich erst in der Zeit der großen Proteste zu ändern, vor allem seit 1997, als die Opposition lokal die Macht übernahm und das Regime sich langsam zurückziehen musste. Nun erwies sich die Aufsplitterung der zahlreichen Lokalmedien, von denen etliche an neue Eigentümer im Oppositionslager wechselten, als Vorteil, obgleich diese Lokalsender freilich weiterhin die repressive Kraft der Zentralmacht zu spüren bekamen. Dennoch fanden sich auch in der kritischen Presse sogenannte „Regimeclowns“ wie die Informationsministerin Radmila Milentijevi, die die imposante Zahl elektronischer Medien vor der Weltöffentlichkeit als Beweis für die angeblich umfassende Medienfreiheit in Serbien lobte. Mochte sie auch von weiteren Freiheiten für die Medien schwärmen, die wirkliche Befreiung kam erst mit dem Umsturz vom Oktober 2000, zu dem gerade auch die Medien beitrugen. Vor allem „ANEM“, die „Vereinigung unabhängiger elektronischer Medien“ („Asocijacija Nezavisnih Elektronskih Medija“, www.anem.org.yu), und dessen Netz gelang es, manche Propagandalüge des staatlichen Fernsehens zum Bürgerkrieg zu zerstreuen. Die Wahrheit hatte sich auch der serbische ‚Medienbaron‘ Radisav Rodi auf die Fahnen geschrieben, wäre dafür aber der Rache des Wirtschaftsministers Mladjan Dinki anheimgefallen, so seine und die Meinung seiner Anhänger. Hintergrund der Anklage und Verhaftung wegen Steuerflucht des Eigentümers der Zeitungen „Kurir“ und „Glas Javnosti“ wäre die Offenheit, mit der die inkriminierten Zeitungen über die Korruption gewisser Regierungsmitglieder, namentlich die des Wirtschaftsministers, geschrieben hätten. Dafür, dass diese Blätter Dinki und andere Regierungspolitiker regelmäßig als ‚Lügner’ und ‚Diebe’ verunglimpften, sollte Rodi nun gemäß serbischem Strafrecht für acht Jahre hinter Gitter, nicht für die offiziell genannten Steuerschulden in Höhe von zwei Millionen Euro. Doch die Nachzahlung und die Verhaftung Rodis, die erst ein strengeres Mediengesetz möglich machte, brachten die Zeitungen, die bereits finanziell bedrängt waren, in zusätzliche Schwierigkeiten. Die Präsidentin des serbischen Journalistenverbandes, Ljiljana Smajlovi, rief daher die Regierung auf, ihre Parteilichkeit gegenüber den Medien aufzugeben und ihre Vorbehalte hintanzustellen, „gleich ob es sich nun um ein Medium handelt, das die
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Die Sendergruppe Pink International, die ihren Sitz in Belgrad hat, war früher unter dem Namen RadioTelevizija Pink, kurz RTV Pink, bekannt. Man kann die Gruppe Pink International in etwa mit der RTL Group vergleichen, welche auch international agiert. So betreibt Pink International neben einem terrestrischen Programm in Serbien (TV Pink), auch Sender in Montenegro (TV Pink M) und in Bosnien und Montenegro (TV Pink BH). Durch eine Überarbeitung des Programmschemas wurde TV Pink in den drei Ländern Marktführer. Dies verdankt die Sendergruppe nicht zuletzt der Aufnahme von kroatischen Sendungen. Des Weiteren gehören zu Pink International die beiden Programme Pink Plus, ein europaweites Satellitenprogramm, welches aus Wien verschlüsselt gesendet wird und Pink Extra, ein ebenfalls verschlüsselter Unterhaltungskanal. Auch zwei Hörfunkprogramme werden von Pink International betrieben. Zum einen das über Satellit empfangbare „Radio Pink“ und zum anderen das Lokalradio für den Großraum Belgrad „Radio Pingvin“.
Regierung mag oder nicht“. Persönliche Abrechnungen stünden Regierungspolitikern nicht gut zu Gesicht. Dagegen meinte die Vizepräsidentin des Verbandes unabhängiger Journalisten, Jelka Jovanovi, die Verhaftung Rodis hätte „nichts mit dem zu tun, was der Kurir tut. Ich sehe das ganze als reines Finanzdelikt”. Jedem musste verdächtig vorkommen, dass ausgerechnet der „Kurir“ und namentlich Rodi in das Schussfeld gerieten, weil bei weitem nicht nur dessen Unternehmen die Steuer umginge, meinte lakonisch Velimir urguz Kazimir, ein anderer serbischer Medienexperte.
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Radio B92: Mit Multimedia gegen Miloševi
Mit den Mächtigen legte sich von Anfang an auch der 1989 gegründete Radiosender „B92“ an. Gemäß seinem Leitspruch „Informieren heißt nicht Meinungen vertreten und sie wiederholen, in der Information liegt auch die Kraft, die Realität zu verändern“, musste der Sender mit dem Widerstand der Staatsmacht rechnen. Der Sendebetrieb wurde in den 1990er Jahren oft gestört, aber auf internationalen Druck wieder freigeschaltet. Hinter der Gründung des regimekritischen Senders standen Veran Mati, der später ANEM-Direktor wurde, und Nenad eki, später Direktor und Chefredakteur des oppositionellen „Radio Index“. Der ehemalige Universitätssender „Radio Index“ war während der Studentenproteste der Jahre 1996/97 die am meisten gehörte Radiostation, die eigentlich über keine Sendelizenz verfügte. Hervorgegangen war „Radio Index“ aus den beiden Jugendprogrammen der 1980er Jahre, „Index 202“ und „Ritam srca“. Im Mai 1989 gründeten Mati und eki den Sender „B92“ als Gegenmodell zum staatlichen Rundfunk und den damals herrschenden Kommunisten. Nachdem sich die beiden Gründer zerstritten hatten, existierte zwar „B92“ fort, ihm gesellte sich aber „Radio Index“ als Oppositionssender hinzu, wobei Mati „B92“ und eki „Radio Index“ weiterführte, das 1998 aus der Universität verbannt wurde und fortan illegal weitersendete. Die Hörerzahlen stiegen rapide. Im Oktober 2000, auf dem Höhepunkt der Proteste, zählte der Sender ungefähr 1,3 Millionen Zuhörer, weil er der einzige war, der live von den Ereignissen auf den Straßen Belgrads berichtete. Nach der Ablösung des Miloševi-Regimes kämpfte „Radio Index“ wie so viele andere Medien vor allem mit finanziellen Problemen. Die Journalisten lebten am Rande des Existenzminimums, sagten aber in jedem Interview, dass sich ihr Kampf gelohnt hätte. „Es ist auf jeden Fall bei weitem besser als unter dem früheren Regime, als die Politiker sich nicht einmal mehr bemühten, ideale Verhältnisse zu simulieren, sie dachten einfach, sie wären unantastbar“, meinte Predrag Uroševi, ein Kenner der Sender „B92“ und „Radio Index“. „B92“, der als Sender der sozialistischen Studentenbewegung begann, berichtete nicht nur über Oppositionskundgebungen gegen das Miloševi-Regime. Der Sender widmete sich auch Tabuthemen, in der Tradition der Vorläufersendung „Ritam srca“ („Herzrhythmus“) aus den 1980er Jahren und ihrem Moderator Veran Mati. „Ritam srca“ markierte den ersten Schritt auf dem Weg zur Medienvielfalt im damaligen Jugoslawien nach dem Tod Titos. Während des Nato-Bombenangriffs auf Belgrad im Juni 1999 wurde der Sender durch Regimevertreter besetzt, ihre Mitarbeiter machten heimlich im Untergrund weiter. Erst im Jahr 2000, nach dem Sturz des Präsidenten, nahm „B92“ den normalen Sendebetrieb wieder auf. Ab sofort verlegte sich Radio „B92“ auch auf die Sammlung und Herausgabe von audiovisuellen Medienprodukten über historische Ereignisse des Landes. Trotz der wirtschaftlich und politisch nicht unproblematischen Lage wurde der Sender einer der meistgehörten der Epoche. Im September 2000, während des Falls des Belgrader Regimes, gründe-
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te „B92“ einen eigenen Fernsehsender. Nach elf Jahren Kampf für die Meinungsfreiheit konnte „B92“ erstmals durch das Medium Fernsehen landesweit empfangen werden. Die Radiosendungen werden nicht zur Gänze im Fernsehen übertragen. Die beiden Sendeformate werden vielmehr im Parallelbetrieb geführt. In den letzten vier Jahren hat sich die Zahl der Zuhörer und Zuschauer verdreifacht. Der Sender ist heute die Nummer drei unter den beliebtesten Fernsehkanälen bei den zwischen 15- und 54-Jährigen. Außerdem ist er einer der vier Fernsehsender, die eine landesweite Sendegenehmigung haben. Nach Angaben des Forschungsinstituts AGB erzielt „TV B92“ eine Reichweite von 98 Prozent auf serbischem Territorium, 88 Prozent der Zuschauer erreicht der Sender in guter Empfangsqualität. Und auch im Netz ist es „B92“ gelungen, seine Popularität auszuweiten, weil der Sender sich nicht darauf beschränkt, die Fernsehbühne ins Internet zu übertragen, sondern eine äußerst informative Collage aus Online-Nachrichten aus Kultur, Außenpolitik, Arbeit und Reisen anbietet. Seit 1996 ist „B92.net“ mit 180.000 Besuchern täglich die meistbesuchte Webseite Serbiens und eine der meistgelesenen Webseiten Osteuropas. „B92“ hat es damit geschafft, das Potenzial der drei verschiedenen Medienformate zu vereinen und für sein junges serbisches Publikum im Meer der Informationsvielfalt eine sinnvolle Alternative zu bieten. B92 ist der Beweis dafür, dass das Format allein kein Kriterium für die Qualität der Informationen sein muss. Radio, Fernsehen und Internet sind drei miteinander verbundene, aber voneinander unabhängige Welten. So ist auch der „B92“-Gründer Veran Mati zu verstehen, der meinte: „Wir waren egoistisch. Das Radio half uns, etwas aufzubauen, was uns fehlte und was wir uns wünschten. Die Welt, die von unserer Realität abgespalten war, aber versteckt in uns verborgen lag, haben wir uns erschaffen. Das war vielleicht das einzigartige Geheimnis unseres Überlebens.“ Damit war aber leider auch das eigene Land gemeint, das selbst wie die Medien gespalten ist25. Können unabhängige Medien die serbische Gesellschaft stabilisieren und demokratisieren? Nein, meinen Saša Mirkovi vom „Netzwerk unabhängiger elektronischer Medien“ „ANEM“ und Mirjana Miloševi vom Media-Center Belgrad. Die Politiker sitzen am längeren Hebel für gesellschaftliche Veränderungen. Dafür müssen die sich seit neuestem von „YouTube“ ins Handwerk pfuschen lassen. Wie tief Serbiens Gesellschaft zurzeit gespalten ist, war kurz nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo an den Medien zu beobachten. Sie waren sowohl Anstifter als auch Opfer: Während der staatliche Rundfunk „RTS“ gemeinsam mit Boulevardmedien die Stimmung zur gewaltsamen Eskalation brachte, griffen Hooligans den pro-westlichen Sender „B92“ an. Die wenigen nicht nationalistisch-regierungstreuen Zeitungen berichteten darüber mit Überschriften wie „das ist nicht Serbien“. Einem „besseren Serbien“ widmete das elektronische Medien-netzwerk „ANEM“ eine Sendung: „In Serbien glaubt man allgemein, professionell und ehrlich verrichtete Arbeit sei erstens selten und zweitens seinen Aufwand nicht wert“, schrieb „ANEM“. „Es gibt aber auch Menschen, die ihrer Arbeit mit Verantwortung nachgehen. Das Radioprojekt
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Für die Medienbranche scheint Serbien bis jetzt noch nicht sehr interessant. Große ausländische, kapitalistische Einflussnahmen sucht man vergebens. So kommen auf 1000 Einwohner 297 Rundfunkgeräte, 282 Fernsehgeräte, nur 330 Telefonanschlüsse, aber 581 Mobiltelefone. Hervorzuheben ist die sehr geringe Computeraffinität der Serben. Im Durchschnnitt besitzen nur 48 von 1000 Personen einen PC, jedoch sind 147 davon regelmäßige Internetnutzer. So stellt man fest, daß der Mangel an Know-how und Technik in Serbien dazu führt, daß eben an einem Fernseher nicht nur eine Person, sondern die ganze Familie sitzt, dass im Durschnitt fünf Personen ein und denselben PC für den Onlinezugang benutzen und mehrere Leute eine einzelne Zeitschrift lesen (Mehrfachverwertung). Die größten Tageszeitungen sind die „Veernje novosti“ mit einer Auflage von 270.000, die „Blic“ (230.000) und die „Politika“ (130.000).
‚besseres Serbien‘ stellt diese Leute ihrem Land in drei Minuten Reportagen vor und zeigt: das sind keine Freaks oder Idealisten, sondern gesellschaftlich anerkannte Leute.“ Im Märzprogramm zum Beispiel Polizeioffiziere, die freiwillig Gebärdensprache lernten. „ANEM“ tut aber noch mehr für seine 28 Radio- und 16 TV-Stationen: Neben der Produktion unabhängiger landesweiter Nachrichten für seine Mitgliedssender stellt es sich hinter seine Sender, sollten sie wegen ihrer Berichterstattung bedroht werden. Die Polizei jedenfalls weigerte sich, Journalisten des TV-und Radiosenders „B92“, ebenfalls „ANEM“-Mitglied und der Vorreiter der kritischen Medien Serbiens, während der Kosovo-Ausschreitungen zu schützen. Es sei normal und ein demokratisches Recht, den Sender zu bedrohen, fasste „ANEM“ auf ihrer Homepage empört einige Extrempositionen von Polizisten zusammen. Neben Morddrohungen gegen den „B92“-Chef Veran Mati gab es auf „YouTube“ ein Video, auf dem Journalisten von „B92“ attackiert wurden. Man fühle sich in die 1990er Jahre zurückversetzt, meinte „B92“-Pressesprecher und „ANEM“Vorsitzender Saša Mirkovi. Interessant sei, dass zum ersten Mal die neuen Medien die Politik beeinflussen, so Mirjana Miloševi vom Media-Center. Bürger filmten mit ihren Handys für „YouTube“ Filme von den Ausschreitungen, was später als Beweis für unterlassenes Eingreifen der Polizei bei Gewalttätern diente. Man machte deutlich, dass das nicht Serbien war, denn der Großteil der Serben hatte friedlich demonstriert. Breitbandzugang hatten allerdings erst zirka 15 Prozent der Serben, 40 Prozent waren Internetnutzer. Zwar ersetzte diese Art von Bürgerjournalismus nicht die fundierte Berichterstattung. Sie war aber ein wirksames Mittel, um sich zur Wehr zu setzen gegen die politisch gefärbten Bilder der serbischen Einheitspresse. Kritiker meinten, die Printmedien würden in Serbien traditionell das Spiel der Politiker mitspielen. Diese gäben die Themen vor und schüfen sich dann mit Hilfe der Medien die gesellschaftliche Atmosphäre. So hätte es abseits historisierender, idealisierender Thesen niemals eine ehrliche Diskussion über die realen Chancen, das Kosovo im Staatsverbund zu halten, gegeben. Das führte zu der paradoxen Situation, dass die Serben auf die Frage, ob sie ohne Kosovo in die EU wollten, zu mehr als 50 Prozent mit ‚nein‘ antworteten, aber die Frage, ob man mit der EU-Annäherungsstrategie fortfahren solle, bejahten 60 Prozent oder mehr. Man müsse nur die richtigen Fragen und diese entsprechend stellen, meinte ein Journalist vom Belgrader „Media-Center“, einer Gründung des Verbandes unabhängiger Journalisten aus dem Jahre 1994. Und fügte hinzu, dass sich die meisten Serben eine EU wünschten, die diese Komplexität versteht und dem Land zu mehr öffentliche Debatten verhilft, bei der die richtigen Fragen erörtert und gestellt werden.
1.4
Streit um Rundfunkgesetze
Nach der Ablösung der Miloševi-Regierung dauerte es geraume Zeit bis die ersten Gesetzesentwürfe geschaffen wurden, um die staatlich abhängigen Sender in freie Institutionen umzuwandeln. Die unabhängigen Nachrichtenmagazine und Tageszeitungen konnten sich bald einen Vorsprung in der Gunst der Leser und Zuhörer verschaffen, der sich auch rechtlich niederschlug, wobei es gerade beim Rundfunk Verzögerungen gab. So war die Frequenzverteilung nicht frei, womit sich die staatlichen Sender den überwiegenden Anteil am Kuchen sichern konnten: sie hatten nach wie vor die größte Verbreitung mit einer bis zu 90prozentigen Abdeckung des Landes. Nach den Jahren des Bürgerkriegs war jedoch die Unzufriedenheit mit der staatlich genormten Bericht-erstattung so groß geworden, dass die
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unabhängigen Medien automatisch einen Vertrauensvorschuss bekamen, der sich auch in stetig wachsendem Zuspruch äußerte. Deutschland, das nur etwa viermal größer als Serbien ist, zählt 33-mal mehr Printmedien als Serbien, das nur an die 150 aufweist. Auch die etwa neunmal höhere Bevölkerungszahl erklärt diese Verteilung nicht. Betrachtet man die Zahlen der ansässigen Rundfunkstationen relativiert sich dieses Bild erneut. Serbien besitzt 14 Radiostationen, wobei die lokalen nicht inbegriffen sind. Deutschland hingegen zählt etwa 250. Würde man die Anzahl der lokalen Radiostationen ermitteln, würden sich die Relationen eher mit den Bevölkerungs-unterschieden erklären lassen. Ähnlich verhält es sich bei der Anzahl der Fernsehsender. Hier stehen 19 serbische Fernsehsender (lokale nicht eingeschlossen) 145 deutschen gegenüber. In Serbien existiert im Unterschied zu Deutschland kein Medienregister, das heißt es gibt keine gesetzliche Verpflichtung, eine Übersicht über alle vorhandenen Medien zu führen, was die Kontrolle erschwert und folglich liegen keine genauen Zahlen über die Anzahl der TV- und Radiostationen vor. Der öffentliche Rundfunk in Serbien ist durch das Gesetz über öffentliche Informationen und Telekommunikation, das Rundfunkgesetz, geregelt, über dessen Einhaltung die Agentur für Radiodiffusion wacht. Im Sommer 2006 verabschiedete das serbische Parlament eine Novelle zum Rundfunkgesetz. Die Regierung schlug in ihrem Entwurf für die Gesetzesnovelle vor, die Privatisierung von 120 Lokalmedien, die noch der Kontrolle der Kommunalbehörden unterstehen, bis Ende 2008 aufzuschieben. Das bedeutete, dass die serbischen Lokalmedien auch zum Zeitpunkt der Kommunalwahlen 2008 von den Gemeindebehörden kontrolliert wurden. Ihre Besorgnis äußerten viele unabhängige Medien und Organisationen, unter anderen „Reporter ohne Grenzen“. Auch der staatliche Fernseh- und Rundfunksender „RTS“, der schon im Jahre 2003 in eine öffentlich-rechtlichen Anstalt hätte umgewandelt werden sollen, wurde erst im April 2006 umgebildet. Außerdem sah das Gesetz die Einführung einer Gebühr vor, die schon ab September desselben Jahres erhoben werden sollte. Ihren Protest gegen die Gesetzesnovelle legten die unabhängige serbische Medienvereinigung „ANEM“ [www.anem.org.yu] und der Journalistenverband „NUNS“ [www.nuns.org.yu] ein, außerdem der serbische Journalistenverband [Udruženje novinara Srbije, www.unsonline.org]. Der Gesetzesentwurf sah kein Medienregister vor, das in Serbien dringend nötig ist. In diesem Bereich herrschte Chaos, weil keine staatliche Institution verpflichtet war, ein Register über die Anzahl der Medien zu führen. So wusste man nicht genau, wieviele und welche Medien in Serbien vorhanden waren. Mit dem neuen Werbungsgesetz hoffte man auch den ‚Werbeterror’ beenden zu können, über den viele Serben klagten. Das Gesetz bestimmte, wer wann und wie lange im Fernsehen werben darf. Ein Werber konnte bisher im kommerziellen Fernsehen 20 Prozent des ganzen Tagesprogramms besetzen und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nur 10 Prozent. Außerdem wurde ein teilweises Werbeverbot für Alkoholgetränke und Zigaretten eingeführt. Im serbischen Parlament kam Ende August 2009 ein weiteres Gesetz zur Abstimmung, das die Medien betraf. Dieses setzte die seit Juli 2008 bestehende Regierungskoalition einer ersten gewichtigen Belastungsprobe aus. Der größte Widerstand gegen das vom Kulturministerium ausgearbeitete Mediengesetz, das Journalisten enger an die Kandare nehmen soll, kam nämlich nicht aus den Reihen der Opposition26. Es waren vielmehr Parteien aus der zehn Gruppierungen umfassenden Regierungskoalition, die sich gegen den Erlass stemmten. Mangels einer klaren Mehrheit musste die Koalition daher im Juli 2009 die Abstim-
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„Strengere Regeln für Serbiens Medien“. Ein umstrittenes Gesetz zeigt Risse in der Regierungskoalition. In: Neue Zürcher Zeitung, 29./30.8.2009, Nr. 199, S. 3.
mung über das Gesetz auf Ende August 2009 verschieben. Einige Regierungskritiker werteten das bereits als Indiz für nicht mehr zu kittende Risse im Regierungsbündnis. Für den, eher unwahrscheinlichen, Fall einer Ablehnung des Gesetzes ertönten gar Forderungen nach Neuwahlen. Worum ging es überhaupt? Das Ziel des Gesetzes sollte es sein, Ordnung und Verwantwortlichkeit in die mitunter etwas chaotisch anmutende Medienszene zu bringen. Hält man sich die vielen Sensations- und Revolverblätter vor Augen, die in Serbien ihre Geschichten und Verleumdungen unter das Volk bringen, erscheint das Ziel eines Mindestmaßes an Regulierung zwar verständlich. Kritiker wandten jedoch ein, dass das Gesetz weit über diese löbliche Intention hinausgehe. So soll es der Regierung etwa ermöglicht werden, Medienhäuser zu schließen, wenn deren Bankkonten während mehr als drei Monaten blockiert sind – eine Bestimmung, die Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention werteten. Für Missmut sorgten aber vor allem die massiv erhöhten Geldbußen, die den Medien bei Ehrverletzungen drohen. Welche Kriterien dabei gelten, blieb unklar. Nebulös war namentlich, wo die Trennlinie zwischen Kritik und Verleumdung verläuft. In- und ausländische Journalistenverbände befürchteten daher, dass die hohen Geldstrafen, die für einige Medienunternehmen existenzbedrohend sein könne, zu einer Selbstzensur und zum Verzicht auf investigativen Journalismus führen. Der Regierung wurde unterstellt, mit dem Gesetz primär anzustreben, unliebsame Medien mundtot zu machen. Als suspekt erschien dabei, dass Medienvertreter zu keinem Zeitpunkt in die Ausarbeitung des Gesetzes involviert waren und vor der Präsentation des Erlasses keine öffentliche Debatte stattfand. Ironischerweise waren es zuallererst die in die Regierung eingebundenen Sozialisten unter Führung von Innenminister Ivica Dai, die sich als Kritiker des Gesetzes und als Verteidiger einer freien Medienbranche zu profilieren versuchten. Ironisch deshalb, weil es 1998 ebendiese Sozialisten unter Führung von Slobodan Miloševi waren, die Serbiens Journalisten mit einem restriktiven Mediengesetz in ein enges Korsett zwängten und so manches Oppositionsblatt zu Fall brachten. Hinzu kam, dass Dai geraume Zeit als Pressesprecher seines politischen Ziehvaters Miloševi agierte. Er fiel in dieser Rolle vor allem als willfähriger Verbreiter nationalistischer Propaganda auf, kaum jedoch als Anwalt eines von staatlichem Einfluss freien und kritischen Mediensystems. Von ihrer unrühmlichen Vergangenheit wollten die Sozialisten aber nichts mehr wissen, oder hatten tatsächlich dazugelernt. Dai betonte, es gelte, eine neue Seite in Serbiens Geschichte aufzuschlagen. Die Fehler der Vergangenheit, namentlich das Mediengesetz von 1998, dürften nicht wiederholt werden. Seine Partei werde daher nie wieder die Medien unter Druck setzen; solches Verhalten gehöre der Vergangenheit an. Die Glaubwürdigkeit des vom Innenminister demonstrativ zur Schau gestellten Sinneswandels stellte mancher dennoch in Frage. Schließlich hatte Dai noch im Jahr 2006, nach dem Tod Miloševis, seinen ehemaligen Chef als Volkshelden gerühmt, der stets nur die Interessen Serbiens verteidigt habe. Wichtigster Gegenspieler von Dai beim Ringen um das Mediengesetz war Wirtschaftsminister Mladjan Dinki. Die Demokraten von Präsident Boris Tadi hielten sich eher zurück. Dinki, Chef der Kleinpartei G17-Plus und in Wirtschaftsfragen vergleichsweise liberal eingestellt, setzte sich mit besonderer Vehemenz für durchgreifendere Maßnahmen gegen Ehrverletzungen ein. Da er seit Jahren unter Dauerbeschuß durch die aggressive Boulevardzeitung „Kurir“ litt und seine Abwehr bisher erfolglos war, zirkulierte auch der Verdacht, Dinki versuche mit der Forcierung des Mediengesetzes eine persönliche Abrechnung zu verbinden, was der Minister selbstverständlich in Abrede stellte. Im September 2009 brachte Ombudsmann Saša Jankovi das umstrittende Gesetz vor das serbische Verfassungsge-
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richt. Vorangegangen war ein vom ihm in Auftrag gegebene Expertenanalyse, die ergeben hatte, dass das Gesetz fast gänzlich mit diversen Verfassungsbestimmungen unvereinbar sei, was aber am Endergebnis nichts mehr änderte. Im September 2009 wurde es von Präsident Boris Tadi unterzeichnet, der Spaltung zum Trotz, zu der das Gesetz in der Regierungskoalition, u.a. aus Demokratischer Partei, G17Plus, SPS und der Partei „Einiges Serbien“ von Dragan Markovi, geführt hatte. Die Reaktionen im In- wie Ausland waren mehr oder weniger gleichlautend – die serbischen Politiker wollten mit dem Gesetz die Presse mundtot machen und sie mit drakonischen Strafen unter Kontrolle halten. Dabei hatte man glücklicherweise noch zwei Vorbehalte ausgeschlossen, die die „Radikale Partei Serbiens“ (SRS) eingebracht hatte und die die Medien in weitere Bedrängnis gebracht hätten. Von seiten des Serbischen Journalistenverbandes (UNS) und des Verbandes der unabhängigen Journalisten (NUNS) hatte es deshalb auch einen Sturm der Entrüstung gegen die Vorbehalte gegeben. Danach hätten Medien dicht machen müssen, deren Konten wegen finanzieller Probleme länger als 90 Tage gesperrt waren; die Medien hätten über ein Bankguthaben von 50.000 Euro verfügen müssen, um arbeiten zu dürfen; und drittens sollte man sie für falsche oder beleidigende Aussagen haftbar machen können – dieser Vorbehalt wurde allerdings angenommen. Das Gesetz passierte mit 125 Ja- und 88 Gegenstimmen, wobei die Stimmen der liberaldemokratischen Partei von edomir Jovanovi dem Gesetz schließlich die Annahme sicherten. Auf dem Belgrader Nikola-Paši-Platz demonstrierten derweil Journalisten, die einem Aufruf der „UNS“ gefolgt waren. „Stop dem antieuropäischen Mediengesetz“ war auf einem riesigen Spruchband zu lesen. Der andere Journalistenverband, „NUNS“, hatte eine gemäßigtere Position eingenommen. Er war durchaus für eine Reform des Mediensektors, wobei er vor allem die mangelnde Abstimmung unter den Berufsjournalisten beklagte. Der Position der unabhängigen Journalisten schloss sich auch der Verband der unabhängigen Journalisten der Vojvodina (NDNV) an.
1.5
Die älteste Zeitung Serbiens und ihre Nachfahren
Trotz der Konkurrenz durch Boulevardmedien wie „Kurir“ oder „Blic“ ist der Anteil der seriösen Presse in Serbien beachtlich. Die Printmedienlandschaft ist relativ gut entwickelt27. In Serbien erscheinen heute 16 Tageszeitungen und 8 Wochenzeitungen. Zudem gibt es eine große Anzahl an lokalen Medien. Zu den serbischen Tageszeitungen mit der größten Verbreitung gehören „Politika“ und „Veernje novosti“. Die regierungsnahe „Politika“ gehört mittlerweile zum größten Teil dem Konzern „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ). Nach dem Zerfall Jugoslawiens sank die Auflage drastisch, ein Indiz für das Ausmaß, in dem sich die Zeitung nach Meinung der Opposition und vieler Serben politisch kompromitiert hatte. Die „Politika“ war zu Zeiten Miloševis fast schon das Flaggschiff der Regierung. Die „Politika“ [www.politika.rs] ist die älteste Tageszeitung in Serbien und wahrscheinlich auf dem Balkan. Sie wurde 1904 in Belgrad von Vladislav Ribnikar gegründet, hat heute eine Auflage von ungefähr 180.000 Exemplaren, und nach wie vor ihren
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Die in Serbien einflussreichsten Medienkonzerne sind die WAZ- und Ringier-Gruppe sowie Novinsko. In Deutschland sind dies die Axel Springer AG, die Bertelsmann AG, die Bauer Verlagsgruppe sowie Hubert Burda Media.
Sitz in der serbischen Hauptstadt. Viele bekannte serbische Schriftsteller sind Autoren dieser Zeitung. Umso mehr erregte man sich in der serbischen Öffentlichkeit, als 2003 bekannt wurde, dass ausgerechnet der deutsche WAZ-Konzern zum Mehrheitseigentümer des Verlagshauses „Politika“ geworden war. 2005 stieg die WAZ-Gruppe auch bei der 1953 gegründeten, auflagenstarken „Veernje novosti“ („Abendnachrichten“) ein. Was in Rumänien und Kroatien bereits zu beobachten war, begann sich auch in Serbien abzuzeichnen. „Ein deutscher Pressekonzern spielt weiter sein aggressives Monopoly auf dem Balkan“, kommentierte Jürgen Elsässer in der linksalternativen „Jungen Welt“ die Tatsache, dass der SPD-nahe Konzern der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in Südosteuropa eine Zeitung nach der anderen aufkaufte28. Die Vorgeschichte des WAZ-Engagements liest sich wie ein Krimi. Die in Zagreb verlegte kroatische Zeitung „Nacional“ fragte im März 2003, was sich hinter dem Verkauf des ältesten Verlagshauses auf dem Balkan verberge. Damals hatte der gerne als Tycoon apostrophierte kroatische Medienunternehmer Ninoslav Pavi einen Anteil von 25 Prozent am Verlagshaus „Politika“ erworben29. Die Serben mussten aus der Zeitung erfahren, dass Pavi im Frühjahr 1999 mit dem deutschen WAZ-Konzern einen Vertrag unterzeichnet hatte, der ihm 50 Prozent an allen von der WAZ teuer verkauften Projekten auf dem Balkan zusicherte. Pavi wurde im Laufe der Zeit zum Miteigentümer vieler Unternehmen, die die WAZ-Gruppe auf dem Gebiet Ex-Jugoslawiens „eroberte“, wie es die serbische Zeitung „Glas javnosti“ formulierte. Die Serben hatten bis dahin geglaubt, dass die Politika vollständig an die WAZ gegangen wäre und mussten nun lesen, dass ein Viertel ihres größten und traditionsreichsten Verlagshauses dem Medienmogul Pavi gehöre, einem Kroaten. Hatte man in Serbien vom Verkauf der Politika nichts erfahren? Zum einen wurden die Anteile an dem Verlagsunternehmen ohne jede öffentliche Ausschreibung verkauft. Der serbische Premier Zoran Djindji soll den Verkauf mit dem WAZVerwaltungsratsmitglied Bodo Hombach30 direkt und persönlich in einem Belgrader Lokal im Februar 2002 vereinbart haben, während man sich an Leskovaka mukalica gütlich tat, einer serbischen Spezialität. Die Glas javnosti kommentierte diesen Deal so: „Wenn er den eigenen Wählern schon kaum erklären könnte, daß er den Deutschen, den respektablen und reichen historischen Feinden Serbiens, das nationale Verlags- und Zeitungs-Symbol für gutes Geld abgetreten hat, umso schwerer wird Djindji rechtfertigen können, daß er mit dem selben Strich die ‚Kapitulation’ vor den verhaßten Kroaten unterschrieben hat.“31 Es war bekannt, dass Pavi über Jahre als medialer Strohmann der kroatischen Rechtsaußen Ivia Pašali und Miroslav Kutle fungiert hatte. Der Deal zwischen Djindji, den Kroaten
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Elsässer, J.: Monopoly in Serbien. WAZ-Konzern plant Aufkauf der größten Tageszeitung Vecernje Novosti. Bundeskanzler Schröder als Lobbyist. Redaktion zum Widerstand entschlossen. In: Junge Welt, 15.1.2005. etvrtina “Politike” vlasništvo Hrvata. Šta se skriva iza prodaje najstarije medijske kue na Balkanu. In: Nacional, Zagreb [http://arhiva.glas-javnosti.co.yu/arhiva/2002/06/03/srpski/R02060203.shtml]. Der WAZ-Funktionär und ehemalige Koordinator für den Balkan-Stabilitätspakt Bodo Hombach wird mit mehreren Finanzskandalen in Verbindung gebracht. 1999 wurde er in den Medien angeklagt, von der VEBA einen Baukredit in Höhe von mehr als einer Million erhalten zu haben, auf den er kein Anrecht hatte. Wenig später eröffnete die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf die Anklage gegen Hombach. Als ehemaliger Direktor von Tvrtke Trade hätte er zwischen 1992 und 1998 insgesamt 300.000 DM unterschlagen. Auf der politischen Bühne Deutschlands wurde Hombach bekannt als der Mann, der die Interessen der SPD geschickt mit denen des Großkapitals verband, weshalb ihm Gegenwind besonders vom linken Flügel der SPD entgegenschlug. Ende 2001 zog sich Hombach aus dem Stabilitätspakt zurück und wechselte Anfang 2002 an die Spitze des WAZ-Konzerns. etvrtina “Politike” vlasništvo Hrvata. Šta se skriva iza prodaje najstarije medijske kue na Balkanu. In: Nacional, Zagreb [http://arhiva.glas-javnosti.co.yu/arhiva/2002/06/03/srpski/R02060203.shtml].
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und der WAZ, den der politische Rivale Djindjis und damalige jugoslawische Präsident Vojislav Koštunica niemals zu Gesicht bekam, wurde damit auch als politischer Triumph der Kroaten gesehen. In den serbischen Medien stellte man den Verkauf als Geschäft unter Gleichen dar. Es wäre ein gemeinsames serbisch-deutsches Unternehmen entstanden, zu dem beide Seiten gleichberechtigt Wesentliches beigetragen hätten – die „Politika“ ihr intellektuelles Potential und die WAZ 25 Millionen Euro Bargeld. Erstaunlich war, dass weder Koštunica, noch andere serbische Politiker, nicht einmal die Radikalen, gegen den Verkauf des nationalen Symbols, gegen die Art und Weise, wie der Verkauf über die Bühne ging, protestierten. Man habe den serbischen Politikern in den letzten zehn Jahren den Schneid abgekauft. Ja, es hieß in der serbischen Presse sogar, Djindji unterscheide sich insofern kaum von Miloševi, als er die Mehrheit der Medien unter seiner Kontrolle habe, mit Hilfe der Kommerzbank, der Staatssicherheit, und der privaten Verbindungen seiner engsten Mitarbeiter in den Medien. In Djindjis Kabinett waren 80 Mitarbeiter tätig, die allein für den Kontakt mit den Zeitungs- und Fernsehredaktionen zuständig waren. Unter diesen Umständen hatte niemand Lust, seine Nase in die Geschäfte Djindjis mit der WAZ zu stecken, meinte ein serbischer Journalist aus dem Lager Koštunicas. Die „Politika“ wurde der WAZ-Gruppe nicht als unabhängiges Zeitungs- und Verlagsunternehmen verkauft, sondern als Eigentum der Kommerzbank, die der in Serbien berühmt-berüchtigte Ljubomir Mihailovi führte. Mihajlovi war ehemals Kosovo-Korrespondent der „Politika ekspres“ und der „Veernje novosti“ gewesen, und seine Landsleute nannten ihn deswegen ‚Ljuba Šiptar’, Ljuba der Albaner. Die serbische Kommerzbank, die Komercijalna banka, diente als Hebel, um die serbischen Medien still zu halten. Da ihnen die Bank großzügig Kredite gewährte, jedoch zu Wucherzinsen, befanden sie sich bald in einer ausweglosen Situation: entweder fügten sie sich den Gesetzen der Propaganda-Maschinerie Miloševis oder sie mußten sich im Namen der angehäuften Forderungen ihre Eigentums- und Herausgeberrechte entreißen lassen. Auf diese Weise wurde die Kommerzbank in der Zeit, in der es Serbien aufgrund der internationalen Sanktionen am schlechtesten ging, zuerst zum Eigentümer einzelner Redaktionen, und später des gesamten „Politika“-Verlagshauses. Der politische Effekt dieses schleichenden Eigentümerwechsels wurde unübersehbar im Jahre 2000, während der in Jugoslawien so genannten ‚Oktoberrevolution’. Damals solidarisierten sich von mehreren hundert „Politika“-Journalisten nur 26 mit der Masse der Demonstranten und forderten die Absetzung Miloševis. Der Rest der Journalisten hielt sich zurück, weil er dem „unabhängigen Bankier Ljuba Šiptar“ Arbeitsplatz und Redakteurstitel verdankte, wie die kroatische Zeitung „Nacional“ sarkastisch anmerkte32. Zum Skandal, dass sich in das Eigentum an „Politika“ nun Kroaten und Deutsche teilten, kam noch hinzu, dass der König der Balkan-Zigarettenmafia, Stanko Suboti, über das Druck- und Vertriebsunternehmen „Štampa“ auch Zugang zu den deutsch-kroatischen Kreisen der Politika erlangt hatte. Nachdem Vanja Bokan, der ehemalige Eigentümer der „Štampa“ umgebracht worden war, um ihn als Konkurrenten im Schwarzhandel mit Zigaretten auszuschalten, verschafften die ‚Rechtsnachfolger’ Bokans dem ‚duvanski kralj’, dem ‚Tabakkönig’ Stanko Suboti, genannt Cane, Zugang zur „Štampa“. Damit konnte sich Suboti auf den Vertrieb der „Politika“ und auf die neuen kroatisch-deutschen Miteigentümer ausrichten. Soweit wären die Dinge für Pavi und Suboti ausgezeichnet gelaufen.
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etvrtina “Politike” vlasništvo Hrvata. Šta se skriva iza prodaje najstarije medijske kue na Balkanu. In: Nacional, Zagreb [http://arhiva.glas-javnosti.co.yu/arhiva/2002/06/03/srpski/R02060203.shtml].
Seit den frühen 1990er Jahren, als der Kroate Pavi mit Hilfe des HDZ-Tycoons Miroslav Kutle die kroatische Wochenzeitung „Globus“ und die Frauenzeitschrift „Gloria“ übernahm – 1994 kam noch das kroatische Politmagazin „Arena“ dazu – träumte Pavi vom großen balkanweiten Medienkonzern. Da er damals noch nicht über die finanziellen Mittel verfügte, beschaffte er sich über Kutle ein großzügiges Darlehen. Als 1997 die „Jutarnji list“ zum Verkauf stand, gesellte sich zu jenem Duo aus Pavi und Kutle ein dritter Teilhaber, der damalige Berater des kroatischen Staatspräsidenten Franjo Tudjman, Ivica Pašali. Hinter den Kulissen des neuen Verlagsimperiums sorgte Pašali für die nötige Kreditwürdigkeit und die absolute Macht innerhalb der „Tiska“, der größten Verlags- und Vertriebskette Kroatiens. Nachdem der „Politika“-Deal über die Bühne gegangen war, störten allein die kritischen Artikel des kroatischen „Nacional“, gegen die Djindji schwere Mediengeschütze auffuhr. Doch die Dinge waren ohnehin bereits unter Dach und Fach. Mit Hilfe ihres Gönners Pašali war es der Europapress Holding, kurz EPH33, gelungen, ihre Medienmacht auf insgesamt zwanzig Zeitungen und auf Teilhaberrechte an allen bedeutenden Radio- und Fernsehstationen in Kroatien auszudehnen. Außerdem stellte sich später heraus, daß Kutle nach dem Ende der HDZ-Herrschaft von seinen Teilhabern auch das Ende ihrer Zusammenarbeit forderte. Als sich einer seiner ehemaligen Teilhaber in Haft befand, verkaufte Pavi kurzerhand 50 Prozent der Anteile an der EPH an den deutschen WAZ-Konzern, womit er Kutle auf einen Schlag insgesamt 20 Millionen DM schuldete. Diese Schuld besteht bis heute, und Kutle kann sie auf gerichtlichem Wege nicht einklagen. Der Grund liegt auf der Hand. Obwohl die Dokumente vorliegen, die diese Verhältnisse bezeugen, hat sich keiner der geheimen Teilhaber jemals bereit gefunden, die rechtliche Gültigkeit ihrer illegalen Absprachen zu akzeptieren. Bereits im Frühjahr 2000 stattete Pavi Serbien seinen ersten Besuch als Abgesandter der WAZ ab. Über Vermittlung von Hrvoje Petra – den er später in seinen Zeitungen als größten kroatischen Mafioso brandmarken sollte – machte Pavi ein privates Unternehmen in Serbien ausfindig, über das er die Zeitungen und Magazine der EPH auf dem serbischen Markt plazieren konnte. Dieses Unternehmen hieß ‚Intoco’ und war in Geschäftskreisen als eines der ersten Unternehmen bekannt, das legal Zigaretten des Tabakkonzerns ‚Rovinj’ einführen durfte. Pavi beendete seine Zusammenarbeit mit ‚Intoco’ Ende 2001, als Djindji und Hombach, der sein Amt als Koordinator des Stabilitätspaktes bereits niedergelegt hatte, sich einigten, dass die „Politika“ Eigentum der WAZ werden sollte, des neuen Arbeitsgebers von Hombach. Nachdem die zwei politischen Schwergewichte den Vertrag über die künftige Zusammen-arbeit skizziert hatten, wurde Ninoslav Pavi und Ljubomir Mihailovi die Lösung der technischen Fragen überlassen. Soviel bekannt ist hatten Pavi und Ljuba Šiptar bereits für Ende 2000 ein erstes Treffen vereinbart, für genau jenen Tag, als in Kroatien die ‚Grupo-Affäre’ ans Tageslicht kam. Pavi wandte sich damals bereits nach Belgrad. Doch
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Die „Europapress Holding“ (EPH) ist der größte Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Kroatiens mit Sitz in Zagreb. Seit Dezember 1998 beteiligt sich die deutsche WAZ Mediengruppe mit 49% an der EPH. In der EPH erscheinen unter anderem die zweitgrößte Tageszeitung „Jutarnji list“ (durchschnittliche Auflage ca. 115.000 Exemplaren), die Sportzeitung „Sportske Novosti“ (Auflage: ca. 40.000 Exemplare), die Wirtschaftstageszeitung Dnevnik, die Wochenzeitschriften „Globus“ und „Gloria“. Dazu werden die kroatischen Ableger des „Playboy“ und der „Cosmopolitan“ verlegt. Im Verlag erscheinen insgesamt 18 Zeitschriftentitel mit einer durchschnittlichen Gesamtauflage von ca. 660.000 Exemplaren. Die EPH beteiligte sich mit Hilfe der deutschen WAZ Mediengruppe zudem an der „Slobodna Dalmacija“. 34,6% des Konzerns, der sich zuvor im Besitz des kroatischen Staates befand, wurden jenem für 24,5 Millionen Kuna abgekauft, für weitere 83,46 Millionen Kuna übernahm die EPH im Jahr 2005 insgesamt 70% an der „Slobodna Dalmacija“. Ninoslav Pavi war mit 51% Teilhaber der „Europapress Holding“ und damit der mächtigste Mann der kroatischen Medienszene.
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das Treffen fand nicht statt. Pavi hatte erfahren, daß nach der Aufdeckung seiner geheimen Absprachen mit den Teilhabern Pašali und Kutle, bereits eine Anzeige gegen ihn wegen Bildung einer kriminellen Organisation vorlag. Wie Pavi heute selbst zugibt, verhinderte eine weitere Strafverfolgung allein Premierminister Raan, weil er wusste, dass die WAZ bereits ein so wichtiger politischer Faktor war, daß seine Partei, die SDP, den Geschäftspartner der WAZ nicht ohne gewichtige politische Folgen in die Schranken weisen konnte. So eroberte sich die WAZ immer mehr den serbischen und kroatischen Markt. Djindji erwarb sich einflussreiche Unterstützer. Ljuba Šiptar (Mihailovi) blieb Inhaber großer Anteile am „Politika“-Konzern innerhalb des deutsch-serbischen Verlagsunternehmens. Ninoslav Pavi wurde das, wovon er bereits als Parteiideologe und Apparatschik geträumt hatte – der mächtigste Zeitungsredakteur, Manipulator und Zensor in einer Person. Was die Auflage betrifft, lief die 1953 gegründete Tageszeitung „Veernje Novosti“ der „Politika“ bald den Rang ab. Sie nimmt für sich eine kurze und verständliche Berichterstattung in Anspruch, ohne oberflächlich zu werden. Das sei das Geheimnis ihres Erfolges bei einer breiten Leserschaft, heißt es. Der Presserat des Belgrader Medienzentrums beanstandete jedoch 2005, dass sich namentlich die „Veernje Novosti“ und die „Glas javnosti“ in jeweils elf Fällen der Missachtung ethischer Grundsätze schuldig gemacht hätten. Fast tadellos schnitten dagegen die Tageszeitungen „Politka“ und „Danas“ und die Wochenmagazine „Vreme“, „NIN“ und „Evropa“ ab. Die „Veernje novosti“ werden wie die „Politika“ in Belgrad produziert. Nach eigenen Angaben ist die Zeitung „Veernje novosti“ mit rund 250.000 Exemplaren die serbische Tageszeitung mit der höchsten Auflage. Die deutsche WAZ-Mediengruppe versuchte deshalb auch, die „Veernje novosti“ zu übernehmen34. Dies war man auf serbischer Seite jedoch zu verhindern bemüht, weil man die damit eintretende Monopolstellung der WAZ-Mediengruppe auf dem serbischen Zeitungsmarkt befürchtete. Es waren also nicht „ideologische Gründe“, die die serbische Regierung als Mehrheitseigentümer veranlasste, sich gegen eine ausländische, insbesondere deutsche Übernahme zu wehren. 2006 ging der Kampf um die serbischen „Abendnachrichten“ in die letzte Runde: Der Staat, der Unternehmer und frühere Basketball-Star Vlade Divac und der deutsche WAZ-Konzern waren drei der möglichen künftigen Eigentümer. Chefredakteur Manojlo Vukoti bevorzugte damals den status quo – knapp 30 Prozent in Staatshand, der Rest in Streubesitz. Den Zuschlag erhielt zuletzt eine Gruppe serbischer Großunternehmer mit guten Kontakten in höchste politische Zirkel. So blieb die Zeitung vor einer ‚feindlichen Übernahme‘ bewahrt. Der große Konkurrent des WAZ-Konzerns im Balkan-Geschäft ist die Schweizerische Ringier Holding AG, die unter anderem die Boulevardzeitung „Blic“ und die GratisTageszeitung „24 sata“ („24 Stunden“) verlegt. Seit Oktober 2006 erscheint „24 sata“ in Belgrad und ist mit einer Auflage von ungefähr 150.000 Stück die größte kostenlose Tageszeitung Serbiens. Am 9. Juni 1997 erschien die erste Ausgabe der Qualitätszeitung „Danas“ („Heute“) [www.danas.rs]. Die Tageszeitung mit Sitz in Belgrad spricht vor allem eine intellektuelle Leserschaft an und legt Wert auf eine unabhängige Berichterstattung, was unter dem Miloševi-Regime nur schwer zu verwirklichen war. Somit befand sich die Zeitung wegen offener und unzensierter Berichterstattung über die politischen Entwicklungen
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Die Frist für die Privatisierung aller vom Staat gegründeten Printmedien lief am 23. April 2006 aus. Das betraf sowohl die „Veernje novosti“ als auch die „Borba“, die ehemalige Zeitung der Kommunistischen Partei. Nach Ablauf dieser Frist war für alle nicht privatisierten Medien die Einleitung des Einstellungsverfahrens vorgesehen.
in Serbien und Montenegro stets im Visier der serbischen Behörden. Zeitweilig wurde auch ein Publikationsverbot über „Danas“ verhängt. Begründung war das angebliche Schüren von Angst und „Miesmacherei“. Nach Aufhebung des Verbots musste die Zeitung mehrmals Bußgelder bezahlen, die das weitere Erscheinen grundsätzlich in Frage stellten. Hatte „Danas“ den Sturz des Regimes im Jahre 2000 überlebt, kämpfte die mittlerweile einzige Tageszeitung mit intellektuellem Charakter bald ums Überleben. Noch bis vor ein paar Jahren wurde sie von ausländischen Spenden unterstützt. Nur die Stammleserschaft (nicht mehr als 30.000) sorgt dafür, dass diese Zeitung noch erscheinen kann. Die Boulevardzeitung „Blic“ und die „Veernje Novosti“ sind die auflagenstärksten Zeitungen auf dem serbischen Zeitungsmarkt. Daneben hat der „Kurir“ mit einer Auflage von bis zu 200.000 Stück eine feste Marktposition. Der Zeitungsinhaber, Radoslav Rodi, besitzt neben dem „Kurir“ auch die Tageszeitungen „Glas javnosti“ und „Start“, die in weit kleineren Auflagen als der „Kurir“ erscheinen (20.000 bis 40.000). Aus einem Streit in der „Kurir“-Redaktion entstand die Tageszeitung „Press“ [www.pressonline.rs], die in Inhalt und Aufmachung dem „Kurir“ gleicht. Finanziert wird das jüngste Printmedium von einem in Rußland ansässigen serbischen Geschäftsmann, womit es sich bei „Press“ um die erste Ostinvestition in den serbischen Medienmarkt handelte. Die Boulevardzeitung „Blic“ [www.blic.rs], die 1996 von österreichischen Geschäftsleuten ins Leben gerufen wurde und anfangs die einzige der Opposition nahestehende Tageszeitung war, entwickelte sich zum stärksten staatsfernen Printmedium in Serbien. Die serbischen Sporttageszeitungen existieren bis heute nur als Anhängsel bzw. Beilage der großen Tageszeitungen, mit Ausnahme der ältesten Sporttageszeitung, die schlicht „Sport“ heißt [www.sport.novosti.rs] und zum Medienkonzern „Novosti“ gehört (Auflage ca. 30.000 Stück). Der Konzern rettete die Zeitung, die kurz davor war, eingestellt zu werden. Der Erzrivale der „Sport“ heißt seit 1990 „Sportski žurnal“, das dem KonkurrenzMedienhaus „Politik“ gehört. Dank seiner plakativeren Aufmachung hat das „žurnal“ eine etwas größere Auflage. Grundsätzlich haben Sporttageszeitungen wenig Überlebenschancen auf dem Markt, wenn sie nicht von großen Medienhäusern, die ihre Defizite abschreiben können, mitgetragen werden. Ein ähnliches Schattendasein führte in Serbien lange Zeit auch die Wirtschaftsberichterstattung, die auf die einschlägigen Seiten der großen Tagesezeitungen beschränkt war. Die erste reine Wirtschaftstageszeitung hieß „Pregled“ („Überblick“, www.pregled.co.yu). Diese wurde 2002 gegründet und berichtet an Werktagen über das nationale und internationale Wirtschaftsgeschehen. „Pregled“ gehört zur Handelsblatt-Wall Street-Journal-Gruppe und hat eine Auflage von 30.000 Stück. 2007 bekam „Pregled“ durch die Zeitschrift „Biznis“ [www.biznisnovine.com] einen ernstzunehmenden Gegner. „Biznis“, die teuerste Tageszeitung auf dem serbischen Markt mit einer Auflage von etwa 40.000 Stück, ist ‚moderner‘ konzipiert und konzentriert sich mehr auf die Wirtschaftsentwicklungen im Lande. Typisch für die serbische Medienlandschaft sind auch kleine Tageszeitungen, die es meist aber nicht schaffen, sich für längere Zeit auf dem Markt zu halten und nach einigen Monaten bereits wieder von der Bildfläche verschwinden. Insbesondere in Wahlkämpfen wurden Tageszeitungen gezielt gegründet, um für bestimmte politische Gruppen Reklame zu machen. Waren die Wahlen vorüber, lösten sich diese Zeitungen meist rasch wieder auf.
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1.6
Öffentlich-rechtliches und privates Fernsehen und Radio35
Auf dem Rundfunkmarkt spielten sich nach dem Oktober 2000 ähnliche Verteilungskämpfe wie auf dem Zeitungs- und Nachrichtenmarkt ab. Der Sender „B92“ (RTV B 92) protestierte am 2. Januar 2001 gegen eine Entscheidung von IBC Fernsehen, die Programmübernahme von TV „B92“ zwischen neun und zehn Uhr abends zu unterbrechen und stattdessen ein eigenes Programm auszustrahlen. Der Sender hätte diese vertraglich bestehende Möglichkeit bislang nicht genutzt und das Programm von TV „B92“ täglich und ohne Unterbrechung ausgestrahlt. TV „B92“ sprach von erneutem „wirtschaftlichem und politischem“ Druck auf unabhängige Medien in Serbien, und beschuldigte darüberhinaus die Regierung, bei der Zuweisung von Frequenzen untätig geblieben zu sein. Viele der übrigen Sender seien noch immer „Geiseln“ aus der Zeit des Miloševi-Regimes. An erster Stelle stand in dieser Hinsicht natürlich der staatliche Sender „Radiotelevision Serbien“ (RTS – Radio Televizija Srbija, www.rts.rs), das seinen Hauptsitz in Belgrad und regionale Ableger in Novi Sad und im Kosovo mit dem ehemaligen „TV Priština“ hat, das heute als „TV Most“ geführt wird. In den 1920er-Jahren hatte man erstmals einen Radiosender mit einer Reichweite von 455 Metern erprobt, wobei der erste erfolgreiche Versuch am 24. März 1929 gelang, als „Radio Belgrad“ aus dem Gebäude der Serbischen Akademie sein erstes Programm ausstrahlte. Bis zum Überfall Hitler-Deutschlands auf das Königreich Jugoslawien im April 1941 („Unternehmen Strafgericht“) strahlte der Sender ein regelmäßiges Programm aus. In der Besatzungszeit wurde die staatliche Sendetätigkeit beendet. Die deutsche Wehrmacht übernahm den Sender und strahlte ein eigenes Programm für die deutschen Truppen aus. „Radio Belgrad“ wurde europaweit bekannt durch seine Erkennungsmelodie, der „Lili Marleen“ von Lale Andersen, die allabendlich zum Sendeschluß gegen zehn Uhr gespielt wurde. Nach der Machtübernahme der Tito-Partisanen sendete Radio Belgrad wieder in serbischer Sprache. 1992, während der Zerfall Jugoslawiens in vollem Gange war, wurde das bisherige „TV Beograd“ in „Radio Televizija Srbije“ umbenannt und unter dem Dach von „Javni RTV Servis Srbije“ untergebracht. Während des Nato-Angriffs auf Serbien und Montenegro, im Zusammenhang mit dem Kosovo-Konflikt, wurde das RTSHauptgebäude in der Nacht des 23. April 1999 bombardiert. Dabei kamen 16 Mitarbeiter um. RTS hat fünf Fernsehprogramme („RTS 1“ und „RTS 2“, „Radio Televizija Vojvodine“, „TV Most“ und das Satellitenfernsehen „RTS SAT“) und vier Hörfunkprogramme („Radio Beograd 1“, „Radio Beograd 2“, „Radio Beograd 3“ und „Beograd 202“) mit Stationen in fast allen größeren Städten Serbiens. Während Radio Beograd 1 vor allem Nachrichten und Programme zu aktuellen Themen sendet, hat sich der zweite Kanal auf Kulturelles und der dritte Sender auf klassische Musik spezialisiert. „Beograd 202“ richtet sich an das jüngere Publikum der serbischen Hauptstadt, die weniger an ausführlichen Berichten und Diskussionen und mehr an kurzen Nachrichten und moderner Musik interessiert ist. Dieser Sender war auch eine Antwort auf die in den 1990er Jahren stärker werdende mediale Konkurrenz im privaten Sektor. Dort waren bzw. sind populäre Fernsehsender wie „TV BK“ oder „RTV Pink“ tonangebend, die anfangs ausschließlich das Unterhaltungsbedürfnis bedien-
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Private Sender: Fernsehen – TV B92 [www.b92.net/indexs.phtml]; TV BK; TV Pink [www.rtvpink.com]; TV Kosava [www.kosava.co.yu]; TV Palma; TV Politika [www.politika.expirium.com] und viele kleine lokale Fernsehstationen – Radio: Radio B92; Radio Politika; Radio O21; Radio S [www.radios.co.yu]; Radio Novosti [www.radionovosti.co.yu] und viele kleine Radiostationen.
ten, aber nach und nach auch Informationformate in ihr Programm aufnahmen. Mit der Demokratisierung wurde der Staatssender „RTS“ mit Problemen konfrontiert, wie sie in Osteuropa alle staatlichen Institutionen hatten: zuviele Mitarbeiter, veraltete Technik, schlechte Infrastruktur. Eine monatliche Fernsehgebühr sollte die Umwandlung des „RTS“ in einen öffentlichen Dienst ermöglichen und ihn so unabhängiger machen. Zu den größten Konkurrenten von „RTS“ zählen die privaten Fernsehsender „Pink“ und „B92“. „Pink“ war zum Zeitpunkt seiner Gründung im Jahr 1993 der erste richtige Privatsender in Serbien, der sich im Laufe der Zeit zum beliebtesten Unterhaltungssender landesweit mauserte. Natürlich hätte auch dieser Sender keinen Erfolg ohne eine enge Kooperation mit dem Regime gehabt. Gleiches galt für den 1994 gegründeten Privatsender „BK“ der Familie Kari. „Pink“ belegt hinter „RTS“ den zweiten Platz, hat jedoch gute Chancen, mit nur einem Kanal die Spitzenposition von „RTS“ zu übernehmen. Der Fernsehsender „B92“ begann im September 2000 zu senden, zunächst nur in Belgrad, seit 2004 auch landesweit. Der Belgrader Lokalsender „Studio B“ ging wie „B92“ aus einem Radiosender hervor. Er unterschied sich jedoch in einem wichtigen Punkt von anderen Privatsendern. Die Gründerrechte an dem 1970 von „Borba“-Journalisten gegründeten Radio- wie auch an dem später entstandenen Fernsehsender „Studio B“ übernahm 1996 der Magistrat der Stadt Belgrad. Dieser unterstand damals der Kontrolle von Miloševis Sozialisten, und wurde damit offizielles Medium der Stadt Belgrad. Die Entwicklungsmöglichkeiten von „Studio B“ hängen daher auch in besonderem Maße von der finanziellen Unterstützung der Stadt ab. „Studio B“ sendet auf einer Reichweite von 100 Kilometern um Belgrad überwiegend Informationsprogramm, unter besonderer Betonung der kommunalen Geschehnisse in der Hauptstadt. Weit darüber hinaus geht der Hörerkreis des serbischen Auslandsradios, das früher „Radio Jugoslavija“ hieß und heute schlicht „Internationales Radio Serbien“ (Medjunarodni Radio Srbija) [www.glassrbije.org/index.php] heißt. Der Radiosender sendet in elf Sprachen, neben Serbisch unter anderem auch in Albanisch, Chinesisch, Russisch und Arabisch. Das heimische Programm von „Radio Srbija“, „JU Radio“, wurde im März 1991, während der großen Demonstrationen in der serbischen Hauptstadt, gegründet. Ziel war, jenes Vakuum im Äther zu füllen, das nach der zeitweisen Schließung der Sender „B92“ und „Radio Index“ entstanden war. Während der 1990er Jahre galt „JU Radio“ als einer der liberalsten, offensten und damit auch am meisten gehörten Sender Belgrads. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre strahlte „JU Radio“ in Zusammenarbeit mit „Radio Crna Gora“ auch ein Programm für Montenegro aus und hängte in Sachen Popularität und Einschaltquoten die übrigen Rundfunksender ab. Erst als sich das Miloševi-Regime seinem Ende zuzuneigen begann und sich damit unter der Ägide von Ivan Markovi auch der Druck auf die freien Medien erhöhte, senkte sich das Dunkel über den einst kritischen Sender. Nach der Wende vom Oktober 2000 kehrte man zum vorherigen Standard zurück. Am 16. Oktober 2006 mußte „JU Radio“ seinen Betrieb einstellen. Hintergrund waren die Ergänzungen zum Rundfunkgesetz und die Empfehlungen des Rundfunkrates der Republik Serbien. Diese sahen vor, dass ein Sender, der im Wettbewerb keine Frequenz zugeteilt bekommt, seine Tätigkeit einzustellen habe. „JU Radio“ bewarb sich zusammen mit 33 anderen Radio- und TV-Stationen um eine Sendefrequenz für Belgrad, bekam sie aber nicht. Das Radio ist das am weitesten verbreitete Medium in Serbien und in Montenegro. Allerdings verfügen bzw. verfügten nur die staatlichen Sender „Radio Belgrad“, „Radio Montenegro“ und „Radio Serbien-Montenegro“ über eine nationale Abdeckung des Hörerraums. Im Gegensatz zum Fernsehen krebsen die serbischen Radiosender meist am Rande der Wirtschaftlichkeit entlang. Ausnahmen sind einige wenige populäre Lokalsender. Der führende Radiosender Serbiens ist „Radio Beograd 1“. Der staatliche Sender hat die höchsten
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Einschaltquoten, aber selbst damit besitzt er nur einen Anteil von ca. fünf Prozent an der landesweiten Gesamthörerzahl. Mit einem sehr reichhaltigen Informationsprogramm und qualitativ hoher Musikauswahl ist „Radio Beograd 1“ ein Medium, das auf Zuhörer über vierzig Jahren ausgerichtet ist. Zu den Konkurrenten von „Radio Beograd 1“ gehören der ebenfalls von „RTS“ betriebene Unterhaltungssender „Beograd 202“, die Unterhaltungssender „Radio S“ und „Pink“, der legendäre Belgrader Radiosender „Studio B“ und der in den letzten anderthalb Jahrzehnten populär gewordene Radiosender „B92“. „B92“ ist im Grunde der einzige Unterhaltungssender, der bis heute seinem ursprünglichen Prinzip „viel Musik, maximal drei Minuten plaudern“ treu geblieben ist. Den wesentlichen Unterschied zwischen „B92“ und dessen Konkurrenz macht jedoch die Qualität des Programms aus. Die Mischung aus Wortbeiträgen und Musik haben diesem Sender Kultstatus in Belgrad verliehen. Als sich auf der Straße Demonstranten mit dem Miloševi-Regime heftige Auseinandersetzungen lieferten, wurde „B92“ zu den „Ohren und Augen des freien Belgrad“. Landesweit hat „B92“ eine Einschaltquote von knapp vier Prozent. „Radio S“ war ursprünglich das Informationsmedium von Miloševis sozialistischer Partei. Die Zeit nach dem Abtritt des Präsidenten hat der Sender geschickt genutzt, so dass ihn landesweit auch heute noch bis zu vier Prozent der Radiohörer einschalten. Der populäre, aber oft geringgeschätzte Sender „Pink“ gewinnt sein Publikum mit populärer, „volkstümlicher“ Musik.
1.7
Die Nachrichtenagenturen Serbiens
Dass auch die nationalen Nachrichtenagenturen ihre Berichterstattung nach dem Ende des Miloševi-Regimes nicht mehr am ideologisch Wünschenswerten ausrichteten, damit mussten sich viele erst anfreunden. Aber auch private Nachrichtenagenturen mussten in den Zeiten des Umbruchs einiges über sich ergehen lassen. Ein Fall von vielen ist die mit USUnterstützung gegründete private und multi-ethnische Nachrichtenagentur „AVP“ („Agencija Vranje Press“). Seit September 2003 konnte sie keine Nachrichten mehr über die Ticker geben. Ihre Journalisten konnten ihre Büros nicht mehr betreten, die im Gebäude des staatlichen Pensionsfonds im südserbischen Vranje untergebracht waren. Vojkan Risti, Inhaber von „AVP“, beschuldigte den Leiter des Pensionfonds und Abgeordneten der Demokratischen Partei, Dragan Janji, das Schloss an der Hauteingangstür ausgetauscht zu haben, nachdem er in Meinungsumfragen sehr schlecht abgeschnitten hatte. Der politische Umschwung betraf in besonderem Maße freilich die wichtigste und größte der serbischen Nachrichtenagenturen, die 1943 gegründete, weithin bekannte „Tanjug“ (Akronym für „Telegrafska agencija nove Jugoslavije“, www.tanjug.rs36. Sie war 2007 im Zuge der Privatisierung in ein marktwirtschaftlich orientiertes Unternehmen umgewandelt worden, um sich auch besser gegen die private und unabhängige Konkurrenz zu behaupten: „Beta“, „Ticker“ und „Fonet“ sind solche Privatagenturen, die in den 1990er Jahren mit der Arbeit
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Von 1992 bis 2003 war „Tanjug“ die staatliche Presseagentur der Bundesrepublik Jugoslawien, und von 2003 bis 2006 die staatliche Presseagentur der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro. Seit 2006 ist sie die staatliche Presseagentur der Republik Serbien. Die Agentur beschäftigte Ende 2006 insgesamt 313 Mitarbeiter, davon 147 Journalisten, 27 Übersetzer und 4 Pressefotografen. Das umfangreichste Produkt der Agentur ist der Generaldienst, der Nachrichten, Analysen und Berichterstattungen über die wichtigsten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und sportlichen Geschehnisse landesweit und international beinhaltet. Mehr als 80.000 Nachrichten werden jährlich auf diesem Wege distribuiert.
in Belgrad begannen, als Gegengewicht zur staatlichen Agentur37. Bis zur Auflösung des Staatenbundes Serbien-Montenegro gehörte zum gemeinsamen Medienmarkt auch die einzige montenegrinische Nachrichtenagentur „Mina“, die im März 2002 aus der Fusion der Agenturen „Montena Fax“ und „Montena Business“ entstanden war. In den Zeiten des kalten Krieges zählte die staatliche Nachrichtenagentur „Tanjug“ zu den zehn weltweit bedeutendsten Nachrichtenagenturen. Sie war die wichtigste Agentur der blockfreien Staaten. Ihr gelang es, über einige einschneidende geschichtliche Ereignisse als erste zu berichten: zum Beispiel im Jahr 1975 über die Einnahme Saigons durch nordvietnamesische Truppen, die Invasion in der kubanischen Schweinebucht 1961, den Einmarsch des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei 1968 oder über die Entmachtung Nicolae Ceauescus 1989. Die Möglichkeit, schneller als andere an Nachrichten zu kommen, verdankte „Tanjug“ seinem weitgespannten Korrespondentennetz und der großen Zahl von Mitarbeitern – Ende der 1980er Jahre arbeiten über 1.200 Journalisten, Übersetzer und Pressephotographen für die staatliche Agentur. Im Oktober 2000 wechselte „Tanjug“ fast über Nacht die Seiten. Sie ließ die jugoslawische Öffentlichkeit offiziell wissen, dass sie ab sofort „auf Seiten des Volkes dieses Landes“ stünde und „vollständig, auf der Basis professioneller Standards, wahrhaftig und objektiv, in Übereinstimmung mit den Grundinteressen des Volkes und Landes berichten wird“. Das konnte natürlich nicht vergessen machen, dass „Tanjug“ eine der wichtigsten Säulen im Herrschaftssystem Miloševis gewesen war. Auch andere gelenkte Medien wechselten in jenem bewegten Oktober 2000 die Seiten. Das serbische Staatsfernsehen „RTS“ war nach mehrstündiger Unterbrechung wieder auf Sendung gegangen. Offenbar befand es sich nun aber in den Händen der Opposition. Auf den Bildschirmen erschien zunächst nur der kurze Satz: „Das ist das Programm des neuen Radiound Fernsehsenders Serbiens. Wir bitten sie höflich noch um etwas Geduld, bis wir wieder zu senden beginnen.“ Seit diesen historischen Tagen haben die serbischen Medien einen weiten Weg von der staatlichen Lenkung hin zu unabhängigen und kritischen Medien zurückgelegt. In der Übergangszeit nach der Ablösung Miloševis, als Serbien die Nachwirkungen des Bürgerkrieges, seine Gebietsverluste und Bevölkerungsverschiebungen, grundsätzlich die Unsicherheit seiner territorialen und nationalen Souveränität zu verarbeiten hatte, waren die Medien stark nationalisiert. Angriffe auf die nationale Identität oder was als solche empfunden wurde, löste in den Medien einen größeren Widerhall aus als sie es unter anderen, normalen Bedingungen getan hätten. Das gilt genauso für die Medien des großen Rivalen Kroatien, und erst recht für jenes Gebiet, das Serbien bis heute nicht verloren geben will, für das seit Februar 2008 offiziell unabhängige Kosovo. Auch dort konnte ein Journalist, der sich nicht auf den offiziellen Kurs der politischen Elite festlegen wollte, der zum Beispiel das Projekt Unabhängigkeit vor 2008 oder das Verhältnis der albanischen Mehrheitsbevölkerung zur serbischen Minderheit kritisch sah, schnell als ‚Verräter‘ an den Rand gedrängt sehen.
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„Beta“ erhielt deshalb 2004 und 2005 Zuwendungen der US-amerikanischen regierungsnahen Organisation „National Endowment for Democracy“. „Beta“ bietet Informationsdienste wie „Betanews“ und „Betaweek“ an, eine tägliche bzw. wöchentliche Zusammenstellung von Meldungen und Presseartikeln aus der Region. Außerdem bietet „Beta“ ein Bulletin namens „Beta Monitor“ mit Wirtschaftsnachrichten an, und „Beta Defence“, ein Bulletin mit Nachrichten aus der Sicherheitspolitik.
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2.
Kosovo: die Medien als Motor der Unabhängigkeit
Die Schweizer Organisation „Medienhilfe für Ex-Jugoslawien“ schrieb 2000, daß „auf dem Mist der Nachkriegsgesellschaft im Kosovo die Medienprojekte wuchern“ würden. Dabei wuchere aber vor allem Unkraut. Die internationale Gemeinschaft, die 1999 die serbische Provinz unter ihre politische Verantwortung genommen hatte, dämme den Wildwuchs nicht ein, sondern trage selbst zur Verwirrung bei. Der kosovo-albanische Publizist Shkelzen Maliqi meinte 2000, also nur ein Jahr nach der NATO-Intervention in den KosovoKonflikt: „Das Protektorat im Kosovo baut auf einer Kooperation zwischen, UNO, KFOR und der OSZE auf. Aber das Verhältnis dieser drei Organisationen, besonders zwischen UNO und OSZE, ist nicht immer kooperativ.“ Während die OSZE zum Beispiel eine Mediengesetz-gebung vorbereitete und damit die Grundlage für neue öffentliche Medien im Kosovo legte, gründete die UNMIK (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo) im Alleingang „Radio Television Kosovo“ (RTK) – ohne mit der OSZE oder lokalen Medienschaffenden und Experten im ‚Media Advisory Board’ Rücksprache zu halten. Der neue Sender arbeitete, ohne lokale Leute einzubeziehen, und die Zuschauer beklagten sich häufig über die schlechte Qualität des Programms. Viele fühlten sich beleidigt, weil keine Medienschaffenden angestellt wurden, die 1989 von Belgrad aus den Diensten von Radio Television Priština entlassen worden waren. „RTK“ bestand damals aus „Radio Kosova“ und der Fernsehstation „TVK“. Während „Radio Kosova“ an Profil und Breitenwirkung gewann, weil es lokale Mitarbeiter einbezog, war „TVK“ lange ohne Bodenhaftung. Chef von „TVK“ war damals der Schweizer „SRG“Präsident Eric Lehmann. Er tourte um die Welt, um die benötigten Millionen für „TVK“ aufzutreiben. „RTK“ bewies seine absolute ‚Bodenhaftung’ während der katastrophalen Ausschreitungen im März 2004. „RTK“ übernahm unbesehen, ohne entsprechende Untersuchungen der Polizei und Justiz abzuwarten, die Stimmung der Straße, die die KosovoSerben kollektiv für den Tod zweier albanischer Kinder am Fluß Ibar in Nordkosovo verantwortlich machte. Stimmungsmache auf gefährlich niedrigem Niveau griff von „RTK“ auf die Massenblätter der Provinz über. Auschreitungen waren die Folge, die zum geringstem Teil spontan, zum überwiegenden Teil von politischen Scharfmachern gezielt gesteuert waren, um die serbische Minderheit, das Haupthindernis für die Unabhängigkeit des Kosovo einzuschüchtern. Serbische Zivilisten, aber auch Roma, Ashkali und Gorani wurden Opfer des Mobs. Klostergebäude und Kirchen wurden angezündet, Siedlungen, die die Vereinten Nationen mit erheblichem finanziellem Aufwand für Roma und Ashkali errichtet hatten, wurden bis auf die Grundmauern zerstört. An den Folgen des verantwortungslosen Umgangs von „RTK“ mit der Macht der Medien zeigte sich in abschreckender Weise der Einfluss, den die modernen Medien auf das Verhalten ihrer Zuhörer und Zuseher haben können, wenn sie ihre Macht nicht zur Aufklärung und nüchternen Recherche benutzen, sondern zu diffuser Meinungsmache. Die Provinz Kosovo gehörte bis Februar 2008, als sich Kosovo einseitig für unabhängig erklärte, formal zu Serbien, stand jedoch seit 1999 unter internationaler Verwaltung. Dort gibt es seit der Ablösung Serbiens durch die internationale Gemeinschaft ein weitgefächertes Angebot an Zeitungen und Zeitschriften. Die seriöseste Tageszeitung ist das ehemals von Veton Surroi geleitete Blatt „Koha Ditore“ („Die Tageszeit“). Das Blatt machte sich über das Kosovo hinaus einen Namen, einerseits wegen seines gediegenden Stils, andererseits, weil es unter seinem ersten Chefredakteur, dem kosovarischen Intellektuellen und Politiker Veton Surroi, den kosovo-albanischen Nationalismus nicht unkritisch über-
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nahm und förderte. Im Gegenteil versuchte „Koha Ditore“, einen konstruktiven Diskurs über die eigenen, intraethnischen ‚blinden Flecken’ zu führen. Als sich nach dem Ende des Kosovo-Konflikts Kosovo-Serben aus Angst vor Anschlägen nicht mehr aus dem Haus trauten und mancher Scharfmacher die Serben kollektiv als inferior und verbrecherisch verdammte, meinte Surroi, das sei nur eine andere Form des Faschismus38. Surroi provozierte damit weniger Nachdenken als Morddrohungen. Die „Koha Ditore“ war 1997, noch während der Zeit der sogenannten Untergrundrepublik Kosovo gegründet worden, und erschien von da ab sowohl im Kosovo als auch in Albanien. Wärend des Kosovo-Konflikts, im März 1999, verwüstete die serbische Polizei die Redaktionsräume in Pristina, worauf der Druck der Zeitung ins mazedonische Tetovo verlegt wurde. Ende April 1999 wurden bereits wieder 10.000 Exemplare nach Albanien ausgeliefert und mehr als 2.000 in das Kosovo39. Mit einer Auflage von etwa 50.000 Exemplaren pro Tag ist sie zwar nicht die auflagenstärkste, aber ihres inhaltlichen Niveaus wegen dennoch die einflussreichste Zeitung im Kosovo. Als Veton Surroi den Posten des Chefredakteurs aufgab, um sich ganz der von ihm gegründeten Partei ORA zu widmen, übernahm seine Schwester, Flaka Surroi, die Leitung. „Koha Ditore“ gliedert sich in die Sparten Politik, Kultur, Sport und lokale Nachrichten40. Die Zeitung „Bota Sot“ („Die Welt heute“) – Redaktionssitz wie fast alle kosovoalbanischen Zeitungen in Pristina, aber auch in Zürich und New York – wurde am 26. Juni 1995 gegründet. Sie gehört heute mit einer Auflage zwischen 70 und 120.000 Exemplaren zu den auflagenstärksten Zeitungen im Kosovo. In der Schweiz, wohin in den Jahren vor dem Kosovo-Konflikt viele Kosovo-Albaner emigriert sind41, werden täglich ungefähr
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Surroi schrieb unter der Überschrift „Faschismus im Kosovo als albanische Schande“, Untertitel: Die systematische Einschüchterung der Serbinnen und Serben im Kosovo bringt Schande über die Albanerinnen und Albaner in dieser Provinz und wird weitreichende und lang anhaltende Folgen haben (Koha Ditore): „Die heutige Gewalt, mehr als zwei Monate nach Ankunft der Nato-Truppen, ist mehr als nur eine emotionale Reaktion. Das ist eine organisierte und systematische Einschüchterung aller Serbinnen und Serben aus dem einzigen Grund, dass sie serbisch sind und deshalb als kollektiv schuldig gemacht werden für alles, was im Kosovo geschah. Solches Benehmen ist faschistisch. Die Bevölkerung des Kosovo hat sich genau gegen solches Benehmen die letzten zehn Jahre lang gewehrt und dagegen gekämpft – zuerst friedlich und dann mit Waffen.“ [http://archiv.medienhilfe.ch/News/Archiv/1999/KosoWar/surroi.htm]. Vgl.: www.nettime.org/Lists-Archives/nettime-l-9906/msg00115.html. Koha Ditore plant, auch für Fernsehsender Beiträge zu liefern und über das Internet eine größere Auflage zu erreichen. Dazu kooperiert man bereits mit dem kroatischen Sender B92. Vom Gang ins Internet verspricht man sich größere Objekitivät was die Vorgänge auf dem Balkan betrifft. Über den Sender ARTA sendet die Zeitung bereits Nachrichten im Internet, auf Albanisch und Englisch. Ein internationaler Fernsehsender hat ebenfalls vor, der Zeitung Raum für Nachrichten über das Fernseh zu gewähren. Diese Nachrichten sollen laut Planung täglich erscheinen. Das Projekt wird von UNESCO und EU unterstützt. In der Schweiz gab und gibt es daher eine größere Zahl albanisch-sprachiger Medien. Neben den Printmedien (Koha ditore, Bota sot etc.) gibt es auch einige Radiobeiträge in den Programmen nicht-kommerzieller Rundfunksender: die Sendung LAM`ë auf Radio Rabe, das kosovo-albanische Magazin auf Radio Lora, die Sendung Kompass auf Kanal K, die jeweils am Dienstag eine albanischsprachige Sendung ausstrahlt und das „Radio Besa“ innerhalb von „Radio Rasa“, das eine Kosovo-albanische Kultur- und Informationssendung in albanischer Sprache produziert. Es gibt außerdem die Zeitschrift „info SHQIPTARE“, eine monatliche Informationszeitung für kosovo-albanische Flüchtlinge in der Schweiz, die von den Medienschaffenden Xhevdet Kallaba aus dem Kosovo und Jan Poldervaart aus der Schweiz produziert wird das Ziel verfolgt, die Flüchtlinge bei den Vorbereitungen für ihre Rückkehr in den Kosovo zu unterstützen. Sie wird von der Asyl-Organisation in Zürich vertrieben. Die Homepage www.albanien.ch bezeichnet sich als die Schweizerische Informations- und Koordinationsstelle für Albanien. Sie ist die Homepage der Zeitschrift newsletter Albanien, der Schweizer Zeitschrift für die Zusammenarbeit mit Albanien. Die Homepage enthält Informationen zum Land Albanien und zur Region Kosovo.
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7.000 Stück der Zeitung verkauft42. „Bota Sot“ gilt als nationalistisches Blatt, dem mehrfach, u.a. von der OSZE, rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen vorgeworfen wurden und das auch wiederholt zu Geldstrafen verurteilt wurde. 2001 ermittelte das Schweizer Bundesamt für Polizei wegen mehrfachen Verstosses gegen das Antirassismusgesetz. Die Schweiz war in den Jahren des Kosovo-Konflikts zu einem „Hinterland der kosovarischen Befreiungsarmee UÇK“43 geworden. In der Schweiz mischten sich kosovarische Freiheitsaktivisten mit albanischen Mafiosi, wobei oft unklar war, wessen Interessen dominierten. Was „Bota Sot“ schreibe, sei nicht nationalistisch oder fremdenfeindlich, sondern ganz einfach primitiver und perfider Boulevardjournalismus, meinten KosovoAlbaner, die die „Neue Zürcher Zeitung“ befragte. Die Schweizer Organisation „Medienhilfe“ konstatierte dagegen, dass die „Liste der professionellen Entgleisungen“ der „Bota Sot“ lang sei. Die Schweizer Hauptredaktion befindet sich am Zürcher Bahnhofsplatz, als Untermieterin des illustren Tessiner Geschäftsmannes Behgjet Pacolli. Der gebürtige Albaner Pacolli kam vor allem wegen des Kreml-Umbaus durch seine Firma „Mabetex“ in die Schlagzeilen. Die wegen Rassendiskriminierung beanstandeten Artikel der „Bota Sot“ richteten sich in erster Linie gegen Serben und Mazedonier, denen die Kosovo-Albaner Unterdrückung und Schikanierung ihrer Volksgruppe vorwarfen, aber auch gegen die eigenen Landsleute, die die Zeitung gerne als Verräter beschimpft. Als Verräter machte die Zeitung in ihrer Ausgabe vom 18. Februar 2004 den Politiker und ehemaligen Verleger der „Koha Ditore“44, Veton Surroi, aus. Surroi wurde in einem Artikel als „Verräter am albanischen Volk“ und „Spion des jugoslawischen Geheimdienstes“ verunglimpft. Sein Verbrechen? Er hatte sich zu einem Gespräch mit Slavisa Petkovi, Regierungsminister für Rückkehrfragen in der Regierung Serbiens, getroffen. Das Thema des Gespräches waren die Rückkehrmöglichkeiten geflüchteter und vertriebener Serben in den Kosovo. Surrois Verbrechen sei seine „Serben-Freundlichkeit“. Er betreibe eine „proslawische Politik“ und profiliere sich als „Schutzmacht der Serben“. Und dies nicht zum ersten Mal, hätten doch schon sein Vater und sein Großvater im Solde Belgrads gestanden. Wie sonst, wenn nicht als „Händler des Blutes der Märtyrer“, fragte die „Bota sot“ pathetisch, hätte Surroi reich werden können, in einer Zeit, da die Söhne und Töchter Kosovas unter dem Krieg litten. Solche Anschuldigungen konnten und können tödlich sein in einem Umfeld, in dem ehemalige Kriegsherren nach wie vor die Politik und das Geschehen im Kosovo bestimmen. Weiterhin bestehende paramilitärische Einheiten der Albanischen Befreiungsarmee ANA, engstens verflochten mit wirtschaftskriminellen Personen und Strukturen, die von Waffen-, Drogen- und Menschenschmuggel leben, können solche Artikel schnell als Aufforderung verstehen, den Kampf des albanischen Volkes gegen die slawische, sprich serbische Herrschaft weiterzuführen und den „Verräter“ aus dem Weg zu räumen, so das Fazit der „Medienhilfe“45. Darüberhinaus standen derartige Hetzartikel in direktem Gegensatz zur proklamierten Politik der kosovo-albanischen Führung. Am 25. Februar 2004 hatte der ehemalige UÇK-Kommandant und spätere Premierminister des
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Vertreiber sind die Kiosk AG und die Naville SA. „Zürichs Albaner im Banne der UCK“. Das politische Engagement der albanischen Diaspora. In: Neue Zürcher Zeitung, 18. Juli 2001 [www.nzz.ch/2001/07/18/zh/article7iy6f_1.456029.html]. Veton Surroi gab den Besitz der seit 1999 finanziell eigenständigen und als am seriösesten geltenden Tageszeitung an seine Schwester Flaka Surroi ab. 2005: Bota Sot Dokumentation. Aus dem Editorial des mh-info 2005-01 (März 2005) [www.medienhilfe.ch/de/dossiers-debates/bota-sot].
Kosovo, Ramush Haradinaj, gemeinsam mit den kosovo-albanischen Bürgermeistern die Serben dazu aufgerufen, in den Kosovo zurückzukehren. Der Verdacht lag nahe, dass zwischen verlautbarter Politik, die sich oft an dem orientierte, was international gerne gehört wurde, und der öffentlichen Meinung, die sich zum Beispiel in den Spalten der „Bota Sot“ offenbart, ein Graben klafft. Man schien weniger daran interessiert, den Graben zwischen den Ethnien zuzuschütten, als den antislawischen Reflex der Albaner zu zementieren, den auch die Tageszeitung „Epoka e re“ („Die neue Epoche“) bedient, ein eindeutig radikales, nationalistisches Blatt, in dem jeder als Abweichler und Verräter der kosovo-albanischen Sache diskreditiert wird, der nicht unmißverständlich die Unabhängigkeit des ganzen Kosovo von der Republik Serbien und heute von den Einschränkungen der Souveränität des Kosovo durch die Auflagen der internationalen Gemeinschaft verficht. In den Artikeln taucht nicht selten und nicht nur zwischen den Zeilen der Gedanke auf, die Unabhängigkeit sei nur der erste Schritt zur Vereinigung aller mehrheitlich albanisch besiedelten Gebiete in Südserbien, Mazedonien und in Montengro zu einem sogenannten ‚Großalbanien’. Es ist kein Geheimnis, dass maßgebliche Politiker der albanischen Regierung des Kosovo besonders der „Epoka e re“ gedanklich am nächsten stehen. In den Jahren 2006 und 2007, als die Hoffnung stetig wuchs, jeden Tag könne die Unabhängigkeit der Provinz von Serbien verkündet werden, enstanden mehrere Zeitungen. Diese artikulierten schon im Titel die Zuversicht, zum Beispiel die „Pavarësia News“, übersetzt „Unabhängigkeits-News“. Oder die „Iliria Post“, eine Zeitung, die das BroadsheetFormat wählte, um schon vor der Unabhängigkeitserklärung staatstragend zu erscheinen. Dass die Albaner des Kosovo dieses Land für sich beanspruchen, dokumentierte schon der Name „Iliria“. Denn es ist unbestittener Konsens unter den Kosovo-Albanern, dass sie direkt von den antiken Ureinwohnern der Kosovo-Region, den Illyrern, abstammen würden. Daraus leiten die Albaner ein eindeutiges Vorrecht vor den Serben auf den Boden des Kosovo ab. Dieses Vorrecht wird nicht nur von den traditionellen Medien, den Zeitungen und dem Fernsehen vertreten. Im Netz gibt es eine Vielzahl von Foren und Internetseiten, in albanischer Sprache und den jeweiligen Landessprachen, die sich mit aktuellen politischen Fragen rund um das Kosovo beschäftigen, zum Beispiel die deutschsprachige Seite „kosova-aktuell“ oder die Seiten politischer Bewegungen wie „Vetëvendosje“ (alban.: Selbstbestimmung), die publizistisch und politisch äußerst engagiert, bisweilen auch mit kritischen Methoden für den Abzug aller internationalen Organisationen aus dem Kosovo, für das Ende des „Protektorats“, wie sie es nennen, und damit die volle Souveränität des Kosovo kämpft. Wer die internen Probleme und Machenschaften, die auf dem Weg dorthin passieren, offen kritisiert, wer sich für eine offene Gesellschaft im Kosovo einsetzt, kann dabei leicht in die Schußlinie geraten.
2.1
Kosovos Medien und die Unabhängigkeit
Mehr als 58,6 Millionen Euro haben Organisationen, Stiftungen und NGOs von 1996 bis 2006 in die Medienhilfe im Kosovo investiert - mediale Unabhängigkeit galt als zentrale Vorraussetzung zur Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft. Bis heute sind die Medien jedoch alles andere als friedensstiftend: ethnisch-nationalistisch gefärbte Berichterstattung lässt differenzierte Sichtweisen nicht zu und stachelte immer wieder aufkommende Konflikte zwischen der serbischen und albanischen Bevölkerung an. Offizielle Amtsspra-
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chen des Kosovo sind zwar Serbisch und Albanisch, wobei es wenig Gelegenheit gibt, Serbisch zu sprechen. In der Hauptstadt Pristina leben nur noch etwa 140 Serben unter insgesamt 550.000 Einwohnern. Von den rund zwei Millionen Bewohnern des Kosovo sind mittlerweile gut 90 Prozent Albaner und nur sieben Prozent Serben – 1981 waren es noch 13 Prozent. Für das tiefsitzende Mißtrauen zwischen Serben und Albanern sind die kosovarischen Medien ein plakatives Beispiel. Extrem „Wir-Gruppen“ fixiert, ist die Berichterstattung sehr einseitig. Der nationale Fernsehsender „RTK“ lieferte zuletzt 2004 sogar mit hetzerischen Berichten den Anstoß für tödliche Ausschreitungen, die sich binnen Stunden über das ganze Kosovo ausbreiteten, vor allem in die Enklaven der Minderheiten, der Serben, Ashkali und Roma. In den albanischsprachigen Medien des Kosovo kommt die serbische Minderheit kaum vor, es sei denn, es geht um die angeblich zweifelhafte Rolle Belgrads, zum Beispiel dessen Unterstützung für die Kosovo-Serben in den Enklaven im Süden oder im mehrheitlich serbischen Nord-Kosovo, das sich der Vereinnahmung durch den unabhängigen Staat Kosovo zu entziehen versucht. Die Serben im Kosovo haben keine eigenen landesweiten Medien und informieren sich meist über Radio und Fernsehen aus Belgrad, wo wiederum die Albaner in der Berichterstattung schlecht abschneiden. Für die Kosovo-Albaner ist die wichtigste Informationsquelle das Fernsehen. Die wichtigste der drei landesweiten Fernsehstationen ist das im Jahr 2000 mit Hilfe der Europäischen Rundfunkunion (EBU), der OSZE und der Vereinten Nationen gegründete öffentlich-rechtliche „Radio Television Kosovo“ (RTK)46,
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In diesem Jahr luden UNMIK und OSZE die “European Broadcasting Union” (EBU) ein, einen unabhängigen öffentlichen Sender im Kosovo einzurichten und zu verwalten. Im September 1999 begann „RTK“ mit der Übertragung von zweistündigen täglichen Notprogrammen über einen analogen Satelliten. Im Oktober 1999 übergibt die OSZE die wiedererrichtete öffentliche Radiostation „Radio Pristina“ an „RTK“. Die Station geht als „Radio Kosovo“ wieder auf Sendung. Das UN-Radio „Radio Blue Sky“ wird Teil von „RTK“.“Blue Sky” ist ein multiethnischer Sender, der sich v.a. an die jüngere Generation wendet. Im Oktober 2000 werden die technische Ausrüstung von Fernsehen und Radio gründlich erweitert, dank einer substanziellen Spende der japanischen Regierung..Im November 2000 erweitert „RTK“-Fernsehen sein Programm und sendet nun vier Stunden täglich: eine wöchtliche Nachrichtensendung in Serbisch; Nachrichten in Türkisch und ein wöchtliches türkisches Nachrichtenmagazin. Radio und Fernsehen senden ab sofort über das neue „Kosovo Terrestrial Transmission Network“. 2001: Die UNMIK Broadcasting Regulation 2001/13 etabliert „RTK“ formell als unabhängige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt mit einer offiziell unpolitischen Direktion. Die beiden Radiostationen führen ein „live audio streaming“ auf ihren Webseiten ein, um ein weltweites Publikum zu erreichen. Im Juli 2001 erhöht „RTK“ seine Sendezeit auf sieben Stunden täglich. Die neuen Programme enthalten ein wöchtliches Programm für Landwirte, ein wöchtliches Wirtschaftsmagazin und ein wöchtliches Informationsmagazin für die kosovo-albanische Diaspora. Eine tägliche Nachrichtensendung in Bosnisch wird eigenführt. Das Fernsehen stellt von analogen auf digitalen Satellitenempfang um. Im September 2001 konstituiert sich die Direktion und wählt Adem Demaci zum Vorsitzenden. Im Dezember 2001 endet das Mandat der EBU als Manager von „RTK“. Agim Zatriqi wird der erste lokal ernannte Generaldirektor von „RTK“. „RTK“ erhält eine einjährige Überbrückungsfinanzierung aus dem konsolidierten Kosovo-Budget, wobei die Einführung einer öffentlichen Lizenzgebühr im Jahr 2003 Voraussetzung ist. Anfang 2002 erhöht „RTK“-TV seine Sendezeit auf 15 Stunden täglich terrestrisch und über Satellit. 65% des Programms wird lokal produziert und 35% von ausländischen Sendern oder Produktionsfirmen erworben. Im Januar 2002 eröffnet „RTK“ sein KorrespondentenBüro in Tirana. Im April startet ein Morgenprogramm. Im Juni führt „RTK“ ein wöchtliches Nachrichtenmagazin in bosnischer Sprache („Most“) ein. Im Juli 2002 ist die „RTK“-Webseite „rtklive.com“ zugänglich. Die erste Fernsehserie im Nachkriegs-Kosovo „Moderne Familie“ geht im Oktober auf Sendung. Zugleich vergibt „RTK“ erstmals zwei Preise, „Drita Germizaj“ für den besten Nachrichtenmoderator, und den „Rudolf Sopi“Preis für die besten Kameramänner. Anfang 2003 wird eine Kooperationsvereinbarung zwischen „RTK“ und „EBU“ unterzeichnet. Im Februar bzw. März startet eine Werbekampagne für die Lizenzgebühr „Res Publica“. Im selben Monat geht ein Unterrichtsprogramm auf Sendung, im Mai das Nachrichtenbulletin „Info“. Ende Mai führt das „Center for humanistic studies ‘Gani Bobi’“,eine Publikumsbefragung durch. Das wenig überraschende Ergebnis ist, dass „RTK“ die am meisten gesehene TV-Station des Kosovo ist. Im Juni unterzeichnet
dessen einziger Sender ungefähr siebzig Prozent der Bevölkerung erreicht. Dieser hätte aber seine Aufgabe, unparteiisch zu informieren, so der EBU-Präsident Fritz Pleitgen gegenüber dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, bis heute nicht erfüllt. Zumindest eine Sendung kann das für sich in Anspruch nehmen und war deshalb auch heftigsten Angriffen ausgesetzt: in „Life in Kosovo“ erfährt man jeden Freitag zur Prime Time auf „RTK“ etwas von der ‚anderen Seite‘: das Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) lädt hier ungewöhnliche Gäste zum Gespräch. Bis zum Zeitpunkt, da Vertreter der serbischen Regierung eine Woche vor der Unabhängigkeits-erklärung in der Sendung waren, erzählte die Moderatorin der Sendung, Jeta Xharra, war die kosovarische Öffentlichkeit der festen Überzeugung, Serbien würde mit erneutem Krieg reagieren. Doch dann sprach der Minister während der Sendung lediglich von finanziellen Blockaden, was eine Sensation war. Dies im „RTK“ zur besten Sendezeit zu sagen, zerstörte Stereotype. Als entscheidend sah Xharra nicht die Frage an, ob sich Serben und Albaner im Kosovo versöhnen werden, sondern ob die Medien in der Lage sein würden, eine gesellschaftliche Wächterfunktion zu übernehmen. Zwar gibt es mittlerweile das mehrsprachige Radionetzwerk „CerpiK“ und die multiethnische Redaktion der auf Serbisch erscheinenden Zeitung „Civic Herald“. Von den großen Zeitungen versucht aber keine, wirklich kritisch und neutral zu sein. Es war lange unmöglich für ein albanisches Medium, die eigene Seite zu kritisieren, weil das sofort als Opposition gegen das Ziel der Unabhängigkeit ausgelegt wurde. Dass die serbische Seite Kritik und scheinbare Uneinigkeit als Versagen der KosovoAlbaner hinstellen könnte, war eine Angst, die gerade während der Statusverhandlungen das Klima in der kosovarischen Öffentlichkeit und nicht zuletzt in den Medien auf den Siedepunkt brachte. Die Unabhängigkeit, hieß es allenthalben, werde das alles ins Lot bringen. Ob die prognostizierten Veränderungen sich auch in der Praxis positiv auswirken, hängt sehr stark davon ab, ob man der im Durchschnitt 25 Jahre alten, perspektivlosen Bevölkerung eine bessere Zukunft wird bieten können – denn „eine gute Mahlzeit und ein ruhiger Schlaf erleichtern die politische Verständigung“, so der Chefredakteur der „Koha Ditore“ in der „Neuen Zürcher Zeitung“.
2.2
Morddrohungen und Spionagevorwürfe – „Life in Kosovo“
Die Zukunft des Kosovo und die seiner Medien sind vor allem deshalb ungewiss, weil die in Politik und Wirtschaft Mächtigen neben ihren eigenen Interessen, vor allem von Claninteressen geleitet werden. Wenn irgendetwas nicht funktioniert, sei es die Finanzierung der Sozialversicherung oder die Infrastruktur, werden zuerst die internationalen Organisationen oder ‚Belgrad‘ dafür verantwortlich gemacht. Die Beschuldigung eines Konationalen oder gar Clanmitglieds ist weitgehend undenkbar. Kritik an Miss- und Vetternwirtschaft aus den eigenen Reihen gilt als Nestbeschmutzung, weshalb es couragierte Journalisten, die ihre
der SRSG Michael Steiner die UNMIK Verwaltungsdirektive zur Implementierung einer „RTK“Lizenzgebühr. Ausserdem wird eine „RTK“-Big band gegründet. Im September startet „RTK“ ein Nachrichtenmagazin in einer weiteren Minderheitensprache: das Magazin „Yekhipe“ in Romanes. Am 15. September eröffnet „RTK“ ein Korrespondenten-Büro in Tetovo. Am 22. Dezember 2003 erreicht „RTK“ erstmals ein 24Stunden-Programm. Im März 2009 unterzeichnet der „RTK“-PR-Manager, Bukurije Gjonbalaj, eine Verlängerung der Service-Vereinbarung unter Aufsicht des EBU-Generaldirektors, Jean Réeillon. „RTK“ war nun in der Lage, über Satelliten- und terrestrische Netzwerke zu senden, was auch zwei Radiostationen einschließt.
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Verantwortung ernstnehmen, alles andere als leicht haben. Beispiele gibt es zuhauf. Als Anfang September 2003 Personen, die bei einem Zwischenfall im Gefängnis von Dubrava verletzt worden waren, in das Krankenhaus von Pe/Peja eingliefert wurden, kam es zwischen den Journalisten des Senders „RTK“ (Radio Televizioni i Kosovës) und Polizisten der ShPK (Sherbimi Policor i Kosovës) zu Reibereien. „RTK“ berichtete von Angriffen und Misshandlungen durch die Kosovo-Polizei. ShPK-Sprecher Barry Fletcher erklärte, ein Polizist habe bei dem „unnötigen Konflikt“ durch eine Journalistin Kratzwunden erlitten, während die Journalistin unverletzt geblieben und auch nicht festgenommen worden wäre. Die „RTK“-Version wurde dagegen vom „Verband der Professionellen Journalisten Kosovas“ (AGPK) gestützt. Der Angriff zeige die Risiken für Journalisten in Kosovo sowie den Zustand der kosovarischen Gesellschaft und seiner Institutionen. Barry Fletcher sagte eine Untersuchung des Vorfalls zu. Sollte die Polizei schuldig sein, würden entsprechende Maßnahmen ergriffen. Wie prekär die Situation des Journalismus im Kosovo auch im Jahr 2009, zehn Jahre nach dem Nato-Bombardement und ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung sein kann, zeigt der Fall der oben erwähnten Fernsehjournalistin Jeta Xharra. Sie wurde allen Ernstes beschuldigt, eine Spionin Belgrads zu sein. Die Kampagne gegen Xharra ging von einer Gruppe von regierungsfreundlichen Presseorganen des Kosovo aus, die zwar Donnerworte in Richtung Belgrad begrüßten, sich aber Kritk an den eigenen Institutionen, wie sie die Senung „Life in Kosovo“ vortrug, strikt verbaten. Das große Manko der Gesellschaft und damit auch der Medien des unabhängigen Kosovo ist die Neigung, alle Defizite und Probleme auf die Organisationen der internationalen Gemeinschaft und auf Serbien zu schieben. Wenn die Sozialsysteme versagten, wenn die ausländischen Investionen nicht in dem Maße fließen wie man sich das mit der Erklärung der Unabhängigkeit vorgestellt hatte, selten bis nie wurde in den Medien ein heimischer Politiker dafür verantwortlich gemacht. Eben bis zu dem Tag, da „Life in Kosovo“ mit seiner Moderatorin Jeta Xharra auf Sendung ging. Die Sendung der Fernsehgesellschaft „RTK“, die einmal wöchtlich zu sehen ist, spricht kontroverse, ja hochgradig tabuisierte Themen an wie die Nachlässigkeit von Ortsbeamten, Korruption, Verbrechen der Befreiungsarmee UÇK, bis hin zu Homo-sexualität, was im Frühjahr 2009 zu irrationalen Vorwürfen führte wie dem, Xharra sei eine Agentin des serbischen Geheimdienstes. Sie erhielt Morddrohungen und wurde in den Leserbriefspalten der Zeitung „Infopress“, die der Regierung nahesteht, übelst beschimpft. „Jeta hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie ein kurzes Leben hat“, hieß es in einem der abgedruckten Briefe. Erklärungen folgten. Die Gesellschaft des Kosovo sei noch von den Schrecken des Krieges traumatisiert. Solidaritätsaktionen folgten ebenfalls. Niemand dürfe die Freiheit der Presse angreifen, hieß es von regierungsamtlicher Seite. Am 28. Mai 2009 widmete sich „Life in Kosovo“ eben diesem Thema. Xharra diskutierte, wie die Regierung durch gezielte Werbung die Medienlandschaft beeinflusse und wie die jüngsten Entlassungen von Journalisten Politiker und Behördenvertreter in Verlegenheit gebracht hatten. Ein Video wurde eingespielt, das zeigte, wie das Journalistenteam von „BIRN Kosovo“, einer Agentur, die sich auf Nachrichten auf Südosteuropa spezialisiert hat, aus dem „Office for Public Information“ des Verwaltungsbezirks Skenderaj in der Region Drenica geworfen wird und von einem bewaffneten Mann, der die Aufnahmen des Teams beschlagnahmte, aus dem Ort eskortiert wird. Von der Zeitung „Infopress“, die den Löwenanteil an Werbeeinnahmen von der Regierung erhält, griff daraufhin Xharra an. Sie hätte die Region Drenica herabgesetzt. In den Leserbriefspalten von „Infopress“ fand sich daraufhin eine Flut von Beschimpfungen und Drohungen. Da sie in früheren Sendungen bereits mehrmals von der Nachlässigkeit der Beamten und der Armut in der Region Drenica berichtet hatte und sich
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Parteilichkeit nicht vorwerfen lassen wollte, forderte Xharra die Regierung auf, die ja „Infopress“ nahestand, sich von dieser Schmierenkampagne zu distanzieren – um jeden Verdacht auszuräumen, dass diese Angriffe Teil einer größeren Kampagne seien, um eine unparteiische Quelle unter Kontrolle zu bekommen oder gar auszuschalten, zumal da für Ende 2009 Wahlen im Kosovo angesetzt waren. Die Distanzierung blieb, wie nicht anders zu erwarten, aus. Das EU-Büro für Außenbeziehungen, RELEX Kosovo, versprach, sich für die Redefreiheit im Kosovo allgemein und in diesem speziellen Fall einzusetzen und begrüßte die Stellungname von Peter Feith, Chef des Civil International Office im Kosovo, der ebenfalls für Redefreiheit im Kosovo plädiert hatte.
2.3
Medienfreiheit im Kosovo: Opfer „höherer Interessen“?
Das prinzipielle Problem, das sich der Medienfreiheit im Kosovo stellt, ist eine Gesellschaft, die von Gruppeninteressen zerrissen ist. Diese Gruppeninteressen werden durch offenen Lobbyismus bis hin zu Gewalt durchgesetzt. Die internationale Gemeinschaft, die sich mit gewaltigen Summen im Kosovo engagiert hat, will in absehbarer Zeit, da das Militär das Kosovo bald verlassen soll, eine gelungene Nachkriegs-Gesellschaft präsentieren. Die gewachsenen Strukturen aus Vettern- und mafiöser Clanwirtschaft sind kaum zu zerschlagen, weshalb die Proteste gegen Fälle wie „Life in Kosovo“ nur die Symptome kurieren. An die Wurzel der bedrängten Pressefreiheit geht man damit nicht. Die Politik nimmt offen Einfluß auf die Interna zum Beispiel beim Fernsehsender „RTK“. Kritiker der „European Broadcasting Union“ nannten den Sender sogar den verlängerten „Medienarm des Premierministers“. Als der Generaldirektor des Senders, Agim Zatriqi, nach acht Jahren im Amt zurücktrat – aus persönlichen Gründen, wie es hieß – lag der Verdacht nahe, dass viel eher politischer Druck daran schuld war. „Koha Ditore” schrieb, Premierminister Hashim Thaci hätte Zatriqi gebeten, den Nachrichtenchef wiedereinzustellen, den Zatriqi wegen mangelnden Professionalismus entlassen hatte. Andernfalls, warnte Thaçi, würde seine, also Zatriqis Akte „geöffnet“ werden. Der Verband der Journalisten des Kosovo äußerte wegen dieses und anderer Vorkommnisse seine ernste Besorgnis über die jüngsten Entwicklungen bei „RTK“. Obendrein hatte sich das Parlament des Kosovo drei Jahre lang nicht darum gekümmert, den Verwaltungsrat von „RTK“ neu zu besetzen, und das bei einem Sender, der im Kosovo die bei weitem meisten Zuhörer und Zuschauer hat. 90 Prozent der Einwohner geben nämlich an, sie würden das „RTK“-Programm regelmäßig einschalten. Der Sender finanziert sich durch monatliche Pflichtzahlungen. Diese werden bei jedem Haushalt, der im Besitz eines Fernsehapparats ist, direkt mit der Stromrechnung abgebucht werden. Da aber die Stromrechnung in vielen Fällen nicht bezahlt wird, so dass die nationale Stromgesellschaft oft genug mit Abschaltung droht, ist auch die finanzielle Situation von „RTK“ nicht ganz so rosig. Ungefähr 26 Prozent des täglichen Nachrichtenangebots werden in Minderheiten-sprachen wie Serbisch, Türkisch, Bosnisch und Romanes gesendet. Soweit es sich nicht um Minderheiten wie Ashkali oder Roma handelt, die auf das offizielle Angebot angewiesen sind, bedienen sich die serbische oder bosnische Minderheit ohnehin ihrer jeweiligen nationalen Sender in Serbien oder in BosnienHerzegowina. Sie stört es also wenig bzw. sie waren wenig überrascht, als die „European Broadcasting Union“ (EBU) dem kosovarischen Premierminister Hashim Thaçi vorwarf, aus der nationalen Rundfunkanstalt einen „Medienarm der regierenden Partei“ machen zu wollen.
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Der Vorsitzende der „EBU“, Jean Réveillon, schrieb 2004 in einem persönlichen Brief an den Premier, „RTK“ sei „mit einem fortwährenden Prozess politischer und wirtschaftlicher Einmischung“ konfrontiert, in einem von der Regierung gesteuerten Versuch, die Anstalt in ein „Staatsfernsehen“ zu verwandeln. Vor der Unabhängigkeit wäre „RTK“, schrieb Réveillon, eine Erfolgsgeschichte gewesen, nicht zuletzt wegen des multiethnischen Charakters der Belegschaft des Senders. Kritische oder abweichende Stimmen würden nun mundtot gemacht, dem Direktorium ein Maulkorb verpasst. Der Sender verliere sein Renommée, was der internationalen Anerkennung des Kosovo, dem großen Wunsch der politischen Klasse des Kosovo, nur schaden könne. Die Reaktion des Regierungssprechers Memli Krasniqi hätte nicht typischer ausfallen können: er könne sich noch nicht zum Schreiben Reveillons äußern, weil es ihm noch nicht vorliege. Sollte der Brief nach vier Uhr nachmittags eingetroffen sein, zu einer Zeit, da das Protokollbüro bereits geschlossen ist, könne es ihm auch nicht möglich sein, davon Kenntnis zu haben und sich dazu zu äußern. Der Brief war in der Zwischenzeit an den Präsidenten der Europäischen Kommission, den Generaldirektor der UNESCO, an den Generalsekretär des Europarates, die OSZE, und an etliche Mitglieder des Europaparlaments verschickt worden! Nach den großspurigen Ankündigungen der führenden Politiker des Kosovo, der neue Staat werde ein verlässlicher Partner sein, der die Mitgliedschaft in EU und Nato anstrebe, hatte man nicht damit gerechnet, sich nun mit den Eigenheiten eines nationalen Parteiführers auseinandersetzen zu müssen. Thaçi war in erster Linie erster Premier des nunmehr freien Kosovo und Führer seiner Partei, der demokratischen Partei des Kosovo (PDK). Erst danach fühlte er sich einer internationalen Gemeinschaft verpflichtet, die zwar den Weg zur Unabhängigkeit geebnet hatte, aber sonst möglichst wenig Einfluss auf die inneren Angelegenheiten des Kosovo zu nehmen hätte. Die ehemalige Mitarbeiterin des zurückgetretenen „RTK“-Generaldirektors Zartiqi, Jeta Xharra, Moderatorin von „Life in Kosovo“, bestätigte das. Der Rückzug von Agim Zartiqi würde den Informationsauftrag des kosovarischen Fernsehens in einem Moment schwächen, da die politische Klasse fest entschlossen sei, dessen Unabhängigkeit zu beschneiden. Mit seinen acht Dienstjahren wäre Zatriqi länger an der Spitze einer staatlichen Organisation als jeder Premierminister oder Parteipolitiker, der nun Druck auf ihn ausübe, weil die Art, wie Zatriqi das Programm gestaltet, nicht seiner kleinkarierten Vorstellung entspricht, die er von Fernsehen hat – ein deutlicher Seitenhieb Xharras auf den allmächtigen Premier. Zartiqi hatte es in all den Jahren gelernt, sich mit den Mächtigen zu arrangieren. Doch als man ihn zwingen wollte, einen inkompetenten Ex-Kollegen wiedereinzustellen, war seine Kompromissbereitschaft ausgereizt. Vor den im November 2009 anstehenden Wahlen, die der junge Staat erstmals zu organisieren hatte und die für sein internationales Ansehen entscheidend waren, könne er keinen Nachrichtenchef eines landesweiten Senders verantworten, der so deutlich von enggefassten Parteiinteressen geleitet sei. Zatriqi verstand sein Amt anders. Man bescheinigte ihm sogar, dass er aus „RTK“ einen populäreren und vor allem unabhängigeren Sender gemacht hätte, unabhängiger selbst als die staatlichen Sender Serbiens oder Albaniens. Trotz aller Widerstände und dem Zwang, fünf Sprachen unter einen Hut zu bringen, hatte er es geschafft, trotz begrenzter Mittel – jeder Zuseher hat nur 3 Euro 50 pro Monat zu zahlen, und daran hält sich nicht einmal jeder – ein qualitativ hochwertiges Programm auf die Beine zu stellen, das möglichst ohne lateinamerikanische Seifenopern auskommt, die Zatriqi als „öffentliche Gehirnwäsche“ verachtete. Was er nicht geschafft hatte, war, bestimmte Journalisten, deren parteipolitische Gesinnung jeder ihrer Reportagen und Berichte allzu deutlich anzusehen war, vor die Tür zu setzen – vor allem weil die Politiker ihm immer wieder vorhielten, er räume diesen Journa-
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listen zu wenig Raum ein. „RTK“ war als Arbeitgeber auch deshalb begehrt, weil Zatriqi Langzeit-Verträge abschloss, ein Privileg, das die meisten Angestellten außerhalb öffentlicher Institutionen im Kosovo nicht kennen. Mit Zatriqis Abgang drohte der staatliche Rundfunk unter die Kontrolle politischer Kräfte zu geraten, die den Sender als verlängerten Arm der Politik betrachteten, die ihn zu einer Art Staatssender degradieren wollten. Das sei nicht verwunderlich, meinten Zyniker, denn schließlich sei das die auf dem Balkan typische Form. Hemmend wirkt sich auch die Mentalität im Kosovo aus, die durch die lange Präsenz der internationalen Organisationen wie der Vereinten Nationen, der OSZE und der Kfor gefördert worden ist: dass die Segnungen von oben kämen, dass sich die Professionalität des Rundfunks von selbst einstellen würde, und dass Kulturformate und seriöse Information den Sensations-journalismus von selbst verdrängen würden. Einfluss auf Zatriqis Amtsführung versuchte nicht nur die Politik zu nehmen, sondern auch die Führer der muslimischen Religions-gemeinschaft im Kosovo. Ihnen erschienen so manche Formate von „RTK“ allzu westlich liberal. Hier zeigte sich der Einfluss konservativer bis fundamentalistischer Strömungen im Kosovo-Islam, der gerne in Abrede gestellt wird und der wenig mit der vielbeschworenen religiösen Toleranz des Balkan-Islam zu tun hat. Außerdem wird die Medienfreiheit im Kosovo von der Kombination zweier Phänomene erschwert, die es in dieser Form in den anderen südosteuropäischen Ländern nicht gibt: Problem Nummer eins ist das grundsätzliche, auch aus Serbien oder Kroatien bekannte ‚post-sozialistische’ Unbehagen daran, dass sich jede gesellschaftliche Kraft Kritik gefallen lassen muss. Hinzu kommt, dass es im Kosovo eine kritische Öffentlichkeit praktisch nicht gibt. In Serbien oder Kroatien betrat mit dem Ende des Sozialismus sofort die Opposition die Bühne der Öffentlichkeit. Sie wagte es, politische und soziale Defizite anzusprechen. Im Kosovo konzentrierte sich alle Kritik auf den großen Bruder Serbien. Dahinter traten alle sonstigen Probleme, die durchaus vorhanden waren, weit zurück – die mangelnde Transparenz politischer Entscheidungen, die Vetternwirtschaft, die ethnischen Konflikte. Alle diese Defizite wurden beiseite gedrängt mit dem Argument, mit der Unabhängigkeit würde sich mit einem Schlag alles zum Besseren wenden. Dass dem ganz und gar nicht so ist, das machte die Sendung „Life in Kosovo“ deutlich und provozierte damit einen Sturm der Entrüstung. Je mehr die Illusion schwindet, dass mit der Unabhängigkeit und dem Abzug der ‚Internationalen’ automatisch bessere Zeit anbrechen, und damit auch das Argument an Kraft verliert, Belgrad oder die UNMIK seien an allem schuld, desto mehr müssen die Parteien über die Medien auf das Volk einwirken. Eine neue, einseitige Front, die in den Medien derzeit aufgemacht wird, ist das für die kosovo-albanische politische Klasse hochwichtige Problem Nord-Kosovo. Dort haben die Serben, die im sonstigen Kosovo hoffnungslos in der Minderheit sind, noch die Mehrheit, und versuchen darüber Druck auszuüben, was ihnen im übrigen Kosovo unmöglich ist. Statt dieses Problem als Bewährungsprobe für eine offene, ethnisch plurale Gesellschaft zu sehen, werden medial die alten Geschütze in Stellung gebracht, so als ob sich an diesem Streifen Land ‚Sein oder Nicht-Sein‘ des unabhängigen Kosovo entscheiden könnten. Nicht nur die serbische Minderheit hat Angst, allen Beteuerungen ethnischer Toleranz und Vielfalt zum Trotz untergebuttert zu werden. Der Fall „RTK“ ist die Nagelprobe dafür, inwieweit die Gesellschaft des Kosovo offenen Diskurs aushält, inwieweit man bereit ist, politische Interessen hinter dem höheren Ziel der Pressefreiheit zurückzustellen. Doch auch der neu ernannte „RTK“-Chef, Sylejman Shaqiri, erklärte, er rechne mit Druck von seiten der Politik, der Wirtschaft und des organisierten Verbrechens auf seine Redaktionspolitik. Er versicherte aber auch, dass er keine Geschichte, die durch Fakten erhärtet sei,
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nur deswegen fallen lasse, weil Premierminister Hashim Thaçi dies von ihm verlange. Genau diese Unparteilichkeit zweifelte mancher an, den Shaqiris Ernennung überrascht hatte. Der Chef der UNMIK, Peter Feith, hatte deshalb angekündigt, sein Veto gegen Shaqiris Ernennung einzulegen, ungeachtet der langen beruflichen Erfahrung des Kandidaten. Shaqiri ist schon seit dreißig Jahren im Geschäft. Seine Laufbahn hatte er beim Lokalsender „Radio Television Pristina“ (RTP) begonnen, bevor er zum „RTK“-Direktor aufstieg. Als man ihm politische Voreingenommenheit, vor allem im Zusammenhang mit einer möglichen Parlamentsauflösung vorwarf, betonte Shaqiri seine persönliche und professionelle Integrität, die er stets unter Beweis gestellt hätte. Gerade von der internationalen Gemeinschaft, die die Probleme der Medienfreiheit im Kosovo kenne, erwarte er sich deutliche Unterstützung. Im speziellen erhoffte man sich von Shaqiri, dass er die chronische Finanzierungskrise des Staatssenders lösen würde. Dem Sender wurden rund 5,3 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt zugesagt. Bisher waren die Gebühren zusammen mit der Stromrechnung eingetrieben worden. Da aber die Zahlungsmoral gerade in Sachen Strom und Heizung im Kosovo äußerst schlecht ist, wurde das Finanzierungsloch von „RTK“ stetig größer, und noch zusätzlich vergößert durch den Beschuß des Parlaments, Werbung am Vorabend, der Zeit mit den höchsten Einschaltquoten, zu verbieten. Shaqiri meinte deshalb auch, die Beschlüsse des Parlaments seien kurzfristig richtig, aber auf lange Sicht werde er sich für eine Lizenzgebühr einsetzen.
66
3.
Das Mediensystem in Montenegro
Auch in Montenegro erhofften sich viele Journalisten mehr internationale Einflußnahme, genauer gesagt von seiten der Europäischen Union. Ein weltberühmter Regisseur hatte Montenegros seriöseste Wochenzeitung „Monitor“, die ihn mit seinen eigenen Aussagen aus Kriegszeiten konfrontierte, verklagt. Was war geschehen? Emir Kusturica, in Sarajevo geborener orthodoxer Serbe mit französischer Staatsbürgerschaft, machte sich als Regisseur in Westeuropa vor allem durch Auftritte in Cannes einen Namen. Zwar kritisierte man immer wieder seine allzu pro-serbische Sichtweise. Von seiner politischen Nähe zu Miloševi während des Krieges mochte er allerdings in der Öffentlichkeit nichts mehr hören. Montenegros wichtigstes unabhängiges Nachrichtenmagazin „Monitor“, bekam das zu spüren: Für einen im Jahr 2004 veröffentlichten Text, der sich kritisch mit Kusturicas Rolle während der 1990er Jahre und seiner öffentlichen Unterstützung für Slobodan Miloševi beschäftigte, verurteilte der Oberste Gerichtshof in Podgorica die Zeitung und den Autor im April 2008 zu 12.000 Euro Entschädigung wegen persönlicher Beleidigung und Rufschädigung. Und die europäischen Kulturschaffenden trösteten Kusturica, indem sie ihm in Cannes den Preis für wertvolle pädagogische Inhalte, den „Prix de l'Education Nationale“, für seinen Film „Das Leben ist ein Wunder“ verliehen. Noch vor zwei Jahren hatte die Vorinstanz die Klage abgelehnt und den Fall als Beispiel einer öffentlichen Debatte bezeichnet, bei der keinerlei journalistische Standards überschritten wurden. Zitiert wurde Kusturica zum Beispiel mit: „Die Serben griffen Sarajevo an, um den Muslimen dort einen kleinen Schrecken einzujagen.“ Laut „Monitor“ ist die Entscheidung des Höchstgerichtes nicht korrekt begründet. Sie sei nur eine Bestätigung dessen, was auch die EU-Kommission feststellte: das Rechtssystem in Montenegro sei nicht unabhängig. Gerade Medien mit dem Ansatz, die Bevölkerung zu informieren und die Beschäftigung mit der Vergangenheit anzuregen, würden systematisch bestraft und verängstigt. Der Fall „Monitor“ zeigt: Wenn es um die eigene Rolle in der Vergangenheit geht, ist die Elite des Landes mit Klagen nicht zimperlich. Die Medien sind eingeschüchterter denn je – Demokratiedefizit, zu dessen Bewältigung die EU mehr Druck ausüben müsste, wie auch „Monitor“ beklagte. Die Wochenzeitung „Monitor“, gegründet 1990, stand gegen Krieg und Nationalismus, und daher auch für die Unabhängigkeit von Serbien, die 2006 erklärt wurde. Doch obwohl das Land heute in vielen Dingen als Vorbild der gesamten Balkanregion gilt – der Tourismus und die wirtschaftliche Entwicklung blühen, das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen verläuft weitgehend harmonisch – ist die Freiheit der Medien heute gefährdeter als früher. Schuld seien nach Meinung der „Monitor“-Redakteurin Milka Tadi-Mijovi Gerichtsurteile, in denen Medien mit hohen Geldstrafen für angebliche Beleidigungen belegt werden. Während die elektronischen Medien „indirekt unter der Kontrolle der Machtelite“ stehen, gibt es bei den Printmedien immerhin noch „Monitor“ und die unabhängige Tageszeitung „Vijesti“ („Nachrichten“). Aber auch „Vijesti“ schlug sich immer wieder mit Strafverfahren herum. Eine Million Euro wegen Verleumdung forderte der Premier und ehemalige Kriegsbefürworter Milo Djukanovi. Als tragische Ironie bezeichnete es „Monitor“ die Tatsache, dass die wenigen AntiKriegs-Medien während der 1990er Jahre nicht so angegriffen wurden wie heute unter Milo Djukanovi, der früher Partner Miloševis war und heute Verbündeter der EU und Amerikas ist. Es war und ist die politische und wirtschaftliche Elite, die immer wieder von den zentralen Problemen Montenegros profitiert, von der Korruption und der mangelnden Auseinander-setzung mit der Vergangenheit. Gerade für die Zeit zwischen 1993 und 1996 gebe
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es eine gesellschaftliche Erinnerungslücke, klagen nicht nur „Monitor“-Redakteure. Daneben würden auch die Themen Korruption und organisierte Kriminalität konsequent verschwiegen, und wenn sie zum Thema gemacht werden, geraten die betreffenden Zeitungen schnell unter Druck. Die Wochenzeitung „Monitor“ beschäftigt zehn Redakteure und finanziert sich über den Verkauf der Wochenauflage von ungefähr 5000 Exemplaren und über Werbung. Gelesen wird die Zeitung dank Internet im gesamten Balkanraum. Einig ist man sich in der Redaktion, dass die EU mehr Druck auf die politische Führung ausüben müsse. Nicht nur das durch Tourismus-Prospekte geschönte Bild Montenegros dürfe man wahrnehmen, Brüssel müsse auch die Demokratieentwicklung in Richtung EU-Standards aktiv unterstützen.
3.1
Die Entwicklung der Medien
Am 21. Mai 2006 sprachen sich die Bürger Montenegros (serb.: Crna Gora) in einem eigens angesetzten Referendum mit hauchdünner Mehrheit für den Austritt aus dem Staatenbund mit Serbien aus47. Am 3. Juni 2006 erklärte Montenegro seine Unabhängigkeit und wurde damit zum jüngsten souveränen Staat der Welt, der auch bereits am 28. Juni 2006 als 192. Staat in die Vereinten Nationen aufgenommen wurde48. Schon kurz nach der Gründung des unabhängigen Staates Montenegro zeigten sich die ersten Anzeichen innermontenegrinischer Spannungen zwischen den Volksgruppen, die der zwischenstaatliche Zwist zwischen Serbien und Montenegro bislang etwas überdeckt hatte. Die Identitätsfrage, ob es eine montenegrinische Nation gebe oder die Montenegriner eigentlich Serben seien, und Minderheitenfragen prägten die öffentliche Diskussion in den Medien. So wäre die albanische Minderheit im Süden des Landes, behaupteten die pro-serbischen Kräfte, das Zünglein an der Waage gewesen, das das Referendum über die Loslösung aus dem Staatenbund mit Serbien entschieden hätte. Die montenegrinische Regierung, die aus einem Bünd-
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Für die Unabhängigkeit votierten 55,4 Prozent der Stimmberechtigten, dagegen 44,6 Prozent. Die Europäische Union hatte eine Mindestmarke von 55 Prozent Ja-Stimmen festgelegt. Die Wahlbeteiligung lag bei 86,3 Prozent. Am 22. Mai 2006 erklärte der EU-Außenbeauftragte Javier Solana, die EU werde die Entscheidung respektieren. Im Vorfeld des intensiv geführten Abstimmungskampfes hatte es kaum Zweifel darüber gegeben, daß die Zahl der Unabhängigkeitsbefürworter größer ist als die der Gegner. Fraglich war lediglich, ob das Mindestzustimmungsquorum erreicht werden würde. Die Unabhängigkeitserklärung durch das montenegrinische Parlament erfolgte am 3. Juni 2006. Streng formal gesehen wäre jedoch die Republik Serbien der jüngste souveräne Staat, der sich am 5. Juni 2006 konstituierte. Die NATO nahm am 14. Dezember 2006 offiziell die drei Balkan-Staaten Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien in ihr „Partnerschaft für den Frieden“-Programm auf. Die Organisation des Nordatlantikvertrags hatte Ende November bei ihrem Gipfeltreffen in Riga beschlossen, die drei Staaten in das Partnerschaftsprogramm aufzunehmen, das als eine Art Vorstufe für eine Vollmitgliedschaft gilt. Sie hatten diesen Schritt mit einem Interesse an einer langfristigen Stabilität des westlichen Balkans begründet. Schon seit der Unabhängigkeit bemüht sich Montenegro um die Aufnahme in die Europäische Union. Am 15. Oktober 2007 unterzeichnete Montenegro als ersten Schritt in diese Richtung ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union, das den Bürgern von diesem Jahr an Visaerleichterungen bringen wird. Der Regierungschef kündigte an, sein Land wolle bereits im ersten Halbjahr 2008 ein Beitrittsgesuch zur EU stellen. Durch das Abkommen wird die Wirtschaft der Republik an die der Europäischen Union gebunden und man erhofft sich höhere Stabilität, bevor Beitrittsgespräche begonnen werden. Auch politisch soll eine Festigung erreicht werden. Im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziationsabkommens werden Vorgaben gesetzt, welche die Staaten in einem gewissen Zeitrahmen erreichen müssen.
nis aus DPS (Demokratische Partei der Sozialisten), SDP (Sozialdemokratische Partei) und der DUA, der Demokratischen Union der Albaner, bestand, und über eine hauchdünne Mehrheit der 80 Abgeordnetensitze verfügte, hätte dafür der albanischen Minderheit in Ulcinj, die dort mit 72 Prozent die Mehrheit stellt, politische Zugeständnisse machen müssen – ein Vorfall, den serbische Kommenatoren als Präzendenzfall ansahen, der sie sehr an die Entwicklung im Kosovo erinnerte, wo eine Minderheit nach und nach zum politischen Faktor wurde und das Staatsvolk marginalisierte. Die Bevölkerung Montenegros besteht offiziell zu 43 Prozent aus Montenegrinern, zu 32 Prozent aus Serben und zu etwa 25 Prozent aus Bosniaken, slawischen Muslimen, Kroaten und Albanern49. Die Frage, ob die Montenegriner ein eigenes Volk oder Teil des serbischen Volkes sind, ist in der Bevölkerung selbst umstritten. Insbesondere konservative Serben halten einen großen Teil der Montenegriner für einen Teil des serbischen Volkes. Ebenso gibt es bei der größten Minderheit, den vor allem im Norden des Landes lebenden Bosniaken und slawischen Muslimen, unterschiedliche Präferenzen hinsichtlich der Bezeichnung ihrer Nationalität. Die Vorsicht, mit der die slawischen Montenegriner das heiße Eisen des Islam behandeln, hat genauso wie in Serbien mit der langen und leidvollen Geschichte dieser Gebiete unter osmanischer Herrschaft zu tun. Den Widerstand gegen die Unterdrückung verkörpert für Montenegriner wie Serben der Fürstbischof von Montenegro, Petar II. Petrovi Njegoš (1813-1851). Dessen Vorgänger Danilo hatte die Fürstbischofsdynastie der Njegoš begründet und Anfang des 18. Jahrhunderts den Kampf gegen die Osmanen und die Islamisierung begonnen. Unter Petar II. entstanden um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Montenegro staatliche Institutionen wie der Senat, Verwaltungs- und Vollzugsbehörden. Er führte Steuern ein und gründete 1843 die erste Schule. Petars Nachfolger war Daniel II. Petrovi (1852-1860). Ihm gelang es, den Türken ein Abkommen über feste Grenzen seines Staates abzuringen. Der nächste Herrscher aus der Dynastie der Njegoš war der letzte, am längsten regierende und wohl auch populärste – König Nikola I. (1860-1918). Er setzte die autoritäre Modernisierungspolitik seiner beiden Vorgänger konsequent und erfolgreich fort. Das Land erhielt ein an ausländischen Vorbildern orientiertes Gesetzbuch und baute eine moderne Bürokratie auf, an deren Spitze 1879 erstmals ein Regierungskabinett unter einem Ministerpräsidenten stand. Nach dem Ersten Weltkrieg trat Montenegro dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, dem sogenannten ersten Jugoslawien bei, dessen Oberhaupt 1921 König Aleksandar Karadjordjevi wurde. Nach dem Ende von Tito-Jugoslawien bildeten Serbien und Montenegro im April 1992 die Bundesrepublik Jugoslawien. 1997 wurde Milo Djukanovi zum Präsidenten von Montenegro gewählt, womit erneut die Unabhängigkeitsbestrebungen Montenegros zur Debatte standen. Die Meinungen im Land waren geteilt. Im Norden des Landes war man für den Erhalt Jugoslawiens, im Süden neigte man eher der Unabhängigkeit zu. Im Februar 2003 wurde aus Ju-
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Die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung laut Volkszählung von 2003: Montenegriner: 267.669 (43,16%), Serben: 198.414 (32%), #Bosniaken: 48.184 (7,77%), #Albaner: 31.163 (5,03%), slawische Muslime: 24.625 (3,97%), Kroaten: 6.811 (1,10 %), #Roma und Sinti: 2.601 (0,42%), #andere, keine Nationalität angegeben oder keine Daten: 41.271 (6,56%). Ferner befinden sich in Montenegro Heimatvertriebene, die in der Volkszählung nicht berücksichtigt sind. Aus Bosnien und Herzegowina 8.381 Serben und 17.864 Menschen aus der serbischen Provinz Kosovo und Metohija, dazu zählen Serben, Albaner und Angehörige der ethnischen Minderheit der Roma. Die Amtssprache Montenegros ist Serbisch (bzw. Montenegrinisch, das als Dialekt des Serb. gilt), das zu rund 64 Prozent gesprochen wird. Hinsichtlich des Namens der Sprache gibt es unter der Bevölkerung ebenso wie hinsichtlich der Nationalitätenbezeichnung unterschiedliche Meinungen. In der Volkszählung von 2003 gaben 63,49 Prozent der Bevölkerung Serbisch und 21,96 Prozent Montenegrinisch als ihre Muttersprache an. Regional wird auch Albanisch, Bosnisch oder Kroatisch gesprochen.
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goslawien offiziell die „Staatliche Gemeinschaft Serbien und Montenegro“, deren Verwaltungszentrum zwar Belgrad war, die aber keine gemeinsame Hauptstadt hatte. Am 3. Juni 2006 erklärte Montenegro seine Unabhängigkeit von Serbien. Die Diskussion über die Unabhängigkeit wurde in den Medien des Landes leidenschaftlich geführt. Seit seiner Unabhängigkeit sind in Montenegro eigene regionale wie überregionale Medien entstanden. Vorher waren in Montenegro elektronische Medien nicht besonders stark entwickelt. Den Bedarf deckte der montenegrinische Radio- und Fernsehsender „RTCG“ (Radio-Televizija Crna Gora) mit weiteren Lokalsendern ab, deren Programm nur in Montenegro ausgestrahlt wird. Auch in Montenegro spielten sich in den Medien Machtkämpfe zwischen der alten Elite und der Opposition ab, wie man sie in Serbien oder Kroatien beobachten konnte. So kam der Direktor und Chefredakteur der in der Hauptstadt Podgorica erscheinenden Tageszeitung „Dan“, Duško Jovanovi, im September 2003 in Ulcinj, im Süden des Landes, in Untersuchungshaft. Ihm wurde Amtsmissbrauch vorgeworfen. Die „Dan“-Redaktion verurteilte die Festnahme und wertete sie als politischen Druck auf das Blatt.
3.2
Die Medienlandschaft
Podgorica (frei übersetzt: ‚unterhalb des Berges’) ist das Medienzentrum des Landes, schlicht wegen der Konzentration der wesentlichen Fernsehsender und Zeitungsverlage. Der staatliche Fernsehsender RTCG hat seinen Sitz ebenso dort wie die privaten Sender „TV IN“, „NTV Montena“, „Elmag RTV“, „RTV Atlas“ und „MBC“. Die Tageszeitungen „Vijesti“, „Dan“ und „Pobjeda“ werden ebenfalls in Podgorica verlegt, genauso wie das politische Wochenmagazin „Monitor“ und die Jugendzeitschrift „Trend“. Die Medien sind ein Spiegel der polarisierten montenegrinischen Politik. Während die Regierung die Tageszeitung „Pobjeda“ und Radio-Fernsehen Montenegro kontrolliert, nutzen die pro-serbisch orientierten Kräfte der Sozialistischen Volkspartei SNP die Tageszeitung „Dan“, um die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen, wobei damit vor allem die Öffentlichkeit im Norden des Landes gemeint ist. Die unabhängigen Medien haben in dieser Situation an Profil, Popularität und Glaubwürdigkeit gewonnen. Trotz der deutlichen Polarisierung gelang es ihnen bisher, die Kriterien einer professionellen Berichterstattung zu erfüllen. Dies gilt vor allem für die Printmedien – namentlich die unabhängige Tageszeitung „Vijesti“, die in Montenegro die höchste Auflage erreicht, sowie das Wochenmagazin „Monitor“, das als führende unabhängige Publikation in Montenegro einen überragenden Ruf genießt. Besonders schwer hatten es die Medien in Montenegro während des NATO-Bombardements. Trotz ständiger Drohungen seitens der jugoslawischen Armee, der Härten des Ausnahmezustandes und des Kriegsrechtes, und trotz zweier Prozesse, die vom Militärgericht gegen die beiden Journalisten Miodrag Perovi („Monitor“) und Nebojša Redzi („Radio Free Montenegro“) angestrengt wurden, konnten die Medien in Montenegro auch während des Krieges eine professionelle Berichterstattung aufrecht-erhalten. Die Nationalversammlung der Republik Montenegro beschloß in ihrer Sitzung am 16. September 2002 eine Reihe neuer Mediengesetze, darunter das eigentliche Medien-gesetz, das Rundfunkgesetz und das Gesetz über die öffentlich-rechtlichen Sender ,,Radio Montenegro" und ,,Television Montenegro“. Das Inkrafttreten dieser Gesetze wurde dann jedoch auf den 1. Mai 2003 verschoben. Die neuen Mediengesetze wurden von der mit einheimischen Experten und Journalisten besetzten Arbeitsgruppe des „Sekretariats für Information von Montenegro“ vorbereitet
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und vom Europarat unterstützt. Das neue Mediengesetz enthält allgemeine Regelungen, wonach zum Beispiel alle Bestimmungen dieses Gesetzes in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Europäischen Menschenrechts-konvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auszulegen sind. Ferner enthält es Regeln für die Gründung einzelner Medien, den Vertrieb von Medien sowie Bestimmungen für ausländische Nachrichtenmedien in Montenegro, strafrechtliche Bestimmungen und schließlich Übergangsbestimmungen. Trotzdem ist es um die Pressefreiheit in Montenegro bis heute nicht umbedingt gut bestellt. Am 16. April 2007 fand die Konferenz „Medien und Wahlen – Erfahrungen aus Europa und der Region“ in Belgrad statt. Die mehr als 60 Teilnehmer und Referenten kamen aus ganz Südosteuropa sowie aus Deutschland. In einem Bericht der „Konrad-AdenauerStiftung“ über die Regionalkonferenz heißt es: „In Montenegro, Mazedonien und Bosnien und Herzegowina spielen die Medien, im Gegensatz zu Serbien ihre Rolle selbstbewusster; dabei gibt es in allen drei Staaten sehr gute Mediengesetze mit entsprech-enden Kontrollmechanismen, sodass diese in die Tat umgesetzt werden können.“ Das klingt zwar vielversprechend, doch die Pressefreiheit ist in Montenegro trotz allem noch nicht sehr ausgeprägt. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlichte am 16. Oktober 2007 zum sechsten Mal die Rangliste der Pressefreiheit. Sie vergleicht die Lage der Medienfreiheit in 169 Ländern. Montenegro ist mit Platz 58 nicht unter den ersten 50 Ländern. Es bedürfe noch großer Veränderung, sowohl in der Infrastruktur als auch in den Kontrollorganen, zumal da Montenegro bestrebt ist, in die EU aufgenommen zu werden50. 2009 gab es einige kontroverse Debatten über ein neues Gesetz über elektronische Medien, mit dem ein Regulierungsrahmen geschaffen und die weitere Entwicklung des Markts für elektronische Kommunikation und audiovisuelle Dienste stimuliert werden sollte. Namentlich die montenegrinische Rundfunkagentur, die „Agencija za radio-difuziju Crne Gore“ (ARDCG), die nach dem vorherigen Rundfunkgesetz maßgebliche unab-hängige Regulierungsbehörde in diesem Sektor, kritisierte die neue Gesetzesinitiative der Regierung. Mit dem 2008 in Kraft getretenen Gesetz über elektronische Kommunikation wurde der ARDCG eine Reihe von Zuständigkeiten entzogen, von denen die meisten auch keiner anderen Behörde übertragen wurden. Dadurch entstand ein rechtliches Vakuum im Bereich der Lizenz- und Rechtevergabe für die Nutzung von Radio- und Fernsehfrequenzen. In einer Diskussionsrunde über den neuen Gesetzentwurf erklärte der Leiter der EUDelegation in Montenegro, durch das neue Gesetz wäre eine „Situation der Unsicherheit bezüglich des Verfahrens für die Zuteilung von Rundfunkfrequenzen“ entstanden, die nicht mit europäischen Standards vereinbar sei. Dieser Punkt wurde auch vom OSZEBeauftragten für die Freiheit der Medien in seinem Bericht über Medienfreiheit in Montenegro unterstrichen. Er verwies dabei auf die fehlende Sicherheit bezüglich der Rolle der ARDCG bei der Frequenzvergabe und ihrer Vertretung in den Entscheidungsgremien bei Ausschreibungen. Die Initiative „Artikel 19“ forderte die montenegrinischen Behörden auf, sicherzustellen, dass das letztendlich verabschiedete Gesetz den internationalen Standards in diesem Bereich genüge. Die Initiative kritisierte insbesondere die mangelnde Klarheit hinsichtlich der Zuständigkeit für die Vergabe von Rundfunklizenzen; das Fehlen von ein-
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Die Rangliste, die „Reporter ohne Grenzen“ regelmäßig aufstellt, macht nicht nur deutlich, wo Montenegro in dieser Hinsicht steht. Sie deutet auch an, wie es allgemein um die Pressefreiheit in den jeweiligen osteuropäischen Ländern bestellt ist. An der Spitze stehen Island, Norwegen und Estland. Deutschland ist auf Rang 20. Länder wie Malaysia (124.), Ägypten (146.) und Vietnam (162.) haben die Zensur des Internets verschärft und sind abgerutscht. Auf den letzten Plätzen sind Nordkorea und Turkmenistan.
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deutigen Kriterien für die Zuteilung von Lizenzen; das Fehlen einer Anerkennung des nicht-kommerziellen Rundfunks; ungeeignete Bestimmungen für die praktische Anwendung des geplanten Beschwerdesystems; und die fehlende Unabhängigkeit der vorgesehenen Regulierungs-behörde. Zum Beispiel beanstandete der unabhängige Sender „TV Vijesti“, er würde durch die derzeitige Rechtslage daran gehindert, eine landesweite Lizenz zu bekommen.
3.3
Zeitungen und Zeitschriften
Die Presselandschaft ist in Montenegro nicht allzu gut entwickelt. Es gibt etwa 300 Veröffentlichungen, die beim Ministerium für Information in Montenegro registriert sind. Etwa 50 Publikationen erscheinen regelmäßig. Die staatlichen Printmedien werden stark subventioniert, während die unabhängige Presse meist kaum wettbewerbsfähig ist. Zur unabhängigen Presse zählen die Tageszeitungen „Dan“ („Der Tag“), „Pobjeda“ („Der Sieg“), „Vijesti“ („Nachrichten“, www.vijesti.me), „Glas Crnogorca“ („Die Stimme der Montenegriner”). Will man die meistgelesene Tageszeitung Montenegros „Dan“ [www.dan.cg.yu], die eine Auflage von 20.000 Exemplaren hat, kurz charakterisieren, könnte man sie als proserbisch und regierungskritisch beschreiben. Die zweitgrößte Zeitung ist „Pobjeda“ [www.pobjeda.cg.yu], mit einer Auflage von 15.000 Exemplaren. Sie ist die älteste montenegrinische Tageszeitung, die bereits im ehemaligen Jugoslawien existierte. Die Zeitung wird von einem öffentlichen Unternehmen geführt, das eine regierungsfreundliche Redaktionspolitik betreibt und meist wohlwollende Artikel über die Regierungspolitik veröffentlicht. Dagegen ist „Vijesti“ [www.vijesti.cg.yu] eine private und unabhängige Zeitung, die täglich 20.000 Exemplare verkauft. Die Zeitung ist regierungskritisch und wird mit Beteiligung der deutschen WAZ-Gruppe produziert. „Glas Crnogorca“ wurde 1997 mit Unterstützung internationaler Spender gegründet. Sie ist das kleinste Unternehmen unter den Tageszeitungen und hat eine Auflage von 5.000 Exemplaren. Die „Daily Press“ mit einer Auflage zwischen 15 und 16.000 Examplaren ist eine der kleineren Zeitungen des Landes. Sie wurde zunächst mit 50-prozentiger Beteiligung der WAZ Mediengruppe produziert. Nach schweren Vorwürfen gegen den lokalen Vertragspartner verkaufte die WAZ-Mediengruppe ihre Beteiligung an einen montenegrinischen Zeitungsverlag. Laut eines WAZ-Sprechers hätten die Eigentümer der Zeitung den WAZ-Anteil übernommen. Das Interesse sei für die WAZ-Mediengruppe weiterhin groß und man sehe sich nach einer anderen Beteiligung um, bestätigte der Sprecher. Der WAZ-Verlag hatte der „Daily-Press“-Spitze brieflich Steuerhinterziehung und unsaubere Berichterstattung vorgeworfen und auf eine Trennung gedrungen. Zudem hätte die „Daily Press“ ihre Berichterstattung „häufig zu wirtschaftlichem Eigennutzen verwendet“. Eine weitere Zusammenarbeit sei „mit den ethischen Grundsätzen der WAZ-Mediengruppe nicht vereinbar“. Die „Daily Press“ hatte vor der Trennung mit Gegenvorwürfen reagiert und der WAZ-Mediengruppe unterstellt, politischen Einfluss auf die Redaktion nehmen zu wollen. Dies wies der Essener Verlag entschieden zurück. Grund für die Trennung war gerade das Beharren der WAZ-Mediengruppe auf einer sauberen und unabhängigen Berichterstattung im Einklang mit nationalem und internationalem Recht. Die Gesamtauflage der Tageszeitungen beträgt in Montenegro 60.000 Exemplare täglich. Zum Vergleich: Laut der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) betrug die verkaufte Auflage der Tageszeitungen in Deutschland 22,85 Millionen (Stand: April 2009). Im Jahr 1989 wurde die „Ankerst Internationale Ver-
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lagsvertretung“ in Österreich gegründet. Es handelt sich um die offizielle Verlagsvertretung etlicher großer Medien. Das Unternehmen durchbricht die sprachlichen Barrieren und dient als Brücke zwischen dem deutschsprachigen Raum und den Verlagshäusern in Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro und Mazedonien. In Montenegro ist das Unternehmen zuständig für die Tageszeitungen „Vijesti“, „Dan“ und „Pobjeda“. In kürzester Zeit entwickelte sich das Unternehmen als eine Verbindung zwischen dem deutschsprachigem Raum und den Ländern des ehemaligen Jugoslawien: Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro und Mazedonien. An Zeitschriften und Magazinen erscheinen in Montenegro „Monitor“, „Onogost“, „Polja“ und „Trend“. Der Marktführer unter den Nachrichtenmagazinen ist „Monitor“, ein politisches Wochenmagazin, das mittlerweile hohe Popularität genießt. Das Magazin hat eine Auflage von 5.000 Exemplaren und bietet regierungskritische Inhalte. Das Magazin wird von der liberalen Partei unterstützt. „Onogost“ und „Polja“ haben ebenfalls eine Auflage von 5.000 Exemplaren und könnten nicht ohne finanzielle Unterstützung durch den Staat, die Parteien und die internationale Gemeinschaft überleben. „Trend“ ist ein Jugendmagazin, das von Goran Jevri in Podgorica herausgegeben wird. In Montenegro werden Zeitungen und Zeitschriften vor allem am Kiosk verkauft. Da das durchschnittliche Monatseinkommen der Bevölkerung Montenegros etwa 140 Euro beträgt, können sich viele eine Tageszeitung, die zwischen 25 Cent und einem Euro kostet, nicht leisten. Um die Zeitungen billiger verkaufen zu können, versuchen die Verlage, die Produktions- und Personalkosten so gering wie möglich zu halten. Ein schwieriges Unterfangen, denn die farbige Gestaltung der Zeitungen ist kostspielig. Somit steht der Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt vor Problemen, die zu weiteren Schließungen führen können, wenn sich die Wirtschaft Montenegros nicht bald erholt.
3.4
Rundfunk und Fernsehen in Montenegro
Das Ministerium für Information und die Agentur für Telekommunikation leisten gute Arbeit, so dass der Rundfunksektor in Montenegro besser organisiert ist. Die Zahl der Anbieter steigt enorm, insbesondere auf lokaler Ebene. Das Rundfunkgesetz von 2003 enthält, abgesehen von allgemeinen Regelungen, Bestimmungen über die montenegrinische Rundfunkagentur, eine unabhängige Regulierungsbehörde, die in das montenegrinische Rechtssystem eingebunden wird. Es umfasst beispielsweise Vorschriften über das Verfahren und die Bedingungen für die Erteilung von Rundfunklizenzen und Regelungen für die Gesellschaft für die Übertragung und Verteilung von Rundfunksignalen. Das Gesetz über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkdienste ,,Radio Montenegro“ und ,,Television Montenegro“ legt die Rechte und Pflichten der öffentlich-rechtlichen Anstalt ,,Radio Television Montenegro“ (RTCG) sowie deren Verantwortlichkeiten, Finanzierung, interne Organisation und letztlich auch die Eigentumsverhältnisse fest. Dieses Gesetz bildet den rechtlichen Rahmen für den Wandel von „Radio Television Montenegro“ vom Staatssender zur öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalt. „Radio Televizija Crne Gore“ ist die öffentliche Rundfunkgesellschaft von Montenegro mit Hauptsitz in Podgorica. Die Gesellschaft besteht aus zwei Teilen: „Radio Crne Gore“/RCG (Hörfunk) und „Televizija Crne Gore“/TVCG (Fernsehen). „Televizija Crne Gore“ hat zwei Programme. „TVCG“ hängt finanziell und politisch von der Regierung ab. Über das Parlament wird direkt Einfluss ausgeübt, indem alle zentralen Funktionen kontrolliert und regierungstreue Hofberichterstatter eingesetzt werden.
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Den öffentlichen Fernsehanbieter „TVCG“ nicht mitgezählt gibt es etwa 20 Fernsehsender. Staatlich betriebene Sender: „RTV Crna Gora“, mit drei Fernseh- und zwei Radioprogrammen; „RTCG 1“ und „RTCG 2“. Die Hauptkonkurrenten des staatlichen Fernsehens sind die großen privaten TV-Stationen „Elmag“, „Montena“, „Blue Moon“, „IN“, „ntvAntenna“, „ATLAS“ und „PINK“. Sie erreichen bis zu 85 Prozent des nationalen Gebietes und finanzieren sich wie in Deutschland durch Werbeeinnahmen. Im Jahr 2002 gingen in Montenegro zwei neue Fernsehunternehmen auf Sendung: Bei „TV In“ handelt es sich um ein gänzlich privates, digitales Netzwerk, das derzeit noch analog ausstrahlen muss, weil die Bevölkerung meist keine digitalen Receiver besitzt. Das zweite Unternehmen ist „TV Pink M“, ein Tochterunternehmen des serbischen „TV Pink“, das auch in Montenegro eingeführt wurde, weil das serbische Programm in Montenegro ausgesprochen beliebt war. „TV Pink M“ bietet ein Vollprogramm, die Verbreitung erfolgt terrestrisch und per Satellit. In Montenegro können seit Einrichtung des Fernsehens auch zwei Programme des italienischen Staatsfernsehen „Rai“ empfangen werden. Neben den staatlichen Radiosendern existieren 26 Radioveranstalter in den Gemeinden. Sie werden aus den Gemeindekassen finanziert, von den lokalen Autoritäten kontrolliert und versorgen die lokale Bevölkerung mit Informations-, Unterhaltungs- und Bildungsprogrammen. In den letzten zehn Jahren wurden 15 private Radios gegründet, die mit den lokalen und öffentlichen konkurrieren. Insgesamt gibt es in der Republik rund 50 Radioanbieter. Es gibt viele private Sender und nur wenige staatliche, hauptsächlich mit Sitz in Podgorica. Der staatliche Rundfunksender „RTCG“ betreibt zwei der wenigen landesweiten Sender, „Radio CG“ und „Radio 98“. Weiter können in Montenegro auch serbische staatliche Sender wie „Radio Belgrad 1“ oder „B92“ empfangen werden, die eine Reichweite bis nach Montenegro haben. „UNEM Radio Antena M“ wird national ausgestrahlt und ist das größte und älteste unabhängige Radio. Mit „UNEM Radio MIR“ gibt es ein nationales Radio in albanischer Sprache für die albanische Minderheit.
3.5
Nachrichtenagenturen und Online-Medien
Eine bekannte montenegrinische Nachrichtenagentur ist „MMNews“, [www.mnnews.net] ein montenegrinischer News Service, der alle aktuellen Meldungen online veröffentlicht. Außerdem gibt es die „PCNEN“ [www.pcnen.com] eine unabhängige InternetNachrichtenseite. Bekannte, auch in Montenegro genutzte Nachrichtenagenturen ExJugoslawiens sind „Hina“, die kroatische Nachrichtenagentur mit Sitz in Zagreb, und „Tanjug“, die serbische Agentur mit Sitz in Belgrad, die Korrespondenten in Montenegro hat. Die meisten deutschen Presseagenturen haben ebenfalls Korrespondenten in Podgorica. „Agence France Presse“ hat in Montenegro kein eigenes Büro, jedoch berichten freie Mitarbeiter von dort. In Podgorica hat die „Unabhängige Mediengewerkschaft der Journalisten in Montenegro“ ihren Sitz, die zur „Internationalen Föderation der Journalisten“ gehört [www.ifj.org], ein Verband vergleichbar mit dem „Deutschen Journalistenverband“ (DJV). Die „Unabhängige Mediengewerkschaft“ bietet auf ihrer Internetseite aktuelle, politische Berichterstattung aus Montenegro und Artikel zu sonstigen Themen. Zur Zeit der jugoslawischen Bürgerkriege und der internationalen Sanktionen wuchs die digitale Informationstechnologie nur sporadisch. Der Staat konnte die Entwicklung seines nationalen ISDN-Netzwerkes nicht vorantreiben. Die Anzahl der Telefonanschlüsse in Montenegro liegt deshalb weit unter dem europäischen Durchschnitt: Nur etwa 20 von 100
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Haushalten besitzen einen Telefonanschluss. Aufgrund der schlechten Telekommunikationsinfrastruktur können viele Haushalte ihren Computer nicht zum Datenaustausch nutzen. Im Gegensatz zur Entwicklung des Festnetzes verlief die Entstehung der Mobiltelefonie rasant: Heute gibt es in Montenegro mehr Nutzer von Handys als Leute mit einem Festnetzanschluss – ungefähr drei Millionen. In Montenegro wird Mobiltelefonie derzeit von drei Gesellschaften angeboten. Der Online-Sektor ist dagegen noch unzureichend ausgebaut. Das haut zwei Gründe: zum einen die mangelhafte Telekommunikationsinfrastruktur, zum anderen die hohen Kosten für Computer. Nur 20 Prozent der Montenegriner verfügen über einen PC und nur acht Prozent haben Zugang zum Internet. Trotzdem bieten auch die Zeitungen in Montenegro Onlineversionen an. In der Regel sind sie jedoch zu langsam, um ihre Onlineversion noch am selben Tag wie die gedruckte Ausgabe ins Netz zu stellen. Das Online-Portal „Cafe del Montenegro“ [www.cafemontenegro.com] bietet aktuelle Berichte aus den Bereichen Politik, Sport und Lifestyle. Eine richtige „Blogger-Szene“ wie in Deutschland gibt es erst in Ansätzen. Immerhin gibt es eine bekannte Seite namens „www.blogovanje.com“, auf der registrierte User bloggen können. Montenegro befindet sich weiterhin in einer Entwicklungsphase, zumal da die Republik erst seit 2006 unabhängig ist. Das Mediensystem entwickelt sich schnell, ständig kommen neue Radio- und Fernsehsender hinzu. Lokale Sender haben in Montenegro eine größere Bedeutung als in Deutschland. Sie werden von den Gemeinden finanziert und so werden in Zukunft wohl noch etliche lokale Sender auf den Markt kommen. Auch im Printbereich sind die Voraussetzungen gut. Zeitungen und Zeitschriften konnten auch während des jugoslawischen Bürgerkrieges im Großen und Ganzen ihr objektives und professionelles Niveau der Berichterstattung aufrechterhalten. Allerdings ist der staatliche Einfluss nach wie vor stark, und es fehlt an weiteren Mediengesetzen, die den Publikationen mehr Spielraum zur Entfaltung bieten würden. Es gibt zwar Gesetze, nur werden diese nur selten konsequent umgesetzt.
3.6
Ein besonderer Fall: Fernsehen im Sandžak
Die Region Sandžak liegt zwischen dem Nordosten Montenegros und dem Südwesten Serbiens. Sie ist zwischen diesen beiden Ländern ‚gespalten‘, weshalb sie manche als Brücke zwischen den Muslimen aus Bosnien und jenen im nicht weit entfernten Kosovo sehen. Serben und Montenegriner sehen sie eher als eine Art ‚Gaza-Streifen des Balkans‘, in dem die nationalen Ambitionen der Muslime des Balkans hochgekocht werden. Im Sandžak stellen die muslimischen Bosniaken die Bevölkerungsmehrheit, gefolgt von Serben und Montenegrinern. In der Hauptstadt Novi Pazar sind gar 79 Prozent der Einwohner Bosniaken. Die Informationsfreiheit fällt dem Gegensatz zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen immer wieder zum Opfer. Der lokale staatliche TV-Sender bekam zuletzt eine Abmahnung der serbisch-nationalen Rundfunkanstalt: Er galt als der am meisten parteiische Sender des Landes, nachdem er bei den letzten Wahlen offenkundig einer einzigen Partei zur Verfügung stand. Nach den Wahlen in Serbien gab es auch in Sandžaks Hauptstadt Novi Pazar einen politischen Wechsel. Erstmals verbesserte sich damit auch die Berichterstattung der Medien, so die Meinung von Medienvertretern und NGOs. Dieser positive Wandel helfe eindeutig, um die Spannungen abzubauen. Bis zu den Wahlen am 11. Mai 2008 achtete Sulejman Ugljanin, der langjährige Bürgermeister von Novi Pazar und Präsident der Partei des demokratischen Einsatzes des Sandžak (SDA), penibel auf die mediale Präsenz seiner
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Person und seiner Partei: Während der Oppositions-partei, der demokratischen Partei des Sandžak (SDP) von Rasim Ljaji, die Türen der lokalen Medien verschlossen blieben, zeigten die Hauptnachrichten fast ausschließlich Ugljanin, der Baustellen besichtigte und sich mit wichtigen Persönlichkeiten traf. Die Zensur ging sogar so weit, dass Vertreter der Oppositionspartei, die zufällig bei Aufnahmen aufs Bild gerieten, herausgeschnitten wurden. Hinter diesem politischen Kleinkrieg stand eine Fehde zwischen den beiden Machthabern, die wiederum mit den Anführern zweier muslimischer Gemeinden verbunden waren: Mufti Adem Zilki stand hinter Ugljanin und Mufti Muarem Zukorli hinter Ljaji. Auswirkungen hat diese Feindschaft auf familiäre und soziale Netzwerke und auf den Alltag der gesamten Bevölkerung. Schilder an Kaffehäusern beschränken den Eintritt auf Mitglieder einer Partei, Muslime sind gespalten zwischen den beiden Gruppierungen. Dadurch kann eine Hochzeit über Parteigrenzen hinweg zu einem familiären Albtraum werden. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den jeweiligen Anhängern waren keine Seltenheit. Mit der neuen Regierung bestand nun Hoffnung auf Veränderung: Nach der serbischen Parlamentswahl am 11. Mai 2008 vereinbarte Ugljanins Partei, die als Bosniakische Liste für einen europäischen Sandžak angetreten war, die Bildung einer Koalitionsregierung mit anderen westlich orientierten Kräften sowie der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS). Seinen Posten als Bürgermeister musste Ugljanin an Mirsad Djerlek abtreten. Man wolle die Opposition im regionalen Fernsehen mehr zu Wort kommen lassen, hieß es in den Verlautbarungen der Neugewählten. Zugleich weigerte sich der frühere Bürgermeister Ugljanin, in seinem früheren Lieblingsmedium aufzutreten, weshalb der Sender auf Presseberichte ausweichen musste. Die Medien schienen sich auf politischer Ebene um Ausgeglichenheit zu bemühen. Dafür schwelte der Konflikt auf religiöser Ebene weiter. Zu spüren bekam das ein Verleger, der das Buch „The Jewel of Medina“ der amerikanischen Autorin Sherry Jones auf den serbischen Markt bringen wollte. Die Erzählung handelt von Ajsa, einer von Mohammeds Frauen, die mit elf Jahren verheiratet wurde. Muarem Zukorli, Oberhaupt der muslimischen Gemeinschaft in Serbien und Anhänger der SDP, protestierte heftig gegen die Beleidigung des Propheten Mohammed. Er fühle sich an die Mohammed-Karrikaturen von 2006 erinnert. Der Protest zeigte Wirkung. Der Belgrader Verlag nahm das Buch vom Markt und entschuldigte sich öffentlich. Im Sandžak hatte das Buch jedoch einen prominenten Fürsprecher. Der Abgeordnete Esad Dzudzevi aus dem Lager des ehemaligen Bürgermeisters und Provinzdespoten Ugljanin sprach sich öffentlich gegen eine Verbannung von Kunst jeglicher Art aus.
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4.
Kroatien: Pressefreiheit zwischen Tudjman und Pavi
Wenn man die Zeitungen und Zeitschriften, die den kroatischen Markt beherrschen, mit ihren serbischen Pendants vergleicht, fällt auf, dass zwar die Zeitungen der ‚yellow press“ in beiden Ländern des ehemaligen Jugoslawien gleich bunt und reißerisch aufgemacht sind, die politischen Magazine aber in Serbien deutlich seriöser erscheinen, und dies nicht nur auf den ersten Blick. Auch die ehemals seriöse Presse ist in Kroatien von einer geradezu schreienden Aufdringlichkeit, die in Serbien (noch) nicht zu finden ist. Während zum Beispiel manche Artikel des kroatischen Politmagazins „Globus“ fast nur aus Illustrationen zu bestehen scheinen, ist sein serbischer Gegenpart, die „NIN“, fast schon zu textlastig. Die Texte des serbischen Wochenmagazins bewegen sich durchweg auf hohem Niveau, mögen sie auch dem westlichen Leser manchmal etwas zu ‚pointiert’ erscheinen. Es ensteht der Eindruck, als gäbe es in Serbien eine kritischere Öffentlichkeit als im Nachbarland, die sich nicht allein mit sensationsheischenden ‚Stories’ abspeisen lassen will. Ein Redakteur des unter dem Dach der WAZ-Gruppe in Zagreb produzierten „Globus“ meinte entschuldigend, die kroatische Öffentlichkeit wünsche eben vor allem ‚sex and crime’, und auch hinter einer seriösen Fassade lasse sich unseriöser Journalismus verbergen. Er spielte auf einen Artikel an, der im Juni 2005 im „Globus“ erschienen war. Dort ging es um die alkoholschwangeren Exzesse serbischer Neo-etnici, die sich jedes Jahr in der Ravna Gora treffen. Von dort war im Zweiten Weltkrieg der Widerstand der königstreuen serbischen etnik-Bewegung des Obersten Dragoljub Mihajlovi gegen die deutsche Besatzung ausgegangen. Großformatige Bilder serbischer Jugendlicher in ‚Kriegsbemalung’ beherrschten die mehrseitige Reportage. In Kroatien sei, so lautet der Vorwurf, die seriöse, traditionsreiche Presse nach und nach ‚boulevardisiert’ worden, aus schlichter Profitgier, wie kritische Journalisten meinen, weil sich damit auf kurze Sicht mehr verdienen ließ als mit seriösem, aber kostspieligem Journalismus. Die (vor allem) westlichen Investoren, auf die diese Kritik gemünzt ist, reagierten stereotyp. Nichts liege ihnen ferner, als den kritischen Journalismus in Kroatien „kaputt zu machen“. Doch der Streit, den die deutsche WAZ-Gruppe mit den Redakteuren der rumänischen Tageszeitung „Romania Libera“ ausfocht, diente denjenigen, die das Engagement ausländischer Investoren auf dem kroatischen Zeitungsmarkt nicht durchweg positiv sehen, als abschreckendes Beispiel dafür, wie der kritische Journalismus, gerade von sozialistischer Gängelung befreit, an ein neues Gängelband gelegt wurde – an das Gängelband der ‚Marktgängigkeit’. Die „International Federation of Journalists“ (IFJ) meinte, nicht nur in Kroatien, sondern auch in Rumänien und Bulgarien, zeigten sich die „verheerenden Auswirkungen“ des Engagements internationaler Medienkonzerne auf die Medien. Das Engagement der Konzerne führe, sagte der Generalsekretär der IFJ, Aidan White, zu einer „Bedrohung der Medienvielfalt“ und einer „Ausplünderung der nationalen Medienressourcen“. Nach einer Studie „wurde das staatliche Zeitungsmonopol durch ein ausländisches Firmenmonopol abgelöst“. Die WAZ bemühte sich auf jeden Fall darum, die Art der Berichterstattung und die Themen an den Bedürfnissen ihrer Leser auszurichten. Der Außenkorrespondent der deutschen Zeitung machte es sich nach eigener Auskunft zur Gewohnheit, Zagreber Taxifahrer nach ihren Vorlieben zu fragen, danach, wie ihnen die Aufmachung und die Berichterstattung gefielen. Dabei wäre über die „Feral Tribune“, Kroatiens einzige wirklich kritische Zeitung, kein negativer Kommentar gefallen. Diese positive Aussage war damals ein bewusst gestreutes Kompliment, denn die WAZ bemühte sich um die „Feral“, wie sie auch kurz genannt wurde. Im Gegensatz zu den anderen bedeutenden kroatischen
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Medien, die sich fast alle in der Hand ausländischer Verlage befinden – die auflagenstärkste Zeitung „Jutarnji List“ gehört zum Beispiel mehrheitlich dem WAZ-Konzern –, konnte sich die „Feral“ lange ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit bewahren. Die Europa Press Holding (EPH), zu 50 Prozent im Besitz der WAZ, kaufte jedoch auch die „Feral Tribune“, und viele fragten sich, ob es nun mit dem offenen und kritischen Journalismus auch dort ein Ende haben würde. Das satirische Wochenmagazin war schon zu Zeiten des TudjmanRegimes für seine kritische Haltung bekannt. Mit Autoren wie Noam Chomsky, Slavoj Žižek oder Alain Finkielkraut machte es sich international einen Namen. Nach Tudjmans Tod und dem Ende der autoritären Alleinherrschaft der HDZ ließ sich die Leserschaft nicht mehr klar eingrenzen. Das Interesse an dem Magazin ließ nach und man verlor wichtige Werbekunden. Im Juni 2007 wurde die „Feral Tribune“ für zwei Wochen eingestellt, worauf man sich auf eine rettende Partnerschaft mit dem EPH-Verlag einigte. Schon früher hatte der Verlag versucht, das Magazin zu kaufen, scheiterte aber am Widerstand der Redaktion. Die Journalisten hatten Angst um ihre redaktionelle Unabhängigkeit. Als dann auch noch die Mehrwertsteuer erhöht wurde, ging die Zeitung nach 14 Jahren zum Bankrott. Angeblich mußte die „Feral Tribune“ als regierungs-kritische Zeitung mehr zahlen als andere. Grundsätzlich fällt für Presseerzeugnisse in Kroatien eine Mehrwertsteuer von 22 Prozent an. Dieser Satz würde aber, je nach Regierungstreue, nicht überall gleich streng beachtet, sagte „Feral“-Chefredakteur Viktor Ivani im kroatischen „Radio 101“. Neben korrupten Zusammenschlüssen aus Politik, Wirtschaft und Medien, die über Werbeschaltungen bestimmen, war die Mehrwertsteuer ein wirksames Mittel, unangenehme Presse finanziell zu ruinieren51. Eigentlich gilt Kroatien als Vorbild für die Entwicklung einer Medienlandschaft nach westeuropäischen Standards. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist auch wirtschaftlich völlig vom Staat losgelöst und zählt inzwischen zu den unabhängigsten in Osteuropa. Trotz Konkurrenz vom Privatsender „RTL“ behält die „HRT“ (Hrvatska Radiotelevizija) 70 Prozent Marktanteil. Eine Qualitätspresse gibt es in Kroatien trotzdem nicht. Die ehemals staatliche Tageszeitung „Vjesnik“ geht zwar in diese Richtung, verkauft sich aber nicht sonderlich gut, ganz im Gegensatz zum Beispiel zu „24sata“, einer Boulevard-Tageszeitung des österreichischen Verlags „Styria“, die mit einer Million Leser nach zweijährigem Bestehen vom Besitzer als „größter Gründungserfolg in Europa“ bezeichnet wurde. Der Verlag führt auch eine der vier Gratiszeitungen im Land, die mancher jedoch für die rapide nachlassende Qualität im Printbereich verantwortlich macht. Der finanzielle Erfolge wird zum einzigen Kriterium und der Drang zum Boulevard immer stärker. Was Beobachter im Vergleich zu Deutschland oder Österreich als positiv an Kroatien schätzen, ist die journalistische Unruhe. Die Medien hätten in Kroatien auch eine viel stärkere Kontrollfunktion als im Westen. Das journalistische Selbstverständnis hat sich begreiflicherweise sehr geändert. Während unter Tudjman viele Journalisten bereit waren, sich dem Regime anzudienen,
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Gängeleien der Verlage erfolgten nicht unbedingt über die direkte Zensur, die durch ein eigenes Gesetz während der Kriegszeit ermöglicht worden war, als vielmehr über wirtschaftliche Hebel. So existieren in Kroatien vier Druckereien, von denen drei im staatlichen Besitz sind. Über diese Druckereien läuft auch ein großer Teil des Vertriebs. Kritische Blätter klagten darüber, dass sie über diesen Weg gegängelt wurden. Hinzu kamen die Androhung oder Anordnung von Strafgeldern und hohen Steuern. Auch damit konnten unabhängige Medien kujoniert werden. Bekannt ist der Streit um die einzige private Druckerei des Verlages von „Novi List“ in Rijeka. Mit einer Ausnahmegenehmigung war eine moderne Druckanlage zollfrei nach Kroatien importiert worden. Dann aber sollte der Zoll nachentrichtet werden und das in einer Höhe, die für das wirtschaftliche Unternehmen eine fast unzumutbare Belastungsprobe geworden wäre.
schon um überleben zu können, geben sie sich heute linksliberal, ob aus Überzeugung oder um dem Zeitgeist zu entsprechen, sei dahingestellt. Es gibt jedoch Themen, wie zum Beispiel die Rückkehr der serbischen Bürgerkriegs-Flüchtlinge, die auch heute aus einem sonst liberalen Kommentator rasch einen kroatischen Konservativen machen können.
4.1
Die kroatischen Medien nach der Unabhängigkeit
Die Presse geriet in Kroatien wie überall im zerfallenden Jugoslawien in die Mühlen des Nationalismus. Je länger der Krieg dauerte desto heftiger und leidenschaftlicher wurde die ideologische Auseinandersetzung auch in den Spalten der Zeitungen und auf den Bildschirmen. Die Medien wurden auch in Kroatien mit dem Beginn der kriegerischen Konflikte im Juni 1991 Opfer und Täter in den Auseinandersetzungen um die Existenzfrage des Staates. Als ‚objektiv’ galt diejenige Darstellung in den Medien, die der Meinung der politischen Mehrheit entsprach. Diese Haltung wirkt bis heute nach. Vor allem Fernsehen und Hörfunk, deren Frequenzvergabe besonders der staatlichen Kontrolle unterliegen, konnten sich davon nicht vollkommen freimachen. Westliche Kritik an der eingeschränkten Pressefreiheit Kroatiens, an der Dominanz der Mehrheitspartei Tudjmans, der HDZ, wurde in den Jahren des Bürgerkriegs monoton mit der Erklärung beschieden, zuerst müsse man den Unabhängigkeitskrieg führen und gewinnen, und dann könne man an den Aufbau demokratischer Institutionen denken und sich Meinungsstreit leisten. Schematische FreundFeinbilder beherrschten die Berichterstattung. Die Printmedien konnten sich dagegen teilweise ihre Unabhängigkeit erhalten. Doch manche, ehemals angesehene Tages-zeitungen, wurde unter der Hand zu Organen der neuen politischen Ordnung, die Tudjman durchgesetzt hatte. Das Wochenmagazin „Danas“, am ehesten mit dem deutschen „Spiegel“ oder dem österreichischen „Profil“ vergleichbar, scheiterte am wirtschaftlichen Druck, um dann unter demselben angesehenen Namen als Belangpostille der Regierungspartei wieder aufzutauchen. Nach einer journalistischen Emanzipation und einer Auflage von 100.000 Exemplaren verschwand „Danas“ nach neuerlichem Druck 1992 von den Kiosken. Die sogenannten klassischen Zeitungen „Vesnik“ und „Veernij list“, die früher zum alten Staatsmonopol des „Savez Komunista“, dem „Bund der Kommunisten“, gehört hatten, schlüpften unter den Schutzmantel der neuen politischen Macht der HDZ-Regierung. Als 1992 die Privatisierung des Kollektiveigentums begann, gab es in Kroatien bereits ein Verlagshaus, das sich in Privateigentum befand – die „Slobodna Dalmacija“ („Freies Dalmatien“) mit Sitz in Split, die die Tageszeitung gleichen Namens und die Wochenzeitung „Nedjeljna Dalmacija“ herausgab. Die Angestellten des Verlagshauses – Journalisten, technisches und Verwaltungspersonal – hatten es erworben, was ihnen ein Gesetz ermöglichte, das noch der letzte Premierminister der jugoslawischen Föderation, Ante Markovi, erlassen hatte. Die „Slobodna“ blickt auf eine lange Tradition zurück: Ihre erste Ausgabe wurde in einem Schuppen auf dem Berg Mosor von Titos Partisanen gedruckt. Bereits vor der Befreiung von Split am 26. Oktober 1944 war die Zeitung in Brštanovo, Split, Hvar, Vis und anderen Städten an der dalmatinischen Küste unter der Hand verteilt worden. Ursprünglich nur für die Bevölkerung in der Küstenregion Dalmatien gedacht, wurde die „Slobodna Dalmacija“ in den 1950er und 1960er Jahren zu einer der meistgelesenen Zeitungen Jugoslawiens, die in den späten 1980er Jahren ihre höchsten Auflagen erreichte. Den Erfolg verdankte sie ihre Satireseiten und der klugen Redaktionspolitik ihres Chefredakteurs Joško Kuluši, der neuen Ideen Raum gab. Damit trug er einiges zum Zerfall Ju-
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goslawiens bei, davon sind viele Kroaten überzeugt. Die „Slobodna“ sei, weil sie Kolumnisten aus dem rechten und linken Lager beschäftigte, eine der wenigen freien Zeitungen gewesen, die es Anfang der 1990er Jahre in Kroatien gab. So war die „Slobodna Dalmacija“ in den ersten Jahren des Krieges eine der wenigen unabhängigen Stimmen in Kroatien, die die öffentliche Meinung offen kritisierte. Und so wurde aus der regionalen Zeitung „Slobodna Dalmacija“ das wichtigste nationale Blatt Kroatiens. Diese mächtige und kritische Stimme war dem neuen Präsidenten Franjo Tudjman jedoch ein Dorn im Auge. Als die Staatsbanken 1993 Rückerstattungsforderungen stellten – die die kroatische Justiz 2000 als unbegründet, falsch und manipuliert verwarf – wurden die Privatisierungen mit einem Federstrich annulliert. Die Banken übernahmen die Eigentümerschaft und traten sie wenig später an einen der neureichen kroatischen Geschäftsmänner ab, der außerdem das Vertrauen der politischen Führug genoß – an Miroslav Kutle. Grundlage für die Annullierung der Privatisierung war ein Beschluß der staatlichen „Agentur für Restrukturierung und Entwicklung“, und ausgeführt wurde er von den stellvertretenden Vorsitzenden der HDZ („Hrvatska Demokratska Zajednica“ – „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“), Ivica Pašali und Drago Krpina. 2001 forderte der Sabor, das kroatische Parlament, die Aufhebung der Immunität der beiden ehemaligen Vorsitzenden, um sie für ihre Rolle in jener schmutzigen Affäre des Jahres 1993, als die „Slobodna Dalmacija“ reprivatisiert wurde, vor Gericht stellen zu können. Mit der Übernahme durch Kutle wurde aus dem einst kritischen Blatt ein radikales Sprachrohr der Politik der ethnischen Homogenisierung Kroatiens, das sich damals in seiner Radikalität nur mit der Zagreber Tageszeitung „Veernji list“ vergleichen ließ. Dem politischen Alleinvertretungsanspruch der HDZ, der Partei Tudjmans, sollte auch die Presse unterworfen werden. Einflußnahme auf interne Vorgänge wechselte mit unmittelbarer Gewalt – Chefredakteure wurden nach politischer Maßgabe ernannt, die Zeitungen radikal zensiert oder sogar verboten. 1991 stürmte eine bewaffnete Bande unter Führung des Grafen Branimir Glavas die Redaktion der Tageszeitung „Glas Slavonije“ in Osijek. Die „Stimme Slavoniens“ war eine Regionalzeitung mit einer Auflage von 5.000 Exemplaren und galt dennoch als gefährlich, weil sie sich gegenüber der Regierung des öfteren kritisch geäußert hatte. Glavas und seine Männer jagten den Chefredakteur Drago Hedl und dessen Mitarbeiter davon, eine Aktion, für die der kroatische Sabor am 16. Oktober 2000 dem Grafen Glavas die parlamentarische Immunität aberkannte. Ein anderer typischer Fall jener Zeit ist der Fall der Wochenzeitung „Globus“. Gegründet 1989, gelangte sie in das Privateigentum des Unternehmers Ninoslav Pavi, der im Zwielicht der mittleren Funktionärsebene der KP als Ideologe groß und einflussreich geworden war. Dazu passt, dass die Zeitschrift „Globus“ die Kroaten zu Anfang des Krieges ideologisch im Hass auf die anderen Ethnien Jugoslawiens aufzurüsten versuchte. Darin wurde sie allein von der privaten Wochenzeitung „Slobodni tjednik“ („Freie Wochenzeitung“) noch übertroffen. In den Jahren 1991 und 92 veröffentlichte der „tjednik“ regelmäßig Listen sogenannter „Feinde“, womit er mitschuldig wurde am Tod mehrerer Dutzend Personen, die in der Zeitung als „subversive Elemente“ verunglimpft worden waren. Der „tjednik“ stellte Mitte der 1990er Jahre sein Erscheinen ein. „Globus“ passte sein Profil geschmeidig den neuen Zeiten an, als sich der nationale Mythos zu erschöpfen begann. Der Wechsel zu einem ‚kritischen’ Magazin hatte nichts mit Überzeugung zu tun, vielmehr mit dem finanziellen Einfluss westlicher Geldgeber und Geschäftsverbindungen in den Westen. Man war der Politik der nationalen Abschottung Tudjmans überdrüssig und gab sich kritisch. Einige Mitarbeiter Pavis, angeführt von Ivo Pukani, verließen den „Globus“ und gründeten 1995 die Wochenzeitung „Nacional“, die kritischer und liberaler sein wollte. Dass sie ihren Beitrag zum Ende der Tudjman-
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Ära leisten konnte, wäre jedoch ohne die finanzielle Unterstützung amerikanischer Stiftungen nicht möglich gewesen. Die Position, die „Slobodna Dalmacija“ bis 1993 besetzt hatte, blieb nicht lange vakant. Die Tageszeitungen „Novi list“ („Neue Zeitung“) aus Rijeka und die „Glas Istre“ („Stimme Istriens“), die sich von „Novi list“ nur durch ihre Regionalseiten unterscheidet, schafften es, die Privatisierung aufgrund des Markovi-Gesetzes durchzusetzen. Die Angestellten wurden Mehrheitseigentümer. Treibende Kräfte waren der Direktor der Zeitung, Zdenko Mance, dessen diplomatisches Geschick, und die Gemeinden an der nördlichen Adria, wo die HDZ niemals die Mehrheit errungen hatte. Rasch wandelte sich die „Novi list“ zur nationalen Tageszeitung und führte so die Tradition eines unabhängigen Organs der Opposition fort. Zu verdanken war diese Entwicklung zu einem guten Teil den Journalisten der Zeitung aus Split, besonders den Korrespondenten in Zagreb, die bis 1993 das Nervenzentrum des unabhängigen und kritischen Journalismus verkörpert hatten, und nun bereit waren, in der gerade eröffneten Redaktion der „Novi list“ in Zagreb zu arbeiten. Die anderen, die weiter bei der „Slobodna Dalmacija“ arbeiteten, bezahlten das mit Marginalisierung und Zensur. Der Chefredakteur Dražen Gudi konnte während der acht Jahre, die er für die Zeitung arbeitete, nicht eine Zeile unterbringen. Andere Journalisten wiederum gingen ins Ausland. Von den unabhängigen Medien Kroatiens lehnten sich gegen das Tudjman-Regime auch die Spliter Tageszeitung „Sunce“ („Die Sonne“) – die sich aus finanziellen Gründen bald auflösen sollte – und die Wochenzeitung „Feral Tribune“ auf. Die bald recht erfolgreiche „Feral Tribune“ wurde von einer Gruppe junger Journalisten gegründet. Sie erschien anfangs alle zwei Monate, erinnert in ihrem Stil am ehesten an das deutsche Satiremagazin „Titanic“, und spielte eine kaum zu überschätzende Rolle in der allmählichen Entzauberung der Herrschaft der kroatischen Nationalisten. Cice Senjanovi, einer der Gründer der „Feral“ erinnerte sich, unter welch’ abenteuerlichen Bedingungen die erste Nummer zustande gekommen war. Dalmatien war damals nur über das Meer zu erreichen. Man druckte die ersten Ausgaben in Rijeka, eine Gruppe von Redakteuren schiffte sich in Split auf der Nachtfähre ein und brachte das mit, was man für die erste Ausgabe brauchte. Die Fähre war voll von bosnischen Flüchtlingen, und die Redakteure fanden sich inmitten von Freunden und Sympathisanten wieder – unter ihnen war auch Ranko Ostoji, der stellvertretende Innenminister, mit dem die „Feral-Tribune“-Journalisten die kommunistische Hymne „Bandiera rossa“ sangen, wobei die Verse an einer Stelle abgewandelt wurden. Lauthals sangen sie vom „verdammten Tudjman“. Ninoslav Pavi gründete 1998 die Tageszeitung „Jutarnji list“ („Die Morgenzeitung“), die ihr Erscheinen mit einer Kampagne einläutete, wie man sie in Kroatien noch nicht erlebt hatte. Der Zeitung gelang es, das zu zerstören, was vom Prestige der HDZ und des Tudjman-Clans im einfachen Volk übriggeblieben war. Die „Jutarnji list“ wurde die zweitgrößte Tageszeitung Kroatiens. In der Zwischenzeit wurde die „Veernji list“ über eine Briefkastenfirma mit Sitzen in London, Vaduz und auf den karibischen Jungfraueninseln verkauft. Nach und nach wurde sie unter die Kontrolle einer Parteistiftung der HDZ gebracht, dessen Präsident der berühmt-berüchtigte Ivica Pašali war. Nach der Wende vom 3. Januar 2000 ging die Tageszeitung an die österreichische „Styria“. Die Regierung annullierte zwar den Verkauf, und zwei Geschäftsmänner mit Verbindungen zur HDZ, die als Verantwortliche der erwähnten Briefkastenfirmen enttarnt worden waren, wurden verhaftet. Doch wenige Tage später wurden sie wieder auf freien Fuß gesetzt, während zugleich das Eigentumsrecht der „Styria“ und der verantwortliche Redakteur Branko Tudjen in seinem Amt bestätigt wurden. Unter der neuen Chefredakteurin Ružica Cigler veränderte das Blatt sein Auftreten. Es gab sich etwas konservativer als bisher und etwas loyaler gegenüber der damaligen
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Mitte-Links-Regierung. Attraktiv für private Anleger wäre damit nur noch die Tageszeitung „Vjesnik“ gewesen, wenn sich diese nicht vollständig in Staatsbesitz befunden hätte. Regionalzeitungen mit Auflagen von nur einigen zehntausend Exemplaren waren ohnehin für Käufer uninteressant. Nach den Januar-Wahlen 2000 wurde der Chefredakteur des „Vjesnik“, Nenad Ivankovi, einer der Kriegsveteranen, die sich auf der radikalen Rechten Kroatiens politisch engagierten, von Igor Mandi abgelöst. Mandi, ein angesehener Schriftsteller, Intellektueller und homme de lettres, war 1996 einer maßlosen Diffamierungskampagne ausgesetzt gewesen, weil er es gewagt hatte, als erster Kroate auf einer öffentlichen Konferenz in Belgrad zu sprechen. Die staatlichen Medien beschimpften ihn als Verräter der Nation. Weil es Mandi nicht gelang, die Auflage der Zeitung zu verdoppeln, wurde er nach einigen Monaten im Amt von seinen Pflichten entbunden. Er hinterließ jedoch eine Zeitung, die für seriösen Journalismus stand, und vor allem weiter erscheinen konnte. Pukani, der die Redaktion des „Globus“ verlassen hatte, um die Wochenzeitung „Nacional“ ins Leben zu rufen, hatte im Dezember 2000 ein neues Projekt, die Tageszeitung „Republika“. Die erste Ausgabe wartete mit einer schwerwiegenden Anklage gegen Ninoslav Pavi auf, wonach dieser an einer Reihe illegaler Aktionen beteiligt gewesen und dabei von der HDZ gedeckt worden sei. Ziel dieser Aktionen sei gewesen, die das Monopol über Presse und elektronische Medien zu erlangen. Pavi wurde noch in derselben Nacht verhaftet, aber nach drei Tagen unter Vorbehalt wieder auf freien Fuß gesetzt. Es war wenig wahrscheinlich, daß das Verfahren mit Gefängnis für Pavi enden würde. Unterdessen blühte sein Unternehmen weiter. Pavi gründete eine Reihe populärer Presseerzeugnisse, von der Frauenzeitschrift bis zu Sport- und Jugendzeitschriften. Das Interessante an Pukanis Neugründung „Republika“ war ihre kritische Nähe zur Regierung. Die „Republika“ warf der Regierung vor, dem Einfluss von Kriminellen, namentlich aus den Reihen der radikalen Rechten, allzusehr nachzugeben und sich auf faule Kompromisse mit ihnen einzulassen. Nach ungefähr vier Monaten musste Pukani jedoch die „Republika“ aus wirtschaftlichen Gründen einstellen. Man hatte keine ausländischen Finanziers finden können. Vielleicht wurde die Redaktionslinie von der kroatischen Öffentlichkeit auch als zu links empfunden. Dabei war die Kritik der „Republika“ oft durchaus berechtigt – zum Beispiel an Miroslav Kutle, dem Eigentümer der „Slobodna Dalmacija“. Kutle saß mehrere Monaten hinter Gittern. Die neue Regierung hatte die „Slobodna Dalmacija“ verstaatlicht, weil Kutle hohe Schulden hatte. Doch in der Redaktion hatte sich trotz der Verstaaltichung nicht geändert. Im Gegenteil: die „Slobodna Dalmacija“ war immer noch das Organ der extremen Rechten Kroatiens, und startete eine Kampagne gegen die „Verräter an der Macht“. Doch den Angestellten gelang es, die Zeitung wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Mit Hilfe eines von der Gewerkschaft organisierten Referendums wurde der Chefredakteur Josip Jovi seines Amtes enthoben, eine Aktion, die im übrigen von der nationalen Journalistengewerkschaft, der „Vereinigung der kroatischen Journalisten“ und auch von der Regierung mitgetragen wurde. Damit kehrte die „Slobodna Dalmacija“ wieder zu ihren Ursprüngen einer kritischen Zeitung der Opposition zurück, die alle jene einer harten Prüfung unterzog, die für die nationale und regionale Tragödie der vergangenen zehn Jahre verantwortlich waren. Wie wird es in Kroatien mit den Medien weitergehen? Das Medienunternehmen Pavis ist mittlerweile, wohlgemerkt mit dessen Einverständnis, in die Kontrolle multinationaler Konzerne übergegangen, unter denen die deutsche WAZ-Gruppe an erster Stelle steht. Die ‚Multinationalen’ wurden auch zu Miteigentümern der „Novi list“ und teilweise sogar der „Feral Tribune“. Die Geschichte der „Feral Tribune“ ist, wenn nicht tragisch, so auf jeden Fall traurig zu nennen, weil sich in ihr das Schicksal der Rebellen gegen ein autoritäres
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Regime spiegelt, die sich auch nach dem demokratischen Wechsel am Rande der Gesellschaft wiederfanden, und auch die Unterstützung der Weltöffentlichkeit verloren, weil ja alles nun ‚ordentlich’ zu laufen schien. Die Lage der Verlagsmitarbeiter war nach wie vor schwierig. Auch wenn es einige der einflussreichen Redakteure der „Jutarnji list“ und des „Globus“ auf Lehrstühle schafften, fühlt sich die Mehrheit der Journalisten von einem System ausgebeutet, das an den Frühkapitalismus des 19. Jahrhunderts erinnert. Man habe unglaublich viel zu arbeiten, verdiene aber weniger und die Gehälter würden selten zum Stichtag bezahlt. Viele Journalisten müssen außerdem Jahre warten bis ihre freien Mitarbeiterverträge in feste umgewandelt werden, wobei ein neues Gesetz nicht einmal mehr eine Unterscheidung zwischen freiem und festem Arbeitsverhältnis vorsieht. Der Gewerkschaft war es bisher nur einmal gelungen, einen besonders extremen Fall des Missbrauchs zur Anklage zu bringen: Fast keinem der Redaktionsmitglieder der rechtskonservativen Wochenzeitung „Fokus“ war Kranken- oder Rentenversicherung bezahlt worden. Gegen den Eigentümer des „Fokus“, den Pressezaren Marinko Mikuli, wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Insgesamt kann die Lage der Presse in Kroatien aber sicher als besser als in den 1990er Jahren bewertet werden. Viele Probleme sind nach wie vor ungelöst. Vor allem die Entlohnung der abhängig Beschäftigten in den Medienhäusern ist immer noch nicht zufriedenstellend geregelt – ein Problem, das freilich nicht nur das wirtschaftlich lange benachteiligte, aber heute aufstrebende Kroatien betrifft.
4.2
Der Umbruch der Medienlandschaft nach der Tudjman-Ära
Der Tod Präsident Franjo Tudjman Ende 1999 und der Sieg der Opposition in den Parlamentswahlen vom 3. Januar 2000 ließen die Voraussetzungen für Demokratie und unabhängiges Medienschaffen in besserem Licht erscheinen. Nach dem Januar 2000 sprachen OSZE-Beobachter bereits von einem „Wandel in der Berichterstattung des Fernsehens über Nacht“. Der Innenausschuss im Sabor, dem kroatischen Parlament, legte am 15. Februar 2000 fest, dass mit sofortiger Wirkung die Abhöraktionen des Verfassungsschutzes gegenüber „andersdenkenden Journalisten und Staatsbürgern“ mit sofortiger Wirkung eingestellt worden seien. Die Medienwelt war in Kroatien im Umbruch. Es wehe ein neuer Wind durch das Land, meinte die Journalistin Jasna Basti. Nach zehn Jahren nationalistischer Herrschaft der Präsidentenpartei HDZ („Hrvatska Demokratska Zajednica“) und der damit verbundenen Unterdrückung der Medienfreiheit stünden die Medienschaffenden nun vor neuen Herausforderungen, meinte Basti. Sie müssten beweisen, dass sie auch unter den neuen Voraussetzungen fähig sind, politisch unabhängig und professionell zu arbeiten. Die Veränderungen begannen, was vielen unglaublich erschien, in der Redaktion der Tageszeitung „Vjesnik“ in Zagreb. Bis vor kurzem war das Blatt noch für seine extreme kroatischnationalistische Propaganda bekannt gewesen. Jetzt wurde Igor Mandi zum neuen Chefredakteur bestimmt, einer der schärfsten Kritiker des Tudjman-Regimes. In der ersten Redaktionskonferenz erklärte er, dass endlich Schluß sein müsse mit dem ‚hate speech’, den Hasstiraden im „Vjesnik“. Boris Buden, der bisher für unabhängige Magazine wie „ARKzin“ und „Bastard“ geschrieben hatte und für seine scharfen, analytischen Kritiken bekannt war, wurde vom neuen Chefredakteur Mandi zum regelmäßigen Kolumnisten des „Vjesnik“ ernannt. Die staatlich kontrollierten Medien begannen tatsächlich, über die wirtschaftlichen Folgen der systematischen Zerstörung der Wirtschaft in den letzten zehn Jahren und die kriminellen Privatisierungen durch den Familienclan des Präsidenten zu berichten.
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Bisher war es unvorstellbar gewesen, dass solche Themen in den regimekontrollierten Medien überhaupt Erwähnung gefunden hätten. Der Journalist Drago Hedl beschrieb die plötzliche Wandlung der „Sauli zu Pauli“ satirisch: „Wenn man auf einen Berg klettern könnte, der hoch genug wäre, um auf die gesamte Medienwelt Kroatiens blicken zu können, würde sich einem eine wunderbar unterhaltsame Landschaft bieten. Man könnte die glühendsten Sprecher und Verteidiger der alten Partei und ihrer Politik unter den Journalisten sehen, die jetzt in dunkler Nacht, nur mit Unterwäsche oder Nachthemd bekleidet, sich heimlich ins Lager der alten Opposition zu schleichen versuchen. Alle Zeitungen sind auf einmal unglaublich frei und frei von Tabu-Themen, offen für jede Geschichte und jeden Gesprächspartner.“52 Einige der führenden Persönlichkeiten der Staatsmedien reichten Rücktrittsgesuche oder ihre Kündigung bei der neuen Regierung ein, so zum Beispiel der Direktor des kroatischen Fernsehens „HTV“ und der Direktor der staatlichen Nachrichtenagentur „Hina“. Das Parlament diskutierte über die Zukunft des kroatischen Fernsehens, wie der Übergang von der staatlichen zur öffentlich-rechtlichen Anstalt zu bewältigen wäre. Die Ereignisse überschlugen sich in diesen Tagen. Ein Gericht erklärte die Privatisierung der einstigen Qualitätszeitung „Slododna Dalmacija“ aus Split für null und nichtig. 1993 war die Zeitung aufgrund eines Beschlusses der staatlichen „Agentur für Restrukturierung und Entwicklung“ einem der reichsten kroatischen Geschäftsmänner, Miroslav Kutle, in die Hände gespielt worden. Kutle, der über gute Kontakte zum ehemaligen kroatischen Verteidigungsminister Gojko Šušak verfügte und damit von Regierungsentscheidungen profitieren konnte, hatte damals 37 Prozent der „Slobodna Dalmacija“ zu einem Kaufpreis von 3,7 Millionen DMark übernommen. Zahlreiche regierungskritische Mitarbeiter der Zeitung waren daraufhin entlassen worden. Kutle verordnete der Redaktion einen ultra-nationalistischen Kurs, insbesondere nachdem Kroatien in den Bosnienkrieg eingetreten war. Viele Leser, die den alten Stil der Zeitung gewohnt waren, wandten sich ab. Bereits 1995 hatte „Slobodna Dalmacija“ mit schweren finanziellen Problemen zu kämpfen. Ende der 1990er Jahre ging die „Dalmacija“ wieder zurück in die Hände der kroatischen Regierung, der Mitte-Links-Regierung unter Ivica Raan. Ihr gelang es, den finanziellen Kollaps zu verhindern. Eine neue Redaktion wurde eingesetzt und die ultra-nationalistische Tendenz aufgegeben. Kutle saß damals bereits einige Zeit im Gefängnis. „Nach sechs Jahren erhalten wir endlich Genugtuung für den Streik, den wir damals gegen die Veruntreuungen und Unterschlagungen während der Privatisierung begonnen haben“, erklärte Ilija Marsi, Präsident der Vereinigung der Aktieninhaber von „Slobodna Dalmacija“. Heute befinden sich 70 Prozent der Zeitung im Besitz der „Europapress Holding“, an der die deutsche WAZ-Mediengruppe mit 49 Prozent beteiligt ist53. Auch in der kroatischen Medien-Gesetzgebung begann 2000 ein neuer Wind zu wehen. Das Verfassungsgericht nahm alle Klagen der unabhängigen Wochenzeitung „Feral Tribune“ an und hob einige provisorische Verfügungen auf, die unter dem gültigen Mediengesetz gegen die Zeitungen verhängt worden waren. Während der zehnjährigen Herrschaft der HDZ waren die kroatischen Journalisten vielfältigen Repressionen ausgesetzt gewesen. Rund eintausend Gerichtsfälle waren gegen Journalisten und Medien eröffnet worden, mehr
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Bati, J.: „Kroatiens Medien im Umbruch“. In: Medienhilfe Ex-Jugoslawien, info, 2000/1 [www.medienhilfe.ch/fileadmin/medienhilfe/mh-infos/mh-info2000-1.pdf]. In Kroatien ist die EPH nach eigenen Angaben der größte Zeitschriften- und Zeitungsverlag. Herausgegeben werden u.a. die Tageszeitungen „Jutarnji list“ und „Slobodna Dalmacija“ sowie das Nachrichtenmagazin „Globus“. Die Gruppe Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) stieg 1998 bei der EPH ein.
als dreihundert allein wegen Beleidigung und Verleumdung von Regierungsmitgliedern, und mehr als sechshundert Klagen auf Schadensersatz gegen Herausgeber und Verleger. Der Betrag all dieser Klagen überstieg 25 Millionen Schweizer Franken. Diese Vorfälle gehörten der Vergangenheit an, versicherte der kroatische Innenminister und Vorstandsmitglied der Sozialdemokratischen Partei Sime Luin im September 2003. Seine Regierung lege keine Akten über Journalisten an und höre sie auch nicht ab54. Die HDZ hatte bis 2000 ihre eigenen Mitglieder abhören lassen und überwacht, und warf nun der neuen MitteLinks-Regierung vor, die Mitglieder und Abgeordneten der HDZ abhören zu lassen. Was sich aber aus der alten in die neue Zeit retten konnte, und was nicht weiter verwunderlich ist, waren die alten Verbindungen und Seilschaften, die niemand so geschickt für die eigenen Interessen auszunutzen verstand wie der kroatische Geschäftsmann und mächtigste Mann der kroatischen Medienszene Ninoslav ‚Nino’ Pavi.
4.3
Der kroatische Medienmogul Ninoslav Pavi
Die unabhängigen Medienbeobachter von „Aimpress“, einer Schweizer Organisation, fragten im Dezember 2001 „Is WAZ taking over Croatia?“. Am 20. Dezember 2001 hatte es das Verlagsunternehmen „Tisak“ geschafft, den drohenden Bankrott abzuwenden, den Miroslav Kutle provoziert hatte. Die Erholung des Unternehmens war insofern interessant, als jeweils fast 26 Prozent der Anteile an Ninoslav Pavis „Europapress Holding“ (EPH), an die „Rovinj“-Tabakfabrik und die Zeitung „Veernji list“ gingen. Die verbleibenden 24 Prozent wurden unter dem Staat, den Mitarbeitern der „Tisak“ und denjenigen aufgeteilt, denen das Verlagsunternehmen Geld schuldete. Zugleich wollten erste Gerüchte wissen, dass Pavis „Europapress holding“ auch die Anteile übernehmen würde, die an die „Rovinj“-Tabakfabrik gehen sollten, womit er fast die Hälfte der Anteile des Großunternehmens „Tisak“ erringen würde. Damit hätte der größte Zeitungsverleger Kroatiens ein Vertriebsnetz unter seine Kontrolle gebracht, mit dem er alle anderen Verleger hätte schachmatt setzen können. Da Pavi auch vorhatte, die „Distripress“, das zweitgrößte Druck- und Verlagsunternehmen Kroatiens, zu übernehmen, hätte die „Europapress Holding“ in Kroatien ein regelrechtes Monopol etabliert. Pavic stritt vehement ab, ein Monopol etablieren zu wollen. „Das ist Unsinn“, sagte er in einem Interview mit der „Slobodna Dalmacija“, und meinte weiter: „Jeder verantwortliche Geschäftsmann in welchem Beruf auch immer, wie auch diesem hier, muss sein Unternehmen weiterentwickeln.“ Pavi stritt auch ab, irgendwelche Geschäfts-kontakte zur „Rovinj“-Tabakfabrik zu haben, und er betonte nachdrücklich, jeder der Anteilseigner der „Tisak“ wäre gleichberechtigt. Die Statuten schlössen aus, dass einer die anderen dominiere. Für Ivo Pukani, den Eigentümer der Zagreber Wochenzeitung „Nacional“ war die angepeilte Eigentümerstruktur der „Tisak“ „beschämend und gefährlich“, ja ein Desaster, „nicht nur für kleine Verleger, sondern für die Pressefreiheit in Kroatien“. „Nacional“ hatte im Dezember 2001 einen geheimen Partnerschaftsvertrag veröffentlicht, unterzeichnet von Ninoslav Pavi, Vinko Grubiši, Miroslav Kutle und einem anonymen Partner, der sich hinter dem Pseudonym Hrvoje Franji versteckte und hinter
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Vgl.: Medien- und Pressespiegel. Medien Südosteuropa, Nr. 9/2003, September 2003 [www.br-online.de/brintern/suedosteuropa/Spiegel03_9.html].
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dem man Ivo Pašali vermutete. Dieser Vertrag beschrieb die Gründung eines geheimen Clans namens „Grupo“. Dieser verfolgte angeblich das Ziel, den gesamten Medienmarkt Kroatiens unter seine Kontrolle zu bringen. Nachdem der Vertrag in der Presse erschienen war, wurden Pavi und Grubiši verhaftet und vernommen. Nach zwei Tagen wurden sie bereits wieder auf freien Fuß gesetzt. Kutle befand sich zu dieser Zeit bereits einige Zeit hinter Gittern. Man vermutete, dass hinter der Freilassung und der Einstellung des Verfahrens der kroatische Premier und SDP-Vorsitzende Ivica Raan steckte. Es war ein offenes Geheimnis, dass Premier Raan und Pavi seit Jahren auf sehr vertrautem Fuß standen, und noch vertrauter wurden, nachdem Raan der mächtigste Mann im Staat geworden war. Pavi berichtete wohlwollend über die Politik seines Freundes, vor allem in der „Jutarnji list“ und im „Globus“. Was können wir unter diesen Umständen von der „Tisak“ erwarten, fragte Pukani zu Recht. Oder von einer Regierung, die allen Forderungen Pavis widerstandslos nachgibt? „Nino Pavi und die EPH haben die Regierung erpresst und wollten den „Vijesnik“ („Der Bote“) kaufen, das heißt das kroatische Verlagshaus! Wenn das geschieht, wird „Grupo“ das absolute Monopol über die kroatischen Medien erlangen“, behauptete Pukani. Die EPH behauptete natürlich, noch nie etwas von einer Organisation namens „Grupo“ gehört zu haben. Branko Greti, offizieller Sprecher der „Tisak“, wies Pukanis Spekulationen umgehend zurück. Es gebe kein Monopol, schon weil es in Kroatien sechs Vertreiber gebe. Der Umstand, dass „Tisak“ der größte ist, sei nur ein Grund, sich mehr anzustrengen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Die Befürchtung war jedoch nicht aus der Welt zu schaffen, dass „Veernji list“, „EPH“ und die „Rovinj“Tabakfirma irgendwann zu den Eigentümern der „Tisak“ stoßen würden. Wer könnte dann verhindern, dass die Tabakproduzenten aus Rovinj ihre Anteile an die EPH verkaufen? Angesichts der Finanzkraft der EPH, das heißt ihres deutschen Eigentümers WAZ, war die Versuchung immens. Namentlich „Distripress“, der größte unter den sechs Vertreibern, sollte bald in Pavis Eigentum übergehen. Am Anfang des neuen Jahrtausends standen die Zeichen in Kroatien auf Sturm. Man hatte das Beispiel Bulgarien vor Augen. Dort hatte die WAZ den Wettbewerb vollständig beseitigt, indem sie das Vertriebsnetz unter ihre Kontrolle brachte. Es entwickelte sich ein Preiskampf, aus dem als unbestrittene Siegerin die WAZ hervorging. Ähnliches drohte auch in Kroatien zu passieren, es sei denn Premier Ivica Raan würde sich von Pavis epresserischem Einfluss freimachen können, meinten kritische Journalisten. Dann geschah das Unvorhergesehene: Am 1. März 2003, um vier Uhr morgens, explodierte unter Pavis Mercedes-Jeep, der vor seiner Villa geparkt war, eine Bombe. Die Detonation zerstörte Pavis Wagen, sein Haus wurde beschädigt, aber niemand wurde verletzt. In unmittelbarer Nachbarschaft der Pavi-Villa, im Zagreber Nobelvorort Tuskanec, befindet sich die amerikanische Botschaft. Die instabile Sicherheitslage in Kroatien sei dadurch wieder einmal bewiesen worden, hieß es. Die Täter wollten zeigen, dass niemand, auch nicht ein Ninoslav Pavi, unantastbar sei. Dem Anschlag folgten mehrere Drohungen gegen Journalisten, die für Pavis Zeitungen und Zeitschriften arbeiten. Da Journalisten in Kroatien in den letzten Jahren wiederholt Ziel von Anschlägen der organisierten Kriminalität waren, wurde in der kroatischen Presse über die Hintergründe des Mordanschlages heftig spekuliert. Der Aufruhr in der Presse kontrastierte auffällig mit der scheinbaren Ruhe der Polizei, die lange keinen Aufklärungsfortschritt melden konnte. Die Tat war auf jeden Fall kein Werk eines Dilettanten. Die Zeitschrift „Globus“, die zu Pavis Imperium gehört, meinte, die Bombe, die seinen Jeep zerstörte, ähnele jener Bombe, die vor einigen Jahren Jozo Leutar umgebracht hatte, den Vizeinnenminister der bosnisch-muslimischen Föderation. Die Bombe und die Drahtzieher seien deshalb wohl aus Bosnien gekommen, mutmaßte
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„Globus“. Ziel der Attentäter sei es, die Journalisten der mächtigsten und größten kroatischen Medienholding einzuschüchtern, erklärte Pavi. Was immer sie schrieben, sie würden stets das Bild des zerstörten Automobils vor Augen haben. Der Mafia gefielen viele der Artikel nicht, die in Zeitungen und Zeitschriften der „EPH“ erscheinen, nicht. Jelena Lovri, angesehene Herausgeberin der unabhängigen Zeitung „Novi List“, die nicht zu Pavis „EPH“ gehörte, teilte Pavis Einschätzung: „Die Kriminellen in diesem Land fürchten weder die Regierung noch die Polizei. Sie haben nur vor den Medien und der öffentlichen Meinung Angst.“ Auch Ministerpräsident Raan, die OSZE, „Reporter ohne Grenzen“ und das „International Press Institute“ solidarisierten sich mit Pavi und sprachen von einem „terroristischen Anschlag“ auf die Meinungsfreiheit. Der größte Konkurrent des „Globus“, die Zeitschrift „Nacional“, präsentierte eine gänzlich andere Erklärung für den Mordanschlag, die nichts mit Pavis angeblichem Engagement für die Meinungsfreiheit zu tun hat. Nicht die kritischen Artikel seien schuld, sondern die Tatsache, dass Pavi vor allem ein „mächtiger Kapitalist“ sei, meinte die „Nacional“-Journalistin Jasna Babi – der Anschlag als Abrechnung unter „Geschäftspartnern“, als eventuelle Warnung der kroatischen Mafia, weil sich Pavi nicht an Absprachen gehalten habe. Pavis Engagement auf dem kroatischen Immobilienmarkt, der noch gefährlicher als seine Medienmacht in Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina sei, lege das nahe. Die kroatischen Medien diskutierten eine weitere interessante Theorie, die Pavi selbst indirekt bestätigte. Der Anschlag könnte auch ein Racheakt der serbischen Mafia sein, dafür dass Pavi nicht nur die „Politika“ erworben hatte, sondern sich obendrein anschickte, eine weitere serbische Tageszeitung, den „Dnevnik“ zu erwerben, der in Novi Sad erscheint. Pavi hatte selbst in einem Artikel für sein Magazin „Globus“ geschrieben: „Vielleicht hat irgendjemand meine Reise nach Montenegro nervös gemacht, die für die vergangene Woche vorgesehen war, und die ein Treffen mit dem Premierminister Djukanovi einschließen sollte, oder vielleicht die Tatsache, dass ich die WAZ zu überreden versuche, den Dnevnik in Novi Sad zu kaufen?“ Sollte es der kroatischen Polizei gelingen, den Drahtzieher des Attentats ausfindig zu machen, wäre damit die Hälfte des Rätsels gelöst, meinten kroatische Journalisten. Im Fall Pavi, der ohne Schaden den Regimewechsel von Franjo Tudjman zu Stipe Mesi überstanden hatte, der als risikofreudig, äußerst gewandt und skrupellos galt, und so zum mächtigsten Mann der kroatischen Medienszene wurde – seine „EPH“ kontrollierte in Kroatien 35 Prozent des Tageszeitungs- und 46 Prozent des Wochenzeitungsmarktes – in seinem Fall glaubte man sofort, dass beide diskutierten Erklärungen des Anschlags stimmen könnten. Einerseits leuchteten die Presseerzeugnisse der „EPH“ die Grauzonen zwischen Politik, Wirtschaft und organisierter Kriminalität aus, andererseits hatte Ninoslav Pavi von der Günstlingswirtschaft unter Franjo Tudjman profitiert und war wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Anti-Kartell-Gesetz sogar im Dezember 2000 für kurze Zeit in Haft gesessen, wobei er mangels Beweisen freigelassen werden musste. „Aber selbst wenn der Verdacht zu Recht bestanden hätte: Rechtfertigt ein Verstoß gegen das Anti-Kartellgesetz, der per definitionem nur gemeinschaftlich begangen werden kann, bereits die Einstufung in die Kategorie ‚organisiertes Verbrechen’?“, fragte die deutsche Frankfurter Allgemeine Zeitung im September 2003. In einem Interview mit der Fachzeitschrift „Österreichischer Journalist“ warf Michael Dichand, jüngster Sohn von Hans Dichand, Chef des österreichischen Massenblatts „Kronen-Zeitung“, dem WAZ-Konzern vor, in Kroatien mit der „Grupo“ zu kooperieren, die mit dem organisierten Verbrechen zusammenhänge. An dieser „Mafiavereinigung“, wie Dichand sie bezeichnete, sei der politische Berater des ehemaligen Präsidenten Franjo Tudjman beteiligt. Ein Geheimvertrag zwischen „Grupo“ und der WAZ schreibe vor, dass erste-
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re bei allen Geschäften auf dem Balkan mit nicht unter 25 Prozent zu beteiligen sei. Dies würde bedeuten, dass die Kroaten unmittelbar über die WAZ ausgerechnet an „Politika“ beteiligt wären, dem größten Verlagshaus in Serbien, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ (19.9.2003), worauf WAZ-Gesellschafter Erich Schumann erwiderte, er werte die Anschuldigung als „absurd und ungeheuerlich“, die „Verleumdung“ habe „auch eine strafrechtliche Relevanz“. Auch der WAZ-Tochter „Europapress Holding“ war nach eigener Aussage ein Geschäftspartner namens „Grupo“ unbekannt. Nach Ansicht des angesehenen kroatischen Journalisten Drago Hedl offenbare die ganze Pavi-Pukani-Grupo-Geschichte nur das „inzestuöse Verhältnis, das nach wie vor in Kroatien zwischen der Politik und den Medien“ herrsche. Neue Nahrung erhielten diese Gerüchte, als Mirjana Pukani, Ehefrau von Ivo Pukani, während eines Interviews, das sie einem Journalisten eines Internet-Portals gab, gewaltsam von der Polizei aus ihrer Wohnung in eine psychiatrische Klinik gebracht wurde. Die Zuschauer des Fernsehsenders „TV Nova“, der die gesamte Szene, die gefilmt worden war, übertrug, reagierten schockiert. Frau Pukani war offensichtlich nicht geisteskrank. Sie hatte in dem Interview von der Brutalität erzählt, die sie über Jahre von ihrem Ehemann zu erdulden hatte. Ivo Pukani hatte für jedermann sichtbar seinen Einfluss und seine Kontakte zur Politik ausgenützt, um seine Ehefrau von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Das funktionierte zunächst auch, denn bis auf wenige Internetforen schwiegen die offiziellen Medien. Für Pukani waren die Berichte seiner Frau über Erniedrigungen, erzwungenen Drogenkonsum und sexuellen Missbrauch zudem unangenehm, weil seine Frau Miteigentümerin aller seiner Unternehmen war, einschließlich des Verlagshauses, das die Wochenzeitung „Nacional“ herausgibt. Als der Inhalt des langen Interviews von Frau Punkani dann doch bekannt wurde, wurde Ivo Pukani in den Medien angegriffen. Zugleich meldete sich ein Unbekannter aus der Unterwelt und forderte die Bezahlung der Drogen, zu deren Konsum Pukani seine Frau gezwungen hatte. Ein weiterer Unbekannter versuchte Ivo Pukani vor seinem Haus zu erschießen. Die Medien hielten das Attentat für inszeniert, um vom Skandal um Pukanis Ehefrau abzulenken und den Täter Ivo Pukani zum Opfer zu machen. Mirjana Pukani war in der Zwischenzeit dank des Eingreifens einer Nicht-Regierungs-Organisation aus der Psychiatrie entlassen worden. Und die Medien ergingen sich über die Kontakte Pukanis zur hohen Politik, vor allem zum Staatspräsidenten Mesi, in dessen Gesellschaft er des öfteren zu sehen war, bei Jubiläen, beim Golfen und selbst in der Sauna. Staatspräsident Mesi spielte die Affäre herunter. Das sei eine reine Familienangelegenheit. Die Hintergründe des Attentats müssten aufgeklärt werden. Zum illegalen Vorgehen der Polizei und der Gesundheitsbehören verlor der Staatspräsident kein Wort. Ende Oktober 2008 wurde ein weiterer Anschlag auf Pukani verübt. Am frühen Abend des 24. Oktober explodierte unter seinem Auto eine Bombe, und tötete ihn und seinen Marketingchef. Staatspräsident Stjepan Mesi meinte in einer ersten Reaktion auf das Attentat, Terrorismus sei in den Straßen der Hauptstadt zu einer Tatsache geworden55. Die Verunsicherung in Regierungskreisen und in der Öffentlichkeit war so groß, dass sich Ministerpräsident Sanader nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats genötigt sah zu erklären, dass er vorläufig keinen Ausnahmezustand verhängen wolle. Als Hintergrund des Attentats vermuteten die meisten die kritischen Artikel, die in Pukanis Zeitschrift „Nacional“ erschienen waren und mit denen er sich gerade in der Unterwelt mächtige Feinde gemacht
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Vgl. „Kroatien im Banne einer blutigen Abrechnung“. Weiterer spektakulärer Mordanschlag in Zagrebs Innenstadt. In: Neue Zürcher Zeitung, 25./26. Oktober 2008, Nr. 250, S. 4.
hatte. 2001 hatte „Nacional“ einen Bericht über die Verflechtungen des montenegrinischen Ministerpräsidenten Djukanovi in den Zigarettenschmuggel veröffentlicht. 2003 publizierte das Magazin ein Interview mit dem damals flüchtigen Ex-General Ante Gotovina. Den Kontakt zu dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher soll ein heute inhaftierter, mit Pukani befreundeter kroatischer ‚Geschäftsmann‘ hergestellt haben. 2009 wurde ein Serbe namens Bojan Guduri, auch ‚Bajone’ genannt, in Banja Luka verhaftet und des Mordes an Pukani angeklagt. Als Krimineller, der sich auf den Raub von Schmuck und Überfälle auf Wettbüros vor allem in Novi Sad, Sombor und Sremska Mitrovica spezialisiert hatte, wäre ihm der mächtige Verleger, der es auf die organisierte Kriminalität abgesehen hatte, ein Dorn im Auge gewesen. Auf der Liste der Verdächtigen standen weitere Personen aus dem kriminellen Milieu Kroatiens und Serbiens, die für den Auftragsmord mindestens eineinhalb Millionen Euro erhalten haben sollen – unter anderem Željko Milovanovi, der im Juni 2009 in Belgrad verhaftet wurde.
4.4
Fernsehen, Rundfunk und Nachrichtenagenturen in Kroatien
Allzu leicht wurden in der Regierungszeit von Präsident Tudjman kritische Stimmen in den Medien entweder der ‚Jugonostalgie’ oder ‚unkroatischer Umtriebe’ bezichtigt. Um diese nostalgischen Anwandlungen und Umtriebe zu verhindern, griff die Administration vor allem in Funk und Fernsehen oft genug direkt durch, was sich zum Beipsiel an den Auseinandersetzungen um „Radio 101“ in Zagreb zeigte. Der Entzug der Lizenz für diesen populären Sender hatte im November 1996 rund hunderttausend Demonstranten auf den JelaiPlatz gebracht, die gegen ein Ende von „Radio 101“ protestierten. Da in Kroatien wie in den anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens unabhängige Presserzeugnisse meist sehr teuer sind, ist für die überwiegende Mehrheit Fernsehen und Rundfunk die hauptsächliche Informationsquelle. Nach Umfragen soll für 75 Prozent des kroatischen Volkes die abendliche Tagesschau „Dnevnik“ die einzige oder vorrangige Informations-quelle sein. Dabei spielt „HRT“, der staatliche kroatische Rundfunk- und Fernsehsender mit seinen verschiedenen Programmen die Hauptrolle. Kurz nach seinem Amtsantritt im Januar 2000 erklärte der neue Regierungschef Ivica Raan, die Reform von „HRT“ in ein öffentlich-rechtliches Unternehmen würde nun in Angriff genommen werden. Darauf hatten sich die ehedem unter Tudjman oppositionellen, nun regierenden Parteien vor ihrem Sieg in den Parlamentswahlen vom Januar 2000 geeinigt. Zur Debatte stand auch, ob einer der drei Fernsehkanäle privatisiert werden sollte. Es gab damals in Kroatien etwa 120 Lizenzen für regionalen und lokalen Hörfunk und 12 lokale Fernsehlizenzen, die früher angeblich zu sehr nach politischer Willfährigkeit vergeben worden wären. Kroatien hatte allerdings noch unter der alten Regierung Ende 1998 erste Versuche für eine Reform des Staatsfunks eingeleitet. Nach einer Gesetzesänderung hatten die Parlamentarier im Rundfunkrat daraufhin ihre Mehrheit verloren. Stattdessen erhöhte sich der Anteil der Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen (23 Mitglieder, 10 Parlamentarier). Ferner verzichtete der Präsident, der damals Tudjman hieß, auf die direkte Ernennung des Generaldirektors von Funk und Fernsehen. Der Generaldirektor wird nun durch den Rundfunkrat gewählt. Ein Haken hatte das Gesetz für die damaligen Kritiker. Denn alle Mitglieder des Kroatischen Rundfunkrates müssen vom Parlament bestätigt werden. Die neue Regierungskoalition aus sechs Parteien realisierte allerdings in Bezug auf die Medien kaum etwas von dem, was sie im Wahlkampf versprochen hatte. Zwar wurden einige der schlimmsten Ge-
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setzesbestimmungen ausser Kraft gesetzt, eine damals unterzeichnete „Charta über öffentlich-rechtliches Fernsehen“ und die Entstaatlichung des Fernsehens blieb aber lange Papier. Heute ist die kroatische Rundfunk- und Fernsehanstalt „HRT“ („Hrvatska Radiotelevizija“) öffentlich-rechtlich verfasst. In Kroatien ist wie überall in Südosteuropa neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk56 und Fernsehen in den Jahren nach dem Ende des Kommunismus eine Vielzahl von privaten Sendern entstanden. Zu diesen zählen „TV Cakovec“, „VTV Vinkovci“, „TV Varaždin“, „Kanal Ri“, „TV Zadar“, „TV Nova“ (Pula), „Adriatic TV“ (Split) und die offene Station „TV Zagreb“, „Radio Donat FM“ in Zadar, „Radio Adriatic“ in Neum, „Cityradio Ritam“ in Šibenik, „Radio Borovo“, „Radio Brac“, „Hit Music Radio“, „Nautic Radio“ Vis, „Radio Dunav“, „Radio Deejay“ Crikvenica, „Radio KL Eurodrom“, „Radio Medjimurje“, „Radio Meastral“ und „Radio 101 Zagreb“. Mit einer 35-stündigen Talkshow, die am 27. und 28. August 2007 live ausgestrahlt wurde, schafften es Kristijan Petrovi, Journalist des nordkroatischen Regionalsenders „Varaždinska televizija“ (Varaždiner Fernsehen, VTV)57, und der bekannte Zagreber Entertainer Davor Dretar-Drele, den bisherigen Weltrekord im Dauermoderieren um mehr als zwei Stunden zu überbieten58. Die Talkshow, an der rund 200 prominente Gäste aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens teilnahmen und die über ein Netzwerk kommerzieller Sender landesweit übertragen wurde, beaufsichtigte ein Expertenteam der „Guinness World Records Ltd“. Die Talkshow, moderiert auf einer Open-AirBühne in der Varaždiner Innenstadt, war Teil des traditionellen Straßenfestivals „Spacirfest“, das jedes Jahr Tausende Besucher aus dem In- und Ausland in die nordkroatische Barockstadt lockt. Der kroatische Schriftsteller Peri sprach über seinen aktuellen Bestseller „Der Vampir“ und seinen neuen Roman „Der D'Annunzio Code“, die weitgehend unbekannte Details über Wien enthalten sollen. Obwohl beide Moderatoren vor Beginn der Sendung von einem Ärzteteam gründlich untersucht und für fit erklärt wurden, schien der neue Weltrekord nicht von Anfang an sicher zu sein. Erst nachdem die ersten 24 Stunden, ohne die von den Moderatoren befürchtete erste Krise, verstrichen waren, hieß es, der alte Rekord sei so gut wie gebrochen. Auch wenn der Regionalsender damit für Aufsehen sorgte und Zuschauer anzog, ist die Hauptinformationsquelle der Mehrheit der kroatischen Bürger nach wie vor der öffentlichrechtliche Rundfunk. Die kroatische Rundfunk- und Fernsehanstalt „HRT“ wird von einem „HRT“-Programmrat kontrolliert. Dieses elfköpfige Gremium kam erstmals am 14. November 2003 zusammen. Seine Mitglieder werden vom kroatischen Parlament gewählt, die wiederum den Generaldirektor für eine Amtszeit von vier Jahren wählen. Für Ende März
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Inzwischen hat die Technik zu einer weiteren Durchsichtigkeit und Pluralität beigetragen. Das Internet ermöglicht weltweiten Zugriff auf das kroatische Fernsehen und den Hörfunk. Unter der Adresse www.hrt.rh kann man sich authentische Nachrichten in kroatischer Sprache anhören und ansehen und bis in das Audioarchiv des Rundfunks vordringen. Dort lagern, ebenfalls zum weltweiten Gebrauch, einige Ansprachen von Präsident Tudjman, die als historische Dokumente ihre Bedeutung haben. Interessant ist auch die Webadresse www.kroaten.de „Kroatien im Internet“ mit Zugriffen auf eine Vielzahl von Medien, darunter Links zu verschiedenen Zeitungen. In eigener Sache bietet auch die Webadresse www.hic.hr vom Hrvatski Informativni Centar für Sprachkundige einen Zugang zu Nachrichten aus Kroatien. Vgl. die Webseite des Senders: www.vtv.hr. Der bisherige Weltrekord betrug 33 Stunden und wurde 2005 vom New Yorker Fernsehsender „Staten Island Community Television“ aufgestellt. Der neue Rekord, der nun bestätigt und ins Guinness Buch der Weltrekorde eingetragen werden soll, beträgt 35 Stunden, 16 Minuten und 31 Sekunden. Laut Guinnes-Regeln mußte die Show darüber hinaus rund um die Uhr von einem mindestens zehnköpfigen Publikum verfolgt werden. Dieses blieb trotz verregneten Wetters nicht aus. Ferner durfte keine Frage wiederholt werden, ein Umstand, der zwar wesentlich zur Dynamik der Show beitrug, ihren Moderatoren die Arbeit aber zusätzlich erschwerte.
2007 sollte planmäßig der neue Generaldirektor des Kroatischen Rundfunks (HRT) feststehen. Doch die Wahl scheiterte an heftigen Unstimmigkeiten im Programmrat und endete sogar in einer regelrechten Schlägerei. Zur Wahl stand ein neuer Direktor, weil der bisherige „HRT“-Direktor Mirko Gali in die Diplomatie wechselte. Er sollte kroatischer Botschafter in Paris werden. Daher wurde der Direktorsposten ausgeschrieben. Es bewarben sich insgesamt 22 Kandidaten, von denen die Hälfte alle Voraussetzungen erfüllte. Vier der elf Kandidaten kamen selbst aus dem „HRT“, die übrigen aus anderen Branchen. Der Programmrat des Kroatischen Rundfunks, der den neuen Direktor zu wählen hatte, ist ein vom Parlament nach öffentlichem Aufruf zusammengesetztes Gremium, dem es jedoch nicht gelang, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. In die engere Wahl kamen laut Medienberichten drei Kandidaten: Galis bisheriger Stellvertreter Vanja Sutli, der Jurist und Manager Marijan Kostreni, Vorsitzender verschiedener Aufsichts-räte, darunter der Mobilfunkgesellschaft „VIPnet“ und des Medienverlags „Veernji list“, sowie die Historikerin Andrea Feldman, Direktorin des Zagreber „Instituts für Demokratie“. Keiner dieser Bewerber konnte jedoch die vorgeschriebenen acht der elf Stimmen im Programmrat auf sich vereinigen. Damit war die Generaldirektorenwahl im „HRT“ vorerst gescheitert. Als sich das Gremium aber auch auf keine provisorische Führung einigen konnte, kam es zur Krise. Die einen wollten den abgetretenen Direktor Mirko Gali aus der Politik zurückholen, was aber die Regierung ablehnte. Diese wiederum wollte für den „HRT“ einen Regierungskommissar einsetzen, was postwendend als unvereinbar mit einem unabhängigen Rundfunk abgewiesen wurde. Schließlich kam es zu einer umstrittenen Übergangslösung: Vanja Sutli, bisheriger „HRT“-Vizedirektor, wurde doch noch zum provisorischen Rundfunkdirektor gewählt, allerdings lediglich mit sechs Stimmen, die als gesetzliches Minimum gelten, was den Protest der Gegner dieser Lösung hervorrief. Der Posten des Rundfunkdirektors wurde erneut ausgeschrieben. Mit der Würde des Rates schwerlich vereinbar war die Schlägerei zwischen zwei Ratsmitgliedern, zu der die Unstimmigkeiten innerhalb des Rundfunkorgans zuletzt eskalierten. Der auslösende Moment war jener, als Jadranka Kolarevi, Vertreterin der Vereinigung für Konsumentenschutz im Programmrat, den Zagreber Gynäkologen und ProgrammratsVizevorsitzenden Danko Bljaji, beschuldigte, die Wahl des neuen „HRT“-Direktors persönlich hintertrieben zu haben, was Bljaji tätlich werden ließ. Er und Frau Kolarevi kamen mit leichten Blessuren davon, worauf die übrigen Mitglieder des Programmrates die Amtsenthebung von Bljaji beantragten. Nicht nur die kroatischen Medien spekulierten, Bljaji habe die Wahl von Sutli zu verhindern versucht, weil dieser „serbischer Nationalität sei“. Bljaji dementierte das, bot aber im selben Atemzug seinen Rücktritt an, weil, so schrieben andere Medien, das politische Ziel erreicht worden sei. Der „HRT“ habe nun eine provisorische Direktion, die, wenn sie schon nicht die gewünschte politische Couleur habe, dennoch leichter im gewünschten Sinne zu lenken sei. Staatspräsident Stjepan Mesi meinte zwar, er glaube nicht an Verschwörungstheorien, wonach es politisch gewollt sei, dass „HRT“ bis zu den Parlamentswahlen im Herbst nur eine provisorische Führung haben sollte, weil diese leichter zu beeinflussen wäre. Sollte dies aber tatsächlich der Fall sein, wäre dies nicht von Vorteil für Kroatien. Auch das Staatsfernsehen ist wie die nationale Presse seit langem keine rein kroatisch-nationale Angelegenheit mehr. Im September 2003 erhielt die Firma „HRTL“59 vom Kroatischen Radio- und Fernsehrat eine zehnjährige Konzession
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HRTL besteht aus der RTL Group und den kroatischen Unternehmen Agrokor, Podravka, Atlantic Group, HVB/Splitska Bank und Pinta TV3 [DW-Monitor Ost- und Südosteuropa, 17.9.2003].
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für landesweites Fernsehen. Auch die „RTL Group“, die vorher nur in Ungarn mit „RTL Klub“ aktiv war, überlegte, weitere Expansionschancen in Ost- und Südosteuropa zu prüfen. „HRTL“ setzte sich gegen Rupert Murdoch, die „SBS Broadcasting Group“ sowie einen regionalen Bewerber durch und übernahm die dritte Kette des kroatischen Staatsfernsehens60. Auch auf dem Gebiet der Nachrichtenagenturen begann sich der Einfluss der „WAZ“, der „EPH“ und Ninoslav Pavis bemerkbar zu machen. 2006 gründete der größte Zeitungsverlag Kroatiens, die „Europapress Holding“, die erste nicht-staatliche und überregionale Nachrichtenagentur des Landes61. Sie soll, hieß es damals, 2007 ihre operative Tätigkeit aufnehmen. Der Verlag gehört je zur Hälfte dem deutschen Medienkonzern WAZ und dem kroatischen Medienunternehmer Ninoslav Pavi. Außerdem startete die „EPH“ die Photoagentur „Cropix“, mit der sie bereits 2006 auf den Markt ging. Für „Cropix“ arbeiten mehr als hundert Photographen. Zum Geschäftsführer der neuen Nachrichtenagentur wurde Zdravko Milinovi bestellt, bisher Geschäftsführer und stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung „Jutarnji list“. Vier Tageszeitungen stehen hinter der Nachrichtenagentur „Cropix“ – die „Jutarnji list“, „Slobodna Dalmacija“, „Sportske novosti“ und „Metro Express“. Insgesamt arbeiten bei „Cropix“ mehr als dreihundert Jounalisten, die aus 64 Städten Kroatiens berichten. Wenn unabhängige Medien nicht-staatliche Agenturen wie die von der „EPH“ gegründete mit Argusaugen beobachten, so umso mehr, wenn es um eine so angesehene und staatlich geführte Nachrichtenagentur wie die kroatische „Hina“ geht. Im Oktober 2006 wurde ein neuer Verwaltungsrat bestellt, der aber nach Meinung der Internationalen Journalisten-Föderation (IJF) weniger nach Kompetenz als nach politischer Protektion aussah. Die vier neuen Mitglieder waren eine Tierärztin, der Leiter einer PR-Agentur und zwei Absolventen eines Jura-Instituts. Der IJF äußerte die Vermutung, die Regierung hätte gezielt solche Personen berufen, „die sie kommandieren und kontrollieren kann“. Bevor die Mitarbeiter der HINA einen eigenen Vertreter als fünftes Mitglied in den Verwaltungsrat schicken konnte, wählte der Rat selbst die langjährige Redakteurin Smiljanka Škugor-Hrnevi zur neuen Direktorin, woraufhin Ministerpräsident Ivo Sanader umgehend von einem „erheblichen demokratischen Defizit“ sprach und die Auflösung des gerade erst ernannten Verwaltungsrates androhte.
4.5
Das paradigmatische Schicksal eines Satire-Magazins
Das spätere satirische Wochenmagazin „Feral Tribune“ erschien bis 1993 als Beilage der Tageszeitung „Slobodna Dalmacija“. Als die Zeitung durch einen gesetzwidrigen Privatisierungsprozeß an ein Mitglied der regierenden HDZ verkauft wurde, entschlossen sich die Journalisten Viktor Ivani, Predrag Lui und Boris Dezulovi, eine unabhängige Zeitschrift ins Leben zu rufen, die zuerst alle zwei Wochen und danach wöchentlich erschien. Wegen geringer Werbeeinnahmen – viele kroatische Unternehmen zogen es vor, in regierungsnahen Periodika zu inserieren – und zu hoher Mehrwertsteuer wurde die „Feral“, wie sie in Kroatien allgemein genannt wurde, am 14. Juni 2007 zum ersten Mal in den 14 Jahren ihres Bestehens vorübergehend eingestellt. Die Redaktion erklärte nur, vor den kroati-
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Vgl. Financial Times Deutschland, 17.9.2003. Vgl.: http://volksgruppen.orf.at/kroatenungarn/aktuell/stories/57428/.
schen Behörden gälten für kritische und regierungsnahe Medien hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht die gleichen Kriterien. Daß die „Feral“ am Kiosk vorübergehend nicht erhältlich war, hatte also offen politische Gründe, schlicht weil sie eines der letzten politisch und wirtschaftlich unabhängigen Blätter Kroatiens war. Rettend griff damals ein deutscher Konzern ein, der nicht im Ruf stand, ein Garant der Pressefreiheit in Südosteuropa zu sein. Als die deutsche WAZ-Gruppe bei der Feral einstieg, fühlte sich selbst die deutsche Frankfurter Allgemeine Zeitung veranlasst zu betonen, die Feral sei „das Flaggschiff des unabhängigen investigativen Journalismus in Kroatien“62. Die „EPH“, die offizielle Käuferin, an der die WAZ Mehrheitsanteilseignerin ist, betonte ebenfalls, sie würde sich in die Redaktionspolitik nicht einmischen. Für seinen redaktionellen Kurs, der scharfe Kritik und bissige Satire mit gründlicher Recherche vereint, erhielt das Blatt in den 14 Jahren seines Bestehens mehr internationale Auszeichnungen als alle anderen kroatischen Zeitungen und Magazine zusammen. Viktor Ivani, einer der Gründungsredakteure, wurde in Rom mit der „Goldenen Taube für den Frieden“ geehrt. Die angesehene Auszeichnung wird seit 1986 alljährlich vom italienischen Institut „Archivio Disarmo“ für friedliche Lösungen politischer Konflikte, Völkerverständigung und Pressefreiheit verliehen. Warum sich kroatische Unternehmen scheuten, in der „Feral“ zu werben, meinte Ivani, läge auf der Hand. Wenn jemand kritisch über die großen, korrupten kroatischen Unternehmen schreibe, könne er nicht erwarten, von ihnen lukrative Werbeaufträge zu erhalten. Außerdem zahle die kroatische Presse mit einem Steuersatz von 22 Prozent die höchste Mehrwertsteuer in ganz Europa. Diese werde aber bei regierungsnahen und staatlichen Medien gerne abgeschrieben. Beim öffentlichrechtlichen Kroatischen Rundfunk oder der staatlichen Tageszeitung „Vjesnik“ drücke nur zu gerne ein Auge zu. Die „Feral Tribune“ hatte im Jahr 2007 bereits eine halbe Million Kuna (68.027 Euro) Mehrwertsteuer gezahlt, weshalb die Löhne der Mitarbeiter für mehrere Monate eingefroren worden waren. Auch danach blieb das Blatt laut Steuer-behörde eine weitere Million Kuna schuldig, weswegen es mit einer abermaligen Konto-sperre rechnen mußte. Hinzu kam eine Reihe von Entschädigungsansprüchen hochrangiger kroatischer Politiker aus der Ära Tudjman, die das Blatt aufgrund seiner kritischen Bericht-erstattung wegen „Zufügung seelischen Leids“ verklagt hatten63. Ihre kompromisslose Kritik am verstorbenen kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman und dessen Partei HDZ kam der „Feral Tribune“ in den 1990er Jahren teuer zu stehen. Das Blatt wurde zu hohen Geldstrafen verurteilt, Redakteure und Journalisten wurden festgenommen oder zwangs-rekrutiert. Auch
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Vgl. „Flaggschiff“. Die WAZ investiert in Kroatiens frechste Zeitung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. Juni 2007. Gegen die „Feral Tribune“, die mancher mit einem Satireblatt vom Stil der deutschen „Titanic“ verglich, setzte die Staatsmacht im Februar 1996 mit einem zusätzlichen Paragraphen im Strafgesetzbuch an. Dieser neue Paragraph stellte die Verunglimpfung der fünf wichtigsten Repräsentanten des Staates unter Strafe. Zu den so geschützten Personen zählen: Der Präsident, der Premierminister, der Parlamentspräsident, der oberste Verfassungsrichter und der Präsident des obersten Gerichtshofes. Die Strenge, mit der der kroatische Staat hier gegen Journalisten vorging, hatte zur Folge, dass im Mai 1998 fast 500 Verfahren gegen kroatische Journalisten wegen Diffamierung anhängig waren. Dabei war die satirische Zeitung „Feral Tribune“ mit 60 Prozent dieser Verfahren die Hauptbetroffene. Von einer ‚konzertierten Aktion’ gegen einen einzelnen Journalisten war ebenfalls im Frühjahr 1998 zu berichten. Alle 23 Minister der kroatischen Regierung verklagten den Autor eines Artikels in der Wochenzeitung „Globus“. Der Autor hatte aus einer Studie der amerikanischen ConsultingFirma „Kroll“ zitiert, in der die damalige Regierung Kroatiens als „korrupt“ bezeichnet wurde und angeblich auch Kontakte zum organisierten Verbrechen unterhalte.
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die Steuern, die dem satirisch-kritischen Wochenblatt auferlegt wurden, sollen erheblich höher gewesen sein als bei anderen Medien. Dennoch schaffte es die „Feral“ in ihrer Blütezeit wöchentlich bis zu 100.000 Exemplare zu verkaufen. Zahlreiche prominente Autoren, wie etwa die kroatische Schriftstellerein Slavenka Drakuli, der slowenische Philosoph Slavoj Žižek, Aleš Debeljak, der USAKritiker Noam Chomsky oder der französische Philosoph Alain Finkielkraut, trugen zur „Feral Tribune“ ihre Artikel bei. Nach dem Tod Tudjmans und dem Ende der autoritäten Alleinherrschaft der HDZ Anfang 2000 sank jedoch das Interesse der Öffentlichkeit an der „Feral Tribune“ beträchtlich. Während die Leserschaft zu Zeiten Tudjmans aus dem oppositionellen Lager kam, ließ sie sich jetzt nicht mehr klar definieren. Im Juni appellierten etliche Nichtregierungs-organisationen und Medienverbände sogar an die kroatische Regierung, die „Feral“ als wichtige unabhängige Zeitung vor der endgültigen Einstellung zu bewahren. Viele kroatische Politiker, darunter Staatspräsident Stjepan Mesi, unterstützten die Forderung. Aus regierungsnahen Kreisen war deshalb im Sommer 2007 zu vernehmen, die kroatische Regierung unter Ministerpräsident Ivo Sanader (HDZ) ziehe eine Senkung der Mehrwertsteuer für Medien von 22 auf 10 Prozent in Erwägung. Innerhalb der EU zahlen die Medienherausgeber in Irland mit 13 Prozent die höchste Mehrwertsteuer. In den übrigen EU-Ländern variiert der Mehrwertsteuersatz für Medien zwischen null und sieben Prozent. Außerhalb der EU kommen Argentinien (21 Prozent) und Chile (19 Prozent) Kroatien am nächsten. Vor dem endgültigen Untergang bewahrte die „Feral Tribune“ schließlich im Juni 2007 der Einstieg des deutsch-kroatischen Medienkonzern Europa Press Holding (EPH), an dem die deutsche WAZ-Gruppe mit 50 Prozent beteiligt ist – doch nur für kurze Zeit. Es gebe eine finanzielle Übereinkunft mit der EPH, weshalb die „Feral Tribune“ wieder verkauft werde, sagte ihr Herausgeber Zoran Erceg Anfang Juli 2007. Die EPH habe schon in der Vergangenheit versucht, das Magazin zu kaufen, was aber am Widerstand der Redaktion gescheitert sei. Die Redaktion fürchtete nicht ohne Grund um ihre redaktionelle Unabhängigkeit. Ein Vertrag über die von der EPH durchzuführende Kapitalerhöhung wurde am 9. Juli 2007 unterzeichnet. Die EPH erklärte, sie wolle sich nicht in die Redaktionspolitik der „Tribune“ einmischen. Doch wie nicht anders zu erwarten, vor allem wenn man die negativen Erfahrungen in anderen Ländern Südosteuropas mit der Europa Press und der WAZ, namentlich in Rumänien, in Rechnung stellt, sollte es in den kommenden Monaten zu inhaltlichen und redaktionellen Veränderungen kommen, was auch der Verlagsdirektor bestätigte. Die Anzahl der Themen wurde erhöht, außerdem bereitete man eine ‚graphische Neugestaltung’ vor, die jedoch offiziell seit über einem Jahr geplant gewesen wäre. 2008 kam dann dennoch das endgültige Aus. Am 16. Juni erschien die letzte Nummer der vielfach ausgezeichneten Zeitung. Sie sei auch daran gescheitert, so die Kritik, weil sie zuwenig Werbung auf ihren Seiten gebracht hätte. Ihr Chefredakteur, Viktor Ivani, verneinte das. Sie seien von der Werbewirtschaft schlicht boykottiert worden. In der letzten Ausgabe der „Feral Tribune“, die wahrhaftig einer der wichtigsten und unterhaltsamsten medialen Spieler Südosteuropas war, stand schlicht zu lesen: „Nach mehr als fünfzehn Jahren regelmäßiger Auflagen halten Sie jetzt die letzte Nummer unserer Wochenzeitung in Händen.“ Die „Feral Tribune“ sollte, gemessen an Medienpreisen, Ehrungen und internationalen Anerkennungen, eine der hoch angesehenen Erscheinungen der Weltmedien sein. Zwischen 1992 und 1998 hat die „Feral“, wie man sie mit Kosenamen nannte, unter anderem, den Preis „für das beste politisch-satirische Blatt der Welt“ bekommen, die „Goldene Feder für die Freiheit der Presse“ von der „World Association of Newspapers“, den „Internationalen Preis für die Freiheit der Presse“ von der „International Press Directo-
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ry“ und etliche mehr. Unter dem Titel „Shit of the Week“ sammelten in der Rubrik „Greatest Shits“ die „Feral“-Redakteure alle Angeber der jeweiligen Woche. Kein Mensch, unabhängig welche Position er ausgeübt hat, wurde vor der Aufnahme in diese Liste verschont. Unter den wachsamen Augen und Ohren der „Feral“-Redakteure konnte niemand unbeachtet bleiben. Selbst der damalige Präsident Tudjman war ein regelmäßiger Gast dieser Rubrik. Für seine Aussage „Ich werde in der Geschichte neben Franco als der Retter der westlichen Zivilisation gelten“ aus dem Jahr 1998 wurde er sogar mit dem Ehrenpreis „Shit of the year“ bedacht. Das Blatt nannte sich selbst inoffiziell „Wochenzeitung der kroatischen Anarchisten, Protestanten und Häretiker“. Warum mußte „Feral“ aufgeben? War in der Zeit des Friedens alles transparent geworden und damit die Funktion des kritischen Korrektivs entbehrlich geworden? Viele Medienanalytiker nannten als Grund den allgemeinen Prozess der Kommerzialisierung der Medienszene in den sogenannten reform-kommunistischen Staaten. Dieser Prozess lenke das Interesse der Bürger von den wirklichen Problemen des Landes in die Welt der Events und des Konsums ab. Als Schuldiger werden gerne die internationalen Medienkonzernen ausgemacht, die die wichtigsten Zeitungen und Zeitschriften aufgekauft haben. Überraschend ist jedoch die Art wie das Ende der „Feral Tribune“ von der Öffentlichkeit aufgenommen wurde. In Kroatien zerbrach sich kaum jemand den Kopf darüber. Die übrigen Medien übergingen das Ende dieser Zeitung entweder mit Schweigen oder befanden es im besten Falle einer kurzen Meldung für würdig. Es gab keine Demonstrationen oder auch nur Unterstützungserklärungen. Die „Feral“ verschwand in aller Stille von der Bühne. Selbst die internationale Medienszene, die das Blatt einst mit Lob überhäuft hatte, brauchte lange, um dessen Verschwinden überhaupt zu bemerken. Der Journalist Radovan Grahovac meinte bitter-ironisch, es sei kaum zu glauben, daß für die Rubrik „Shit of the week“ das Material ausgegangen wäre.
4.6
Bewegung auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt
Hier zeigten sich die „verheerenden Auswirkungen“ des Engagements internationaler Medienkonzerne auf die Medien in Mittel- und Osteuropa, meinte zum Beispiel die „International Federation of Journalists“ (IFJ). Das Engagement der Konzerne führe, sagt ihr Generalsekretär, Aidan White, zu einer „Bedrohung der Medienvielfalt“ und einer „Ausplünderung der nationalen Medienressourcen“ – womit er explizit auch auf Kroatien Bezug nahm. Nach der Studie „wurde das staatliche Zeitungsmonopol durch ein ausländisches Firmenmonopol abgelöst“. So würde in Kroatien nach der Aussage der IFJ der Zeitungsmarkt vollständig von der WAZ-Gruppe64 kontrolliert65. Während 1996 auf dem kleinen Markt in
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Die WAZ-Mediengruppe mit Firmensitz in Essen ist mit Beteiligungen an Zeitungen, Anzeigenblättern und Zeitschriften in insgesamt neun europäischen Ländern und einem Gesamtangebot von über 500 Titeln das zweitgrößte Verlagshaus Deutschlands und einer der größten Regionalzeitungsverlage Europas. Darüber hinaus verfügt das Unternehmen über feste Standbeine im Druck-, Rundfunk- und Internetgeschäft. Das Fernsehgeschäft war eine rein finanzielle Beteiligung, die 2005 an Bertelsmann verkauft wurde. Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe ist Bodo Hombach. Dr. Erich Schumann, der vom WAZ-Mitgründer Erich Brost adoptiert wurde, fungierte von 1978 bis zu seinem Tod im Januar 2007 ebenfalls als Geschäftsführer. Aus der in der Nachkriegszeit entstandenen Zeitung ist ein Pressekonzern geworden, dessen Geschäftsschwerpunkt auf Regionalzeitungen und Wochenzeitschriften liegt. Die WAZ-Mediengruppe gilt als ‚SPD-nah’. Die Mitherausgabe
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Kroatien noch 1378 Zeitungen und 1622 Magazine erschienen, waren es im Jahr 2000 nur noch 307 Titel, wobei sich diese Zahl zusammensetzte aus sieben Tageszeitungen, neun weiteren politischen Publikationen, vor allem 51 Kindermagazinen, 38 Heften mit Kreuzworträtseln, und 30 Comic- und 22 erotischen Zeitschriften. Die weitaus höchsten Auflagen erzielen Frauenmagazine wie „Gloria“, „Tena“ oder „Mila“. Vor allem guter, das heißt auch teurer politischer Journalismus, hat es schwer, auf diesem Markt zu überleben. Am besten halten sich auf dem Markt die Tagezeitung „Jutarnji list“, die Wochenzeitung „Globus“ und „Imperijal“, die zur „Europapress Holding“ gehören, genauso wie die Rundfunksender „Narodni Radio“, „Obiteljski Radio“, „Nova TV“ und rund zehn weitere Fernsehstationen. Mit einer 50-Prozent-Beteiligung durch die deutsche WAZ wuchs der Konzern zu beträchtlicher Größe an, wobei es auch hier die Frauen-zeitschriften „Gloria“ und „Arena“ sowie die Magazine „Playboy“ und „Cosmopolitan“ sind, die das Rückgrat des Konzerns bilden. Die Befürchtung besteht, dass solche internationale Investitionen keinen Beitrag zu Meinungs- und Medienvielfalt leisten, sondern dass damit Marktbedingungen und Inseratepreise diktiert werden, wie dies die WAZ in Bulgarien erfolgreich vorexerzierte, und dass kleinere, aber für die politische Meinungsbildung und die weitere Demokratisierung des Landes wichtige Publikationen so an die Wand gedrückt werden. Der Konzern kontrolliert heute praktisch die gesamte Medienlandschaft Kroatiens. Im Zuge eines seit einigen Jahren dauernden Rechtsstreites und eines Schiedsgerichtsverfahrens zwischen der mit 50 Prozent an der „Kronen Zeitung“ beteiligten WAZ-Gruppe und dem Krone-Hälfteeigentümer Hans Dichand, bei dem es um die Absetzung Dichands als Hauptgeschäftsführer geht, warf sein Sohn Michael Dichand der WAZ-Gruppe vor, in Kroatien mit der „organisierten Wirtschaftskriminalität“ zusammenzuarbeiten und den Versuch der „Monopolisierung“ und „Teutonisierung“ des kroatischen Zeitungsmarktes zu unternehmen. Diese Vorwürfe zielten auf die Beteiligung der WAZ an der „Europapress Holding“ ab, die unter anderem mit „Jutarnji List“ die zweitgrößte Zeitung Kroatiens herausgibt. Obwohl die WAZ-Mediengruppe keine Monopolstellung auf dem kroatischen Zeitungsmarkt innehat, wurden deren Partner, Ninoslav Pavi, sowie Vinko Grubiši und
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z. B. der konservativen „Westfalenpost“ wird gerne als Gegenargument gebraucht. Genauso gehören zur WAZ-Mediengruppe einige Zeitungen, etwa die „Westfälische Rundschau“, die über den Zeitungsverlag Westfalen GmbH & Co. KG zu 13,1% der DDVG („Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft“), einer Medien-Holding der SPD, gehört. Die WAZ-Gruppe gehört noch heute den beiden Gründerfamilien Brost und Funke, die auch eine Beteiligung am Otto-Versand besitzen, und gilt laut Schätzungen als eine der renditestarken Medienhäuser Deutschlands, wenngleich keine Zahlen veröffentlicht werden. 2003 kam die WAZMediengruppe gleich mehrfach als Aufkäufer verschiedener Medienkonzerne ins Gespräch. Es wurde über eine Übernahme des Axel-Springer-Verlags, der insolventen Kirch Gruppe sowie der finanzschwachen Süddeutschen Zeitung spekuliert. 2003 gründete die WAZ Mediengruppe gemeinsam mit der Verlagsgruppe Holtzbrinck und der Ippen Verlagsgruppe die ISA GmbH & Co. KG. Dieses Unternehmen ist auf Anzeigenportale im Internet spezialisiert und betreibt unter anderem die Portale immowelt.de, stellenanzeigen.de, markt.de und trauer.de. Die Gruppe verlegt im In-und Ausland 38 Tageszeitungen, 108 Publikums- und Fachzeitschriften, 133 Anzeigenblätter und 250 Kundenzeitschriften. Der Journalist und Osteuropa-Experte Johannes Grotzky, heute BR-Hörfunkdirektor, meinte zur Situation der kroatischen Medien: „Es steht zu befürchten, dass mit internationalem Kapital die Medienlandschaft kommerzialisiert und unabhängigen Medien damit der Garaus gemacht wird, wenn internationale Unterstützung diese Marktverzerrungen nicht mit politischem Druck auf die kroatische Regierung und mit finanzieller Unterstützung für bedrohte unabhängige Medien ausbalanciert. Dass der ehemalige Europapress-Mitinhaber Ninoslav Pavi zusammen mit den mächtigen ehemaligen HDZ-Funktionären und Medienmogulen Ivica Pašali, Vinko Pašali und Miroslav Kutle angeklagt war, mafiöse Strukturen zur Kontrolle der kroatischen Medienlandschaft unterhalten zu haben, stärkte nicht gerade das Vertrauen in eine pluralistische und freie Medienzukunft des Landes.“
vier weitere Personen Ende 2000 wegen angeblicher kartellrechtlicher Verstöße in Haft genommen. Die Vorwürfe waren unbegründet, und daher wurden die Betroffenen in kürzester Zeit wieder aus der Haft entlassen. Die WAZ-Gruppe erwirkte gegen Michael Dichand eine einstweilige Verfügung, diese Behauptungen zu unterlassen. Diese Verfügung ist in einem Verfahren vor dem Landgericht Wels (Österreich) im Januar 2007 strafbewehrt bestätigt worden. Doch es blieb nicht bei dieser Auseinandersetzung. Bei einer weiteren zwischen Hans Dichand (zur Hälfte Eigentümer der Kronen Zeitung) und der WAZ wurde die von Dichand im Februar 2006 ausgesprochene fristlose Kündigung gegen den von der WAZ eingesetzten zweiten Chefredakteur Michael Kuhn vom Oberlandesgericht Wien im Berufungsverfahren entsprechend dem Urteil des Wiener Arbeitsgericht vom August 2006 für rechtsunwirksam erklärt worden. Kuhns Entlassung hätte nur von beiden Eigentümern gemeinsam erfolgen können, und daher war die allein von Dichand ausgesprochene Kündigung unzulässig. Kuhn wurde seinerzeit von der WAZ als zweiter Chefredakteur bestellt, nachdem Hans Dichand eigenmächtig seinen Sohn Christoph Dichand im Februar 2003 als Chefredakteur eingesetzt hatte. Der Vorwurf Michael Dichands, die WAZ-Gruppe wolle den kroatischen Zeitungsmarkt „monopolisieren“ bezog sich auch die Wochenzeitschrift „Globus“, die erstmalig im Dezember 1990 erschien, als sich Kroatien auf dem Weg zur Unabhängigkeit befand. Das Magazin zeichnete sich durch seine Objektivität aus. Es scheute sich nicht davor, die undurchsichtigen Privatisierungen im jungen Kroatien näher zu untersuchen und versuchte während des Kroatien-Krieges eine objektive Haltung einzunehmen, anders als viele andere Medien damals. Auch nach Ende des Krieges 1995 zählte „Globus“ zu den wenigen regierungs-kritischen Medien und war somit eine wichtige oppositionelle Plattform. Heute bezeichnet sich „Globus“ als modernes, demokratisches und liberales Magazin [http://globus.jutarnji.hr]. Die Tageszeitung „Jutarnji list“ [www.jutarnji.hr] ist nach einer Tageszeitung benannt, die noch vor dem Zweiten Weltkrieg erschien. Die „Jutarnji list“ erschien erstmals im April 1998 und wurde schnell zu einer der meistgelesenen Zeitung in ganz Kroatien. Sie gehört zur „Europapress Holding“, ebenso wie die Schwesterzeitung „Slobodna Dalmacija“. Einziger wirklicher Konkurrent der „Europapress“ wurde in Kroatien die österreichische „Styria Medien AG“, die die Tageszeitung „24sata“ heraus-brachte und damit dem kroatischen Medienmarkt neue Dynamik verlieh66. Die „Styria“ schaffte es, mit der Vecernji list und 24sata knapp 45 Prozent der täglich verkauften Tageszeitungsauflage zu erreichen. Der kroatische Tageszeitungsmarkt hatte sich 2007 um ein tägliches Auflagenplus von gut 50.000 Stück erstmals seit vier Jahren wieder positiv entwickelt. Natürlich ließ sich die Europapress das Engagement der „Styria“ nicht einfach gefallen. Man ergriff Gegenmaßnahmen. Im April 2007 investierte die EPH, die sich zu 50 Prozent im Eigentum der deutschen WAZ befindet, zusätzlich rund eine Million Euro pro Monat, um die ihre Position als marktbeherrschender Verlag zu verteidigen. Bei den Tageszeitungen liegt die „Veernji list“ hinsichtlich der verkauften Auflage vor „Jutarnji list“ und „24sata“ – nach einer schweren „Schlacht“ um Verkaufszahlen in den Monaten April, Mai und Juni 2007 zuletzt sogar deutlich. Bei der Leserzahl hingegen hat nach Untersuchungen allerdings weiter „Jutarnji list“, so wie schon im Jahr 2004, die Nase vorne (Jutarnji list: 16,9 Prozent; Veerni list: 14,7 Prozent, 24sata: 11,1 Prozent; 1 Prozent entspricht ca. 40.000 Lesern). Als Kernmaßnahme des Großangriffs der EPH wurden zwei neue Hoch-
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Der Kampf um Kroatien: Styria Medien AG peilt jetzt die Marktführerschaft an [www.styria.com/de/news/news.php?news_id=51].
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glanz-Magazine (TV-Magazin „Studio“; das Lifestyle-Magazin „Gloria In“ auf den Markt gebracht, die am Freitag und Samstag kostenlos der Tageszeitung „Jutarnji list“ beiliegen. Dadurch konnte die „Jutarnji list“ die verkaufte Auflage an diesen beiden Tagen kurzfristig um ca. 30.000 pro Tag steigern, was in den Monaten Mai und Juni sogar Platz eins in Auflagen-Rangliste einbrachte. „Veernji list“ und „24sata“ antworteten ihrerseits mit Gegenmaßnahmen: gemeinsames TV-Magazin am Freitag, verkaufsfördernde MarketingMaßnahmen, Gewinnspiele, die die Rückkehr der „Veernji list“ an die Auflagenspitze sicherstellten. In diesem Kampf um Auflagen und Einfluß erwartete man sich natürlichweise zusätzliche Spannung vom Erwerb der größten Regional-Tageszeitung, der in Split beheimateten „Slobodna Dalmacija“ durch die EPH. Anfang August 2007 wurde das seit mehr als einem Jahr laufende Privatisierungsverfahren abgeschlossen und die traditionsreiche Tageszeitung (ca. 53.000 verkaufte Auflage) in die EPH-WAZ-Gruppe eingegliedert. Der EPH/WAZ werden außerdem Kontakte zum Gratistageszeitungs-Pionier „Metro International“ und den damit verbundenen Gratis-Tageszeitungs-Plänen für Zagreb nachgesagt. Die kostenlosen Magazinbeilagen in den Tageszeitungen wirbelten auch den kroatischen Magazinmarkt auf. Im Mai 2007 ging die verkaufte Auflage der Magazine um gute 25 Prozent zurück, was vor allem die EPH traf, die klarer Marktführer im kroatischen Magazinmarkt ist. Daraufhin tauchten sogleich Gerüchte auf, die EPH wolle sich von ihrer Magazinsparte trennen, wobei die niederländisch-finnische Sanoma-Gruppe als Interessent genannt wurde. Auch Burda wurde damals nachgesagt, er spiele mit dem Gedanken, sich aus Kroatien zurückzuziehen. Mit diesen Spekulationen erklärten sich viele den Markteintritt der 45-Prozent-„Styria“-Tochter „X-Press“. Im Mai wurde das monatlich erscheinende Gesundheits-Magazin „Primadona“ eingeführt, Anfang Juni folgte das Society-Wochenmagazin „Elite“: Beide bewegen sich mittlerweile bei ca. 25.000 („Primadona“) bzw. ca. 60.000 („Elite“) verkaufter Auflage, was derzeit die Positionen drei (Wochenmagazine) bzw. zwei (Monatsmagazine) im mehr als zweihundert Titel starken kroatischen Magazinmarkt bedeutet. Im Herbst 2007 ging die nächste Magazin-Initiative der SAG an den Start, ein 50:50-Joint-venture mit Europas größtem Magazinverlag Gruner und Jahr. Man plante Kroatien-Ausgaben der erfolgreichen G+J-Marken „GEO“ (monatlich) und „Gala“ (14-tägig). Weitere Lizenz-, aber auch Eigenprodukte sollten folgen. Das Jointventure steht unter der operativen Führung der Magazin-Profis aus Hamburg und wird durch „Veernji list“ mit den nötigen Lokalkenntnissen unterstützt. Neue Maßstäbe setzte die SAG mit „24sata“ im Bereich „Mobile“. Im Juni 2007 wurden 120.000 kostenpflichtige SMS registriert, für Juli waren es erneut mehr als 100.000 – was die klare Marktführerschaft in Kroatien bedeutete. Im Online-Bereich war die SAG mit „Veernji list“ längst Marktführer unter den Nachrichten-Portalen geworden. Innerhalb weniger Monate war es der „Styria“ Medien AG somit gelungen, in Kroatien den Richtungswechsel vom Eigentümer des bedrängten alten Tageszeitungs-Marktführers zum offensiven Medienhaus mit zwei nationalen Tageszeitungen (dem Auflagen-Marktführer und dem Marktführer im jungen Segment) sowie zwei Magazin-Verlagsbeteiligungen zu vollziehen. Weitere SAGProjekte im „Kampf um Kroatien“ waren Ende 2007 bereits in Planung, um das Ziel „kroatische Mediengruppe Nummer Eins“ bald Wirklichkeit werden zu lassen. Die kroatischen Intellektuellen und Medienkritiker beunruhigte derweil weniger die Frage, um welche Prozentpunkte sich die Marktanteile an der Spitze verschieben, sondern die grundsätzliche Frage, welchen Stellenwert der Qualitätsjournalismus noch im Lande hat, und ob die Tagespresse sich abseits von Sensation und reißerischen Schlagzeilen noch um das Niveau von nationaler Kultur und Sprache sorgt. Angesichts der Sprachschluderei, derer sich die Sensationspresse täglich schuldig machte, fiel mancher Kommentar mild
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ironisch aus, als die „Jutarnji list“ die Gemüter mit der Meldung erregte, dass alle Länder des westlichen Balkans unter Umständen nur mit einer einzigen, gemeinsamen Sprache in die EU einziehen müßten, und damit Kroatien in der Union auf seine Sprache verzichten müsste67. Eine gemeinsame Sprache bedeute nicht die Wiederbelebung des untergegangenen Serbokroatischen, schrieb die Zeitung, sondern eine neue lingua franca unter dem Namen bosnisch-montenegrinisch-kroatisch-serbische Sprache, wie der Vorstand der kroatischen Akademie der Wissen-schaften und Künste in einem Alarmschreiben beschwor. Die kroatische Regierung wiegelte ab und der Beauftragte der EU-Kommission, Oli Rehn, meinte schlicht, jede Sprache eines EU-Mitglieds sei zugleich auch Amtssprache der Union. Schwerwiegender als diese Meldung, die das allgemeine Identitätsproblem der Nachfolgestaaten Jugoslawiens wiederspiegelt, ist die Zukunft des Qualitätsjournalismus eine Frage, die nicht nur in Kroatien Kopfzerbrechen bereitet. Die mangelnde Kaufkraft der Kroaten führt auch zu mangelnden Werbeeinnahmen der Medien. Viele Betriebe können sich Werbung in Print- und elektronischen Medien nicht leisten. Die Einnahmen aus Werbung übersteigen selten 25 Prozent des Budgets, was die Budgets der Medien und damit auch direkt die Möglichkeit für hohe journalistische Qualität direkt einschränkt. Zeitungen, Zeitschriften, aber auch Radio und Fernsehsender versumpfen immer mehr in Billigstproduktionen – in zahllosen Folgen lateinamerikanischer Seifenopern oder Musikprogrammen ohne irgendwelche Nachrichten und Informationen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, die 2001 rund zehn, 2009 16 Prozent betrug, und der im Durch-schnitt weiterhin niedrigen Monatseinkommen können sich viele Kroaten den regelmäßigen Kauf von Zeitungen oder Zeitschriften nicht leisten. Der Absatzmarkt von Print-erzeugnissen wird dadurch beträchtlich eingeschränkt. Tatsächlich ist die verkaufte Auflage bei vielen Publikationen rückläufig. Einzig die Boulevardpresse erreicht noch Auflagen, mit denen sich leben lässt, während Nachrichtenmagazine und Qualitäts-journalismus mit diesen Auflagezahlen schlicht nicht finanzierbar sind. Einige unabhängige Printmedien mussten ihr Erscheinen einstellen, während andere unter Kontrolle der neuen oder der alten Machthaber seit Jahren riesige Defizite schreiben, aber aus politischen Gründen gestützt werden. Gerade das Schwinden einer unabhängigen und kritischen Medienöffentlichkeit könnte dazu führen, dass sich der Demokratisierungsprozess und die weitere Annäherung an die Europäische Union verlangsamen und gesellschaftspolitische Konfliktpotentiale damit schnell wieder zum Manipulationsfeld der politischen Entscheidungsträger werden könnten. Die Krise von professionellem und unabhängigem Journalismus in Kroatien ist generell gesehen das Ergebnis einerseits der Krise der kroatischen Wirtschaft, andererseits der politischen und wirtschaftlichen Machtkämpfe, in die auch internationale Medien-konzerne verwickelt sind. Während anfangs Kroatien das Bild eines staatlich und politisch dominierten öffentlichen Medienraumes bot, in dem die Besetzung von Kaderstellen entlang politischer und nicht professioneller Kriterien erfolgte, hat sich das Bild grundlegend gewandelt. Die Versuche politischer Einflussnahme gab es zwar weiterhin, sie machte aber der wirtschaftlichen zunehmend Platz. Dieses düstere Bild wird indes von einigen Dutzend unabhängiger lokaler Radio- und Fernsehstationen aufgehellt, die ihre Vernetzung verstärken konnten68.
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„Hrvatska akademija znanosti zabrinuta za sudbinu hrvatskog jezika. EU ponovo uvodi srpskohrvatski“ [www.danas.co.yu/20070601/region1.html]. Zur Vereinigung unabhängiger Fernsehsender „NUT“ gehören acht Stationen, der Vereinigung unabhängiger Radiostationen gehören 13 Sender an.
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Das Mediensystem Sloweniens: Zwang zur Uniformität
Der bedeutendste slowenische zeitgenössische Schriftsteller, Dramatiker und Essayist, Drago Jancar, soll niedergekniet sein und gebetet haben, es möge in Slowenien wenigstens eine Zeitung erscheinen, die anders schreibt als die anderen Zeitungen. Slowenien besaß 2001 zwar etliche Zeitungen und Zeitschriften, doch über 80 Prozent befanden sich in der Hand der alten Nomenklatura, ideologisch sogar zu 100 Prozent, wie der slowenische Journalist Saša Petelin im September 2001 auf einem Medienseminar im slowenischen Protoroz meinte69. In Wahlkampfzeiten würden sich die Medien urplötzlich in Propagandamaschinen für die Regierungsparteien verwandeln, und das hieße in Slowenien, wo mit Ausnahme eines viermonatigen bürgerlichen Zwischenspiels im Jahr 2000 stets das linke Lager regiert hätte, in eine linke Propagandamaschine. Der Vorsitzende des Fernsehrats der öffentlichrechtlichen Fernsehanstalt sei ein ehemaliger kommunistischer Parteichef. Als Petelin 2001 diese seine persönliche Sicht der slowenischen Medien-wirklichkeit beschrieb, hatten sich im Gegensatz zu vielen anderen mittelost- und südosteuropäischen Transformationsländern westliche Medienkonzerne in Slowenien noch nicht engagiert, mit Ausnahme des privaten Fernsehsenders „POP TV“, in den die US-Amerikaner über eine Holdinggesellschaft eingestiegen waren, und eines privaten Fernsehsenders, den ebenfalls US-amerikanische Investeure vor dem Ruin gerettet hatten. 2006 sah die Situation bereits völlig anders aus. Die WAZ kündigte an, die slowenische Tageszeitung „Dnevnik“ kaufen zu wollen. Der slowenische Journalist Rok Kajzer war davon wenig begeistert. Er wies darauf hin, dass dem WAZ-Konzern bereits in Kroatien zehn Zeitungen und Zeitschriften gehören, darunter die einflussreiche Tageszeitung „Jutarnji list“: „Auch in Serbien wurden die Investitionen verstärkt, nachdem Bodo Hombach, ehemals Koordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa, den Konzern übernommen hat. Die Türen der einflussreichsten politischen Akteure standen Hombach offen... Zweifelsohne stärkt der WAZ-Konzern mit der Investition in Slowenien seine Stellung in der Region. Für die Besitzer und den Anzeigenmarkt ist das begrüßenswert. Die Leser haben weniger davon, denn es bedeutet weniger Qualität und weniger Pluralität.“70 Nach der Unabhängigkeit Sloweniens im Jahr 1991 wurden die drei größten Zeitungen Sloweniens, „Delo“ [www.delo.si], „Veer“ [www.vecer.com] und „Dnevnik“ [www.dnevnik.si], privatisiert. Wenn es auch lange Zeit fast keine ausländischen Investoren nach Slowenien zog, wie das in Ungarn, der Tschechischen Republik, Polen oder Rumänien sehr bald passierte, wurde zumindest die Presse in Slowenien fast vollständig privatisiert. Mit Ausnahme jener Aktien, die der Staat, Stiftungen und Firmen übernahmen, und damit einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf die Redaktionen nehmen können. So wurden zum Beispiel nach den Wahlen 2004 die Chefredakteure bei „Delo“ und „Veer“ ausgetauscht. Zuerst wurden jedoch die Mitglieder des Aufsichtsrates ausgewechselt, der wiederum den Chefredakteur ernennt. Die politischen Parteien veröffentlichen wöchentlich oder 14-täglich auch eigene Blätter, außerdem ist ihr Einfluß auch in den einzelnen Redaktionen zu erkennen. Das wichtigste Schlachtfeld befindet sich in den großen öffentlichrechtlichen Sendern, im nationalen Rundfunkfernsehhaus „RTV SLO“. Mitglieder des
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Vgl.: www.eab-berlin.de/berichte/portoroz0901/BerichtPetelin220901.PDF. Kajzer, R.: Bitke medijskih velikanov. In: Delo, 11.3.2006 [www.eurotopics.net/de/presseschau/autorenindex/autor_kajzer_rok/]
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Rundfunkrates sind auch politisch aktiv und die Beschlüsse des Rates haben oft politische Hintergründe, wie wohl überall. In Slowenien ist für die Medien das Kulturministerium zuständig. Das slowenische Medienrecht setzt sich im Wesentlichen aus drei Gesetzen zusammen – dem allgemeinen Mediengesetz, dem speziellen Gesetz für den öffentlichrechtlichen Rundfunk „Radiotelevizija Slovenija“, und dem Telekommuni-kationsgesetz. Das Bemühen um eine eigenständige Rolle der slowenischen Medien begann nicht erst mit der Ausrufung des unabhängigen Staates Slowenien am 25. Juni 1991. Schon Jahre vorher hatten sich in der Medienlandschaft Sloweniens Stimmen erhoben, die sich mit der Frage nach dem Fortbestand Jugoslawiens kritisch auseinandersetzten. Der damalige Jugoslawien-Korrespondent der Deutschen Presseagentur DPA, Thomas Brey, berichtete schon 1988 von einem politischen Schlagabtausch zwischen Belgrad und Ljubljana. In dessen Verlauf sprach die in Maribor erscheinende Zeitung „Veer“ davon, dass Jugoslawien auseinanderbrechen werde, sollte sich die Linie Serbiens durchsetzen. Kurz darauf schilderte derselbe Korrespondent eine Aufsatzsammlung der in Ljbubljana erscheinenden „Nova Revija“ mit dem Fazit, Slowenien könne sich bei anhaltendem Druck aus Belgrad aus allen Bundesorganen zurückziehen und sich an die Vereinten Nationen wenden71. Die slowenische Jugendzeitschrift „Mladina“ stieg ebenfalls in die jugoslawien-kritische Debatte ein mit heftigen Vorwürfen gegen die Armee und den Waffenexport. Anfang Juni 1988 stellte die Armee drei slowenische Journalisten vor ein Militärgericht, weil sie, ebenfalls in der Jugendzeitschrift „Mladina“, Militärgeheimnisse ausgeplaudert haben sollen. Mitangeklagt wurde wegen Geheimnisverrats ein Fähnrich der jugo-slawischen Armee. Die Autoren hatten einen Plan veröffentlicht, demzufolge das Militär einige hundert slowenische Intellektuelle verhaften wollte mit dem Ziel, sie als Wortführer einer jugoslawienkritischen Debatte mundtot zu machen. Dem Prozessverlauf konnten sich alle slowenischen Medien nicht enziehen. Als den Angeklagten verboten wurde, ihre slowenische Muttersprache vor Gericht zu benutzen, wallte eine Art nationale Empörung durch zahlreiche Blätter. Die vier Angeklagten wurden zwar verurteilt, traten ihre Strafe jedoch nie an. Einer der Verurteilten war übrigens Janez Jansa, Jugendfunktionär und Fachautor für Armeefragen, der nach der Unabhängigkeit Sloweniens erste Verteidigungs-minister wurde. Wer dann den Aufbruch vom Frühjahr bis zum Sommer 1991 miterlebt hat, weiß, dass die slowenischen Medien, und allmählich auch der zunächst etwas zögerliche Koloss des staatlichen Rundfunks und Fernsehens, maßgeblich die politischen Änderungen mitgetragen haben. In den Redaktionsstuben von „Delo“, dem Parteiblatt in Ljubljana, fanden Diskussionen statt, bei denen in vehementen Worten Parteienpluralismus und unabhängige Medien gefordert wurden. Dann kam es zum denkwürdigen Tag nach der Unabhängigkeitserklärung. Wer sich damals am 26. Juni 1991 in der Innenstadt von Ljubljana aufhielt72 und die öffentliche Feier zur Unabhängigkeit miterlebte, wird sich an zwei Jagdflieger erinnern. Während der Rede von Präsident Kuan rasten sie im Sturzflug auf das Stadtzentrum zu, um dann unter ohrenbetäubendem Lärm im Tiefflug wieder abzudrehen. Es folgte zwar eine fröhliche Nacht, in der die Unabhängigkeit mit Musik und Tanz gefeiert wurde. Doch am Morgen waren alle auf einen Schlag ernüchtert. Die Stadt war von Panzern belagert. Der erste Krieg um die Unabhängigkeit begann. Die Sendemasten der Funk- und Fernseh-
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Vgl. Thomas Brey, Die Logik des Wahnsinns. Jugoslawien – von Opfern und Tätern. Herder Verlag, Freiburg, Basel, Wien 1993, S.81 ff. Vgl. Johannes Grotzky, Balkankrieg. Der Zerfall Jugoslawiens und die Folgen für Europa. Piper Verlag, München, Zürich 1993, S.15 ff.
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stationen waren die ersten Ziele der Angriffe, um die einflussreichen Medien auszuschalten. Eine Taktik, die sich in den nachfolgenden Kriegen in Kroatien und Bosnien-Herzegowina wiederholen sollte. Als die Unabhängigkeit errungen und gesichert war, stürzten sich die Slowenen förmlich auf die neuen und nun freien Medien73, auf eine Vielfalt wie es sie in den Jahrzehnten zuvor nie gegeben hatte74. Auf die gut zwei Millionen Einwohner Sloweniens (zum Vergleich: München hat rund 1,3 Millionen Einwohner, Berlin 3,5 Millionen Einwohner) entfallen fünf überregionale Tageszeiten, die bereits im sozialistischen Jugoslawien existierten. Diese haben eine Gesamtauflage von ca. 340.000 Exemplaren, darunter „Delo“ (93.000), „Slovenske Novice“ (82.000), „Veer“ (Maribor, 67.000), „Dnevnik“ (65.000), die Sportzeitung „Ekipa“ (30.000). Die Tageszeitung „Slovenec“ wurde als bürgerlich-konservative Neu-gründung betrieben, die aber ebenso wie die neugegründete Tageszeitung „Republika“ nach wenigen Jahren wieder vom Markt verschwand. „Slovenec“ existierte von 1991 bis 1996, „Republika“ war von 1992 bis 1997 auf dem Markt. Mitte 1998 wurde dann die Tageszeitung „Jutranjik“ gegründet, die aber kurz darauf wieder einging. Hinzu kommen noch mehr als sechzig Lokal-, Regional- und Wochenzeitungen, mehr als 280 Fach- und Publikumszeitschriften sowie zahlreiche andere Periodika, die wöchentlich oder monatlich auf den Markt gebracht werden. Für das Jahr 1999 gab die slowenische Medienforschung75 einen Gesamtbestand an Periodika von stattlichen 794 Titeln an, eine Zahl, die sich trotz aller Fluktuation bis dato nicht wesentlich verändert hat. Diese eindrucksvolle Bilanz wäre unvollständig, würde man die Finanzschlachten um den Einfluss auf die wichtigsten Zeitungsverlage und Redaktionen verschweigen. Hier mischte sich die Aufbruchstimmung mit dem Kampf um den Machterhalt, der sich in Slowenien immer wieder beobachten ließ. Abgesehen von den Meinungskämpfen in der Presse, die gerade während der Wahlkämpfe das Niveau billiger Propaganda annimmt, muss das Hauptinteresse den finanziellen Verquickungen, staatlichen Einflüssen und Beteiligungsmodellen gelten, die für einen Außenstehenden wenig durchsichtig sind. Die Schlacht um die Tageszeitung „Delo“, die wichtigste Sloweniens, ging durch die Schlagzeilen. Der Staat hielt 35 Prozent des Aktienbesitzes, ein weiterer Teil lag bei der „Nova Ljubljanska
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Vgl. die Artikel von Sascha Petelin, ehem. Leiter der Slowenischen Redaktion der Deutschen Welle. Eine Einschätzung der Transformation verschaffen Sandra B. Hrvatin und Marko Milosavljevi: Medijska politika v Sloveniji v devetdesetih. Regulacija, privatizacija, koncentracija in komercializacija medijev. Mirovni Institut. Ljubljana 2001. Vgl. auch http://www.mirovni-institut.si. Eine Übersicht über die Medienlandschaft Sloweniens bieten verschiedene Anbieter im Internet. Besonders klar ist das Angebot des „International Center for Journalists“ gegliedert. Es informiert über Media Law, Print Media, Broadcast Media, Internet, Journalist Association, Bibliography, enthält zahlreiche Links und E-MailAdressen ohne jedoch die Medienentwicklung in Slowenien selbst zu bewerten: www.ijnet.org/ Profile/CEENIS/Slovenija/media.html. Einen weiteren Medienüberblick im Rahmen eines weltweiten Informationsangebotes bietet www.politicalresources.net/Slovenija4.html. Vom Media Plan Institut Sarajevo stammt www.mediaonline.ba mit Schwerpunkt der Medienentlicklung in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Ein privat zusammengestellter Medienüberblick Slowenien bietet zahlreiche Links zu Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehveranstaltern des Landes. www.zemljevid.com/zemljevid.html. Ein Informationsangebot des Bayerischen Rundfunks, der im Rahmen des Stabilitätspaktes Südosteuropa den Aufbau unabhängiger Medien und die Umwandlung staatlicher Rundfunk- und Fernsehstationen in öffentlich-rechtliche Einrichtungen unterstützt, liefert auch Bewertungen und Einschätzungen unter www.br-online.de/brintern/suedosteuropa. Ebenfalls ganz Südosteuorpa umfaßt eine reine Link-Sammlung, die entgegen ihrer Internet-Adresse auch auf Zeitungen, Zeitschriften und Agenturen verweist www.radiojournalismus.de/ mediensuedosteuropa.html. Mediana – Media Research Institute, “A Media Portrait of Slovenija in the Third Millennium, 1991-1999” zitiert nach “The structure of the media arena in Slovenija” [www.mediaonline.ba/mediaonline/tekst_eng/1327.html].
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Banka“, und 51 Prozent waren als Beschäftigtenbesitz ausgewiesen. Ebenso unklar sind in vielen Fällen die staatlichen Einflüsse über die Bank, wie im Falle der „Nova Kreditna Banka“ in Maribor, die Mitbesitzerin der Zeitung „Veer“ ist. Wer als ausländischer Investor trotz komplizierter Eigentumsverhältnisse und undurchsichtiger Einflüsse in den Markt einsteigen wollte, wie etwa der WAZ-Verlag, konnte lange nur scheitern. Nach Gerüchten hätte es auch direkte Interventionen des Staatspräsidenten vor ausländischem Engagement gegeben, wie auch gezielte Einflussnahme auf die Besetzung des Chefredakteursposten bei „Veer“. Beklagt wurde auch die Beharrlichkeit, mit der sich alte Kader in wichtigen Führungsfunktionen während der letzten zehn Jahren haben behaupten oder zurückkehren konnten76. Im Frühjahr 2001 wurde ein Mediengesetz verabschiedet, das entscheidend war, zugleich aber auch kritische Neuerungen brachte, kritisch in einem Maße, dass mancher von Zensur und einem Schwund der lebendigen Demokratie sprach. Entlassungen würden mit leichter Hand ausgesprochen, aus nichtigen Gründen, so beim slowenischen Musiksender „Val 202“. Radiodirektor Vinko Vasle kündigte dort einer Sprecherin, weil sie Ministerpräsident Janez Jansa beleidigt hatte. In der Morgenshow hatte sie erwähnt, dass der Suchbegriff ‚Jansa‘ im Internet-Videoportal „YouTube“ als ersten Treffer ein Hundevideo zu Tage fördert: Der regierungskritische Journalist Denis Sarki hatte dort nämlich einen Clip mit seinem Hund Jansa hochgeladen. Ein solcher Vergleich gehöre verboten, fand Vasle, und entließ die Sprecherin. Doch als der „Val-202“-Chefredakteur aus Protest zurücktrat, gab er nach und stellte sie wieder ein. Die Geschichte scheint typisch für die Situation slowenischer Medien: Einerseits gibt es seit Beginn der konservativen Regierung Jansa 2004 massive Zensurversuche, andererseits waren die Medien dem offensichtlich nicht hilflos ausgeliefert. Sie wehrten sich hörbar und kritisierten die Regierung lautstark. Die Frage war also: Gefährdet der konservative Premier Jansa die Pressefreiheit, oder sind die lebendigen Medien ein Zeichen wachsender Demokratie? Die Regierung wurde von den Medien permanent beschossen, und ließ kein gutes Haar an Jansa. Zu Recht, wie auch internationale Medienorganisationen während der Regierungszeit Janšas verlauten ließen. Die Pressefreiheit war nicht gefährdet, wenn es auch bedenkliche Vorkommnisse gab. Im Mai 2007 setzte die Regierung die Direktorin der Nachrichten-agentur „STA“, die vollständig in staatlichem Besitz ist, vorzeitig ab und besetzte den Posten mit Alenka Paulin, einer Pressesprecherin Jansas. Die Berichterstattung sei nicht ausgewogen genug gewesen, so die Regierung. Wogegen der Journalistenverband kritisierte, dass seither die gewohnten Objektivitätsstandards aufgeweicht worden wären. Im Fall von „Delo“ wandelte sich das Blatt gleich doppelt: Die größte Tageszeitung mit 50 Prozent Marktanteil versprach Qualität, bis Anfang Juni 2007 die Redaktion im Sinne Janšas umbesetzt wurde. Nachdem die Bierbrauerei „Lasko“, deren Direktor ein Parteifreund Jansas war, die Kontrolle über „Delo“ übernommen hatte, wurden 60 Prozent der
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Die Südost-Europa-Medienorganisation (SEEMO) wies in diesem Zusammenhang im Oktober 2001 besonders auf den Fall des Journalisten Miro Petek, Redakteur für die Tageszeitung „Vecer“, hin, der vor mehr als sieben Monaten vor seinem Haus in Mezica überfallen worden war. Petek habe regelmäßig über die Verbindungen zwischen Politikern und Kriminellen in seinem Land berichtet. Aus der Sicht von SEEMO sei die Tatsache, dass die Angreifer bis heute nicht verhaftet wurden, Beweis für das unprofessionelle Vorgehen der Polizei. Vor diesem Hintergrund drängte die Medienorganisation den slowenischen Präsidenten Milan Kuan, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Verbrecher zu finden und die Sicherheit der Journalisten zu gewährleisten, die in Slowenien arbeiten. Die Organisation protestierte offiziell gegen weitere Einschüchterungen von Journalisten in Slowenien.
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Mitarbeiter ausgetauscht, unter anderem der Wien-Korrespondent Matihja Grah. Im Aufsichtsrat saß nun die Staatssekretärin Starina Kosem. Doch die fuhr nicht den von Janša geplanten Kurs, sondern deckte dessen redaktionspolitische Einmischungen in einem sensationellen Brief an die Öffentlichkeit auf. Damit hatte die Zeitung ihre traditionelle Linie wieder. Als die Regierung versuchte, die Blattlinie zu ändern, verlor „Delo“ an Glaubwürdigkeit und bald an Leserschaft. Zwei Journalisten aus Print und Radio initiierten im Oktober 2007 eine Petition, bei der 571 Journalisten unterschrieben, um die heimische und internationale Öffentlichkeit auf die Probleme in Slowenien aufmerksam zu machen77. Über indirekte staatliche Beteiligungen an Medienhäusern habe die Regierung neue Chefredakteure und Direktoren durchgesetzt, die regierungskritische Inhalte zensieren, heißt es in der Petition. Janša sah das anders: die regierungskritische Berichterstattung hindere vor allem bei den Vorbereitungen auf den EU-Ratsvorsitz im Jahr 2008. Insbesondere die Petition beschmutze das Image im Ausland, weil sie an viele Politiker im Ausland verschickt wurde. Die Regierung versuche permanent, die Medienfreiheit zu unterbinden, und es sei die entscheidende Frage, wie erfolgreich sie dabei ist, klagte Evald Flisar, Chefredakteur der 72 Jahre alten Literaturzeitschrift „Sodobnost“, einer Zeitung, die bisher noch alles überlebt hat. Slowenien hat ganz sicher eine fortwährende Diskussion um Medienfreiheit, die manchmal kämpferisch und manchmal geschmacklos ist, doch das nutze in letzter Instanz nur der Demokratie. Erst recht 2008, als Slowenien die Ratspräsidentschaft übernahm. Die Medien insistierten auf ihrem Recht auf Pressefreiheit, vor allem hielten sie sich mit Kritik nicht mehr in dem Maße zurück, da mit der Wahl des linken Präsidentschaftskandidaten Danilo Türk klar wurde, dass die Tage der rechtskonservativen Regierung gezählt waren.
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Initiatoren der Petition waren Blaž Zgaga von der Tageszeitung "Veer" und Matej Šurc vom staatlichen slowenischen Rundfunk. Sie beschuldigen die Regierung Jansa, über Staatsbeteiligungen an Firmen unliebsame Journalisten entlassen, versetzen und mundtot machen zu lassen. Texte würden gegen den Willen der Autoren willkürlich verändert. Zu Beginn der EU-Ratspräsidentschaft bekräftigten diese Journalisten in einem offenen Brief, es gebe in Slowenien Zensur, Schikanen und Schreibverbote. Sie forderten die Regierung in Ljubljana auf, eine unabhängige Kommission zur Untersuchung von mutmaßlicher Regierungszensur und politischem Druck auf die Medien des Landes einzurichten. Ein Gremium aus internationalen Experten solle die Situation der Medien in Slowenien beurteilen und für mehr Pressefreiheit in dem EU-Land sorgen. Im Parlament in Ljubljana (Laibach) solle sich ein Ausschuss mit den Vorwürfen beschäftigen. Die Petition wurde auch an die Regierungen aller 27 EU-Staaten geschickt. An das Europäische Parlament wurde appelliert, sich ebenfalls für mehr Pressefreiheit in Slowenien einzusetzen. Die slowenische Regierung warf den protestierenden Journalisten mehrfach vor, Lügen zu verbreiten, die Öffentlichkeit in Slowenien und im Ausland über die Lage der slowenischen Medien falsch zu informieren und das Land zu diskreditieren. Auf die Frage, ob es stimme, dass er über staatsnahe Fonds und Eigentümer unliebsame Chefredakteure und Journalisten in slowenischen Medien auswechseln lasse, sagte Premier Janez Janša, das werde „alles maßlos übertrieben“. In Slowenien herrsche Meinungsfreiheit. Premier Janez Janša gab eine Studie über Medienfreiheit im Land in Auftrag. Diese löste neue Proteste unter Journalisten aus, wie Darijan Košir im „Delo“ schrieb. Die Studie werde von entsprechend regierungstreuen Publizisten durchgeführt, und gebe keinen Aufschluss über den Stand der Pressefreiheit in Slowenien. Harte Kritik kam auch von ausländischen Korrespondenten. So titelte Enver Robelli im Schweizer Tagesanzeiger: „Medienzensur im EU-Musterland: Slowenien knebelt die Medien“. Die BrüsselKorrespondentin der deutschen „Welt“, Hannelore Crolly, vertrat die Ansicht, der Kampf der slowenischen Journalisten um mehr Pressefreiheit zeige einmal mehr, dass Premier Janez Janša seiner Aufgabe bei der Führung der EU-Präsidentschaft offensichtlich nicht voll gewachsen sei.
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Die Tages- und Wochenzeitungen
Von den in Slowenien erscheinenden, überregionalen Zeitungen kann man die folgenden als seriös bezeichnen: die zwei größten Zeitungen Sloweniens, der „Veer“ („Abend“) und die „Primorske Novice“ [www.primorske.si], die Wirtschaftszeitungen „Finance“ [www.finance.si], und „Podjetnik“ [www.podjetnik.com], sowie die in englischer Sprache verfasste „Slovenia Business Week“ [www.gzs.si/eng/news/sbw/] und die Wirtschaftszeitung „Delo“ [www.delo.si]. Gemessen am europäischen Standard ist „Delo“78 freilich kein großer Verlag79. Auf einem Markt von zwei Millionen Lesern hat „Delo“ einen Marktanteil von mehr als 60 Prozent und ist damit eindeutig der Marktführer. Obwohl die Tageszeitung „Delo“ seit mehr 50 Jahren herausgegeben wird, ist sie keinesfalls ein Sprachrohr der Mächte und Ideologien der Vergangenheit. Die Journalisten und Redakteure befreiten sich vom Einfluss der Machtstrukturen der 1980er Jahre und trugen unter dem Slogan „Eine unabhängige Zeitung für ein unabhängiges Slowenien“ auf vielerlei Art aktiv und maßgeblich zu der Bewegung bei, die zu einem demokratischen und unabhängigen Staat Slowenien führte. Mit 150 Journalisten, zehn Korrespondenten von New York bis Peking und Büros in allen größeren Städten Sloweniens ist „Delo“ heute die wichtigste Zeitung in Slowenien. In ihren zahlreichen Rubriken berichtet „Delo“ umfassend und unvoreingenommen über alle wichtigen Themen, trägt zur öffentlichen Meinungsbildung bei und ist Pflichtlektüre für Wirtschaftswissenschaftler und Politiker, und den Großteil der Slowenen. Mit einer täglichen Auflage zwischen 90 und 120.000 Exemplaren erreicht sie bis zu 570.000 Leser, mehr als ein Drittel der slowenischen Leserschaft. Kurz gesagt, die Tageszeitung „Delo“ ist zusammen mit ihrer Sonntagsausgabe „Nedelo“ eines der wichtigsten Druckerzeugnisse des Landes80. Die „Slovenske novice“ („Slowenische Nachrichten“) ist die beliebteste Boulevardzeitung Sloweniens. Sie bietet einfache und unterhaltsame Lektüre und wird zur Zeit von den meisten Slowenen regelmäßig gelesen. „Slovenske novice“ werden die größten Entwicklungschancen nachgesagt. „Delo“ und „Slovenske Novice“ bieten ihren Lesern täglich Beilagen zu speziellen Themen, außerdem jede Woche zwei farbige Beilagen: „Delo & Dom“ („Arbeit & Heim“) und „Vikend magazin“ („Wochenendmagazin“). Diese Beilagen
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„Delo“ ist eine Aktiengesellschaft. Mehr als 50 Prozent der Aktien sind im Besitz der Mitarbeiter. Jeweils 20 Prozent werden vom Staat und von Nichtmitarbeitern gehalten. Er kann immerhin auf 300 Mitarbeiter, zwei Tageszeitungen mit einer Auflage von jeweils 100.000 Stück, eine eigene Druckerei, ein landesweites Vertriebsnetz, fünf Fachzeitschriften und eine eigene Werbeagentur verweisen. Der größte Anteilseigner der Tageszeitung „Delo“ („Delo“ ist seit 1995 Aktiengesellschaft) ist die Brauerei „Lasko“, der größte der Tageszeitung „Dnevnik“ ist der DZS-Verlag. Die Tageszeitung „Delo“ kaufte 2007 19,9% der Aktien der Zeitung „Vecer“ – das Mediengesetz erlaubt nur einen 20-prozentigen Anteil). Der größte Besitzer von „Vecer“ ist die „KBM Infond“, der auch große Anteile der Tageszeitung „Dnevnik“ gehören, weil sie einige Aktienanteile am „DZS-Verlag“ besitzt. „Dnevnik“ besitzt auch einen 8-Prozent-Anteil der regionalen Tageszeitung „Primorske novice“. Bis 2000 gab es keine ausländischen Investoren im slowenischen Printbereich. 2000 hat die schwedische Korporation „Bonnier AG“ mit ihrem Partner „Dagens Industri“ 3 Millionen Euro in die Tageszeitung „Finance“ investiert. 2000 besaß die österreichische Firma „Laykam“ 27 Prozent der Aktien der Tageszeitung „Veer“, wobei „Leykam“ im Mai 2005 die Aktien verkaufte, die wiederum die Tageszeitung „Delo“ übernahm. Weitere ausländische Firmen, die auf dem slowenischen Medienmarkt tätig sind, sind die deutsche „Burda“ (Burda gibt „Playboy“, „Elle“, „Lisa“, „Men´s health“ und die Wochenzeitung „Nova“ heraus), der österreichische „Styria“-Verlag, der die Wochenzeitung „Žurnal“ herausgibt, und die erwähnte Firma „Leykam“ (Wochenzeitung „Dober dan“).
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erhöhen den Marktwert der Zeitungen, weil viele Unternehmen gerne in ihnen Werbeanzeigen schalten. „Delo“ ist das einzige slowenische Unternehmen, das alle wichtigen Tätigkeiten im Verlag – von der redaktionellen Bearbeitung aller Ausgaben über das Drucken der Zeitungen bis hin zum Vertrieb – selbst erledigt und davon auch profitiert. Das Vertriebsnetz von „Delo“ deckt mehr als 80 Prozent Sloweniens ab und kann mit dem Postdienst mithalten. Die Strategie des „Delo“-Verlagshauses, zwei Publikationen auf den slowenischen Markt zu bringen, die alle Leser ansprechen und gleichzeitig hohe Qualität und einen internationalen Standard haben, hatte Erfolg. Die rasante Entwicklung in den vergangenen Jahren hat bereits zu einigen neuen Investitionen geführt: so konnte zum Beispiel eine neue, moderne Druckerei gebaut werden. Wichtige Tageszeitungen in Slowenien sind außerdem die „Demokracija“ [www.demokracija.si], der linksliberale „Dnevnik“ [www.dnevnik.si] – den der Journalist Igor Drakuli als „Lightversion“ des „Delo“ bezeichnete – mit seiner Wirtschaftszeitung „Poslovni Dnevnik“ [www.dnevnik.si/ poslovni_dnevnik], die katholische Tageszeitung „Družina“ [www.druzina.si], die Sportzeitung „Ekipa“ [www.ekipa.org], und die „Ljubljanske Novice“ [www.mtaj.si]. Wöchentlich erscheinen folgende Zeitungen: „Mladina“, das älteste und einflussreichste politische Magazin [www.mladina.si], „MAG“, „Žurnal“, „Novinarsko astno Razsodiše“ [www.razsodisce.org/razsodisce/razsodisce.php], und die englischsprachige „Slovenia Times“ [www.sloveniatimes.com]. An Zeitschriften gibt es: „Gloss“, und die vom „Delo“Verlag herausgegebenen Zeitschriften „Lady“, „Jana“, „Obrazi“, „Eva“, „Modna Jana“ und „Ambient“. Zu den Boulevardzeitungen zählen die Zeitungen „24ur“ [http://24ur.com], „Direkt“ und „mojsplet“81. Die österreichische Styria Medien AG, die mit 25 Prozent an der slowenischen „Dnevnik“-Gruppe beteiligt ist, verkündete im September 2005, Slowenien bekomme eine zweite Boulevard-Zeitung namens „Direkt“. Chefredakteur Bojan Pozar verkündete, er wolle seinen Lesern auf mindestens 20 Seiten täglich „attraktive Fotos und fesselnde Artikel aus Freizeit, Medien, Sport, Kultur, Wirtschaft, Politik und Kriminalität servieren“. Er rechne seine Zeitung nicht zur „Yellow Press“, sondern zur „populären Presse“, meinte Pozar, der zuvor beim Konkurrenz-Verlag „Delo“ beschäftigt gewesen war. „Direkt“ kostete damals 99 Tolar (41 Cent) und sollte die Gründungskosten spätestens nach drei Jahren wieder eingespielt haben. Die Auflage setzte man mittelfristig bei täglich 36.000 Exemplaren an. Die Zeitungen verkauften sich vor allem dank ihrer reißerischen Artikel. Nach Meinung kritischer Leser sei sie noch schlimmer als die große Konkurrentin „Slovenske Novice“. Zu den Regionalzeitungen zählen der in Maribor erscheinende „Tednik 7dni“, der zur „Veer“-Gruppe gehört [www.vecer.com/7d/], „Dolenjski list“ aus Novo Mesto, „Domzale-on“ [www.domzale-on.net], „Gorenjski Glas“ aus Kranj [www.gorenjskiglas.si], das in Maribor erscheinende Anlage- und Wirtschaftsmagazin „Kapital“ („Revija za Naložbo Denarja“) [www.revijakapital.com], „Kmeki Glas“ [www.kmeckiglas.com], der „Novi Tednik“ aus Celje [www.novitednik.com], „Postojna“ aus Postojna, „Pomurski vestnik“ aus Murska Sobota, „Dobro jutro“ aus Maribor, und
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Unter den Tageszeitungen hat die „Slovenske novice“ mittlerweile die meisten Leser (302.000), gefolgt von „Delo“ mit 220.000 Lesern, „Veer“ mit 197.000, und „Dnevnik“ mit 150.000. Die Sport-Tageszeitung „Ekipa” hat 42.000 Leser. Die beiden stärksten Tageszeitungen gleichen sich was Kapital und Redaktionsstil betrifft, und beherrschen zusammen 60 Prozent des slowenischen Marktes. Auflage: „Delo” – 92.000, “Slovenske Novice” – 80.000, “Veer” – 72.000, “Dnevnik” – 71.000, und “Nedeljski dnevnik” 182.000. Bei den Wochenzeitungen belegt der “Nedeljski dnevnik“ den ersten Platz (455.000 Leser). Lokale und regionale Zeitungen haben eine Auflage von rund 200.000 Exemplaren (17 Prozent des Medienmarktes), vgl.: The structure of the media arena in Slovenija, www.mediaonline.ba/mediaonline/tekst_eng/1327.htm.
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„Žurnal“ aus Ljubljana. Slovenische Pressagenturen sind die „STA“, die „Slovenska tiskovna agencija“ [www.sta.si], und die „Tiskovna agencija Morel“ [www.morel.si]. Auch die slowenische Volksgruppe im österreichischen Kärnten verfügt selbstverständlich über eigene Medien. Es gibt die Wochenzeitschrift „Novice“ und die slowenische Kirchenzeitung „Nedelja“. Außerdem geht ein tägliches Hörfunkvoll-programm über den Äther. Im staatlichen Fernsehen des ORF werden wöchentlich die Sendung „Dober Dan, Koroška“ und der wöchentliche Beitrag „Servus, sreno, ciao“ in der Sendung „Kärnten heute“ ausgestrahlt. Die slowenischsprachige Radioprogrammgestaltung wurde ab 2001 stark weiterentwickelt. Nach der Erprobung eines Tagesvollprogrammes wird seit März 2004 auf der Grundlage eines neuen Kooperationsvertrages zwischen ORF, „Radio dva GmbH“ und dem Verein „Agora“ ein durchgängig slowenisches Programm auf der Frequenz 105,5 MHz gestaltet. Das neue Angebot wurde damit deutlich über das bis dahin täglich 50-minütige Hörfunkprogramm erweitert. Betreut wird es vom personell aufgestockten Team der slowenischen Redaktion im ORF-Landesstudio Kärnten. Damit sei ein langfristiges Programmangebot für die slowenische Volksgruppe gesichert, hieß es aus dem Volksgruppenbüro Kärnten. Der Neustart dieses Radiovollprogrammes wurde mit einmaligen Subventionen zu gleichen Teilen vom Land Kärnten, Bund und der Republik Slowenien ermöglicht.
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Fernsehen und Rundfunk
Die Bilanz bei den elektronischen Medien ist auf den ersten Blick sehr eindrucksvoll. Die früher staatliche, heute öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalt „RTV Slovenija“ ist immer noch mit über 2.200 Angestellten überdimensioniert und nicht frei von staatlichem Einfluss. „RTV Slovenija“ [www.rtvslo.si] als öffentlich-rechtlicher Anbieter produziert landesweit zwei Fernsehprogramme und ist an einem dritten landesweiten Kanal in Koopertion mit anderen beteiligt; ferner gibt es drei Regionalprogramme sowie zwei nationale Minderheitenprogramme in Italienisch und Ungarisch. Überdies gelten neun lokale Programme als nicht-kommerzielle Fernsehprogramme. Außerdem produziert „RTV Slovenija“ neun öffentlich-rechtliche Hörfunkprogramme sowie zwei Studentenprogramme („Radio Student“ und „Radio MARS“). Hinzu kommen gut zwei Dutzend nichtkommerzielle Radioprogramme, die in lokaler Verantwortung, aber mit Unterstützung von
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„RTV Slovenija“ arbeiten82. Der Aufbruch in den lokalen nicht-kommerziellen Radiomarkt stammt aus der Zeit vor der Wende, wurde dann aber zwischenzeitlich durch das erste Mediengesetz 1994 in Slowenien und durch die Statuten von „RTV Slovenija“ reguliert und seit 1996 neu organisiert. „RTV Slovenija“ selbst finanziert sich zu etwas über 70 Prozent aus Gebühren, die ähnlich wie in Deutschland erhoben werden. Eine weitere Geldquelle ist die Werbung, die etwas meh als 20 Prozent zum Etat beiträgt. Das öffnet eine Deckungslücke von etwa 2,5 Millionen US-Dollar jährlich im Finanzhaushalt von „RTV Slovenija“83. Der staatlichen „RTV Slovenija“ stehen eine Vielzahl erfolgreicher kommerzieller Anbieter gegenüber. Zunächst einmal waren die privaten Radiostationen – im Jahr 2000 wurden 46 private Radioanbieter registriert – wie Pilze aus dem Boden geschossen. Meist von Wer-
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Das öffentlich-rechtliche erste Programm von „Radio Slovenija” (Program A) hat die größte Zahl an Hörern (259.000), gefolgt von „Radio Slovenijas“ zweiten Programm („VAL 202“). Das am höchsten bewertete kommerzielle Radioprogramm ist „Radio HIT” (91.000 Hörer). Das populärste nicht-kommerzielle Programm hat „Radio Smarje” (79.000 Hörer). Das Fernsehprogramm “POP TV” wird von 941.000 Slowenen gesehen, und das erste Programm des öffentlichen Fernsehens sehen 587.000 Slowenen. An Regionalsendern gibt es außerdem „TV Koper“ und „TV Maribor“. Das öffentlich-rechtliche „Radio Slovenija“ hat drei Sender: Radio Slovenija A1 – 1. Programm, Radio Slovenija 2 – 2. Programm-VAL202, und Radio ARS – 3. Programm. Regionale Radiosender: Radio Koper, Radio Maribor, Radio Slowenien International (Maribor). Privatfernsehen: POP TV (multimediales Zentrum www.24ur.com) mit dem Schwesterkanal KANAL A, Net tv – Kabel (Maribor), Prva TV – Kabel (Ljubljana), Paprika TV (Ljubljana), Pika Teve (Ljubljana), Idea TV (Murska Sobota), Carli TV (Populäre Musik), MTV Adria, TV Petelin (Volksmusik), u.v.a. Außerdem 30 lokale und kommerzielle TV Sender www.gov.si/srd/. Private Radiostationen: Radio Ognjisce (katholisch), Radio City, Radio Hit (Ljubljana) u.v.a. An landesweit ausgestrahlten Programmen gibt es [Quelle: RS Broadcasting Council Brochure: Radio and TV Programs in Slovenia, 1999; zitiert nach www.mediaonline.ba/ mediaonline/tekst_eng/1327.htm]: SLO 1 (öffentl.-rechtl.), geschätzte Reichweite: 97%, Organisation und Sitz: RTV Slovenija, Ljubljana; SLO 2 (öffentl.-rechtl.), geschätzte Reichweite: 95%, RTVSlovenija, Ljubljana; Kanal A (kommerziell), 80%, Kanal A, Ljublijana; TV 3 (kommerziell), 75%, TV 3, Ljubljana; POP TV (kommerziell), 80%, MM TV1, Ljubljana/Tele 59, Maribor/Robin TV, Nova Gorica. An regionalen TV-Programmen (Reichweite 10-50% der Bevölkerung) [Quelle: RS Brodcasting Council Brochure: Radio and TV Programs in Slovenija, 1999 [zitiert nach www.mediaonline.ba/mediaonline/ tekst_eng/1327.htm]: Gajba TV (kommerziell), geschätzte Reichweite: 1 Mio., Org. und Sitz: EURO TV, Ljubljana/IDEA TV, M. Sobota/Tele 59, Maribor; VTV (lokal, nicht-kommerziell), 750.000, VTV Studio, Velenje; Vaš Kanal d.o.o., Novo Mesto (lokal, nichtkommerziell), 250.000, Televizija Novo Mesto, Novo Mesto; TeVe Pika (lokal, nicht-kommerziell), 250.000, Televideo, Ljubljana; TV Primorka (lokal, nicht-kommerziell), 300.000, Video Audio Film, Sempeter pri Novi Gorici. Fünf Fernsehkanäle können von 75% der Bevölkerung gesehen werden. Zwanzig Kanäle sind auf Kabel. Öffentlich-rechtliches Fernsehen in Slowenien ist „Radiotelevizija Slovenija“ (RTV SLO), das über zwei TV- und drei Radioprogramme verfügt. Die öffentlich-rechtliche Zentrale ist in Ljubljana (Laibach) stationiert, wo die oben genannten Programme für das ganze Land ausgestrahlt werden. Die drei größten Regionalzentren, die zu RTV SLO gehören, befinden sich in Maribor (Marburg an der Drau), Koper (Capodistria), wo auch das gleichnamige TV-Programm für die italienische Minderheit in Slowenien gemacht wird und in Lendava (wo das TV Program „Mostovi – Hidak“ für die Ungarische Minderheit in Slowenien gemacht wird. Es gibt auch 5 regionale Korrespondentenbüros: Murska Sobota, Celje, Novo Mesto, Nova Gorica, Brezice. Internationalen Korrespondenten von TV Slowenien sind in New York, Moskau, Zagreb, Belgrad und Berlin. In den letzten 13 Jahren entwickelte sich eine ernste Konkurrenz. Der kommerzielle TV-Sender POP TV strahlt 2 Programme, Pop TV und Kanal A, aus. POP TV produziert auch Radionachrichten für kleine private Radiostationen. Pop TV hat auch Regionale Korrespondenten und Internationale Korrespondenten aus Washington, Zagreb und Belgrad. Die größte Tageszeitung Delo hat Korrespondenten in Moskau, New York, Belgrad, Podgorica, Zagreb, Wien. 72,8 % des Haushalts von RTV Slowenien stammt aus Gebühren (11 EUR monatlich). Der Rest kommt aus Werbung, Sponsoren, Musik und audiovisuelle Produktion, Konzerte, Verlag und Staat. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Slowenien wird aus dem staatlichen Budget, der Rundfunkgebühren (ca.10 Euro monatlich) und aus der Werbung finanziert. Die privaten Medien sind meistens als Aktiengesellschaften konstituiert und finanzieren sich durch Werbung. Der Besitzer von „POP TV“ und „A Kanal“ sind die USamerikanischen „Central European Media Enterprises“ (CME). Der Besitzer von „Prva TV“ ist der kroatische Unternehmer Ivan Caleta.
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bung und Musik dominiert, spielen diese Lokalsender bei der öffentlichen Meinungsbildung eine eher untergeordnete Rolle. Einer dieser privaten Sender, „Radio Ognjisce“, mit religiösem Hintergrund erreicht mehr als zwei Drittel der Gesamtbevölkerung. Große Popularität genießen auch die landesweiten privaten Fernsehkanäle „Kanal A“ und „Pop TV“. Beide zusammen nehmen auf dem freien Markt durch Werbung und Programmvermarktung soviel ein wie das gesamte Jahresbudget von „RTV Slovenija“ ausmacht, ungefähr 30 Millionen US-Dollar. Außerdem gibt es den Angaben des Rundfunk- und Fernsehrates von Slowenien zufolge insgesamt mehr als vierzig Fernsehprogramme, von denen einige jedoch nur über Kabel zu empfangen sind und damit nicht den vollen Lizenzbedingungen unterliegen wie andere Programmanbieter. Was auf dem Zeitungsmarkt lange praktisch kaum in Gang kam, die Beteiligung ausländischer Investoren, wurde auf dem elektronischen Medienmarkt rasch zur Normalität: Hinter „Kanal A“ steht als Unternehmen „SBS Broadcasting“, das in mehreren Staaten aktiv ist. Hinter „Pop TV“ steht „CEM Central European Media“, ein Unter-nehmen, das auch in anderen Reformstaaten im östlichen Mitteleuropa bis zur Ukraine aktiv ist und sein Geld u.a. im Mobilfunknetz verdient. Eingebettet in dieses Unternehmen ist die Produktionsfirma „Pro Plus“, die auch das Programm „Gajba TV“ verantwortet hat. Diese privaten Anbieter sind mehrfach verwarnt worden, weil sie gegen die Auflagen bei der Werbung und beim Anteil von Eigenproduktionen verstoßen haben. Im Klartext: Die vorgeschriebenen zehn Prozent slowenischer Eigenproduktionen wurden nicht erreicht. Das täglich erlaubte Maximum an Werbezeit wurde häufig überschritten. Dahinter verbirgt sich schlicht ein kommerzieller Grund. Um immer neue Werbekunden anzulocken, wurden die Werbepreise im Privatfernsehen ständig gesenkt. Das hatte zwangsläufig eine Ausdehnung der Werbezeit zur Folge, damit wenigstens ein Teil der Finanzziele erreicht werden konnte. Angesichts dieser Entwicklung stellen Medienfachleute die Frage, ob der slowenische Markt nicht einfach zu klein ist, um diese Flut an werbefinanziertem Privatfernsehen überhaupt auf Dauer zu verkraften. Dabei wird oft genug die Befürchtung geäußert, dass zahlreiche private Programme in Slowenien Gefahr laufen, zu reinen Werbe- und Shoppingkanälen zu verkommen. Zum erheblichen Anteil an US-amerikanischen Produktionen, der bis zu 80 Prozent ausmacht, kommt ein erheblicher Anteil an lateinamerkanischen Seifenopern und anderem, was aber der Popularität der privaten TV-Anbieter offensichtlich keinen Abbruch tut. Trotzdem schreiben die privaten TV-Sender in Slowenien immer noch rote Zahlen. Dies gilt auch für den dritten privaten Anbieter „TV 3“. Dieser Sender bietet sich, unter Einfluss der katholischen Kirche, als landesweite slowenische Alternative zu den Programmen von „RTV Slovenija“ an, kann aber kaum mehr als drei Prozent der Zuschauer erreichen. Fazit: Von den strukturellen Rahmenbedingungen her kann in Slowenien medienpolitisch von einer Vollversorgung, wenn nicht sogar von einer Überversorgung gesprochen werden. Die große Zahl an Printmedien erscheint gemessen an der Bevölkerungszahl zudem in hohen Auflagen. 97 Prozent der slowenischen Haushalte sind mit Fernsehgeräten ausgestattet. Damit kann gerade das Fernsehen die Meinungsbildung erheblich beeinflussen. Knapp die Hälfte aller Haushalte verfügt außerdem über Kabelfernsehen und mehr als 20 Prozent der Haushalte können Fernsehen über Satellit empfangen. In die slowenischen Kabelnetze werden neben den einheimischen Programmen noch an die 30 ausländische (deutsche, österreichische, britische, amerikanische u.a.) Programme eingespeist. Somit besteht auch hier ein vergleichbarer Wettbewerb zu den übrigen europäischen Staaten. Der
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durchschnittliche tägliche Medienkonsum umfasst in Slowenien gut sechs Stunden84. Die eindrucksvolle Bilanz des Medienmarktes ist jedoch nur die eine Seite der Medienlandschaft Sloweniens. Auf der anderen Seite stehen langjährige Kontroversen um die rechtliche Absicherung der Medien, verbunden mit Regularien, die einerseits den Ansprüchen der Europäischen Union sowie der „EBU“ (European Broadcasting Union) nach Entstaatlichung entsprechen sollen; andererseits aber wollten die verantwortlichen Politiker ihren bislang ausgeübten Einfluss auf die Medien vor allem im früher staatlichen Sektor nicht ohne weiteres aufgeben. Die Defizite des ersten Mediengesetzes nach der Wende von 1994 wurden in zahlreichen Kommissionen und parlamentarischen Ausschüssen debattiert. Ein schwieriger Aspekt war (nach altem Gesetz) die Vergabe von Frequenzen für neue Anbieter. Hier wurde in Slowenien auch der Vorwurf des Frequenzhandels erhoben. Eine zweite, mit europäischem Recht unvereinbare Regelung war die Begrenzung für ausländisches Kapital. Im ersten Mediengesetz nach der Wende durfte ausländisches Kapital in einem slowenischen Unternehmen, das Tageszeitungen herausgibt oder Rundfunk- und Fernsehsendungen produziert, 33 Prozent nicht übersteigen. Ein Protektionismus, der gegen die Überfremdung in den Medien gedacht war, aber den massiven Zugriff amerikanischer Produktionen auf das Fernsehen nicht verhindert hat. Gleichwohl hat diese Regelung den Einstieg ausländischer Unternehmen in den Markt der Printmedien deutlich behindert, was wiederum auf Kosten einer wünschenswerten neuen Pluralität in der Tagespresse gegangen ist. Etwa ein Drittel der Medien erhält Zuwendungen aus dem Staatshaushalt. Das ist ebenso ein Indiz für Staatsnähe wie die Tatsache, dass in vielen Medien der gleiche Personenkreis Verantwortung trägt, der bereits vor der Wende dort vertreten war85. Im Zeitungsspektrum war es bürgerlich-konservativen Neugründungen nicht gelungen, sich auf dem Markt zu behaupten. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Medien in Slowenien schlechthin voreingenommen und traditionell links einzustufen sind mit eventuellen Auswirkungen auf die politische Meinungsbildung des Volkes, wie es von rechten Politikern in Slowenien behauptet wird. Gleichzeitig war Slowenien bereits in den 1980er Jahren ein Sonderfall, der eine große Medienvielfalt aufwies86. In der Diskussion um rechtliche Neuregelungen des Medienmarktes in Slowenien wurden folgende Punkte aufgegriffen: die Rolle der nichtkommerziellen unabhängigen Anbieter; das notwendige Ausmaß an Informationssendungen und einheimischen Produktionen sowie fehlende Sanktionen bei Verstößen gegen Werbe-auflagen. Am Ende einer mehrjährigen Debatte legte schließlich das Kulturministerium den Entwurf eines völlig neuen und schon im Vorfeld umstrittenen Medienge-
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Auf das Radio entfallen 180 Minuten (Deutschland: 206 Minuten), auf das Fernsehen 156 Minuten (Deutschland: 185 Minuten), auf das Zeitunglesen 16,1 Minuten (Deutschland: 30 Min.), auf Zeitschriften 7,3 Minuten (Deutschland: 10 Minuten) und auf das Internet 3,1 Minuten (13 Minuten). Eine rasante Entwicklung hat auch das Internet in Slowenien genommen. Bereits 1999 waren mehr als 3.300 slowenische Internetseiten registriert. Schon damals nutzten 18,4 Prozent oder 309.000 Einwohner Sloweniens im Alter zwischen 10 und 75 Jahren das Internet. Man darf annehmen, daß sich diese Menge der Internetseiten wie deren Nutzung exponentiell erweitert hat. Einen ersten Überblick gibt die Reihe „Aktuelle WWW-Resourcen zu Osteuropa. Teil I: Slowenien“ in Osteuropa 4/5, 2001, S. 623-626 sowie die Internetadresse http://www.osteuropa.rwthaachen.de/links.html. Vgl. Pazmandi, Susanne/Altmann, Franz-Lothar: Slowenien. In: Den Wandel gestalten – Strategien der Transformation. Bd. 2, Dokumentation der internationalen Recherche, Carl Bertelsmann-Preis 2001, Hrsg. v. Werner Weidenfeld, Gütersloh 2001, S.251. Im Hinblick auf die Transformation des Landes weisen Pazmandi und Altmann gerade den Aufsätzen und öffentlichen Diskussionen in Zeitschriften wie „Mladina“ von der Jugendorganisation, dem Universitätsblatt „Tribuna“ und der „Nova Revija“ eine wichtige Rolle für die Einleitung der Transformation zu.
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setzes87 vor, das schließlich im Frühjahr 2001 verabschiedet und am 11. Mai 2001 im Amtsblatt veröffentlicht wurde und zwei Wochen später in Kraft trat. Eine Vorprüfung dieses neuen, nun gültigen slowenischen Mediengesetzes hat auch durch eine Expertenkommission des Europarates zu vehementer Kritik geführt. Denn nunmehr gehört Slowenien, das sich so sehr um europäische Standards bemüht, zu den wenigen Staaten Europas, in denen die Rundfunkregulierung in die Kompetenz der Regierung fällt. Die Experten äußerten außerdem schwere Bedenken gegen die Paragraphen, in denen das Gründungsrecht für öffentliche Rundfunkanstalten der Regierung zugewiesen wird. Damit drohe eine unzulässige politische Einflussnahme auf die Medien. Diese Schlussfolgerungen aus dem Bericht der Expertenkommission des Europarates zogen Sandra B. Hrvatin und Marko Milosavljevi, Medienwissenschaftler im Fachbereich Soziologie der Universität Ljubljana88. Auch nach Einschätzung der Brüssler EU-Behörden hat Slowenien noch Nachholbedarf beim freien Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation und der Medien89. Schlimmer noch fielen die Reaktionen innerhalb Sloweniens aus. Offensichtlich war es der Regierung gelungen, nahezu alle Betroffenen mit diesem neuen Mediengesetz zu verärgern. Die kommerziellen Anbieter sahen eine Wettbewerbsverzerrung, weil das nationale öffentlich-rechtliche Fernsehen durch das Mediengesetz wirtschaftlich gestärkt wird. Der öffentlich-rechtliche Anbieter „RTV Slovenija“ wiederum meinte, die Gebühren-frage sei unzureichend gelöst, um die im Gesetz vorgeschriebenen Pflichtprogramme einschließlich der fremdsprachigen, das heißt der italienischen und ungarischen Minderheitenprogramme, sowie die Programme zur Pflege der slowenischen Kultur und Identität angemessen zu produzieren. Die Journalisten schließlich griffen mit ihrer Kritik das Gegendarstellungsrecht an, das ihrer Meinung nach nicht ausreichend sei und der Regierung zu viele Eingriffsmöglichkeiten biete. Aus derselben Richtung stammt der Vorwurf, daß das Gesetz die politischen Parteien und den Staat vor den Journalisten schütze und nicht umgekehrt90. Bemängelt wurden von journalistischer Seite auch die hohen Strafen, die für den Fall angedroht werden, dass ein klares Programmschema fehlt. Was für Funk und Fernsehen noch verständlich ist, scheint für Zeitungen und Zeitschriften nicht nachvollziehbar. Kritiker sahen auch hier eine unerwünschte Regulierung von außen. Neben diesen Vorwürfen wird noch weitere strukturelle und inhaltliche Kritik laut. So bemängelte ein OSZE-Report für Medienfreiheit, dass es in mehreren Anläufen nicht gelungen ist, neben den traditionellen Zeitungen, die noch aus dem sozialistischen Jugoslawien stammen, politisch und wirtschaftlich unabhängige Blätter auf dem slowenischen Markt zu etablieren. Der öffentlichrechtliche Sender „RTVS“ gilt als „over-staffed and inefficient“91. Nur in Deutschland fand die kritische Stimme des Slowenen Drago Jancar Gehör. Jancar richtete im Herbst 2001
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“Its text, especially the first discussion versions, considerably differed from the existing Law on the Media, as well as from proposals and initiatives submitted to the RS Broadcasting Council by other interested subjects in the field of information, which provoked generally negative reactions from local and foreign professional circles.” (Society of Journalists of Slovenija, Association of Radio and Television Organizations, International Press Institute, Council of Europe group of experts, EBU).” The structure of the media arena in Slovenija, in: www.mediaonline.ba/mediaonline/tekst_eng/1327.htm. Sandra B Hrvatin und Marko Milosavljevic, Rundfunk in Slowenien. In: Internationales Handbuch für Hörfunk und Fernsehen 2000/2001. Hans-Bredow-Institut Hamburg , Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2000, S.592. Petelin, Sascha: „Euroskepsis macht sich breit“. In: Süddeutsche Zeitung 11.07.2001 Alle diese Kritikpunkte fassen Sandra B. Hrvatin und Marko Milosavljevi zusammen, a.a.O., S.591 ff. OSCE Representative on Freedom oft the Media: Slovenija. A Report by Mark Thompson. Vienna 2000. Vgl. www.medienhilfe.ch/Reports/.
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eine heftige Kritik an die Adresse der Medien seines Heimatlandes: „Das Problem der slowenischen Medien“, schrieb Jancar, „liegt nicht darin, dass sie anti-europäisch wären, sondern darin, dass sie nicht europäisch sind“92. Jancars Kritik entzündete sich daran, dass Slowenien nicht die geringste Bereitschaft erkennen lasse, sich vom vorherigen Regime zu distanzieren. Anlass war die Weigerung des slowenischen Parlaments, der EuroparatsResolution 1066 zur Aufarbeitung der Geschichte totalitärer Regime in Osteuropa zu folgen. Mehr noch: Die slowenischen Medien, so Jancar, die dieses ‚Europa’ tagtäglich im Munde führten, seien nicht bereit gewesen, eine solche Debatte aufzugreifen. Auch warf der Autor dem Radio- und Fernsehrat des Landes eine unverzeihliche Beharrlichkeit bei der Beschäftigung altkommunistischer Personalkader vor. Die Medien seien im Dienst der Macht, empörte sich Jancar und donnerte zum Schluss: „Im Großen und Ganzen haben sich die slowenischen Medien noch immer nicht auf ihren eigentlichen Auftrag in der demokratischen Gesellschaft besonnen, nämlich auf die öffentliche Kontrolle aller Aktivitäten der Regierung und der Zentren der wirtschaftlichen und politischen Macht.“93 Slowenien wurde im Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union. Trotzdem war der staatliche Einfluss auf die Medien immer noch groß. Daran gaben slowenische Journalisten Ende September 2007, kurz bevor Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen sollte, dem liberalen Premierminister Janez Janša ein gerüttelt Maß an Mitschuld. Janša hätte, so 438 Journalisten und Unterzeichner einer Petition, einen Druck auf die Presse ausgeübt wie man ihn seit Jahren nicht mehr gekannt hätte. Politischen Interessen sei die freie Meinungsbildung untergeordnet worden. Im September 2008 errangen die oppositionellen Sozialdemokraten unter Borut Pahor eine hauchdünne Mehrheit über den Amtsinhaber Janša. Die Tatsache, dass kein einziger seiner Minister seine Wiederwahl ins Parlament schaffte, sage alles, kommentierte die slowenische Wochenzeitung „Mladina“. Die neue Regierung, die in einer Bilanz der Regierungszeit Janšas auch dessen Manipulation der Medien scharf kritisiert hatte, versprach einen gründlichen Wandel in der Medienpolitik.
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Drago Jancar: Und schuld daran ist nur die Opposition. Sloweniens Medien haben vom „jugoslawischen Weg in den Kommunismus“ auf den „Weg nach Europa“ umgeschaltet, ohne sich zu wandeln. In: Frankfurter Rundschau, 24.10.2001. Ibidem.
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6.
Bosnien und Herzegowina: Medien als Zankapfel der Ethnien
Der bosnische Journalist Sefik Dautbegovi94 bekam 2006 in Wien den Journalistenpreis „Writing for CEE“. Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde ihm für seinen Artikel „Mein Land – auf welchem Weg nach Europa“ verliehen95. Darin prangerte er die Unfähigkeit der Politiker in Bosnien-Herzegowina96 an, sich den wirklichen Problemen des Lan-
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Sefik Dautbegovi wurde 1948 in Prozor, Bosnien-Herzegowina, geboren. Seit 1973 arbeitet er für die bosnische Tageszeitung „Oslobodjenje“ und andere Medien. Der „Writing for Central Europe“-Journalistenpreis, der mit 5.000 Euro dotiert ist, wird jedes Jahr von der „Austria Presse Agentur“ (APA) und der Bank Austria-Creditanstalt zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses und der Integration mittel- und osteuropäischer Staaten verliehen. „Die Auszeichnung richtet sich ganz bewußt auch an Bewerber aus Nicht-EU-Staaten und würdigt vor allem Beiträge zum Abbau von Grenzen und Vorurteilen“, sagte APA-Chefredakteur Michael Lang in seiner Laudatio. Die Republik besteht aus drei voneinander relativ unabhängigen Verwaltungseinheiten: dem Brko-Distrikt, der Föderation Bosnien und Herzegowina und der Republika Srpska. Die Hauptstadt des Landes ist das zentral gelegene Sarajevo. Bosnien-Herzegowina besitzt etwa 4,55 Mio. Einwohnern. Zu den drei offiziellen Staatsvölkern zählen die Bosniaken, die mit 48 % etwa die Hälfte der Einwohner stellen, die Serben mit 37,1 % Serben und die Kroaten, die mit etwa 14,3 % vertreten sind. Minderheiten wie die Bosnisch-Herzegowinische Roma oder Juden stellen nur 0,6 % der Gesamtbevölkerung. Aufgrund dieser vielfältigen Mischung diverser ethnischer Gruppen, kann man das Land als Vielvölkerstaat bezeichnen. Im Vergleich zu 1991, vor dem Austritt aus Jugoslawien, ist die Zahl der Bosniaken fast gleich geblieben, jedoch die Zahl der Serben um 115.000 gestiegen. Der Anteil der Kroaten ist jedoch seitdem um 3 % gefallen. Die drei offiziellen Staatsvölker sprechen die eng verwandten Sprachen Bosnisch, Serbisch und Kroatisch, die zusammenfassend oft als „Serbokroatisch“ bezeichnet werden. Die Staatsbürger des Landes werden in der Gesamtheit „Bosnier“ genannt. Wogegen „Bosniaken“ ausschließlich die bosnischen Muslime sind. 43,7 Prozent der Einwohner sind muslimischen Glaubens, 31,4 Prozent serbisch-orthodoxen und 17,3 Prozent gehören der katholischen Kirche an. Juden und Angehörige anderer Religonsgemeinschaften stellen einen Anteil von 7,6 Prozent. Das Land BosnienHerzegowina ist aus dem ehemaligen Jugoslawien entstanden. Erst 1992 erklärte es die Unabhängigkeit und grenzte sich dadurch als eigener Staat ab. Die Grundsätze für das staatliche und politische System entstanden erst ganze drei Jahre später. Mit dem Friedensabkommen von Dayton 1995 wurden sie festgelegt. Gleichzeitig jedoch wurde Bosnien-Herzegowina in drei Verwaltungsgebiete geteilt. Somit setzt sich auch die Regierung aus drei Verwaltungen zusammen. Die erste nennt sich die „Förderation Bosnien und Herzegowina“ oder auch „Bosniakische-Kroatische Förderation“. Die zweite Entität ist die „Serbische Republik“, die „Republik Srpska“. Zusätzlich zu diesen beiden großen Gebieten gibt es ein Streitgebiet, den „Distrikt Brcko“. Es besteht aus dem Bereich um die Stadt Brcko und die Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas Sarajevo. Seit dem März 1999 gibt es eine Sonderregelung, die besagt das der Bezirk von Brcko gemeinsames Eigentum der beiden anderen Verwaltungen ist und somit zu beiden zugehörig. Trotzdem haben alle drei Entitäten eine eigene Verfassung mit eigener Exekutive und Legislative. So gibt es in dem Land auch nicht nur ein Staatsoberhaupt sondern ein Staatspräsidium aus drei Vertretern. Derzeit sind das ein kroatischer Bosnier Željko Kosmši, der Bosniake Haris Silajdži und der serbische Bosnier Nebjša Radmanovi. Der Vorsitz unter den drei Vertretern rotiert alle acht Monate. Erst im Jahr 2006 wurde das Staatspräsidium das erste mal ohne die Aufsicht der Internationalen Gemeinschaft (OSZE) demokratisch gewählt. Diese Internationale Gemeinschaft beobachte vorher die Wahlen und konnte eingreifen, sofern diese nicht den demokratischen Regeln entsprechend durchgeführt wurden. Der Regierungschef von Bosnien-Herzegowina ist der Ministerpräsident Nikola Špiri. Die Regierung wird allerdings von der oben schon erwähnten Internationalen Gemeinschaft (OSZE) beobachtet. Außerdem sind nach wie vor knapp 2500 ausländische Soldaten von der EUFOR, die von der EU geführt wird, in Bosnien-Herzegowina stationiert. Ihre Aufgabe besteht darin die Bevölkerung, vor allem aber Flüchtlinge zu schützen und die Polizei zu unterstützen, sowie den Friedensvertrag von Dayton zu sichern. Einen Teil der Staatsgewalt übt also der Hohe Repräsentant der OSZE aus. Seit dem 30. Juni 2007 ist es der Miroslav Laják aus der Slowakei. Der Hohe Repräsentant kann nicht von der Bevölkerung gewählt werden. Er besitzt allerdings eine autoritäre Vollmacht. So kann er gewählte Minister, Richter und Bürgermeister entlassen, sowie neue Gesetze erlassen und Behörden schaffen. Er hat also mit seiner ihm untergeordneten Behörde der OHR (Office of the High Representative) die Macht sämtliche demokratische Einrichtungen zu überstimmen. Lediglich alle sechs Monate muß er sich vor vor den Außenministerien von mehr als 50 Staaten verantworten.
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des zu widmen und damit die Annäherung Bosnien-Herzegowinas an die Europäische Union zu verzögern. Ein weiteres Problem, das das Land träge und unregierbar mache, sei, so Dautbegovi, die Vielzahl staatlicher Institutionen und Ämter, ein Vermächtnis des Friedensabkommens von Dayton: „Wenigstens in etwas sind wir führend in Europa, wir haben 180 Ministerien im Staat.“ Er beschrieb Europa als eine alte Dame, der Bosnien den Hof macht, die aber nicht nur durch Charme bezaubert werden kann. Bei der Preisverleihung bedauerte er, daß in seiner Heimat die Volksgruppen der Bosniaken, Serben und Kroaten immer noch „in drei Richtungen ziehen“ würden. Diese Beschreibung gilt genauso für die Medien. Die Situation der Medien in dem noch an den Folgen des Bürgerkriegs von 1992 bis 1995 leidenden Land ist insofern anders als sonst auf dem Balkan, als sich durch den ethnischen Gegensatz und die politische Fragmentierung des Landes die Dinge nur langsam und unter großen Mühen, Debatten und Konflikten einspielen. Das wesentliche Problem, das über die Zukunft der Föderation BosnienHerzegowina entscheidet, ist die Koexistenz der Ethnien. Man wählt grundsätzlich den politischen Vertreter der eigenen Ethnie. Übernationale Parteien konnten sich deshalb in der Föderation bisher nicht entwickeln. Die Föderation ist aber auf die Überbrückung des ethnischen Gegensatzes angewiesen. Der kantonalen Fernsehstation Sarajevo warf man vor, in den Aufsichtsrat nur Bosniaken, das heißt Vertreter der muslimischen Volksgruppe zu berufen. Der Premier des Kantons Sarajevo, Samir Silajdži, widersprach dem. Sein Kabinett sei multiethnisch, weil in ihm auch zwei Personen serbischer Nationalität säßen. Und er könne keinen Serben oder Kroaten davon abhalten, sich für den Aufsichtsrat zu bewerben. Trotzdem gälte das Prinzip der Multiethnizität nicht für das Gremium von „TV Sarajevo“, kritisierte Fikret Musi, Vorsitzender des Abgeordnetenklubs der Sozialdemokratischen Partei (SDP). Die Kommission, die die Kandidaten für den Aufsichtsrat bestimmt, hätte nur Bosniaken berufen97. Dass sich kein Angehöriger einer anderen Nationalität beworben habe, rechtfertige nicht die Wahl eines mononationalen Organs. Man müsse dann einfach den Rat nur teilweise besetzen, und dann neu ausschreiben, denn es sei einfach nicht glaubhaft, dass sich in Sarajevo niemand findet, der Mitglied des Aufsichtsrats sein will und kein Bosniak ist. Ein Gerücht trug zusätzlich dazu bei, den Himmel über „TV Sarajevo“ zu verdunkeln, wonach „Televizija Sarajevo“ an eine türkische Gesellschaft verkauft werden solle. Um das Programm des Bundesfernsehens „FTV“ von Bosnien und Herzegowina gab es im September 2007 ebenfalls Streit zwischen Regierung und Opposition. „FTV“ hatte in diesem Monat ein neues Format eingeführt, den „Skupštinski raport“, der den Zuschauer nach den Abendnachrichten, an den Sitzungstagen des Föderationsparlaments über dessen Arbeit informieren sollte. Irfan Ajanovi, Abgeordneter der SDA, forderte eine außerordentliche Sitzung, um sich mit dem „raport“ zu beschäftigen. Er bemängelte, dass Regierung und Opposition nicht der gleiche Raum gegeben werde, um sich und ihre Arbeit zu präsentieren98. Der Vorsitzende der Kommission für Information, Mato Franjievi, wollte
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So saßen dort Faruk Jaži als Vorsitzender, Fahira Fejzi-engi, Nermina Mujezinovi, Murisa Zuko und Benjamin Isovi. Die Behauptung des Justizministers Zlatko Mesi, es hätte sich eben kein Nicht-Bosniak beworben, erboste den Vorsitzenden der Skupština des Kantons Sarajevo und SDP-Abgeordneten Svetozar Pudari. Diese Aussage zeuge von der politischen Blindheit und Unerleuchtetheit der in Sarajevo regierenden Koalition. Vgl. Omeragi, Dk.: Kantonalna televizija samo za Bošnjake?! Jednonacionalni sastav Nadzornog odbora TV Sarajevo. In: Oslobodjenje, 12.9.2007, Nr. 21.789, S. 12. Vgl. Ajanovi: Vrijeme za tematsku sjednicu o FTV. Parlamentarne polemike o „Skupštinskom raportu“. In: Oslobodjenje, 11.9.2007, Nr. 21.788, S. 6.
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die Kritik des SDA-Abgeordenten nicht kommentieren. Es sei nicht Aufgabe eines Abgeordneten, sich in die Arbeit der Fernsehredakteure einzumischen, wenn es auch durchaus angebracht sei, von „FTV“ Unparteilichkeit zu erwarten. Damir Maši von der SDP wertete die Klage Ajanovis als direkte Einmischung in die Informationspolitik des Fernsehsenders. Ende September 2007 warteten die Abgeordneten darauf, dass das Verfassungsgericht der Föderation über die Verabschiedung bzw. eine eventuelle weitere Überprüfung des Gesetzes zum Radio- und Fernsehangebot in der Föderation Bosnien-Herzegowina beschließe. Deutlicher wird der Gegensatz, wenn es um Angelegenheiten zwischen der muslimisch-kroatischen Föderation und der Serben-Republik, der „Republika Srpska“, geht. Der Vermittler in Fragen der Menschenrechte auf Bundesebene, Vitomir Popovi, der die Unterstützung der Serben-Republik genießt, hatte gemeint, ein Journalist des Bundesfernsehens verdiene „eine Kugel in den Kopf“, für das, was dieser in einer seiner Sendung von sich gegeben habe. Die Journalistenvereinigung Bosniens verurteilte umgehend das Verhalten des Vermittlers. Die Zerrissenheit des Landes, die sich an diesem Beispiel zeigt, lässt sich ohne weiteres auch an anderen Bereichen des Mediensystems zeigen. Es gibt jedoch auch Gemeinsamkeiten mit dem deutschen Medienwesen, wie die Tatsache, dass beider Ursprünge in den besonderen Gegebenheiten einer Nachkriegssituation liegen. Pressefreiheit, Unparteilichkeit, eine möglichst geringe Einflussnahme von seiten der Wirtschaft, das waren die Leitlinien, an denen sich die internationale Gemeinschaft nach dem Ende des Bürgerkriegs zu orientieren versuchte. Da sich aber die auseinanderstrebenden Kräfte der einzelnen Ethnien auch durch die Macht des hohen Vertreters der internationalen Gemeinschaft oft nicht bändigen ließen, scheiterten die hehren Grundsätze an der Realität. Das zeigte sich schon in den einfachsten Dingen: die Rundfunkgebühren werden in Bosnien-Herzegowina gemeinsam mit der Telefonrechnung abgerechnet. Wenn jemand nicht bezahlt und sich trotz nochmaligen Nachfragens immer noch weigert, die Gebühr zu bezahlen, wird er einfach von ihr befreit. So kommt es, dass nur etwa die Hälfte aller Haushalte in BosnienHerzegowina Rundfunkgebühren bezahlt. Dennoch hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Bosnien noch mehr Zuschauer als das private. Das Programm der drei überregionalen öffentlich-rechtlichen Fernseh-Sender wird jedoch nach wie vor stark von der Politik beeinflusst. Zwar kontrolliert der Staat die Sender nicht mehr direkt, er trifft aber die Auswahl des Führungspersonals des jeweiligen Senders. Außerdem sind die Programminhalte der Sender reguliert. 40 Prozent des Wochenprogramms muss Nachrichten und Ausbildung beinhalten. Auch zehn Stunden Kinderprogramm muss in jeder Woche laufen. Eine Stunde ist für Flüchtlinge und Minderheiten vorgesehen. Die maximale Werbedauer liegt im bosnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk bei vier Minuten pro Stunde Fernsehen und bei sechs Minuten im Radio. In Bosnien-Herzegowina ist die Presse vorwiegend in Privatbesitz. Die ohnehin kleinen Leserzahlen der Tageszeitungen, Monatsmagazine, Fach-, Jugend- und Kinderzeitschriften sind wegen der schwierigen Wirtschaftslage, beschränkter Verbreitung und mangelnder Qualität rückläufig: Die Auflage aller Tageszeitungen in Bosnien-Herzegowina liegt bei insgesamt 100 bis 150.000 Exemplaren. In Deutschland verkauft alleine die Bild-Zeitung im Verhältnis zur Bevölkerung ein Drittel mehr Exemplare, über drei Millionen. In Bosnien-Herzegowina ist die Medienfreiheit gesetzlich garantiert. Sie wird wie die komplette Wirtschaft von der OSZE kontrolliert, dennoch können die Unternehmen unabhängig und selbstständig wirken. Das Mediensystem ist staatsfern organisiert und die Konzerne können offiziell unabhängig arbeiten. Aber große technische Probleme wie die veraltete Ausstattung und finanzielle Engpässe erschweren den Medienkonzernen die Arbeit immer wieder.
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Zudem herrscht im Land eine niedrige Kaufkraft und es fehlt an qualifizierten Journalisten und Experten. Aus Berichten der „Reporter ohne Grenzen“ geht hervor, dass sich die Lage der Pressefreiheit in Bosnien-Herzegowina zwischen 2005 und 2007 zum Schlechteren verändert hat. Das Land ist in der Rangliste vom Oktober 2007 gegenüber dem Vorjahr um 15 Plätze von Platz 19 auf Platz 34 und bis 2009 auf Platz 39 gefallen. Die genauen Ursachen dafür sind allerdings nicht klar. Die Berichte der „Reporter ohne Grenzen“ zeigt auf jeden Fall, dass es in Bosnien-Herzegowina mit der gesetzlich garantierten Medienfreiheit nicht ganz so weit her ist. Und solange die hohen Posten in den Konzernen und Sendern immer wieder von der Politik besetzt werden und Bestechung an der Tagesordnung ist, wird sich daran vermutlich so schnell nichts ändern.
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Zeitungen und Zeitschriften
Insgesamt schätzt man, dass täglich in Bosnien zwischen 100 und 150.000 Exemplare aller Tageszeitungen verkauft werden. Es gibt rund 600 Printmedien in Bosnien-Herzegowina. Nachrichten-Zulieferer sind einerseits angestellte und freie Journalisten, andererseits die nationalen Nachrichtenagenturen. Die offizielle Nachrichtenagentur der Föderation Bosnien-Herzegowina, die Föderale Presseagentur, nennt sich abgekürzt „FENA“ [www.fena.ba]. Sie entstand aus der „BIH-Press“. Die Presseagentur der Serben-Republik heißt „SRNA“ [www.srna.rs]. Die „ONASA“ [www.onasa.com.ba] ist eine unabhängige Presseagentur. Die Leserschaft in Bosnien war schon immer eher klein, heute ist diese Zahl aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage, der mangelnden Qualität und der geringen Verbreitung der Printmedien weiter geschrumpft. Der Inhalt der Printmedien ist im Großen und Ganzen von der ethnischen Zugehörigkeit der Rezipienten geprägt. Das zwingt die Zeitungen dazu, nur die ethnische Gruppe, die in der jeweiligen Region dominant ist, mit ihrem Inhalt anzusprechen. Dadurch sind die Printmedien kaum in der Lage, ein überregionales Publikum für sich zu gewinnen. Die Zahl der Printmedien für die Föderation BosnienHerzegowina beträgt 147 und für die bosnische Serbenrepublik, für die Republika Srpska 79. Zwar besteht bei den Nachbarn Serbien und Kroatien großes Interesse an einer Privatisierung der Zeitungen, dennoch sind die bosnischen Zeitungen wegen ihrer relativ kleinen Auflage nicht sonderlich interessant für ausländische Investoren. Als Folge des Bosnienkrieges ist der Markt für Printmedien nach wie vor nicht so weit entwickelt wie er es sein sollte. Wenn man alle Presseerzeugnisse, die nach Bosnien aus den Nachbarländern eingeführt und dort verkauft werden, zusammennimmt, das heißt jene Zeitungen, die aus Kroatien und aus Belgrad geliefert werden, kommt man auf nicht mehr als 60 bis 70.000 Exemplare pro Tag. In Kroatien ist die Presse einer der wichtigsten Industriezweige, in Bosnien käme sie über Amateurstatus nicht hinaus, meinte Senad Avdi, Chefredakteur der „Slobodna Bosna“. Bisher hätte es in Bosnien ein „artifizielles Bild der Medien“ gegeben, geschaffen aus ausländischen Spenden, die Medienleute hätten ihre Nachrichten verkauft, ob sie nun Nachrichtenwert hatten oder nicht. Ein Prozess der Ernüchterung hätte eingesetzt. „Wir mussten lernen, dass eine Nachricht eine Ware ist wie jede andere und man sich nur von ihrem Marktwert leiten lassen kann.“ Wenn man eine kroatische Publikation wie die „Jutarnji list“ mit dem „Dnevni avaz“ vergleiche, so Avdi 2006, hätte man es mit zwei „verschiedenen Planeten“ zu tun, „einem archaischen und unattraktiven und dem anderen, der genau das Gegenteil ist“. Dennoch stimmte er der Meinung zu, dass in den kroatischen Medien die besseren Geschäftsleute und bei den bosnischen Wochenblättern die besseren
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Schreiber arbeiten. Aber das liege daran, dass in Bosnien auf die Marktgängigkeit und aus welchem Fonds das Geld käme bisher keiner geachtet hätte. Die Redaktionspolitik wurde und wird nicht nur durch die finanzielle Lage begrenzt, sondern vor allem auch durch die allgemeine Politisierung der bosnischen Gesellschaft. An erster Stelle kam in den Redaktionen lange Zeit das Thema Korruption, die Politik etwa der HDZ in anderen Feldern erst sehr viel weiter hinten. Das kroatische Magazin „Globus“ brauchte geraume Zeit, bis es sich von den Sensationsmeldungen aus der bosnischen Politik langsam auch auf andere Themen verlegte. Die größten überregionalen Zeitungen in Bosnien sind die in Sarajevo erscheinenden „Dnevni Avaz“ und „Oslobodjenje“ („Befreiung“, www.oslobodjenje.com.ba). Letztere gilt als die älteste und berühmteste bosnische Zeitung. Sie wurde 1943 gegründet und mehrfach mit Preisen ausgezeichnet – 1992 wurde sie in Großbritannien sogar zur besten Zeitung des Jahres erkoren. Im Bereich Kultur ist sie eine der führenden Tageszeitungen, und versucht politisch neutral zu bleiben. In jüngster Zeit hatte die „Oslobodjenje“ jedoch mit finanziellen Problemen zu kämpfen, vor allem weil der Konkurrent „Dnevni avaz“ ihr im bosnischen Teil des Landes den Rang ablief. Die „Oslobodjenje“ verkauft sich nach wie vor im ganzen Land (Auflage ca. 20.000), hat aber nicht mehr so großen Einfluss wie in den Zeiten vor dem Krieg. Der „Dnevni Avaz“ („Tägliche Stimme“, www.avaz.ba), während des Bürgerkriegs als privates Unternehmen gegründet, erscheint täglich mit zwischen mehr als 50.000 Exemplaren, und ist in der bosnisch-muslimischen Bevölkerung im In-, aber auch im Ausland die beliebteste und am meisten gelesene Tageszeitung. ‚Avaz‘ ist ein türkisches Lehnwort im bosnisch-slawischen Wortschatz und bedeutet ‚Stimme’. 36 Prozent aller Printmedien-Konsumenten lesen den „Dnevni avaz“, wobei das Blatt schon früher eine Leserschaft von mehr als 30 Prozent hatte. Der „Dnevni avaz“ wird von allen Altersruppen gelesen, was bei den anderen Zeitungen nicht der Fall ist. In Frankfurt erscheint außerdem eine Ausgabe der Zeitung für den deutschsprachigen Raum. Der Marktanteil des „Denvni avaz“ beträgt in der Föderation 62 Prozent, in der serbischen Teilrepublik hingegen lediglich 18 Prozent, was daran liegt, dass sich die Zeitung in erster Linie mit den Interessen der Bosniaken beschäftigt, auch im politischen Sinne. Ihre Nähe zur bosnisch-muslimischen Partei SDA ist bekannt. Im serbischen Teil las und liest sie man sie ohnehin nur, um sich über die Vorgänge in der kroatisch-muslimischen Föderation auf dem Laufenden zu halten. Zwischen „Dnevni Avaz“ und „Oslobodjenje“ liegt die seit 2002 erscheinende Sarajevoer Tageszeitung „SAN“ mit einer Auflage von 30.000 Stück. Sie beschäftigt sich überwiegend, aber nicht ausschließlich mit kommunalen Themen, und gilt als informativ, relativ unabhängig und neutral. In der Republika Srpska ist neben der „Nezavisne Novine“ die größte regionale Tageszeitung die ebenfalls in Banja Luka erscheinende serbisch-konservative „Glas Srpske“ [www.glassprpske.com]. Die Zeitung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Namen „Glas“ in Banja Luka gegründet, und verkauft sich heute fast nur im serbischen Gebiet der Republika, die auch Eigentümerin der Zeitung ist. Im Krieg hatte die Zeitung ihren Namen von „Glas“ in „Glas srpski“ (serbische Stimme) geändert, und seit ein paar Jahren heißt die Zeitung „Glas Srpske“ (die Stimme der Republika Srpska). Im Vergleich zur pointiert konservativ-nationalen „Glas Srpske“ gilt die „Nezavisne novine“ („Unabhängige Zeitung“) als kritisches Intelligenzblatt. Die „Nezavisne novine“ [www.nezavisne.com] wurde 1995 in Banja Luka, in der bosnischen Serbenrepublik von Željko Kopanja gegründet, einem Journalisten der bei der Tageszeitung „Glas“ gearbeitet hatte. Zusammen mit ihm waren die zwei angesehenen Journalisten Antun Kasipovi und Nikola Guzijan dabei. Zuerst war die „Nezavisne“ eine Wochenzeitung. Kopanja und seine Kollegen hatten sich
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vorgenommen, die serbische Gesellschaft in Bosnien kritsch zu durchleuchten. Die Zeitung war von Anfang an in der bürgerlichen, bosnischen Schicht bei allen drei Nationen beliebt. Aber als die „Nezavisne“ begann auch über serbische Kriegverbrechen zu schreiben, wurde sie von den Radikalen und Konservativen stark angegriffen. Am 22. Oktober 1999 wurde auf Kopanja ein Attentat verübt, bei dem er fast ums Leben kam. Er wurde schwer verletzt und verlor beide Beine. Die Attentäter wurden nie entdeckt und auch nicht die Motive für das Attentat. Seitdem erhielt die „Nezavisne“ viel Unterstützung von seiten der internationalen Gemeinschaft. Sie wurde innerhalb kurzer Zeit eine Tageszeitung mit einer Auflage von etwa 20.000 und damit die zweitgrößte bosnische Zeitung. Heute ist sie eine überregionale bosnische Zeitung mit drei Redaktionen in Banja Luka (Hauptredaktion), Sarajevo und Mostar, und Journalisten und Redakteuren aus allen drei bosnischen Volksgruppen. In den kroatischen Gebieten greift man am ehesten zu den Zeitungen aus Kroatien, genauso wie die Serben in der Republika ihre Tageszeitungen aus Serbien lesen. Die Serben lesen die „Veernje novosti“, „Blic“ und „Politika“ aus Belgrad, und die Kroaten „Veernji list“ oder „Jutarnji list“ aus Zagreb. Dazu kam im Oktober 2001 die „Dnevni list“ („Tageszeitung“, www.dnevni-list.ba) mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren. Bei der in Mostar verlegten Tageszeitung handelt es sich um ein oppositionelles, der HDZ nahestehendes Blatt, das sich als Sprachrohr der Interessen der Kroaten in Bosnien-Herzegowina versteht und in kroatischer Sprache erscheint. Die „Dnevni list“ ist vor allem in der Herzegowina angesehen, wird aber auch in der ganzen Föderation Bosnien-Herzegowina gelesen. Die wichtigste und angesehenste Wochenzeitung Bosnien und Herzegovinas ist die „Slobodna Bosna“, deren Name Programm ist – „Freies Bosnien“ [www.slobodna-bosna.ba]. Im Gesamtstaat sind alles in allem 96 Zeitschriften registriert, davon 50 in der Föderation und 46 in der serbischen Teilrepublik. Darunter hat die „Slobodna Bosna“ mit 28.000 verkauften Exemplaren die Vorrangstellung inne. Gegründet wurde die „Slobodna Bosna“ kurz vor dem Ausbruch des Krieges Ende 1991. Während des Krieges konnte das Blatt nur sporadisch erscheinen. 1993 fusionierte es mit der damals populären Zeitschrift „Ljiljan“99. Ihre hohe Auflage, die sie seit 2000 halten kann, macht die „Slobodna“ zum meistgelesenen Wochenmagazin des ganzen Landes. Sie wird zwar hauptsächlich in der Föderation und dort vor allem von den Bosniaken gelesen, gleichwohl gehört sie zu jener kleinen Zahl von Wochenmagazinen, die sowohl in der Föderation als auch in der Republika Srpska vertrieben und gelesen werden. Schwerpunkt der Berichterstattung ist die Aufdeckung von Korruption und organisierter Kriminalität in Bosnien. Was die Auflage betrifft, folgt der „Slobodna“ dicht auf den Fersen das Magazin „Dani“ [www.bhdani.com], das im September 1992 als Monatsausgabe von einer Journalisten- und Schriftstellergruppe im damaligen Kriegs-Sarajevo aus der Taufe gehoben wurde. Die „Tage“ erscheint heute mit rund 25.500 Exemplaren pro Woche, und hat es ebenso wie ihr größeres Pendant auf die ausufernde Korruption abgesehen, wobei sie sich auf den Nepotismus gerade innerhalb der muslimischen Religionsgemeinschaft in Bosnien spezialisiert hat. Der Vorwurf einer antimuslimischen Haltung ist da auch in Bosnien schnell bei der Hand. Monatlich sind dem
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Bis zu seiner Fusion mit der „Slobodna Bosna“ war „Ljiljan“ die Wochenzeitung der SDA, der Partei der Demokratischen Aktion (Stranka Demokratske Akcije), die die Zeitung auch 1990 gegründet hatte. Sie vertrat nicht nur Positionen der SDA, sondern auch pro-bosnisch-muslimische bis ultranationalistische Ansichten. Die Linie des „Ljiljan“ neigte oft dem radikaleren Flügel der SDA zu. Die goldene Lilie (Lilium carniolicum var. bosniacum), die sich im Logo der Zeitung fand, gilt auch als das Nationalsymbol der Bosniaken bzw. der bosnischen Muslime, einer der drei konstituierenden Ethnien Bosnien-Herzegowinas neben Serben und Kroaten. Die Auflage des „Ljiljan“ betrug rund 60.000 Exemplare, wovon 85 Prozent im Ausland verkauft wurden.
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Heft die Beilagen „Auto Dani“ und „Ljepota & Zdravlje“ („Schönheit & Gesundheit“) beigefügt. Ebenfalls in Sarajevo erscheinen die Wochenzeitschriften „Start BiH“, „Walter“, „Hrvatska Rije“ („Kroatisches Wort“, www.hrvatska-rijec.com). Das „kroatische Wort“ hatte seit 2001 mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, sodass nur noch die OnlineAusgabe erscheinen konnte. Die wichtigste in Banja Luka erscheinende Zeitschrift ist der „Reporter“. Für den Medienmarkt Bosnien-Herzegowina konnten sich, wie eingangs gesagt, ausländische Investoren kaum erwärmen. Als sich der kroatische Medienzar Ninoslav Pavi im Mai 2001 mit Journalisten in der Bar des Hotels Holiday Inn in Sarajevo traf, kochte sogleich die Gerüchteküche. Beabsichtigt Pavi, nachdem er sich den kroatischen Zeitungsmarkt unter den Nagel gerissen hat, nun auch den bosnischen Markt zu beherrschen? Wird er die „Slobodna Bosna“ und die „Jutarnje Novine“ aufkaufen? Darauf deutete hin, daß mit Pavi an der Bar Davor Butkovi, der Chefredakteur des kroatischen „Globus“, der Chefredakteur der „Slobodna Bosna“, Senad Avdi, und der Direktor und Eigentümer der „Jutarnje novine“, Irfan Ljevakovi, saßen. Die zwei letzteren Zeitungen erscheinen beide in der Hauptstadt Sarajevo und sind damit für die Meinungsbildung der Föderation maßgeblich. Diese werde nicht mehr so frei sein, wenn sich die in Kroatien agierende „Europa Press Holding“ (EPH) auch in Bosnien festsetze, argwöhnte man im politischen Magazin „Dani“. Die EPH war freilich am Medienmarkt Bosnien-Herzegowina brennend interessiert. In Mazedonien hatte die mit der EPH kooperierende WAZ-Mediengruppe bereits die Tageszeitungen „Dnevnik“, „Utrinski Vesnik“ und das Boulevardblatt „Vest“ übernommen; und plante 2006 mit der Übernahme der in Sarajevo erscheinenden Tageszeitung „Oslobodjenje“ den Einstieg in den bosnischen Pressemarkt100. Senad Avdi, Chefredakteur der „Slobodna Bosna“, für die sich die EPH ebenfalls interessierte, lobte nicht nur Pavi über den grünen Klee, er sah das Engagement der EPH bzw. der WAZ generell positiv, weil damit die bosnische Presse vom technischen, graphischen Vorsprung profitieren würde, und auch die durch den Krieg traumatisierten, allzu „politisierten Gehirne“ abgelenkt und durch Neues angeregt werden würden. Die Befürchtung, dass das ausländische Engagement zu einer Unifizierung der Medien führen würde, teilte er nicht. Dazu war Bosnien-Herzegowina politisch zu zerrissen. Es wäre ihnen zu danken, wenn es Pavi oder Hombach gelänge, das Land medial zu einen. Die Pluralisierung der Medien hat sicher dazu beigetragen, das Verhältnis der Volksgruppen und Minderheiten untereinander zu verbessern. Die unabhängigen Medien – dazu zählen Printmedien wie „Oslobodjenje“, „Dani“, „Slobodna Bosna“, „Svijet“ und „Veerni Novine“ aus Sarajevo, „Nezavisne Novine“ und „Reporter“ aus Banja Luka – haben in positiver Weise immer wieder die Grenzen dessen verschoben, was von der Mehrheitsbevölkerung als akzeptabel und ‚patriotisch’ angesehen wurde. Mit ihren Untersuchungsberichten über die Behandlung von Minderheiten haben diese Zeitungen eine Atmosphäre geschaffen, in der es Bosniaken eher akzeptierten, Themen wie Gewalt gegen Serben in Sarajevo zu behandeln. Im Gegenzug sank der Widerstand auf Seiten der Serben dagegen, dass auch über serbische Kriegsverbrechen berichtet wird. Dies war allerdings keine leichte Errungenschaft, weil die Medien ständig gegen die Anschuldigung, das eigene Volk zu
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Die WAZ-Gruppe ist in Ungarn, Bulgarien, Kroatien, Rumänien, Bosnien, Mazedonien, Montenegro und Österreich an Medienunternehmen beteiligt. Sie hält jeweils knapp 50 Prozent an den österreichischen Zeitungen „Kronen-Zeitung“ und „Kurier“. In Deutschland gehören zwölf Tageszeitungen, u.a. die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, die „Thüringer Allgemeine“ oder die „Saale Zeitung“ sowie zahlreiche Fach- und Publikumszeitschriften und über ein Dutzend Radiosender zu ihrem Portfolio.
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verraten und gegen dieses zu arbeiten, ankämpfen mussten und manchmal auch von seiten der Behörden bedroht wurden oder sogar physischen Attacken ausgesetzt waren. Allerdings hat sich die Situation allmählich verbessert, und Minderheitenprobleme werden von verschiedenen Medien behandelt, obwohl es immer noch Manipulationsversuche von seiten der staatlich kontrollierten Sendergruppen gibt, sobald es zum Beispiel um die Darstellung der Flüchtlingsrückkehr geht. Die Flüchtlinge, in deren misslicher Situation jede Information wichtige Grundsatzentscheidungen beeinflussen kann, sind dabei besonders wenig geschützt. Die glaubwürdige Information kommt in diesem Falle von den vorher erwähnten unabhängigen und professionellen Medien, die außerdem eine besondere Rolle in der Enthüllung von falschen Vorstellungen und Manipulationen durch andere Medien spielen. Aus der Anzahl der internationalen Auszeichnungen, die für die Errungenschaften im Einsatz für die Aussöhnung und Toleranz zuerkannt wurden – die letzte Auszeichnung bekam das Magazin „Dani“ vom schwedischen Erinnerungsfonds „Olof Palme“ –, kann man schließen, dass dessen Arbeit sehr hoch bewertet wird. Im Sinne der Konzeption der sogenannten ‚Minderheitenmedien‘ gibt es allerdings nur zwei Beispiele in ganz Bosnien. „Radio DISS“ ist ein Sender, der in Sarajevo zuhause ist und von einer NGO geführt wird, die sich die „Demokratische Initiative der Serben Sarajevos“ nennt und 1996 gegründet wurde101. „Radio DISS“ sendete seit Juni 1998 und produzierte täglich ein zwölfstündiges Programm. Sein anfängliches Ziel war es, objektiv über die Situation in Sarajevo und in den reintegrierten Vororten zu informieren, wobei die Schwerpunkte der Berichterstattung auf der Menschenrechtssituation und der Einstellung der Behörden in Sarajevo gegenüber den in ihren Wohnungen gebliebenen Serben lagen, nachdem der größte Teil der serbischen Bevölkerung im Januar 1996 seine Wohnungen verlassen hatte. Das Programm richtete sich an die serbische Bevölkerung in den reintegrierten Gebieten, aber auch an jene Serben, die diese reintegrierten Gebiete verlassen hatten und jetzt in der Republika Srpska lebten. Um dieses Zielpublikum zu erreichen, organisierte „DISS“ Programme, in denen die Berichte von 20 verschiedenen Radiosendern sowohl der Föderation als auch der Republika Srpska zusammengestellt wurden. Obwohl die lokale Regierung nie versucht hat, die Radiostation aufgrund ihrer redaktionellen Politik unter Druck zu setzen, und sogar in den Zeiten, in denen das Radio mit dem Überleben kämpfen musste, Finanzhilfe leistete, fehlte es dennoch an nachhaltiger Unterstützung. Die wichtige Rolle dieses Unternehmens und ähnlicher Projekte in anderen Teilen Bosniens, blieb anscheinend unbemerkt und erfuhr weder von nationaler noch von internationaler Seite die notwendige Unterstützung. So wurde die zum Sendestart gewährte Unterstützung von „Radio DISS“ durch internationale Geldgeber nicht fortgesetzt. Man war nicht daran interessiert, die Stabilität und den Erfolg dieses einzigartigen Medienprojekts zu sichern.
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Diese Nichtregierungsorganisation repräsentierte mehrere tausend Serben, die in ihren Häusern in den Vororten von Sarajevo geblieben sind, nachdem diese Vororte gemäß dem Abkommen von Dayton Anfang 1996 von der Republika Srpska an die bosnisch-herzegowinisch Föderation übergeben wurden.
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6.2
Radio und Fernsehen
Die Entwicklung der bosnischen elektronischen Medien began offiziell am 10. April 1945, als „Radio Sarajevo“ sein erstes Radioprogramm ausstrahlte. Bis 1992 sendete „Radio Sarajevo“ vier Radioprogramme: „Radio Sarajevo I“, das 1945 geschaffen wurde, „Radio Sarajevo 202“ (1. Juli 1971), „Radio Sarajevo III“ (10. April 1973) und „Radio Sarajevo II“ (1. Oktober 1975). Das erste Theaterstück, das via Radio übertragen wurde, ging 1948 über den Äther, und im folgenden Jahr das erste Live-Konzert; 1952 gab es das erste Nachrichtenprogramm und 1954 das erste Unterrichtsprogramm. Ab Oktober 1961 sendete „Radio Sarajevo I“ zum ersten Mal ohne Unterbrechung von fünf Uhr morgens bis 12 Uhr mittags. Im „Jugoslovenska Radio-Televizija“ (JRT), deren Regionalableger „TV Sarajevo“ war, wurden die Führungsposten nach Titos Konzept der nationalen Balance vergeben. Nationale Quoten sollten die Posten gleichmäßig unter Serben, Kroaten und Bosniaken verteilen. Die Konkurrenz war bei „TV Sarajevo“, „TV Zagreb“, „TV Belgrad“, „TV Novi Sad“ und „TV Titograd“ (Montenegro) besonders stark, weil sie alle in Serbokroatisch sendeten. In den 1980er Jahren machten sich in allen Teilrepubliken und damit auch in den Chefetagen der TV-Stationen die ersten Anzeichen des aufkommenden Ethno-Nationalismus bemerkbar. In den bosnischen Medien hätte sich dieser nach Meinung von Adin Sadi noch in Grenzen gehalten, wofür die ausgewogene Berichterstattung von „Oslobodjenje“ oder des „Omladinski program“ („Jugendprogramm“) von „Radio Sarajevo II“ Beweis gewesen wäre. Die kroatisch-serbischen der frühen 1990er Jahre liessen auch das bosnische Medienumfeld nicht unberührt. Sendeanlagen von „TV Sarajevo“ auf dem Berg Kozara wurden am 1. August 1991, acht Monate vor Ausbruch des Krieges, von der Jugoslawischen Volksarmee abgebaut. Wenig später geschah dasselbe mit den Sendeanlagen in Plješevica, Doboj, Trovrh, Velez und Vlašic. Der Vertrieb der Tageszeitung „Oslobodjenje“ wurde in vielen Regionen BosnienHerzegowinas, die von serbischen Paramilitärs kontrolliert wurden, unmöglich gemacht. Fahrer berichteten von illegalen Checkpoints, an denen sie aufgehalten und alle Zeitungen ohne Erklärung oder Ausweis konfisziert worden waren. Das „Oslobodjenje“-Gebäude war eines der ersten Ziele der schweren serbischen Artillerie im Frühjahr 1992, aber ungeachtet der schweren Schäden und den tödlichen Risiken der in unmittelbarer Nähe verlaufenden Front nehmen die multethnischen Redakteure und Reporter der „Oslobodjenje“ für sich in Anspruch, den professionellen Standards auch während des Bosnienkrieges treu geblieben zu sein. Zugleich hielt die Regierung von Präsident Miloševi “Radio Televizija Srbije” (RTS, Radio-Fernsehen Serbiens) fest umklammert (RTS). Der Anführer der kleinen Serbischen Reformpartei, Ivan Djuri, erklärte in einem Interview, welches Verständnis Miloševi von der Macht der Medien hätte: Miloševi hätte sicher niemals Marshall McLuhan gelesen, aber er verstünde besser als jeder andere, welche Funktion die Massenmedien und insbesondere das Fernsehen hätten. Er wüsste nur zu gut, dass nichts über nationales Fernsehen geht, und dass im nationalen Fernsehen nichts über die halb-acht-Uhr-Nachrichten geht. Dort würde der nationale Konsens gebildet. Das Referendum über die Unabhängigkeit Bosnien-Herzegowinas fand am ersten und zweiten März 1992 statt. Die Wahlbeteiligung war unerwartet hoch, allen Drohungen zum Trotz. Mehr als 64 Prozent der Wähler stimmten für die Unabhängigkeit, während die Serbische Demokratische Partei in Bosnien (SDS) die Serbische Republik von Bosnien und Herzegowina ausrief, lange vor der internationalen Anerkennung von BosnienHerzegowina, und sogleich eine TV-Station im Bergdorf Pale schuf, einige Kilometer aus-
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serhalb von Sarajevo. Nach Meinung internationaler Medienbeobachter hätte das Programm dieses Senders aus nichts anderem als Hassgesängen und den Versuchen bestanden, selbst ethnische Säuberung und Mord als Akte der Befreiung zu verkaufen. Einige Jahre nach dem Krieg meinte der „Oslobodjenje“-Kolumnist Gojko Beri über die TV-PaleNachrichten und deren Redakteur Risto Djogo, dass die Menschen in Sarajevo auf Djogos Abendjournal „wie auf eine Art masochistischen Rituals“ gewartet hätten, um zu sehen, auf welche Tiefen das Niveau noch sinken könnte. Anfangs herrschte noch der Zweifel, ob der Krieg, die Heckenschützen, die schwarzen Nachrichten Djogos, und all das, lange dauern würden. Aber später hätte sich die Neugier, welche Leute hinter dem Terror stecken, fast zu einer Sehnsucht ausgewachsen, so Beri. „Ich meine, dass Djogos primitive Hass eine unbeabsichtigte Wirkung unter den Einwohnern von Sarajevo hatte – Trotz und ein Gefühl der Überlegenheit gegenüber dem Bösen – und ich glaube, dass das am Ende zum Überleben der Stadt beigetragen hat.“ Im Juni 1992 proklamierte der bosnische Kroatenführer und HDZ-Vorsitzende Mate Boban die ‚Kroatische Gemeinschaft von Herzeg-Bosnia‘, eine Art von kroatischer autonomer Region, in der die kroatische Währung eingeführt und die kroatische Fahne aufgezogen wurde. Die ‚Kroatische Gemeinschaft von Herzeg-Bosna‘ richtete ebenfalls ihr eigenes Mediensystem ein, übertrug kroatisches Fernsehen über die Sendeanlage, die sie kontrollierte. Bald nach der Zurückweisung des Owen-Stoltenberg-Plans wurde die bosnische Armee vom Kroatischen Verteidigungsrat (HVO) angegriffen. Dem Friedensabkommen von Dayton, mit dem der Bosnienkrieg im November 1995 offiziell zuende ging, folgte eine überteuerte und ineffiziente Verwaltung, in der 14 Verfassungen und die gleiche Anzahl an Regierungen und Parlamenten auf unterschied-lichen Ebenen – die Föderation Bosnien-Herzegowina hat zehn Kantone mit komplexer Verwaltungsstruktur –, mit 180 Ministern, Ministerien und Verwaltungen miteinander wetteifern bzw. im Streit liegen. Bosnien und Herzegowina stellte sicher den kompliziert-esten Staatsapparat, den die Welt jemals gesehen hat. Ethnisch gespalten wie der Staat nun war, waren es auch die Medien, die je nach Ethnie mehr oder weniger isolierte Systeme bildeten. Die Politik kontrollierte weiterhin die Medien, worauf die internationalen Gemeinschaft in Bosnien erklärte, eine demokratische Atmosphäre, die Alternativen offerieren würde, wäre unter diesen Umständen nicht machbar. Die feindselige Medien-landschaft, in der der Missbrauch der Medien zu politischen Tageszwecken üblich war, konnte keine Voraussetzung für fairen politischen Wettstreit oder gar Versöhnung bieten. Der Mangel an ausgebildeten Journalisten zog etliche junge Aussenseiter in das Geschäft, die oft genug nur einen Gymnasialabschluss vorweisen konnten. Als Konsequenz dieser Gesamtsituation erwies sich die bosnische Medienrealität als unterentwickelt, vom professionellen wie vom rechtlichen Standpunkt, obwohl die Zahl der Medienerzeugnisse pro Kopf eine der höchsten in ganz Europa war. Der Bedarf an einem unabhängigen Regulierungsorgan, um den gesetzlichen Rahmen für das Verhalten der Medien zu schaffen, war brennend. Dabei war das Eingreifen der internationalen Autoritäten unumgänglich, weil die Medienrealität am Ort des Geschehens nicht nur unter unregulierten und missbräuchlich verwendeten Medienprodukten litt. Seit 1995 investierte die internationale Gemeinschaft mehr als 60 Millionen Dollar in die Entwicklung der Medien. Die Unterstützung diente dazu, neue Medien zu schaffen, wie das „Open Broadcast Network“ (OBN), als auch unabhängig gesonnene Medien zu fördern, die sich während des Krieges begonnen hatten zu etablieren – zum Beispiel die “Nezavisne Novine” – oder wie die Zeitschrift „Reporter“ unmittelbar nach dem Friedensabkommen von Dayton entstanden waren. Es gab drei Schritte, nach denen die internationale Gemeinschaft grundlegende Änderungen vornahm. Als ersten Schritt, um die Medienlandschaft des Landes zu regulieren, brachte man alle sechs in Bosnien-Herzegowina
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bestehenden Journalistenverbände zusammen, um eine Presse-Codex hinsichtlich allgemeiner ethischer und professioneller Standards zu diskutieren. Nach langen Debatten wurde dieser am 29. April 1999 angenommen. Dieser Kodex beinhaltete bereits bestehende europäische Standards journalistischer Praxis, um den Zeitungen und Periodika eine fundierte Selbstregulierung an die Hand zu gaben. Er appellierte an die professionelle Ethik und die professionellen Standards jedes Journalisten und Redakteurs. Der Presserat von Bosnien und Herzegowina (PCB&H) wurde im Sommer 2000 gegründet, womit Bosnien-Herzegowina das erste Transformationsland Südosteuropas wurde, das das Prinzip Selbstregulierung im Printjournalismus etablierte. Etliche internationale Organisationen spielte bei der Etablierung des Presserates eine wichtige Rolle – die „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE), die EU-Mission in Bosnien-Herzegowina, „IMC“ und „Irex Pro Media“. Der Kampf um eine unabhängige Medienlandschaft war in den frühen post-Dayton-Jahren besonders heftig und vor allem gefährlich für jene Journalisten und Redakteure, die sich keines Schutzes ihrer jeweiligen nationalen bis nationalistischen Regime erfreuen konnten. Ein tragischer Beispiel ist Željko Kopanja, Eigentümer und Chefredakteur der in Banja Luka, in der Republik Srpska beheimateten Tageszeitung „Nezavisne Novine“, der mit seiner Gesundheit für seinen investigativen Mut bezahlen musste – davon später mehr. Der Wendepunkt der internationalen Intervention in die bosnisch-herzegowinischen Medien kam am 11. Juni 1998, als der Hohe Repräsentant Carlos Westendorp Cabeza, gemäß seiner Funktion innerhalb des Dayton-Abkommens, jene „Decision on the Establishment of the Independent Media Commission in B&H“ (IMC) verkündete. Diese Entscheidung war die erste des Hohen Repräsentanten, die dazu führen sollte, die Medien zu restrukturieren. Danach mussten ab sofort sowohl der Generaldirektor als auch der Rat des „IMC“ vom Hohen Repräsentanten ernannt warden, was dem neuen Regulierungsorgan weitgehende Autorität verlieh, denn dessen Jurisdiktionsgewalt erstreckte sich auf das gesamte Gebiet BosnienHerzegowinas. 2001 führte der „IMC“ ein Reglement für den Sendebetrieb und die anderen Medien in Bosnien-Herzegowina ein, und schuf die notwendigen Strukturen, um dieses Reglement zu erfüllen. Diese Strukturen inkludierten einen Praxis-Kodex und ein Lizensierungsschema für Senderbetreiber. Der dritte Hohe Repräsentant in Bosnien und Herzegowina, der österreichische Diplomat Wolfgang Petritsch, traf die Entscheidung, die Kompetenzen des IMC mit denen der „Telecommunications Regulatory Agency“ (TRA) zu verknüpfen, eine Entscheidung, die am 2. März 2001 fiel, und die die Jurisdiktion in Sachen Sendebetrieb und Telekommunikation einem einzigen unabhängigen Organ übertrug, der „Communication Regulatory Agency“ (CRA). Die „Communication Regulatory Agency“ (CRA) war eine unabhängige Agentur, die nach den Verwüstungen des Bosnienkrieges versuchte, die Prozesse in Rundfunk und Fernsehen in geordnete Bahnen zu lenken102. Wie in Deutschland unterschied sie zwischen öffentlich und privat finanzierten Medien und ob sie ihren Sitz im Land oder im Ausland haben, wenn sie Lizenzen vergab. Das lag grundsätzlich daran, dass der Lizensierungsprozess für private Medien anders aussieht als der für öffentliche. Ausländische Anbieter, die in der Föderation arbeiten wollen, müssen sich beim Außenamt anmelden. Lange Zeit gab es keine auswärtigen Interessenten, wenn man von Radio Jugoslawien absieht, das auf
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Vgl. Sadi, Adin: History and development of the Communication Regulatory Agency in Bosnia and Herzegovina 1998-2005. A thesis presented to the Faculty of the College of Communication of Ohio University. June 2005.
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Kurzwelle zu senden wünschte, und das das einzige ausländische Medium war, das von der „CRA“ eine Lizenz erhielt. Die Radiostationen der SFOR, auf die im Dezember 2004 die EUFOR folgte, die mit besonderem Status im Lande senden, können ebenfalls als ausländische Medienanbieter gelten. In der Vergangenheit haben ausländische Institutionen und Stiftungen in Bosnien investiert, um dort die Medien neu aufzubauen. Neben „TV OBN“, dem „Open Broadcast Network“, ist ein weiteres Beispiel ausländischer Investitionstätigkeit der Rundfunkverband „FERN“. „FERN“ begann 1996 zu senden, mit dem Ziel, die Informationsblockade, die Bosnien-Herzegowina umgab, aufzubrechen, und unabhängige und unparteiische Nachrichten anzubieten über die Implementierung des Friedensabkommens von Dayton und den Wahlkampf. Da sich die Arbeit des Rundfunksenders recht gut anließ, konnten die ausländischen Geldgeber, unter ihnen die Regierung der Schweiz und später die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), überzeugt werden, den Sender bis zu den Wahlen von 2001 zu unterstützen. Radio „FERN“ galt als populärer und vertrauenswürdiger Nachrichtensender, der landesweit zu empfangen war. Heute ist er in den „Public Broadcast Service“ (PBS) Bosniens integriert, zusammen mit Teilen von „Radio Bosnien und Herzegowina“ (RTRS). Das Rundfunkangebot läuft unter dem Namen „Bosnien und Herzegowina-Radio 1“. Im Gegensatz zu Deutschland werden in Bosnien-Herzegowina die öffentlichrechtlichen Fernsehsender im Allgemeinen häufiger als die privaten gesehen. Insgesamt gibt es rund 39 Fernsehsender. Die TV-Verbreitung liegt bei 97 Prozent und ist damit nahezu flächendeckend. Rund 57,2 Prozent empfangen Fernsehen über Kabel, 37 Prozent über Satellit und der Rest terrestrisch. Es existieren rund 17 öffentlich-rechtliche Fernsehsender in Bosnien-Herzegowina, die sich durch eine Rundfunkgebühr finanzieren. Allerdings sind die meisten von ihnen eher kleine Sendeanstalten, die nur in ein begrenztes Gebiet ausstrahlen und somit Lokalsender darstellen. Lediglich drei Sender sind überregional zu empfangen, davon einer auf Staatsebene und zwei in den Teilrepubliken Republika Srpska und der Föderation. Der Sender „BHT 1“ („Bosanskohercegovaka televizija“) ist derjenige auf nationaler Ebene, den man im ganzen Land auf einem Kanal oder mittels des Satelliten „Hotbird 13E“ empfangen kann. „BHT1“ ist das Erbe des alten, bosnischen nationalen Fernsehens, wie es vor dem Krieg existierte. Der Sender des serbischen Gebietes ist „RT RS“ („Radiotelevizija Republike Srpske“) und deckt dort das gesamte Sendegebiet ab. Er wurde zu Beginn des bosnischen Krieges im Jahr 1992 von den bosnischen Serben unter dem Namen „SRT“ gegründet (Srpska Radio Televizija). Er dienste dazu, die bosnischen Serben und das Ausland mit serbischen Informationen zu versorgen und galt damit als kontrolliertes Instrument der serbischen Kriegsführung. Die internationale Gemeinschaft machte den Sender zu einem öffentlichen Sender zu machen, der ein unabhängiges Programm für die gesamte Bevölkerung des neuen Gebietes Republika Srpska senden sollte. Im bosnischen Teilgebiet wird der öffentliche Sender „RTV FBiH“ („Radiotelevizija Federacije BiH“) ausgestrahlt. Er wurde allerdings erst im Jahr 2001 gegründet103. Die Serben akzeptierten diesen Sender allerdings nicht und gründeten ihren eigenen, den heutigen Sender „RT RS“. Auch die Kroaten in Bosnien-Herzegowina bevorzugten ihre kroatischen Sender. Da sich also drei verschiedene, voneinander unabhängige Mediensysteme nach dem Krieg herausbildeten, wurde 2001 der Sender „RTV FBiH“ für das bosnische Teilgebiet gegründet. Das Programm der drei öffentlichen Sender hat den angestrebten
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Das bosnische Fernsehen, das vor dem Krieg existierte, wurde seit dem Kriegsbeginn weiter unter dem Namen Bosnisches Fernsehen ausgestrahlt. Es stand unter Kontrolle der bosniakisch-muslimischen Partei SDA.
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Prozess der Unabhängigkeit und eines ausgewogenen Programm noch nicht ganz vollzogen. Die Sender und somit das Programm werden indirekt von der Politik beeinflusst, weil diese die führenden Ämter besetzt, und damit auch der journalistischen Freiheit Grenzen setzt. Auch die Berichterstattung der drei verschiedenen Hauptvolks-gruppen wird oft als nicht ausgewogen kritisiert. An zugespitzten Berichten und Sendungen entzündet sich immer Streit. Alle drei senden eine Mischung aus Politik, Kultur, Sport und Unterhaltung. Durch das Kommunikationsgesetz des Landes ist die Werbung auf vier Minuten pro Stunde reglementiert. 40 Prozent des Wochenprogramms müssen Nachrichten, Ausbildung und Kinderprogramm beinhalten. Eine Stunde pro Woche ist für Flüchtlingen und Minderheiten reserviert und zehn Stunden müssen mit Kinderprogramm besetzt sein. Es gibt mehrere private Fernsehsender in Bosnien, die allerdings alle erst nach dem Ende des Krieges entstanden und sich durch Werbeeinnahmen finanzieren. Die meisten sind lokale Fernsehsender, die zum Teil von der internationalen Gemeinschaft gegründet wurden, um nach dem Krieg ein ausgewogenes Fernsehangebot zu schaffen. Einige der privaten Sender sind im ganzen Land zu empfangen. Zu den populärsten überregionalen Privatsender in Bosnien zählen „OBN“ und „Pink TV“. „OBN“ unterhält ein Vollprogramm, das sowohl politische und wissenschaftliche Sendungen als auch Unterhaltungsprogramme wie zum Beispiel populäre Filme präsentiert. Der Sender spricht damit neben der Mittelschicht auch Intellektuelle an. Der Sender „Pink TV“, der aus Serbien stammt und dort vor allem mit Volksmusik erfolgreich ist, strahlt fast nur Unterhaltungsprogramm aus. In Bosnien hat „Pink TV“ allerdings ein wesentlich jüngeres Publikum und spielt mehr Popmusik. Bei den Radiosendern sieht es ähnlich wie auf dem Fernsehmarkt von Bosnien und Herzegowina aus. Es besteht ein duales System aus öffentlichen und privaten Sendern. Im Unterschied zum Fernsehmarkt wird das private Radio allerdings mehr gehört als das öffentliche. Insgesamt gibt es 144 Radiostationen im Land, von denen 86 privat und 58 öffentlich sind (Stand 2005). Der Radiomarkt ist in Bosnien-Herzegowina im Allgemeinen sehr lokal geprägt. So besitzt unter anderem der Marienwallfahrtsort Medjugorje in der mehrheitlich kroatischen Herzegowina einen eigenen Radiosender. Der Wortanteil ist deutlich höher als bei den meisten deutschen Sendern. Die drei großen überregionalen Sender betreiben jeweils einen Radiosender, zu dem auf nationaler Ebene ein allgemeiner Radiosender kommt – „BH Radio 1“ (Public Broadcasting Service BosnienHerzegowinas). Durch eine hochqualitatives, umfangreiches Informations-, Kultur- und Bildungsprogramms soll es das Bedürfnis aller Schichten und Altersgruppen nach objektiven Informationen befriedigen. Die Sender „RTVBiH“ und „RTRS“ senden jeweils auf den Teilgebieten der Föderation und der Republik Srpska. Die privaten Rundfunkstationen dominieren klar den Markt in Bosnien-Herzegowina. Es existieren zwei Netzwerke aus lokalen Sendern. Zum einen ist das „Radio 27“, das mit „Radio Free Europe“ zusammenhängt, und zum anderen „Bosanska Mreza - BORAM“. Ein äußerst beliebter privater Radiosender ist „Radio Stari Grad“ („Radio Altstadt“) aus Sarajevo. Dank einer neutralen, unabhängigen und konsequenten Redaktionspolitik sowie seiner stabilen finanziellen Lage trägt der Sender zu einer zunehmend stabilen Lage auf dem Radiomarkt bei.
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6.3
Ethnische Gräben in der Medienlandschaft Bosniens
Ende September 2008 beschloss das Oberhaus des bosnischen Parlaments in Sarajevo, mit den Stimmen der bosnisch-serbischen und bosnisch-kroatischen Mehrheit, die Regierung möge die Gründung eines kroatischsprachigen Fernsehsenders einleiten. Die bosnischmuslimische Abgeordneten versuchten die Entscheidung zu blockieren, wurden aber überstimmt. Man befürchtete, die Einrichtung eines weiteren Senders einer der Ethnien würde nur die ethnischen und politischen Animositäten weiter anheizen. Die Frage eines kroatischen Fernsehkanals wurde seit Jahren hitzig diskutiert. Dazu muss man wissen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk von drei Rundfunkunternehmen bestritten wird, jeweils zwei in den beiden Entitäten – vom staatlichen „BHRTV“ („Bosnisch-Herzegowinisches Radio und Fernsehen“), von „RTVFBiH“ in der Föderation, und „RTRS“ in der Republika Srpska. Da dem in Sarajevo beheimateten „FTV“ vorgeworfen wird, nur in bosnischer Sprache und vor allem die politischen Positionen der bosnisch-muslimischen Führung wiederzugeben, drangen bosnisch-kroatische Politiker auf einen eigenen Kanal in kroatischer Sprache. Dieser Vorstoß wurde immer wieder von anderen lokalen Politikern zurückgewiesen, wie auch von vielen internationale Organisationen und Experten, die meinten, ethnische Separierung unter öffentlichen Medienanbietern sei weder professionell noch demokratisch. Doch die Situation änderte sich schlagartig, als die bosnisch-serbischen Abgeordneten in der Volksversammlung die Forderungen der Kroaten unterstützten. Die Motive für diesen Meinungsumschwung waren nicht klar. Man vermutete, daß das eine Art Charme-Offensive bzw. das Werben um Bündnispartner war, da sich in der internationalen Gemeinschaft die Stimmen mehrten, die die Republika Srpska als illegal betrachten, gegen deren Minsterpräsidenten Milorad Dodik polemisieren und die Republika in letzter Instanz auflösen möchten. Andere argwöhnten, das sei nur eine Kampagne der Regierung der Republika Srpska, durch weitere Zweitracht die zentralen Institutionen Bosniens zu schwächen. 2008 hatte die Regierung der Serben-Republik wiederholt betont, das schlecht geführte und überschuldete „BHRTV“ gehöre aufgelöst und das gesamte Rundfunksystem überholt. Bosnisch-muslimische Politiker, die an die Kampagnen-Version glaubten, versuchten den kroatischen Vorstoß zu blockieren, indem sie auf den Schutz nationaler Interessen verwiesen und den Fall an das Verfassungsgericht überwiesen. Das Gericht wies die Klage jedoch ab, was die Entscheidung für den kroatischen Fernsehsender ermöglichte. Die bosnisch-muslimischen Abgeordenten, die ohnehin stets befürchten, zwischen den mächtigen Interessen der Kroaten und Serben und ihrer Hinterländer zerrieben zu werden, kündigten sogleich an, entsprechend auf diese Entscheidung zu reagieren. Gleichwohl wird immer wieder die Frage diskutiert, ob in diesem vergleichsweise kleinen Land tatsächlich drei Sender vonnöten seien. Eine Medienreform sei dringend notwenig. Als man sich darauf vorbereitete, das Stabilisierungs- und Annäherungs-abkommen mit der Europäischen Union zu unterzeichnen und damit einer EU-Mitgliedschaft ein gutes Stück näher zu rücken, betonten verschiedene Kommentatoren, daß die Reform des ethnisch gespaltenen öffentlich-rechtlichen Mediensystems zu einer objektiven, unabhängigen und demokratischen Sendeanstalt eine zentrale Vorraussetzung für das Abkommen sei. Zugleich bangten die Beteiligten und die Politiker um die Zukunft der kostenintensiven dreigeteilten Institution. Das Problem der nationalen Sendeanstalt in Bosnien ist die Unklarheit darüber, wem sie eigentlich dient – so lässt sich die verfahrene Situation des „BHRT“ beschreiben, der als landesweite Sendanstalt eine Bevölkerung aus 17 Prozent Kroaten, 31 Prozent Serben und 44 Prozent Bosniern neutral informieren und gleichzeitig
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die Entfaltung der kulturellen Identitäten gewährleisten soll. Im Rahmen des DaytonAbkommens schufen deshalb primär internationale Kräfte nach Kriegsende ein dreiteiliges öffentlich-rechtliches System für die beiden Entitäten Bosnien-Herzegowina und Republika Srpska: „RTF“ sendet im Gebiet der bosnisch-kroatischen Föderation, „RTRS“ in der Republika Srpska und die übergeordnete Anstalt „BHRT-BiH“ im gesamten Gebiet BosnienHerzegowinas. Das angestrebte Modell des amerikanischen Public Broadcasting funktioniert in der Realität jedoch nicht. Während die beiden lokalen Sender „RTF“ und „RTRS“ in ihren Gebieten mit ihrem ethnisch zugeschnittenen Programm hohe Einschaltquoten erzielen, konnte sich „BHRT“ nicht als Medium für alle Volksgruppen durchsetzen. Die Berichterstattung gilt als unglaubwürdig und regierungsloyal. Vor allem Vertreter der Serben werfen dem Sender vor, parteiisch und einseitig zu berichten. Als Beispiel dafür wird die Abspaltung des Kosovo zitiert. Der „BHRT“ berichtete stets in einer Weise, die klar für den Kosovo stand, was für einen multiethnischen Sender nicht akzeptabel sei. Die Serben waren wütend, und drohten damit, sich genauso wie der Kosovo abzuspalten. Die kroatische Bevölkerung blockierte gar die finale Umsetzung des 2005 akzeptierten Gesetzes zur Vereinigung aller drei öffentlich-rechtlichen Institutionen und forderte einen zusätzlichen eigenen Sender im kroatischen Dialekt. Für einen solchen Sender sei schlicht kein Geld da, argumentierten dessen Gegner. Schon jetzt sei das System hoffnungslos überschuldet, es fehle an ökonomischer Basis für die drei Sender. Zudem sind die sprachlichen Unterschiede marginal, etwa vergleichbar mit amerikanischem, britischem und australischem Englisch. Darin läge im Vergleich zu anderen multiethnischen Staaten auch eine große Chance, zöge sich nicht der Konflikt zwischen Ethnonationalismus einerseits und Zentralisierungsbestrebungen andererseits durch alle gesellschaftlichen Bereiche. Bosnien-Herzegowina mitsamt seinem Medien-system ist ein primär von außen geschaffenes Konstrukt, mit dem keine der Volksgruppen wirklich zufrieden sei, meinen bosnische Kommentatoren. Die früher aufgrund seiner ethnischen Vermischung als Leopardenfell bezeichnete Region ist heute in zu 95 Prozent ethnisch homogene Gebiete aufgeteilt. Das gilt auch für die Medienlandschaft: Jede Bevölkerungsgruppe konsumiert ‚ihre‘ Medien. Der serbische Sender „RTRS“, der unter starkem Einfluß Premier Dodiks steht, verweigerte 2007 etwa die Kooperation mit dem nationalen Sender „BHT1“ und verbot deren Journalisten den Zutritt zu einer Pressekonferenz. Dodik gab Journalisten keine Auskunft auf Fragen, weil sie von anderen Sendern als dem „RTRS“ kamen. Diese Vorfälle, sowie die weiterhin nicht absehbare Zusammenführung der drei Sender veranlasste den OSZE-Beauftragten Miklos Haraszti zu der Warnung, die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Senders in Bosnien-Herzegowina sei ernsthaft bedroht. Ein Problem der Umsetzung des dreigliedrigen Systems liegt auch in der oft kritisierten mangelnden Professionalität der Journalisten. Medienrechtlich gesehen ist Bosnien fortgeschrittener als die meisten Länder der Region. Dennoch sind die Ethnisierung und die politische Einflussnahme stark zu spüren. Die Politiker sehen es immer noch als selbstverständlich an, dass die Medien ihren Interessen zu dienen haben. Dass das mittlerweile auf Gegenwehr stößt, zeigte die Attacke eines Abgeordneten der bosnischen Regierungspartei „SbiH“ auf einen Journalisten des oppositionsnahen Senders „FTV“. Sadik Bahtik hinderte den Journalisten brutal am Zutritt zu einer Pressekonferenz, zu der dieser „nicht eingeladen“ sei. Der Protest von zweihundert Journalisten und eines Großteils der Bevölkerung zwang ihn zum Rücktritt von seiner Präsidentschaftskandidatur. Politische Themen, die die Kroaten und Serben in Kroatien und Serbien bewegen, bewegen auch ihre ‚Landsleute‘ in Bosnien-Herzegowina. Dazu braucht man sich nur das Interview anzusehen, das der Präsidentschaftskandidat der serbischen Radikalen am 12.
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Januar 2008 dem „Dnevni Avaz“ gab: Würden die Beziehungen zwischen Serbien und Bosnien-Herzegovina in eine neue Phase gefährlicher Instabilität eintreten, sollte der Kandidat der Serbischen Radikalen Partei, Tomislav Nikoli, am 3. Februar Präsident Serbiens werden? Der Interims-Chef der serbischen Radikalen schuf umgehend Klarheit, als er davon sprach, daß den Serben 1992 im Gegensatz zu Kroaten und Bosniaken das Recht auf den Status einer konstitutiven Volksgruppe bestritten worden sei, allein in der Serbenrepublik sei dieses Recht gewahrt, und um dieses Unrecht zu tilgen, werde seine Partei auch Bosnien-Herzegovina in ein Großserbien eingliedern. Und der Serbenrepublik müsse genauso wie dem Kosovo das Recht auf Unabhängigkeit zugestanden werden. Doch hier zeige sich die Heuchelei des Westens, der den Vielvölkerstaat Jugoslavien zerstörte, um den Vielvölkerstaat Bosnien-Herzegovina zu schaffen. Der Hass auf Serbien stünde hinter diesem Paradoxon, meinte Nikoli. Genauso wie der Umgang mit dem Thema Kosovo, der seiner Meinung nach gerade auch im bosnischen Staatsfunk sehr zu wünschen übrig ließe. Würden Sie es verstehen, fragte Nikoli seinen Interviewpartner vom „Dnevni Avaz“, wenn jemand in ihr Haus eindränge und ihr Fernsehgerät stähle? Doch der Separatismus der Albaner würde international toleriert. Das Interview hatte den erwarteten Effekt auf die bosnisch-muslimische Bevölkerung, die sich mit dem Unabhängigkeits-streben der muslimischen Kosovo-Albaner solidarisierte. Die Serben der Republika Srpska fühlten sich bestätigt, ihre Zeitungen und Fernsehsendungen kommentierten das Interview im zustimmenden Sinne. Die Kroaten fühlten sich ebenfalls in ihrer kritischen Haltung zum ‚serbischen Größenwahn‘ bestätigt, der vor Bosnien-Herzegowina nicht halt mache. Um die Lage der bosnischen Medien klarer zu machen, erzählte ein lokaler Journalist die folgende Geschichte: ein Pensionär, der nach Abzug aller sonstigen Lebenshaltungskosten nur noch zehn Mark in seiner Tasche hat, könnte leicht in Versuchung geraten, eine Waffe auf den Premierminister Milorad Dodik zu richten, den er für das ganze Schlamassel verantwortlich macht, die Korruption und die Vetternwirtschaft, die an der politischen und wirtschaftlichen Spitze der serbischen Entität herrsche. Würde er es tatsächlich tun, so erzählt der Journalist, erschiene der alte Mann auf der Titelseite jeder ausländischen Zeitung und in jeder Nachrichtensendung, nur nicht in den bosnischen Zeitungen und Sendungen. Nur wenig würde dort über Politik und die Defizite der Verwaltung und Wirtschaft geschrieben, aus dem schlichten Grund, weil die Journalisten Angst hätten. In der Endphase der Miloševi-Herrschaft war das kritische bosnisch-serbische Magazin „Reporter“ das erste Medium, das für die mediale Öffnung durch das Informationsgesetz bezahlen musste. „Reporter“ durfte aufgrund einer Entscheidung des Gerichts von Sremska Mitrovica in Serbien nicht erscheinen, weil er einige Texte über das Belgrader Regime und über Slobodan Miloševievic veröffenlicht hatte. Die Vermarkter des „Reporter“ wurden an der Grenze zu Serbien verhaftet, die Druckerzeugnisse geplündert und die Journalisten für einige Stunden festgehalten. Der „Reporter” scheute sich auch nicht, den Regierungspräsidenten Milorad Dodik zu verklagen, weil der gegenüber der serbischen Boulevardzeitung „Blic“ falsche Angaben gemacht hätte. Der Prozess kam jedoch nicht von der Stelle. Außerdem erhielten Journalistinnen, die für das Magazin über ethnische Diskriminierung an den Mittelschulen Banja Lukas geschrieben hatten, Drohungen von den Lehrern der inkriminierten Schulen. Ganz zu schweigen von den Anrufen bei Familienangehörigen und Bombendrohungen nachdem Artikel über mutmaßliche Kriegsverbrecher aus Prijedor im „Reporter“ abgedruckt worden waren. Die Zahl anonymer oder öffentlicher Drohungen gegen Journalisten oder Verlagshäuser hat nach dem Ende des Bürgerkriegs eher zu- als abgenommen. Das „Helsinki committee for Human Rights“ in Bosnien-Herzegowina hat festgestellt, daß die Mehrzahl der Journa-
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listen, die sich an die von der OSZE eingerichtete Notfallnummer wenden, auf die bosnisch-kroatische Föderation entfällt: von 95 Journalisten insgesamt aus BosnienHerzegowina kamen 2009 63 aus der Föderation und 32 aus der Republika Srpska. In 30 Fällen handelte es sich um direkte Drohungen und in 11 Fällen waren Journalisten körperlich angegriffen worden. Der tragische Höhepunkt dieser Angriffe war die Attacke auf den Eigentümer, Direktor und Chefredakteur der „Nezavisne Novine“ und des „NES radio“ aus Banja Luka, Željko Kopanja, nach der ihm beide Beine amputiert werden mussten. Dieser ungeheuerliche Anschlag folgte auf mehrere Schlagzeilen der „Nezavisne“ zu finanziellen und anderen Missbräuchen durch Regierungspolitiker der Republika Srpska. Sehr wahrscheinlich hing der Anschlag aber vor allem mit Artikeln zusammen, die zum ersten Mal das Thema serbische Kriegsverbrechen ansprachen und dadurch die Ultranationalisten in Rage brachten. Man wollte Kopanja mit einer Autobombe zum Schweigen bringen, und zugleich andere Medien und Journalisten in der Republika und in Bosnien einschüchtern. Sechs Monate vor dem Anschlag auf Kopanja hatte die Serbische Radikale Partei (SRS) die „Nezavisne“-Journalisten von den SRS-Pressekonferenzen ausgeschlossen, denn, so Ognjen Tadi, Generalsekretär der SRS, diese Journalisten würden Lügen und Unwahrheiten über die Konferenzen verbreiten. Dem Mordanschlag auf Kopanja gingen Briefe und Erpressungen voraus. Kopanja und seine Familie wurden bedroht. Fünfzehn Tage vor dem Anschlag wurde er aufgefordert, eine hohe Summe für die Sicherheit seiner Familie zu zahlen. Als die Bombe explodierte, wurde Kopanjas Familie nicht verletzt. Die meisten der ähnlich gelagerten Fälle wurden bis heute nicht aufgeklärt. Ein ähnlicher Fall ist der Anschlag auf zwei Journalisten, die für die „Novi List“ aus Rijeka arbeiteten. Robert Frank und Ronald Brmalj wurden nachdem sie im Westteil Mostars angekommen waren von Unbekannten gekidnappt. Einem der beiden Journalisten wurde die rechte Hand gebrochen, sodaß er nicht mehr schreiben konnte. Da in diesen wie auch in andere Fälle die Polizei involviert war, hielt sich deren Interesse an einer Aufklärung in Grenzen. Die OSZE konnte über ihre Notfallnummer gewisse geographische Muster ausmachen, wenn es um Druck auf Journalisten geht. In der Republika waren direkte Drohungen und physische Misshandlungen häufiger, während in der Föderation der Druck subtiler war und zumeist durch Amtsmißbrauch, zum Beispiel durch Verhängung von überhöhten Steuernachzahlungen zustande kam. Als Serbien 1999 bombardiert wurde, wurde das britische Konsulat in Banja Luka verwüstet. Ein Kameramann, der von einer alternativen TV-Station kam, wollte das Geschehen aufnehmen und wurde prompt verprügelt. Ein andermal stieß der Vizepräsident der serbischen Radikalen, Mirko Blagojevi, gegen den Ex-Minister für Information, Rajko Vasi, die schwere Drohung aus, dieser hätte sich „Verbrechen gegen das serbische Volk“ schuldig gemacht und wäre dafür vom Volk „zum Tode verurteilt“ worden. Prompt wurde Vasis glücklicherweise leeres Auto in Brand gesteckt. Mitte 1999 attackierte der ExGouverneur, Mirko Stojinovi, den Journalisten der Nachrichtenagentur „Beta“, Milan Srdi, in Doboj körperlich. Der Anlaß war eine Sendung von „RTV BiH“ über Korruption in Doboj, und Srdi war als einer der Redakteure des Beitrags genannt worden. Die Liste der Vorfälle ließe sich fortsetzen. Für das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hat das „Internationale Kommittee für den Schutz von Journalisten“ insgesamt 458 Fälle von Journalistenmorden weltweit aufgelistet, davon 134 in Europa und in der ex-UdSSR, einschließlich 26 in Kroatien und 21 in Bosnien-Herzegowina. Eines der wesentlichen Problemen, die einem zufriedenstellenden Schutz der Journalisten in Bosnien im Wege stehen, ist ihre mangelnde Vertretung. Es gibt zwar fünf Pressevereinigungen in der kroatischmuslimischen Föderation, doch deren Einfluss hält sich sehr in Grenzen. In der Republik
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Srpska existiert die „Unabhängige Vereinigung der Journalisten in der RS“ und die „Vereinigung der Journalisten RS“, sowie das „Informationsgewerkschaft der Republik“, die aber allesamt keine große Hilfe sind. Sie sind entweder nicht groß genug oder können leicht manipuliert werden. So befinden sich die Journalisten nach wie vor in einer heiklen Lage: sie sind Opfer ihrer Chefs oder dem Druck der Öffentlichkeit ausgesetzt. Auch herrscht oft ein Grad an Vetternwirtschaft und Ignoranz gegenüber Grundsätzen des Berufs, die professionelles Arbeiten stark erschweren. Nicht nur in den lokalen Medien wird zum Beispiel mit der Namensnennung von Verdächtigen und Minderjährigen, die in Verbrechen verwickelt sind, extrem leichtfertig umgegangen. Doch es gibt auch Ausnahmen – Verlagshäuser, die seriös und zuverlässig arbeiten; unabhängige Medien, die zwar gewaltigem Druck ausgesetzt sind, aber dennoch das Beste aus der schwierigen Situation machen. Entscheidend war und ist der Einfluss der Friedensmission in Bosnien-Herzegowina bzw. des internationalen Engagements. Einige Medien sind auf dem Weg zu international gültigen, anerkannten Standards des Journalismus schon sehr weit fortgeschritten, andere behindern den Friedens- und Demokratisierungs-prozess eher. Ob die laufende Privatisierung den Medienmarkt zum Besseren verändert, bleibt abzuwarten, besonders unter der hoffnungsvollen Annahme, dass die Reduzierung der staatlichen Kontrolle mit größerer Unabhängigkeit der Medien einhergeht.
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7.
Mazedonien: der umkämpfte Staat und seine Medien
Mazedonien, das wie Bosnien-Herzegowina bereits innerhalb des sozialistischen Jugoslawiens Republiksstatus genossen hatte, trennte sich 1991 vom Gesamtstaat104. Der Unabhängigkeitserklärung war eine Volksbefragung vorausgegangen. Die Staatlichkeit Mazedoniens stand von Anfang an unter heftiger Kritik Bulgariens, das weder Sprache noch nationale Kultur der Mazedonen anerkennen wollte, wie auch Griechenlands, das Gebietsforderungen fürchtete, und der Bundesrepublik Jugoslawien, später Serbien-Montenegros, die die mazedonische Unabhängigkeitserklärung als Separatismus verwarfen. Innenpolitisch belastete die mangelnde Einigkeit den Aufbau einer stabilen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Staatlichkeit. Namentlich die Opposition der albanischen Minderheit, die ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Mazedoniens stellt und vorwiegend im Westen des Landes lebt, gegen den slawisch-mazedonisch bestimmten Gesamtstaat verschärfte das innenpolitische Klima. 2001 entluden sich die Spannungen in einem bewaffneten Konflikt zwischen der mazedonischen Armee und den separatistisch eingestellten Albanern. Nachdem die Auseinandersetzungen beendet waren, wurden der albanischen Minderheit durch das Ochrid-Rahmenabkommen (OFA) bessere Möglichkeiten der politischen und kulturellen Entwicklung eingeräumt. Im Gegenzug forderten die staatlichen Institutionen Mazedoniens mehr Respekt vom albanischen Bevölkerungsteil. Problematisch war jedoch, dass das OFA keine genauen Regeln enthielt, wie bestimmte Dinge zu ändern seien, sondern nur die Pflicht, bestimmte Dinge zu korrigieren. Das angespannte Verhältnis zwischen Mazedonen und Albanern hatte sich damit nur auf ein zivileres Feld verlagert, das heißt neben der Politik auch in die Medien, in denen der Konflikt ebenso scharf ausgetragen wird. Denn abgesehen von politischen Gesichtspunkten erfolgt die Teilung des mazedonischen Medienmarktes auch nach ethnischen Kriterien: Der TVSender „Alsat M“, der über eine nationale Lizenz verfügt und bis zu dessen Tod vom albanischen Geschäftsmann Vebi Velija finanziert wurde, dient alleine den Interessen der albanischsprachigen Bevölkerung. Die Tages-
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Mazedonien ist heute eine parlamentarische Demokratie, die die EU- und NATO-Mitgliedschaft anstrebt. Seit Ende 2005 hat das Land offiziell den Status eines Beitrittskandidaten. Anfang Juli 2009 empfahl die EUKommission die Aufhebung der Visa-Pflicht für Mazedonier, die in einen Schengenstaat reisen wollen. Wichtige Voraussetzung für die Zustimmung waren die erfolgreichen Bemühungen der mazedonischen Gesellschaft, die ethnischen Spannungen im Lande abzubauen und die Korruption zu bekämpfen. Die erwartete und begehrte Einladung in die NATO blieb allerdings beim Gipfel in Bukarest im April 2008 aus. Die Vertreter Griechenlands hatten klar gemacht, dass sie ein Veto gegen den Beitritt einlegen würden, insbesondere wegen des weiter anhaltenden Namensstreits zwischen den beiden Ländern. Aufgrund des beharrlichen Widerstandes der griechischen Seite, den Namen „Republik Mazedonien” anzuerkennen, wird das Land von den Vereinten Nationen weiter unter der Bezeichnung „Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien” (FYROM - Former Yugoslavian Republic Of Macedonia) geführt. Nach abwechselnd sozialistisch und bürgerlich gesinnten Regierungen ist heute eine von Nikola Gruevski geführte Koalition der bürgerlichen Partei VMRO-DPMNE und der albanischen „Demokratischen Union für Integration” an der Regierung. Der von der VMRO-DPMNE unterstützte Gjorge Ivanov wurde im April 2009 zum Präsidenten gewählt. Der auf die EU ausgerichtete Kurs der mazedonischen Politik wurde bestätigt. Die politische Entwicklung wird allerdings von verschiedenen ungünstigen Faktoren beeinflusst: u.a. der hohen Arbeitslosigkeit (fast 40 Prozent), der verbreiteten Schattenwirtschaft (über 20 Prozent des Brutto-inlandsproduktes) und mangelnden Auslandsinvestitionen. Die inneren Probleme im Lande behindern auch immer wieder eine pro-europäische Außenpolitik – insbesondere die nichtreglementierten Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft sowie die fortdauernden Defizite im gesellschaftlichen Zusammenleben zwischen den ethnischen Gruppen. [Vgl. Zlatarsky, V./Förger, D.: Die Medien in Mazedonien. Auslandsinformationen der Konrad-Adenauer-Stiftung 7-8].
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zeitung „Fakti“, die in albanischer Sprache erscheint, steht der oppositionellen Demokratischen Partei der Albaner nahe. Die Folge dieser ethnischen Spaltung der Medien ist eine oftmals völlig unterschiedliche Sicht eines Ereignisses, je nachdem ob ein slawischmazedonisches oder albanisches Medium darüber berichtet. Dass die objektive Information dabei auf der Strecke bleibt, liegt auf der Hand. Die albanischsprachige Zeitung „Fakti“ befasste sich im Januar 2002 mit dem Ethikrat des mazedonischen Journalistenverbandes, der an die Journalisten appellierte, nicht zu Instrumenten der Tagespolitik zu werden. Die meisten mazedonischen Medien würden die Wahrheit verzerren und manipulieren, mahnte der Ethikrat, nach dessen Ansicht es kaum mazedonische Medien gebe, „die einen Tag auskommen, ohne Features oder Meldungen zu veröffentlichen, die für die Albaner ein Ärgernis sind“. Der Wettlauf um ungeprüfte ‚Sensationen’ über die Albaner, die, wie es heißt, aus Geheimdienstkreisen kommen, zeige ganz deutlich die Stimmung und das Engagement dieser Medien, so der Ethikrat. Hintergrund der angeblich allzu plakativen Äußerungen der mazedonischen Medien war die offene Opposition der albanischen Minderheit des Landes, die bis zu offener Aggression und Aufstand gegen den mazedonischen Staat gegangen war. Die Angst der slawischen Bevölkerungmehrheit, gegenüber den mazedonischen Albanern ins Hintertreffen zu geraten, äußerte sich in sachlichen bis reisserischen Artikeln, die nach Meinung des Ethikrates das vernünftige Maß überschritten hätten. Um Sensationen bemüht sind freilich weniger die traditionsreichen Zeitungen Mazedoniens als die Neugründungen der Zeit nach der Unabhängigkeitserklärung. Doch auch die seriösen Medien konnten sich den Tatsachen nicht verweigern. Im März 2001 rückten albanische Rebellen über die Berge der Šar Planina im Norden Mazedoniens Richtung Tetovo vor. Eines der ersten Ziele ihrer Militäraktionen waren die Sendeanlagen der regionalen Radio- und Fernsehstationen. Als diese am 14. März beschossen und zerstört wurden, gab es im Raum Tetovo keine Nachrichten mehr. Der Anschlag war kein sogenannter ‚Kollateralschaden‘, sondern eine gezielte Aktion der Rebellen. Da aktuelle Informationen zur Krisensituation fehlten, beschleunigten sich auch die Fluchtbewegungen der lokalen Bevölkerung. Sie konnte Gerüchte über eine unmittelbar bevorstehende Einnahme der Stadt durch die Rebellen nicht mehr überprüfen. Verunsicherung und Angst durch Informationsnotstand waren Teil der Kriegsstrategie. Glücklicherweise fanden sich internationale Organisationen, die sich an der Beschaffung neuer Sendeanlagen beteiligten. Am 1. Mai 2001 gingen die betroffenen Radio- und Fernsehstationen in der Region Tetovo wieder auf Sendung. Das Beispiel verdeutlicht einerseits die wichtige Rolle von Medien in Krisensituationen. Aber Medien können Konflikte auch verschärfen. Am 22. März 2001 wurden im Stadtzentrum von Tetovo zwei Autofahrer von der Polizei kontrolliert. Einer der beiden versuchte, eine Handgranate zu zünden und wurde dabei von der Polizei erschossen. Mazedonische Medien zeigten tagelang die Bilder eines zufällig anwesenden Kamerateams. Während die slawisch-mazedonischen Medien die zwei Männer im Auto umgehend als Terroristen verurteilten, retouchierte die im Kosovo meistgelesene und auch in Mazedonien vertriebene albanisch-sprachige Zeitung „Bota Sot“ die Handgranate weg und stellte die Männer als zivile Opfer der extremistischen mazedonischen Sicherheitskräfte dar. Der Aufruhr unter der mazedonisch-albanischen Bevölkerung war vorprogrammiert und wurde bewusst einkalkuliert. Die Voraussetzungen für ein unabhängiges und professionelles Mediensystem waren in Mazedonien bei weitem besser als in den übrigen Krisengebieten des ehemaligen Jugoslawien. 1997 verabschiedete die Regierung in Skopje ein Radio- und Fernsehgesetz, das unabhängigen elektronischen Medien weitgehende Rechte gewährt und auch ethnischen Minderheiten zum Aufbau von Medien verhelfen sollte. Es galt verglichen mit den übrigen
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Regionen Südosteuropas als fortschrittlich. Es hatte jedoch einen Webfehler: Etliche rechtliche Schlupflöcher zwischen den verschiedenen Gesetzen behinderten die Durchsetzbarkeit der Paragraphen und führten so zu einem rechtsfreien Raum. So ist es den mazedonischen Behörden bisher nicht gelungen, die Schließung einer Vielzahl von rein kommerziellen und ohne Konzession illegal arbeitenden Radiostationen durchzusetzen. Da sie als Piratensender keine Abgaben und Steuern entrichten, können sie ihre Sendezeit und damit Werbeminuten zu Dumpingpreisen verkaufen und den regulären Medien das Wasser abgraben. Da Unternehmen wegen der Wirtschaftskrise sowieso weniger Geld für Werbung zur Verfügung haben, kann solch unfaire Konkurrenz für legale, professionelle und informative Sender tödlich sein. Aber auch die staatlich kontrollierten Medien verschärfen den kommerziellen Druck auf die privaten Anbieter. Sie profitieren von der Finanzierung durch staatliche Behörden und nutzen dies ebenfalls aus, um Unternehmen kommerzielle Werbespots weit unter dem Preis zu verkaufen, den private Stationen in Rechnung stellen müssen. Andererseits sehen sich die Staatsmedien ständig der politischen Bevormundung ausgesetzt. Der Generaldirektor und die gesamte Leitung des Mazedonischen Radios und Fernsehens (MRTV) werden vom Parlament anhand politischer Kriterien wie Partei-zugehörigkeit ausgewählt. Diese wiederum bestimmen die programmverantwortlichen Redakteure. Bis auf die technischen Angestellten wurde „MRTV“ bisher mit jeder neuen Regierung vollständig umgebaut. Statt als öffentlich-rechtliche Anstalt verschiedenen Meinungen zu dienen, funktioniert „MRTV“ immer noch wie ein politisch kontrollierter Teil des Staatsapparates im Dienste der herrschenden Parteien. Die starke Politisierung der Staatssender ist nicht der einzige Grund, weshalb Medien von sprachlichen und ethnischen Minderheiten oft in die Defensive gedrängt werden. Die Konkurrenz auf dem Werbemarkt betrifft Minderheiten-Medien stärker als mazedonischsprachige Medien. Die immer breitere Kluft zwischen Mehrheiten und Minderheiten im Land senkte auch die Bereitschaft der Unternehmen, Inserate in Medien der anderen Ethnien zu platzieren. Am stärksten sind davon die Medien der Roma-Bevölkerung betroffen. Die Spaltung der Gesellschaft entlang ethnischer Linien betrifft aber nicht nur die Medien, sondern auch die Kontrollinstanzen. Das dem Verkehrs- und Transportministerium unterstehende „Macedonian Broadcasting Council“ (MBC) waltet als Aufsichtsbehörde, die über einen Monitoring-Mechanismus die Medien zu Professionalität und Fairness ermahnen soll. Das zentrale „MBC“ beauftragte jedoch in den Regionen des Landes Freiwillige, Programme aufzuzeichnen, die ihrer Meinung nach gegen Gesetze und Bestimmungen verstoßen. Die Auswahl der aufgezeichneten Programme und damit der gemeldeten möglichen Verstöße wurde so Leuten überlassen, die nach Gutdünken handeln und nicht die nötigen fachlichen Voraussetzungen mitbringen. Mancher sieht das als Erklärung, warum sich die Quote der ermahnten Stationen zuungunsten der albanischsprachigen Medien verschoben hat. Andere meinen, dafür hätte es objektive Gründe gegeben, die gerade in der negativen Haltung der albanischen Bevölkerung gegenüber der slawischen Bevölkerungsmehrheit liegen. Als eine Journalistin von „Channel 5“ vor laufender Kamera eine Granate gegen eine UÇK-Stellungen bei Tetovo abfeuerte – mit dem Kommentar, dies sei die Antwort der Mazedonier auf die Rebellen –, verweigerte der „MBC“ eine Verurteilung. Es habe sich dabei doch nur um einen Witz gehandelt, lautete die Rechtfertigung. Um ähnliches künftig zu verhindern, wurden gesamt-mazedonische Journalistenverbände und Mediengewerkschaften gefordert, die multiethnisch zusammengesetzt sind und somit die Minderheiten besser vertreten können als das „MBC“. Die umgehende Verurteilung des „Channel 5“-Vorfalles durch den Journalistenverband weist denn auch in die richtige Richtung. Wie die Medienorganisationen sind auch die Printmedien in Mazedonien
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entlang ethnischer Linien geteilt. Die politischen Parteien der ethnischen Gruppen ringen am Verhandlungstisch um mehr Rechte ausschließlich für ihre eigene Volksgruppe. Die Auseinandersetzung um Medien wird zum Teil des politischen Macht-kampfes105. Allgemein ist in der mazedonisch-slawischen Mehrheitsgesellschaft nach den Ereignissen der jüngsten Geschichte die Toleranz für die Anliegen vor allem der albanischen Volksgruppen deutlich gesunken, wovon auch deren Darstellung in den Medien betroffen ist. Der Chef des privaten Senders „A1“ erzählte, er erhielte immer wieder Anrufe von wütenden Mazedoniern, weil der Sender auch den Standpunkt der Albaner darstellt. Dabei waren es vor allem Kontrollpunkte in Westmazedonien, an denen die „Kosovo-Befreiungsarmee“ UÇK und ihre mazedonisch-albanischen Verbündeten den Journalisten den freien Zugang verwehrten. Beiden Seiten, sowohl die mazedonisch-slawische als auch die albanische, versuchen die Medien auf ihre Seite zu ziehen. So erhielt man von der innenpolitischen Krise, dem Konflikt zwischen Mazedonen und Albanern 2001 ein völlig verschiedes Bild, je nachdem ob man mazedonisch-sprachige oder albanischsprachige Medien verfolgte. Klar war jedoch, dass die albanische Minderheit eine Gleichstellung ihrer Volksgruppe als staatstragendes Volk mit den slawischen Mazedoniern, ja eine Föderalisierung Mazedoniens durchsetzen wollte. Die slawischen Mazedonier mussten sich dagegen zur Wehr setzen, weil sie zu Recht die Aufspaltung und den möglichen Zerfall ihres jungen Staates befürchteten. Dass kurz nachdem die Verhandlungen zu einer politischen Lösung des Konfliktes unter den Regierungsparteien begonnen hatten, albanische Regierungsmitglieder in mazedonischsprachigen Medien wie dem wohl meistgelesenen „Dnevnik“ des Hochverrats bezichtigt wurden, muss man vor diesem Hintergrund sehen. In albanischsprachigen Zeitungen Mazedoniens, zum Beispiel in der „Fakti“, fanden sich außerdem immer wieder Hinweise auf jene grossalbanischen Ambitionen, die das nordmazedonische Tetovo in eine albanische Stadt verwandeln wollen. Während der Waffenstillstandsverhandlungen fragte ein Journalist der albanischsprachigen Zeitung „Flaka“ einen UÇK-Kommandanten, ob die albanischen Kräfte bald „in Tetovo Kaffee trinken“ würden. Als die mazedonischsprachigen Medien in der Folge die albanischen Separatisten als „Terroristen“ bezeichneten, wurde ihnen das als Polemik ausgelegt, obwohl sie sich damit den Sprachgebrauch des UN-Sicherheitsrates übernahmen, der die Angriffe albanischer Untergrundkämpfer in Mazedonien im März 2001 offiziell verurteilt hatte. Unter diesen Umständen war es nicht weiter verwunderlich, dass weder im staatlichen mazedonischen Fernsehen, noch in den albanischsprachigen Medien die Opfer der Gegenseite Erwähnung fanden. Anfang September 2001 forderte der mazedonische Regierungschef Ljubco Georgievski die Parlamentsabgeordneten zur Annahme des am 13. August in Ohrid unterzeichneten Friedensplans auf. Dieser Plan sollte der albanischen Minderheit mittels Verfassungs- und Gesetzesänderungen mehr Rechte bringen. Georgievski kritisierte zugleich den ausländischen Druck scharf, der die slawischen Mazedonier zur Annahme des
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Ein dritter Kanal des staatlichen Fernsehens sollte zum Beispiel als Zugeständnis in den Verhandlungen die albanisch-mazedonische Seite zufriedenstellen. Dieser dritte Kanal sollte von Vertretern der albanischen Minderheit geführt werden und sich deren Anliegen widmen. Die Besetzung der entsprechenden Posten ist Teil der Pfründe, die die albanischen Parteien als Verhandlungserfolg vergeben können. Andere Minderheiten Mazedoniens blieben von diesem Kanal ausgeschlossen. Statt eines Ausgleichs der sprachlich und ethnisch getrennten Wahrnehmung der Probleme, verschärft ein solcher Kanal die Unterschiede weiter und vertieft die ethnisch-sprachliche Trennung des Landes. Experten befürchteten, dieser dritte Kanal, der 2002 auf Sendung ging, würde sozial und politisch eher trennend als vereinend wirken. [Vgl. Nicolet, C.: Zwischen Kriegshetze und Friedensförderung. Medien in Mazedonien. In: Medienhilfe Ex-Jugoslawien].
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Plans gedrängt hätte, da die Aggression doch in erster Linie von der albanischen Minderheit ausgegangen wäre. Nach mehrtägigen Debatten billigte das Parlament in Skopje den „Ohrider Friedensvertrag“ und die darin festgelegten Verfassungs- und Gesetzesänderungen mit 91 zu 121 Stimmen. Die Medien waren nicht nur die Treibenden des Konflikts, sondern auch Getriebene. Ihre Lage war nach dem Mazedonienkonflikt mehr als problematisch. Sie mussten sich nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich neu justieren, um eine ethnisch gespaltene Gesellschaft irgendwann versöhnen zu können.
7.1
Die Lage der Medien in Mazedonien
Die mazedonische Verfassung garantiert zwar Meinungs- und Redefreiheit und die Gesetze des Landes, das unbedingt in EU und NATO aufgenommen werden möchte, geben auch den Medien Spielraum. Dem steht aber eine Realität gegenüber, wie sie sich auch in den anderen Transformationsstaaten Südosteuropas lange fand: Abhängigkeit vieler Medien vom Staat, schlechte Vergütung für Journalisten, Übergriffe auf Reporter. Hinzu kommen die auch anderswo bekannten Defizite. Dubiose Besitzverhältnisse bei zahlreichen Sendern und Zeitungen des Landes fördern den Opportunismus der Angestellten. Engste Wechselbeziehungen zwischen Medien, Wirtschaft und Politik drängen viele Journalisten in die Abhängigkeit. Von rechtlicher Verfolgung, aber auch von physischen Übergriffen auf Berichterstatter wurde berichtet. Mazedonien gehöre nach einer Einschätzung der Medienorganisation „Freedom House“ zu den Ländern, deren Medien nur als „teilsweise frei“ zu gelten hätten. Um die Journalisten besser zu schützen, wurden im Lande einige Verbände gegründet. Diese harmonieren allerdings nicht immer miteinander, und auch ethnische Abgrenzungen sind zu bemerken. So gibt es die Assoziation der Journalisten und eine Assoziation der albanischen Journalisten in Mazedonien. Die Assoziation der Journalisten vertritt unter ihrem Vorsitzenden Robert Popovski die Interessen ihrer Mitglieder durch Koordination journalistischer Tätigkeiten, Monitoring zur Freiheit der Medien und Schutz gegen Angriffe. Artikel 9 der Satzung dieser Organisation sieht vor, dass diese Ziele durch öffentliche Proteste sowie Information über Mißstände an internationale Organisationen wie den Europarat oder das Komitee von Helsinki erreicht werden. Hinzu kommen Mittel wie Informationssperre oder Generalstreik. Die Assoziation der albanischen Journalisten in Mazedonien setzt sich dagegen ausschließlich für Journalisten dieser ethnischen Minderheit ein. Unter der Leitung von Hajrie Azemi fördert sie vor allem den investigativen Journalismus. 2006 organisierte sie eine Debatte über Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten der albanischen Minderheit im Lande. Sie kam dabei zum Schluss, dass diese bedroht seien, einerseits wegen der schweren Wirtschaftsbedingungen und andererseits wegen der Kontrolle seitens der Politik. Um ihr Hauptziel, nämlich den Schutz der Journalisten vor physischer oder gerichtlicher Verfolgung infolge ihrer professionellen Tätigkeit, zu erreichen, haben die Verbände viel Arbeit. In den letzten Jahren wurde die Aufmerksamkeit der Fachöffentlichkeit durch einige Fälle geweckt. So verurteilte im Mai 2006 ein Gericht in Kumanovo den investigativen Journalisten Zoran Bozinovski zu einer Haftstrafe von drei Monaten. Angeklagt war er wegen angeblicher Verleumdungen und Beleidigungen in einem schon drei Jahre alten Artikel, den er in einer regionalen Zeitung veröffentlicht hatte. Pikanter-weise hatte er darin die Verbindungen zwischen Politikern, Geschäftsleuten und Journalisten in Kumanovo ans Tageslicht gebracht. Zum Zeitpunkt des Urteilsspruchs gab es 82 Anzeigen gegen ihn – fast
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alle von betroffenen offiziellen Stellen. Hinzu kam, dass auch der Zeitpunkt der Verurteilung als fragwürdig angesehen werden muss. Denn einige Tage zuvor war die Klausel im Strafgesetz abgeschafft worden, die Gefängnis als Strafe für Verleumdung und Beleidigung vorsah. Man nutzte offensichtlich den Zeitraum zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten, um den Prozess nach den alten Regeln zu beenden. Bozinovski, der wegen seiner Artikel auch schon körperlich angegriffen worden war, wurde im November 2006 ins Gefängnis gesteckt. Allerdings durfte er es nach starkem Druck der EU und „Amnesty International“ sowie Protesten der Journalistenvertretungen nach einigen Tagen wieder verlassen. In den letzten Jahren wurden Überfälle auch auf Journalisten des albanischsprachigen Fernsehsenders „Alsat M“ verübt, wovon einer im September 2007 geschah. Nach einem Streit im Parlament zwischen Abgeordneten verschiedener Parteien schlug ein Leibwächter der albanischen Partei „Demokratische Union für Integration“ einen Journalisten von „A1 TV“ ins Gesicht. Am nächsten Tag versuchte ein Spezialkommando der Polizei Igor Ljubovevski, einem Mitarbeiter derselben Station, auf der Strasse nach Tetovo die Kamera zu entreissen. Er hatte gefilmt, wie die Polizisten den Wagen eines in den Parlaments-skandal verwickelten Abgeordneten anhielten und dabei auf heftige Proteste der Einwohner eines Dorfes gestossen waren. Nach der Weigerung Ljubovevskis, den Film heraus-zugeben, wurde er von vier Polizisten niedergeschlagen und musste mit einem Rippenbruch ins Krankenhaus eingeliefert werden. Europäische Vertretungen sowie die amerikanische Botschaft protestierten heftig gegen die Übergriffe auf Journalisten. Als Gegenreaktion auf die Misshandlungen der Journalisten, die lediglich ihre Arbeit gemacht hatten, wurde die nächste Pressekonferenz von Ministerpräsident Nikola Gruevski von den Medien boykottiert. Die Journalisten verließen zu Beginn der Pressekonferenz den Saal. Immerhin wurden die Polizisten des Sonderkommandos, die an der Schlägerei beteiligt waren, vom Dienst suspendiert. Zwei von ihnen wurden 2009 sogar zu Gefängnis verurteilt, mussten ihre Haftstrafen aber nicht antreten. Um die Interessen der Journalisten zu schätzen, wurden der „Verband der privaten elektronischen Medien“, der „Verband der Druckmedien“ sowie das „Mazedonische Institut für Medien“ (MIM) gegründet. Das „MIM“ entstand im April 2001 aufgrund einer Kooperation zwischen dem „Mazedonischen NichtregierungsPressezentrum“, der „Dänischen Schule für Journalismus“ und dem amerikanischen „International Research & Exchange Board (IREX) pro Media“. Ziel war und ist die professionelle Ausbildung von Journalisten und Medienprofis in Mazedonien. Die dort angebotenen Kurse haben neben einer theoretischen auch eine stark praxisnahe Ausrichtung. Schon bei seiner Gründung initiierte MIM die Erstellung eines Verhaltenskodex für Journalisten, der von den meisten Medien akzeptiert wurde.
7.2
Zeitungen und Zeitschriften in Mazedonien
Die älteste Tageszeitung der Republik Mazedonien ist die „Nova Makedonija“ („ * “, „Neues Mazedonien“). Sie wurde 1944 auf Beschluss des Präsidiums des „Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Mazedoniens“ gegründet, blieb in staatlicher Hand und unterstützte den Kurs der jugoslawischen Regierung. Die erste Auflage erschien 1944 in Gorno Vranovci und stellt das erste Dokument dar, das in standardmazedonischer Sprache geschrieben wurde. Ihr ehemaliger Eigentümer, das staatliche Unternehmen „Nova Makedonija“, wurde 2003 liquidiert, wobei die gleichnamige Zeitung überlebte. Seit Dezember 2003 ist sie im Besitz von Zoran Nikolov und seinem in Skopje beheimateten IT-
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Unternehmen „Zonik“. Die Politik hat nicht nur im Falle der „Nova Makedonija“ soweit Einfluss auf die Medien, dass die „Nova“ lange als Staatszeitung galt. 2006 versuchte die Regierung erneut, Kontrolle über die Zeitung zu erlangen. Die Assoziation der Printmedien Mazedoniens protestierte massiv dagegen und verurteilte die Renationalisierung öffentlich. Obwohl der Versuch damals scheiterte, zeigte dieses Vorgehen deutlich, dass der Staat die Medien weiterhin als seine Spielwiese ansah. Von Journalisten-Vertretern wird bemängelt, dass in diesem und anderen Medien eine sehr regierungsfreundliche Berichterstattung gepflegt wird. Eine weitere führende Tageszeitung Mazedoniens ist der „Dnevnik“ („Tagblatt“, www.dnevnik.com.mk), der von Mile Jovanovski, Branislav Gjeroski und Aleksandar Damovski gegründet wurde und am 20. März 1996 zum ersten Mal erschien. Er erscheint täglich außer sonntags. Die gegenwärtige Auflage beträgt 55.000. Chefredakteur ist Sašo Kokalanov. Mit der Zeitung erscheinen außerdem zwei Beilagen, „Antena“ ( *, dt. Wochenende) am Samstag. Die erste Ausgabe des „Utrinski Vesnik“ („Morgenzeitung“, www.utrinski.com.mk) wurde am 23. Juni 1999 veröffentlicht. Ihr gegenwärtiger Herausgeber ist Erol Rizaov. Die Zeitung erscheint an allen Wochentagen mit Ausnahme des Sonntags. Freitags liegt der Zeitung eine Beilage mit dem Namen „Magazin+“ bei. In Mazedonien ist neben den albanisch-sprachigen „Lajm“ und „Fakti“ auch die kosovo-albanische bzw. albanische Tageszeitung „Koha Ditore“ erhältlich. Die erwähnte albanischsprachige Tageszeitung „Fakti“ wird von der Handelsgesellschaft Nik Erebra-Skup herausgegeben, die dem Unternehmer Emin Asemi gehört und der früher mit der staatlichen Zeitung „Nova Makedonija“ verbunden war. Bis 2005 konnten ausländische Unternehmen und Personen aus gesetzlichen Gründen nur bis zu einer Obergrenze von 25 Prozent Medien-Eigentum in Mazedonien erwerben. 2005 wurde das geändert. Nun haben ausländische Eigner im Prinzip die gleichen Chancen wie mazedonische, wobei bisher noch kaum ein Fremdinvestor sich das zunutze gemacht hat, aus wirtschaftlichen und auch politischen Gründen. Einzige gewichtige Ausnahme ist der deutsche WAZ-Konzern, dessen mazedonische Blätter sowohl bei den Auflagen als auch bei den Anzeigenerlösen vorne liegen. Der Konzern kümmert sich nicht nur um die Zeitungen selbst, sondern betreut auch das Marketing, den Vertrieb, die Finanzen und das Management des gesamten Eigentums der Mediengruppe in Mazedonien. In diese Struktur wurden auch die führenden Druckhäuser „Grafiki centar“ und „Evropa 92“ integriert, sowie die Zeitschrift „Globus“. Die Tageszeitung „Vreme“ („Die Zeit“) und „Nedelno vreme“ werden von Alexander Damovski und Georgi Barbarski herausgegeben. An Wochenzeitschriften gibt es „Forum“, „Fokus“, „Start“, „Denes“, „Kapital“, und die albanische „Lobi“. In einer Auflage von 6 bis 8.000 Exemplaren erscheint das Wochen-magazin „Mazedonische Sonne“, „Makedonsko Sonce“ [www.makedonskosonce.com], deren Name sich auf jenes zwischen Griechenland und Mazedonien höchst umstrittene Staatssymbol Mazedoniens bezieht, die ‚Sonne bzw. den Stern von Vergina‘, der sich auch im Logo der Zeitung findet. Griechenland unterstellt Mazedonien, mit dem Staatsnamen und jenem Symbol Griechenland den historischen Anspruch auf das Land Philipps von Mazedonien, des Vaters von Alexander dem Großen, streitig machen zu wollen, und hat bis heute eine internationale Anerkennung Mazedoniens unter diesem Name hintertrieben. „Makedonsko Sonce“ ist ein wöchentlich erscheinendes Nachrichtenmagazin, das von Gjorgija „George“ Atanasoski gegründet wurde und dessen erste Ausgabe am 24. Juni 1994 erschien. Die eigene politische Ausrichtung beschreibt man als Bekräftigung „der Werte des mazedonischen Volkes, und zwar nicht nur auf mazedonischem Territorium, sondern auch in anderen Teilen des ethnischen Mazedonien“ – eine Aussage, die griechische Politiker natürlich beunruhigen musste.
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Genauso wie die etwas kuriose, aber für die Identitätsprobleme des Landes typische Meldung, die die „Nova Makedonija“ im vergangenen Jahr brachte, wonach im Zentrum von Skopje eine Statue Alexanders des Großen errichtet werden solle. Um einen neuerlichen Konflikt mit Griechenland zu vermeiden, schlug der Bürgermeister, Trifun Kostovski, vor, stattdessen eine Statue des in Mazedonien glühend verehrten Sängers Toše Proeski aufzustellen. Der Vorsitzende der Zentrumsgemeinde der Haupstadt, Violeta Alarova, übertraf selbst das noch und brachte als Kompromiss eine 30 Meter hohe Statue Alexanders des Grossen in die Diskussion, aus deren Mund Lieder Proeskis ertönen sollten. Die Leserbriefschreiber der Zeitung und Kommentatoren ihrer Internetplattform waren schlicht irritiert von dieser Kombination aus historischer Größe und Kitschmusik. Ein Leser schlug vor, die Statue sollte doch außerdem Getränke verteilen. Der Ursprung Alexanders des Großen ist seit fast zwanzig Jahren Streitursache zwischen Athen und Skopje. Für die Griechen steht der Anspruch der slawischen Mazedonen auf einen ihrer größten Söhne für den Anspruch auch auf das griechische Territorium, das sich Mazedonien nennt. Der Chansonsänger Proeski war nach seinem tragischen Unfalltod 2007 auf einer kroatischen Autobahn auf dem ganzen Balkan zu einem Idol geworden. Viele Leser der „Nova Makedonija“ empfanden eine Statue, wie sie Frau Alarova vorschwebte, als Beleidigung des Andenkens des gefeierten Sängers.
7.3
Radio und Fernsehen
Im 2005 verabschiedeten Gesetz für elektronische Medien finden sich Passagen, die zum Schutze des Pluralismus der Bildung von Kartellen vorbeugen sollen. Laut Artikel 13 und Artikel 14 des Gesetzes kann der Besitzer eines elektronischen Mediums auch Teilhaber an einem zweiten elektronischen Medium sein. Aber eigentlich ist es absolut verboten, dass er an einem Unternehmen beteiligt ist, das ein Printmedium besitzt oder sich mit Werbung, Telekommunikation und Filmindustrie beschäftigt. In der Praxis stehen die Dinge jedoch anders. Ein gutes Beispiel ist der Fernsehsender „Sitel“. Dahinter steht einer der großen Geschäftsleute des Landes, der Vorsitzende der Sozialistischen Partei Ljubisav IvanovZingo. Dessen Bergbaugesellschaft „RIC Sileks“ aus Kratovo ist Gründer des Kanals. Sein Sohn, Goran Ivanov, ist Manager des Fernsehens. Geschäftsführer ist der pro-serbisch gestimmte Dragan Latas, der gleichzeitig auch Chefredakteur der Zeitung „Veer“ ist. Latas verkörpert die Verbindung zwischen den beiden Medien. „Sitel“ und „Veer“ werden vermutlich aus ein und derselben Quelle finanziert, obwohl sie rein formell getrennt erscheinen. Bei „A1 TV“, dem führenden Fernsehen des Landes, ist es ähnlich: Inhaber ist der Geschäftsmann Velija Ramkovski. Er steht den Sozialdemokraten des ehemaligen Präsidenten Branko Crvenkovski sehr nahe. Ramkovski ist auch Herausgeber der Zeitungen „Vreme“ und „Spitz“, sowie Besitzer des Filmhauses „B 1“. Darüberhinaus leitet er die Partei für wirtschaftliche Erneuerung. Ähnlich wie bei „Sitel“ sind auch bei „Kanal 5“ wieder Vater und Sohn die Eigentümer, nämlich Boris und Emil Stoimenovi. Sie besitzen außerdem die Druckerei „BS“ sowie Handelsfirmen und Dienstleistungs-Unternehmen. Boris Stoimenov ist darüber hinaus Vorsitzender von VMRO-Vistinska. Betrachtet man die weiteren Eigentumsverhältnisse auf dem Medienmarkt, so ist der Fernsehsender „Telma“ beispielsweise Eigentum der Ölgesellschaft „Makpetrol“. Hinter der pro-albanischen „Alsat M“ steht die in den Vereinigten Staaten eingetragene „International Energy Engeneering & Petroleum Consulting“.
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Die mazedonischen Fernsehsender gehören überwiegend einflussreichen mazedonischen Geschäftsleuten, die auch mit den politischen Parteien eng verbunden sind. Angesichts dieser Eigentumsverhältnisse ist es nur schwer vorstellbar, dass diese Medien sich von direktem Einfluss der Oligarchen frei halten können. Die Vermengung politischer und unternehmerischer Interessen in den mazedonischen Medien nutzen freilich nur den großen, oft privaten, in der Hauptstadt Skopje beheimateten Medien. Andererseits beschloss Mazedonien Ende November 2007, die lokalen, öffentlich-rechtlichen Radiostationen nicht mehr weiter zu finanzieren. Einige wurden verkauft, andere dem sicheren Ende überlassen. In vielen mazedonischen Städten und Ortschaften ist jedoch das Lokalradio die einzige Informationsquelle, auch über die Geschichte des Ortes, wie im Falle von „Radio Ohrid“. Der Sender stand nach der fatalen Entscheidung der Regierung zum Verkauf, worauf sich drei Interessenten meldeten, und das Unternehmen „AMAK-SP“ von Venko Šapkar den Zuschlag erhielt. „Radio Ohrid“ besaß zehntausende von Dokumenten zur Geschichte von Ohrid und seiner Einwohner, außerdem etliche Aufnahmen von Ortslegenden und Ortsgeschichten. Ob die Privatisierung der Bewahrung dieser Schätze förderlich ist, und ob das Programm sich nicht zunehmend kommerziellen Interessen beugen würde, wurde damals leidenschaftlich diskutiert. In Kavardaci, für dessen lokalen Sender sich drei Interessenten beworben hatten, käme zwar nicht das Aus, doch der Sender sollte nur noch Musik senden. Auch in Bitola bewarben sich Interessenten. Für die übrigen öffentlich-rechtlichen Lokalsender schien sich niemand zu interessieren, weil, so die Vermutung, „Radio Kruševo“ oder „Radio Demir Hisar“ nicht rentabel seien, was nach Fachmeinung auch auf etliche andere Lokalmedien zuträfe. Die fünfhundert Journalisten und anderen Angestellten der lokalen Radiostationen Mazedoniens stellten sich auf jeden Fall auf eine schwierige Zukunft ein, was in Mazedonien durchaus nichts Neues war. Man zählte 2007 in Mazedonien 156 Radionstationen, von denen 45 zum öffentlichen und 111 zum privaten Sektor gehörten. Die Situation ist insgesamt sehr wechselhaft. Einige Sender verschwinden, neue tauchen am Horizont auf. Das ebenfalls 2007 angekündigte Rundfunkgesetz sah drei Kategorien von Sendern vor: öffentliche Radiostationen, abhängige Sender von privaten Wirtschaftsunternehmen und Sender, die von gemeinnützigen, nicht gewinnorientierten Unternehmen abhängen. Der mazedonische Staat wollte ursprünglich die öffentlichen Rundfunksender in das Netz des „MRT“ (Mazedonisches Radio und Fernsehen, „Makedonsko Radio-Televizija“)106 integrieren, ließ sich damit aber Zeit, weil er die
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Das Mazedonische Radio sendet 86,5 Stunden Programm täglich auf seinen drei Kanälen, und auf dem Satellitenkanal. Der Erste Kanal sendet ein durchgängiges 24-Stunden-Programm; der Zweite Kanal, Radio 2, ebenfalls ein 24-Stunden-Programm. Der Satelliten-Kanal, der im Juli 2003 seine Sendetätigkeit aufnahm, wählt für sein 24-Stunden-Programm Sendungen des Mazedonischen Rundfunks und seines originalen Programms „Radio Macedonia“ aus, mit einer Gesamtspielzeit von 6,5 Stunden. Der Mazedonische Rundfunk sendet Programme in den Sprachen der nationalen Minderheiten der Republik, inbesondere in Albanisch (seit 1948), Türkisch (seit 1945), Vlachisch (seit 1991), Romanes (seit 1991), Serbisch (seit 2003) und Bosnisch 8seit 2003), jeweils 30 Minuten pro Tag. Programme in bulgarischer und serbischer Sprache werden in das Programm von „Radio Macedonia“ aufgenommen. Dessen Programm ist auch über das Internet zu empfangen. Das Mazedonische Fernsehen sendet 73 Stunden Programm täglich und hat drei Kanäle und einen Satellitenkanal: der Erste Kanal sendet ein 24-stündiges Programm in mazedonischer Sprache, der Zweite Kanal sendet Programme in den Sprachen der nationalen Minderheiten (Albanisch, Türkisch, Serbisch, Romanes, Vlachisch und Bosnisch). Der Dritte Kanal, auch „Sobraniski Kanal“ genannt, wurde 1991 als Experimentalkanal eingerichtet. Heute überträgt er die Sitzungen des Parlaments der Repbulik Mazedonien. Der Satellitenkanal nahm seine Arbeit 2000 auf und sendet ein 24-stündiges Programm, eine Auswahl aus den MRT-Sendungen wie auch ein sendereigenes Programm im Umfang von fünf Stunden. Über Optus D2-Satellit und UBI World TV ist das Programm des Satellitenkanals auch in Australien und Neuseeland zu empfangen.
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damit verbundenen Probleme scheute. Dafür wandte er sich einem anderen Modell zu, dem Rückkauf lokaler Radiostationen. Da es aber oft nur bei einem Angebot blieb, die Stationen sich aber bereits auf die Besserung ihrer finanziellen Situation eingestellt hatten, lief dieses zweite Modell oft genug auf eine Liquidation der betroffenen Sender hinaus. Das dritte Modell, das darin besteht, daß wohltätige Organisationen die Sender finanziell unterstützen, kam bisher nicht recht voran. Denn obwohl die NGOs in Mazedonien zahlreich sind, konnten sich nur wenige dazu entschließen, auch in das Land und seine Infrastruktur zu investieren. Die lokalen, einheimischen Magnaten sind nur oberflächlich an den Medien interessiert. Sie erklären immer wieder, welche Bedeutung die lokalen Sender hätten, scheinen aber nicht weiter betrübt, wenn wieder einmal einer die Pforten dicht macht. Anders liegen die Dinge bei Bulletins des Flughafens von Skopje oder anderer Stadt- und Kommunalblätter. Die Bürgermeister fühlen sich dort als die Chefredakteure der vorgeblichen Zeitungen. Der mazedonische Rundfunkrat schlug den Lokalradios vor, ein lukratives Ziel zu verfolgen und damit den Wettbewerb zu stimulieren. Damit würde auch das Niveau des Journalismus höher werden, hieß es im einschlägigen Dokument. Doch die Leute an Ort und Stelle, für die das Radio die einzige Informationsquelle ist, sind durchaus nicht daran interessiert, nur mit Nachrichten versorgt zu werden, die sich ‚rentieren‘. Vesna Šopar vom Institut für soziologische, politische und juristische Untersuchungen unterstrich das Interesse der Bürger an der Erhaltung öffentlicher Radiostationen in Prilep, Štip und Kievo. In Kumanovo hatten Bürger gegen die Schließung eines Radiosenders demonstriert. Mit Blick auf Struga und Koani haben Untersuchungen gezeigt, daß das Radio das einzige lokale Informationsmedium ist, weil die Informationen allen übrigen Medien sich nur mit Skopje und den größeren Städten des Landes befassen. Das Volk in den Kleinstädten und Dörfern zeige, so Vesna Šopar, ein quasi totales Vertrauen in die lokalen Rundfunksender. Das Hauptproblem ist der mangelnde politische Wille zur Aktion, ein tragfähiges Finanzierungsmodell zu finden, das das Überleben der Stationen sichert. Die privaten Medien üben zusätzlich Druck auf die Politik aus, die öffentlichen Lokalsender nicht weiter zu erhalten, um lästige Konkurrenz los zu werden. Die 14 lokalen Fernsehstationen kommen in der Diskussion nicht vor, weil sie im Grunde ohne Erlaubnis, also illegal senden. Generell haben weder die zentralen, noch die lokalen Entscheidungs-träger ein prononciertes Interesse daran, die Lokalsender zu erhalten. Sei es, dass man Freunde in den Privatmedien hat, sei es, dass man das Verschwinden der Lokalsender nicht beweint, weil unabhängige Berichterstattung nur das politische Geschäft erschwert. Die Lokalzeitungen Mazedoniens sind bereits so gut wie verschwunden. „MRT“ selbst stand im Herbst 2008 bereits einmal vor dem finanziellen Ruin. Angesichts von 50 Millionen Euro Schulden und politischem Unwillen zur Reform steuerte man auf das endgültige Aus zu. Zu besseren Zeiten hatte das Unternehmen mehr als zweitausend Angestellte, die auf ihre Stelle stolz waren; nun verfiel das Zentralgebäude zusehends. Man sah das Monstrum, das sich am Vardar entlang zog, als Dinosaurier, der nicht fähig war, sich den neuen Zeiten anzupassen. „MRT“ wäre schon lange nicht mehr das unabhängige und effiziente Rundfunkunternehmen, das das Rundfunkgesetz vorsieht, meinte Biljana Petkovska vom „Mazedonischen Medieninstitut“ (MIM). Das Reformieren hätte nichts gebracht, das Beste wäre es, der Agonie ein Ende zu bereiten, so das traurige Fazit Frau Petkovskas. An Lizenzgebühren hatte man 2007 nur 17.000 Euro erhalten, 2008 hoffte man nicht einmal auf diesen Betrag. „MRT“ wird durch Überweisungen von anderen öffentlichen Unternehmen finanziert, darunter aus den Einnahmen des Flughafens. Diese Unternehmen leeren freilich eher ihre Kassen, als sie für den Staatsfunk zu füllen. Die OSZE und die Niederlande spendeten eine halbe Million Euro, um die Ausrüstung und die Ausbildung
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der „MRT“-Angestellten zu verbessern, ohne großen Erfolg. Das Grund-problem besteht darin, eine dauerhafte und tragfähige Finanzierung zu sichern, um auch die Umsetzung des Rundfunkgesetzes zu ermöglichen, das im November 2005 verabschiedet worden war. Schon damals hatte der Finanzminister, Nikola Popovski (SDSM) jene acht Millionen Euro, die das Gesetz für die provisorische Finanzierung von „MRT“ vorsah, nicht bereitgestellt. Mit dieser Summe sollte die „MRT“-Chefin Gordana Stoši ein Gebührenmodell auf die Beine stellen. Stoši hätte die Illoyalität des Finanzministers vor Gericht bringen müssen, wagte dies aber nicht und wurde von Streiks und Drohungen aus dem Amt gehoben. Auf sie folgte der Slowene Janez Sajovic, der grundlegende Reformen, einschließlich der Lizenzgebühren versprach. Doch er scheiterte an einer Reform der Gebührenerhebung und dem Widerstand der „MRT“-Angestellten. Das Problem der mangelnden Kontinuität an der Spitze von „MRT“ verschärfte sich noch zusätzlich durch die Illoyalität und Passivität der Politik. Die Tschechische Republik, Ungarn und die Slowakei hatten ähnliche Finanzierungsprobleme mit ihren öffentlichen Medien. Diese ließen sich aber alle lösen, dank wirkungsvoller Reformen, die vor allem von der Lähmung der politischen Szenerie nicht belastet waren. Auch die öffentlich-rechtlichen Medien Sloweniens, Kroatiens und Serbiens mussten sich Reformen unterziehen, die insgesamt gesehen positiv abschlossen. Nur in BosnienHerzegowina kommt die Reform des öffentlich-rechtlichen Sektors nicht von der Stelle. Als Vorbild wird gerne das deutsche System gepriesen. Direkte Einnahmen über Rundfunkgebühren machen die Sender unabhängig. Vorraussetzung ist jedoch ein effizientes Erhebungsverfahren, das in Slowenien funktioniert, aber in Bosnien-Herzegowina und in Mazedonien bisher gescheitert ist. Man dachte dort sogar darüber nach, „MRT“ am Morgen zu liquidieren, um es am Nachmittag neu wieder zusammen-zusetzen – neues Organigramm, neuer Name, Bereinigung der Schulden. Dazu wären auch Gesetzesänderungen nötig. Eine andere Lösung, die diskutiert wurde, war ein Wettbewerb. Wer das beste Lösungsmodell vorschlüge, bekäme das Recht zugesprochen, den öffentlichen Markennamen zu nutzen. Würde das ausgewählte Unternehmen die Erwartungen nicht erfüllen, könnte die Lizenz entzogen und ein neuer Bewerber ausgewählt werden. Eine dritte Lösung bestünde in der Vergabe verschiedener Lizenzen, je nach Kanal – für den ersten in mazedonischer Sprache, für den zweiten, der in den Minderheitensprachen sendet, und für den Parlamentskanal, der bereits über ein eigenes Budget verfügt. Dazu müßte man, wie erwähnt, das Rundfunkgesetz ändern, das keine Privatunternehmen als Besitzer öffentlich-rechtlicher Sender zulässt. Mit dem Engagement privater Unternehmen würde eventuell auch der Anspruch der öffentlich-rechtlichen Sender in Konflikt geraten, professionell und demokratisch zu arbeiten, und sich vor allem an alle Bürger Mazedoniens zu wenden. Freie Medien, die nicht in Abhängigkeit von politischen oder privatwirtschaftlichen Entscheidungsträgern stehen, sind das Fundament einer demokratischen Gesellschaft, darin sind sich zum Beispiel Mevaip Abdiu von „TV Koha“ und Nebojša Karapejovski von „TV Menada“, Arben Fetahi von der Wochenzeitung „Monitor“ und Mende Mladenovski vom „Bitolski Vesnik“ absolut einig. Als Mazedonien noch eine sozialistische Republik war, waren die Lokalmedien als öffentlicher Dienst konzipiert, der vollständig vom Staat finanziert wurde, freilich alles andere als selbstlos und ohne Ambitionen. Heute sei der Staat fast nur noch an den großen nationalen Medien interessiert, die die größte Wirkung und den größten finanziellen Nutzen verheißen. Der Effekt ist zu beobachten, daß der mazedonische Staat sich einerseits immer mehr dezentralisiert, die Mediensektor aber immer zentralistischer wird. Ein Ausweg sind Investitionen aus dem Ausland. Die Wochenzeitung „Monitor“, die auf mazedonisch und albanisch aus den Regionen Tetovo und Gostivar berichtet,
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konnte sich nur so weiterentwickeln. Die Zeiten öffentlicher Finanzierung seien vorbei, meinte deshalb auch Liljana Siljanovska von der Universität Skopje. Die lokalen Medien sollten sich auf sich selbst verlassen und sich durch Qualität und gute Unternehmensführung auf dem Markt behaupten. Doch wie ein gewisses Niveau erhalten, wenn das Personal unterbezahlt ist. Das Radio mag auf dem Land ein ungeheures Renommé haben, die Lokalzeitungen, die in Mazedonien so gut wie verschwunden sind, könne es aber nicht ersetzen, meinte Arben Fetahi vom „Monitor“. Der Informationswert einer Zeitung sei einfach nicht mit dem von Radio oder Fernsehen zu vergleichen. Die Zukunft des „Bitolski Vesnik“ ist nicht gesichert, die des „Monitor“ ebensowenig, gleichwohl wehren sich die Journalisten der Lokalmedien gegen den Pessimismus. In der Hauptstadt protestierten die Journalisten im Mai 2009 gegen den politischen Druck, gegen die Beleidigungsprozesse, mit denen Journalisten überzogen und zu unverhältnismässigen Strafen verurteilt werden. Man dürfe sich unter diesen Umständen nicht wundern, dass Mazedonien in einem Bericht, der am internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai 2009 veröffentlicht wurde, als Land charakterisiert wird, in dem die Medien nur „teilweise frei“ seien. Auch die Monopolstellung der Nachrichtenagentur „MIA“ [www.mia.com.mk] wurde vor diesem Hintergrund immer wieder kritisiert. Forderungen nach zusätzlicher staatlicher Finanzhilfe für „MIA“ würden deren Stellung noch weiter ausbauen und zur Schließung privater Nachrichtenagenturen wie der „Makfax“107 führen. Alle Medien sollten ohne staatliches Monopol auf dem Markt gleichberechtigt sein. „MIA“-Chef Zoran Ivanov verurteilte solche Forderungen als „schmutzige Kampagne“ der privaten Medien mit dem Ziel der Schließung der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz. „MIA“ sei ein öffentlich-rechtlicher Dienstleister wie Rundfunk und Fernsehen „MRT“. Auch die Abgeordneten der Regierungsparteien und der Opposition sprachen sich zugunsten von „MIA“ aus. Es gebe in der Welt nicht einen Staat ohne staatliche Nachrichtenagentur. Apropos „MRT“: seitdem das Staatsunternehmen kurz vor dem Aus stand, hat das Unternehmen Vorstösse gewagt, um sich vom Regierungseinfluss zu emanzipieren. Wiewohl offiziell nicht mit der Regierung verbunden ist die Haupteinnahmequelle des Senders eine Lizenzgebühr, die die Regierung erhebt, aber eben nicht verpflichtet ist, an MRT weiterzugeben. Diese Gebühr soll direkt an die Fernseh- und Rundfunkanstalt gezahlt werden. Das Problem der politischen Einflussnahme belastet das gesamte Medienwesen Mazedoniens. Die politische Elite des Landes verwickelt die Medien häufig in juristische Verfahren. 2007 wurde ein Journalist zu einer Geldstrafe von knapp 17.000 Dollar verurteilt, weil er geheime Informationen der Polizei über einen Richter veröffentlicht hatte, der beim Autofahren unter Alkoholeinwirkung erwischt worden war. 2008 gewann Ministerpräsident Nikola Gruevski ein Verfahren gegen Ljubomir Frckovski, Professor für Rechtswissenschaften, ehemaliger Minister und Kandidat bei den letzten Präsidentschaftswahlen. Wieder war Verleumdung Verhandlungsgegenstand, Auslöser diesmal ein Beitrag in der Zeitung „Dnevnik“. Darin war der Ministerpräsident (ohne ihn namentlich zu nennen) wegen seines Verhaltens gegenüber der Ölgesellschaft OKTA und wegen Interessenkonflikten kritisiert worden. „Eine eindeutige Verletzung der Pressefreiheit”, bemängelte die weltweit agieren-
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„Makfax“ wurde 1992 von Risto Popovski gegründet, und bot ab Mai des darauffolgenden Jahres ihre Nachrichten an. Außer in der Landessprache übermittelt sie Nachrichten auch in Albanisch und Englisch. Die Nachrichtenagentur hat sich inzwischen als angesehene Informationsquelle bewährt und ist Mitglied verschiedener internationaler Organisationen. Eine weitere private Agentur ist das „Makedonski informativen centar“ („Mazedonisches Informationszentrum“). Es entstand 2007 aus den seit 1992 erscheinenden täglichen Infobriefen „Infomak“ und „Netpress“.
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de Organisation „Reporter ohne Grenzen”. Gruevski ist ohnehin bekannt dafür, dass er die Presse gern kritisiert und belehrt. Unter anderem griff er auch die mazedonischen Korrespondenten in Brüssel an, dass sie statt für ihr Land zu arbeiten, „auf Kosten des eigenen Staates spekulieren”. Seine Worte riefen heftige Proteste der Assoziation der mazedonischen Journalisten hervor, die auch von der in Wien beheimateten „South East European Media Organisation“ (SEEMO) unterstützt wurden. Die Beispiele könnten beliebig fortgesetzt werden. Der Mechanismus ist immer der gleiche: Äußern Journalisten eine Kritik an Politikern, werden sie mit gerichtlichen Klagen belegt, die meist gegen die Medien ausfallen. Vereinfacht ausgedrückt, wird die wichtige Rolle der Medien als ‚vierte Gewalt‘ im Staat einfach nicht anerkannt. Hinzu kommen die üblichen Probleme der Journalisten heutzutage: Abhängigkeit von der politischen Einstellung, den geschäftlichen und anderen Interessen des Arbeitgebers, die Angst um den Arbeitsplatz, eine ‚Schere im Kopf‘ aufgrund des Damoklesschwerts der Verleumdungsklage und mehr. Jedoch muss auch erwähnt werden, dass viele Journalisten es bei der Berichterstattung nicht immer genau nehmen, was teils auch auf Ausbildungsmängel zurückzuführen ist. Übernahme von journalistischen Inhalten aus anderen Medien ohne Quellenangabe oder die immer wieder auftauchenden Bezüge auf ‚ungenannte Quellen‘ oder ‚hohe Diplomaten‘ lassen viel Spielraum für Manipulationen. Das Gesetz über die elektronischen Medien ist ein Schritt vorwärts. Dadurch wurde der Markt immerhin teilweise liberalisiert und für Auslandsinvestoren geöffnet. Insgesamt entspricht das Medienumfeld in Mazedonien jedoch immer noch nicht den allgemein anerkannten Anforderungen an eine Medien-Demokratie. Um diese zu erlangen, bedarf das Land immer noch eines langen Atems, und der Unterstützung von außen, etwa durch internationale Medienorganisationen oder die EU. Aber auch die mazedonische Gesellschaft, einschließlich der Medienvertreter, muss erkennen, dass bestimmte Standards aus eigener Kraft erreicht werden müssen. Denn nur so kann Mazedonien den Makel des ewigen Transformationslandes abschütteln und ein vollwertiges Mitglied der EU werden.
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8.
Das Mediensystem in Bulgarien
Nach einer Welle der Kriminalität in den 1990er Jahren hat sich die Angst des bulgarischen Normalbürgers gelegt, Opfer von Verbrechen zu werden, denn sein Auto oder sein Besitz interessieren die Gangster, die sich professionalisiert haben, nicht länger, meinte 2007 der bulgarische Kulturanthropologe Ivaylo Diev. Opfer krimineller Anschläge sind heute eher Bulgariens Journalisten: Organisierte Kriminalität ist an die frühere Stelle der Staatsmacht getreten, wenn es darum geht, Journalisten an ihrer Arbeit zu hindern. Immer noch gibt es kein Presserecht, das Besitzverhältnisse regeln und politisch motivierte Beteiligungen durchschaubar machen könnte. Journalistenvertretungen, die ein politisches Gegengewicht sein könnten, spielen in Bulgarien kaum eine Rolle. Das Berufsverständnis der bulgarischen Journalisten ist widersprüchlich, und Teil der politischen Veränderungen. Wie bulgarische Journalisten zu ihrem Beruf stehen, unterscheidet sich je nach Generation beträchtlich, fand die Medienwissenschaftlerin Pavlina Krasteva in ihrer Studie zum Thema „Journalismus in Bulgarien 17 Jahre nach dem Systemwechsel“108 heraus. Vom Typ des politisch konformen „ideologischen Erziehers“ hin zum neuen „Wegweiser“ während des Umbruchs: die heute 30- bis 40-Jährigen haben die mediale Demokratisierung aktiv miterlebt und verstehen ihren Beruf kämpferischer und emotionaler als die jüngere Generation. Jenen „Vermittlern“, den jüngeren Journalisten mangelt es in Zeiten der Medienkonzentration und des Sensationsjournalismus oft an Hintergrundwissen für kritische Analysen. Sie wollten vor allem schnell und exklusiv, aber neutral und nach westlichem Vorbild informieren. Dem kam nicht nur das gewandelte Medienverständnis – weg von der ideologisierten, hin zu einer angeblich ideologiefreien, neutralen Berichterstattung –, sondern auch das Engagement ausländischer Medienunternehmen entgegen. Als die deutsche Mediengruppe WAZ 1996 in den bulgarischen Medienmarkt einstieg, hätte sie, so wurde kritisiert, politische durch wirtschaftliche Interessen abgelöst. Mit der Übernahme der beiden auflagenstärksten Tageszeitungen „24 asa“ und „Trud“ stiegen diese zum Meinungs-macher auf und brachten einen neuen, parteiunabhängigen Journalismus mit. Die Schattenseite: junge, unausgebildete Leute werden zum Verfassen schneller, gutverkäuflicher Skandalmeldungen eingesetzt. Sie hatten weder ein gutes, noch ein schlechtes, sondern gar kein Verhältnis zur Politik. Es drohte das Szenario, dass es irgendwann nur noch Boulevardmedien geben, und damit die Bevölkerung immer politikverdrossener werden würde. Zu den ausländischen Medieninvestoren gesellten sich das deutsche „Handelsblatt“, auf dem Fernsehmarkt die schwedische „Modern Times Group Broadcasting“ und der australisch-amerikanische Medienmogul Rupert Murdoch, sowie der griechische TV-Produzent „Antenna Group“. Österreich ist Bulgariens größter ausländischer Wirtschaftsinvestor, momentan vor allem im Bankwesen und der Telekommunikation. Es folgt das österreichische Markt- und Meinungsforschungsinstitut „GfK“, das Marktstudien in der bulgarischen Medienlandschaft plant. Diese ausländische Konkurrenz könnte auch die Monopolstellung einiger weniger bulgarischer Werbe-agenturen und deren enger Verflechtung mit Medien und Meinungsfor-
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Krasteva, P. 2007: Journalismus in Bulgarien siebzehn Jahre nach dem Systemwechsel. Eine qualitative Studie zum Selbstverständnis von bulgarischen Pressejournalisten. Magisterarbeit, Ludwig-Maximilians-Universität München.
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schungsinstituten ins Wanken bringen. Auch Bulgariens einzige Nachrichtenagentur „TNS“ ist an diesen Seilschaften beteiligt und verlor dadurch an Glaubwürdigkeit. Der „Bulgarische Nationale Rundfunk“ (BNR) und das „Bulgarische Fernsehen“ (BNT) sind seit 1996 öffentlich-rechtlich, werden aber de facto weiterhin vom Staatshaushalt finanziert und sind damit keinesfalls objektiv. Aus nichtigen Anlässen entstehen Skandale wie aus jener unbequemen Frage, die eine Journalistin des „BN.R“ dem bulgarischen Präsidenten Georgi Parvanov auf seiner Reise durch Rumänien stellte. Die Chefin des „BN.R“ forderte, sie solle sich entschuldigen. Sie hätte dem Ansehen des Präsidenten im Ausland geschadet. Die Entrüstung in der Öffentlichkeit war so groß, dass es dazu nicht kam. Viele Journalisten seien von dem Satz „Wir haben einen Gott, das ist der Leser“ überzeugt, so Pavlina Krasteva109. Und dieser lese am liebsten ‚Hybrid-Tabloide‘ statt der Qualitätspresse, also eine in Bulgarien typische Mischung von Populärem und Seriösem. Die Presse müsse sich eben in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit an ein politikmüdes Publikum wenden. Braucht Bulgarien überhaupt eine Qualitätspresse? Das sei die Sicht des Westens, dessen Standards könne man aber nicht schlicht übernehmen, so die befragten Journalisten. Der Westen müsse endlich begreifen, meinten sie, dass die Presse das Ergebnis der Gesellschaftslage ist.
8.1
Die Entwicklung der Medien nach 1989
Auf den ersten Blick entwickelte sich die Medienlandschaft in Bulgarien110 nach 1989 sehr schnell und vielfältig111. Kurz nach der politischen Wende wurden der staatliche Hörfunk und das staatliche Fernsehen, die vorher dem kommunistischen ZK unsterstanden hatten, dem Ministerrat unterstellt. Die erste oppositionelle Zeitung, „Demokracia“, erschien noch im Winter 1990. Es folgten unabhängige Wochen- und Tageszeitungen und private Hörfunksender. Einige staatliche Printmedien wurden privatisiert. Mittlerweile zählt der Medienmarkt in Bulgarien mehrere hundert Zeitungen und Zeitschriften, über 100 private Hörfunkanbieter, fünf private Fernsehsender und Dutzende von Kabelkanalbetreibern. Natürlich machen auch den bulgarischen Medien die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu schaffen112, andererseits haben sie mit der autoritäten Mentalität eines Teils der Politik zu
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Vgl. Krasteva, P. 2007: Journalismus in Bulgarien siebzehn Jahre nach dem Systemwechsel. Eine qualitative Studie zum Selbstverständnis von bulgarischen Pressejournalisten. Magisterarbeit, Ludwig-MaximiliansUniversität München. Bulgarien grenzt an die Türkei und Griechenland im Süden, an Serbien und Mazedonien im Westen, an Rumänien im Norden und an das Schwarze Meer im Osten. Die Hauptstadt Sofia befindet sich im Westen des Landes. In dem ca. 111.000 Quadratkilometer umfassenden Staatsgebiet leben 7,68 Millionen Menschen. Damit liegt die Bevölkerungsdichte bei 79 Einwohnern pro Quadratkilometer und ist weit geringer als in Deutschland, wo sie 230 Einwohner pro Quadratkilometer beträgt. Die größte Minderheit stellen mit 9,4 Prozent die Türken und mit 4,7 Prozent Bevölkerungsanteil die Roma. In der parlamentarischen Republik nimmt der Premierminister eine dem Bundeskanzler in Deutschland ähnliche Stellung ein. Bulgarien stellt durch seine topographische Lage zwischen Mitteleuropa und dem nahen Osten ein wichtiges Transitland dar. Diese Position wird unterstrichen durch vier internationale Flughäfen, zwei Seehäfen und große Binnenhäfen an der Donau. Andreev, Alexander: Hintergrund: Medien und Medienpolitik in Bulgarien. Gute Ansätze unter schlechten Bedingungen [www.reporter-ohne-grenzen.de/archiv2000/rb/rb27/rb27bulgarienhintergrund.html]. Nach dem Wegfall des Marktes der Sowjetunion sank das Realeinkommen von 1989 bis 1995 um 70 Prozent. Aktuell beträgt das durchschnittliche Einkommen etwa 300 Lewa. Das sind umgerechnet 150 Euro pro Monat. In Deutschland liegt das Durchschnittseinkommen bei 2000 Euro im Monat1). Damit ist Bulgarien das ärmste
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kämpfen, die die alten Gewohnheiten nicht ablegen will. Das „Bulgarische Nationale Fernsehen“ (BNT) und der „Bulgarische Nationale Hörfunk“ (BNR) sind mit Abstand die populärsten Medien im Lande. Laut Gallup-Umfrage von August 98 werden die zwei „BNT“Programme von circa 84 Prozent der Bevölkerung gesehen, Tendenz leicht fallend. Der nationale Hörfunk kann sich eines Publikums von ungefähr 62 Prozent erfreuen. Während die zwei Programme des Nationalfernsehens eindeutig marktführend sind, hat der private Hörfunk die Dominanz des staatlichen zum Teil durchbrochen. Eine qualitative Sonderrolle spielt das überregionale Hörfunknetz Darik Radio. Die Berichterstattung über die Unruhen in Sofia, die im Winter 1996/97 zum Sturz der postkommunistischen Regierung geführt haben, war für Darik der große Durchbruch zum, laut Eigenwerbung, „nationalen Informationsführer“. Unter den privaten Fernsehanbietern hat es bislang keiner geschafft, ein überregionales Programm zu starten. Die Finanzierung ist in einem relativ engen Werbemarkt sehr riskant, und es fehlen landesweite Übertragungs-möglichkeiten: Die drei verfügbaren Kanäle sind bereits von BNT belegt. Um für die Privaten mehr Platz zu schaffen, erwägt die Regierung die Privatisierung des zweiten Fernsehprogramms. Die Bulgaren sind eifrige Zeitungsleser. Experten der US-Organisation „Freedom House“, die im Sommer 1998 die Presselandschaft untersuchten, waren von den hohen Auflagen beeindruckt. 2,2 Millionen Zeitungen werden täglich gedruckt. Das heißt, jeder dritte Erwachsene kauft eine Tageszeitung. Marktführend unter den überregionalen Blättern sind die zwei Titel der bulgarischen WAZ-Tochtergesellschaft, „Trud“ (Arbeit) und „24 asa“ (24 Stunden). Die Essener Verlagsgruppe, die wegen ihrer vermeintlichen oder tatsächlichen Monopolstellung viele Probleme mit den Wettbewerbern und der bulgarischen Kartellbehörde hatte, behauptete, auf die redaktionelle Arbeit keinen Einfluß zu nehmen. Die Autoren des „Freedom-House“-Berichts beurteilten die bulgarische Presse als immer noch unreif. Es sei festzustellen, daß sich die Journalisten in der Regel den Vorgaben der Regierung anpaßten und nur selten eigene Recherchen durchführten. Die Stories, die am häufigsten für Aufmerksamkeit sorgten, seien sehr oft auf anonyme Regierungs- oder Geheimdienstquellen zurückzuführen. Dies verursache einen Massen-mißbrauch der Pressefreiheit, wobei die Redakteure in der Regel das Gegendarstellungs-recht mißachteten. Angeprangert wird auch die fehlende politische Kultur der Parteieliten, die die Privilegien der Macht ausnützten, um unbequeme Journalisten zu verfolgen. „Unter den in Bulgarien herrschenden gesetzlichen und gesellschaftlichen Bedingungen“, so die US-Forscher, „fühlen sich die Journalisten unsicher und ständig bedroht.“ Die Befunde des „Freedom-House“-Berichts wurden von anderen Beobachtern bestätigt und sogar auf die ganze Medienlandschaft erweitert. In einer Balkan-Studie der ACCESStiftung stellen die Autoren fest, daß die kritischen Meldungen in den staatlichen elektroni-
Land der EU. Die Kaufkraft hier liegt bei nur einem Drittel des EU-Durchschnitts. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt 5616 Euro. Damit ist es fünfmal niedriger als in Deutschland (BIP/Kopf in D.: 28 012 Euro). Handelspolitisch war Bulgarien bereits 1939 stark von Deutschland abhängig. Damals gingen 68 Prozent aller Exporte nach Deutschland. Mit einem Handelsvolumen von 2,9 Milliarden Euro war Deutschland auch 2005 der wichtigste Handelspartner Bulgariens. Besonders die großen Städte Bulgariens wie Sofia, Plovdiv und Russe, sowie die Schwarzmeerorte Varna und Burgas erlebten in den letzten Jahren einen Boom, den Wirtschaftsexperten mit den Entwicklungen im asiatischen Raum vergleichen. Im Jahr 2004 brachten ausländische Investoren 2 Milliarden Euro ins Land. Vor 10 Jahren waren es nur 10 Millionen Euro. Heute leben noch vier Prozent der Menschen in Bulgarien unter dem Existenzminim, 1990 belief sich dieser Wert im Vergleich auf das Dreifache. Der Trend zeigt, daß sich die Mittelschicht seit 1999 stetig vergrößert hat und bereits 19 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Diese Mittelschicht ist pro-westlich und konsumorientiert. Dadurch wurde das Land für Medienkonzerne interessant, weil sich hier die Chance bot, frühzeitig zukünftige Märkte zu sichern.
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schen Medien in Bulgarien, Mazedonien und Albanien nur ein Prozent der gesamten Berichterstattung ausmachten, während in den Printmedien diese Zahl zwischen 30 und 60 Prozent liege. Die Nachrichtensendungen beschäftigten sich hauptsächlich mit der offiziellen Politik, unterbelichtet blieben dafür Themen wie Umweltverschmutzung, Kultur oder Minderheiten. Noch schärfer fiel die Kritik in einem der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vorgelegten Informationsbericht des britisch-dänischen Autorenteams David Atkinson und Henning Gjellerod aus. Einige negative Schluß-folgerungen dieses Reports sind sowohl in Sofia als auch in Straßburg als einseitig kritisiert worden. Das mag zum Teil berechtigt sein, aber einige Punkte sind durchaus einleuchtend. Medienvertreter sprachen von staatlicher Kontrolle über die meisten Organe. Darüber hinaus kontrollieren große Finanzgruppen die meisten der sogenannten unabhängigen Zeitungen. Die Printjournalisten sind gezwungen, sich der starken parteipolitischen Prägung der jeweiligen Zeitung anzupassen, was eine offensichtliche Selbstzensur zur Folge hat. In der bulgarischen Verfassung von 1991 sind Meinungsfreiheit, Medienfreiheit und Informationsfreiheit verankert. Im direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Medien stehen auch das Strafgesetzbuch, das gerade verabschiedete Gesetz für Hörfunk und Fernsehen, das Fernmeldegesetz, das Haushaltsgesetz und ein Verfassungsgerichtsurteil zur Subsidiarität der Medienfreiheit gegenüber der Meinungs- und Informationsfreiheit. In diesem gesetzlichen Rahmen sehen in- und ausländische Fachleute einige Engpässe, ja sogar undemokratische Regelungen. Umstritten sind zum Beispiel die Passagen im Strafgesetzbuch, die Verleumdung oder Beleidigung durch Journalisten mit Freiheitsstrafen bedrohen. Internationale Organisationen wie „Interrights“, „Article 19“ und „Reporter ohne Grenzen“ wiesen darauf hin, daß solche Fälle im zivilrechtlichen Bereich anzusiedeln seien, doch das bulgarische Verfassungsgericht entschied anders. So wurden in den letzten sieben Jahren über 100 Strafgerichtsverfahren gegen Journalisten eingeleitet; in drei Fällen stand am Ende ein rechtskräftiges Urteil. Auch eine Novellierung im Strafgesetzbuch sorgte für Aufregung. Vor dem Hintergrund der wachsenden Kriminalität entschied nämlich der Gesetzgeber, dass Journalisten unter bestimmten Umständen vor Gericht ihre Quellen preisgeben müssen. Trotz der teilweise schwierigen Bedingungen sind die bulgarischen Medien, von allen Kinderkrankheiten abgesehen, so frei und zugleich professionell wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Dass der Freiheitsgenuß manchmal ins Voluntaristische und Beliebige überschwappt, daß die Machtnähe nicht immer richtig zu handhaben ist, dass die Lohntüten zu dünn und die patriotischen Töne manchmal zu laut sind – all dies wird sich wohl mit der Zeit zum Besseren ändern. Die Ansätze sind bereits da. Die Sprache der Medien ist zwar immer noch zu aufgeregt und manchmal kitschig, eine positive Entwicklung ist jedoch nicht zu leugnen. Auch die Qualität von Information und Unterhaltung, die Trennung der Nachricht vom Kommentar, die journalistische Verantwortung allgemein haben sich entscheidend gebessert, nicht zuletzt durch das massive Engagement unterschiedlicher internationaler Organisationen und Fachleute.
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8.2
Der Westen kauft sich in den bulgarischen Medienmarkt ein
Die österreichische Nobelpreisträgerin für Literatur, Elfriede Jelinek, bekannt für ihre pointierten Urteile, meinte zum Engagement der Essener WAZ-Gruppe: „Die WAZ hat nicht kämpfen müssen, um uns zu unterjochen, sie hat nur kaufen müssen.“ Frau Jelineks Einwurf war auf die Beteiligung der WAZ am österreichischen Kurier und an der Kronenzeitung gemünzt, hätte aber genauso gut auf die Verhältnisse in Rumänien oder eben in Bulgarien gepasst113. Auch in Deutschland war die Sorge vor einem populistischen Medienmonopol vor dem Insolvenzverfahren der Kirchgruppe groß, dass ausländische Investoren zuviel Einfluss in deutschen Medien haben könnten. Berlusconi und Murdoch hätten den endgültigen Niveauverlust im deutschen Fernsehen herbeiführen können. Im WAZMedienkonzern sah man den eigenen Einfluss besonders in Südosteuropa gelassener. Neben Geschäften in Ungarn floriert der Zeitungsmarkt besonders in Bulgarien. Hier hat der Konzern eine marktbeherrschende Stellung. Bodo Hombach, der im Auftrag der Bundesregierung bereits vor Jahren Erfahrungen in Südosteuropa sammeln konnte, konnte als Geschäftsführer der WAZ die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Erfolg sichern. „24 Stunden“ heißt die Zeitung in Bulgarien, die ihre wirtschaftlichen Grundlagen in Essen hat, sich aber unabhängig auf die Bedürfnisse der Bulgaren einstellt. Und das in einem politisch-populistischen Stil, wie er in Europa kaum möglich ist. Selbst Peter Imberg, Sprecher der WAZ-Gruppe Sofia erklärte gegenüber dem deutschen Fernsehsender „3sat“, er halte die Sprache der Zeitung für gewöhnungsbedürftig, aber „wir haben keine Probleme, eine populistische Zeitung zu machen. Der Leser will es so“. Nationalistische Tendenzen, einfache Botschaften, wie die des zurückkgekehrten Zaren, erfüllen die Leserwünsche auf dem Balkan. Aufschlußreich auch die Aussage von Chefredakteurin Goeva: „Mit der WAZ-Gruppe ist erstmals eine Zeitung auf den Balkan gekommen, die ausschließlich Geschäfte machen will.“ Wenn es aber nur noch um Geschäfte geht, spielt die Legitimation politischer Aussagen kaum noch eine Rolle. Für den Balkan sind Tendenzblätter nicht ungefährlich. Auch wenn Bodo Hombach erklärte, selbst in England gebe es populistische Zeitungen. Aber die Lage in Bulgarien ist anders. Immerhin sollen sich schon Soziologen an der Universität in Sofia mit dem Phänomen der Zeitung beschäftigen. Die Kritik der Professoren wächst. Es formierte sich auch handgreiflicher Widerstand gegen das Engagement der WAZGruppe. Die radikalnationalistische „Ataka“-Partei versuchte WAZ-Mitarbeiter einzuschüchtern. Ein parteinaher Sender veröffentlichte die Namen und Adressen von Journalisten. Für ihre Sicherheit werde keine Garantie übernommen, hieß es114. Der Geschäftsführer der WAZ-Gruppe für Osteuropa, Andreas Rudas, bestätigte entsprechende Berichte. Zwei Chefredakteure seien von der radikalnationalistischen Ataka-Partei als „Handlanger deutscher und hebräischer Medien“ bezeichnet worden, sagte Rudas. Ein der Ataka-Partei nahe stehender Fernsehsender habe jeweils Namen und Adresse der beiden mit Bild veröffentlicht und angegeben, für ihre Sicherheit keine Gewährleistung zu übernehmen. Rudas wertet dies als „scharfe persönliche Einschüchterung“. Unterdessen hat die Ataka nach Anga-
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Vgl. Riebel, Alexander: Populistisch auf dem Balkan. Die bulgarische Zeitung „24 Stunden“ – Ein Projekt der WAZ. Die Tagespost, 27.6.2002 [www.die-tagespost.de/archiv/titel_anzeige.asp?ID=627]. Bulgarien: Rechtsradikale bedrohen Journalisten von deutschem Verlag. In: Spiegel Online. Politik, 15.3.2007 [www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,472004,00.html].
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ben eines Parteisprechers die Chefredakteure von zwei WAZ-Zeitungen in dem BalkanLand wegen Verleumdung verklagt. Dabei handelt es sich um die Wochenzeitung „168 asa“ („168 Stunden“) und die Tageszeitung „24 asa“ („24 Stunden“), wie der Sprecher in Sofia sagte. Hintergrund ist ein innenpolitisch umstrittener Beitrag in beiden Zeitungen, der laut Ataka „nicht bestätigte“ Angaben enthalten. Aus Protest gegen den umstrittenen Artikel hatten Anhänger von „Ataka“ am 23. Februar die Redaktionsräume beider WAZ-Ausgaben in Sofia gestürmt. WAZ-Sprecher Rudas erklärte in Wien, die Verlagsleitung mische sich nicht in redaktionelle Inhalte und innenpolitische Auseinandersetzungen ein, solidarisiere sich aber uneingeschränkt mit den Redakteuren: „Für uns steht fest: Dies ist keine Art, wie man mit freien Medien umgeht. Dies ist massiv abzulehnen, egal aus welchem Grunde eine solche Intervention geschieht“. Die Essener Verlagsgruppe hat den Angaben zufolge mittlerweile gemeinsam mit der südosteuropäischen Medien-Organisation „SMEE“ das bulgarische Innenministerium verständigt und die verantwortlichen europäischen Institutionen informiert. Die „Ataka“-Partei habe inzwischen ihre Aktivitäten ausgedehnt und auch den griechischen Inhaber eines bulgarischen TV-Senders auf antisemitische und ausländerfeindliche Weise angegriffen. Die WAZ-Gruppe forderte die bulgarische Politik auf, gegen die Verant-wortlichen der Attacken vorzugehen. Die Verlagsgruppe beschäftigt in Bulgarien bei den drei Zeitungen „24 asa“, „168 asa“ und „Dneven Trud“ sowie kleineren Fachzeitungen nach Angaben Rudas’ rund 250 Mitarbeiter. Die „Ataka“-Partei war in der Vergangenheit immer wieder mit Hetzparolen gegen Türken und Roma aufgefallen. Bei der Präsidentenwahl im Oktober 2006 kam ihr Vorsitzender Volen Siderov auf 25 Prozent der Stimmen, mußte sich aber dem mit 75 Prozent wiedergewählten Amtsinhaber Georgi Parvanov deutlich geschlagen geben. Der Übergangs-prozess hin zu demokratischen und marktwirtschaftlichen Verhältnissen ist in sämtlichen Bereichen deutlich spürbar, auch und besonders in den Medien115.
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Bulgarien verfügt über eine Vielzahl sowohl staatlicher als auch privater Radio- und Fernsehsender. Es existiert eine vielfältige Presselandschaft. Auf 8,5 Mio. Einwohner kommen ca. 60 lokale Radiosender, 6 private Fernsehsender (terrestrisch) und zahlreiche Tv-Sender via Kabel. Nahezu jede politische oder unpolitische Organisation vertreibt eine eigene Zeitung. Die Medien erfreuen sich in Bulgarien seit jeher einer großen Aufmerksamkeit. In der neuen Verfassung wurde das Recht auf Rede- und Meinungsfreiheit festgeschrieben. Seither erscheinen immer wieder neue private Zeitungen, die wichtigste ist die Tageszeitung „24 asa“ („24 Stunden“). Aber auch die Wirtschaftskrise wirkte sich auf die Medienlandschaft aus. Die gestiegenen Preise für Druck und Materialien ließen die Preise für eine Tageszeitung enorm ansteigen. Trotzdem kauften die meisten der Bulgaren während dieser Zeit oft mehr als nur eine Zeitung am Tag. Rundfunk und Fernsehen sind vorwiegend noch in staatlicher Hand. Seit Ende 1992 entstanden jedoch zahlreiche private Radiosender mit lokalem Einzugsgebiet. Als erster ausländischer Sender erhielt „Voice of America“ im November 1992 eine Sendelizenz. Im Januar 1993 wurde dann der Grundstein für die heute erfolgreichste bulgarische Radiokette, „Darik-Radio“, in Sofia gelegt. Sender wie „Radio Free Europe“ und die „Deutsche Welle“ folgten. Gleichzeitig entstanden auch die ersten privaten Fernsehsender. Die Medien wurden immer deutlicher zum wirtschaftlichen Faktor und funktionierten mehr und mehr nach marktwirtschaftlichen Gesetzen. 1996 wurde auf Druck der EU das erste post-kommunistische Mediengesetz verabschiedet. Ein „Nationaler Rat für Radio und Fernsehen“ (NRRF) wurde gegründet, der die Medienlandschaft staatlich kontrollierte. Im November 1996 wurden die Passagen des Gesetzes jedoch für mit der Verfassung nicht vereinbar erklärt. Der journalistische Stil der Parteizeitungen setzt sich bis heute in gewohnter Weise fort: Geschrieben wird das, was der jeweiligen Partei nützt. Ende 1998 hatte die Union der demokratischen Kräfte (UDK) ein neues Mediengesetz vorgelegt, welches die Entwicklung des Radio- und Fernsehmarktes in geordnete Bahnen lenken sollte. Durch die neue gesetzliche Grundlage hat sich für zahlreiche elektronische Medien, die bis dahin in einer gesetzlichen Grauzone agierten, die Situation geändert. Einige der TV-Sender verloren ihre Existenzgrundlage. Die deutsche Zeitungsgruppe WAZ übernahm 1996 die beiden größten bulgarischen Verlagsunternehmen „168 Casa“ und „Media Holding“. Investitionen in Höhe von ca. 50 Mio. DM sicherten den Fortbestand der zwei auflagenstärksten Zeitungen „24 Casa“ („24 Stunden“) und „Dneven Trud“ („Tagesarbeit“). Die meisten der
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Jedoch hat der Medienmarkt in Bulgarien mit einigen Problemen zu kämpfen, die Situation ist aber so positiv wie nie zuvor. Die Freiheit der Medien ist gesetzlich festgeschrieben und die Professionalität in der privaten Wirtschaft ist im Wachsen begriffen. Eine breite Palette an Druckerzeugnissen – über 200 Zeitungen und Zeitschriften – decken viele Interessengebiete ab, mehr als 100 private Radiosender und über 20 private TV-Programme kämpfen überwiegend auf lokaler Ebene gegen die landesweite Vormacht der immer noch staatlichen Übermacht von BNR (Bulgarian National Radio) und „BNT“ (Bulgarian National Television). Ein neues Mediengesetz soll für eine bessere Regulierung sorgen, wobei vorgesehen ist, demnächst den ersten privaten Fernsehanbieter zu lizensieren. Doch auch auf dem Hörfunkmarkt werden durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen einige Veränderungen erwartet. Die bisher staatlichen Sender von „BNR“ und „BNT“ sollen zu öffentlich-rechtlichen Medienanstalten übergehen, ohne von der jeweils regierenden Mehrheit beeinflusst zu werden und die neu fest geschriebenen Lizensierungsverfahren werden die Existenz sämtlicher illegaler und unautorisierter Radio- und TV-Anbieter in Frage stellen. Um den Anforderungen des modernen Journalismus gerecht zu werden, sind viele Radio- und Fernsehsender auf der Suche nach westlichen Partnern, denn die technische Weiter-entwicklung erfordert einen hohen finanziellen Aufwand und bei der Neuorganisation des Marktes kann ausländisches Know-how nur von Vorteil sein. Daher kooperieren bulgarische Medienunternehmen zunehmend mit ausländischen Organisationen und Fachleuten, um von ihren Erfahrungen zu lernen. Wichtig sind dabei die zahlreichen Verbände, zu denen sich die entsprechenden Medien zusammengeschlossen haben. Die Vereinigung der bulgarischen Privatradios (ABBRO) organisiert so beispielsweise monatliche Fortbildungskurse mit erfahrenen Referenten. Neben den amerikanischen Spezialisten ist natürlich auch deutsches Know-how gefragt, denn Deutschland wird von vielen Bulgaren nicht nur als Geldgeber gesehen, sondern vielmehr als ein wichtiger Berater: „Die meisten Bulgaren sind Deutschen gegenüber positiv und traditionell freundschaftlich eingestellt. Doch mit reinem Sachverstand allein kann man auch in Bulgarien keine Kontakte und Geschäfte machen. Menschlichkeit im Geschäftsverkehr ist ein wichtiges Kriterium für den Erfolg, für Vereinbarungen.“ Ein wichtiger Impuls zur Weiterentwicklung der elektronischen Medien wird durch die Privatisierung des bisherigen Telekommunikationsmonopolisten „BTK“ erfolgen. Eine notwendige Modernisierung des Telekommunikations-netzes bietet dann auch den Radiound TV-Anbietern neue und bessere Möglichkeiten, nicht nur für die Programmverbreitung, sondern auch für den Produktionsprozess. „Medienfreiheit und Pluralismus sind trotz negativer Gegentendenzen die wichtigsten Charakteristika auch der bulgarischen Medienlandschaft geworden. Die Hauptbedingung der weiteren Entwicklung im Medienbereich für die Überwindung aller zeitweiligen negativen Erscheinungen ist, dass Bulgarien konsequent weiter den Weg des Ausbaus von Marktwirtschaft und Demokratie geht.“ Gerade im
bulgarischen Zeitungen kämpfen auch heute noch mit Finanzierungsproblemen. Die 1898 gegründete Nachrichtenagentur BTA (Bulgarska Telegrafna Agenzia) ist nach wie vor die zentrale Nachrichtenagentur des Landes und durch staatliche Einflussnahme gekennzeichnet. Das Gleiche gilt auch für die als öffentlichrechtlich bezeichneten Medien BNR (Radio) und BNT (Fernsehen). Ein Grund dafür liegt auch in der schlechten finanziellen Situation der Anstalten. Viele Radio- und Fernsehsender sind auf der Suche nach westlichen Partnern, um den Anforderungen des modernen Journalismus gerecht werden zu können. Neben der finanziellen Unterstützung für die technische Weiterentwicklung kann auch das Know-How für die Neuorganisation des Medienmarktes von Vorteil sein. Neben den amerikanischen Spezialisten ist in Bulgarien besonders deutsches Wissen gefragt.
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Zuge der neuen mediengesetzlichen Bestimmungen und der hohen Erwartungen der wirtschaftlichen Entwicklung kann Bulgarien als interessanter Standort für ausländische Investoren gelten.
8.3
Radio und Fernsehen in Bulgarien
Geschichtlich bedingt, durch die 500-jährige osmanische Besatzung, kamen die ersten bulgarischen Presseerzeugnisse im Vergleich zu anderen europäischen Ländern erst sehr spät auf, Ende des 19. Jahrhunderts. Nach dem Zweiten Weltkrieg sorgte die kommunistische Einparteienregierung für eine langjährige Stagnation auf dem Medienmarkt. Die Macht der Medien lag während dieser Zeit in den Händen des kommunistischen Zentralkomitees. Staatliche Presseorgane und staatliches Radio- und Fernsehen bestimmten die mediale Ideologisierung. Schon rasch nach der politischen Wende entwickelte sich der private Mediensektor sehr zügig, erste demokratische Zeitungen erschienen noch 1990 und zahlreiche Radiosender wurden ab 1992 lizensiert. Heute erscheinen in Bulgarien weit über hundert Zeitungen und Zeitschriften, in jeder Stadt ist mindestens ein privates Radio zu empfangen, und zirka ein Dutzend terrestrische und mehrere Dutzend Kabelsender kämpfen auf dem Fernsehmarkt um die Gunst der Zuschauer. Konnten die Bulgaren bis Anfang der 1990er Jahre nur zwischen dem ersten und dem zweiten Programm des staatlichen Fernsehens wählen, werden sie seit 1992 mit Dutzenden Fernsehprogrammen förmlich überflutet, die fremdsprachigen Programme über Satellit nicht mitgerechnet. 1992 gab es einen regelrechten Boom neuer, privater Rundfunksender. Viele begannen damals wegen der schwierigen und langsamen Lizenzprozedur als Piratensender. Heute gibt es kaum eine bulgarische Stadt, und sei sie noch so klein, ohne einen eigenen, kleinen privaten Lokalsender. In den Großstädten gibt es dafür kaum noch freie UKW-Frequenzen. Die große Mehrheit dieser Sender setzt auf das Schema „Musik, Werbung, noch mehr Musik und ein wenig Information“ und kommt damit den Interessen der zumeist jungen Hörerschaft entgegen. Nur in den großen Städten und zum Teil überregional haben sich einige Sender mit Musik profiliert (Klassik FM, Jazz FM etc.). Im Informationsbereich dominiert immer noch der öffentlich-rechtliche Bulgarische Nationale Rundfunk „BNR“ [www.bnr.bg]. Der „BNR“ hat drei nationale Programme: „Horizont“ ist ein 24-stündiges Informations- und Musikprogramm. „Hristo Botev“ ist ein Non-Profit-Programm für Kultur und Bildung. Radio „Bulgaria“ strahlt Sendungen in zehn Sprachen für hundert Länder aus. „BNR“ hat außerdem sechs Regionalzentren, die eigene Programme senden, in den Städten Varna, Plovdiv, Stara Zagora, Šumen, Blagoevgrad, und seit September 2007 sendet „Radio Sofia“ auch ein 24-Stunden Programm. „BNR“ hat auch einen Parlaments-Kanal, der viermal pro Woche die Sitzungen der Bulgarischen Volksversammlung live überträgt. Das Inlandsprogramm „Horizont“ hat mit Abstand die höchsten Einschaltquoten. Eine Ende Oktober 2008 vorgenommene Studie des Nationalen Zentrums zur Erforschung der öffentlichen Meinung zeigte, dass nicht nur das Ansehen der öffentlich-rechtlichen Medien in Bulgarien gestiegen war. Der Bulgarische Nationale Rundfunk verzeichnete zudem ein Wachstum von sechs Prozent im Vergleich zum Monat September des Vorjahres, und genoß das Vertrauen von 65 Prozent der Bulgaren. Aber auch hier sind aber die privaten auf dem Vormarsch, zum Beispiel das überregionale „Darik-Radio“ [www.dariknews.bg], das sich mit seiner schnellen Berichterstattung bei den Unruhen Anfang 1997, die zum Sturz des Kabinetts Videnov geführt haben, Ansehen erwarb. Während es damals den regieren-
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den Sozialisten gelang, den Nationalen Rundfunk durch massiven politischen Druck vorübergehend mundtot zu machen, berichteten die Reporter von „Darik“ über ihre Handys live vom Schauplatz des Geschehens. Abgesehen davon, dass Informationsmedien wie „Horizont“ und „Darik“ die höchsten Zuhörerquoten erreichen, sind die Musiksender jene Stationen, die populär sind. Der Äther ist mit Musikformaten überfüllt. Dabei fehlt es fehlt an spezialisierten Radiosendern, wie einem Wirtschaftssender. Auch das Nationale Fernsehen „BNT“ [www.bnt.bg], das sein zweites Programm aufgab und dafür über Satellit ein Programm für die bulgarische Diaspora ausstrahlte, bekam nun große Konkurrenz. An erster Stelle im Kampf um die Einschaltquoten steht der terrestrisch ausstrahlende private Sender „bTV“ [www.btv.bg], der dem australo-amerikanischen „Medienmogul“ Rupert Murdoch gehört, und zu dem 2007 außerdem der Kabelkanal „Fox Life“ hinzukam. Auf „bTV“ folgt sofort der erste bulgarische private terrestrisch ausstrahlende Fernsehsender „Nova televizija“ („Neues Fernsehen“, NTV, www.ntv.bg), der bis Juli 2008 dem griechischen Medienkonzern „Antenna“ gehörte und vom schwedischen Medienkonzern „MTG“ gekauft wurde. „BNT“, „bTV“ und „NTV“ konkurrieren mit Nachrichten und Berichten, Sport, Talkshows, Quizsendungen, Filmen und Serien, wobei sich „NTV“ mit dem Kauf der Rechte für die Reality Show „Big Brother“ an die Spitze setzte. „bTV“ holte mit dem internationalen Format „Survivor“ auf, dessen Rechte der Sender 2006 gekauft hatte. Bei allen privaten Sendern dominieren für Massen attraktive Angebote: Serien, inklusive Seifenopern aus Lateinamerika und billige HollywoodProduktionen, außerdem Shows, Quiz-, Musiksendungen und Sport. Dabei berichten die Privaten nur selten über Kultur und Bildung. Kabelsender in kleineren Städten bringen auch oft Lokalnachrichten. In den vergangenen Jahren hat das Bulgarische Nationalfernsehen den höchsten Prozentsatz des Vertrauens aller Institutionen in Bulgarien erhalten. Bei „BNT“ gibt es täglich um 16.10 Uhr eine Viertelstunde Nachrichten in türkischer Sprache für die türkische Minderheit in Bulgarien. Bei den privaten TV-Anstalten ist das Nachrichtenangebot inklusive politischer Berichterstattung immer noch relativ umfangreich, obwohl die Nachrichten stark vom Sensationsjournalismus und Prominentengeschichten geprägt sind. Bei zahlreichen Kabelfernsehsendern beobachtet man das Phänomen der Angebotsmischung aus westlicher Massenkultur und einer aggressiv modernisierten, lokalen Volksmusik („alga“). Außerdem zeigen alle Fernsehsender eine starke Tendenz zur Personalisierung und Skandalisierung bei der Auswahl und Präsentation von politischen Ereignissen. Zu bemerken ist, dass diese Trends ihrerseits immer größeren Einfluss auf die politische Kommunikation im Land ausüben und Voraussetzung zur Anpassung der politischen Akteure an die Regeln dieses Mediensystems sind. Trotz der wachsenden Konkurrenz der Privaten besitzt der staatlichen Rundfunk mit Radio (BNR) und Fernsehen (BNT) nach wie vor eine unbestrittene Monopolstellung, wenn es um die landesweite Verbreitung von elektronischen Medien geht. Sitzt der Staat auf der einen Seite, sind es auf der anderen oft mächtige finanzielle Unternehmungen, die vor allem die elektronischen Medien beeinflussen116. Die Mittel für die neuen Radio- und
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Im Juli 2008 wurden in Bulgarien drei Fernsehsender für insgesamt mehr als 700 Millionen Euro verkauft. Der schwedische Medienkonzern „MTG“ (Modern Times Group) unterzeichnete Ende Juli 2008 einen Vertrag über den Kauf von „Nova TV“ Bulgarien für 620 Millionen Euro. Das schwedische Unternehmen kontrolliert zudem über eine 50 Prozent-Beteiligung an der „Balkan Media Group“ die bulgarische Sendergruppe „Diema“. „Nova TV“ hat einen Marktanteil von 32,4 Prozent am bulgarischen Fernsehmarkt. Kurz vor der Übernahme von „Nova TV“ gab die US-amerikanische „Central European Media Enterprises“ (CME), an dem Estée Lauders Sohn Ronald Lauder beteiligt ist, den Erwerb von Mehrheitsbeteiligungen an zwei bulgarischen
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Fernsehprogramme entstammen nicht selten aus Kreisen der ehemaligen Nomenklatura oder aus Firmen von Exilbulgaren. Das Sofioter „Radio Express“ ist zum Beispiel Teil eines Multimedia-Konzerns, zu dem noch eine gleichnamige Tageszeitung, eine Werbeagentur und anderes gehören. Hinter dem Plovdiver Sender „CanalCom“, der auch in der Schwarzmeerstadt Varna sendet, steht eine Vereinigung von bedeutenden Banken und Handelsunternehmen. Doch neben den Printmedien, dem Hörfunk und dem Privatfernsehen haben sich während der vergangenen zwei bis drei Jahre vor allem der Werbemarkt und der neue Medienmarkt entwickelt. So spielt heute das Internet auch in Bulgarien eine immer wichtigere Rolle. Die elektronischen Massenmedien in Bulgarien zeichnen sich derzeit durch eine sehr schlechte Informationspolitik aus. In den Nachrichtensendungen findet überwiegend die offizielle Politik Beachtung, Themen wie Umwelt, Kultur oder Minderheiten fehlen oft. Trotz des neuen „Gesetzes für Radio und Fernsehen“, das den privaten Sektor entwickeln sollte, wurden bulgarische Journalisten durch die Gesetzgebung in ihrer Arbeit stark behindert. So waren beispielsweise einige Passagen im Strafgesetzbuch heftig umstritten. Dort wird die Verleumdung oder Beleidigung durch Journalisten unter Androhung von Freiheitsstrafen verboten. Auch entschieden die Gesetzgeber, dass in Folge der wachsenden Kriminalität, unter bestimmten Umständen die Informationsquellen preiszugeben sind. Doch auch die oppositionelle BSP (Bulgarische Sozialistische Partei) beklagte beim Verfassungsgericht die neue Gesetzgebung. Geradezu erstaunlich mutet jedoch deren Kritik an, wonach sich „die Anklagen der Opposition hauptsächlich auf die übertriebene Abhängigkeit der Medien von der Exekutive beziehen“. Hatte doch gerade die kommunistische Nachfolgepartei während ihrer Regierungsjahre nach der politischen Wende jene Mittel optimal missbraucht und eine rasche Entwicklung der Medienlandschaft stark gehemmt. Die als öffentlich-rechtlich bezeichneten Medien „BNR“ und „BNT“ waren lange von staatlicher Einflussnahme geprägt, auch die Nachrichtenagentur „BTA“ („Bulgarska Telegrafna Agenzia“) verbreitete nur staatlich genehme Informationen. Zum großen Teil war die staatliche Abhängigkeit dieser Medien in ihrer schlechten finanziellen Lage begründet. Mittel aus der Staatskasse wurden einige Jahre zur Finanzierung von „BNR“ und „BNT“ aufgewendet, bis eine Gebühren-finanzierung dies übernehmen sollte117. Politische Interessen ließen sich so leicht durchsetzen. So unterschiedlich die Finanzierungsquellen der einzelnen Medien sind, die meisten haben mit Problemen zu kämpfen. Immer enger werden die Märkte nicht nur im Pressebereich, sondern vor allem im Hörfunk und neuerdings auch im Kabelfernsehen. Zeitungen und Kabelanbieter finanzieren sich sowohl aus der Werbung
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Fernsehsendern bekannt. CME übernahm jeweils eine 80-Prozent-Beteiligung an „TV2“ und „Ring TV“. „TV2“ ist ein terrestrischer Sender, der erst im November 2007 an den Start ging und landesweit zu empfangen ist, „Ring TV“ ist ein Sportsender und wird über Kabel empfangen. Der Preis für die beiden Sender beläuft sich auf rund 109 Millionen Euro und ging an die „Top Ten Media Holding“ des bulgarischen Unternehmers Krasimir Gergov. Bereits Anfang Juli 2008 wurde die Investmentbank Lehmann Brothers vom Medienunternehmen „News Corporation“, Teil des Imperiums von Rupert Murdoch, damit beauftragt, den „bTV“ auf seinen Wert zu überprüfen. Öffentlich-rechtliche Sender werden hauptsächlich durch Subventionen aus dem Staatsetat und durch eigene Einnahmen aus Werbung und Sponsoring finanziert. Die Gebühren sind immer noch eine problematische Frage in Bulgarien. Gebühren zahlt im Moment niemand. Der geplante Fonds für Radio und Fernsehen sollte durch Monatsgebühren für Hörfunk und Fernsehen, sowie einen Anteil aus den ursprünglichen Lizenzgebühren und den jährlichen Wartungsgebühren der privaten Sender erzielt werden. Die Gebühr sollte zusammen mit den laufenden Stromrechnungen bezahlt werden. Doch dieses Gesetz trat nie in Kraft. Private Sender werden nur aus Werbeeinnahmen finanziert. Werbezeiten sind gesetzlich geregelt: BNT darf 15 Minuten Werbung innerhalb von 24 Stunden ausstrahlen, die privaten Sender 12 Minuten pro Stunde.
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als auch aus dem Verkauf ihrer Erzeugnisse. Die vielen neuen Privatradios müssen dagegen nur mit den Werbeeinnahmen auskommen und das beim derzeitig geringen Werbeaufkommen im Hörfunkmarkt. Der Medienmarkt in Bulgarien zeichnete sich nach 1989 durch eine große Turbulenz aus, wobei eine geordnete Entwicklung der Strukturen lange auf sich warten ließ. Als eines der letzten Länder Osteuropas wurde schließlich 1996 unter dem Druck der Europäischen Union in Bulgarien das erste Rundfunkgesetz eingeführt. Darin wurde unter anderem festgelegt, dass ein Nationaler Rat für elektronische Medien gegründet werden soll. Dieser Rat entscheidet heute über die Vergabe von Frequenzen und Lizenzen für Radio- und Fernsehsender118. Das Rundfunkgesetz wurde jedoch schon kurz darauf aufgrund unzureichender und strittiger Regelungen wieder außer Kraft gesetzt. Ende 1998 legte die SDS-Regierung ein neues Mediengesetz vor, das die Entwicklung des Radio- und Fernsehmarktes in geordnetere Bahnen lenken soll. Da zahlreiche elektronische Medien bisher in einem gewissen gesetzlichen Freiraum agierten, sollte sich hier in den kommenden Jahren einiges ändern. Der Radio- und Fernsehmarkt (speziell Kabel-TV) erfuhr eine Bereinigung; außerdem war klar, dass der Werbemarkt nicht genug Mittel für die zahlreichen Radio- und TV-Sender freimachen kann, und drittens wurden einige Stationen, die bisher als Piratensender wirtschafteten, durch die neue Gesetzgebung ihrer Existenzgrundlagen beraubt. Ein weiteres Problem ist der Druck, den weniger die Politik auf die Medien ausübt als politisch instrumentalisierte Sender. Ein Vorfall in den Medien Bulgariens bewirkte, dass sich so mancher Journalist fragte, ob ein Land, das Kopfgelder auf Wissenschaftler aussetzt, nicht näher am Mittelalter sei als an der Europäischen Union. Jeden Mittwoch und jeden Donnerstag, um sechs Uhr abends, rief nämlich im Oktober 2007 der bulgarische Sender „Skat TV“ seine Zuschauer auf, ein Photo und die Adresse der Kunsthistorikerin Marina Baleva einzusenden – für eine Belohnung von 2.500 Lewa, umgerechnet 1.250 Euro. „Skat TV“ gehört der rechtsradikalen Partei „Ataka“, die im Internet die Aufzeichnung einer Wahlveranstaltung zeigte, die den Aufruf des Senders noch verschärfte. Baleva, heißt es da, gehöre „aufs Schafott“, ihr Kollege Ulf Brunnbauer, der „deutsche Jude“, „auf den Pfahl“119. Für Martina Baleva war die Hetze, die der rechtsradikale Sender gegen sie und ihren Kollegen veranstaltete, beide Wissenschaftler am Osteuropa-Istitut der Freien Universität Berlin, ein riesiges Mißverständnis. Im Haus ihrer Eltern hatten Fanatiker sogar Mordaufrufe an die Wände gesprüht, Stockwerk für Stockwerk. Auslöser war eine Ausstellung und eine Tagung, die die beiden Wissenschaftler für das Frühjahr 2007 geplant hatten.
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Sieben seiner Mitglieder werden vom Parlament, zwei vom Ministerpräsidenten und weitere zwei vom Staatspräsidenten vorgeschlagen. Gewählt werden sie für sechs Jahre. Derzeit sind für alle Medien in Bulgarien gemäß dem Gesetz für Hörfunk und Fernsehen die Prinzipien der Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit gültig. Es gibt keine Zensur, egal in welcher Form. Die Programme der öffentlich-rechtlichen Sender dürfen nur Sendungen aufnehmen, die informieren, bilden und unterhalten. Sie müssen auch einen Zugang aller Zuschauer zum nationalen und europäischen kulturellen Erbe sichern. Private Sender dürfen alles ausstrahlen, was dem Gesetz nicht widerspricht. Die staatlichen Subventionen werden für National- und Regionalprogramme verwendet und vom Ministerrat gebilligt. Berechnet werden sie aufgrund eines Einstundensatzes. Gemäß Art. 71 Abs. 2 des Rundfunkgesetzes bekommt das Bulgarische Nationalfernsehen (BNT) mindestens 10 Prozent der Subventionen des Staates und des Fonds „Radio und Fernsehen“ für bulgarische Fernsehproduktion. Mindestens 10 Prozent der jährlichen Programmzeit, das schließt die Nachrichten, Sportsendungen, Radio- und TV-Spiele sowie die Werbezeit aus, müssen Berichte von fremden Autoren über Europa sein. [Vgl.: Medienlandschaft Bulgarien – elektronische Medien, www.wieninternational .at/de/node/11785]. Vgl. Zekri, Sonja: Die Barbaren von Batak. Schafott oder Pfahl: Bulgarische Nationalisten bedrohen zwei Kunsthistoriker, die die Geschichte eines Gemäldes untersuchen. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 239, 17. Okt. 2007, S. 13.
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Thema sollte ein Gemälde des polnischen Malers Antoni Piotrowski aus dem Jahre 1892 sein, das das „Massaker von Batak“ darstellt. Im Jahr 1876 hatten muslimische Bulgaren an ihren christlichen Nachbarn in der Stadt Batak ein Massaker verübt. Am Lokalkonflikt stellte der Maler den Schicksalkampf des bulgarischen Volkes gegen die osmanische Tyrannei dar. Was daran Ereignis ist, was Mythos, darüber wollten Baleva und Brunnbauer diskutieren. Vor der Ausstellung in Bulgarien brach eine Welle des Hasses los. Staatspräsident Georgi Parvanov nannte das Projekt eine „schlimme Provokation“, weil es das Massaker leugne. Brunnbauer stritt das ab. Es sei nur darum gegangen, die „nationalistische Deutung des Ereignisses“ zu diskutieren. Doch weil sich die sozialistische Partei damals mitten im Wahlkampf befand und den Rechten Stimmen abjagen wollte, sei man an solchen Nuancen nicht interessiert gewesen, meinte Brunnbauer. Der Direktor des Nationalmuseums, Bošidar Dimitrov, meinte, die Ausstellung sei von der Türkei bezahlt, um die osmanische Periode in einem besseren Licht erscheinen zu lassen und den Beitritt der Türkei vorzubereiten. Dieser Vorwurf, Europa versuche die Geschichte der osmanischen Herrschaft über den Balkan ‚weißzuwaschen’, ist allenthalben in jenen Ländern Südosteuropas zu hören, die jahrhundertelang unter dieser Herrschaft gelitten haben, nicht nur in Bulgarien. Der Aufruhr in den bulgarischen Medien legte sich irgendwann. Die Boulevardpresse ließ das Thema ruhen. Hunderte bulgarische Wissenschaftler unterzeichneten sogar eine Solidaritäts-erklärung. Baleva meinte, sie sei ihren Diffamierern insofern dankbar, als sie der breiten Öffentlichkeit ein Lehrstück im politischen Mißbrauch der Historie erteilt hätten: Acht Millionen Bulgaren wüssten heute, dass es zwei verschiedene Begriffe von Mythos gibt: als Märchen und als Konstruktion historischer Wirklichkeit. Die Wirklichkeit bzw. die Zukunft der bulgarischen Medien stellt sich für die nächste Zeit so dar: der bulgarischen Radio- und Fernsehlandschaft steht die Digitalisierung bevor, die für 2012 geplant ist120. Lizenzierungs- und Registrierungsverfahren sollen verändert werden, um mehr Transparenz in die Fernsehlandschaft zu bringen. Der Werbemarkt soll erweitert werden, denn aufgrund von rechtlichen Beschränkungen gibt es noch keine große Zusammenarbeit zwischen Medien- und Werbebranche.
8.4
Zeitungen, Zeitschriften und Nachrichtenagenturen
Nach dem Sturz des Einparteienregimes änderte sich die Situation schlagartig. Schon Anfang 1990 erschienen die ersten demokratischen und kommerziellen Zeitungen. In der neuen Verfassung vom Juli 1991 wurde die Rede- und Meinungsfreiheit festgeschrieben und der rechtliche Grundstein für freie Medien gelegt. Es gab daraufhin eine regelrechte Explosion von privaten Tageszeitungen. Und wenn sich auch viele von ihnen als Eintagsfliegen erwiesen, geht die Zahl der Tages- und Wochenzeitungen sowie der Magazine in Bulgarien mittlerweile in die Hunderte. Die große, traditionsreiche Zeitung Bulgariens ist die „Narodna Volja“ („ * > ! “), der „Volkswille“, deren Name schon auf die Ursprünge in den Zeiten des mazedonischen nationalen Aufbruchs Ende des 19. Jahrhunderts hinweist
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Bulgarien besitzt momentan vier terrestrische und mehr als 340 Kabelsender. Es gibt drei Schlüsselgruppen: „bTV“ der „Balkan News Corporation“ Rupert Murdochs, das im Herbst 2000 startete, „Nova TV“, das 1994 als erstes Privatfernsehen in Sofia auf Sendung ging, und der einzige öffentlich-rechtliche Fernsehsender „BNT“.
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[www.makedonika.org/html/narodna_volja.html]. Ihr Name soll an die Zeitung erinnern, die der große mazedonische Befreier und Revolutionär Jane Sandanski mit seinen Mitkämpfern herausgegeben hatte. Die 1980 gegründete neue Version der Zeitung war ursprünglich war der „Volkswille“ eine Zeitung für Geschichte, Kultur und Kunst, die in Pirin-Mazedonien und auch in der Republik Bulgarien erschien, sowohl in mazedonischer als auch in bulgarischer Sprache. Die erste Nummer erschien am 1. November 1980 im australischen Sydney, denn die Gründer der Zeitung waren mazedonische Emigranten, vor allem aus Pirin-Mazedonien, jenem Teil Mazedoniens, der an Bulgarien gefallen war. Der erste Chefredakteur war Aleksandar Hristov (1929-2005), der später mit der Redaktion von Sydney nach London umziehen sollte. Mit dem Sturz des bulgarischen Diktators Todor Živkov 1989 wuchs die Hoffnung auf eine Demokratisierung nicht nur der bulgarischen Gesellschaft, sondern auch auf eine Besserung der Verhältnisse in Pirin-Mazedonien. Daher beschlossen auch die Gründer der Zeitung, es sei an der Zeit, um in die Heimat zurückzukehren. 1992 erschien die erste Nummer am neuen Sitz der Zeitung, in Blagoevgrad, wobei auch der Chefredakteur wechselte, der nun Georgi Hristov hieß und der Bruder des Amtsvorgängers war. Bis zum heutigen Tag erscheint die Zeitung an diesem Ort und ist als bulgarische Zeitung registriert. Sie hatte aber immer wieder auch mit Aktionen der Polizei und poliitschem Druck zu kämpfen, der sogar im Einzug einiger Nummern gipfelte. Internationale Proteste, auch und vor allem vor dem Beitritt Bulgariens zur Europäischen Union, führten dazu, daß der bulgarische Staat sich nicht weiter in Redaktionsangelegenheiten einmischte. Die einzige Abendzeitung des Landes ist der „Nošten Trud“. Zu den neueren zählt „24 asa“, die Wirtschafts- und Finanzzeitung „Pari“ [www.pari.bg], und das wöchentlich erscheinende Wirtschaftsmagazin „Kapital“ [www.capital.bg], das als Beilage zur Tageszeitung „Dnevnik“ erscheint und mit fundierten Analysen und Berichten überzeugt. Daneben hat es „Tema“ [www.temanews.com] geschafft, sich als kompetente politische und gesellschaftliche Wochenzeitschrift zu etablieren. Die wichtigsten überregionalen Tageszeitungen sind heute der „Standart“ [www.standartnews.com], der konservative „Novinar“ [www.novinar.net], „Sega“ [www.segabg.com] und „Duma“ [www.duma.bg]. Letztere wurde 1990 gegründet und war damit das erste nach dem Rücktritt der kommunistischen Regierung gegründete Printmedium Bulgariens. Die meistgelesenen Zeitungen sind „Trud“ mit 30,6 Prozent, „24 asa“ mit 25,2 Prozent, „Standart“ mit 9,1 Prozent sowie „Telegraf“ mit 5,9 Prozent. Den Markt der Monatsmagazine beherrschen die üblichen internationalen Hochglanzmagazine wie „Elle“, „Cosmopolitan“, „Grazia“ oder die Männermagazine „Playboy“ und „Maxim“, wobei es aber auch Eigenprodukte wie „Ženata dnes“ und „Eva“ gibt. Momentan konkurrieren auf dem bulgarischen Medienmarkt über vierzig Frauenmagazine miteinander. Ende 2007 kamen die italienische Zeitschrift „Amica“ und die „Madame Figaro“, im Oktober 2008 der amerikanische „Harper’s Bazar“ hinzu. Die Sofioter Nachrichtenagentur heißt „Novinite“ [www.novinite.com]. Zudem gibt es Magazine in englischer und deutscher Sprache wie den „Daily Chronicle“ oder das „Bulgarische Wirtschaftsblatt“ [www.wirtschaftsblatt-bg.com]. Die Medienlandschaft ist in Bulgarien auf den ersten Blick lebendig. Doch gab es auch dort in den Jahren nach dem Ende des Kommunismus ähnliche Transformationsprobleme wie in den anderen post-sozialistischen Gesellschaften Südosteuropas121. Die totale Über-
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Vgl. z.B.: Lilov, Emiliyan: „Viele Zeitungen bedienen die Regierenden oder die Wirtschaft“. Die Medienlandschaft in Bulgarien 17 Jahre nach der Wende
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wachung der Medien während der kommunistischen Diktatur gab es nicht mehr, aber nach wie vor herrschten Manipulation und das Bedienen von politischen und wirtschaftlichen Interessen. Es handele sich nicht, wie Kalin Manolov, Journalist und Vorsitzender der Nichtregierungsorganisation „Bulgarische Gesellschaft für individuelle Rechte“, meinte, um eine „Konspiration gegen die Demokratie“. Dennoch war es besorgniserregend, daß viele Zeitungen die Regierenden oder die Wirtschaft bedienten. Diese Medien hätten keine Ahnung, welche neue Mission sie in der neuen demokratischen Gesellschaft haben. „Und wenn man bedenkt, dass die Rede von den meisten bulgarischen Medien ist, dann müssen wir uns recht große Sorgen machen. Wenn am Anfang der Demokratie das Wort war, und wenn das Wort ständig Schutz braucht heute in Bulgarien, dann ist auch die Demokratie hierzulande krank.“ Ein ganz anderes Fass machte der Direktor der Bulgarischen Medienkoalition, einem landesweiten Zusammenschluß von Journalisten und Medienexperten, Dimitar Sotirov, auf. Er kritisierte die Tatsache, daß in den letzten fünf Jahren keine neuen Rundfunklinenzen vergeben wurden. Das ist eigentlich Aufgabe des staatlichen Rates für elektronische Medien. „Das heißt, daß dieses Gremium fünf Jahre lang nicht imstande gewesen war, seine Grundfunktionen zu erfüllen.“ Die gestoppte Neulizenzierung hatte drei Folgen: Sie führte erstens zur Stagnation des Medienmarktes, zweitens zur Entstehung vieler neuen Kabelbetreiber (Radio und Fernsehen), die keine Lizenz brauchen, sondern nur registriert werden; und drittens kamen viele ausländische Investoren nach Bulgarien, um heimische Medien zu übernehmen. Besonders stark wirkte sich dies auf den Printmarkt aus. So sind die zwei größten bulgarischen Zeitungen „Trud“ und „24 asa“ („24 Stunden“) seit 1996 in deutschen Händen (im Besitz der WAZ), und die deutsche Verlagsgruppe „Handelsblatt“ hält fünfzig Prozent am zweitgrößten Zeitungsherausgeber in Bulgarien „Economedia“. Ausländische Eigentümer hat auch der führende Verlag für Business- und ITFachzeitschriften in Bulgarien: er ist zu hundert Prozent Eigentum des amerikanischen Herausgebers „IDG“ („International Data Group“). Der Ansturm ausländischer Investoren ist an und für sich etwas sehr Positives, aber nach der Besitzübernahme hätten viele der neuen Eigentümer den Medien ein neues Profil gegeben. Ein Beispiel dafür ist Radio „Nova Evropa“, der Rechtsnachfolger von „Radio Free Europe“ in Bulgarien nach der Einstellung des bulgarischen Programms des amerikanischen Senders. Sein neuer ausländischer Eigentümer hat den Nachrichten- und Informationssender geschlossen und an dessen Stelle ein rein musikalisches Projekt unter dem Namen „Z-Rock Radio“ gestartet. Man kann jedoch nicht bestreiten, dass die Internationalisierung des Medienmarktes in Bulgarien auch mehr Geld ins Geschäft gebracht hat. So rechnete die bulgarische Vereinigung der Werbeagenturen mit einer Zunahme des Werbeetats im Jahr 2007 um 20 Prozent. 2006 erreichten die ausgegebenen Summen für Werbung in den Medien bereits 80 Millionen Euro. Es gibt kaum noch eine bulgarische Zeitung, einen Rundfunksender oder eine Fernsehanstalt ohne eigene Homepage. Hinzu kommen immer mehr reine Internet-Ausgaben: epapers, e-zines und Internet-Radios. Viele der Zeitungen können kostenlos online gelesen werden. Dagegen bieten Massenzeitungen häufig nur einen kosten-pflichtigen Zugang. So ist die Zeitung „Kultura“ ohne Einschränkungen im Internet zu lesen, während etwa „24 Tschassa“ oder „Trud“ ein Passwort verlangen. Als das politisch unabhängigste Medium gilt auch in Bulgarien das Internet. Besonders seit dem Jahr 2000 haben immer mehr der
[www.dradio.de/dlf/sendungen/marktundmedien/603190/].
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bulgarischen Medien und Medienmacher das Internet entdeckt122. Insgesamt gesehen ist ein privater Internetzugang aber immer noch tendenziell elitär. Bulgarien liegt mit einer landesweiten Nutzung von lediglich 19 Prozent an letzter Stelle unter den EU-Ländern. Die amtliche Bulgarische Nachrichtenagentur „BTA“ [www.bta.bg] ist die älteste Nachrichtenagentur Bulgariens. Sie wurde 1898 gegründet. Die normative Grundlage der „BTA“ ist ihr Statut, das 1994 vom bulgarischen Parlament gebilligt wurde. Der Generaldirektor der Nachrichtenagentur wird vom Parlament gewählt. „BTA“ finanziert sich über den Verkauf von Informationsprodukten, aus Werbeeinnahmen sowie aus staatlichen Subventionen. Die staatlichen Zuschüsse, die 10 bis 15 Prozent betragen, werden in die Technik investiert. Das Internet brachte mit diversen Online-Nachrichtenagenturen auch der amtlichen Nachrichtenagentur Konkurrenz. Zu nennen wären unter anderen „BGNES“ [www.bgnes.com], die Informationsagentur „Focus“ [www.focus-news.com], „Sofia press“, „bulPhoto“ [www.bulphoto.com]. Sie sind in der Regel schneller, jedoch nicht immer so zuverlässig wie die etablierte und seriöse „BTA“.
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Webbasierte Angebote wie www.mediapool.bg haben ein kontinuierlich hohes Prestige unter dem gebildeten Publikum. Andere renommierte Internetseiten sind www.news.bg, www.vsekiden.com, www.novinite.com, www.dnes.bg und www.netinfo.bg. Seit März 2007 funktioniert das Internetportal www.radar.bg, das mit der Deutschen Welle kooperiert und als hochqualifiziert gilt. 2006 erschien sogar ein orthodoxes Internet-Radio [www.ruenmanastir.com]. Die Konservativität, die mancher an der bulgarisch-orthodoxen Kirche kritisiert, hindert sie offenbar nicht daran, sich die modernen Kommunikationstechniken zunutze zu machen.
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9.
Albanien: der mediale Nachzügler
Später als in anderen europäischen Transformationsländern hat sich in Albanien eine plurale Medienlandschaft entwickelt123. Erst nach den bürgerkriegsähnlichen Unruhen von 1997 konnten überall im Lande private Hörfunk- und Fernsehstationen legal entstehen. Vereinzelte Versuche privater Radio-Gründungen waren in der Berisha-Zeit meist schnell niedergeschlagen worden, obwohl es Ansätze zu Piraten-Sendern, vor allem in Vllora, durchaus gab. Nur der Sender „TV Shijak“, ein privater TV-Kanal in der Ortschaft Shijak bei Tirana, war bereits 1997 gegründet und geduldet worden. Dieser Sender existiert bis heute und steht im Grunde der Demokratischen Partei („Partia Demokratike“, PD) nahe. Shijak ist eine PD-Hochburg, in der sich viele reiche Albaner der Berisha-Zeit niedergelassen haben. Die lange Zeit schwierige Lage der Medien in Albanien ist auch der Grund, warum „RTSH“ („Radio Television Albanien“) als regierungsnaher Staatssender sich einer komfortablen Monopolstellung erfreut. Notwendige Reformprogramme, Verschlankung, inhaltliche und technische Modernisierung, blieben trotz vielfacher Direktoren-Wechsel aus. Einzig die Auslandssender (Deutsche Welle, BBC, Voice of America u.a.) bildeten in dieser Zeit eine programmliche Alternative, weshalb sie unter starker Kritik der Regierung standen. Die durch die berüchtigten Pyramidensysteme ausgelöste Finanzkrise führte Anfang 1997 zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen und zur Verhängung des Ausnahmezustands, was die Lage jedoch nicht beruhigen konnte. Nach dem viel zu spät erfolgten erzwungenen Rücktritt der Regierung unter Aleksander Meksi berief Berisha den Sozialisten Bashkim Fino zum Premier einer breit abgestützten Übergangsregierung. Mitte 1997 gewannen die Sozialisten die Neuwahlen und Berisha gab seinen Rücktritt bekannt. Auch nach der erneuten Wahlschlappe von 2001 blieb Berisha Oppositionsführer. Von 1997 bis 2005 war er Mitglied des albanischen Parlaments. Bei den Parlamentswahlen im Juli 2005 führte er seine Partei, unter anderem mit Hilfe amerikanischer Berater, die auch für George W. Bush gearbeitet hatten, zum Sieg. Nachdem das offizielle Wahlresultat lange auf sich hatte warten lassen, wurde er im September 2005 Ministerpräsident. Bei den Parlamentswahlen vom Juni 2009 erreichte Berishas Demokratische Partei erneut die Mehrheit und ging nebst anderen eine Koalition mit der Partei „Lëvizja socialiste për integrim“ („Sozialistische Bewegung für Integration“) unter der Führung von Ilir Meta ein. Sali Berisha hatte sich unter der Hoxha-Diktatur als Parteisekretär eine Apathie gegen die freien Medien zu eigen gemacht, die 2009, als er erneut die Regierung übernahm, wieder zum Vorschein kam, zumal gegen eine unabhängige Zeitung, die ihn unterstützt hatte, als er kurzzeitig in der Opposition gewesen war. Mit zweifelhaften Mitteln versuchte die albanische Regierung, das weitere Erscheinen der kritischen Zeitung „Tema“ zu verhindern. Doch deren Chefredakteur leistete Widerstand. Das Auto von Chefredakteur Mero Baze wurde Ende Dezember 2009 in Brand gesetzt, Anzeigenkunden wurden vor weiteren Inseraten gewarnt, ja selbst bewaffnete Polizeikräfte umzingelten das Redaktions-gebäude. Chefredakteur Mero Baze konnte nur mit Gewalt in sein Büro eindringen, die Journalisten, die im Gebäude waren, durften dieses bis in die späten Abendstunden nicht verlassen. Der Innenminister berief sich dabei auf eine Anordnung von Premier Sali Berisha und die einseitige Aufkündigung eines vor zwanzig Jahren abgeschlossenen Mietvertrags für das Re-
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Feilcke-Tiemann, Adelheid (Albanien-Redaktion Deutsche Welle): Medienlandschaft Albanien (29.2.2000) [www.br-online.de/br-intern/suedosteuropa/texte/albanien.html].
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daktionsgebäude durch die Regierung. Berisha müsse lernen, dass blinder Hass gegen die Medien einen Kampf darstelle, den er nicht gewinnen könne, sagte Baze und kündigte an, daß „Tema“ trotz aller Regierungsschikanen weiter erscheinen werde. Der Journalist hatte während der achtjährigen Oppositionszeit von Premier Berisha dessen Rückkehr an die Macht bedingungslos unterstützt und zählte nach dessen Sieg zu den engsten Freunden des Regierungschefs. Seit er jedoch auch Skandale der neuen Regierung kompromisslos veröffentlichte, schlug die Sympathie in Feindseligkeit um. Der in der Wählergunst sinkende albanische Premier griff damit auf Methoden zur Unterdrückung der Medien zurück, für die er bereits in seiner ersten Amtsperiode bekannt und berüchtigt war. Diese Methoden zu durchleuchten und Licht in das zu bringen, was zu lange im Dunkel der Hoxha-Zeit gelegen hatte, das hatte sich auch die erste private Kulturmagazin, die Literaturzeitschrift „Mehr Licht“ aus Tirana, vorgenommen. 1996, sechs Jahre nach dem Ende des Hoxha-Regimes, gab die Schriftstellerin Mira Meksi, zugleich Direktorin des privaten Senders „Alsat TV“, die Zeitschrift erstmals heraus. Seitdem ist „Mehr Licht“ in Albanien ein Forum für das, was Goethe als ‚die Literatur‘ bezeichnete: Geprägt von einem humanistischen Kulturverständnis soll Literatur als multikulturelles Ganzes abseits nationaler und idealistischer Verankerungen dem Land mehr Inspiration und Orientierung geben. „Mehr Licht“ sollte nie eine bloße literarische Rundschau sein, „sondern Teil eines neuen gesellschaftlichen Wertesystems“, so der Redaktionsleiter Salvatore Doda zu den hohen Ambitionen der heute renommierten Zeitschrift. Den politischen und sozialen Kontext jener Zeit schildert er als „extrem haltlos“. Nach fast fünfzig Jahren Diktatur und hermetischer Isolation des Landes hätte es 1990 mit dem Sturz des Regimes auch einen Sturz im kulturellen Wertesystem gegeben. Es hätte schlicht keines mehr gegeben. Von der neuen Meinungsfreiheit waren viele Literaten inspiriert, die sich plötzlich völlig frei von staatlicher Kontrolle fühlten. Doch es fehlte an einem Forum, in dem man über ein neues, demokratisches Wertesystem hätte diskutieren können. Damals gab es ein großes Bedürfnis, mehr Licht in diese haltlose, aber zugleich sehr produktive kulturelle Phase zu bringen, so Doda, und fügt ironisch hinzu, dass es wohl nirgendwo sonst in Europa mehr Grund gäbe, sich über zu wenig Licht zu beklagen als in Albanien: Das Land ist bekannt für regelmäßige Stromausfälle. Die großteils verarmte Bevölkerung wartet oft sechs bis zehn Stunden lang auf den Strom. Nur stellt sich die Frage, ob unter solchen Umständen überhaupt Interesse an Literatur gedeihen könne? Literaturmagazine waren für die albanische Identitätsbildung schon immer eine tragende Säule. Ab 1880 schossen albanischsprachige Zeitschriften nur so aus dem Boden aller größeren Städte des Balkans, in Konstantinopel, Sofia, Bukarest, Thessaloniki und Athen. Sie brachten die Ideale einer nationalistischen albanischen Bewegung bis in die entlegensten Ecken des albanisch-sprachigen Gebietes. Nach der kommunistischen Übernahme Albaniens 1944 kam das plötzliche Ende für Literaten und Verleger. Viele Schriftsteller wurden hingerichtet oder starben im Gefängnis. Der Diktator Enver Hoxha machte aus dem Land ein kulturelles Ödland. Erst in den späten 1950er Jahren wagte sich wieder Literatur, wenn auch unter völliger staatlicher Kontrolle, ans Tageslicht. Heute scheint es als hätte Albanien mehr schreibende als lesende Menschen. Nach den Jahrzehnten der Meinungssperre ist das Bedürfnis groß, Meinungen, Befürchtungen, Gedanken zu äußern. Das prägt die Literatur wie auch die Medienlandschaft, was oft genug dazu führt, dass die Meinung über die Tatsachen siegt. Das Ministerium für Kultur unterstützt „Mehr Licht“ auch finanziell. Der Großteil der Mittel für die nicht-profitorientierte Zeitung kommt allerdings aus der privaten „Velija-Stiftung“, aus der sie genauso wie „Alsat-TV“ entstanden ist. Hinter der Stiftung steht der Geschäftsmann Vebi Velija, der überzeugt war, dass „eine Nation zwar mit wenig Nahrung, aber niemals mit wenig Kultur existieren kann“.
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Albanien hat seit dem Ende der Hoxha-Diktatur einen weiten Weg zurückgelegt, davon ist auch Remzi Lani, Direktor des albanischen Medieninstituts, überzeugt. Er war Chefredakteur der zweimal wöchentlich erscheinenden albanischen Zeitung „Zeri i Rinise“ (19831992) und arbeitete als Korrespondent für die spanische Tageszeitung „El Mundo“ und die kosovo-albanische Tageszeitung „Zeri“124. 1999 meinte er, Albanien sei wahrscheinlich das ex-kommunistische Land, das sich am meisten verändert hat. Jeder Vergleich mit dem brutalen kommunistischen Regime wäre lächerlich. „Von allen osteuropäischen Völkern haben die Albaner am wenigsten Grund, der Epoche vor dem Fall der Berliner Mauer nachzutrauern.“ 2004 analysierte Remzi Lani die widersprüchliche Medienlandschaft Albaniens. Die Medien wären zwar seit dem Ende der kommunistischen Ära weit gekommen. Sie hätten die einst existierende Landschaft der Parteimedien in einen überbordenden Markt von Print- und elektronischen Medien verwandelt. Die Zahl der Medien in Albanien beläuft sich auf rund 255125. Politisch gesehen deckt das Presse-spektrum in Albanien die ganze Bandbreite von links nach rechts ab. Aber nur wenige dieser Zeitungen und Rundfunkstationen erreichen eine größere Anzahl von Menschen. Zum Beispiel verkauft die größte Tagezeitung schätzungsweise weniger als 20.000 Exemplare, und das in einem Land von fast drei Millionen Menschen. Obwohl die Zahl der Tageszeitungen von zwei im Jahr 1991 auf 19 im Jahr 2003 gestiegen ist, ist die Auflage dieser 19 Tageszeitungen zusammen nicht höher als die des ersten Oppositionsblattes von 1991. Woran liegt das? Weniger als die Hälfte der Bevölkerung kann Zeitungen in ihrem Wohnort kaufen. Das Abonnementsystem ist andererseits sehr schwach entwickelt und wird kaum genutzt. Das durchschnittliche Einkommen eines Lehrers liegt bei 10.000 Lek (ungefähr 75 Euro), und er müsste 13 Prozent seines Einkommens für eine Zeitung aus-geben, was die Zeitung natürlich ziemlich teuer macht. Ein weiteres Problem der albanischen Printmedien ist ihre Verankerung: alle Medien haben auch weiterhin ihren Sitz in der Hauptstadt. Keine einzige Tageszeitung wird außerhalb der Hauptstadt heraus-gegeben. Hinsichtlich seiner Mediengesetzgebung gehört Albanien zu den Ländern mit einer allgemein fortschrittlichen Gesetzgebung im Medienbereich, aber die Umsetzung ist nach wie vor problematisch. Gesetze werden zwar im Einklang mit europäischen Standards geschrieben, aber bei ihrer Anwendung gelten Balkanstandards. Wenn das Gesetz zum Beispiel mit gewissen Clan-Interessen in Konflikt kommt, zieht oft das Gesetz den Kürzeren. Dieser Umstand ist zwar auch in anderen Ländern Südosteuropas anzutreffen, aber in Albanien bzw. im albanischen Kulturkreis ist er besonders ausgeprägt. Die größten Hindernisse für die Etablierung eines stabilen, demokratischen Systems in Albanien sind nach Ansicht von Mustafà Nano126, einem der bedeutendsten
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Lani war Mitautor der Bücher „Mein Albanien bei Ground Zero“ und „Meister der humanistischen Philosophie“. Lani ist einer der bekanntesten Persönlichkeiten der Medienszene auf dem Balkan. Diese Zahl umfasst 19 Tageszeitungen, 35 Wochenzeitungen, fünf zweiwöchentlich erscheinende Zeitungen, 24 Monatszeitungen, neun zweimonatlich erscheinende Zeitungen, 19 andere Zeitungen, fünf Wochenmagazine, 18 Monatsmagazine, acht zweimonatlich erscheinende Magazine, 14 vierteljährliche Magazine und zehn andere Magazine. Zusätzlich zu all diesen gedruckten Medien gibt es 46 lizenzierte Radio- und 64 lizenzierte Fernsehstationen. Mustafà Nano wurde 1960 in Durrës geboren, erlangte einen Hochschulabschluß als Elektronikingenieur und arbeitete dann bis 1992 für „Telekom Srbija“. Später wurde er einer der Mitgründer der demokratischen Partei von Sali Berisha und heute ist er als Politologe tätig. Er arbeitete für verschiedene Zeitungen wie „Shekulli“, „Corrieri“ und „Klan“ und schreibt derzeit die Leitartikel des Blattes „Gazeta-Shqip“. Nano ist einer der wenigen freischaffenden Journalisten des Landes und ein aktiver Kritiker der albanischen Führungsriege. „Seit dem Ende des kommunistischen Regimes in Albanien sind mittlerweile fast zwanzig Jahre vergangen. Und es hat sich sehr viel verändert. Die Situation besserte sich schneller als erwartet, vor allem nach der Wirtschaftskrise im Jahr 1996.“ Mustafà Nano hat die schwierigen Phasen, die sein Land durchlebte, kritisch begleitet, vom
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freischaffenden Journalisten Albaniens, die politische Führung und die Situation der landesweiten Kommunikations-mittel. Das völlige Fehlen eines leistungsorientierten Prinzips bei der Besetzung öffentlicher Ämter hätte Konsequenzen, die niemandem entgehen, so Nano. Alle Geschäftsbeziehungen, die politischen Institutionen, auch die Massenmedien seien in ein dichtes Netz von Protektionsbeziehungen eingesponnen. Albanische Politiker sind gegen jeden Angriff immun, sei es von seiten der Justiz oder der Medien. Sie bilden eine kompakte Klasse, die sich hinter dem Schild der direkt kontrollierten Medien versteckt und die sich seit fast zwanzig Jahren selbst verewigt. Auch empfindet Nano die albanische Informations-gesellschaft als passiv. Sie sei der politischen Macht hörig, anstatt sie kritisch zu analysieren. Die albanischen Journalisten überschütten Zeitungen und Fernsehen mit unnützen Nachrichten, die von der alltäglichen Realität weit entfernt sind. Dabei wollten die Bürger echte, wahre Nachrichten. Aber die nationalen Medien machen nichts anderes, „als die Tagesordnungen der offiziellen Politik vorzulesen“. Für freie, unabhängige Information gibt es nur wenig Raum, außerdem würde sie von den Politikern unter Druck gesetzt. Einen Schub nach vorne könnte der albanischen Mediengesellschaft die Aufnahme des Landes in die EU geben. Zwar wurden Verhandlungen mit der Regierung in Tirana aufgenommen, aber angesichts der Tatsache, dass auch der Beitritt Kroatiens frühestens für das Jahr 2012 anvisiert ist, kann für Tirana derzeit überhaupt noch kein Datum genannt werden. Zumindest könnte sich unter dem Anreiz der Aufnahme die begrenzte albanische Demokratie konsolidieren, hoffen Intellektuelle wie Nano, der freilich, was den baldigen Beitritt Albaniens zur EU betrifft, eher pessimistisch ist. Brüssel verlange eine stabile Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, eine gefestigte liberale Demokratie, freie, unanfechtbare Wahlen sowie solide, unabhängige Institutionen. Dennoch scheinen die Probleme der albanischen Demokratie von denen vieler gestandener Demokratien in Europa gar nicht so weit entfernt zu sein. In Albanien fallen sie nur stärker auf, weil das System unreifer ist. Bildung und offener, zivilisierter Diskurs sind jene Stichworte, die in der Diskussion um die Medien in Albanien immer wieder fallen: Weniger Einfluss der politischen und Clan-Interessen und mehr unparteiliche Diskussion, auch weniger Einfluss wirtschaftlicher Interessen. In der Diskussion über die Vor- und Nachteile des sogenannten ‚Konzernjournalismus‘, für den oft das Südosteuropa-Engagement des WAZ-Konzerns zitiert wird127, verweist man als abschreckendes Beispiel gerne auf Albanien. Dort sind die meisten Blätter Eigentum neureicher Investoren: Umstrittene Geschäftsleute, die ihre Machtinteressen über die Presse durchsetzen, Politiker in Schach halten und Konkurrenten anschwärzen.
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Sturz des kommunistischen Hoxa-Regimes über die Wirtschaftskrise von 1996 bis hin zu den letzten Jahren der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Stabilisierung. Das Land litt fünfzig Jahre unter einer grausamen kommunistischen Diktatur und hätte es bis heute, so Nano, nach fast zwanzig Jahren, nicht geschafft, sich von den Gespenstern dieser Vergangenheit zu befreien. Die Essener WAZ-Mediengruppe baut ihr Fernsehengagement weiter aus. Der Verlagskonzern hat sich nach einer Mitteilung am Mittwoch an dem nationalen TV-Sender Vizion+ in Albanien beteiligt. Über Kaufpreis und Höhe der Minderheitsbeteiligung Beteiligung, die der WAZ-Gruppe nach eigenen Angaben "Gestaltungsmöglichkeiten bietet", wurde Stillschweigen vereinbart. Der Einstieg passe „sehr gut in die SüdosteuropaStrategie unseres Hauses. Albanien hat einen Markt mit großem Nachholbedarf und erkennbar schneller Wachstumsdynamik“, sagte ein Sprecher. Er schloss weitere Beteiligungen nicht aus. Man wolle die mediale Vielfalt der WAZ-Gruppe künftig ausbauen, hieß es.
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Zeitungen und Zeitschriften in Albanien
Als die Stärke des Osmanischen Reiches gegen Ende des 19. Jahrhunderts langsam nachließ, konnten es sich auch die albanischen Intellektuellen langsam erlauben, an die Herausgabe eigener Zeitungen zu denken. Nach 1870 wurden die ersten Zeitungen und Zeitschriften gegründet. Zu dieser Zeit wurde das Albanische je nach konfessioneller Zugehörigkeit entweder in lateinischer oder in griechischer Schrift, seltener auch mit arabischen Buchstaben geschrieben. Die Unterstützer der albanischen Nationalbewegung bemühten sich Ende des 19. Jahrhunderts auch um die Vereinheitlichung der Schreibweise. Der brauchbarste Vorschlag war das so genannte ‚Stamboler Alphabet‘ (‚Stambol‘, alban.: Istanbul) von Sami Frashëri, einem bedeutenden albanischen Gelehrten, der in der osmanischen Hauptstadt lebte128. Nach einer Blüte der Printmedien in den beiden Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg setzte mit dem Zweiten Weltkrieg und erst recht mit der kommunistischen Diktatur, die Albanien von der Außenwelt abschottete, die kulturelle und journalistische Verödung ein. Umso eifriger wurden nach dem Ende der Diktatur des Proletariats alte Zeitungen aus der vorkommunist-ischen Zeit wiederbelebt und neue gegründet. Albanien verfügt heute über eine reiche Presselandschaft: Neben recht professionell und seriös arbeitenden unabhängigen politischen Tageszeitungen gibt es eine breite Palette von Partei-Zeitungen oder den politischen Parteien verbundenen Blättern129. Im Printsektor hat sich in den vergangenen Jahren trotz der politischen Wirren kein einschneidender Wandel vollzogen. Erwähnenswerte Neuerscheinung ist lediglich die Tageszeitung „Shekulli“ („Das Jahrhundert“) des Unternehmers Koco Kokedhima, der sich 1997 dadurch schnell eine Vormachtsstellung auf dem Zeitungsmarkt sicherte, dass er seine Zeitung für nur zehn Leke (ca. 5 Cent) anbot, während die bis dahin führende „Koha Jone“ des Verlegers Nikolle Lesi wie auch die anderen Zeitungen zwanzig bis dreißig Leke kosteten (umgerechnet etwa 10 bis 15 Cent). „Shekulli“ und „Koha Jone“ sind bis heute die auflagenstärksten und meinungsführenden Tageszeitungen. Daneben ist die ursprünglich als Ableger der italienischen „Gazzetta del Mezzogiorno“ gegründete „Gazeta Shqiptare“ die wohl seriöseste und politisch neutralste Tageszeitung, die aber nie den beiden oben genannten Blättern echte Konkurrenz machen konnte. Die „Gazeta Shqiptare“ bezieht in den scharfen Auseinandersetzungen der albanischen Tagespolitik selten Position, sie berichtet mehr als kommentiert. Diejenigen Tages-
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Im November 1908 trafen sich albanische Intellektuelle aus allen Teilen des Landes zum Kongreß von Monastir im heutigen mazedonischen Bitola. Auf dieser Versammlung wurde endgültig beschlossen, dass die albanische Sprache fortan ausschließlich in lateinischer Schrift geschrieben werden sollte. Als Ausgangsbasis dienten das Stamboler Alphabet und das in Shkodra gebräuchliche von Gjergj Fishta entwickelte ‚BashkimiAlphabet‘ (‚Bashkimi‘, alban.: Vereinigung). Man einigte sich außerdem auf eine streng phonetische Schreibweise mit nur zwei Sonderzeichen: Ç/ç und E/ë; dies waren die beiden Zeichen, die schon damals auf der französischen Schreibmaschinentastatur zu finden waren. Alle anderen Laute des Albanischen, die keine Entsprechung im lateinischen Alphabet haben, werden durch Buchstabenkombinationen ausgedrückt. Die Regelungen von 1908 sind bis heute gültig und man kann den Kongress von Monastir mit Recht als die Geburtsstunde der albanischen Orthografie bezeichnen, auch wenn es noch weitere sechzig Jahre dauern sollte, bis man die Dialektformen aus dem Gegischen und Toskischen zu einer allgemeinen schriftsprachlichen Norm verschmolz. An wichtigen Zeitungen wären zu nennen: „Balli i Kombit“ [http://ballikombit.albanet.org]; “Biznesi” “Gazeta 55” [http://www.gazeta55.net]; „Gazeta Ballkan“ [www.ballkan.com]; „Gazeta Shqiptare“; „Korrieri“ [www.korrieri.com]; „Metropol“ [www.gazetametropol.com]; „Panorama“ [www.panorama.com.al]; „Rilindja Demokratike“ [www.rilindjademokratike.com]; „Shekulli“ [www.shekulli.com.al]; „Sot“; „Sporti Shqiptar“ [www.sportishqiptar.com.al]; „Tema“ [www.gazetatema.net]; „Tirana Times“ [www.tiranatimes.com/]; „Zeri i Popullit“.
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zeitungen, die dagegen kommentieren und Stellung beziehen, waren und sind sich in einer Frage sehr schnell einig: dass das gemeinsame Interesse über die Grenzen des 1913 entstandenen Nationalstaats Albanien hinausgeht. Der konservativ-nationale Ansatz ist allen Zeitungen mit wenigen Ausnahmen gemein, und verbindet die Printmedien Albaniens mit den albanisch-sprachigen des Kosovo, Mazedoniens oder der Diaspora-Albaner. Zum Beispiel veröffentlichte im Juni 1992 die kosovo-albanische Zeitung „Dielli“ eine Karte des sogenannten Großalbanien. Die angeblich illyrischen Siedlungsgebiete reichten von der serbischen Save bis nach Nordgriechenland. Im Mai 1993 erschien in der mazedonienalbanischen Zeitung „Flaka“ eine Serie über die Größe der albanischen Nation. Unter anderem wurde behauptet, der Gründer der letzten ägyptischen Königsdynastie Mehmet Ali Pascha (1769-1848) sei Albaner gewesen, ebenso Atatürk, der Gründer der neuen Türkei. Das Genfer Organ der Auslandsalbaner „Rilindja“ fragte wiederholt in seinen Leitartikeln: „Wie lange noch dulden wir die Zerrissenheit unseres Landes?“ Zum 525. Todestag des albanischen Nationalhelden Skanderbeg wurden 1993 in Genf die Ideen der WeltkriegZwei-Front „Komitee zur Rettung Albaniens“ wiederbelebt. Dreitausend Teilnehmer, zumeist aus dem Kosovo, beschlossen eine „demokratische Vereinigung in einem Europa ohne Grenzen“. Dieses publizistische, in Kosovo und Mazedonien auch praktisch ausgelebte Streben nach einer Vereinigung aller Albaner gab und gibt freilich den Staatsnationen zu denken, auf deren Kosten diese Vereinigung ging bzw. gehen würde. Moderater, kritischer, abseits des überkommenen Mainstream argumentiert dagegen die auflagenstarke „Koha Jone“ („Unsere Zeit“, www.kohajone.com), die erste unabhängige Tageszeitung Albaniens, die der Journalist Nikolle Lesi am 11. Mai 1991 als Lokalzeitung in der nordalbanischen Küstenstadt Lezha ins Leben rief. Anfangs erschien die Zeitung einmal pro Woche, mit vier Seiten und einer Auflage von 2.000 Exemplaren; im August 1992 erschien sie bereits zweimal, jeden Dienstag und Freitag, im selben Umfang wie bisher, der im Oktober 1992 auf acht Seiten gesteigert wurde. Vom 11. Mai 1991 bis zum Sieg der Albanischen Demokratischen Partei in den Wahlen vom 22. März 1992 unterstützte „Koha Jone“ die Opposition, und kritisierte die regierende Arbeitpartei Albaniens, die damals noch Kommunistische Partei hieß, scharf. Der Regierungsantritt der albanischen Demokraten und damit auch die Bestätigung des Kurses der „Koha Jone“ gab den freien Medien in Albanien Auftrieb. Anfang 1993 wurde die Redaktion vergrößert, die Zahl der Kolumnen erhöht und die Zeitung in ganz Albanien verkauft. Ihr Stil näherte sich nach Meinung von Beobachtern immer mehr dem ihrer westlichen Gegenstücke an. Was sich nicht geändert hatte, war dagegen der Stil der Politik. Ende Januar 1994 wurde der Chefredakteur, Aleksander Frangaj, und sein Stellvertreter, Martin Leka, aufgrund eines Haftbefehls des Staatsanwalts in Tirana in Haft genommen. Anlaß war der Abdruck eines Befehls des Verteidigungsministers, in dem dieser die Armee angewiesen hatte, ihre Waffen in der Kaserne zu lassen, wenn sie nicht im Dienst sind. Leka hatte das unter der Überschrift „Die Entwaffnung der Armee“ kommentiert. Die Polizei und der albanische Geheimdienst „SHIK“ umstellten das Gebäude der „Koha Jone“. Leka wurde wegen Verunglimpfung der Armee angeklagt, Frangaj wegen Enthüllung militärischer Geheimnisse. Erst der Protest der albanischen Öffentlichkeit und internationaler Journalistenverbände führte dazu, dass Frangaj freogelassen wurde. Leka wurde zu 18 Monaten verurteilt, jedoch aufgrund des internationalen Protestes bereits nach drei Monaten entlassen. Dieser Vorfall war bereits der fünfte Anschlag auf die „Koha Jone“ innerhalb von zwei Jahren. Ein Jahr zuvor war Frangaj verhaftet worden, weil er über Panzerbewegungen im Norden Albaniens geschrieben hatte.
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All das trug freilich auch dazu bei, dass „Koha Jone“ immer bekannter wurde und heute als prominenteste Tageszeitung Albaniens gilt, wobei neben der Auflage vor allem ihr Einfluss ausschlaggebend ist. Sie wird nun auch in Griechenland und Italien, unter den dort lebenden albanischen Minderheiten vertrieben. Der Zeitung erhielt eine Kulturbeilage mit dem Titel „AKS“, die wenig spatter als eigenständige Kulturzeitschrift erschien. Anfang 1997, mit dem Aufkommen des Protestes gegen die Berisha-Regierung, trübte sich auch das Verhältnis der „Koha Jone“ zu den regierenden Demokraten. Die Auflage stieg erneut, auf 72.500 verkaufte Exemplare in einem Land von drei Millionen Einwohnern. Im Februar und März 1997 reagierte die Regierung scharf auf die Kritik der „Koha Jone“-Redaktion. Die Redaktionsräume wurden daraufhin am 3. März 1997 um zwei Uhr früh verwüstet, geplündert und schließlich ausgebrannt. Dahinter steckte der persönliche GeheimdienstStab Berishas. Der Sachschaden belief sich auf über 300.000 US-Dollar, ganz zu schweigen vom immateriellen Schaden durch den Verlust von Dokumenten. Zwei Journalisten und ein Angesteller wurden verhaftet, und in einer Polizeistation schwer misshandelt. Die Zeitung musste daraufhin ihr Erscheinen einstellen. Tröstlich war nur, dass Vertreter der internationalen Presse anwesend waren und die Drangsalierung der kritischen Stimme im Journalismus Albaniens dokumentierten. Bereits am 17. April 1997 konnte „Koha Jone“ zwar ihren Betrieb wieder aufnehmen, doch die Schikanen waren damit nicht beendet. Die Redaktion musste ihre Artikel jeden Tag zu einem von der Polizei festgesetzten Termin in der Druckerei abliefern, was nur noch dadurch gekrönt wurde, dass im Mai und Juni 1997 alle Fahrzeuge der Zeitung von Diebesbanden gestohlen wurden. Der finanzielle Schaden belief sich auf über 150.000 USDollar. Dass „Koha Jone“ damit kurz vor dem Bankrott stand, kann nicht weiter verwundern. Erst die Neuwahlen brachten den Umschwung: die Zeitung erschien nun im Umfang von 32 Seiten, mit neuen Kolumnen, um einen größeren Leserkreis anzuziehen. Die zweite Jahreshälfte 1997 gilt als die ‚goldene Zeit‘ der Pressefreiheit in Albanien. Seit 2007 hat „Koha Jone“ in ihrem ehemaligen Chefredakteuer, Aleksander Frangaj, einen neuen Eigentümer, einen neuen Redaktionsstab, eine neue Struktur, was bedeutet, dass sie neben politischen, sozialen und kulturellen Themen auch Umweltfragen unabhängig behandelt. Aber abseits aller Änderungen ist „Koha Jone“ das ‚journalistische Laboratorium‘ der jungen Generation geblieben. Die erste Ausgabe der jungen Tageszeitung „Shekulli“ erschien 1997. Nach wenigen Monaten war sie mit 24.000 verkauften Exemplaren zu einer der meistgelesenen Zeitungen Albaniens neben „Shqip“ und der „Koha Jone“ geworden. Ihre Anhänger sagen ihr Objektivität, ein hohes Maß an journalistischer Professionalität und ihre Leserfreundlichkeit nach. Seit Mai 1999 ist sie auch für Leser außerhalb Albaniens im Internet präsent. Sie hat Korrespondenten in Mazedonien, im Kosovo, in Griechenland und Frankreich, erscheint an sieben Tagen der Woche und gehört der Mediengruppe „Sh. A. Spekter“, die auch das Wochenmagazin „Spekter“ und die Sporttageszeitung „Sporti Shqiptar“ herausgibt. Ihre Kritiker sagen der „Shekulli“ jedoch einen etwas laxen Umgang mit den Tatsachen nach, der leicht in den Skandal umkippen könne. Anfang Januar 2010 brachte „Shekulli“ einen Artikel über die Flutkatastrophe in Shkodra und druckte dazu ein Bild ab, das jedoch nicht die besprochene Flut zeigte, sondern jene, die im Februar 2007 das afrikanische Mozambique heimgesucht hatte. Die Aufnahme der afrikanischen Flut stammte von der Webseite der spanischen Zeitung „El Pais“, und war obendrein mit demselben File-Namen versehen. Erst als am nächsten Tag etliche Blogs und Foren, einschließlich des vielgelesenen „ramaik.com“ darauf hinwiesen, entfernte „Shekulli“ das inkriminierte Photo und ersetzte es durch ein aktuelles aus Shkodra. Doch wenig später sollte die Zeitung diese peinliche Pro-
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zedur mit der erneuten Flut in Shkodra wiederholen, wobei sie zumindest nicht auf Afrika zurückgriff, sondern eine Aufnahme aus dem albanischen Lezha vom November 2009 abdruckte. Auch hier war es die Seite „ramaik.com“, die darauf hinwies, und „Shekulli“ entfernte das falsche Bild. Aber nicht nur die Tageszeitung schluderte, auch der private Fernsehsender „Top Channel“ übernahm ohne Nachfrage die Bilder, die „Shekulli“ abgedruckt hatte. Diese Vorgänge haben die Meinung gefestigt, dass „Shekulli“ wenn nicht unseriös, so doch politisch höchst einseitig ist, denn in ihren Spalten fand sich immer wieder die politische Agenda des Bürgermeisters von Tirana, Edi Rama. Die Sozialistischen Partei Albaniens, deren Vorsitzender Rama war, hatte die Parlamentswahlen im Juni 2009 verloren, ihren Ausgang in Frage gestellt und schließlich das neugewählte Parlament boykottiert. Premierminister Sali Berisha, Chef der Demokratischen Partei, hätte nach Meinung der Sozialisten erneut zu den Wahlurnen rufen oder zurücktreten sollen. Rama fand nichts dabei, Berisha vorzuwerfen, dieser hätte durch Korruption und Missmanagement die Flut erst verursacht. Und Ramas Sprachrohre, „Shekulli“, der „Top Channel“ und einige andere Medien schlossen sich seiner Kampagne an.
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Fernsehen und Rundfunk in Albanien
Die auf dem Zeitungsmarkt führenden Verleger und Medien-Persönlichkeiten stiegen mit Beginn der Liberalisierung sofort auch in den elektronischen Medienmarkt ein: So entstanden nach der Zeitung „Koha Jone“ im selben Unternehmen „Radio Koha“ und „Koha TV“ (Nikolle Lesi), nach „Shekulli“ weitere Spartenblätter, dann „Radio plus 2“ und bald plante „Kokedhima“ mit seinem Unternehmen „2K“ auch einen TV-Kanal. Aleksander Frangaj, ehemaliger „Koha-Jone“-Redakteur, der sich mit seiner politischen Wochen-zeitung „Klan“ selbstständig gemacht hatte, baute „Radio Klan“ und „Klan TV“ auf. Trotz der großen Konkurrenz im Hörfunk- wie TV-Markt haben alle Medien-Konzerne mittlerweile stark expandiert, neue Sendestudios bezogen und moderne Technik erworben. Noch scheint man der Phase des Pionier- und Goldgräbergeistes nicht entwachsen. Stand in den ersten Jahren der Zeitungengründungen das politische Interesse im Vordergrund, scheint bei vielen Radio- und Fernsehsendern nun das kommerzielle Interesse zu überwiegen, was sich auch daran zeigt, daß Unternehmer anderer Sparten im Medienbereich aktiv werden. Der Markt wird sicher in nächster Zeit zeigen, welche Sender dem Konkurrenzdruck gewachsen sind und welche nicht. Aber noch ist in Albanien, das in vieler Hinsicht trotz einschlägiger Gesetze noch eine Art rechtsfreier Raum ist, die Radio- und Fernsehproduktion relativ billig. Die meisten Sender übernehmen Programmanteile, Filme von internationalen Sendern, ohne Lizenzgebühren dafür zu zahlen. Zur Zeit zeichnet sich mit dem Aufbau neuer Radio- und TV-Sender eine zunehmende Spartenbildung ab. Die obengenannten Konzerne bemühen sich um klassische Vollprogramme mit Nachrichten, eigen-recherchierten Berichten, Interviews und Unterhaltung. Doch das erfolgreichste Hörfunk-Programm ist „Top Albanian Radio“, das ein professionell konfektioniertes Musikprogramm bringt, das sich an den Hörgewohnheiten der Jugendlichen orientiert und nur stündlich „Flash“-Nachrichten bringt. Für den TV-Sektor ist „TVA(lbania)“ zu erwähnen, das sich während des Kosovo-Konflikts ein breites Publikum eroberte, indem es sich an einem 24-Stunden-Nachrichten-Programm versuchte. Dies geschah mit einfachsten Mitteln in einem einzigen Studio, in dem zwei Sprecher-Redakteure stundenlang die neuesten Nachrichten verlasen, kommentierten und dazu Studiogäste be-
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fragten. Generell läßt sich sagen, daß 1997 und 1998 die Jahre des Radios in Albanien waren. 1999 traten die TV-Stationen ihren Siegeszug an und drängten den Rundfunk zurück. Angesichts des begrenzten Marktes in einem Land mit etwas über drei Millionen Einwohnern und einer geringen Kaufkraft, läßt sich leicht nachvollziehen, dass mit der Intensivierung des TV-Sektors die Investitionen im Radio-Sektor zurückgingen, die Medien-Konzerne teilweise Fernsehen auf Kosten der eigenen Rundfunksparte aufbauten. Es gibt viele albanische Journalisten, die zunächst im Printsektor tätig waren, dann Radio machten und heute überwiegend TV-Journalismus. Das liegt an der größeren Popularität, aber auch an der besseren Bezahlung im TV-Sektor. Der großen Medienfülle in allen Bereichen Print, Radio und TV in der Hauptstadt Tirana steht ein Mangel in der Provinz gegenüber. Im elektronischen Sektor liegt dies an der Beschränkung landesweiter Frequenzen, an denen bisher der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Monopol hält. Nur „Radio Plus 2“ verfügt bereits über eine landesweite Frequenz. Auch sind die meisten Sender (Radio und TV) nur im Großraum Tirana zu hören. Dort leben etwa 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung des Landes. Die Medienlandschaft außerhalb Tiranas ist recht beschränkt. Es gibt einige private Radio-Sender in den größeren Städten des Südens (Korca, Gjirokastra, Saranda, Vlora, Fier u.a.) sowie einzelne TV-Sender wie „Antena Jug“ in Gjirokastra. Eigene Presseerzeugnisse in der Provinz sind rein lokaler Natur. Im Norden des Landes sieht die Situation noch schlechter aus. Erwähnenswert ist allenfalls „TV Kukes“, das durch seine privilegierte Lage nahe der kosovarischen Grenze lange Zeit das einzige TV-Programm war, das im Kosovo terrestrisch zu empfangen war. „TV Kukes“ unterhält ein eigenes Büro im Kosovo, in Prizren. Auf die immer professioneller, schneller und technisch moderner werdende private Konkurrenz hat das staatliche „Radio Television Albanien“ (RTSH, www.rtsh.al)130 bisher nur unzureichend reagiert. Die Umwandlung in einen öffentlich-rechtlichen Sender hat sich bisher kaum positiv ausgewirkt. Nach wie vor leidet der Sender an einer überhöhten Mitarbeiterzahl. Mit seinen 2.500 langjährigen, oft jedoch unmotivierten Mitarbeitern, die im Vergleich zu ihren Kollegen auf dem freien Markt wesentlich schlechter bezahlt sind, arbeitet der Sender hoffnungslos ineffizient. Es ist gängige Praxis, dass junge Journalisten beim öffentlich-rechtlichen „Radio Tirana“ ihre Ausbildung erhalten, um dann sehr schnell zu Privatsendern zu wechseln. Der Intendant Eduard Mazi versuchte eine sukzzesive Anpassung des Senders an die Bedürfnisse der Zeit, ohne aber wirklich die notwendigen, einschneidenden Maßnahmen durchzusetzen. Auch Radiodirektor Martin Leka schien sich nicht an die bei den Mitarbeitern unbeliebten Reformen zu wagen. Dabei ist das Radio-Programm von „RTSH“ traditionell journalistisch professioneller und politisch ausgewogener als das Fernsehprogramm. Die große Unterstützung, die der Sender in den vergangenen Jahren aus dem Ausland erhielt, macht sich an Ort und Stelle kaum bemerkbar. Beispielsweise konnten die Mitarbeiter, die eigens geschult worden waren, die notwendigen Reformen der verkrusteten Struktu-
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„RTSH“ betreibt ein Fernsehprogramm (TVSH) und zwei nationale Hörfunkstationen. Als Radio Tirana werden zahlreiche internationale Programme in sieben Fremdsprachen und Albanisch für Kurz- und Mittelwelle produziert. Seit 1993 wird das Programm auch über Satellit ausgestrahlt. Der albanischsprachige Sender wurde 1938 mit italienischer Unterstützung gegründet. Ein Fernsehprogramm wurde erstmals 1960 ausgestrahlt. Im kommunistischen Albanien war das Programm stark kontrolliert. Lange war es auch der einzige Sender, der in Albanien in der Landessprache zu empfangen war. Der Propagandacharakter hielt fast 50 Jahre lang. Trotz des Endes des kommunistischen Regimes mischte sich auch die neue Regierung in das Programm, das ausgestrahlt wurde, ein. Der Schwerpunkt des Senders lag bei Musik und Kultur, Nachrichten waren immer noch tendenziös. Mittlerweile ist „RTSH“ ein öffentlich-rechtlicher Sender, der mit zahlreichen anderen privaten elektronischen Medien konkurrieren muss.
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ren nicht umsetzen, was häufig dazu führte, dass sich die führenden Mitarbeiter zwar auf internationalem Parkett sicher als reformorientierte Fachkräfte präsentieren, daheim aber konkret wenig bewegen konnten und können. Bei „RTSH“ ist zwar mit der Umwandlung zum öffentlich-rechtlichen Sender das Bemühen erkennbar, auch in der Programmgestaltung kein reines Sprachrohr der Regierung mehr zu sein, allerdings ist die notwendige Meinungs-pluralität und Ausgewogenheit noch längst nicht erreicht. Während die technische Ausstattung des Fernsehsenders dank ausländischer Hilfe in den vergangenen Jahren wesentlich modernisiert werden konnte, ist die Ausstattung im Hörfunk-Bereich nach wie vor katastrophal. Dies gilt sowohl für „Radio Tirana“, aber ganz besonders für die lokalen Radiostudios in Kukes, Shkodra, Gjirokastra und Korca. Die wachsende Autonomie der Regionalsender, mag sie auch in programmpolitischer Hinsicht zu begrüßen sein, hat jedoch zu einer weiteren Abkoppelung der regionalen Studios von der Zentrale Tirana geführt. Allerdings bedeutet dies auch, dass die finanzielle Unterstützung, die „RTSH“ erhält, meist in Tirana bleibt und die Regionalsender immer noch mit völlig veralteten Geräten und Sendestudios arbeiten müssen. Die technische Hilfe für die Regionalsender und die Förderung der Mitarbeiter dieser Sender sollte für internationale Geberorganisationen Priorität haben. Dass der gesellschaftliche mit dem technischen Fortschritt nicht ganz Schritt hält, dafür ist der Skandal um die Albanerin Besarta, die mit ihrer Familie in der Schweiz wohnte, ein besonders bizarres Beispiel. Jahrelang war Besarta Gecaj von ihrem Vater tyrannisiert und sexuell missbraucht worden, bis sie nicht mehr weiter wusste. Sie vertraute sich ihrem Lehrer Paul Spirig an. Davon erfuhr ihr Vater. Am 11. Januar 1999 suchte Vater Ded Gecaj den Lehrer seiner Tochter im St. Galler Realschulhaus Engelwies auf und streckte ihn mit mehreren Schüssen nieder. Seit jenem Tag lebte Besarta in Angst und Schrecken. Sie fürchtete, ihre eigene Familie könnte ihr etwas antun. Ihre Verwandten waren davon überzeugt, dass sie mit ihrer Aussage die Ehre ihres Vaters und der ganzen Familie beschmutzt hätte. Nach dem ungeschriebenen Gesetz des albanischen Kanun, einem weitverbreiteten Gewohnheitsrecht, kann ein solches Delikt nur durch Blutrache gesühnt werden. Aus Angst änderte Besarta ihren Namen, ihre Identität und ihren Schweizer Wohnort, und musste bewacht werden, denn ihr Bruder Gjergj machte im albanischen Fernsehen einen ungeheuerlichen Aufruf. In der Sendung „Njerëz të Humbur“ („Vermisste Menschen“) forderte er die albanische Bevölkerung förmlich zur Jagd auf seine Schwester auf: „Alle, die ihr möglicherweise begegnet sind, sollen sich bei uns melden.“ Gleichzeitig veröffentlichte der Sender erstmals ein Foto von Besarta, im Alter von 14 Jahren. Vor den albanischen Fernsehkameras erzählte ihr Bruder, weshalb Besarta keinen Kontakt mehr zur Familie habe: Der Schweizer Staat hätte sie ihnen weggenommen, womit er „gegen die Menschenrechte verstossen“ würde. „Wenn die Schweiz meiner Schwester etwas angetan hat, dann steht sie tief in unserer Schuld.“ Kein Wort verlor er darüber, dass der Vater sich an seiner Tochter vergriffen haben könnte. Umso ausführlicher ließ er sich dagegen über den Lehrer Spirig aus, der der Täter sei. Er habe Besarta vergewaltigt, deshalb habe ihr Vater ihn erschossen. Nicht nur das politische Erbe aus Jahrzehnten des albanischen Stalinismus hemmt den Fortschritt hin zu wirklich freien und seriösen Medien, sondern auch die gesellschaftliche Tradition, die in Albanien wie im Kosovo von einer überkommenen Clan-Mentalität und Moral belastet ist. Dennoch zeigen Beispiele wie das der Zeitung „Koha Jone“, dass es auch anders geht.
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10.
Rumänien: Pressefreiheit gegen Marktmacht
In Rumänien hofften Vertreter der Opposition, dass sich nach dem Ende der Diktatur Ceauescus – dieser war zusammen mit seiner Frau Elena im Dezember 1989 hingerichtet worden – nun auch in ihrem Land eine freie, offene Gesellschaft etablieren würde. Zeitungen wurden gegründet, Fernseh- und Radiosender begannen ihre Arbeit, alles schien sich auf den ersten Blick günstig zu entwickeln. Der Hunger nach Informationen war nach der Tristesse des Ceauescu-Regime grenzenlos. Wie man früher um Lebensmittel angestanden hatte, so bildeten sich jetzt Schlangen an den Kiosken. Einige Zeitungen kamen damals sogar auf eine Millionen-Auflage. Da nach der Revolution das öffentliche Fernsehen noch von der Partei kontrolliert wurde, flüchteten die Bürger regelrecht zu den Zeitungen. Spätestens mit dem Erfolg des Privatfernsehens und der Einführung von Nachrichtenkanälen änderte sich das jedoch. Das Interesse ließ nach, nicht zuletzt, weil viele durch die Machenschaften der Politik desillusioniert waren. Das Programm des rumänischen Fernsehens ist heute von seichten Spielshows italienischer Machart, lateinamerikanischen Seifenopern, US-amerikanischen Serien und Popmusikclips simpler Machart durchzogen. Der Bukarester Medienexperte Razvan Martin Rumänien meinte schlicht, Rumänien sei eine Fernsehgesellschaft wie Italien: „Besonders seit es das Nachrichtenfernsehen gibt. Es ist ein Fernsehland mit einer niedrigen Qualität, mit vielen Sendern, aber keiner inhaltlichen Abwechslung. Es gibt zwei oder drei Nachrichtenkanäle mit denselben Debatten, denselben Leuten, denselben Gästen. Das ist nur eine Plattform für Politiker, die ständig über dieselben Dinge diskutieren, ohne tiefgründige Analyse oder Untersuchung eines Themas. Die soge nannten Experten reden über alle möglichen Themen – von Fußball über Erdbeben zu Arbeitslosigkeit. Die gleichen Leute können zwei oder drei Stunden in der Sendung bleiben und über diese Themen sprechen. In Sachen Inhalt und Qualität sind die rumänischen Medien ganz schön armselig. Und die größte Enttäuschung ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das diese Lücke der privaten Sender nicht füllt. Dafür gibt es einige Gründe. Der wichtigste ist die Kontrolle des Fernsehens durch die Politiker.“131
Wenn es auch in Frankreich und den Vereinigten Staaten Verknüpfungen zwischen Wirtschaft, Politik und Medien gebe, beachte man aber dort doch gewisse Regeln, über deren Einhaltung die Öffentlichkeit wacht. Die junge rumänische Demokratie hat aber bis heute den Einfluss illegitimer Interessengruppen nicht eingrenzen können. Sie wurden langsam in der Wirtschaft mächtig und kommen aus der kommunistischen Partei oder hatten Verbindungen zum Geheimdienst Securitate. Ihre Kontrolle über die Wirtschaft verdanken sie ihren engen Kontakten zur Politik, die wiederum auf eine positive öffentliche Wirkung und damit auf die Medien angewiesen ist. Diese haben sich aus wirtschaftlicher Not oft selbst auf die Politik zubewegt. Der größte Druck kommt somit aus den Redaktionen selbst, nicht von außerhalb, von der Politik oder den Werbekunden. Als nach 2005 die Investitionen im Medienbereich in Höhen von mehreren hundert Millionen Euro stiegen, zahllose neue Stellen enstandten und die Gehälter deutlich anstiegen, wuchs der Anpassungsdruck zusätzlich. Ein normales Einstiegsgehalt für einen Journalisten ohne Erfahrung lag bei über 1000 Euro, was in Rumänien eine sehr gute Bezahlung war. Viele Journalisten hatten verständlicherweise Angst, diese wirtschaftlichen Privilegien zu verlieren. Die Wirtschafts- und Finanz-
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„Die Eigentümer verfolgen mit ihren Medien wirtschaftliche oder politische Interessen – oder beides“. Interview mit Razvan Martin [http://bucuresti.posterous.com/rss.xml].
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krise begrüßte mancher nur aus dem Grunde, dass nun die Journalisten wieder mutiger und ihrer Aufklärungspflicht bewußter würden. Diese Entwicklung steckt hinter der Klage, dass der Einfluss ausländischer, vor allem westeuropäischer Investoren, deren einseitige Wirtschaftsinteressen sich nachteilig auf die freie Berichterstattung ausgewirkt hätten. Die Profillosigkeit und Einfarbigkeit der Medienlandschaft, die mancher beklagte, führten zu interessanten Gegenbewegungen. So attackierten im Frühjahr 2007 Aktivisten, die sich „Guerilla Digitala“ nannten, vier Wochen lang 322 rumänische Parlamentarier mit der Fehler-Warnung „Error 322. Cannot open Parliament.exe. The file seems to be corrupt. Please reinstall“. Die ‚Opfer‘ dieses Angriffs waren im Begriff, den Präsidenten Traian Bsescu auf korrupte Art abzusetzen. Auf Bsescus Homepage boten die Guerilleros Widerstand in Form von Handyklingeltönen und anderen Gags an. Sie waren erfolgreich. Am 19. Mai 2007 stimmten 75 Prozent der rumänischen Wahlberechtigten in einem Referendum gegen die Amtsenthebung des Präsidenten. Was wie originelle PR für Bsescu aussah, war in Wahrheit eine Demonstration der Kreativen, Designer, Schüler und Studenten für die Demokratie. Sie wehrten sich gegen die korrupten Seilschaften, die über die Parteigrenzen hinweg mit Hilfe der Medien versuchten, sich des unbequemen Präsidenten zu entledigen. Da es Gesetze, die Medienkonzentration verhindern, nicht gab, entstanden vor allem inländische Mediengiganten, bei denen wichtige Unternehmer, Politiker und Medienbesitzer oft ein und dieselbe Person sind. Aber auch ausländische Medienhäuser behinderten die engagierte Berichterstattung, sobald es um finanzielle Vorteile geht, wie der Streit des Essener WAZ-Konzerns mit der Tageszeitung „România Liber“ zeigt. 2004 setzte der Konzern den Chefredakteur ab. Die regierungskritische Blattlinie sollte geändert werden. Der Grund war schlicht, daß die WAZ ein deutlich anderes Verhältnis zur Regierung hatte als die Zeitung. Staatliche Werbung ist die wichtigste Einnahmequelle der Medien. Die Regierung vergibt die Aufträge und hat damit ein Drohmittel in der Hand. Eine junge Redakteurin der lokalen Tageszeitung „Transilvania Expres“ erzählte, ihre Artikel seien schon mehrmals aus der Zeitung entfernt worden, weil irgendein Politiker anrief und drohte. Auch der EU-Beitritt Rumäniens am 1. Januar 2007 verbesserte die Situation nicht. Die Qualität vieler Zeitungsartikel ließ weiterhin zu wünschen übrig, wobei die Schuld an schwachen Artikeln und Fehlern nicht nur bei den Journalisten lag, sondern bei den Zeitungen selbst, die eher auf Quantität als auf Qualität setzten. Bei vier bis fünf Artikeln pro Tag sei eine gute Recherche schwierig, klagten Journalisten. Überblickt man die Eigentümerstruktur rumänischer Medien, fällt der starke Einfluss der Industrie auf. Zum Beispiel formierte sich ein österreichisches Medienimperium bei Petrom, Rumäniens größtem Erdölkonzern, der von der Regierung an die österreichische Erdölgesellschaft OMV verkauft wurde. Als Medien-gruppe besitzt das Medienimperium Anteile an vielen Rundfunk- und Printmedien in Rumänien. Das Vorarlberger Medienhaus Eugen A. Russ gibt in Rumänien vier Regionalzeitungen heraus, die genauso aussehen wie das Mutterblatt „Vorarlberger Nach-richten“, und läßt hier auch die elektronische Bildbearbeitung für das Stammhaus in Vorarlberg durchführen. Eine Antwort auf die zunehmende Medien-konzentration hatten vier Journalisten im Jahr 2000: Sie gründeten das Internetjournal „hotnews.ro“. Mittlerweile hat es Korrespondentenbüros in Frankfurt und New York und rangiert mit 70.000 Nutzern pro Tag auf Platz fünf in der Statistik der rumänischen Online-Medien. Das Unternehmen finanziert sich über Werbung und bekommt die besten Leute gratis: „hotnews“ bietet eine begehrte Plattform, über die schon einige junge Journalisten durch politisch brillante Analysen bekannt geworden sind. Die Printjournalisten waren dankbar für diese neue Plattform, auf der sie unabhängig berichten konnten. In Rumänien gibt es derzeit
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sechs Millionen Internetnutzer, von denen die Mehrzahl in Bukarest lebt. Selbst Richter wurden auf dem rumänischen Medienmarkt, der vor allem politik- und marktgängig zu sein hat, zu fachkundigen Aufdeckungsjournalisten. Viele junge Richter verbreiten ihre Meinung per Internet. Sie kommentieren in Blogs den Filz der rumänischen Justiz und enthüllen die schmutzigen Arrangements im Justizministerium – „eine wahre Anklageschrift gegen die Einfältigkeit, mit der die Justiz derzeit verwaltet wird“, schrieb Dorin Petrisor in der rumänischen Tageszeitung „Cotidianul“. Dass sich die Medien neue Möglichkeiten erschlossen, ihre Kritik anzubringen, wurde von der Politik nicht unbedingt mit Freude aufgenommen. Ein Treppenwitz schien auf den ersten Blick jener Antrag zu sein, dass die Hälfte aller Nachrichten, die Fernsehen und Rundfunk senden, „gute Nachrichten“ zu sein hätten. Die Gesetzesinitiative kam von zwei Senatoren. Der eine gehörte der regierenden Nationalliberalen Partei, der andere der rechtsextremen Großrumänien-Partei, und beide beklagten den „irreversiblen Effekt“ negativer Nachrichten „auf die Gesundheit und das Leben der Menschen“. Ziel des Gesetzes sei es, das „allgemeine Klima zu verbessern und der Öffentlichkeit eine Möglichkeit zu bieten, sich mental und emotional ein ausgeglichenes Bild des täglichen Lebens zu machen“. Am 26. Juni 2008 nahm das rumänische Oberhaus dieses Gesetz einstimmig an. Im Juli 2008 musste der rumänische Präsident Basescu darüber befinden. Die OSZE bat Rumänien, dieses Vorhaben nicht gutzuheissen. Miklos Haraszti, der OSZE-Repräsentant für Medienfreiheit, nannte das Gesetzesvorhaben einen „ernsthaften Eingriff in die Presse- und Verlagsfreiheit“. Außerdem sollte die Entscheidung darüber, was positiv und was negativ sei, dem nationalen Rat für audiovisuelle Medien überlassen warden, was manchen an die Zeiten erinnerte, da in Rumänien die Medien unter scharfer Aufsicht standen. Das Abgeordnetenhaus lehnte das Gesetz ab, aber entscheidend war das Votum des rumänischen Oberhauses des Senats. Man tröstete sich damit, dass das Gesetz ohnehin nie angewandt werden würde, weil es der in der rumänischen Verfassung verankerten Pressefreiheit und den EUGrundsätzen widerspreche. Auch hoffte man, falls Rumänien sich weiter Brüsseler Kriterien verpflichtet fühle, werde das Verfassungsgericht dieses Gesetz kippen, oder Präsident Traian Bsescu seine Unterschrift verweigern. Bsescu hätte damit Gelegenheit gehabt, seine gestörten Beziehungen zur Presse zu reparieren, denn nicht nur seine Bevorzugung loyaler Berichterstatter wie seiner Haus- und Hofzeitung „Evenimentul Zilei“, auch dass er mehrmals Journalisten beschimpft hatte, war seiner Popularität abträglich. Dem Einfluss von Politik und Wirtschaft versucht man in Rumänien, durch zivilgesellschaftliches Engagement zu steuern, was es in den osteuropäischen Transformationsländern nicht unbedingt oft gibt. Das Netz bietet den fehlenden Raum: Mit der virtuellen Datenbank „Mediaindex“ macht eine NGO Eigentumsanteile von Unternehmen und Institutionen der Öffentlichkeit zugänglich. In der realen Welt verbessern das „Zentrum für unabhängigen Journalismus“ (CIJ) und die „Medien Monitoring Agentur“ (MMA) Ausbildung und Selbstverständnis der Journalisten. Leider gibt es auf lokaler Ebene noch keine derartigen Organisationen, womit vor allem freie Mitarbeiter im Falle einer Verleumdungsklage allein dastehen, denn sie bekommen keinerlei Unterstützung von ihrer Zeitung. Nicht unbedingt allein, aber als Opfer stand auch der Verwaltungsratsvorsitzende und Redakteur der „România Liber“ da, nachdem sich die SPD-nahe WAZ-Mediengruppe seit März 2001 auf dem rumänischen Zeitungsmarkt engagierte, und auch eine Beteiligung von 72 Prozent am
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Zeitungsverlag S.C. România Liber SA erwarb132. Im September 2005 gründete die deutsche Mediengruppe zusammen mit ihrem Geschäftspartner Dan Grigore Adamescu die S.C. Medien-Holding SRL, an der beide Partner zu jeweils 50 Prozent beteiligt sind133. Die „România Liber“ gehört zu den in Rumänien meistgelesenen Tageszeitungen. Sie erreicht im Durchschnitt eine Tagesauflage von 72.000 Exemplaren, die in der verlagseigenen Druckerei in Bukarest gedruckt werden134. In der deutschen Fachpresse wurde das Engagement der WAZ-Gruppe als schlichte Wirtschaftsmeldung registriert. In Rumänien regte sich erster Widerstand als bekannt wurde, dass die deutsche Zeitungsgruppe den Verwaltungsratsvorsitzenden der „România Liber“, Petre Mihai Bacanu, abgesetzt und ihn durch den deutschen Manager Klaus Overbeck ersetzt hatte. Overbeck vertrat die WAZ-Gruppe schon seit längerem in Rumänien. Empörend erschien nicht nur, dass ausgerechnet die „România Liber“, das Flaggschiff der freien, regierungskritischen Presse zu einer Manövriermasse ausländischer Pressemogule geraten war, sondern dass es gerade Bacanu traf, der unter Ceauescu lange im Gefängnis gesessen hatte, weil er illegal eine regimekritische Zeitung herausgegeben hatte. Die WAZ-Gruppe rechtfertigte ihr Vorgehen damit, dass Bacanu sie selbst mit falschen Zahlen zu Anteilsverhältnissen und Auflagenhöhe getäuscht hätte135. Außerdem hätte Bacanu eine ‚Verleumdungskampagne’ gegen die WAZ und ihren Geschäftsführer Bodo Hombach in Gang gesetzt, nachdem sich die Essener Zeitungsgruppe geweigert hatte, Bacanus Aktienanteil für neun Millionen Euro zu übernehmen. Bacanu bestritt die Vorwürfe. Vor allem hatte er die Redaktion des Blattes auf seiner Seite. Diese reagierte auf die Absetzung Bacanus und die Vorwürfe mit einer eigenen Ausgabe, in der zahlreiche Artikel den deutschen Zeitungskonzern scharf kritisierten. Die WAZ-Gruppe hoffte damals, den Streit rasch zu den Akten legen zu können. Doch Bacanu war auch nach seiner Absetzung noch Generaldirektor des Verlags „R“ SA, in dem die Zeitung erscheint. Die „Financial Times Deutschland“ (FTD) vermutete damals, dass das wirtschaftliche Kalkül Teil des Falls Bacanu sein könnte. Das Osteuropageschäft habe sich für viele westliche Pressekonzerne eher als Enttäuschung erwiesen: Deren Kalkül wäre es gewesen, dass sich die Pressefreiheit auch wirtschaftlich auszahlt, schrieb die Wirtschaftszeitung. Nur haben gerade Blätter, die betont unabhängig auftreten, oft wirtschaftliche Probleme. Da in Rumänien außerdem viele Unternehmen noch in staatlicher Hand sind, ist das Anzeigengeschäft
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In einer Meldung der „Siebenbürger Zeitung“ hieß es: Der WAZ Mediengruppe hat die Aktienmehrheit an der konservativen Tageszeitung „Romania Libera“ in Bukarest übernommen. Das der Christlich-Demokratischen Bauernpartei (PNTCD) und der Bürgerrechtsbewegung in Rumänien nahestehende Blatt erscheint in einer täglichen Auflage von 80.000 Exemplaren. Es sei „Marktführer im Anzeigengeschäft“, teilte die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) in Essen mit. Bereits seit Mitte letzten Jahres gehört die gleichfalls landesweit verbreitete rumänische Tageszeitung „National“ mehrheitlich zur WAZ-Gruppe. Damit erweitert der Verlag, der auch in anderen Ländern Ost- und Mitteleuropas stark vertreten ist, sein Engagement in Rumänien. [www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/alteartikel/628-waz_konzern-uebernimmt-romania.html]. Die gemeinsamen Mehrheitsbeteiligungen an der „Romania Libera“ und an dem Prepress-Unternehmen „Grupul de Presa Romania“ faßte man unter dem Dach der Medien-Holding zusammen. Vgl. www.waz-mediengruppe.de/Rumaenien.25.0.html. Als verantwortlicher Verwaltungsratsvorsitzender hätte er die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse bei der Gesellschaft „R“ SA seit März 2002 dem Registergericht wider besseren Wissens nicht angezeigt. Laut Registergericht hält die WAZ-Mediengruppe nur 49 Prozent der Anteile. Die am 28. März 2002 erworbenen 23 Prozent der Aktien seien bis Ende Oktober nicht öffentlich gemacht worden. Interne Schriftwechsel zwischen Herrn Bacanu und der WAZ Mediengruppe würden belegen, daß Herr Bacanu mehrfach den Aktienanteil von 72 Prozent des Hauptgesellschafters anerkannt habe, was auch im internen Aktienverzeichnis abzulesen sei. Die Verschleierung der Eigentumsverhältnisse bis auf den heutigen Tag durch Herrn Bacanu ließen auf betrügerische Absichten schließen, sollte er die tatsächliche Situation nicht anerkennen.
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gerade für regierungskritische Zeitungen meist eine problematische Angelegenheit. Wirtschaftliche Zwänge provozierten so wiederholte Auseinandersetzungen über die Tendenz der Berichterstattung zwischen Eigentümer und Redaktion der „România Liber“, die als oppositionelles Blatt galt.
10.1
Der Fall România Liber
Die Beschwerden von Journalisten und die Proteste ganzer Redaktionen gegen ihre Eigentümer häuften sich 2004 in Rumänien. Im November standen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an, und die Regierungspartei versuchte offen, die Medien auf ihre Seite zu ziehen. Eine Woche zuvor hatte sich auch die Redaktion der Bukarester Tageszeitung „Evenimentul Zilei“ (Auflage: 100.000 Exemplare) in einem Protestschreiben an ihren Eigentümer, den Schweizer Medien-Konzern „Ringier“, über dessen Einmischung in redaktionelle Angelegenheiten beschwert. Unter dem Vorwand organisatorischer Veränderungen habe „Ringier“ versucht, „den kritischen Ton des Blattes abzuschwächen“, hieß es in der Erklärung der Redakteure. Die Zeitung „Evenimentul Zilei“ ist mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren eine der meistgelesenen überregionalen Tageszeitungen in Rumänien und ein Blatt, über dessen kritische Berichterstattung sich Regierungs-mitglieder im Vorfeld der Wahlen immer wieder beschwert hatten. Auch die Bukarester Tageszeitung „România liber“ fuhr schweres Geschütz auf, in diesem Fall gegen den WAZ-Konzern. „Der schwärzeste Tag“, stand am Montag in Riesenlettern auf der Titelseite zu lesen, daneben eine Erklärung der Redaktion, in der schwere Vorwürfe gegen den Mehrheitseigentümer der Zeitung, den WAZ-Konzern, erhoben wurden. Die Redaktion sprach von „brutaler Einmischung“ der WAZ in die redaktionelle Arbeit der Zeitung. Hauptanklagepunkt: Seit einiger Zeit übe der westdeutsche Pressekonzern Druck auf die Redaktion aus, weniger regierungskritisch aufzutreten. Die WAZ wolle aus der Zeitung ein Boulevardblatt mit „positiven Reportagen“ und Promi-Berichterstattung machen, was sich aber nicht mit dem Selbstverständnis der „România Liber“ vertrug. Die „România liber“ war nach dem Sturz des Diktators Nicolae Ceauescu im Dezember 1989 das Flaggschiff der freien Presse in Rumänien. Ihr Direktor Petre Mihai Bacanu hatte unter der Diktatur im Gefängnis gesessen, weil er illegal eine Ceauescu-kritische Zeitung gedruckt hatte. Nun hatte der WAZKonzern 70 Prozent der Anteile an der Zeitung übernommen. Petre Mihai Bacanu bedauerte den Einstieg der WAZ bei seiner Zeitung inzwischen sehr – der Chefredakteur der „România liber“, Bogdan Ficeac, berichtete, seit Monaten seien Diskussionen mit WAZLeuten immer wieder in Vorwürfe ausgeartet, man kritisiere die regierende Sozialdemokratische Partei PSD zu sehr. Dass sich Journalisten, ganze Redaktionen und ZeitungsEigentümer derart in die Haare bekammen, hatte eindeutig mit der Nervosität vor den Parlaments- und Präsident-schaftswahlen zu tun. Die sozialdemokratische Regierungspartei („Partidul Social Democrat“, PSD) versuchte offen, die Medien auf ihre Seite zu ziehen136. Druck wurde auch über die Vergabe von Werbeaufträgen ausgeübt, denn die Regierung ist einer der größten Auftraggeber für Anzeigen und Werbespots. Bei unliebsamer Berichter-
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Interessanterweise ging die PSD in den Parlamentswahlen 2008 bewusst ein Wahlbündnis mit der sozialkonservativen PC („Partidul Conservator“) ein, um die Medienmacht des einflussreichen, ehemaligen PCVorsitzenden Dan Voiculescu zu nutzen.
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stattung werden solche Aufträge schlicht gestoppt, mit verheerenden Folgen für die betroffenen Medien. Sowohl die rumänische Regierung als auch der WAZ- und der „Ringier“-Konzern bestritten die Vorwürfe der Redaktionen von „România liber“ und „Evenimentul Zilei“. Zu den Details der Konflikte wollten sich die beiden Medienkonzerne nicht äußern. Für manche rumänischen Journalisten war jedoch in diesem Tagen eine Welt zusammengebrochen. „Wir Journalisten haben lange Zeit mit der Vorstellung gelebt, dass der Westen ein besserer Eigentümer ist und uns nicht auf eine Weise mit Füßen treten würde, wie es die rumänischen Magnaten tun“, schrieb der Chefredakteur der Tageszeitung „Adevarul“ in einem Leitartikel. „Nun sehen wir, dass auch die ‚feinsinnigen‘ europäischen Patrone sich nicht scheuen, mit der Faust und dem Stiefel in eine Redaktion zu trampeln.“ Die WAZGruppe sah das freilich anders und dementierte umgehend137. Im hart umkämpften rumänischen Markt müsse die „România liber“ eine Qualitätszeitung bleiben und werde „in diesem Sinne“ weiter „Auffrischungen“ erfahren, hieß es aus Essen. Im September 2004, als der Streit um die Tendenz der Zeitung erstmals aufgeflammt war, hatten die Redakteure in Leitartikeln diese „Auffrischungen“ als „Boulevardisierung“ des Blattes kritisiert. Die Indizien sprachen gegen die WAZ. Vor den Parlamentswahlen 2004 soll die WAZ wiederholt und massiv versucht haben, über ihren Stellvertreter Overbeck und dessen Assistenten Markus Kleininger, auf eine positivere Ausrichtung zu drängen, was bedeutete, positiver über die damalige Regierung zu berichten und kritische Artikel zu unterlassen. Das lag freilich im Interesse des Geschäftsführers, des deutschen SPD-Politikers Bodo Hombach. Hombach war nach Regierungstätigkeiten in Nordrhein-Westfalen und einem kurzem Gastspiel in der Bundesregierung mehrere Jahre „Sonderkoordinator“ der Bundesregierung für den „Stabilitätspakt für Südosteuropa“ gewesen. Spätestens in dieser Funktion schuf er sich zahlreiche Kontakte, die sich in seiner Funktion als WAZ-Geschäftsführer als nützlich erweisen sollten. Die Sozialdemokratische Partei Rumäniens, das heißt die zu Sozialdemokraten gewendeten ehemaligen Kommunisten Rumäniens, kooperierten eng mit der damaligen sozialdemokratischen Bundesregierung unter Gerhard Schröder, der Hombach den Koordiantorenposten verschafft hatte. Die Widersacher der konservativen „România Liber“ und ihres Leiters Bacanu saßen nun in der Regierung und Bacanus offene Zeitung wurde zum Zankapfel wirtschaftlicher Interessen. Die WAZ-Gruppe gab vor, man sei lediglich bestrebt, die Zeitung lesbarer und damit erfolgreicher zu machen. Eine politische Einflussnahme habe es jedoch „nie und durch niemanden“ gegeben. Bacanu kritisierte in einem Interview mit der „Jungen Welt“ vor allem Bodo Hombach scharf: „Hombachs Statthalter, Klaus Overbeck, hat uns immer wieder klargemacht, dass wir zu kritisch mit der sozialdemokratischen Partei umgehen. Die sei demokratisch gewählt, man dürfe sie nicht allzu sehr kritisieren. Für die Auslandsseite wurde uns nahegelegt, uns an der britischen „News of the World“ zu orientieren – große Fotos, wenig Text.“ Auf der anderen Seite rückte Geschäftsführer Hombach Bacanau in einem Spiegel-Interview in die Nähe eines Betrügers, der die neuen Besitzverhältnisse nicht akzeptieren wolle. Sie würden hier statt eines Kampfes für die Pressefreiheit eher Kleinkriminalität erleben, wenn mit falschen Unterlagen falsche Eintragungen vor Gericht erschlichen würden. Wenn man
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Darüberhinaus habe sich die WAZ, als einziges Medienunternehmen neben der norwegischen „Orkla Media AS“, den OSZE-Grundsätzen für Pressefreiheit verpflichtet, und berief sich auf den OSZEMedienbeauftragten, Miklos Haraszti, der den Fall geprüft und nicht als Gefährdung der Pressefreiheit bewertet hätte. Haraszti dementierte jedoch, in der Sache überhaupt aktiv geworden zu sein. Er hätte lediglich eine Anfrage der WAZ erhalten, die er aber abgelehnt hätte.
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bedenke, dass auch in Deutschland die Zeitungsbesitzer den Inhalt des Blattes bestimmen, könnte man den Redakteuren der „România Liber“ auch Blauäugigkeit vorwerfen, meinte Helmut Lorscheid in einem Kommentar138: „Sie pflegten die Wunschvorstellung, ausländische Investoren – ob nun der ebenfalls in Rumänien kritisierte Schweizer Verlag Ringier oder die WAZ-Gruppe – würden sich allein aufs Geld verdienen beschränken und sich redaktioneller Einflußnahme enthalten.“139 Eine einvernehmliche Lösung des Konflikts schien Ende 2004 nicht mehr möglich. Der WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach hatte angekündigt, die Auseinandersetzung nur noch auf dem Rechtsweg austragen zu wollen. Eine Satzungsänderung solle die administrativen Voraussetzungen dafür schaffen, um die Funktionen des Verwaltungsratsvorsitzenden und des Generaldirektors zu trennen. Die Redakteure der Zeitung fürchteten die Kündigung. Die WAZ habe, kritisierten sie, „in aller Stille eine Parallelredaktion aufgebaut“. Ein Streik erschien durchaus möglich. Zwischen Mitarbeitern kam es sogar zu handgreiflichen Auseinander-setzungen. Der rumänischen Industrie- und Handelskammer in Iai war das Vorgehen Hombachs jedenfalls suspekt genug, um ihm die 2001 im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Sonderkoordinator verliehene Ehrenmitgliedschaft und weitere Auszeichnungen abzuerkennen140. Gegenüber dem Informationsdiest „German Foreign Policy“ antwortete Bacanu auf die Frage, ob er sich um die Früchte des realsozialistischen Zusammenbruchs betrogen sehe: „Ja! Eindeutig ja!“. In den Zeiten der Wende (1990) habe sich die Zeitung „einiger eher schwächlicher Zensurversuche“ erwehren müssen, aber trotzdem weiterarbeiten können. Die kurze Phase der Pressefreiheit sei jetzt einem Zustand gewichen, den „hegemoniale und politische Absichten“ kennzeichneten. Wäre es um die journalistische Freiheit der Mitarbeiter der „România Liber“ tatsächlich so gut bestellt gewesen, wie die WAZ-Gruppe versicherte, hätten nicht nur rumänische Journalisten, sondern auch die Internationale Journalisten-Föderation wohl kaum Grund gesehen, sich über das Verhalten der WAZ in Rumänien offiziell zu beschweren. In Deutschland hielten sich, vor allem aus bundespolitischen Gründen, die Solidarität und die Kritik in engen Grenzen. Zwar hatten die Rumänen zur „Deutschen Journalisten-Union“ (in ver.di) und dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) rechtzeitig Kontakt gesucht – aber bis zum Betriebsrat des Essener WAZ-Konzerns oder gar zur Basis drang der Hilferuf aus Bukarest offenbar nicht vor. Auf Anfrage von „Telepolis“ konnte die dju/ver.di in Berlin auch Mitte November 2004 noch immer „keine schriftlichen Erklärungen“ zu diesem Thema zur Verfügung stellen. Erst als sich neun rumänische Redakteure in einem Kleinbus auf den Weg nach Essen machten, um vor dem Verlagshaus zu demonstrieren, zeigte sich der Betriebsrat nach Darstellung einer Sprecherin „überrascht“. Verständlich, denn die Betriebsräte waren weder vom „DJV“ noch von der „dju“ informiert worden. Die Konzernpressestelle reagierte geschickt und versuchte den Protest zu einem „Besuch“ der rumänischen Journalisten umzudeuten: Von einem „intensiven Meinungsaustausch“ in einem „atmosphärisch guten Rahmen“ war die Rede. Der „DJV“ hatte auf Anfrage von „Telepo-
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Vgl. Lorscheid, H.: „Keine Pressefreiheit in Rumänien dank deutschem Verlag“. WAZ bestimmt die Richtung rumänischer Zeitungen, 19.11.2004 [www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18809/1.html]. Ibidem. Hombach sei ,,keine ehrliche Person“, hieß es in der Mitteilung, die von der rumänischen Presse breit zitiert wurde. Hombach wurde beschuldigt, die vormalige Regierungstätigkeit in den privaten Aufkauf ganzer Medienzweige überführt und den WAZ-Konzern zum Marktmonopolisten in Südosteuropa gemacht zu haben. ,,Wir werden uns deutschen Diktaten nicht beugen“, sagten Redakteure der in WAZ-Mehrheitsbesitz befindlichen Tageszeitung ,,România liber“ in einem Pressegespräch. Die journalistische Leitung des Blattes weigere sich, den Anordnungen eines nach Bukarest entsandten deutschen WAZ-Statthalters zu folgen.
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lis“ immerhin einen Resolutionstext zur Hand, frisch verabschiedet auf dem jüngsten Verbandstag am 10. November 2004. Darin hieß es: Der DJV Verbandstag protestiere auf das Schärfste gegen die Praxis insbesondere der Zeitungsgruppe WAZ im osteuropäischen Ausland, bürgerliche Grundrechte, wie die Koalitionsfreiheit für Journalisten zu missachten. Der DJV-Verbandstag forderte die Geschäftsleitung der Zeitungsgruppe WAZ auf, die Geschäftsführer ihrer Titel in Bulgarien und Rumänien zu veranlassen, die gewerkschaftlichen Rechte ihrer Redakteure nicht länger zu behindern. Darüberhinaus teilte Michael Klehm, Referent für Internationales des DJV mit, dem DJV-Landesverband NRW sei es „bisher nicht gelungen, einen Termin mit Bodo Hombach zu vereinbaren, bei dem auch die Situation in Rumänien angesprochen werden sollte. Er gehe aber davon aus, daß es den Termin noch in diesem Jahr geben wird. Der Streit zwischen zwischen „România Liber“, ihrem Generaldirektor Petr Mihai Bacanu und der WAZ-Gruppe wurde zum Jahresende 2005 beigelegt. Neue Besitzverhältnisse sollten für Ruhe in Rumänien und für weitere gute Geschäfte der WAZ-Gruppe sorgen141. So verkaufte der bisherige Generaldirektor und Chefredakteur Petr Mihai Bacanu seine Anteile für drei Millionen Euro an den Unternehmer Dan Grigore Adamescu, der 50 Prozent der neu gegründeten Holding kontrolliert. Die anderen 50 Prozent verblieben bei der WAZ, die sich nach einer Stellungnahme aus den publizistischen Fragen weitgehend heraushalten will. „România liber“ soll ihre Position als „unabhängige Stimme“ behalten und weiter festigen. In Rumänien besitzt die WAZ-Gruppe momentan zwei Zeitungen und ist auch in anderen Ländern Südosteuropas (Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Mazedonien) verlegt die WAZ größere Tageszeitungen142. Augenscheinlich sei keine nationale Verlagsbranche im Ausland so erfolgreich tätig, wie die deutsche, meinte der Medien-forscher Horst Röper, was insbesondere in Ost- und Mitteleuropa gelte, wo es Verlage im inländischen Besitz kaum noch gebe.
10.2
Zeitungen, Zeitschriften und Nachrichtenagenturen
Die rumänische Printbranche steckte 2009 in der Krise. In diesem Jahr wurden nach Auskunft der Journalistengewerkschaft rund 50 regionale und lokale Zeitungen geschlossen, 3000 bis 4000 Journalisten verloren ihre Stelle. Die Werbeeinnahmen gingen nach Schät-
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In der linken „Jungen Welt“ hieß es dazu pointiert: „Hombachs Statthalter Klaus Overbeck verläßt Bukarest Nach langen Auseinandersetzungen haben die Journalisten der rumänischen Zeitung Romania Libera jetzt einen Sieg über den WAZ-Konzern und dessen Geschäftsführer Bodo Hombach errungen. Hombachs Statthalter Klaus Overbeck kehrt zurück nach Deutschland, die Struktur der Redaktion sowie die bisherige Linie der Zeitung bleiben unverändert...“ [Romalo, Manola: „Romania Libera“ redaktionell unabhängig. Hombachs Statthalter Klaus Overbeck verläßt Bukarest. In: junge Welt, 14.9.2004, Nr. 214, S. 7 [www.jungewelt.de/php?ref=/2004/12-24/006.php]; WAZ in Rumänien [www.labournet.de/branchen/medienit/waz/index.html]. Im Ausland erzielt die WAZ 43 Prozent des Umsatzes und vor allem Osteuropa stand und steht auf der Einkaufsliste ganz weit oben. Insgesamt vertreibt der Konzern in Ost- und Südosteuropa 20 Tageszeitungen, zahlreiche Wochenzeitschriften und Monatspublikationen. In Ungarn ist die WAZ-Gruppe mit fünf regionalen Tageszeitungen (Gesamtauflage 260.000) und dem landesweit vertriebenen Nachrichtenmagazin „hvg“ (Auflage 112.000) vertreten. In Rumänien besitzt die WAZ-Gruppe zwei Zeitungen und in Bulgarien soll der Verlag das größte Verlagshaus mit drei landesweit erscheinenden Tageszeitungen sein. In Kroatien gibt die WAZ-Gruppe mit „Jutarnji“ List die zweitgrößte Tageszeitung mit einer Auflage von ca. 120.000 Exemplaren heraus und in Mazedonien erscheinen drei Titel mit einer täglichen Auflage von 120.000 Exemplaren.
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zungen um bis zu 60 Prozent zurück. Zum Jahreswechsel stellten außerdem drei landesweite rumänische Tageszeitungen ihre Druckausgabe ein: „Gardianul“, „Cotidianul“ [www.cotidianul.ro/] und „Ziua“ erscheinen mittlerweile nur noch online. Hohe Auflagen erreichen nur noch die Boulevard-Blätter: unter den vier erfolgreichsten Zeitungen Rumäniens finden sich mit „Click“, „Libertatea“ und „Cancan“ gleich drei Boulevardzeitungen. „Click“ ist erst seit wenigen Jahren auf dem Markt, womit sich auch der Auflagenrückgang der einst erfolgreichsten Zeitung „Libertatea“ erklären lässt. Die drittplatzierte Zeitung „Adevarul“ hatte zudem vor kurzem angekündigt, der Politik nur noch eine Seite zu wimen und auch nur, falls diese Themen von „allgemeinem Interesse“ seien. Das Gleiche gilt für die Gratiszeitung „Adevarul de Seara“ („Wahrheit am Abend“), die in den U-BahnStationen verteilt wird. Politik spielt dort außerhalb des Wahlkampfs keine Rolle mehr. Die erfolgreichste Qualitätszeitung „Jurnalul Na@ional“ kommt dagegen nur auf eine Auflage von rund 76.000 Stück. Selbst wenn man die unterschiedliche Bevölkerungsgröße Rumäniens herausrechnet, entspricht das nur etwas mehr als der Hälfte der Auflagen der „Süddeutschen Zeitung“ oder der „Frankurter Allgemeinen“ in Deutschland. Die beiden eingestellten Zeitungen „Ziua“ und „Cotidianul“ kamen bei der letzten veröffentlichten Erhebung nur noch auf rund 18.000 bzw. 13.000 gedruckte Exemplare. Offizielle Zahlen für Ende 2010 gibt es nicht, aber die Experten gehen davon aus, dass keine mehr über eine Auflage von 10.000 Stück kam. Maßgebend für den rumänischen Printbereich sind die in Bukarest herausgegebenen und landesweit vertriebenen Zeitungen und Zeitschriften. Es gibt zwar auch zahlreiche Blätter, die in den Kreishauptstädten veröffentlicht werden, doch ihre Auflagen reichen von einigen Tausenden bis zu wenigen Zehntausend und decken allgemein nur den lokalen Informationsbedarf. Die „Meinungsbildner“ sitzen in der Hauptstadt, die selbst keine nennenswerte Lokalzeitung mehr besitzt, außer vielleicht die von „Ringier“ heraus-gegebenen Tageszeitung „Compact Bucureti“ [www.compact.info.ro]. Die Bukarest-Tageszeitung wurde 2006 als erste kostenlose Tageszeitung in Rumänien lanciert und erfreute sich gleich eines so großen Erfolgs, dass die Auflage in kurzer Zeit von 150.000 auf über 160.000 Exemplare vergrößert wurde (Druckauflage und verkaufte Auflage: 161.400). Die Nummer Eins in der rumänischen Rangliste der Printpresse ist seit Jahren, wenn auch ihre verkaufte Auflage etwas zurückgegangen ist, das Boulevardblatt „Libertatea“ [www.libertatea.ro], herausgegeben vom Schweizer Verlagshaus „Ringier“. Während die anderen Tageszeitungen kaum die Schwelle von 100.000 Stück pro Auflage überschreiten, liegt die Druckauflage von „Libertatea“ bei 303.700 Stück und die verkaufte Auflage bei 234.100 Exemplaren. Wenn „Libertatea“ der unangefochtene Marktführer ist, rühmt sich die Mediengruppe „Intact“ mit der auflagenstärksten Qualitäts-Tageszeitung Rumäniens: „Jurnalul NaЮional“ (www.jurnalul.ro - Druckauflage: 92.100 Exemplare). Jahrelang gab es einen Kampf um die Vormachtstellung zwischen „Jurnalul NaЮional“ und Ringiers „Evenimentul zilei“ (www.evz.ro - Druckauflage: 73.500, verkaufte Auflage: 52.800), doch seit 2007 scheint die Tageszeitung der Mediengruppe „Intact“ voranzuliegen. Die großen Umwälzungen im Bereich der Medien führten in den vergangenen Jahren zu wichtigen Änderungen: „Adevrul“ [www.adevarul.ro] gehört zusammen mit „România Liber“ zu den zwei wichtigen Tageszeitungen, die Wende und Privatisierungsprozess erfolgreich überlebt haben. Bis 2005 war das links-liberale Blatt „Adevrul“ der absolute Marktführer unter den Tageszeitungen. 2005 kam es aber zu einer Trennung zwischen der damaligen rumänischen Eigentümerin und den Chefredakteuren, die zusammen mit einem Großteil der Redaktion kündigten und die Zeitung „Gândul“ gründeten. Das führte auch zu einer Teilung der Leserschaft. Im Juli 2006 wurde „Adevrul“ vom rechtsliberalen rumäni-
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schen Geschäftsmann Dinu Patriciu übernommen, was die Kündigung der damaligen Direktorin Corina Drgostescu und eines großen Teils der Redaktion nach sich zog. Ersetzt wurde Drgostescu durch den ehemaligen Direktor der Boulevardzeitung „Libertatea“, Adrian Halpert, der zurzeit Editorial Director des ganzen Konzerns Adevrul Holding ist. Die im Juni 2005 neu gegründete Tageszeitung „Gândul“ [www.gandul.info] wurde zehn Monate später vom „MediaPro“-Konzern übernommen. Der Direktor Cristian Tudor Popescu, einer der ehemaligen Mehrheitsbeteiligten von „Gândul“, behielt zusammen mit einem Großteil der Chefredaktion weiterhin die Führung, aber nicht für lange Zeit. Ab November 2007 begannen sie der Reihe nach zu kündigen. Der Höhepunkt wurde Ende Januar 2008 erreicht, als Cristian Tudor Popescu seine Stelle als Direktor der Zeitung kündigte und sich entschied, nur noch als Senior Editor bei „Gândul“ tätig zu sein. Die Auflagen von „Gândul“ und „Adevrul“ liegen bei ähnlichen Werten, „Gândul“ freute sich aber immer eines kleinen Vorsprungs („Gândul“: Druckauflage: 41.500, verkaufte Auflage: 31.500; „Adevrul“: Druckauflage: 41.900, verkaufte Auflage: 27.800). Ende 2008 startete aber „Adevrul Holding“ einen Expansionsprozess und lancierte am 17. November die kostenlose Tageszeitung „Adevrul de Sear“, die täglich am Nachmittag verteilt wird – eine Premiere in Rumänien. Die Startauflage liegt bei 250.000 Exemplaren. Ziel war es, innerhalb kurzer Zeit eine Auflagenverdoppelung zu erlangen. Zurzeit wird „Adevrul de Sear“ in Bukarest, Jassy, Cluj-Napoca, TimiЬoara, Oradea, Arad und Bacu verteilt. Eine weitere wichtige Qualitätszeitung Rumäniens ist die bereits ausführlich erwähnte „România Liber“ [www.romanialibera.ro], die sich nach der Wende zu einer rechtsorientierten Publikation entwickelte. Die Tageszeitung, die mit einer Druckauflage von 67.400 Stück und einer verkauften Auflage von 54.500 Stück seit Jahren unter den zehn Ersten rangiert, befindet sich zurzeit zu jeweils 50 Prozent in Besitz der deutschen WAZ-Mediengruppe und des rumänischen Geschäftsmanns Dan Grigore Adamescu. Nennenswert unter den Qualitätszeitungen sind auch die rechts-liberalen Blätter „Ziua“ [www.ziua.ro - Druckauflage 24.700, verkaufte Auflage 15.800] und „Cotidianul“ [www.cotidianul.ro - Druckauflage: 32.000, verkaufte Auflage: 22.400]. Im Mai 2006 wurde die ganze Mediengruppe „CaЮavencu“, zu der auch „Cotidianul“ gehörte, von der Mediengruppe „Realitatea“ übernommen. In den letzten zwei Jahren erlebte „Cotidianul“ einen richtigen Aufschwung. Die Landschaft der Sportzeitungen wird seit Jahren von den zwei großen Spielern „Gazeta Sporturilor“ [www.gsp.ro] und „ProSport“ [www.prosport.ro] dominiert. Die zwei Sportpublikationen gehören zu den oberen fünf der auflagenstärksten Zeitungen in Rumänien. Die An- und Verkäufe der zwei Zeitungen unter den drei der vier größten Medienkonzerne in Rumänien („MediaPro“, „Ringier“, „Intact“) sind repräsentativ für Umwälzungen auf dem rumänischen Medienmarkt. „Gazeta Sporturilor“ wurde im Jahre 2000 von „Ringier“ an „Intact“ verkauft, wobei die Zeitung damals von keiner großen Wichtigkeit war. Marktführer im Bereich Sport war die Zeitung „ProSport“ des „MediaPro“-Konzerns, die im Februar 2003 von „Ringier“ übernommen wurde. Kurz darauf aber kündigte die Redaktion von „ProSport“ kollektiv und wechselte zu „Gazeta Sporturilor“. Und damit begann der entscheidende Kampf um die Vormachtstellung. Im Laufe von eineinhalb Jahren schaffte es „Gazeta Sporturilor“ nicht nur, ihren Rivalen einzuholen, sondern sogar knapp zu überholen. Zurzeit liegen die Druckauflage der Sportzeitung von „Intact“ bei 132.200 und die verkaufte Auflage bei 101.400. Die Druckauflage von „ProSport“ beträgt 112.650, die verkaufte Auflage 59.000. Der Kampf wird aber ganz sicher fortgesetzt, vor allem weil „ProSport“ Ende November 2007 von „MediaPro“ zurückgekauft wurde.
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Bis vor eineinhalb Jahren war die einzige wichtige Wirtschaftstageszeitung in Rumänien „Ziarul Financiar“ [www.zf.ro], herausgegeben von „PubliMedia International“, der Vertriebsfirma von „MediaPro“. Die Zeitung befindet sich seit langer Zeit auf einem zwar nicht spektakulären, aber konstanten Wachstumskurs. Druckauflage 21.800, verkaufte Auflage 18.700 Exemplare. Im Mai 2007 lancierte die Mediengruppe „Realitatea-CaЮavencu“ in Partnerschaft mit der Verlagsgruppe „Handelsblatt“ das Konkurrenzprodukt „Business Standard“ [www.standard.ro]. Die Startauflage der neuen Wirtschafts-tageszeitung liegt bei rund 19.000 Exemplaren. Neben den zwei Publikationen der „PubliMedia International“ bzw. der Mediengruppe „Realitatea-Ca@avencu“ gibt es seit Januar 2008 auch eine Businesstageszeitung des Medienkonzerns „Intact“, die unter dem Namen „Financiarul“ [www.financiarul.com] lanciert wurde. Das führte zu einem kleinen Skandal, weil in Jassy seit mehr als drei Jahren eine Publikation desselben Namens existiert [www.financiarul.ro]. Neben dem absoluten Marktführer „Libertatea“ sind in jüngster Zeit auch andere Boulevardzeitungen erschienen, die es aber nicht geschafft haben, die Vormachtstellung der Tageszeitung von Ringier zu bedrohen oder deren Auflage zu beeinflussen. Einige davon schafften es aber in ganz kurzer Zeit, sich unter den fünf auflagenstärksten Zeitungen in Rumänien zu positionieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die Zeitung „Averea“, die im März 2007 einen Relaunch unter dem neuen Titel „Click!“ [www.click.ro] erlebte. Einen Monat später wurde auch das Boulevardblatt „Can-Can“ [www.cancan.ro] auf den Markt gebracht. „Click!“ gehört zur Mediengruppe Adevrul Holding und entstand durch die Übernahme der früheren Boulevardzeitung „Averea“. Zusammen mit dem ehemaligen redaktionellen Team von „Libertatea“, das im Oktober 2006 „Ringier“ verließ, versucht der rumänische Geschäftsmann Dinu Patriciu, der Besitzer der „Adevrul Holding“, eine neue erfolgreiche Boulevardzeitung zu schaffen. Und tatsächlich befindet sich das neue Boulevardblatt „Click!“, laut den offiziellen Auflagedaten (Druckauflage: 180.750 Exemplare, verkaufte Auflage: 123.500 Exemplare), auf echtem Erfolgskurs. Gut sieht es auch im Falle von „Can-Can“ aus. Die Boulevardzeitung verfügt über eine Druckauflage von 144.500 Exemplaren und eine verkaufte Auflage von 93.100 Exemplaren. Allgemein ist die Wochenpresse in Rumänien einem Nischen-Publikum vorbehalten. Es handelt sich dabei großteils um Zeitungen und Zeitschriften mit wirtschaftlichem oder kulturellem Charakter, um Frauenmagazine und erfolgreiche „What’s up in town“-Hefte. Im Kampf um die Vormachtstellung befinden sich wiederum die großen Medienkonzerne143. Als gleichgestellte Konkurrenten im Bereich der Wirtschaftswochenzeitungen stehen
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Der Medienkonzern „MediaPro“ ist auf dem Segment der Wirtschaftswochenzeitungen mit der Zeitschrift „Business Magazin“ [www.businessmagazin.ro] vertreten und die Mediengruppe „Realitatea-Caìavencu“ mit dem Wochenmagazin „Money Express“ [www.moneyexpress.ro], beide mit einer Auflage von rund 20.000 Exemplaren. Eine weitere nennenswerte Publikation mit ähnlicher Auflage ist die Wochenzeitschrift „Banii noètri“. Kulturzeitungen wie „22“ [www.revista22.ro], „Dilema veche“ [www.dilemaveche.ro], „Observator Cultural“ [www.observatorcultural.ro] oder „România literar“ [www.romlit.ro] erreichen leider nur ein begrenztes Publikum. Über die höchste Auflage in diesem Bereich verfügt „Dilema veche“ (Druckauflage: 12.850 Exemplare, verkaufte Auflage: 7.000 Exemplare). Anders sieht die Situation bei der satirischen Wochenzeitschrift „Academia Caìavencu“ aus [www.catavencu.ro], deren Druckauflage bei 48.300 Exemplaren und einer verkauften Auflage von 30.500 Exemplaren liegt. Im Bereich der Frauenmagazine positioniert sich an der Spitze der Rangliste die von Ringier herausgegebene Wochenzeitschrift „Libertatea pentru Femei“, die mit einer Druckauflage von 165.800 Exemplaren und einer verkauften Auflage von 120.900 Exemplaren im Ranking der Frauenmagazine bis jetzt entscheidend führt. Anfang November 2008 lancierte aber Adevrul Holding die Zeitschrift „Click! pentru femei“, mit einer Startauflage von 200.000 Exemplaren. Ob es die neue Frauenzeitschrift von Adevrul Holding tatsächlich auch schaffen wird, „Libertatea pentru Femei“ zu überholen, ist noch offen. Populär sind auch die zweimonatigen Frauenzeitschriften wie „Lumea femeilor“ von Rin-
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die Publikationen von „Ringier“ und „Intact“. Bis Ende 2007 war die vom Schweizer Verlagshaus herausgegebene Wochenzeitung „Capital“ (www.capital.ro) das meistgelesene Wirtschafts-Wochenprintmedium in Rumänien. Die Wochenpublikation von „Intact“, „Sptamâna Financiar“ [www.sfin.ro], schaffte aber in der ersten Hälfte 2008 einen knappen Vorsprung vor dem langjährigen Spitzenreiter „Capital“ (Druckauflage von 41.600 Exemplaren und verkaufte Auflage von 30.450 Exemplaren im Vergleich zu „Sptamâna Financiar“: Druckauflage 51.400 Exemplare und verkaufte Auflage 36.100 Exemplare). Eine von der großen Politik und Finanzwelt unabhängige Meinung erlaubt sich die Wochenzeitschrift „Observator Cultural“. Als der Historiker Marius Oprea, Begründer und Leiter des „Instituts zur Erforschung der Verbrechen des Kommunismus“, im Frühjahr 2010 trotz massiver Proteste aus dem In- und Ausland abgesetzt wurde – man warf ihm zuviel Diensteifer und zuwenig Ergebenheit gegenüber Staatspräsident Traian Basescu vor – brach die Nobelpreisträgerin Herta Müller im „Observator Cultural“ eine Lanze für den verfemten Oprea. Dessen Absetzung sei ein „Sieg der alten Mächte“. Aber weder die Proteste noch Müllers Unterstützungsbrief halfen etwas. Der Securitate-Jäger und BasescuGegner Oprea wurde durch den Basescu loyal zur Seite stehenden Politologen Vladimir Tismaneanu ersetzt. Der „Observator“ mit seinen intelligenten und kritischen Aufsätzen und Kommentaren – der Untertitel der Zeitschrift lautet programmatisch „spiritul critic în ac@iune“ („kritischer Geist in Aktion“) – ist insgesamt gesehen ein Lichtblick. Neben den Fachmagazinen dominiert auch bei den Monatszeitschriften, ob in den international bekannten Hochglanzmagazinen und Markentiteln144 oder in den rumänischen Eigenprodukten „Avantaje“, „Viva“, „Femeia“, „Casa Lux“, die allgemein von den rumänischen Zweigstellen internationaler Medienkonzerne herausgegeben werden145, das Modisch-Oberflächliche. Erwähnenswert ist auch das einzige deutschsprachige Wirtschaftsmagazin in Rumänien „Debizz“ [www.debizz.ro], das seit April 2003 monatlich in einer Auflage von 5.000 Exemplaren herausgegeben und auch in Österreich, Deutschland und in der Schweiz vertrieben wird. Die Gratis-Wochenhefte befinden sich in Rumänien auf vollem Erfolgskurs. Sie bringen aktuelle Informationen über Kino, Musik, Theater, Sport, Ausstellungen, Clubbing, Fitness, Pubs und Restaurants in der Stadt. „Ыapte seri“ [www.sapteseri.ro] und „24-Fun“ [www.24fun.ro] mit je 60.000 Exemplaren pro Ausgabe sind Marktführer in Bukarest. Die größeren Städte im Land geben ähnlich gemachte Lokalblätter heraus. Nennenswert ist auch die Zeitschrift „Time Out BucureЬti“ [www.timeoutbucuresti.ro], die zur bekannten internationalen „Time Out“-Magazin-Reihe gehört. Im März 2007 wurde der „MediaPro“Konzern Mehrheitsbeteiligter von „Time Out BucureЬti“. Vor der Übernahme wurde die Zeitschrift zweimal pro Monat herausgegeben, jetzt erscheint sie wöchentlich in einer Auf-
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gier [www.lumeafemeilor.ro - Druckauflage: 69.150 Exemplare, verkaufte Auflage: 44.500 Exemplare], „Acasa Magazin“ von „MediaPro“ [www.acasamagazin.ro - Druckauflage: 63.250 Exemplare, verkaufte Auflage: 38.800 Exemplare – Stand Juli-Dezember 2007], „Ioana“ von Burda [www.revistaioana.ro - Druckauflage: 85.450 Exemplare, verkaufte Auflage: 51.250 Exemplare] oder das zweimonatige Teenager-Magazin von „Ringier“ „Bravo“ [www.bravonet.ro - Druckauflage: 61.200 Exemplare, verkaufte Auflage: 38.400 Exemplare]. [Medienlandschaft Rumänien – Printmedien, www.wieninternational.at/de/node/11625]. Zu diesen zählen u.a. „Elle“, „Cosmopolitan“, „Beau Monde“, „Burda“ oder die Männerzeitschriften „FHM“ und „Playboy“. Diese werden herausgegeben von „Edipresse“ zusammen mit „Axel Springer“ [www.edipresse.ro], „Sanoma Hearst“ [www.sanomahearst.ro] und „Burda“ [www.burda.ro]. Weitere Angebote in diesem Bereich kommen auch von den großen Medienkonzernen in Rumänien wie z.B. „Unica“ oder „Bolero“ („Ringier“), „The One“ („MediaPro“), „Tabu“ und „j’adore“ („Realitatea-Caìavencu“) oder Tango. Das kunterbunte Bild der Monatszeitschriften wird von Auto-, Science-, IT- und Computer-Magazinen sowie von diversen Quizheften vervollständigt.
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lage von 25.000 Stück, davon werden 10.000 kostenlos verteilt, 5.000 verkauft und weitere 10.000 kostenlos an die Abonnenten von „Ziarul Financiar“ verschickt. Fast alle Zeitungen und Zeitschriften in Rumänien verfügen auch über eine InternetSeite146. Die Anzahl der Rumänen, die Online-Varianten der Printmedien vorziehen, wächst ständig. Daran sind aber auch, wie beschrieben, die wirtschaftlichen Verhältnisse schuld. Viele Zeitungen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten, wichen ins Internet aus. Aber Online-Journalismus kann in Rumänien auch erfolgreich sein, wie die Nachrichtenplattform „Hotnews“ beweist [www.hotnews.ro]. Die kritische Situation der landesweiten Medien betrifft auch die Lokalzeitungen. Diese gehören vor allem ausländischen Medienunternehmern, die rein wirtschaftliche Interessen haben. Die meisten stellten bereits im Juli und August 2009 ihre gedruckten Ausgaben ein. Für 2010 rechnete die rumänische Journalistengewerkschaft „Mediasind“ mit dem Aus von bis zu 50 weiteren Zeitungen. Gewerkschaftschef Cristi Godinac forderte daher finanzielle Unterstützung von der Regierung. Die Medienindustrie werde in Rumänien versteuert wie jede andere Branche auch, was Godinac für überzogen hält. Solange auf die rumänischen Journalisten politischer Druck, wirtschaftlicher Druck und der Druck durch die Eigentümer ausgeübt werde, könne man nicht von einer freien Presse sprechen. Besonders betroffen von diesem Druck sind laut Godinac die lokalen Medien. Das betrifft auch „Artpress“ in Targoviste, einer 90.000-Einwohner-Stadt, eine Autostunde von Bukarest entfernt. Das Unternehmen betreibt einen regionalen Fernseh- und Radiosender und eine Zeitung mit eigener Druckerei. Auch dort waren die Werbeeinnahmen um die Hälfte eingebrochen. Die Lokalverwaltung erhöhte außerdem die Steuern für die Zeitungskioske des Unternehmens um das Hundertfache – was aber vom Gericht für illegal erklärt wurde. Dazu kommt, dass die Politik den Journalisten die Arbeit erschwert. Die Journalisten von „Artpress“ wurden zum Beispiel nicht zu Pressekonferenzen eingeladen. Erst durch ein Gerichtsurteil kam „Artpress“ an Dokumente der lokalen Verwaltung, die erhebliche Geldströme zu den Privatfirmen von Leuten aus dem Umfeld des lokalen Verwaltungschefs zeigen. Lokalpolitiker der regierenden Liberaldemokraten (Partidul Democrat Liberal - PDL) ließen sich mehr als einmal abfällig über „Artpress“Journalisten aus. Wenn die Landschaft der Zeitungen, TV- und Radiosender in Rumänien auf den ersten Blick breit und bunt ist, sieht es im Falle der Nachrichtenagenturen ein wenig anders aus. Die 1991 gegründete „Mediafax“ ist der absolute Marktführer. Im Juli 2006 gründete die Mediengruppe Realitatea-CaЮavencu ihre eigene Nachrichtenagentur, „NewsIn“, die schnell zu einem Konkurrenten für „Mediafax“ heranwuchs. Die öffentlich-rechtliche rumänische Nachrichtenagentur „Rompres“ [www.agerpres.ro/media/index.php] wurde ursprünglich
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Durch SATI, den neuen Dienst des Rumänischen Büros zur Ermittlung von Auflagezahlen (BRAT – www.brat.ro), werden monatlich auch Daten zur Internet-Nutzung ermittelt. Die Daten sind kostenlos unter www.sati.ro abrufbar und liefern Informationen über die Anzahl der Aufrufe, Besuche sowie die Anzahl der Einzelkunden. In der Rangliste der meistbesuchten Medien-Webseiten nach der Anzahl der Einzelkunden Clients (Stand Oktober 2008) befinden sich: protv.ro (Webseite des Fernsehsenders ProTV), sport.ro (Webseite des Sport-Fernsehsenders sport.ro), gsp.ro (Webseite der Sport-Tageszeitung „Gazeta Sporturilor“), prosport.ro (Webseite der Sport-Tageszeitung „ProSport“), libertatea.ro (Webseite der Boulevardzeitung „Libertatea“), realitatea.ro (Webseite des Fernsehsenders Realitatea), evz.ro (Webseite der Tageszeitung „Evenimentul zilei“), gandul.info (Webseite der Tageszeitung „Gândul“), zf.ro (Webseite der WirtschaftsTageszeitung „Ziarul Financiar“) und adevarul.ro (Webseite der Tageszeitung „Adevrul“). Besonders beliebt sind aber auch Web-Seiten, die neben den eigenen Berichten auch eine Auswahl der Artikel aus den wichtigsten rumänischen Zeitungen bringen, wie z.B. acasa.ro, rol.ro, 9am.ro, hotnews.ro, wall-street.ro (Wirtschaftsinformationen), ziare.com, onlinesport.ro und sportulromanesc.ro (beide Sport-Webseiten), roon.ro usw.
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unter dem Namen „Agerpress“ gegründet (Agen@ia Român de Pres), änderte aber ihren Namen nach 1989 zu „Rompres”, um damit die enge Verwandtschaft Rumäniens mit Frankreich zu unterstreichen, als Äquivalent zu „Agence France-Presse”. 2008 änderte die Agentur wieder zurück in „Agerpress”, wobei ihre Webseite auch noch über den alten Namen zu erreichen ist. Als Konkurrenz zum Monopolisten „Rompres” bzw. „Agerpresse” enstand 1991 die andere große nationale rumänische Nachrichtenagentur „Mediafax“, die ihren Sitz wie die „Agerpress“ in Bukarest hat. Sie ist heute Teil der „MediaPro Group“ von Adrian Sârbu. Mit ihrem Nachrichtenangebot deckt sie 90 Prozent des Bedarfs der rumänischen Printmedien und 70 Prozent der nationalen Fernseh- und Rundfunkstationen. Der Wirtschaftsnachrichtendienst „Mediafax Business Information“ umfasst Wirtschaftsdaten wie Kurs-, Statistik- und Unternehmensdaten. Die ersten Nachrichten, die „Medifax“ 1991, damals mit einem Stab von zwölf Journalisten, verbreitete, waren noch maschinengeschrieben und wurden an die Redaktionen der großen Zeitungen verschickt. Später ersetzten stündliche Meldungen, die per Fax übertragen wurden, diese archaische Methode. Im Februar 1994 wurde die Agentur in eine Aktiengesellschaft verwandelt und der Redaktionsstab auf 100 Journalisten aufgestockt. Das erste Produkt, das „Mediafax“ anbot, war ein Paket mit Wirtschafts-informationen, zu dem später auch ein Photodienst kam, um rumänische und ausländische Presseaufnahmen zu vertreiben. „Mediafax“ ist exklusiver Vertreiber des Photodienstes der „Agence France Press“. 1997 bot die Agentur ihre Dienste ab sofort auch online und in Echtzeit an, worin Zugang zu allen Nachrichten, Photos und zum Nachrichtenarchiv eingeschlossen war. „Mediafax“ war die erste Agentur auf dem rumänischen Markt, die Unternehmen und PRAgenturen Nachrichten aus den verschiedensten Bereichen (Bauwirtschaft, Energie, Tourismus, Landwirtschaft u.a.) professionelles „Media Monitoring“ anbot. Vor 1998 waren die Unternehmen auf ihre eigenen Ressourcen angewiesen. Als 2003 auch der Dienst „Mediafax Mobility“ für Mobiltelefon-Anbieter in Rumänien hinzukam, war der Weg geebnet, der „Mediafax“ heute rund 4,5 Millionen Euro Gewinn einträgt, bei 350 festen und 150 freien Mitarbeitern und mehr als 1.700 Geschäftskunden. „Mediafax“ sendet täglich rund 500 Nachrichten. Da die Agentur einer der Pioniere auf dem rumänischen Medienmarkt nach 1989 war, konnten sich viele frühere Mitarbeiter später ihre Stellen in den Redaktionen der großen Tageszeitungen und in den Presseämtern der Ministerien aussuchen.
10.3
Rundfunk und Fernsehen in Rumänien
Die ersten Fernsehübertragungen der rumänischen Fernsehgesellschaft „Televiziunea Româna“ [www.tvr.ro] fanden 1956 statt. 1972 wurde ein zweiter Kanal ins Leben gerufen, der anfänglich nur in der Region Bukarest sendete. Nach 1994 fanden eine Reihe von Neuorganisierungen und eine wichtige Erweiterung des öffentlich-rechtlichen TV-Senders statt. Zurzeit hat das öffentliche Fernsehen fünf Sender, die über Kabel oder Antenne landesweit empfangen werden können („TVR 1“, „TVR 2“, „TVR International“, „TVR Cultural“ und seit Oktober 2008 auch „TVR 3“) sowie fünf regionale Sender (in IaЬi, Cluj, TimiЬoara, Craiova und Târgu MureЬ). Die Geschäftsführung der rumänischen Fernseh-gesellschaft gab bekannt, in kürzester Zeit solle ein sechster Sender lanciert werden, und zwar der Nischensender „TVR Info“. Bis ungefähr 2006 Jahren war „TVR 1“ landesweit der wichtigste Fernsehsender, auch wenn die privaten kommerziellen Sender auf Stadtebene mittlerweile den Kampf um die Einschaltquoten gewonnen hatten. 2007 war der Hauptsender der rumä182
nischen Fernsehgesellschaft mit einem Marktanteil von rund 10,3 Prozent landesweit auf Platz zwei abgerutscht und auf Stadtebene schaffte er es mit einem Marktanteil von rund 7,1 Prozent nur noch auf Platz vier. Anfang 2008 erlebte „TVR 1“ einen noch dramatischeren Absturz. Mit einem Marktanteil von rund fünf Prozent besetzte der Hauptsender der Rumänischen Fernsehgesellschaft durchschnittlich nur noch Platz vier auf Landesebene und Platz fünf auf Stadtebene. Einen Aufschwung erlebte „TVR 1“ im Juni 2008, als sich dank der Exklusivrechte für die Übertragung der EURO 2008 die Einschaltquote von „TVR 1“ verdoppelte, was den Hauptsender der rumänischen Fernsehgesellschaft sowohl auf Landes- als auch auf Stadtebene auf Platz zwei brachte. Im Juli rutschte er dann aber auf die sechste Position ab147. Die privaten Fernsehsender kamen erst nach 1990 auf den Markt. Als absoluter Marktführer sowohl auf Landes- als auch auf Stadtebene hat sich der Fernsehsender „ProTV“ [www.protv.ro] mit einem Marktanteil von 12 bis 12,5 Prozent auf nationaler Ebene bzw. rund 13,5 bis 14 Prozent auf Stadtebene (Stand: Januar-Juli 2008) durchgesetzt. Er ist der unbestrittene Favorit des Publikums im Alter von 18 bis 49 Jahren. „ProTV“ gehört zum Medienkonzern „MediaPro“, der Eigentümer ist aber, wie auch im Falle der anderen Fernsehsender des Konzerns („Acasa TV“, „Pro Cinema“, „Pro TV International“, „Sport.ro“ und „MTV Romania“) „Central European Media Enterprise“ (CME), der dadurch zum Minderheitsbeteiligten von „MediaPro“ wurde. Adrian Sârbu, der Eigentümer von „MediaPro“ und Gründer von „ProTV“, ist aber weiterhin in der Führung der fünf Fernsehsender und wurde sogar zum Operational Director der ganzen amerikanischen TV-Gruppe „CME“ ernannt. Der zweite Hauptspieler auf dem rumänischen Fernsehmarkt ist „Antena 1“ [www.antena1.ro]. Dieser Fernsehsender der Mediengruppe „Intact“ hat sich mit einem Marktanteil von 8 bis 9 Prozent landesweit und 9 bis 9,5 Prozent auf städtischer Ebene (Stand: Januar-Juli 2008) als zweiter Favorit des urbanen Publikums behauptet. 2007 befand sich „Antena 1“ landesweit auf Platz drei, knapp hinter „TVR 1“. Anfang des Jahres 2008 schaffte es aber der Fernsehsender von „Intact“, sowohl auf Landes- als auch auf Stadtebene „TVR 1“ weit zu überholen. Bemerkenswert ist die Entwicklung des kleineren Senders des MediaPro-Konzerns „Acas TV“ [www.acasatv.ro], der sich vor allem mit Unterhaltungsserien sowie einheimischen und südamerikanischen Seifenopern 2008 die dritte Position sicherte und im Mai des selben Jahres sogar den zweiten Platz landes- und stadtweit ergatterte und dadurch „Antena 1“ überholte. Auch der Nachrichtensender „Realitatea TV“ [www.realitatea.net] schaffte es 2008 weiterhin seine Position als Nischensender mit durchschnittlich 4 bis 4,5 Prozent Marktanteil zu festigen. „Realitatea“ befindet sich durchschnittlich auf Platz sechs in der Rangliste der rumänischen Fernsehsender. Weitere auf Nachrichten spezialisierte Sender sind „Antena 3“ und „National 24“, die aber noch relativ wenige Zuschauer haben. Einen kleinen Aufschwung verzeichneten die Sender „Prima TV“ [www.primatv.ro] und „Kanal D“ [www.kanald.ro]. Für die größte Überraschung auf dem rumänischen Fernsehmarkt sorgte jüngst der Sender „OTV“ [www.oglindatelevision.ro], der oft als „Appartement-Fernsehen“ bezeichnet wird, weil das komplette Studio in einem Appartement untergebracht ist. Es handelt sich dabei um einen Tabloid-Fernsehsender, dessen erfolgreichste Sendung eine einstündige Talkshow ist, die sich meist um Skandal-Themen dreht, und von Dan Diaconescu, dem Besitzer des Senders,
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Die Gesellschaft wird gemäß Regierungsverordnung 978/2003 über eine Gebühr von 4 Rumän. Lei/1,12 Euro (Privatpersonen) bzw. 7,7 Lei/2,15 Euro/Zimmer (Hotels und andere Tourismus-Einrichtungen) und 50 Lei/14 Euro (Firmen) mit einer Gebühr (TV-Abonnement) finanziert. Das Abonnement wird jedem Haushalt automatisch mit der monatlichen Stromrechnung abgezogen.
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moderiert wird. Der Sender konnte sich damit unter den ersten sieben Fernsehsendern Rumäniens positionieren148. Mit 11,6 Millionen Hörern landesweit ist das Radio das beliebteste Medium in Rumänien. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk „Societatea Român de Radiodifuziune“ [www.srr.ro] geht auf das Jahr 1928, als es offiziell gegründet wurde, zurück und ist landesweit der meist-gehörte Sender (über 40 Prozent Marktanteil)149. Er sendet auf allen Wellenlängen und verfügt über mehrere programmlich verschiedene Sender: „România ActualitЮi“ (2,542 Millionen Hörer landesweit – Stand Januar-April 2008), „România Cultural“, „România Muzical“, „România InternaЮional“, den Internetsender „Radio3Net“ und weitere regionale Sender. Die Liste der privaten Radiostationen in Rumänien, die erst nach 1990 erschienen, ist von beachtlicher Länge150. Zahlreiche FM-Sender sind sowohl in Bukarest als auch in den meisten Städten des Landes zu hören. Die Vormachtstellung in diesem Bereich halten schon seit Jahren der Medienkonzern „Lagardere“, dem „Radio 21“ und „Europa FM“ gehören, und „SBS Broadcasting“ (ProSiebenSat.1 Media), der Eigentümer von „Kiss FM“ und „Magic FM“ ist. Um die ersten fünf Positionen der Rangliste der Radiosender mit den größten Einschaltquoten ringen hauptsächlich „Radio România ActualitЮi“ [http://actualitati.srr.ro], „Europa FM“ [www.europafm.ro], „Kiss FM“ [www.mykiss.ro], „Radio 21“ [www.radio21.ro] und „ProFM“ [www.profm.ro], der Radiosender des „MediaPro“-Konzerns. Der beliebteste Sender auf nationaler Ebene ist (Stand Januar-April 2008) „Radio România ActualitЮi“ mit 2,54 Millionen Hörern pro Tag151 und einem Marktanteil von 13,3 Prozent, gefolgt von „Europa FM“ (2,08 Millionen Hörer, Marktanteil 10,9 Prozent), „Kiss FM“ (2,07 Millionen Hörer, Marktanteil 10,8 Prozent), „Radio 21“ (1,91 Millionen Hörer, Marktanteil 10 Prozent) und „Pro FM“ (1,07 Millionen Hörer, 6,6 Prozent Marktanteil). An der Spitze in den Stadtgebieten rangiert „Europa FM“. „Kiss FM“ nimmt den zweiten Platz ein, „Radio România ActualitЮi“ den dritten und „Radio 21“ und „Pro FM“ den vierten bzw. fünften Platz. Die Situation ändert sich immer wieder ein wenig im Falle der Hörerschaft in der Hauptstadt Bukarest, wo „Radio 21“ mit fast 410.500 Hörern pro Tag die Führung behauptet und vor „Radio România ActualitЮi“ (245.000 Hörer), „Kiss FM“ (210.500 Hörer), „Europa“ (130.600 Hörer) und „Radio Romantic“ (126.000 Hörer) (Stand Mai-August 2008) liegt. „Radio Romantic“ sendet seit September 2008 nur noch in Bukarest. Die landesweiten „Radio Romantic“-Stationen sowie „News FM“, die beide dem Intact-Medienkonzern gehören, wurden zu „Radio ZU“. Beliebt sind in Bukarest auch „Radio Guerrilla“ [www.radioguerrilla.ro], „Radio Total“, das 2008 in „Gold FM“ umgetauft wurde [www.radiogoldfm.ro], „Magic FM“
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Die Fernseh-Einschaltquoten in Rumänien wurden zwischen 2005 und 2007 von „TNS AGB International“ im Auftrag des Rumänischen Vereins für die Messung der Einschaltquoten (ARMA – www.arma.org.ro) gemessen. Ab 2008 bis 2011 werden sie von GFK Romania im Auftrag desselben Vereins ermittelt. Die Gesellschaft wird gemäß Regierungsverordnung 977/2003 über eine Rundfunkgebühr von 2,5 Rumän. Lei/0,70 EUR (Privatpersonen) und 30 Lei/8,5 EUR (Firmen) finanziert. Dieses so genannte RadioAbonnement wird jedem Haushalt monatlich mit der Stromrechnung abgezogen. Siehe z.B.: www.listenlive.eu/romania.html. Was die Messung der Radioeinschaltquoten anbelangt, werden diese Studien 2008-2011 von IMAS und Mercury Research im Auftrag des so genannten Vereins für die Radio-Einschaltquoten (ARA) durchgeführt. Bis Ende 2007 wurden die Analysen zweimal im Jahr – April-Mai bzw. September-Oktober – durchgeführt, ab 2008 sollen aber die Daten dreimal im Jahr ermittelt werden, für die Zeitspannen: Jänner-April (Einschaltquoten auf Landes-, Stadt- und Bukarestebene), Mai-August und September-Dezember (Einschaltquoten nur auf Stadt- und Bukarestebene). Die Daten können kostenlos unter www.audienta-radio.ro heruntergeladen werden.
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[www.magicfm.ro] und andere. Das lokale Radio Temeswar/Timioara sendet täglich zwei Programmstunden in deutscher Sprache152.
10.4
Deutsche Zeitungen in Rumänien
Die „Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ und die ungarische Zeitung „Uj Magyar Szö“ [www.maszol.ro] knüpfen, mit veränderten Namen und einem den Zeiten entsprechenden Äußeren, an die Blätter der kommunistischen Epoche an, als die Minderheiten über eine Presse in der eigenen Sprache verfügen durften. Sie wenden sich an die in Rumänien lebene deutsche bzw. ungarische Volksgruppe, wobei die „Allgemeine Deutsche Zeitung“ [www.adz.ro] sich zusätzlich vorgenommen hat, Interessantes für alle zu bieten, die Deutsch sprechen oder lernen. Hintergrund ist schlicht der langsame Verlust der angestammten Leserschaft. Für das zweite wichtige Organ der deutschen Volksgruppe, die „Hermannstädter Zeitung“, wie für alle deutschsprachigen Publikationen war der 26. Dezember 1989 ein Schicksalstag. Damals war Hermannstadt (rumänisch: Sibiu) wie viele andere rumänische Städte nach der Niederschlagung des Kommunismus in Aufruhr. Man hätte Zeitung gemacht unter dem Kugelhagel, erinnert sich die Chefredakteurin der Zeitung, Beatrice Ungar. Auf dem großen Platz im Zentrum hatten tagelang Tausende von Menschen gegen den stürzenden Diktator Nicolae Ceauescu demonstriert, und aus den malerischen Dachluken der alten Häuser hatten Geheimdienstagenten in die Menge geschossen. Es gab Tote und Verletzte, aber die Revolution war nicht aufzuhalten. Am 26. Dezember erschien die „Hermannstädter Zeitung“, die Stimme der deutschen Minderheit in Siebenbürgen, mit einer vierseitigen Notausgabe. „Die Bevölkerung unseres Kreises begrüßt den Tag, an dem Rumänien seine Freiheit und Würde errang“, lautete die Schlagzeile. Der Stil war der alte, doch der Ton klang neu. In einer Mitteilung der Redaktion hieß es, dass auch die Redaktion der „Hermannstädter Zeitung“ mit der Vergangenheit gebrochen hätte. Und für das, was bisher im Blatt gestanden hatte, bat man die Leser um Entschuldigung. Für die „Hermannstädter Zeitung“ aber barg der Umschwung nicht nur Hoffnungen. Im rauhen Wind der sich liberalisierenden Marktwirtschaft hatten sie wie ihre Pendants schwer zu kämpfen. Mehr als zwei Dutzend Presseorgane und Rundfunkstationen bekamen das zu spüren, die in Mittelost- und Osteuropa seit Jahrzehnten, bisweilen auch länger als ein Jahrhundert die dort lebenden deutschen Volksgruppen bedienten. Die „Moskauer Deutsche Zeitung“ etwa wurde 1870 gegründet. In Budapest erschien seit 1854 der „Pester Lloyd“, der 1945 verschwand und 1994 wiederbelebt wurde. Die Deutschen in Kasachstan haben ihre „Deutsche Allgemeine Zeitung“, in Polen erscheint das „Schlesische Wochenblatt“, und die „Deutsche Stimme aus Ratibor“ ist dort im Radio zu hören. Tschechiens deutsche Minderheit liest die „Landeszeitung“, und in Rumänien bietet außer dem Wochenblatt „Hermannstädter Zeitung“, das Freitags erscheint, auch die täglich erscheinende „Allge-
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Von 13 bis 14 Uhr auf 630 kHz für Westrumänien und von 19 bis 20 Uhr auf 105,9 MHz für den Großraum Temeswar und über den Satelliten Thor III. Die Abendsendung kann jetzt zu jeder Zeit nachgehört werden unter www.montanbanat.de. Hörer aus dem Ausland haben die Möglichkeit, jeden zweiten Sonntag um 12 Uhr (MEZ) die Programmstunde in deutscher Sprache durch Mitteilungen oder Grüße mitzugestalten.
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meine Deutsche Zeitung“ (ADZ)153 Neuigkeiten in deutscher Sprache an. Darüberhinaus gibt es den „Schäßburger Gemeindebrief“ der evangelischen Kirchen-gemeinde Schäßburg (Sigioara), der allerdings nur vierteljährlich erscheint. Die „Karpatenrundschau“ und die „Banater Zeitung“ sind Beilagen der „Allgemeinen Deutschen Zeitung“. Die „ADZ“ und die Hermannstädter Zeitung“ waren Nachkriegs-gründungen in kommunistischer Zeit, die der deutschen Minderheit, neben den Siebenbürger Sachsen auch den Banater Schwaben und anderen Gruppen, die Parteilinie nahebringen sollten. Seitenlang hatten sie deshalb die Reden des ‚großen Conductors‘ Ceauescu zu drucken. Der Umsturz von 1989 setzte die beiden Zeitungen dem Markt aus, auf dem sie ohne Subventionen kaum bestehen konnten. Zwei weitere deutsche Wochenblätter in Temeswar (Timioara) und Kronstadt (Braov) leben nur noch als Beilagen in der „Allgemeinen Deutschen Zeitung“ weiter, in Hermannstadt (Sibiu) hingegen behauptete die Redaktion ihre Eigenständigkeit, um den Preis der ständigen Sorge um den Fortbestand. Er ist bisher nur dadurch gesichert, dass die rumänische Regierung die 19 Minderheiten im Land aktiv fördert, so auch das 1989 gegründete „Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien“. Ein Teil der dort eingehenden Zuschüsse wird an die beiden deutschen Blätter weitergereicht. Ohne diese Hilfe der Regierung könnten die deutschen Zeitungen nicht existieren. Die Hermannstädter Zeitung bestreitet damit die Hälfte ihres Etats, der Rest kommt aus dem Bar- und Abonnementverkauf, aus Anzeigenerlösen und Spenden. Die Lage der deutschen Publikationen ist alles andere als rosig. Ausgaben für Werbung wurden in der Wirtschafts- und Finanzkrise überall zuerst gekürzt, außerdem hat das Blatt Inserenten nur eine sehr kleine Zielgruppe zu bieten. Die Auflage der Hermannstädter Zeitung, die zu besten Zeiten um 1980 bei 80.000 Stück lag, ist auf rund 2.000 abgestürzt, zeitweise lag sie nur noch um die 1.500. Der wichtigste Grund dafür ist der Exodus der Siebenbürger Sachsen, der schon zu Ceauescus Zeiten begann. 1989 lebten noch rund 250.000 Deutsche in Transsylvanien, von denen gut die Hälfte nach Deutschland auswanderte, um dem wirtschaftlichen Elend zu entkommen. Heute leben in Siebenbürgen nur noch rund 16.000 Deutsche. Allerdings lernen an den deutschen Schulen junge Rumänen in großer Zahl Deutsch. Rechnet man die Vertreter deutscher oder österreichischer Firmen und die Touristen hinzu, so kommt man auf 30.000 deutsch-sprechende potentielle Leser. Doch nur rund tausend Exemplare können an diesen Kreis verkauft werden, die restlichen tausend gehen an Abonnenten in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg, Belgien und Ungarn. Diesen Lesern bieten die fünf Redakteure, unter ihnen zwei junge Rumänen, auf acht Seiten Lokal- und Regional-nachrichten aus Politik, Kultur und Gesellschaft ebenso wie Berichte und Kommentare zur rumänischen Innenpolitik. Veranstaltungskalender, Kreuzworträsel und eine „Junior-Ecke“ komplettieren ein Blatt, das im Erscheinungsbild trotz einer Auffrischung des Layouts auf Westeuropäer nicht gerade modern wirkt. Auch die Redaktionsräume in der historischen Innenstadt von Hermannstadt, deren abgetretene Holzböden mit Teppichen belegt sind, haben noch etwas sympathisch Altmodisches an sich, wenngleich auch hier Computer Einzug hielten154. Kann die „Hermannstädter Zeitung“, können die
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Die „ADZ“ wurde von Redakteuren des „Neuen Weg“ (1949-1992) im Jahr 1992 aus der Taufe gehoben. Das Vorgängerblatt wurde inhaltlich und konzeptionell komplett umgestaltet und wendet sich heute als Tageszeitung überwiegend an die deutschsprachige Minderheit in Rumänien. Bei der Steuerung des Übergangs hilft das „Institut für Auslandsbeziehungen“ (IfA) in Stuttgart, das hauptsächlich vom Bundesaußenministerium finanziert wird und ähnlich wie das Goethe-Institut den kulturellen und gesellschaftlichen Austausch pflegt. Anna Dmitrienko, die zuständige Medien-Koordinatorin, betrachtet dabei die deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa als „kulturelle Botschafter“ und Brückenbauer. Das Insti-
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anderen Blätter überleben, wenn die Zahl der Leser fortgesetzt schwindet? Zugleich steigen die Kosten, und die staatlichen Zuschüsse fließen nicht unbegrenzt. In Ungarn hat jüngst der „Pester Lloyd“ sein Erscheinen als Printprodukt vorerst eingestellt, es gibt ihn nur noch online zu lesen. Und über die Chancen der „Hermannstädter Zeitung“ erlaubte sich die Chefredakteurin Beatrice Ungar keine Prognose. Man bleibe jedoch optimistisch, immerhin habe man 1989 den Kugelhagel überstanden. Und schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts wäre alles eigentlich am Ende gewesen. Damals hatte man Angst vor der Magyarisierung, der kulturellen Überwältigung, als Siebenbürgen zu Ungarn kam – und trotzdem ging es weiter. Doch Ende Juli 2008 musste die „ADZ“ ihr Erscheinen vorübergehend einstellen, aus finanziellen und personellen Gründen, wie es hieß155.
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tut hilft den Redaktionen, indem es beispielsweise gemeinsame Konferenzen in Berlin organisiert. Es gibt Geld für konkrete Projekte, außerdem entsendet das Stuttgarter Institut deutsche Fachleute in die Redaktionen, um beim Strukturwandel zu helfen. So hospitierte bei der Hermannstädter Zeitung von 2004 bis 2006 die Medienwirtin und Redakteurin Anna Galon aus Nordrhein-Westfalen, die danach eine Diplomarbeit über das Blatt schrieb. Das Werk ist in Hermannstadt als Buch erschienen, womit die Geschichte dieses einzigartigen Organs also gesichert ist. Auf der Webseite der „Heimatzeitung der Sathmarer Schwaben“ wurde aus der Erklärung der „ADZ“ zitiert: „Die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (ADZ) stellt ihr Erscheinen zum 31. Juli ein, um im Herbst reformiert wieder zu erscheinen. Diese Entscheidung ist laut ADZ-Redaktion finanziell und personell begründet. Die Druck- sowie die laufenden Kosten seien „in den vergangenen Monaten so sehr gestiegen, dass es nicht mehr tragbar ist, eine so teure Zeitung zu drucken, die zudem wegen des schlechten Vertriebs viele Interessenten gar nicht erreicht“. Die ADZ-Leser wurden „in eigener Sache“ darüber informiert, dass die Tageszeitung Ende Juli vorübergehend eingestellt wird. Es soll nun ein neues Konzept erarbeitet werden, um die Zeitung im Herbst erneut auf den Markt zu bringen: „Wir planen eine Zeitung, in der es so wie bisher Berichte, Beiträge und Informationen aus allen Landesteilen geben wird, in denen Deutsche leben. Über das tagespolitische Geschehen wollen wir Sie auch weiterhin informieren“, heißt es in der Mitteilung.“
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Die Medien in der Republik Moldau
Die Medien in der Republik Moldau (Republica Molodova) bzw. in Moldawien156 und erst recht im abgespaltenen Transnistrien157 haben bis heute mit ganz anders gelagerten Problemen zu kämpfen. Die Proteste des Jahres 2009 zwangen den kommunistischen Präsidenten Vladimir Voronin schließlich zum Rücktritt und die antikommunistische Vier-ParteienKoalition „Allianz für die Europäische Integration“ übernahm die Regierung. Damit verstärkte sich nicht nur die Hoffnung auf eine Vereinigung mit Rumänien, auch die Medien hofften, nun aufatmen zu können. Denn unter Voronin war die Presse eher auf Linientreue und Polemik gegen den rumänischen und Solidarität mit dem russischen Nachbarn eingeschworen worden. Kritik wurde ungern gelesen und gehört. Die Journalistin Alina Anghel setzte sich darüber hinweg und wurde nach Drohanrufen tätlich angegriffen. Ihr Vergehen war, dass sie im Januar 2003 für die moldauisch-rumänische Zeitung „Timpul“ („Die Zeit“) den Leitartikel „Luxus im Land der Armut“ verfasst hatte. Darin war die Rede von 40 Limousinen, die Präsident Vladimir Voronin ausgewählten Partei-funktionären geschenkt hatte. Dafür verwendete Voronin Staatsgelder, die eigentlich für Renten, Schulen und das Gesundheitswesen bestimmt waren. Offiziell verkündete seine Regierung die kommunistische Parole von der Gleichheit, während sie den bitterarmen Bürgern in die Tasche griff. Das Durchschnittseinkommen in der Republik Moldau betrug damals gerade einmal 40 Euro im Monat. Dabei war die Republik Moldau einst ein vergleichsweise reiches Land innerhalb der Sowjetunion. Doch nach der Unabhängigkeit, die 1991 verkündet wurde, verlor das Land rund ein Drittel seiner Industrie. Haupthandelspartner blieb Russland, schon weil moldawische Produkte die hohen EU-Zollgrenzen bisher nicht passieren konnten. Umso größer war die Hoffnung, früher oder später in die EU aufgenommen zu werden, was viele als Gewinn nicht für die Wirtschaft betrachteten, sondern auch für die politische
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Das Problem liegt in der Überschneidung mit der Bezeichnung des tschechischen Flusses. Der Begriff bezeichnet aber auch das historische „Fürstentum Moldau“ und hatte sich als solcher spätestens mit der deutschen Übersetzung von Dimitrie Cantemirs „Beschreibung der Moldau“ 1771 im deutschsprachigen Raum durchgesetzt. Dieser Begriff bildet als Übersetzung des rumänischen Namens „Moldova“ bis heute die Grundlage für die Bezeichnung der rumänischen Region Moldau und des Staates Republik Moldau. „Moldawien“ ist dagegen der Versuch einer Übersetzung der russischen Bezeichnung „Moldavija“. Der Begriff „Moldawien“ verbreitete sich in der deutschen Sprache, als mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt zwischen Hitler und Stalin die Region Bessarabien (heute in etwa dem Territorium der Republik Moldau entsprechend) von Rumänien an die Sowjets abgetreten werden musste. Damit wurde „Moldova“ zu „Moldavija“ und im Deutschen Moldau zu Moldawien. Während der Zeit Moldovas als Sowjetrepublik war Moldawien die offizielle deutsche Bezeichnung des Staates. Der Begriff Moldawien ist nicht problematisch, weil er eine Übersetzung aus dem Russischen ist, sondern weil das benannte Land die Bezeichnung „Republik Moldau“ nach 1990 selbst gewählt hat. Teilweise wird im Deutschen auch der Begriff „Moldova“ verwendet, um dem Übersetzungsproblem aus dem Weg zu gehen. [„Moldawien oder Moldau und deutsche Medien“, http://sibiuaner.de/2009/04/08/moldawien-oder-moldau-und-deutsche-medien/]. Die „moldauische Dnestr-Republik“ Transnistrien (rumän.: Stînga Nistrului, in der russischen Kurzform: \ *^ ó{/Pridnestrowje; offiziell: Pridnestrowskaja Moldawskaja Respublika, dt.: Transnistrische Moldauische Republik) ist der östlich des Dnister gelegene Teil Moldawiens. Transnistrien wird von keinem anderen Staat oder einer internationalen Organisation als souveräner Staat anerkannt. Seit dem Transnistrienkonflikt 1992 ist Transnistrien de-facto eine autonom agierende sezessionistische Region, die sich als „unabhängiger Staat“ betrachtet, aber innerhalb der völkerrechtlich anerkannten Grenzen Moldawiens liegt. Das Fortbestehen des „stabilisierten De-facto-Regimes“ wird auch von den in Transnistrien illegal stationierten russischen Truppen ermöglicht, zu deren Rückzug sich Russland auf dem OSZE-Gipfel 1999 verpflichtet hatte.
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Kultur des Landes. Die Machenschaften der Regierung Voronin führte schließlich dazu, dass wie in der Ukraine auch in Moldau158 2005 Orange zur Farbe der Opposition wurde. Im März jenes Jahres wurde in der Moldau-Republik, nach Albanien das ärmste Land Europas, ein neues Parlament gewählt, das auch den Präsidenten zu bestimmen hatte. Mit Überraschungen rechnete niemand, denn die Kommunisten standen von Anfang an als Favoriten fest. Umfragen prognostizierten eine Mehrheit zwischen 49 und 62 Prozent der Stimmen für die Kommunisten. Dennoch galt die Wahl als Richtungswahl, in der sich entscheiden würde, wie ernst es den Moldauern und vor allem der regierenden kommunistischen Partei mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist. Die Moldau als Nachfolgerepublik der Sowjetunion wurde mit dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union EU-Nachbar, wobei das Land sonst mit anderen Themen Schlagzeilen machte, mit Menschenhandel, Schmuggel und dem Konflikt mit dem russischsprachigen Osten des Landes, der Region Transnistrien. Die Sehnsucht nach Veränderung war mit Händen zu greifen. In der moldauischen Hauptstadt Chiinau machten die Christdemokraten Werbung für ihre Oppositionspartei, die die Farbe Orange aus der Ukraine übernommen hatte und nun hoffte, der Funke der Freiheit werde auf das kleine Land zwischen Rumänien und der Ukraine, zwischen Europa und Russland, überspringen. Andere trugen gelbe Schals und Armbinden, das Zeichen des „Blocks Demokratisches Moldau“, eines ebenfalls oppositionellen Parteienbündnisses im Parlament. Der Bürgermeister von Chiinau, einer der drei Spitzenkandidaten des Blocks, warf der kommunistischen Regierung massive Manipulationen vor der Wahl vor. Die Kommunisten würden ihren Einfluss auf die Verwaltung ausnutzen und hätten die Polizei in eine Propaganda-Behörde verwandelt, sagte er. Tatsächlich rissen Polizisten Plakate auf der Straße ab und übten Druck auf die Opposition aus159. In den staatlichen Medien wurde massiv für die regierende Partei geworben, der Zugang der Opposition zu den Medien war dagegen eingeschränkt. Wegen unklarer Regeln im Wahlgesetz hatten die größten privaten Fernsehsender erklärt, überhaupt nicht über die Wahlen zu berichten, weshalb man praktisch von einer Informationsblockade während des Wahlkampfes sprechen konnte. Der Wahlkampf begann erst mit den Fernsehdebatten zehn Tage vor der Wahl. Damit war freilich die Zeit viel zu kurz, um sich wirklich eine Meinung über die Kandidaten zu bilden. So bekam man zuerst so gut wie keine Informationen und dann von den Medien, die landesweit zu empfangen sind, nur Informationen zum Vorteil der Regierung. Das Meinungsmonopol blieb bei den Kommunisten, deren Vorsitzender und Präsident der Republik Moldau,
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Die Moldau-Republik wurde am 27. August 1991 gegründet und besteht politisch gesehen aus drei Landesteilen: der selbsternannten Republik Transnistrien, dem autonomen Gebiet der Gagausen (einem Turkvolk) und dem restlichen Staatsgebiet. Die Hauptstadt ist Chiinau (mit ca. einer Million Einwohnern). Die Nachbarn sind Rumänien und die Ukraine. Die staatliche Sprache nach der Verfassung ist die moldawische. Die Minderheiten sind Russen, Ukrainer, Gagausen, Bulgaren, Juden, Polen und Zigeuner. Konfessionen: ChristlichOrthodoxe und in Minderheit Katholisch. Die Zahl der Einwohner liegt bei 4,3 Millionen Menschen. Die letzte Volkszählung wurde 1989 durchgeführt, die nächste war für April 2004 geplant, finanziert durch die Europäische Union. Moldawien ist eine parlamentarische Republik. Im Parlament bestehend aus 101 Mandaten entfallen 61 Mandate auf die kommunistische Partei. Parlamentarische Parteien sind unter anderem die christlichdemokratische Partei und die sozial-demokratische Partei „Moldova Noastra“ („Unser Moldau“). Die heutige Regierung hat die europäische Integration als absolutes Hauptziel der Außenpolitik festgelegt. Kandidaten der Opposition wurden in einigen Regionen am Wahlkampf gehindert und verhaftet. Zudem konnte ein Viertel der Moldauer in Transnistrien und im Ausland nicht wählen, weil es zu wenige Wahllokale gab. Auch internationale Organisationen, wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sahen Rückschritte in der Demokratie-Entwicklung. Wurden die Wahlen der Jahre 1998 und 2001 noch als den „internationalen Standards entsprechend“ gelobt, so kritisierte die OSZE schon im Vorfeld der Abstimmung den Missbrauch der öffentlichen Verwaltung durch die Regierungspartei und die Situation der Medien.
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Vladimir Voronin, durchaus Rückhalt in der Bevölkerung hatte – vor allem auf dem Land und bei den Rentnern, deren Pensionen in den vergangenen Jahren erhöht worden waren160. Aus Angst vor wahltaktischen Manövern, ja Wahlfälschungen rief die moldauische orangene ‚Mini-Bewegung‘ der Christdemokraten die Kommunisten auf, die demokratischen Regeln zu achten. Der Spracher der Christdemokraten meinte, falls die Fälschungen massiv sein sollten, würden die Straßen voll sein. Die Straßen waren voll und im Sommer 2009 wurde das alte, überholte kommunistische Regime, das die Demonstranten als Kolonialherren von Moskaus Gnaden empfanden, in demokratischen Wahlen abgelöst. Die neue, westorientierte Regierung verkündete schon bald, sie werde Gespräche mit der rumänischen Regierung aufnehmen und auf einen Vertrag hinarbeiten, der die Ordnung, die Stalin geschaffen hatte, ablösen und in den Mülleimer der Geschichte befördern würde161. In der Republik Moldau erscheinen drei unabhängige Tageszeitungen, die jedoch nicht alle Menschen lesen können. Der Grund besteht darin, dass man mit der Unabhängigkeit zwar Rumänisch als Amtssprache beibehielt, die kyrillische Schrift, in der das Moldauische162 bzw. Rumänische bis dato geschrieben worden war, aber durch die rumänische Variante des lateinischen Alphabets ersetzte. Damit schloss man besonders die älteren Menschen von den Informationsmedien aus. Gerade die unabhängigen Zeitungen haben damit nur geringen Einfluss auf die politische Meinungsbildung. Ganz anders der einzige und regierungsnahe Fernsehsender, der in den Jahren vor dem Rücktritt Voronins ständig an Bedeutung gewann. Versuche, unabhängige Sender zu gründen, wurden von der Regierung verhindert. Die einseitige Information war damit programmiert. Heute erscheinen auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt der Republik Moldau die meisten Periodika entweder auf Rumänisch oder Russisch163. Es gibt etwa 35 zentrale Zeitungen, von denen 15 russischund 20 rumänisch-(moldauisch)-sprachig sind, und bis zu 30 regionale Zeitungen, darüberhinaus Zeitungen und Zeitschriften in ukrainischer, gagausischer und bulgarischer Sprache. Zu den rumänisch-sprachigen gehören der „Timpul“ („Die Zeit“) [www.timpul.mdl.net]. Russischsprachig sind die Wirtschaftszeitung „Kommersant Molodviy“, die „Komsomol’skaja Pravda (v Moldove)“ („| ^ !{^ } \
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Voronin erklärte nach der Stimmabgabe in der Hauptstadt Chiinau, er habe „für das Volk von Moldawien“ gewählt. Die Opposition konkurrierte untereinander, jede Partei verfolgte ihre eigenen Interessen. Selbst eine Zusammenarbeit zwischen der jetzigen Opposition und den Kommunisten hielten internationale Beobachter nach der Wahl für möglich. Bei den Parlamentswahlen ging es schließlich auch um die politische Zukunft des Präsidenten. Über eine Wiederwahl Voronins entschied das Parlament, wofür er mindestens 61 von 101 Stimmen brauchte. Zwar zeigte sich Voronin, dem aktuellen Trend folgend, europa- und reformfreundlich. Er wollte, so schien es, die Stimmung in der Bevölkerung auffangen. Er traf in Kiew den ukrainischen Präsidenten Viktor Jušenko und in Chiinau den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili. Doch Beobachter sahen darin rein wahltaktische Manöver. Auch der georgische Präsident sagte, er sei nicht gekommen Voronin zu unterstützen, sondern die Demokratie in der Moldau. Vgl. Bretschneider, E.: Eine Zeitreise in Stalins letzte Kolonie [www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/ 29994. html]. Das als eigenständige Sprache höchst umstrittene Moldauische (auch Moldawisch, rumänisch: Limba moldoveneasc) ist die offizielle Bezeichnung der rumänischen Amtssprache der Moldau-Republik. Die von den Moldauern gesprochene Umgangssprache unterscheidet sich von der im östlichen Teil Rumäniens, in der Region Moldau, gesprochenen nur geringfügig, hauptsächlich durch einige russische Neologismen. Im östlichen Teil Rumäniens, westlich des Pruth, stammen die Neologismen v.a. aus dem Französischen. Auch in Transnistrien ist Moldauisch Amtssprache, jedoch in kyrillischer Schrift geschrieben und zusammen mit Russisch und Ukrainisch. Im autonomen Gebiet der Gagausen sind neben Moldauisch auch Gagausisch und Russisch in offizieller Verwendung. Vgl. Adamesteanu, Gabriela/Lucaciu, Ileana/Bogza, Lorenza 2000: Materialien zur Lage der Presse in Rumänien und Moldawien. Europäische Akademie Berlin.
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! “, www.kp.md), „Nezavisimaja Moldova“ („Unabhängiges Moldawien“, www.nm.md], und die „Moldavskie Vedomosti“ [www.vedomosti.md]. In der Auswahl der Themen unterscheiden sich die russisch- und die rumänischsprachigen Zeitungen schlagend. In seiner Ausgabe vom 19. November 2007 erinnerte Natalia Hadârca im „Timpul“ an die von den Sowjetkommunisten provozierte Hungersnot in der Ukraine, die vor genau 75 Jahren innerhalb von nur einem Jahr (1932-1933) mehr als zehn Millionen Menschen hinwegraffte – eine Thema, das die russischsprachigen Zeitungen aus politischer Solidarität mit dem großen Bruder in Moskau entweder nicht anrühren oder nur polemisch behandeln. Die Stimmung, dass die Tendenz nach Westen, nach Rumänien, erfolgverheißender ist als die alte Richtung Osten, macht sich auch in den Medien bemerk-bar. Das größte Problem ist und bleibt Transnistrien, die sogenannte Transnistrische Moldawische Republik. Dieses Problem hat Auswirkungen auf die ganze südost-europäische Region. Aber 2008 wurde ein Projekt für einen föderalen Staat ausgearbeitet, in dem Transnistrien der Status eines föderalen Subjekts zukommt. Auf Initiative Präsident Voronins und mit Unterstützung Russlands, der Ukraine, der USA und der OSZE wurde Transnistrien der Status eines föderalen Subjekts zuerkannt. Eine spezielle Kommission zwischen Chiinau und Tiraspol erarbeitete eine neue Verfassung für einen föderalen Staat. Dieser Prozess ist schwierig, aber dennoch notwendig, um die beiden Ufer der Dnjestr irgendwann zu vereinigen. Aufgrund einer Resolution des Europarats wurde auch die staatliche Rundfunkanstalt in eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit dem Namen „Moldova 1“ umorganisiert. Die Tätigkeit der Medien in der Republik Moldau wird vom koordinierenden Rat für audiovisuelle Medien (CCNA) reguliert. Die öffentlich-rechtlichen Medien finanzieren sich aus Gebühren, Einnahmen aus Werbung – wobei die Werbezeit nicht begrenzt ist – und aus Beiträgen des Staates. Die privaten Medien finanzieren sich durch Einnahmen aus Werbung oder von Sponsoren wie Parteien und Unternehmen. In Moldau sind acht Presseagenturen, einschließlich der Regierungspresseagentur „Moldpress“ registriert. Die Nachrichten werden in das Moldawisch-Rumänische, Russische und ins Englische übersetzt. Im transnistrischen Tiraspol beruft man sich gegen alle Kritik auf den Verfassungsartikel 28, der Zensur verbietet. In Transnistrien gibt es einen staatlichen und einen privaten Fernsehsender, das einzige Kabelfernsehen im Land ist im Besitz der Firma „Sheriff“ und sendet neben den zwei beheimateten noch fast alle gängigen russisch-sprachigen Sender. Es gibt mehrere Zeitungen (z.B. „Pridniestrovie“ oder „Adevarul Nistrean“), die sich aber überwiegend im Besitz des Staates oder staatsnaher Organisationen befinden, und die staatliche Presseagentur „Olvia-Press“. In Transnistrien senden mehrere Radiostationen. An erster Stelle der staatliche Hörfunksender „Radio Pridnestrowje“ bzw. „Radio PMR“ („ *^ ^ ~ !^ ~ ^! “ – „Radio Pridnestrowskoi Moldawskoi Respubliki“), der seit August 1991 in russischer, rumänischer und ukrainischer Sprache für das Gebiet Transnistrien sendet. „Radio PMR“ hat einen Auslandssender164, der ein Programm auf Kurzwelle in Deutsch, Englisch und Französisch sendet.
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Die deutschsprachigen Sendungen begannen im März 1993 unter dem Namen „Radio Dniester International“, wurden jedoch nach wenigen Jahren wieder eingestellt. Unter der neuen Bezeichnung „Radio Pridnestrovje“ werden seit 2003 erneut deutschsprachige Sendungen ausgestrahlt. Die Sendeanlagen von „Radio Pridnestrovje“ stehen in Maiac bei Grigoriopol. Für Kurzwellensendungen stehen fünf Sender mit einer Leistung von jeweils 1000 kW zur Verfügung, die zu großem Teil von anderen Auslandsdiensten, u.a. von der Deutschen Welle, genutzt werden.
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An öffentlich-rechtlichen Sendern, die auf Rumänisch senden, gibt es in der Republik Moldau „Teleradio Moldova“ (Moldova One) [www.trm.md/], „Euro TV“, und „Pro TV Chiinu“ [www.protv.md]; im russischsprachigen Sektor sind vertreten der nationale Ableger des russischen öffentlich-rechtlichen „Pervyj Kanal“ und der russischen „Rossija“. An öffentlich-rechtlichen Radiostationen gibt es „Radio Moldova 1“ und „Antena C“. In jüngster Zeit konnten sich in Moldau auch private Anbieter etablieren, im TV-Bereich „TV RIF“, „21 Kanal“ [www.tvc21.md], „NIT“ und die nationale Repräsentanz des rumänischen „Pro TV“ [www.protv.md]; und im Rundfunkbereich: „Radio Nova” [www.novaradio.com], „Pro FM-Kischinau” [www.profm.md], „Unda Libera“ („Die freie Welle“), „Radio Contact”, Radio „Vocea Basarabiei“, die russische Radiostationen „Europa Plus“, „Serebrjanyj dožd‘“ („Silberregen“), Radio „HIT FM“, „Radio Šanson, „Russkoje radio“, „Radio „Maximum“, „Radio 7“ und „Avtoradio“. An Nachrichtenagenturen gibt es in Moldawien die „basa-press news agency“ [www.basa.md], „Flux“, „Interlic“ [www.interlic.md/index.php?lang=eng] und „moldova azi“ [www.azi.md/en.html]. Allein die große Zahl an privaten Medien, die sich in jüngster Zeit etablieren konnten, deutet zumindest auf eine günstigere Entwicklung der Dinge in der Republik Moldau hin, zumal da seit 2009 dort pro-westlich-demokratische bzw. pro-rumänische Kräfte an der Regierung sind. Darauf deutete bereits ein Bericht des Europarats vom Oktober 2007 hin. Die Moldau-Republik hätte in der Konsolidierung der demokratischen Institutionen bedeutende Fortschritte gemacht, auch darin, diese europäischen Normen anzupassen. Der einzige Schatten in diesem Bild falle, so der Europarat, auf die Medien. Deren Unabhängigkeit erscheine noch sehr relativ. Auch die Ablösung der Altkommunisten habe nicht unbedingt den grundlegenden Wandel gebracht, den viele erwartet hatten. Die „South East Europe Media Organization“ (SEEMO) zeigte sich 2009 alarmiert durch die jüngsten Entwicklungen. Von den Behörden würden Medienvertreter daran gehindert, frei und unabhängig zu berichten, was wie nicht anders zu erwarten besonders bei den Parlamentswahlen auffiel. Im Juli 2009 wurden zwei Journalisten, Ivan Melnic und Vladimir Torik von der russischmoldawischen Zeitung „Moldavskie Vedomosti“, daran gehindert, an einer öffentlichen Veranstaltung der moldauischen Premierministerin Zinaida Greçeanii teilzunehmen. Wenig später hinderten die Leibwächter der Premierminsterin drei Journalisten der lokalen Zeitungen „Ecol nostru“ und „Plai Sangerean“ daran, einem Treffen zwischen ihr und Wirtschaftsleuten der Region in Sangerei beizuwohnen. Die Wächter verstellten auch dem Journalisten Rodica Nimerenco von der Fernsehstation „TVPRIM“ den Weg, als er an einer Wahlversammlung teilnehmen wollte. Aber nicht nur gegen einheimische Journalisten richtete sich die Aversion der Politik. Auch hielten die Moldauer Behörden den rumänischen Journalisten Gabriel Apetri von der rumänischen Nachrichtenagentur „Agerpres“ im Juli 2009 davon ab, in Vama Sculeni in die Moldau-Republik einzureisen. Ein Dorn im Auge war den Behörden damals auch das Internet-Portal „Unimedia“ [www.unimedia.md], das die Mächtigen, namentlich den ehemaligen Präsidenten Vladimir Voronin offen kritisierte [www.unimedia.md]. Die moldauische Staatsanwaltschaft erklärte offiziell im Juni 2009, die „Unimedia“-Kommentare seien ein Aufruf zur Gewalt und zur Massenunordnung, ein Aufruf zur Ablösung und zum Wechsel des Verfassungssystems. Genau das sollten die Kommentare auch bezwecken. Die Unzufriedenheit mit den Machenschaften der Voronin-Clique wuchs. Massen-demonstrationen und Krawalle gegen die Wahlfälschungen des Präsidenten zwangen Voronin 2009 zum Rücktritt, was durchaus auch ein Verdienst der Medien war, ob auf dem Papier oder im weltweiten Netz.
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C Die Medien in Mittelosteuropa
In den mittelosteuropäischen Staaten beklagen sich die einheimischen Journalisten weniger über ihren mangelnden Einfluss auf Politik und Gesellschaft als über die auch inhaltliche Dominanz westeuropäischer Medienkonzerne. Was in Rumänien die WAZ, ist in Tschechien die Verlagsgruppe Passau. 85 Prozent des Medienmarktes in Osteuropa wird von ausländischem Kapital kontrolliert, darunter drei Viertel von deutschem Kapital. Dabei wird gerne gefragt, wie die deutschen Leser reagieren würden, wenn deutsche Traditionsblätter wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die „Süddeutsche Zeitung“, „Handelsblatt“, „Spiegel“, „Stern“ und „taz“ alle im Besitz US-amerikanischer und Schweizer Verlage wären. Lediglich das linke „Neue Deutschland“ und die rechte „Junge Freiheit“ erschienen in einem deutschen Verlag. Mag sein, dass diese dennoch alle gute Zeitungen wären, aber würden die Deutschen das akzeptieren? Nicht nur in den beschriebenen südosteuropäischen, auch in mittelosteuropäischen Staaten sind vergleichbare Verhältnisse längst Realität. Deutsche Verlage kontrollieren bereits über die Hälfte des gesamten Pressemarktes, ganz vorne dabei der WAZ-Konzern und die Verlagsgruppe Passau, die in Deutschland mit ihrer Regionalzeitung „Passauer Neue Presse“ bekannt ist165. In Prag gehört lediglich
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Johannes Evangelist Kapfinger schrieb 1933 als Chefredakteur beim Straubinger Tagblatt jenen Leitartikel, der seine und die Zukunft der Verlagsgruppe Passau bestimmt: Man solle das Kabinett von Adolf Hitler auf seinen Geisteszustand untersuchen. Von den Nazis wird er dafür ins Gefängnis geworfen und nach der Freilassung mit Berufsverbot belegt. Seine hoffnungsvolle Karriere scheint beendet. 1946 erhielt Kapfinger von den amerikanischen Alliierten die Lizenz Nr. 16 zur Herausgabe der Zeitung. Sein Widerstand gegen die Nationalsozialisten und seine demokratische Gesinnung machen ihn für die Alliierten zum idealen Kandidaten für den Aufbau der bundesdeutschen Presse [Fischer, Judith (Marketing Passauer Neue Presse): Geschichte der Passauer Neue Presse und der Verlagsgruppe Passau [www.pnp.de/nachrichten/schule/zeitung.php]. Die erste Ausgabe der Passauer Neue Presse erscheint im Februar 1946, Auflage: ca. 105.000 Exemplare. Noch im selben Jahr wird die Neue Presse Verlags-GmbH gegründet. 1988 beginnt für die Verlagsgruppe Passau eine neue Ära. Franz Xaver Hirtreiter übernimmt den Vorsitz der Geschäftsführung, leitet 1990 die Expansionsstrategie nach Osten ein und stellt damit die Weichen für die Entwicklung zu einem internationalen Medienkonzern. Gleich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs beginnt man mit dem Erwerb von lokalen Wochen- und regionalen Tageszeitungen in der Tschechischen Republik, die heute in der Verlagsgruppe Vltava-Labe-Press (VLP) zusammengeschlossen sind. In Österreich erwirbt die Verlagsgruppe Passau 1991 die Mehrheit am „Landesverlag“ in Linz und damit an der „Oberösterreichischen Rundschau“, der größten regionalen Wochenzeitung Österreichs. Mit diesen ersten Auslandsbeteiligungen wächst der Umsatz der Gruppe von rund 100 Mio. DM auf rund 400 Mio. DM, die Mitarbeiterzahl von rund 780 auf rund 2.400. Die Anteile werden 2006 wieder verkauft. 1994 beginnt das Engagement der Verlagsgruppe Passau in Polen. Von der französischen HersantGruppe werden Anteile an acht polnischen Regionalzeitungen übernommen. Die „Polskapresse“ wird in den folgenden Jahren zu einem der bedeutendsten Zeitungsverlage Polens aufgebaut. Sie ist heute vom Umsatz wie von den Mitarbeiterzahlen die größte Landesgruppe der Verlagsgruppe Passau. Die Euro-Druckservice AG (EDS) wird gegründet, in der die Druckaktivitäten der Verlagsgruppe in Deutschland, Österreich, der Tschechischen Republik und Polen vereint sind. Die Verlagsgruppe Passau steigt 1998 beim Genueser Zeitungsverlag „Il Secolo XIX“ ein und fasst damit als erster deutscher Verlag bei einer regionalen Tageszeitung in Italien
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eine Zeitung einem tschechischen Verlag – das ehemals als „Rude Pravo“ bekannte Organ der Kommunistischen Partei, eine jetzt nur noch „Pravo“ genannte Tageszeitung. Alle übrigen Zeitungen und Magazine befinden sich im Besitz ausländischer Verlage. Fünf Unternehmen, zwei deutsche, ein Schweizer und ein finnisches kontrollieren 80 Prozent der tschechischen Zeitungen und Zeitschriften. Der größte Verleger, gemessen an der Auflage, ist die „Vltava-Labe-Press“ (VLP), die mehrheitlich der „Passauer Neuen Presse“ gehört. Die Passauer nutzten die Gunst der Stunde und kauften zahlreiche Regionalblätter, die sich oft im Besitz von weitgehend zahlungsunfähigen Kommunen befanden. Die „Vltava-LabePress“ besitzt heute elf Regionalzeitungen und 13 Wochenzeitungen. Zwar erklärte das Passauer Verlagshaus, der Verlag nehme keinen Einfluss auf die Inhalte, schon deshalb nicht, weil „man als Deutscher keine tschechische Zeitung machen könne“. Prager Journalisten machten aber andere Erfahrungen. Sie erklären, dass es in bestimmten Fällen Direktiven seitens der deutschen Verlagseigner gegeben habe. So habe es, als „VLP“ 1999 den traditionsreichen Fußballclub „Sparta Prag“ kaufen wollte, Anweisungen für die Redaktionen gegeben, die Kaufabsicht der Verlagsgruppe in der Berichterstattung zu unterstützen. Nachdem die Passauer den Fußballclub gekauft hatten, sollten dann die „Vorteile für Sparta“ herausgestellt werden. Neben der Passauer Verlagsgruppe ist auch die Düsseldorfer „Rheinisch-Bergische Verlagsgesellschaft“ („Rheinische Post“) in Tschechien aktiv. Sie besitzt einen Anteil von 20 Prozent an der „VLP“. Die „Rheinisch-Bergische Verlagsgesellschaft“ bringt über ihre Gesellschaft „Mafra“ die „Mladá fronta Dnes“, die auflagenstärkste seriöse Tageszeitung Tschechiens (350.000 Exemplare), sowie die liberalkonservativeine Tageszeitung, „Lidové noviny“, (70.000 Exemplare), heraus. In der Frage der Sudetendeutschen kam es zum offenen Konflikt zwischen der tschechischen Regierung und den deutschen Medien. In beiden Blättern wurde die Politik der tschechischen Regierung scharf kritisiert. Die „Mladá fronta Dnes“ verlangte von der Regierung in Prag nicht nur eine offizielle Entschuldigung bei den Sudetendeutschen, sondern auch Entschädigungen für die Vertreibung der Deutschen. Kulturminister Pavel Dostal beklagte sich nach einer Kabinettssitzung, dass die Zeitungen des eigenen Landes, die sich „in deutscher Hand“ befänden, zunehmend einseitig über die Beneš-Dekrete berichteten. Der Schweizer Verlag „Ringier“ ist seit 1990 in Tschechien tätig, beschäftigt ausschließlich tschechische Mitarbeiter und verlegt mittlerweile zehn Zeitungen und Zeitschriften, allesamt im Boulevardbereich. Neben der auflagenstärksten Boulevardzeitung des Landes, „Blesk“, sind dies beispielsweise die Zeitschriften „Reflex“ und „abc“, sowie drei TVZeitschriften. Auch im Internet hat sich der Verlag etabliert. Mit dem Betreiber eines der größten und beliebtesten Internet-Portale, „seznam.cz“ (eine Art tschechisches „Google“), gewann man einen einflussreichen Partner für die Präsentation seiner Publikationen. Die
Fuß. Gemeinsam mit den italienischen Partnern bei „Il Secolo XIX“ wird eine neue, hochmoderne Zeitungsdruckerei im Genueser Stadtteil San Biagio geplant und gebaut. Die Anteile werden nach 3 Jahren wieder verkauft. 1999 beginnt das Engagement der Verlagsgruppe Passau in der Slowakei beginnt. Zunächst wird die ostslowakische Tageszeitung Luc gekauft, wenig später weitere slowakisch- und ungarischsprachige Tages- und Wochenzeitungen im gesamten Land. Ein Jahr später werden diese Titel in ein Joint-Venture mit der SMEGruppe eingebracht und ein gemeinsamer, im ganzen Land tätiger Verlag für Tages- und Wochenzeitung gegründet. Die Aktivitäten der Gruppe werden 2000 erstmals seit ihrem Bestehen unter einer gemeinschaftlichen Holding, der „Verlagsgruppe Passau GmbH“, zusammengefasst. Quirin Wimmer als Sprecher der Geschäftsführung und Roland Rager als Geschäftsführer für Finanzen und Controlling leiten die Verlagsgruppe. 2003 übernimmt der Verleger DDr. Axel Diekmann die Geschäftsführung der Verlagsgruppe Passau und der Neue Presse Verlags-GmbH. 2007 wird Simone Tucci-Diekmann alleinige Geschäftsführerin der Neuen Presse Verlags-GmbH.
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Schweizer frohlockten auf ihrer Internetseite: „Ringier CR“ wurde 1990 gegründet und ist seit dem Jahr 2000 zu 100 Prozent im Besitz von „Ringier“. Das Unternehmen ist der führende und bedeutendste Verlag in der Tschechischen Republik. Diese Machtfülle wurde einem eigenwilligen Projekt zum Verhängnis. Im Mai 2003 startete die nach außen hin unabhängige, tatsächlich aber mit Geldern eines österreichischen Verlages unterstützte neue Boulevard-Zeitung, „Impuls“. Sie erschien nur knapp fünf Monate lang166. „Impuls“ wollte als 24-seitige, fast durchgehend vierfarbige Zeitung, „intelligenten Boulevardjournalismus“ betreiben. Mit drei Kronen (ca. zehn Cent) kostete das Blatt deutlich weniger als alle anderen Prager Zeitungen. „Blesk“ kostet beispielsweise sieben Kronen. Nach einer Studie der Europäischen Journalistenföderation vom Juni 2003167 halten in Polen „Springer“, „Bauer-Verlag“ und „Gruner & Jahr“ 50 Prozent Marktanteil an Publikumszeitschriften, die von ebendiesen Verlagen selbst eingeführt wurden. Publikationen von Fachverlagen sind ebenfalls zu finden. Wie in Tschechien ist auch in Polen die „Verlagsgruppe Passau“ mit acht Regionalzeitungen im grenznahen Raum (Schlesien) und drei Fernsehzeitschriften mit ungefähr 1,3 Millionen Exemplaren, eigenem Vertriebsweg, einer Medienagentur und einem Internetportal stark vertreten. Die Produkte der Passauer ähneln einander in Form und Inhalt. Der „Bauer-Verlag“ hält im Magazinbereich mit 21 Titeln, einer Investitionssumme von 40 bis 50 Millionen Euro und einem Ertrag von 140 Millionen Euro einen Marktanteil von 22 Prozent. 11 Prozent Marktanteil hält die „Springer“-Presse mit 14 Titeln und einem Ertrag von 70 Millionen Euro. Polnische Journalisten sehen die Meinungsfreiheit durch die bereits bestehende Vorherrschaft deutscher Konzerne auf dem Pressemarkt bedroht. Das deutsche Kapital überwiegt gleichzeitig bei den großen Werbeagenturen, was wiederum die Bekämpfung der Konkurrenz erleichtert. Nachdem der norwegische Konzern „Orkla“ zwei Breslauer Tageszeitungen („Slowo Polskie“ und „Wieczor Wroclawia“) an den deutschen Konzern „Passauer Neue Presse“ verkauft hatte, wandte sich der Polnische Journalistenverband an das Amt für den Schutz der Konkurrenz und der Verbraucher mit der Bitte um Untersuchung, ob es sich dabei um eine Monopolstellung handelt. In Wrocaw (Breslau) besitzt der Konzern „Passauer Neue Presse“ bereits alle Tageszeitungen mit Ausnahme der regionalen Beilage der Zeitung „Gazeta Wyborcza“. Ähnlich ist es in Poznan (Posen), wo der Konzern die Zeitungen „Glos Wielkopolski“ und „Gazeta Poznanska“ kaufte, in Gdansk (Danzig), Lodz („Express Iilustrowany“, „Dziennik Lodzki“), Katowice (Kattowitz) („Dziennik Zachodni“ und „Trybuna Slaska“) und Krakow (Krakau) („Dziennik Polski“, „Gazeta Krakowska“). Die Bayern sicherten sich eine Monopolstellung in der Woiwodschaft Warmia-Mazury (Ermland und Masuren). 1998 kaufte
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Herausgeber von „Impuls“ ist eine gleichnamige Gesellschaft, die nach eigenen Angaben ohne ausländisches Kapital besteht. Tatsächlich ähnelt „Impuls“ optisch der österreichischen „Kronen“-Zeitung. In den Verlag soll österreichisches Kapital geflossen sein. Hauptanteils-eigner des Verlages ist „Media-Print Kapa“ (MPK), die „Impuls“ auch vertrieb. MPK jedoch steht in Konkurrenz zum Pressevertrieb PNS, der die wichtigen Tageszeitungen des Landes vertreibt und an dem die VLP, Ringier und Sanoma Magazines International beteiligt sind Der finnische Verlag „Sanoma“ bringt die meisten Verbrauchermagazine heraus. PNS boykottierte den Vertrieb des neuen Blattes. Damit war Impuls allein auf den MPK-Vertrieb angewiesen, doch MPK vertreibt, bis auf das eigene neue Boulevardblatt, keine weiteren Tageszeitungen. Und Kioskbesitzer, die „Impuls“ verkauften, verloren die Prämienrabatte von PNS. Ein ungleicher Kampf. Er dauerte nur bis zum 10. Oktober 2003, dann war Schluß für „Impuls“. Am nächsten Tag fand die Beerdigung des kurz zuvor verstorbenen „Blesk“Chefredakteurs Miroslav Lábler statt. In seiner Trauerrede lobte der tschechische Ringier-Manager Tomas Boehm, daß „Impuls“ nicht mehr erscheine sei eines der Verdienste des Verstorbenen – eine Siegesmeldung am Sarg im Zeitungskrieg. Vgl.: www.ifj-europe.org/default.asp?Index=1690&Language=EN.
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Franz Xaver Hirtreiter, der ehemalige Geschäftsführer der „Passauer Neuen Presse“ und jetzige Vorstandsberater dieser Firma, die Zeitung „Gazeta Olsztynska“. Die Firma „Media“, die auch zum Konzern „Passauer Neue Presse“ gehört, hält die Monopolstellung beim Verkauf von Werbeflächen in den regionalen Zeitungen. Auf diese Weise hat eine einzige Firma den Printmedienmarkt im Nordosten Polens dominiert. Das sei eine sehr gefährliche Lage, in der die Freiheit des Wortes und die Freiheit einer öffentlichen Diskussion bedroht werden, sagte Krystyna Mokrosinska, Vorsitzende der Polnischen Journalistenvereinigung. In die Stapfen der Passauer tritt auch der „Axel-Springer“-Verlag, der schon die Wochenzeitschrift „Newsweek“, sechs Frauenzeitschriften, zwei Jugendzeitschriften und drei Autozeitschriften herausgibt. Ferner werden vom „Axel-Springer“-Verlag auch acht Computer-Zeitschriften und eine Wirtschaftszeitung herausgegeben. Seit dem 22. Oktober 2003 erscheint eine gesamtpolnische Zeitung des „Axel-Springer“-Verlages, die „Fakt“ heißt. Der „Bauer-Konzern“ gibt zur Zeit 30 Zeitschriften in Polen heraus, deren Gesamtauflage über acht Millionen Exemplare beträgt. Die Firma „Gruner & Jahr“ ist Eigentümer der Monatszeitschrift „Claudia“ und von acht weiteren Titeln. Die deutschen Verlagsunternehmen geben außerdem zusammen mit dem spanischen Verlag „RBA“ die Zeitschrift „National Geographic“ heraus. Das polnische Magazin „Wprost“ meinte vor diesem Hintergrund deutscher Konzernübermacht spitz, nun sei die Monopolstellung der Deutschen sogar stärker als in der Zeit der Teilung Polens, in der ein Teil des Landes zu Preußen gehörte. Auch in Ungarn besitzen deutsche Verlage 75 Prozent des gesamten Pressemarktes. So besitzt die „WAZ“-Gruppe, die sich in den 1990er Jahren in Österreich in die Kronen- und Kuriergesellschaft eingekauft hatte, in West- und Südungarn, dem Gebiet mit der größten Kaufkraft, seit 1993 fünf regionale Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von zur Zeit 227.000 Exemplaren. 87 Prozent davon gehen an Abonnenten, was gemessen am Landesdurchschnitt ein Spitzenwert ist. Als Beilage zu den Zeitungen erscheint seit 1994 die farbige Fernsehzeitung „RTV-Tipp“. Aus Rationalisierungsgründen wird der redaktionelle Mantel von einer Zentralredaktion in Veszprém erstellt. Die Zeitungen werden in einer 1994 erbauten, eigenen Druckerei gedruckt, die bald so gut ausgelastet war, dass Ende 2005 in direkter Nachbarschaft eine weitere Druckerei ihren Betrieb aufnehmen konnte. Damit war die Einkaufstour nicht abgeschlossen, denn die „WAZ“-Gruppe wollte gerne auch noch die große überregionale Tageszeitung „Népszabadság“ aus Budapest sowie ein Blatt aus der überaus attraktiven Region Györ-Moson-Sopron, die ihr zunächst, aus Mangel an eigenen Kapazitäten, von der britischen „Daily Mail“ weggeschnappt wurde, übernehmen. Neben den Kaufzeitungen gab die Holding seit 1995 im Rahmen ihrer eigens gegründeten „Marathon“-Gruppe verschiedene Gratiszeitungen mit einer wochentäglich erscheinenden Gesamtauflage von 390.000 Exemplaren heraus. Gemeinsam mit dem „Axel-Springer“-Verlag verlegt die Holding weiterhin die Sonntagszeitung „Vasárnap Reggel“. In der Slowakei gehören dem Konzern über 30 Zeitschriften. Auch in den baltischen Staaten sind die deutschen Verlage aktiv. Ein Ende der Einkaufstour war nicht abzusehen.
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1.
Die Tschechische Republik: Das Vorzeigeland in Sachen Medienfreiheit
Die Tschechische Republik gilt heute als Vorzeigeland, wenn es um die Pressefreiheit geht. Das war nicht immer so. Der frühere sozialistische Premierminister Miloš Zeman hatte die tschechischen Journalisten einmal als Hyänen bezeichnet und sogar versucht, einige Redaktionen einzuschüchtern, weil ihm deren kritische Berichterstattung mißfiel. Auch der gegenwärtige Premier Jii Paroubek deutete bereits mehrmals an, daß er sich eine Verschärfung des geltenden Pressegesetztes wünschen würde, mit dem Ziel, „die Politiker vor den Medien zu schützen“. Wie ist es heute in der Tschechischen Republik um das Verhältnis zwischen Politikern und Medien bestellt? Ist man von den persönlichen Beleidigungen, wie sie zu Zeiten Miloš Zemans üblich waren, zu einem sanfteren Druck, zu denen sich versuchte Interventionen führender Politiker gesellen, übergegangen? Wie ist es um das schwierige Verhältnis zwischen Politikern und Medien in der Tschechischen Republik bestellt? Der Publizist Ondej Neff meinte, nur ein Politiker hätte bisher über Journalisten so gesprochen. Man dürfe das nicht pauschal beurteilen, denn jeder Politiker wünsche sich, dass ihn die Medien positiv darstellen. Das Grundverhältnis könne also nicht anders als gespannt sein. Eine andere Sache ist aber, dass es sich dabei stets um eine Flucht in Ketten handelt, nämlich dass Politiker und Medienvertreter aufeinander angewiesen sind. Es gibt in Tschechien große öffentlich-rechtliche Medien, vor allem Rundfunk und Fernsehen, die über eine große Reichweite verfügen, wo natürlich diese Tendenzen ganz besonders zu spüren sind. So kritisierten zahlreiche Journalisten, dass das Tschechische Fernsehen die kritische Sendung „Bez obalu“ (dt. „Unverhüllt“) vom Programm nahm, angeblich aus Kostengründen. Kaum jemand aus der Journalistenzunft wollte das glauben und vermutete eher klassische Zensur auf Betreiben des Premierministers, was für das öffentlich-rechtliche Fernsehen eine Schande sei. Man fragte sich, ob die tschechischen Journalisten heute stärker gegen die versuchte Einflussnahme von seiten der Politik immun seien als zum Beispiel in den frühen 1990er Jahren, als kritischer Journalismus in Tschechien erst im Entstehen war. Aber dass nicht nur die Politik gelegentlich ihre Probleme mit der offenen Berichterstattung bzw. investigativen Journalismus hat, davon zeugt die Reaktion der Prager Taxifahrer, die sich durch einen Artikel der Tageszeitung „Mlada Fronta Dnes“ in ihrer Berufsehre gekränkt fühlten. Die Journalisten der Zeitung hatten sich gegenüber Taxifahrern als ausländische Touristen ausgegeben und dabei festgestellt, dass sechs von zehn Chauffeuren für Dienste überhöhte Preise verlangten. Als Protest gegen den Artikel verstopften Hunderte von Taxis die Radlika-Straße, in der das Redaktionsgebäude nahe der Haltestelle Andl steht, und forderten eine Entschuldigung. Nicht jeder Taxifahrer sei ein Betrüger. Der Chefredakteur der „Dnes“, Robert asenský, verteidigte seine Journalisten, denn die hätten wahrhaft skandalöse Fälle aufgedeckt, die den guten Ruf Prags und der Tschechischen Repulbik beschädigen würden. Rufschädigendes Verhalten sah auch der tschechische Kulturminister Pavel Dostal, der den Medien des Landes vorwarf, bei ihrer Berichterstattung über die „sudetendeutsche Frage“ die „tschechischen Interessen“ nicht genügend zu verteidigen168. Auch die in Tschechien von der Rheinisch-Bergischen Verlagsgesellschaft aus
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Landeszeitung – Zeitung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien (2002): Prager Minister wirft Medien Parteinahme für Sudetendeutsche vor (zitiert nach DW-Monitor Nr. 65, Radio Prag) [www.landeszeitung.cz/archiv/2002/index.php?edt=09&id=02].
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Düsseldorf und dem bayerischen Verlagshaus Passau herausgegebenen Zeitungen berichteten in diesem Punkt meist tendenziös, meinte der 59-jährige Sozialdemokrat. Die Chefredakteure der Zeitungen wiesen die Vorwürfe entschieden zurück. Der Politologe Rudolf Kuera wiederum kritisierte die Medienschelte des Ministers sei „schwer mit demokratischen Prinzipien in Einklang zu bringen“169. Medienschelte, die Tendenz, sich Kritik vom Leibe zu halten, war auch in der Tschechischen Republik nach der Wende durchaus verbreitet, und ließ sich auch später immer wieder feststellen. Handgreiflicher wird diese Medienschelte bzw. die Bedrohung der Pressefreiheit natürlich, wenn sich die organisierte Kriminalität einmischt. Am 17. Januar 2004 wurde der Chefredakteur der kritisch-investigativen Wochenzeitschrift ,,Respekt“, Tomáš Nmeek, von zwei Unbekannten überfallen und zusammengeschlagen, ohne bestohlen zu werden. Der Verdacht, dass dieser Überfall kein gewöhnliches Verbrechen ist und sich nicht gegen den Privatmann Nmeek richtet, sondern vielmehr der Einschüchterung der ganzen Redaktion seines Blattes dienen soll, drängte sich schnell auf. Zumal da ,,Respekt“ regelmäßig Missstände im Land aufdeckt und ohne Zurückhaltung über die tschechische Unterwelt und die Mafia berichtet. Der Anschlag auf den „Respekt“-Chefredakteur war jedoch nicht der erste derartige Fall. Der Fall der letzten Jahre, der am meisten Aufsehen erregte, war der der Journalistin Sabina Slonková, die für die ,,Mladá fronta Dnes“ schreibt, und die korrupten Machenschaften eines Politikers im Außenministerium aufdeckte. Da der für ihre Ermordung angeheuerte Killer sich der Polizei stellte, wurde der Anschlag verhindert, und der Auftraggeber zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Gleichwohl stellen solche Vorfälle in der Medienlandschaft der Tschechischen Republik die Ausnahme dar. Seit der Wende hat sich die Situation der Medien kontinuierlich verbessert. Die Organisation ,,Reporter ohne Grenzen“ stufte die Tschechische Republik in ihrem Jahresbericht zur Pressefreiheit in insgesamt 164 Ländern von Platz 41 im Jahr 2003 auf Platz 14 Jahr später hoch. Nach der letzten Erhebung vom Oktober 2009 steht die Tschechische Republik auf Platz 24170.
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Im Gegensatz zu Pavel Dostal stufte die Beauftragte des „Media Observatory“ in der Tschechischen Republik, Irena Valová, die Berichterstattung in den tschechischen Medien über die tschechisch-deutschen Beziehungen und die Dekrete des Präsidenten Edvard Beneš als überraschend korrekt ein. Die Prager Regierung hoffe im Streit um die so genannten Beneš-Dekrete nicht mehr auf eine faire Berichterstattung, sondern werde selbst ein Buch über die Vertreibung der Sudetendeutschen herausgeben, kündigte Dostal an. Reporter ohne Grenzen. Rangliste der Pressefreiheit weltweit, 20.10.2009 [www.reporter-ohne-grenzen.de/ranglisten/rangliste-2009.html].
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1.1
Die tschechischen Medien vor und nach der Wende
Vor 1989 hat es weder private noch unabhängige Medienerscheinungen gegeben. Es galt die Verfassung von 1960, die das sozialistische Gesellschaftssystem nach sowjetischem Muster zur Norm erklärte. Gemäß der Verfassung hatte die Kommunistische Partei Tschechiens die Führungsrolle inne, das Fernsehen war Sprachrohr der Parei, denn der Direktor der staatlichen Fernsehanstalt war der Partei Rechenschaft schuldig. Auf dem Papier der Verfassung existierten zwar Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit, während sie in der Praxis Grund für Verfolgung, Haft und Existenzvernichtung waren. Der große gesellschaftliche und politische Einschnitt war ohne jeden Zweifel der Prager Frühling und seine Niederschlagung durch sowjetische Truppen. Unzählige Tschechen flohen nach dem August 1968 in das freie Ausland und brachten der dahinsiechenden Exilgemeinde neue und markante Impulse171. Eine Reihe von Periodika, die nach dem August 1968 im Exil gegründet wurde, beeinflusste die öffentliche Debatte innerhalb der tschechoslowakischen Exilgemeinde in hohem Maße. Außerdem trugen die Exilmedien, neben dem Samizdat in der Heimat, zur Erhaltung der Kontinuität der unabhängigen tschechoslowakischen Publizistik und Kultur bei. Ein wesentliches Kennzeichen dieses Exils war der Umstand, dass intensive Kontakte zur Heimat aufrechterhalten wurden. Eine Reihe von Exilzeitschriften wurde im Laufe der Zeit in der Tschechoslowakei zugänglich, wohin gelangten sie auf verschiedene illegale Wege. Seit etwa der Mitte der 1970er Jahre begannen in den Exilperiodika auch die ‚verbotenen‘ Heimatautoren stärker zu publizieren, wodurch die Verbindung zwischen Heimat und Exil noch verstärkt wurde. Die Bedingungen für die Exilpresse waren in vielerlei Hinsicht diametral entgegengesetzt zu denen, die in der Tschechoslowakei herrschten. Dank der Redefreiheit und dem Fehlen von Zensur konnten in den Exilmedien die wertvolle demokratische Diskussion und der freie Meinungsaustausch, die während des Prager Frühlings in den tschechoslowakischen Medien ihren Anfang genommen hatten, fortgesetzt werden. Ganz im Gegensatz zu der Situation in der sich die Medien in dem sich normalisierenden Land befanden. Allerdings war auch die Publikation von Exilperiodika in einigen der Zielländer der tschecho-slowakischen Flüchtlinge in mancher Hinsicht nicht unproblematisch. Einige Schwierig-keiten des medialen Exilbetriebes lassen sich am Beispiel der neutralen Schweiz illustrieren, die nach dem August 1968 gegenüber den Tschechoslowaken sehr entgegenkommend war und wohin bis Ende des Jahres 1968 an die 8.000 Menschen emigrierten, darunter auch einige prominente Reformkommunisten wie zum Beispiel der Ökonom Ota Šik, der sich in St. Gallen niederließ. Die Schweizer Gesetzgebung untersagte den Flüchtlingen allerdings jegliche politische Tätigkeit. Die Veröffentlichung von Exilperiodika durch politische Flüchtlinge aus der kommunistischen Tschechoslowakei war daher ein Balanceakt. Die Redaktionen lösten das Problem auf verschiedene Weise, zum Beispiel dadurch, dass man als verantwortlichen Redakteur jemanden einsetzte, der bereits die Schweizer Staatsbürgerschaft besaß und daher gegenüber den Ämtern nicht mehr den Flüchtlingsgesetzen unterstand. Über die Risiken der Drucklegung politischer Periodika äußerten sich die Redakteure in den Medien ganz offen. An seine problematische Situation in diesem Zusammenhang erinnerte sich
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Vgl. Orság, Petr: Medien des Tschechoslowakischen Exils zum Zeitpunkt der „Wiederherstellung der Ordnung“. In: Foret, M./Lapík, M./Orság, P. (Hrsg.): Média dnes. Reflexe mediality, médií a mediálních obsah. Olomouc: Univerzita Palackého 2008, S..313-326.
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auch der Literat und Publizist Jaroslav Strnad, der in der Schweiz den Status eines politischen Flüchtlings hatte. Nebenbei arbeitete er ‚heimlich‘ als Kulturredakteur bei „Radio Free Europe“ in München, wohin er regelmäßig fuhr. Ergänzend muss aber betont werden, dass sich die Ämter mit formalen Aufforderungen zur Beendigung der unerlaubten Tätigkeit meistens zufrieden gaben. Abgesehen von dieser Beschränkung der Publikationsfreiheit in den Exilmedien mussten jedoch die Exilpublizisten und -journalisten auf Vieles verzichten, woran sie aus dem medialen Betrieb in der Heimat gewohnt waren: eine hohe Auflage (mitunter bis zu hunderttausend Exemplaren), damit verbunden die breite Öffentlichkeit, die die Heimatperiodika erreichten (vor allem während des Prager Frühlings); zudem war das Umfeld großer Verlagshäuser im Exil unerreichbar. Besonders die Anfänge der Publikation einzelner Periodika erwiesen sich als sehr schwierig. Es war noch kein Abonnentennetz geschaffen und es bestand keine Möglichkeit, Anzeigen abzudrucken, die die entstehenden Herstellungskosten hätten decken können. Von diesen erschwerten Bedingungen, unter denen die Periodika entstanden, hatten meist nicht einmal die Leser eine Ahnung. Manche empfanden es als selbstverständlich, dass hinter der Zeitschrift, die sie abonnieren, ein etablierter Verlag stand, mit allem was dazu gehört. Beispielsweise erhielt die Redaktion etwa Briefe mit der Anrede „Sehr geehrter Herr Direktor“ oder „Bitte an die Rechtsabteilung“. Die Abonnenten der Exilpresse ahnten nicht, dass die Redaktionen meistens nur aus einzelnen Freiwilligen bestanden (dies im besten Falle, denn oft produzierte die einzelnen Nummern eine einzige Person). Diese arbeiteten vorwiegend unentgeltlich oder für einen minimalen Lohn und in ihrer Freizeit. Die Redakteure solcher Periodika hatten einen bürgerlichen Beruf und der Arbeit an den Zeitschriften konnten sie sich meistens nur in der Nacht widmen. Dennoch hielten sie unter diesen erschwerten Bedingungen oft viele Jahre mit der Veröffentlichung der Exilnummern durch. Als zum Beispiel der „Zpravodaj“ wegen einiger hundert säumiger Abonnenten der wirtschaftliche Zusammenbruch drohte, kaufte der Herausgeber kurzerhand eine Offsetdruckmaschine, die er in seiner Privatwohnung, einem Mietshaus in einem ruhigem Viertel in Winterthur aufstellte. Dort druckte er beinahe zehn Jahre jeden Monat zweitausend Exemplare der Exilzeitschrift. Ein anderes Zeugnis in der Geschichte derselben Zeitschrift spricht auch einen weiteren Problemkreis der Exilpublikationen an – nämlich das Aufkommen des Konkurrenzkampfs zwischen den Exilzeitschriften. Mit der Etablierung der „Zpravodaj“ als marktgängige Exilzeitschrift wuchsen auch die Gewinnmöglichkeiten aus den abgedruckten Annoncen. Gerade der daraus entstandene Streit innerhalb der Exulanten bedeutete den Anfang eines Konfliktes, der die Gründung einer Konkurrenzexilzeitschrift namens „Magazín“ mit sich brachte. Ein ungeschriebenes Gesetz der Exulanten besagte, dass es unmoralisch sei, wenn ein Exulant durch einen anderen Exulanten reich wird. Deshalb durfte auch eine Exilzeitschrift im eigentlichen Sinn des Wortes kein Kommerzunternehmen sein. Die Einnahmen von Annoncen durften lediglich die Produktions- und Vertriebskosten decken. Die übermäßige Steigerung der Anzeigenwerbung stand laut des ehemaligen Chef-redakteurs Zdenk Záplata „in grundlegendem Widerspruch zur kulturellen und politischen Botschaft einer Exilzeitschrift, zu ihrem kommerzfreien Charakter“. Záplata sprach direkt darüber, dass man „für ein Paar lumpigen Franken“ die Glaubwürdigkeit von „Zpravodaj“ aufs Spiel setze. Im Gegenteil zu ihm sah der Administrator von „Zpravodaj“ die Sache pragmatisch und orientierte sich daran, wie man der Firma am effektivsten den höchsten Gewinn zu verschaffen könne. Neben Schwierigkeiten wirtschaftlichen Charakters wurden die Verleger und Redakteure von Exilperiodika auch mit anderen Problemen konfrontiert. Was den Betrieb einzelner Medien betraf, so stellten besonders die Aktivitäten der Geheimagenten der kommunistischen Staatssicherheit, die in Westen operierten, ein Risiko dar. Für sie
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waren die medialen Unternehmen ein dankbarer Gegenstand ihrer Interessen. Abgesehen davon, dass die Exilredaktionen medial sozialismusfeindliche Propaganda verbreiteten, verfügten sie auch über sensible Daten tausender Exulanten, die sich in den Abonnentenund Mitarbeiterkartotheken angesammelt hatten. Im Unterschied zum sich ‚normalisierenden‘ medialen Betrieb in der SSR, den die Staatsmacht mit Hilfe legislativer Verordnungen und eines bürokratischen und repressiven Apparats leitete und beherrschte, hatten sie im Grunde genommen nur zwei Möglichkeiten in die Exilzeitschriften einzugreifen, durch konspirative und Sabotageaktivitäten der westlichen Agenten der kommunistischen Geheimpolizei und durch direkte Propaganda der SSR gegen die Tätigkeit des Tschechoslowakischen Exils. Das Beispiel Schweiz kann auch als Illustration der Problematik der Tätigkeit der Agenten der Staatspolizei in der exilmedialen Kommunität dienen. Einer der kommunistischen Agenten, die in der Schweiz wirkten, war Tomáš ezá, der Sohn des Schriftstellers Václav ezá, der Anfang der Normalisierung dieTschechoslowakei verließ. Dort deklarierte er öffentlich seinen Bruch mit dem kommunistischen Regime (z.B. durch Interwievs im „Radio Free Europe“) und verkündete seinen Entschluss, für immer im Westen bleiben zu wollen. Danach nahm er Kontakt zur Redaktion der Zürcher „Zpravodaj“ auf und überzeugte den ehemaligen Chefredakteur Zdenk Záplata, dass seine Beweggründe für die Zusammenarbeit ausschließlich literarischen und publizistischen Charakters seien. Seine Texte veröffentlichte er in „Zpravodaj“ unter dem Pseudonym Karel Tomášek. Záplata war nicht der einzige, der ezá vertraute. Im Exilverlag „Index“ beispielsweise veröffentlichte ezá im Jahre 1973 unter dem Pseudonym A. Lidin seinen Spionageroman „Trpaslik na houpace“ („Der Zwerg auf der Schaukel“). Während eines Interviews in „Radio Free Europe“ lernte er den Leiter der tschechischen Redaktion Karel Jezdinský kennen. Weiters gelang es ihm, in der Schweiz in das Umfeld des russischen Schriftstellers Aleksander Solženicyn zu kommen, der angeblich seine Ansichten und seine ausgezeichneten Kenntnisse des Russischen lobte. Das wahre Engagements ezás im Westen wurde erst nach seiner Rückkehr in die Tschechoslowakei im März 1975 bekannt, als er im tschecho-slowakischen Fernsehen und Rundfunk Zdenk Záplata und das gesamte tschechoslowakische Exil denunzierte. Von ezás Rückkehr berichtete danach auch das Parteiorgan „Rudé právo“ unter dem Titel „Bekenntnisse eines Heimkehrers“. Noch raffinierter als ezá gelang es dem Spion Juraj Gabaj (Deckname Joga) in die Exilkommunität der Schweiz einzudringen. Dieser wurde von den Kommunisten 1973 in die Schweiz geschickt. Gabaj gab vor, ein politischer Gefangener zu sein und wurde sogar zum Vizevorsitzenden des Verbandes der tschechoslowakischen Vereine der Schweiz gewählt. Dies ermöglichte ihm Zugang zum Verzeichnis der Abonnenten der Exilzeitschrift „Zpravodaj“. So gelang es ihm, zumindest einige Monate lang, der Redaktion erhebliche administrative Schwierigkeiten zu verursachen. Auch Gabaj kehrte in die Tschechoslowakei zurück und sprach in einer Propaganda-Rundfunksendung für Landsleute im Ausland im November 1976 über die konterrevolutionäre Tätigkeit des tschechoslowakischen Exils in der Schweiz. Er wurde also, wie auch andere Agenten, vom kommunistischen Regime gleich zwei Mal eingesetzt – einerseits für die Konspirationstätigkeit im Westen, andererseits, nach der Rückkehr in die Heimat, um Material für die mediale Propaganda gegen das tschechoslowakische Exil zu liefern. Ähnlich wie ezá und Gabaj in der Schweiz verwendete das Regime für Propagandazwecke auch den Agenten Pavel Minaík, der auch kurze Zeit als Sekretär der Redaktion des Münchner Exil-Monatsheftes „Text“ tätig war und der vor allem durch seine konspirative Tätigkeit in der Münchner Redaktion des „Radio Free Europe“ bekannt wurde. Die Staatssicherheit beobachtete die Exilpresse-landschaft intensiv.
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Dank ihres Wissens über die Inhalte dieser Medien kreierte sie unter anderem auch verzerrte Kampagnen mit dem Ziel der Diskreditierung nicht nur einzelner Personen, sondern auch verschiedener Exilorganisationen, Gruppen und Bewegungen. Teil einer solchen Kampagne war sowohl die Produktion gefälschter Briefe, fiktiver Nachrichten, Resolutionen und ihre Verschickung in die Exilmedien, wie auch das Fälschen ganzer Nummern einzelner Exilperiodika oder die Publikation gefälschter Zeitschriften, die als Exilperiodika präsentiert wurden. Diese Strategie verfolgte das Außenministerium seit den 1950er Jahren. Während der Normalisierung erschien unter dem Taktschlag der Geheimpolizei zum Beispiel die Zeitschrift „Nový proud“, die sich bemühte, durch die Veröffentlichung kontroverser Themen verschiedene Exilgruppen gegeneinander aufzuwiegeln. Die Kommunikation mit der Heimat sollte später durch weitere Exilzeitschriften noch intensiver werden. Von besonderer Bedeutung als Impulsgeber für einen neuen, qualitativ unterschiedlichen Grad der Kommunikation zwischen der Heimat und dem politischen Exil war die Proklamation der „Charta 77“. Den Exulanten wurde bewusst, dass sie der oppositionellen Bewegung in der Tschechoslowakei am besten durch eine intensive Kommunikation mit der Heimat, einem freien Vertrieb von Informationen über ihre Aktivitäten und über die Verfolgung der Dissidenten durch das totalitäre Regime dienen könnten. Pavel Tigrid kommentierte im April 1979 an der Konferenz im bayerischen Franken, die der „Charta 77“ gewidmet war, die Notwendigkeit der aktiven Kommunikation mit dem Dissidenten mit folgenden Worten: „man kennt die Namen der Staatsanwälte, Richter, Polizisten, Kerkermeister, die Dissidenten anklagen, verurteilen, Schikanen aussetzen. Ich glaube, dass wir bisher nur kaum die übliche Vorgangsweise nutzen, diese Rechtsverletzer öffentlich anzuprangern. Man muss ihnen sagen, dass man sie kennt, dass ihre Taten der Welt bekannt sind und dass die späteren Ausreden, es seien Befehle von Oben gewesen, nicht akzeptiert werden.“ Die sich intensivierende Kommunikation bestätigte bspw. auch der Publizist Pemysl Janýr, der damals im österreichischen Exil lebte und regelmäßigen Kontakt mit tschechischen Dissidenten pflegte. Eine verstärkte kommunikative Aktivität auf der Verbindungslinie Heimat-Exil spiegelt sich markant im inhaltlichen wie formalen Aufbau der Exilzeitschriften. Ein Beispiel bietet die bereits erwähnte Zeitschrift „Zpravodaj“ in der die „Charta 77“ eine wesentliche konzeptuelle Wandlung bewirkte. Aus einem ursprünglich servicebzw. informationsorientierten Bulletin, gegründet 1968, wurde allmählich ein reguläres Exilperiodikum mit mehr als 2.000 Abonnenten. Zum festen Bestandteil seines Konzepts bis zum Jahr 1977 gehörte die primäre Orientierung auf den Exilleser. Gerade aber durch den Einfluss der „Charta 77“ begann die Zeitschrift, die Struktur ihrer Informationen auch auf das Publikum in der Tschechoslowakei auszurichten. Aus ursprünglich 24 wurden 40 Seiten. Neben der Vergrößerung des Umfangs manifestierte sich der Einfluss der „Charta 77“ auch in der graphischen Gestaltung der Zeitschrift und ihrer Gesamtkonzeption. „Zpravodaj“ widmete in der Mitte vier Seiten Informationen über die „Charta 77“ und den Aktivitäten der Opposition. Diese vier Seiten, genannt „Nachrichten und Informationen“ wurden blau gedruckt, um sie von den anderen Texten abzuheben. Die Redaktion rechnete nämlich mit der Herauslösung dieses Supplements und ihrer weiteren Verbreitung unter den Menschen auch in der Tschechoslowakei. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes 1989 und der Gründung der Tschechischen Republik haben sich die Medien dort stark verändert. Man begann die Verlagsbetriebe in Tschechien nach und nach zu privatisieren. Nicht nur einheimische Investoren sondern auch ausländische und vor allem deutsche Investoren interessierten sich für den
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tschechischen Printmarkt. Etwa acht ausländische Unternehmen kontrollieren heute 80 Prozent des tschechischen Printmarkts172. In den letzten 12 Jahren hat auf dem tschechischen Zeitungsmarkt ein grosser Konzentrationsprozess stattgefunden, zu dessen eben auch die starke Präsenz ausländischer Verlagshäusern in Tschechien gehört, wobei unter diesen klar deutsche Regionalverlage den Ton angeben. Karel Hvížd‘ala, der selbst drei Jahre lang Herausgeber von „Mladá Fronta Dnes“ war, der größten seriösen Tageszeitung Tschechiens, stellte in diesem Zusammenhang folgenden Vergleich an: „Hier ist folgendes passiert und zwar stellen Sie sich vor, ein Verlag aus Kolin oder Hradec Kralove oder Ustí nad Labem würde in Deutschland die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kaufen und dann fordern, die Auflage müsse über die der deutschen „Bild-Zeitung“ steigen. Genau das wäre in der Tschechischen Republik passiert173. Die Folge dieser Entwicklung liegt laut Karel Hvížd‘ala auf der Hand – eine immer schneller vorangetriebene Kommerzialisierung und Boulevardisierung der Zeitungen, bei der laut Hvížd‘ala immer weniger Zeit für in die Tiefe gehende Analysen bleibt, und über wichtige Probleme des Landes nur ganz oberflächlich berichtet wird174. Wer also informiert werden will, müsse, so Hvížd’ala, so oder so zu den renommierten ausländischen Tageszeitungen greifen.
1.2
Tschechische Zeitungen und Zeitschriften
Die älteste heute noch bedeutende Tageszeitung Tschechiens ist die „Lidové noviny“, zu Deutsch „Volkszeitung“, die im Dezember 2003 ihren 110. Geburtstag feiern konnte. Sie gehört zwar zu den ältesten tschechischen Tageszeitungen, doch die erste war sie bei weitem nicht, denn die ersten erschienen bereits Ende des 18. Jahrhunderts. Die Revolution von 1848 brachte dann den ersten, allerdings recht kurzen Zeitungsboom in den Ländern der böhmischen Krone. Ende des 19. Jahrhunderts erstarkte das tschechische Nationalbewusstsein. Die von den Tschechen erhobenen politischen Forderungen mussten irgendwie publik gemacht werden und so entstanden in jenen Jahren Dutzende neuer Zeitungen – eine von ihnen waren 1893 auch die im mährischen Brno/Brünn erscheinenden „Lidové
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Zu diesen zählen unter anderem die Verlagsgruppe MAFRA („Mlada Fronta Dnes“), die mehrheitlich dem Rheinisch-Bergischen- Verlagsunternehmen Düsseldorf gehört, die „Economia“ („Hospodáské noviny“), die mehrheitlich der „Holtzbrinck Gruppe“ gehört sowie „Axel-Springer“, „Burda“, „Bertelsmann“ und „Bauer“. Ein weiteres ausländisches Unternehmen, das in den tschechischen Printmarkt investiert, ist das größte Schweizer Medienunternehmen „Ringier“ (Blesk). Den Markt der Tagespresse dominieren zum großen Teil deutsche Investoren. Größter Verleger, gemessen an der Auflage, ist die „Vltava-Labe-Press“, die mehrheitlich der „Passauer Neuen Presse“ gehört. Diese besitzt heute eine Regionalzeitung und 13 Wochenzeitungen. Die zwei wichtigsten Verteiler im tschechischen Printmarkt sind „PNS“ („Passauer Neue Presse“) und „Media Print & Kappa“, das unter anderem für den „Axel-Springer-Verlag“ und den „Burda-Verlag“ den tschechischen Printmarkt versorgt. Andererseits stelle sich die Frage, so Jens Buchwald, „ob nicht gerade die Investitionen erfahrener westlicher Mediengesellschaften mit dem nötigen Kapital im Laufe der 1990er Jahre die erfolgreiche Entwicklung der tschechischen Presse und des Rundfunks“ gesichert hätten. „Das Einbringen dringend nötiger Innovationen und die Kreativität zur Entwicklung neuer marktgerechter Medienkonzepte auf westlichem Niveau [war] in der Geschwindigkeit wahrscheinlich nur auf diese Art und Weise zu organisieren und zu finanzieren.“ [Buchwald, J.: Medien(system) in der Tschechischen Republik. Proseminar: Ohnmacht und Übermacht der Medien. Ein europäischer Vergleich. Wintersemester 2003/2004. Freie Universität Berlin, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft]. Schultheis, S./Schuster, R.: Die Presselandschaft in Tschechien. Der Medienspiegel, Radio Praha [www.radio.cz/de/artikel/9130].
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Noviny. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten entstanden im Königreich Böhmen politische Tageszeitungen relativ spät. Die ältesten Zeitungen in England, Deutschland oder Frankreich erschienen bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts. In den Böhmischen Ländern wurde zwar auch Ende des 18. Jahrhunderts eine Zeitung herausgegeben, doch überlebte diese nicht so lange. Immer wieder wurden tschechische Zeitungen von der Wiener Regierung eingestellt bzw. verboten, so dass es keine gibt, die im 19. Jahrhundert einige Jahrzehnte ununterbrochen erscheinen konnte. Die Entstehung der politischen tschechischen Tagespresse ist eng mit dem Namen Karel Havlíek Borovskýs verbunden. Noch heute trägt ein Journalistenpreis den Namen dieses Literaten, Politikers und Revolutionärs. Karel Havlíek Borovský war erstmals 1846 Chefredakteur einer Zeitung. Zwischen 1848 und 1850 gab er dann die „Narodni Noviny“, die „Nationalzeitung“, heraus. Aufgabe einer Tageszeitung war laut Havlíek Borovský „das Volk national zu erziehen und ihm das Bewusstsein seiner bürgerlichen Rechte einzuimpfen.“ Es scheint, dass das Karel Havlíek Borovský allzu gut schaffte, denn 1851 wurde er von der Wiener Regierung wegen seiner politischen Ansichten in die Verbannung geschickt. Während der Revolution von 1848 hatten die Tschechen ihre politischen Forderungen auch in Zeitungen geäußert. Kein Wunder also, dass diese nach der Niederschlagung der Revolution von der Wiener Regierung nach und nach verboten bzw. eingestellt wurden. Es dauerte über ein Jahrzehnt, bis eine neue tschechische Zeitung entstand. In den 1860er Jahren lockerte sich die politische Lage in der Habsburger Monarchie. Damals nahm auch das politische Selbstbewusstsein der Tschechen wieder zu, und mit diesem der Wunsch, politische Forderungen und anderes in Zeitungen zu äußern. Und so entstanden nach 1860 erneut Tageszeitungen. 1861 erblickten die „Narodni Listy“, die „Nationalen Blätter“, das Licht der Welt, die Organ der damals bedeutendsten tschechischen Partei, der Nationalpartei waren. In den 1880er und 1890er Jahren kam es dann zu einem regelrechten Zeitungsboom in den Böhmischen Ländern: 65 politische Zeitungen erblickten damals das Licht der Welt. Die meisten standen einer der gerade entstehenden Parteien nahe, den Sozialdemokraten, Nationalisten, der Gewerbepartei oder den Agrariern. Als die „Lidové Noviny“ 1893 erstmals in Brno/Brünn erschienen, waren sie Sprachrohr der mährischen Volkspartei. In der ersten tschechoslowakischen Republik erschien nach 1918 eine Unzahl an Tageszeitungen, so gut wie alle waren Parteiorgane. Die Tradition ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert wurde beibehalten und nur eine kleine Anzahl von Zeitungen bezeichnete sich als überparteilich. Zu diesen so genannten unabhängigen Zeitungen zählten sich auch die „Lidové Noviny“, wobei diese Bezeichnung einen Haken hat. Der Gründer dieser in der ersten Republik größten überregionalen und überparteilichen Zeitung, Adolf Stránský, war Mitglied der Nationaldemokratischen Partei und als solches auch Minister in der ersten tschechoslowakischen Regierung 1918. Auch sein Sohn und Nachfolger, Jaroslav Stránský, war parteipolitisch tätig. Trotzdem konnten die „Lidové Noviny“ ihren Ruf als unparteiisch erhalten. Im Verlauf der 1920er Jahre wurden die „Lidové Noviny“ zu einer Art Institution. Wer etwas von sich hielt, der las diese Zeitung, die als Sprachrohr der so genannten Burg-Gruppe um Präsident Tomas Masaryk galt. Für die „Lidové Noviny“ schrieben die bekanntesten Intellektuellen jener Zeit. Zu den Redakteuren zählten auch die Schriftsteller Karel apek und Karel Polaek. Ihren Ruf als Zeitung der Intellektuellen behielt die Zeitung bis 1939. Niemals ließ sie sich auf Boulevard-Themen ein. Die „Lidové Noviny“ gehörten zu den wenigen in Prag vertriebenen Zeitungen, die dort nicht herausgegeben wurden. Die ursprüngliche Redaktion in Brünn verlor aber mit der Zeit an Bedeutung gegenüber der Prager Redaktion. Dies lag wohl auch an der Popularität der Prager Redakteure. 1936 kaufte der Besitzer der Zeitung, Jaroslav Stránský das Verlagshaus „Topic“ in der Národní ulice, der National-
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strasse in Prag, in dem auch die Prager Redaktion der Zeitung ihr Zuhause fand. Diese äußerst angesehene Adresse gegenüber dem Nationaltheater ist ein Beweis für die Bedeutung, die die „Lidové Noviny“ in der Zwischenkriegszeit hatten. Die Geschichte der tschechischen Zeitungen spiegelt die Geschichte des Landes wider. Nach der Errichtung des Protektorats wurden die Zeitungen entweder verboten, wurden arisiert oder sie bekamen eine neue, mit den Deutschen kollaborierende Leitung. Auch die „Lidové Noviny“ erlitten dieses Schicksal. Viele ihrer Redakteure wurden wegen ihrer politischen Einstellung verhaftet und in Konzentrationslager deportiert. Viele überlebten den Krieg nicht. Der ehemalige Chefredakteur Karel Klima kam im Konzentrationslager um, ebenso der Schriftsteller und Redakteur Karel Polaek. Der Maler und Illustrator Josef apek starb auf einem der Todesmärsche im April 1945. Die Machtübernahme durch die Kommunisten setzte auch in der Tschechoslowakei die Politik der Unterdrückung der Medien fort. Zeitungen wie die „Lidové Noviny“ existierten zwar noch einige Zeit fort, waren aber einem zunehmenden Konformitätsdruck ausgesetzt. Im April 1945 war die „Lidové Noviny“ eingestellt worden. Nach der Befreiung der Tschechoslowakei im Mai 1945 kam auch der Wunsch auf, die „Lidové Noviny“ erneut in ihrem alten Glanz wieder entstehen zu lassen. Ihre Mitarbeiter kehrten aus den Konzentrationslagern und aus dem Exil zurück, doch es dauerte einige Wochen, bis die Erlaubnis zur Herausgabe der Zeitung erteilt wurde. Doch die neue Existenz der unparteiischen Zeitung war nur von kurzer Dauer, so wie die der Demokratie in der Nachkriegstschechoslowakei. Die Kommunisten weiteten zielbewusst ihren Einfluss aus. Im Februar 1948 übernahmen sie endgültig die Macht im Lande. Eine der Folgen war die Übernahme der Presse. Der Chefredakteur der „Lidové Noviny“, Ferdinand Peroutka, wurde bereits im Februar 1948 entlassen und durch einen Kommunisten ersetzt. Die „Lidové Noviny“ erschienen zwar noch bis 1952, doch von ihrem Renommé als überparteiliches, intellektuelles Blatt blieb nichts mehr übrig. In ihr waren ebensolche Lobeshymnen auf die Kommunisten abgedruckt wie in den anderen offiziell erscheinenden Zeitungen. Diese erzwungene Linientreue, die natürlich alle Zeitungen mehr oder weniger beherrschte, konnten diese mit der „Samtenen Revolution“ („sametová revoluce“) im November und Dezember 1989 beginnen abzuschütteln. So wie der Zeitungsmarkt in der Tschechischen Republik heute aussieht, ist er während und nach der politischen Wende Anfang der 1990er Jahre entstanden. Während nach Wende der Lesehunger noch ungebremst war, hat sich nach 1995 das Leseverhalten der Tschechen stark verändert. Die Leserzahl der Zeitungen hat in den Jahren nach 1995 abgenommen, die der nationalen Zeitungen bis 1999 allein um ein Drittel. Zugleich stieg im selben Zeitraum die Zahl der Leser kostenlos verteilter Werbezeitungen mit einem minimalen Anteil politischer Nachrichten um zwei Drittel. Die meistgelesene Zeitung Tschechiens ist heute die Boulevardzeitung „Blesk“ [www.blesk.cz] (Blitz) mit knapp 1,6 Millionen Lesern. „Blesk“ gehört zur Mediengruppe Ringier und ist eine klassische Yellowpress-Publikation. Sie erscheint in einer Auflage von knapp 430.000 Stück, den Inhalt der 1992 gegründeten Zeitung bilden Sensationsberichte, verschiedene Affären (die Reporter betreiben investigativen Journalismus im Stil der englischen Yellowpress), Neuigkeiten über Prominente und ein Sportteil. „Blesk“ verfügt in der tschechischen Medienszene über kein hohes Ansehen und ist auch trotz ihrer hohen Auflage unter Politikern nicht sehr beliebt. Der Einfluss von „Blesk“ auf die tschechische Politik kann nicht mit jenem der österreichischen Kronen- oder der deutschen Bild-Zeitung verglichen werden. „Mladá fronta Dnes“ („Junge Front heute“) [www.zpravy.idnes/mfdnes .asp], kurz „Dnes“, ist die auflagenstärkste und damit auch meistgelesene, seriöse Tageszeitung Tschechiens, die mit einer Auflage von 290 bis 320.000 Exemplaren knapp 1,1 Milli-
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onen Leser erreicht. Die „Dnes“ ging aus der Zeitschrift „Mladá fronta“ hervor, die vor 1990 vom Verband der Sozialistischen Jugend herausgegeben wurde. Bald nach der Wende wurde die Zeitung von Journalisten und einflußreichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens dem Staat auf ziemlich rüde Weise entwunden, wobei die Redaktionsräume von Angehörigen der Polizei-Spezialeinheit „URNA“ geschützt wurden, die während ihrer Freizeit in den Räumen übernachteten. Heute gehört die Zeitung zur deutschen RheinischBergischen Verlagsgesellschaft, die unter anderem die Rheinische Post herausgibt. Zur Zeitung gehört auch das Online-Angebot „iDnes“. Dieser Wandel in der Redaktion der Zeitung nach der Wende, die sich aber, wie manche meinen, nicht auf den Inhalt der „Dnes“ niedergeschlagen hätte, stieß Nostalgikern der alten, vergangenen Zeiten übel auf. Gerade Kommentatoren russischer Zeitungen konnten sich lange nicht völlig mit dem Gedanken anfreunden, dass die Tschechoslovakei nicht mehr existiert, sich friedlich teilte und zwei unabhängige Staatswesen namens Tschechische und Slowakische Republik entstanden. Die „Mladá fronta“ begann als seriöse Zeitung, driftete aber nach und nach unter anderem mit Sensationsgeschichten in den Raum zwischen Seriosität und Boulevard ab. Sie besteht aus vier Abteilungen, von denen eine in einer regionalen Variante erscheint. An dritter Stelle kommt „Právo“ (Recht) [www.pravo.cz], das aus der kommunistischen Parteizeitung „Rudé Právo“ (Rotes Recht) hervorging. Während die „Mladá Fronta Dnes“, die vor allem Ende der 1990er Jahre der bürgerlich-demokratischen Partei (ODS) näherstand als die anderen Zeitungen, im konservativ-rechten Milieu anzusiedeln ist, hat die „Právo“ eine deutliche Tendenz nach links und zur Sozialdemokratischen Partei (SSD). Právo ist eine seriöse Tageszeitung und erreicht täglich knapp 500.000 Leser, bei einer Auflage von 165.000 verkauften Exemplaren. Eigentümer der Zeitung ist die Aktiengesellschaft „Borgis“, die ausschließlich „Právo“ und deren Beilagen herausgibt. Die viertgrößte Tageszeitung ist statistisch gesehen die Zeitung „Sport“ [www.deniksport.cz], die in einer Auflage von 144.000 Stück erscheint und im Schnitt 350.000 Leser erreicht, wird von „Ringier herausgegeben“. Neben Ringiers „Sport“ ist „Axel Springer“ mit sechs Zeitschriften auf dem tschechischen Sport- und Autozeitungsmarkt präsent. Mit „Svet Motoru“ und „Auto Tip“ untermauerte das Medienunternehmen seine dominierende Position im Segment der Autozeitschriften gegenüber seinen Wettbewerbern175. Die Tageszeitung „Lidové noviny“ (Volkszeitung) [www.lidovky.cz], die zur „Mafra a.s.“-Gruppe gehört, ist die Zeitung mit der längsten Geschichte und Tradition Tschechiens. Die „Lidové noviny“, auch „Lidovky“ genannt, wurde 1893 gegründet. Sie darf sich der Mitarbeit berühmter tschechischer Schriftsteller rühmen, unter anderen die Brüder Karel und Josef apek und Eduard Bass. Die „Lidové noviny“ erschien, mit einer Unterbrechung zur Zeit der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei, bis 1952, als sie vom kommunistischen Regime verboten wurde. Im Jahr 1988 erschien die Zeitung erneut, zuerst noch als Samizdat, im Untergrund, aber mit einem Vorwort des Schriftstellers und späteren Präsidenten der Tschechoslowakei und Tschechiens, Václav Havel. Trotz aller Probleme mit dem Regime erschien die Zeitung in ihrem ersten Jahr fast regelmäßig. Ihr erneutes Aufleben nach der sogenannten „Samtenen Revolution“ verdankte die „Lidové“ neben Havel den Dissidenten Jií Ruml und Jií Dienstbier. Im November 1989 erschienen zwei Sondernummern über das Geschehen der „Samtenen Revolution“. Am 5. Januar 1990 erschien dann die erste legale Nummer der
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Die Publikationen vereinigen 65,2% (Vj.: 65,0%), bezogen auf die verkaufte Auflage, des Marktes auf sich. Außerdem gibt Axel Springer Praha mehrere erfolgreiche Spezialtitel wie „Top Dívky Diary“, „Auto Tip Extra“ oder „Auto Bild Allrad Tschechien“ oder „Auto Tip 4x4“ heraus.
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„Lidové Noviny“ nach 1952, seit April 1990 ist sie wieder eine Tageszeitung. Die „Lidové Noviny“, die im Übrigen als erste Karikaturen veröffentlichte, hat heute eine Auflage von 73.000 und erreicht knapp 232.000 Leser täglich. Seit 1998 gehört sie zur Gruppe Rheinisch-Bergische Druckerei und Verlagsgesellschaft mbH und ihrer tschechischen Tochter Mafra a.s. Die Zeitung berichtet vor allem über Politik, Wirtschaft und Kultur, die Blattlinie ist konservativ. Die wohl seriöseste Wirtschaftstageszeitung Tschechiens ist die „Hospodáské noviny“ („Wirtschaftszeitung“, www.ihned.cz), die mit einer Auflage von 62.000 Exemplaren an die 210.000 Leser erreicht. Die „Hospodáské noviny“ gehört zur Verlagsgruppe „Economia“, die im Besitz des Unternehmers Zdenk Bakala ist. Die „Hospodáské noviny“ positioniert sich als qualitativ hochwertige Zeitung, berichtet aus den Sparten Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur, und veröffentlicht regelmäßig Gastkommentare berühmter internationaler Politiker und Wirtschaftsexperten. 2007 war in den Medien die Rede vom Verkauf des tschechischen „Economia“-Verlags, in dem die Wirtschaftszeitung „Hospodáské noviny“ und das Wirtschaftsmagazin „Ekonom“ erscheinen. Laut Medienberichten stand damals der Verkauf der Mehrheits-anteile, die bis vor kurzem noch die Düsseldorfer „Handelsblatt“-Gruppe innehatte, unmittelbar bevor. Neuer Eigentümer hätte der „Mladá-Fronta“-Verlag werden sollen. Doch wenig später erwarb ein anderer Bewerber, der tschechische Unternehmer und Milliardär Zdenk Bakala, die Anteile am „Economia“-Verlag. Der Publizist Karel Hvížala, der als Chefredakteur und Herausgeber der Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ und als Gründer der Wochenzeitschrift „Týden“ in den Jahren seit der Wende tschechische Mediengeschichte geschrieben hat, erinnerte daran, dass der tschechische Journalisten-Verband gegen die Übernahme durch einen Bewerber protestiert hatte. Die Eigentums-verhältnisse seien undurchsichtig, außerdem hätte sich gezeigt, dass das Kapital des Bewerbers nicht ganz sauber war und auch Verdacht auf Betrug bestand. Somit waren nur noch zwei Interessenten im Spiel, beide Milliardäre – Petr Kellner und Zdenk Bakala, die beide als saubere Unternehmer und tadellose Menschen galten. Dass Bakala den Zuschlag erhielt, war für Hvížd’ala keine wirkliche Überraschung, aber ein gutes Zeichen. Bakala hatte schon vor geraumer Zeit die Mehrheitsanteile an der angesehenen und seriösen tschechischen Wochenzeitschrift „Respekt“ erworben. Mit der Übernahme des Verlags und der Wirtschaftszeitung war Bakala nicht nur dabei, ein Medienunternehmen aufzubauen, damit stiegen auch die Chancen, dass dessen Titel in gewisser Weise gegen den Zeitgeist schwimmen und sich damit gegen den oft beklagten Boulevard-Trend in der tschechischen Presselandschaft stemmen würden – zumal da auch der zweite Bewerber um „Economia“, der Milliardär Petr Kellner, damals ankündigte eine unabhängige Wochenzeitschrift zu gründen. Nach Meinung Hvížd’alas verstünde es der „Respekt“-Verleger Bakala, zwischen der Berichterstattung seiner Medien und dem Bereich der Anzeigen „eine Art chinesischer Mauer aufzubauen“. Bakala kündigte auch an, neue Ethik-Richtlinien für den „Economia“-Verlag ausarbeiten lassen zu wollen. Zu „Economia“ gehören nicht nur die „Hospodáské noviny“, sondern auch die Wochenzeitschrift „Ekonom“ und dazu der Internet-Dienst „ihned.cz“ sowie 18 weitere Zeitschriften. Da das zum Verkauf stehende Paket groß war, wurde der Kaufpreis auch auf rund 100 Millionen Euro geschätzt. Der Publizist Karel Hvížala, der vor der Wende viele Jahre im Exil in Deutschland gelebt hatte, gehörte in der Vergangenheit zu den größten Kritikern der Entwicklungen in der tschechischen Presselandschaft. In seinen Artikeln bezeichnete er die Zeitungen des Landes oft als „Pop-Medien“. Ihre einzige Aufgabe sei, bei den Lesern Emotionen zu wecken, nicht aber Informationen zu vermitteln. Die einzige Ausnahme machte Hvížala stets bei der Bewertung der Wirtschaftszeitung „Hospodáské noviny“. Wenn aber Bakala und Kellner den Gegentrend gegen die Kommerzialisierung und Boulevardisie-
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rung ausriefen, könnten sie sich damit eventuell Konkurrenz machen, zwischen Respekt, dem neuen Medium und gleichzeitig zwischen den Wirtschaftsmagazinen „Ekonom“ und „Euro“. „Euro“ erscheint schon seit einigen Jahren in einem Verlag, der zu Kellners Firmenimperium gehört. Das Konkurrenz-verhältnis würde sicher bedeuten, dass die Qualität der Medien aus beiden Verlagshäusern steigen müsste. Das bedeute, so Hvížd’ala, das erste Mal seit gut zwanzig Jahren eine positive Nachricht. An bunten, sensationshungrigen Boulevardzeitungen gibt es in der Tschechischen Republik neben der alles überragenden „Blesk“ die „Aha!“ (www.ahaonline.cz, Auflage: 100.000), „Šíp“ (www.deniksip.cz, Auflage: 60.000), sowie die Tageszeitung der Kommunistischen Partei „Haló noviny“ (Hallo Zeitung, www.halonoviny.cz), die in einer Auflage von 50.000 Stück publiziert wird. Auf regionaler Ebene erscheint die Tageszeitung „Deník“ („Tagblatt“, www.denik.cz), die in 73 regionalen Varianten verlegt wird – in Prag als „Pražský deník“, in Brünn als „Brnnský deník Rovnost“ usw., und insgesamt von knapp 1,3 Millionen Leser täglich gekauft und gelesen wird. Sie besteht aus einem sehr detaillierten Regionalteil und einem landesweit einheitlichen Teil. In vielen Fällen gingen die regionalen Versionen aus Übernahmen bestehender regionaler Zeitungen, wie etwa in Brünn, hervor. Herausgegeben wird sie von der Gruppe Vltava-Labe-Press (Verlagsgruppe Passau GmbH). Beliebt ist die Wochenzeitschrift „Reflex“ [www.reflex.cz], die sich als politischgesellschaftliches Medium sieht und über verschiedene Themen von Politik bis Kultur berichtet. Sie gehört zur Ringier-Gruppe. Die liberale Zeitschrift „Reflex“ ist bekannt dafür, dass die Titelblätter, Artikel bzw. Cartoons oftmals die Tabugrenzen überschreiten. Die Auflage des Magazins beträgt ca. 57.000, erreicht 250.000 Leser. Einen deutlichen politischen Schwerpunkt hat die Wochenzeitschrift „Respekt“ [www.respekt.cz], die 2007 grundlegende Veränderungen erlebte, nachdem sie von der Firma des Unternehmers Zdenk Bakala erworben wurde176. Das Format wurde verkleinert, die Zeitschrift erschien ab sofort in Farbe und auf Hochglanzpapier. Sofort erkennbar ist die Zeitschrift durch die charakteristischen Titel- und Text-Zeichnungen von Pavel Reisenauer. „Respekt“ gilt als kritisches, liberales Medium, berichtet über politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen auf hohem Niveau, und betreibt investigativen Journalismus. So spielte „Respekt“ eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung der Luxuswohnung-Affäre des damaligen tschechischen Premierministers Stanislav Gross. 2005 wurde „Respekt“ vom Tschechischen Verleger-verband („Unie vydavatel“) zur Wochenzeitung des Jahres gewählt. „Respekt“ erreicht ungefähr 80.000 Leser mit einer Auflage von 25.000. Die Zeitschrift „Týden“ (Woche) [www.tyden.cz] startete 1994 als eine Art tschechische Version der österreichischen Zeitschrift „News“, hat sich aber in der Zwischenzeit anders positioniert. „Týden“ berichtet über Politik, Gesellschaft, Kultur, Sport und Wirtschaft und
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„Respekt“ wurde sehr bald nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes von Dissidenten als eine der ersten unabhängigen Zeitungen gegründet und hieß zunächst „Informaní servis Obanského Fóra“ (dt.: Informationsservice des Bürgerforums). Seit 1990 trägt die Zeitung ihren derzeitigen Namen. Einige Verantwortliche und Mitarbeiter von „Respekt“ machten später politische Karriere, wie zum Beispiel der langjährige tschechische Innenminister Jan Ruml. Mitte der 1990er Jahre erreichte die Auflage mit über 100.000 verkauften Exemplaren ihren Höhepunkt. 1996 wurde die Wochenzeitung von Karel Schwarzenberg gekauft. In den folgenden Jahren ging die Auflage jedoch zurück, der Herausgeber „R-PRESSE, spol. s r.o.“ schrieb rote Zahlen. Im Juni 2006 stieg Zdenk Bakala als neuer Investor ein und setzte als neuen Direktor Miloš ermák ein. Unzufrieden mit dieser Entscheidung kündigten im September 2006 nahezu alle Redaktionsmitglieder ihre Verträge. Wenige Wochen später kam es doch noch zu einer Einigung, neuer Chefredakteur wurde Martin M. Šimeka, bisheriger Chefredakteur der slowakischen Tageszeitung „Sme“. Šimeka wurde im Januar 2009 als Chefredakteur durch Erik Tabery ersetzt.
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konnte bisher einen relativ hohen Standard halten. Die Zeitschrift erscheint in einer Auflage von 55.000 Stück, mit der rund 230.000 Leser erreicht werden. Als Wirtschaftszeitschriften positionieren sich die Magazine „Ekonom“ [www.ekonom.cz] und „Euro“ [www.euro.cz]. „Ekonom“ gehört zur Verlagsgruppe „Economia“ und berichtet in erster Linie über wirtschaftliche Themen sowie ökonomische Hintergründe zu politischen und gesellschaftlichen Themen. Die Auflage von „Ekonom“ beträgt 23.000, die Zeitschrift hat im Durchschnitt 125.000 Leser. Ähnlich positioniert ist auch die Zeitschrift „Euro“, die mit ihrer OnlineVersion Aufsehen erregte. Sie erreicht mit einer Auflage von 25.000 aber nur knapp 80.000 Leser pro Woche. In der Sparte der gesellschaftlichen Zeitschriften dominiert das Magazin „Rytmus Života“ [www.rytmuszivota.cz], das über Themen wie Gesellschaft und Gesundheit berichtet und am ehesten mit der deutschen „Bunte“ vergleichbar ist. Erreicht werden jede Woche an die 922.000 Leser. Die Zeitschrift gehört zur Verlagsgruppe Bauer Media. „Nedlní Blesk“ („Blesk am Sonntag“, www.blesk.cz) ist die Wochenzeitschrift der Boulevardzeitung „Blesk“ (Verlagsgruppe „Ringier“), die in einer Auflage von 250.000 Stück erscheint, womit 720.000 Leser erreicht werden. Monatlich erscheinen in Tschechien zahlreiche Magazine, die sich meist mit bestimmten Themen befassen (Automobile, Garten, Heim, Gesundheit), sowie Fachzeitschriften (z.B. Architektur, Kunst). Darüber hinaus gibt es Frauen- und Männermagazine bzw. Zeitschriften für Teenager (wie etwa „Bravo“). Erwähnenswert sind die Publikationen des Verlags „Mladá Fronta“ [www.mf.cz], der nichts mit der Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ zu tun hat, und sich unter anderem auf Monatszeitschriften spezialisiert. „Mladá Fronta“ publiziert Lifestyle-Magazine wie etwa „Moje zdraví“ („Meine Gesundheit“), sowie das populärwissenschaftliche Magazin „VTM Science“ [www.vtm.cz] oder das seit 1944 erscheinende Kinderheft „Mateídouška“ („Feldthymian“). Im Wirtschaftsbereich veröffentlicht „Mladá Fronta“ unter anderem die Zeitschrift „Strategie“ [www.strategie.cz], die sich mit Marketing und Werbung befasst, und die Architekturzeitschrift „Projekt“. Das Verlagshaus „Economia“ wiederum veröffentlicht sehr spezifische Monatszeitschriften wie etwa die Titel „Moderní obec“ („Moderne Gemeinde, www.moderniobec.cz), „Marketing&Media“ [www.mam.cz] oder „Odpady“ („Abfall“). In Prag werden zwei Gratiszeitungen verteilt, einerseits die tschechische Ausgabe der international erscheinenden Gratiszeitung „Metro“ [www.metro.cz] und die Zeitung „24 hodin“ („24 Stunden, www.24hodin.cz), die von Ringier produziert wird. Die Prager Gratiszeitung mit dem vielsagenden Titel „24 Stunden“ erscheint seit November und soll dem äußerst erfolgreichen Projekt der kostenlosen U-Bahn-Zeitung „Metro“ Konkurrenz machen, die seit acht Jahren auf dem Markt ist und in der Prager Untergrundbahn angeboten wird. Herausgegeben wird „24 Stunden“ vom Schweizer „Ringier“-Konzern, dessen mediales Flaggschiff in Tschechien, die Boulevard-Zeitung „Blesk“, die mit großem Abstand meistgelesene tschechische Tageszeitung ist177.
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Auch die Verlagsgruppe „Mafra“, ein Tochterunternehmen der Düsseldorfer Rheinisch-Westfälischen Druckerei- und Verlagsgesellschaft, die mit der „Mladá fronta Dnes“ und der „Lidové noviny“ ebenfalls mit zwei überregionalen Zeitungen auf dem Markt vertreten ist, will in den Bereich der kostenlosen Zeitungen einsteigen.
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1.3
Fernsehen und Rundfunk in der Tschechischen Republik
Eine der wichtigsten Neuerungen nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes war die die Herausbildung eines dualen Fernseh- und Rundfunksystems. Grundlage dafür war das Rundfunkgesetz des Jahres 1991, nach dessen Verabschiedung die Nachfrage nach Lizenzen für private Sender enorm war. Neben den erhofften Gewinnen war auch der Umstand, dass die öffentlich-rechtlichen Sender nur noch über geringe Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung verfügten, ein wesentlicher Grund. Die Zulassung der privaten Sender stand so ursprünglich unter dem großen Zeichen der Freiheit. Private Rundfunk- und Fernsehsender schossen wie Pilze aus dem Boden. Problematisch war jedoch, dass es keine verbindlichen Regelungen und Richtlinien für den privaten Rundfunk gab. Die Folge war, dass die Privaten Sender dem anfänglichen Anspruch, großen Informationsgehalt zu bieten, nicht gerecht wurden. Man konzentrierte sich vor allem auf kommerzielle Angebote auf Kosten der Information. Möglich war dies durch die Liberalisierung der Wirtschaft, wodurch der Werbemarkt belebt wurde und wovon die privaten Anbieter profitierten. In der Tschechischen Republik senden heute insgesamt sieben gesamtstaatliche und 76 regionale Radiostationen. Auf dem gesamten Staatsgebiet senden: der öffentlich-rechtliche „Tschechische Rundfunk“ mit „(eský)Ro(zhlas)1 - Radiožurnál“, der Nachrichtenkanal des Tschechischen Rundfunks, der eine tägliche Zuhörerzahl von durchschnittlich 902.000 Zuhörern hat; „Ro 2 – Praha“ (Familienstation des Tschechischen Rundfunks, Zuhörerzahl: 317.000 pro Tag); „Ro 3 – Vltava“ (Kultur-Station des Tschechischen Rundfunks, Zuhörerzahl: 50.000 pro Tag); „Ro 6“ (analytisch-publizistische Station des Tschechischen Rundfunks mit einer Zuhörerzahl von 16.000 pro Tag. Unter den privaten Stationen finden sich „Frekvence 1“, ein kommerzieller Sender mit Musikhits der vergangenen Jahre und Unterhaltung, mit einer Zuhörerzahl von 918.000 pro Tag; der MusikInformationssender „Radio Impuls“ (Zuhörerzahl: 800.000 pro Tag); „Evropa 2“, ein kommerzieller Sender, der sich auf aktuelle Hits und Unterhaltung spezialisiert hat (Zuhörerzahl: 679.000 pro Tag). 2008 feierte der Tschechische Rundfunk seinen 85. Geburtstag, weshalb am Eingang des Prager Funkhauses damals eine riesige Zahl 85 prangte. Fachleute wurden gefragt, wie es damals war, als die ersten Sendungen über den Äther gingen, und wie es mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitergehen solle, in der immer unübersichtlicheren Medienlandschaft. Die diversen Inlandssender des Tschechischen Rundfunks widmeten dem gar nicht so runden 85. Jubiläum lange Sendezeit, und auch „Radio Prag“ bereitete für den 18. Mai 2008, den Geburtstag, eine Sondersendung vor. Die bewegten Ereignisse der tschechischen Zeitgeschichte wurden lebendig, in denen der Rundfunk eine zentrale Rolle spielte, wie der Prager Aufstand gegen die nationalsozialistische Besatzung im Mai 1945, oder der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen im August 1968. Heute stellt sich die Frage, wie wird es weitergehen mit dem Medium Radio? Hat es noch eine Zukunft? Aber nicht nur in Prager Straßenbahnen hat bald jeder zweite Fahrgast Kopfhörer auf. Podcasting und Internetradio sind die ständigen Begleiter einer neuen Hörergeneration. Es entstehen auch in Tschechien neue Plattformen für Information, Musik, Hörspiele, Hörbücher und Hörbilder. Und es ist die Rede vom interessantesten Comeback in der neueren Medien-geschichte. Ein Beispiel von vielen ist die Radiostation „Radio Wave“, ein neues Projekt des öffentlichrechtlichen Rundfunks. Der Sender will sich vor allem als ein alternativ ausgerichtetes Jugendradio profilieren und so im Rahmen des bisherigen Programm-angebots des Tschechischen Rundfunks eine bestehende Lücke schließen. Der Kanal kann auf einer UKW-
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Frequenz in Prag und Mittelböhmen sowie im Internet empfangen werden. Mittelfristig will der Tschechische Rundfunk die Ausstrahlung dieses Programms auch auf die übrigen Landesteile ausweiten. Die erste regelmäßige Fernsehausstrahlung begann, nach einigen Versuchen in den Jahren 1948 und 1953, am 25. Februar 1954. Zu dieser Zeit bot das Fernsehen lediglich das staatliche „Tschechoslowakische Fernsehen“. Nach der Teilung der Tschechoslowakei in Tschechien und in die Slowakei, ist ihr Nachfolger das heutige staatliche „Tschechische Fernsehen“ („eská Televize“), das gegenwärtig auf vier Programmen sendet. Zwei davon sind klassisch-analog („T1“ und „T2“), und die zwei neuesten „T24“ (NachrichtenKanal) und „T4“ (Sport-Kanal) sind digital. Die Digitalen sind mit den deutschen Programmen „N24“ und „DSF“ vergleichbar. Die Tschechische Republik war der erste osteuropäische Staat, der Lizenzen zur gesamtstaatlichen Ausstrahlung von privatem Fernsehen erteilte. Besonders hierbei war, dass die Lizenzen fast umsonst und ohne jegliche Bedingungen vergeben wurden. Das damalige erste Föderale Fernsehen „T“ wurde dann im Jahre 1994 auf der Grundlage eines Auswahlverfahrens an das kommerzielle Fernsehen „TV Nova“ abgetreten178. Damit war der Grundstein zur Entwicklung des privaten Fernsehens in Tschechien gelegt. Im Jahre 1997 begann dann „TV Premiéra“ seine Aus-strahlung, das heute „TV Prima“ heißt. Gegenwärtig senden in der Tschechischen Republik vier gesamtstaatliche und über zwanzig regionale Fernsehstationen. Der erste private Fernsehsender des Landes, „TV Nova“, wurde 1994 gegründet, ist heute, nicht zuletzt dank des hohen finanziellen Engagements des US-amerikanischen Investors Ronald Lauder, Tschechiens erfolgreichster Fernsehsender mit den höchsten Einschaltquoten. Etwa 70 Prozent der Tschechen schalten den Kanal täglich ein. Um diese Quoten zu erreichen und zu halten und noch weiter zu erhöhen werden jedoch stundenlange Blöcke einfach gestrickter US-Fernsehserien gezeigt, die teilweise sprachlich und technisch katastrophal bearbeitet sind. Die Spitzenmeldungen der Nachrichten bestehen vor allem aus Katastrophen- und Verbrechensmeldungen, während eine geänderte Nachrichtenstruktur dafür sorgt, dass über politische Ereignisse nur marginal bzw. im Stil der Boulevardpresse berichtet wird. Aber auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen „T“ geriet immer wieder durch Skandale und Misswirtschaft in die Schlagzeilen. So kam es Ende 2000 nach der Absetzung des „T“-Fernsehdirektors zum Eklat. Der Nachfolger des verachteten Direktors galt als bedingungsloser Gefolgsmann vom Parlamentspräsidenten Václav Klaus. Die Redakteure traten daraufhin in den Streik und besetzten das Gebäude, weil sie die Beeinflussung durch die Parteien nicht mehr länger hinnehmen wollten. Problematisch ist auch, dass Parlament und Politik über den Fernsehrat beträchtlichen Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Sender hat. Die in den letzten Jahren enorm gestiegenen Werbe-einnahmen sind für alle Sender unerlässlich. Während 1993 Printmedien und Fernsehen zusammen für Werbung über vier Milliarden Tschechische Kronen (ZK) einnahmen, waren es 1998 mit 14,6 Milliarden schon dreieinhalbmal soviel. Allein das Fernsehen erzielte 1998 Erlöse von über neun Milliarden Tschechischen Kronen. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender ,,T1“ und ,,T2“ können neben den Einnahmen
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Nach einem mehrjährigen Testbetrieb nahm die Tschechische Republik 1999 die Übertragung via digitalen Multiplex auf. Die Empfänger können die Fernsehprogramme „T1“, „T2“, „T24“, „T4 Sport“ auf „TV Nova“ verfolgen. Die weitere Entwicklung der digitalen Sendung hängt von der Freischaltung der Frequenzen ab, worauf die alten Analogsender ausgeschaltet werden. Spätestens Ende 2012, wahrscheinlich aber schon einige Jahre früher, sollen die Analogsendungen ganz abgeschaltet werden. Anstatt derzeit vier Fernsehprogrammen werden den Zuschauern dann etwa zehn bis 15 Fernsehprogramme zur Verfügung stehen.
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aus den Rundfunkgebühren nicht auf die Erlöse der Werbung verzichten. Die Kontrolle über die Finanzen sowie die Organisation des staatlichen Fernsehens hat dabei indirekt das tschechische Parlament über den von diesem eingesetzten Fernsehrat. Durch diese Verquickung von Politik und Medien steht der Fernsehrat unter starkem Einfluss einzelner Politiker und des Parlament. Es fehlt ein möglichst eigenständiges Kontrollorgan, um die Unabhängigkeit der Sender zu gewährleisten. Andererseits sind dem Rundfunk- und Fernsehrat in anderer Hinsicht die Hände gebunden. Während in Deutschland die Landesmedienanstalten Lizenzen vergeben und der Erhalt der Lizenzen an Bedingungen geknüpft wird, ist dies in der tschechischen Republik seit 1995 nicht mehr möglich. Der Vorsitzende des Rundfunk- und Fernsehrates, Vacláv Zak, meinte im Gespräch mit „Radio Praha“, der Rat hätte früher den privaten Sendern nicht nur die Lizenz erteilt, sondern weitere Bedingungen gestellt, die nicht Bestandteil des Gesetzes waren. Zu den Lizenzbestimmungen bei den privaten Radiostationen gehörte etwa das prozentuale Verhältnis zwischen Musik und gesprochenem Wort. Im Jahr 1995 veränderte sich aber die Rolle der Aufsichtsbehörde, weil durch eine Gesetzesänderung der Rat die Vergabe von Lizenzen nicht mehr an weitere Bedingungen knüpfen durfte. Der Rat durfte also ab sofort nicht mehr tun, was vergleichbaren Behörden im Ausland durchaus gestattet ist. Das führt dazu, dass dem Rat bei Konflikten oft die Hände gebunden sind. In Tschechien gibt es zudem ein zentrales Pressegesetz, das Schutzmaßnahmen gegen Verleumdung natürlicher Personen, ihrer Ehre, Würde und Privatsphäre aufgrund ihrer ethnischen oder nationalen Herkunft enthält. Im Gegensatz dazu liegt in Deutschland die Gesetzgebungskompetenz im Presserecht bei den Ländern. Radio und Fernsehen müssen in Deutschland staatsfern betrieben werden, was in Tschechien nicht vollständig gegeben ist. Zum einen wird, wie oben beschrieben, der Rundfunk- und Fernsehrat vom Parlament gewählt und so nach den dortigen politischen Kriterien bestimmt. Zum anderen kann in Tschechien der Rat auch vom Parlament wieder abberufen werden, wenn dieses den Jahresbericht des Rates zweimal nicht verabschiedet. Damit besteht die Gefahr politischen Drucks auf den Rat. In Deutschland können Rundfunkräte zwar teilweise von den Länderparlamenten entsandt werden, allerdings ist eine Abberufung durch diese nicht möglich. Zudem fehlt in der tschechischen Republik an einer strikteren Definition der Aufgaben eines Mitglieds des Rundfunk- und Fernsehrates, damit nicht etwa willkürlich in die Kompetenzen des Fernsehmanagements eingegriffen wird, oder dass umgekehrt die Fernsehführung die langfristigen Ziele anerkennt, die das Aufsichtsorgan verfolgt. Einen weiteren Unterschied bildet die Fernsehlandschaft der beiden Länder. In Deutschland gibt es eine Vielzahl von lokalen, regionalen oder nationalen Sendern, insgesamt mehrere hundert. In Tschechien hingegen gibt es zwei analoge, zwei digitale und 20 regionale Fernsehsender. Dadurch kommt es teilweise zu einer starken Polarisierung der Zuschauer zu einem Fernsehsender, „TV Nova“. Dieser erreicht Spitzenmarktanteile von 70 Prozent, beispielsweise bei Nachrichtensendungen. Im Vergleich dazu erreicht die Tagesschau um die 30 Prozent. Ebenfalls ist die durchschnittliche Einschaltquote von „TV-Nova“ von 40 Prozent enorm hoch. In Deutschland senden 250 analoge und 100 digitale Radiostationen, während es in Tschechien insgesamt 83 Radiosender gibt. Allerdings wächst der tschechische Radiomarkt enorm: während dieser im Zeitraum 2000 bis 2005 um 12,5 Prozent wuchs, kam es in der Bundesrepublik zu einem Rückgang von -3,8 Prozent. Außerdem sind die Tschechen in der Digitalisierung Deutschland einen Schritt voraus. Dort soll bis 2012
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die Digitalisierung abgeschlossen sein, in Deutschland bis 2015179. In Deutschland startete der erste Teleshopping-Kanal 1997. Der Teleshopping-Markt wuchs seitdem jährlich um mehr als 50 Prozent und 2005 wurde 2005 erstmals mehr als eine Milliarde Euro umgesetzt, Tendenz steigend. In der Tschechischen Republik startete Ende 2005 der erste Teleshoppingkanal. Dieser sendet 18 Stunden pro Tag, allerdings sehen Experten den dortigen Markt als sehr beschränkt an und rechnen mit sehr geringem, beziehungsweise fast keinem Wachstum. Ebenfalls eine weitere Besonderheit bildet das Thema Rundfunkgebühren. Diese gibt es in Deutschland und Tschechien. Aber nicht nur die Höhe unterscheidet beide Länder, sondern auch die Art, wie diese eingezogen wird. In Deutschland macht dies bekanntermaßen die GEZ. Die Höhe richtet sich dabei nach den Geräten, die man angemeldet hat. In Tschechien muss eine Pauschale von 45 Kronen (1,60 Euro) pro Haushalt abgeführt werden. Allerdings gibt es dort keine Zentrale die die Gebühren eintreibt, sondern der Rundfunk muss dies selbst erledigen. Keine Pauschale dagegen müssen Firmen in der tschechischen Republik entrichten: pro Gerät werden dort 45 Kronen fällig, andernfalls werden Strafen von 5.000 Kronen (ca. 185 Euro) fällig. Tschechien war, wie bereits erwähnt, der erste osteuropäische Staat, der Lizenzen für die gesamtstaatliche Ausstrahlungen für das private Fernsehen erteilte. Dies machte das Land Anfang der 1990er Jahre zur großen Ausnahme. Aber nicht nur das, die Vergabe der Lizenzen geschah, wie bereits erwähnt, fast umsonst und ohne jegliche Bedingungen. Die offiziele tschechische Nachrichtenagentur ist „TK“ („Ceská Tiskova Kancela“) [www.ctk.cz], die neben Berlin Korrespondentenposten in mehreren anderen Städten wie New York, London, Paris, Brüssel oder Warschau hat. 2005 meinte die DeutschlandKorrespondentin Denisa Svobodníková, dass die Berichterstattung aus Deutschland für die tschechischen Medien eine große Bedeutung hat, sähe man schon an der Diskussion über die Osterweiterung oder die Beneš-Dekrete. Über Deutschland werde viel geschrieben, über die Regierungskrise, über die geplanten Neuwahlen und auch über deutsche Firmen, die gute Kontakte zu tschechischenen Firmen haben, wie etwa Volkswagen. Seltsam ist nur, dass die großen tschechischen Tageszeitungen keine eigenen Korrespondenten in Deutschland haben, was vor allem daran liegt, dass Auslandskorrespondenten teuer sind. Daher schreibt oft einer für mehrere Zeitungen. Außerdem sind die Korrespondenten immer wieder auch am Ort des Geschehens. Zita Senková von „Mlada fronta dnes“ ist regelmäßig in Berlin präsent. Bei aktuellen Ereignissen kommen stets einige tschechische Medienvertreter in das Nachbarland. Die tschechischen Medien bedienen sich nicht nur aus dem Fundus der Agentur „TK“, sondern auch aus dem der „dpa“ und denen der internationalen Agenturen. Auch kann man deutsche Zeitungen ganz normal in Tschechien kaufen. Wenn die Prager Redaktionen etwas brauchen, zumeist Reaktionen auf tschechische Ereignisse, wie die Versöhnungsgeste von Ministerpräsident Jií Paroubek an sudetendeutsche Antifaschisten, dann wenden sie sich an die „TK“-Journalisten oder schicken selbst ein Redaktionsmitglied. Die großen, überregionalen Medien berichten über die Hauptereignisse auf politischer Ebene. Die kleinen regionalen Medien in Sachsen und Bayern, an der Grenze zu Tschechien, schreiben meist detaillierter über grenzüber-schreitende Projekte, etwa von Nichtregierungsorganisationen oder die negativen Begleiterscheinungen der Osterweite-
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Ebenso wie Radio- und TV-, ist der Printmarkt in der tschechischen Republik kleiner als der in Deutschland. So hat die größte deutsche Tageszeitung, die „Bild“, eine tägliche Auflage von 3,5 Millionen Exemplaren. Die „Blesk“, als größte tschechische Tageszeitung hat eine Auflage von 520.000 Exemplaren. Noch größer ist der Unterschied bei den Zeitschriften. Der „Spiegel“ erreicht in Deutschland eine Auflage von 1,1 Millionen Exemplaren, „Tyden“ in Tschechien erreicht 54.000 Exemplare.
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rung, über den Benzintourismus oder den Einkaufs-tourismus zwischen Deutschland und Tschechien, oder über Deutsche, die im tschechischen Grenzgebiet eine Arbeit gefunden haben. Insgesamt wird das Bild, das die deutschen Medien von ihrem Nachbarn entwerfen, über der Grenze als nicht besonders objektiv und detailliert kritisiert, wobei es Unterschiede gibt. In den nördlichen Bundesländern habe man überhaupt kein Bild Tschechiens, meint Frau Svobodníková. Dagegen habe man in Sachsen und Bayern zwar ein konkreteres Bild, das aber teils von den Konsequenzen der Osterweiterung überschattet sei. Andererseits beherrschen die tschechische Bericht-erstattung, wenn es um Deutschland geht, Themen wie die Vertreibung, während das Alltagsdeutschland etwas zu kurz kommt.
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2.
Slowakei: Die Medien und der Populismus
Europas Zeitungen beobachteten mit Sorge, wie im Frühjahr 2006 nach Polen in einem weiteren osteuropäischen Land eine populistische Regierung entstand. In der Slowakei hatte sich die sozialdemokratische Partei „Smer“ unter Robert Fico mit der „HSDZ“ des Ex-Ministerpräsidenten Vladimir Meiar und der Nationalpartei des Rechtsextremen Jan Slota auf die Bildung einer Koalition geeinigt. Die bisher regierenden Reformer unter Mikulas Dzurinda blieben außerhalb der neuen Regierungskoalition. Man befürchtete, dass die Slowakei erneut in die Isolation geraten könnte. Kommentator Dag Danis der slowakischen „Pravda“ fand damals scharfe Worte für die in der Slowakei von Wahlsieger Robert Fico geplante Regierungskoalition. Er nannte die Regierung offen primitiv, nicht nur, weil sie von „einem Populisten (Fico), einem Lügner (Meiar) und einem Trinker (NationalparteiChef Slota)“ geführt werden würde. Was Fico programmatisch, politisch und menschlich für seine Koalition ausgesucht hatte, wäre hoch problematisch. Das größte Problem dieser Regierung wäre „ihr politisch und moralisch fragwürdiger Charakter“. In der ungarischen Zeitung „Népszabadság“ bezeichnete Tibor Kis eine mögliche Regierung aus Sozialdemokraten, der Meiar-Partei HZDS und der Nationalpartei als Skandal. Meiar und Slota seien Europa wohl bekannt, denn sie stünden für eine Zeit voll innenpolitischer und ethnischer Spannungen sowie ernsthafter Konflikte mit der EU, der Nato und einigen Nachbarländern. Meiars Regierungszeit wäre der Tiefpunkt der ungarisch-slowakischen Beziehungen gewesen, so Kis. In Budapest befürchtete man, dass der Minderheitenschutz Schaden nehmen werde, obwohl Ungarn sich nicht unbedingt durch eine harmonische Politik gegenüber Bratislava hervorgetan hatte, wenn es um die ungarische Minderheit in der Slowakei ging. Die Slowakei war zwar Umfragen zufolge die unzufriedenste Nation Europas – was immer das heißt –, dafür stieg sie 2007, trotz aller Kritik, in die Top drei auf der Rangliste der Medienfreiheit der „Reporter ohne Grenzen“ auf. Anders in Deutschland: Europas mit Abstand zufriedenste Nation ist auf Platz 20, vier Plätze hinter Österreich. Sah man sich die Reaktionen der slowakischen Journalisten, hätte man meinen müssen, es sei genau umgekehrt. Sie waren wütend, weil sie unter Premier Robert Fico keinesfalls mehr sagen dürften, was sie denken. Die Bevölkerung dagegen war mit dieser Regierung im Grunde zufrieden. Besonders von „Sme“, der Tageszeitung mit dem meistfrequentierten Netzauftritt, fühlte sich Fico, seit 2006 im Amt, angegriffen. Er plante daher ein neues Gesetz, mit dem die Regierung ein ‚Recht auf Antwort‘ erhalten sollte. Bei vermeintlich falschen Informationen müssten die Medien innerhalb von acht Tagen eine Gegen-darstellung ermöglichen. Auf Auslandsreisen ließ sich Fico nur noch von Vertretern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks begleiten. Doch deren Bereitschaft, den Premier zu begleiten, hatte nachgelassen. Mitte August 2007 kündigte ein Drittel der Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen „Slovenská televízia“ (STV), weil sie nicht kritisch berichten durften. Ein Mitglied des slowakischen Fernsehrates meinte, die Berichterstattung beim „STV“ wäre sehr glatt geworden. Es scheine, als ob die Redakteure einfach die Anweisung bekämen, schöne Geschichten zu bringen. Die Slowakei ist seit 1993 unabhängig und seit 2004 Mitglied der EU. Die Medien spielten in der Phase von 1996 bis 1998 eine entscheidende Rolle bei der Ablösung der Regierung Meiar, der die öffentlichen Medien völlig unter seiner Kontrolle hatte. Genau an den fühlte man sich heute erinnert. Wie in der Meiar-Ära werde unter Fico jeder, der seine Regierung kritisiert, öffentlich als Verräter und ‚Agent der Kapitalisten‘ bezeichnet, schrieb Dag Danis in der Tageszeitung „Pravda“. Die Medien seien heute in der Normaliät angekommen und stark kommerziell orientiert, mit Tendenz zur Selbstzensur aus Furcht vor
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hohen Geldstrafen wegen Verleumdung, meinte auch Samuel Abraham, Chefredakteur der Kulturzeitschrift „Kritika & Kontext“. Und der Philosoph František Novosad vervollständigte der Chor der Kritiker, als er meinte, seit 1999 sei der freie Fall in Richtung Unterhaltungsniveau so krass, dass die Zeitungen regelrecht ihren eigentlichen Wert verloren hätten. Heute sind alle Printmedien in der Slowakei unabhängig, werden aber für mangelnde Professionalität und ethische Grundsätze kritisiert. Der zunehmenden Medienkonzentration ist das Pressegesetz von 1966 nicht gewachsen. Besitzverhältnisse bleiben undurchschaubar. Mancher bemängelt, es gebe zuwenig Kritik an der Minderheitenpolitik der Regierung. Die Medien müssten hier gegensteuern. Dass die Regierung Fico aber mittlerweile beliebter als bei Regierungsantritt, müsste Indiz sein, dass sie so falsch nicht liegen kann, vor allem da Budapest die kleine Slowakei immer wieder merken läßt, wer der stärkere ist. Die vertrauenswürdigste Zeitung ist laut Umfragen „Pravda“, die einzige Tageszeitung in slowakischem Besitz. Sie gehört der „Perex AG“. Ihr folgt „Sme“ von der „Passauer Neuen Presse“, der stärksten Verlagsgruppe im Land. Das Boulevardblatt „Novy as“ ist weniger vertrauensürdig, aber auflagenstärktes Blatt im Land. Es gehört „Ringier Slovakia“, die in schweizerischem Besitz ist. Zum Ärger der Regierung mit unzufriedenen Journalisten kommt zusätzlicher Ärger mit europäischen Institutionen. Das oberste Gericht der Slowakei ignorierte nämlich eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Dieses war mit der Verurteilung des Journalisten Martin Kleins wegen Beleidigung von Erzbischof Ján Sokol nicht einverstanden gewesen und sprach dem Journalisten eine Entschädigung zu. Die Einschätzung der Pressefreiheit durch die Journalisten des Landes und aus der Außensicht, durch „Reporter ohne Grenzen“ und andere, fallen also deutlich auseindander. Man zweifelte an der Objektivität, wie der Journalist Petr Holub im Interview mit „Radio Prag“. Zuzana Krútka, Vorsitzende des Slowakischen Journalistenverbandes, versuchte in „Radio Slovakia International“ den hohen Rang in der Liste von 2007 damit zu erklären, dass sich die Lage in anderen Staaten verschlechtert hätte180. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hob dagegen ihr Urteil auf die objektive Ebene über den tagespolitischen Streitereien zwischen Presse und Regierung: Die Pressefreiheit sei durch die Spannungen zwischen dem Premier und den Medien nicht zwangsläufig gefährdet, meinten die „Reporter ohne Grenzen“. Allerdings müsse man die gegenwärtigen Entwicklungen aufmerksam verfolgen. Sollte das geplante Gesetz zum Recht auf Antwort in Kraft treten, stehe die Pressefreiheit auf dem Spiel.
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Zuzana Krútka musste aber auch zugeben, dass nur der Fall des Journalisten Martin Klein ein Problem darstellte. Klein bekam vom Kreisgericht von Košice eine Geldstrafe von 15.000 SK wegen seiner Beleidigungsworte an die Adresse des Erzbischofs Ján Sokol. Obwohl der Europäische Gerichtshof in Straßburg anderer Meinung war und Klein eine Entschädigung in Höhe von etwa 11.000 Euro zugestand, bestätigte das Oberste Gericht der Slowakei den Beschluß des Gerichts von Košice.
216
2.1
Die slowakischen Medien nach dem Ende des Kommunismus
Die Medienlandschaft in der Slowakei verzeichnete in den vergangenen zwanzig Jahren eine dramatische Entwicklung. Nach einer harten Zensur und einem straffen Dirigismus durch die kommunistische Parteiführung kam es nach dem November 1989 zu einer explosionsartigen Entwicklung. Die Regierung ließ bald nach der Wende die Schranken für die Entwicklung einer Medienvielfalt fallen. Seither hat sich der slowakische Medienmarkt stark internationalisiert. Bei den landesweit erscheinenden Zeitungen sind neben Slowaken auch Deutsche und Schweizer am Werk. Ein regionaler Medienmarkt liegt vorläufig im Schatten der landesweit erscheinenden Printmedien. Bei den elektronischen Medien mischen Amerikaner zunehmend mit. Das wesentliche Problem war lange Zeit das veraltete Pressegesetz, das noch aus dem Jahre 1966 stammte. Derzeit ist der Medienmarkt in der Slowakei durch drei Tatsachen gekennzeichnet: hohe Konzentration, auf Grund der Landesgröße; hoher Staatsanteil in den elektronischen Medien, behindernd für den Wettbewerb; und mehrere Netzwerke, die auf unüberschaubaren Eigentums- bzw. Personenverflechtungen beruhen. Seit 2000 wird gesetzlich eine Konzentration in den elektronischen Medien untersagt. Das veraltete, aber weiterhin geltende Pressegesetz aus dem Jahre 1966 gibt für neue Zeitungen nur eine Registrierungspflicht mit Angaben über die Person des Chefredakteurs und mit Anschrift des Verlages an. Es werden keinerlei Angaben über die Eigentümer verlangt. Eines dieser Netzwerke wurde nach 1996 um den ersten slowakischen privaten TV-Sender „TV Markíza“ von seinem Begründer und ehemaligen Miteigentümer Pavol Rusko geflochten. Er besaß neben dem Fernsehen eine Tageszeitung („Narodna Obroda“), ein TV-Magazin („Markíza“), eine Radiostation („Radio OKEY“), eine InternetDomäne und einige TV-Produktionsgesellschaften. 2005 verkaufte Rusko den eigenen Mehrheitsanteil an „TV Markiza“ an seine amerikanischen Partner von CME Media Enterprises. Ein weiterer slowakischer Medienmogul ist Ivan Kmotrik. Er ist Mitbesitzer des zweitgrößten privaten „TV JOJ“, Inhaber der größten slowakischen Druckerei „Versus“ sowie weiterer drei kleineren Druckereien, des größten Zeitungs-Verschleißers MediaprintKappa Pressegrosso sowie der größten slowakischen Werbeagentur „EURO RSCG Artmedia“. Darüber hinaus ist Kmotrik über befreundete Personen auch am slowakischen Nachrichtensender „TA3“ beteiligt. Im März 2008 wurde im Parlament in Bratislava ein neues Pressegesetz diskutiert, wobei der Verabschiedung die schärfsten Konfrontationen zwischen der linksnationalistischen Regierungskoalition und der Opposition vorhergingen, die die Slowakei bis dato gesehen hatte, bis zu durchgängig weißen Titelseiten aller slowakischen Tageszeitungen und zu Protest ausländischer Organisationen: Das neue Pressegesetz, verabschiedet vom Nationalrat am 9. April 2008, war nicht mehr zu verhindern, wie Pressevertreter mit Bedauern konstatierten. Damit wird dem slowakischen Bürger ab 1. Juni ein mediales Mitspracherecht gegeben, ein zu mächtiges, wie Publizisten, Verleger und unabhängige Medienorganisationen fürchteten. „Möchten Sie, dass in Zukunft jemand anderer als die Redaktion die Gestaltung Ihrer Lieblingszeitung in die Hand nimmt?“, fragten am 27. März alle slowakischen Tageszeitungen auf einer ansonsten weißen Titelseite unter der Überschrift „die sieben Todsünden des neues Pressegesetzes“. Das, was Verleger und Journalisten zu mehreren Protestaktionen veranlasste, war das „Recht auf Gegendarstellung“: Bald könne jeder, ohne Gerichtsbeschluss, eine Gegendarstellung zu einem Artikel einbringen, die von der Zeitung in gleichem Umfang und an gleicher Stelle veröffentlicht werden muß. „Dieses Gesetz kann das Erscheinungsbild von Zeitungen gravierend verändern“, erklärte
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Beata Balogova, Chefredakteurin der englischsprachigen Wochenzeitung „The Spectator“, die die Proteste vollstens unterstützt: „Stellen Sie sich eine Titelseite vor, die voller unredigierter Stellungnahmen ist.“ Auch rechtlich und moralisch abstruse Gegendarstellungen müssten die Zeitungen drucken, selbst wenn der ursprüngliche Text keinerlei falsche Informationen beinhaltet. Das wiederum könnte zu einer Flut an Gegenreaktionen führen, die der Zeitung ihre Leser koste. „Die Leser werden ganz einfach nicht an einer Zeitung interessiert sein, die überschwemmt mit Gegendarstellungen irgendwelcher Menschen ist", beschreibt Balogova das Worst Case Scenario, in welchem massiv von dem Recht Gebrauch gemacht würde. Journalistische Stellungnahmen auf jene Gegendarstellungen sind dabei nicht erlaubt. In ihren Kritikpunkten waren sich internationale Organisationen wie OSZE, IPI und inländische Journalisten und Medienbesitzer einig: Das Gesetz macht es der Regierung leicht, in die Blattlinie einzugreifen, fördert die Selbstzensur und widerspreche in einigen Punkten auch den Europarat-Standards. Die Forderung an Präsident Gasparovic von fünf Chefredakteuren und dem internationalen Presse Institut (IPI), seine Unterschrift für das Gesetz zu verweigern, fand, wie erwartet, kein Gehör. Bei Nichteinhaltung des Gesetzes drohen bis zu 150.000 Slowakische Kronen (4.640 Euro) Strafe und teure Gerichts-verfahren. Die Gefahr von Selbstzensur aus Angst vor dem finanziellen Ruin sieht Balogova aber nicht. "Der 'Slovak Spectator' verlöre seine Glaubwürdigkeit gegenüber der Leserschaft aus Diplomaten, ausländischen Geschäftsleuten und Journalisten! Ich denke, die meisten Zeitungen werden versuchen, so weiterzumachen, wie bisher", so Balogova. Anders als die meisten Medienleute sieht der Medienexperte und Direktor der im Februar 2008 in Bratislava gegründeten „School of Communication and Media“, Andrej Skolkay, das neue Gesetz: Wenn überhaupt, liegt die größte Gefahr des Mediengesetzes für ihn im Paragraph drei. Der besagt, daß „die Auskunftspflicht einer Behörde lediglich gegenüber einem Verleger, nicht aber gegenüber Chefredakteuren oder Journalisten besteht“. Skolkay sah in den neuen Strafregelungen, die bei Mißachtung des Rechts auf Antwort in Kraft treten, zwar eine „finanzielle Gefahr für kleinere Untenehmen, die regelmäßig gegen das Gesetz verstoßen“, aber „keine Gefahr für die Pressefreiheit“. Das Gesetz gebe im Gegenteil den Bürgern, die bisher der Boulevardpresse machtlos ausgeliefert waren, mehr Rechte. Skolkay hoffte, daß das Gesetz mehr Ethik und Professionalität in die slowakischen Medien bringt. Das verbindet ihn mit Argumenten der Regierung: Hier fühlt man sich in seinen Bemühungen, Waffengleichheit zwischen Medien und Öffentlichkeit herzustellen, von internationalen Organisationen, die von opposition-ellen Aktivisten gegen das Gesetz aufgehetzt wurden, falsch verstanden und, wichtiger, sieht die Medien als eigene politische Opposition, zitiert Balogova die Aussagen Premier Robert Ficos. Balogova warnte davor, das Problem herunterzuspielen, wie es die Regierung täte: „Jede Einschränkung der redaktionellen Unabhängigkeit hindert die Medien an ihrer Aufgabe als Wächter der Demokratie. Als Folge verliert auch die Bevölkerung Möglichkeit zur Mitsprache gegenüber der Regierung - ein sehr ernstzunehmendes Problem.“
2.2
Zeitungen und Zeitschriften in der Slowakei
Die führenden Tageszeitungen, die in der Slowakei erscheinen, sind „Pravda“, „SME“, „Nov-as“, „Sport“, „Hospodarske noviny“ und „Plus jeden den“. Die „Pravda“ („Wahrheit“) [www.pravda.sk] ist eine konservative Zeitung, die sich nach allgemeinem Empfin-
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den lange etwas vom Geist der Vor-Wende-Zeit erhielt. Nach der Wende war sie eindeutig links orientiert, hat aber in jüngster Zeit ihr Image verändert, sowohl in der Form als auch im Inhalt. Heute gilt sie als unabhängig, seriöse Zeitung, die von allen Altersgruppen in der Slowakei gelesen wird. Der tschechischen „Dnes“ ist der slowakische „Sme“ („Wir sind“) vergleichbar, der in den vergangenen Tagen des Kommunismus unter dem Titel „Smena“ die Zeitung des Sozialistischen Jugendverbandes „SZM“ war. Nach der bewegten Wende warb er um eine jüngere Leserschaft. Bekannter wurde „Sme“ vor allem, als die MeiarRegierung die Zeitung harter Kritik unterzog. Durch einen Angriff von seiten der MeiarRegierung wurde sie lahmgelegt, worauf eine Gruppe von Redakteuren um den damaligen Chefredakteur Karol Jezík eine neue Zeitung mit dem Namen „Sme“ gründete. Die Angriffe der Meiar-Regierung hielten an, selbst Anklagen von staatlicher Seite folgten, weshalb die Zeitung bis heute als kritisch und unabhängig gilt. Sie ist zwar auf alle Altersgruppen orientiert, wird aber vor allem von den jungen Lesern als ‚ihre Zeitung‘ empfunden. „Sme“ wird von einem eigenen Verlag, der „Petit Press“, und einer eigenen Druckerei herausgebracht. Die „Petit Press“ verlegt auch etliche andere Regional-zeitungen, unter anderen die Gewerkschaftszeitung „Práca“. Die unabhängige Boulevardzeitung „Nov-as“ („neue Zeit“) ist die meistverkaufte Zeitung in der Slowakei, die immer wieder wegen ihres unverblümten „SensationsJournalismus“ umstritten ist. Hinter ihr steht die deutsche „Bertelsmann AG“, hinter der Wirtschaftstageszeitung „Hospodarske noviny“ der „Handelsblatt-Verlag“. Die seit 2006 existierende „Plus jeden den“ ist ebenfalls eine Boulevard-Tageszeitung. Die „Sport“ ist die einzige Sportzeitung in der Slowakei, die sich deshalb auch in hohen Auflagen verkauft. Die am meisten verkaufte Wochenzeitung ist „Plus 7 Dní“ („Plus sieben Tage“ http://plus7dni.pluska.sk/plus7dni/) – inhaltlich sehr breit; befasst sich sowohl mit Boulevard-Nachrichten, Trends, Prominenten, aber auch mit politischen Recherchen. Neben der Wirtschaftswochenzeitung „Trend“ [www.etrend.sk], die eine gute Online-Ausgabe und ein Medienportal zur Situation der slowakischen Medien [www.medialne.sk] hat, wirkt vor allem der pointiert konservative, überraschend erfolgreiche „týžde“ („die Woche“ www.tyzden.sk), der seit Dezember 2004 erscheint und von der intellektuellen Elite gelesen wird, meinungsbildend. Darüberhinaus erscheinen wöchentlich die üblichen TVProgramme, das Boulevardmagazin „Markiza“, oder die linke Wochenzeitung „Slovo“. Wie in den übrigen Transformationsländern ringen auch in der Slowakei die meinungsbildenden, seriösen Tageszeitungen mit den Boulevardblättern. Bei den slowakischen Tageszeitungen kämpfen drei landesweit erscheinende Titel um die Spitzenposition: Die slowakische „Krone“ „Novy as“ („Die Neue Zeit“, www.bleskovky.sk), die Tageszeitung „Sme“ („Wir sind“, www.sme.sk) und „Pravda“ („Die Wahrheit“, www.pravda.sk). „Novy as“ ist mit einer verkauften Auflage von mehr als 179.002 Stück und einem Leseranteil von 25,4 Prozent (April 2006) unangefochtener Marktführer. Herausgeber ist das internationale Verlagshaus „Ringier AG“ mit Sitz in der Schweiz. Die Tageszeitung „Sme“ und „Pravda“ belegen mit jeweils zehn Prozent den zweiten und dritten Platz. Rang vier holte sich mit 6 Prozent die Tageszeitung „Sport“ des Wettbüros „Nike“ [www.nike.sk] vor der Regionalzeitung „Korzar“ („Der Korsar“, www.cassovia.sk/korzar/) mit 5 Prozent. Insgesamt werden landesweit Tageszeitungen von 52 Prozent der Bevölkerung gelesen. Die Tageszeitung „Sme“, das stärkste Oppositionsprintmedium seit Mitte der 1990er Jahre, befindet sich mit einer Vielzahl von Regional- und Lokaltageszeitungen und Magazinen in den Händen der Verlagsgesellschaft „Petit Press AG“, die seit 2000 von der „Verlagsgruppe Passau“ beherrscht wird. Die Tageszeitung „Pravda“ ist als einzige landesweit erscheinende Tageszeitung in slowakischem Besitz. Die Tageszeitung behielt ihren Titel
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aus der Ex-KP-Zeit. Nach mehrmaligem Wechsel des Verlegers kam sie in die Hände der Verlagsgesellschaft „Perex“ AG. Diese nutzt die Lücken des Mediengesetzes und verhindert eine Offenlegung der Besitzverhältnisse. Auf dem slowakischen Printmedienmarkt bewegt sich auch der internationale Verlag „Economia“ mit dem Verlagshaus „Holtzbrink + Dow Jones Investments“ im Hintergrund. Dieser gibt das Pendant zur tschechischen Wirtschaftszeitung fast gleichen Namens, die Tageszeitung „Hospodarske Noviny“ („Wirtschaftszeitung“, www.hnonline.sk) heraus, die aber keinen wesentlichen Marktanteil aufweisen kann. Bei den Wochenzeitungen geben die Frauenzeitschriften den Ton an. Auch bei den Wochenzeitungen gibt es zwei starke Verlagsgruppen, die um die Vormachtstellung auf dem slowakischen Medienmarkt kämpfen. Führend ist die Ringier AG mit dem Gesellschaftsmagazin „Život“ („Leben“, www.zivot.sk), der Frauenzeitung „Novy as pre ženy“ („Die Neue Zeit für Frauen“, www.novycasprezeny.sk), den beliebten Fernsehprogrammzeitschriften „Eurotelevizia“ [www.eurotelevizia.sk] und „Telemagazin“ [www.telemagazin.sk]. Der slowakische Verlag „7 Plus“ begann unmittelbar nach der Wende 1989 mit der Herausgabe des Gesellschaftsmagazins „Plus7dni“ („Plus 7 Tage“, www.plus7dni.sk), dessen investigativer Teil mit dem österreichischen Profil vergleichbar ist. Seither hat sich der Verlag auch mit zwei Wochenzeitungen für Frauen, „Bajena žena“ („Die wundervolle Frau“, www.casopisbajecnazena.sk) und „Šarm“ („Charme“, www.sarm.sk) etabliert181. Bei den Wirtschafts-Wochenblättern liegt das slowakische Produkt „Trend“ [www.trend.sk], Anfang der 1990er Jahre von jungen Journalisten gegründet, mit kurzen Unterbrechungen unangefochten an der Spitze. Mitte der 1990er Jahre brachte das Verlagshaus Ringier mit dem internationalen Wirtschaftsmagazin „Profit“ (www.eprofit.sk) ein erfolgloses Konkurrenzprodukt auf den Markt. Im September 2005 wurde „Profit“ vom Verlag „Trend Holding“, dem Herausgeber von „Trend“, übernommen. Dieser wandelte „Profit“ in ein zweimal monatlich erscheinendes Magazin für Leute aus der Wirtschaft um. Bei den Monatszeitschriften ringen die Verlage „Ringier“ und „7 Plus“ miteinander. An erster Stelle liegt das Gesundheitsmagazin „Zdravie“ („Die Gesundheit“, www.casopiszdravie.sk) von „7 Plus“ mit einer Auflage von rund 100.000 Stück und einem Leseranteil von 14 Prozent. Dem folgt aus demselben Verlagshaus das Damenmagazin „Emma“ [www.casopisemma.sk] mit 10 Prozent vor dem Konkurrenz-Frauenmagazin „Eva“ [www.lesk.zoznam.sk/se/10191/Eva/] mit 9 Prozent. Auf dem vierten Platz liegt der „7 Plus“-Titel „Zahradkar“ („Der Kleingärtner“, www.casopiszahradkar.sk) mit 8 Prozent vor dem „Ringier“-Frauenmagazin „Rebecca“ mit 5 Prozent. Slowakische Monatszeitschriften werden von 60 Prozent der Bevölkerung gelesen. Im Herbst 2004 wurde vom deutschen Herausgeber und Chefredakteur Stefan Wolf die drittälteste (1764) deutschsprachige Zeitung, die „Preßburger Zeitung“, zu neuem Leben erweckt. Sie diente anfangs als Werbeträger, der allgemeine Informationen über die Slowakei für das deutschsprachige Ausland vermittelt. Sie erscheint sechsmal jährlich mit einer Auflage von 11.200 Exempla-
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Eine Medienanalyse vom April 2006 stellte fest, dass das Magazin „Plus7dni“ mit einer gedruckten Wochenauflage von 226.930 Stück führt, und 13 Prozent Leseranteil vor der Frauenzeitung „Novy as pre ženy“ mit einem Leseranteil von 10 Prozent hat. Auf dem dritten Platz landete die Programmzeitschrift „EuroTelevizia“ von „Ringier“ mit 8 Prozent, gefolgt von „Bajena žena“ mit 7 Prozent Leseranteil. Um ein Stück vom Leserund Werbekuchen der wöchentlich erscheinenden Titel kämpft auch das gesellschaftskritische Magazin „Tyzden“ („Die Woche“, www.tyzden.sk), das sich in Händen slowakischer Unternehmer befindet.
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ren182. In Bratislava erscheint wöchentlich auch die Gratiszeitung „Bratislavske Noviny“ („Bratislaver Nachrichten“, www.bratislavskenoviny.sk). Sie wird in einer Auflage von rund 190.000 Stück an alle Postkästen der slowakischen Hauptstadt verteilt. Herausgeber ist die slowakische „Nivel Plus“ GmbH. Die Zeitung besteht seit 1998 und bringt kommunale Informationen und Nachrichten zum aktuellen Geschehen in der Hauptstadt. Sie entstand ursprünglich mit Unterstützung der Kommune, emanzipierte sich aber nach Kompetenzstreitigkeiten von politischer Einflussnahme. Die „Narodna obroda“ ist ein Werbeblatt ohne politischen Anspruch [www.narodnaobroda.sk]. Mehrere elektronische Medien und einige Printmedien sind auch seit mehreren Jahren im Internet zu finden183. Die stärkste Position hat bisher die Tageszeitung „Sme“. Die Nutzerzahl bewegt sich zwischen zwei- und dreitausend Besuchern am Tag. Das Problem in der Slowakei ist die Anzahl der Internetzugriffe. In Bratislava hat fast jeder Zugriff auf das Internet, auch in anderen größeren Städten ist die Situation nicht mehr kritisch, da sich die Lage in den letzten Jahren wesentlich verbessert hat. Alle Schulen haben durch die EUFördergelder einen Internetzugang bekommen. Auch ist eine steigende Zahl privater und auch staatlicher Institutionen auf das Internet angewiesen. In der neuen Programmstruktur ist der slowakische Hörfunk auch auf diesem Feld tätig. Der öffentlich-rechtliche Sender strahlt die Programme seiner einzelnen Radiostationen auch live über das Internet aus.
2.3
Rundfunk und Fernsehen in der Slowakei
Als im Jahr 2002 in der Slowakei gewählte wurde, beschränkte das Wahlgesetz die Wahlwerbung der Parteien auf das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen. Zwar wurde das Gesetz heftig kritisiert, blieb aber dennoch in Kraft. 2003 fand das für die Slowakei wichtige Referendum über den Eintritt in die Europäische Union statt. Die Regierung führte mit Hilfe der öffentlich-rechtlichen Medien eine breit angelegte Unterstützungskampagne. Den Eintritt in die Europäische Union unterstützten gut 92 Prozent der Wähler, 6 Prozent waren dagegen. Wenn auch die Zeit der Einmischung der Politik in die Medienfreiheit, die man vor allem an der Regierung Meiar vor 1998 kritisierte, vorbei sind, wird heute gerade zu starke Marktmacht kritisch gesehen. 2008 diskutierte man in der Slowakei die Tatsache, dass der ehemalige Vorsitzende der „Allianz des neuen Bürgers“ („Alianca nového obana“), der Medienmagnat Pavol Rusko, dem momentan größten slowakischen Fernsehsender „Markíza“ vorsteht. „Markíza“ hatte 2008 einen Marktanteil von 70 Prozent und schon während der Parlamentswahlen 2002 galt es als Problem, dass Rusko den Sender für seine politischen Ziele nutzte, was aber auf das Ergebnis kaum Einfluss hatte. Ruskos Partei
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An weiteren Zeitungen der deutschen Minderheit sind zu nennen: Das „Karpatenblatt“ informiert seine Leser monatlich auf 16 Seiten über die Aktivitäten und Veranstaltungen des Karpatendeutschen Vereins sowie Leben und Geschichte der Karpatendeutschen. Die Zeitung wird vom Kulturministerium der Slowakischen Republik finanziell unterstützt. Chefredakteur ist Vladimir Majovský. Die „Pressburger Universitätszeitung“ wendet sich halbjährlich an junge Akademiker aus der Slowakei. Die „Revue der slowakischen Literatur“ wird halbjährlich mit einer Auflage von 2000 Exemplaren in Bratislava herausgegeben. Die Zeitschrift informiert über slowakische Autoren des 20. Jahrhunderts und druckt Auszüge aus ihren Werken ab. Chefredakteur ist Milan Richter. An Online-Medien gibt es u.a.: www.aktualne.sk, seit 2006 eine neue Internet Tageszeitung; www.medialne.sk - Portal der Wochenzeitung „Trend“ über die Medienlandschaft in der Slowakei; www.inzine.sk - Internetmagazin; und www.zoznam.sk.
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„ANO“ errang bei diesen Wahlen nur 8 Prozent der Stimmen, und ihr Vorsitzender musste sich in das aus vier Parteien bestehende Regierungsbündnis einfügen. Vier Jahr später konnte seine Partei nur noch 1,4 Prozent der Stimmen erreichen. Andererseits sahen manche „Markíza“ auch als Gegenpol zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten, in denen noch über die Regierunszeit Meiars hinaus dessen Parteigänger saßen. Sie waren seinerzeit in den Medienanstalten untergebracht wurden, um die Regierung zu protegieren. „Markíza“ bezog schon früh Stellung gegen Meiar, weshalb auch einige Stimmen dem Sender einen Anteil am Erfolg der Opposition gegen Meiar im Jahr 1998 zugestehen wollen. Entstanden war der erfolgreiche Fernsehkanal, als der dritte staatliche TV-Kanal im Jahr 1996 an das erste private Fernseh-Unternehmen der Slowakei, an „TV Markíza“ [www.tv.markiza.sk], verkauft wurde. Innerhalb von drei Jahren avancierte der Sender zum Marktführer mit Monopolcharakter, da die bestehenden zwei öffentlich-rechtlichen Kanäle des Slowakischen Fernsehens „STV“ keine Konkurrenz darstellten184. Erst 1999 entstand ein weiteres Privatfernsehen, „TV LUNA“, später „Global“. Anfang 2002 wurde „Global“ an die tschechische „NOVA“ verkauft und unter dem Namen „TV JOJ“ [www.joj.sk] mit Erweiterung der Sendefrequenzen zur Nummer Drei auf dem TV-Markt in der Slowakei. Diese Überlegungen spielen heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Der jetzige Regierungschef Fico gilt als Populist, der jedoch unter den Slowaken sehr beliebt ist. Allerdings sorgten seine Überlegungen, der Regierung ein „Widerlegungsrecht“ in den Medien gesetzlich festschreiben zu lassen für Aufsehen. In der Slowakei ist die Zahl der Medienanstalten noch recht überschaubar. Neben „Markíza“ haben das öffentlich-rechtliche Fernsehen „STV“ sowie „TV JOJ“ den größten Marktanteil. Auch beim Radio kann sich der öffentlich-rechtliche Sender „Slovensko 1“ unter den beliebtesten Sendern behaupten. Hier konnten aber auch einige Privatsender wie „Rock FM“ größere Marktanteile gewinnen. Die privaten Rundfunkstationen sind in der Slowakei Marktführer. Seit der Unabhängigkeit der Slowakischen Republik wurde im Bereich der elektronischen Medien ein duales System von Öffentlich-Rechtlichen und Privaten aufgebaut. Anfang der 1990er Jahre begannen die Rundfunkstationen mit mehreren Privatsendern, die das bestehende, staatliche Sendernetz verwendet haben. Aus dieser Zeit stammt zum Beispiel „FUN Radio“ [www.funradio.sk], ein gemeinsames, französisch-slowakisches Projekt, das bereits seit 15 Jahren zu den prägenden Sendern in der slowakischen Rundfunkszene gehört. Aus dem Spitzenreiter „Radio Twist“ wurde das relativ unbedeutende Radio „VIVA“. Das bedeutendste slowakische Projekt war „Radio Twist“, aufgebaut Anfang der 1990er Jahre vom Schauspieler Andy Hryc. Der Sender behauptete sich lange Zeit als die Nummer Eins unter den Privatrundfunkstationen, verlor aber in den vergangenen Jahren wegen undurchschaubarer Eigentumsmanipulationen und einer daran gekoppelten Änderung der Programmstruktur an Höreranteilen. „Radio Twist“ wurde am 3. April 2006 in „Radio VIVA“ [www.radioviva.sk] umbenannt. Marktführer bei den Rundfunksendern ist mit einem Höreranteil von 20 Prozent das private „Radio Expres“. Es wurde im Jahr 2005 an die amerikanische Investorengruppe „Emmis“ verkauft. Der Sender „Slovensko 1“ („Slowakei 1“)
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In der Slowakei gibt es folgende öffentlich-rechtlichen Sender: Fernsehen: STV 1 und STV 2, Hörfunk: SRo1 - Radio Slowakei, SRo2 - Radio Devin, SRo3 - Radio Rock FM, SRo4 - Radio Regina, SRo5 - Radio Patria, SRo6 - Radio Slovakia, international: SRo7 - Radio Inet. An privaten Sendern gibt es: Fernsehen: TV Markiza, TV JOJ, TA 3 – Nachrichtensender, TVA – Werbungsender, Music Box, Nautik TV, Ring TV – Game TV für 2007 geplant; Hörfunk: FUN Radio, Radio Okey, Radio Twist, Radio Expres, Radio Lumen - religiöse Thematik, Radio B1.
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des slowakischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks „Slovensky Rozhlas“ [www.slovakradio.sk] folgt auf dem zweiten Platz mit 19 Prozent. Im Jahr 2001 bereicherte der Nachrichtensender „TA3“ [www.ta3.com] die FernsehSzene und im Dezember 2003 startete das Musikfernsehen „Music Box“ [www.musicboxtv.sk]. Seit 2004 mischt auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen „STV“ [www.stv.sk] wieder stärker im Wettbewerb mit. „STV“ gestaltete seine Sendestruktur um und führte ein neues Programmformat, die Reality-Show „Slowakei sucht den Superstar“, ein. „STV“ nutzte im Wettbewerb zusammen mit „TV JOJ“ auch Wachstumsprobleme von „TV Markiza“ für eigene Vorteile aus. Die höchsten Einschaltquoten hat „TV Markíza“ mit 64 Prozent vor „STV 1“ mit 35 Prozent und „TV JOJ“ mit 31 Prozent. Beim Marktanteil liegt „TV Markíza“ mit 52 Prozent vor „STV 1“ mit 18 Prozent und „TV JOJ“ mit 11 Prozent. Was das sogenannte Stadtfernsehen betrifft betreiben mehrere Städte bzw. Stadtteile von Bratislava eigenes Lokalfernsehen. Dieses wird entweder von den Verwaltungen selbst geführt oder bei Privatproduktionsfirmen in Auftrag gegeben. Dessen Sendezeit ist auf einige Stunden täglich beschränkt, und das Programmangebot konzentriert sich auf aktuelle lokale Themen und Berichterstattung aus der Region. Im Herbst 2006 bereitete die Regierung Gesetzänderungen für die öffentlich-rechtlichen Institutionen vor. Danach sollte die Neuwahl des „STV“-Generaldirektors schneller über die Bühne gehen, die Wahlmodalitäten vereinfacht werden. Die „STV“-Direktoren werden nun durch einen „STV“-Rat gewählt, was früher durch das Parlament geschah. Im „STV“Rat sitzen jedoch 15 von den Parteien nominierte Kandidaten, die nur selten auch Fachleute sind. So steht die Wahl der Direktoren des öffentlich-rechtlichen Fernsehenes nach wie vor unter politischem Vorzeichen. Die Gesetzesänderungen waren notwendig geworden, weil „STV“ seit dem Sommer 2006 keinen Generaldirektor mehr hatte. Da der für seine Reformen bekannte Richard Rybniek Direktor eines Digitalsenders in Prag wurde, gab er die „STV“-Führung an seinen Stellvertreter Branislav Zahradnik ab. Nach den strukturellen Änderungen durch Richard Rybniek haben die öffentlich-rechtlichen „STV1“ und „STV2“ wieder das Vertrauen der Zuschauer erlangt. Zudem ist es Richard Rybniek gelungen, die großen Schulden, die die ehemaligen Direktoren verursacht hatten, abzubauen. Große Investitionen in digitale Studios und Sendetechnik erwiesen sich als Gewinn. Auch die Programmstruktur wurde reformiert. Wie in Deutschland übten auch in der Slowakei manche Medienexperten harsche Kritik an den simpel gestrickten Unterhaltungs-programmen, die sonst nur von Privatsendern angeboten werden, und nun auch bei den ÖffentlichRechtlichen Einzug hielten. Das beste Beispiel ist die Sendung „Die Slowakei sucht den Superstar“, deren Einschaltquoten beachtliche Höhen erklommen. Die privaten Sender „TV JOJ“ und „TV Markíza“ brachten als erste „Reality Shows“ von der Art des deutschen Pendants „Big Brother“ in ihren Programmen. „STV“ und „Markíza“ versuchten auf diesen Zug aufzuspringen, mit Fernsehserien, die mehr Zuschauer anlocken sollten. Das Spezifische am slowakischen Medienmarkt ist seine Austauschbarkeit bzw. seine Ähnlichkeit. Alle Fernsehsender, private und öffentlich-rechtliche, haben beinahe die gleiche Programmgestaltung. Die Strategie des ehemaligen Direktors Richard Rybniek war es, „STV“ wirtschaftlich unabhängig vom Staat zu machen. Die kommerziellen Programme sollten durch Werbung finanziert werden, und die nicht-kommerziellen Programme von „STV2“ mittragen. „STV“ sollte sich nach Rybnieks Willen nur durch Konzessionen und Werbung finanzieren, um mit den Privatsendern konkurrieren zu können. Die von dem Sozialdemokraten Robert Fico geführte Regierungskoalition von „Smer sociálna demokracia“, der nationalistischen „SNS“ und der Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Vladimír Meiar, HZDS, wollte dagegen das Slowakische Fernsehen deutlich von den Privat-
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sendern abgrenzen. Die Generaldirektorin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Slowakei, Miloslava Zemková, bemühte sich deshalb auch darum, dem Programmrat des Hörfunks eine neue Struktur zu verordnen. Der slowakische Rundfunk hält noch immer eine starke Position auf dem nationalen Medienmarkt, dank partieller Reformen der Nachrichten und der Sendungen. Zugleich hat der slowakische Rundfunk immer wieder mit Finanzproblemen zu kämpfen, die vor allem von den niedrigen Einkünften aus Konzessionsgebühren herrühren. Daher brachte man die Möglichkeit ins Gespräch, die Auslandskorrespondentenposten in Berlin, Budapest und Prag heimzuholen. Um das finanzielle Fundament zu verbessern, sollte eine bessere Finanzierung, eventuell über eine Sendersteuer, ermöglicht werden. Bereits in der ersten Hälfte des Jahres 2003 hatte es drastische Veränderungen im slowakischen Fernsehen gegeben: 1.117 Angestellte wurden entlassen und 2.472 Sendungen gestrichen. Am 1. August 2003 wurden die Gebühren für die öffentlich-rechtlichen Medien nach sechs Jahren zum ersten Mal wieder erhöht. In der Slowakei gibt es derzeit zwei große Nachrichtenagenturen: die staatliche „TASR“ („Tlaová agentúra Slovenskej republiky“, www.tasr.sk) und die private „SITA“ [www.sita.sk]. Die Regierung zögert bereits seit einigen Jahren mit der Privatisierung der staatlich finanzierten Nachrichtenagentur „TASR“ und sorgt darüberhinaus mit Staatsaufträgen für „TASR“ für eine von den Privaten beklagte Wettbewerbsverzerrung am Medienmarkt. Die private Nachrichtenagentur „SITA“ wurde von Pavol Mudry aufgebaut, der vorher bei der APA in Wien gearbeitet hatte. Die „SITA“ etablierte sich seither als vollwertige Alternative zur staatlichen Nachrichtenagentur.
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3.
Das polnische Mediensystem
Vor und während der Europameisterschaft 2008, vor allem vor dem Spiel der polnischen gegen die bundesdeutsche Mannschaft schienen die polnischen Boulevardblätter „Fakt“ und „Super Express“ um die größte Geschmacklosigkeit zu wetteifern185. „Fakt“ aus dem Hause Springer zeigte auf seiner Titelseite eine Karikatur Michael Ballacks, ausstaffiert mit Pickelhaube und dem Umhang der Kreuzritter, und dahinter Leo Beenhakker, den niederländischen Trainer der polnischen Auswahl, mit gezücktem Schwert, darüber die Aufforderung, Leo möge Grunwald wiederholen. „Grundwald“ ist der polnische Name für jene Schlacht von 1410, die in Deutschland unter dem Namen Tannenberg läuft. Dort brachte ein polnisch-litauisches Heer den deutschen Ordensrittern eine vernichtende Niederlage bei. „Super Express“ setzte am selben Tag mit seinem Titelbild noch eins darauf: Hier hält Beenhakker nach schon vollendetem Werk zwei Köpfe in der Hand, den von Ballack und den von Joachim Löw – „Leo, bring uns die Köpfe!“. Nachgerade zivil legte „Fakt“ am Mittwoch nach, als es Beenhakker auf dem Dach eines Trabbis zeigte, den Ballack lenkte: „Leo, tritt die Trabanten!“, hieß es diesmal. Umgekehrt hat es Polen nicht leicht in den deutschen Medien186: Präsident Lech Kaczynski wurde mit einer Kartoffel verglichen, worauf er stehenden Fußes erkrankte und einen Besuch in Berlin absagte, obwohl die „taz“, die Urheberin des Vergleichs, sich beim polnischen Präsidenten entschuldigt hatte. In der „taz“ war sein Zwillingsbruder, Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski, verspottet worden, weil er als hartnäckiger Jungeselle mit seiner Katze zusammenlebt, sein Konto von seiner Mutter führen lässt und Kritik an Homosexuellen-Demonstrationen in seinem katholischen Vaterland übt. Mariusz Muszynski, der Beauftragte der polnischen Regierung für die Beziehungen zu Deutschland, versuchte zu klären, warum deutsche Journalisten kein gutes Haar an Polen lassen. Es liege vor allem daran, dass sie weniger selbstlose, unvoreingenommene, überparteiliche Mittler sind als Vertreter der „Großmacht BRD“, die nichts dabei finde, das kleine Polen von oben herab zu behandeln. Die deutsche Gesellschaft sei in ihrer Masse eher auf Konsum eingestellt und zeige wenig Interesse an der Außenpolitik als solcher. So könne das Heer der Korrespondenten es sich leisten, ungestraft als Regierungsherolde zu schreiben, statt als Dienstleister eines wissensdurstigen Publikums. Aber auch den eigenen Journalisten und Medien sei weniger daran gelegen, die Öffentlichkeit sachlich über die polnische Regierung aufzuklären. Statt die polnische Sicht zu verteidigen, konzentrierten sie sich auf parallele Attacken, die sich gegen die polnischen Regierenden richteten. Wenn die polnischen Journalisten so schmählich unpatriotisch und von „bösem Willen“ geleitet über ihr eigenes Land schrieben, so liege das nicht zuletzt daran, dass die polnischen Medien großteils in den Händen von Fremdkapital liegen. Damit spielte Muszynski darauf an, dass zum Beispiel Polens größte Zeitung, das Boulevardblatt „Fakt“, dem deutschen SpringerKonzern gehört. Unter diesen Vorzeichen ist es kein Wunder, dass Sebastian Bickerich im deutschen „Tagesspiegel“ meinte, deutsche und polnische Zeitungen rüsteten zum „Krieg
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Thomann, Jörg: Polens Revolverblätter schießen scharf. EM-Feuer eröffnet. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Juni 2008. Schuller, Konrad: Polens Regierung greift die deutsche Presse an. Staatsräson. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.10.2007, Nr. 241 / S. 42.
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der Worte“187. Grund war wie so oft die angeblich „irren Brüder in Warschau“, die Schwule drangsalieren, die Todesstrafe einführen wollen und gegen Deutschland Stimmung machen. In den polnischen Medien wurde dagegen das Schreckgespenst Erika Steinbach, der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, an die Wand gemalt, die kurz davor sei, das Dritte Reich wieder aufzurichten, mit Russland als Partner und ehemals deutschen Grundstücken in Polen als Beute. Politiker auf beiden Seiten schoben den Journalisten den schwarzen Peter zu, allen voran der linken „tageszeitung“, die mit ihrer geschmacklosen, manche meinten harmlosen Satire über Kartoffeln und Lech Kaczynski den Präsidenten derart verstimmte, dass er einen Gipfel mit Kanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Chirac absagte. Schuld ist nach dieser Lesart auch der Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) in Warschau, Thomas Urban, der nicht nur nach Meinung konservativer polnischer Medien, sondern auch von Gesine Schwan, der Regierungsbeauftragten für deutsch-polnische Beziehungen, als angeblicher Befürworter des umstrittenen „Zentrums gegen Vertreibungen“ ein „negatives Bild“ Polens in Deutschland zeichne. Die Attacke Schwans in der polnischen Zeitung „Rzeczpospolita“ führte wiederum zu einem wüsten Gegenangriff der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), die Urban und seine Familie nunmehr als „bedroht“ bezeichnete – selbst von zerstochenen Autoreifen des in seiner Wahlheimat nicht mehr sicheren Korrespondenten war die Rede. Haben die Journalisten eine Mitverantwortung an derartigem Streit? Ja, meinte Piotr Pacewicz, Vize-Chefredakteur der liberalen „Gazeta Wyborcza“. In vielen deutschen Medien würden die Verhältnisse in Polen derart überzeichnet, dass er sein Land darin nicht wiedererkenne. Thomas Urban bestätigte diesen Eindruck und sprach von „Besserwissertum und Ignoranz“ auf deutscher Seite, die allzu oft auf tradierte Feindbilder in Polen träfen. Darran, ob es indes nur an der „anderen, eben katholischen“ Kultur liege, dass es in Polen Vorbehalte gegen Homosexuelle gebe, wie das der „Rzeczpospolita“-Autor Piotr Semka ausdrückte, entflammte allerdings heftiger Streit. Es sei das gute Recht jedes kritischen Journalisten, Angriffe auf Menschenrechte und damit europäische Werte zu verurteilen, sagte „taz“-Chefin Bascha Mika. Dass dabei hohe journalistische Qualitätsmaßstäbe gelten, müsste selbstverständlich sein – was aber die „taz“-Satire wiederum schlagend widerlegte. Der mangelnde Patriotismus, den mancher den polnischen Medien zum Vorwurf machte – gegen die deutschen Einseitigkeiten könne man wenig machen, hieß es – verkehrten sich ins Gegenteil, als das polnische Präsidentenpaar im April 2010 beim Anflug auf den Flughafen von Smolensk – man befand sich auf dem Weg zu den Katyn-Feierlichkeiten – tödlich verunglückte. Im polnischen Fernsehen wurden in der Trauerwoche fast rund um die Uhr teils ergreifende, teils rührselige Dokumentar-Szenen und Filme über das Präsidentenpaar gezeigt, unterlegt von dramatischer Musik und schuldbewussten Kommentaren: „Wir haben ihm Unrecht getan. Er war ein großer Präsident, ein echter Patriot. Erst jetzt, da er nicht mehr lebt, erkennen wir seine wahre Größe, seinen Wert.“188 Daher wurde er auch im polnischen Nationalheiligtum, dem Krakauer Wawel, neben Königen und Heiligen beigesetzt.
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Bickerich, Sebastian: Wie deutsche und polnische Zeitungen zum Krieg der Worte rüsten. In: Tagesspiegel [www.tagesspiegel.de/medien-news/Medien;art290,2121031]. Meetschen, St.: „Wo sind Obama, Sarkozy, Barroso?“. Viele ausländische Staatsgäste bleiben den Begräbnisfeierlichkeiten in Krakau fern – Das rührt an alte polnische Wunden. In: Die Tagespost Nr. 46, 20. April 2010, S. 3.
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3.1
Der polnische Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt
Die gemäßigt konservative „Rzeczpospolita“ („Die Republik“), die man in ihrer politischen Ausrichtung am ehesten mit der deutschen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vergleichen könnte, ist nach der „Gazeta Wyborcza“ die zweitgrößte überregionale polnische Tageszeitung mit einer verkauften Auflage von ca. 260-270.000 und einer geschätzten Leserschaft von 1,3 Millionen. Die Zeitung pflegt ein trockeneres und elitäreres Image als die deutlich konservativere Tageszeitung „ycie“ („Leben“) sowie die auflagenstärkere linksliberale „Gazeta Wyborcza“, die beide im Tabloid-Format (Broadsheet) erscheinen und auch Elemente der Boulevard-Presse aufweisen. In der derzeitigen polnischen Parteienlandschaft vertritt Rzeczpospolita am ehesten die Positionen der bürgerlichen Partei PO, versteht sich jedoch als überparteilich. Auffällig ist die thematische und farblich hervorgehobene Dreiteilung der Zeitung: Neben dem normalen Nachrichtenteil (weiß) erscheint der Wirtschaftsteil auf hellgrünem Papier; zudem gibt es einen täglichen juristischen Teil auf gelbem Papier. Neben diesen täglichen Rubriken erscheinen ein- oder zweimal pro Woche Beilagen zu verschiedenen Themen (z.B. Auto- und Immobilienmarkt, Karriere, Fernsehprogramm, Reisen). Samstags erscheint die Feuilleton-Beilage Plus-Minus, in der bekannte Autoren und Politiker Essays zu kulturellen, politischen und historischen Themen veröffentlichen, die ein breites Meinungsspektrum abbilden. Die „Rzeczpospolita“ veröffentlicht außerdem regelmäßig Rankings zu Unternehmen, Institutionen und Behörden. Die heutige „Rzeczpospolita“ ging aus der gleichnamigen ehemaligen Zeitung der kommunistischen Regierung hervor, die erstmals noch während des Zweiten Weltkriegs im Juli 1944 erschien. Der Titel knüpfte damals bewusst an die gleichnamige Zeitung der rechtskonservativen „Christlich-Nationalen Partei“ („Stronnictwo ChrzecijaskoNarodowe“) der Zwischenkriegszeit an, um in der polnischen Nachkriegsöffentlichkeit, die der neuen kommunistischen Regierung durchweg ablehnend gegenüberstand, eine gewisse Legitimität aufzubauen. Parallel dazu erschien mit der Gründung der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) 1948 deren Zeitung „Trybuna Ludu“ („Volkstribüne“). 1950 wurde die Rzeczpospolita eingestellt, da die gleichzeitige Existenz einer Partei- und Regierungszeitung im konsolidierten Ein-Parteien-Staat überflüssig war. In der politischen Krise des Jahres 1980, als das Image der Partei (PZPR) weiter stark beschädigt wurde, entstand die Idee zur Wiederbelebung der Zeitung, um die Unabhängigkeit der Regierung zu betonen. Seit 1982 erschien die „Rzeczpospolita“ als Organ des Regierungsapparates, zugleich erschien weiterhin die Parteizeitung „Trybuna Ludu“. Dieser Dualismus entsprach der Situation der Sowjetunion, wo ebenfalls die „Pravda“ als Partei- und die „Izvestija“ als Regierungsblatt erschienen; die Entwicklung der „Izvestija“ in Russland nach der Wende ähnelt übrigens stark der der „Rzeczpospolita“ in Polen. 1991 wurde die „Rzeczpospolita“ von der neuen demokratischen Regierung in die Unabhängigkeit entlassen189. Gründungschefredakteur der unabhängigen „Rzeczpospolita“ war 1989 bis 1996 der bekannte polnische Journalist Dariusz Fikus. Nachfolger waren 1996-2000 Piotr Aleksandrowicz, 2000-2004 Maciej ukasiewicz sowie seit 2004 Grzegorz Gauden. Ende Januar 2005 geriet die „Rzeczpospolita“ in die Diskussion, nachdem der nationalkonservative Redakteur Bronisaw Wildstein eine Inventarliste des „Instituts für Nationales
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Es entstand ein polnisch-französisches Joint Venture, der Verlag „Presspublica S.A.“, in dem die Zeitung seither erscheint. Seit 1996 ist der norwegische Konzern Orkla Media, der derzeit ein Viertel der polnischen Presselandschaft (mit-)kontrolliert, zu 51 Prozent an „Presspublica“ beteiligt.
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Gedenken“ („Instytut Pamici Narodowej“, IPN) mit den Namen von Mitarbeitern, Anwärtern und Opfern des polnischen Stasi-Gegenstücks „Suba Bezpieczestwa“ („Sicherheitsdienst“) entwendet und verbreitet hatte. Die Daten waren vermutlich von einer IPNMitarbeiterin von einem IPN-Computer auf einen USB-Stick kopiert und Wildstein zugespielt worden. Problematisch war Wildsteins Veröffentlichung, weil die Liste nicht zwischen vermeintlichen Tätern und Opfern unterschied und damit alle aufgeführten Personen unter Generalverdacht stellte. Nach der Publikation der Liste mit mehreren tausend Namen bekanntn sich viele der in der Liste genannten Personen öffentlich zu ihrem Antikomunismus und versuchten sich so von einer möglichen Mitarbeit bei der polnsichen SB freizusprechen. Die Kritiker sahen den Fall Wildstein als Indiz dafür, daß es in der polnischen Öffentlichkeit weniger um eine Auseinandersetzung mit der Geschichte gehe, als um den Mißbrauch der Geschichte zu politischen Zwecken. Die neue national-konservative Regierung maße sich an, so Michal Stachura190, zu entscheiden, wer polnisch sei. Und die AltKommunisten und neuen Atheisten seien es auf keinen Fall. Wildstein sei Teil einer großangelegten nationalistisch-katholischen Strömung. Die polnische Öffentlichkeit sah das offenbar anders. Nach Umfragen befürwortete eine Mehrheit der Polen die Öffnung der Akten191. Vor nicht allzulanger Zeit hatte die Bilder der gnadenlosen Unterdrückung der freiheitsliebenden Polen durch die kommunistischen Machthaber die Welt schockiert. Mit der Gründung der Gewerkschaft „Solidarno“ brach im Jahre 1980 der Anfang vom Ende der sowjetischen Vorherrschaft in Mittel- und Osteuropa an. Mit der friedlichen Abdankung der Kommunisten am Runden Tisch in Warschau 1989 wurde eine folgenreiche Abmachung getroffen: Die Akten der kommunistischen Sicherheitsdienste bleiben der Öffentlichkeit vorenthalten. Wichtige Dissidenten wie Adam Michnik forderten Vergessen und Vergeben vor Aufarbeitung und Rache. Nun tauchte nach 16 Jahren ‚Wildsteins Liste’ mit 240.000 Namen aus den Stasiakten im Internet auf und schockierte viele Polen. Wahrheit oder Nestbeschmutzung? Es begann ein großer Streit um den Journalisten Wildstein, der die Liste illegal aus der polnischen Gauck-Behörde veröffentlichte. Problematisch allerdings ist, dass die Liste keine eindeutige Klärung darüber gibt, wer Täter oder wer Opfer ist. „In der gebrechliche Demokratie der polnischen Republik diktieren erkennbare Eliten, was die Menschen wissen dürfen und was nicht“, sagte Bronislaw Wildstein. „Dagegen gehe ich an. Die Behauptung, daß ich unethisch handele, wenn ich die Wahrheit zugänglich machen will, ist für mich eine Verdrehung der Tatsachen, was übrigens charakteristisch für die politische Diskussion im heutigen Polen ist. Das Fundament von jeglicher Ethik ist die Wahrheit und Transparenz und nicht umgekehrt.“ Wildsteins Veröffentlichung glich einem Gang in den Leichenkeller der Polen. Das Institut für Nationales Gedenken hatte alle Hände voll zu tun, Menschen zu helfen, die ihre Geschichte aufklären wollen. Der Name von Wladyslaw Nowakowski zum Beispiel ist 13mal auf Wildsteins Liste. „Nun wollte ich nachschauen, ob es hier eine Akte über mich gibt“, sagte Nowakowski. „Ich habe früher in der Opposition mitgearbeitet und möchte sehen, wer mich bespitzelt hat.“ Die regierenden Postkommunisten und der aus ihren Reihen stammende Präsident Kwasniewski sahen in Wildsteins Veröffentlichung eine Bedrohung. Sie griffen Wildstein
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Stachura, Michael: Geheimagent „Joseph“ oder die Stasi in Polen [www.ostblog.de/2005/06/geheimagent_joseph_oder_die_st.php]. Klamt, Andrzej: „Wildsteins Liste“. Im Internet veröffentlichte Stasi-Akten sorgen in Polen für Aufregung. 3sat-Sendung „Kulturzeit“, 5.4.2005 [www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/77919/index.html].
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als Verräter von Staatsgeheimnissen öffentlich und juristisch an. Der Präsident lehne Wildsteins Liste ab, erklärte Dariusz Szymczycha, Staatsminister und Präsidentenberater, denn vor Jahren wäre beschlossen worden, daß die Akten der Stasi in einem apolitischen Institut aufbewahrt werden, zu dem einzig Wissenschaftler Zugang haben sollten, und eben keine Journalisten192. Die Postkommunisten hatten es in Polen nicht nur geschafft, mit Hilfe demokratischer Wahlen immer wieder an die Macht zu gelangen; ihre alten Seilschaften besetzten Spitzenpositionen in der Politik, der Wirtschaft und den Medien. Und ganz oben regierte der ehemalige Jugendfunktionär der polnischen Kommunisten, Präsident Aleksander Kwasniewski. Geradezu beispielhaft spiegelte der Ablauf der Wildstein-Affäre den Zustand der polnischen Demokratie wieder. Wildstein, der die Öffnung der Akten erwirkte, wird nur einige Tage nach der Veröffentlichung der Liste von seinem Arbeitgeber, der Tageszeitung „Rzeczpospolita“, entlassen. Ein Telefonat von oben half womöglich nach, denn der Chef der Zeitung hatte einen guten Draht zum Präsidenten. Zugleich kam Wildstein das größte politische Magazin des Landes, „Wprost“, zu Hilfe. Wildstein hatte damit sofort einen neuen Arbeitgeber, der seine Aufarbeitung der Geschichte unterstützte. „Wprost“-Chefredakteur Marek Krol war vor 16 Jahren Agent der Stasi und zuständig für Propaganda beim Zentralkomitee der Kommunisten. Heute gehörte er zu den Gegnern der Postkommunisten, was ihm ein nicht geringes Einkommen bescherte. Krol zählt zu den hundert reichsten Menschen Polens193. Dass aber auch eine renommierte Zeitung wie die „Rzeczpospolita“ nicht frei von nationalen Ressentiments und Komplexen ist, beweist ihre Reaktion auf den Literaturnobelpreis 2009 für die rumäniendeutsche Schriftstellerin Herta Müller. Ein Redakteur der „Rzeczpospolita“ meinte allen Ernstes, die Schriftstellerin sei nicht verehrungswürdig, weil ihr Vater schließlich SS-Mitglied gewesen sei. Darauf der Kommentator der deutschen Tageszeitung „Die Welt“: „Das ist so absurd, daß man Müller nicht einmal verteidigen muß.“ Monika Sznajderman, die in Polen die Bücher der Preisträgerin verlegt, erzählt, sie habe am Radio geweint, als die Nachricht aus Stockholm durch den Äther kam. Ihr Mann, der Schriftsteller Andrzej Stasiuk, hält Rumänien für das schönste Land Europas und erinnerte sich, wie einst Herta Müller ihm ein rumänisches Liedchen vorsang. Die konservative „Rzeczpospolita“, die selbst nichts von der Vertreibung der Deutschen durch Polen wissen will, verstieg sich indes zu der Behauptung, die Entscheidung von Stockholm beweise „historische und politische Ignoranz“. Begründung: Es gebe in der Gegenwart genügend menschliche Tragödien, um eine Schrifstellerin zu ehren, die es wagt, Deutsche als Opfer darzustellen. Ein in den 1970er Jahren geborener Kommentator meinte, in Anspielung auf Herta Müllers Vater, er könne nicht der Erinnerung an sein Familienschicksal treu bleiben und sich zugleich „vor dem Leid der Angehörigen von SS-Leuten verneigen“. Sein Mitleid, so der Autor, gelte vor allem den Opfern der Deutschen. Und wenn nach dem Stauffenberg-
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Andere warfen Wildstein vor, er gehöre in diesem Kampf einer „nationalistisch-katholischen Strömung mit Ausschlieslichkeitsrecht auf Polnisch-sein“ an. Der katholische Fernsehsender „PULS“ [www.pulstv.pl] führte in einer er eine Sendung in der er die Feinde Polens und ihre Gegener ausfindig zu machen glaubt. Die sogenannte „Lista Wildsteina“, die im Internet abzurufen war [wildstein.ewcia.com/m/index.html], war ihm dabei behilflich. Wildstein wurde nach der Veröffentlichung am 31. Januar 2005 aus der Redaktion der „Rzeczpospolita“ entlassen. Vor dem Gebäude demonstrierten damals gegen die Entlassung unter Rufen wie „Die Wahrheit wird uns erlösen“ ungefähr 200 Menschen, darunter Mitarbeiter der konservativ-katholischen Organisation „Fronda“ [www.fronda.pl], der „Gazeta Polska“ [www.gazetapolska.pl] und des Gewerkschaftsblattes „Tygodnik Solidarno“ [www.tygodniksolidarnosc.com]. Vgl.: Gulinska, Paulina: Die „Spitzel-Liste“, die keine ist. Eine Bilanz der „Wildstein-Debatte“ in Polen [www.zeitgeschichte-online.de/zol/_rainbow/documents/pdf/zol_int/gulinska_wildstein.pdf].
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Film weitere „Wunderwaffen“ in den Kinos explodierten, werde die Welt bald nur noch edle, gute, tapfere oder leidende Deutsche im Gedächtnis behalten. Die Deutschen würden mit Hollywoods Hilfe versuchen, „die Hierarchie der Opfer umzukehren“. Ein deutscher Kollege des „Rzeczpospolita“-Redakteurs meinte lakonisch, Herta Müller hätte gezeigt, dass sie sich vor falschen Freunden zu hüten versteht. Gegen falsche Feinde müsse man sie nicht verteidigen. Ihr Werk spreche für sich.
3.2
„In den Krieg gegen Gazeta Wyborcza“
Kritisch sahen Beobachter auch die Rolle der Axel Springer AG in der Transformation der polnischen Printmedien nach der national-konservativen Machtübernahme. Der Axel Springer Verlag hätte die Krise der polnischen liberalen Zeitungslandschaft, allen voran Adam Michniks „Gazeta Wyborcza“, genutzt, um eine polnische Version der deutschen „Welt“ auf dem wichtigsten Medienmarkt Ostmitteleuropas zu etablieren. Ob es Springers „Dziennik“ [www.dziennik.pl] jedoch gelingen würde, sich als Sprachrohr der nationalkonservativen Neuen Rechten Polens zu etablieren, müsse man abzuwarten, hieß es. Nach dem überragenden Erfolg der polnischen Version der Bildzeitung, des Boulevardblattes „Fakt“ [http://efakt.pl], die in weniger als einem Jahr nach Einführung im Oktober 2003 die Marktführerschaft übernahm, preschte Axel Springer nun auf den Markt der sogenannten meinungsbildenden Tageszeitungen vor. Am 18. April 2006 erschien die Erstausgabe der Tageszeitung „Dziennik Polska Europa Swiat“ („Tageszeitung Polen Europa Welt“). Während „Fakt“ sich klar an der Bildzeitung orientiert, war „Dziennik“ offen erkennbar an die deutsche „Welt“ angelehnt. Schon ein Blick auf das Logo genügte. Offiziell gab sich Springer mit „Dziennik“ weniger ehrgeizig als mit seinem Boulevardbruder „Fakt“. Der Verlag gab an, man strebe mittelfristig eine Auflage von 150.000 Exemplaren an, was deutlich unter den rund 500.000 verkauften Exemplaren der „Gazeta Wyborcza“ und den 270.000 der Rzeczpospolita lag. Mit allen Mitteln versuchte Springer, den Eindruck einer Kampfmarkteinführung zu vermeiden. Aber die äußerst kurzfristige Ankündigung des Springer-Verlags, „Dziennik“ zum Tiefstpreis von 1,5 Zoty auf den polnischen Markt zu werfen, versetzte die „Gazeta Wyborcza“ in Zugzwang. Sie senkte ihren Preis teilweise um fast die Hälfte, von bisherigen 2,8 Zloty, ohne sich wütende Kommentare zu verkneifen. Als „Fakt“ im Jahr 2003 für 1 Zloty an den Start ging, hatte „Super Express“ noch (erfolglos) gegen diesen Preis geklagt. Der Zeitpunkt für Springers Angriff mit „Dziennik“ war gut gewählt, meinten polnische Journalisten. Sowohl die „Gazeta Wyborcza“ als auch die auflagenzweite „Rzeczpospolita“ befanden sich in einer tiefen Krise, die unmittelbar mit dem politischen Rechtsruck zusammenhing, den Polen seit den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im vergangenen Oktober erlebte. Die oft mit der FAZ verglichene rechtsliberale „Rzeczpospolita“ hatte sich vor allem durch ihren Nachdruck der umstrittenen Mohammed-Karikaturen Ärger mit der neuen Regierung eingehandelt, was auf den ersten Blick erstaunt. Die antiliberale, katholische Rechte Polens um die Regierungspartei „PiS“ („Prawo i Sprawiedliwo“ – „Recht und Gerechtigkeit“) [www.pis.org.pl/main.php] sah in der Aktion einen Angriff auf den Islam, der sie an die ständigen Angriffe der liberalen polnischen Medien auf Glauben und Kirche erinnerte. Der PiS-Premierminister Marcinkiewicz entschuldigte sich offiziell für die „Rzeczpospolita“, was seine Gegner wiederum veranlaßte, laut an seinem Verständnis von der Unabhängigkeit der Presse zu zweifeln.
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Da der polnische Staat ein Minderheitseigner des Verlages der „Rzeczpospolita“ ist, dessen Mehrheit dem norwegischen Orkla Media-Konzern gehört, mußte der liberale Chefredakteur der „Rzeczpospolita“, Grzegorz Gauden, während des Karikaturenstreits um seine Stelle fürchten. Nachdem einige Wochen lang nach einem neuen Chef gesucht worden war, blieb Gauden schließlich doch im Amt, weil sich Orkla und die polnische Regierung nicht auf einen Nachfolger einigen konnten. Gauden ging jedoch wie seine Zeitung stark angeschlagen aus der Affäre hervor. Die offene Intervention der Regierung hatte die Unabhängigkeit der angesehenen Zeitung erschüttert. Die Schwierigkeiten der „Rzeczpospolita“, die jedoch vor der Krise der Wyborcza verblassten, erklärten sich aus der Struktur der polnischen Medienlandschaft. Polens Zeitungen und Zeitschriften sind seit dem Ende des kommunistischen Printmonopols überaus stark politisiert. So repräsentieren die verschiedenen Zeitungen nicht einfach allgemeine politische Orientierungen wie links oder konservativ, sondern nehmen seit jeher aktiv an politischen Kampagnen einzelner Parteien teil, was aus der jüngsten Geschichte der freien Medien in Polen herrührt. Bis in die 1980er gab es nur eine offizielle überregionale Tageszeitung, das kommunistische Parteiblatt „Trybuna Ludu“ („Volkstribüne“). 1982 wurde neben der Parteizeitung „Trybuna“ die „Rzeczpospolita“ („Republik“) als Regierungszeitung eingeführt, um angesichts der Staatskrise um die „Solidarnoszcz“-Bewegung größeren Meinungs-pluralismus zu suggerieren. Als 1989 die Gewerkschaftsbewegung „Solidarnoszcz“ das erste Mal zu Parlamentswahlen antreten durfte, entstand die erste nicht-kommunistische Zeitung, die „Gazeta Wyborcza Solidarnoszcz“, die ‚Wahlzeitung’ der Solidarität. Als direktes Wahlkampforgan dienten die ersten Ausgaben vor allem zur Veröffentlichungen der oppositionellen Kandidatenlisten. Als diese Wahlen das Ende des Kommunismus in Polen besiegelten, entwickelte sich die „Gazeta Wyborcza“ unter Leitung des intellektuellen Dissidenten Adam Michnik zu einer regulären und bald dominanten Tageszeitung. Das Parteiblatt „Trybuna Ludu“ blieb den Postkommunisten verbunden und fristet bis heute ein Marginaldasein wie ihr DDR-Äquivalent „Neues Deutschland“. Die „Rzeczpospolita“ konnte sich nach dem unerwarteten Regierungswechsel 1989 aus ihrer bisherigen Rolle befreien und entwickelte sich zum konservativ-liberalen Befürworter der anti-kommunistischen rechten Regierungen der Lech Walesa-Zeit und damit zur zweitgrößten polnischen Tageszeitung. Der erste Platz blieb jedoch bis heute dem ehemaligen „Solidarno“-Blatt, der „Gazeta Wyborcza“, vorbehalten. Die Autorität Adam Michniks, der sich als einer der wenigen Regimegegner nach der Wende aus der Politik zurückzog und damit im Gegensatz zu seinen Mitstreitern der schnellen Kompromittierung entging, wog schwer, genauso wie die historische Rolle der „Wyborcza“. Michniks versöhnlicher Stil bestimmte die Anfangsjahre der dritten polnischen Republik. Nach den Misserfolgen der unerfahrenen Regierungen der Rechten und der Lächerlichkeit der Präsidentschaft Lech Walesas war es die „Wyborcza“, die entscheidend zur Rehabilitierung der postkommunistischen Linken und der Präsidentschaft des Ex-Kommunisten Aleksander Kwaszniewski beitrug. Die polnische Politik der 90er Jahre war vom Dualismus der zerstrittenen und unprofessionellen „Solidarno“Nachfolge-Parteien auf der Rechten und den erfahrenen, jedoch geschichtlich vorbelasteten Postkommunisten um die linke Partei SLD (Sojusz Lewicy Demokratycznej, Allianz der demokratischen Linken) bestimmt, wobei die „Rzeczpospolita“ eher die ersteren unterstützte und Michniks „Wyborcza“ sich immer mehr in Richtung der postkommunistischen Linken bewegte. Der Rest des Tageszeitungsmarktes wurde von unzähligen Regionalblättern ausgefüllt. Als sich die politische Landschaft Polens in den letzten Jahren entscheidend wandelte und um einen dritten, antiliberal-nationalen Pol erweitert wurde, blieb es nur eine Frage der
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Zeit, bis die bisherige bipolare Marktaufteilung zwischen linksliberaler „Wyborcza“ und rechtsliberaler „Rzeczpospolita“ von der neuen politischen Realität eingeholt wurde. Die 1997 entstandene rechtsliberale Post-„Solidarno“-Regierung (AWS-Wahlaktion Solidarno) von Jerzy Buzek zerfiel während seiner Amtszeit, und wurde als Minderheitsregierung zu Ende geführt. Die forcierte wirtschaftliche Liberalisierung Polens, der Anstieg der Arbeitslosigkeit auf zwanzig Prozent, das gleichzeitige Absinken des Wirtschaftswachstums und das scheinbare Unterordnen aller Probleme Polens unter das Ziel eines schnellen EU-Beitrittes führten zu einen grandiosen Sieg der Postkommunisten (SLD) in 2001 (41 Prozent). Zur Enttäuschung vieler änderten diese den Kurs jedoch nicht, setzten den neoliberalen Wirtschaftskurs ihrer Vorgänger (mit größerem Erfolg) fort und führten Polen im Mai 2004 in die EU. Als mehrere Korruptionsskandale die neue Regierungspartei SLD samt Premierminister Leszek Miller stark belasteten, zerfiel der öffentliche Rückhalt der Partei, die sich bis heute nicht mehr erholen konnte und momentan im einstelligen Prozentbereich dahindümpelt, während der Aufstieg der polnischen Neuen Rechten, rechts von den bisherigen Rechtsliberalen, seinen Lauf nahm. Die politische Seite der Solidarno war bereits unmittelbar nach der Wende in ein liberales, pro-europäisches Lager und eine nationalistische, an der Politik der Zwischenkriegszeit orientierte Richtung zerfallen. Die letztere jedoch wurde in 1990er Jahren erfolgreich marginalisiert – durch ihre Europafeindlichkeit, ihren radikalen Nationalismus und teilweise offenen Antisemitismus nahmen diese Gruppen die Rolle moderner Protestparteien am rechten Rand ein. Das änderte sich mit dem Aufstieg der 2001 gegründeten rechts-konservativen PiS (Recht und Gerechtigkeit) um die Zwillingsbrüder Lech und Jarosaw Kaczynski, die zwar gerne in die populistische Kiste des Nationalismus griffen, sich jedoch von den Extremisten und Antisemiten distanzierten und vor allem mit dem Versprechen der nationalen moralischen Erneuerung und des solidarischen Staates im von Korruption und neoliberalen Auswüchsen geplagten Land punkten konnten. Noch weiter rechts entwickelte sich die nationalistisch-katholische LPR („Liga der polnischen Familien“). Die populistische Bauernpartei „Samoobrona“ („Selbstverteidigung“) dazu genommen entstand damit eine neue politische Kraft, die ihren Platz rechts von der politischen Konfiguration der 1990er Jahre einnahm. Die linksliberale „Gazeta Wyborcza“ setzte nun ihre Marktposition und Autorität ein, um Stimmung gegen die Neue Rechte zu machen. Ironischerweise hatte Chefredakteur Adam Michnik selbst den größten Korruptionsfall der linken SLD, die sogenannte Rywin-Affäre im Dezember 2002, aufgedeckt – die unklare Rolle, die er selbst darin spielte, und die Verzögerung der Veröffentlichung beschädigten jedoch seine Autorität und seine Zeitung, während die ausgelöste Skandallawine die Partei, der die Zeitung sich mehr und mehr verschrieben hatte, beerdigte. Der unaufhaltsame Aufstieg der Neuen Rechten wurde durch die mediale Dominanz ihrer liberalen Gegner behindert, doch zur Hilfe kam ihr das katholische Medienimperium des Redemptoristenpaters Rydzyk, der mit dem größten polnischen „Radio Maryja“ [www.radiomaryja.pl], seinem eigenen Fernsehsender „TV-Trwam“ [www.tvtrwam.pl] und der Tageszeitung „Nasz Dziennik“ („Unsere Tageszeitung“) [www.naszdziennik.pl] seit Jahren im In- und Ausland mit einer höchst politisierten, offen parteiischen Berichterstattung für Empörung sorgt. Trotz des Protestes der polnischen Kirchenoffiziellen und neuerdings des Vatikans nahm sich Rydzyk der medialen Vertretung von LPR und PiS an. Neben Angriffen auf die korrupte Linke wurde nun die „Gazeta Wyborcza“ selbst zum Ziel, als vermeintliches Sprachrohr des postkommunistischen Paktes zwischen Ex-Funktionären und Vertretern der linken Opposition, unter denen – nach Meinung der Wendeverlierer – Polen in den letzten 15 Jahren genüßlich aufgeteilt worden wäre. Die Gräben an der neuen Medienfront verhärteten
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sich schnell. Während „Gazeta Wyborcza“ von nun an fast täglich Pater Rydzyk und seine Medien für ihr Engagement am rechten Rand der Politik, seine nationalistische Gesinnung und die Duldung bekannter Antisemiten in dessen Sender kritisierte, rief die nationalistischkatholische Liga der Polnischen Familien (LPR), die damals zweistellige Umfragewerte verzeichnete, einen Boykott der „Wyborcza“ aus. Der Abgeordnete des Europaparlaments, Wojciech Wierzejski erklärte Anfang 2005, daß die Liga der Polnischen Familien den offen staatsfeindlichen Medienaktionen und der journalistischen Hinrichtung der Verteidiger der Wahrheit nicht länger tatenlos zusehen werde: „Wir werden es nicht zulassen, daß sich die rosafarbenen Hyänen straflos an uns weiden. Wir appellieren an alle Mitglieder und Freunde der LPR die Gazeta Wyborcza nicht zu kaufen, nicht zu lesen und nicht zu zitieren. Wir erklären ihren vollständigen Boykott innerhalb der Strukturen der LPR. Wir appellieren an alle uns freundlich gesinnten Zeitungsverkäufer die Gazeta Wyborcza nicht zu verkaufen – und falls das nicht möglich ist – sie nicht zu bewerben und nicht auffällig auszustellen.“ Michnik befand sich nun in einer Zwickmühle. Durch die Angriffe der damals schon bedeutenden, jedoch nicht dominierenden Neuen Rechten wurde die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Parteinahmen der „Wyborcza“ gelenkt. Mit dem Untergang der linken SLD im Korruptionssumpf wurde es höchste Zeit, seine Unabhängigkeit wieder unter Beweis zu stellen. Andererseits fühlte sich Michnik offenbar verpflichtet, „Wyborczas“ Marktposition gegen die neuen Populisten einzusetzen. Die überfällige Loslösung der Zeitung von der korrupten Linken wurde von den Exzessen der Neuen Rechten verhindert – je mehr Michnik diese angriff, desto mehr wirkte er wie der Verteidiger des postkommunistischen Paktes. Dieser Medienkonflikt erreichte seinen Höhepunkt im Sommer 2005, als der Wahlkampf um die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in die heiße Phase trat. Der Kampf zwischen der kompromittierten Regierungslinken um die SLD und der neuen Rechten um PiS und LPR nutzte anfangs vor allem den traditionellen Rechtsliberalen, die nach dem Debakel der Buzek-Regierung in diesem politischen Klima als neue Mitte wiederauferstehen konnten. Die rechtsliberale Nachfolgepartei der zerfallenen AWS, die Bürgerplattform PO, schien vielen einziger vernünftiger Ausweg aus der Krise und genoss auf Anhieb die Sympathien höherer Bildungs- und Einkommensschichten in Polen und des Auslands. Ihr Stammblatt, die Rzeczpospolita, befand sich im Aufwind. Für Michnik und seine Gazeta Wyborcza entwickelte sich jedoch ein Dilemma: Es war die „Wyborcza“, welche die Schwächen der rechtsliberalen Buzek-Regierung 1997-2001 kritisiert hatte und die offen den postkommunistischen linken Präsidenten Aleksander Kwaszniewski unterstützte. Dieser – die einzige unbeschädigte Person der polnischen Linken – durfte nach Ablauf der zweiten Amtszeit nicht wieder zur Präsidentschaftswahl antreten. Die notwendige Distanzierung von der zerstörten Linken und die gleichzeitige Aufrecht-erhaltung einer kontinuierlichen, konsequenten Position erforderte von Michnik und Wyborcza die Quadratur des Kreises. So unterstützte die Zeitung im Herbst 2005 die rechtsliberale PO in den Parlamentswahlen, in denen die Linke von Anfang an nicht den Hauch einer Chance hatte, während sie für die Präsidentschaftswahlen den Kandidaten der SLD, den Ex-Premierminister Wlodzimierz Cimoszewicz befürwortete. Rydzyks katholisches Medienimperium hingegen entwickelte sich zum fast-offiziellen Sprachrohr der neuen PiS-Regierung. Als Nachfolger des immer noch extrem populären SLD-Präsidenten Kwaszniewski und als möglicher Gegenpol zur unvermeidlichen Regierungsübernahme durch die Rechte entwickelte sich Cimoszewicz tatsächlich zum Favoriten für das Präsidentenamt und Michniks Strategie schien aufzugehen. Doch einige Wochen vor der Wahl wurde Cimoszewicz Opfer einer konzentrieren Medienkampagne seitens der rechten Medien, allen voran von Pater Rydzyk, die seine Kandidatur mit (ungedeckten)
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Korruptionsvorwürfen zerschoß, so daß Cimoszewicz innerhalb von wenigen Wochen von der Führung in allen Umfragen auf einen hoffnungslosen Platz abrutsche und seine Kandidatur drei Wochen vor den Wahlen zurückzog. Die „Gazeta Wyborcza“ erlitt einen schweren Gesichtsverlust und die polnische Linke war endgültig am Ende. Ab jetzt war klar, daß beide Oktoberwahlen sich nur noch zwischen der alten Rechten um die PO und der neuen Rechten um PiS abspielen würden. Bisher waren die rechtsliberale PO und die nationalkonservative PiS mit klarer Koalitionsankündigung gegen die Linke ins Rennen gezogen. Als aber deutlich wurde, daß es keinen Gegner mehr links von ihnen gab, begann die Partnerschaft zu bröckeln, so daß die „Wyborcza“ jetzt ihre verbleibende Stärke und Autorität der PO und der Präsidentschaftskandidatur ihres Vorsitzenden Donald Tusk verleihen konnte und die Kampagne gegen die Zwillingsbrüder Kaczynski der PiS anführte. Es ging darum, den sicher geglaubten Vorsprung der rechtsliberalen PO zu vergrößern, um den Einfluß der Neuen Rechten um PiS als zukünftiger Juniorpartner gering zu halten. An den Tagen vor der Wahl führte die PO in den meisten Umfragen sowohl für das Parlament wie die Präsidentschaft. Als dann jedoch die PiS beide Wahlen im Oktober überraschend gewinnen konnte, war das Worst-case-Szenario für die „Wyborcza“, Adam Michnik und Polens Linksintellektuelle eingetreten: Die Linksliberalen haben sich in Luft aufgelöst (von 41 Prozent 2001 auf 11,3 Proeznt gefallen und noch hinter der dubiosen Bauernpartei Samoobrona (11,4 Prozent) gelandet), die Rechtsliberalen den sicheren Sieg verspielt (24 Prozent) und die Neue Rechte um PiS (27 Prozent) und LPR (8 Prozent) die Regierung und die Präsidentschaft gesichert. Die dunklen Wolken über der „Wyborcza“ brachen nun: Die Auflage sank schlagartig auf unter 400.000 um die Jahreswende herum und der Aktienwert des Verlagshauses Agora, das noch in der Neujahrsausgabe des amerikanischen „BusinessWeek“ als Kauftipp in Mitteleuropa genannt wurde, verlor seitdem ca. 40 Prozent seines Wertes. Auch das Ansehen Adam Michniks litt schwer: Laut einer hauseigenen Umfrage der Wyborcza wurde Michniks Einfluss auf Polen von nur noch 25 Prozent der Befragten als positiv, von 23 Prozent als schädlich eingestuft, was dem einstigen „Solidarno“-Helden (und Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes) den 13. Platz von 23 genannten Personen einbrachte, nur vier Plätze vor dem kommunistischen Diktator Wojciech Jaruzelski. Als sich der Konflikt zwischen der Regierungspartei PiS und der rechtsliberalen PO in den Monaten nach der Wahl verschärfte, wurde auch POs klassischer Unterstützer, die „Rzeczpospolita“, mit dem Karikaturenstreit als Anlaß von der PiS abgestraft. Rydzyks katholisches Medienimperium hingegen entwickelte sich zum fast-offiziellen Sprachrohr der neuen PiS-Regierung. Beinahe täglich fahren seitdem schwarze Warschauer Regierungslimousinen in Rydzyks Zentrale in Toru vor, um in „TV-Trwam“ aufzutreten. Als die PiS-Minderheitsregierung Anfang Februar eine Quasi-Koalition, den so genannten Stabilisierungspakt mit LPR und „Samoobrona“ unterschrieb, geschah dies exklusiv vor Journalisten von Rydzyks „TVTrwam“, „Radio Maryja“ und „Nasz Dziennik“, während die restlichen Medien erst hinterher informiert wurden, wogegen sie bitter aber vergeblich protestierten. Die anhaltende Zusammenarbeit von PiS mit dem exzentrischen Priester ist jedoch mit einigen Nachteilen verbunden. Rydzyks aggressive Parteinahme verärgert seit Jahren die polnischen Kirchenoberen, die sich offiziell wünschten, dass seine Medien sich aus der Politik heraushielten und sich auf die Übertragung von Gottesdiensten und Rosenkränzen konzentrierten. Auch Benedikt XVI. äußerte sich kritisch über das politische Engagement des polnischen Redemptoristen. Außerdem wurde „Radio Maryja“ regelmäßig mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert. Zwar enthielten sich die redaktionellen Beiträge in den letzten Jahren antijüdischer Kommentare, doch wiederholt wurden externe Kommen-
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tatoren oder Anrufer in den Äther geschaltet, die vor Freimaurer- und Judenverschwörungen warnend, die politischen Polemiken aus Vorkriegspolen wieder-aufleben ließen, wie zum Beispiel ein Beitrag von Stanisaw Michalkiewicz, gegen den die polnische Staatsanwaltschaft ermittelte. Die Partnerschaft mit Rydzyk bindet dadurch PiS an die extreme Rechte, von der sich die Regierungspartei gerne trennen würde. Der Ehrgeiz des ParteiMasterminds und Präsidentenbruders Jarosaw Kaczyski sieht die PiS langfristig als rechts-konservative Volkspartei. Da konnte sich die aus der Not entstandene Partnerschaft mit dem unkontrollierbaren Medienpriester Rydzyk als Nachteil erweisen. Die letzte Stelle in der Umfrage, in der Michnik den schwachen 13. Platz machte, nahm bezeichnenderweise kein anderer als Pater Rydzyk selbst ein. Nur 9 Prozent der Befragten schätzten sein Wirken als positiv, 70 Prozent seinen Einfluss als negativ für Polen ein. Die PiS ist sich der Gefahren einer zu starken Bindung an Rydzyks Medien offenbar bewusst. Ihr zweitbeliebtes Forum ist dadurch seit langem Axel Springers „Fakt“. Vor allem der PiS-Regierungschef Marcinkiewicz ist ein regelmäßiger Gast der polnischen Bildzeitung, aber auch der sonst medienscheue Präsident Lech Kaczynski gibt seine seltenen Interviews bevorzugt in der „Fakt“. Das Timing der Markteinführung von Springers „Dziennik“ ist somit perfekt. Die polnische Bischofskonferenz beschloß, Rydzyk aus der Politik zurückzupfeifen und ein Kontrollorgan zur Überwachung seiner Medien einzusetzen. Falls PiS seine Verbindungen nach Rechtsaußen jedoch tatsächlich kappen wollte, würde es bald einen neuen Partner in den Medien brauchen. Mit der „Wyborcza“ war PiS immer noch offen verfeindet. Jaroslaw Kaczynski erklärte wahrheitsgemäß, dass die „Gazeta Wyborcza“ der polnischen Kommunistischen Partei entstammte; freilich auch ein Affront gegen Michnik, der viele Jahre als Dissident in kommunistischen Gefängnissen eingesessen hatte. Doch auch mit der „Rzeczpospolita“ schwelte der Streit weiter, wie das Gezanke um ein zuerst nicht autorisiertes, später retuschiertes und schließlich von der „Rzeczpospolita“ abgelehntes Präsidenteninterview zeigte. So bot sich Springers „Dziennik“ geradezu dazu an, das Sprachrohr der polnischen ‚neuen Rechten’ zu werden und das genau schien Springers Strategie für Polen zu sein. So wurde berichtet, daß der Springer-Verlag seine neue Zeitung vorab den Kaczynski-Brüdern persönlich vorstellte. Doch Springers „Dziennik“ hatte einen hauseigenen Nachteil: Es ist eine deutsche Zeitung, eine Schwäche, die Rydzyks Medien erkannten und die Zeitung ab sofort konsequent als „Der Dziennik“ bezeichneten, um auf seine deutsche Herkunft zu verweisen. Die Tatsache, daß „Fakt“ ebenfalls ein deutsches Springer-Produkt ist, war jedenfalls für die Partei PiS kein Hindernis. Sollte das nicht auch mit dem neuen Produkt geschehen, würde es eng werden für Springer auf dem polnischen Tageszeitungsmarkt. Trotz ihrer tiefen Krise war die „Wyborcza“ immer noch klarer Marktführer und durch die Preissenkung stieg ihre Auflage wieder. Auch die „Rzeczpospolita“ würde ihre Position als elitäres Qualitätsblatt trotz der Angriffe von PiS so schnell nicht verlieren. Wenn es Springer nicht gelingen wird, Rydzyk als medialen Partner der Regierungspartei zu verdrängen, wird es „Dziennik“ kaum möglich sein, die Gewinnzone zu erreichen. Vielleicht jedoch wird Springers „Dziennik“ dazu beitragen, die polnische Medienlandschaft von ihren direkten Verbindungen zur Politik zu befreien. Das wiederum wäre eine Premiere für die „Axel Springer“ AG. Würde PiS hingegen bereit sein, mit Hilfe von „Dziennik“ eine polnische CDU aufzubauen, könnte der deutsche Verlag bestimmt gut mit seiner langjährigen Erfahrung als verlässlicher Medienpartner der Konservativen dienen. So oder so, auch wenn Springer gegen die „Gazeta Wyborcza“ in den Krieg zieht, schien die letzte Schlacht auf dem polnischen Zeitungsmarkt noch lange nicht geschlagen. Die PiS schloß nach monatelanger Minderheitsregierung schließlich eine Koalition mit den populis-
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tischen Extremparteien „Samoobrona“ und der LPR. Während „Wyborcza“ und „Rzeczpospolita“ tobten und die Auslandspresse empört reagierte, veröffentlichte Springers „Dziennik“ ein Exklusivinterview mit PiS-Premierminister Marcinkiewicz, der darin beschwichtigend erklärte, daß sich durch die neue Koalition nichts Wesentliches verändern werde. Damit hatte Springer die bisher vermiedene offene Konfrontation mit den etablierten Blättern schließlich doch eröffnet. Seine vorherige Bescheidenheit hatte damit zu tun, daß der lange boulevardscheue polnische Markt für „Fakt“ nahezu leer stand (mit Ausnahme des Tabloids „Super Express“). Polens Markt galt für ernste Tageszeitungen als gesättigt. „Springer“ wollte darum die offene Konfrontation mit den etablierten Blättern solange hinausschieben, bis „Dziennik“ auf dem Markt Fuß gefasst hätte. Daß das wirkliche Auflagenziel weitaus höher liegt, ist offensichtlich: Bei dem Dumpingpreis von 1,50 Zoty (ca. 40 Cent) würde die Zeitung ansonsten ein Verlustgeschäft bleiben – bei aller Anlehnung an „Die Welt“, versuchte „Springer“, den chronischen Verlust der deutschen Tageszeitung nicht an „Dziennik“ zu vererben. Andreas Wiele, Springers Vorstand für Zeitschriften und Internationales erklärte: „Die osteuropäischen Länder, insbesondere Polen, gehören zu den Kernwachstumsmärkten der Axel Springer AG.“ Als „Dziennik“ am 18. April startete, wurde von einer Erstauflage von 800.000 Exemplaren berichtet194. Unabhängig von diesen Zahlen ist klar, dass Springer nicht nur Neukunden aufsammeln, sondern vor allem die Stammleserschaft des stark angeschlagenen Flagschiffs der polnischen Medienlandschaft, Adam Michniks „Gazeta Wyborcza“ anzapfen wollte.
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http://media.wp.pl/kat,40036,kat2,37972,wid,8279802,wiadomosc.html?ticaid=144ae [wirtualna polska].
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3.3
Nationalkonservative Wende auf dem polnischen Zeitungsmarkt?
Andere fuhren weit schwereres Geschütz auf. „Neo-Faschisten leiten nicht nur das polnische Fernsehen“ – titelte der polnische Journalist Kamil Majchrzak195. Für Aufregung und Empörung hatte gesorgt, dass zur feierlichen Unterzeichnung der Koalitions-vereinbarung zwischen den drei neuen Regierungspartnern in Polen Ende 2005 nur Journalisten von „Radio Maryja“, des Fernsehsenders „Trwam“, sowie Korrespondenten der Zeitung „Nasz Dziennik“ eingeladen wurden. Majchrzak meinte, daß im Gegensatz zu Italien in Polen nicht Werbeeinahmen oder kurzsichtige Machtinteressen im Mittelpunkt gestanden hätten, sondern es wäre, so wörtlich, um die „Gleichschaltung des öffentlichen Diskurses und die Begründung einer neuen IV. Republik“ gegangen. Die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hatte verkündet, Polen von Korruption und den alten Seilschaften aus kommunistischer Zeit zu befreien, was ihre Gegner und Kritiker als Versuch auslegten, eine „diskursive Hegemonie“ durchzusetzen. Als Grundlage sahen sie das Anfang 2006 verabschiedete Mediengesetz, das bereits im März desselben Jahres in Teilen vom polnischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden war. Für die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), für Regierung und Präsident war das eine unglaubliche Blamage. Mit einer „moralischen Revolution“ wollte sie das Land und die Medien von Korruption und ihr unliebsamen Seilschaften säubern196. Präsident Lech Kaczynski hatte kein Recht, die neue Vorsitzende des Rundfunkrats zu ernennen, weil er damit unzulässig seine Kompetenzen erweiterte, urteilte das polnische Verfassungsgericht. Auch die neue Ethikzensur, die durch das Gesetz eingeführt wurde, sei nicht verfassungs-konform, ebensowenig die Privilegien für gesellschaftlich wichtige Sender wie die katholischen Medien. Während der Urteilsverkündung des Verfassungsgerichts kommentierte Jaroslaw Kaczynski für das katholische „Radio Maryja“ und „TV Trwam live“ die Ausführungen der Richter. Sie seien schließlich keine „Versammlung der Weisen“. Die politischen Bindungen der einzelnen Richter sollten in einer „offen geführten Diskussion“ überprüft werden. Das neue Mediengesetz von 2006 sicherte trotz aller Kritik und Einwände des Verfassungsgerichts der regierenden PiS großen Einfluss auf den verschlankten Fernsehrat „KRRiT“. Dieser entscheidet unter anderem über die Vergabe von Sende-Frequenzen und TV-Konzessionen sowie das Programm in öffentlich-rechtlichen Anstalten. Das Gesetzt breitet auch einen Schutzschirm über sogenannte „soziale Sendeanstalten” aus, wovon es in Polen insgesamt elf gibt. Die meisten werden als Diözese-Sender betrieben. Unter ihnen das steuerfreie Imperium von Pater Tadeusz Rydzyk, der neben einer eigenen JournalistikUniversität, seit 1991 auch das konservativ-katholische „Radio Maryja“ mit seinen 1,2 Millionen Zuhörern führt. Neuer Vorstandsvorsitzender des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wurde Bronisaw Wildstein. Wildstein wurde mit seinem im Jahr 2000 veröffentlichten Buch-Manifest „Ent-kommunisierung, die nicht stattfand“ („Dekomunizacja, której nie byo“) bekannt. Die ausgebliebene Verurteilung und kompromisslose Ablehnung der Volksrepublik sind für den Autor die Hauptursache aller Probleme der dritten Republik (1989-2005). Die Schuld an der unzureichenden Verfolgung ehemaliger Kommunisten und
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Majchrzak, Kamil: Neo-Faschisten und Hitlergruß leiten nicht nur das Polnische Fernsehen [www.ostblog.de/2006/08/neofaschisten_beim_polnischen.php]. Lesser, Gabriele: „Polens Mediengesetz gestoppt“. Verfassungsgericht bremst vorerst Zensur. Doch der Präsidenten-Bruder gibt nicht auf [www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2006/04/03/a0141].
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der im Gegensatz zu Deutschland und Tschechien ausgebliebenen Entkommunisierung trügen die liberale „Solidarno-Strömung“, die Postkommunisten der SLD, die neoliberale „Gazeta Wyborcza” und die progressiv katholische Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny“. Der Kompromiss zwischen Opposition und Kommunisten, der 1988/89 zum Runden Tisch führte, bedeutete für Wildstein die Demontage der antikommunistischen Revolution. Die Einigung mit den Kommunisten brachte einen tiefen „moralischen Verfall“ mit sich. Die Hegemonie so hervorgebrachter intellektueller Eliten bestimmte den gesellschaftlichen Diskurs der 1990er Jahre. Dieser sei die polnische Antwort auf den westlichen Postmodernismus. Ein Beweis für den Konformismus und die „Relativierung der Werte“ der einst oppositionellen intellektuellen Eliten sei das Versäumnis, die Kommunisten zur Rechenschaft zu ziehen, was die Rehabilitierung der Volksrepublik, die Etablierung einer „amorphen, formlosen Welt, der Gleichberechtigung von Meinungen“ nach sich gezogen hätte. Diese Rhetorik brachte Wildstein in unmittelbare Nähe zu Jarosaw Kaczyski, den Bruder von Lech Kaczyski, und verhalf ihm zum Posten des Vorstandsvorsitzenden des Polnischen Fernsehens „TVP“. Die neue Politik belegten Kritiker Wildsteins mit Begriffen wie „Säuberungsaktion“ und „Nacht-und-Nebel“, so als im Juli 2006 alle acht Leiter der regionalen öffentlichrechtlichen Radiosender ausgetauscht wurden, als aus dem polnischen Jugend-Radiosender „Bis” die beliebte Sendung „Masala“ verschwand. Damit wäre eine der letzten Bastion der Unabhängigkeit in den polnischen Medien, sowohl was die Musik als auch die besprochenen Themen angeht, verschwunden, erklärte Przemek Wielgosz von der polnischen Ausgabe der „Le Monde Diplomatique“, der einmal im Monat bei „Masala“ politische Ereignisse kommentieren durfte. Personaländerungen seien zwar nach Wahlen nichts ungewöhnliches, jedoch wären sie noch nie so offen als Ausdruck eines politischen Kulturkampfes betrieben worden. Neuer Direktor des Fernsehsenders „TVP Kultura“ wurde Krzysztof Koehler. Koehler ist Mitarbeiter der „fundamental-katholischen“ „Fronda“ und „Arcana”, außerdem Dozent an der katholischen Universität von Kardinal Stefan Wyszyski in Warschau. Auch im Ersten TV-Programm hätte sich eine kulturelle Revolution vollzogen, weil nun jeden Freitag der Schriftsteller und Publizist der „Gazeta Polska“, Rafa Ziemkiewicz, eine „Kultur-Show“ unter dem Namen „Ring“ führte. Deren Ziel sei es, Tabus zu brechen, und solche Strömungen in der Kultur zu zeigen, die bislang in polnischen Medien nicht vorkamen. Ziemkiewicz wollte dabei nach den Ursachen fragen, warum bislang bestimmte Personen mit Preisen überhäuft wurden und andere nicht. Diesem Ziel sollte auch die neue Sendeeinheit „oskot” dienen. Die Leiterin der Kulturredaktion des Ersten Fernsehprogramms, Marta Sawicka, erklärte gegenüber der „Gazeta Wyobrcza“, man wolle „den politisch korrekten Stil der Sprache durchbrechen und neue Ausdrucksformen zu Wort kommen lassen. Kritisiert wurde vor allem, dass die neue Sendeleitung die kommunistische Geschichte aufarbeiten wollte. Besonders umstritten war auch eine Geldstrafe in Höhe von 130.000 Euro, zu der die „KRRiT“ den Privatsender „Polsat“ 2006 für die „Radio-Maryja“-Satire einer bekannten Feministin verurteilt hatte. Grund war, dass Kazimiera Szczuka eine Moderatorin von „Radio Maryja“ imitiert und als „altes Mädchen“ bezeichnet hatte, was die staatliche Behörde als Verspottung Behinderter und des Gebets auslegte. Das Magazin „Sukces“ trennte aus seiner Ausgabe vom April 2006 aus 90.000 bereits gedruckten Exemplaren die Seiten 17 und 18 heraus, weil hier ein regierungskritischer Artikel von Manuela Gretowska abgedruckt war. Der Verleger Zbigniew Jakubas sagte, er müsse sonst eine Strafe der „KRRiT“ befürchten. Zuvor hatten ihm Beamte des polnischen Präsidenten empfohlen, die Seiten zu entfernen.
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Wegen seiner politisch pointierten Berichterstattung, die, positiv formuliert, sehr katholisch und sehr polnisch ist – Kritiker sprechen von offenem Antisemitismus und Rechtsextremismus des Senders –, ist „Radio Maryja“ immer wieder in den Schlagzeilen und in der Diskussion. Zwei Drittel der Polen befürworteten Ende 2007 sogar die Ablösung des Senderchefs, Pater Tadeusz Rydzyk, dem die „KRRiT“ im Februar 2003 einen eigenen Fernsehsender, „TV Trwam“ („Ich beharre“), genehmigte. Auch die Zeitung Nasz Dziennik gehört zu Rydzyks Medienimperium. Doch die polnische Kirche ist gespalten. Die Redemptoristen, die in Polen keinswegs zu den großen Orden zählen, hat Rydzyk zu ungekannter Popularität verholfen, obwohl längst nicht alle Mitglieder des Ordens Rydzyks Thesen teilen. Trotzdem wollen sie dagegen keinen Einspruch erheben, denn Rydzyk genießt den Status eines Stars. Er ist in der polnischen Kirche zur ersten echten ‚celebrity’ geworden, wie Szymon Holownia in der polnischen Ausgabe von „Newsweek“ schrieb. Der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, lehnte in einem Interview mit der Tageszeitung „Dziennik“ („Mittwoch“) im September 2007 eine Abberufung von Pater Rydzyk ab. Er widersprach damit dem Krakauer Kardinal und früheren Sekretär von Papst Johannes Paul II., Stanisaw Dziwisz. Zugleich stoppte der Vorsitzende des polnischen Episkopats einen geplanten Brief an den für „Radio Maryja“ zuständigen Redemptoristenorden, in dem die Bischofskonferenz ihre Kritik an dem Rundfunksender erläutern wollte. „Solch ein Brief sollte eine interne Angelegenheit des Episkopats un des Generaloberen der Redemptoristen sein. Da die Sache aber veröffentlicht wurde, fällt das Thema nun weg“, so Michalik. Über eine solche Initiative müsse man erneut auf der nächsten Vollversammlung der Bischofskonferenz im Oktober sprechen. Kardinal Dziwisz hatte die Absetzung des Senderchefs mit der Begründung gefordert, Rydzyk bedrohe die Einigkeit der Kirche. Der Kardinal warf dem Pater vor, er bestimme am Episkopat vorbei immer mehr die Seelsorge in Polen. Michalik dagegen bestritt, daß die Bischöfe allmählich die Kontrolle über Rydzyk verlören. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz meinte, es gebe kein Problem mit „Radio Maryja“ selbst. Es gebe nur Fälle eines unvernünftigen politischen Engagements oder Ansichten, die bei der einen oder anderen Sendung formuliert würden. So etwas dürfe keinen Platz in einem katholischen Radio haben, so der Erzbischof von Przemysl. Michalik betonte zugleich, daß es derartige Probleme auch in anderen Medien gebe, und verwies auf die liberale katholische Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny“. Niemand fordere die Abschaffung des Krakauer Blattes, weil es etwa geschrieben habe, daß die Mehrheit der Priester für eine Aufhebung des Zölibats sei, obwohl die Wirklichkeit und die Lehre der Kirche zu diesem Thema anders aussehe. „Radio Maryja“ ist in Polen heftig umstritten. Dem Sender wird immer wieder vorgeworfen, antisemitische Einlassungen von Zuhörern im Programm nicht zu unterbinden. Im Sommer 2007 richteten sich die Vorwürfe vor allem gegen Senderchef Pater Rydzyk, der sich auf einer Veranstaltung seiner eigenen Medienakademie antisemitisch geäußert haben soll, wovon es auch Tonbandaufnahmen gebe, wie es hieß. Die Gattin des Präsidenten sei eine Hexe, der Präsident ein Betrüger und außerdem stehe er unter dem Einfluß der jüdischen Lobby, die im Begriff sei, Polen auszuplündern, dozierte der charismatische Pater. Hintergrund war, daß Maria Kaczynska sich am Frauentag gegen eine weitere Verschärfung des Abtreibungsrechts gewandt hatte, daß der Präsident Lech Kaczynski sich geweigert hatte, den Schutz des Lebens „bis zum natürlichen Tode“ in die Verfassung zu schreiben, und daß er Wiedergutmachungs-Forderungen jüdischer Organisationen nachgebe. Die Aufnahmen wurden ausgerechnet an dem Tag einem Magazin zugespielt und dort veröffentlicht, als sich die Anhänger von Radio Maryja zu einer Wallfahrt nach Tschenstochau aufmachten.
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Rydzyk nannte die Veröffentlichung eine Provokation und bestritt, die Äußerungen gemacht zu haben. Erzbischof Michalik erklärte, daß die Staatsanwaltschaft die Authentizität der Tonaufnahmen von Rydzyks Vorlseung nicht bestätigt habe: „Wenn die Staatsanwaltschaft kein Problem sieht, hat dann die Bischofkonferenz das Recht, sie zu korrigieren?“ Viele dachten, das Tischtuch wäre nun endgültig zwischen Rydzyk und den Kaczynskis zerschnitten, denn der Pater hätte, wenn die Aussagen stimmen, mit seinem Hochschulauftritt das Staatsoberhaupt und dessen Frau zum mittlerweile dritten Mal beleidigt. Doch bald wurde offenbar, daß Rydzyk mit seinen politischen Pfunden wuchern kann. Es wird sogar gemunkelt, der Präsident verdanke seinen Posten der Propaganda des Paters, den Rabbi Marvin Hier einen „Goebbels mit Priesterkragen“ nannte197. Rydzyk wurde weiterhin von den Brüdern in den höchsten Staatsämtern umworben. Minister-präsident Jarosaw Kaczynski stellte sich hinter den regierungsnahen Kirchensender und dessen Leiter. „Radio Maryja“ hätte die polnische Kirche gestärkt, den polnischen Katholizismus aktiviert und die Bürgerrechte einer großen Gruppe von Polen wiederhergestellte, meinte Kaczynski. Der Dominikaner Wojciech Jedrzejewski schrieb im konservativen „Dziennik“, er sei zutiefst davon überzeugt, dass die Bischofskonferenz die Kritik an Rydzyk als Manipulation und als Manifestation bösen Willens verstehe. Die Bischöfe wüßten nur zu gut, daß „Radio Maryja“ ein Bollwerk gegen die fortschreitende Säkularisierung sei. Wenn man Rydzyk als Senderchef absetze, gebe es das Radio nicht mehr. Dennoch gibt es auch kritische Stimmen in Polen. Für eine Absetzung sprachen sich Ex-Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki und die Ex-Außenminister Bronislaw Geremek und Wladyslaw Bartoszewski aus198. Für die Opposition innerhalb der polnischen Kirche spricht zum Beispiel der Jesuitenpater und Dichter Wacaw Oszajca. Die Art von Religiosität, die Rydzyk anbietet, verursache großen Schaden unter den Menschen, meinte Oszajca. Diejenigen, die sich in der jetzigen gesellschaftlichen, kulturellen und ökonomischen Lage nicht zurechtfinden, würden aus dem Tal der Finsternis gerade nicht herausgeführt. „Ihre Ablehung gegenüber allem wird noch verstärkt.“ Für seine Fangemeinde sei Rydzyk eine Art Ersatzvater geworden, beklagte der liberalkatholische „Tygodnik Powszechny“. „Will er am Ende auch der Ersatzvater der gesamten polnischen Kirche werden?“ In den Medien sei er das bereits, meinte die Zeitung199. Der politische Einfluß Rydzyks und seines Senders läßt sich daran ermessen, daß ExPremier Kazimierz Marcinkiewicz seine Regierungserklärung zuerst auf 7030 kHz, der Frequenz von „Radio Maryja“, verlas, bevor er vor das Parlament trat. Als der Sender im August 2007 sein 15-jähriges Bestehen feierte, kamen nicht nur die Spitzen der Regierung, auch zehntausende Menschen huldigten dem Sender. An der Festmesse auf dem Platz vor der Wallfahrtskirche von Tschenstochau, die der Bischof von Lomza, Msgr. Stanislaw Stefanek zelebrierte, nahmen mehr als 150.000 Gläubige teil. Etwa fünf Millionen Polen bekennen sich zur ‚Familie Radio Maryja’ und folgen Pater Rydzyk aufs Wort. Auf „Radio Maryja“ werden hauptsächlich Messen übertragen. Ansonsten huldige der Sender einem
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Vgl.: Wölfl, Adelheid: Radio Maryja-Chef Tadeusz Rydzyk. Der Propagandachef der katholischen Nationalisten kann es sich sogar leisten, den Staatschef zu beschmipfen. In: Der Standard, 13.7.2007 [http://derstandard.at/?url=/?id=2957311]. Vgl. „In Polen eskaliert der Streit um ‚Radio Maryja’“. In der katholischen Kirche ist ein offener Machtkampf um den Hörfunksender ausgebrochen. In: Die Tagespost, 6.9.2007, Nr. 107, S. 10. Vgl.: Gnauck, Gerhard: Polen: „Wie soll es mit Rydzyk und der katholischen Kirche in Polen weitergehen?“. In: Welt Debatte [http://debatte.welt.de/kolumnen/73/periskop/30308/polen+wie+soll+es+mit+rydzyk +und+der+katholischen+kirche+in+polen+weitergehen].
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manichäischen Weltbild, so Adelheid Wölfl im österreichischen „Standard“ – gut sind die Polen, „schlecht sind alle Nichtpolen und die EU und ganz schlecht die Befürworter der Abtreibung“200. Wie einen Halbgott verehren den Redemptoristenpater die ‚MohairBarette’, wie die wollhauben-tragenden älteren Damen abschätzig genannt werden, die Pater Rydzyk bewundern. Für die Unterstützer des Paters, in Polen und in konservativkatholischen Kreisen im Ausland, ist die Sache genauso klar wie für den Pater selbst – die liberale Presse, antikatholische jüdische Kreise und einige polnische Bischöfe seien sich darüber einig, daß der Pater zu mächtig geworden sei. Mehrere polnische Bischöfe, die namentlich nicht genannt werden wollten, hätten den Vatikan aufgefordert, gegen Pater Rydzyk vorzugehen, so Jarosaw Gowin, Senator der oppositionellen, rechtsliberalen Bürgerplattform in einem Interview für die Warschauer Tageszeitung „Dziennik“. Nachdem Pater Rydzyk im August 2007 von Papst Benedikt XVI. in Castel Gandolfo empfangen worden war, zeigte sich der Europäische Jüdische Kongreß schockiert und erstaunt. Der Papst habe einem Mann und einer Institution seinen Segen gegeben, die das Bild der polnischen Kirche mit antisemitischen Äußerungen befleckt hätten. Das Blatt begann sich zu drehen, als Ende 2007 die konservative Regierung Kaczynski durch den Liberalen Donald Tusk abgelöst wurde, der sich, wie nicht anders zu erwarten, sofort gegen jene wandte, die stets die Liberalisierung und die Annäherung an den dekadenten, entchristlichten Westen – beides Themen, für die Tusk stand – als Bedrohungen Polens beschworen hatten. Rydzyk warf dem neuen Ministerpräsidenten kurz vor Weihnachten 2007 vor, er wolle „Radio Maryja“ „zerstören“. In einem Brief schrieb der Pater wörtlich: „Die Antipathie, welche Sie und Ihre Partei ‚Bürgerplattform’ (PO) in den vergangenen Jahren immer wieder gegenüber uns gezeigt haben, ist nicht verschwunden, sondern hat sich als Absicht herausgestellt, diesen Radiosender zu zerstören.“201 Der Beweis war für Rydzyk, daß einige PO-Minister angekündigt hatten, die Finanzierung des Senders ‚sorgfältig überprüfen’ zu wollen, obwohl die Vorgänger-regierung alles für ordentlich befunden hatte202. Der neue Premier, Donald Tusk, wies die Vorwürfe Rydzyks freilich zurück. Er empfinde keine grundlegende Abneigung gegenüber dem Sender. Wenn sich herausstellen sollte, dass das Geld auf falschem Wege an Pater Rydzyk gelangt sei, so sei dies nicht dessen Schuld203.
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Vgl.: Wölfl, Adelheid: Radio Maryja-Chef Tadeusz Rydzyk. Der Propagandachef der katholischen Nationalisten kann es sich sogar leisten, den Staatschef zu beschmipfen. In: Der Standard, 13.7.2007 [http://derstandard.at/?url=/?id=2957311]. Vgl. Meetschen, Stefan: Streit in Polen um Radio Marija. Eisige Kälte zwischen der Regierung und dem Sender – Auch das Verhältnis der Politiker zur Kirche wird kühler. In: Die Tagespost, 8. Jan. 2008, Nr. 4, S. 11. Anlaß war eine Forderung über vier Millionen Euro für eine von Rydzyk gegründete Hochschule im nordpolnischen Torun (Thorn), wo sich auch die Zentrale von „Radio Maryja“ befindet. Die Kaczynski-Regierung hatte ein Projekt gefördert zur Gewinnung von Thermalwasser gefördert, um die Hochschule zu heizen. Nun prüfte das Umweltministerium, ob bei dem Zuschuss wirlich alle rechtlichen Bestimmungen eingehalten worden seien. „Mit diesen Verdächtigungen zerstören sie den guten Ruf von Radio Marija“, so Rydzyk. [vgl. Meetschen, Stefan: „Streit in Polen um Radio Marija“. Eisige Kälte zwischen der Regierung und dem Sender – Auch das Verhältnis zur Kirche wird kühler. In: Die Tagespost, 8. Jan. 2008, Nr. 4, S. 11]. Vgl. Meetschen, Stefan: Streit in Polen um Radio Marija. Eisige Kälte zwischen der Regierung und dem Sender – Auch das Verhältnis der Politiker zur Kirche wird kühler. In: Die Tagespost, 8. Jan. 2008, Nr. 4, S. 11.
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3.4
Katholischer Journalismus nach dem Regierungswechsel
Nach dem national-konservativen Schwenk der polnischen Politik hatten liberale Medienvertreter geklagt, ihre Arbeit würde erschwert. Nachdem Donald Tusk neuer Premier geworden war, waren ähnliche Klagen von katholischen Standesvertretern zu hören. Diese waren alles andere als unbegründet. Es häuften sich Fälle, in denen katholische Journalisten sozialer Diskriminierung und Intoleranz ausgesetzt waren. Ein Beispiel war der Chefredakteur des erfolgreichen Nachrichtenmagazins „Go Niedzielny“, Pfarrer Marek Gancarczyk, der wegen seines Engagements in einer Lebensrechtsfrage zu einer hohen Schmerzengeldzahlung verurteilt werden sollte. Eine Frau namens Alicja Tysiçc, die vor neun Jahren ein gesundes Mädchen zur Welt gebracht hatte, gegen ihren Willen, auf Betreiben der polnischen Ärtze, die sich eindeutig gegen eine Abtreibung ausgesprochen hatten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gab jedoch dem Protest der unfreiwilligen Mutter Recht und verurteilte den polnischen Staat, der Abtreibungen verbietet, zu einer Strafzahlung wegen „unklarer ärztlicher Bestimmungen“. Chefredakteur Gancarczyk fand das unmöglich und machte den Fall zum Thema seines Magazins, was Tysiçc „als Eingriff in die Privatsphäre“ deutete und Ganaczyk auf Schmerzensgeld verklagte204. 50.000 Zoty wollte sie von Ganaczyk und vom bischöflichen Verlag, in dem „Go“ erscheint. Ein zivilrechtlicher Fall, der in der öffentlichen Berichterstattung bald von einem neuen, diesmal sogar strafrechtlich relevanten Fall verdrängt wurde. Im Mittelpunkt des neuen Konflikts stand kein Priester, sondern eine junge Frau: Joanna Najfeld (28), die nicht neine katholische Journalistin war, sondern darüber hinaus auch intelligent, humorvoll und attraktiv. Diese „leider nur selten zu findende, aber im Zeitalter der modernen Medien-Apologetik durchaus hilfreiche Kombination“ werde von Feministinnen und Homo-Lobby-Vertretern schon seit längerem mit Argwohn betrachtet, schrieb Stefan Meetschen in der katholischen Tagespost205. Auslösend für den Gerichtstermin war eine Fernseh-Dikussionsrunde, in der Joanna Najfeld zusammen mit Wanda Nowicka (53), der Vorsitzenden der „Vereinigung Frauen und Familienplanung“, und anderen feministisch-liberalen Streiterinnen auftrat. Nachdem Joanna Szenyszyn (60), eine wegen ihrer Polemik bekanntgewordene polnische EU-Parlamentarierin, Najfeld in unflätiger Weise beschimpft hatte („Sie sind in einer Höhle groß geworden. Sie haben sexuelle Obsessionen!“), auf welche Najfeld nicht eingegangen war, warf Najfeld der Organisation von Wanda Nowicka vor, von der Abtreibungslobby und Kontrazeptiva-Produzenten finanziert zu werden, was Nowicka als Beleidigung auffaßte und Najfeld verklagte. Beim ersten Gerichtstermin konnte Najfeld zwar sachlich darlegen, dass eine Mitarbeiterin Nowickas den behaupteten Finanzierungs-zusammenhang selbst einmal öffentlich in einer Talk-Show erwähnte habe. Dennoch hatte Najfeld Angst davor, für zwei Jahre ins Gefängnis zu müssen und bat deshalb auf einer eigens eingerichteten Homepage (mamproces.pl) um Gebet. Vieles sprach dafür, daß Najfelds Befürchtungen, so augenscheinlich sie juristisch auch im Recht war, nicht unbegründet waren. Die linken-liberalen Seilschaften des alten Systems schienen am Störfaktor Najfeld ein Exempel statuieren zu wollen. Zu souverän und damit demütigend waren ihre Auftritte in diversen Talk-Shows „für Feministinnen des alten
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Vgl. Meetschen, St.: Die heilige Johanna der Talk-Shows. Katholische Journalisten werden in Polen immer stärker attackiert – Der jüngste Fall betrifft eine junge Frau. In: Die Tagespost, 1.8.2009, Nr. 91, S. 11. Meetschen, St.: Die heilige Johanna der Talk-Shows. Katholische Journalisten werden in Polen immer stärker attackiert – Der jüngste Fall betrifft eine junge Frau. In: Die Tagespost, 1.8.2009, Nr. 91, S. 11.
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und Homolobbyisten des neuen Stils“ (Meetschen). Unvergeßlich war etwa der Auftritt Najfelds in einer Senung mit dem Homo-Lobbyisten Jacek Adler, in der Adler die homosexuelle Lebensweise propagierte und den partnerschaftlichen Treuefaktor homosexueller Beziehungen mit Blick auf Adoptionswünsche hervorhob. Darauf zog Najfeld ein Bild von Adlers Homepage aus der Tasche, auf welchem Adler vollkommen unbekleidet abgebildet war und laut Internet-Untertext „viele junge Männer“ zum Sex suche. Auf Najfelds Frage, wie sich dieses Bild mit der von ihm beschworenen Treue in Einklang bringen lasse, reagierte Adler mit Schweigen. Als er Najfeld am Ende der Sendung die Hand reichen wollte, meinte die: „Seitdem ich ihre Homepage gesehen habe und weiß, was sie mit dieser Hand schon alles gemacht haben, ziehe ich es vor, sie nicht zu drücken. Dennoch respektiere ich Sie als Person und Sie können sicher sein, daß ich für sie beten werde.“ Auch gegenüber einem Medizinprofessor, der Abtreibungen guthieß, nahm Najfeld in einer Sendung des öffentlich-rechtlichen Senders „TVP2“ höflich, aber bestimmt Stellung: „Wie können Sie als Arzt und Professor die Tötung von noch ungeborenen Babies gutheißen? Sie befürworten die Tötung menschlichen Lebens so wie es die Nazis auch getan haben.“ Das bescherte ihr viel Beifall, aber auch viele Angriffe – besonders von der bei Polens Katholiken sehr umstrittenen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“, die in journalistisch äußerst fragwürdiger Weise kirchliche Vertreter aller Frömmigkeitsstile attackiert. Najfeld wurde vorgeworfen, die „Tötung von Körpern mit der Tötung von Personen“ zu verwechseln. Der „TVP2“-Moderator Jan Pospieszalski (55), der sich nach dem Tod seiner Tochter der Kirche zugewandt hatte und seitdem von den Postkommunisten Polens in Medien und Politik scharf angegriffen wurde, war überzeugt, daß das Phänomen Najfeld darin besteht, daß sie in Auftreten und Aussehen radikal ein altes Klischee durchbricht: „Früher hat man bei Familien- und Frauenthemen im Fernsehstudio eine klare Sitzordnung gehabt. Auf der einen Seite saß der alte Priester, der konservative Standpunkte verteidigte, auf der anderen Seite eine junge, fortschrittliche Feministin. Joanna Najfeld wirbelt diese Stereotype durcheinander.“ Ganz so ängstlich schien Joanna Najfeld vor dem Prozess dennnoch nicht zu sein, da sie meinte: „Die Linken haben bereits das Feuer für den Scheiterhaufen entzündet. Jetzt wissen wir wenigstens, was sie wirklich denken und wollen.“
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3.5
Fernsehen und Rundfunk in Polen
Auch beim öffentlich-rechtlichen Fernsehsender brach nach dem Regierungswechsel ein erbitterter politischer Machtkampf aus. Seitdem die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) von Jaroslaw Kaczynski nach ihrem Wahlsieg im Herbst 2005 die Führungsposten der öffentlichen Medien mit eigenen Leuten besetzt hatte, bemüht sich die seit 2007 regierende liberale Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsident Donald Tusk vergeblich, diese Leitungsgremien umzubesetzen. Da die Amtsperiode der Mitglieder des TVP-Aufsichtsrates aber nicht verkürzt wurde, blieben die staatlichen Sender in der Hand der abgewählten Regierung. Die Auslandsberichterstattung beherrschte damit nach wie vor ein Deutschland-Bild, wonach die Bundesbürger die NS-Zeit verdrängten und alle Nachbarn dominieren wollten. Hinzu kam eine Umbesetzung an der Spitze der „TVP“, die für die PO eine noch größere Katastrophe war als Urbanski, der bisherige TVP-Direktor. Der Nationalkatholik Andrzej Urbanski, früher Leiter des Präsidialamtes, galt als Vertrauter des Staatspräsidenten Lech Kaczynski und dessen Zwillingsbruder Jarosaw, der die Oppositionspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) führte. Die Absetzung von Urbanski gelang zwar durch ein geschicktes Manöver, als der Aufsichtsrat nicht vollständig besetzt war, doch stattdessen wurde von diesem reduzierten Aufsichtsrat der erst 30-jährige Jurist Piotr Farfal als neuer Leiter bestimmt. Farfal nannte die Süddeutsche Zeitung einen „Rechtsaußen“, dessen Wahl an die TVP-Spitze den endgültigen Zerfall der national-patriotischen Koalition in Warschau markiere206. Da aber der von der linksliberalen „Gazeta Wyborcza“ als „ehemaliger Neonazi“ gescholtene Farfa207 – den Prozess gegen die Zeitung verlor er – auf den katholisch-konservativen Urbanski folgte, fragt man sich, warum diese Wahl den „endgültigen Zerfall“ markieren sollte, wie ihn die Süddeutsche Zeitung im Einklang mit der liberalkonservativen Regierung von Donald Tusk prophezeite. Farfal werde sich nicht lange an der Spitze des TVP-Aufsichtsrates halten können, erwartete man in Warschau, weil es zwischen rechtem Aufsichtsrat und rechtsextremem Direktor Farfal ständig Reibereien und Streitigkeiten gab. Diese gipfelten darin, daß der Aufsichtsrat Farfal im Sommer 2009 für drei Monate suspendierte. Farfal lehnte seine Absetzung aber als illegal ab und weigerte sich, seine Arbeitsbüros zu räumen. Das nationale Gericht bestätigte, dass die Suspendierung Farfas unrechtmäßig gewesen wäre. Fast zeitgleich mit der Suspendierungsaktion ging die polnische Regierung mit einem neuen Plan an die Öffentlichkeit: Man wolle einen staatlichen Verwalter für das öffentlichrechtliche Fernsehen TVP einsetzen, wie gab Schatzminister Aleksander Grad bekannt gab. Einen enstprechenden Antrag habe man bereits vor Gericht gestellt. Grads Begründung: Der aus dem Machtkampf resultierende ständige Personalwechsel habe TVP destabilisiert. Zudem sei die Finanzlage des Senders schlecht, es müßten Steuern in Millionenhöhe nachgezahlt werden. Das alles sei mit Ministerpräsident Tusk abgesprochen, so Grad. Doch damit nicht genug: die polnische Regierung plante zudem eine Abschaffung der Rundfunkgebühren, mit dem Argument: da nur 40 Prozent der Polen die Gebühren wirklich zahlten,
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Vgl. Urban, Th.: „Neuer Chef, alte Elite“. Der Rechtsaußen Piotr Farfal, 30, leitet Polens Staatsfernsehen TVP. In: Süddeutsche Zeitung, 5./6.1.2009, Nr. 3, S. 15. Farfal hatte die nationalkatholische „Liga der katholischen Familien“ hinter sich, „die noch ein paar Meter weiter rechts steht als PiS“ (Tagespost). Als Student war er Aktivist der rechtsextremen „Allpolnischen Jugend“ und Mitherausgeber einer Zeitschrift, „die gegen Juden und Minderheiten hetzte“, so die Süddeutsche Zeitung (5./6.1.2009, Nr. 3, S. 15).
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würde solche Gebühren keinen Sinn haben. Außerdem wäre es unmoralisch, meinte Tusk, dem Fernsehen Gelder zu garantieren, wenn andere Bereiche, etwa die medizinische Behandlung von Kindern, keine Garantie hätten. Die Vorstöße der Regierung und des TVPAufsichtsrates trieben in den Medien zu wilden Spekulationen: Will die PO-Regierung das öffentlich-rechtliche Fernsehen auf diese Weise so unter Druck setzen, daß sie schließlich doch noch die politische Oberhand gewinnt? Will sie das öffentlich-rechtliche Fernsehen zerstören, weil sie hofft, dadurch den starken und ihr gewogenen Privatsender „TVN“ zum alleinigen Marktherrscher zu machen? Tusks PO versuchte offenbar, das was seine politischen Vorgänger vorgemacht hatten, nachzumachen. Wie jede Regierungspartei versuchte auch die PO den „TVP“-Sender selbst zu kontrollieren, deren Nachrichten-sendungen die höchsten Einschaltquoten haben. Allerdings haben Untersuchungen ergeben, dass die absolute Mehrheit der polnischen Zuschauer sich bei Wahlen nicht vom Fernsehen beeinflussen läßt. Sie sind sich durchaus der Tatsache bewußt, daß der öffentlich-rechtlichen Sender in der Hand der Regierenden sind. Wie auch immer: Ein erstes Opfer der Streitigkeiten ließ sich bereits ausmachen208. Es war ausgerechnet der öffentlich-rechtliche Radiokultursender „Dwojka“, der zugab, von massiven finanziellen Kürzungen betroffen zu sein. Aus Protest strahlte der Sender, von der Komponisten Wojciech Kilar und der Regisseurin Agnieszka Holland unterstützt wird, 24 Stunden nur Vogelgezwitscher. Ein weiteres Opfer der Machtskämpfe war ein ebenfalls vonm Sejm gebilligter Senatsvorschlag, wonach die öffentlichen Medien verpflichtet seien, christliche Werte zu unterstützen. „Telewizija Polska“ (TVP) sendet zwei nationale und weitere lokale Fernsehprogramme und ist damit die landesweit wichtigste Fernsehanstalt. Die Verfassung Polens von 1997 garantiert in Artikel 54 die Pressefreiheit. Radio- und Fernsehsendern werden von einer staatlichen Aufsichtsbehörde lizensiert und kontrolliert – der „KRRiT“, Krajowa Rada Radiofonii i Telewizji („Landesrat für Radio und Fernsehen“). Mehrfach wurde von Mitgliedern dieser Aufsichtsbehörde die einseitige Berichterstattung von „TVP“ (zugunsten der Regierung) kritisiert. Der öffentlich-rechtliche Bereich wird von der „TVP“ repräsentiert. „Telewizja Polska“ (Polnisches Fernsehen) sendet zwei nationale (TVP1 und TVP2) und weitere lokale Fernsehprogramme (TVP3 Regionalna), ähnlich wie in Deutschland. „Telewizja Polska“ betreibt auch das Auslandsfernsehen „TV Polonia“. Der Kulturkanal „TVP Kultura“ ist bereits seit 2005 in Betrieb. Außerdem werden durch „Polskie Radio“ mehrere landesweite Radioprogramme ausgestrahlt. Die größten privatwirtschaftlichen Fernsehstationen sind „TVN“ und „Polsat“. „TVN“ bietet eine breite Palette an Programmen. Im Hauptsender laufen Unterhaltungs- und Informations-sendungen sowie Spielfilme und das übliche Programm. Zudem strahlt der Sender auch „TVN24“ (für Nachrichten), TVN Siedem (für Spielfilme) und TVN Meteo (für Wetterberichte) aus. 2003 wurden mit TVN Turbo (Autosport) und 2004 mit TVN Style (Lifestyle und Mode) und TVN International weitere Ableger gestartet, TVN MED, TVN Gra, Discovery TVN Historia, TVN Lingua. In Polen gibt es einige katholische Sender. TV Puls sendet seit März 2001 ein TV-Programm, das von polnischen Franziskanern produziert wird und nach eigenen Angaben ein familienfreundliches Programm ohne Gewalt und Pornographie anbietet. Im polnischen Fernsehen werden durchgehend (vom Beginn bis zum Ende einer Sendung) Symbole eingeblendet die das Mindestalter für eine Sendung anzeigen. So findet man zum Beispiel ein gelbes Dreieck mit der Ziffer 12, die
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Meetschen, St.: „Machtkämpfe und eine Farce“. Im polnischen Fernsehen herrscht Chaos – jetzt will die Regierung Fernsehgebühren abschaffen. In: Die Tagespost, 18.7.2009, Nr. 85, S. 11.
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somit darauf hinweist, dass die Sendung nicht für unter Zwölfjährige geeignet ist. Dieses neue System wurde im August 2005 eingeführt. Ausgenommen von dieser Kennzeichnung sind Informations- und Sportsendungen sowie Werbung. Ein grüner Punkt bedeutet, daß die Sendung für alle Altersgruppen bzw. Zuschauer frei ist. Ein gelbes Dreieck mit der Ziffer 7 bedeutet, daß die Sendung leichte vulgäre Ausdrücke und Gewaltszenen ohne Blut enthalten kann. Ein gelbes Dreieck mit der Ziffer 12 bedeutet, daß vulgäre Ausdrücke, Gewaltund Sexszenen vorkommen können. Ein gelbes Dreieck mit der Ziffer 16 bedeutet, daß scharfe vulgäre Ausdrücke, erhebliche Gewaltszenen und mehrere Sexszenen enthalten sein können. Und schließlich ein roter Punkt heißt, nur für Erwachsene, die Sendung enthält übermäßig viele Gewalt- und deutliche Sexszenen. Zu den populärsten landesweit ausgestrahlten Radiosendern gehören „Trójka“, das dritte Programm des staatlichen Rundfunks (Polskie Radio) sowie die privatwirtschaftlichen Sender „RMF FM“ und „Radio Zet“. Das Auslandsradio „Polskie Radio dla zagranicy“ sendet mehrmals täglich ein halbstündiges Programm in deutscher Sprache und kann über Satellit (im Großraum Berlin auch über UKW 97,2 MHz) oder via Internet empfangen werden209.
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Medien der Minderheiten in Polen
Die Nutzung aller gängigen Massenmedien ist für die deutsche Volksgruppe, die über ein großes Territorium verstreut lebt, von besonderer Bedeutung. Diese Aufgaben werden durch zwei Gesellschaften erfüllt, die von der deutschen Minderheit eigens gegründet wurden. Der Verlag Silesiapress fungiert als Herausgeber der größten deutschsprachigen Wochenzeitung in Polen, des „Schlesischen Wochenblatts“, das das ‚Zentralorgan‘ der Volksgruppe darstellt. Die Produktionsgesellschaft „Pro Futura“ GmbH210 realisiert seit 1992 im Auftrag der deutschen Minderheit publizistische Programme für das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen. Die ständige Erweiterung und Verbesserung des Medienangebots ist für beide Gesellschaften oberstes Ziel. Darüber hinaus erweitert die Minderheit ihre Internetpräsenz für alle Institutionen. Das „Schlesische Wochenblatt“ ist die auflagestärkste Zeitung in Polen, die sich überwiegend an deutschstämmige Personen richtet, deren Zahl allein im Oppelner Land auf ungefähr 200.000 geschätzt wird. Das Alter der Leserschaft des „Schlesischen Wochenblatts“ liegt heute zwischen 30 und 60 Jahren. Die Texte werden parallel in deutscher und polnischer Sprache abgedruckt. Das Wochenblatt erscheint in
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Polnische Fernsehsender: TV 4, Polsat 2, Tele 5, Polonia 1, VIVA, TMT und Radio Parlament. Polnische Radiosender, die als Webradio über das Internet empfangen werden können sind: Radio Trójka, RMF FM, Radio Zet und Radio Polonia. Die Produktionsgesellschaft „Pro Futura“ GmbH wurde 1992 von Sebastian Fikus gegründet. Seither produziert „Pro Futura“ regelmäßig deutschsprachige Programme „Schlesien Journal“ für das polnische öffentlichrechtliche Fernsehen TVP. Bis 1995 hatte sie eine komplette logistische Infrastruktur aufgebaut, die professionelle Fernsehproduktionen erlaubte. 1996 wurde die „Pro Futura“ in eine eigenständige Gesellschaft umgewandelt, deren Teilhaber die Organisationen der deutschen Minderheit sind. Seit 1998 produziert die Firma auch die Sendung „Schlesien Aktuell“ für das öffentlich-rechtliche Radio Opole. Realisiert werden hauptsächlich publizistische Programme für Radio und Fernsehen, darüber hinaus Reportagen, Dokumentarfilme und Fernsehdiskussionen. Diese Programme wurden in der Vergangenheit zweimal (1997 und 2002) mit dem deutsch-polnischen Journalistenpreis ausgezeichnet, der für besonderes Engagement für die deutsch-polnische Versöhnung verliehen wird. Die Themen der Sendungen kreisen um die deutsche Minderheit, um die deutschpolnische Versöhnung und den Abbau von Vorurteilen.
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einer Auflage von ungefähr 6.500 Exemplaren, wobei der Rücklauf 20 bis 30 Prozent der Auflage ausmacht. Die meisten Leser kommen aus dem Kreis Oppeln, weil gerade diese Region neben Oberschlesien das größte Ballungszentrum der deutschen Minderheit in Polen ist. Die Ukrainer bzw. Ruthenen sind mit 30.000 die drittgrößte Minderheit in Polen (nach Deutschen und Weißrussen). Deren größter Verband ist der Bund der Ukrainer in Polen (polnisch: Zwizek Ukrainców w Polsce). Er wurde 1990 gegründet, zählt 7.000 Mitglieder und ist Rechtsnachfolger des 1956 gegründeten „Ukrainischen Vereins für Gesellschaft und Kultur“ (polnisch: Ukraiskie Towarzystwo Spoeczno-Kulturalne). Er gibt die Wochenzeitung Nasze Sowo heraus und ist Mitherausgeber des Fernsehmagazins „Telenowyny“. „Nasze Sowo“ („Unser Wort“) ist eine vom Bund der Ukrainer in Polen herausgegebene Wochenzeitung. Sie erscheint in ukrainischer Sprache und wird in Polen sowie per Abonnement in Europa, den USA, Kanada, Südamerika, Australien und Neuseeland vertrieben. Die Zeitung wurde 1956 gegründet – damals noch vom Ukrainischen Verein für Gesellschaft und Kultur – und erreichte schnell eine Auflage von 17.000 Stück, wovon 70 Prozent im Abonnement vertrieben wurden. Anfangs sollte sie zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stabilisierung der vertriebenen Ukrainer dienen, wurde jedoch schnell zum Sprachrohr für deren Klagen über ihre Situation und nationale Diskriminierung im Nachkriegspolen. Die politisch unbequeme Zeitung geriet öfters in Schwierigkeiten mit den kommunistischen Machthabern und durfte auch nie offiziell in der Sowjetunion vertrieben werden. Nasze Sowo berichtet nicht nur Aktuelles über die ukrainische Minderheit in Polen, sondern auch über aktuelle Entwicklungen in der Ukraine und beschäftigt sich mit den polnisch-ukrainischen Beziehungen. Regelmäßig erscheinen Interviews und Kommentare – besonderen Platz haben auch die Lemken, ein aus Galizien stammendes Volk, das nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls umgesiedelt wurde. Die monatliche Beilage „Switanok“ richtet sich an ukrainische Kinder, mit der das Erlernen der ukrainischen Sprache gefördert werden soll. Die Beilage „Krynycia“ dagegen richtet sich speziell an Frauen. „Telenowyny“ („Fernsehnachrichten“) ist eine monatliche Fernsehsendung im polnischen Regionalprogramm „TVP3“. Sie wird in ukrainischer Sprache mit polnischen Untertiteln gesendet und wendet sich also neben den in Polen lebenden Ukrainern auch an polnischsprachige Zuschauer. Neben aktuellen Informationen für die ukrainische Minderheit spricht die Sendung auch Themen aus der polnisch-ukrainischen Geschichte an und beleuchtet die heutigen polnischukrainischen Beziehungen aus Sicht der Ukrainer. „Ridna Mowa“ („Die Muttersprache“) ist eine im Internet publizierte Bildungszeitschrift in polnischer, ukrainischer und englischer Sprache. Ihre Themen drehen sich rund um Bildung und Bildungspoltik der ukrainischen Minderheit in Polen. Erstellt wird sie vom Bund der Ukrainer in Polen.
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4.
Ungarn: Medien zwischen Altkommunisten und Nationalisten
In Ungarn wurden im berühmten und tragischen Jahr 1956 die Stimmen immer lauter, die nach Veränderungen riefen. Der Schriftsteller und Historiker György Dalos schrieb 1991, um die aufgewühlten jungen Intellektuellen zu beruhigen, rief die Partei einen Dikussionsclub, den berühmten Petöfi-Kreis, ins Leben211. Diese taktisch gemeinte Maßnahme erwies sich jedoch bald als Bumerang, denn die Clubabende, auf denen über Ökonomie, über Philosophie, über die Presse und über die Landwirtschaft frei diskutiert wurde, lockten sehr viel Publikum an. Im Spätsommer des Jahres 1956 waren die Organisatoren gezwungen, vor dem Versammlungsgebäude Lautsprecher aufzustellen, damit auch diejenigen etwas hören konnten, die nicht mehr in den Saal hineinpassten. Mehr und mehr wurden die Clubabende zu hitzigen Protestversammlungen gegen die Politik der Partei. Die Hauptforderung war, man möge aus den sowjetischen Veränderungen möglichst schnell Konsequenzen ziehen. Als Gegenmodell zum osteuropäischen Stalinismus diente jedoch nicht die Sowjetunion, sondern Titos Jugoslawien mit seinen Arbeiterräten, und von den Sprechern der Partei wollte man nichts mehr wissen. Die Folgen sind bekannt. Sowjetische Panzer walzten die Freiheitsbewegung nieder, und Ungarn wie ganz Osteuropa musste auf den reformfreudigen letzten Generalsekretär der KPdSU, Michail Gorbaev, warten, um die Diktatur abzuschütteln. Ungarn öffnete sich, was sich auch daran zeigte, dass der Aufstand von 1956, hinter der die Parteilinie westliche Diversanten und andere Machenschaften vermutet hatte, neu bewertet wurde. Die allein regierende Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei MSZMP (Magyar Szocialista Munkáspárt) leistete wenig Widerstand und freie Gewerkschaften und Vorläufer der politischen Parteien entstanden. Die Opposition bereitete mit der Staatspartei in Gesprächen am Runden Tisch die demokratische Umstellung vor. Die ersten freien Wahlen, die 1990 stattfanden, gewann die konservative Partei MDF (Magyar Demokrata Fórum, Ungarisches Demokratisches Forum). Sie bildete mit der FKGP (Független Kisgazdapárt, Unabhängige Partei der Kleinlandwirte) und der KDNP (Kereszténydemokrata Néppárt, Christlichdemokratische Volkspartei) eine Koalition. Die Opposition bildete der liberale SZDSZ (Szabad Demokraták Szövetsége, Bund der freien Demokraten), der damals noch liberale, später rechtskonservative Fidesz (Fiatal Demokraták Szövetsége, Bund der jungen Demokraten) und die ehemaligen Staatspartei, die sich nach der Abspaltung des orthodoxen Flügels in MSZP (Magyar Szocialista Párt, Ungarische Sozialistische Partei) umbenannt hatte. Erster Chef der ersten demokratischen Regierung Ungarns seit der kommunistischen Machtübernahme nach dem Krieg wurde József Antall. Da die konservative Koalitionsregierung die unvermeidlichen Härten der Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft nicht vermeiden konnte, brachten die Wahlen von 1994 einen deutlichen Linksruck. Die ex-kommunistische MSZP gewann im Parlament die absolute Mehrheit, bildete aber, um dem Westen ein versöhnliches Signal zu senden, eine Koalition mit dem gemäßigten SZDSZ. In die Regierungszeit des neuen Ministerpräsidenten Gyula Horn fielen einige harte und unpopuläre Budget-Maßnahmen, aber auch die Verabschiedung des wichtigen Mediengesetzes. Von den ungarischen Journalisten, die in den Jahrzehnten vor der Wende von 1988 und 1989 nicht ernsthaft hatten arbeiten können, wurden die Wende und der da-
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György Dalos: Ungarn. Vom Roten Stern zur Stephanskrone. Frankfurt am Main 1991, S. 65-72 [www.ungarn1956.de/site/40208597/default.aspx].
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mit einhergehende Wandel der Medienlandschaft enthusiastisch gefeiert. Unter dem alten Regime war es zwar seit den 1970er Jahren selten zu offener Zensur gekommen, aber der Zwang zur Selbstzensur war allgegenwärtig, durch sogenannte „Pressepläne“, die Themen vorgaben, die zu behandeln wären und solche, von denen man besser die Finger ließ. Papierzuteilung und Versorgung mit Agenturnachrichten je nach Wohlverhalten, wie auch monatliche parteiamtliche Informations- und Weisungssitzungen für die Chef-redakteure übten außerdem Druck aus, das Gewünschte zu publizieren. Freiheiten durften sich weniger die großen Tageszeitungen mit hoher Auflage erlauben als die kleinen Intellektuellen- und Satireblätter, die ohnehin nur wenige lasen, wobei das System an sich über alle Kritik erhaben war. Zentrale Aufmerksamkeit galt wie in allen kommunistischen Diktaturen so auch in Ungarn Fernsehen und Hörfunk, die direkter Leitung unterstanden. Aber auch dort konnte man beobachten, dass Sendungen mit geringeren Einschaltquoten, aber höherem Anspruch eher einmal Dinge sagen konnten, die in den Mainstream-Nachrichten undenkbar gewesen wären. Die 1980er Jahre waren in Ungarn Zeugen einer langsamen Erosion der Zentralgewalt in Fernsehen und Rundfunk. Unpolitische und unterhaltende Presseprodukte machten sich breit, das Fernsehen führte in großer Zahl westliche Filme ein, was natürlich zur Folge hatte, dass die Ungarn ihren Lebensstandard am westlichen messen konnten und unzufriedener wurden als sie es ohnehin schon waren. Der Staatspartei entglitt mehr und mehr die Kontrolle über die Öffentlichkeit. 1986 gründete eine Gruppe von Intellektuellen und Journalisten den „Öffentlichkeits-Klub“, in dem politische Fragen offen und unbeschränkt diskutiert wurden. Mit der Existenz dieses Klubs fehlte nicht mehr viel, um die Presselenkung an sich in Frage zu stellen.
4.1
„Medienkriege“ und regierungs(un)freundliche Berichterstattung
Die wesentliche Erblast, die die kommunistische Epoche den freien ungarischen Medien hinterliess, ist die politische Voreingenommenheit nicht aller, aber der einflussreichen, öffentlich-rechtlichen Medien, namentlich des Fernsehens zugunsten der Regierung. Die Soros-Stiftung212 umschrieb das Problem als Konflikt zwischen den neuen Rundfunknormen, die Neutralität und Objektivität verlangen, und der alten Gewohnheit des engagierten Journalismus, der in Ungarn vor der kommunistischen Machtübernahme 1948 galt – Neutralität versus Parteinahme, Kommentar versus Nachricht, Mobilisierung versus Information213. Das Muster des engagierten Journalisten, eines Egon Erwin Kisch, erstand neu in den Jahren der politischen Transformation, der Journalist nicht als Handwerker, sondern als Intellektueller, der die Gesellschaft voranbringen will. Dieses Phänomen war jedoch nicht auf Ungarn beschränkt. Es fand sich auch anderswo, wie man an der bereits geschilderten Mediensituation in anderen Ländern Osteuropas sieht. Der entscheidende Unterschied ist nur, dass dort, in Südosteuropa wie auch in Osteuropa, die Loyalität auch mit handfesten Mitteln erreicht wurde.
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Televison across Europe: regulation, policy and independence. Volume 2. Monitoring Reports 2005. Open Society Institute [www.soros.org/initiatives/media/articles_publications/publications/eurotv_20051011/voltwo_20051011.pdf]. Dieses Ideal darf jedoch nicht mit dem des sowjetischen engagierten Journalismus verwechselt werden, der sich nicht in den Dienst eines Mehrparteiensystems stellt, sondern nur den Ideen einer Partei dient. Vgl. u.a.: Lázár, Guy: Sajtó, hatalom („Presse und Macht“), in: Népszabadság, 28. Mai 1992.
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Die Wende schuf namentlich im öffentlichen-rechtlichen Sektor Ungarns vorerst ein Vakuum, das es einzelnen Parteien erlaubt hätte, sich einseitige Machtvorteile zu verschaffen. Daher kamen die Opposition und das abgehende Regime überein, bis zum Erlass eines demokratischen Mediengesetzes ein Frequenzmoratorium zu verhängen, das am 3. Juli 1989 in Kraft trat. Es durften keine neuen Radio- und TV-Frequenzen vergeben werden. Das entsprechende Mediengesetz wurde allerdings anders als erwartet erst Ende 1995 beschlossen. Die konservative Koalitionsregierung der Jahre vor 1994 reagierte, wie noch zu zeigen sein wird, auf Kritik der Journalisten, die sich ihrer wichtigen Rolle in der Wendezeit und davor durchaus bewußt waren, bisweilen sehr gereizt. Die Öffentlichkeit nahm die Angriffe auf den kritischen Journalismus teils willig auf, weil die Journalisten tatsächlich in der Wendezeit ihre Gehälter noch vom alten System bezogen. Erst als private Investoren einzuspringen und sich die Eigentumsverhältnisse neu zu ordnen begannen, verfing der Vorwurf der Regierung, kritische Medien und Journalisten würden mit dem dem alten System kollaborieren, nicht mehr. Der Beitrag der Medien zur demokratischen Wende sprach ohnehin dagegen. Der Regierung stieß übel auf, dass die Printmedien im Unterschied zu Rundfunk und Fernsehen schwer zu kontrollieren waren. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Rundfunk und Fernsehen waren bis zum Mediengesetz, also über die erste Regierungsperiode hinaus, kaum definiert. Aus diesem Manko und dem Ringen um Einfluss und Kontrolle in den Medien lassen sich die beiden „Medienkriege“ erklären, deren erster in die Regierungszeit der ersten frei gewählten Regierung (1990 bis 1994) fiel. Der zweite brach nach dem Antritt der wiederum konservativen Regierung Orbán 1998 aus. Bereits der Wahlkampf wurde Zeuge von Versuchen der Parteien, Einfluss auf die Medien zu nehmen, und den Konkurrenten mit deren Hilfe zu schaden, was sich auch nach dem Antritt der neuen Regierung fortsetzte. Hinderlich war nur, dass die Presse, die vormals im Parteibesitz gewesen war, mittlerweile den Besitzer gewechselt hatte: so waren sieben Regionalzeitungen an „Axel Springer“ gegangen, einige auch an die „Mediaprint“. Also wich die Regierung auf Rundfunk und Fernsehen aus, da diese ihre Monopolstellung noch bewahrten, und auf die einzige noch im Staatsbesitz gebliebene Tageszeitung „Magyar Hírlap“, die ‚privatisiert‘ wurde, indem man sie an eine von der Regierung ausgewählte französische Gesellschaft verkaufte. In Gestalt der neuen Tageszeitung „Új Magyarország“ („Neues Ungarn“), hinter der eine eigens geschaffene Verlagsgesellschaft stand, schuf man sich Anfang 1991 ein weiteres regierungsfreundliches Presseorgan, das für Staatsunternehmen warb, und dem exklusive Interviews seitens wichtiger Regierungsmitglieder gewährt wurden. Als Beginn des ersten Medienkrieges gilt der Oktober 1990. Der damalige Präsident des staatlichen Fernsehens, Elemér Hankiss, weigerte sich, ein Interview mit Ministerpräsident Antall zu senden, mit der Begründung, dass dieser als Parteipolitiker das Wahlergebnis hätte beeinflussen können. Die Regierung erwartete sich dagegen Loyalität vom Monopol-Rundfunk, während dieser auf das Prinzip der Neutralität pochte. Der Soziologe Elemér Hankiss war als Präsident der ungarischen Fernsehanstalt und der Politologe Csaba Gombár als Chef des Rundfunks bereits im Sommer 1990 aufgrund einer Übereinkunft der zwei größten Parteien und des Staatspräsidenten eingesetzt worden. Da man das neue Mediengesetz in Bälde erwartete, sahen viele Mitglieder der Regierungskoalition die beiden Fachfremden als Übergangslösung an, und waren umso erboster, als sich die Diskussion hinzog und Hankiss und Gombár institutionelle (Fortbildung u.ä.) und vor allem personelle Entscheidungen trafen – es wurde niemand entlassen, trotz des personellen Wasserkopfs des Staatsfunks –, die mancher konservative Politiker und die ebenso orientierten Medien als Versäumnis, ja Versuch der „kommunistischen Restauration“ empfanden. Man forderte ‚objektivere‘ Redakteure für die wichtigen Nachrichtensendungen, und
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schließlich auch die Entlassung des Rundfunkpräsidenten. Da es, wie gesagt, kein anwendbares Mediengesetz gab, berief sich Ministerpräsident Antall auf eine Regierungsverordnung von 1974, um Rundfunkpräsident Gombár zu entlassen, was jedoch Staatspräsident Árpád Göncz nicht unterstützte. Ebenso lehnte er es ab, die später betriebene Entlassung Hankiss‘ zu unterschreiben. Aus Ausweg blieb der Regierung nur noch, die staatliche finanzielle Förderung beider Anstalten auszusetzen, und Hankiss wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten juristisch anzugreifen. Die Vorwürfe sollten sich später als haltlos herausstellen. Nach dem Vorbild der Zeitung „Neues Ungarn“ und als Gegengewicht gegen die als einseitig empfundene Bericht-erstattung der großen Sender gründeten sich schließlich regierungsnahe Kreise den neuen Fernsehkanal „Duna TV“, der wegen der Vergabesperre für terrestrische Frequenzen über Satellit sendete. Sein ungarisch-katholisch orientiertes Programm wandte sich an ein das nationale Publikum wie auch an die ungarische Diaspora, an Ungarn, die seit dem seit dem Friedensvertrag von Trianon von 1920 im rumänischen Siebenbürgen oder der Slowakei leben. Nicht nur das konservative Milieu fand Wege, das Frequenzmoratorium zu umgehen. Neu entstehende Piratensender wurden wegen der unklaren Lage, in der es kein Verbot, nur die Weigerung der Frequenzvergabe gab, halbherzig verfolgt und konnten weitgehend ungestört in ihren Regionen senden. Obwohl dringend erwartet, wurde Ende 1992 der erste Entwurf des Mediengesetzes von der Opposition abgelehnt, die die große Macht, die der Gesetzentwurf der Regierung bei der Auswahl der Rundfunkpräsidenten zusprach, kritisierte. Der öffentliche und politische Druck wurde Hankiss und Gombár zu groß und sie traten Anfang 1993 zurück. In diesem jahr setzte das ein, was die einen als positiven Umschwung zu sachlicherer, weniger ideologischer Berichterstattung lobten, die anderen als Umschwung zum regierungsfreundlichen Staatsfunk kritisierten. Der auf Empfehlung der Regierung für ein Jahr eingesetzte Vizepräsident stellte Sendungen wegen angeblicher Unausgeglichenheit ein und entließ oder versetzte Redakteure, denen man eine links-liberale Orientierung nachsagte. Dass auch die konservative Regierung mit den alten Kadern arbeiten musste, weil es schlicht keinen Journalisten gab, der seine Sozialisation nicht im Kommunismus erfahren hätte, beweist schon die Tatsache, dass auch die im Namen der „Befreiung der Institutionen von alten Kommunisten“ eingesetzten neuen Redakteure vor der Wende Funktionen in der Staatspartei innegehabt hatten. Umso deutlicher musste man sich abgrenzen und griff vor den Wahlen von 1994 die ex-kommunistische MSZP (Magyar Szocialista Párt) in einer Weise an, als wolle sie zur alten Einparteiendiktatur zurückkehren. Das konnte nicht verhindern, dass die Sozialisten die Wahl gewannen und zusammen mit der anderen früheren großen Oppositionspartei SZDSZ eine Koalition bildeten. Die neue Regierung vollzog keine Wende, sondern drehte den Spieß einfach um. Sie setzte neue Präsidenten ein und entließ die alten. 170 Mitarbeiter der Fernseh-Abendnachrichten wurden an einem einzigen Tag entlassen, was die Öffentlichkeit natürlich vermerkte und heftig kritisierte. Vergleicht man die Regierungszeit vor 1994 und danach anhand der Hauptnachrichten stellt man fest, dass die Regierungsarbeit grundsätzlich sehr gut dargestellt wurde. In der Regierungszeit der Minsterpräsidenten József Antall und Péter Boross (1990-1994), besonders markant im Herbst 1993, brachten die Hauptnachrichtenformate des ungarischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens „Híradó“ („Tagesschau“) und „A Hét“ („Die Woche“) deutlich mehr Positives über die aktuelle Regierung als die unabhängigen Medien. „A Hét“ blendete sogar die negativen Nachrichten, über die andere Medien ausführlich berichteten, aus. „Híradó“ neigte dazu, politische Erfolge grundsätzlich der Arbeit der Regierung oder der Koalitionsparteien zuzuschreiben, und stellte die Oppositionsparteien in unvorteilhafter
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bis offen negativer Weise dar, um den Zuschauer entsprechend zu beeinflussen. In der Zeit von Minsterpräsident Gyula Horn (1994-1998) tauchten die Regierungspolitiker in „A Hét“ sogar in bis zu 97 Prozent der Sendezeit der heimischen Nachrichten auf, wenn sich auch dieser Spitzenwert im Laufe der Zeit deutlich relativierte. Auch „Híradó“ sah zwar weiterhin die Arbeit der Koalitionsparteien als Hauptquelle des Erfolges – weniger die der Opposition –, doch die Nachdrücklichkeit, mit der diese Sicht noch vor dem Regierungswechsel vermittelt worden war, ließ nach. Die Parteilichkeit war in der Antall-Boross-Zeit wesentlich stärker gewesen als in der nachfolgenden Ära Horn. 1993 kamen Regierungspolitiker in 84 Prozent der nationalen Nachrichten vor, während die Opposition sich mit magernen 16 Prozent begnügen musste. Bis Mai 1996 hatten sich diese Zahlen zu 72 und 28 Prozent verändert. Im Herbst 1996 waren Regierungs- und Oppositions-politiker auf Augenhöhe, was ihre Präsenz in den staatlichen Medien betraf. Dennoch kritisierte die Opposition, ihre Vertreter würden durch andere Mittel, etwa durch die Kameraperspektive oder die Einstellung, weiterhin nicht so positiv dargestellt. Insgesamt ließ sich aber feststellen, dass die staatstragend-ideologische Präsentation der Regierungspolitik, das Erbteil der roten Vergangenheit, allmählich einem sachlicheren Zugang wich. Es wurden weniger feierliche Straßeneröffnungen gezeigt und mehr Sachprobleme diskutiert. Ende 1995 beschloss das ungarische Parlament endlich und fast einstimmig das lang erwartete Mediengesetz, das den ersten „Medienkrieg“ formal beendete, als es Anfang 1996 auch vom Staatspräsidenten ratifiziert wurde. Es ermöglichte privaten Rundfunk und verringerte damit die vorher problematische Rundfunkkonzentration214. Auch der Einfluss der Politik wurde vorsichtig verringert, bzw. in einen rechtlichen Rahmen gefaßt. In den einleitenden Bestimmungen des Gesetzes heißt es, das Parlament schaffe „in Überein-stimmung mit § 61 der Verfassung folgendes Gesetz für freies und unabhängiges Radio und Fernsehen, die Freiheit der Meinungsäußerung, die Unabhängigkeit, Ausgeglichenheit und Sachlichkeit der Information, die Förderung der inter- und nationalen Kultur, die Vielfalt der Meinungen und der Kultur, und um Informationsmonopole zu verhindern“. Was das mit großer parlamentarischer Mehrheit beschlossene Mediengesetz zumindest für gewisse Zeit brachte war eine Normalisierung in den elektronischen Medien. Die politische Kontrolle über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde zurückgedrängt, Privatsender entstanden. Die drei terrestrischen Rundfunkfrequenzen wurden so verteilt, dass eine beim öffentlichrechtlichen „Magyar Televízió“ verblieb, zwei wurden an private Fernsehsender, einen deutschen und an eine US-Gruppe, vergeben. Der zweite Kanal von „Magyar Televízió“ wechselte auf Satelliten-Ausstrahlung und „Duna-TV“ blieb bei dieser Sendetechnik. Dass
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Die wesentlichen Definitionen des Gesetzes lauten: Öffentlich-rechtlicher Programmanbieter: Programmanbieter, der aufgrund eines von der Staatlichen Körperschaft für Radio und Fernsehen akzeptierten Programmplanes mehrheitlich öffentlich-rechtliche Programmpunkte ausstrahlt. Öffentlich-rechtliches Programm: Programm, in dem die öffentlich-rechtlichen Programmpunkte eine bestimmende Rolle spielen, und das die Zuhörer und Zuschauer im Sendegebiet regelmäßig über Fragen allgemeinen Interesses informiert. Öffentlichrechtlicher Programmpunkt: Programmpunkt, der die kulturellen, Informations-, Staatsbürger-, Lebensführungsbedürfnisse und -interessen erfüllt, insbesondere: a) Informationen über künstlerisches Schaffen, die internationale und ungarische Kultur sowie die der in Ungarn lebenden nationalen und ethnischen Minderheiten; Informationen über das Leben und die Standpunkte der in Ungarn lebenden nationalen und ethnischen Minderheiten; b) Aus- und Weiterbildung; c) Information über wissenschaftliche Tätigkeit und Ergebnisse; d) Sendungen zur Unterstützung der Religionsfreiheit und solche, die das geistliche Leben zeigen; e) Sendungen für Kinder und Jugendliche und solche, die zum Zwecke des Kinderschutzes informieren und aufklären; f) Informationen, die im täglichen Leben helfen, die rechtliche und soziale Bildung der Staatsbürger, gesunde Lebensweisen, den Umweltschutz, den Natur- und Landschaftsschutz, die öffentliche Sicherheit, die Sicherheit im Straßenverkehr fördern. [Ungarisches Mediengesetz 1996].
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das Publikum mit den neuen Programmen durchaus zufrieden war, zeigte sich daran, dass bereits 1998, im ersten Jahr nach dem Start der zwei terrestrischen Privatfernsehsender, beide die zugleich die Spitzenposition erklommen, weit vor dem früheren Marktführer „MTV1“ („Magyar Televízió 1“). Der Fernsehkonsum der Ungarn soll nach Untersuchungen nur noch von dem der US-Amerikaner übertroffen werden. Der zweite „Medienkrieg“ brauch nach den Parlamentswahlen im Frühjahr 1998 aus, die die rechtskonservative Partei Fidesz-MPP (Magyar Polgári Párt, Ungarische Bürgerpartei) gewann. Sie bildete mit den konservativen Kleinlandwirten und Christdemokraten eine mit dünner Mehrheit abgesicherte Koalition unter Ministerpräsident Viktor Orbán. Neben der liberalen SZDSZ und der sozialdemokratischen MSZP kam eine kleine rechtsextreme Partei namens „MIÉP (Magyar Igazság és Élet Pártja, Partei der ungarischen Gerechtigkeit und des Lebens) ins Parlament. Im Frühjahr 1998 herrschte in der ungarischen Medienlandschaft relativer Frieden, sowohl bei den Printmedien, die großteils in privater Hand waren, als auch bei den elektronischen Medien – ein öffentlich-rechtlicher und zwei private terrestrische Fernsehsender, weitere im Kabel und auf Satellit. Nur im Hörfunk hatte das öffentlich-rechtliche „Kossuth Rádió“ ein faktisches Nachrichtenmonopol, weil die privaten und auch die zwei anderen öffentlich-rechtlichen Stationen sich eher auf Musik und Unterhaltung verlegten. Nachdem die vorherige sozialistische Regierung für Staatsunternehmen in den auflagenstarken links-liberalen Zeitungen geworben hatte, unterstützte nun die OrbánRegierung mit diesen Geldern die ihr nahestehenden konservativen Zeitungen. Ab Sommer 1998 äußerte sich Ministerpräsident Orbán allwöchentlich im öffentlich-rechtlichen „Kossuth Rádió zu aktuellen politischen Fragen, ohne der Opposition Gelegenheit zu geben, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Die Revanche für die angebliche linke Übermacht in den Medien folgte im September 1998, als Orbán ankündigte, er wolle ab sofort die konservativnationalen Medien präferieren. Im Februar 1999 setzte das Parlament ein neues Kuratoriumspräsidium des Ungarischen Fernsehens ein, das nun ausschließlich aus den von den Regierungs-fraktionen nominierten Personen bestand215. In der Folge kam es unter anderem zur Beschlagnahme der Computer einer vollständigen Redaktion, was zur Einstellung der Zeitung führte; zu Gesetzesvorschlägen, die ein grundsätzliches Entgegnungsrecht in allen Medien einführen wollten oder zur willkürlichen Vergabe von Radiofrequenzen an parteinahe Firmen. Wenn auch die linke Vorgängerregierung durchaus auch ihre Art der Vetternwirtschaft kannte, nahm diese unter der Regierung Orbán der Jahre 1998 bis 2002 besondere Formen an. Die Regierungsarbeit bzw. deren Repräsentanten wurden nun wieder in den Nachrichten-programmen der wichtigsten öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Fernsehsender in bis zu 81 Prozent der Sendezeit behandelt, und das zumeist in günstigem Lichte, ganz im Gegensatz zur Opposition, die wiederum schlecht abschnitt und zu wichtigen Fragen so gut wie nicht zu Wort kam. Die Opposition erhielt 1999 in den öffentlich-rechtlichen Medien keine Sendezeit. Dieser Zustand hielt an – „Híradó“ brachte zum Beispiel zwischen November 1999 und Januar 2000 wesentlich mehr ‚gute Nachrichten‘ als die Nachrichtensendung „Tények“ („Fakten“) des Senders „TV2“ – bis ab dem Jahr 2002 sich die Sozialisten Péter Medgyessy und Ferenc Gyurcsán ablösten. Der Anteil der Bericht über die Regie-
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Die Oppositionsparteien konnten sich nicht auf ihre vier Vertreter einigen, weil die wegen Austritten u.a. nur mehr mit drei Prozent im Parlament vertretene MIÉP darauf bestanden hatte, zwei Vertreter zu entsenden, was für die zwei anderen wesentlich größeren Oppositionsparteien (35 bzw. 6 Prozent) nicht akzeptabel war. Dieses Schauspiel wiederholte sich danach auch beim Radio, bei „Duna-TV“ und der staatlichen Nachrichtenagentur, weshalb sie allesamt ohne Oppositionsvertreter arbeiteten.
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rung nahm wieder ein normales Maß an, auch die poliitschen Fehler wurden ausführlich analyisiert. Alte und neue Loyalitäten wirkten sich freilich weiterhin aus. Das ungarische Fernsehen, dessen neuer Präsident nach dem Regierungswechsel von 2002 ernannt worden war, widmete der neuen Regierung und ihrer Koalition mehr Sendezeit – durchschnittlich 71 Prozent – als der Ungarische Rundfunk, dessen Präsident für seine Sympathien für die rechten, konservativen Parteien bekannt war. Die rechte Opposition tauchte ebenfalls in der Morgensendung von „Kossuth Radio“, „Reggeli Krónika“ („Morgenchronik“), die im Schnitt zwei Millionen Zuhörer hat, deutlich häufiger auf die Regierung und ihre Koalitionsparteien. Ausgleichend wirkte nur, dass die kommerziellen Anbieter nicht unbedingt neutraler berichteten, sich aber entsprechend dem Geschmack der Zuhörer bzw. Zuschauer eher auf leichte Unterhaltung verlegten, und damit die Politik in der Wahrnehmung zurücktrat – denn gerade die privaten, kommerziellen Sender wie auch die Boulevardpresse haben auch in Ungarn in den letzten Jahren deutlich zugelegt. Dass regierungsfreundliche Berichterstattung und Druck auf die Medien kein Garant für den Machterhalt sind, zeigt schon die Tatsache, dass der Wähler keiner der frei gewählten post-kommunistischen Regierungen Ungarns eine zweite Regierungsperiode zugestand.
4.2
Die ungarische Medienlandschaft nach der Jahrtausendwende
Mit einer gewissen Verzögerung, könnte man hinzufügen, denn Orbán wurde im April 2010 erneut in das Amt des Ministerpräsidenten gewählt, wobei ihm die rechtsradikale „Jobbik“-Bewegung dicht auf den Fersen folgte. Gerade die erste Regierungszeit Viktor Orbáns war von heftigen Auseinandersetzungen um seine politische Orientierung wie auch die Einflussnahme auf die Medien geprägt. Man stritt um eine „Kontrollgruppe“, die die Ungarn-Berichterstattung der Auslandskorrespondenten bewerten würde, und von der man erfuhr, weil die Tageszeitung „Magyar Nemzet“ eine einschlägige Liste ‚verdächtiger‘Journalisten abdruckte216. Zu diesen Journalisten, die negativ über das Gastland berichtet hätten, gehörten Korrespondenten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, des „Handelsblatt“ und der „Neuen Zürcher Zeitung“. Der Verein der Auslandspresse in Budapest drückte in einem Brief an den ungarischen Außenminister seine Besorgnis aus. Inländische Medien warfen der „Kontrollgruppe“ vor, im Auftrag der Regierung zu handeln, obwohl
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Ministerpräsident Viktor Orbán hatte 2001 eine Liste mit Oppositionspolitikern und Intellektuellen präsentiert, die Journalisten einseitig beeinflusst hätten. Die jetzige Aktion der „Kontrollgruppe“ käme, meinten manche, pünktlich zur heißen Phase des Wahlkampfes. Eine gefährliche, erbitterte Polarisierung zwischen nationalkonservativer Koalition und sozialistisch-linksliberaler Opposition hätte das politische Leben erfasst, infiziere alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und drohe die Institutionen der noch jungen ungarischen Demokratie zu beschädigen. In dieses unwürdige Spiel ‚für uns oder gegen Ungarn' sollen nun auch die ausländischen Korrespondenten hineingezogen werden. Eine Folge des Streits war, dass die für Januar 2002 in Budapest geplante Konferenz „Medien und kritische Öffentlichkeit“ unter Schirmherrschaft von György Konrad abgesagt werden musste, weil die Münchener Kulturreferentin Lydia Hartl ihre Unterstützung zurückzog. Das Münchener Kulturreferat warf der Organisatorin Magdalena Marsovszky vor, kein richtiges Konzept vorgelegt und keine konkreten Absprachen getroffen zu haben. Die Konferenz mit Medienwissenschaftlern, Journalisten und Soziologen aus Deutschland, Österreich und Ungarn sollte die erste Konferenz in der Reihe „Kulturbrücke München-Wien Budapest“ sein und sich auch mit dem wachsenden Antisemitismus und Rechtsradikalismus in Ungarn beschäftigen. Bei allem bekundeten Wohlwollen hielt Lydia Hartl eine Beteiligung an dem Projekt für „indiskutabel“, weil jeder Bezug zu München fehlte: „Es ist doch nicht unsere Aufgabe, uns um Rassismus und Pressefreiheit in Ungarn zu kümmern.“
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man sich nicht sicher war, ob die davon angetan war. Es sollte politischer Druck erzeugt werden. Die „Kontrollgruppe“ und ihre Förderer wollten sich der Regierung auf jeden Fall andienen. Bedenklich erschienen auch die Massenentlassungen bei den elektronischen Medien, nicht nur unter Orbán, sondern auch unter früheren Regierungen, aber auch zahlenmäßig geringere Kündigungen oppositionell eingestellter Mitarbeiter. Der Weg zu unabhängigen öffentlich-rechtlichen Sendern erschien noch weit. Auch der zu ethischen Mindeststandards, wie mancher anmerkte. Je härter die politische Auseinander-setzung im Parlament zwischen den verfeindeten Lagern wurde, desto ausgeprägter wurde der Kampagnenjournalismus. Maßhalten und Toleranz wären zu Fremdwörtern geworden, obwohl beide Lager an ihrem Anspruch festhielten, den bürgerlichen Anstand zu repräsentieren und Hassparolen ablehnend gegenüberzustehen, meinte der Journalist Gergely Márton. Der Ton wurde vor den Parlamentswahlen 2002 schärfer, schon weil es für die rechts-konservative Regierung Orbán wie auch für die Opposition um alles ging. Die konservativen bzw. linken Medien waren ihren politischen Lagern ideologisch wie finanziell verpflichtet. Die meisten konservativen Blätter waren in den roten Zahlen und auf die Unterstützung der Regierung angewiesen. Ein Wahlsieg der Opposition konnte den Bankrott bedeuten. Die liberalen Zeitungen, die um ihr Überleben kämpften, hofften auf den Sieg der Opposition, wie auch die beiden regierungskritischen Privatsender. In liberalen Kreisen herrschte die Sorge vor, die gewinnorientierten ausländischen Firmen, die im ungarischen Pressemarkt dominieren, könnten im Wahlkampf dem Druck der konservativen Parteien nachgeben. Da sich die ausgeprägte Einflussnahme vor allem im öffentlich-rechtlichen Sektor abspielte, die Medienlandschaft insgesamt sich davon freihalten konnte, belegte Ungarn in punkto Pressefreiheit im neuen Jahrtausend vorderste Plätze. In der Rangliste der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ kam Ungarn 2007 auf den zehnten Platz nach Tschechien (Platz 5) und der Slowakei (Platz 8)217. Die Pressefreiheit werde in Ungarn weiterhin respektiert, hieß es 2007 im „FiFoOst“ 2007218. Über 80 Prozent der Printmedien und etwa 70 Prozent der Rundfunk- und Fernsehanstalten befinden sich in Privatbesitz. Doch diese positiven Daten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Freiheit der Medien auch in Ungarn nicht unbestritten ist. Seitdem die ungarischen Rechtsextremen von „Jobbik“ („Bewegung für ein besseres Ungarn“) und anderen Gruppierungen auf dem Vormarsch sind, stieg für ungarische Journalisten das Risiko, über Rechtsextreme zu berichten oder sich auch nur kritisch über sie zu äußern. Ins Schussfeld der politischen Aufrüstung geriet zum Beispiel der bekannte linksliberale Journalist Jozsef Orosz ist mit seiner politischen Talkshow „Kontra“, die im Frühabendprogramm des Budapester Klubradio auf Sendung geht. Der Sender und vor allem Orosz werden immer wieder von Rechtsextremisten bedroht. Während der gewalttätigen Demonstrationen im Herbst 2006 wurde Orosz auf dem Platz vor dem Parlament eine Laterne zugewiesen, an der er hängen sollte. Seitdem bekam er regelmäßig Drohbriefe, Drohanrufe und Droh-eMails. Auf der rechtsextremen Internetseite „kuruc.info“ hieß es, zuerst solle man die Juden in die Donau werfen, danach den „homosexuellen genetischen Abfall“. Orosz lebte teils wochenlang unter dem Schutz von Leibwächtern. Bisher passierte ihm nichts, er hatte Glück, im Gegensatz zu seinem Freund und Kollegen Sandor Csintalan. Im Dezember 2007 berichteten die Nachrichten des Budapester Fernsehsenders „HírTV“ über den Fall des Sandor Csintalan, eines ehemaligen Spitzenpolitikers der regierenden
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Vgl.: www.hagalil.com/archiv/2007/08/pressefreiheit.htm. Vgl.: www.fifoost.org/ungarn/hu_de/node14.php.
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Sozialistischen Partei, der dann Moderator einer Polit-Talkshow bei „HírTV“ wurde. Er war in der Tiefgarage seines Wohnblocks von vier Unbekannten krankenhausreif geschlagen worden. Csintalan, der gerade eine Herzoperation überstanden hatte, flehte um sein Leben. Zu der Tat bekannte sich eine ominöse rechtsextreme Organisation namens „Pfeile der Ungarn“. Csintalan lag nach der Tat eine Woche im Krankenhaus und stand danach rund um die Uhr unter Polizeischutz. Der Anschlag auf ihn ist nur einer der schlimmsten der letzten Jahre, aber längst nicht der einzige. Da auf rechtsextremen ungarischen Internetseiten Namen, Fotos und Adressen von Journalisten publik gemacht wurden, hatten manche Journalisten ständige Übergriffe zu erdulden, so zum Beispiel Attila Hidvegi, Reporter von „MIT“, der größten ungarischen Nachrichtenagentur. Hidvegi war rasch als Opfer ausgemacht, weil er bei „MIT“ für den Bereich Rechtsextremismus zuständig war. Am ungarischen Nationalfeiertag 2006 demonstrierten die Rechtsextremen, bauten Barrikaden, bewarfen die Polizei mit Steinen und griffen irgendwann auch die Journalisten an. Hidvegi wurde minutenlang mit Fausthieben und Fußtritten bearbeitet, weil er für die „jüdischkommunistische“ Presseagentur „MIT“ arbeitet. Das Angebot seines Arbeitgebers, in ein anderes Ressort zu wechseln, schlug er aus. Sich einschüchtern zu lassen, sei, so Hidvegi, eine Einschränkung der Pressefreiheit, womit die Extremisten ihr Ziel erreicht hätten. Ein weiteres Problem der Medien, das auch andere Transformationsstaaten kennen, sind die prekären Arbeitsverhältnisse. Über den ungarischen Satellitensender „Duna TV“ sagte man in dieser Hinsicht sogar, sie sei die „schlimmste Sendeanstalt Europas“. Gerade gut ausgebildete junge Leute arbeiten unterbezahlt in prekären Dienstverhältnissen, was für den Zeitungsmarkt in letzter Konsequenz stetigen Qualitätsverlust und Verlust an Lesern bedeutet. In den öffentlich-rechtlichen Medien bleibt den Journalisten jedoch nichts übrig als sich in das Unvermeidlich zu ergeben. Nach der Wende spaltete sich die ungarische Politik in zwei extrem verfeindete Lager: ein linksliberales und ein bürgerlich-konservatives. Der seit 1996 öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde in dieser Auseinandersetzung immer wieder als Instrument der Mehrheit gegen die Opposition verwendet. 2002 schaffte die damalige sozialliberale Regierung die Rundfunkgebühren als Geschenk an ihre Wähler ab. Seitdem sind das öffentlich-rechtliche „MTV“ („Magyar Televízió“), wie auch „MR“ („Magyar Rádió“) und „Duna TV“219, von direkten Zuwendungen aus dem Staatshaushalt abhängig. Nach dem ungarischen Mediengesetz von 1999 wird zwischen den Begriffen öffentlichrechtliches und staatliches Medium kein Unterschied mehr gemacht, was zu einem jährlich wiederkehrenden Streit über das nächstjährige Budget der effektiv staatlichen, doch als öffentlich-rechtlich bezeichneten Medienanstalt führt. 2006 bezeichnete der damalige EBUPräsident die Situation der öffentlich-rechtlichen Medien Ungarns als eine der schlimmsten in Europa. Private Alternativen entstanden in Ungarn seit der Wende mehr als genug. Einflussreichstes ausländisches Medienhaus im Printbereich ist „Ringier“ aus der Schweiz. Dem Unternehmen gehört sowohl die einflussreichste Tageszeitung „Nepszabadsag“, als
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Die öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft „Duna Televízió“ (dt. „Donau TV“) hat ihren Sitz in Budapest. Der gleichnamige Fernsehsender hat das Ziel, die Auslandsungarn mit politischen und kulturellen Nachrichten ihrer Heimat zu versorgen. Das seit Dezember 1992 über Satellit ausgestrahlte Programm ist v.a. in ungarischer Sprache, bietet aber auch bilinguale oder untertitelte Magazine für Ausländer oder die Nachfahren ungarischer Minderheiten in Siebenbürgen oder der Slowakei. Finanziell ist „Duna TV“ von freiwilligen Spenden und monatlichen Zahlungen abhängig. „Duna TV“ kann international empfangen werden – vor allem in Europa, Vorderasien, Nordafrika, Australien, sowie in Nord- und Südamerika. Außerdem wird ein Livestream angeboten. Der von „Duna TV“ ebenfalls betriebene Sender „Duna II Autonómia“ kann seit dem 18. April 2006 unverschlüsselt über den Satelliten „Hot Bird 6“ empfangen werden. „Duna II Autonómia“ ist, wie der Name sagt, für europäische Minderheiten bestimmt, und wird aus EU-Fördermitteln finanziert.
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auch die Boulevardzeitung „Blic“. Das österreichische Medienhaus „Eugen A. Russ“ gibt vier Regionalzeitungen heraus. Beim Fernsehen dominiert „RTL Klub“ der deutschen „Bertelsmann Gruppe“ mit über 45 Prozent Marktanteil, während die öffentlichen-rechtlichen Sender „M1“, „M2“ und „Duna“ kaum zehn Prozent erreichen. Die privaten Medien in Ungarn konnten und können zwar die Emotionen am kochen halten – so wie während der langanhaltenden Demonstrationen im Oktober 2006 gegen die Regierung Gyurcsány, der vorgeworfen wurde, die Öffentlichkeit über die miserable Verfassung des Staatshaushalts belogen zu haben –, auch sind sie in der Lage, Skandale aufzudecken, doch Analyse und Diskussion sind nach wie vor die Stärken der seriösen Presse. Journalisten wurden bei der Demonstration verhaftet. Nach Protesten ihrer Kollegen ließ man sie frei, doch ohne Folgen für die Beamten. Ebenfalls keine Aufklärung gab es im Fall des versuchten Mordes an der Journalistin Iren Karman im Juli 2007. Tatverdächtige gab es viele, denn mit ihrem Buch über die Ölmafia brachte Karman einen riesigen postkommunistischen Korruptionsskandal zurück auf die politische Tagesordnung: Die sogenannte ‚Ölmafia’, ein durch alle Parteien reichendes Netzwerk der Korruption und des organisierten Verbrechens, das in den 1990er Jahren billiges Heizöl als Diesel verkaufte. Wirtschaft und Parteien nähmen zuviel Einfluss auf die ungarische Presse, kritisierte Zoltan Kovacs in der linksliberalen „Élet és Irodalom“, dem Flaggschiff der intellektuellen Elite Ungarns, für das bekannte Autoren wie der Nobelpreisträger Imre Kertesz schreiben. Einigen Wirbel verursachte die Wochenzeitung für Politik und Kultur mit der Aufdeckung der Stasi-Verstrickungen des Regisseurs Istvan Szabo. Kertesz schreibt auch im deutschsprachigen „Pester Lloyd“. Über 150 Jahre alt, galt er in der österreichisch-ungarischen Monarchie und danach als eine der wichtigsten Tageszeitungen, mit Stammautoren wie Franz Werfel, Heinrich Mann und Stefan Zweig. Unter der Überschrift „Achtung, Europa“ warnte Thomas Mann im „Pester Lloyd“ 1936/37 vor Hitlerdeutschland. Heute hat sie als auflagenstärkste fremdsprachige Wochenzeitung mit bis zu 25.000 Exemplaren einen oft etwas anderen Blick auf ungarische Politik und Kultur als der übliche Mainstream. Schwieriger sei es heute geworden, was aber für ein „ziemlich sonderbares Blättchen“ wie den „Lloyd“ nichts Ungewöhnliches sei, meinte der stellvertretende Chefredakteur Andras Heltai-Hopp anlässlich des Jubiläumsjahrs 2004. In Ungarn gibt es keine andere Zeitung mehr, die sich mit dem „Lloyd“ an Tradition, Seriosität und Geschichtsmächtigkeit messen könnte.
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4.3
Die ungarische Zeitungs- und Zeitschriftenlandschaft
Gerade Ungarn ist ein Beispiel für eine historisch und aktuell ungeheuer reiche Medien-, vor allem Zeitungslandschaft220. Im ungarischen Teil der Donaumonarchie entstanden vor allem im Zuge der Revolution von 1848 zahlreiche politische Blätter in ungarischer Sprache. Das Ende der kommunistischen Herrschaft brachte einen kurzen Aufschwung. Doch seit der Mitte der 1990er Jahre stagniert der ungarische Zeitungsmarkt, vor allem seitdem das kommerzielle Fernsehen (RTL Klub, TV2) den Hauptteil der Werbegelder abschöpft, und in Budapest zudem die kostenlose Tageszeitung „Metro“, eine Tochter der schwedischen MTG-Kinnevik-Gruppe, die einfachsten Informationsbedürfnisse der Ungarn erfüllt. Andererseits brachte der bei den ungarischen Provinzzeitungen dominierende SpringerKonzern 2004 eine neue Boulevardzeitung für den Großraum Budapest auf den Markt. Seit Mitte der 1990er Jahre sind die ungarischen Medien und auch der ungarische Zeitungsmarkt wie überall in Mittelost- und Südosteuropa einem Strukturwandel unterworfen, der die Medien zu einem Spielball großer, oft ausländischer Mediengesellschaften machte. Doch der Wandel brachte nicht nur den Umbau oder das Ende traditionsreicher Zeitungen, er schuf auch die Möglichkeit, an Traditionen im Journalismus anzuknüpfen, denen das kommunistische System ein Ende bereitet hatte. Eine dieser altehrwürdigen Institutionen,
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Im Jahr 2000 belief sich die Zahl der in Ungarn registrierten Presseprodukte auf über 1.600. Die Popularität der gedruckten Medien hat sich im letzten Jahrzehnt nach und nach vermindert. Dies führte zu einer Umwälzung der Marktverhältnisse. Die Auflagen gingen zurück. Es gibt zwei Tageszeitungen, die eine Auflage von über 200.000 haben: Die Népszabadság und das Gratisblatt Metro. Etliche Zeitungen sind halbwegs oder gänzlich in die Richtung der Boulevardpresse umgestaltet worden. Es gibt sehr viele Programmhefte und Anzeigenblätter, die umsonst zu haben sind. Eine breite Palette von Frauenmagazinen, Internetzeitungen und Qualitätszeitschriften werden angeboten. Magyar Nemzet: Politische Tageszeitung. Wurde 1938 gegründet. 2000 wurde sie mit der Zeitung Napi Magyarország zusammengezogen. Seit dem 17. April 2000 wird sie von der Nemzet Lap-és Könyvkiadó Kft. herausgegeben. Metro: Gratiszeitung. Wurde 1998 gegründet, wird von der MTG Metro Gratis Kft. herausgegeben. Napi Gazdaság: Zeitung für Geschäft und Finanzen. Wurde 1991 gegründet, herausgegeben von der NAPI Gazdaság Kiadó Kft. Nemzeti Sport: Tagessportzeitung. Wurde 1903 gegründet, wird von der Ringier Kiadó Kft. herausgegeben. Népszabadság: Politisches Tagesblatt. Wurde 1942 gegründet. Népszava: Politisches Tageblatt. Wurde 1873 gegründet. Wird von der NSZ 1999 Rt. herausgegeben. Színes Mai Lap: Boulevardtageszeitung. Wurde 2001 gegründet, wird von der Híd Rádió Rt. herausgegeben. Világgazdaság: Tageszeitung zu Wirtschaft und Geschäftlichem. Wurde 1969 gegründet. Wird von der Zöld Újság Rt. herausgegeben. Wichtige Wochenzeitschriften: Élet és irodalom: Wochenzeitschrift für Literatur und Politik. Wurde 1957 gegründet. Wird von der Irodalom Kft. (Journal Art Alapítvány, ÉS Alapítvány) herausgegeben. Élet és Tudomány: Wissenschaftliches Wochenblatt. Erscheint seit 1944. Blatt der Tudományos Ismeretterjeszt Társulat und der Magyar Hivatalos Közlönykiadó Kft. Figyelö: Wirtschaftspolitisches Wochenblatt. Wurde 1957 gegründet. Wird von der VNU Budapest Lapkiadó Rt. herausgegeben. Heti Válasz: Wochenblatt des öffentlichen Lebens. Wurde 2001 gegründet. Wird von der Heti Válasz Lap- és Könyvkiadó Szolgáltató Kft. herausgegeben. Heti Világgazdaság: Wirtschaftlich-politisches Wochenblatt, gegründet im Jahre 1979, herausgegeben von der HVG Rt. Magyar Demokrata: Wochenblatt des öffentlichen Lebens und der Kultur. Wurde 1997 gegründet. Herausgeber: Magyar Ház Alapítvány. Magyar Fórum: Wochenblatt des öffentlichen Lebens. Wurde 1989 gegründet. Magyar Narancs: Wochenblatt für Politik und Kultur. Wurde 1989 gegründet. Herausgeber: Magyarnarancs.hu Kft. Nök Lapja: Familienwochenblatt. Wurde 1946 gegründet. Pesti Müsor: Landeswochenblatt, Programmmagazin. Szabdad Föld: Wochenblatt für das Landvolk. Wurde 1945 gegründet Tallózó: Wochenblatt, Presseschau aus dem öffentlichen Leben. Wurde 1989 gegründet. Vasárnapi Hírek: Wochenzeitung am Sonntag, Nachrichtenblatt und Wochenendmagazin. Wurde 1985 gegründet. 168 Óra: Wochenblatt des öffentlichen Lebens. Wurde 1989 gegründet. Lesenswert ist auch die Zeitschrift „Drei Raben“, die in Zusammenarbeit mit dem deutschen Goethe-Institut in Budapest herausgegeben wird. Deutschsprachige Fernsehsendungen mit ungarischen Untertiteln werden regelmäßig vom öffentlichrechtlichen Sender „MTV“ (Magyar Televízió) ausgestrahlt.
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die aus der Asche wiedererstanden, ist die einstmals hochangesehene deutschsprachige Zeitung Ungarns, der „Pester Lloyd“. Im Jahr 1854, als Buda und Pest noch zwei Städte an den Ufern der Donau waren, erschien die Zeitung zum ersten Mal, und entwickelte sich zum führenden deutschsprachigen Blatt in Ungarn. Täglich erschienen eine Morgen- und eine Abendausgabe. Der Namensbestandteil „Pester“ bezog sich auf den späteren Teil der ungarischen Hauptstadt, wogegen „Lloyd“ ein Nachklang von „Lloyd’s List“ ist – die Londoner Schiffahrts- und Handelszeitung, gegründet 1692 von dem weithin bekannten Eigentümer des Lloyd’s Coffee Shop, der noch heute existiert. Der Pester Lloyd wurde bekannt unter der Chefredaktion von Dr. Miksa (Max) Falk, der der Kaiserin Elisabeth nicht nur Ungarisch, sondern ihr auch eine besondere Zuneigung zu Ungarn beigebracht hatte. Im Kaiserreich gab es mehr als neunhundert deutschsprachige Tagespublikationen, wogegen in Ungarn das Deutsche eher von Geschäftsleuten, Intellektuellen und der Aristokratie gesprochen wurde, was den „Lloyd“ automatisch von den volkstümlicheren ungarischsprachigen Zeitungen absetzte. Der „Lloyd“ wurde vor allem dafür bekannt, daß er mit Vorliebe von den Liberalen, Juden und den Budapester Intellektuellen gelesen wurde. Mit dem Ende der Donaumonarchie kam den Intellektuellen die vielschichtige, kulturelle ungemein vielseitige Atmosphäre der Vielvölkermonarchie abhanden, der unter vielen anderen Stefan Zweig in seinen Erinnerungen oder Joseph Roth in seinen Romanen und Erzählungen nachtrauerte. Doch die Bedeutung des Pester „Lloyd“ nahm in der Zwischenkriegszeit sogar noch zu, besonders nachdem die deutschen Zeitungen der NS-Ideologie unterworfen worden waren. Nach 1933 kamen nicht nur viele Intellektuelle nach Budapest, sie versuchten auch, als im Dritten Reich Verfolgte und Verfemte ihre Manuskripte nach Ungarn zu schmuggel und im „Pester Lloyd“ zu veröffentlichen. Zu denjenigen, die für die Zeitung Beiträge lieferten gehörten in der Zwischenkriegszeit so unterschiedliche Autoren wie Franz Molnar, Joseph Roth, Stefan Zweig, und auch die Brüder Thomas und Heinrich Mann. Heinrich Manns Gastgeber während seiner häufigen Besuche in Budapest war der Schriftsteller und Mäzen Baron Lajos Hatvany, wie Joseph Roth ein jüdischer Konvertit zur katholischen Kirche. Hatvany lieferte auch Beiträge zur Literaturzeitschrift „Nyugat“, zusammen mit István Vas, einem weiteren jüdischen Konvertiten. In Ungarn lernte Thomas Mann auch den Schriftsteller Sándor Márai kennen, der heute weniger als Feuilletonist denn als Romanautor bekannt ist, obwohl manche meinen, er wäre ein wesentlich besserer Feuilletonist gewesen. Als 1945 die Armeen Hitlers und Stalins um Budapest rangen, stellte der „Pester Lloyd“ sein Erscheinen ein, und sollte erst 1994 als Wochenzeitung von dem Journalisten Gotthard B. Schicker wiederbelebt werden. Schicker, geboren und aufgewachsen in der DDR, wo er an der Berliner Humboldt Universität studiert hatte, trug in den 1980er Jahren seinen Teil dazu bei, daß die kommunistischen Machthaber dazu gebracht wurden, das von Karl Friedrich Schinkel erbaute Konzerthaus am Gendarmenmarkt, das seit dem Krieg ausgebrannt war, wiederaufzubauen. Schickers persönliche Beziehung zum „Pester Lloyd“ rührte aus seiner Studienzeit, als in den Fußnoten vieler Quellen immer wieder der Name der Zeitung auftauchte, wegen ihrer kulturellen und politischen Bedeutung für die Meinungsbildung in der Monarchie, und aus dem Umstand, daß nach dem politischen Wechsel in Ungarn schlicht Mangel an deutschsprachiger Literatur und Zeitungen herrschte. Der stellvertretende Chefredakteur, András Heltai-Hopp, fügt hinzu, daß zu jener Zeit, als die Zeitung gegründet wurde, die Umgangssprache in der Stadt Pest Deutsch war. In beiden Stadtteilen sprachen die meisten Menschen Deutsch, zumindest jene, die in der Lage waren eine Zeitung zu lesen. Die höheren Gesellschaftsschichten sprachen ohnehin Deutsch, die anderen Ungarisch, so Heltai-Hopp. Schicker ging es besonders darum, die intellektuelle Tradition
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des „Lloyd“ zu bewahren, wobei es ihm gelang, ungarische Intellektuelle wie den Nobelpreisträger Imre Kertész zu Beiträgen zu bewegen. „Wir knüpfen an das an, meine ich, was der Pester Lloyd immer getan hat”, meinte Schicker: „Er hat hervorragende ungarische Autoren, wenn ich an Kostolany denke, wenn ich an Molnar denke, Leute, die seit jeher für den Pester Lloyd geschrieben haben, viele in der Vergangenheit, und daran knüpfen wir an, an das was tatsächlich die crème de la crème ist, die im Pester Lloyd vertreten ist, und wir haben sie groß herausgebracht, zum Beispiel György Konrad, den ehemaligen Präsidenten der Berliner Kunstakademie, von dem wir stets gerne Texte abdrucken, und ntürlich László Földenyi, Esterházy221 und die anderen.“ Der „Pester Lloyd“ ist heute in Ungarn die nicht-ungarisch-sprachige Zeitung mit der höchsten Auflage, mit Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Kultur, wie auch über Mittelosteuropa im Allgemeinen. Seine Tagesauflage liegt bei 15.000 Exemplaren, die bei Sonderausgaben auf 25.000 Exemplare steigen kann. Die Leser in der Hauptstadt erhalten außerdem die Beilage „Budapester Rundschau“ [www.budapester.eu]. Für Leser in Wien wird eigens der „Wiener Lloyd“ [www.wienerlloyd.com] als Sonderbeilage gedruckt. Der „Wiener Lloyd“ setzt auch insofern eine Tradition fort, als mancher Kommentar den alten anti-habsburgischen Reflex der Ungarn bedient. Der Sohn des letzten Kaisers von Österreich-Ungarn, Otto von Habsburg, wurde zum Beispiel, weil er Österreich als „erstes Opfer des Nationalsozialismus“ bezeichnet hatte, als „grenzdebil“ beleidigt, er selbst in alter österreichisch-republikanischer Tradition nicht als Otto von Habsburg tituliert, sondern als Otto Habsburg-Lothringen, und die Geschichte des Hauses Habsburg allein aus aktueller ungarisch-nationalistischer Perspektive gedeutet. Derartig niveauloser Journalismus steht jedoch in auffallendem Gegensatz zur sonst seriösen Art des „Lloyd“. In den für das Zeitungsgeschäft stürmischen Zeiten, angesichts von Online-Angeboten und schwindendem Interesse, gelang es dem „Pester Lloyd“ deshalb auch, weiterhin seine Auflage zu erhöhen. Was die ungarischsprachige Presse betrifft, ist heute unter den in Ungarn angebotenen Tageszeitungen die 1968 gegründete Zeitung „Magyar Hírlap“ („Ungarische Zeitung“ – www.magyarhirlap.hu) wenn nicht die größte, so doch eine Zeitung, die für Schlagzeilen sorgt. In den 1990er Jahren noch links-liberal ausgerichtet hat sie sich nach 2005 zu einem dezidiert national-konservativen Blatt gewandelt, dabei auch globalisierungskritisch argumentierend. 1990 sahen die Dinge noch grundlegend anders aus. Im November 1989 war die Zeitung noch das Organ des ungarischen Regimes, im Februar hatte sie bereits eine Gruppe privater Investoren aufgekauft, an deren Spitze der britische Zeitungsverleger Robert Maxwell stand222. Maxwell, dem 40 Prozent der Anteile gehörten, war der zweite Ausländer, der nach der Wende in die ungarische Presse zu investieren bereit war. Drei Wochen vor ihm hatte sein Rivale Rupert Murdoch 4 Millionen Dollar investiert, um die Hälfte der Anteile an zwei Boulevardzeitungen zu erwerben, die bereits mit leichtbekleideten Mädchen und billigem Sensationsjournalismus die ungarischen Kioske bereicherten. Auf einer Pressekonferenz verkündete Maxwell, „Magyar Hírlap“ würde eine „lebendigere Version ihres Vorgängers“ werden, wobei sie ihr Recht behalten dürfe, die Regierung zu kritisieren, aber „konstruktiv“. Er werde in die internen Belangen der Zeitung nicht eingreifen: „I have no political rights in Hungary.“ Diese Worte erinnern nur allzu sehr an die Vorgänge in Rumänien oder Kroatien. Maxwell betonte, daß es eine Neuauflage des Fleet-
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Földenyi ist ein Kunsttheoretiker und Literaturwissenschaftler, Peter Esterházy, der aus ungarischem Adel stammt, ein Mathematiker, der durch seine Romane berühmt wurde. Quelle: Bohlen, Celestine: Upheaval in the East: Hungary; British Publisher Buys Share of Hungarian Paper. [http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res=9C0CE6D61330F937A25751C0A966958260].
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Street-Pressekrieges, der beiderseits der Donau getobt hatte, nicht geben werde. „Hírlap“ werde nicht den Weg gegen, den die von Murdoch aufgekauften Blätter gegangen waren, d.h. jenen Weg vom Qualitäts- zum niveaulosen Massenblatt. Aber die Rechnung Maxwells und seiner Kompagnons, die Zeitung innerhalb von zwei, drei Jahren profitabel zu machen, ging nicht auf. Mochte das alte Establishment auch noch an der Zeitung hängen, so verlor „Magyar Hírlap“ geschätzte 60 Millionen Forint jährlich. Maxwells Programm, die angeblich „langen, langweiligen, dummen Artikel“, die niemand lesen würde, abzuschaffen, knallbunte Werbung einzuführen, die es vorher nicht gab, und die Belegschaft (damals 80 Journalisten, Drucker u.a.) zu reduzieren, war kein Erfolg beschieden. Die Auflage fiel weiter, selbst bei der theoretisch größten ungarischen Tageszeitung, der „Nepszabadsag“, deren Auflage auf zwischen 500.000 und 200.000 fiel. Die Auflage der „Magyar Nemzet“ („Ungarische Nation“) stieg dagegen auf 170.000 Exemplare. Auch die Leser der beiden Boulevardzeitungen, „Reform“ und „Mai Nap“, die Murdorch erworben hatte, legten zu. Die Änderungen bei „Magyar Hírlap“ erfüllten vor allem jene ungarischen Politiker mit Sorge, die fürchteten, mit dem Verkauf der ehemaligen sozialistischen Staatszeitung an publizistischer Unterstützung zu verlieren. Der Wechsel an der Spitze setzte sich jedoch fort. Im Jahr 2000 erwarb die schweizer Ringier-Gruppe wiederum von einem anderen schweizer Investor die „Magyar Hírlap“, der mittlerweile ein modernes Blatt geworden war, das sich vor allem an die neue Mittelklasse richtete. 1994 lag die Auflage noch bei ungefähr 100.000 Exemplaren. Bis 2004, als Ringier die Zeitung wegen riesiger Verluste abstieß, war sie auf nur noch etwas mehr als 28.000 gefallen. 2005 erwarb der ungarische Industrielle Gábor Szèles das bis dahin liberale Blatt. Szèles sympathisierte mit der ungarischen Rechten unter Viktor Orbán, was sich auf die Linie der Zeitung auswirkte. Den liberalen Journalisten wurde gekündigt, und, wie der österreichische „Standard“ schrieb, durch „erprobte Kampfschreiber“ wie den Kolumnisten Zsolt Bayer, der von Orbáns Sprachrohr „Magyar Nemzet“ kam, ersetzt. Im März 2008 veröffentlichte Bayer im „Magyar Hírlap“ eine Schmähschrift gegen die „Budapester jüdischen Journalisten“, ein Topos, der aus der ungarischen Zwischenkriegszeit in unguter Erinnerung ist. Wenig später veröffentlichten hundert ungarische Intellektuelle, unter ihnen der Philosoph Mihály Vajda, der Historiker Krisztián Ungváry und der Politologe Péter Kende, im Internet einen offenen Brief an den „Magyar-Hírlap“-Eigentümer Széles, und der Budapester Oberbürgermeister Gábor Demszky gab bekannt, sein Amt werde die Zeitung wegen der antisemitischen Ergüsse Bayers abbestellen und er selbst ihr keine Interviews mehr geben. Bayer hatte in der Ausgabe vom 18. März 2008 wörtlich geschrieben: „1967 haben die Budapester jüdischen Journalisten noch Israel geschmäht. Dieselben Budapester jüdischen Journalisten schmähen heute die Araber. Und den [rechts-populistischen] Fidesz. Und uns. Weil sie uns mehr hassen als wir sie. Sie sind unsere Rechtfertigungsjuden – sprich: ihre schiere Existenz rechtfertigt den Antisemitismus.“ Die Intellektuellen, die den offenen Brief ins Internet stellten, meinten, damit sei eindeutig eine Grenzlinie in der ungarischen Publizistik seit 1945 überschritten. Denn bislang hätten jene Vertreter der ungarischen Presse und des öffentlichen Lebens, die von ihren Kritikern als Antisemiten bezeichnet wurden, dies umgehend zurückgewiesen. Zsolt Bayer hingegen würde sich bewußt dazu bekennen, wobei er ausdrücklich betont, daß Erklärungen, die von als jüdisch bekannten Personen stammen und die einzelne oder auch mehrere als problematisch betrachten, zu Recht ein antisemitisches Verhalten begründen würden. Zsolt Bayers Gedankengang sei Teil der klassischen antisemitischen Argumentation. „Im Hinblick auf Organe, die auch im öffentlichen Leben Relevanz haben, kennen wir“, schrieben die Unterzeichner des offenen Briefes, „eine solche nur aus der rechtsextremen Publi-
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zistik der 1930er- und 40er-Jahre“. Sie stellten Széles die direkte Frage, ob er als angesehene Persönlichkeit des öffentlichen Lebens weiterhin ein Blatt finanzieren wolle, dessen Redakteur sich offen als Antisemit bekennt, und sollte dessen Meinung im Einklang mit dem redaktionellen Konzept der „Magyar Hírlap“ stehen, sei es vertretbar, dem Antisemitismus eine publizistische Plattform zu bieten und damit zu legitimieren? Die Unterzeichner versprachen sich wenig Erfolg von ihrem offenen Brief, denn er setze einen gesamtgesellschaftlichen Konsens gegen den Normverstoß voraus. Dieser Konsens existiere aber nicht, meinte György Vári. Konsens herrschte eher mit der Linie des „Magyar Hírlap“, der sich darüber beschwerte, dass die ausländischen Medien Ungarn einen Zerrspiegel vorhielten – Ungarn als Hort der Rechtsradikalen, so der deutsche „Spiegel“ –, der die rigide italienische Einwanderungspolitik der Regierung Berlusconi als „gerechtfertigte Härte“ lobte, und skrupellose Spekulanten als Schuldige der Nahrungsmittelkrise ausmachte. Der „Hírlap“ sei kein rechtsextremes Blatt, meinen seine Verteidiger, vielmehr eine (regierungs)kritische Zeitung, die einem weiten Meinungs-spektrum Raum gebe. Nicht nur gemäßigte Konservative, sondern auch linksnationale Globalisierungskritiker, wie auch rechtsextreme Intellektuelle kämen in ihren Spalten zu Wort. Zu ihren wichtigsten Autoren zählen neben dem bereits erwähnten Zsolt Bayer der globalisierungskritische Ökonom László Bogár, der nationalkonservative Literatur-historiker Zoltán Bíró, der Metaphysiker Attila Végh, die junge Dichterin Orsolya Péntek und der jungliberale Publizist Gellért Rajcsányi. Daß sich die Auflage stabilisierte, scheint den Zeitungsmachern recht zu geben. Der „Magyar Hírlap“ erscheint heute sechsmal die Woche mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren. Wie der „Magyar Hírlap“ versteht sich auch der „Magyar Nemzet“ („Ungarische Nation“ – www.mno.hu) als Zeitung des rechtskonservativen Lagers. Die Zeitung gehört einem rechtsgerichteten Medienkonzern, der auch den Fernsehsender „Echo TV“ besitzt. Mit einer Auflage von 60.000 Exemplaren erscheint „Magyar Nemzet“ sechsmal pro Woche, am Wochenende mit dem „Magyar Nemzet Magazin“. Am Sonntag erscheint ein von den Photojournalisten der Zeitung herausgegebenes Blatt („Képeslap“), in dem die wichtigsten und interessantesten Aufnahmen der vergangenen Woche abgedruckt sind. „Magyar Nemzet“ war noch vor dem Zweiten Weltkrieg als Sprachrohr der antifaschistischen Katholiken gegründet worden. Obwohl stark zensiert, konnte sich der „Magyar Nemzet“ auch während der kommunistischen Herrschaft eine gewisse Unabhängigkeit bewahren. Nach der Wende avancierte das Blatt zum Hauptorgan der bürgerlichen Antikommunisten, blieb aber unabhängig. Die Mitte-Rechts-Regierung von Viktor Orban (1998-2002) wollte aus der Zeitung die größte bürgerliche Tageszeitung machen, und wurde daher mit der rechtsnationalen Tageszeitung „Napi Magyarorszag“ („Tägliches Ungarn“) zwangsvereinigt. Der neue „Magyar Nemzet“ steht ideologisch zwar der bürgerlichen Opposition nahe, kann aber nicht als reine Parteizeitung beschrieben werden. 2005 bekam die Zeitung Konkurrenz von rechts, als die ehemals linksliberale Tageszeitung „Magyar Hírlap“ ihren Redaktionskurs grundlegend änderte. Als größte oppositionelle Tageszeitung Ungarns räumt der „Magyar Nemzet“ Diskussionen viel Platz ein, an denen gemäßigte Konservative, aber auch Links- und Rechtsnationale teilnehmen. In innenpolitischen Fragen ist die Zeitung im Allgemeinen konservativ, während sie in der Außenpolitik eher eine Amerika- und Israel-kritische Position vertritt. Zu ihren berühmtesten Autoren zählen unter anderen Istvan Lovas, das „Enfant terrible“ des ungarischen Journalismus, Janos Csontos, György Balavany, Janos Sebeök, Agnes Sesztak, sowie Zsuzsanna Körmendy. Allgemein prägt die Zeitung ein relativ hoher literarischer Stil. Einen Namen machte sie sich aber vor allem als investigatives Blatt, das Korruptionsaffären (vor allem) der linksliberalen Regierung auf die Schliche kam. Der
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Chefredakteur ist der rechtsradikale Anwalt Gabor Liszkay, der auch andere Medien wie „Hír Televízió“ oder „Lánchíd Rádió“ besitzt. Die ungarische Zeitung mit der höchsten Auflage ist unbestritten die Boulevardzeitung „Blikk“, mit der Ringier seit 1994 auf dem ungarischen Markt mit einer Auflage von über 240.000 Exemplaren täglich außerordentlich erfolgreich ist. Das Blatt macht nicht nur mit knalligen Überschriften auf sich aufmerksam, es tat dies auch schon mit der inszenierten Nachricht, daß Robbie Williams auf einer Hochzeitsfeier des Sohnes von Multimillionär Sandor Csanyi gesungen hätte. In Wahrheit war der Williams-Doppelgänger Tony Lewis dort für eine halbe Stunde aufgetreten, worauf „Blikk“ unter dem Titel „Banker kaufte Weltstar“ von der Feier berichtete, und behauptete, Williams hätte für mehrere Millionen gesungen. Nach dieser Zeitungsente verklagte Csanyi das Boulevardblatt. Für Ringier, den Eigentümer von „Blikk“, kam 1998 die ebenfalls auflagenstarke Sportzeitung „Nemzeti Sport“ hinzu. Im Jahr 2001 übernahm Ringier schließlich 49 Prozent der renommierten, linksliberalen Tageszeitung „Nepszabadsag“ (wörtlich: „Volksfreiheit“, www.nol.hu/index .html), früher kommunistische Parteizeitung (gegründet 1956) und heute Marktführer der ungarischen Qualitätszeitungen. Seit der Wende hatte sie sich im Besitz von „Gruner und Jahr“ befunden. Das Haus „Bertelsmann“ musste sich aber aus kartellrechtlichen Gründen von der Tageszeitung trennen, um seinen ebenfalls sehr erfolgreichen Fernsehsender „RTL“ Klub behalten zu können. „Nepszabadsag“, umgangssprachlich auch „Népszabi“ genannt, ist die auflagenstärkste überregionale Tageszeitung Ungarns. Das Blatt hat üblicherweise einen Umfang von etwa 24 farbigen Seiten. Samstags erscheint es mit 12 zusätzlichen Feuilleton-Seiten (hétvége). „Népszabadság“ berichtet über Politik, Wirtschaft, Kultur, Medien, Sport und Technik, verfügt europaweit und in einigen Weltstädten in Übersse über eigene Korrespondenten. Nachdem die Zeitung zu Zeiten des Kommunismus als Stimme der Staatspartei gegolten hatte, ist sie heute zwar unabhängig und überparteilich, unterstützt jedoch im allgemeinen die Parteien des links-liberalen Spektrums, in Opposition zur konservativ-populistischen Bewegung, namentlich zum Fidesz-Bürgerbund. „Népszabadság“ ist, wie auch andere landesweit vertriebene Tageszeitungen bei weitem nicht so umfangreich wie die großen westlichen Tageszeitungen. Aktuelle Nachrichten, Wirtschaft- und Finnanzpolitik beanspruchen knapp zwei bis zweieinhalb Seiten. Auch fehlt das klassische Feuilleton. Zwei ausgewählte Kommentare erscheinen täglich auf der dritten Seite, die letzte Seite befaßt sich mit Sport. Zu den bekanntesten Wochenzeitungen zählen das liberale Literatur- und Politikblatt „Élet és Irodalom“, die Wirtschaftszeitschrift „Heti Világgazdaság“ (HVG), die bürgerlich-konservativen politischen Zeitschriften „Heti Válasz“ und „Demokrata“, die liberalen politischen Zeitschriften „168 óra“ und „Beszélö“, die Frauenillustrierte „Nök Lapja“, das Rätselblatt „Füles“, die Zeitung „Reformátusok Lapja“ der Reformierten Kirche, und die katholische Zeitschrift „Igen“. Die Obdachlosen, deren Zahl seit der Wende 1989 auf dreißig- bis sechzigtausend gestiegen ist, verdienen sich mit der Zeitschrift „Fedél nélkül“ („Ohne Dach“) ein Zubrot. Jeder zweite Obdachlose lebt in Budapest. Erstaunlicherweise gehen 95 Prozent der Obdachlosen in Ungarn arbeiten, nur nur fünf Prozent leben von der Sozialhilfe, aber der Lohn reicht nicht für die Miete. Vor der Wende gab es in Ungarn Arbeiterheime, in denen jene wohnten, die nach Budapest kamen, um zu arbeiten. Als die Heime in den 1990er Jahren geschlossen wurden, fanden sich die Bewohner auf der Straße wieder. Die satirische Zeitschrift „Ludas Matyi“ („Gänse-Martin“), für das neben vielen anderen berühmten Ungarn auch Ephraim Kishon schrieb, galt in den 1950er Jahren inmitten der sozialistischen Tristesse als Labsal, die aber die Ablösung des alten Systems nicht lange überlebte. Lúdas Matyi war der erste Volksheld in der ungarischen Literatur, der durch Schläue über seinen
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adeligen Herrn siegt, und konnte deshalb vom kommunistischen Regime leicht für seine Zwecke vereinnahmt werden. Aber umgekehrt bot sich die Figur auch den ungarischen Satirikern und Karikaturisten an – in Ungarn berühmten Namen wie Ferenc Sajdik, István Hegeds, Jen Dalos, Béla Tettamanti, László Réber oder Liviusz Gyulai –, denen nach der Wende vielfach ihre Publikationsmöglichkeiten, Zeitschriften Wochen- und Monatsblätter, unter den Füssen wegrutschten. Dass die Ungarn aber ihren Humor nicht verloren haben, bewiesen sie nach den Parlamentswahlen im April 2010, die Viktor Orbán erneut an die Macht brachte, gefolgt von den Rechtsextremen von „Jobbik“. Der vielbeschworene Rechtsruck Ungarns, meinte ein Satiriker, könne vielleicht im Falle der Ukraine funktionieren – man müsse nur russische Gebiete übernehmen, um Ungarn Platz zu machen –, aber Rumänien könne, um Ungarn seine 1920 verlorenen Gebiete zurückzugeben, nicht weiter nach rechts rücken, weil dort das schwarze Meer liege.
4.4
Radio und Fernsehen in Ungarn
Die Reformgesetze zu Fernsehen und Rundfunk, die in den 1990er Jahren verabschiedet wurden, hatte gerade zum Ziel, jene Zustände zu verhindern, die in den frühen 2000er Jahren zu Kritik und auch höhnischen Kommentaren führten. Die politischen Lager Ungarns blockierten sich gegenseitig, um zu verhindern, dass der politische Rivale zuviel Kontrolle über die Rundfunkgremien erhält. Ein weiteres Problem ist die hohe Anzahl an Mitgliedern der Leitungsgremien, die die Verantwortlichkeiten nur verschleiert. Parlamentarische und korporative Ernennungsverfahren verschränken sich, so dass sich zu den politisch motivierten Ernennungen der Parteien Vertreter der Öffentlichkeit gesellen, die über keine fachlichen Kenntnisse, geschweige denn ein öffentliches Mandat verfügen. Als Alternative schlug man vor, Vorstandsmitglieder wie Vorsitzende durch den Premierminister und den Präsidenten der Republik in einem koordinierten Verfahren ernennen zu lassen, was die Ernannten auf Distanz zu den politischen Parteien bringen würde. Ein ähnliches Verfahren hat man bereits bei der Ernennung des Vorsitzenden der „ORTT“ angewandt, der staatlichen Kontrollinstanz für Fernsehen und Rundfunk (Országos Rádió és Televízió Testület) beschrieben. Die ungarische Medienlandschaft prägten oder besser wühlten in den 1990er Jahren die oben beschriebenen „Medienkriege“ um, den die konservativen Regierungen mit den angeblich ‚links-liberalen Medien‘ ausfochten, und die vor allem dem öffentlichrechtlichen Fernsehen und Radio schadeten. Aus offen politischen Gründen oder verdeckt, unter dem Vorwand finanzieller Zwänge wurden regierungskritische Journalisten von ihren Posten entfernt. Wer zurückblieb wurde entweder durch direkten politischen Druck auf die Regierungslinie eingeschworen oder zensierte sich aus Angst vor der Entlassung selbst. Das 1995/1996 beschlossene neue Mediengesetz ermöglichte schließlich die Einführung des kommerziellen Rundfunks und reduzierte die politische Einflussnahme und deren fatale Folgen. Die Privatisierung der Medien in Ungarn verschob sich durch das Frequenzmoratorium von 1989 und die Zeit, die verstrich bis das Mediengesetz schließlich verabschiedet wurde und in Kraft trat, erheblich. Die ersten kommerziellen Fernsehsender gingen erst im Oktober 1997 und die ersten Rundfunkstationen erst im Januar und Februar 1998 auf Sendung – ein beträchtlicher Rückstand auf die meisten westeuropäischen, aber auch ost- und mittelosteuropäischen Länder. Von der Privatisierung erhoffte man sich gleichwohl, sie würde den politischen Druck auf die öffentlich-rechtlichen Anbieter entspannen, denn solcher Druck ergäbe im Falle kommerzieller Sender keinen Sinn. Das de-facto-
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Nachrichten-Monopol der Öffentlich-Rechtlichen würde gebrochen, Geheimnisse und schlechte Nachrichten, die im staatlichen Fernsehen eventuell unter der Decke geblieben wären, würden an die Öffentlichkeit gelangen, weil ausländische Investoren unabhängig von den inländischen politischen Kräften wären. Aber diese Hoffnungen trogen insofern, als sich herausstellte, dass die kommerziellen Medien eher apolitisch als politisch neutral berichteten, und die öffentlich-rechtlichen Medien so ihr Monopol auf substanzielle Berichterstattung behielten. Ob die Berichterstattung von „Hír TV“ („Nachrichten-TV“), das mit der konservativen Tageszeitung „Magyar Nemzet“ kooperiert, substanziell ist, ist durchaus umstritten. Dass der konservative Budapester Nachrichtenkanal, der auch über dessen Internetseite empfangen werden kann, eine klare Zielrichtung hat, den politischen Gegner auf der Linken, ist unbestritten. Nicht nur seine kulturellen und politischen Magazine machten ihn bekannt, der Privatsender spielte bisher auch eine Rolle bei der Aufdeckung von Affären sozialitischer Politiker. Da die Privatisierung in Ungarn so lange hinausgeschoben, wurde aus der Nachfrage ein Sturm auf die Lizenzen. Man schlug sich um Anteile an Ungarns erstem landesweiten privaten Fernsehkanal, der 1998 auf Sendung ging und dessen Frequenz damals noch dem ungarischen Sender „Magyar Televizió 2“ („MTV2“) gehörte, der danach auf Satellit auswich. Das Interesse war so groß, weil die terrestrische Frequenz von „MTV2“ der Schlüssel zu Ungarns Fernseh- und Werbemarkt war. Wer über sie sein Programm sendet, kann von praktisch jedem ungarischen Fernsehen über Antenne empfangen werden, während man in Ungarn über Kabelfernsehen nur rund vierzig Prozent der Haushalte erreichte. Die Kabelnetze waren auf einzelne Städte begrenzt, selten miteinander verknüpft und von Stadt zu Stadt in anderem Eigentum. Wer alle verkabelten Haushalte erreichen will, musste sich zuerst mit den Netzbetreibern einigen. Im Mai 1997 entschied der ORRT, wer den Zuschlag für die begehrte terrestrische Frequenz erhält. Die Ungarn hatten jedoch vorgebaut, um tschechische Verhältnisse zu verhindern. Der tschechische Fernsehmarkt war damals komplett in der Hand westeuropäischer Unternehmen. In Ungarn beschloss man deshalb, dass mindestens 26 Prozent der Anteile an einem Privatkanal in ungarischer Hand bleiben müssten, um derartige Konzentrationen zu vermeiden. Eine durchschaubare Gesellschafterstruktur und klare Programmpolitik wurden ausserdem vorausgesetzt, erklärte György Lovas, der damalige Sprecher des ORRT. Der dann entstandene private Fernsehkanal „TV2“ gehört heute einem gemischten europäischen Konsortium, an dem auch die Ungarn beteiligt sind223. Mittlerweile gibt es in Ungarn rund 220 kommerzielle bzw. private Fernsehsender wie „ATV“ oder den ungarischsprachigen Kinderkanal „Minimax“. Die beiden größten privaten TV-Sender sind „RTL Klub“ [www.rtlklub.hu]224, gefolgt von „TV2“ [www.tv2.hu]. „RTL Klub“ ist dank US-amerikanischer Serien wie „Lost“, „Grey’s Anatomy“ oder „Prison Break“, aber auch zahlreicher RTL- und ungarischer Eigenproduktionen wie der Realityshow „Gyözike“ in der entscheidenden Gruppe der 18- bis 49-jährigen Marktführer geworden. Mit der Zulassung kommerzieller Sender ging eine Schwächung der öffentlichrechtlichen Sender „MTV“, „MR“ und „Duna TV“ einher, die mancher als „so charmant
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Dieses Konsortium „MTM-SBS“ startete mit den Partnern „Scandinavian Broadcasting System“ (49 Prozent), der „MTM Kommunicacios Rt.“ (38.5 Prozent) und der „Tele München GmbH“ (12.5 Prozent). Die heutigen Eigentümer sind zu 49 Prozent die RTL Group mit Sitz in Luxemburg, zu 25 Prozent Magyar Távközlési, zu 20 Prozent Grundy International Holdings und zu 6 Prozent die Raiffeisen Unic Bank. Der Sender wird über Satelliten (Astra 1KR, Intelsat 10-02, Amos 2) sowie über Pay-TV-Pakete (UPC Direct, RCS DigiTV, Boom) verbreitet.
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und poppig wie weiland das DDR-Fernsehen“ bezeichnete. Der meistgesehene öffentlichrechtliche Fernsehsender225 „MTV1“ hatte fünf Jahre nach der Verabschiedung des Mediengesetztes nur noch einen Marktanteil von ungefähr zehn Prozent. Der Abfall des Marktanteils und die Restriktionen des Mediengesetzes ließen die Finanzierung der ÖffentlichRechtlichen katastrophale Ausmaße annehmen. Deren Schulden betrugen Anfang 2001 ungefähr 26 Milliarden Forint (nach damaligem Kurs ca. 100 Millionen Euro), wobei täglich ein weiterer Verlust von ca. 20 Millionen Forint hinzukam. Die Finanzlage des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wurde zusehends prekär. Sein Grundkapital wurde auf ein Zehntel gesenkt, die Schulden verdoppelten sich, und seit 2006 sind zahlreiche Mitarbeiter entlassen worden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Unter diesen Umständen war fraglich, ob das öffentlich-rechtliche Fernsehen überhaupt noch in der Lage ist, seinen Anforderungen gerecht zu werden. Den größten Anteil am noch geringen Anteil der Öffentlich-Rechtlichen hat das terrestrisch ausgestrahlte „MTV1“, das bis 1999 auf einen Anteil von 12 bis 14 Prozent fiel. Hinderlich auf eine Ausweitung des Marktanteils wirken sich auch die Werbebeschränkungen des Mediengesetzes aus, was „MTV“ gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen geraten läßt. Außerdem sind die Kosten wegen des umfangreichen öffentlich-rechtlichen Auftrags und des großen Personalstandes deutlich höher. Die Überweisungen aus dem Staatsbudget – denn Ungarn ist neben Liechtenstein und Monaco eines der wenigen Länder, die keine Rundfunkgebühren erheben – gehen nur zu 40 Prozent an das Ungarische Fernsehen. Der Rest geht an den Rundfunk und an „Duna-TV“. Insgesamt ist das zuwenig, um zwei Programme zu betreiben die hohen Kosten der terrestrischen Ausstrahlung zu tragen. Das Grundkapital von „MTV“ wurde mehrfach heruntergesetzt, von 16 Milliarden Forint bei der Gründung 1996 auf 1,2 Milliarden Forint im September 2000. Die größten Schulden werden regelmäßig vom Staat erlassen. Um die ausstehenden Gehälter der freien Mitarbeiter bezahlen zu können, wurden die Gebäude von „MTV“ verkauft und gemietet. Im internationalen Vergleich ist das „MTV“-Budget extrem klein. Es beträgt nur ein Fünftel des Budgets des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Slowenien. Die permanente Finanzkrise von „MTV“ ist vor diesem Hintergrund nur allzu erklärlich. Nicht ganz so schlecht steht dagegen „Duna-TV“ da, das sich vor allem an die ungarische Diaspora in den an Ungarn angrenzenden Ländern wendet. Daher geht ein relativ großer Teil (24 Prozent) aus dem Staatsbudget an „Duna-TV“, was mehr als die Hälfte dessen ausmacht, was „MTV“ bekommt. „Duna-TV“ muss allerdings nur einen SatellitenFernsehkanal betreiben und wurde bei seiner Gründung im ersten „Medienkrieg“ großzügig mit Sendelizenzen und Grundkapital ausgestattet. Die Werbeeinnahmen sind trotz des kleinen Marktanteils von ein bis drei Prozent akzeptabel, weil die zahlreichen Kulturprogramme von „Duna-TV“ eher von der gebildeten und finanziell stärkeren Schicht gesehen werden. Das zusammen genommen führt dazu, dass „Duna-TV“ finanziell deutlich weniger schlecht gestellt ist als „MTV“. Die schlechte finanzielle Lage des öffentlich-rechtlichen Fernsehens hätte für die Politik den Vorteil, argwöhnten manche, dass sie damit ein Druckmittel in der Hand habe – freundliche Berichterstattung gegen finanzielle Besserstel-
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Unter den ungarischen Fernsehsendern gibt es fünf, unter den Rundfunkanstalten drei Anstalten, die über landesweite Frequenzen verfügen. Das öffentlich-rechtliche ungarische Fernsehen (MTV) wurde 1957 gegründet. Die Sendungen werden über zwei Kanäle ausgestrahlt – die Sendungen des ersten Kanals (MTV1) über Bodenstationen, die Sendungen des zweiten Kanals über Satelliten. Ebenfalls öffentlich-rechtlich ist die „Duna Fernsehen AG“, die 1992 als Satellitensender für das Gesamtungartum gegründet wurde. Laut Mediengesetz vom 21. Dezember 1995 wurde das „Duna Fernsehen“ zum öffentlich-rechtlichen Programmanbieter, die Hungaria-Fernsehen-Stiftung zur öffentlichen Stiftung erklärt [www.dunatv.hu].
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lung. Zugleich diene die angespannte Kostensituation als willkommener Vorwand, um Mitarbeiter los zu werden, die in ‚Ungnade‘ gefallen waren. Dem öffentlich-rechtlichen „Magyar Rádió“ („Ungarisches Radio“) geht es finanziell nicht so schlecht. Zum einen ist die Konkurrenz auf dem Rundfunkmarkt nicht so groß wie beim Fernsehen, zum anderen erhält die Rundfunkgesellschaft aus dem Budget rund 28 Prozent, also im Verhältnis zu den Kosten der Programmproduktion relativ viel. „Magyar Rádió“ besteht aus den Sendern „Kossuth Rádió“ (MR1; Kultursendungen, Literatur, Politik); „Petöfi Rádió“ (MR2; vor allem Alternativ- und Ethnosendungen) und „Bartók Rádió“ (MR3; klassische Musik)226. Hinzu kommen „MR4“ mit Nationalitätenprogrammen in den Sprachen der dreizehn anerkannten nationalen Minderheiten, „MR5“ mit Übertragungen der Parlamentssitzungen (in der übrigen Zeit wird das Programm von „MR1 Kossuth“ ausgestrahlt) und „MR6“ mit Regionalnachrichten (in der übrigen Zeit wird das Programm von „MR1 Kossuth“ ausgestrahlt, in Miskolc das von „MR2 Petfi“). Das erste Programm „MR1“ liegt mit 29 Prozent im Mittelfeld der Marktanteile. Marktführend ist der Privatsender „Sláger Rádió“, der dem US-amerikanischen Unternehmen „EMMIS Communications“ gehört, mit einem Marktanteil von 37 Prozent. Musik der 1960-er, 70-er und 80-er Jahre bildet den Hauptteil des Programms bei „Sláger Rádió“227, dem mit 36 Prozent Marktanteil der ewige Konkurrent, „Danubius“, folgt228. Die Zahl der Rundfunksender beträgt derzeit mehr als 100, darunter sind überregionale, öffentlich-rechtliche, lokale, kommerzielle, kirchliche wie gemeinnützige Sender. Popmusik und Unterhaltung senden „Roxy Rádió“ und „Juventus Rádió“. Auf Unterhaltung und Schlager setzt das als links geltende „Tilos Radio“ [http://tilos.hu], das keine Werbung sendet und sich durch Spenden und Zuschüsse finanziert. 1991 wurde „Tilos Rádió“ als Alternative zum staatlichen Nachrichtenmonopol von der oppositionellen Untergrundbewegung als Piratensender gegründet, woher auch der Name kommt. „Tilos“ bedeutet „verboten“. Erst mit der Liberalisierung des Rundfunkmarktes im Jahr 1995 erhielt das „verbotene Radio“ eine Sendelizenz, die im November 1999 auslief. Die Erneuerung der Lizenz wurde dem Sender von der damaligen rechtskonservativen Regierung unter Führung des „Fidesz“ versagt. Erst als die Sozialdemokraten 2002 wieder die Regierung übernahmen, erhielt „Tilos Radio“ seine Lizenz zurück. Seitdem sendet „Tilos Rádió“ rund um die Uhr229.
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Diese sind über MW, KW, UKW und teils auch online zu empfangen [www.mr1-kossuth.hu, www.mr2petofi.hu, www.mr3-bartok.hu]. Zum öffentlich-rechtlichen Auftrag gehören auch Sendungen in den Sprachen der 13 ethnischen Minderheiten. Die auf Kurzwelle ausgestrahlten, fremdsprachigen Sendungen von „Radio Budapest International“ wurden in der ersten Hälfte 2007 eingestellt. Im Oktober 2009 entzog die ungarische Frequenzvergabestelle ORTT dem Sender die Sendelizenz. Die Entscheidung wurde von verschieden Staaten, darunter Deutschland und den USA, als intransparent kritisiert. László Majtenyi, der nicht stimmberechtige Vorsitzende der ORTT trat aus Protest über die Vergabepraxis zurück. Seitdem sendete „Sláger Rádió“ nur noch im Internet und ging gerichtlich gegen die ORTT vor. Der Sender „Radio Danubius“ begann 1986 als erster kommerzieller Sender Ungarns, offiziell in deutscher Sprache zu senden. Ab 1990 wurden die Programme in ungarischer Sprache gesendet. Anfangs eine Abteilung des Radio Ungarn, wird „Danubius“ seit 1997 von der „Országos Kereskedelmi Rádió Rt.“ betrieben. Gesellschafter: Great West Radio (Großbritannien), Wallis Rt. (Ungarn). Der kommerzielle Sender „Sláger Radio“, dessen erste Sendungen 1998 ausgestrahlt wurden, wird von der „Hungária Rádió Msorszolgáltató Rt.“ betrieben. Sendeverbot erhielt der Sender nochmals von der Medienaufsichtsbehörde ORTT für 30 Tage, als am Heiligabend 2003 ein Moderator des Senders in angetrunkenem Zustand verbreitete, dass er „alle Christen ausrotten würde“. Im Januar 2004 wurde daraufhin vor dem Gebäude des Radios eine Demonstration veranstaltet, bei der Hassreden gehalten und Fahnen, unter anderem eine israelische Fahne, verbrannt wurden.
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5.
Die Mediensysteme in den Ländern des Baltikums
Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen haben genauso wie die mittelosteuropäischen Staaten mit den totalitären Hinterlassenschaften der Sowjetzeit zu kämpfen, wenn auch ihr Schicksal, auch bedingt durch ihre Randlage, bisher nicht in dem Maße Berücksichtung fand wie es das verdienen würde. Das geheime Zusatzprotokoll zum HitlerStalin-Pakt vom August 1939 schlug die drei baltischen Staaten der Sowjetunion zu, mit all den daraus resultieren schrecklichen Folgen230. Die Massendeportationen von Balten in russische Straflager, nachdem Sowjetrussland NS-Deutschland niedergeworfen hatte, wirken bis heute nach. Als in der estnischen Hauptstadt ein sowjetisches Ehrenmal, das die Esten als Machtdemonstration des ehemaligen Besatzers empfanden, abgetragen und versetzt wurde, reagierte Moskau mit stereotypen Vorwürfen, die Balten hätten sich als Sympathisanten des Faschismus entlarvt, denn schließlich hätte Moskau das Baltikum von diesem befreit. Die Diskussion wie sie in den lettischen oder litauischen Medien geführt wurde, war im Vergleich zur einseitigen russischen mehrheitlich offen und keineswegs nationalistisch verengt, wie das die russischen Staatszeitungen unterstellten. Die baltischen Medien betonten aber durchaus, dass die Zeiten vorbei wären, in denen Moskau über Drohungen und Unterstellungen in die Innenpolitik ehemals von ihm beherrschter, aber heute unabhängiger Staaten hineinregieren könne. Die estnische Regierung wusste sich einig mit der Mehrheit ihrer Bürger, die in der Ankunft der roten Armee keine Befreiung, sondern den Beginn einer neuen Besatzung sahen. Jugendliche, die überwiegend der russischen Minderheit angehörten, lösten daraufhin im April 2007 die schwersten Ausschreitungen seit der Unabhängigkeitserklärung Estlands von der Sowjetunion 1991 aus, wobei ein Mensch getötet und 156 verletzt wurden. Die Diskussion beherrschte nicht nur die estnischen Medien, weil das Verhältnis zum ehemaligen ‚großen Bruder‘ und heutigen Nachbarn Russland eine Identitätsfrage ist, die alle baltischen Staaten beschäftigt. Das Baltikum ist allgemein gesehen ein Raum, der sich durch Medienreichtum231 und weitgehende Medienfreiheit
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Vgl. z.B.: Ludwig, K.: Das Baltikum: Estland, Lettland, Litauen. Aktuelle Länderkunden. München 1991. Die größten Tageszeitungen in Estland sind „SL Öhtuleht“ und „Postimees“, jeweils mit einer Auflage von 64.000 Stück. Bekannte Wochenmagazine sind „Sirup“ mit einer Auflage von 5.000 Stück und die russischen Magazine „Den Za Dnjom“ (15.000 Stück) und „Me Subota“ (11.000 Stück). Wichtigste Wirtschaftszeitung ist die Zeitung „Aripaev“ mit einer täglichen Auflage von 20.000 Stück. In Lettland sind die täglich erscheinenden „Diena“ und „Latvijas Avize“ mit einer Auflage von 65.000 bzw. 52.000 Stück die größten Zeitungen des Landes. Das bekannteste Wochenmagazin ist „Nedela“ mit einer Auflage von 13.000 Stück. Die Tageszeitungen mit der höchsten Auflage in Litauen sind die überregionale „Lietuvos Rytas“ mit 65.000 Stück und die „Kauno Diena“ aus der zweitgrößten Stadt Litauens mit einer Auflage von 50.000 Stück. Das Internet ist in den baltischen Staaten weit verbreitet. Wer keinen privaten Internetzugang hat, der kann eines der vielen Internetcafes, die fast an jeder zweiten Ecke zu finden sind, besuchen. Die flächendeckenste Internetverbreitung findet sich in Estland. Dort haben 55 Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet. In Lettland sind ungefähr 29 Prozent der Einwohner Internet-Nutzer und in Litauen 23 Prozent. Was das Fernsehen angeht, steht Lettland hinsichtlich der Zahl an Fernsehgeräten an der Spitze. Dort kommen auf 1.000 Einwohner 850 Geräte, während es in Estland 502 und in Litauen 487 Geräte sind. Die wichtigsten Sender Estlands sind der öffentlich-rechtliche Sender „Estonian Telvision“ und die privaten Sender „Kanal2“ und „TV3“. In Lettland sieht man vor allem „Latvijas televîzija“ (LTV, öffentlich-rechtlich), „RBS-TV“ aus Riga und „LNT“ als größten privaten Fernsehsender. In Litauen ist der wichtigste Fernsehsender das staatliche „LTV“, wobei außerdem die privaten Sender „TV3“, „TV4“ und „LNK“ von Bedeutung sind. Mit rund 1.136 Rundfunkgeräten pro 1.000 Einwohner sind in Estland nahezu alle Haushalte mit mindestens einem solchen Gerät ausgestattet. Von Bedeutung sind vor allem der öffentlich-rechtliche Sender „Eesti-Radio“ sowie die privaten Sender „Trio-Group“ und „Sky-Media“. In Lettland kommen auf 1.000 Einwohner 700 Rundfunkgeräte. Das staatliche „Latvijas
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auszeichnet. Die Esten, Letten und Litauer stehen den Formen moderner Kommunikationstechnik, vor allem dem Internet, sehr aufgeschlossen gegenüber.
5.1
Estland: junge Journalisten und russische Medien
Estland steht in der jährlich von „Reporter ohne Grenzen“ publizierten Rangliste der Pressefreiheit auf dem dritten Platz und ist somit das bestplatzierte EU-Land. Diese Tatsache ist besonders hervorzuheben, weil die estnischen Medien sich ihre Unabhängigkeit trotz starker Subventionierung durch den Staat bewahren konnten. Estlands privater Rundfunk ist nahezu vollständig in ausländischer Hand, weshalb auch die Identifikation der Bevölkerung mit diesem relativ gering ist. Dagegen genießt der öffentlich-rechtliche Rundfunk hohes Ansehen. Estland ist im Printsektor ein Ausnahmefall in der EU. Es ist das einzige Land in dem die Auflagen für Zeitschriften nicht stagnieren, sondern steigen. Die Republik Estland besitzt eine Medienlandschaft westlichen Stils. Die Presse- und Meinungsfreiheit ist in der Verfassung garantiert und in der täglichen Praxis unumstritten. Für Zweifel sorgte allerdings eine in Tallinn im März 2010 durchgeführte Umfrage. Immerhin 44 Prozent der Befragten meinten, sie wären mit einer gewissen Ein-schränkung der Meinungs- und Pressefreiheit zugunsten der nationalen Sicherheit durchaus einverstanden. Allerdings waren auch 41 Prozent dagegen, 15 Prozent konnten sich nicht entscheiden232. Der estnische Justizminister Rein Lang brachte zudem einen Gesetzentwurf über die Informationsquellen ein, der Journalisten dazu zwingen würde, gegebenenfalls ihre Informanten öffentlich bekannt zu geben. Der Entwurf umfaßte eine Liste von Fällen, in denen diese Forderung erhoben werden kann. Der Informantenschutz entfiele, selbst wenn diese anonym bleiben wollten. Im Falle des Verstoßes drohen Geld- und sogar Gefängnisstrafen. Das verstieße nach Ansicht von Journalisten gegen die Pressefreiheit. Als Protest gegen diesen Vorstoß erschienen zahlreiche estnische Zeitungen wie „Postimees“, „Eesti Päevaleht“, „Maaleht“, „Õhtuleht“ und die Wochenzeitung „Eesti Ekspress“ mit leeren weißen Seiten. Dieser Aktion schlossen sich ebenfalls russisch-sprachige Organe an. In Estland ist das Angebot an einheimischen Titeln und Programmen breit. Hinzu kommen die zahllosen, unbeschränkt, zugänglichen Medien aus dem Ausland. Gemessen an der Größe des Landes besitzt Estland eine blühende Medienlandschaft, wobei sich diese Medienvielfalt weniger durch Qualität als durch Quantität auszeichnet. Die Bericht-erstattung der Medien sei oberflächlich, tiefgehender Journalismus eher die Ausnahme, meinen Kritiker. Am 4. März 2007 fanden in Estland233 Parlamentswahlen statt. Allenthalben wurde
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Radio“ ist mit drei Programmen vertreten, außerdem senden private Radiostationen wie „SWH“, „Radio Skonto“ und „Super FM“ verschiedene Programme. Mit 524 Rundfunk-geräten auf 1.000 Einwohner ist die Verbreitung von Radioempfängern innerhalb der baltischen Staaten in Litauen am niedrigsten. Neben dem staatlichen Sender Litauisches Radio sind die privaten Sender „M 1“ und „Radio Centras“ nennenswert. Weiterhin ergab die Umfrage: 73% meinten, in Estland könnten zwar alle ihre Meinung frei äußern, doch nur 30% wären bereit, an Demonstrationen teilzunehmen, wohingegen 23% das eher nicht oder ganz sicher nicht wagen würden. Nach Ansicht von 53% der Befragten würden die estnischen Zeitungen die Parteien nicht gleich behandeln. Estland grenzt im Osten an Russland und im Süden an Lettland. Im Westen und Norden befindet sich die Ostsee. Die Hauptstadt Tallinn liegt am Finnischen Meerbusen und ist circa 70 Kilometer Luftlinie südlich von der finnischen Hauptstadt Helsinki entfernt und befindet auf demselben Breitengrad wie Schwedens Hauptstadt Stockholm. Im deutschen Sprachraum ist Tallinn auch unter der früheren Bezeichnung Reval bekannt.
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diskutiert, wie demokratisch Estland nach 15 Jahren Kommunismus geworden sei und welche Rolle die Presse dabei gespielt hätte234. Der estnische Kulturminister Raivo Palmaru von der linken Zentrumspartei meinte, Estland müsse demokratischer und toleranter werden235. In der Sowjetzeit war Palmaru ein treuer Diener des Regimes, er arbeitete für die Kulturabteilung des Zentralkomitees der kommunistischen Partei. Nach dem Fall des eisernen Vorhangs wurde er Journalist, und zweimal, 1995 und 1996, zum besten Publizisten Estlands gewählt. Er hat mehr als 500 Artikel und einige Bücher zur Kommunikationstheorie geschrieben, unter anderem „Medienmacht und Demokratie. Estlands Erfahrungen“. Seiner Ansicht nach dauere der Einfluss des sowjetischen Systems auf das Denken der Menschen bis heute an, was sich zum Beispiel darin äußere, dass die Esten, wie im übrigen auch die Russen, heute nach wie vor in den Gegensätzen ‚wir‘ und ‚die Feinde‘ denken, was die Debatten in Estland negativ präge. Daher sei, so Palmaru, Estland momentan keine sehr pluralistische und tolerante Gesellschaft. Die Medien seien weniger Korrektiv als Spiegel dieses Freund-Feind-Denkens, sie bestimmen den Diskurs in Gesellschaft und Politik, ja die Wahlergebnisse, wenn man Palmaru glauben will. Verantwortung und Freiheit sind zwei Seiten derselben Medaille. Das, was im postsowjetischen Sinne als Freiheit bezeichnet wird, ist keine Freiheit, sondern Willkür. Man glaubt, alles tun zu dürfen ohne sich mit den Geschehnissen auseinanderzu-setzen, Tatsachen verbiegen, Menschen beschimpfen und beleidigen zu dürfen. Richtige Freiheit habe mit Verantwortung zu tun. Doch die estnischen Medien handelten verantwortungslos und hätten deshalb keine Freiheit. Ähnlich kritisch äußerte sich auch Aino Siebert, die in ihrer Heimatstadt Tallin schon einmal als Verräterin oder Besserwisserin beschimpft wurde. Man habe ihr auch schon mit Strafen gedroht, wenn sie nicht den Mund halte. Denn Siebert ist eine von denen, die schon in den 1970er Jahren in den Westen gingen und sich jetzt wieder einmischen wollen. Die
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Estland ist etwas mehr als 45.000 Quadratkilometer groß und somit etwas größer als die Schweiz. Tallinn im Norden ist die größte Stadt des Landes. Die Stadt Tartu, die sich selbst als Zentrum des Südestlandes bezeichnet, ist die zweitgrößte Stadt. Weitere große Städte sind unter anderem Narva und Kohtla-Järve im Norden der Republik. Rund 70% der Gesamtbevölkerung lebt in Städten und die restlichen 30 Prozent auf dem Land. Die 1,3 Millionen Esten ergeben eine Bevölkerungsdichte von rund 30 Einwohnern pro Quadratkilometer. Das Bevölkerungswachstum der Esten ist leicht rückläufig und liegt bei -0,64%. Die Bevölkerung Estlands setzt sich hauptsächlich aus einer estnischen Mehrheit von 68,6 Prozent und einer russischen Minderheit von 25,7 Prozent zusammen. Weiterhin existieren kleine Gruppen von Ukrainern (2,1%), Weißrussen (1,2%) und Finnen (0,8%). Nur 55% der Einwohner Tallinns sind estnischen Ursprungs. Estland ist eine parlamentarische Demokratie. Grundrechte und Gewaltenteilung sind in der Verfassung verankert. Staatsoberhaupt der Republik ist der Staatspräsident. Dieser ist trotz stärkerer Befugnisse vergleichbar mit dem deutschen Bundespräsidenten. Er ist Oberbefehlshaber der estnischen Streitkräfte. Amtierender Staatspräsident ist der Sozialdemokrat Toomas Hendrik Ilves. Seine Amtszeit beträgt fünf Jahre. Die Regierung ist dem Parlament verantwortlich und steht unter der Leitung des Ministerpräsidenten. Das Amt des Ministerpräsidenten hat der Vorsitzende der Estnischen Reformpartei, Andrus Ansip, inne. Der Verwaltungsaufbau in Estland ist zweistufig. Unter der Zentralregierung gibt es von der Regierung ernannte Landräte in insgesamt 15 weiteren Landkreisen. Der Riigikogu, das estnischen Parlament, setzt sich derzeit aus den Koalitions-Parteien Reformpartei (31 Sitze), IRL (19) und den Sozialdemokraten (10) zusammen. Die Oppositionen besteht aus der Zentrumspartei (29 Sitze), Volksunion (6) und den Grünen (6). Das Parlament hat 101 Abgeordnetenmandate. Das Parlament kann von allen estnischen Staatsbürgern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, gewählt werden. Das passive Wahlrecht haben estnische Staatsbürger, die das 21. Lebensjahr vollendet haben. Estland ist seit 2004 Mitglied der Europäischen Union und hält 6 Mandate im Europaparlament. Durch stetigen Anstieg der estnischen Inflationsrate konnte der Euro 2008 nicht wie geplant als Hauptzahlungsmittel eingeführt werden. 2011 wird als realistisches Ziel für die Einführung betrachtet. Estland ist 2004 auch der NATO beigetreten. Es pflegt enge Beziehungen zu den USA und ist an den Einsätzen im Irak und in Afghanistan beteiligt. Vgl.: www.cafebabel.com/de/article.asp?T=A&Id=2395.
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sich nicht darum kümmern, dass Estland mit seinen 1,4 Millionen Einwohnern klein, und Loyalität wichtiger ist als Pressefreiheit. In den 1990er Jahren stieß die in Deutschland lebende freie Journalistin in Talliner Archiven auf KGB-Verwicklungen innerhalb ihrer Familie. Sie machte sich daran, das journalistisch aufzuarbeiten. Nur sah man das in Estland mit Argwohn. Recherchierenden Journalismus gibt es in Estland mit Ausnahme der Wirtschaftszeitung „Äripäev“ nicht, sind sich Journalisten einig. Glaubt man Ranglisten wie jenen von den „Reportern ohne Grenzen“, ist Estland mit Platz drei ein Vorzeigeland in Sachen Pressefreiheit. Doch in den Köpfen der Journalisten sei die Pressefreiheit noch nicht angekommen, meint Meerike Viilup vom estnischen Journalistenverband. Alle sechs landesweiten Tageszeitungen, wovon zwei auf Russisch erscheinen, seien politischen Parteien zuzuordnen. Die Journalisten sind oft sehr jung, unausgebildet und erliegen leichter dem Druck, auf der gewünschten politischen Linie zu bleiben. Korrespondenten im Ausland sind zu teuer. Die Tageszeitungen unterschätzten die Bedeutung eines Korrespondenten, zum Beispiel in Brüssel, wo die wirklich wichtigen politischen Entscheidungen getroffen werden, so die Sorge von Kalev Vilgats, Chefredakteur der größten Tageszeitung „Pärnu Postimees“. Die Klage über die mangelnde demokratische und diskursive Reife Estlands, die Palmaru und andere führen, erscheint in anderem Licht, wenn man bedenkt, dass Palmaru selbst mit dem Mehrparteiensystem sein Problem hat und die scharfe politische Rhetorik als Populismus verurteilt. Den Hintergrund blendet er aus, der darin besteht, dass Estland gespalten ist, in die estnischsprachige und die russischsprachige Gemeinschaft. Die Russen besitzen ihre eigenen, meist oppositionellen Medien. Auch im öffentlichrechtlichen Radio gibt es mit „Radio Vier“ einen russischen Sender. In den russischsprachigen Zeitungen wird die estnische Staatsmacht in zügelloser Weise beschimpft. Dass dann die estnischen Medien auf vermeintliche Illoyalität in den eigenen Reihen empfindlich reagieren, den Konformitätsdruck gelegentlich übertreiben, ist durchaus erklärlich. Dazu kommen Vorfälle, die diese Haltung noch zementieren. Als Margus Allikmaa, ein Freund des Ministerpräsidenten Andrus Ansip, im Mai 2007 zum Rundfunkchef des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (ETV – „Eesti Televisioon“) und Radios (ER – „Eesti Raadio“) – beide sind rein staatlich finanziert – gewählt wurde, sah die russischsprachige Tageszeitung „Vesti-Dnja“ das als ein Zeichen eines neuen Totalitarismus. Wie verwundbar die elektronische Kommunikation eines so kleinen Landes wie Estland ist, mussten die Esten im April 2007 erfahren, nach der Umsetzung eines sowjetischen Denkmals, das für die Esten kein Symbol der Befreiung, sondern der jahrzehntelangen sowjetischen Diktatur ist. Das offizielle Russland und die russische Minderheit in Estland reagierten in schärfster Form. Vermutlich russische Hacker legten durch gezielte Angriffe öffentliche Computersysteme lahm. Der estnische Generalleutnant Johannes Kert erklärte Ende September 2007, daß bereits mehr als zehn NATO-Staaten ihre Bereitschaft signalisiert hätten, ihre Sicherheitsdienstleister für die Abwehr von Hacker-angriffen an das Zentrum zu entsenden. Die neue Einrichtung basierte auf dem vor vier Jahren geschaffenen und inzwischen recht kompetenten nationalen Zentrum für Computersicherheit236. Der General leitete die Notwendigkeit der Arbeiten auf diesem Gebiet aus dem hohen Stand der elektronischen Kommunikation in der öffentlichen Verwaltung ab, die Estland für Cyberkriminali-
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Das nationale Zentrum für Computersicherheit ist nach Angaben des estnischen Verteidigungs-ministeriums zum Zweck der Zusammenarbeit mit den NATO-Staaten auf dem Gebiet der gemeinsamen Entwicklung von Methoden für die Abwehr von Hackerangriffen gegründet worden und untersteht dem Ausbildungssystem der Armee. Es plant und realisiert Projekte im Verbindungswesen und auf dem Gebiet der Informationstechnologien zu Verteidigungszwecken. Es bildet außerdem einschlägige Fachleute für die Armee aus.
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tät natürlich auch verwundbar machen. Er unterstrich in diesem Zusammenhang, dass die Computerangriffe vom April, als Massenausschreitungen nach der Umsetzung des Denkmals für die sowjetische „Befreiung“ in Tallinn das Land erschütterten, den Sicherheitsfachleuten wertvolle Lehren mit auf den Weg gegeben hätten. Kert stellte fest, die damaligen Angriffe auf offizielle Webseiten hätten spontanen Charakter getragen. Die lenkende Hand von bestimmten Institutionen sah er nicht. Die Hackerangriffe auf die Internetseiten estnischer Behörden vom April hatte Premierminister Andrus Ansip Computern russischer Regierungsstellen zugeschrieben, worauf Russland freilich die Beschuldigung als haltlos zurückgewiesen hatte. Auch NATO- und EU-Experten hatten keine „russische Spur“ gefunden. Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich die estnische Medienlandschaft deutlich verändert: die Zeitungen wurden privatisiert, die privaten Rundfunksender sowie neue Tagesund Wochenzeitungen und Zeitschriften wurden gegründet. Jedoch nicht alle neugegründeten Medienkanäle konnten überleben und daher hat die estnische Medienlandschaft während der 1990er Jahre etliche rasche Veränderungen und Fusionen der TV-Stationen erlebt. Gegen Ende der 1990er Jahre trat jedoch allmählich eine gewisse Stabilisierung und Konzentration der Medien ein. Durch den Generationswechsel sind die Journalisten Estlands im Durchschnitt sehr jung. Im letzten Jahrzehnt vor der Jahrtausendwende wollten die Medien, ob Zeitungen oder Fernsehen, meist nur junge, also vom Kommunismus unbelastete Journalisten einstellen, weshalb man damals diesen Nachwuchs nicht ganz zu Unrecht als „Kinderjournalisten“ belächelte. Aus diesen damals noch unerfahrenen Journalisten sind bis heute zumeist gute Redakteure und Journalisten geworden, und die Qualität der Medien hat sich trotz aller Kritik, wie sie Palmaru vorbrachte, deutlich verbessert. Meinungsumfragen zeigten jedoch, dass die Medien generell in der Bevölkerung nur geringes Vertrauen genießen, wobei der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Ausnahme darstellt. Die Universität Tartu bildet Journalisten aus. Viele künftige Journalisten nehmen aber auch den Umweg über andere Fächer, um zum Journalismus zu kommen. Mancher Kritiker hat schon angemerkt, dass ein nicht ganz unwesentlicher Umstand die Unparteilichkeit der Berichterstattung beeinflussen könnte. Da Estland ein Land mit geringer Einwohnerzahl ist, und Journalisten und Politiker oft gute Bekannte – viele haben zusammen an der Tartuer Universität studiert – oder gar Verwandte sind, könne das Rückwirkungen auf die Berichterstattung haben.
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5.2
Die Entwicklung des estnischen Mediensystems
Das Mediensystem in Estland hat lange Tradition, die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Die „Pärno Postimees“ bekam 1856 durch Erlass Zar Alexanders II. die erste Drucklizenz und erschien dann regelmäßig ab 1857 als achtseitige Wochenzeitung in Pärno. Im selben Jahr erschien eine gleichnamige Zeitung in Tartu. Damit war der Zeitungsmarkt in Estland mit dem „Postimees“, dem Postboten, den es seit 1991 wieder gibt, geboren. Im Jahr 1990 hatte Estland mit 523 verkauften Zeitungen pro tausend Einwohner eine der höchsten Zeitungszahlen weltweit. Jedoch fiel diese Zahl bis Mitte der 1990er Jahre auf lediglich 173. Seitdem wuchs der Printmarkt in Estland aber wieder stetig und stellt damit eine Besonderheit innerhalb der Europäischen Union dar. Im Herbst 1921 wurden in Estland die ersten Radiogeräte der Öffentlichkeit vorgestellt. Drei Jahre später, im Mai 1924, strahlte man erste Testsendungen im Radio aus. Doch erst seit 1926 gibt es regelmäßige Radiosendungen. In der Zeit der sowjetischen Besatzung von 1944 bis 1991 stellte das Radio eine Sonderstellung im Mediensystem und der Presse dar. So war „Radio Estland“ der erste Sender der Sowjetunion, der in den Siebzigern bereits Werbung ausstrahlte. In den achtziger Jahren hatte die estnische Radiolandschaft viel Spielraum und spielte sowohl westliche Musik als auch Livesendungen. Auch dies war nahezu einmalig in der UdSSR. Schon vor der politischen und staatlichen Unabhängigkeit ging 1990 der erste private Radiosender auf Sendung. Im Zeitraum von 1991 bis 1999 nahmen rund 30 weitere private Sender ihr Programm auf und haben sich bis heute auf diesem quantitativen Niveau gehalten. Obwohl erste Fernsehgeräte schon in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts in Estland existierten, gab es unter sowjetischer Besatzung erste nationale Programme. 1955 wurde das erste regelmäßige Programm in Estland installiert. Die sowjetischen Besatzer führten einen Sender in estnischer Sprache und drei russischsprachige aus Moskau und St. Petersburg ein. Diese Sender wurden 1993, also zwei Jahre nach der Unabhängigkeit, eingestellt. Im Jahr 1992 ging der erste Privatsender auf Sendung. In der Zeit zwischen 1993 und 1997 erlebte der estnische Werbemarkt einen Boom und verdreifachte sich. Dabei betrug der Anteil des Fernsehmarktes einen Anteil von rund 27 Prozent. In den 1990er Jahren gab es durch die Privatisierung der Zeitungen und die Gründung vieler privater Tages- und Wochenzeitungen viele schnelle Veränderungen in Estlands Medien. Derzeit gibt es etwa 790 regelmäßig erscheinende Druckerzeugnisse in Estland. Der Großteil davon ist lokal und auf nationaler Ebene bedeutungslos. Außerdem sind sie thematisch begrenzt. Das Angebot aller bedeutsamen Blätter zielt auf das Allgemeininteresse ab. Reine Zielgruppenblätter gibt es unter den Tages- und Wochenzeitungen nicht. Trotzdem findet man überall die gleiche Bandbreite an Themen, wie Politik, Wirtschaft, Kultur, Veranstaltungen, Lokales, Ratgeber, Lifestyle. Sie unterscheiden sich nur in ihrer Aufmachung. Die größten überregionalen Tageszeitungen in estnischer Sprache sind die seriösen Qualitätszeitungen „Postimees“ („Postbote“) und „Eesti Päevaleht“ („Estnische Tageszeitung“), die Boulevardzeitung „SL Öhtuleht“ („Abendblatt“). „Postimees“ gehört fast vollständig dem norwegischen Medienkonzern „Shibsted“, der 1998 die estnische Medienholding „Eesti Meedia“ übernahm. „Eesti Päevaleht“ gehört der „Ekspress Grupp“, einem estnischen Medienunternehmen, das 1998 an die schwedische Medienholding „Bonnier“ verkauft und im Jahre 2001, wegen einer finanziellen Krise „Bonniers“ von „Ekspress“ wieder zurückgekauft wurde. Die Boulevardzeitung „SL Öhtuleht“ enstand aus der Fusion von „Öhtuleht“ und dem damals größten Konkurrenten auf dem Boulevardmarkt, „Sönumileht“. Betrieben wird er jeweils von „Eesti Meedia“ und der
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„Ekspressgrupp“. Da gut ein Drittel der estnischen Bevölkerung Russisch spricht, gibt es auch mehrere russischsprachige Zeitungen. Zu den bedeutendsten gehören die Tageszeitungen „Molodjož Estonii“ („Jugend Estlands“) und „Vesti Dnja“ („Nachrichten des Tages“), die Wochenzeitungen „Vesti Nedeli“ („Wochennachrichten“), „Den za Dnjom“ („Tag für Tag“) und „MK-Estonia“, und die Regionalzeitung „Narvskaja Gazeta“ („Narva-Zeitung“). Aufgrund der geringen Einwohnerzahl von 1,4 Millionen ist die Auflage der Zeitungen dementsprechend klein. Trotzdem ist die Zeitungsdichte sehr hoch, was zu einer großen Konkurrenz auf dem Markt führt. Mit ungefähr 65.000 Stück hat die Boulevardzeitung „SL Öhtuleht“ die größte Auflage in Estland, gefolgt von „Postimees“ mit 62.000 und „Eesti Päevaleht“ mit 33.000 Stück. Weiterhin gibt es noch eine unabhängige Wirtschaftszeitung, die „Äripäev“, die zur schwedischen Medienholding „Bonnier“ gehört. Unter dem Namen „Delovyje Vedomosti“ („Geschäftsnachrichten“) erscheint diese auch als Wochenzeitung in russischer Sprache. Im Gegensatz zu den Tageszeitungen, die seit Mitte der 1990er Jahre durch Konzentration und Fusionen abgenommen haben, steigt die Zahl an Zeitschriften mit dem Lebensstandard deutlich an, besonders in den Sparten Lebensstil, Frauen und HomeDesign. Dennoch ist Armut im Land weit verbreitet, viele Esten können sich immer noch nicht leisten, regelmäßig eine Zeitung zu kaufen. Besonders erwähnenswert ist die Subvention diverser Kulturausgaben. Diese werden vom Staat finanziell unterstützt, bleiben aber politisch unabhängig. Der Staat gibt die Gelder an die Stiftung „Kultuurileht“ weiter und diese unterstützt Kultur- und Wissenschaftsinitiativen für Kinder. An estnisch-sprachigen Wochenzeitungen gibt es „Eesti Ekspress“ und „Maaleht“, die sich an Landwirte wendet, und die Kulturzeitung „Sirp“. Regionalzeitungen sind die „Pärnu Postimees“ (Pärnu), „Sakala“ (Viljandi), „Pôhjarannik“ (Ida-Virumaa), „Valgamaalane“ (Valga), „Virumaa Teataja“ (Rakvere), „Meie Maa“ (Kuressaare). Daneben gibt es die englischsprachige „The Baltic Times“, und die deutschsprachige „Baltische Rundschau“. An Radiosendern hat Estland das öffentlich-rechtliche „Eesti Radio“ und das private „Kuku-Radio“. Die offizielle Nachrichtenagentur Estlands heißt „Baltic News Service“ (BNS). Wichtige Internetadressen sind „www.delfi.ee“ und „www.hot.ee“. Eine Neuigkeit auf dem estnischen Medienmarkt ist „Linnaleht“, eine kostenlose Zeitung, die in den größeren Städten Tallinn, Tartu und Pärnu verteilt und von „Eesti Päevaleht“ und „Eesti Meedia“ herausgegeben wird.
5.3
Fernsehen und Rundfunk in Estland
Anfang der 1990er Jahre entstanden in Estland viele neue private Radio- und Fernsehsender. Doch konnte sich der Großteil davon nicht lange halten und es gab etliche Fusionen, was nach und nach zu einer Stabilisierung des Marktes führte. Die estnischen Rundfunkmedien werden durch das Rundfunkgesetz von 1994 geregelt. Dieses sieht ein freies und privates Rundfunksystem vor. Der Schutz Minderjähriger wird an verschiedenen Stellen im Gesetz erwähnt und hat insgesamt relativ große Bedeutung. Zudem ist jeder befugt, einen Sender zu gründen, benötigt dazu aber eine Lizenz, die das Ministerium für Transport und Kommunikation vergibt. In Estland existiert, wie in Deutschland, ein duales System. Spartenprogramme in frei empfangbaren Sendern sind aufgrund des kleinen Marktes in Estland nicht vertreten. Wie auch in Skandinavien ist es in Estland weitgehend üblich, daß ausländische Fernsehproduktionen nicht synchronisiert werden, sondern im Original mit estnischen Untertiteln gesendet werden. 97 Prozent der estnischen Bevölkerung besitzen ein
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Fernsehgerät, vor dem sie im Sommer 2000 durchschnittlich drei Stunden und 47 Minuten verbrachten. Im öffentlich-rechtlichen Bereich gibt es neben dem Fernsehsender „ETV“ die Radiostation „Eesti Radio“, die sich in etwa mit der Radiosparte des „MDR“ vergleichen lässt. Unter den vier Programmen sind ein Inforadio, ein Jugendsender, ein russischer Kanal sowie ein Klassik-Sender. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird komplett aus dem Staatshaushalt finanziert. Das Rundfunkgesetz sieht zwar Rundfunksteuern vor, diese werden bislang noch nicht eingezogen. Zusätzliche Einnahmen durch Werbung sind wegen des starken Drucks der privaten Sender seit Juli 2002 verboten. Die Aufgaben der ÖffentlichRechtlichen sind unter anderem: der Öffentlichkeit die Weltkultur zugänglich zu machen, ein ausgeglichenes Programm auf hohem Niveau anzubieten, das Nachrichten-bedürfnis aller Volksgruppen zu bedienen, Ereignisse des öffentlichen Lebens für die Zukunft festzuhalten, Eigenproduktionen herzustellen, die estnische Sprache, Nation und Kultur zu schützen, die Staatlichkeit zu stärken, dem internationalen Ansehen Estlands zu dienen, und jedermann zur Beachtung von Menschenwürde, Gesetzen, Moral und Minderheitenrechten anzuhalten. Weiterhin soll der Anteil der nationalen Programme mindestens 51 Prozent betragen. Der private Fernsehmarkt ist insgesamt sehr überschaubar. Alle senden in etwa das gleiche Programm und es haben sich noch keine richtigen Favoriten herausgebildet. Allerdings haben sich die Sender „Kanal2“ und vor allem „TV3“ etabliert. Beide Sender sind inzwischen in der Hand ausländischer Medienkonzerne: „Kanal2“ gehört dem norwegischen „Shibsted Konzern“ und „TV3“ zu Skandinaviens größtem Medienunternehmen „MTG“ („Modern Times Group“). Mit dem 1997 gegründeten „TV1“ gab es noch einen dritten großen privaten Fernsehsender, der sich von einem Regionalsender zu einem landesweiten entwickelt hatte und schließlich vom polnischen „Polsat“-Konzern übernommen wurde. „TV1“ hielt dem Druck des hart umkämpften Marktes allerdings nicht stand und ging 2001 in Konkurs. Alle Kanäle sind terrestrisch frei empfangbar. Hinzu kommen vier Kabelnetze, die eine Vielzahl ausländischer Sender anbieten. Estnisches Fernsehen über Satellit gibt es im Pay-TV-Paket des skandinavischen Anbieters „Viasat“. Wer das „Viasat“-Paket abonniert, erhält neben „TV3“ und „TV3+“ russische, finnische, schwedische, norwegische, dänische und englischsprachige Sender. Auf dem gleichen Satelliten sind die baltischen „MTV“-Ableger „MTV Eesti“, „MTV Latvia“ und „MTV Lietuva“ im Abonnement erhältlich. Anders als in Deutschland haben die Privaten gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen jedoch einen geringeren Marktanteil. Die Gründe liegen hier offenbar in den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Sender. Demnach ist dort die Qualität der Nachrichten besser und es werden deutlich mehr eigene Formate produziert. Den größten Marktanteil bei den Privaten haben „TV3“ mit 24 Prozent (2000), „ETV“ mit 29 Prozent, „TV3“ mit 24 Prozent, „Kanal 2“ (21 Prozent). Nachdem die Privatradios zu Beginn noch von einheimischen Unternehmen betrieben wurden, so sind sie inzwischen überwiegend in ausländischer Hand. Derzeit gibt es über 30 private Radiosender, von denen die meisten im Raum Tallinn auf Sendung sind. Zu den bekanntesten gehören die „Sky Media Group“ mit „Skyradio“, „Sky+“ und „Russkoje Radio“, „Trio Group“ mit „Kuku“, „Uuno“, „Elmar“, „Eeva“, „Raadio 100,7“ und „Katjuscha“, „Modern Times Group“ mit „Star-FM“ und „Powerhitradio“. Gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen haben die Privaten allerdings mit geringen Einschaltquoten zu kämpfen. Zwar steigen die Anteile, doch ist das Verhältnis noch immer unausgeglichen. Die Gründe hierfür liegen in der mangelnden Programmvielfalt und dem aus journalistischer Sicht wenig gehaltvollen Angebot. Der Großteil der Sender versteht sich als Hitradio und legt mit
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nur fünf Minuten pro Stunde keinen großen Wert auf Nachrichten. Einzig die landesweit empfangbaren Stationen „ER4“, „ER2“ und „Raadio Kuku“ senden umfangreichere Wortbeiträge, sind damit aber eine Ausnahme. Insgesamt läßt sich festhalten, daß das estnische Rundfunk- und Fernsehnetz fast vollständig in ausländischer Hand ist. Eine Ausnahme bilden hier nur die öffentlich-rechtlichen Programme. Die haben, anders als in Deutschland, zudem einen deutlich größeren Marktanteil, was mit der besseren Qualität und der Programmvielfalt zusammenhängt. Ob sich die Lage in Zukunft verbessert, bleibt nur zu vermuten. Die privaten Medien werden aus dem Ausland gelenkt und Entscheidungen werden zunehmend nicht mehr in Tallinn, sondern eher von Stockholm oder Oslo aus getroffen. Auf der anderen Seite werden sie aber auch von dort aus finanziert. Ein Ausstieg der Konzerne würde wohl für viele das schnelle Ende bedeuten. In Estland verschwanden Anfang Januar 2006 alle russischen Fernsehsender aus dem Kabelprogramm. Russische Unterhändler und die estnischen Kabelnetz-Betreiber „Starman“ und „STV“ hätten sich zuvor nicht auf die Konditionen für eine Verlängerung abgelaufener Verträge einigen können, meldete der Radiosender „Echo Moskaus“. Von der Abschaltung sind zehn Sender betroffen, darunter das russische Staatsfernsehen, „NTW“ und der regionale russischsprachige „Erste baltische Kanal“. Zunächst gab es widersprüchliche Angaben darüber, wer die Verantwortung für den Wegfall der Programme trägt. Ein erheblicher Teil der russischsprachigen Einwohner Estlands nutzte die Angebote der Kabelprogramme aus dem Nachbarland. Etwa ein Drittel der Bevölkerung der Baltenrepublik kann nun lediglich einige Minderheitenprogramme des estnischen Staats-fernsehens in der Muttersprache empfangen. Im Bereich der elektronischen Medien haben sich neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsystem zahlreiche kommerzielle Anbieter entwickelt. In Estland gibt es einen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender (ETV) und eine Radiostation (Eesti Radio) mit vier Programmen („Vikerradio“ – allgemeiner Info- und Unterhaltungssender, „Radio 2“ – Jugendradio, „Radio 4“ – allgemeiner russischer Kanal, „Klassikradio“ – klassische Musik und Konzertmitschnitte). Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird in Estland direkt aus dem Staatshaushalt finanziert, weil Rundfunkgebühren nicht erhoben werden. Es gibt in Estland zurzeit über 30 private Radiosender, der private Radiomarkt ist größtenteils in ausländischer Hand. Prinzipiell ist jedermann berechtigt, eine private Sendestation zu gründen, jedoch ist eine Lizenz der regierungsunabhängigen Regulierungsbehörde (Kommunikationsamt) nötig. In Estland existiert, ebenso wie in Deutschland, ein Duales System zwischen öffentlichrechtlichem und privatem Rundfunk. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk Estlands ist, wie ARD, ZDF und die Dritten Programme in Deutschland, für die Grundversorgung der Bevölkerung zuständig. Dies ist durch das estnische Rundfunkgesetz vorgeschrieben. Das Rundfunkgesetz ist das einzige explizite Mediengesetz Estlands. Es ist die verfassungsrechtliche Grundlage zur Organisation und Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. In einer sehr komplexen Form gibt dieses beispielsweise die Programm-zusammenstellung (mindestens fünf Prozent Nachrichtenanteil), die politische Ausgewogenheit und die Werbebestimmungen des öffentlichen Rundfunks vor. Ähnlich wie in Deutschland ist durch das estnische Rundfunkgesetz auch eine Kontrollinstanz, der Rundfunkrat, festgelegt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk Estlands finanziert sich laut Rundfunkgesetz (theoretisch) durch gesetzlich festzulegende Rundfunksteuern. Diese werden allerdings derzeit noch nicht erhoben, existieren real also nicht. Die Einnahmequellen für den öffentlichrechtlichen Rundfunk sind also andere: Werbe- und Vermarktungseinnahmen, Spenden, vorwiegend jedoch Zuschüsse des Staates. Der öffentlich-rechtliche und der private Rund-
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funk Estlands sind nicht gleichrangig. Der Marktanteil der öffentlichen-rechtlichen Sender ist sowohl im Rundfunk- als auch im Fernsehbereich wesentlich höher. Ursache hierfür ist die, dem Privaten Rundfunk mangelnde, Vielfalt und Qualität. Obwohl in Estland, wie in Deutschland, nahezu jeder Haushalt (97 Prozent) mit Empfangsgeräten ausgestattet ist, existieren (im Free-TV) keine Spartensender. Ebenso werden ausländische Filmproduktionen für das Fernsehen nicht synchronisiert, sondern lediglich mit estnischen Untertiteln versehen. Die Ursache hierfür liegt in der Einwohnerzahl des Landes. Diese ist mit 1,3 Millionen in etwa mit der Stadt München vergleichbar. So ist auch der Markt sehr klein, auf dem sich die Medienanbieter bewegen. Um also die zur Rentabilität notwendigen Quoten zu erreichen, sind Sender gezwungen, sich auf die gesamte Bevölkerung als Konsumenten auszurichten. Die öffentlich-rechtliche Radiolandschaft Estlands ähnelt der deutschen. So bietet das öffentlich-rechtliche Estni-Radio ebenso wie deutsche Sendeanstalten des MDR, RBB oder NDR verschiedene, speziell auf die Zielgruppen zugeschnittene Programme. Zwar bietet das estnische Privatradio mit circa 30 Sendern eine hohe Quantität, die qualitative Vielfalt bleibt jedoch auf der Strecke. Die Einschaltquoten des kommerziellen Radios in Estland sind im Vergleich zum Öffentlich-Rechtlichen gering. Neben den inhaltlichen Ursachen ist dies in der fehlenden Identifikation der Bevölkerung mit den Privatsendern begründet. Das private Radio sendet fast ausschließlich aus dem Ausland und somit ohne estnischen Bezug.
5.4
Digitalisierung und Presseagenturen in Estland
Zu Online-Medien hat Estland eine besondere Beziehung. Nicht von ungefähr gilt es als voll-digitalisiertes Land. Voller Stolz verkünden Esten, dass sie an der Spitze der Informationsgesellschaft stehen. Die Regierung garantiert jedem einen kostenlosen Internetzugang. 2007 existierten in Estland mit 1153 WLAN-Spots schon doppelt so viele WiFi-Areale wie 2005. Viele dieser Spots dürfen sogar kostenlos genutzt werden. Um eine umfangreiche Internetabdeckung zu gewährleisten, startete man schon 1997 das sogenannte Tigersprungprogramm. So ist es nicht verwunderlich, daß die weltbekannte Internettelefon-software „Skype“, welche zurzeit rund 220 Millionen Nutzer hat, in Estland entwickelt wurde. Außerdem gibt es sehr viele Online-Portale, von denen „www.delfi.ee“, „www.everyday.com“ die populärsten sind. Auch die Tageszeitungen haben mittlerweile Online-Redaktionen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. Der Alltag in Estland ist insgesamt online: Alle Schulen sind am Netz und auch zu Hause haben die meisten Esten einen Internet-Zugang. Selbst die Verwaltung ist weitestgehend digitalisiert. Fast alle Staatsbeamten arbeiten mit dem Computer, so ist es auch möglich, seine Steuererklärung elektronisch einzureichen. Parlaments- und Regierungssitzungen werden mittlerweile papierlos und online übertragen. Sogar ein Gesetz, das im Dezember 2000 verabschiedet wurde, erlaubt es, Verträge und Beschlüsse online zu unterschreiben. Blickt man in die öffentliche Verwaltung, namentlich die Regierung, fällt das besonders auf. In der Staatskanzlei in Estland gibt es kein Papier mehr. Auch im Kabinettssaal stehen nur Laptops. Keine schriftlichen Vorlagen mehr, mit Rand für Notizen und Eselsohren an kritischen Stellen. Alle Regierungsvorlagen sind den Beteiligten schon vor den Sitzungen
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elektronisch zugänglich237. Ergänzende Informationen können abgefragt, Diskussionen per Mail zwischen den Ministerien und Behörden abgewickelt werden. Ministerpräsident Andrus Ansip schildert die Verfahren des E-Government, das im Jahr 2000 eingeführt wurde, als „leicht, effizient und sehr transparent“. Die Kabinettssitzungen dauerten oft nur wenige Minuten. Die Medien hätten leicht Zugang auch zu den Hintergrundinformationen. Die meisten Journalisten kämen gar nicht mehr in den Saal der Pressekonferenz, sondern verfolgten die Ausführungen in ihren Redaktionen über das Internet. Kein Zweifel: In Estlands Hauptstadt Tallinn schwelgt man in einer Welt der Informationstechnologie und der Internetkommunikation. Und was der Regierung recht ist, soll auch dem Bürger zugute kommen. Das Land rühmt sich, auf der ganzen Welt mit an der Spitze der Informationsgesellschaften zu stehen. Schon der Personalausweis hat es in sich: Die kodierte Karte mit Bild sieht aus wie eine Bankkarte und dient auch als solche sowie zugleich als Versicherungskarte. 1,15 Millionen solcher ID-Karten sind schon ausgegeben, bei einer Bevölkerung von nur 1,35 Millionen. Man muß jedoch estnischer Staatsbürger sein, um eine solche ID-Karte zu bekommen. Etwa 200.000 russischsprachige Bewohner Estlands, die sich nicht um die Staatsbürgerschaft bemüht haben, sind ausgeschlossen. Jedermann in Tallinn, selbst in der kopfsteingepflasterten mittelalterlichen Altstadt, scheint im Internet zu surfen. Der Staat garantiert kostenlosen Internetzugang für alle. In Hotels, Cafés und Bars kann man ins Internet gehen. Bei den Lokalwahlen und in diesem Jahr auch bei den nationalen Parlamentswahlen konnte man die Stimme elektronisch abgeben. Der Abgeordnete konnte bequem vom Sofa im Wohnzimmer aus gewählt werden. Zahlreiche Behördenangelegenheiten können von zu Hause abgewickelt werden. Die Steuererklärung wird mittlerweile von 84 Prozent der Steuerpflichtigen elektronisch abgegeben. Wobei Formular und Steuersätze einfach zu verstehen sind. Einkommen- und Gewinnsteuer linear 22, Mehrwertsteuer 18 Prozent – jeder kann es selbst ausrechnen. Deshalb sei die Steuerehrlichkeit, wie der Ministerpräsident rühmt, so hoch. Schon 79 Prozent aller Banktransaktionen geschehen elektronisch. Hier habe überhaupt der Übergang zur elektronischen Gesellschaft begonnen, sagt der Ministerpräsident. Die schwedisch-nordischen Banken hätten das IT-Wissen mitgebracht. Und Estland, das seit Sowjetzeiten keine Banktradition hatte, habe gleich in die Moderne springen können. Da Internet-Banking kostenlos sei, hätten sich rasch auch die Rentner darauf eingelassen. Inzwischen sind auch alle Schulen am Netz. Schüler und Eltern können Noten und Hausaufgaben elektronisch abrufen. Lehrer und Eltern können sich über die Sprösslinge austauschen. Estnische IT-Firmen haben schon besondere Programme für den Schuleinsatz entwickelt. Andere Staaten schauen inzwischen nach Estland, um davon zu lernen. Es gibt in Estland mehr Mobiltelefone als Einwohner. 91 Prozent der Einwohner haben ein Mobiltelefon, viele zwei. Das Mobilfunknetz deckt 99 Prozent des Landes ab. Die Parkgebühr wird per SMS bezahlt. Regierung und örtliche Verwaltungen tun noch mehr, um die Internetnutzung im Alltag weiter zu erleichtern. In Estland gibt es inzwischen 729 öffentliche Zugangspunkte zum Internet – 1997 hatte das im sogenannten Tigersprungprogramm begonnen. Und inzwischen ist es um 1134 „WiFiAreale“ erweitert worden (eine Verdoppelung gegenüber 2005), in denen man etwa in der Altstadt, in Parks, am Strand, in Stadien oder in Gebäudearrealen über Funk einen Breitbandzugang zum Internet hat. 361 solcher Einrichtungen gibt es in Tallinn, davon 49 von der Stadt betriebene, die kostenlos sind. Das heißt, ein Spaziergänger oder ein Erholungsu-
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Vgl. Thielbeer, Siegfried: Im Wohnzimmer wählen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 232, 6.10. 2007, S. 9.
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chender, der im Park auf der Wiese liegt, kann einfach ohne jede weitere Verbindung seinen Laptop einschalten und ist weltumspannend verbunden. Angesichts einer solchen Elektronik-Affinität ist es kein Wunder, dass einer der bekanntesten InternetKommunikationsdienste, „Skype“, in Estland entstanden ist und auch heute noch dort seine Entwicklungsabteilungen hat. „Skype“ hat die weltumspannende kostenlose InternetTelefonie durchgesetzt, mit jetzt, nach nur fünf Jahren, 220 Millionen Nutzern. Nachdem die staatliche Nachrichtenagentur „ETA“ privatisiert und danach im Jahre 2003 zur Mediamonitoring-Agentur reorganisiert wurde, gibt es in Estland nur eine Nachrichtenagentur, den „BNS“ („Baltic News Service“). Die Agentur „Baltic News Service“ bietet auch englischsprachige Dienste an. „BNS“ ist eine private Agentur mit schwedischen Geldgebern. Um die ethische Gebaren bzw. die Freiheit der Presse zu schützen, wurde auch in Estland ein Presserat gegründet. Das 17-köpfige Gremium hat die Aufgabe, die Pressefreiheit zu schützen, Beschwerden entgegenzunehmen und selbstständig gegen ethische Verstöße vorzugehen. „The Code of Ethics of the Estonian Press“ ist ein Statut, ähnlich dem deutschen Pressekodex. Wer hiergegen verstößt, wird vom estnischen Presserat verpflichtet, dessen Urteil innerhalb von zehn Tagen zu veröffentlichen. Wirklich empfindliche Strafmaßnahmen können vom Presserat in Estland, ebenso wie in Deutschland, aber nicht verhängt werden. Die Achtung der Persönlichkeitsrechte kann in Estland eingeklagt werden. Aus diesem Grund ist die estnische Presse bemüht, die Privatsphäre großer Persönlichkeiten zu gewährleisten. Bei den „kleinen Leuten“ jedoch wird weniger Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte genommen. So kommt es regelmäßig vor, dass persönliche Daten ohne Rücksicht auf die Betroffenen veröffentlicht werden. Die meisten Printerzeugnisse Estlands entstehen unter der Aufsicht ausländischer Verlage. Vor allem im Bereich der Zeitschriften ist dies der Fall. Die für die Ausbreitung von Informationen wichtigen Tageszeitungen jedoch stammen zum größten Teil (circa zwei Drittel) aus inländischen Unternehmen. Der Staat subventioniert den Printmarkt in Estland, ohne dabei auf die publizierten Inhalte Einfluss zu nehmen. Die estnische Presse bleibt somit unabhängig. Die Auflagen der estnischen Printerzeugnisse sind im Verhältnis zu den deutschen Auflagenzahlen sehr gering. Dieser Fakt ist auf die geringe Bevölkerungszahl Estlands zurückzuführen. Dennoch steigen in Estland Angebot und Auflage vor allem von Zeitschriften stetig an. Dies ist auf die Subventionierung durch den Staat sowie auf den wachsenden Wohlstand des Landes zurückzuführen. Aufgrund der weiten Verbreitung des Internet wächst in Estland die Bedeutung von Online-Portalen. Die meisten estnischen Tageszeitungen haben eigene OnlineRedaktionen und bieten ihr Produkt auch als E-Paper an.
279
6.
„Bunt und unkontrovers“ – die Medien in Lettland
Die Geschichte des heutigen Lettland ist mit den beiden anderen baltischen Staaten auf das Engste verknüpft. Alle drei teilen den Umstand, daß sie an einer geographisch günstigen Position für den Ostseehandel im Mittelalter lagen und deswegen insbesondere zu den Blütenzeiten der Hanse die Begehrlichkeiten seiner größeren Nachbarn weckten. Lettland wurde im 13. Jahrhundert vom Deutschen Orden erobert und Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches. Von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts wurden mehrere Kriege um das Territorium des heutigen Lettlands geführt. In der Folge wurde das lettische Gebiet zwischen Polen und Schweden aufgeteilt. Der nordische Krieg zwischen Russland und Schweden aber führte schon im 18. Jahrhundert zur Vereinigung der geteilten Gebiete in einem Generalgouvernement, das dem Zarenreich angegliedert war. Mit dem Ausbruch der russischen Oktoberrevolution im Jahr 1917 und der folgenden Instabilität des zerfallenden Zarenreiches nutzten bürgerliche Kräfte die sich bietende Gelegenheit und riefen im Jahr 1918 die unabhängige lettische Republik aus. Allerdings führten innenpolitische Probleme, ausgelöst durch ein zu starkes Parlament und die Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 1930er Jahre, zu einem politischen Umsturz. Das in der Folge errichtete autoritäre System konnte sich allerdings nur bis 1939 halten. Zur Verhandlungsmasse im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes degradiert, wurde Lettland von der Sowjetunion völkerrechtswidrig besetzt und in die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken eingegliedert. Erst Anfang der 1990er Jahre konnte sich Lettland von der sowjetischen Herrschaft befreien. Mit der Unabhängigkeitserklärung aus dem Jahre 1990 und der erneuten Inkraftsetzung der alten Verfassung aus der Ersten Republik wurde die neue Republik Lettland als eigenständiger Staat wieder errichtet238. Die folgenden Jahre waren von den Bemühungen gekennzeichnet, die internationale Anerkennung der Republik zu erlangen. Die Außenpolitik Lettlands richtete sich auf eine Westintegration mit den Zielen der Mitgliedschaft in der Europäischen Union und der transatlantischen Allianz. Innenpolitisch begleitet das Problem der russischen bzw. russischsprachigen Minderheit, den so genannten „Nicht-Staatsbürgern“ – etwa 17 Prozent der Bevölkerung-, das Land bis heute. Mit dem Referendum zum Beitritt zur Europäischen Union entschieden sich die Bürger Lettlands 2003 mit knapp 67 Prozent für die EU-Mitgliedschaft. Ebenso viele Let-
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Bei der Regierungsbildung verfügt der Staatspräsident über einen verhältnismäßig großen Spielraum. Bei der Auswahl und Beauftragung einer Person mit der Regierungsbildung muß er einen Kandidaten auswählen, der eine Mehrheit im Parlament schmieden kann. Die unklaren Mehrheitsverhältnisse haben die bisherigen Amtsträger in die Situation versetzt, zwischen mehreren Optionen auswählen zu können. Die Wahl zum Amt des Staatspräsidenten wird vom Parlament mit absoluter Mehrheit vorgenommen. Die Kandidaten müssen das 40. Lebensjahr vollendet haben und werden für vier Jahre gewählt. Das Parlament der Republik Lettland besteht aus einer einzigen Kammer. Hier nehmen hundert Abgeordnete die parlamentarischen Aufgaben wahr. Neben der Gesetzgebung gehört dazu vor allem auch die Wahl und Kontrolle der Regierung. Für die einzelnen Politikfelder sind 16 ständige Ausschüsse eingerichtet, in denen die jeweiligen Fachpolitiker der einzelnen Fraktionen über aktuelle Gesetzgebungsvorhaben beraten. Zur Kontrolle der Regierung stehen den Abgeordneten regelmäßig Fragestunden zur Verfügung, in denen die Regierungsmitglieder ihre Politik rechtfertigen müssen. Daneben kann das Parlament dem Ministerpräsidenten oder einem einzelnen Minister das Misstrauen aussprechen. Trifft das Mißtrauensvotum einen Minister, so muß nur dieser zurücktreten. Ist dagegen der Ministerpräsident von einem Misstrauensvotum betroffen, so ist die gesamte Regierung aus dem Amt entlassen. Die Regierungsaufgaben und die Führung des Kabinetts übernimmt jedoch der Premierminister, den die jeweils stärkste Fraktion im Parlament (Saeima) stellt und der von den hundert Abgeordneten gewählt wird. Die Außenpolitik Lettlands ist westlich orientiert.
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ten hatten sich auch für einen NATO-Beitritt ihres Landes ausgesprochen, der im April 2004 vollzogen wurde. Diese hohe Zustimmung erklärt sich vor allem durch ein starkes Sicherheitsbedürfnis: Mit der Aufnahme in das Verteidigungsbündnis werden die Grenzen Lettlands garantiert, die Russland bis dato nicht offiziell anerkannt hat. Wer mit der „airBaltic“ gen Norden fliegt und wieder mal Wolken vor dem Fenster hat, muß sich nicht langweilen: In der Sitztasche vor ihm steckt eines der interessantesten Flugjournale Europas. Der „Baltic Outlook“ nämlich wird verfasst vom Verlag der provokantesten Kulturzeitschrift Lettlands239, „Rigas Laiks“. Mit diesem Auftrag machte die Fluggesellschaft nicht nur ihr Flugjournal aufregender, sondern sicherte dem renommierten Kulturmagazin auch die Unabhängigkeit. Als sich die Redaktion, vier Philosophen, vor mehr als fünfzehn Jahren als Herausgeber einer Monatszeitschrift versuchte, war „Rigas Laiks“ ein knallbuntes Blatt und allein deshalb schon einzigartig im damaligen Lettland. Wenn man sich die Titelblätter der Zeitung im Netz-Archiv ansieht, macht man ab der Jahrtausendwende eine interessante Entdeckung: Seit Beginn der Unabhängigkeit haben sich die Verhältnisse gravierend verändert. Heute ist die Redaktion stolz darauf, die einzige Zeitschrift in Schwarz-Weiß zu machen. In Lettland hatten gerade die bunten Frauen-zeitschriften die höchste Zuwachsrate der Medien. Bunt, aber unkontrovers ist heute der Großteil der lettischen Medien. Den ideologischen neunziger Jahren, in denen viele neue Medien entstanden, folgte die übliche Medienkonzentration, in Lettland vor allem durch nordeuropäische Konzerne. Qualität wich ökonomischem Druck. Die Umwandlung der zwei öffentlich-
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Lettland (amtl. Bezeichnung Latvijas Republikas), im Zentrum des Baltikums gelegen, grenzt im Süden an Litauen, im Südosten an Weißrussland, im Osten an Russland, im Norden an Estland und im Westen an die Ostsee. Die Republik Lettland hat eine Fläche von 64.589km² und ist im Vergleich etwas kleiner als Bayern. Hauptstadt Lettlands ist Riga, welche auch in geographischer Hinsicht das Zentrum des dünn besiedelten Landes ist. Lettland ist seit dem 2. April 2004 Mitglied der NATO und seit dem 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union. 49% der Bevölkerung Lettlands leben in den sieben Großstädten, die mit einem Gesamtterritorium von 673km² gerade mal 1% der Fläche des Landes einnehmen. Die restliche Bevölkerung lebt auf dem Land. Circa 740.000 der Einwohner Lettlands leben in der Hauptstadt Riga. Die Gesamtbevölkerung Lettlands beträgt 2.286.700 Einwohner und hat eine Bevölkerungsdichte von 35 Einwohnern pro km². Neben der lettischen Mehrheitsbevölkerung (59%) gibt es eine starke russische Minderheit (28,6%) und kleine, meist russischsprachige Gruppen, wie Weißrussen (3,9%), Ukrainer (2,6%), Polen (2,4%) und Litauer (1,4%). Die Staatssprache Lettlands ist Lettisch und wird von ca. 58% der Bevölkerung gesprochen. Russisch wir von ca. 37% der Bevölkerung gesprochen. In der Landeshauptstadt wird im täglichen Gebrauch Lettisch und Russisch praktisch gleichberechtigt gesprochen. Seit der Reformation ist die wichtigste Konfession im westlichen und im zentralen Teil Lettlands die evangelisch-lutherische Kirche. Lettland ist eine parlamentarische Demokratie. Nach der Unabhängigkeitserklärung Lettlands von der Sowjetunion im Jahre 1990 wurde zunächst die alte Verfassung der ersten lettischen Republik teilweise als Staatsgrundlage benutzt. Da dieser Verfassung einige Elemente heutiger Verfassungen fehlten, wie beispielsweise ein Grundrechtsteil, wurde die Verfassung 1991 modifiziert und erst 1993 vollständig durch einen Parlamentsbeschluß in Kraft gesetzt. So bildet sie das Fundament für die heutige Republik Lettlands als parlamentarische Demokratie und stellt gleichzeitig den Anschluss an die demokratischen Traditionen der ersten lettischen Republik aus der Zwischenkriegszeit dar. Die Verfassung hebt neben sozialen Rechten und der Rechtsstaatlichkeit – flankiert durch einen umfangreichen Grundrechtsteil – vor allem die Volkssouveränität und das Selbstbestimmungsrecht der Letten hervor. Daraus folgend wird dem Parlament eine zentrale Stellung innerhalb des politischen Systems zugewiesen. Das Staatsoberhaupt Lettlands ist der Staatspräsident. Das Amt wird derzeit von Valdis Zatlers bekleidet. Die Kompetenzen des Staatspräsidenten sind hauptsächlich zeremonieller und repräsentativer Natur. Zunächst einmal ist der Staatspräsident als Staatsoberhaupt für die Repräsentation der lettischen Republik im Ausland zuständig. Alle Gesetze des Parlaments bedürfen der Unterschrift des Präsidenten. Dabei kommt ihm ein Prüfungsrecht zu, das mit einem aufschiebenden Veto oder mit der Anordnung eines Referendums verbunden ist. Der Staatspräsident kann auch die Auflösung des Parlaments vorschlagen. Über diesen Vorschlag entscheidet dann ein Referendum, das bei positivem Ausgang Parlamentsneuwahlen zur Folge hat, bei negativem Ausgang allerdings zum Rücktritt des Staatspräsidenten führt.
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rechtlichen Fernseh- und vier Radiosender („LTV“ und „LR“) halten viele für nicht wirklich gelungen: sie werden weiterhin vollständig aus dem Staatsbudget finanziert und sind dementsprechend labil. „Rigas Laiks“ zeigt sich trotz seiner kleinen, akademischen Leserschaft stabil. Bekannt ist das zweifärbige Magazin vor allem für seine schonungslosen, stets unredigierten Interviews, für die sie einerseits in der lettischem Leserschaft Anerkennung finden, die aber immer wieder für Kontroversen sorgen, denn man hält sich zugute, jeden, und wenn es der Präsidenten wäre, so zu zeigen, wie er spricht, ohne Schönungen. Für Qualitätsjournalismus ist aufgrund der Enge des lettischen Marktes und der schlechten ökonomischen Situation sonst kaum Platz. Am politisch aktivsten zeigte sich 2007 die Tagezeitung „Diena“. Sie rief zu Demonstrationen gegen den damaligen korruptionsbelasteten Ministerpräsidenten Aigars Kalvitis auf. Es wurden die größten Demonstrationen seit der Unabhängigkeitserklärung Lettlands, mit Kalvitis Rücktritt als Folge. Trotzdem bringen die lettischen Zeitungen kritische Analysen meist nur noch in ihrer Online-Ausgabe. Kritische Berichterstattung hat in den lettischen Online-Medien stark zugenommen. Da traditionelle Medien eher dazu neigen, sich an den Regeln des Marktes zu orientieren, ist es manchmal recht schwierig, eine Botschaft herauszuhören. Vor allem unabhängige Webseiten wie „Delfi“ oder das politikwissenschaftlich-kritisch ausgerichtete „Politika“ sind außerordentlich beliebt. Allerdings waren 2006 erst 40 Prozent der Letten Internetnutzer. Mit Übersetzungen führen diese auch weiter, was im Printbereich längst aufgegeben wurde: Die Zusammenführung der lettischen und russischen Informationsräume. Die Verwendung der lettischen Sprache war während der sowjetischen Besatzung systematisch eingeschränkt worden. Mit der Unabhängigkeit kehrte man die Verhältnisse um: Lettland führte ein rigides Sprachgesetz ein, das von den Russen, mit 29 Prozent die größte Minderheit, nun das Beherrschen des Lettischen fordert. Im öffentlichen Rundfunk und Fernsehen ist jeweils das zweite Programm teilweise auf Russisch. Daneben gibt es zahlreiche private russische Radio- und TV-Stationen. Fünf nationale und dreißig regionale russische Tageszeitungen stehen in Konkurrenz zu russischsprachigen Medien aus Russland. Die Spannungen zwischen Letten und Russen verfestigten sich nicht zuletzt medial. Es ist ein russischer und ein lettischer Informationsraum entstanden, in denen sich die Ansichten zu politischen Themen in Lettland jeweils eklatant unterscheiden. Nur wenige Menschen verfolgen aber die Presse in beiden Sprachen. Diese Spaltung gilt als großes Hindernis bei der russisch-lettischen Konfliktprävention. Die meistfrequentierten Webseiten „Delfi“ und „Dialogi“, sowie die TV-Webseite „tvnet“ produzieren mit bilingualen Versionen eine Art medialen Zwischenraum, in dem Diskussionen, wenn auch weiterhin konfliktträchtig, so doch möglicher werden.
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6.1
Die Zeitungsgeschichte Lettlands
Im Zuge der Wiederherstellung der demokratischen und unabhängigen Republik Lettland und in der Entwicklung nach der Unabhängigkeit wurde seitens des Staates die Pressefreiheit in den Gesetzen Lettlands verankert und garantiert. Problemfall bleibt in dieser Hinsicht vor allen Dingen die Etablierung der nicht offiziell, sondern auch tatsächlich von Regierung und Parlament unabhängigen öffentlich-rechtlichen elektronischen Medien. Andererseits gewann im Pressewesen die Durchsetzung der sogenannten inneren Pressefreiheit und der redaktionellen Autonomie gegenüber dem Verleger und Medieneigentümer an Bedeutung, um die direkte Einmischung wirtschaftlich-politischer Gruppierungen in die Redaktionsarbeit zu vermeiden. Die prekäre Lage der inneren Pressefreiheit hat wesentlich dazu beigetragen, dass der in vieler Hinsicht fehlende Wettbewerb auf dem Medienmarkt zum größten Problem für die freie und qualitative Entwicklung der unabhängigen Presse Lettlands wurde. Obwohl das in jüngster Zeit vor allem mit der Zunahme der Medienkonzentration zu tun hatte, scheint vor allem ein Faktor dafür verantwortlich zu sein: die fehlende Medienkompetenz und Medienethik der Verleger. Es ist kein Zufall, dass die erste Zeitung in Lettland während der Schwedenzeit erschien, und es danach lange Zeit, bis zu den deutschen „Rigischen Anzeigen“ (1761-1852), keine örtliche Zeitung mehr gab. Dabei handelt es sich um die in Riga von den Schweden und dem Magistrat der Stadt in deutscher Sprache herausgegebene Zeitung „Rigische Novellen“, die anfangs den Titel „Rigische Montags (Donnerstags) ordinari PostZeitung“240 trug (1680-1710). Sie diente der schwedischen Verwaltung, brachte aber auch Nachrichten aus dem In- und Ausland. Vorher wurden in Lettland ausländische Zeitungen, vor allem deutsche Zeitungen aus Königsberg gelesen. Die Rigaer Zeitung erschien zweimal die Woche und könnte deshalb nach aktuellen bundesdeutschen Maßstäben sogar als Tageszeitung eingestuft werden. Später erschien viermal pro Jahr in Jelgava, im Verlag von Johan Friedrich Steffenhagen, auch die erste lettische Zeitschrift im modernen Sinne des Wortes, die „Latviska Gada Grmata“ („Lettisches Jahrbuch“, 1797-1798), herausgegeben vom deutschbaltischen Lehrer und Literaten Matthias Stobbe. Als das erste Periodikum in lettischer Sprache gilt dennoch die Zeitschrift „Latviešu rste“ („Lettischer Arzt“, 1768-1769). Die 25 Nummern dieser Zeitschrift, die eigentlich einen auf die Folgehefte, in Form eines regulären Periodikums verteilten Traktat mit praktischen medizinischen Ratschlägen darstellen, gab der deutsche Arzt und Apotheker Peter Eduard Wilde und der Generalsuperintendent Jacobus Lange in Livland heraus. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts fehlten sowohl eine in lettischer Sprache kommunizierende Elite als auch Möglichkeiten der öffentlichen Kommunikation im heutigen Sinne des Wortes. Die Teilung des lettischen Siedlungsgebiets nach 1561 stand Kommunikationsversuchen entgegen. Dennoch ist das Erscheinen lettischsprachiger Presse bereits Ausdruck einer sozialen Mobilität, obwohl diese Presse sich bis 1917 unter russischer Zensur befand. Nach dem Statut der Zensur von 1828 unterstand die Aufsicht der Presse in den Grenzgebieten Russlands, damit auch in den Ostseeprovinzen, dem örtlichen Generalgouverneur. Außerdem waren die Veröffentlichung politischer Informationen und die Behandlung poli-
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Grundlegend dazu: Simonov, V.: K istorii vozniknovenija pervoj peatnoj periodieskoj gazety v Rige. In: LPSR ZA Vstis (1984), Nr. 9, S. 118-130; Taube, M.: Rgas pirmie laikraksti k kultrvstures avots (XVII un XVIII gs.). In: Grmatas un to krtuves. Rga : Zintne, 1966, S. 65-129.
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tischer Fragen in der lettischsprachigen Presse verboten. Die Inhaltsverzeichnisse der Zeitungen bedurften einer Bestätigung seitens der Verwaltung. „Latviešu Avzes“ („Lettische Zeitung“), die erste lettische Zeitung, erschien 1822 wöchentlich in der kurländischen Stadt Jelgava (Mitau), wurde vom deutschbaltischen Pastor Karl Friedrich Watson herausgegeben und da sie bis 1915 erschien, weist sie die längste Lebensdauer lettischsprachiger Periodika auf. Die Auflage der belehrenden, für die Bauern standesgemäßen Zeitung stieg sich von anfänglich 200 Exemplaren auf mehr als viertausend während des Krimkrieges (18531856), als im lettischen Zeitungswesen die didaktische durch die informative Funktion verdrängt wurde. In der livländischen Kleinstadt Limbaži (Lemsal) erschien ein Jahr später die erste lettische Zeitung „Vidzemes Latviešu Avzes“ („Lettische Zeitung Livlands“, 1824-1889). Erst zehn Jahre später wurde vom Pastor Hermann Treu eine lettische Zeitung im Verwaltungszentrum Livlands Riga herausgegeben, die „Tas Latviešu aužu Draugs“ („Der Lettenfreund“, 1832-1846). Sie war auch die erste Zeitung, die von der russischen Verwaltung wegen Kritik an der Russifizierung geschlossen wurde. „Mjas Viesis“ („Der Hausgast, 1856-1910) unter Leitung von Ansis Leitns, dem ersten lettischen Chefredakteur in der lettischen Pressegeschichte, war eine Wochenzeitung in Riga, die die ersten Artikel der Jungletten, der Führer der nationalen reformpolitischen Emanzipationsbewegung, veröffentlichte. „Mjas Viesis“ mit ihren vier bis fünftausend Abonnenten war auch die erste lettische Zeitung, der von der russischen Verwaltung die Veröffentlichung politischer Nachrichten erlaubt wurde. Die Abstimmung und der Austausch mittels der ersten lettischen Zeitungen waren eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen der nationalen lettischen Bewegung. Der eigentliche lettische politische Journalismus begann außerhalb Lettlands, in St.Petersburg, mit „Pterburgas Avzes“ („St.Petersburger Zeitung“, 1862-1865), einer erstmals von Letten selbst herausgegebenen, zudem politischen Wochenzeitung, wobei man von der milderen Zensurpraxis in der Residenzstadt des Zaren profitierte. Die Herausgeber und Redakteure waren die Jungletten Krišjnis Valdemrs (Christian Waldemar), Krišjnis Barons und Juris Alunns. Sie vertraten das Gemeinschaftsgefühl zunächst einer Minderheit lettischer akademisch Gebildeter, die sich der eigene Kulturnation, ihrer Sprache und Traditionen versichern wollten, und das in Abgrenzung von den Deutschbalten. Daher konnten derartige Zeitungen auch nicht in Lettland erscheinen und standen unter scharfer Beboachtung durch einflussreiche deutschbaltische Kreise, die bis zur Schließung reichen konnte. Und das obwohl sich die Jungletten der Unterstützung von offizieller russischer Seite sicher waren. Als zuständiger Zensor für diese Zeitung war zunächst von den russischen Behörden jedoch Krišjnis Valdemrs selbst eingesetzt worden, weil es ihm gelungen war, engere Kontakte sogar zu Großfürst Konstantin, dem Bruder des Zaren, zu knüpfen. Im ersten Jahr erreichte das Blatt bereits 4.200 Abonnenten. Der Tenor von „Pterburgas Avzes“ war grundsätzlich liberal: die allmähliche soziale Emanzipation der lettischen Nation durch eigenes kulturelles und wirtschaftliches Engagement, insbesondere hinsichtlich der Bildung und des Unternehmertums, aber auch der Reformpolitik in der Agrarfrage und in der Verwaltung. So verstanden die Jungletten die Zeitung, die sich für die nationalen Interessen einsetzte, nicht als ein Propaganda-instrument, sondern vor allem als gesellschaftliches Kommunikationsmittel. Damit konnte auch in Lettland mit dem Aufkommen der Massendruckpresse im 19. Jahrhundert erstmals von Massenmedien gesprochen werden. Die Lektüre musste die Orientierungsprobleme ausgleichen, die bei steigender Mobilität entstehen. Die Zeitungen wurden zum Hauptmedium der Massenkommunikation. Seit den Jahren 1860er bis 1880er Jahren war die Kultur des Zeitungslesens ein wichtiger Faktor in der gesellschaftlichen und
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kulturellen Entwicklung Lettlands. Eine verbindende Lesetradition entstand, und die Zeitungen und Zeitschriften schufen für die, die Zugang zu lettischsprachigen Medien hatten und sie verstehen konnten, eine gemeinsame ideelle Sphäre. Seit 1869 erschien in Riga, gewissermaßen als politische Fortsetzung der „Pterburgas Avzes“, die neue Zeitung „Baltijas Vstnesis“ („Baltischer Bote“, bis 1906), herausgegeben von Bernhards Dri¡is, seit 1880 als nationalkonservative Tageszeitung, als Gegenstück zur bürgerlichen und linksdemokratischen lettischen Tageszeitung „Dienas Lapa“ („Das Tageblatt“, 1886-1905), und zur teils marxistischen „Neuen Strömung“ mit dem großen lettischen Literaten Jnis Pliekšns als Chefredakteur. Der Leserkreis von „Baltijas Vstnesis“ wuchs zusammen mit dem lettischen Bürgertum: 1869 hatte es 1022 Abonnenten, 1870 1400, und 1871 2.500 gegenüber 6.000 Abonnenten von „Latviešu Avzes“ und 7.000 von „Mjas Viesis“. Die Gesamtzahl der Abonnenten lettischsprachiger Presse war 1878 bereits auf 28.000 angestiegen. Im Jahr 1880 erreichte die Auflage von „Baltijas Vstnesis“ 2.300-2.500 Exemplare. Von „Latviešu Avzes“ wurden 8.500, und von der Zeitung „Balss“ („Die Stimme“, 1878-1907) wurden 3.200 verkauft. Der Typ der politischen Tageszeitung, die dann vor allem in Riga herausgegeben wurde, ist bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts der verbreiteste und einflussreichste in der lettischen Presselandschaft geblieben. Nachdem die russischen Behörden die „Neue Strömung“ 1897 zerschlagen hatten und die Arbeiterbewegung sich zu entwickeln begann, wurden grundsätzlich keine neuen Konzessionen für lettische Periodika in Lettland ausgegeben, und die sozialdemokratische, später die älteste kommunistische Zeitung in Europa „Ca“ („Der Kampf“, 1904-1991) erschien illegal, mit Ausnahme der Zeit der Revolution von 1905, als ihre Auflage 18.000 Exemplare erreichte. Von den in Kurland, in Jelgava erscheindenden Zeitungen war das vom späteren ersten Staatspräsidenten Lettlands Jnis akste herausgegebene und redigierte liberal-konservative Wochenblatt „Tvija“ („Vaterland, 1884-1914) am populärsten. Bedeutsam waren auch die ersten lettischen Zeitschriften „Pagalms“ („Der Hof“, 1881-1882) aus Jelgava und „Austrums“ („Der Osten“, 1885-1906), die zuerst in Moskau, dann in Jelgava und Riga erschien. Charakteristisch für die inhaltliche Entwicklung der lettischen Presse ist ein von Krišjnis Valdemrs verfasster Artikel „Ein Wort über die Juden im Baltikum“ in „Baltijas Vstnesis“. Er wandte sich gegen den Antisemitismus in Russland, regte vielmehr die Zusammenarbeit zwischen lettischen und jüdischen Unternehmern an und rief die Letten auf, von den Juden zu lernen, wie man in der Marktwirtschaft erfolgreich sein kann und was man leisten müsse. Krišjnis Valdemrs äußerte die Überzeugung, dass für das lettische Volk von seiten der Juden keine Gefahr drohe, und dass die Beziehungen zwischen beiden Volksgruppen im freien Wettbewerb und auf der Grundlage einer Zusammenarbeit bei gegenseitiger Toleranz zum Ausgleich der verschiedenen Interessen führen müsse. Nach seiner Vision wäre es sogar möglich, eine politische lettisch-jüdische Koalition in den Wahlen zu bilden. Mit diesem Appell begann die starke Tradition der Toleranz in der lettischen Presse, die später vor allem die einflussreiche liberale und sozialdemokratische Presse realisierte. Andererseits entstand in den 1880er Jahren in der lettischen Presse auch eine Haltung der Intoleranz bis hin zur offenen Feindschaft gegenüber den Juden. In den 1990er Jahren führte man in der lettischen Presse das Honorarsystem ein. Der Journalismus wurde zum Beruf. Zur ersten lettischen Tageszeitung wurde „Rgas Lapa“ („Rigaer Blatt“, 1877-1880), die auch vor der ersten estnischen Tageszeitung (1891) erschien. Am Ende des 19. Jahrhunderts zählte man in Livland und Kurland bereits 26 lettische Zeitungen, darunter 16 Wochenzeitungen und zehn Tageszeitungen, zu denen neun Zeitschriften kamen. 1900 gab es sieben Zeitungen und sieben Zeitschriften. Die Leserzahl der lettischen Zeitungen stieg stetig an. Die einflussreichsten Zeitungen hatten Auflagen
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zwischen 7.000 und 18.000 Exemplaren – schon alleine „Baltijas Vstnesis“ hatte soviele Abonnenten. Dennoch war die erste reguläre Tageszeitung in Lettland und im gesamten Baltikum die seit 1843 täglich erscheinende deutschsprachige „Rigasche Zeitung“ (17781889). Gemessen an der Zahl der herausgegebenen Zeitungen und Zeitschriften, darunter das regimekritische und von der russischen Verwaltung geschlossene „Provinzialblatt für Kur-, Liv- und Estland“ (1828-1838) des Begründers des lettischen politischen Journalismus, Garlieb Helwig Merkel, wurden Riga und Mitau (Jelgava) seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den Zentren der deutschen Presse im russischen Reich, obwohl die Auflagen relativ niedrig blieben – bei einigen hundert Exemplaren. Dass die deutschsprachige „Baltische Zeitung“ (1873-1877) in Riga unter der Redaktion des Letten Frdrihs Veinbergs erschien und zum Herausgeber und Redakteur der „Dresdner Morgenzeitung“ und „Dresdner Abendzeitung“ in der ersten Hälfte des selben Jahrhunderts ein anderer Lette K. Kraukling (Kraukliš) wurde, zeigt exemplarisch, wie eng damals die lettischen Verbindungen zur deutschen Kultur waren. Zur Jahrhundertwende erschienen in Riga drei große politische Zeitungen: die „Düna-Zeitung“ (1888-1909, seit 1908 als „Rigasche Zeitung“), das „Rigaer Tageblatt“ (1882-1915), die „Rigasche Rundschau“, in Libau (Liepja) die „Libausche Zeitung“, in Mitau (Jelgava) die „Mitausche Zeitung“ (1782-1810; 18321919), in Windau (Ventspils) die „Windausche Zeitung“. Dazu kamen Zeitschriften wie die populäre und einflussreiche „Baltische Monatsschrift“ (1859-1915) und andere deutschsprachige Periodika. Von 1905 bis Kriegsbeginn konnte die baltische deutsche Presse sich ausnehmend gut entwickeln. In dieser Zeit entstand der professionelle Journalismus. Die baltische Presse näherte sich dem Niveau der westeuropäischen an. Recht spät entwickelte sich die russische Presse in Lettland, erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der „Rižskij vestnik“ („Rigaer Bote“, 1869-1906) 1870 zur regulären Tageszeitung wird. Eine Ausnahme bilden im übrigen die Amtsblätter, die aber wie die „Liflandskije gubernskije vedomosti“ („Mitteilungen des Gouvernement Livland“) auch erst seit 1830 erschienen. Jeweils 1816 und 1859 wurden die Zeitungen „Rossijskoje ježenedel’noe izdanije v Rige“ („Russische Wochenausgabe in Riga“) und der „Ostzejskij vestnik“ („Der Bote der Ostseeprovinzen“) nur kurze Zeit herausgegeben, weil ein größerer Leserkreis für die russische Presse erst Anfang der 1990er Jahre in Riga entstand. Die Zeitung „Rižskij vestnik“, die die russische Verwaltung und Russifizierung im Baltikum trug, kam als einzige Zeitung in den Genuß staatlicher Subventionen, obwohl es in Riga 1901 insgesamt 23 Periodika in deutscher, neun in lettischer und fünf in russischer Sprache gab. Gleichwohl übernahm die liberale Zeitung „Rižskije vedomosti“ („Rigaer Nachrichten“, 1898-1907) die führende Position auf dem russischen Pressemarkt in Riga. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg erschien erstmals russischsprachige Presse auch in Daugavpils (Dünaburg, Dvinsk) und in Liepja (Libau). Die Presse in lettischer Sprache war eine am weitesten entwickelten im russischen Zarenreich. Aus verschiedenen Quellen gehr hervor, dass 1914 in Lettland 59 lettische Periodika, darunter 27 politischen Charakters, und allein in Riga zehn bis elf politische Tageszeitungen in lettischer Sprache erschienen, in Liepja (Libau) drei. Dennoch wurde das liberale Intelligenzblatt „Dzimtenes Vstnesis“ („Der Heimatsbote“, 1907-1917), die Fortsetzung von „Baltijas Vstnesis“, zur größten lettischen Tageszeitung vor dem ersten Weltkrieg. In den Jahren 1910 bis 1913 hatte diese Zeitung 40 bis 50.000 Abonnenten. Schon zwischen 1913 und 1915 war die Auflage auf 75.000 für die Sonntagsausgabe und zu Weihnachten sogar auf 100.000 Exemplare gestiegen. Damals stellte das eine Rekordauflage in der lettischen Presselandschaft dar, womit man zu Recht von einer Massenpresse sprechen konnte. Die echte Massenpresse nahm aber erst Gestalt an mit der „Jaunks Zias“ („Die Neuesten
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Nachrichten“, 1911-1940), einem typischen freiheitlich-demokratischen Generalanzeiger nach dem Vorbild der deutschen Straßenverkaufszeitung „BZ am Mittag“, die seit 1904) in Berlin erschien. Diese bürgerlich-liberale, gleichwohl teilweise linksgerichtete Tageszeitung gaben die durch ihre Tätigkeit in der lettischen und deutschbaltischen Presse bekannten und erfahrenen Zeitungsleute Antons Benjamiš (Chefredakteur) und Emlija Benjamia (Verlegerin) in Riga heraus. Ihre Zielgruppen waren Arbeiter und Kleinbürger. Die kleine Zeitung, die zuerst mit einer Schnellpresse in der Küche gedruckt worden war, wurde rasch zur zweitgrößten lettischen Tageszeitung vor dem Ersten Weltkrieg. Mit einer geschickten Marktstrategie der Verlegerfamilie Benjamiš – niedriger Preis, Anzeigen, lokale Berichterstattung, Zeitungsromane und ähnliches – hielt die „Jaunks Zias“ während des Weltkriegs durchgängig eine Rekordauflage, vor allem weil sie in der Frontstadt Riga die einzige lettischsprachige Zeitung war. Die anderen Redaktionen und Druckereien waren evakuiert worden. Die Auflage lag damals bei 97 bis 98.000 verkauften Exemplaren. Diesen ersten Platz musste „Jaunks Zias“ bis zu ihrer Auflösung nach der sowjetischen Besatzung 1940 nicht räumen. Die deutschbaltische Presse in Lettland traf dagegen der Ausbruch des Ersten Weltkriegs insgesamt hart. Nach Kriegsbeginn im August 1914 wurden alle deutschsprachigen Publikationen verboten. Während der deutschen Besatzung durfte umgekehrt nur eine lettische Zeitung in Riga, „Rgas Latviešu Avze“, unter deutscher Zensur erscheinen. Lettland war zwei Jahre lang durch den Frontverlauf geteilt, und wurde zum Schlachtfeld im Krieg zwischen Deutschland und Russland. Mehr als die Hälfte der lettischen Bevölkerung verliess Kurland. Der Gefahr der Assimilierung des lettischen Volkes wirkten lettische Flüchtlingskommitees in ganz Russland entgegen. Gleichzeitig hatte die Aufstellung lettischer Schützenbataillone als nationalrevolutionäre Armee-verbände hohe symbolische Wirkung. Die Zeitung „Jaunks Zias“ fungierte als Kommunikator und wurde so ungemein populär, vor allen Dingen mithilfe kostenloser Anzeigen der Flüchtlinge, mit Berichten eigener Korrespondenten von der Front und auch, erstmals in der lettischen Pressegeschichte, aus den beiden russischen Hauptstädten. Während sich die Letten durch die Modernisierung ihrer Identität versicherten, verschwand praktisch ein anderes, ebenso kleines Volk wie die Letten, die Liven, die von den Letten assimiliert wurden. Die Liven lebten in Livland, dem sie den Namen gaben, und in Kurland. Dass es soweit kam hängt direkt damit zusammen, dass den Liven schon in Ansätzen eine Massenkommunikation in der eigenen Sprache fehlte. Im Unterschied zum Lettischen wurde der erste, sehr fehlerhafte Text in livischer Sprache, das Vaterunser, erst drei Jahrhunderte nach der Reformation publiziert, und dann auch nur als Beispiel dieser Sprache. Erst 1863 erschien das erste livische Buch, das jedoch nicht von Sprachforschern angeregt, sondern von der Bibelgesellschaft für Kirchenzwecke verbreitet wurde. Die ersten Versuche, die livische Sprache in der Kirche zu gebrauchen, waren ohnehin nur im selbständigen Lettland möglich. Daran zeigt sich, wie entscheidend die moderne Kommunikation in der eigenen Sprache für die jeweilige Nationenbildung und die Durchsetzung der Sprache gegenüber anderen ist. Die journalistischen und wirtschaftlichen Strukturen, die vor der Unabhängigkeit im Medienbereich Lettlands aufgebaut wurden, offenbarten durchaus bereits Merkmale der modernen freien Medienkommunikation. Auch die liberale nationale Bewegung setzte sich dafür ein, dass die Presse vor allem als Kommunikationsmittel und nicht als Propagandainstrument verstanden werden sollte. Während des Ersten Weltkriegs und unmittelbar danach wurden die Letten dank der Gründung eines eigenen demokratischen und unabhängigen Rechtsstaats, der Republik Lettland, von einer Kulturnation auch zu einer politischen Nation. Eine herausragende Rolle spielten dabei die Medien. Die frühe Unabhängigkeitszeit war die goldene Zeit der
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publizistischen Vielfalt nicht nur im dominierenden national-lettischen, sondern durchaus im ganzen Pressewesen Lettlands – in dieser Zeit erschienen legal und auch illegal fast 2.000 Periodika. Zweitens führte der Prozess der Differenzierung in der Presse dazu, dass kaum eine Zielgruppe ohne eigenes Periodikum blieb. Ausserdem ist nie, weder früher noch später, die Presse in Lettland in zehn Sprachen erschienen. Lettisch ausgenommen, erschienen die meisten Zeitungen und Zeitschriften in Deutsch, Russisch, Jiddisch, Polnisch, Litauisch und Weißrussisch. Erst mit der Unabhängigkeit wurde es möglich, ein eigenständiges Mediensystem in Lettland aufzubauen. 1928 hatte Lettland in Europa nach Dänemark, Norwegen und Schweden den höchsten Pro-Kopf-Anteil an Periodika. Die Einführung der parlamentarischen Demokratie, die Bodenreform und die insgesamt sich verändernde soziale Struktur der Bevölkerung, waren die wichtigsten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Presse Lettlands, die gewaltig an Macht und Ansehen gewann. Entscheidende rechtliche Grundlage für eine freie Presse war die Verabschiedung des liberalen Pressegesetzes vom 1. Februar 1924, mit dem die Pressefreiheit „im Rahmen dieses Gesetzes“ eingeführt wurde. Das Gesetz leitete die erste kurze Periode ein, die bis zum Staatsstreich des Ministerpräsidenten Krlis Ulmanis vom 15. Mai 1934 währte, die erste Periode einer gesetzlich abgesicherten Pressefreiheit in der Geschichte des gesamten Landes. Der damalige Aufschwung der lettischen Presselandschaft ist ohne Zweifel eine direkte Folge dieses Gesetzes. Es sah nur ganz wenige Beschränkungen der Pressefreiheit vor. Es war leidiglich verboten, ohne Genehmigung des Vorsitzenden der Saeima, des lettischen Parlaments, bzw. des Gerichts über die geschlossenen Sitzungen der Saeima und der Gerichte zu berichten. Ausserdem durfte die Presse vor der jeweiligen Gerichtssitzung oder vor dem Ende des Gerichtsverfahrens weder Informationen veröffentlichen, die aus den Ermittlungs- und Untersuchungsdokumenten stammten, noch über den Inhalt der Anklage berichten. Drittens hatte der Innenminister während des Krieges oder bei drohender Kriegsgefahr das Recht, in Abstimmung mit dem Kriegsminister Presseberichterstattung über Verteidigungsfragen, über die lettischen Streitkräfte, allgemein über die äußere Verteidigung des Landes auf unbestimmte Zeit zu verbieten. Verleger oder Chefredakteur konnte jeder lettische Staatsbürger werden, der nicht dem Kabinett angehörte – seit seit der Gesetzesänderung vom 17. Mai 1929 auch kein Abgeordneter der Saeima –, der mindestens 25 Jahre alt war und dessen Rechte nicht durch ein Gerichtsurteil eingeschränkt waren. Mit Genehmigung des Innenministers konnte das auch ein Ausländer werden. Für die Herausgabe eines Periodikums genügte ein Antrag seitens des Verlegers. Im lettischen Pressegesetz wurde damals auch ein Recht auf Gegendarstellung eingeräumt. Die Zeitungen wurden verpflichtet, die Gegendarstellung einer Persönlichkeit oder einer Einrichtung unverändert innerhalb drei Tagen zu veröffentlichen, die Zeitschriften und andere Periodika in der nächsten noch unveröffentlichten Nummer. Übrigens regelte das Bürgerliche Gesetzbuch die Bestrafung für die Veröffentlichung unwahrer Informationen zur Person und für die Verletzung der Würde der Person in der Presse. Die Zensur wurde in diesem Pressegesetz zwar nicht ausdrücklich verboten und die Rechte und Pflichten der Journalisten blieben ungeregelt, dennoch gab es in der Praxis keine Vorzensur. Die Beamten des Innenministeriums lasen die Periodika nur nach ihrem Erscheinen. Das Departament für Presse und Verbände im Innenministerium war dafür im speziellen zuständig. Im Falle eines vermuteten Verstoßes gegen das Gesetz oder gegen die vom Innenminister nach Maßgabe des Gesetzes erlassenen Verordnungen wurde das jeweilige Periodikum beschlagnahmt, konfisziert oder unterbunden und gegen die Verantwortlichen ein Verfahren nach dem Strafgesetzbuch eingeleitet. Lediglich die verfassungsfeindliche sowohl links- als auch rechtsradikale Presse war grundsätzlich verboten. Die Presse der
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übrigens recht kleinen lettischen Kommunistischen Partei konnte deshalb in Lettland nur illegal bzw. halblegal erscheinen. Zur führenden Zeitung in Lettland und zur größten in allen baltischen Staaten wurde „Jaunks Zias“ („Die Neuesten Nachrichten“), auch dank der größten und modernsten Zeitungsdruckerei im Baltikum, in der 75.000 Zeitungsexemplare pro Stunde gedruckt werden konnten. Übrigens war „Jaunks Zias“ die einzige lettischsprachige Zeitung der Vorkriegszeit, die auch in der Nachkriegszeit Erfolg hatte. Aufgrund des erreichten wirtschaftlichen Vorsprungs gegenüber der neuen Konkurrenz – es wurde zum Beispiel bereits 1917 ein Redaktionshaus, 1928 ein Schloß in Riga gekauft – sowie der nicht einzuholenden Position des Erstanbieters auf dem umstrukturierten Pressemarkt und nicht zuletzt wegen der stark veränderten sozialen Struktur der Leserschaft – weniger Arbeiter, stärkere Mittelschicht – und der grundlegend veränderten politischen Lage orientierten sich die Herausgeber der Zeitung stärker zur Qualitätspresse hin, zur Zeitung mit hohem analytischen und informativen Niveau, und damit vor allem zur Elite der Gesellschaft hin. Besonders die Zahl der eigenen Korrespondenten im Ausland – diese Institution war damals überhaupt ein Novum in der lettischen Presse – und eigene vollwertige Auslandsberichterstattung sind ein Beleg dafür. Gleichzeitig verlor die Redaktion des „Jaunks Zias“ auch den starken Boulevardteil mit lokaler Berichterstattung nicht aus den Augen. Damit wollte man dem lokalen Interesse der Leser entgegenkommen, mit einem Bildteil mit vielen Abbildungen und Photos, einem breiten Literaturteil und regelmäßigen thematischen Sonderseiten. Auch entwickelte man für „Jaunks Zias“ eine spezielle Reiseberichterstattung und Leseraktionen, zum Beispiel eine Spendensammlung für arme Kinder vor Weihnachten. So gelang es der Zeitung, eine moderne Synthese von Charakteristika der Qualitätspresse und der Massenpresse zu schaffen, womit man sonst grundverschiedene Leserkreise erreichte. Das Erfolgsrezept waren inhaltliche Qualität und auch technischer Vorsprung, was für die übrige Konkurrenz schwer oder nicht erreichbar war. So erschien „Jaunks Zias“ zum Beispiel zwar nicht mehr im Tabloid-Format, das etwa Format A3 entspricht, wie vor dem Krieg. Man wählte für die Zukunft nicht das Großformat, sondern das sogenannte mitteleuropäische oder Berliner Format, das heute noch die „Neue Zürcher Zeitung“ und die „Berliner Zeitung“ aufweist. Es lassen sich Berliner Einflüsse feststellen, nicht nur auf das Format, sondern auch auf die publizistische Tätigkeit vom Redakteur und Philosoph Pteris Zlte und den Wirtschaftsprofessor Krlis Balodis, die in Berlin studiert bzw. gelehrt hatten. Mit einem Umfang von 16 bis 24 Seiten werktags und 40 bis 50 Seiten samstags war „Jaunks Zias“ die billigste Zeitung. Sie kostete weniger als eine Fahrkarte in der Rigaer Straßenbahn. Vor dem Weltkrieg etablierte sich „Jaunks Zias“ vor allem als Rigaer Blatt. Ganz gewiß war dieser Erfolg eine direkte Folge des Konkurrenzkampfs, insbesondere mit einer anderen unabhängigen Tageszeitung, der „Pdj Brd“ („Im letzten Augenblick“, 1927-1936) mit ihren 72.000 Explaren der verkauften Auflage, und später, während der autoritären Herrschaft in Lettland, auch mit „Brv Zeme“ („Freies Land“, 1919-1940) und „Rts“ („Der Morgen“, 1934-1940) mit einer jeweiligen Auflage von bis zu 110.000 Exemplaren. Beide Zeitungen erschienen in dem dem Diktator Krlis Ulmanis nahenstenden Verlag „Zeme“. Diese und andere überregionale Tageszeitungen hatten ihren Schwerpunkt jeweils in den Städten oder auf dem Lande. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wurde „Jaunks Zias“ tatsächlich von jedem zweiten Erwachsenen in Lettland gelesen. Die verkaufte Auflage, die sich auf mehr als 200.000 Exemplare belief, war größer als die Auflage aller anderen lettischen Zeitungen zusammengenommen und größer als zehn Prozent aller Einwohner des Landes, was damals einen Weltrekord darstellte. „Jaunks Zias“
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übte einen enormen Einfluss auf die Nation aus. In den Jahren des Parlamentarismus und des parallel sich entwickelnden Parteijournalismus, als jede größere Partei ihr eigenes Organ hielt und die meisten Zeitungen eine bestimmte politische Richtung vertraten, wurde „Jaunks Zias“ ihres Erfolges wegen, durch ihre liberaldemokratische, gleichwohl regierungs- und parteiunabhängige Haltung und durch ihren investigativen Journalismus für die Öffentlichkeit zum Symbol der freien Presse241. Zudem ist ihre Auflage die höchste in der lettischen Pressegeschichte überhaupt. Auch im Redaktionsalltag von „Jaunks Zias“ herrschte ein demokratischer Stil: alle wichtigsten Entscheidungen wurden kollegial getroffen, mit einfacher Stimmenmehrheit im Redaktionskollegium, obwohl sich die Zeitung im Alleinbesitz der Familie Benjamiš befand. Ausserdem war der sogenannte „Pressekönig Lettlands“ Antons Benjamiš der Chefredakteur, seine Ehefrau, Emlija Benjamia, die Verlegerin.
6.2
Das Mediensystem Lettlands heute – Radio und Fernsehen
Seit dem ersten Jahr der wiedererlangten Unabhängigkeit, bilden die Grundlagen für die Arbeit der Medien die neue Verfassung und das Pressegesetz. Aber auch andere Gesetze, die zum Beispiel die Tätigkeit von Rundfunk und Fernsehens regeln und Gesetze, die die Ordnung während der politischen Wahlperiode sichern, setzten hier ein. 1998 wurde im Rundfunk- und Fernsehgesetz festgelegt, dass nicht mehr als 51 Prozent aller Programme europäischer Herkunft sein dürften. Außerdem verbietet das Pressegesetz Zensur, Einmischung in die Arbeit der Medien und auch die Monopolstellung einzelner Medien. Im Jahre 2002 wurden die Rechte der Kinder betont, um sie vor Missbrauch durch die Medien zu schützen. Im medienrechtlichen Bereich spielten zwei Gesetzesänderungen eine wichtige Rolle. Im Juni 2003 erklärte das Verfassungsgericht eine Einschränkung im Mediengesetz für verfassungswidrig, die vorschrieb, dass die Sendezeit in Fremdsprachen nicht mehr als 25 Prozent betragen dürfe. Die Klage reichte die linke Oppositionspartei ein, die das als Verstoß gegen die Menschenrechte ansah. Die Einschränkung war 1995 eingeführt worden und hatte vor allem historische Gründe. Lettland war während der Okkupation stark russifiziert worden und hatte sich deshalb nach der Erlangung der Unabhängigkeit entschlossen, damit Lettisch als Staatssprache zu festigen. Zugleich sollten die russischsprachigen Einwohner dadurch zum Erlernen der Staatssprache angehalten werden. Zudem hatten etliche Sender anfangs durchweg auf Russisch gesendet, weil sie damit automatisch ein größeres Publikum hatten. Man konnte Programme aus Russland einkaufen, was günstiger war als Originalprogramme auf Lettisch zu erstellen. Das Verfassungsgericht stellte sich auf den Standpunkt, Spracheinschränkungen seien in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig. In Lettland könne jedermann private kommerzielle Sender gründen, und deren wichtigste Einnahmequelle seien Werbe-einnahmen, die aber von der Spracheinschränkung
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Man kann drei Ebenen der damaligen Verbindungen zwischen den Zeitungen und politischen Parteien des Landes feststellen: erstens, offizielle Parteiorgane (wie „Brv Zeme“ [„Freies Land“, 1919-1940] der Lettischen Bauernunion, „Socildemokrts“ [„Der Sozialdemokrat“, 1919-1940] der LSDSP); zweitens faktische Parteiorgane wie „Latvis“ [„Der Lette“, 1921-1934] der Nationalen Vereinigung; drittens unabhängige Zeitungen, deren Positionen den bestimmten Parteien, die sie unterstützten, entsprachen. Die Zentrumsparteien wurden vor den Wahlen gewöhnlich von den unabhängigen Zeitungen wie „Jaunks Zias“, „Latvijas Vstnesis“ [„Der Bote Lettlands“, 1920-1925] unterstützt.
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beeinträchtigt würden. Im Sommer 2004 wurden auf Druck der Presse außerdem Gesetzesänderungen im Strafrecht vorgenommen. Der Tatbestand wurde abgewiesen, dass die Recherche und Veröffent-lichung von Fakten über einen Kandidaten für das Amt eines Abgeordneten eine Beeinträchtigung seines guten Rufes darstellten. Experten meinten, dass derjenige, der für ein öffentliches Mandat kandidiere, mit mehr Kritik und Recherche zu leben habe als eine Privatperson. Erst nach längerer Beratung wurde die Änderung im Strafrecht angenommen. Für die Journalisten gibt es nur bei ethischen Fragen, moralischen Problemen und der Wahrung von Staatsgeheimnissen Tabus. Der Journalist muss seine Informationsquelle nicht offenlegen, es sei denn er steht vor Gericht. Den meisten Einfluss hatten die elektronischen Medien wahrscheinlich zwischen 1989 und 1991, als es um die Unabhängigkeit Lettlands ging und 1991 die Volksfront in Riga ausgerufen wurde. Damals wurde das Hörfunkhaus auf dem Dornplatz gestürmt, eine der Aktionen, die den Begriff „Volksradio“ prägten. Zudem waren Radio und Fernsehen in dieser Zeit die einzigen Informationsquellen. Das Pressehaus wurde von der russischen Sondereinheit „Omon“ besetzt, die im Namen Moskaus gegen ein unabhängiges Lettland auftreten sollte. Vom 19. Bis zum 21. August 1991, den Tagen des fehlgeschlagenen Putsches in Moskau, waren Radio- und Fernsehstationen in Riga von sowjetischen Streitkräften besetzt. Mitarbeiter von „Radio Lettland“ („Latvijas Radio“) riefen in dieser Zeit in einem Vorort von Riga einen Radio-Notsender ins Leben, um die Bevölkerung der russischen Aggression zum Trotz zu informieren. Der Notsender war damals die einzige freie lettische Stimme für ganz Lettland. Der Vertrieb der Printmedien war lahm gelegt. Generell waren Hörfunk und Fernsehen die wichtigsten Mittel der Volksfront im Kampf um die Unabhängigkeit der Republik Lettland. Sie mobilisierten das Volk für politische Aktionen, zum Beispiel die Unterschriftensammlung gegen einen neuen Unionsvertrag der UdSSR. Eine Million Unterschriften wurden bis zum 17. Dezember 1990 gesammelt. Medien und Politik sind zwei Stränge, die in Lettland nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Einerseits haben die lettischen Medien es geschafft, die Politik zu beeinflussen. Kritiker meinen, es hätte eine Gewichtsverlagerung der demokratischen Regierungsweise von einem ‚parlamentarisch-repräsentativen‘ zu einem ‚medial-präsentativen‘ System stattgefunden. Politiker orientieren sich zunehmend an Kommunikatoren, Publikum und Inhalten der Medien und sehen Medienpräsenz als wichtige Herrschaftsgrundlage an. Insbesondere die Medienkonzerne würden die Bedingungen mitbestimmen, nach denen die Politik zu funktionieren hat. Auf der anderen Seite sind die Medien von der Politik abhängig. Die Umwandlung des Staatsrundfunks in ein öffentlich-rechtliches System, also die Entlassung aus der Regierungs- und Staatsgewalt, war in Lettland lange nicht vollzogen. Von direkter Zensur kann man nicht sprechen, aber von staatlicher Einmischung, Selbstzensur, einseitiger und selektiver Berichterstattung. Das bestätigt auch die Bildung des Aufsichtsgremiums „Nacionl Radio un televzijas padome“ („Nationaler Rundfunk- und Fernsehrat“, „NRTVP“), das weder von fachlichen Vereinigungen ernannt wird, noch eine Repräsentation gesellschaftlich relevanter Gruppen darstellt. Die neun Mitglieder des Rates werden vom Parlament ernannt, können damit durchaus auch Vertreter der im Parlament vertretenen Parteien sein und somit die politischen Mehrheitsverhältnisse wiederspiegeln. Doch die Hälfte der Ratsmitglieder wird entgegen dem Wahlzyklus, alle zwei Jahren neugewählt. „NRTVP“ erarbeitet die nationale Entwicklungskonzeption für elektronische Medien, schlägt der Regierung den Haushaltsentwurf zur Erfüllung des nationalen Informationsauftrags vor, verwaltet das Staatsbudget für Fernsehen und Radio Lettlands, bestätigt die Satzungen und Vorstände der beiden Anstalten und setzt die Generaldirektoren sowie deren Revisionskomitees
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ein. Der Rat vergibt außerdem die Lizenzen für Sendetätigkeiten und die Übertragung sowie Registrierungsausweise für Kabelrundfunk242. In der Praxis hat sich jedoch der Rat nicht unbedingt bewährt, als es um die Verteidigung der Grundsätze aus Presserecht und Verfassung, und der Medien gegen politischen Druck ging. Ein Beispiel ist der Konflikt zwischen dem Lettischen Rundfunk und der Regierung im Jahr 2003, als, so der Radiojournalist Jnis Krvics, Premierminister Einrs Repše reguläre Interviews mit ihm absagte, nachdem der Lettische Rundfunk sich geweigert hatte, der Autorisierung von Interviews durch Pressebeamte zuzustimmen und der Forderung zu entsprechen, Krvics möge „seinen Stil“ ändern. Der Rat veröffentlichte keine Meinung, geschweige denn eine Analyse des Vorfalls. Wenn es auch keinen ähnlichen Fall für das Fernsehen gibt, erhellt das Beispiel doch die Situation des Rates, dessen Passivität Journalisten veranlaßt, Konflikten mit Medienbesitzern aus dem Weg zu gehen, sich gegenüber Politikern in Zurückhaltung zu üben, besonders wenn es um heiße Eisen geht, im Grunde Selbstzensur zu praktizieren. Dieses Verhalten würde, so Kritiker, einer weit verbreiteten Erwartung der politischen Elite entsprechen, dass die Medien weniger Analyseinstrument als Kommunikationsmittel von oben nach unten seien, und das vor allem auf Initiative der Regierenden. Die lettische Regierung forderte tatsächlich, die öffentlich-rechtlichen Medien sollten spezielle von den Ministerien finanzierte Sendungen bringen, um ausgewählte Informationen zu vermitteln. So bat der stellvertretende Premierminister darum, man möge in den „LTV“-Nachrichten über die öffentlichen Aktivitäten von Regierungsministern berichten, was aber „LTV“ ablehnte. Die Medien werden nicht als Ort öffentlicher Debatten, sondern als Mittel wahrgenommen, um
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Vergleicht man das deutsche mit dem lettischen Mediensystem ergibt sich Folgendes: In Deutschland ist die Zuständigkeit der elektronischen Medien Ländersache. Es werden Zulassungen und Lizenzen benötigt, um einen Sender zu betreiben. Diese werden in öffentlich-rechtlicher und privater Trägerschaft verbreitet. Grundlage bilden bei den öffentlich-rechtlichen Sendern die Landesrundfunkgesetze (LRG) und bei den privaten die Landesmediengesetze (LMG). Es herrscht ein Nebeneinander der öffentlich-rechtlichen Sender und der privaten Sender (duales System). Zunehmend gibt es europäische Richtlinien, die bestimmte Mindeststandards vorgeben, zum Beispiel die Bestimmung der freien Fernsehtätigkeit in Europa. Das heißt, wenn man eine Lizenz für ein bestimmtes EU-Land hat, darf man auch europaweit senden. Problematisch wird dies nur, wenn man eine Fernsehlizenz mit beispielsweise skandinavischer Lizenz hat, denn dann gibt es zum Beispiel geringere Anforderungen an den Jugendschutz. Auch die Zuständigkeiten für die Printmedien sind Ländersache. Allerdings braucht man hierbei keine Zulassung. Grundlage sind die Landespressegesetze (LPG). Bei den Onlinemedien gibt es eine Splittung zwischen Bund und Ländern. In einem langen Prozess sind die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit im ausgehenden 18. Jahrhundert erkämpft, im Obrigkeitsstaat des 19. Jahrhunderts zeitweilig geduldet, im autoritären und totalitären Staat des 20. Jahrhunderts beseitigt und in den demokratisch regierten Staaten der Gegenwart verfassungsrechtlich gesichert worden. Von Demokratie kann nur dort und dann die Rede sein, wenn Meinungs- und Kommunikationsfreiheit herrscht. Durch die Zensurfreiheit wird jede Vorzensur verboten. Keine Meinungsäußerung, Publikation oder sonstige Art der Meinungsverbreitung darf von einer staatlichen Genehmigung abhängig gemacht werden. Der letzte Satz von Artikel 5 Absatz 1 stellt eine absolute Eingriffsschranke dar, die keine Ausnahme zulässt. Das Ausmaß an Medienfreiheit zeigt, welchen Entwicklungsstand eine demokratische Gesellschaft erreicht hat. Zugleich wird damit die Bedeutung der Massenmedien für die Demokratie unterstrichen. Über Artikel 5 des Grundgesetzes hinaus regeln Landespresse-, Rundfunk- und Landesmediengesetze sowie Rundfunkstaatsverträge die rechtliche Stellung der Medien im Einzelnen. Die Presse und die anderen Massenmedien sind auf Informationen angewiesen, um die ihnen in der Demokratie zugewiesenen Funktionen erfüllen zu können. Die Pressegesetze der Bundesländer verpflichten deshalb die Behörden zu Auskünften an die Journalisten. Im Unterschied zum lettischen Mediensystem werden die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland nicht aus einem gemeinsamen Topf des Staatsbudgets finanziert, sondern durch eine Rundfunkgebühr. Seit dem 1. Januar 1976 zieht die GEZ die Rundfunkgebühren nach dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (auf Basis des Rundfunkgebührenstaatsvertrags) ein, zuvor war für diese Aufgaben die Deutsche Bundespost zuständig. Die privaten Sender finanzieren sich durch Werbung.
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sich der Unterstützung der Bürger für deren Repräsentanten in Parlament und Regierung zu versichern. Lettland war von den baltischen Staaten das erste Land, das Fernsehen ausstrahlte. Mit der Aufnahme des Sendebetriebes im November 1954 stand Lettland den globalen Entwicklungsprozessen im Bereich des Fernsehens kaum nach. Zwar wurde die erste Sendung nur von zwanzig Fernsehapparaten von den Eigentümern selbst verfolgt, aber im April 1955 folgten der Aufbau des ersten Fernsehturms sowie die Eröffnung des ersten Fernsehstudios in Riga. 1968 wurde das Farbfernsehen eingeführt, jedoch zuerst nur im Rahmen des Hauptfernsehprogramms aus Moskau. 1974 begann die gesamtheitliche farbige Ausstrahlung in Secam und ab 1998 dann in Pal. Mit dem Bau eines neuen Fernsehgebäudes mit einem 368 Meter hohen Sendeturm konnten ab 1986 Radio- und Fernsehsignale in 96 Prozent des lettischen Territoriums empfangen werden. 1993 trat „LTV“ der Europäischen Rundfunkunion bei. Heute ist die Fernsehlandschaft Lettlands wie in Deutschland in privates und öffentlich-rechtliches Fernsehen unterteilt. Es exisitieren zwei staatliche Fernsehsender: „Latvijas televizija 1“ (LTV 1) und „Latvijas televizija 7“ (LTV 7). Sie gehören beide zur öffentlichen Fernsehanstalt und befinden sich im Besitz des Staates. „Latvijas televizija“ wird vom Nationalen Radio- und Fernsehrat beaufsichtigt und muss sich außerdem an verschiedene Gesetze und Regelungen halten: Das Gesetz über Hörfunk und Fernsehen, das Gesetz über Archive, das nationale Konzept für die Entwicklung von elektronischen öffentlichen Kommunikationsmitteln in Lettland, das nationale Radio- und Fernsehratskonzept für die Einführung von terrestrischem digitalen Fernsehen in Lettland. „LTV 1“ sendet täglich 17 Stunden mit den Hauptthemen Kultur, Nachrichten und Unterhaltung. „LTV 7“ sendet je neun Stunden pro Tag und richtet sich mit den Themen Sport, Unterhaltung oder Ausbildung eher an ein jüngeres Publikum. Es gibt rund 50 private Sender, wobei die wichtigsten „Latvijas Neatkariga televizija“ (LNT) und „TV 3“, und im regionalen Bereich „TV Riga“ (TV 5) sind. „LNT“ wird von holländischen Investoren gestützt und sendet täglich 19 Stunden Nachrichten, Filme, Unterhaltung, Comedyshows auf Lettisch und auch Filme auf Russisch. Auf dem Programm des von schwedischen Investoren unterstützten Senders „TV 3“ stehen täglich 19 Stunden Entertainment, Live-Shows und Filme, auch hier neben Lettisch auch auf Russisch. Der Regionalsender „TV Riga“ kann mit seinen zahlreichen Live-Shows auftrumpfen und das Publikum begeistern. Seitdem „LNT“ 1996 auf dem lettischen Markt auftauchte hat das öffentlich-rechtliche „LTV“ fortgesetzt an Marktanteilen verloren. Die beiden kommerziellen Anbieter sind dem öffentlich-rechtlichen Konkurrenten meilenweit voraus, was ihre Anteile am Publikum und auch was ihren Anteil am Werbekuchen betrifft. Das hängt teils damit zusammen, dass sowohl „LNT“ als auch „TV 3“ in Riga bestens eingeführt sind, was sich wiederum für die Werbetreibenden auszahlt. Der Nachrichtensender „TV 24“ sendet rund um die Uhr. Mit den Sendern „Latvijas Muzikas Kanals“ (LMK), der nur in Lettland produzierte Videoclips zeigt, und „MTV Latvija“ als Filiale des internationalen Musikfernsehkanals „MTV“ wird auch ein musikalisches Programm geboten. Es gibt in Lettland 7 regionale und 17 lokale Fernsehkanäle – zum Beispiel „Zemgales novada televzija“, „Krslavas TV“ oder „Ventspils TV“ –, die entweder eine größere Stadt oder einen Verwaltungsbezirk abdecken. Kabelfernsehen ist in Lettland besonders stark vertreten, mit mehr als 30 Anbietern, die seit 1996 auf dem Markt sind. Einer der wesentlichen Gründe für diese hohe Zahl war der Nachfrageschub nach russischsprachigen Programmen unter der russischen Bevölkerung in Lettland, nachdem die landesweite Ausstrahlung des russischen Senders „ORT“ 1996 eingestellt worden war. Die Zahl der an das Kabelnetz angeschlossenen Haushalte stieg von 28
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Prozent im jahr 1998 auf 49 Prozent im Jahr 2003. Was die lettische Fernsehlandschaft bis heute prägt ist ein wesentlicher Unterschied im Fernsehverhalten zwischen der lettischen Mehrheitsbevölkerung und der russischsprachigen Minderheit. Letztere bevorzugt den Kabel-TV-Kanal „Pervyj Baltiiskij Kanal“ („Erster Baltischer Kanal, PBK), der hauptsächlich Sendungen des russischen Ersten Staatskanals ausstrahlt, aber auch lokale Abendnachrichten in russischer Sprache sendet. Nur zwei Prozent der ethnischen Letten sieht diesen Kanal, während ihr Zuschaueranteil unter der russischsprachigen Bevölkerung gut 20 Prozent beträgt. Seltsamerweise wird der öffentlich-rechtliche lettische Fernsehkanal „LTV7“, der auch russische Sendungen bringt, von weniger russisch-sprachigen Zuschauern gesehen als der rein lettischsprachige „LTV1“. Lettland wäre fast ein Vorreiter in der Digitalisierung des Fernsehens geworden. Um digitales Fernsehen einzuführen, wurde als Tochtergesellschaft des staatlichen Radio- und Fernsehzentrums Lettlands ein digitales Radio- und Fernsehzentrum (DRFZ) gegründet. 2002 schloß man mit der britischen off-shore Firma „Kempmayer Media Limited“ einen Vertrag ab, der vorsah, dass 2003 Technik im Wert von etwa 55 Millionen US-Dollar nach Lettland geliefert werden sollte. Aber es wurde nichts geliefert. Die Regierung betrachtete den Vertrag als nichtig, als skandalöse Affäre, weil er heimlich von einzelnen Regierungsmitgliedern abgeschlossen worden war. Später meldeten sich zwei heimische Investoren, um das Projekt der Digitalisierung zu finanzieren. Hauptinteressent war der Mobilfunkbetreiber „Latvijas Mobilias Telefons“. Zugleich wurde leidenschaftlich diskutiert, ob digitales Fernsehen in Lettland überhaupt nötig ist bzw. ob es sich rentieren würde. Lettland besitzt wie Deutschland ein duales Fernsehsystem. Während in Deutschland die Einnahmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens durch eine Rundfunkgebühr gesichert werden, finanziert sich das öffentlich-rechtliche lettische Fernsehen über den Staat sowie durch Werbeeinnahmen. Dadurch entsteht eine gewisse Abhängigkeit von der Regierung, die selektive Berichterstattung und Einmischung des Staates mit sich ziehen. In beiden Staaten soll das öffentlich-rechtliche Fernsehen einen „nationalen Auftrag“ erfüllen. Auch die Radiosender in Lettland gliedern sich in öffentlich-rechtliche und private Sender. Finanziert wird deren Programm aus der Staatskasse243. „Latvijas Radio“ („Lettisches Radio“) ist die öffentlichrechtliche Rundfunkgesellschaft. Der größte Radioprogramm-Produzent Lettlands schätzt sich selbst als sehr kulturorientiert ein und unterstützt unter anderem das Radio-Theater und den Radio-Chor. Seit dem ersten Januar 1993 ist die Gesellschaft aktives Mitglied der „European Broadcasting Union“ (EBU), einem Zusammenschluss der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Europas und assoziierter Länder zum internationalen Programmaustausch. „Latvijas Radio“ sendet vier Programme: das lettisch-sprachgie „Latvijas Radio 1“, das mit dem Slogan „A Leader in Information” wirbt – „Anführer in Sachen Information“.
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Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Lettland ist anders als in Deutschland gebührenfrei. Finanziert wird er zu 60 Prozent durch den Staat und zu 40 Prozent aus Werbeeinnahmen. Die Unterstützung durch den Staat darf dabei nicht geringer ausfallen als im Vorjahr. Jedoch ist das Staatsbudget begrenzt und man diskutiert schon seit einiger Zeit über die Einführung von Abonnementgebühren. Da das aber in den Entscheidungsbereich der Politik fällt, die Angst vor unpopulären Entscheidungen hat, wurde diesbezüglich noch nichts unternommen und ist auch in naher Zukunft nicht damit zu rechnen. Weiterhin gibt es keinerlei Anhaltspunkte, an denen die Höhe einer solchen Gebühr festgemacht werden könnte. Sie darf nicht zu hoch sein und ist sie zu niedrig, lohnt wiederum der Verwaltungsaufwand nicht. Von Seiten der Bürger ist zu hören, dass vor allem die Qualität der Fernsehsendungen nicht so gut sei, dass man dafür bezahlen würde. Außerdem befürchten sie die Qualität könne noch mehr sinken, wenn sich die Sender nicht mehr um ihre Einnahmen kümmern müßten. Es existiert also ein Teufelskreis: es ist kein Geld vorhanden, um gute Sendungen zu produzieren; die Bevölkerung bezahlt nicht, weil die Qualität nicht gut ist.
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Seine Hauptthemen sind Information (nationale und internationale Politik, Wirtschaft und Kultur), Kindersendungen, religiöses Programm; „Latvijas Radio 2“ (ebenfalls lettischsprachig) – Slogan: „Songs in the native tongue” („Musik in Landessprache“), mit dem Hauptschwerpunkt Unterhaltung, vor allem lettische Popmusik, auf die Jugend ausgerichtet. Der Sender sieht es als seine Aufgabe, die beste Musik aus Lettland zu spielen. „Latvijas Radio 3 – Klasika“ mit dem Slogan: „Fashions may change but classics remain” („Moden können sich ändern, aber Klassik bleibt“), in lettischer Sprache, Schwerpunkt klassische Musik und Kultur, das heißt vor allem lettische Musik, Förderung von Musikern, die der Sender selbst in eigenen Studios produziert). „Latvijas Radio 4 – Doma Laukums“ („¢ ^ } ! £{“) – Slogan: „Your Space and Your Time“ („Dein Platz und deine Zeit“), in russischer Sprache, wobei der Schwerpunkt auf Information und Unterhaltung liegt und das Zielpublikum junge Menschen sind, vor allem aus der russischsprachigen und aus anderen Minderheiten. Die reinen kommerziellen Radiosender finanzieren sich ähnlich wie die deutschen Privatsender durch Werbung. Hier eine Auswahl der wichtigsten: 1993 wurde die Aktiengesellschaft „Radio SWH“ ins Leben gerufen, zunächst nur mit dem Sendebereich im Raum Riga, wo ein Drittel der Letten lebt. Seit 1996 wurden die „SWH“-Programme zu Nationalprogrammen aufgebaut. „Radio SWH“ ist das größte Privatradio Lettlands. 24 Stunden täglich werden Morgenprogramm, Nachrichten, Musik, Interviews, Auto, Sport, und anderes gesendet. „Radio SWH“ besitzt ein regionales Netz im ganzen Land. Drei einzelne Sender werden ausgestrahlt: „SWH“, „SWHplus“ und „SWHrock“. „SWH plus“ sendet in russischer Sprache, die anderen beiden auf lettisch, die Zielgruppe ist eher jugendliches Publikum. Wie auch „Radio SWH“ ist „Radio Skonto“ im Jahre 1993 entstanden und war vorerst im Raum Riga verbreitet. Mittlerweile erreicht er über 200.000 Zuhörer im Sendegebiet. 1996 wurde der Sender aufgekauft, vom britischen „Radio Development International“ und der US-amerikanischen „Metromedia International Group“ und ist seitdem eine Aktiengesellschaft. „Radio Skonto“ sendet täglich 24 Stunden lang, gesendet wird in lettischer Sprache. Gespielt wird Musik der 1980er und 90er. Der Sendeplan beinhaltet mindestens einen lettischen Song pro Stunde. „Radio Star FM“ wird in lettischer Sprache moderiert und spielt aktuelle Popmusik. Es gibt noch eine Vielzahl weiterer privater Radiostationen, die national senden, z.B.: „Radio PIK“ (auf russisch), „Capital FM“, „Radio Mix FM“, „European Hit Radio“, das Studentenradio „Radio NABA“, das christliche „Latvijas Kristigais radio“. Ebenso gibt es noch eine große Menge an Regionalsendern, zum Beispiel: „Radio Maximum“ in Daugavpils, „Radio Latgalei“ in Rezekne, „Radio Zemgale“ in Zemgale, „Radio Tris“ in Cesis, „Kurzemes Radio“ in Kuldiga, „Radio 1“ in Jekabpils, „Radio Imanta“ in Valmiera, „Rietumu Radio“ in Liepaja, „Radio Alise Plus“ in Daugavpils. Das in Lettland populärste neue Medium ist das Internetportal „www.draugiem.lv“, das im Frühjahr 2004 gegründet wurde. Das Portal verdient sein Geld mit SMS, elektronischen Geschenken und Gebühren für Bildergalerien. Mittlerweile hat das Portal Versionen in fast jeder europäischen Sprache. Seit mehreren Jahren entwickeln sich auch die OnlineNachrichtenmedien in Lettland. Die drei größten Online-Nachrichtenmedien sind „www.apollo.lv“, „www.delfi.lv“ und „www.tvnet.lv“. Hier kann man Nachrichten lesen und es gibt Unterhaltungsbereiche. Die meisten Nachrichtenportale beziehen ihre Nachrichten aus Pressemitteilungen oder aus Nachrichtenagenturen. In einigen Portalen schreiben die Mitarbeiter auch selbständig Nachrichten. Die Onlinemedien werden durch Werbung finanziert.
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6.3
Zeitungen und Zeitschriften in Lettland
Die lettischen Printmedien standen bis 1990 unter starker Zensur. Eine Modernisierung und Umgestaltung konnte erst mit dem Einsetzen der Perestrojka stattfinden. Die Zensurbehörde „Glavlit“ wurde abgeschafft. Nach der politischen Wende wurde das Pressehaus besetzt, aber eine normale Privatisierung unterblieb. Eine normale Privatisierung war auch nicht möglich, weil es weder Gesetze, Richtlinien noch Ausschreibungen für den Übergang der Printmedien vom staatlichen Eigentum zu privatem Eigentum gab. Größtenteils wurden Zeitungen von Redakteuren übernommen, die diese in GmbHs umwandelten. Doch die sowjetischen Strukturen ließen sich nicht von heute auf morgen beseitigen. Die ehemalige Tageszeitung der kommunistischen Partei „Sovetskaja Latvija“ hielt verbissen an ihrer Orientierung an Russland fest, und hinderte damit die Russen daran, sich in das neue, unabhängige Lettland zu integrieren. Die Presse, die aus Russland eingeführt wurde, zog sich nach der Wende von 1990 aus ökonomischen Gründen fast komplett zurück. Die russische Presse integrierte sich in das lettische Mediensystem, was aber die Entfremdung gegenüber dem lettischen Staat nicht aufhob. Die Positionen der russischen Zeitungen lettischer Provenienz sind nach wie vor sehr stark von denjenigen Moskaus geprägt. Die Sicht der Letten und der Russen auf die politischen Vorgänge ist auch aus einem anderen Grund verschieden. Die Letten als Zeitungskonsumenten gelten als konservativer. Ihr Interesse an Politik befriedigen sie in erster Linie über die seriöse Tagespresse, während das russischsprachige Publikum die Boulevardmedien bevorzuge. Die größte und populärste Zeitung in Lettland ist die „Baltic Times“. Dabei handelt es sich um ein unabhängiges, englischsprachiges Wochenblatt, das aus der Verbindung der beiden ebenfalls englischsprachigen Zeitungen „The Baltic Observer“ und „The Baltic Independent“ entstand. Drei Monate nach der Unabhängigkeitserklärung wurde die Tageszeitung „Diena“ („Der Tag“) als staatliches Unternehmen gegründet, und bereits 1992 privatisiert. Trotz staatlicher Kontrolle verschaffte sich „Diena“, die in lettischer und russischer Sprache erschien, eine relative Unabhängigkeit von der Regierung. Der Großteil der lettischen Printmedien wurde mit ausländischer Hilfe privatisiert. Zum Verleger wurde die AG „Diena“, die unter Kontrolle der schwedischen „Bonnier“-Gruppe stand. Von 1989 bis 1992 ging die national verkaufte Auflage stark zurück. Der Grund dafür war nicht nur das zeitweise Desinteresse an politischen Ereignissen, sondern auch der explosionsartige Anstieg der Papierpreise. Materiallieferungen aus der Sowjetunion gingen aufgrund von Wirtschaftssanktionen zurück und Papier mußte aus Westeuropa geliefert werden. Mittlerweile sind alle lettischen Zeitungen244 privatisiert, außer „Latvijas Vestnesis“ („Der Bote Lettlands“). Es gibt 40 bis
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Vergleicht man den lettischen mit dem deutschen Periodika-Markt, ergibt sich folgendes Bild: Ziel ist eine europäische Kommunikationspolitik, das heißt eine Verknüpfung regionaler und lokaler Medien. Die optimale Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien wird angestrebt. Die Medien haben wie in Deutschland die Aufgabe, Akteure in Politik und Wirtschaft zu überwachen. Weiterhin ist es Ziel, eine europäische Identität herauszubilden. Bis zur politischen Wende stand der Ostteil Deutschlands ebenfalls unter einer strengen politischen Kontrolle. Kritische Untersuchungen von Printmediennutzung waren nicht erwünscht. Im westdeutschen Teil Deutschlands erlebte die Medien- und Presseforschung einen Aufschwung. Deutschland besitzt eine vergleichsweise hochwertige Berichterstattung. Durch ausländische Finanzierung bzw. durch Werbung und staatliche Gelder anstatt durch Gebühren besteht eine Gefährdung politischer und finanzieller Unabhängigkeit in Lettland. In Deutschland werden Medien zum Teil durch Gebühren und zum anderen Teil durch Werbung finanziert. In Lettland ist ein Großteil der Medien in ausländischer Hand. Daraus folgt eine hohe Besitz- und Kontrollstruktur. Die Medienkonzentration im deutschen Tageszeitungsmarkt ist in den letzten zehn Jahren relativ konstant geblieben. Bei den tagesaktuellen Printmedien besteht eine intensive Leserblattbindung.
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60 Gemeindezeitungen, die von der jeweiligen Stadtverwaltung herausgegeben werden. Die drei dominanten und meistgelesenen Zeitungen sind die „Diena“ (Auflage ca. 62.000 Ex.), die „Rigas Balss“ (56.800 Auflage), und die „Vakara Zinas“ (53.000 Auflage). Der größte Zeitschriftenverlag ist die GmbH „Izdevnieciba Zurnals Santa“. „Zurnals Santa“ ist Herausgeber der Frauenmonatszeitschrift „Santa“, der monatlichen Männerzeitschrift „Klubs“, der Spezialzeitschrift für Kindererziehung „Mans Mazais“ und der Frauenwochenzeitschrift „Ieva“. Das Zeitungsvertriebssystem wird vom norwegischen Konzern „Narvesen“ zu etwa 70 Prozent beherrscht. Seit 1921 gibt es in Lettland die nationale Nachrichtenagentur „Leta“, die 1997 privatisiert wurde. Die Privatisierung verbesserte die Marktposition der „Leta“ weiter. Derzeit liegt der Konkurrent, der „Baltic News Service“ (BNS), der neben „The Baltics Online Daily News“ als gesamtbaltische Nachrichtenagentur gilt, im Marktteil sogar hinter der „Leta“. „Leta“ bietet verschiedene Produkte: Nachrichten über Lettland und das Ausland, Photos, Media Monitoring, Nachrichten-Fernsehen („TV24“), das man auch im Kabelnetz sehen kann. „Leta“ verfügt auch über eine Abteilung für Wirtschaftsforschung, und gibt das Wirtschaftsmagazin „Kapitals” und die Zeitung „Izglitiba un Kultura” („Ausbildung und Kultur”) heraus. „Leta“ hat etwa 700 feste Kunden. Dazu gehören lettische Medien aller Art, staatliche Institutionen, NGOs und Unternehmen. Die ausländischen Partner der „Leta“ sind „AFP“, „dpa“, „Reuters“ und die russische „Itar-Tass“. Bis 2005 gab es in an Boulevardmedien nur das Magazin „Privata Dzive”. Im Mai 2005 startete die Zeitung „Vakara Zinas” ein Boulevardmagazin mit dem selben Titel. Nach einigen Monaten kam mit dem Boulevardmagazin „Kas Jauns” von Verleger Rigas Vilni ein dritter Spieler auf den Markt. Dieses Magazin widmet sich den gleichen Themen, dem Leben der Prominenten, ihren Hochzeiten und Reisen. In Lettland erscheint auch ein Boulevardmagazin in russischer Sprache: „Žizn’ Zameatelnih Ljudei” („Das Leben außergewöhnlicher Menschen“), das inhaltlich nicht anders ist seine lettischen Pendants.
78,3 Prozent der Deutschen über 14 Jahre lesen täglich etwa 30 Minuten eine Tageszeitung. Es gibt eine geringe Nutzung in der Altersgruppe bis 39 Jahre und eine höhere Nutzung durch Frauen. Der Abonnementszeitungsmarkt ist traditionell sehr stark ausgeprägt und es gibt nur eine relativ kleine Gruppe von Kaufzeitungen. Seit den 80er Jahren wird in der deutschen Printmedienbranche auf eine Art „KonkurrenzvermeidungsStrategie“ gesetzt (60er und 70er Jahre: Verdrängungswettbewerb). Das Angebot von konkurrierenden Titeln wird ausgedünnt und Verlage ziehen sich aus unlohnenden Gebieten nach Absprache zurück. Der Wettbewerbdruck wird so geringer. Es gibt seit 1968 eine Pressekommission, um eine starke Konzentration im deutschen Pressewesen abzuwehren. Weiterhin entstand Anfang der 50er Jahre die „Informationsstelle zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern“ (IVW). Diese arbeitet zentral und sammelt die durchschnittlichen Auflagen und Abonnementenzahlen aller Zeitungen und Zeitschriften.
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7.
Das Mediensystem in Litauen
Medien und Business gingen seit der Finanzkrise Ende der 1990er Jahr in Litauen245 Hand in Hand. Monopolistische Verhältnisse und Medienmogule beherrschten den lokalen Markt. Politik und Wirtschaft bezahlten für gute Berichterstattung, und Systemkritiker wurden öffentlich diffamiert, was dem Chef der litauischen Abteilung von „Transparency International“, Rytis Juozapaviius, wiederholt passierte. Auf dem Titelbild der überregionalen Boulevardzeitung „Respublika“ (www.respublika.lt) wurde er so dargestellt als gäbe es zwischen ihm und dem übermächtigen ehemaligen russischen Präsidenten Putin, der in Litauen für jenes altbekannte Dominanzstreben des Nachbarn steht, keinen Unterschied. Juozapaviius freilich kennt die Taktiken der Boulevardpresse Litauens genau, und weiß mit ihnen umzugehen. In puncto Pressefreiheit mischt Litauen im internationalen Vergleich mittlerweile zwar in den ersten Rängen mit – laut „Reporter ohne Grenzen“ belegt das Land noch vor Großbritannien, Frankreich oder Italien Platz 23 (von 169 Ländern) – und die Tendenz ist steigend. Doch war in den Jahren nach der Jahrtausend-wende das Problem der litauischen Printmedien vor allem die schwammige Sprache. Statt Fakten zu sammeln, dachten sich die Autoren einfach etwas aus, so der Vorwurf. Es gab einige Zeitungen, die dabei skrupellos vorgingen, weil jeder Litauer Angst davor hat, von ihnen an den Pranger gestellt zu werden. Auch Juozapaviius geriet selbst schon mehrmals ins Visier der Skandalpresse, deren Journalisten und Reporter und ihre giftspritzenden Artikel er mit Auftragsmördern verglich. Mag in Litauen auch das Leben von Journalisten, ganz im Unterschied zu Russland, nicht bedroht sein, ist es doch ihr Berufsethos. Laut einer Umfrage der Meinungsforscher von „TNS Gallup“ vom Sommer 2007 sind die meistgelesenen Zeitungen
245
Litauen (Lietuva) ist der südlichste der drei baltischen Staaten. Seine Fläche beträgt etwas mehr als 65.000 km², wovon ein beträchtlicher Teil mit Wald bedeckt ist (30 %). Der Großteil der Bevölkerung Litauens (67 % der 3,4 Millionen Einwohner) lebt in Städten; 33 % der Bevölkerung leben auf dem Land. Die fünf größten Städte sind Vilnius (Hauptstadt), Kaunas, Klaip¤da, Šiauliai und Panev¤žys. Litauen ist eine parlamentarische Republik und wird von einem Präsidenten geführt, der in direkter Wahl für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt wird. Das litauische Parlament besteht aus einer Kammer mit 141 Mitgliedern. Sie werden für vier Jahre gewählt. Litauen untergliedert sich in zehn große Verwaltungseinheiten, die der Regierung unterstehen (die Landkreise Alytus, Kaunas, Klaip¤da, Marijampol¤, Panev¤žys, Šiauliai, Taurag¤, Telšiai, Utena und Vilnius) sowie 60 kleinere Verwaltungseinheiten (oder Gemeinden). Eine der Hauptaufgaben der Landkreise ist die Förderung der regionalen Entwicklung. In den vergangenen Jahren betrug Litauens Wirtschaftswachstum durchschnittlich 6 %. Der durchschnittliche Lebensstandard in Litauen liegt bei etwa 30 % des EUDurchschnitts, und der durchschnittliche monatliche Bruttolohn beträgt 1.222 Litas (354 EUR). Eines der größten Probleme Litauens ist die Arbeitslosigkeit: Obwohl diese allmählich zurückgeht, war sie auf dem Land mit ca. 12,4 % (2003) immer noch relativ hoch, und hat sich durch die Finanzkrise teilweise verstärkt. 1569 schlossen sich Polen und Litauen in Lublin zu einem Staatenbund zusammen. Im Parlament der Republik beider Nationen, dem ‚Seimas‘, hielt Litauen ein Drittel der Sitze. Litauen erlebte eine Zeit des blühenden intellektuellen Lebens. Mit der Ankunft der Jesuiten entstand ein Netz aus Schulen, und 1579 wurde die Universität Vilnius gegründet. Im 17. Jahrhundert bekam die Republik der beiden Nationen die Folgen der Expansionspolitik der Schweden, Russen, Preussen und Österreicher zu spüren, die Litauen 1772 zum ersten Mal teilten; 1793 wurde es ein zweites Mal von Russland und Preussen verkleinert. 1795 kam das Ende des polnischlitauischen Staates, als Preussen, Russland und Österreich ihn ein drittes Mal teilten. Der Großteil Litauens fiel an das Russische Reich. Erst am Ende des Ersten Weltkriegs erhielt Litauen seine Unabhängigkeit zurück. Bereits 1920 annektierte die polnische Armee Vilnius und das Umland. Die Sowjetunion trug 1939 zur Rückgabe von Vilnius und eines Teils des Umlandes an Litauen bei, während die Deutschen Klaip¤da (Memel) annektierten. Im selben Jahr besiegelte der Molotov-Ribbentrop-Pakt das Ende des unabhängigen litauischen Staates. Der Annexion durch die Sowjetunion 1939 folgten zwischen 1941 und 1944 die deutsche Besatzung und von 1944 bis 1990 die Sowjetherrschaft. Am 11. März 1990 erklärte Litauen seine Unabhängigkeit.
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des Landes die Skandalblätter „Lietvos Rytas“, „Vakaro Zinios“, die Gratiszeitung „15 Minutes“ und „Respublika“. Zusammen erreichen sie mit ihren vorgefertigten Meinungen 57,9 Prozent der litauischen Leserschaft. Schon die innere Organisationsstruktur der Zeitungen spricht gegen Meinungsvielfalt, denn der Redaktionsleiter ist ‚allzuständig’. Alle drei genannten Zeitungen kennen keine strikte Trennung zwischen Besitzer und Redaktion. Der Eigentümer der Publikationen „Respublika“ und „Vakaro Zinios“, Vitas Tomkaus, ist auch deren Chefredakteur. Der Investor Gedvydas Vainauskas legt seinerseits den Inhalt seiner Blätter „Lietuvos Rytas“ und „15 Minutes“ fest. Wie eingangs erwähnt gehen Wirtschaft und Medien in Litauen Hand in Hand. Die Medienlandschaft wird von lokalen Geschäftsmännern beherrscht. Anders als internationale Holdings, die in die litauische Presselandschaft investieren, mischen Tomkas und Vainauskas auch in Politik und Wirtschaft kräftig mit. Ihre große Reichweite gibt ihnen eine wirtschaftliche Macht, mit der sie etwa den Anzeigenmarkt kontrollieren. Dadurch gruben die Boulevardgiganten zum einen kleineren, unabhängigen Publikationen das Wasser ab, zum anderen haben sie die Wirtschaft in der Hand, denn positive Berichterstattung über Unternehmen ließ sich das Medienbusiness mit Anzeigen-aufträgen bezahlen. Im Gegenzug vermieden die Meinungsmacher negative Schlagzeilen. Der Chefredakteur der Wirtschaftsabteilung der Nachrichtenagentur „Baltic News Service“, Artras Raask, nannte als Beispiel die Affäre um vergifteten Reis aus Indien, der im Februar 2007 in der größten Supermarktkette Litauens, „Maxima“, in die Regale kam. Der „Baltic News Service“ berichtete mehrmals darüber, doch die litauischen Medien reagierten nicht. Die Erklärung war einfach: Die VP Gruppe, zu der auch „Maxima“ gehört, hatte die Medien durch ihr Anzeigenvolumen in der Hand. Eine Umfrage von „Transparency International“ unter 500 Geschäftsleuten in Litauen, die im Juni 2007 veröffentlicht wurde, brachte zum medialen Geschäftsgebaren eindeutige Zahlen: Etwa 80 Prozent der Befragten aus verschiedenen Wirtschaftsunternehmen hielten die Medien für korrupt, 35 Prozent hatten ein Angebot erhalten, gute Presse durch Anzeigenschaltung zu kaufen. Und 12 Prozent gaben zu, Geld für gute Publicity gezahlt zu haben. Ein perfektes Image in der Presse läßt sich aber nicht nur die Wirtschaft etwas kosten. Auch die Politik steckt tief im Geschäft mit der versteckten Werbung. Nach allem was man weiß, kauft auch die Regierung Platz in den Medien und veröffentlichte dort Artikel, die in den Ministerien verfasst wurden, so der renommierte PR-Experte Artras Jonkus. Jonkus war bis zur Auflösung des russischen Erdölkonzerns Yukos für dessen PR in Litauen zuständig, und leitet heute eine eigene Consulting-Firma. Die ministeriellen PR-Texte würden nicht als Werbung gekennzeichnet. Das Landwirtschaftsministerium gab so in der ersten Hälfte des Jahres 2007 500.000 Litas (knapp 145.000 Euro) für in diese Art von Marketing in eigener Sache aus. Der große Ausweg aus diesem Dilemma ihrer Zunft ist für viele unabhängige Journalisten denn auch das Internet. Die Redaktion von „delfi.lt“, eines der ersten und wichtigsten Online-Nachrichtenportale in Litauen, deren Redaktion ein modernes Büro mit spektakulärer Aussicht über Vilnius belegt. Die Chefredakteurin des Portals, Monika Garbaiauskait, sieht die Vorteile des Internets darin, daß Onlinemagazine und Weblogs neue Informationskanäle eröffneten und mit ihrer Möglichkeit Artikel zu kommentieren zum direkten Meinungsaustausch aufforderten. Auch sind sie bisher nicht von Werbung abhängig, denn nur etwa acht Prozent der jährlich 400 Millionen Litas (115 Millionen Euro) werden für Anzeigen ausgegeben. „Delfi.lt“ wird von einem ausländischen Investor, der estnischen Mediengruppe „Ekspress“, finanziert, die keinen direkten Einfluß auf die redaktionelle Linie des Portals nimmt. In Litauen ist somit die kritische Öffentlichkeit gefragt, die sich schon einmal vehement gegen die Vereinnahmung ihrer Medien wehrte: Im Januar 1991,
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während der friedlichen Unabhängigkeitsbestrebungen, versuchte die sowjetische Armee den Fernsehturm in der Hauptstadt zu besetzen, und scheiterte am Widerstand der Litauer.
7.1
Fernsehen und Rundfunk in Litauen
Technisch marschiert Litauen, was Rundfunk und Fernsehen betrifft, an der Spitze des Fortschritts, denn dort sind 18 Prozent der Haushalte direkt oder über einen Gebäudeanschluß an das Glasfasernetz angeschlossen, weit mehr als in Schweden, Norwegen, Slowenien und Estland, die an zweiter Stelle folgen. Danach kommen erst Frankreich und Portugal. Über die Güte der Fernsehsendungen bzw. -diskussionen ist man sich dagegen weniger einig. Sie hätte sich, wie ja nicht nur in Litauen zu beobachten, in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Im November 2001 diskutierte man im litauischen Fernsehen über die schwerwiegende Frage, ob Kaunas, die zweitgrößte Stadt Litauens, sterben würde. Der Wegzug Richtung Hauptstadt hielt an. Kaunas hatte in den letzten zehn Jahren neun Prozent ihrer Bürger verloren, und hatte Anfang 2002 nur noch 379.000 Einwohner. Als 2009 Dalia Grybauskait¤ zur neuen Präsidentin Litauens gewählt wurde, wurde sie schon Wochen vorher als Favoritin gehandelt, was den Wahlkampf zur langweiligen Medien-Tour erstarren ließ. Grybauskaite gewann denn auch haushoch. Zu eintönigen Verlauf des Wahlkampfes trug das gänzliche Verbot politischer Werbung im Fernsehen bei. Der scheidende Staatschef Valdas Adamkus meinte denn auch, es konnte so nicht deutlich werden, wofür die einzelnen Kandidaten stehen. Den Wettbewerbern stand keine ausreichende Plattform zur Verfügung, um ihre politischen Positionen darzustellen. „Einen schlechteren Präsidentschaftswahlkampf konnte es nicht geben“, meinte Adamkus über den Verlauf der Wahlkampagne und die enttäuschenden Debatten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Dem ausländischen Beobachter fällt rasch auf, daß im litauischen Fernsehen relativ viele Serien aus Deutschland, den USA oder Russland laufen, deren Synchronisierung bisweilen zu wünschen übrig läßt. In den Kinos laufen dagegen fast alle ausländischen Produktionen in der Originalsprache und mit Untertiteln. Die staatliche Litauische Radio- und Fernsehanstalt „LRT“ („Lietuvos nacionalinis radijas ir televizija“, www.lrt.lt) mit Sitz in Vilnius, seit 1993 Vollmitglied der „European Broadcasting Union“ und zu 75 Prozent in Staatsbesitz, betreibt die zwei öffentlichrechtlichen nationalen TV-Stationen, „LTV“ [www.tv.lt], „LTV2“ und überträgt deren Programm zusätzlich über „LTV World“ mittels eines Sirius 4 Stelliten; dazu kommen drei nationale Radiostationen. „LRT” sendet regelmäßig seit 1926, wobei 1957 die Fernsehausstrahlung begann. Die drei Radiostationen „LR1“, „LR Klasika“ mit klassischer Musik, und „Opus 3“ mit Popmusik laufen unter dem Namen „Lietuvos radijas“ oder „LR“. „LR1“ ist wohl der beliebteste Radiosender in Litauen. Nach Umfragen hört einer von vier Litauen den ersten Kanal. Rechtliche Grundlage der Arbeit von „LRT“ ist das „Gesetz zur Bereitstellung von Information für die Öffentlichkeit“ und das „Litauische Radio- und FernsehGesetz“. Wenn auch der Staatsfunk mehrheitlich von der litauischen Regierung finanziert wird, will man dennoch nicht auf Fernseh-Werbung verzichten, es sei denn, man könnte sich für eine alternative Finanzierung entscheiden. In der Diskussion ist eine TVLizenzgebühr oder eine Steuer, die jeder Käufer eines Fernsehgerätes zu bezahlen hätte. Im Mai 2007 startete „LRT“ ein Projekt, mit dem alle ihre Filme digitalisiert warden sollten, einschließlich etwa fünftausend Stunden Spielfilme und etwa 30.000 Stunden Videobänder. Der älteste Archivtitel stammt aus dem Jahr 1895. Neben dem staatlichen Fernsehsender
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„LTV“ [www.tv.lt] gibt es die privaten Stationen „LNK“, „TV3“ und „BTV“, außerdem „TV6“, „TV1“, „Balticum“ und der Sportkanal „Sport1“. Basketball steht dabei in Litauen in der allerersten Reihe, weit vor Fußball. Für die Litauer wäre es ausgeschlossen, dass nicht alle Spiele des Basketball-Nationalteams live im Fernsehen übertragen werden. An Radiosendern werden vor allem gehört: der staatliche Rundfunk „LRT“, die privaten Stationen „M-1“, „M-1 Plus“, „Lietus“ und „Radio Centras“ [www.radiocentras.lt]. Öffentlichrechtliches wie privates Fernsehen und der Rundfunk unterliegen allgemein keinen inhaltlichen Auflagen, wenn auch Lobby-Gruppen immer wieder Einschränkungen oder gar Diskriminierung beklagen. 2007 bestimmte das litauische Parlament, der ‚Seimas‘, daß Alkoholwerbung in Radio und Fernsehen wie auch in den Programmen der Kabelrundfunkanbieter zwischen 6 und 23 Uhr verboten sei. Ausgenommen wurden nur Sendungen, die direkt und ohne Unterbrechung aus dem Ausland übernommen werden. In Litauen hatte die Regierung bestimmten Anbietern bislang Sonderrechte für Übertragungsdienste eingeräumt, eine Monopolstellung, die den Wettbewerb einschränke und Konkurrenz vom Markt fernhält. Diese Praxis kritisierte die EU-Kommission gegenüber der litauischen Telekom-Regulierungsbehörde (Ryši¥ reguliavimo tarnyba – RRT), und drängte im Februar 2010 auf Abhilfe246. Die derzeitigen Rundfunklizenzen würden bestimmten Übertragungsdiensteanbietern ein Monopol bei der Übertragung ihrer Inhalte einräumen und dadurch das Entstehen alternativer Übertragungsinfrastrukturen behindern, so die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. In ihrem Schreiben forderte sie „RRT“ auf, sowohl auf der Vorleistungs- als auch der Endkundenebene die Marktentwicklung im Hinblick auf den Wettbewerb bei Infrastrukturen und Dienst-leistungen genau zu verfolgen, weil Wettbewerbsimpulse auch von alternativen Plattformen (z. B. Kabelfernsehen oder Internet-TV) ausgehen können.
7.2
Zeitungen und Zeitschriften in Litauen
Die Tageszeitungen mit der höchsten Auflage in Litauen sind die überregionale „Lietuvos Rytas“ mit 65.000 Stück und die „Kauno Diena“ aus der zweitgrößten Stadt Litauens mit einer Auflage von 50.000 Stück. Die Auflage der „Lietuvos Rytas“ („Litauens Morgen“ variiert je nach Wochentag und schwankt zwischen 65.000 am Montag und 165.000 am Samstag, wobei die Zeitung am Sonntag nicht erscheint247. Herausgeber ist der geschlossene
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Sie machte die RRT darauf aufmerksam, daß die bestehende Verpflichtung terrestrischer Rundfunkveranstalter, für die Übertragung ihrer Programme bestimmte Anbieter zu nutzen, ein Wettbewerbshindernis darstelle und den Markteintritt neuer terrestrischer Übertragungsdiensteanbieter verhindere. Nach Ansicht der Kommission brauchen die Regulierungsbehörden in der Regel nicht mehr in die Rundfunkmärkte einzugreifen. Dennoch hat RRT die Absicht, die terrestrischen Rundfunkmärkte in Litauen weiterhin zu regulieren, was sie mit der exklusiven Marktposition der Übertragungsdienstleister „Lietuvos radijo ir televizijos centras“ (LRTC) und „TEO“ rechtfertigt. Die litauischen Behörden müßten dafür sorgen, daß durch ihre Lizenzierungspraxis ein wirksamer Wettbewerb auf den Rundfunk-übertragungsmärkten nicht behindert wird. Aufgrund des verstärkten Wettbewerbs in vielen Mitgliedstaaten und der Umstellung vom analogen auf den digitalen Rundfunk würden diese Märkte in der EU keiner Regulierung mehr bedürfen. Außerdem wären an Tageszeitungen zu nennen: „Lietuvos zinios“ [www.lzinios.lt], „Lietuvos aidas“ [www.aidas.lt], „Vakaru ekspresas“ [www.vakaru-ekspresas.lt]. In Klaipeda erscheint die gleichnamige Zeitung [www.klaipeda.daily.lt]. Zu den russischsprachigen Zeitungen zählen „Echo Litvy“. Wirtschaftstageszeitung „Verslo Zinios“; Wochenzeitschrift „Veidas“, der mit dem deutschen „Spiegel“ vergleichbar wäre.
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Aktiengesellschaft (lit. UAB – Uždaroji akcin¤ bendrov¤) „Lietuvos rytas“. Der „Rytas“ [www.lrytas.lt] erscheint seit 1990 unter dem heutigen Namen als direkter Nachfolger der „Komjaunimo tiesa“, der litauischen Version der sowjetischen „Komsomol’skaja Pravda“. Auf den ersten Blick würde man die Linie der Tageszeitung als konservativ einschätzen, vor dem Hintergrund der allgemeinen politischen Meinung Litauens und wohl dem gesamten Baltikum darf sie eher als liberal gelten. Als im Februar 2010 eine Diskussion darüber entbrannte, ob man eine Skulpturengruppen aus der Sowjetzeit erhalten solle, die auf einer Brücke im Zentrum der Hauptstadt steht, meinte der Leitartikler, es würden häufig werden historische Argumente ins Feld geführt: Kolchosbauern und Rotarmisten seien ebenfalls Teil unserer Geschichte, und darum hätten sie einen Ort im Zentrum von Vilnius verdient. Aber wenn wir so konsequent mit historischen Relikten sind, warum haben wir dann das Lenin-Denkmal gestürzt? Und warum entsorgen wir verhältnismäßig leicht andere Kunstwerke des sozialistischen Realismus? Es ist schwer nachvollziehbar, welchen Wert ausgerechnet die Skulpturen auf der Brücke Žaliasis tiltas haben sollen. Wenn wir schon nach einem didaktischen Moment suchen, dann sollten wir lieber die Lager in Sibirien und die Behandlung von Litauern durch den KGB in die Lehrpläne aufnehmen. Und wenn Skulpturen an die Sowjetzeit erinnern sollen, sollten sie den Opfern des Kommunismus gewidmet sein, nicht den Symbolen der Ideologie der Besatzer.“ Die in Kaunas erscheinende Tageszeitung „Kauno Diena“ [„Kaunas heute“, http://kauno.diena.lt] verkauft täglich an die 38.000 Exemplare. Ihre Vorgänger waren die kommunistischen Zeitungen „Taryb¥ Lietuva“ („Sowjetisches Litauen, 1945-1950) und die „Kauno Tiesa“ („Kaunas Wahrheit“, 19501992). 1998 wurde die „Kauno Diena“ von dem norwegischen Medienkonzern „Orkla Media“ bzw. seinem Ableger „Orkla Press“ aufgekauft, und ging 2006 an die InvestmentGesellschaft „Hermis Capital“. Die Tageszeitung „Respublika“ wurde unter anderen von Vitas Tomkus, dem späteren Chefredakteur der Zeitung, 1988 gegründet, als die Litauer den Kampf um die Unabhängigkeit ihrer Nation aufnahmen. Sie war die erste unabhängige, private, landesweit erscheinende litauische Zeitung, die von Anfang an im Ruf stand, eine hartnäckige Kämpferin gegen Verbrechen, Korruption, Gewalt, Gleichgültigkeit und Bürokratie zu sein. Sie wurde dafür berühmt, den Wurzeln gesellschaftlicher Übel auf den Grund zu gehen und die Positionen unabhängig denkender Menschen zu verteidigen. Der stellvertretende Chefredakteur Vitas Lingys wurde von der litauischen Mafia wegen seiner Artikel über deren Machenschaften ermordet. „Respublika“ war die erste Zeitung in Litauen, deren Produktion von Anfang an am Bildschirm erfolgte. Ein relativ kleines Journalisten-Team produziert die Zeitung, was aber nicht zu Lasten der seriösen, interessanten und ausführlichen Informationen zu den unterschiedlichsten Themen geht. Die Zeitung, die an sechs Tagen in der Woche erscheint, enthält Informationen zu den interessantesten lokalen Ereignissen, Auslandsnachrichten, berichtet über die neuesten kulturellen und sportlichen Ereignissen sowie über die Ergebnisse von Meinungsumfragen. Unter den Beilagen sind Rinka und Aikste für Geschäftsleute, die informationsreiche „Sporto kurjeris“ (Sport), „Gero kelio!“ (Tourismus) und „Sveikata“ (Gesundheit). „Savaitgalis“ richtet sich an junge Menschen, „Brigita“ an Frauen und „Julius“ an Männer, die Farbillustrierte „TV savaitei“ an Liebhaber von Fernsehen und Video. Zweimal in der Woche haben russischsprechende Litauer die Möglichkeit, Respublika auf Russisch zu lesen. Sowohl die litauische als auch die russische Ausgabe werden auch im Ausland gelesen. Abonnenten sind unter anderem Unternehmen in Europa, Amerika und Australien. Die Zeitung arbeitet mit den Nachrichtenagenturen Reuters, dpa, AP, ELTA und BNS zusammen. „Respublika“ ist die Hauptinformationsquelle in Litauen für diese Agenturen. Mit ihrer litauischen Ausgabe und russischen Auswahl wird
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die Zeitung in einer Auflage von etwa 70.000 an Werktagen und 90.000 am Wochenende gedruckt. Sie wird von einer Druckerei in der Hauptstadt gedruckt, der ersten unabhängigen Druckerei in Osteuropa. Respublika verfügt über Niederlassungen in allen Regionalzentren im Land. Die Zeitung war die erste im Land, die in Farbe druckte. Die erstmals im Dezember 1996 erscheinenden farbigen Veröffentlichungen waren die ersten und bislang die einzigen im Land mit Anzeigen solch hoher Qualität. „Respublika“ ist bekannt für sein breites Spektrum und seine hohe Qualität. Folgende Nachrichten-agenturen bieten aktuelle Informationen aus Litauen in Englisch oder Deutsch an: „Elta“ [www.elta.lt]. „The Baltic Times“ [www.baltictimes.com]; BNS [http://terminal.bns.lt]; „Baltische Rundschau“ [www.baltische-rundschau.com]; und die „News“ (in englischer und russischer Sprache, www.penki.lt].
7.3
Medien der polnischen Minderheit in Litauen
Die Polen stellen zwar in Litauen mit fast sieben Prozent die größte Minderheit noch vor den Russen, stehen aber in der öffentlichen Wahrnehmung hinter diesen zurück, weil die Russen dank Moskauer Unterstützung ihr politisches Gewicht stärker ausspielen können. Die meisten Polen leben im südlichen Litauen in der Nähe der Hauptstadt Vilnius. Vertreten werden sie unter anderem durch den „Bund der Polen in Litauen“ (poln.: „Zwizek Polaków na Litwie“, www.zup.ukraina.com.pl), der nach eigenen Angaben 11.000 Mitglieder zählt und die Wochenzeitung „Nasze Sowo“ herausgibt [www.nslowo.pl]. Durch die bis weit in die Geschichte reichenden polnisch-litauischen Verbindungen sind sie meist sehr verwurzelt und bestens organisiert – daher auch die vielen polnischen Organisationen, und die große Auswahl an polnischsprachigen Schulen. Die einzige polnischsprachige Tageszeitung Litauens ist der „Kurier Wileski“ („Vilniusser Kurier“, www.kurierwilenski.lt), die auch in der Hauptstadt erscheint und in Litauen und Polen wie auch weltweit im Abonnement vertrieben wird. Ihre Auflage liegt bei etwa 4.000 Stück. Gegründet wurde der Kurier 1953, damals noch unter dem Namen „Czerwony Sztandar“ („Rote Fahne“) als Organ der Kommunistischen Partei Litauens. Vorrangiges Ziel war zunächst die ideologische Beeinflussung der Polen im Sinne des Kommunismus. 1990 bekam die Zeitung ihren heutigen Namen. Neben tagesaktuellen Ereignissen in Litauen, Polen und der Welt ist die Zeitung sehr service-orientiert und informiert über Telefonnummern polnischer Organisationen und Messzeiten der katholischen Kirche. Einen festen Platz haben eine Kinder- und Jugendkolumne. Auch sonst spielt die Bildungspolitik der polnischen Minderheit eine große Rolle. Umfangreich ist auch der Internet-Auftritt: So werden alle Artikel online veröffentlicht und können von Lesern auch direkt kommentiert werden. Mit Hilfe der Videoplattform „YouTube“ sind seit neuestem auch Kurzreportagen online ansehbar. „Nasz Czas“ („Unsere Zeit“, www.nasz-czas.lt) ist eine in Vilnius herausgegebene polnischsprachige Wochenzeitung. Sie erscheint in Litauen, Lettland und Estland und plant einen Vertrieb in Polen sowie in polnischen Kultureinrichtungen in Westeuropa. Das Ziel der Zeitung ist die Integration der polnischen Minderheiten in Litauen, Lettland und Estland. Gleichzeitig möchte sie als Informationsquelle über diese Minderheiten dienen. So berichtet „Nasz Czas“ umfangreich über litauische und polnische Politik, bringt Reportagen und Feuilletons und beleuchtet historische Ereignisse. Hervorgegangen ist die Zeitung 2001 aus den einzelnen Zeitungen „Nasza Gazeta“ aus Litauen, „atagalia“ aus Lettland und „Nasza Polonia“ aus Estland. Finanziert wird sie durch den Senat der Republik Polen und
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die Stiftung „Hilfe für Polen im Osten“ (poln.: „Fundacja Pomoc Polakom na Wschodzie“). Daneben gibt es noch die Kulturzeitschrift „Ridna Mowa“ („Muttersprache“, http://ridnamowa.prv.pl). Im litauischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen laufen die polnischsprachigen „Telenowyny“ („Fernsehnachrichten“, ww6.tvp.pl/View?Cat=6087&id=33 5550). Im Rundfunk sendet der Radiosender „Znad Wilii“ („Von der Neris“, www.znadwilii.lt) auf Polnisch aus der litauischen Hauptstadt. Der Name bezieht sich auf den durch Vilnius fließenden Fluß Neris (poln.: Wilia). Der Radiosender wurde 1992 gegründet, sendet rund um die Uhr aus dem Vilniusser Pressegebäude auf einer UKW-Frequenz und ist im Umkreis von 100 km rund um Vilnius, also auch in angrenzenden Gebieten Weißrusslands, zu empfangen. „Znad Wilii“ beschreibt sich selbst als Informations- und Musiksender. In der Rotation läuft aktuelle polnische und westliche, aber auch litausche Musik. Der Sender informiert mit einer Vielzahl politischer und kultureller Programme, das bekannteste davon ist „Salon polityczny“ („Politischer Salon“), bei dem auch schon prominente Politiker wie die ehemaligen Präsidenten Litauens Algirdas Brazauskas und Polens Aleksander Kwaniewski zu Gast waren. Junge Hörer spricht der Sender durch drei verschiedene Hitparaden-Sendungen an.
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D Die Medien in Osteuropa
Die osteuropäischen Staaten Russland, Ukraine und Weißrussland haben als Kernländer der Sowjetunion mehr als sechs Jahrzehnte unter der kommunistischen Diktatur gelitten und haben noch heute mit den Folgen einer Gesellschaftslehre zu kämpfen, die offene Diskussion, Meinungs- und Pressefreiheit als illegitim betrachtet solange sie nicht das herrschende System unterstützt. Die Wirkung dieses Komplexes reicht von offener Einflußnahme, finanziellem Druck auf die Redaktionspolitik bis zu aktiver Verfolgung und Ermordung andersdenkender Journalisten und Medienschaffender. In Vorbereitung auf die olympischen Winterspiele im russischen Soi hörte man zwar allenthalben vom ehrlichen Willen, Russland der Welt als demokratische, offene Gesellschaft zu präsentieren. Zugleich mußten internationale Medienvertreter feststellen, daß sie an einer vorbehaltlosen Berichterstattung gehindert wurden. Berichte über Zwangsumsiedlungen, Natur-zerstörungen und Korruption im Vorfeld der Spiele führten zu Verwarnungen jener Journalisten, die darüber in westlichen Medien geschrieben hatten, bis hin zu offener Behinderung und Verweigerung von Akkreditierungen. In solchem und ähnlichem Verhalten erkennt mancher das Erbe der untergegangenen Sowjetunion wieder. Kritisches Denken ist verpönt, die Medien hätten den Staatsinteressen zu dienen, die gleichbedeutend mit denen der führenden Partei sind, genauer gesagt mit denen der Putin-Partei „Einiges Russland“ („Jedinaja Rossija“, ¦*} ^^}). Auch die russische Gesellschaft hat gewisse Komplexe aus der Sowjetzeit noch nicht überwunden, was sich ebenfalls negativ auf die Medien auswirkt. Die sowjetische Gesellschaft war allen Verlautbarungen zum Trotz keineswegs anti-bourgeoise-offen, sondern ein Hort des Spießbürgertums, das nur akzeptieren wollte, was den Normen entsprach. Alles andere wurde negiert oder als Konsequenz westlich-dekadenten Einflusses abgetan. Dass dieser Reflex keine Sache der Vergangenheit ist, zeigte sich zum Beispiel an den Reaktionen russischer Volksvertreter, Lehrer und Eltern auf eine Doku-Serie namens „Škola“ („Die Schule“), die Anfang 2010 zur besten Sendezeit, um kurz nach sechs Uhr abends, im russischen Ersten Kanal lief. Die Zuschauer der Sendung, die im Schnitt eine Einschaltquote von 21 Prozent hatte, mußten zehn Folgen lang entgeistert mitansehen, wie Schüler einer neunten Klasse sich prügeln, rauchen, Bier trinken, fluchen wie russische Traktoristen und ihre Lehrer provozieren248. Doch nicht die Gesellschaft an sich stellte sich die Frage, ob sie nicht durch Versäumnisse der jüngsten Zeit an der Verwahrlosung mitschuld sei, sondern klagte das Fernsehen an. Die Duma-Fraktion der Kommunistischen Partei rief Präsident Dimitrij Medvedjev in einer parlamentarischen Anfrage dazu auf, die Serie einzustellen. Der KP-Abgeordnete Vladislav Jurik meinte gar gemäß überlieferter Diktion, das sei eine „Provokation und ein geplanter Anschlag auf unsere Jugend“. Die alten Stereotypen
248
Vgl. Gathmann, M.: „Das ist ein Anschlag auf unsere Jugend“. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31. Jan. 2010, Nr. 4, S. 48.
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schossen ins Kraut: es fehle der ‚positive Held‘, wie ihn einst der sozialistische Realismus gefordert hatte; der 25-jährigen Regisseurin der Serie, Valerija Gaia Germanika, wurde in tausenden Kommentaren „Lügen, Schwarzmalerei und Nihilismus“ vorgeworfen, und unterstellt, sei sei wahrscheinlich bisexuell, jüdisch oder Heidin. Diejenigen, die sich auskennen und den Wunsch zur Realität erklären, nannten die Serie sehr wahrheitsgetreu, und nannten das Grundproblem der post-sowjetischen russischen Gesellschaft beim Namen: Früher wäre das nicht nach außen getragen worden. Nur eines blieb ungeklärt: wie konnte diese angeblich so nihilistische Serie in das Programm des Ersten Kanals gelangen, des Staatssenders schlechtin, der mehrheitlich dem russischen Staat gehört und in dem Putin und Medvedjev „so lange zu Wort kommen wie sie es für nötig halten, um den Russen zu erklären, wie sie die Welt zu sehen haben“249? Die Erlaubnis konnte nur von ganz oben kommen, einerseits, wie man vermutete, um im „Jahr des Lehrers“ aufzurütteln, denn der Zustand der russischen Gesamtschulen ist schlimmer als es die Fernsehserie „Škola“ zeigt; andererseits, um das junge Publikum zurück-zugewinnen, das in den letzten Jahren, gelangweilt vom staatlich kontrollierten Fernseh-einheitsbrei, zu Privatsendern wie „MTV“ abgewandert ist. Entlarvend ist dabei die Vermutung, daß der Kreml mit scheinbarer Offenheit seinen Einfluß auf die desillusionierte russische Jugend aufbessern will, die dem Fernsehen nicht mehr glaubt. Für die russische Politik, die gerade in dieser Altersgruppe auf ihre mediale Präsenz angewiesen ist, war diese Erkenntnis schockierend, gerade weil 2012 die nächsten Präsidentenwahlen anstehen. Dieses Streben nach möglichst großem Einfluss auf die Medien, um konkurrierenden Kräften den Weg zur Macht zu verbauen, kennzeichnete bis 2005, bis zur sogenannten „Orangenen Revolution“, auch die postkommunistische Ukraine und namentlich das bis heute diktatorisch regierte Weißrussland. Als sich Lukašenko entschloss, aus der schieren wirtschaftlichen Not heraus, sich für die Anliegen der Europäische Union etwas zu öffnen, machte diese eine Zusammenarbeit von eindeutigen Fortschritten auch und gerade im Medienbereich, in der Pressefreiheit abhängig. Nicht nur die politische Opposition Weißrusslands, auch die kritischen Journalisten mussten ihre Arbeit über die Grenze verlagern, weil der Wind, der ihnen zuhause ins Gesicht blies, immer heftiger wurde. So wurde im Februar 2010 Iwan Szulha, der für den unabhängigen Sender „Belsat TV“ arbeitet, in Minsk von der weißrussischen Miliz verhaftet und im Schnellverfahren zu einer mehrtägigen Haftstrafe verurteilt. Offiziell wurde als Grund angegeben, er wäre gegenüber einem Milizionär gewalttätig geworden. Der wahre Grund war ein anderer: „Belsat TV“ sendet seit Dezember 2007 mit Unterstützung des polnischen Staatsfernsehens „TVP“ und des polnischen Außenministeriums ein Programm auf Weißrussisch von Warschau aus. Der Sender war auf Bitten der weißrussischen Opposition geschaffen worden, um die Zivilgesellschaft in Weißrussland zu stärken. Genau das passte dem Minsker Regime nicht ins Konzept, denn „Belsat TV“ ist das größte unabhängige Medium in Weißrussland, das mehr als eine halbe Million Zuschauer über Satellit empfangen sollen – eine stattliche Zahl bei zehn Millionen Einwohnern insgesamt in ganz Weißrussland250. Was die Ukraine betrifft, bleibt abzuwar-
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250
Vgl. Gathmann, M.: „Das ist ein Anschlag auf unsere Jugend“. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31. Jan. 2010, Nr. 4, S. 48. Bislang bekam der Sender keine Lizenz, ein Studio in Minsk einzurichten. Die dortigen Journalisten arbeiten somit illegal. Die Wohnung des verhafteten Iwan Szulha gilt als improvisiertes Studio. Etwa zweihundert Mitarbeiter arbeiten in Polen, Weißrussland und Litauen für den Sender. Der polnische Außenminister hatte im Dezember 2009 angekündigt, die Unterstützung für „Belsat TV“ zu verstärken. Auch die USA, Großbritannien und Irland steuern Gelder zur Finanzierung der Technik bei. Mit der „Deutschen Welle“, „Radio Free Euro-
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ten, inwieweit sich die Wahl des Moskau-treuen Kandidaten Viktor Janukovy auf die Lage der ukrainischen Medien auswirken wird. Seit der ‚Orangenen Revolution‘, das heißt in den letzten fünf Jahren, konnten sich in der Ukraine die demokratischen Strukturen, insbesondere eine freie Presse, glücklicherweise deutlich festigen251. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Janukovy genausowenig wie sein ehemaliger russischer Kollege ein Mann ist, dessen politische Karriere unbedingt große Begeisterung für öffentliche Kritik nahelegt.
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pe/Radio Liberty“ und dem Litauischen Fernsehen unterhält „Belsat TV“ Kooperationen. „Belsat TV“ zeigt hauptsächlich Informationssendungen, nach eigenen Angaben in ausgewogener Weise, um Lukašenko keinen Vorwand zu liefern, wegen „regierungsfeindlicher Propaganda“ die Repressionen zu verstärken. Der weißrussische Staatspräsident bezeichnete den Sender als „dummes und feindseliges Projekt“. Vgl. Praxenthaler, B.: Noch ist die Ukraine nicht gestorben. Nach der Präsidentschaftswahl. In: Paneuropa Deutschland, 33. Jhrg., Nr. 1, S. 25-27.
307
1.
Medien in Russland: Perestrojka und ‚neue Sowjetisierung
Westliche Journalisten und Russland-Kenner gehen oft wesentlich weiter und formulieren ihr vernichtendes Urteil nicht anders als dass die Pressefreiheit in Russland tot sei. Das System Putin, das Ordnung versprach und die Knebelung der Freiheit brachte, hätte sie auf dem Gewissen. In den letzten Jahren waren fast alle russischen Zeitungen und Rundfunksender im Grunde ‚gleichgeschaltet’, von kremlhörigen Oligarchen aufgekauft worden, und viele Reporter und Journalisten standen oft genug vor der Wahl zwischen ihrem Berufsethos, das ihnen gebietet, ihre Mitbürger aufzuklären, und ihrem persönlichen Wohlergehen. Der Mordanschlag auf die angesehene „Novaja Gazeta“-Redakteurin Anna Politkovskaja war durchaus keine Ausnahme. Mancher argumentierte, der Begriff ‚Freiheit’ sei im Kontext der Transformation des Mediensektors in den post-kommunistischen Ländern denkbar ungeeignet, weil in den meisten Transformationsländern Osteuropas nach wie vor die pragmatische Überzeugung vorherrsche, daß die Medien immer und überall instrumentalisiert würden. Diese Auffassung stammt zum Teil von der sowjetischen Kommunikationstheorie her, auch von der Medientheorie der Frankfurter Schule, die im heutigen Russland sehr verbreitet ist. Hinzu kommt, daß man in Südost-, Mittelost- und Osteuropa bis in die 1990er Jahre hinein eigentlich keine Erfahrung mit einer funktionierenden Pressefreiheit hatte. Als unter Jel‘cin die sogenannte ‚freie Presse’ entstand, war sie ökonomisch zu schwach oder anders gesagt, war der Werbemarkt zu unterentwickelt, um eine Finanzierung mittels Werbung und damit wirtschaftlich unabhängige Medien zu erlauben. Insbesondere die kostenintensiven audiovisuellen Medien wurden so notgedrungen von den finanzstarken Oligarchen oder erneut vom Staat abhängig. Als Konsequenz entwickelte sich unter den Journalisten ein gewisser Zynismus gegenüber dem Begriff ‚Pressefreiheit’. Ein bekanntes Sprichwort in Russland meint: „Ein unabhängiger Journalist ist ein arbeitsloser Journalist“. Zynismus und Resignation lassen sich schon unter den jungen Journalistik-Studenten feststellen. Nach dem Urteil von Kennern fehlt ihnen ganz einfach der Glaube an die Pressefreiheit. Für sie seien die Medien a priori abhängig, sei es von den Oligarchen, vom Kreml oder von den Werbeträgern. Mit der Machtübernahme durch Vladimir Putin wurde die staatliche Kontrolle über die Presse in Russland verstärkt252, so sehr daß sich Politikwisschenschaftler und Soziologen an die letzten, bleiernen Jahr der Brežnjev-Zeit oder allgemein an die mit der Perestrojka Gorbaevs überwunden geglaubte Sowjetzeit erinnert fühlten. Auf den ersten Blick erscheint die russische Medienlandschaft vielfältig. Es gibt 2.500 Rundfunk- und Fernsehgesellschaften sowie mehr als 25.000 Zeitungen und Zeitschriften. Das sind aber nur Zahlen, die wenig bis gar nichts über den Grad an Meinungsfreiheit aussagen. In diesem Zusammenhang spricht die russische Führung gerne von Doppel-Standards, verweist auf das Beispiel Italien, dessen Medien durch die Berlusconi-Regierung auch kontrolliert würden. Offiziell gehören in Russland dem Staat nur zehn Prozent des Rundfunks. Faktisch sind alle Fernsehkanäle, die landesweit zu empfangen sind, unter staatlicher Kontrolle. Das jüngste Beispiel ist „Ren-TV“. Der Sender ließ die kritische Journalistin Olga Romanova keine Sen-
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Die Konrad Adenauer Stiftung hat einen Demokratiebericht zur Lage der Medien weltweit vorgelegt. Die Lage in Russland erscheint kritisch: Immer mehr staatliche Kontrolle, immer weniger alternative Informationsangebote. [Oksana Jewdokimowa. DW-RADIO/Russisch, 24.1.2006, Fokus Ost-Südost – www.dwworld.de/dw/article/0,2144,1873540,00.html].
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dung mehr moderieren. Für Journalisten, die in Russland nicht mehr auf Sendung gehen dürfen und somit keine Zuschauer mehr haben, sei das keine Tragödie, so Romanova. Es sei eine Tragödie für den russischen Zuschauer. Ein einfaches Experiment habe sie davon überzeugt, wie paranoid im Grunde die Sicht der russischen Fernsehzuschauer auf die Welt ist, ja sein muß. Drei Tage lang ging sie nicht ins Internet, sah auch keine westlichen Satellitenkanäle. Nach drei Tagen hätte sie begriffen, „daß Russland von Feinden umzingelt ist. Es gibt den Feind im Inland und im Ausland und alle Hoffnungen werden in Putin, in die Staatsmacht gelegt. So denkt die Mehrheit der Bevölkerung, weil es keine alternativen Informationsquellen gibt.“ Doch gibt es durchaus auch einige Zeitungen, die als alternative Informationsquelle durchgehen: die Zeitung „Vedomosti“, die berühmte „Novaja Gazeta“ und mehrere Internetseiten. Aber Zugang zum Internet haben in Russland nur etwa 15 Prozent der Bevölkerung, wobei die meisten von ihnen in den Großstädten leben. Auf dem Lande hat die Bevölkerung für Zeitungen oft kein Geld. Die Konsequenz ist, daß die russische Gesellschaft mit Ausnahme einer kleinen Minderheit immer unpolitischer wird. Wer keinen Zugang zu alternativen Informations-quellen hat, dem bleibt nichts anderes übrig, als das übliche Programm, das vor aus unpolitischen Unterhaltungsshows besteht. Nachrichtensendungen werden auf eine Person zugeschnitten, vorzugsweise den Präsidenten oder andere Kreml-treue Politiker, die diese Gelegenheit oft schamlos ausnutzen, um ihre Sicht der Dinge gegen die Realität auszuspielen, und diese Sicht wird nicht angezweifelt, es sei denn eben von jenen kritischen Medien, die fast niemand liest. Ein abschreckendes Beispiel ist ein Interview von Ramzan Kadyrov, Präsident der Kaukasus-Republik Tschetschenien, dem einst die ermordete Journalistin nachsagte, er sei „nicht nur ein Mensch ohne Anzeichen intellektueller Tätigkeit“, er sei schlicht ein „Mann des Krieges und des Terrors“. Und offenbar auch ein Mann, der die Realität und die Wahrheit seinem politischen Ehrgeiz skrupellos unterordnen kann, ein Talent, das ihn den neuen Herren im Kreml nützlich erscheinen ließ. Jenes Interview mit Kadyrov wurde so geführt, als hätte es den Tschetschenien-Krieg mit seinen zahllosen Opfern niemals gegeben. Als wären die Vorwürfe von Korruption, Auftragsmorden und Bedrohungen, unter anderem an die Adresse der schließlich ermordeten Menschenrechtsaktivistin Natalja Estemirova, vollkommen aus der Luft gegriffen. Der Leser wird offen für dumm verkauft. Hier offenbart sich das, was Beobachter als ‚gelenkte Demokratie’ bezeichnen. Die Anzeichen häufen sich, aber dennoch hofft man, daß die Lenkung nicht in die Diktatur umschlagen werde. Gewisse Maßnahmen, die der neue Präsident Medvedjev in letzter Zeit eingeleitet hat, wurden schon als Kurswechsel in die bessere Richtung gedeutet. Gleichwohl Grund zur Sorge ist auch das Erstarken der kommunistischen Partei, die in den Regional- und Kommunalwahlen im März 2010 auf den zweiten Platz hinter der Putin-Partei „Einiges Russland“ kam. Auch den Kommunisten ist aus traditionellen Gründen eine freie Presse nur solange kein Dorn im Auge als sie ihren Widerstand gegen die Regierungspartei mitträgt. In ihrer grundsätzlichen Ablehnung sind sich „Einiges Russland“ und Kommunisten völlig einig. Der Generalangriff auf die freien Medien begann nach Putins Amtsantritt im Frühjahr 2000. Ihm galt unabhängige, oder genauer gesagt, Berichterstattung, die nicht auf der Linie der führenden politischen Kraft liegt, als staatsfeindlich, als desinformierend. Berühmte Opfer dieses Kampfes gegen politisch unabhängige Medien waren die Medienimperien der beiden Oligarchen Gusinskij und Berezovskij, die schließlich den Widerstand gegen die Staatsmacht aufgaben und sich ins Ausland zurückzogen. Gusinskij hatte es gewagt, in seinem Fernsehkanal „NTV“ und den von ihm betriebenen Printmedien Regierungskritik zu üben, ja sogar Putin bei den Präsidentenwahlen nicht zu favorisieren. Um den Medienkon-
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zern „Most“ von Gusinskij zu zerschlagen, hatte man ihn plumperweise der Steuerhinterziehung angeklagt und kurzerhand verhaften lassen. Ein Sturm des Protestes der in- und ausländischen Presse brach los. Auch Gusinskijs Konkurrent Boris Berezovskij, der über die Aktienmehrheit am Fernsehkanal „ORT“ verfügte, solidarisierte sich, protestierte sogar in einem gemeinsam verfassten Schreiben an den Präsidenten gegen den offenkundigen Willkürakt. Berezovskij wußte nur zu gut, daß der Terror gegen Gusinskij nur der Anfang sein würde. Das Ziel war die Zerschlagung unabhängiger Medien, die Kritik sollte zum Verstummen gebracht werden. Putin kam in seiner Schmutzkampagne zugute, daß beide Oligarchen bei den Russen nicht eben beliebt waren. Die Aversion des Präsidenten gegen öffentliche Kritik stammte zu einem Gutteil aus seiner Zeit im sowjetischen Geheimdienst KGB, wie auch sein Talent, die Abwicklung der privaten Fernsehkanäle elegant als rein geschäftliche Transaktionen darzustellen. Gusinskijs Sender „NTV“, der bei dem Energiekonzern „Gazprom“ stark verschuldet war, ging 2001 an den staatlich kontrollierten Konzern. Auch im Falle des von Berezovskij betriebenen privaten Fernsehkanals „TV6“, der 2002, wie auch dem Kanal „TvS“, der im Juni 2003 geschlossen wurde, führten die Behörden finanzielle Schwierigkeiten ins Feld. Auf das Urteil folgte die sofortige Schließung des Senders.
1.1
Der Skandal um die Holding „Media Most“
Im September 2000 entbrannte in Russland ein neuer Skandal im Kampf um den russischen Medienmarkt, „der sowohl einen tiefen Einblick in die prinzipienlose Moral gibt, die in den Vorstandsetagen der großen russischen Privatunternehmen herrscht, als auch in die erpresserischen Gangstermethoden, mit denen der Kreml seine Interessen durchsetzt“, so damals der russische Journalist Vladimir Volkov. Bei diesem Skandal ging es um die Zukunft des Medienimperiums „Media-Most“ des Oligarchen Vladimir Gusinskij. Es handelt sich um die Fortsetzung der Ereignisse vom Frühjahr. Damals wurde Gusinskijs Medienimperium enormem Druck seitens des Kremls ausgesetzt. Drei Tage nach Präsident Vladimir Putins Amtsantritt hatten maskierte Polizeieinheiten die Büros von mehreren Unternehmen, die zu Media-Most zählen, überfallen, durchsucht und Geschäftsunterlagen beschlagnahmt. Dann wurde Gussinski selbst verhaftet und musste drei Tage im Moskauer Butyrka-Gefängnis verbringen. Nach seiner Entlassung fuhr er nach Spanien, wo er bis heute residiert. Zunächst hatte es den Anschein, als ob der Konflikt in beiderseitigem Einvernehmen beigelegt worden sei und nicht mehr in der Öffentlichkeit ausgetragen würde. Jetzt ist klar, dass dies nicht der Fall ist. Gusinskij hatte am 20. Juli 2000, als er sich noch in Haft befand, einen Vertrag unterzeichnet, demzufolge er praktisch seinen gesamten Media-MostKonzern dem russischen Gasriesen Gasprom für 300 Millionen Dollar übereignet. Dabei wurden die Schulden des Konzerns gegenüber Gazprom in Höhe von 437 Millionen Dollar aufgerechnet. Skandalös war an diesem großen Geschäft nicht nur, dass es hinter Gefängnisgittern abgeschlossen wurde, sondern auch der Umstand, dass Medienminister Michael Lesin als Garant des Vertrages auftrat, obwohl er formaljuristisch absolut nichts mit dem Geschäft zu tun hatte und beim Geschäftsabschluss keine entscheidende Rolle spielte. In Anhang Nr. 6 des Vertrages, dessen Text im Internet veröffentlich wurde, einigten sich die beiden Seiten auf die Erfüllung folgender wechselseitiger Bedingungen: das Ende der strafrechtlichen Verfolgung Gusinskijs, die Gewährung von Sicherheits-garantien für Gusinskij und die anderen Aktionäre, die Sicherstellung von Rechten und Freiheiten einschließlich
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des Rechts auf freie Bewegung, frei wählbaren Aufenthalt und Wohnort und freies Ein- und Ausreisen aus der Russischen Föderation. Ein anderer Punkt der Einigung sah vor, dass Gusinskij jeglichen Handlungen, einschließlich öffentlichen Auftritten und der Verbreitung von Informationen, die den konstitutionellen Aufbau oder die Einheit der Russischen Föderation unterhöhlen, das heißt, jeglichen Handlungen, die gegen die offizielle Kremlpolitik gerichtet sind, eine Absage erteilt. Auf diesem Dokument prangte die Unterschrift des einflussreichen und dem Kreml nahestehenden Medienministers Lesin. Faktisch garantierte sie beiden Seiten die Einhaltung der vereinbarten Bedingungen. Gusinskij berief daraufhin eine Pressekonferenz ein und erklärte, dass er den Vertrag mit Gasprom juristisch als nichtig betrachte, weil er ihn unter Druck unterzeichnet habe. Zu den Bedingungen der Unterzeichung dieser Vereinbarung hätte seine Entlassung aus der Butyrka gehört und das Ende seiner strafrechtlichen Verfolgung. Er wäre faktisch als Geisel freigelassen worden, sagte er. Es sei kein Geheimnis, dass es sich um einen Akt staatlicher Schutzgelderpressung handelte, wenn die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren nach Belieben eröffnen und dann wieder einstellen kann. Minister Lesin, der merkte, dass er in eine zwiespältige Situation geraten war, versuchte auf jämmerliche Weise, sein Verhalten zu rechtfertigen. Er gab zu, dass er einen Fehler begangen habe, und ergänzte, dass er das mit guter Absicht getan habe, um eine friedliche Lösung des Konfliktes herbeizuführen. Der Hintergrund für die ganze Geschichte war die äußerst schlechte finanzielle Lage von Media-Most. Im März 2000 hatte der Konzern fällige Verpflichtungen in Höhe von 211 Millionen Dollar nicht begleichen können, für die „Gazprom“ eine Bürgschaft übernommen hatte und die mit 20 Prozent des Aktienkapitals des Medienkonzerns gesichert waren. „Gazprom“ war darüberhinaus Bürge für weitere 262 Millionen Dollar, die Gusinskijs Holding 2001 begleichen sollte und die ebenfalls mit 20 Prozent des Aktienkapitals gesichert waren. Die Übernahme weiterer Unternehmensanteile durch Gazprom, das ohnehin schon 16 Prozent der Aktien von „Media-Most“ hielt, sollten angeblich dazu dienen, die von „Gazprom“ für die Bürgschaften ausgegebenen Summen zurückzuerstatten, um sie dann in das Grundgeschäft, die Gasindustrie, zu investieren. Damit stellte sich die Frage, warum der Gaskonzern dem verlustbringenden Medienkonzern überhaupt soviel Geld geliehen hatte. Die einzige schlüssige Antwort lautete, dass bestimmte Kräfte im Kreml versuchten, mit Hilfe des staatlichen Status und der bedeutenden finanziellen Ressourcen von „Gazprom“ ihren Einfluss auf die Massenmedien zu stärken. Insbesondere seitdem das Unglück des Atom-Unterseebootes „Kursk“ und der Brand auf dem Moskauer Fernsehturm Ostankino die Inkompetenz der russischen Regierung und ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben der einfachen Bevölkerung bloßgelegt hatten, wuchs mit der scharfen Kritik der Medien, die nicht vom Kreml kontrolliert werden, die Sorge vor einem Erstarken der oppositionellen Kräfte. All das spielt hinein in den schon seit langem währenden Kampf um die Kontrolle über die Informationsmedien des Landes. Im Sommer des Jahres 2000 sah sich Gusinskij von „Gazprom“ an die Wand gedrückt und war gezwungen, den ihm vorgelegten Bedingungen zuzustimmen. Zur gleichen Zeit ließ er eine Videoaufzeichnung anfertigen, in der er unter Anwesenheit von Juristen diese Prozedur für nichtig erklärte. Gusinskij tat alles, um den Schein zu wahren, weil er befürchtete, der Skandal, der auch für ihn persönlich äußerst gefährlich war, könnte die Grundlagen der russischen Marktwirtschaft Regimes untergraben. Der Skandal um „Media-Most“ schlug breite Wellen nur wenige Tage nachdem der andere Medien-Oligarch, Boris Berezovskij, eine neue Initiative unternommen hatte, um seinen Einfluss auf den staatlichen Fernsehsender „ORT“ gegen die Ansprüche des Kreml zu verteidigen. Die zunehmenden Konflikte zwischen Präsident Putin und den Oligarchen machten deutlich, wie instabil die politischen
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und Unternehmensstrukturen waren, die in den 1990er Jahren entstanden waren. Die breite Masse hatte den wachsenden Verdacht, dass die neue wirtschaftliche, politische und mediale Oligarchie ihre eigenen Interessen weit vor die der Gesellschaft stellte.
1.2
Informationsdiktatur und die Schere im Kopf
In der Konsequenz gelang des dem Kreml bzw. der Staatsführung, fünf große nationale Sender unter seine Kontrolle zu bringen: „Kanal Eins“, „RTR“, „TV-Centr“, „NTV“ und „Ren-TV“. Diese werden großzügig dazu benutzt, Werbung für die Regierungsorgane zu machen. Politische Sendungen dienen fast zur Gänze dazu, die Arbeit der Regierung in günstigem Licht erscheinen zu lassen. Kritische Berichterstattung fällt damit aus. Die politische Opposition kommt nur ganz am Rande vor und wird obendrein regelmäßig verunglimpft, der Illoyalität gegenüber ‚russischen Interessen’ geziehen. Die Zerschlagung des Medienkonzerns „Most“ hatte gerade für die Opposition und die sie stützenden Medien einen herben Einbruch bedeutet. Dennoch gibt es auch weiterhin Medien, die sich der kritischen Berichterstattung verpflichtet fühlen, und das einer bedenklichen, an Sowjetzeiten gemahnenden Neigung zur Selbstzensur zum Trotz, die durch die Drohgebärden des Kreml in viele Redaktionsstuben eingezogen ist. Zu den kritischen Stimmen gehört die „Vedomosti“ [www.vedomosti.ru], die sich schon dadurch größere Unabhängigkeit bewahren konnte, daß sie ausländischen Eigentümern gehört – sie ist ein Gemeinschaftsprojekt von „Financial Times“, „Wall Street Journal“ und des russischen Verlagshauses „Independent Media Sanoma Magazines ID“. Als internationale Koproduktion wird sie aber auch leicht Zielscheibe all jener, die in der Eigentumsstruktur schon einen Beweis für Illoyalität, ja Vaterlandsverrat sehen. Wie deplorabel die Lage der freien Medien in Russland ist, erkennt man auch daran, daß die Stellung von Zeitungen wie „Gazeta“, „Vremja Novostei“, „Novaja Gazeta“ und „Kommersant“ bereits mit der Rolle verglichen wurden, die die BBC, die „Deutsche Welle“ und „Radio Liberty“ in der Sowjetzeit spielten253. Sie seien zwar Medien, die offen und kritisch berichteten, aber auch in ihrer Wirksamkeit beschränkt, weil ihr Publikum vorwiegend aus Intellektuellen und Großstädtern besteht. Als kritisch gilt auch der Radiosender „Echo Moskvy“. Er gehört zwar dem Energieriesen Gazprom, darf sich aber weitgehende Freiheiten erlauben, um dem internationalen Vorwurf der medialen Gleichschaltung entgegenzuwirken. Die kritischen oder im Ansatz noch kritischen Medien werden zusätzlich dadurch ausgedünnt, daß sie von Kreml-freundlichen Unternehmern aufgekauft und auf Kurs gebracht werden. Die intellektuell anspruchsvolle Wirtschaftszeitung „Kommersant“ erwarb 2006 ein Stahlmagnat, der enge Beziehungen zu „Gazprom“ unterhält; die „Izvestija“ wurde ein Jahr zuvor von „Gazprom“ übernommen, und die „Komsomol’skaja Pravda“ wechselte 2007 den Besitzer und hat sich seitdem zu einem mehr als nur staatstragenden Organ entwickelt. Die „Izvestija“ verkümmerte nach der Übernahme rasch zu dem, was sie schon zu Sowjetzeiten war – zu einem Sprachrohr des Kreml. Daß mittlerweile 90 Prozent der russischen Medien mittelbar oder unmittelbar staatlich kontrolliert sind, hat die fatale Folge, daß selbst schwerste Defizite, Fehler und Skandale der staatlichen Einrichtungen und der Regierung zwar noch irgendwo zur Sprache kommen, aber ohne daß sich daran
253
Vgl. Mommsen, M./Nußberger, A.: Das System Putin. Gelenkte Demokratie und politische Justiz in Russland. Bonn 2007, S. 49.
312
Diskussion, Kritik und Aufklärung anschließen würden. Beispiele gibt es genug: die stümperhafte Niederschlagung der Geiselnahme in einer Schule in Beslan oder die Monetarisierung sozialer Vergünstigungen. Der letztere Fall führte zumindest zu landesweiten Protesten. In vielen anderen findet der Protest nicht mehr in den Medien statt, sondern muß in Protestbewegungen ausweichen, die es wegen der Kontrolliertheit der Medien wiederum nicht leicht haben, sich Gehör zu verschaffen. Bestimmte Themen wie die militärische Gewalt in Tschetschenien, Korruption in Regierungsstellen oder das desaströse Moskauer Krisenmanagement im Falle terroristischer Überfälle sind tabuisiert. Kritische Stimmen werden zwar zugelassen, aber nur in Aufzeichnungen, die entsprechend bearbeitet werden, bevor sie gesendet werden – ein eindeutiger Verstoß gegen die in Art. 29 der russischen Verfassung zugesicherte Meinungs-freiheit. Genauso wie ein Gesetz, das vor den DumaWahlen 2003 erlassen wurde und das bestimmte, nur kommentarlose Nachrichten über die Kandidaten zu veröffentlichen. Den Medien war es damit unmöglich, über Alternativen zur gängigen Politik aufzuklären, weil das als Verstoß gegen die ‚Unparteilichkeit’ gewertet worden wäre. Das Verfassungsgericht verurteilte zwar das Gesetz, doch den Journalisten blieb es weiterhin gestattet, zwischen erlaubten und verbotenen Kommentaren zu unterscheiden. Hier setzte man eindeutig auf die Schere im Kopf. Dass man sich als russischer Journalist eher gegen als für eine Nachricht entscheidet, wenn diese Regierungsorgane verärgern könnte, dafür war gerade die Geiseltragödie von Beslan ein ernüchterndes Beispiel. Das Fernsehen hielt alle Nachrichten zurück, um nicht die offizielle Version des Kreml Lügen zu strafen. Nur die damals noch unabhängige „Izvestija“ druckte auf die Titelseite ein ganzseitige Photo, mit der Folge, daß der Chefredakteur vom Eigentümer der Zeitung fristlos entlassen wurde. Läßt sich ein unangenehmes Ereignis wirklich nicht mehr vertuschen, wird davon abgelenkt. So zum Beispiel, als Anfang 2005 Hunderttausende gegen die Abschaffung von Vergünstigungen für Kriegsveteranen und andere protestierten, wurden nur die befragt, die nichts daran auszusetzen hatten. Die neue russische Medienpolitik, die zunehmend der alten ähnelte, bedeutete jedoch nicht ‚nur’, daß Journalisten entlassen wurden, die sich zu weit vorgewagt hatten. Etliche mußten auch mit ihrem Leben für ihre Courage bezahlen, das zu beschreiben, was in einer offenen Gesellschaft eigentlich beschrieben werden dürfen sollte. Im Westen wurde am bekanntesten die Journalistin Anna Politkovskaja, die für die „Novaja Gazeta“, die „Neue Zeitung“ gegen Korruption und Inkompetenz der russischen Behörden und gegen Menschrechtsverletzungen in Tschetschenien anschrieb. Am 7. Oktober 2006 wurde sie ermordet. Ein weniger bekanntes Opfer ist der Journalist und Duma-Abgeordnete Jurij Šekoichin, der Licht in die Sprengstoffanschläge auf Wohnhäuser in Moskau und anderen russischen Städten bringen wollte. Da der Kreml an Zweifeln an der offiziellen Version, daß dahinter tschetschenische Terroristen stecken, nicht interessiert sein konnte, mußte der mutige Journalist sterben, wobei es offiziell hieß, der Fall sei ungeklärt, das Opfer wahrscheinlich an einer ungeklärten Allergie gestorben. Angehörige und Freunde waren sich jedoch sicher, daß Šekoichin vergiftet wurde. Die Zahl der während der Amtszeit Präsident Putins ermordeten Journalisten beläuft sich ohne den Duma-Abgeordneten auf 13, ein Umstand, der zusammen mit allen übrigen Kritikpunkten dafür verantwortlich ist, daß Russland 2007 auf der Skala der Pressefreiheit auf dem unrühmlichen 147. Platz unter 168 geprüften Ländern rangierte. Was die Zahl der ermordeten Pressevertreter betrifft, kam Russland damals nach Irak und Algerien auf den dritten Platz.
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1.3
Der russische Medienmarkt vor der Wende
Das alles hätte man sich in den Tagen nach dem Fall des eisernen Vorhangs nicht vorstellen können. Alles blickte voller Spannung nach Moskau, wo sich abspielte, was niemand je für möglich gehalten hätte. Eine freie Gesellschaft schien sich endlich nach Jahrzehnten der sowjetischen Unterdrückung zu entwickeln. Präsident Michajl Gorbaev hatte für sein Land den Umbau (‚Perestrojka“) und Transparenz (‚Glasnost‘) als Parolen einer neuen, besseren Zeit ausgegeben. Die Medien als Träger des gesellschaftlichen Diskurses wurden davon ebenfalls erfaßt. Zahllose neue Regionalzeitungen emanzipierten sich von ihren Vorgängern. Man wollte nicht mehr der Propaganda für die Staatspartei dienen, sondern den Bürger über das aufklären, was tatsächlich passiert. Selbst die ehemaligen Parteiblätter, die aus der kommunistischen Bewegung und der Oktoberrevolution hervorgegangen waren, schienen sich zu wandeln. Das Parteiblatt schlechthin, dessen Titel allein schon für den Schindluder stand, den der Sowjetkommunismus mit dem hehren Prinzip der Wahrheit trieb, die „Pravda“ (\ , „Wahrheit“, www.pravda.ru), war ursprünglich eine sozialdemokratische Zeitung, die Lev Trockij lange vor der Revolution gegründet hatte, um damit die russischen Arbeiter im revolutionären Sinne zu beeinflussen. Um die zaristische Zensur zu umgehen, wurde die „Pravda“ im Ausland, genauer gesagt in Wien, wo sie am 3. Oktober 1908 gegründet worden war, gedruckt und nach Russland geschmuggelt. Die Ursprungs-Redaktion bestand aus Trockij, Victor Kopp, Adolf Joffe und Matvej Skobelev, wobei Joffe und Skobelev die Zeitung finanziell am Leben erhalten konnten, weil sie vermögende Eltern hatten. Die Russische Sozialdemokratische Partei spaltete sich in Fraktionen auf, die Pravda versuchte die Gräben zu überbrücken, stand als Meinungsführerin über dem Parteistreit, wobei ihre Popularität der leicht verständliche, packende Stil der Trockij’schen Artikel ungemein erhöhte, allgemein die Konzentration auf Themen, die die russischen Emigranten und Arbeiter direkt betrafen. Im Januar 1910 gelang es dem Zentralkommittee, alle Fraktionen der Sozialdemokratischen Partei zu einer Vollversammlung zu vereinen. Man konnte sich auf die Wiedervereinigung einigen, und als Teil dieser Einigung wurde Trockijs „Pravda“ zur parteiamtlichen Zeitung gemacht. Doch die Versöhnung der Fraktionen scheiterte. Lev Kamenev, führendes Mitglied der bolschewistischen Fraktion, zog sich aus der Chefredaktion zurück. Am 15. April 1912 erschien die letzte Ausgabe der sozialdemokratischen Pravda. Erst das Ende der Zarenherrschaft mit der Februarrevolution von 1917 erlaubte die Neugründung der Prvada. Die damaligen Herausgeber, Molotov und Šljapnikov, wurden bereits am 12. März von Kamenev, Stalin und dem ehemaligen DumaAbgeordneten Matvej Muranov, die aus Sibirien zurückgekehrt waren, abgelöst. In der Chefredaktion setzte sich bald die politische Linie Lenins durch, vor allem nachdem die Provisorische Regierung, der die Bolschewiken einmal ablehend, einmal erduldend gegenüber gestanden hatten, durch die Oktoberrevolution zerschlagen worden war. Ab da begann der parteiamtlich geförderte Aufstieg der „Pravda“ zum Zentralorgan des ZK der Kommunistischen Partei, von dem nach der Oktoberrevolution täglich an die 100.000 Exemplare verkauft wurden. Unmittelbar nach der Februarrevolution, am 13. März 1917, war auch die andere große Zeitung der späteren Sowjetunion, die Izvestija [www.izvestia.ru], in Sankt Petersburg, dem späteren Petrograd bzw. Leningrad, gegründet worden. Von dort wurden beide nach Moskau, in die neue Hauptstadt transferiert, die „Pravda“ am 3. März 1918. Sie war von da an bis zum Zusammenbruch der Sowjetuion nicht nur das offizielle parteiamtliche Organ, sie mußte auch von jedem Angehörigen der Staatsunternehmen, der Armee und anderer Organisationen abonniert werden.
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Als Zentralorgan des ZK der Kommunistischen Partei war die „Pravda“ bis 1991, vor allem im kalten Krieg, die offizielle Stimme des Sowjetkommunismus gegenüber dem Westen, so wie die „Izvestija“ die Stimme des sowjetischen Regierung, des obersten Sowjet war. Die Izvestija hieß daher auch mit vollem Namen „^} * *¨© “ – „Nachrichten der Sowjets der Volksdeputierten der SSSR“. Neben den beiden führenden Sowjetzeitungen gab es die Zeitung „Trud“ für die Sowjet-Gewerkschaften, die „Komsomol’skaja Pravda“ als Organ des Komsomol, und die „Pionerskaja Pravda“ für die Jungen Pioniere, die Jugendorganistion der KP. Doch in der Geschichte der „Pravda“ spiegelten sich die politischen Machtkämpfe. Nach Lenins Tod 1924 war die Staatszeitung das Instrument für Nikolaj Bucharin, den damaligen Chefredakteur, um seine parteiinterne Stellung und sein Ansehen als marxistischer Theoretiker zu festigen. Nach dem Tod Stalins 1953 nutzte der neue KP-Chef Nikita Chruschtschov die „Pravda“ dazu, im Verein mit deren Chefredakteur Dmitrij Šepilov die Oberhand im Streit mit Premierminister Georgij Malenkov zu behalten. Am 22. August 1991 hob Präsident Jel‘cin nicht nur die die KP auf, er strich auch das Parteieigentum an der „Pravda“ per Regierungsdekret ein, worauf die Angestellten wenig später eine neue Zeitung unter dem-selben Namen gründeten. Wenige Monate später verkaufte der Chefredakteur Gennadij Seleznjev die „Pravda“ an die griechische Unternehmerfamilie Jannikos. Seleznjevs Nachfolger, Aleksandr Ilyin, übertrug die Rechte am Markenzeichen der „Pravda“, den Medaillen des Lenin-Ordens, auf die neuen Eigentümer. Der Protest, den der Eigentümerwechsel und der Wandel der internen Strukturen auslösten, hatte zur Folge, daß mehr als 90 Prozent der bisher bei der „Pravda“ tätigen Journalisten bis 1991 ihre Stelle kündigten. Der Versuch, ihre eigene Version der „Pravda“ herauszubringen, endete mit dem Verbot. Sie wurde unter dem Druck der Regierung eingestellt, worauf die selben Journalisten unter der Führung des früheren „Pravda“-Redakteurs Vadim Goršenin und Viktor Linik im Januar 1999 die „Pravda Online“ aus der Taufe hoben, die erste Internet-Zeitung in russischer Sprache, wobei später auch englische, italienische und portugiesische Versionen hinzukamen. Wenn auch die Redakteure beider Medien, der neuen „Pravda“ und der „Pravda Online“, nach wie vor in Kontakt miteinander stehen, haben beide nichts miteinander zu tun, was man sofort an der inhaltlichen Ausrichtung sieht. Während die Zeitung die Dinge aus linker Perspektive beurteilt, nimmt die Online-Ausgabe häufig einen nationalistischen Standpunkt ein. 2004 wurde in Litauen eine russischsprachige Stadtzeitung mit dem Namen „Pravda“ ins Leben gerufen, die äußerlich nichts mit ihrem Vorbild gemein hatte, jedoch wie die große „Pravda“ versprach, die Wahrheit und nicht nichts als die Wahrheit zu berichten. Auch die „Izvestija“ wurde nach dem Ende der Sowjetunion unter gleichem Namen weitergeführt, bezeichnete sich selbst als „all-nationale“, will heißen nationenübergreifende Zeitung. 2005 stand die Auflage bei 240.967. Sie gehörte damals noch der Holding des Oligarchen Vladimir Potanin, die über enge Verbindungen zur Regierung verfügt. Am 3. Juni 2005 wurde das staatseigene Unternehmen „Gazprom“ Mehrheitseigentümer und „Izvestija“ der Gazprom Medien-Holding eingegliedert. Mit deren Einfluß verstärkte sich der Druck auf kritische Journalisten wie Raf Šakirov, dem ehemaligen Chefredakteur der „Izvestija“, der zurücktreten mußte, weil Regierungsvertretern nicht gefiel, wie der Vorfall von Beslan von der Zeitung dargestellt wurde. Eine Gruppe von Tschetschenen hatte im September 2004 mehr als 1.100 Personen, darunter 777 Kinder in der nordossetischen Stadt Beslan in ihre Gewalt gebracht, um damit gegen die russische Besetzung ihrer Heimat zu protestieren. Russische Sicherheitskräfte stürmten am dritten Tag der Geiselnahme das Gebäude, wobei 334 Menschen, darunter 186 Kinder ihr Leben verloren. Die rücksichtslose und undiplomatische Weise, wie der russische Staat mit dem Leben seiner Bürger umging,
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allein um seine Stärke zu demonstrieren, erregte die Kritik der Medien, nachdem bereits im Oktober 2002 eine russische Spezialeinheit ein Moskauer Musicaltheater gestürmt hatte, auch hier ohne große Rücksicht auf die Geiseln zu nehmen. Die tschetschenischen Geiselnehmer wie auch die Zuschauer wurden damals einer bis heute nicht geklärten giftigen Substanz ausgesetzt, die man durch das Lüftungssystem in das Theater eingeleitet hatte. 39 der Geiselnehmer und (offiziell) 129 der Zuschauer starben, außer zwei alle übrigen durch das eingeleitete Gas. Nachdem die „Izvestija“ von der blutigen Beslan-Aktion Aufnahmen veröffentlicht hatte, soll der Zeitungseigner, Vladimir Potanin, den Chefredakteur Šakirov aufgefordert haben, seinen Posten zu räumen, aus Angst vor der Wut des Kreml über die mehr als deutlichen Photos. Auch der Radiosender „Echo Moskvy“ (ª© ^ ¨) mußte mitansehen, wie seine journalistische Unabhängigkeit nachließ. Er gilt zwar bis heute als eine der letzten Bastionen freier Medien in Russland, aber seitdem „Gazprom Media“ 66 Prozent der Anteile hält und die dort beschäftigten Journalisten nur noch die verbleibenden 34 Prozent, hat dieser Ruf gelitten. „Gazprom Media“ gehören heute außerdem die nationalen Fernsehstationen „NTV“ (russ.: «>), „NTV Plus“ und „TNT“, die Radiosender „Relax FM 90.8“, „First Popular Radio“, „Radio NEXT“ und „City-FM 87.9“, die Zeitschriften „Itogi“ (vergleichbar „Newsweek“ oder „Time“), „Tribuna“, ein Magazin, das sich vor allem mit Fragen der Industrie und des Energiesektors beschäftigt, und die bereits genannte „Izvestija“. „NTV“ war ursprünglich ein Subunter-nehmen von Vladimir Gusinskijs „Media-Most“, ein Unternehmen, das als Pionier der unabhängigen post-sowjetischen Medien bezeichnet wurde, aber ebenfalls von „Gazprom“ übernommen wurde.
1.4
Der Mordfall Anna Politkovskaja
Die in Moskau erscheinende Wochenzeitung „Novaja Gazeta“ („Neue Zeitung“, www.novayagazeta.ru) war den Kremlfürsten von Anfang an ein Dorn im Auge. Sie nennt sich selbst die „letzte freie Stimme Rußlands“ („ ^!*~ ^ *¨~ ¬ ! ^ ^^“). Als die Verkörperung dieser freien Stimme im Oktober 2006 ermordet wurde, stritt Präsident Putin ab, daß ihre Artikel in Russland wirklich irgendjemanden interessiert hätten. Er sagte es zu demonstrativ, um glaubwürdig zu sein. Mit ihr starb nicht nur der Respekt vor dem Individuum, der eine zivilisierte Gesellschaft auszeichnet, hieß es in Artikeln zu ihrem Tod. Mit ihr starb die Hoffnung auf ein freies, demokratisches Russland. Ihre Kollegen, Dmitrij Muratov, Vjaeslav Ismalov oder Roman Šlachin schworen sich, für sie weiter gegen die schleichende Wiederkehr des Totalitären anzuschreiben. Für den wahrhaft todesverachtenden Mut ihrer Redakteure bekam die Zeitung 2007 den Henri-Nannen-Preis für freien Journalismus zugesprochen254. Der heutige Chefredakteur Dmitrij Muratov gründete
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Hamburg, 4. Juli 2007 – Am 11. Mai 2007 wurde die russische „Novaja Gazeta“ mit dem Henri Nannen Preis 2007 für Pressefreiheit ausgezeichnet. In seiner Dankesrede rief ihr Chefredakteur Dimitrij Muratov die bei der Preisverleihung anwesenden Vertreter aus Wirtschaft und Medien dazu auf, Anzeigen in der Kremlkritischen Zeitung zu schalten und sie so zu unterstützen. Denn die „Novaja Gazeta“ wird nicht nur von den russischen Behörden schikaniert, sondern muß auch ständig um ihre wirtschaftliche Basis bangen, da es fast keine Unternehmen gibt, die in der Zeitung Anzeigen veröffentlichen. Die Rede Muratovs hat viele Unternehmensvorstände tief bewegt. Sie werden in den nächsten Wochen in der „Novaja Gazeta“ Gratulationsanzeigen zur Verleihung des Henri Nannen Preises veröffentlichen. Das bringt der Zeitung zum einen dringend benötigtes Geld und belegt zum anderen den Rückhalt, den die russischen Kollegen aus Deutschland erfahren. Die ers-
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im April 1993 zusammen mit Kollegen der ehemaligen sowjetischen Jugendzeitung „Komsomol’skaja Pravda“ („| ^ !{^ } \ “), die heute eine patriotische bis nationalextremistische Boulevardzeitung ist, eine der ersten unabhängigen russischen Tageszeitungen. Aus dieser ging 1999 die vorerst zweimal wöchentlich erscheinende „Novaja Gazeta“ hervor255. Der Chefredakteur Dmitrij Muratov zählt zu jenen russischen Intellektuellen, die seit der Pestrojka für Demokratie und Menschenrechte kämpfen. Der 45-jährige VollblutJournalist baute eine Redaktion auf, deren Impressum als „Adelsregister des russischen Journalismus“ gilt. Die meisten der rund dreißig Mitarbeiter des Blattes gehören zu den absoluten Stars der Branche, u.a. der international anerkannte Militärexperte Pavel Felgenhauer, der ehemalige Armeeoffizier Ismalov, die Schriftstellerin Julija Latynina, und der Reporter Šlachin. Diese Redakteure waren früher die Aushänge-schilder etablierter Tageszeitungen mit Millionen-Auflagen. Kurz nach seinem Amtsantritt im Frühjahr 2000 setzte Präsident Vladimir Putin alle Medien unter Druck, die durch kritische Distanz zum Kreml und eine kritische Berichterstattung aus Tschetschenien aufgefallen waren. So wurden die besten Journalisten aus ihren Redaktionen gemobbt und sammelten sich um Muratov. Bei der „Novaja Gazeta“ fanden nicht nur die besten Redakteure des Landes eine neue Heimat, sie stützt sich auch auf ein dichtes Netz von Korrespondenten in der Russischen Föderation und den ehemaligen Unionsrepubliken, die aber aus Sicherheitsgründen meist anonym bleiben, zumal hohe Beamte aus der Kreml-Administration und Regierungspolitiker, die die „Novaja Gazeta“ mit Informationen versorgen. Die Mitarbeiter der kleinen Redaktion leben gefährlich. Sechs Journalisten aus ihren Reihen wurden seit Mai 2000 schwer verletzt oder gar umgebracht. Verletzt wurden die „Novaja Gazeta“-Redakteure Oleg Lurje, Sergej Solovkin und Michail Komarov. Oleg Lurje, Sonderkorrespondent der „Abteilung Aufklärung und Recherche“ und Autor zahlreicher Artikel über Korruption von hochgestellten Staatsdienern, wurde am 16. Dezember 2000 von zwei Unbekannten zusammengeschlagen. Die Täter nahmen ihm weder Geld noch Wertsachen ab. Der Südrussland-Korrespondent Sergej Solovkin wurde am 12. März 2002 in Sotschi am Schwarzen Meer vor seinem Haus überfallen. Der Täter gab zwei Schüsse ab, verfehlte ihn aber. Solovkin erwiderte das Feuer mit seiner eigenen Pistole, die er als ehemaliger Kriminalkommissar legal besaß. Nach dem Mordanschlag verließ Solovkin Russland und zog nach Hamburg256. Der stellvertretende Chefredakteur der Außenredak-
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te Anzeige erscheint am 5. Juli 2007 und kommt vom stern. Es folgen der Spiegel-Verlag („Der Spiegel“), der Focus Magazin Verlag („Focus“), der Axel Springer Verlag („Bild“), die Süddeutsche Zeitung GmbH („Süddeutsche Zeitung“), die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck („Handelsblatt“), die Motor Presse Stuttgart („auto, motor und sport“), der VDI Verlag („VDI Nachrichten“), die Werbeagenturen Scholz & Friends, Publicis und Draftfcb sowie der Gesamtverband Kommunikations-agenturen GWA. Außerdem wird BMW als bislang einziges Unternehmen, das nicht aus den Medien kommt, eine Anzeige in der „Novaja Gazeta“ schalten. Stern-Chefredakteur Thomas Osterkorn: „Wir freuen uns über die große Resonanz, die der Aufruf zur Unterstützung der Nowaja Gaseta von deutschen Unternehmen erhält. Wir hoffen, dass noch weitere Firmen Dimitrij Muratows Aufruf folgen werden. Die Zeitung, deren bekannteste Reporterin Anna Politkovskaja letztes Jahr erschossen wurde, verdient unsere Unterstützung auch über den Abend der Preisverleihung hinaus“. [www.henri-nannen-preis.de/presse_2007.php?id=37; www.henri-nannen-preis.de/media/pm_unterst__ tzung_.0f3381f3.pdf]. Vgl.: Gesine Dornblüth: Eine Insel der Wahrheit und Unabhängigkeit im Meer von Konformismus und Lügen. In: Deutsche Welle, 10. Oktober 2006 (russisch). Für seine Reportagen ist Solovkin zweimal mit dem Larisa-Judina-Preis des russischen Journalisten-verbandes geehrt worden. Larissa Judina, die als Journalistin in Kalmükien arbeitete, fiel 1998 einem Mordanschlag zum Opfer. Sie hatte in ihren Artikeln die Politik des kalmükischen Präsidenten Kirsan Iljumšinov kritisiert und nach der Herkunft seines Millionenvermögens gefragt. Solovkin schrieb für die „Novaja“ über Korruptionsfälle, die bis in höchste politische Ränge reichten, aber auch über Fälle wie den der „Miss Sotschi“, der Schön-
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tion in Rjasan, Michail Komarov, wurde am 3. November 2003 von zwei Männern vor dem Eingang seines Hauses überfallen und zusammengeschlagen. Die Täter nahmen ebenfalls kein Eigentum des Opfers an sich. Komarov wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Ermordet wurden die „Novaja Gazeta“-Redakteure Igor Domnikov, Jurij Šekoichin, und Anna Politkovskaja. Der Spezialist für Korruptionsfälle in der Ölindustrie, Igor Domnikov, wurde am 12 Mai 2000 von bislang unbekannten Tätern vor dem Eingang seines Wohnhauses mit einem Hammer niedergeschlagen und bewußtlos in einer Blutlache liegengelassen. Domnikov starb am 16. Juli, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Sowohl die Polizei als auch Domnikovs Kollegen waren sich sicher, daß der Anschlag mit seiner beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang steht. Der stellvertretende Chefredakteur Jurij Šekoichin wurde während Recherchen über die Verbindung von Steuerbetrügern und dem Inlandsgeheimdienst FSB am 21. Juni 2003 in lebensbedrohlichem Zustand in das Moskauer Zentralkrankenhaus eingeliefert. In der Nacht des 3. Juli starb er. Die offizielle Todesursache war eine heftige allergische Reaktion, obwohl er nie an einer Allergie gelitten hatte. Die Ergebnisse der Autopsie wurden den Angehörigen nie mitgeteilt. Die Journalistin Anna Politkovskaja hatte während des Tschetschenien-Krieges Verbrechen der russischen Armee und der mit ihr verbündeten paramilitärischen tschetschenischen Gruppen aufgedeckt. Am 7. Oktober 2006 wurde Politkovskaja im Aufzug ihres Moskauer Wohnhauses mit mehreren Schüssen ermordet257. In jenem Haus nahe der U-Bahn-Station „Belorusskaja“ wohnten zwar ehemalige Sowjetgrößen und mehrere gefährdete Personen des öffentlichen Lebens, doch eine Eingangskontrolle gab es nicht. Der unmaskierte Täter wurde zwar von einer Überwachungskamera gefilmt und identifiziert, aber von der Polizei nie gefaßt. Der Verlag setzte 25 Millionen Rubel (930.000 Dollar) aus für Hinweise auf die Mörder von Politkovskaja und versprach, ihre Killer würden nicht ruhig schlafen, solange es die „Novaja Gazeta“ gäbe258. Aus aller Welt trafen Beileidsbekundungen ein. Russische
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heitskönigin Eleonore Kondratjuk, in den sich ein gewisser Ruben Grigorjan verliebt hatte. Sie hielt aber nicht viel von ihrem Anbeter, dem Kontakte zur Unterwelt nachgesagt wurden. Der gekränkte Grigorjan heuerte Killer an, die dem Mädchen auflauerten ihr konzentrierte Schwefelsäure ins Gesicht schütteten. Eleonore überlebte den Anschlag, blieb aber für immer entstellt. Nach den Tätern wurde kaum gesucht. Grigorjans Boss und der für den Fall zuständige Polizeiermittler waren gute Freunde. Erst Solovkins Artikel in der örtlichen und Moskauer Presse zwangen die Polizei zum Handeln. Einen der untergetauchten Unholde, einen gewissen Adgur Gotschua, hat der Journalist in einem abchasischen Dorf aufgespürt. Doch der Prozess gegen ihn wurde zur Farce: Lediglich fünf Jahre Haft bekam Gotschua für seine Greueltat. Durch seine Publikationen erwirkte Solovkin jedoch, daß das Urteil wesentlich verschärft wurde. Das Attentat auf Solovkin könnte so ein Racheakt Gotschuas gewesen sein. \* , A.: „¨ * !!~“. ®~¯ ^* ~ ° *!^ £ !± ^¨£ ^ *¨. 9
} } 2006 ¬. [http://www.newizv.ru/news/2006-10-09/55613/]. Der vielleicht gespenstischste Eintrag in Anna Politkovskajas nachgelassenem Manuskript, das als „Russisches Tagebuch“ erschien, stammt vom 13. Februar 2004. Zwei Jahre, sechs Monate und zweiundzwanzig Tage bevor die russische Journalistin erschossen im Aufzug ihres Moskauer Wohnhauses aufgefunden wird, klingelt in der Redaktion von Novaja gazeta das Telefon. Es meldet sich jemand aus russischen Geheimdienstkreisen, eine Nachricht soll übermittelt werden. Der Empfänger ist Ivan Rybkin. Die Botschaft: Falls Rybkin aus seinem Londoner Exil in einer Fernsehdiskussion belastendes Material gegen Putin auf den Tisch lege, gebe es einen Terroranschlag. Politkovskaja schreibt: „Ich tue, worum ich gebeten worden bin. Doch auch ohne die Warnung hat Rybkin bereits alle Fernsehauftritte abgesagt. Sein Leben ist ihm lieber.“ Rybkins Schicksal erlebte Politkovskaja noch mit: Im Jahr 2004 hatte er in den Präsidentenwahlen gegen Putin kandidiert, dessen Regierung er gegenüber der Presse als „Diktatur“ bezeichnete und deren Tschetschenien-Politik als „Staatsverbrechen“; kurz darauf wurde er als vermisst gemeldet und kehrte dann plötzlich zurück, mit der wirren Behauptung, im Urlaub gewesen zu sein: „wie ein lebender Leichnam, mit einer Damensonnenbrille auf der Nase“, schreibt Politkovskaja. Zu Wort meldete sich daraufhin der ehemalige und nach London geflohene Geheimdienstler Aleksandr Litvinenko, der öffentlich erklärte, das Auftreten Rybkins deute auf eine Behandlung mit dem psy-
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Intellektuelle und Oppositionspolitiker äußerten offen ihre Bestürzung. Der international bekannte russische Exil-Schriftsteller Vladimir Vojnovi, der schon zu Sowjetzeiten kein Blatt vor den Mund genommen hatte, schrieb, er wisse nicht, wie er die Empfindungen beschreiben solle, die ihn befielen, als er vom Mordanschlag hörte – Zorn, Schrecken, Verzweiflung. Zu Sowjetzeiten wäre man einfach im Gefängnis oder in der Klappsmühle verschwunden, heute herrscht in Russland offiziell Freiheit und Demokratie. Doch wer deren Prinzipien ernst nehme, lande sofort in einer „Hochrisiko-Gruppe“. Die unabhängig Denkenden würden der Möglichkeit beraubt, sich öffentlich zu äußern, da das Fernsehen unter Kontrolle der Mächtigen steht. Die Wahlen wären zu einer „sowjetischen Farce“ geworden, eine reale Opposition gäbe es auch nicht mehr – „die Macht tut was sie will. [...] In der Luft riecht es nach gewöhnlichem Faschismus, und all das geschieht mit der Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung, die immer weniger Volk genannt werden will“. Die deutsche Schriftstellerin Monika Maron machte aus ihrer Empörung keinen Hehl, was das westliche Desinteresse an den russischen Zuständen betraf: „Seit dem 7. Oktober 2006, dem Tag, an dem Anna Politkovskaja in ihrem Haus erschossen wurde, ist ihr Name in der deutschen Öffentlichkeit bekannt. Er hätte auch vorher bekannt sein können; es waren zwei Bücher von ihr erschienen: „Tschetschenien - die Wahrheit über den Krieg“ (2003) und „In Putins Russland“ (2005); zwei Bücher, aus denen man so Ungeheuerliches erfahren kann, dass sich jeder, der auch nur eines gelesen hat, fragen muss, warum der Krieg in Tschetschenien und seine Auswirkungen auf Russland uns eigentlich so wenig interessieren; warum jeder Tote im Irak, jeder Häftling in Guantánamo, jeder erschossene Palästinenser unser Mitgefühl und unsere Empörung weckt, wogegen die alltägliche Rechtlosigkeit, die Morde, Entführungen, Vergewaltigungen in Tschetschenien, Inguschetien oder Dagestan uns erst erregen, wenn in Beslan mehr als dreihundert Geiseln getötet werden oder wenn im Moskauer Musicaltheater Nord-Ost eine Geiselnahme mit einem Giftgaseinsatz beendet wird und dabei neunzig Kinder ums Leben kommen oder wenn in Moskau eine ungewöhnliche und mutige Journalistin ermordet wird, ausgerechnet am Geburtstag des russischen Präsidenten, der zudem wenige Tage später die deutsche Bundeskanzlerin treffen sollte.“
Und Kerstin Holm adelte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ die Courage der Politkovskaja im Angesicht einer Staatsmacht, die zu allem fähig ist: „Man hatte es immer schon geahnt, jetzt ist es amtlich. Der russische Staat, der auf der Weltwirtschaftsbühne sein imperiales Comeback feiert, hat die Schwachen zum Abschuß freigegeben“259. Sie war eine Zeitungsreporterin, „die die Kellerverliese der russischen und tschetschenischen Kriegsmaschinerie aufsuchte. [...] Anna Politkovskaja sammelte das, wofür sich außer ihr keiner mehr zu interessieren wagte, die Stimmen der Geschundenen, die ohne Idealisten wie sie im Nichtsein verschwinden. Die zarte Frau, die trotz Anschlägen und Morddrohungen keine Leibwache haben wollte, war Rußlands Stimme der menschlichen Anteilnahme. Ihr wirksamster Schutz, in den besorgte Bewunderer der Politkovskaja ihre Hoffnung setzten, lag in ihrer Schutzlosigkeit. Daß der unwirksam wurde, wirkt wie ein Dammbruch.“ Unter Journalisten und Menschenrechtlern herrschte Niedergeschlagenheit und Panik. Der Publizist Richard Lourie sah in Rußland nach der Demokratie die Zivilisation selbst sterben, deren Kennzeichen es sei, Individuen zu achten und informieren zu wollen. Der
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chotropen Präparat SP 117 hin, ein Psychopharmaka, das zur Willenlosigkeit führt und dann zum Blackout. Rybkin zog seine Kandidatur zurück und ging nach London. Das Ende der Affäre erlebte Politkovskaja nicht mehr: im Oktober 2006 wurde zuerst sie ermordet; am 23. November des gleichen Jahres starb Litvinenko an den Folgen einer Polonium-Vergiftung in einem Londoner Krankenhaus. Holm, K.: Die letzte Hoffnung wurde erschossen. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.10.2006, Nr. 42, S. 33.
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Publizist Valerij Panjuškin stellte seine Kolumne in der Zeitung „Kommersant“ ein. Denn die russische Politik bestehe nur noch aus kannibalischen Gruppenkämpfen, begründete Panjuškin seinen Entschluß. Der Menschenrechtler Oleg Orlov legte sein Amt als, wenn auch höchst nomineller, Berater von Präsident Putin nieder, nachdem das Staatsoberhaupt die Lebensleistung der Gemeuchelten firmendirektorhaft als für Rußland schädlich eingestuft hatte. Wenngleich ihr Tod dem nationalen Image noch mehr schade. Zwölf Journalisten sind während Putins Amtszeit in Russland ermordet worden, die meisten hatten Korruptionsfälle recherchiert. Doch während das Staatsoberhaupt die politische und Presselandschaft gleichschaltete, bekannte er sich gebetsmühlenartig zu Demokratie und Pressefreiheit. Nach dem Tod der Politkovskaja kaschierte Orlov seine Verachtung dafür nicht mehr. Anfang September 2004 hatte Politkovskaja auf einem Flug nach Beslan berichtet, Opfer eines Giftanschlags geworden zu sein, den sie aber überlebte. Ihre Redaktion mußte über eine vertrauenswürdige Firma ein eigenes Flugzeug chartern, um Politkovskaja, die wegen der Vergiftung nicht sitzen konnte, zur Behandlung von Rostov nach Moskau zu bringen. Der mit dem Vergiftungstod verbundene, quälend lange Sterbeprozess beschreibe zugleich den Zustand Rußlands, so die Journalistin, und beschrieb in ihren Aufzeichnungen die tagtäglichen Symptome des Verfalls, das schrittweise Ausfallen der demokratischen Staatsorgane: „Kann man heute von einer Krise der parlamentarischen Demokratie in Russland sprechen?“, fragt sie im Dezember 2003 und antwortet: „Nein. Unter Putin erlebt der russische Parlamentarismus sein Ende.“ Die Duma: reduziert „auf das dekorative Absegnen und Abstempeln der Putin‘schen Beschlüsse“. Das Volk: „willens, ohne Demokratie zu leben“. Die Live-Sendung, in der Zuschauer Fragen an Putin stellen, nennt Politkovskaja „eine moderne Variante des Rituals der ,Bittschriften an den Zaren’“; die Fragen seien ausgewählt, die Antworten vom Blatt abgelesen. Sie beschreibt, wie Putin, angesprochen auf den inhaftierten russischen Unternehmer Chodorkovskij, losbrüllt „wie ein Marktschreier oder Aufseher im Gefängnis“. Während sich 2004 der Strick um die freie Presse und Rechtsprechung immer enger zuzog, Politiker, Journalisten und Menschenrechtler verschwanden, bedroht wurden oder Asyl beantragten, während der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder Putin einen „lupenreinen Demokraten“ nannte, die Hamburger Universität dem russischen Präsidenten schon mit der Ehrendoktorwürde entgegeneilen wollte, blieb Politkovskaja unbeeindruckt, trotz des stets drohenden Endes. Ihre Ermordung, die in Russland Massenproteste auslöste, überschattete auch den sogenannten „Petersburger Dialog“260. Einen Aufruf, weiter für die Prinzipien von Pressefreiheit und für den Mut zu eigener Auffassung als Grundlagen einer freien Zivilgesellschaft einzutreten, hatte die Arbeitsgemeinschaft Medien des sechsten „Petersburger Dialogs“ verfaßt. In dem Schreiben an den Chefredakteur der Moskauer Zeitung „Novaja Gazeta“, Dmitrij Muratov, und seine Kollegen brachten die Teilnehmer ihre große Trauer und Bestürzung über den Mord an der russischen Journalistin zum Ausdruck. Der „Petersburger Dialog“ ist eine Einrichtung, die 2001 auf Initiative des damaligen deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder und des russischen Präsidenten Vladimir Putin ins Leben gerufen wurde, um dem zivilgesellschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Russland ein Forum zu geben. Sehr kontrovers beschäftigte sich auch die deutsche Arbeitsgruppe Medien, die sich 2007 das Thema „Zwischen Kulturkampf, Terrorismus und Pressefreiheit – Journalismus in unruhigen Zeiten“ gegeben hatte, mit dem Fall Politkovskaja. Viktor Lošak, Chefredakteur
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Witzler, R.: Uneins im Mordfall Politkowskaja. Überschattet den „Petersburger Dialog“: der Mord an Anna Politkowskaja. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.10.2006, Nr. 236, S. 40.
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der Zeitschrift „Ogonjok“, weitete den Rahmen der Fragestellung aus: Die russische Gesellschaft müsse sich die Frage stellen, warum der Wert eines Menschenlebens so gering geachtet werde, daß noch immer versucht würde, Probleme mit dem Mord des Opponenten zu lösen. Maksim Ševenko, Moderator des Fernsehsenders „Pervyj kanal“ („Erster Kanal“), sah hier ein entscheidendes Kriterium zur Beurteilung einer Gesellschaft: „In einer unzivilisierten Gesellschaft wird der Gegner aufgefressen.“ Ševenko kritisierte zugleich die Berichterstattung über den Mord und seine Hintergründe in den deutschen Medien harsch. Klischees und Stereotype bestimmten das Bild Rußlands. So sei in nahezu allen Medien, die über den Mord berichteten, immer wieder betont worden, Anna Politikovskaja, sei regierungskritisch gewesen. Ihre Ermordung stünde möglicherweise damit in Zusammenhang. Die Spur des Mörders führe in den Kreml. Dies sei aber allenfalls die halbe Wahrheit. Anna Politkovsjaka war vor allem eine kritische, absolut unbestechliche Journalistin, der das Politische relativ gleichgültig war. Sie habe sich ohne jeden Kompromiß für die Verteidigung der Menschenwürde eingesetzt, egal gegen welche politische Seite sie dabei vorgehen mußte. Die Einhelligkeit der Meinungen in den deutschen Medien erinnere ihn an die Propaganda der siebziger Jahre in der Sowjetunion. Der russische Botschafter Vladimir Kotenev beklagte ähnlich scharf die durchweg negative Berichterstattung über sein Land, insbesondere über die Politik und ihre Vertreter, und forderte mehr Raum für die Darstellung des bereits Geleisteten. Dem widersprach glücklicherweise der Leiter des Programmbereichs Kultur vom Nord-deutschen Rundfunk, Thomas Schreiber, vehement. Propaganda unterstelle die zentrale Lenkung der Meinung, wovon die Presse in Deutschland weit entfernt sei. Unterschiedliche Redaktionen und Redakteure gelangten in bestimmten Fällen eben zu gleichen Auffassungen. Zudem gehöre es zum Selbstverständnis des Journalismus in Deutschland, die Entwicklungen in der Gesellschaft kritisch zu begleiten. Das Verständnis dieses Phänomens als Propaganda sage sehr viel aus über die unterschiedlichen journalistischen Kulturen in Deutschland und Russland. Im wiedererstarkten Rußland, das ein immer dichteres Netz von Sicherheitsdiensten und Kontrollbeamten überwuchert, nahmen die spektakulären Mordtaten wieder zu, auch und nicht zuletzt an Medienleuten. In Moskau erdolchten Unbekannte den Manager der Nachrichtenagentur „Itar-Tass“, Anatolij Voronin. Der „Forbes“-Herausgeber Paul Klebnikov wurde umgebracht, genauso wie die Reporter Valerij Ivanov und Andrej Sidorov, die sich in der Wolgastadt Togliatti mit dem organisierten Verbrechen befasst hatten. Keiner der Fälle wurde aufgeklärt261. Nach Anna Politkovskajas Tod waren sich russische Kommentatoren auch in der Prognose einig, ihr Mörder würde nie gefunden werden. Ramzan Kadyrov, der tschetschenische Premier, den Politkovskaja als Verbrecher gebrandmarkt hatte und dem ihre Ermordung das Leben zweifellos erleichterte, beteuerte seine Unschuld mit dem Argument, er töte keine Frauen. Kenner der tschetschenischen Zustände berichten, daß der Krieg die Tabus zerstört. Anna Politkovskajas letzte, nicht fertig geschriebene Reportage, die ihre Zeitung „Novaja Gazeta“ als Fragment ins Netz stellte, enthielt Videobilder von Polizeiopfern, die zu Tode gequält werden. Von den Peinigern sind nur die Stimmen zu hören, die den Sterbenden Flüche und, wie nach Vergewaltigungen üblich, weibliche Schimpfnamen hinterherschicken. Diese Verrohung ging trotz aller Kontrolle offenbar nicht an der Öffentlichkeit vorbei. Das Vertrauen in den Präsidenten fiel Anfang 2007 in-
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Ebenso wie der Mord an den Journalisten Sergej Kalinovski in Smolensk, an Oleg Dolganzev in Petrosavodsk, Sergej Korabel’nikov in Tula, Vladimir Kirsanov in Kurgan usw.
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nerhalb eines Monats um vierzehn Prozent ab. Weniger als ein Drittel der Bevölkerung vertraue Putin, teilte die Stiftung „Öffentliche Meinung“ („Obšestvennoje mnenije“) mit. Die gleiche Studie ergab aber auch, daß das Staatsoberhaupt paradoxerweise mit 52 Prozent einen größeren Wählerzuspruch finden würde als noch vor vier Wochen. Eine fatale Rolle spielt gerade das Fernsehen in der moralischen Aufrüstung des russischen Publikums, in seiner panischen Angst vor Einkreisung, Unterwanderung, Verschwörung. Wöchentlich wurden Sendungen über die Verteidigung Moskaus im Herbst 1941 oder ein frisch produzierter russischer Spielfilm über Hitler gezeigt. Eine Serie über Stalin stellte dessen Verdienste in der Verteidigung des Vaterlandes heraus und ließ die Millionen Toten seiner Zwangskollektivierungen und politischen Verfolgungen so gut wie unerwähnt. Kein konstruktives Ziel, nur der Kampf gegen den äußeren und den inneren Feinde binde die russische Gesellschaft zusammen, stellte der Publizist Andrej Rjabov bitter fest. Die antigeorgische Kampagne inklusive Deportation und Schließung georgischer Betriebe kommentierte der Mann auf der Straße mit dem Hinweis, endlich ginge es den georgischen Mafiaclans an den Kragen. Die Kraftprobe mit dem abtrünnigen Kaukasusland war nicht zuletzt populär als stellvertretende Strafaktion gegen die Vereinigten Staaten. Das insinuierten nicht nur die Boulevard-Blätter, sondern auch die seriöse Presse bis hin zum staatlichen Fernsehen. In der Zeit von Dezember 2003 bis August 2005, die Anna Politkovskaja in ihrem „Russischen Tagebuch“ beschreibt, verendete die Pressefreiheit, verbreiteten sich Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit, verkamen die Wahlen wie unter sowjetischen Verhältnissen zur Farce, verelendeten die Armen, und paralysierte sich die Opposition. Und dennoch zogen es die Staatsmänner der Welt vor, Präsident Putin „zu küssen, statt ihn in die Schranken zu weisen“. Ein schiefes Licht fiel dabei auch auf die deutsche Medienlandschaft. Anna Politkovskaja und die „Novaja Gazeta“ wurden vielfach ausgezeichnet, aber das Fernsehen berichtete deshalb auch nicht mehr über Tschetschenien. Oder verzichtete Sabine Christiansen deshalb für Gari Kasparov auf den russischen Botschafter, fragte Monika Maron in ihrem Nachruf auf die Journalistin: „Hat sich die SPD bis heute von ihrem Genossen Gerhard Schröder distanziert, der Putin wider besseres Wissen und aus Gründen, die nicht anders als korrupt erscheinen können, einen lupenreinen Demokraten genannt hat? [...] Sind, wie damals beim Krieg im Irak, Tausende auf die Straße gegangen mit Transparenten: Kein Blut für Öl? Denn um Öl geht es auch diesmal. Die Ursachen für unsere Zurückhaltung mögen nicht zuletzt in der deutschen Vergangenheit liegen und in dem Schuldbewußtsein, das sie den Deutschen hinterlassen hat. Aber gerade unsere Vergangenheit sollte uns verpflichten, auf der Seite derer zu stehen, die für Presseund Meinungsfreiheit, für demokratische Wahlen und gegen die Willkür der Geheimdienste kämpfen, Rechte, die wir für unverzichtbar halten und für unteilbar, die also auch für Russland gelten. Allerdings habe ich den Eindruck, es gibt auch andere, weniger ehrenhafte Gründe für die Nachsicht der deutschen Öffentlichkeit gegenüber den russischen Verhältnissen.“
Man unterstelle, so Maron, dass das russische Volk nach Zarenherrschaft und kommunistischer Diktatur genausowenig demokratiefähig sei wie auch die Ostdeutschen nach fünfundvierzig Jahren SED-Diktatur. Umso mehr müsse man aber dessen Bemühungen unterstützen, sich autokratischer Tendenzen zu erwehren. Anna Politkovskaja wäre jemand gewesen, der dafür stand, für ein besseres Russland, und die die Unterstützung des Westens verdient hätte. Daß es Putin wagte, einige Tage nach ihrer Ermordung der deutschen Öffentlichkeit zu erklären, Anna Politkovskaja sei eine radikale, aber im eigenen Land eher unbedeutende Journalistin gewesen und ihr Tod schade Rußland mehr als ihre Artikel, wäre auch ein Vorwurf an die deutsche Öffentlichkeit gewesen.
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Im August 2007 galt der Fall Politkovskaja für die russische Staatsanwaltschaft als gelöst. Zehn Tatverdächtige saßen hinter Gittern, und der russische Generalstaatsanwalt Jurij ajka hob gegenüber Präsident Putin hervor, man hätte bei der Untersuchung des Verbrechens große Fortschritte gemacht, insofern als man nun wisse, daß die Person, die den Mord anordnete, im Ausland lebt. Jedem Leser, Zuschauer und Zuhörer war damit klar, daß hinter dem Mord nur der im Londoner Exil lebende Oligarch Boris Berezovskij stehn könne, der als Russlands Staatsfeind Nummer Eins galt. Ähnlich wie in den 1930er Jahren alles das was nicht funktionierte dem im Exil lebenden Lev Trockij in die Schuhe geschoben wurde, bis er schließlich 1940 von einem GPU-Agenten ermordet wurde. 2007 stellte der Generalstaatsanwalt in ähnlicher Manier fest, hinter dem Mord stünden jene, die das Land destabilisieren wollten und zurückwollten „zum alten System, in dem das Geld und die Oligarchen herrschten“. Der Europarat begrüßte die Aufklärungs-Forschritte, während die Hörer des russischen Radiosenders „Echo Moskvy“ die plötzliche Aufklärung des Mordfalls etwas merkwürdig fanden. In einer Blitzumfrage bezweifelten 83,5 Prozent der Anrufer die Version der Justiz, wonach die Hintermänner der Tat im Westen lebende ‚Staatsfeinde‘ wären. Zumindest gaben auch „Novaja-Gazeta“-Mitarbeiter an, die Art der Tatverdächtigen lege nahe, daß es der Staatsmacht nicht vollkommen gleichgültig sei, den Fall aufzuklären. Von den Festgenommen gehörten einige einer prominenten Verbrecher-organisation an, die auf Auftragsmorde spezialisiert sei. Die anderen seien frühere oder aktive Mitarbeiter der Ordnungskräfte und Geheimdienste, die auf Bestellung Razzien veranstalten oder Verbrechen vertuschen helfen. Außerdem wäre die Moskauer Gruppe von einem aus Tschetschenien stammenden Kriminellen angeführt worden, womit sich anzudeuten schien, daß das Mordkommando eine Gruppe von Verbrechern und Ordnungshütern war, über deren Verbindungen Anna Politkovskaja selbst oft berichtet hatte. Die Mörder waren ausgewiesene Profis. Anna Politkovskaja, die nach den Worten ihrer Kollegen ständig offen oder indirekt bedroht wurde, verhielt sich äußerst vorsichtig. Wann immer ihr Verfolger oder Merkwürdigkeiten auffielen, meldete sie sie der Redaktion. Doch während ihrer letzten sechs Lebenswochen war die Journalistin angreifbarer. Ihr Vater war gestorben, ihre Mutter lag im Krankenhaus, und ihre tägliche Route zwischen Wohnung und Klinik war leicht zu beschatten. Die Redakteure der „Novaja Gazeta“ waren davon überzeugt, daß der Mord an ihrer Kollegin die Auftraggeber viel Geld gekostet haben müsse. Hinter dem Verbrechen stecke wohl ein äußerst professionelles und weit gespanntes Netz, andernfalls sei nicht zu erklären, warum sich die Fahndung so lange hinzog. Es bleibe zu hoffen, schrieb die „Novaja Gazeta“, daß „keine übergeordnete Zweckmäßigkeit der Aufklärung einen Riegel“ vorschiebe, eine sehr vorsichtige Formulierung, die auch die Resignation darüber kaschieren konnte, daß der Mörder längst bekannt und die zeitraubende Fahndung nur Tarnung war. Die Zahl der inhaftierten Verdächtigen sank zusehends. Der Verdacht, daß sich die Politik in das Verfahren einmische, wurde nicht in der „Novaja-Gazeta“-Redaktion immer offener geäußert. Der Auftraggeber und der Mörder seien weiter in Freiheit, sagte der Sohn der getöteten Kreml-Kritikerin, Ilja Politkovskij.
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1.5
Die „Novaja Gazeta“ – die freie Stimme Russlands
In der russischen Presselandschaft machte sich die „Novaja Gazeta“ rasch einen Namen und Feinde, durch Artikel über Korruption, organisierte Kriminalität, deren Verbindung zu russischen Amtsträgern sowie durch ihr Engangement für die Menschenrechte und eine friedliche Lösung des Tschetschenienkonflikts. Ihre Kommentare und Analysen, vor allem aber die brisanten Enthüllungsgeschichten der „Novaja Gazeta“, machen die Regierungspolitiker und Oligarchen nervös. Die Texte sind anspruchsvoll und oft lang und sperrig, aber durchweg gut recherchiert, die Beweisführung wasserdicht. Die „Novaja“ berichtete zum Beispiel, daß Präsident Putin in seiner Zeit als stellvertretender Bürgermeister von Sankt Petersburg humanitäre Gelder veruntreute. Und sie belegte, daß 1999 der Inlandsgeheimdienst FSB mitten in Moskau zwei Wohnhäuser in die Luft sprengte und die Tat mit 216 Toten den tschetschenischen Rebellen in die Schuhe schob. Während der Präsidentschaftskampagne 2000, als praktisch alle russischen Medien Propaganda für Putin machten, war die „Novaja Gazeta“ die einzige große Zeitung, die skeptisch über den KGB-Oberst und Befürworter des neuen Tschetschenien-Krieges schrieb. Daher ist die Zeitung ständigem Druck von seiten der russischen Behörden ausgesetzt, auch mit regelmäßigen Klagen, die die Zeitung kurz vor den Bankrott brachten. Als der nach einem glimpflich ausgegangenen Mordanschlag später exilierte „Novaja“-Redakteur Solovkin in einem Artikel fragte, wie in Krasnodar ein Richter mit einem bescheidenen Gehalt teuerste Armbanduhren und Anzüge tragen könne, verklagte der Richter das Blatt und den Autor wegen Ehrabschneidung auf zehn Millionen Dollar. Eine Moskauer Richterin, bei der der Fall schließlich landete, gab der Klage ihres Amtskollegen statt, fand jedoch dessen Forderung etwas überzogen und senkte das Schmerzensgeld auf eine Million Dollar. Die Richterin sah von einer Strafe für Solovkin ab, doch die Zeitung stand vor dem finanziellen Ruin. Nur die Proteste russischer Journalisten und das Eingreifen einiger wichtiger Politiker retteten die Zeitung vor dem Aus, auch wenn das Urteil offiziell nicht aufgehoben wurde. Solovkin nannte das Urteil beispiellos in der Zeitungsgeschichte des postkommunistischen Russland, denn eine Million Dollar entspräche nicht einmal der Gesamtsumme aller Schmerzensgelder, die russische Journalisten bisher bezahlt hätten. Es gehe nicht um die Ehre einer Person, sondern um die Abrechnung mit einem unbequemen Blatt, kaschiert durch angeblich rechtsstaatliche Mittel. Neben diesen Mitteln griffen die russischen Finanzbehörden oder auch die Brandschutzbehörden immer wieder zur Ausflucht angeblich ‚dringender Kontrollen‘, bei denen die ganze Redaktion auf den Kopf gestellt wird. Oder es werden tatsächliche oder potenzielle Anzeigenkunden unter Druck gesetzt. Einem internationalen Konzern wäre bedeutet worden, besser auf Anzeigen in der kritischen Zeitung zu verzichten. Der Konzern zahlte daraufhin die für den Anzeigenauftrag vereinbarte Summe, bestand aber darauf, daß die Annonce nicht in der Zeitung veröffentlicht wird. Bis 1999 erschien die „Novaja Gazeta“ in der Russischen Föderation in einer Auflage von 400.000 Exemplaren. Seither ist die Auflage im eigenen Land gesunken, insgesamt aber auf 600.000 Exemplare (ohne Internet-Ausgabe) gestiegen: 171.000 Exemplare in der Russischen Föderation, 429.000 Exemplare (Regionalausgaben) in mehreren russischen Städten sowie in Kasachstan und Israel. Dazu kommen seit Oktober 2005 etliche Exemplare als Beilage der russischsprachigen Zeitung „Luganane“ in der Ukraine, und 54.000 Exemplare seit September 2005 der Monatsausgabe der „Novaja Gazeta“ in Farbe. Die „Novaja Gazeta“-Webseite hat seit 1996 durchschnittlich 70.000 Leser täglich. Zum Vergleich: Regierungstreue Blätter wie die „Izvestija“ verkaufen landesweit fünf Millionen
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Exemplare, die „Komsomol’skaja Pravda“ sogar zwanzig Millionen. Die „Novaja Gazeta“ wird aber fast ausschließlich in Moskau und den umliegenden Regionen Zentralrusslands verkauft. Zum einen scheitert der landesweite Vertrieb an den Kosten, bedingt durch Entfernungen von bis zu 10.000 Kilometern, vor allem aber an mangelnder Nachfrage, die wiederum auch mit den Schikanen der Behörden zusammenhängt. Die Aktien der „Novaja Gazeta“ sind seit deren Gründung im Besitz der Redakteure, um die Unabhängigkeit zu sichern. Im Juni 2006 kauften der ehemalige Präsident der UdSSR und Friedensnobelpreisträger Gorbaev sowie der ehemalige KGB-Spion, Kreml-Bankier und heutige Milliardär und Duma-Abgeordnete Lebedev der Partei „Einiges Rußland“ für zwei Millionen Dollar 49 Prozent der Anteile an der „Novaja Gazeta“, um deren Bestehen finanziell zu sichern262. Sie versprachen, sich nicht in die Redaktionspolitik einzumischen. Ein „Kontrollpaket“ mit den restlichen 51 Prozent befindet sich weiterhin in den Händen des Redaktionskollektivs. Der ehemalige Präsident der Sowjetunion finanzierte dem Blatt schon 1993 aus dem Geld seines Friedensnobelpreises die ersten acht Computer. Von Raissa Gorbaeva erhielten die Redakteure ihre ersten Mobiltelefone. Mit dem Geld der neuen Eigentümer konnte die „Novaja Gazeta“ ab sofort nicht nur zweimal, sondern dreimal pro Woche erscheinen, und darüberhinaus ein farbiges Monatsmagazin herausgeben. Im Sommer 2007 gelang es außerdem, eine Europa-Ausgabe der „Novaja“ auf den Markt zu bringen263. Als die Zeitung im Mai 2007 für ihre Verdienste um die Pressefreiheit mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet wurde, erklärte der „Stern“-Chefredakteur Andreas Petzold, wenn es jemanden gäbe, „der in dieser Zeit einen ganz besonderen Einsatz für die Freiheit und Unabhängigkeit der journalistischen Berichterstattung leistet, dann sind das Dimitrij Muratov und sein Redaktions-Team“. Im Oktober 2006 hatte sich die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice zu einem ausführlichen Gespräch mit dem Chefredakteur der „Novaja Gazeta“ getroffen264, wobei Rice die „Novaja“ eine hervorragende Publikation und eine gute, unabhängige Stimme Russlands nannte. Frau Politkovskaja hätte für das gestanden, was gut im unabhängigen Journalismus sei, eine Bereitschaft, der Wahrheit nahezukommen, zu welchem Preis
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2003 wurde Lebedev für die linksnationale Partei „Heimat“ in die Duma gewählt, wechselte dann aber zur kremleigenen Partei „Einiges Russland“, die er häufig für ihren Putin-freundlichen Kurs kritisierte. Lebedev hält 39 Prozent der Zeitungs-Aktien, Gorbaev mit dem Kapital seiner Stiftung zehn Prozent. Im August 2007 übernahm das deutsche Vertriebsunternehmen Saarbach Druck und Vertrieb der EuropaAusgabe der „Novaja Gazeta“. Als die Zeitung am 7. August 2007 erstmals in Deutschland und Europa mit einer Startauflage von 10.000 Exemplaren in den Handel gelangte, war ihr ein Grußwort Michail Gorbaevs, Vorsitzender des „Internationalen Fonds für sozial-ökonomische und politologische Forschung“ (GorbaevFoundation), der die Zeitung seit ihrer Gründung 1993 unterstützte, beigefügt: „Vor Ihnen liegt die erste Ausgabe der Zeitung, die seit bereits 15 Jahren Respekt und Anerkennung von hunderttausenden russischen Lesern von Kaliningrad bis Vladivostok genießt. Ich bin zuversichtlich, daß die Novaja Gazeta auch in Deutschland die Erwartungen des Lesepublikums nicht enttäuschen wird, das den Wert des wahren und engagierten Wortes zu schätzen weiß. Als Gewähr für meine Zuversicht dient vor allem das hochprofessionelle, einträchtige und leidenschaftliche Team der Zeitung, die ihren guten Ruf direkt mit den besten Traditionen des russischen Journalismus verbindet. Ich spreche als langjähriger Freund der Novaja Gazeta. Der „Durchbruch“ nach Europa ist das wichtigste Ereignis nicht nur für deren Journalisten. Indem wir den Informationsraum ausdehnen und das der Zensur nicht unterlegene, freie Wort wahren, zerstören wir – sowohl russische Bürger als auch Europäer – die Stereotypen der Vergangenheit: Mißtrauen, Feindseligkeit, gegenseitige Kränkungen. Ich bin überzeugt, daß die in Deutschland erscheinende Novaja Gazeta mit aller Kraft die gute Nachbarschaft und die Verständigung zwischen unseren Völkern fördern wird. Das ist in unserer nicht ganz einfachen Zeit, in der die Politiker führender Nationen häufig einander einfach nicht hören, besonders wichtig.“ Interview with Novaya Gazeta’s Editor-in-Chief Dmitriy Muratov, Deputy Editor Andrey Lipskiy, Ilya Politkovskiy, and Reporter Zoya Yaroshok (21. Okt. 2006) [http://www.state.gov/secretary/rm/2006/74924.htm].
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auch immer. Ohne eine freie, unabhängige Presse, die die Regierung kontrolliert, sei eine freie, sich entwickelnde Gesellschaft nicht denkbar. Dieser Kampf, so nötig er auch sei, meinte Dmitrij Muratov, werde jedoch immer schwieriger. Anna werde wohl nicht das letzte Opfer für die Pressefreiheit in Russland sein. Und er fügte eine Frage an: „Ist der Preis, den wir dafür bezahlen, daß wir uns um unsere beruflichen Pflichten als Journalisten kümmern, nicht zu hoch?“ Die amerikanische Außenministerin betonte einen wichtigen Unterschied zwischen ihrem Land und Russland: in den Vereinigten Staaten sei es der Regierung unmöglich, die „New York Times“ zu zwingen, irgendetwas nicht zu drucken. Nur die „New York Times“ könne entscheiden, ob eine Nachricht möglicher-weise das Leben amerikanischer Soldaten gefährden könnte und diese nicht zu drucken.
1.6
Mediale Uniformität im 21. Jahrhundert
Fast zwei Jahrzehnte nach der Wende vom August 1991 wird Russland vielfach als Demokratie ohne Demokraten, mit einem politisch auf die herrschende Klasse zugeschnittenen, uniformen Mediensystem beschrieben. Das Fernsehen lüge, die Zeitungen sind auf Kurs gebracht, weshalb sich Journalisten, die von der Demontage der Pressefreiheit betroffen sind, in den schwarzen Humor flüchten: „Tausche zwei Fernseher gegen einen guten Kurzwellenempfänger“. Man sei in Russland fast schon wieder so weit, dass die Menschen auf Informationen westlicher Sender angewiesen sind, wenn sie erfahren wollen, was in ihrem eigenen Land geschieht. Als sechzig schwerbewaffnete Männer in schwarzen Gesichtsmasken in der Nacht zum Ostersamstag 2001 die Moskauer Redaktionsräume des letzten unabhängigen Fernsehsenders „NTV“ stürmten, waren die letzten Illusionen über eine russische Zivilgesellschaft, ganz zu schweigen von den Träumen eines ‚Moskauer Frühlings‘ gestorben. Der liberale Oppositionspolitiker Grigorij Javlinskij wies darauf hin, dass Russland mit Putin einen Präsidenten bekommen hätte, der im Grunde seines Herzens ein Sowjetmensch geblieben sei – ebenso wie die russische Gesellschaft, die zu zwei Dritteln noch immer sowjetisch geprägt sei. Mit Boris El’cin wäre sogar ein Mitglied des alten Politbüros an die Spitze des Staates gelangt. Alle Regierungschefs der letzten zehn Jahre waren entweder Mitglieder des Zentralkomitees der KPdSU oder hohe Funktionäre des Geheimdienstes KGB. Als diese Leute, so Javlinksij, mit den neuen Problemen konfrontiert wurden, entschieden sie genauso wie früher. Daher zwei Kriege, eine Hyperinflation, zwei Währungsabwertungen und innere Unruhen 1993. Das Unglück, das Russland heimgesucht hat, komme nicht von der NATO, nicht von den Amerikanern oder ‚den Juden’. Es rühre von der eigenen politischen Elite her. Auch der Medienmagnat Boris Berezovskij zweifelte keinen Augenblick daran, dass es die alten KGB-Seilschaften noch gibt. Sie hätten sich vor allem in der Kreml-Administration, den Nachfolgeorganisationen des KGB sowie in der Moskauer Generalstaatsanwaltschaft eingenistet und spielten sich gegenseitig die Bälle zu. Die Massenmedien seien das einzige „reale Bollwerk“ gegen eine denkbare Wiederkehr der alten Zustände. Der wegen der russischen Greuel in Tschetschenien zurückgetretene Menschenrechtsbeauftragte El’cins, Sergej Kovaljov, sagte im Gespräch mit der Tageszeitung „Die Welt“, der KGB sei wieder an der Macht und lasse nun auch die unabhängigen Medien in Reih und Glied antreten. Noch gibt es in Rußland keine offene Zensur. Aber die Massenmedien Rundfunk und Fernsehen unterstehen, bis auf unbedeutende Ausnahmen, der direkten Aufsicht der Präsidenten-Administration. Ein eigens dafür geschaffenes Pres-
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seministerium registriert alle Zeitungen, vergibt Sendelizenzen und teilt Frequenzen zu. Die Regierung kontrolliert alle drei landesweit zu empfangenden Fernsehsender, 90 von 150 Lokalstationen und 92 Radiosender, aber nur jedes fünfte Presseorgan. Eine von Putin entwickelte „Doktrin der Informationssicherheit“ wird von den russischen Journalisten einhellig als Rückkehr zur Informationsdiktatur sowjetischen Zuschnitts bewertet. Sie soll dafür sorgen, dass die nationale Sicherheit stets Vorrang vor der Pressefreiheit hat und die Medien „keine unwahren Informationen“ verbreiten. Was im Grund nur heißt, dass sie nur die Regierungsmeinung wiedergeben sollen. Zu diesem Zweck werden sie von Vertrauensleuten des KGB-Nachfolgers FSB gezielt unterwandert und die Schlüsselpositionen mit ‚zuverlässigen Journalisten’ besetzt. Immer weniger hören und sehen die Menschen in Russland von der schrecklichen Stalinzeit mit ihrem Schattenreich des ‚Archipel Gulag’, den Konzentrationslagern und Gefängnissen, in denen nach dem Zeugnis von Alexander Solšenicyn 40 bis 50 Millionen Menschen verschwanden, verhungert waren oder umgebracht wurden. Dafür dominieren heute auf russischen Bildschirmen wieder ‚ehrliche und grundsatztreue Sowjetmenschen’, tapfere und unbestechliche Tschekisten (nach „Tscheka“, der Geheimpolizei Lenins), fröhliche Werktätige und glückliche Kühe. Die Fernsehzuschauer werden überschwemmt mit einer Welle alter Sowjetfilme, die die vielfach trostlose Gegenwart in das helle Licht einer nostalgisch verklärten Vergangenheit tauchen. So mutiert unter der Hand der sich einst weltrevolutionär gebende Kommunismus zum nationalen Sozialismus, „kriecht der Faschismus“, wie die Moskauer „Literaturnaja gazeta“ („Literaturzeitung“) titelte, „in unsere Seelen“. Einer der wenigen Lichtblicke in diesem düsteren Medienszenario ist die freie Presse, eine der schönen Folgen der Perestrojka. Es sind die Journalisten, die, oft unter Gefahr für Leib und Leben, die kriminellen Machenschaften, die finanziellen Mauscheleien in den Ämtern und Behörden, die Korruption und die Intrigen an der Kremlspitze aufdecken und anprangern. An den Problemen ändert das jedoch so gut wie nichts, weil die Massenmedien Rundfunk und Fernsehen fest in der Hand der Regierung sind, die ihr Informationsmonopol wie ehedem ausnutzt, um unliebsame Regimekritiker mundtot zu machen. Mit der „feindlichen Übernahme“ des Fernsehsenders NTV, dem Flaggschiff der russischen Mediendemokratie, hat Putin das letzte Bollwerk der Pressefreiheit in Rußland geschleift. Mit Vladimir Gusinskij stand ein führender Vertreter der jüdischen Gemeinschaft in Rußland an der Spitze des einflussreichen Medienkonzerns „Media Most“. Er äußerte mehrfach den Verdacht, dass unter Putin in Russland eine neue Staatsideologie um sich greife, die die Abkehr vom Westen propagiert. Die Grundlage dafür sei der Antisemitismus. Zwei Tage vor dem über die Zukunft Putins entscheidenden Wahlgang am 26. März 2000 strahlte das Zentrale Russische Fernsehen „ORT“ zur besten Sendezeit ein Programm aus, in dem Grigorij Javlinskij, der einzige offen prowestliche Präsidentschafts-kandidat, als „homophiler Judenknecht“ hingestellt wurde, der sich seinen Wahlkampf von der Friedrich-Ebert- und der Friedrich-Naumann-Stiftung finanzieren lasse. Kaum war der Gouverneur von Kursk, einer Hochburg der russischen Faschisten, gewählt, als er vollmundig verkündete: „Jetzt beginnt in Rußland die Befreiung von diesem Übel!“ Welcher Methoden sich dabei die neu-alten Kreml-Machthaber bedienen, hat Boris Nemcov, unter El’cin Vizeregierungschef und einer der Hoffnungsträger der russischen Demokraten, in einem Zeitungsinterview beschrieben: Die Kreml-Machthaber seien überzeugt, dass alle Journalisten käuflich sind und dann handzahm werden. Bei wem diese Masche nicht ziehe, der werde vorübergehend vom Bildschirm entfernt. Wenn auch das nicht hülfe, werde er beruflich fertiggemacht.
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Bislang prominentestes Opfer dieser klassischen KGB-Taktik war der Starmoderator des Fernsehsenders „ORT“, Sergej Dorenko. Zunächst hatte Putin ihn mit der Aufforderung zu ködern versucht, in sein Team zu wechseln. „Mein Team“, soll Dorenko geantwortet haben, „sind meine Zuschauer“. Dass es Dorenko ernst war, bewies er wenige Wochen nach diesem Anwerbungsversuch. In seinem Programm strahlte er eine Videoaufzeichnung von einem Treffen Putins mit Angehörigen des in der Barentssee gesunkenen Atom-U-Boots „Kursk“ aus. Das Treffen selbst fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Doch ein Teilnehmer hatte ein Tonband eingeschmuggelt und die Rede Putins heimlich mitgeschnitten. Und so hörten Millionen Fernsehzuschauer, wie Putin in bester KGB-Manier jegliche Verantwortung für das Unglück abstritt und das Fernsehen, den Überbringer der Unglücksbotschaft, der Lüge bezichtigte. Originalton Putin: „Das Fernsehen? Es lügt, lügt, lügt. Im Fernsehen gibt es Leute, die lauter als andere schreien und die in den letzten zehn Jahren Armee und Flotte ruiniert haben. Sie haben das Geld gestohlen und nun kaufen sie alle und alles!“ In Wahrheit sei die „Kursk“ wahrscheinlich mit einem ausländischen U-Boot zusammengestoßen oder auf eine Mine aus dem Zweiten Weltkrieg gelaufen. Als kurz nach diesem unfreiwilligen Fernsehauftritt Putins im Moskauer Fernsehzentrum von Ostankino ein verheerendes Feuer ausbrach, meldete sich sogleich Volkes Stimme: „Warum hat es im Moskauer Fernsehturm gebrannt? Antwort: Er ist mit einem ausländischen Fernsehturm zusammengestoßen!“ Für Dorenko waren die Folgen weniger erheiternd. Schon am Tag nach der Sendung; verschwand er vom Bildschirm. Er gab nicht auf und betätigte sich weiter in der Führungsebene des Senders. Schließlich wurde der passionierte Motorradsportler Dorenko nach einer offensichtlich inszenierten Verkehrskontrolle von einem Polizisten krankenhausreif geschlagen. Zugleich nahm sich Putin reichlich Zeit für Gespräche mit Journalisten. Er lud sie zu sich in den Kreml ein, erkundigte sich fürsorglich nach ihren beruflichen Plänen und nach der Familie. Nur wenige konnten danach dem Präsidenten widerstehen. Im ersten Tschetschenienkrieg hatten die unabhängigen Massenmedien ein realistisches Kriegsbild gezeichnet. Es hat entscheidend dazu beigetragen, dass der Kreml in einen Friedensschluß einwilligen mußte. Für die Armee war das eine schwere und demütigende Niederlage, die sie den Massenmedien und den in ihnen tätigen Journalisten nie vergessen und nie verziehen hat. Mit dem zweiten Tschetschenienkrieg kam Putin an die Macht, und mit ihm die Militärzensur. Der landesweit zu empfangende Fernsehsender „ORT“ zeigte nun nur noch ‚saubere’ Bilder: feuernde Geschütze, die ihre tödlichen Salven ins Unsichtbare abschossen. Es gab keine Toten, außer tote ‚Banditen’, keine Flüchtlingstrecks, in die russische Granaten einschlugen, keine Kollateralschäden. Ein ‚sauberer Krieg’ in einem von allen abweichenden Meinungen gesäuberten Staatsfernsehen. Nur eine Ausnahme gab es: den von Gusinskij finanzierten und kontrollierten Privatsender „NTV“. Er dokumentierte als einziger die russische Feuerwalze, die über die unglücklichen Tschetschenen hinwegrollte, die endlosen Flüchtlingsströme, das Elend der Frauen und der Kinder, das menschenverachtende Treiben einer Soldateska, die ihre Opfer in ‚Filtrierlager’ verschleppte, aus denen sie ihre Angehörigen gegen hohe Lösegeldsummen freikaufen mussten. Im Präsidentenwahlkampf 2000 soll Putin dem Chef des halbstaatlichen Energiekonzerns „Gazprom“, der die Aktienmehrheit an dem Sender hält, gedroht haben, um die Position von „NTV“ zum Thema Tschetschenien zu ändern265. Es folgten Razzien der
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Im Juni 2000 wurde der ehemalige Privatisierungsminister Alfred Koch zum Chef der „Gazprom“-MediaHolding bestellt und mit der Abwicklung des unbotmäßigen Senders betraut. Nach Korruptionsvorwürfen hat-
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Steuerpolizei, Durchsuchungen und Verhöre. Kredite wurden gekündigt, Gusinskij selbst verhaftet, dann wieder freigelassen, nachdem man ihm eine Unterwerfungserklärung abgepresst hatte. Er flüchtete nach Spanien, wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht, von der spanischen Justiz aber nicht ausgeliefert und lebt heute in Israel. Noch gibt es in Russland unabhängige Printmedien, deren Einfluss aber mit geringen Auflagen kaum über die Stadtgrenzen Moskaus hinausreicht. Die disziplinierende Wirkung von Putins Medienoffensive zeigt sich rasch daran, dass Journalisten untertauchten oder auf Putins Seite überliefen. Chefredakteure wurden über Nacht ausgewechselt, regierungskritische Zeitungen eingestellt. In den Redaktionen häuften sich die Besuche von Behördenvertretern, die sich nach der Gültigkeit der Sendelizenzen erkundigen. Ein von der Duma verabschiedetes Gesetz verbietet ausländische Beteilig-ungen an russischen Medienunternehmen. Gefährdet ist auch die Wiederaus-strahlung von Programmen ausländischer Sender wie der „BBC“ und der „Deutschen Welle“ über russische Relaisstationen. Interessanterweise führte der sogenannte ‚Karikaturen-Streit’, den der dänische „Aftenposten“ 2006 mit der Veröffentlichung von angeblich anstößigen Mohammed-Karikaturen ausgelöst hatte, auch in Rußland und vor allem in der russischen Provinz zu Unruhe und nahm beinahe absurde Züge an266. Gleich zwei Zeitungen waren Ende Februar 2006 unter dem Vorwand geschlossen worden, sie hätten religiöse Gefühle verletzt. In der nordrussischen Stadt Vologda zog der Herausgeber Michail Smirnov selbst die Notbremse. In seiner Zeitung „Naš Region“ („Unsere Region“), das einzige private Printmedium der Region, waren einige der umstrittenen Mohammed-Karikaturen veröffentlicht worden, um Meinungsäußerungen zum Karikaturenstreit zu illustrieren. Regionalpolitiker und Vertreter religiöser Gruppen griffen daraufhin die Redaktion an. Chefredakteurin Anna Smirnova wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeladen, der Gouverneur beschimpfte die verantwortlichen Journalisten als „unethisch“. Smirnov, dem die regionale Medien-Holding „Severinform“ gehört, stellte das Blatt ein, um weiteren Schaden von seinem Unternehmen abzuwenden. Eine gerichtliche Entscheidung wartete er erst gar nicht ab. Einen Gerichtsentscheid gab es auch im Falle der „Gorodskije Vesti“ in Volgograd nicht. Der von der Stadtverwaltung herausgegebenen Zeitung wurde gestern einfach die Registrierung entzogen, was einem Erscheinungsverbot gleichkam. Die Zeitung hatte eine Karikatur veröffentlicht, auf der Jesus, Moses, Buddha und Mohammed dargestellt sind, die zum Frieden aufrufen. Zuvor hatte Vizebürgermeister Andrej Doronin angekündigt, die Verantwortlichen für die Karikatur, die im Übrigen unter allen religiösen Gruppen Zustimmung gefunden hatte, würden entlassen, die übrigen Journalisten würden in einer neuen Zeitung arbeiten. Die beiden Fälle haben das Duma-Komitee für Informationspolitik in Moskau aufhorchen lassen. Komiteevorsitzender Valerij Komisarov kündigte eine Untersuchung an. Er wolle wissen, ob die Karikaturen tatsächlich der Grund für die Zeitungsschließungen war. Politisches oder kommerzielles Interesse könnte natürlich auch eine Rolle gespielt haben. Zudem vertrat Komisarov die in Rußland nicht eben häufig vorkommende Meinung, daß neben den religiösen Gefühlen auch die Medienfreiheit ein schützenswertes Gut ist.
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te er 1997 sein Ministeramt aufgegeben und war vorübergehend in die Vereinigten Staaten gegangen, wo der Russlanddeutsche Koch in offenen Interviews seine ganze Verachtung für seine russische Wahlheimat ausdrückte: „Das angeblich schwergeprüfte russische Volk leidet durch eigene Schuld. Niemand hat Rußland besetzt, unterjocht oder bestraft. Die Russen haben sich selbst gegenseitig denunziert, in die Gefängnisse geworfen und umgebracht. Daher erntet dieses Volk verdientermaßen, was es sich selbst eingebrockt hat!“ Quring, M.: „Karikaturen-Streit: Zeitungsschließungen in Rußland rufen die Duma auf den Plan“. In: Die Welt, 21. Februar 2006.
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Dass diese Meinung auch im Kreml noch Anhänger habe, darauf schienen Regionaljournalisten zu vertrauen. Die Situation in der Region Saratov gebe Anlaß, „von der Bildung eines staatlichen Strafsystems zu sprechen, das dem Zweck diene, jegliche kritische Äußerung über die Partei ‚Jedinaja Rossija’ und einzelnen ihrer Vertreter aus dem Umkreis des Vizesprechers der Staatsduma Vjaeslav Volodin zu ersticken“, so der Wortlaut des Briefs an den russischen Präsidenten Putin. Die Journalisten wollten den verstärkten Mißbrauch der Rechts- und Gerichtsbehörden der Region im Sinne von Parteimitgliedern von „Einiges Russland“ („Jedinaja Rossija“) festgestellt haben. Als Beispiel führten die Journalisten in ihrem offenen Brief einen Vorfall an, bei dem der Vizesprecher der Staatsduma Volodin eine junge Frau mit einer Harpune verletzt hatte. Die Zeitung „Saratovskij rasklad“ hatte den Bericht über den Vorfall „Die Harpune der Partei“ betitelt. „Die Reaktion auf die Veröffentlichung kam mit nie gesehener Geschwindigkeit“, hieß es in dem Brief der Journalisten. Bereits am Tag der Veröffentlichung hatte die Staatsanwaltschaft des Gebiets ein Verfahren wegen Verleumdung angestrengt. Innerhalb von nur einer Sitzung entschied das Gericht im Sinne der Partei „Jedinaja Rossija“. Laut dem Chefredakteur der Wochenzeitung „Saratover Gouvernements-Nachrichten“ entspreche die enorme Arbeitsgeschwindigkeit in dem benannten Fall so gar nicht dem üblichen Arbeitstempo der Gerichtsbeamten. Die Verhandlungen der russlandweit bekannten Korruptionsfälle mit Beteiligung von Abgeordneten der Partei „Jedinaja Rossija“ zögen sich sonst über Monate hin. Als zweites Beispiel führten die Autoren des offenen Briefs eine Veröffentlichung in der Zeitung „Saratovskij reporter“ an. In einer Fotokollage hatten die Redakteure den russischen Präsidenten Putin, der die Partei „Jedinaja Rossija“ unterstützt, in eine SS-Uniform gesteckt. Das Bild des SS-Mannes stammte aus der legendären sowjetischen TV-Serie über den Spion Stirlitz. Fernseh-Held Stirlitz sammelte im feindlichen Nazi-Deutschland für die gute Sache der Sowjetunion Informationen. Die Redakteure hatten in ironischer Weise auf Putins Vergangenheit als Mitarbeiter des Geheimdiensts KGB in Ostdeutschland anspielen wollen. Im Oktober 2006 entschied ein Gericht der Region über den Entzug der Lizenz des „Saratovskij reporter“. Die harsche Reaktion des Gerichts ist in Russland deshalb wenig verständlich, weil Stirlitz längst einen festen Platz in der russischen Witz-Kultur eingenommen hat. Es gibt tausende von Stirlitz-Witzen. Die Journalisten schrieben in ihrem Brief, sie hätten keinen Zweifel, dass alle diese Vorfälle zu einer breit angelegten Kampagne gehörten, die auf Betreiben der Staatspartei „Jedinaja Rossija“ der Säuberung der InformationsLandschaft im Gebiet Saratov dienen soll, und das mit Unterstützung der Rechts- und Gerichtsorgane. Deshalb wären die Journalisten auch gezwungen, sich an den Präsidenten zu wenden, mit der Bitte, sich einzumischen. Man wollte verhindern, dass die Medien im Gebiet schließlich einer Partei das Informationsmonopol einräumten. Der Abgeordnete der Saratover Stadtduma und Leiter des Regionalstabs von „Molodaja Gvardija Jedinoj Rossii“, einer Jugendorganisation der Partei „Jedinaja Rossija“, Sergej Nesterov hielt den Brief der Journalisten für politische Propaganda gegen „Jedinaja Rossija“. Im Wahlkampf gebe es bei der Auseinandersetzung zwischen den konkurrierenden Kräften keine unabhängigen Journalisten, meinte Nesterov. Die Unterzeichner des offenen Briefs hätten nicht einen Vorwurf gegen Parteimitglieder von „Jedinaja Rossija“, der in einer der Saratover Zeitung veröffentlicht wurde, mit Fakten untermauern können. Nach dem Abgang Vladimir Putins im Mai 2008 sollten die Wahlen eine neue Ära in der Geschichte Russlands einläuten. Der Kreml hatte sich auf das Ereignis gut vorbereitet. Schritt für Schritt wurde der Einfluss auf die Medien verstärkt. Der größte Teil von ihnen wird inzwischen entweder direkt oder indirekt kontrolliert. Wer sich nicht in das System fügen will, muss mit unangenehmen Konsequenzen rechnen. Ein Beispiel dafür ist Manana
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Aslamasjan. Die geborene Armenierin ist Journalistin. In Russland galt sie als eine der besten. Jahrelang leitete sie die Nicht-Regierungsorganisation „Internews“, eine Ausbildungsstätte für regionale und lokale Fernsehjournalisten und TV-Manager. Aslamasjans Schwierigkeiten begannen, als sie Anfang 2008 vergass, bei der Einreise nach Russland anzugeben, dass sie 9.550 Euro bei sich hatte. Das ist eine Ordnungswidrigkeit, denn alle Summen über 10.000 USD (etwa 7.430 Euro) müssen deklariert werden. Statt der Journalistin die übliche Geldstrafe aufzuerlegen, eröffneten die russischen Behörden ein Strafverfahren wegen Devisenschmuggels. Die Aktion war politisch motiviert, um Aslamasjan und ihre Stiftung mundtot zu machen. Tatsächlich war „Internews“ nach mehreren Razzien und Beschlagnahmungen von Computern und Akten geschlossen worden, während Aslamasjan vor der Behördenwillkür ins Ausland flüchtete. Angesichts des russischen Rechtssystems glaubte sie nicht an einen fairen Prozess. Der Fall Aslamasjan war ein weiteres Beispiel für die steigende Bedrohung der Pressefreiheit in Russland. Zwar hat die Gefahr für Leib und Leben der Journalisten im Vergleich zu den 1990er Jahren nachgelassen, als vor allem im Tschetschenienkrieg auch immer wieder Korrespondenten ums Leben kamen. Doch die Ermordung von Anna Politkovskaja im Oktober 2006 und der mysteriöse Fenstersturz des Militärfachredakteurs Iwan Safronov im März 2007 verdeutlichen, dass Journalismus in Russland auch heutzutage mitunter lebensgefährlich sein kann. Wegen dieser Bedrohung erhielten die im Nordkaukasus tätigen Korrespondenten Jurij Bagrov und Fatima Tlisova als erste russische Journalisten im 21. Jahrhundert politisches Asyl in den USA. Die Hoffnung, dass sich unter dem neuen russischen Präsidenten Vladimir Medvedjev an den unter Putin eingeführten Mißständen etwas ändern würde, haben ich bis dato nicht erfüllt.
1.7
„Russia Today“ und andere Inseln der Pressefreiheit
Zur Aufbesserung des Russland-Images im Ausland baute der Kreml mit Hilfe der staatlichen Nachrichtenagentur „RIA Novosti“ den Sender „Russia Today“ auf, der den Nachrichtensendern „CNN“ und „BBC“ Konkurrenz machen und „den russischen Blick auf Ereignisse in Russland und anderswo“ wiedergeben soll. Der Kanal ging im Dezember 2005 in englischer Sprache auf Sendung; eine arabischsprachige Redaktion wurde aufgebaut, die Ausstrahlung eines spanischen Programms vorbereitet. Es gab sogar Pläne, „Russia Today“ auch in deutscher Sprache anzubieten. In all diese Projekte wird viel Geld investiert. Allein 2007 flossen offiziell 67,8 Milliarden Rubel (1,9 Milliarden Euro) aus dem Haushalt in die Unterstützung der Medien. Für das nächste wahlentscheidende Jahr genehmigten die Duma-Abgeordneten sogar 82,7 Milliarden Rubel (2,4 Milliarden Euro) aus dem russischen Etat. Eigentlich waren die staatlichen Gelder einmal dafür gedacht, den vielen regionalen und lokalen Zeitungen, die infolge der russischen Wirtschaftskrise in den 1990er Jahren unrentabel geworden waren, das Überleben zu sichern. Doch das Geld kommt fast nur den staatlichen Medien zugute. Mit solchen Maßnahmen werde der Wettbewerb ausgehebelt, kritisierte die Opposition. Dies trifft umso mehr zu als Gouverneure und Bürgermeister nach dem Vorbild des Kremls danach streben, in ihrer Region das Meinungsmonopol zu erlangen. Dazu werden Sender und Zeitungen entweder übernommen oder in finanzielle Abhängigkeit gebracht. Am schlimmsten ist die Lage in der russischen Teilrepublik Baškortostan. Präsident Murtasa Rachimov unterdrückte seit mehr als einem Jahrzehnt die kritische Presse in seiner Republik. Der Generalsekretär des russischen Journalistenverbandes, Igor Jakovenko, hat Baschkirien daher schon einmal als „schwarzes
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Loch“ für die Pressefreiheit bezeichnet. Aber auch in anderen, einst als liberal geltenden Regionen Russlands wird der Druck auf die Medien größer. In Kaliningrad hat der von Präsident Putin eingesetzte Gouverneur Georgij Boos die ihm kritisch gegenüber stehende Fernseh-gesellschaft „Kaskad“ [www.kaskad.tv] de facto im Handstreich übernommen. Kurz darauf mußte auch die Chefredakteurin der „Kaliningradskaja Pravda“, Tatjana Samjatina, ihren Hut nehmen, weil sie einen Boos-kritischen Artikel zur Veröffentlichung freigegeben hatte. Zudem greift auch der Kreml immer stärker in das Regionalprogramm ein. Auf der Frequenz des Sender „STS“, der auf föderaler Ebene ein reines Unterhaltungsprogramm ohne Nachrichten ausstrahlt, senden in verschiedenen Regionen „STS“-Partner Lokal- und Regionalnachrichten. Nun werden diese weitestgehend eingestellt. Gerüchten zufolge hat ein Anruf aus dem Kreml zu dieser Depolitisierung geführt. Doch es gibt auch positive Beispiele. Der Sender „Ren-TV“, an dem unter anderem die deutsche Bertelsmann-Gruppe beteiligt ist, zeichnet sich trotz der starken Kontrolle durch den Kreml durch eine durchaus kritische Berichterstattung aus. Zwar hat der Kanal nur einen Marktanteil von etwa fünf Prozent, doch die Produktion verschiedener populärer Fernsehserien garantiert „Ren-TV“ gute Werbeeinnahmen. Im Printbereich gibt es zwei Wirtschaftszeitungen, die mit sachlich-objektiver Berichterstattung auf sich aufmerksam machen. Die Tageszeitung „Vedomosti“ [www.vedomosti.ru] wird unter Mithilfe der „Financial Times“ herausgegeben, an der „RBKdaily“ [www.rbcdaily.ru] ist das „Handelsblatt“ beteiligt. Auffällig ist, daß diese drei Medien versuchen, das Geld für die Redaktionsarbeit selbst zu erwirtschaften, d.h. über Werbeeinnahmen und den Verkauf, zumal da im Unterschied zu den 1990er Jahren kein Oligarch die redaktionelle Tätigkeit mehr finanziert. Kurzfristig mag das für die Journalisten unbequemer sein, langfristig sichert es die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Mediums und bietet somit einen gewissen Schutz vor Manipulationen durch politische Entscheidungsträger. Selbst Putin gestand einmal ein – was wohl eher als implizite Kritik gemeint war –, daß die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Medien das Fundament für den Aufbau der Pressefreiheit sei. Es ist eine traurige Tatsache, daß die Zahl wirklich unabhängiger Medien in Russland in den letzten Jahren stetig abgenommen hat. Protest regte sich so gut wie keiner, meinte der Leiter des Journalistenverbandes Russlands, Igor Jakovenko. Es gibt eine große Anzahl von Medien, auch guter Qualität, die wirtschaftlich unabhängig sind, insbesondere Regional-zeitungen wie die qualitativ hochwertige „Birša“ in Nižnij Novgorod, in Barnaul die Zeitung „Svobodnij kurs“, die weitgehend unabhängig von der Staatsmacht auf inter-nationalem Niveau herausgegeben werden. In abgelegenen Regionen wie in Jakutien gibt es ebenfalls gute Medien, zum Beispiel die Zeitung „Molodjož‘ Jakutii“ („Die Jugend Jakutiens“). Auf der Ebene von Regionen kann man Dutzende Beispiele für unabhängige Medien nennen, auf munizipaler hunderte. Dagegen gehen die Beispiele für abhängige Medien in die Tausende, namentlich die rund 3.500 Bezirks- und Stadtblätter, von denen die überwältigende Mehrheit von den Bezirks- und Stadtverwaltungen abhängt. Diese Zeitungen kann man kaum als Medien bezeichnen, weil sie eher Anhängsel der Verwaltungen als eigenständige Blätter mit Profil sind und das auch nicht sein wollen. Das überlebensentscheidende Problem der unabhängigen Zeitungen, sich über den Werbemarkt zu finanzieren, wird durch mehrere Faktoren erschwert. In Russland gibt es keine genauen Daten darüber gibt, wieviele Medien überhaupt vorhanden sind. Der Werbemarkt ist verzerrt, voller seltsamer Mißverhältnisse, weil das Fernsehen, unter anderem der „Erste“ oder der „Zweite Kanal“, vom Staat kontrolliert werden oder mit staatlichen Strukturen verbunden sind, wie beispielsweise „NTV“ mit „Gazprom“ oder „Ren-TV“ mit der Aktiengesellschaft „EES“. Fernseh-Werbung ist deshalb auch verhältnismäßig günstig. Die lan-
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desweiten Sender nehmen die Mehrheit der Werbung auf: achtzig Prozent der Werbegelder bleiben in Moskau, und nur zwanzig Prozent kommen in den Regionen an. Es verlangt sehr viel Talent und Einfallsreichtum von einem Manager, der mit professionellen Journalisten zusammenarbeitet, seiner Zeitung normale Werbeeinnahmen zu sichern. Hauptproblem der unabhängigen Medien, das deren Betreiber immer wieder beklagen, ist jedoch das allgemein nachlassende Interesse an unabhängigen Informationen. Jakovenko meinte schlicht, daß die Meinungsfreiheit und objektive Informationen heute „nicht zum Warenkorb der Russen“ gehörten. Die meisten Menschen hätten mit Genugtuung verfolgt, wie in den vergangenen sieben Jahren die Keime der Medienfreiheit vernichtet wurden. Und es gab keine Proteste dagegen, zumindest keine massenhaften Proteste. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung wären damit einverstanden. Und er kam zu dem deprimierenden Schluss: „Wenn man die Menschen vor die Wahl stellt, an diesem Kurs festzuhalten oder zur Medienfreiheit zurückzukehren, dann wird ein großer Teil der Menschen heute dafür stimmen, an dem Kurs festzuhalten.“267 Das „Institut für regionale Presse“ gab 2007 bekannt, die Zahl der Regionalzeitungen sei in Russland in den vergangenen Jahren drastisch, ja katastrophal gefallen, was vor allem mit dem staatlichen Druck zusammenhinge. Um sich gegenseitig zu stützen, gründeten 33 unabhängige Verleger in den Regionen eine Art Notgemeinschaft, was jedoch wenig hilft, wenn man bedenkt, daß der Staat die aus dem Haushalt finanzierte Regierungszeitung „Rossijskaja Gazeta“ und eine zugehörige Wochenzeitung in Millionenauflagen kostenlos verteilen läß. Es ist schwer, sich gegen Erpressungsversuche zur Wehr zu setzen, wenn die meisten Zeitungskioske im Land vom kremlnahen Aluminiumbaron Oleg Deripaska kontrolliert werden, und wenn die Post jederzeit gemäß der Absicht der Staatsmacht gegen einzelne Widerspenstige mit Gebührenforderungen vorgehen kann. Das hätte man sich unmittelbar nach dem Ende der Sowjetunion im Traum nicht vorstellen können. Als man damals zum Beispiel in Barnaul, der Hauptstadt der Region Altai im Süden Westsibiriens, daran ging, eine eigene Zeitung zu machen, die nicht mehr unter den Denkverboten der Diktatur stehen würde, war die Begeisterung und der Enthusiasmus groß. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was irgendein Funktionär meinen könnte, oder daran, daß am Ende die eiserne Faust der sozialistischen Gerichtsbarkeit“ zuschlagen könnte, wollte man in der eigenen Region die ehemaligen Unterdrückten des Sowjetregimes zu Staatsbürgern mit eigener Meinung machen. Jurij Purgin erinnert sich noch genau an die Gedanken, die er und einige Gesinnungsgenossen damals, 1990, hatten. Sie waren Redakteure des regionalen Ablegers der kommunistischen Parteizeitung im Altai-Gebiet, der „Altajskaja Pravda“, bis sie sich entschlossen, eine eigene Zeitung zu machen. Millionen besaßen sie nicht, weder in Rubel noch in Dollar; sie begannen bei null und mit geliehenem Geld. Als Ende Dezember 1990 die erste Ausgabe ihrer Zeitung „Swobodnyj Kurs“ („Freiheitlicher Kurs“) in Barnaul erschien, war ‚Glasnost‘‘ auch in Südsibirien angekommen268. Die Zeitung gibt es bis heute. Purgin ist Direktor des Verlagshauses „Altapress“ in Barnaul, das den „Svobodnyj Kurs“ als Wochenzeitung herausgibt, sowie eine Wirtschaftszeitung für die Region und etwa ein Dutzend anderer Presseerzeugnisse. Purgin sieht gerade die Möglichkeit, die Zeitung im eigenen Haus drucken, den Produktionsprozess bis zum Druck kontrollieren zu können, als Garantie der Unabhängigkeit des
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„Immer weniger Interesse an unabhängigen Medien in Russland“ [www.dw-world.de/dw/article/0,,2808690,00.html]. Vgl.: Ludwig, M: Inseln der Pressefreiheit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.10.2007, Nr. 233, S. 3.
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Verlages, denn viele Provinzzeitungen darbten und gingen zugrunde, weil auswärtige Druckereien unter den Einfluß der örtlichen Machthaber gerieten, wirtschaftlich unter Druck gesetzt wurden, die Annahme von Aufträgen verweigerten oder die Preise willkürlich in die Höhe trieben. Dem „Freien Kurs“ kam in den Anfangsjahren auch zugute, daß manche Direktoren von Staatsunternehmen mit dem Kurs der Staatspartei nicht einverstanden waren, und daher bereit waren, eine unabhängige Zeitung finanziell zu unterstützen, wofür sie wiederum im „Kurs“ kostenlos für ihre Betriebe werben durften. Um politischer Einflussnahme einen Riegel vorzuschieben, fügte man nicht nur vertraglich eine entsprechende Klausel ein, man fasste auch den weisen Entschluß, ein Anzeigenblatt namens „Kaufe und verkaufe“ herauszubringen, das ein großer wirtschaftlicher Erfolg wurde.
1.8
Fernsehen und Radio in Russland
Die drei größten zentralen Fernsehkanäle, die wichtigste Informationsquelle vieler Russen, sind, wie beschrieben, auf die Orchestrierung von Jubelhymnen für den Kreml beschränkt worden. Der Generalsekretär des russischen Journalistenverbandes, Igor Jakovenko, behielt mit seiner Prognose recht, dass die russische Medienlandschaft vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen 2007/2008 „erstaunlich einheitlich“ sein werde. Die Fernsehsender blendeten in ihrer Berichterstattung immer häufiger systemkritische Fragen aus. Schon 2004 wurde mit der Sendung „Namedni“ („Neulich“) von Leonid Parfjonov das letzte Politmagazin von Format bei „NTV“ aus dem Programm genommen. „NTV“, der einstige Haussender des inzwischen ins Exil geflüchteten Oligarchen Vladimir Gusinskij, ist ein Paradebeispiel für die Veränderungen auf dem russischen Medienmarkt. War die Presse in den 1990er Jahren größtenteils in den Besitz oder unter den Einfluss verschiedener Oligarchen geraten und wurde von diesen zur Durchsetzung eigener wirtschaftlicher und politischer Interessen instrumentalisiert – insbesondere sind hier die Medienimperien von Gusinskij und seinem Opponenten Boris Berezovskij zu nennen –, so hatte sich der Kreml bald die Meinungshoheit in der Fernsehlandschaft zurückerobert. Mit der Übernahme des hochverschuldeten Senders „NTV“ durch den mehrheitlich staatseigenen „Gazprom“Konzern im Jahr 2001 wurde der erste Schritt getan, um das Informationsmonopol wiederzugewinnen. Gerade „Gazprom“ war bei der Verwirklichung dieses Ziels ein eminent wichtiges Instrument. Die Konzerntochter „Gazprom-Media“ ist mit einem Jahresumsatz von 600 Millionen US-Dollar einer der wichtigsten Akteure auf dem russischen Markt. Neben „NTV“ und dem Satellitenkanal „NTV Plus“ gehört noch der Unterhaltungssender „TNT“ zur Mediengruppe. „TNT“ zielt mit seinen seichten Seifenopern und den Reality-Shows à la Big Brother auf das jüngere Publikum zwischen 18 und 45 Jahren. Das ist gut für die Werbeeinnahmen. Politische Berichterstattung spielt bei „TNT“ keine Rolle. Zudem hat „Gazprom-Media“ in den vergangenen Jahren erfolgreich seine Hörfunksparte ausgebaut. Die populären Radiosender „Pervoje Populjarnoje Radio“ und „Radio Next“ haben vor allem in Moskau einen hohen Marktanteil. Die beiden jüngsten Radioprojekte der Media-Holding sind „City-FM“ und „Relax FM“, die erst seit gut einem Jahr auf Sendung sind. Die bekannteste Radiostation ist natürlich „Echo Moskvy“, auch wenn der reine Informationssender, den „Gazprom-Media“ sich gleichzeitig mit „NTV“ einverleibte, nur eine kleine Zahl von Hörern anspricht. Im Gegensatz zu „NTV“ konnte „Echo Moskvy“ seine Unabhängigkeit in der Berichterstattung weitestgehend bewahren. Dies ist unzweifelhaft ein Verdienst des Chefredakteurs Aleksej Venediktov, allerdings weiß auch
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er selbst, daß sein Radiosender lediglich Feigenblattfunktion hat und die Einmischung nur deshalb so gering ist, weil die Reichweite von „Echo Moskvy“ begrenzt ist und der Kanal daher keine Gefahr für das Informationsmonopol des Kremls darstellt. Auch im Printbereich hat „Gazprom“ eifrig dazugekauft. Neben dem Verlagshaus „7 Dnjej“ („7 Tage“), das eine ganze Reihe von auflagenstarken Fernseh- und Frauenzeitschriften, aber auch politischen Monatsjournalen herausgibt, gehören inzwischen auch einige Tageszeitungen zu dem Imperium. Mit dem Kauf der „Isvestija“ im Jahr 2005 hat „Gazprom“-Media ein echtes Flaggschiff der russischen Presse gewonnen. Nicht zuletzt dafür wurde der Generaldirektor von „Gazprom“-Media, Nikolai Senkevi, mit einem hohen Kremlorden ausgezeichnet. Den letzten großen Coup landete „Gazprom“ im Herbst 2006 mit der Übernahme der einflussreichen kremlkritischen Tageszeitung „Kommersant“, die bis dahin die Informationspolitik des nach London ins Exil geflüchteten Oligarchen Boris Berezovskij vertreten hatte. In diesem Fall trat allerdings nicht „Gazprom-Media“ als Käufer auf, sondern Ališer Usmanov, der Generaldirektor der „Gazprom-Investholding“. Usmanov verkündete bei der Übernahme, dass trotz des Besitzerwechsels der Kurs einer kremlunabhängigen Berichterstattung beibehalten werde. Kurz darauf wechselte er den Chefredakteur der Zeitung aus. Für Berezovskij bedeutete der Verkauf des „Kommersant“ durch seinen Geschäftspartner Badri Patarkazišvili den Verlust der letzten Medienaktiva in Russland. Kurz zuvor hatte der Oligarch schon die Tageszeitung „Nezavisimaja Gazeta“ abgegeben. Seinen Einfluss auf den staatlichen Fernsehsender ORT (inzwischen umbenannt in „Pervyj Kanal“) hatte Berezovskij sogar bereits kurz nach dem Amtsantritt Putins verloren. Der „Pervyj („Erste“) Kanal“ ist inzwischen wieder ein reines Verkündungsorgan des Kreml. Zu diesen Verkündungsorganen zählt auch die gesamte staatliche Rundfunkgesellschaft „WGTRK“ mit den föderalen Sendern „Rossija“, „Kultura“ und „Sport“, dem Nachrichtensender „Vesti-24“, dem Auslandskanal „RTR Planeta“ sowie den unzähligen regionalen und lokalen Fernsehstudios. Zudem gehören auch die beiden Radiosender „Radio Rossii“ und „Majak“ zur Rundfunkanstalt.
1.9
Die Komsomol’skaja Pravda und andere Zeitungen
Wie gewunden die Wege sind, die bis zum tatsächlichen, letztlich verantwortlichen Eigentümer führen, läßt sich sehr gut am Fall der Boulevardzeitung „Komsomol’skaja Pravda“ [www.kp.ru] studieren, deren Herausgeber ursprünglich das Verlagshaus „Komsomol‘skaja Pravda“ war, zu dem auch die Zeitschriften „Sovjetskij Sport“ und „Express-Gazeta“ gehören. Das Verlagshaus gehörte bis 2007 mehrheitlich der Medienholding „Prof-Media“, die wiederum Teil des Unternehmensimperiums von Vladimir Potanin ist. Außerdem besass ebenfalls bis 2007 der norwegische Medienkonzern „A-Pressen“ eine Sperrminorität von 25,02 Prozent. „A-Pressen“ verkaufte seinen Anteil für eine unbekannte Summe an den Hauptbesitzer „ESN“. Seit Januar 2007 ist das Verlagshaus mehrheitlich im Besitz des Unternehmens „Media Partner“, das wiederum Teil der Unternehmensgruppe „ESN“ ist, die dem Geschäftsmann Grigorij Berjoskin gehört. Weitere Anteile gehören einzelnen Mitarbeitern der „Komsomol’skaja Pravda“. Die „Komsomol‘skaja Pravda“, die Zeitung der staatlichen Jugendorganisation der UdSSR, 1925 gegründet, wandelte sich nach dem Zerfall der Sowjetunion 1990 wandelte zu einer modernen Boulevardzeitung nicht nur für jugendliche Leser. Im Jahr dieses Umbruchs hatte die Zeitung eine Auflage von 3 Millionen Exemplaren, die durch zunehmende Konkurrenz regionaler Zeitungen und ihrer neuen
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Stellung als nur einer von vielen Titeln in der russischen Zeitungslandschaft im Laufe der 1990er Jahre und auch noch nach dem Millennium sank. Die heutige „Komsomol‘skaja Pravda“269 erscheint in mehreren regionalen Ausgaben. Die Moskauer Ausgabe hat dabei eine Auflage von über 160.000 Exemplaren, während die regionalen Ausgaben eine Auflage von knapp 650.000 Exemplaren erreichen. Damit ist die „Komsomol‘skaja Pravda“ der auflagenstärkste Tageszeitungs-Titel in der Russischen Föderation vor dem „Moskovskij Komsomolec“, einer ebenfalls erfolgreichen und populären Zeitung, die in 62 Regionen Russlands gedruckt und gelesen wird. Daneben erscheint sie in Weißrussland, Kasachstan und der Ukraine und ist verbreitet auch im übrigen Osteuropa und weiteren Staaten der GUS bei den russischsprachigen Minderheiten. 200 Journalisten sind im Hauptquartier in Moskau beschäftigt. Wie die meisten anderen überregionalen Zeitungen hat sie in den letzten Jahren Marktanteile an Regional- und Lokalzeitungen verloren. Eine weitaus höhere Auflage als die Tageszeitung selbst hat das von ihr herausgebrachte Wochenblatt „Komsomol‘skaja Pravda Tolstuška“ (knapp 2,7 Millionen). Nach der Auflage ist dies die Nummer zwei unter den russischen Wochenzeitungen. Daneben existiert als zweiter Ableger eine Wochen-zeitung für die Region Moskau „Komsomol‘skaja Pravda v Moskve“ (Auflage ca. 140.000). Die „Moskovskije Novosti“ („Moskauer Nachrichten“, www.mn.ru) ist seit langem als seriöse Tageszeitung auf dem russischen Markt etabliert, und wendet sich vor allem an die gebildete russische Elite. Eigentümer der Zeitung ist der russisch-israelische Milliardär Arkadi Gajdamak. Die Mehrzahl der russischsprachigen Artikel erscheinen in englischer Übersetzung in der englischsprachigen Zeitung „Moscow News“. Diese Zeitung wurde 1930 von der amerikanischen Kommunistin Anne-Louisa Strong gegründet und von der sowjetischen Führung genehmigt. Strong wollte mit dieser Zeitung die kommunistischen Ideen einem internationalen Publikum vermitteln, weshalb sie bald auch auf französisch, deutsch, spanisch, auf arabisch und sogar auf finnisch erschien. 1949 stellte die „Moscow News“ ihr Erscheinen ein, nachdem ihr Chefredakteur, Michail Borodin verhaftet worden war. Wahrscheinlich starb er im Gulag. Am 4. Januar 1956 begann sie wiederum zu erscheinen, jedoch unter der strengen Aufsicht durch die KpdSU. Die Perestrojka Gorbaevs gab der Zeitung die Möglichkeit, den Demokratisierungsprozess tatkräftig zu begleiten, eine Möglichkeit, die der seit den späten 1980er Jahren amtierende Chefredakteur Sergej Roj ergriff und die „Moscow News“ zu einer der ersten sowjetischen Zeitungen machte, die sich der Glasnost’ öffneten. Prominente Intellektuelle konnten kritische Aufsätze veröffentlichen. Die Auflage stieg bis auf eine Million und die Zeitung wurde im ganzen Land gelesen. 2004 folgte eine farbige Titelseite. Als mit dem Regierungsantritt Putins die Verkaufszahlen fielen, kaufte der Oligarch und Yukos-Eigentümer Michail Chodorkovskij die Zeitung auf, und stellte Jevgenij Kiseljov ein, einen bekannten liberalen Journalisten ein, der für Aufruhr sorgte, als er, kaum eingestellt, neun altgediente Journalisten hinauswarf, und
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Herausgeber der „Komsomol‘skaja Pravda“ ist das Verlagshaus „Komsomolskaja Pravda“, zu dem auch die Zeitschriften „Sovjetski Sport“ und „Express-Gazeta“ gehören. Nach Information der Zeitung „Kommersant“ ist das Verlagshaus „Komsomol‘skaja Pravda“ seit Januar 2007 mehrheitlich im Besitz des Unternehmens „Media Partner“. „Media Partner“ ist Teil der Unternehmensgruppe ESN, die dem Geschäftsmann Grigorij Berjoskin gehört. Weitere Anteile gehören einzelnen Mitarbeitern der „Komsomol‘skaja Pravda“. Vor dem Einstieg des Unternehmens „Media Partner“ gehörte das Verlagshaus mehrheitlich der Medienholding „ProfMedia“, die wiederum Teil des Unternehmensimperiums von Vladimir Potanin ist. Bis 2007 besaß außerdem der norwegische Medienkonzern „A-Pressen“ eine Sperrminorität von 25,02 Prozent am Verlagshaus „Komsomol‘skaja Pravda“. „A-Pressen verkaufte seinen Anteil für eine unbekannte Summe an den Hauptbesitzer „ESN“.
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daraufhin selbst ersetzt wurde. Der Oligarch Boris Berezovskij hatte 1995 die „Nezavisimaja Gazeta“ („Unabhängige Zeitung“, www.ng.ru) übernommen und verkaufte sie im August 2005 wieder. Der neue Eigentümer, Konstantin Remukov, nannte als Vorbild die „Washington Post“. Russische Medienexperten vermuteten viel eher, dass der ehemalige Abgeordnete Remukov als Mann der Macht, anders als Berezovskij, der zu Putin in Opposition stand, dafür sorgen werde, dass die Kommentare der „Nezavisimaja Gazeta“ künftig zurückhaltender in politischen Fragen sein werden. Dieser Hoffnung gaben zwischen den Zeilen auch die beiden wichtigesten Nachrichtenagenturen Russlands Ausdruck, die „RIA Novosti“ [http://de.rian.ru bzw. www.rian.ru] und die altgediente „Itar Tass“ [www.itartass.com]. Dass das Unpolitische als Tugend betrachtet wird, weil die politische Meinung von den Mächtigen als bedrohlich, destabilisierend und damit als illegitim betrachtet wird, dass das ein fataler Grundzug der heutigen russischen Gesellschaft geworden sei, der die Medien in eine falsche Richtung lenkt, dafür ist für viele Kritiker gerade die „Komsomol’skaja Pravda“ das beste, weil erfolgreichste Beispiel. Die Zeitung bringt in erster Linie Gesellschaftsnachrichten, Sensationsmeldungen über Sternchen und Fernsehgrößen, und sogenannte „Home stories“. Die Politik erscheint wie ausgespart. Die russische Gesellschaft liege heute, was ihre demokratische Entwicklung, ihre mediale Diskussions-kultur betrifft, in Apathie – so die Meinung jener Journalisten, die für ihre Neugier, ihren Kampf für eine offenere russische Gesellschaft mit dem Staatsapparat zu kämpfen haben. Der Inlandsgeheimdienst FSB überwacht die Schritte kritischer Journalisten, von der Linie der Kreml-Partei „Einiges Russland“ abweichende Stimmen müssen mit Schikanen leben oder in das Internet ausweichen. Ein vielzitiertes Beispiel ist die Plattform „www.newsru. com“, die mit USamerikanischen Medienunternehmen zusammenarbeitet270. Die Situation ist zwar noch nicht derart bedrohlich wie in Weißrussland, wo oppositionelle Medien im benachbarten Ausland operieren müssen. Aber die Uniformierung der Medien hat in Russland ein Ausmaß angenommen, die an glücklicherweise vergangene Zeiten gemahnt und die Rede von Freiheit und Unabhängigkeit akademisch erscheinen läßt.
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Ursprünglich war die Seite der Internetauftritt des russischen Fernsehsenders „NTV“ [www.ntv.ru]. In ihrer aktuellen Form besteht sie seit August 2000, als die Seite von der Information über „NTV“ zur Veröffentlichung von Nachrichten wechselte. Betreiber der Seite ist die Firma „Memonet“, die zur Media-Most-Holding gehört. Als im April 2001 der Fernsehsender „NTV“ unter fragwürdigen Umständen von der staatlichen „GazpromMedia“ AG übernommen wurde, blieb dessen Internetseite im Besitz des „NTV“-Eigentümers Vladimir Gusinskij, weil sie juristisch nicht zum Fernsehsender gehörte. Im Oktober 2002 änderte die Seite ihren Namen und ihre Adresse von „ntv.ru“ zu „newsru.com“. Die Adresse „ntv.ru“ wurde dem Fernsehsender zur Nutzung überlassen.
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2. Das Mediensystem in der Ukraine: Pressefreiheit zwischen Kuma und Jušenko Auch in der Ukraine271 wurden die Medien zum Spielball der wechselnden politischen Machtverhältnisse. Eine Stunde Null, wie es sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland oder nach der Auflösung der DDR gab, hat es in der Ukraine nach 1990 nicht gegeben. Die Aufarbeitung der Verbrechen und des totalitären Erbes der Sowjetmacht wurden nicht Thema einer dauerhaften Auseinandersetzung. Während die Masse der Bevölkerung nach der Unabhängigkeit um die Anerkennung der nationalen Symbole, der ukrainischen Sprache und ihrer historischen Identität kämpfte, konzentrierte sich die ehemalige Parteielite, organisiert in Clans, auf die Privatisierung der Schlüsselindustrien und verhinderte erfolgreich Reformen. So enstanden eine florierende Schattenwirtschaft und in kurzer Zeit schwindelerregende Privatvermögen. Kriminelle Geschäftemacher verbanden sich mit der politischen Szene und dem einst allmächtigen Kontrollapparat. Die gesellschaftlichen Folgen waren eine dramatische Verarmung, eine weitgehende Entsolidarisierung und eine Lähmung des öffentlichen Lebens. Hauptexponent dieser Politik war der ehemalige Präsident Leonid Kuma (1995-2005), der nach der Aufdeckung eines Auftragsmords an einem kritischen Jounalisten sein Amt verlor. Die Orangene Revolution des Winters 2004/2005 war eine der größten außenpolitischen Niederlagen Russlands seit dem Ende der Sowjetunion. Sie war umso schmerzhafter als die Ukraine in den Köpfen vieler Russen als Kern-
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Die Ukraine (ukrainisch: ® ³*/Ukrajina) ist ein Staat in Osteuropa. Das Land grenzt an Russland im Nordosten, Weißrussland im Norden, Polen, Slowakei und Ungarn im Westen, Rumänien und Moldawien im Südwesten, sowie an das Schwarze Meer und Asowsche Meer im Süden. Mit 603.700 km² ist es das flächenmäßig größte Land Europas. Die Geschichte der Ukraine ist geprägt von Teilungen und Fremdansprüchen anderer Staaten. Eine nationale Identität konnte das Land über Jahrhunderte hinweg nicht aufbauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Ukraine erneut Teil der Sowjetunion bis zu deren Auflösung 1991, im Zuge derer sie die staatliche Unabhängigkeit zugesprochen bekommt. Die Einwohnerzahl beträgt 46.710.816 (Stand: Juli 2006), wobei in der Hauptstadt Kiev circa 2,7 Mio. Menschen leben. Seit einigen Jahren entwickelt sich die Einwohnerzahl rückläufig. Gründe dafür liegen in der erhöhten Abwanderungs-quote, der stark abgeschwächten Geburtenrate sowie bei den Auswirkungen gesundheitsbelastender ökologischer Schäden (Bsp.: Katastrophe in Tschernobyl, 1986). Die Bevölkerungsdichte liegt bei 78 Einwohnern pro km². Im Vergleich dazu leben in Deutschland pro km² 230 Menschen. In der Ukraine ist eine konfessionelle Mischung vorhanden, dennoch dominieren vor allem orthodoxe Kirchen. Des Weiteren setzt sich die Bevölkerung aus zahlreichen Nationalitäten zusammen. In dem osteuropäischen Staat leben zu 77,8 Prozent Ukrainer, zu 17,3 Prozent Russen sowie über 100 weitere Nationalitäten. Auf Grund dieser nationalen Vielfalt gibt es auch im Sprachgebrauch der Einwohner deutliche Differenzen. So sprechen 73 Prozent Ukrainisch als Muttersprache, und beachtliche 74,4 Prozent beherrschen ebenso Russisch. Hinzu kommen noch regionale Unterschiede: Die russische Sprache dominiert als Muttersprache im Osten und Süden der Ukraine bis heute und hält auch in Kiev noch einen relativ hohen Stellenwert. Die West-Ukraine hingegen ist rein ukrainischsprachig und ebenso die offizielle Amtssprache es Landes ist ukrainisch. Diese Besonderheiten führen in der ukrainischen Politik unter der so genannten „Sprachenfrage“ zu einem ständigen Streitthema. Der Staatsaufbau der Ukraine beruht auf einer zentralistischen Regierung. Diese unterteilt sich in 27 Verwaltungseinheiten (Oblaste), welche sich aus 24 Oblasten sowie aus der autonomen Republik Krim und den Städten Kiew und Sewastopol zusammensetzen. Nach der Verfassung vom 28. Juni 1996 herrscht Präsidialdemokratie, das heißt daß Politik und Verwaltung stark auf das Amt des Präsidenten als zentrale Verfassungsinstitution ausgerichtet sind. Die Verfassung garantierte Gewaltenteilung und enthielt außerdem einen Grundrechtekatalog. Die Amtszeit des Staatsoberhauptes (Präsident) der Ukraine beträgt fünf Jahre. Das Parlament der Ukraine „Werchowna Rada“ (Oberster Rat) wirkt in einer Legislaturperiode von vier Jahren. Die Bürger der Ukraine können ab 18 Jahren wählen gehen. Im Zuge der ‚Orangene Revolution‘ erfolgten wesentliche Änderungen in der Verfassung. Dazu gehörte die grundsätzliche Gewährleistung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Dies ermöglicht nicht nur eine kritischere Medienberichterstattung sondern auch eine lebhaftere Bürgergesellschaft. Unabhängige Menschenrechtsorganisationen können seitdem ebenfalls weitestgehend ungehindert arbeiten.
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gebiet der historischen Rus‘ und damit als integraler Bestandteil des russischen Imperiums gilt. Seit der Orangenen Revolution werden deshalb massiv pro-russische NichtregierungsOrganisationen und pro-russische ukrainische Politiker von Moskau unterstützt. Der russische Präsident Medvedjev mischte sich mehrmals in die ukrainische Innenpolitik ein und versuchte Präsident Jušenko, den er als seinen persönlichen Feind bezeichnete, zu diskreditieren. Im September 2004 hatte Moskau sogar versucht, den Kandidaten Jušenko durch ein Giftattentat aus dem Weg zu räumen. Der vermutliche Attentäter, ein ukrainischer Geheimagent, flüchtete nach der Tat nach Russland und bekam die russische Staatsangehörigkeit. Auch auf der internationalen Bühne versuchte Moskau die Ukraine als völkerrechtliches Subjekt in Frage zu stellen. Währen der Westen die Orangene Revolution in Kiev als endgültiges Ende der Sowjetunion gefeiert hatte, gelang es Moskau, die Integration der Ukraine in westliche Strukturen diplomatisch zu behindern, wobei sich Westeuropa fatalerweise nicht einig war, ob man die Ukraine, die immer zwischen Ost und West geschwankt hatte, dem Westen annähern oder auf Distanz halten sollte, um Moskau nicht zu verärgern. Fünf Jahre nach der Orangenen Revolution herrschte in der Ukraine politisches Chaos272. Die Menschen waren unzufrieden und frustriert, der Staat handlungsunfähig, die Ukraine befand sich in einer Doppelkrise: Die ukrainische Wirtschaft zählt zu den Hauptleidtragenden der internationalen Finanzkrise, während ökonomische und politische Reformen seit langem an der Dauerblockade von Präsident, Regierung und Parlament scheiterten. Vom scheidenden Präsidenten Jušenko, dem einstigen Helden der Orangenen Revolution, waren die Ukrainer enttäuscht. In den Umfragen zur ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 17. Januar 2010 erreichte der Amtsinhaber noch gerade drei Prozent. Ein Grund für seinen Mißerfolg ist die Tatsache, daß er sich mehr mit der Vergangenheit als mit der Zukunft des Landes beschäftigt hat, was ihm nach den bleiernen Jahren der Geschichtsvergessenheit und des Relativismus unter Kuma hochanzurechnen ist. Es gab eine geschichtspolitische Debatte über den „Holodomor“, den Hungertod von etwa zehn Millionen Ukrainern in den Jahren 1932/33 während der stalinistischen Zwangs-kollektivierungen, die in der Ukraine einen genozidartigen Charakter hatten. Während das Europaparlament den Holodomor als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einstufte, konnte Russland eine UNO-Resolution und damit Entschädigungs-zahlungen verhindern. Die russischsprachige und eher zu Moskau tendierende Bevölkerung der Ost- und Südukraine hat Jušenko nie akzeptiert, die Unterstützung der West- und Zentralukraine hat er verloren, weil er die Korruption trotz vieler Versprechen nicht genügend bekämpft hat. Doch entscheidend ist, daß Jušenko im Unterschied zu seinen beiden Vorgängern sein Amt nicht zur persönlichen Bereicherung benutzt und auch die demokratische Meinungs-bildung in seinem Lande nicht behindert hat. Daß die ukrainische Demokratiebewegung an ihr Ende gekommen zu sein scheint, zeigte sich auch daran, daß der altsowjetische Kaderpolitiker Viktor Janukovy von der „Partei der Regionen“, der 2005 noch versucht hatte, durch Wahlfälschung an die Macht zu kommen und politisch eigentlich tot sein müßte, in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen an die erste Stelle kam, vor Premierministerin Julia Tymošenko, die sich ebenfalls als Antagonistin Jušenkos profiliert hatte. Die Premierministerin ist kein unbeschriebenes Blatt. Seit den 1990er Jahren mischt sie die Clan-Strukturen der Ostukraine
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Vgl. Bost, B.: „Die Ukraine am Scheideweg“. Am Sonntag beginnt der lautlose Abgang des westlich orientierten ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko, des „Helden der Orangenen Revolution“. In: Die Tagespost, 14. Jan. 2010, Nr. 5, S. 3.
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auf, nachdem sie mit Energiegeschäften Furore gemacht hatte. Der russische Gasmonopolist Gazprom setzte deshalb auf Timošenko als Thronfolgerin in Kiev, Moskau eindeutig auf Janukovy, der versprach, die Ukraine aus der Nato herauszuhalten, Russisch zur zweiten Amtssprache zu machen und die Freundschafts-beziehungen zu Russland wiederherzustellen. Was Timošenko betrifft, war die EU eher kritisch. Man kritisierte das Nichteinhalten von Verpflichtungen gegenüber internationalen Organisationen und fehlenden Reformwillen. Vor diesem politischen Hintergrund haben sich die Medien seit der Unabhängigkeit zugunsten der Macht, ihr gegenüber dienstbar, aber auch höchst kritisch positioniert. Auf den zweiten deutsch-ukrainischen Regierungskonsultationen, die am 8. und 9. Juli 1999 in Kiev stattfanden, erinnerte die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ daran, daß die Regierung von Präsident Leonid Kuma für schwere Verletzungen der Informations- und Meinungsfreiheit verantwortlich sei273. Das ukrainische Parlament, in dem die Mehrheit gegen Präsident Kuma opponierte, hatte nach einem Bericht der Agentur UNIAN vom 15. Juni 1999 den Europarat um Hilfe bei der Verteidigung der Meinungsfreiheit gebeten. „In der Ukraine“, hieß es in dem Appell, „herrscht Gesetzlosigkeit, der Präsident zwingt die Meinungsfreiheit in die Knie“. Die Berichterstattung im Vorfeld der im Oktober 1999 stattfindenden Präsidentschaftswahlen sei von der fast totalen Kontrolle der Medien durch Regierung und Behörden bestimmt. „Dies kann der demokratischen Entwicklung der Ukraine irreparablen Schaden zufügen“, warnten die Parlamentarier. Der private Fernsehsender STB, eines der populärsten Medien des Landes und immer wieder Ziel von Repressalien, sah sich nach einer Erklärung, keinen Präsidentschaftskandidaten unterstützen und sein Programm allen politischen Strömungen öffnen zu wollen, verschärften Angriffen ausgesetzt. Am 8. Juni ordnete die Regierung ein Sendeverbot via Satellit an, wodurch STB außerhalb Kievs nicht mehr zu empfangen war und die Hälfte seiner Zuschauer verlor. Kurz zuvor war STB von den Behörden „aus technischen Gründen“ sogar die Schließung angedroht worden. Der Sender war bekannt für seine kritischen Berichte und Reportagen über Korruptionsaffären. Seit der Gründung 1997 gab es bereits mehrere Angriffe, bis hin zu Morddrohungen, gegen seine Mitarbeiter. Zahlreiche weitere Medien waren durch schikanöse Gerichtsverfahren, Einschränkungen ihres Vertriebs, willkürliche Sende- oder Erscheinungsverbote und ähnliche Manipulationen in ihrer Existenz bedroht oder mußten, wie die Tageszeitung „Kievskije Vedomosti“, ihr Erscheinen einstellen. Am 16. Mai 1999 wurden Igor Bondar, Direktor der Fernsehstation AMT und der Gerichtspräsident von Odessa, Boris Vikrov, von Unbe-kannten erschossen, als sie im Auto in Odessa unterwegs waren. Unter Kontrolle einer parlamentarischen Kommission zum Kampf gegen das organisierte Verbrechen wurden Ermittlungen eingeleitet. Erst die orangene Revolution des Jahres 2004 gab der Hoffnung Auftrieb, daß die Repressionen und Einschränkungen der Pressefreiheit der Ära Kuma nun ein Ende haben würden. Doch Theorie und Praxis stimmten auch danach oft nicht überein. Schuld daran war oft genug mangelnde wirtschaftliche Rentabilität, die viele Massenmedien in fragwürdige wirtschaftliche Abhängigkeiten brachte. So stellten kritische Stimmen fest, daß die Medienrevolution – die Medienfreiheit ist seit 1996 offiziell in der Verfassung verankert –, die ein zentrales Thema der Orangenen Revolution war, im Grunde gescheitert sei. „Drei Jahre nach dem Ende der Zensur ist die Berichterstattung heute eher wieder unkritischer
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Der Präsident zwingt die Presse in die Knie. Ukrainisches Parlament bittet Europarat um Unterstützung bei der Verteidigung der Pressefreiheit [www.reporter-ohne-grenzen.de/archiv2000/news/presse990707b.html].
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geworden“, meinte der Journalist Juri Durkot. Der Europarat sah den bis heute unaufgeklärten Fall des im Jahr 2000 ermordeten Journalisten Gongadze gar als „die größte Enttäuschung nach der Revolution“. Es gab nach wie vor keine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt. Auswärtige Beobachter setzten daher ihre Hoffnungen zum Beispiel auf den einzigen landesweit zu empfangenden privaten Informationssender, „Radio ERA“ (www.radioera.com.ua/), als kritisch-innovative Alternative zur staatlichen „Nacional‘na Radiokompanija Ukrajiny“ (NRU), das die meisten Städter laut Umfrage als „verstaubtes Bauern- oder Rentnerradio“ betrachten. Die Sendungen im Hauptprogramm hießen „Ähre“ oder „Haushaltsakademie“. „Die NRU unterliegt stark den politischen Interessen und Schwankungen. Das Budget hängt stark von der Gunst der jeweiligen politischen Macht ab“, meinte der freie Journalist Andriy Vovk. Der ukrainischsprachige Sende ERA hatte sich bereits während der Orangenen Revolution als Ort neutraler Berichterstattung einen Namen gemacht. Heute sorgt es für Perspektivenvielfalt, zum Beispiel in der wöchentlichen Koproduktion „Welt im doppelten Fokus“, die zusammen mit der BBC Ukraine produziert wird. Im GUS-Länder-Vergleich schneidet die Ukraine dennoch relativ gut ab. Die amerikanische NGO „Freedom House“ stufte einzig die Ukraine und Georgien als ‚teilweise frei‘ ein – alle anderen erhielten ‚unfrei‘. Auf der Rangliste 2007 der „Reporter ohne Grenzen“ teilt die Ukraine sich mit Malawi Platz 92. Man könne heute alle Themen offen diskutieren, niemand sei vor Kritik gefeit, so der Journalist Mykola Rjabuk. Als Beispiel für die Verbesserungen der Redefreiheit gelten Berichte über den 140.000 Euro teuren BMW von Präsident Jušenkos pubertierendem Sohn, der „erste ukrainische Skandal nach europäischem Muster“, nach Meinung von Sergij Lešenko, Redakteur der meistgelesenen Internetzeitung „Ukrajins‘ka Pravda“. Alle Medien hätten darüber berichtet und kein Journalist wäre deswegen ermordet worden. Unabhängiger sind die Medien dennoch nicht geworden. 2003 waren 97 Prozent der ukrainischen Medien in privatem Besitz. Dort gilt die Formel, wonach Geld plus Medien Macht ergibt, schrieb die unabhängige Wochenzeitung „Serkalo Nedeli“. Die Besitzer sind oft engste Vertraute politischer Größen. Viele Lokalzeitungen werden dagegen von den Behörden mitfinanziert oder herausgegeben. Um diesem alten Spiel der Macht und des Geldes zu entgehen, wichen viele auch in der Ukraine in das Internet aus. 2006 existierten mehr als 280 Provider und etwa 20 Prozent der Bevölkerung nutzten das Netz. Versuche staatlicher Reglementierung konnten sich hier kaum durchsetzen. Vachtang Kipiani vom Fernsehkanal „1+1“ ist frustriert: „Wir sind keine vierte Gewalt im Lande, wir sind Unterhaltungskünstler für die Bevölkerung. Diejenigen, die wirklich die Macht haben, läßt unser Tun unberührt. Sie agieren immer noch wie zu Sowjetzeiten.“ Die Bevölkerung scheint zufrieden: 56 Prozent fühlen sich laut Umfrage besser informiert als vor der Revolution. Selbstzufrieden sind auch die Politiker: Jušenko kanzelte den Journalisten, der ihm wegen der Luxuskarosse seines Sohnes unbequeme Fragen stellte kurzerhand ab, er solle sich „wie ein höflicher Journalist benehmen, und nicht wie ein Killer“. Vom Einfluß westlichen Kapitals ist in der Medienbranche noch nicht viel zu merken. Der ukrainische Journalist Juri Durkot wünscht sich mehr westliches Kapital, „obwohl es die Probleme der ukrainischen Medien nicht lösen würde.“
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2.1
Der Fall Gongadze als Wendepunkt
Deren Hauptproblem war zur Zeit der Regierung Kuma die starke Einflußnahme der Politik, die bis zu Drangsalierung und sogar Mord gehen konnte, wie der Fall des Journalisten Georgij Gongadze zeigt. Wer medialen Widerstand gegen die Staatsgewalt leistete, den traf die ganze Härte des Apparats. Die Feuerpolizei und die Steuerinspekteure kontrollierten mit Vorliebe Redaktionen. Das oppositionelle Blatt „Den‘“ („Der Tag“), das den liberalen Reformpolitiker und Ex-KGB-General Jevhen Maruk unterstützte, bekam in einem Jahr mehr als zwanzig Besuche vom Finanzamt. Der Eigentümer des unabhängigen Radiosenders „Kontinent“ wurde per Telefon gewarnt: „Wenn du glaubst, du bist ein guter Fahrer, täuschst du dich.“ Kurz darauf überlebte er mit knapper Not einen Autounfall. Wenn Anschläge nicht fruchteten, wurden in staatlichen Druckereien Zeitungen geklont. Auf Anzeigen der Redaktionen reagierte die Staatsanwaltschaft meist überhaupt nicht. In den großen Fernsehstationen, so sagten Journalisten übereinstimmend, arbeiteten Zensoren, die darauf achteten, daß die Opposition möglichst selten auf dem Bildschirm erscheine. Im Falle des verschwundenen regierungskritischen Journalisten Gongadze behinderte der Staatsanwalt selbst die Ermittlungen. Vertreter von „Reporter ohne Grenzen“ hielten sich mehrere Tage in der Ukraine auf, um den Fall zu untersuchen. Sie trafen mit dem ukrainischen Präsidenten Leonid Kuma zusammen, um über das Vorgehen der Behörden bei der Aufklärung des Falles zu sprechen; man führte Gespräche mit dem Innenminister, dem Chef des Sicherheitsdienstes, dem Generalstaatsanwalt, mit Vertretern von Justizbehörden, Abgeordneten, Journalisten und Freunden sowie der Familie von Georgij Gongadze. Die internationale Organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit stellte schließlich fest, daß nach den ihr vorliegenden Erkenntnissen Generalstaatsanwalt Mychajlo Potybenko die Aufklärung des Falles behindert, wenn nicht sogar verhindert hat. Georgij Gongadze, damals 31-jähriger Chefredakteur des Online-Magazins „Ukrajins‘ka Pravda“ (www.pravda.com.ua), war den Regierenden mit Beiträgen für seine Internet-zeitung über Korruption auf die Nerven gegangen. Am 16. September 2000 wurde er in einem Auto aus der Innenstadt von Kiev entführt. Im November wurde eine enthauptete, stark verweste Leiche in der Nähe von Kiev gefunden. Wenig später präsentierte ein angesehener Oppositionspolitiker Tonbandaufnahmen aus der Kanzlei von Kuma, auf denen dieser schimpfte, man solle mit dem unbequemen Journalisten aufräumen. Damit war der Fall zum Politikum geworden. Seitens der Behörden gab es keine oder widersprüchliche Aussagen zu der Frage, ob es sich dabei um den Leichnam Gongadzes handelte. Erst am 10. Januar 2001 wurden Ergebnisse von DNS-Analysen bekanntgegeben, die die Identität bestätigten. Die „Ukrajins‘ka Pravda“ war im April 2000 ins Leben gerufen worden und machte sich rasch einen Namen für ihre regierungskritische Berichterstattung. Die Ukraine wurde damals vom Europarat wiederholt gerügt, ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Pressefreiheit nicht nachzukommen. Reporter ohne Grenzen hatte die Ukraine daher auch wieder auf die Liste der Länder gesetzt, in denen die Situation hinsichtlich der Pressefreiheit als ‚ernst‘ eingestuft werden muß. Dafür gab es weitere Indizien: Im Sommer 2001 wurde ein Journalist ermordet, ein anderer lag nach einer Attacke mit Baseballschlägern im Koma274. In einem Brief an den
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28. September 2001: Ukraine / Ermordung von Georgij Gongadse. Europarat stimmt für internationale Untersuchungskommission zum Tod des Journalisten
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ukrainischen Innenminister Anatoli Kinah forderte „Reporter ohne Grenzen“, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um diejenigen zu ermitteln, die für die Überfälle auf die zwei ukrainischen Journalisten verantwortlich sind. Am 3. Juli 2001 starb Oleg Breus, Redakteur der Zeitung „XXI vek“ (21. Jahrhundert), durch mehrere Schüsse. Unbekannte hatten am Eingang seines Wohnhauses in Lugansk auf ihn gefeuert. Die Polizei sah den Mord jedoch im Zusammenhang mit Breus‘ Aktivitäten als Geschäftsmann, denn am Zentralmarkt von Lugansk hielt er 33 Prozent der Aktien. Der Chefredakteur von „XXI vek“, Juri Jurov, ging jedoch davon aus, daß Breus wegen kritischer Artikel über den neuen Bürgermeister der Stadt ermordet wurde. Ebenfalls am 3. Juli 2001 wurde Igor Alexandrov, Generaldirektor der Fernsehstation „Tor“ in Slavjansk, einem Ort in der Ostukraine, am Eingang des Senders von Unbekannten mit Baseballschlägern angegriffen. Er erlitt so schwere Kopfverletzungen, daß er darauf im Koma lag und in Lebensgefahr schwebte. Aleksandrov war 1998 zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, weil er einen Abgeordneten als „König des Wodka-Reiches von Donbas“ (Industriezone im Osten der Ukraine) bezeichnet hatte; zudem erhielt er ein fünfjährges Berufsverbot. Zwar zog der Abgeordnete seine Klage 2000 zurück, Aleksandrov bestand aber auf seiner Rehabilitation und brachte den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. In der Ukraine waren von 2000 bis 2005 insgesamt 13 Journalisten ermordet worden. Doch der Fall Gongadze markierte einen entscheidenden Wendepunkt. Er führte im Land zu einem Erwachen der Zivilgesellschaft. Im Ausland wurde man sich der ernsten Bedrohung der bürgerlichen Freiheiten in der Ukraine bewußt. Die Enthüllungen über mögliche Verwicklungen hochrangiger Regierungsvertreter in das ‚Verschwinden’ des Journalisten erschütterten die Macht von Staatspräsident Kuma, doch Staatsapparat, Justiz und Polizei verschleppten die Suche nach der Wahrheit. Generalstaatsanwalt und Innenminister, die der Journalist kurz vor seinem ‚Verschwinden‘ beschuldigt hatte, ihn bedroht zu haben, widersetzten sich jeder seriösen Untersuchung der Umstände des Verbrechens. Sie behaupteten, der Fall wäre abgeschlossen, die Täter verhaftet, diese wären aber leider selbst bereits ermordet worden. Der vom ukrainischen Parlament eingesetzten Untersuchungs-kommission wurden jegliche Mittel für erfolgversprechende Ermittlungen verwehrt. Reporter ohne Grenzen forderte daher, zusammen mit der Mutter des Journalisten, Alexandra Gongadze, sowie seiner Witwe Miroslava, die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission, die dank der Kooperation des Europarats und anderer europäischer Organe auch zustandekam.
[www.reporter-ohne-grenzen.de/aktu/pm/pm2001/pm060701.htm].
343
2.2
Protest gegen die politische Gängelung der Medien
Ukrainische Medienvertreter gaben sich derweil ahnungslos, aus Angst um ihre Stellung, aus Opportunismus, aus Überzeugung. Dimtrij Kiseljov vom Privatsender „ICTV“ aus Kiew meinte auf einer Tagung, die Ende März 2003 in Berlin stattfand275, er erleide in der Ukraine keine Zensur, wofür er heftigen Widerspruch seiner Kollegen erntete. Die Realität sähe ganz anders aus: Die bisher unaufgeklärten Ermordungen der Journalisten Georgij Gongadze und Igor Alexandrov seien ein Indiz dafür, daß es „Zensur durch Mord“ gibt. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ bewertete die Pressefreiheit in 139 Staaten, unter denen die Ukraine Platz 112 belegte und sich somit im letzten Viertel der untersuchten Staaten befand, in denen es um die Pressefreiheit am schlechtesten bestellt war. Selbst das Parlament in Kiev räumte Pressezensur in der Ukraine ein. Die systematische Gängelung durch Präsidentenverwaltung und lokale Staatsorgane gehörte zum Alltag der ukrainischen Medien. Selbst das Parlament, das mehrheitlich Sympathien für Präsident Leonid Kuma hegte, verabschiedete am 12. Januar 2003 eine Resolution, die Zensur in der Ukraine konstatiert. Dieser Sinneswandel war wohl nur durch den internationalen Druck von Europäischer Union, Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) möglich geworden. Erhebliche Erleichterung in ihrer Arbeit sahen ukrainische Journalisten durch diese Lippen-bekenntnisse jedoch nicht, vor allem weil man die Anwendung von Zensur juristisch nur schwer nachweisen könne. Der Redakteur der Zeitung „Zerkalo Nedeli“ („Wochenspiegel“) Serhij Rachmanin kritisierte, daß die undurchsichtigen Besitzstrukturen ein ständiges Einfallstor für Erpressungsversuche seien. Einerseits könne der Hauptbesitzer, zumeist ein finanzkräftiger Oligarch, der eng mit der politischen Macht verbunden ist, die Themen-auswahl bestimmen. Andererseits bekämen Medien, die die ukrainische Führung kritisieren, schnell Besuch von der Steuerinspektion. Horrende Steuernachzahlungen bedeuten den finanziellen Ruin. Ein beliebtes Spiel der Staatsorgane sei es, durch die Nutzungskonditionen kommunaler Bürogebäude Druck auszuüben. Mit angedrohten Mieterhöhungen werden die Redaktionen willfährig gemacht, mit Preisnachlässen werden sie geködert. Den juristischen Möglichkeiten gegen diese Schikanen vorzugehen, sei wenig Erfolg beschieden, schlicht weil die Gerichte nicht unabhängig seien, so Rachmanin, der die Gewaltenteilung im politischen System der Ukraine für äußerst mangelhaft hielt. Westliche Auslandssender waren der ukrainischen Regierung unter Kuma aus naheliegenden Gründen ein Dorn im Auge. So mussten die ukrainischen Partnerstationen der Deutschen Welle für 2003 neue Lizenzen beantragen, um das DW-Programm als Wiederholung ausstrahlen zu dürfen. Das kostete Geld, das kleine Stationen kaum haben. Westliche Beobachter stellten fest, daß es den staatlichen Organen regelrecht Spaß mache, ihr Klagerecht wegen Ehrverletzung auszunutzen. Durch Schadensersatzforderungen und andere Winkelzüge hatte der Staat stets den längeren Hebel, unliebsamen Medien einen Maulkorb zu verpassen. Zwar sei die Presse- und Medienfreiheit als Grundrecht garantiert, doch sah die Verfassungswirklichkeit anders aus. Einer der vielen Höhepunkt in der Kujonierung der Medien waren die sogenannten „Temniki“, bei denen es sich um Themenlisten handelte, die vom Presseamt der Präsidentenverwaltung an die Medien-macher großer Fernsehsta-
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Vgl. „Zensur mit perfiden Methoden“. Zur Situation der Presse- und Medienfreiheit in der Ukraine. Stimmen von einer Tagung in der Europäischen Akademie Berlin.Von Wilhelm Johann Siemers. 24.04.2003.
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tionen gingen. Darin wurde diktiert, über welches Thema in welcher Weise berichtet werden darf. Serhij Vasiliev, der als Leiter für Informationspolitik der Präsidialverwaltung Urheber dieser ominösen Listen war, spielte freilich deren Bedeutung herunter. Er stellte sie allen Ernstes ales Teil der „neuen Transparenzoffensive der Präsidentenadministration“ dar, was aktive Journalisten wie Olena Prytula, Chefredakteurin der Internetzeitung „Ukrajins‘ka Pravda“, nicht recht glauben wollten. Solche staatlichen Empfehlungen würden eindeutig Selbstzensur provozieren. Fernsehsender vermieden es für jeden erkennbar, Informationen über Oppositionelle wie Julija Tymošenko oder Viktor Jušenko zu bringen. Weniger bis gar nicht betroffen waren jene Fernsehschaffenden und Journalisten, deren Programm und Artikel weitgehend unpolitisch waren. Der Chef des Privatsenders ICTV, Kiseljov, gab zum Beispiel an, von diesen ominösen Themenlisten nichts zu wissen, was kein Wunder sei, so Olena Prytula, weil jeder wisse, daß der Besitzer von „ICTV“, Viktor Pinuk, der Schwiegersohn des Präsidenten ist. Ohnehin habe der TV-Sender mit seinem Musikprogramm, südamerikanischen Serien und einem dünnen Nachrichtenteil Zensur nicht zu fürchten. In diesem Streit um Medien- und Pressefreiheit war allein die Präsidentenwahl im Herbst 2004 ein Hoffnungsschimmer, und der zunehmende Wille der Journalisten, sich zu organisieren. Als Ministerpräsident Viktor Janukovy zum offiziellen Sieger der umstrittenen Präsidentenwahl vom 21. November erklärt wurde, schien für die ukrainischen Fernseh-zuschauer alles wie immer. Der Favorit des Regierungslagers hatte gewonnen. Wie in den guten alten Sowjetzeiten verkündete das Fernsehen genau das Ergebnis, das dem System genehm war276. Und doch war diesmal alles anders. Wer die Übersetzung der Nachricht in Gebärdensprache verstehen konnte, rieb sich die Augen: „Die von der zentralen Wahlkommission veröffentlichten Ergebnisse sind gefälscht, glauben Sie ihnen nicht“, gestikulierte Natalia Dimitruk in Gehörlosensprache im Fernsehsender „UT-1“. Dann signalisierte sie ihren Zuschauern, daß Jušenko der wahre Gewinner sei. Außerdem entschuldigte sie sich dafür, daß sie zuvor klaglos offiziöse Verlautbarungen übersetzt hatte: „Es tut mir leid, ich war gezwungen zu lügen...ich werde es nicht mehr tun.“ Mit dieser Geste des Widerstandes griff die orangefarbene Revolution der Straße endgültig auf die staatlichen Medien über. Zusammen mit zweihundert anderen Journalisten von UT-1 forderte die Simultandolmetscherin Dimitruk von ihrem Sender eine objektive Berichterstattung über die aktuelle Krise. „UT-1“ war die einzige ukrainische Fernseh-station, die ihre Nachrichten in Gehörlosensprache übersetzen ließ. Als hunderttausende Demonstranten die Straßen füllten, legten Dutzende von Redakteuren von „UT-1“ und anderen staatlichen oder regierungstreuen Sendern die Arbeit nieder und reihten sich bei den Demonstranten ein. Die Proteste hatten vielerlei Vorkommnisse ausgelöst – die Bevorzugung der staatlichen Politiker, die schönfärberische Berichterstattung über die Regierung, Schikanierung der oppositionellen Medien, daß regionale Politiker die Ausstrahlung des oppositionstreuen Fernsehsenders „TV5“ in den Städten Donezk und Lugansk sowie in den Regionen Charkiv und Užhorod unterbunden hatten. Auch der Fernsehsender TV Era berichtete der OSZE, dass die Behörden in Lugansk und Donezk die Ausstrahlung blockiert hätten. Die Taktik war dabei immer die gleiche: Regierungstreue Politiker setzen die Kabelbetreiber unter Druck, unerwünschte Sender werden dann einfach vom Netz genommen. Während aber in der Westukraine, die zur Opposition hielt, Kritik an der Regierung positiv aufgenommen
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Aleksandar Vasovi: Der Machtapparat in Kiew verliert zunehmend seinen Einfluss auf Rundfunk und Presse in der Ukraine. Immer mehr Journalisten trotzen der Schikane und berichten zunehmend regierungskritischer (2.12.2004). Artikel aus dem „Stern“ – weitere Artikel zur Revolution in der Ukraine unter: www.stern.de/politik/ausland/532797.html.
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wurde, konte es kritischen Journalisten in der regierungstreuen, russifizierten Ostukraine ganz anders ergehen. Reporter, die über eine Veranstaltung in Lugansk berichteten, wurden angegriffen. Henadi Ribenkov, Redakteur des oppositionellen Wochenmagazins „Ukrajina Centr“ wurde ebenfalls im Osten des Landes von Unbekannten zusammengeschlagen und schwer verletzt. Die Angreifer in der Hochburg der Regierungstreuen gaben dem Reporter eine unzweideutige Warnung – er solle künftig positiv über den moskautreuen Ministerpräsidenten Janukovy schreiben. All diese Punkte waren Gründe genug, um die Demonstranten auf die Barrikaden zu treiben. Im Dezember 2004 blickte die Welt gespannt auf den Maidan in Kiev, den Schauplatz der ‚Orangenen Revolution‘. Die friedliche, aber entschlossene Forderung der Ukrainer nach freien und fairen Wahlen, und nach kritischen Medien, die fair und unparteiisch darüber berichten sollten, wurde zum weithin beachteten Beispiel von Mut und Zivilcourage. In Deutschland riefen die Bilder Erinnerungen wach an die Montags-demonstrationen in Leipzig, Ostberlin und vielen anderen Städten in der ehemaligen DDR, bei denen sich die Ostdeutschen für Freiheit, Demokratie und die Wiedervereinigung Deutschlands einsetzten. Die ersten wirklich freien und fairen Parlamentswahlen in der Ukraine am 26. März 2005 brachten schließlich die Entscheidung, die Jubel auslöste: Seine Wahl brachte auch einen Umschwung im Umgang mit den Medien und dem fatalen Erbe der Kuma-Ära. Die Aufklärung des Mordes an Gongadze war eines der erklärten Ziele der Revolution in Orange. Drei der vier mutmaßlichen Mörder Gongadzes kamen in der Hauptstadt auf die Anklagebank277, namentlich Mykola Protasov, Oleksandr Popovy und Valerij Kostenko. Der vierte Verdächtige, Polizeigeneral Oleksij Puka, der nach Aussage der drei Polizisten Gongadze eigenhändig gewürgt hätte, war im Sommer 2005 von ukrainischen Agenten in Israel entdeckt worden, denen es aber nicht gelang, den General zu verhaften. Dieser setzte sich vermutlich nach Rußland ab. Interpol schrieb ihn zur Fahndung aus, was nach Meinung der Vertreterin der Anklage, Valentina Telyenko, im Grunde aussichtslos sei. Was bedeutet das schon, wenn er in Rußland ist, fragte sie. An der Stirnseite des Verhandlungssaales saßen die drei Richterinnen, links die Anklage, rechts die Verteidigung, und neben ihr, durch einen Eisenkäfig abgetrennt, zwei der drei Angeklagten. Außerhalb des Käfigs saß der in Freiheit befindliche Popovy, der als Fahrer an der Tat nur mittelbar beteiligt war. Das Interesse der Öffentlichkeit ließ trotz der zahlreichen Verhandlungstage nicht nach. Die Anwälte, die die Mutter und die Witwe des Ermordeten vertraten, kritisierten die immer noch herrschende Geheimniskrämerei. Die Richterin hatte entschieden, da Aussagen und Dokumente ‚Staatsgeheimnisse‘ enthalten könnten, sei die Öffent-
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Gnauck, G.: Ukrainische Geheimnisse. In: Die Welt, 22.2.2006 [www.welt.de/print-welt/article 199719/Ukrainische_Geheimnisse.html]. Am 1. März 2005 nahmen die Ermittler zwei Polizisten fest. Drei Tage später wurde der ehemalige Innenminister Jurij Kravenko tot aufgefunden, nur drei Stunden bevor er unter Eid aussagen sollte. Sein Tod wurde zum Selbstmord erklärt. Auf einem von seinem Leibwächter heimlich aufgenommenen Tonband soll Kravenko angeblich befehlen, Gongadze wegzuschaffen. Das Innenministerium gab im März 2005 zu, Gongadze kurz vor seiner Entführung überwacht zu haben. Am 1. August erklärte die Staatsanwaltschaft die erste Phase ihrer Ermittlungen für beendet und präsentierte vier Verdächtige. Trotz der Verhaftungen und der erzielten Erfolge in dem Mordfall Gongadze führten die erheblichen Mängel der Ermittlungen zu Verzögerungen. Im November 2005 verpflichtet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die ukrainische Regierung zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 100.000 Euro aufgrund der Klage von Miroslava Gongadze aus dem Jahr 2002. „Als ich die Klage einreichte, wollte ich die ukrainische Regierung dazu veranlassen, den Todesfall vollständig aufzuklären und die Auftraggeber und Vollstrecker dieses Verbrechens zu bestrafen, welche durch ihr vorsätzliches Handeln bzw. verbrecherische Unterlassungen die sorgfältigen Ermittlungen behinderten“, zitierte die Nachrichtenagentur ITAR-TASS Gongadzes Worte.
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lichkeit und damit auch die Journalisten nur bei prozeduralen Fragen zugelassen. Der Anwalt der Angehörigen Gongadzes meinte deshalb auch, man nähere sich dem Absurden, wenn eine Einheit im Dienste des Staates einen Menschen umbringt, und dann der Staat den Vorgang für geheim erkläre. Die drei Polizisten gestanden. Ihnen drohte lebenslange Haft. Die junge Anwältin hoffte jedoch, dass die Tat als Auftragsmord qualifiziert würde, was der Anklage erlaubt hätte, als nächstes nach den Auftraggebern zu fragen. Anwalt Fedur beantragte die Vorladung von Ex-Präsident Kuma. Damals ging es um nichts weniger als die Pressefreiheit, mit der es seit der Revolution eindeutig besser bestellt ist. Deutlichstes Zeichen dafür war, dass mehrere bekannte Journalisten aus Russland, wo die Luft immer dünner wurde, nach Kiev übersiedelten. Savik Schuster, der mit seiner Talkshow „Die Freiheit des Wortes“ im Moskauer Sender „NTV“ Schwierigkeiten bekam, brachte nun seine Sendung unter demselben Namen im ukrainischen „ICTV“. Mehrere russische Zeitungen gründeten ukrainische Ableger, wobei sich auch deutsche Verleger für den ukrainischen Medienmarkt zu interessieren begannen. Die „Handelsblatt“-Gruppe hob in Kiev die Tageszeitung „Delo“ (Unternehmung, Geschäft) aus der Taufe. Am Gebäude des Journalistenverbands am Chrešatyk, dem Kiever Boulevard, hing bald eine Tafel mit den Namen von achtzehn Journalisten. Sie bezahlten den ‚Kampf für die Wahrheit‘ mit ihrem Leben – vor der Revolution.
2.3
Die heutige Situation der Medien in der Ukraine
Die freie Entwicklung der Medien, die die orangene Revolution erkämpfte, konnte nur an eine relativ kurze Phase der Freiheit anknüpfen, an die Zeit unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, vor der kommunistischen Machtergreifung, und an eine Zeit relativer Pressefreiheit, die jedoch nur für jene Gebiete im Westen der Ukraine galt, die zur österreichischen Vielvölker-Monarchie gehörten. Die ‚orangene Revolution‘ brachte den ukrainischen Medien neue Rahmenbedingungen, wobei zwischen Praxis und Theorie wie immer ein großer Graben klaffte. Die fehlende wirtschaftliche Rentabilität der Medien brachte nach wie vor viele Zeitungen in finanzielle Abhängigkeit von fragwürdigen Geldgebern. In Artikel 34 der ukrainischen Verfassung wird den Medien die Unabhängig-keit garantiert. 1992/93 und 1997 wurden zentrale Gesetze zur Regelung der Massenmedien verabschiedet. Diese Gesetze finden in der heutigen Ukraine nur begrenzte Anwendung. Durch die wirtschaftliche Abhängigkeit der Medien von finanziellen Geldgebern werden die Gesetze immer wieder übergangen. Somit dienen die ukrainischen Medien eher als Sprachrohr für ihre finanziellen Geldgeber, und übernehmen auch nicht ihre eigentliche Aufgabe in einer demokratischen Gesellschaft. Eine Presse, die sich wirtschaftlich selbst tragen würde und vor allem unabhängig wäre, gibt es in der Ukraine bis heute nicht. Während sich die deutsche Presse vor allem aus zwei Quellen, den Vertriebs- und Werbeeinnahmen, finanziert, decken diese Erlöse in der Ukraine nicht einmal die Produktionskosten. So ernüchternd es ist, aber nur Publikationen in den Bereichen Unterhaltung, Werbung und #Erotik arbeiten gewinnbringend auf dem ukrainischen Printmarkt. Die Kaufkraft der ukrainischen Bevölkerung ist gegenüber der deutschen nur sehr schwach ausgeprägt. Dementsprechend sind die diversen Werbemärkte auch nur gering ausgeprägt. So wird die ukrainische Presse entweder vom Staat finanziert, oder im Falle von der privaten Presse vom Eigentümer selbst. Ziel des Geldgebers ist nicht etwa Gewinn zu machen, sondern eher die Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Dies ist natürlich für den Printmarkt nicht gerade rentabilitätsfördernd.
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In Zeiten des Wahlkampfes wurden Zeitungen auch zum Spottpreis verkauft oder sogar verschenkt. Die Presse wurde zum politischen Instrument. Trotz dieser schlechten wirtschaftlichen Perspektive, gibt es in der Ukraine einen regelrechten Publikationsboom. Laut dem ukrainischen Rosumkov-Zentrum für politische und wirtschaftliche Forschung stieg die Anzahl der Presseerzeugnisse in den letzten Jahren von 1.799 auf 2.551 Zeitungen, sowie von 206 auf 1.374 bei den Zeitschriften. Und das obwohl die eigentliche Gesamtauflage um mehr als ein Drittel zurückging. Diese Lage der ukrainischen Druckerei- und Verlagsindustrie rückte diese nach der Orangenen Revolution stärker ins Blickfeld potenzieller ausländischer Investoren, wobei die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage des Landes vermehrt Ausschau nach strategischen Partnern hielten und auf Kapitaleinstiege hofften. Der Weltverband „International Federation of the Periodical Press“ (FIPP) wies in seiner Verbandszeitschrift 2007/08 nach, daß die Ukraine einer der wenigen Zeitschriftenmärkte mit zweistelligen jährlichen Wachstumsraten ist. Das Interesse an Zeitungen und Zeitschriften (Druckausgaben) ist in der Ukraine ungebrochen, ja steigend. Und das trotz der Tatsache, daß auch dort vor allem jüngere Menschen meist andere Medien bevorzugen, wenn sie sich informieren und orientieren wollen. Die demographische Entwicklung im Lande spricht ebenfalls eher gegen steigende Auflagen von Periodika. Die Lebenserwartung bei Männern liegt bei nur mehr knapp über 60 Jahren. Die Geburtenraten haben seit Anfang der 1990er Jahre stark abgenommen, so dass weniger neue, junge Leser nachwachsen. Finanzielle Ressourcen für gedruckte Produkte brechen auch in der Ukraine weg, weil große Teile des Anzeigengeschäfts unwiederbringlich an das Internet verloren gegangen sind. Gleichwohl ist der Anzeigenmarkt Print in der Ukraine während der letzten Jahre um bis zu 20 Prozent pro Jahr gewachsen. Prognosen zufolge wollte man 2009 ein Volumen von 400 Millionen US-Dollar erreicht haben. Die Expansion des Anzeigenmarkts geht mit steigenden Zeitungs- und vor allem Zeitschriftenauflagen einher. Marktforscher wollen heraus-gefunden haben, dass die ukrainischen Privathaushalte 2007 durchschnittlich 1,9 Zeitungen oder Zeitschriften abonniert hatten, und dass es bei diesem Indikator zuletzt im Jahresmittel Steigerungsraten von 5 bis 7 Prozent per annum gegeben hatte. Allein die auf den Abonnementsvertrieb entfallende Auflage von überregionalen Kaufzeitungen und -zeitschriften machte in der Ukraine Anfang Januar 2008 insgesamt 11,32 Millionen Exemplare aus. Das waren 8 Prozent mehr als die Auflage, die Anfang 2007 erreicht worden war. Was Tageszeitungen anbetrifft, so erreicht die im Kiosk- und Abonnementsvertrieb verkaufte Auflage einer Schätzung des ukrainischen Verlegers Boris Feldman zufolge zurzeit erst 1,4 Millionen Exemplare. Andere Angaben sprechen von 1,5 bis 1,7 Millionen. Analysten halten für die Ukraine mit ihren 46 Millionen Einwohnern ein Marktvolumen von 10 bis 12 Millionen Zeitungen pro Tag für möglich. Das Segment wäre damit noch weit von einer Sättigung entfernt. Der Teilmarkt der lokalen und regionalen Tageszeitungen ist außerdem erst im Entstehen begriffen. Die Kultur des Zeitungslesens müsse in der Ukraine aber erst noch bzw. wieder entwickelt werden, heißt es bisweilen. Es gebe viel zu wenig Kioske und sonstige Einzelhandelsverkaufsstellen für Zeitungen. Der Zeitungs- und Zeitschriftenvertrieb sei vielerorts, nicht zuletzt in Kiev, von teilweise chaotischen und ruinösen Konkurrenzverhältnissen, von Desorganisation und mangelnder Transparenz geprägt. Wegen des stattlichen Marktpotenzials erscheint die Ukraine manchen ausländischen Presseverlagen als ein attraktives Zielland für Investitionen. Im Erfolgsfall winken hohe Auflagen und Umsatzrenditen im zweistelligen Bereich. Nach dem ukrainischen Medienrecht gibt es klare Grenzen für die Eigentumskonzentration in den Massenmedien. Das Gesetz über die Presse #verbietet jedem Unternehmer, mehr als 5 Prozent des
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Printmarktes zu kontrollieren. Laut „Gesetz über den Rundfunk“ darf keine Rundfunkorganisation, einschließlich ihrer Tochtergesellschaften, #mehr als zwei Fernsehkanäle und drei Rundfunk-kanäle betreiben, oder mehr als #30 Prozent des Satzungskapitals von Unternehmen des Druckerei- und Verlagswesens und des Rundfunks sich in ausländischer Hand befinden – eine Hürde, die das ukrainische Parlament, die Verchovna Rada, jedoch im November 2006 im Zuge der Novellierung des „Gesetzes über das Verlagswesen“ beseitigte, aber nur befristet für fünf Jahre (ab dem im Mai 2008 erfolgten Beitritt der Ukraine zur WTO). Trotz dieser Gesetze sehen die Eigentumsverhältnisse in der Ukraine anders aus278.
2.4
Ukrainische Zeitungen und Zeitschriften
Die Zahl der auf dem ukrainischen Markt vertriebenen Zeitungs- und Zeitschriftentitel zeigt, dass die Orangene Revolution dem ukrainischen Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt, der an sich schon sehr reichhaltig war, neuen Auftrieb gegeben hat. Grundsätzlich gilt, dass die Zahl der ukrainischsprachigen Zeitungen und Zeitschriften im Westen höher ist, während sie im Osten und Süden gegenüber russischsprachigen deutlich ins Hintertreffen gerät. Diese Spaltung der Ukraine in einen russisch geprägten und politisch eher nach Moskau tendierenden Teil und einen ukrainisch-patriotisch geprägten Westen, der sich historisch begründet als Teil Mittelosteuropas empfindet, schlägt sich natürlich auch in der Tendenz der Berichterstattung nieder. Als Janukovy, der Kandidat der „Partei der Regionen“ im Februar 2010 zum Präsidenten gewählt wurde, und das erneut dank weitreichender Wahlfälschungen, wie ihm die Mitbewerberin Julia Tymošenko vorwarf, waren die Medien der Ostukraine, wo Janukovy schon 2004 den größten Rückhalt hatte, voll von zustimmenden Berichten279. Man brauchte sich nur die Schlagzeilen von Zeitungen wie der russischsprachigen „µ ¨ * “ („Fakty i kommentarii“, „Fakten und Kommentare“)
278
279
Die Medien teilen sich ukrainische Medienzaren wie #Viktor Pinuk, dem (2005) die Fernsehsender ICTV, „Novyj Kanal“, STB, M1, „11. Kanal“, die Zeitung „Fakty i Kommentarii“, der Radiosender „Dovira“, und die Nachrichtenagentur „Ukrajins‘ki novyny“ gehörten. #Andrij Derka gehörten der Fernseh- und Radiosender „Era“, die Zeitungen „Kievsky Telegraf“ und die Nachrichtenagentur „Versii“. Grigorij Surkis und Viktor Medveduk gehörten die Fernsehsender „TET“, „Enter“, „Alternativa“, die Radiosender „Šanson“, „Radio Z“, die Zeitungen „Kievskie Vedomosti“ und „Naša gazeta“, die Wochenzeitungen „Zakon i bisnes“, „2000“, „Bisnes“ und die Zeitschrift „Natalie“. Der Oligarch #Rinat Achmetov, der 2010 einen Beleidigungsprozess gegen eine französische Zeitung gewann, besaß den Fernsehsender „Ukraina“, den Radiosender „Ljuks“, die Zeitung „Sevodnja“ sowie die Wochenzeitung „Salon Dona i Basa“. #Petro Porošenko besaß den Fernsehsender „Pjatyj“ – der fünfte (Kanal) –, den Radiosender „Niko Fm“ und die Zeitung „Pravda Ukrajiny“. #Boris Ložkin gehörten die Radiosender „Evropa Plus Ukrajina“, „Vzrosloe radio“, „Avtoradio“, „Musikradio“, „Jam FM“ und „Star FM“ sowie die ursprünglich russischen Zeitungen „Argumenty i fakty v Ukraine“, das Klatschblatt „Komsomol‘skaja pravda v Ukraine“, „Izvestija v Ukraine“, „Soveršeno sekretno v Ukraine“ und „Ekspresgazeta v Ukraine“. Ausländische Berichterstatter, die meist nur Russisch beherrschen, und eher dem westlich orientierten politischen Lager zuneigten, zeigten eine andere Art von Einseitigkeit. In einem Fernsehduell zwischen Jušenko und Janukovy im Herbst 2004 sprach Jušenko zum Beispiel Ukrainisch und der russlandfreundliche Janukovy Russisch. Am nächsten Tag stand in vielen Korrespondentenberichten, Jušenko wäre seinem Widersacher rhetorisch haushoch überlegen gewesen. Eine Aussage, die auf tönernen Füßen stand, weil kaum ein deutscher Journalist Jušenko verstanden hatte. Die Quelle für diese Aussage war meist der russisch- oder englischsprachige Online-Dienst ukrainischer Zeitungen. Von Objektivität konnte hier also keine Rede sein. [Vgl. Inozemtsev, J.: Teil des Rausches. Selbstkritisches von deutschen Osteuropa-Korrespondenten zur Orangen Revolution. In: Eurasisches Magazin, 31.7.2008].
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[www.facts.kiev.ua] anzusehen. Die „Fakten und Kommentare“ war lange Zeit die größte ukrainische Boulevardzeitung. Wie die meisten der großen ukrainischen Zeitungen wird sie in der Hauptstadt Kiev gedruckt (Format: Tabloid, erscheint Dienstag bis einschließlich Samstag; Auflage: ca. 1,1 Millionen). Seit ihrer Gründung im August 1997 stand die Zeitung unter der Kontrolle von Viktor Pinuk, dem Schwiegersohn von Ex-Präsident Leonid Kuma. Was die Zeitung im Übermaß bietet, ist einfach gestrickte Lektüre zum Tagesgeschehen, gelegentlich auch Interviews. Vor allem überhäufte sie Präsident Kuma mit Lob und machte bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Opposition nieder. Die Zeitung hatte die Führerschaft auf dem ukrainischen Markt für Printmedien fest in ihrer Hand. Doch ließ ihre Position in letzter Zeit nach, zumal in Kiev, wo die „Fakty“ nach den Verkaufszahlen von „Sevodnja“ („Heute“) überholt wurde. Diese 1997 gegründete Zeitung [www.segodnya.ua/index.html] erscheint wie ihr Gegenpart in russischer Sprache (Auflage ca. 700.000). Dem Lager der Premierministerin Julija Tymošenko wurde eher die ebenfalls russischsprachige „>± * >^“ („Veernije Vesti“, „Abendnachrichten“) zugerechnet, die eine Auflage von einer halben Million erreicht. Die Tatsache, dass eine Zeitung in ukrainischer Sprache erscheint, ist meist auch ein Ausdruck ihrer politischen Haltung, die sich in teils traditionsreichen Titeln spiegelt wie „Postup“, „Ratuša“, Subotnja Pošta“ oder „Za vil’nu Ukrajinu“ („Für die freie Ukraine“). Umstrittene Themen wie die sogenannte „ukrainische Heimatarmee“, die im Bürgerkrieg nach dem Ersten Weltkrieg unter dem ukrainischen Staatssymbol, dem gelben Dreizack auf blauem Grund, dem ‚tryzub‘, gegen die Kommunisten kämpften, erscheinen in der Westukraine in einem positiveren Licht als im Osten. Es ist zum Beispiel bezeichnend, daß Janukovy früher die alte, aus der sowjetischen Ära stammende Flagge bevorzugte, sich aber im jüngsten Wahlkampf um das Präsidentenamt als guter ukrainischer Patriot zu geben versuchte und wie seine Gegner, die ihr Orange verbannt hatten, die traditionsreichen ukrainischen Farben zeigte, Blau und Gelb, die man volkstümlich vom strahlenden Himmel über den Kornfeldern der Ukraine ableitet, die aber tatsächlich auf das Wappen des Fürstentums Galizien zurückgehen. Die ehemals kommunistische, danach linksgerichtete Agrarzeitung „¶!{^{ ¶ ¶^¶“ („Dorfnachrichten“) versteht sich laut ihrem Untertitel als „Zeitung zur Verteidigung der Interessen der Bauern der Ukraine“ (www.silskivisti.kiev .ua/18461/index.php), und wurde ihrer Geschichte zum Trotz (1920 gegründet) in der bleiernen Kuma-Zeit zu einem Sprachrohr der nach wie vor von allgewaltigen Direktoren der Sowjetzeit kujonierten Bauern. Das Regime rächte sich mit allen Mitteln. Das Massenblatt „Sil‘s‘ki Visti“ musste zum Beispiel gegen einen Namensvetter gleichen Formats und gleicher Schrift, nur mit gegenteiligem Inhalt kämpfen, der kübelweise Kehricht über die Opposition ausgoß. Staatstragend, aber inhaltlich nicht weniger polemisch gegen die Opposition argumentierte damals die Zeitung des ukrainischen Parlaments, die „Stimme der Ukraine“ („Holos Ukrajiny“, „· ! ^ ® ³*“). Die Zeitung wurde 1991 gegründet, erscheint in ukrainischer Sprache in einer Auflage von etwa 160.000 Exemplaren. Die Zeitung der ukrainischen Regierung ist der „Uriadovyj kurjer“ („® } ~ ‘¸ “, „Amtskurier“), der seit 1990 von Dienstag bis Samstag in einer durchschnittlichen Auflage von 120.000 Exemplaren erscheint. Zu den Zeitungen, die in russischer Sprache erscheinen, und damit vor allem in der Ost- und Südukraine gelesen werden, zählt der ukrainische Ableger der russischen „Arugumenty i Fakty“, die einen relativ sachlichen Stil mit knalliger Aufmachung verbindet, und der folgerichtig „Argumenty i Fakty v Ukraine“ („< ¬*¨ ¹ ¨ ® *“, „Argumente und Fakten in der Ukraine“ – www.aif.ua) heißt. In ukrainischer Sprache erscheinen: die 1992 gegründete Tageszeitung „Kievskie Vedomosti“ („|^
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^“, „Kiever Nachrichten“, www.kv.com.ua), die Montag bis Samstag erscheint und eine Auflage von 150.000 Exemplaren hat; die „Ukrajina moloda“ („® ³* ! “, „Junge Ukraine“ – www.umoloda.kiev.ua), in einer Auflage von ungefähr 100.000 Exemplaren (Dienstag bis Samstag, Broadsheet). Auf Ukrainisch und Russisch erscheinen die 1996 gegründete Tageszeitung „Den“ („Der Tag“, Auflage: 62.000), die 1994 gegründete Wochenzeitung „Zerkalo nedeli“ („ ! *!“, „Sonntagsspiegel“, Auflage: 43.000), die samstags erscheint. In der offiziellen und quasi-offiziellen Sprache der Ukraine, jedoch nur online ist die „Ukrajins‘ka Pravda“ zu lesen („® ³*^{ \ “, „Ukrainische Wahrheit“ – www.pravda.com.ua). Der ermordete Journalist Georgij Gongadze hatte sie 2000 ins Leben gerufen. 2004 eine der publizistischen Vorbereiterinnen der Orangenen Revolution, ist sie bis heute eine Verfechterin der Ideen der Revolution. Ihr Stil ist kritisch und wohltuend sachlich. Aus der Vielzahl der regionalen Zeitungen sind die in Lemberg erscheinenden Zeitungen „Ekspres“, „Wysokyj Zamok“, oder die „L’vivs‘ka gazeta“ zu nennen. Das norwegische Medienunternehmen „Orkla“ und das im westukrainischen Vinycja beheimatete Verlagshaus „RIA“, das nach eigenen Angaben der führende Regionalpresse-Verlag der Ukraine sei, geben elf eigene regionale Tageszeitungen heraus, darunter das Billig-Blatt „20 Minut“, in sechs regionalen Hauptstädten der Ukraine, in Vinycja, Ternopil, Šytomyr, Chmelnycky, ernivcy und Mykolajiv, sowie vier Publikumszeitschriften, darunter das in Kiev erscheinende Monats-Journal „Kyjivsky Kapitalist“.
2.5
Fernsehen, Radio und Agenturen in der Ukraine
In der Ukraine gibt es sowohl staatlichen als auch kommerziellen Rundfunk. Staatlich bedeutet in dem Fall, dass die Rundfunkorganisationen den Behörden unterstellt sind. 28 Sender werden von den nationalen, und über 250 Sender von den regionalen Behörden kontrolliert. Mehr als 500 Sender werden dagegen von privatwirtschaftlichen Unternehmen geleitet. Lange führte man eine Diskussion darüber, einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Ukraine einzuführen. Das Rundfunkgesetz „Über Fernsehen und Hörfunk“ sieht, nach einer Änderung des Gesetzestextes im Jahre 1995, vor, dass neben staatlichem und kommerziellem Rundfunk auch öffentlich-rechtlicher Rundfunk in der Ukraine vorgesehen ist. Bereits 1997 wurde das Gesetz „Über das öffentlich-rechtliche Fernseh- und Hörfunksystem“ verabschiedet. In dessen Präambel heißt es, dass ein öffentlich-rechtliches System eingerichtet wird, um „das Bedürfnis der Gesellschaft nach aktueller Information umfassend zu befriedigen und eine Vielfalt an Sendungen, die die nationalen Traditionen und sittlichen Werte des ukrainischen Volkes berücksichtigen, zu gewährleisten“. Im Jahr 1997 trat außerdem eine Verordnung in Kraft, die den Aufbau eines entsprechenden Systems vorantreiben sollte. Laut der Verordnung „Über die Schaffung einer Fernseh- und Hörfunkorganisation für öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ sollte unter anderem eine Aktiengesellschaft gegründet werden, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk leiten sollte. Doch der „Nationalrat für Fragen des Rundfunks“ verweigerte dieser Aktiengesellschaft die Lizenz für die Ausstrahlung und eine Finanzierung der Gesellschaft aus dem Staatshaushalt wurde verhindert. So konnte die Arbeit an einem öffentlich-rechtlichen System nicht aufgenommen werden. Nach der Orangenen Revolution hat sich die Diskussion um das Thema jedoch wieder verstärkt. 2005 wurde der Verband „Öffentliches Recht“ gegründet. Dieser reichte eine Gesetzesvorlage im Parlament ein, die jedoch lange nicht verabschiedet wurde. Weiterhin entwickelten der „Nationalrat für Fragen des Rundfunks“ und das „Parlaments-
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komitee für Fragen der Meinungs- und Informationsfreiheit“ verschiedene Projekte. Eines dieser Projekte sah vor, den staatlichen ersten Sender „UT1“ in einen öffentlich-rechtlichen Sender umzuwandeln. Ein Grund für das langsame Vorankommen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist der mangelnde Wille der Politiker. Mit einer Umwandlung in 14 öffentlich-rechtliche Sender fürchtet man einen politischen Kontrollverlust über die Sender, den es zu vermeiden gelte. Außerdem befürchten sie, dass eine oppositionelle Partei die Kontrolle über einen möglichen öffentlich-rechtlichen Sender erlangen könnte. Außerdem ist nicht klar, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Einzelnen finanziert werden soll. Dabei wurde gerne die Frage diskutiert, ob die ukrainische Bevölkerung überhaupt bereit und fähig sei, den Rundfunk über Gebühren zu finanzieren. Laut ukrainischer Verfassung sind die Medien frei, wobei die oftmals unklare Gesetzeslage ermöglicht, dieses Gebot zu umgehen. In der Ukraine gibt es zwar verschiedene Gesetze über den Rundfunk, diese werden aber immer wieder, ohne erkennbare Folgen, übertreten. Das Gesetz „Über Fernsehen und Hörfunk“ sieht vor, dass eine Rundfunkorganisation in der Ukraine nicht mehr als zwei Fernseh- und drei Rundfunksender betreiben darf. Außerdem dürfen nicht mehr als 30 Prozent der Anteile einer Organisation in ausländischer Hand sein. Beide Maßgaben werden in der Praxis oft genug mißachtet, häufig ohne Folgen. Viele Medien befinden sich in der Hand weniger Investoren. So besitzt zum Beispiel Viktor Pinuk, der zweitreichste Oligarch der Ukraine und Schwiegersohn des ehemaligen Präsidenten Leonid Kuma, allein sechs Fernsehsender. Rundfunklizenzen werden in der Ukraine durch den „Nationalrat für Fragen des Rundfunks“ vergeben. Diese haben eine Geltungsdauer von sieben Jahren. Die Übertragungsnetze werden von dem zu 100 Prozent staatlichen Konzern „RRT“ kontrolliert („Koncern Radiomovlennja, Radiozv’jazku ta Telebaennja“, www.rrt.ua). Das deutsche Grundgesetz schützt in Artikel 5 die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Films. Doch im Gegensatz zur Ukraine wird die Einhaltung dieses Gesetzes überwacht. Auch werden die Übertragungsnetze nicht vom Staat kontrolliert, sondern von verschiedenen privatwirtschaftlichen Betreibern. Der Rundfunk gilt in der Ukraine als wichtigstes Informationsmittel für die breite Bevölkerung. Daraus erklärt sich die immense Anzahl von Fernseh- und Radiosendern. Über 1250 Organisationen sind im staatlichen Register eingetragen. Jedoch arbeitet nur die Hälfte von ihnen überhaupt profitabel. Die andere Hälfte kann infolge finanzieller Probleme nicht regelmäßig senden. Dies führt dazu, dass sich die Sender in die Abhängigkeit von Geldgebern begeben müssen. Der Vielzahl an Rundfunkstationen stehen nur 12 Fernsehsender gegenüber, die landesweit senden. Die größte technische Reichweite besitzt der „Erste nationale Kanal“ („Peršyj“, „Erster Kanal“). Obwohl er die größte flächenmäßige Ausbreitung besitzt, sind die Einschaltquoten gering. Die höchsten Einschaltquoten haben die privaten Sender „Inter“ und „1+1“ [www.1plus1.net]. Alle drei Sender sollen von der sozialdemokratischen Partei der Ukraine (SDPU(v)) abhängig sein, der Partei des ehemaligen Präsidenten Kuma, die neben der Partei der Regionen und den Kommunisten zu den aggressivsten anti-Jušenko-Kräften gehörte. Drei weitere wichtige private Sender, „STB“, „Novyj Kanal“ und „ICTV“ sind in der Hand des Oligarchen Viktor Pinuk. Acht Radiosender sind in der Ukraine landesweit zu empfangen. Die wichtigsten Sender sind in der Nationalen Hörfunkgesellschaft „Nacional’na radiokompanija Ukrajiny“ (NRCU) zusammengefasst. Die Hörfunkgesellschaft strahlt neben drei ukrainischen auch einen internationalen Sender aus. Dieser überträgt Berichte in ukrainischer, englischer, deutscher und rumänischer Sprache. Weitere Radiosender sind zum Beispiel „Naše Radio“ oder „Russkoje Radio“, das aus Russland übernommen wurde.
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Die enorme Beliebtheit des Rundfunks bei der Bevölkerung erklärt auch, warum Politiker immer wieder versuchen Kontrolle über den Rundfunk zu erlangen. Dies gelingt heute, nach der Orangenen Revolution, zwar immer seltener, jedoch ist dieses Problem noch nicht aus der Welt geschafft. So wird zwar über jede politische Partei berichtet, aber diese Ausgewogenheit kommt nur dadurch zustande, dass sich die verschiedenen Lager Nachrichten und Sendezeiten erkaufen. Weiterhin sind verschiedene Rundfunk-organisationen von Politikern oder politischen Parteien abhängig. So sind, wie erwähnt, allein drei Sender von der SDPU(v) abhängig. Die finanzielle Abhängigkeit von vielen Sendern führt ebenso zu einer Beeinflussung der Berichterstattung. Das Werbegesetz der Ukraine, das 1996 verabschiedet wurde, richtet sich wie in vielen anderen ehemaligen Teilstaaten der untergegangenen UdSSR nach dem Vorbild des Werbegesetztes in der Russischen Förderation. Grundlegende Richtlinien für die Werbung sind, dass unlautere, rechtswidrige unethische und irreführende Werbung, sowie Schleichwerbung verboten sind. Für den Rundfunk explizit gilt, dass Werbespots vom Programm getrennt ausgestrahlt werden müssen. Weiterhin gilt, dass höchstens 15 Prozent der täglichen Sendezeit mit Werbespots besetzt sein dürfen. Der „Nationalrat für Fragen des Rundfunks“ hat das Recht Mindest- bzw. Höchstpreise für die Platzierung von Werbung im Fernsehen festzulegen. Eine besondere Regelung ist, dass Werbung für ausländische Produkte eingeschränkt ist. Werbung für ausländische Produkte gilt dann als rechtswidrig, wenn der ukrainische Sender nicht von der Werbung profitieren kann. Die „Gesamtukrainische Werbekoalition“, eine Einrichtung zur Selbstregulierung, hatte Einspruch gegen die Änderung des Werbegesetztes eingelegt, wonach Werbung nur noch in ukrainischer Sprache gesendet werden sollte. Diesem Einspruch wurde jedoch nicht stattgegeben. Dadurch, dass sich die politische Einflußnahme der Regierung nach der Revolution im Jahre 2004 verringert hat, kann der Rundfunk kritischer über politische Angelegenheiten berichten und auch Politiker der Opposition kommen zu Wort. Die Politiker wissen jedoch noch nicht, wie sie mit der Kritik aus den Medien umgehen sollen. Oftmals neigen sie dazu, negative Berichte zu ignorieren. Ein weiteres Novum nach der Revolution im Jahre 2004 war, dass im ukrainischen Rundfunk nur noch Ukrainisch gesprochen werden darf. Der Sender, der dies nicht berücksichtigt, muss damit rechnen, dass seine Sendelizenz nicht verlängert wird. Nur in Regionen mit überwiegend nicht-ukrainischen Mehrheiten dürfen die Lokalsender die russische Sprache benutzen. Außerdem versprachen die Vertreter der neuen Regierung, das Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk stärker zu verfolgen. In der Ukraine gibt es ungefähr 120 registrierte Nachrichtenagenturen. Ein beträchtlicher Anstieg, wenn man bedenkt, dass es noch im Jahr 2000 nur 35 Agenturen waren. Die staatliche Nachrichtenagentur heißt „Ukrajins’ke Nacional’ne Informacijne Agenstvo“ („Ukrainische Nationale Informationsagentur“)280 [http://news.ukrinform.com/ukr/]. Die größten drei neben der staatlichen Agentur sind „#Ukrinform“, die staatliche Nachrichtenagentur „#Interfax-Ukrain“ und die unabhängige Nachrichtenagentur „#Unian“ („Ukrainische unabhängige Nachrichten-agentur“). Seit der Einführung des Internets Anfang der 1990er Jahre, hat das Internet mehr und mehr an Bedeutung auch in der Ukraine gewonnen. Mehr als 280 Internet-Provider arbeiten heute in der Ukraine. Eine Suchmaschine für ukrainische Themen, allerdings auf Russisch, ist „bigmir“ [www.bigmir.net]. Laut Angaben des Kiever
280
Die staatliche Agentur veröffentlicht ihre Nachrichten auf ukrainisch und auf englisch. Eine sehr übersichtliche deutschsprachige Nachrichtenseite, die auch Nachrichten aus der Ukraine enthält, ist „Newstin“ [www.newstin.de/de/ukraine].
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„Internationalen Soziologischen Instituts“ (KIIS) nutzen 20 Prozent der ukrainischen Bevölkerung das Internet. Dieser Anteil ist im stetigen Wachstum begriffen, weil es noch immer keine rechtlichen Vorgaben und staatlichen Kontrollmechanismen gibt, die die Arbeit der Onlinemedien regulieren würden. Viele der Printmedien sind auch online präsent. Es gibt aber auch reine Online-Publikationen wie „Ukrajins‘ka Pravda“, „#ProUa“, „#UaToday“, und „#Korrespondent.net“.
2.6
Minderheiten- und Regionalmedien in der Ukraine
Die Minderheiten in der Ukraine haben zumeist auch eigene Zeitungen und Zeitschriften in ihren jeweiligen Sprachen. Ein interessantes Beispiel ist die in der Westukraine, in der Region Transkarpatien beheimatete slawische Minderheit der Russinen oder KarpatoRuthenen, die allgemein wenig bekannt ist. Unter kommunistischer Herrschaft vermutete man hinter ihrem Willen zu kultureller Eigenständigkeit Separatismus und erklärte sie einfach zu Ukrainern. Ihre Verwandten in der angrenzenden Slowakei zogen es vor, sich als Slowaken zu deklarieren; in Polen passten sie sich relativ rasch an die polnische Mehrheitskultur an. Diese der kulturellen und sprachlichen Entwicklung wenig förderlichen Bedingungen – nur im ehemaligen Jugoslawien waren die Russinen und ihre Sprache anerkannt – änderten sich erst mit dem Ende der kommunistischen Diktaturen. Nach 1989 erfasst alle nationalen russinischen Gruppen, die über das Karpaten-Grenzgebiet mehrerer mittelostund südosteuropäischer Staaten verteilt leben, eine wahre kulturelle Wiedergeburt, die auch ihre Medien aufblühen ließ. Die Russinen besitzen heute eigene Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunkprogramme. Wie umfangreich das Angebot an Sendungen ist, hängt vom minderheitenpolitischen Engagement des jeweiligen Landes ab, in dem Russinen leben. Die serbische Vojvodina tut sich in dieser Hinsicht hervor, auch die Slowakei, während die Ukraine ihre russinische Minderheit nach wie vor mit Argwohn beobachtet und zuviel kulturelles Engagement kritisch sieht. Vor allem nachdem 2008 eine Gruppe karpatoruthenischer Aktivisten der Kiever Regierung ein Ultimatum gestellt hatte, der Region Transkarpatien Autonomie zuzugestehen. In der Region Transkarpatien wurden in den Jahren seit der Öffnung des Eisernen Vorhangs etliche Medien gegründet, die sich an die regionale Bevölkerung wenden – und interssanterweise in erster Linie von Journalistinnen betrieben wurden. Die Männer interssierten sich kaum für die wenig gewinnbringenden Medien. Sie wollten das große Geschäft machen. Dennoch sicherte sich die Politik auch in der Region die Kontrolle über die wichtigen Radio- und Fernsehsender. Bis heute sind regional und überregional Radio und TV die Hauptinformationsquellen, das gedruckte Wort folgt weit abgeschlagen. Und die unabhängigen Medien blieben lange ein Randphänomen, so wie das Lokalradio „Sviet“. In Transkarpatien gab es 2004 zehn regionale Wochenzeitungen, wobei die meisten von Regionalpolitikern kontrolliert wurden, die damit ihr Prestige als erfolgreicher Geschäfts-mann zu heben trachteten. Die größte Wochenzeitung „Rio“ hat eine Auflage von ungefähr 2.000 Exemplaren und gehörte dem früheren Bürgermeister von Užhorod, der Hauptstadt Transkarpatiens. Als Zeitung der Opposition hatte „Rio“ immer wieder Probleme mit der Justiz. Bei den anderen Printmedien hat sich die Selbstzensur so eingespielt, dass sie von staatlichen Angriffen ungeschoren bleiben. Der Informationsgehalt der Zeitungen ist dürftig und das journalistische Niveau tief. Dazu kommt, dass die Regionalzeitungen nur wöchentlich erscheinen und die Aktualität deshalb zu wünschen übrig lässt. Die meisten Zeitungsle-
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ser leben in den großen Städten. Die Gesamtauflage der Presse ist in den letzten Jahren stark gesunken, in erster Linie, weil sich viele Familien keine Abonnements mehr leisten können oder wollen. Die Tageszeitung „Fakty“, die allerdings auf nationaler Ebene erscheint, wird in der Region sehr viel gelesen. Neben dem offiziellen, staatlichen Radio gibt es bereits mehrere private, kommerzielle Radiosender, die irgendwo auf dem Berg ihre Masten aufstellen. Diese werden sehr viel gehört, haben jedoch keinen regionalen Charakter. Eine Ausnahme ist „Zakarpattia FM“, der Sender der Oppositionspartei in Mukaevo. Dieses Radio wird auch im Hinterland empfangen, wo die Kommerzsender nicht gehört werden können. Ausserdem existiert noch ein Überbleibsel aus der Zeit der Sowjetunion mit Namen „Hala“. Es handelt sich dabei um eine Art Volksradio, das per Kabel in alle Haushalte kommt. Eine absolute Ausnahme in der Medienlandschaft ist das oben erwähnte Regionalradio „Sviet“ („Welt“) in Užhorod. Das Studio befindet sich im so genannten Industriezentrum der Stadt in einem Flachbau, umgeben von Plattenbauten. Die jungen Radiojournalisten sehen sich als Dienstleister eines Bürgerradios, das in den vier grössten Städten Transkarpatiens zu hören ist, in Užhorod, Mukaevo, Beregovo und in Vinogradovo. Dass das unabhängige Radio überhaupt entstehen konnte, ist der Soros-Stiftung zu verdanken, die das Projekt „Sviet“ finanzierte und einen grossen Teil des Sendebetriebs finanziell unterstützt. Der regionale Bezug von Radio „Sviet“ wird von den Hörern, die nicht nur billige Unterhaltung suchen, sehr geschätzt. Sie bezeichnen „Sviet“ als ihr Radio. Außerdem spielt der Sender für die verschiedenen Minderheiten in Transkarpatien eine wichtige Rolle. So haben die Roma ihre eigene Redaktion, die in Romanes und Ungarisch sendet. Daneben gibt es Informationen in ungarischer und slowakischer Sprache. In der Rangliste von „Reporter ohne Grenzen“ hat man seit der Orangenen Revolution positive Veränderungen in punkto Pressefreiheit festgestellt. In der Rangliste für das Jahr 2006 nahm die Ukraine Platz 105 von 168 Ländern ein und war damit im Vergleich zu 2004 um 33 Plätze aufgestiegen. Man kann der Ukraine nur wünschen, dass sich das trotz der politischen Veränderungen im Gefolge der Präsidentenwahl vom Frühjahr 2010 fortsetzt.
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3.
Weissrussland: Knebelung der Medien
In Weißrussland281, dem ‚Reich des letzten Diktators Europas’, kann von Pressefreiheit keine Rede sein. Vor den Präsidentschaftswahlen 2006 hatten die weißrussischen Behörden internationale Pressevertreter davor gewarnt, deren Sicherheit nicht garantieren zu können. Umso gefährdeter waren weißrussische Pressevertreter. Sie wurden bedroht, verhaftet, zahlreiche Zeitungen wurden geschlossen. Ein Klima der Angst und Einschüchterung beherrsche das öffentliche Leben des Landes, klagten sie. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ forderte freie Berichterstattung sowie einen gleichberechtigten Zugang aller Präsidentschaftskandidaten zu den Medien. Freie Information sei eine unabdingbare Voraussetzung für freie Wahlen, erklärte die Organisation. Auch in Weißrussland müsse die Regierung ihr Informationsmonopol aufgeben und unabhängige Berichterstattung zulassen. Im Vorfeld der auf den 19. März 2006 vorgezogenen Präsidentschaftswahlen spitzte sich die Lage der nicht-staatlichen Medien in Weißrussland weiter zu. Während Radio und Fernsehen ohnehin in staatlicher Hand waren, knebelte Lukašenko nun auch die verbliebenen unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften massiv. Publikationen wie die „Narodna Volja“ fanden keine inländischen Druckereien mehr und durften nicht mehr an Kiosken verkauft werden. Gedruckt wurde nun in Russland. Aber häufig wurden ganze Ausgaben an der
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Der offizielle Name, der auch in diplomatischen Kreisen verwendet wird, ist Belarus. Umgangssprachlich hat sich aber aus der Übersetzung heraus der Name Weißrussland in der deutschen Sprache etabliert. Das osteuropäische Land ist mit einer Fläche von 207.595 qkm der größte Binnenstaat in Europa. Die Hauptstadt ist Minsk. Man spricht hauptsächlich Weißrussisch und Russisch. Mit 9.881.000 Einwohners liegt das Land auf Platz 80 in der Weltbevölkerungsrangliste. Die Bevölkerungsdichte beträgt 48 Einwohnern pro qkm. Zum Vergleich: in Deutschland liegt sie bei 230 Einwohnern pro qkm. Die Bevölkerungsanzahl nimmt jährlich um 0,15 % leicht ab. In dem multiethnischen und multikonfessionellen Land leben zahlreiche Nationalitäten und es sind viele Religionen vertreten. Die größte Bevölkerungsgruppe sind die Weißrussen, trotz der Deportationen nach Russland unter Stalin. Danach folgen mit 11,4% Bevölkerungsanteil die Russen, sowie die Polen (3,9 %) und die Ukrainer (2,4%). Weiterhin leben viele Minderheiten wie Zigeuner, Selonen, und Jatwinger in Weißrussland. Als häufigste Religion tritt das orthodoxe Christentum auf, aber es gibt auch Katholiken und Protestanten. Die prägenden Faktoren in der Geschichte Weißrusslands waren die Besatzung der deutschen Wehrmacht und der Einfluss der Sowjetunion bis 1991. Seit 1922 war Weißrussland eine Unionsrepublik der UdSSR(Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken) und hieß übersetzt WSSR, weißrussische sozialistische Sowjetrepublik. Der westliche Teil, der 1920 an Polen ging, wurde 1939 durch eine Volksabstimmung wieder in die WSSR eingegliedert. Kurz bevor die Wehrmacht das gesamte weißrussische Gebiet besetzt hatte, evakuierte die russische Regierung rund 20 Prozent der Bevölkerung. Trotzdem vielen rund 25 Prozent der Bevölkerung den Nazis zum Opfer. Weißrussland erreichte erst Ende der 1980er denselben Bevölkerungsstand wie vor dem Zweiten Weltkrieg. Die jüdischen Bürger wurden fast vollständig umgebracht. 8 Prozent der ermordeten Juden in Europa kamen aus Weißrussland. 200 Städte und 9000 Dörfer wurden zerstört. Nach dem Krieg waren 3 Millionen Menschen obdachlos. Die rote Armee befreite bis 1944 das gesamte Land und unterstellte es wieder der Sowjetunion. 1945 war Weißrussland Gründungsmitglied der Vereinten Nationen. Stark betroffen war das Land aber auch von dem Reaktorunglück 1986 in Tschernobyl, das nur 10 km südlich der weißrussischen Grenze in der Ukraine lag. Genau wie im Nachbarland wurde die Warnung und Evakuierung der Bevölkerung zu spät vorgenommen. 70% des radioaktiven Niederschlages kam in Weißrussland nieder, 20 % des Landes war verstrahlt, was vor allem die Umwelt im Osten und im Süden betraf. Im Zuge des Zusammenbruches der Sowjetunion 1991 wurde aus der BSSR der eigenständige souveräne Staat der Republik Belarus. Stanislau Schuschkewitsch regierte bis 1994, als er von Alexander Lukaschenko abgelöst wurde, der bis heute regiert. Dessen Politik ist geprägt von totalitären Handeln und der Antipathie zu den westlichen Mächten und ihrer demokratischen Politik. Er kam an die Macht, in dem er den kapitalistischen Ideen seiner Vorgänger eine Absage ereilte und der armen Bevölkerung wieder die „gute alte Zeit“ versprach. Durch Volksnähe und der Unterbindung anderer Meinungen und oppositioneller Politik hat er das Volk hinter sich- man kennt ja auch nichts anderes. Auch weil er durch billigen Öl- und Gaslieferungen aus Russland ein annehmbarer bescheidenen Wohlstand schuf.
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Grenze beschlagnahmt. Gelangten dennoch Zeitungen ins Land, durften sie seit Januar 2006 nicht mehr zugestellt werden. Zudem wurden oppositionelle Zeitungen mit Verleumdungsklagen überzogen. Mit den daraus resultierenden Schadensersatz-zahlungen wurde versucht, sie in den Ruin zu treiben. Wer dennoch kritisch und damit unliebsam berichtete, wurde juristisch verfolgt, inhaftiert, verbannt oder sogar zu Zwangs-arbeit verurteilt. Die Lage der unabhängigen Medien machte Žanna Litvina, Vorsitzende der Weißrussischen Journalistenassoziation, auf einer Podiumsdiskussion von „Reporter ohne Grenzen“ und „Deutscher Welle“ Anfang 2006 in Berlin deutlich. Die staatlichen Massenmedien seien Waffen im Propagandakampf. Die Zeitung „Sovjetskaja Belorussia“ erscheine täglich mit 500.000 Exemplaren, so Litvina. Dagegen haben alle unabhängigen Publikationen zusammen eine Auflage von 200.000 in der Woche. Die Journalisten in Weißrussland würden entweder zu ihrer Arbeit gezwungen oder aber ein gefährliches Minenfeld betreten. Auch für Mitarbeiter ausländischer Medien sind Recherchen in Weißrussland nicht gefahrlos. Die Mitarbeiter des russischen Programms der „Deutschen Welle“ arbeiten für dessen weißrussisches Fenster häufig unter Pseudonymen und müssen dabei äußerst vorsichtig vorgehen. Ein Anfang Dezember 2005 erlassenes Gesetz erschwerte die journalistische Arbeit in Weißrussland zusätzlich. So riskiert bis zu drei Jahren Haft, wer im In- oder Ausland den weißrussischen Staat oder dessen Regierung diskreditiert oder ausländischen Staaten „Falschinformationen“ über die politische, wirtschaftliche oder militärische Situation zur Verfügung stellt. Zudem machen sich Journalisten strafbar, die ausländische Staaten und Organisationen auffordern, schädliche Maßnahmen gegen Weißrussland zu ergreifen oder entsprechende Informationen zu verbreiten. Mehrere Medienleute gelten als vermißt. Die Ermordung der „Solidarnost“-Journalistin Veronika erkasova im Oktober 2005 und des „Narodna Volja“-Journalisten Vasilij Grodnikov im Dezember 2005 stehen im Verdacht, politisch motiviert gewesen zu sein. „Reporter ohne Grenzen“ und die Weißrussische Journalistenassoziation haben mehrfach eine unabhängige Aufklärung dieser Fälle gefordert, was die Regierung verweigerte. Auch dem Internet, der bislang einzigen uneingeschränkten Quelle für unabhängige Informationen, drohen Restriktionen. In Internetcafés werden Pässe kontrolliert; der einzige Provider, die staatliche „Beltelekom“, blockiert immer wieder oppositionelle Seiten. Gerade um den Wahltermin 2006 nahm dies massiv zu. Am Wahltag waren mindestens 56 oppositionelle Seiten nicht zugänglich. Präsident Lukašenko wird von unabhängigen Journalistenorganisationen zu den weltweit größten Gegnern des Internets gezählt. Auf der jährlichen Rangliste von Reporter ohne Grenzen zur weltweiten Situation der Pressefreiheit steht Weißrussland an 157. Stelle von 167 untersuchten Ländern. Als im November 2006 der GUS-Gipfel in Minsk stattfand boykottierten fast alle angereisten russischen Journalisten die Abschluss-Pressekonferenz, weil Weißrussland trotz Kreml-Protesten drei ihrer Kollegen den Zutritt verweigert hatte. Nicht eingelassen zur Abschlusspressekonferenz wurden die Korrespondentin und der Photograph der Zeitung „Moskovskij Komsomol’ec“ sowie der Pressephotograph der Moskauer Zeitung „Kommersant“. Der Kreml argumentierte vergeblich gegen den Minsker Presse-Bann. Minsk hatte den drei Journalisten in der Woche vor dem Gipfel die Akkreditierung verweigert, dann aber auf einen Protest des russischen Außenministeriums hin, ihnen doch die Teilnahme gestattet. Am Eingang zur Nationabibliothek, wo die Pressekonferenz stattfinden sollte, wurden die drei dann aber nicht eingelassen. Hier half nun auch eine ‚geräuschlose‘ Intervention der Kreml-Pressestelle und weiterer russischer Offizieller nicht weiter. Man versuchte, den Weißrussen zu erklären, dass sie nur Gastgeber einer GUS-Veranstaltung seien und deshalb nicht das Recht hätten, ihnen nicht genehme Presseleute aus der aus einem
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Mitgliedsstaat angereisten Delegation auszuschließen. Lukašenkos Pressesprecher Pavel Legki begründete das Arbeitsverbot für die Ausgeschlossenen damit, dass in den betroffenen Medien „für das weißrussische Staatsoberhaupt beleidigende Texte und Fotos“ erschienen seien. So hatte der in Weißrussland damals verbotene „Moskovskij Komsomol’ec“ über die Trunksucht in Lukašenkos Heimatdorf berichtet. Da die Weißrussen jedoch hart blieben, entschloss sich der „Kreml-Pool“ geschlossen, an der Pressekonferenz nicht teilzunehmen und verliess das Gebäude. Eine Ausnahme wurde nur für die staatseigenen Medien gemacht, um eine Grundberichterstattung zu gewährleisten. Zur Ehrenrettung für den staatlichen russischen TVSender „Rossija“ muss gesagt werden, dass dieser in seinen Abendnachrichten dem Minsker Presse-Skandal mindestens genausoviel Sendezeit widmete wie dem Gipfeltreffen selbst. Lukašenko-Sprecher Legki interpretierte diesen Schritt jedoch ganz anders: Als die russische Presse erfuhr, dass Präsident Putin an der Presskonferenz nicht teilnimmt, verließen sie die Nationalbibliothek und hätten so ihre Gleichgültigkeit gegenüber den Ergebnissen des Treffens gezeigt“, demzuliebe sie eigentlich nach Minsk gekommen war. Für die russischen Journalisten waren die Vorgänge in Minsk ein Indiz, dass es tatsächlich noch Länder gibt, in denen sich die Staatsmacht gegenüber Journalisten noch unanständiger benehme als in Russland. Igor Jakovenko, der Generalsekretär des russischen Journalistenverbandes, meinte gegenüber „Echo Moskvy“, dass es weder in Rußland noch in Weißrussland Pressefreiheit gäbe. Doch der russische Staat versuche wenigstens, den Anschein von Anständigkeit zu wahren. Deshalb fühlten sich die russischen Journalisten in Minsk auch so vor den Kopf gestoßen. Allerdings wurden in Jakovenkos Organisation auch darüber spekuliert, dass es sich bei dem Auszug der russischen Presse um einen vom Kreml sauber dirigierten Schritt zur Bloßstellung des Lukašenko-Regimes gehandelt haben könnte. Die Beziehungen zwischen den beiden offiziell einen Staatenbund anstrebenden Staaten waren Ende 2006 vor dem Hintergrund eines erneuten Streits um einen angemessenen Gaspreis wieder einmal auf einem Tiefpunkt angelangt. Immerhin verständigten sich Putin und Lukašenko auf dem Gipfel auf die Gründung eines Joint-Ventures zwischen „Gazprom“ und dem weißrussischen Pipeline-Betreiber „Beltransgas“. Ansonsten brachte der Gipfel keine durchschlagenden Ergebnisse. In Weißrussland werden die Medien offen kujoniert. Im Juni 2008 stimmte das weißrussische Parlament für ein schärferes Mediengesetz. Mit diesem neuen Mediengesetz wollte sich die Regierung die Kontrolle über die letzten unabhängigen Medien im Internet sichern. Das Unterhaus des Parlaments billigte in erster Lesung das neue Gesetz, das von der Regierung Aleksandr Lukašenkos vorgeschlagen worden war. Danach sollen sich alle weißrussischen Medien neu registrieren lassen. Betroffen waren erstmals auch Internetzeitungen. Da Radio und Fernsehen unter staatlicher Kontrolle stehen und es nur rund ein Dutzend unabhängiger Zeitungen gibt, ist das Internet praktisch die einzige Quelle unabhängiger Informationen. In der ersten Lesung stimmten 93 Abgeordnete für das neue Gesetz, nur einer stimmte dagegen. Der weißrussische Journalistenverband appellierte an die Abgeordneten, den Gesetzentwurf zu veröffentlichen und eine breite Diskussion zu führen. Verbandsmitgliedern wurde jedoch der Zugang zur Parlamentsdebatte verwehrt. Als die Regierung Weißrusslands mit der OSZE Gespräche führte – gemeinsam wollte man eine Reform des weißrussischen Mediengesetzes erarbeiten – ließ Lukašenka fast zeitgleich bei einer Demonstration zum 90. Jahrestag der Gründung der weißrussischen Volksrepublik mehrere Journalisten verhaften und körperlich misshandeln. Der 25. März ist der weißrussischen Opposition heilig. Zwar bestand die weißrussische Volksrepublik nur kurz, gilt jedoch als Grundstein einer eigenen Staatlichkeit, unter Einschluss einer eigenen weißrussischen
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Staatssprache. Mehr als tausend Demonstranten hatten sich in der Minsker Innenstadt versammelt, um gegen die Politik Lukašenkos zu demonstrieren. Die Polizei griff diesmal auch bei Journalisten ausländischer Medien hart durch. Mehrere Journalisten wurden festgenommen, darunter der Pressefotograf der „european press agency“ (epa), Andrej Ljankevy, der erst auf Druck des österreichischen „Journalisten-Clubs“ (ÖJC) wieder freikam. Die Journalistengruppe vom Litauischen Fernsehen (LRF) wurde für einige Stunden verhaftet und die Videokassette mit den Aufnahmen entnommen. Ein Korrespondent der nichtstaatlichen Zeitung „Naša Niva“ wurde zu 15 Tagen Haft verurteilt. Er und sein Kollege Andrej Liankevy wurden von der Polizei verletzt. Einen Tag später, am 26. März 2008, trafen sich Regierungsmitglieder und Vertreter der OSZE in Minsk, um über die geplante Novelle des weißrussischen Mediengesetzes zu sprechen. Die Gespräche seien positive Signale, dass es eine kontinuierliche Zusammenarbeit auch in Zukunft geben wird, so der Leiter des OSZE-Büros in Minsk, Hans-Jochen Schmidt. Nähert sich Lukašenko demokratischen Werten an? Die Entwicklung in Minsk und anderswo überzeugte viele, dass die Annäherung an EU und OSZE nur Schein ist und nichts mit der Realität zu tun hat. Die Ereignisse in Minsk Ende März 2008, also Durchsuchungen, Verhaftungen und Vernehmungen von unabhängigen Journalisten, bewiesen das erneut. Eine derjenigen, die sich von der Einschüchterungspolitik des weißrussischen Präsidenten nicht verängstigen ließen, ist Irina Halip, die 2006 den renommierten Henri-Nannen-Preis zur Verteidigung der Pressefreiheit erhielt. Sie berichtete über den oben erwähnten Fall der Journalistin Veronika erkasova, die im Oktober 2005 ermordet in ihrem Minsker Appartement aufgefunden worden war. Frau Halip schreibt für die unabhängige „Belaruskaja Delovaja Gazeta“, das „Weißrussische Handelsblatt“. Sie fand heraus, dass Frau erkasova Hinweisen nachgegangen war, dass in Weißrussland Geld aus illegalen Ölgeschäften für Saddam Hussein gewaschen wurde. Irina Halips Recherchen zufolge hatte ihre Kollegin Kontakt zum Mitarbeiter einer Bank, der bereit war zu reden. Das entscheidende Treffen sollte nicht mehr stattfinden. Dass sie über dies und anderes schrieb und es gegenüber Lukašenko am gebotenen Respekt fehlen liess, machte Halip zur Unperson. Das Staatsfernsehen machte sie unmöglich, das Innenministerium führt sie als Staatsfeindin. Die Behörden begannen eine Zermürbungs-taktik. Wegen Verletzung der Pressegesetze wurde sie von der Staatsanwaltschaft vorgeladen; ihr Büro und ihre Wohnung wurden durchsucht, und sie selbst immer wieder verhört. Milizionäre beschlagnahmten ihren Computer und löschten die Festplatte. Familienmitglieder wurden bei Demonstrationen verprügelt. Dennoch weigerte sich Irina Halip das Land zu verlassen, denn Weißrussland sei ihre Heimat, wobei sie hinzufügte, „ein freies und demokratisches Weißrussland“. Davon ist das Land weit entfernt solange man im weißrussischen Fernsehen Dialoge verfolgen muss wie den folgenden – Lukašenko: „Ich weiß nicht, wenn es regnet. Ich bin doch nicht Gott!“ Worauf ein Gouverneur entgegnete: „Nein, Sie sind nicht Gott. Sie stehen noch ein Stück über ihm.“ Unter diesem Unstern steht nicht nur das Fernsehen, sondern das gesamte Mediensystem Weißrusslands – mit wenigen hoffnungsvollen Ausnahmen.
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Das Mediensystem Weißrusslands
Weißrussland ist seit 1991 ein eigenständiger Staat, wobei die Attribute seiner Eigenstaatlichkeit sehr bald in den Hintergrund traten. Nicht zuletzt weil der bewußt nicht weißrussisch sprechende, seit 1994 amtierende Präsident Lukašenko, von Anfang an einen Annäherungskurs an den Nachbarn Russland steuerte. Der Untergang der Sowjetunion war für ihn eine Tragödie, die man durch enge Kooperation zumindest etwas zu kompensieren hätte. Die Medien, die er nach überlieferter Manier an die Kandarre nahm, halfen ihm dabei, bis heute im Amt zu bleiben: Staatliche Medien rühmen die wirtschaftlichen Erfolge des Landes und vor allem zeichnen sie ein düsteres Bild der Nachbarländer, die sich auf den demokratischen Wandel eingelassen haben. Anders als in den Nachbarländern kam es in Weißrussland zu keiner Privatisierung der Massenmedien. Die Chefredakteure staatlicher Zeitungen werden von Organen der Exekutive ernannt. Bei Gesetzesverstößen kann der staatliche Presserat den Redaktionen für Monate die Lizenz entziehen. Die wenigen unabhängigen Zeitungen müssen im Ausland gedruckt und illegal importiert werden. Das weißrussische Pressehaus, das über einen Marktanteil von 80 Prozent verfügt, untersteht der Präsidialverwaltung und verlegt keine unabhängigen Zeitungen mehr. Die Situation für nichtstaatliche Medien hat sich seit Lukašenkos umstrittener Wiederwahl im Jahr 2006282 eher noch verschlechtert. Die älteste unabhängige Zeitung des Landes, „Naša Niva“ („Unser Feld“)283 durfte nun auch nicht mehr an normalen Zeitungskiosken verkauft werden. Die Zahl der nichtstaatlichen Zeitungen und Zeitschriften sank mit jedem Jahr. Im gleichen Maße verschlechterte sich das Verhältnis der weißrussischen Regierung zur OSZE, deren Beauftragter für Pressefreiheit, Miklos Haraszti, die Verurteilung des weißrussischen Journalisten Aleksander Sdviškov heftig kritisierte. Dieser musste wegen des Abdrucks der dänischen Mohammed-Karikaturen eine dreijährige Haftstrafe absitzen. Die Verhaftung des Journalisten war offenbar Teil einer Kampagne gegen eine Gruppe von unabhängigen Journalisten, von denen es ohnehin nur noch wenige in Weißrussland gibt. Die meisten hatten sich wie die politische Opposition in das benachbarte baltische Ausland zurückziehen müssen, wie ehedem unter der Herrschaft der Zaren, und taten auch dort alles, um die Welt über die untragbaren Verhältnisse in ihrem Heimatland aufzuklären. Von dem 2008 angekündigten Mediengesetz erhoffte man sich in diesen Kreisen kaum Verbesser-ungen. Eine Befürchtung, die durch die Informationssperre der weißrussischen Behörden nicht gerade entkräftet wird. Die Regierung hatte die Absicht, Internetseiten zum Massenmedium zu erklären, was eine staatliche Registrierung im Ministerium für Information, also noch mehr Kontrolle, zur Folge hatte. Auch sollten die Behörden weiterhin befugt sein, Medien zu schließen. Zwei
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Per Referendum liess Lukašenko im Oktober 2004 die Verfassung so ändern, dass keine Beschränkungen der Amtszeit mehr gelten. So konnte er 2006 wieder zur Wahl antreten und mit 82,6 Prozent der Wählerstimmen seinen Oppositionsgegner Aleksandr Milinkevi ausschalten. Im Westen wurde die Wahl stark kritisiert und man unterstellte Lukašenko Wahlfälschung. Vor allem, weil er vor der Wahl stark gegen Regimegegner vorgegangen war, denen er, wie er im weißrussischen Fernsehen sagte, „wie Entchen den Hals umdrehen will“. OSZE-Wahlbeobachtern wurde die Einreise vor der Wahl verwehrt, Demonstranten unterstellte er, mit Gewalt ein Kräftemessen zu provozieren. International wurde die Wahl nicht anerkannt und als undemokratisch bezeichnet. Die Zeitung wurde 1906 als Nachfolgerin der kurzlebigen „Naša Dola“ in der litauischen Hauptstadt Vilnius gegründet. Im 19. Jahrhundert war Vilnius noch vor Minsk das Zentrum des weißrussischen nationalen Lebens. Die wichtigsten weißrussischen Dichter und Schriftsteller publizierten ihre Werke damals in Vilnius.
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Jahre verschärfte Haft erhielt ein weißrussischer Oppositionspolitiker 2007 dafür, dass er im Internet einen kritischen Artikel veröffentlicht hatte. Er hatte seiner Enttäuschung Luft gemacht und erklärt, 2007 werde sein letztes Jahr in der Opposition: „Ich habe genug: entweder Tod oder Sieg.“ Die unabhängigen Zeitungen geraten nicht nur dadurch gegenüber den staatlichen ins Hintertreffen, dass sie ständigen Schikanen ausgesetzt sind. Da letztere von der Regierung finanziert werden, können sie auch billig auf dem weißrussischen Zeitungsmarkt vertrieben werden. Private Zeitungen hingegen haben mit starken Einschränkungen zu kämpfen. Die Vertriebskatologe zum Vertrieb der Presseerzeugnisse sind in der Hand des Staates. Der Ausschluss aus dem staatlichen Vertrieb dient als Drohmittel gegen unerwünscht kritische Printmedien. Genau das geschah der „Naša Niva“, die 2006 aus dem staatlichen Vertriebssystem ausgeschlossen, und 2008 wieder aufgenommen wurde. Die Regierung hält sich zugute, dass eine Konzentration privater Presseerzeugnisse auf wenige Oligarchen in Weißrussland bisher ‚erfolgreich‘ verhindert worden sei. Die Schwierigkeiten, die die private bzw. unabhängige Presse in Weißrussland hat, zeigt sehr deutlich das Beispiel der Tageszeitung „Narodnaja Volja“ („ º*} º!}“, „Volkswille“, www.nv-online.info). Dass die Zeitung heute unabhängig ist, hat eine lange und schmerzliche Vorgeschichte. Von Josif Seredi gegründet und ursprünglich im litauischen Vilnius gedruckt, zog die Zeitung im November 1997 nach Minsk um, in das private Verlagsunternehmen „Magic“. Ihre Auflage lag damals bei ungefähr 55.000 Exemplaren. Doch mit dem Umzug in die weißrussische Hauptstadt begannen die Probleme. Am 18. Juni 2002 fror ein weiß-russisches Distriktgericht die Bankkonten der „Narodnaja Volja“ ein, weil sich zwei Richter aus der Kleinstadt Žodzina östlich von Minsk durch die Zeitung beleidigt fühlten und sage und schreibe 2,5 Millionen Rubel Schadensersatz forderten. Es sollte noch dicker kommen. Im November 2003 erließ das Minsker Stadtgericht ein Urteil, nach dem die Zeitung 50 Millionen weißrussische Rubel an Yahor Rybakou, den Vorsitzenden der weißrussischen staatlichen Fernseh- und Rundfunkgesellschaft „BDT“ zu zahlen hätte. Außerdem hätten die „NarodnjaVolja“-Journalistin Maryna Koktyš und die TV-Moderatorin Eleanora Jazerskaja jeweils drei Millionen weißrussische Rubel an Rybakou zu zahlen. Daraufhin wurde die „Narodnaja Volja“ von der Liste der beim staatlichen Vertriebsunternehmen „BelSojuzPeat“ registrierten Verlagsunternehmen gestrichen. Es blieb der Zeitung also nichts anderes übrig als fortan unabhängig zu erscheinen. Die ehemalige Chefredakteurin Svjatlana Kalinkina meinte schlicht, wer Kritik an Lukašenko übe, arbeite praktisch im Untergrund. Vor der Wahl im März 2007 hatte der Präsident fast alle kritischen Stimmen unterdrückt, indem er kritischen Zeitungen wie die „Narodnaja Volja“ den Vertrieb über die staatlichen Unternehmen „Belsajuzdruk“ und „Belpošta“ versagte. Lukašenko nahm den Zeitungen mit politischem Inhalt die Möglichkeit, ihr Druckerzeugnis auch per Abonnement zu vertreiben. Die Zeitungskioske mussten die „Narodnaja Volja“ aus ihren Regalen räumen. Bis Oktober 2007 hatten die Boten die Zeitung noch ausgeliefert, in einer Auflage von 27.000 Exemplaren. Zu entlegener wohnenden Lesern musste die Zeitung per Post versandt werden. Nun hinderte der Staat den Verlag daran, die Zeitung zuzustellen. Im Januar 2007 konfiszierte die Staatsmacht eine gesamte Auflage, die danach dreißig Tage lang „geprüft“ wurde. Auch die Boten, die die Zeitung austrugen, klagten oft über unangenehme Begegnungen mit der Polizei. Aber auch Anzeigenkunden bekamen bei Schaltung einer Anzeige oft Besuch von der Steuerpolizei. Pflichtabonnements wie zu Sowjetzeiten gibt es auch heute noch in Weißrussland. Jeder Bürger solle mindestens eine staatliche Zeitung lesen. Aufgrund der hohen Druckkosten fiel die „Narodnaja Volja“ in ein tiefes Schuldenloch. Nur durch Spenden aus dem In- und Ausland
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konnte die Zeitung weiter agieren. Doch im Oktober 2007 kam das aus für die unabhängige Zeitung. Die Zeitung war verklagt worden. Ihr wurde Beleidigung des Staatspräsidenten vorgeworfen. Die zu zahlende Strafe belief sich auf 100 Millionen weißrussische Rubel, umgerechnet 40.000 Euro. Diese Summe konnte die Zeitung nicht tragen und musste vorerst schließen. Die Polizei stürmte das Verlagsgebäude und beschlagnahmte Drucker und Computer. Dies wäre definitiv der Tod der Pressefreiheit in Weißrussland, schrieb Chefredakteur Josif Seredi in seiner Abschiedskolumne. Eine der wenigen kritischen Stimmen in Weißrussland war verstummt – zum Glück nur vorübergehend. Aber die Probleme blieben nicht aus. Im Frühjahr 2010 demonstrierten weißrussische Kriegsveteranen vor dem Gebäude der „Narodnaja“. Auf den Plakaten der mit Orden des Zweiten Weltkriegs dekorierten alten Männer stand zu lesen: „Hört auf die Veteranen zu beleidigen“, „Schande über die, die die Geschichte fälschen“ oder „Wir haben die Nazis besiegt, jetzt besiegen wir die Lügner!“. Mit ihnen sachlich zu reden, war unmöglich. Anlaß der Empörung waren Auszüge aus einem Buch von Ilya Kopyl, die auf der Internetseite der Zeitung erschienen waren. Darin gab er seine Erinnerungen an die Zeit der deutschen Besatzung Weißrusslands wieder. Er beschrieb die deutschen Wehrmachtssoldaten als normale Menschen und nicht als die klischeehaften Monster, wie man sie jahrzehntelang aus der sowjetischen Propaganda gewohnt war. Außerdem bemerkte er, dass die Dorfbevölkerung die Partisanen nicht durchweg als Befreier wahrnahm, sondern oft auch Angst vor ihnen hatte. Bezeichnender-weise hatten die Minsker Behörden die aggressive Demonstration ausdrücklich erlaubt, obwohl in unmittelbarer Nähe zur Präsidialverwaltung bisher noch nie eine Kundgebung hatte stattfinden dürfen. Der Verdacht lag also sehr nahe, dass diese ‚Aktion‘ nur eine weitere war, um Druck auf diese und auf andere unabhängige Zeitung auszuüben. Diesmal waren eben die Veteranen das willkommene Instrument. Als die wichtigsten Zeitungen der Opposition gegen den weißrussischen Präsidenten gilt neben der „Narodnaja Volja“ die erwähnte, traditionsreiche „Naša Niva“. Beide wurden aus dem staatlichen Vertriebssystem in Weißrussland ausgeschlossen. Die „Niva“ musste bis zu ihrer Wiederaufnahme von privaten Freiwilligen verbreitet werden. Die „Narodnaja Volja“ ist zweisprachig russisch-weißrussisch, erscheint zweimal in der Woche, und hatte 2005 eine Auflage von 30.000 Exemplaren. Ihr Chefredakteur, Josif Seredi, war vor der Gründung der „Narodnaja“ Chefredakteur der staatlichen Zeitung „Narodnaja Gazeta“ („Nationale Zeitung“), aus der er aus politischen Gründen ausscheiden musste. Im Präsidentschaftswahlkampf 2006 berichtete „Narodnaja Volja“ wohlwollend über die Kandidatur von Aljaksandr Kasulin, des ehemaligen Rektors der Weißrussischen Staatsuniversität. „Naša Niva“ ist die älteste weißrussischsprachige Zeitung. Sie erschien erstmals 1906-1915 und wurde 1991 von national gesinnten Intellektuellen wieder-gegründet. Die „Naša Niva“, von der heute an die 6.000 Stück gedruckt werden, wird in der sogenannten „Taraškievica“ gedruckt, einer Rechtschreibung der weiß-russischen Sprache, die an die bis 1933 gültige Orthographie anknüpft. Sie gilt unter ihren Befürwortern als die authentischere weißrussische Orthographie. Die Verwendung der alten weißrussischen Orthographie, der weißrussischen Sprache an sich, war politische Verfehlung genug. Ende der 1990er versuchte die Staatsmacht die Zeitung zu schließen. Außerdem sympathisiere sie mit der nationalen Opposition. Sie unterstützte im Präsidentschaftswahlkampf 2006 den Gegenkandidaten Aljaksandr Milinkevi. Die ebenfalls private „BelGazeta“ (bis 2005 „Belorusskaja Gazeta“) mit einer Auflage von 18.000 Exemplaren, und die „Belorusi i Rynok“ („Die Weißrussen und der Markt“, bis 2005: „Belorusskij rynok“ („Weißrussischer Markt“), Auflage: 13.000), die ihren Redaktionssitz in Weißrussland haben, analysieren ausführlich das politische und
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wirtschaftliche Geschehen, und nehmen beide zur Regierung wie auch zur Opposition eine kritisch-distanzierte, mitunter ironische Haltung ein. Private Zeitschriften haben im Gegensatz zu den privaten Zeitungen nicht unbedingt mit der Mißgunst des Staates zu kämpfen, solange sie sich von politischen Themen fernhalten. Die wichtigste staatliche Zeitung in Weißrussland ist die „Belarus Sevodnja“ („Weißrussland heute“) mit einer Auflage von 300.000. Sie dient als zentrales Printmedium der staatlichen Informationspolitik. Die „Respublika“ hat mit 53.000 Exemplaren die zweithöchste Auflage in Weißrussland, gefolgt von der „Svjazda“ („Der Stern“) mit 42.000. Herausgeber der 1991 gegründeten „Respublika“ ist der Ministerrat der Republik Weißrussland. Die Zeitung erscheint zweisprachig russisch-weißrussisch. Die „Svjazda“ wird vom weißrussischen Parlament, dem früheren obersten Sowjet, und dem Ministerrat herausgegeben, und ist die einzige staatliche Zeitung, die ausschließlich in weißrussischer Sprache erscheint. Als Orthographie des Weißrussischen wird dabei die sogenannte „Narkamauka“ verwendet. Diese seit 1933 mit kleinen Änderungen verwendete, offiziell gültige Rechtschreibung wird jedoch von den Vertretern der weißrussischen Wiedergeburt als russifiziert abgelehnt. Besonders Boulevardzeitschriften aus Russland sind in Weißrussland beliebt. Die weißrussische Ausgabe der „Komsomol‘skaja Pravda“ liegt mit einer Auflage von 40.000 und freitags 318.000 auf Rang eins. Danach folgt die ebenfalls russische „Argumenty i Fakty“. Beide Boulevardblätter erscheinen vollständig auf Russisch. Nach einer Erhebung von 2002 lasen 30,8 Prozent der Befragten diese Zeitungen. Nicht weiter verwunderlich ist, dass sich die „Komsomol‘skaja Pravda“ und „Argumenty i Fakty“ aus den Konflikten zwischen Präsident Aleksandr Lukašenko und der nationalen Opposition bisher weitgehend herausgehalten haben. Der Schwerpunkt ihrer Bericht-erstattung liegt auf russischen sowie eher unpolitischen weißrussischen Themen. Der Weißrussische Journalistenverband wurde 1995 von Žanna Litvina gegründet. Er ist Mitglied in der Internationalen Föderation der Journalisten (IFJ) sowie von „Reporter ohne Grenzen“. Dem Verband gehören mehr als tausend Journalisten an, sowohl aus den unabhängigen als auch aus den staatlichen Medien Weißrusslands. 2004 wurde dem Verband der „Sacharov-Preis“ des Europäischen Parlaments überreicht. Der Hauptteil der Arbeit des Verbandes besteht im Schutz der Medien. Fachanwälte übernehmen Rechtsvertretungen von Journalisten vor Gericht. Rechtsverstöße im Medienbereich werden beobachtet, untersucht und jährlich auf der eigenen Website veröffentlicht. Seit dem Jahr 2000 gibt es die Fachzeitschrift „Abajour“ als freies Forum für Medienprofis aus Weißrussland.
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3.2
Radio und Fernsehen in Weißrussland
In der weißrussischen Öffentlichkeit wie auch in den Medien führt das Weißrussische ein Schattendasein, im Gegensatz zum Russischen. Die weitgehend übereinstimmenden Strukturen und zahlreichen gemeinsamen Merkmale der beiden slawischen Sprachen sind neben politischen Entscheidungen zuungunsten des Weißrussischen mitschuld an der mangelnden Abgrenzung zwischen der weißrussischen und der russischen Sprache. Viele Weißrussen sprechen weder die eine noch die andere Sprache perfekt, machen in beiden Sprachen Fehler beim Wortakzent, verwechseln oder vermischen Wörter und Wortverbindungen oder gebrauchen fehlerhafte Flexionsendungen. Vielfach hat sich eine weißrussisch-russische Mischsprache herausgebildet, die von den Anhängern der Wiedergeburt verächtlich als ‚trasjanka‘ (wörtlich: „gemischtes Viehfutter“) bezeichnet wird. Zu beobachten ist diese Sprachvermischung oft auch im weißrussischen Fernsehen und Rundfunk. Von der ersten Stunde an unterstand dieser sprachlich stark russifizierte Rundfunk direkt der Regierung, die diese (sprach)politische Ausrichtung bis heute unterstützt. Heute sind zwei Drittel der Sendungen ausschließlich staatlicher Politik gewidmet. Die „Nationale Staatliche Rundfunkanstalt“ der Republik Weißrussland untersteht direkt dem Präsidenten. Rundfunk und Fernsehen werden hauptsächlich aus dem staatlichen Budget finanziert. Der übrige Teil stammt aus Werbeeinnahmen. An Stationen gibt es den „Ersten Nationalen Kanal“ (1. Programm), „Kultura“ (2. Programm), „Radio Belarus“, „Stalitsa“ (Hauptstadtfunk), Radio „MIR“ und „Radius FM“. Am 15. November 1925 waren zum ersten Mal die Worte „Govorit Minsk“ („Es spricht Minsk“) über den Äther zu hören. Ab sofort konnte man Nachrichten aus der weißrussischen Hauptstadt in der Landessprache hören, wobei die erste Radiostation nicht weiter als 250 Kilometer senden konnte. Der zeitliche Umfang des Programms belief sich auf gerade einmal 30 Minuten täglich. Heute ist der weißrussische Rundfunk zumindest technisch auf modernen Stand. Die Rangliste im Hörfunk führt der „Erste Nationale Kanal“ (Erstes Programm) an, der auch „die Visitenkarte“ des weißrussischen Rundfunks genannt wird. Die Menge an Informationen, die der Hörer erhält, steht im offenen Gegensatz zum Inhalt. Seit September 2005 wird rund um die Uhr gesendet. Neben der Musik und den stündlich live gesendeten Nachrichten, strahlt der Sender auch Programme für Kinder und Jugendliche aus, um Zielgruppen jeden Alters zu erreichen. Der „Erste Kanal“ wird aus Mangel an Alternativen von über 80 Prozent der weißrussischen Bevölkerung gehört. Viele Weißrussen lassen diesen Radiosender praktisch ununterbrochen laufen. Meist steht es in der Küche als Ersatz für Zeitung und Wecker, zumal innerhalb des Programms die Gebietsredaktionen zu bestimmten Zeiten auch lokale Nachrichten senden. Eine der Hauptprioritäten der Politik des weißrussischen Rundfunks ist die Übertragung der nationalen und internationalen Kultur. Diese Aufgabe übernimmt der Radiosender „Kultura“. Das zweite Programm des Weißrussischen Rundfunks sendet von sieben Uhr morgens bis Mitternacht. Seit Mai 1962 steht ein Sender dem internationalen Publikum in Weißrussland zur Verfügung. Die Programme des Radiosenders „Belarus“ werden fünf Stunden am Tag in vier Sprachen übertragen, in Weißrussisch, Russisch, Englisch und Deutsch. Seit dem 3. Januar 2005 hat der Radiosender auch eine Internetübertragung seiner Sendungen in englischer Sprache begonnen. Dass auch das weißrussische Radio offen für neue Ideen sei, dafür sollte der neue Radiosender „Radius FM“ als Beweis herhalten, der am 12. Juli 2003 gegründet wurde. „Radius FM“ sendet täglich 23 Stunden programm – von 5 Uhr morgens bis 4 Uhr früh. Auch der Radiosender „Stalitsa“ gehört mit 20 Stunden Sendezeit am Tag zu den meistgehörten Sendern des Lan-
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des. Im Gegensatz zu den eben genannten national-staatlichen bzw. ‚öffentlich-rechtlichen‘ Radiosendern sendet Radio „MIR“ auch in mehrere GUS-Staaten. Dabei stehen Informationen im Mittelpunkt, während die Musik eine eher untergeordnete Rolle spielt. Es gibt in Weißrussland auch einige private Radiosender, deren Einfluss auf die Bevölkerung jedoch mehr als gering ist. An Fernsehsendern gibt es in Weißrussland den „Ersten Nationalen Fernsehkanal“ (1. Programm), das öffentlich-nationale Fernsehen „ONT“ (2. Programm), den „LAD“-Kanal und „Belarus TV“. Am 1. Januar 1956 wandte sich die Nachrichtensprecherin Tamara Bastun zum ersten Mal an das Fernsehpublikum von Minsk und verkündete, nun werde man mit dem ersten Übertragungstest beginnen. Diese Worte leiteten die Geburtsstunde des weißrussischen Fernsehens ein. Aufgrund des eingeschränkten Sendebereiches erreichten diese Sätze jedoch lediglich 4.000 Zuschauer. Der in Minsk gelegene TV-Sender übertrug sechs Stunden täglich im Umkreis von 70 Kilometern. Heute gehört die weißrussische Fernsehanstalt, schon wegen der unverhältnismäßigen Anzahl an Mitarbeitern, zu den größten Sendeanstalten in ganz Europa. Der Hauptfernsehsender, das erste Programm, trat im Jahr 2006 unter dem neuen Motto: „Das ist das Erste!“ wieder verstärkt in Erscheinung. Der Sender wechselte außerdem sein Logo und seine Dekoration, um den Eindruck größerer Dynamik udn Modernität zu erwecken. Der Sender „Öffentlich-Nationales Fernsehen“ (ONT) bzw. das zweite Programm des weißrussischen Fernsehens, begann seine Arbeit im Jahr 2002 und sieht sich als Ableger der russischen Sendeanstalt „ORT“. Zwischen den „ORT“-Sendungen liefen aktuelle Nachrichten aus Weißrussland. Zuerst gab es nur ein Informationsprogramm „Naši Novosti“ („Unsere Nachrichten“). Bald hatte „ONT“ mehrere eigene Projekte, die zu verschiedenen Genres gehörten, wie zum Beispiel Informations- und Analyseformate, Sportsendungen sowie Dokumentationen über Straffälle. Im Oktober 2003 ging die Sendeanstalt „National Staatliches Programm“ (LAD) der Republik auf Sendung. Begabte Journalisten aus verschiedenen Regionen waren hier tätig. Als erster Familiensender Weißrusslands verzichtete „LAD“ bewusst auf Filme und Sendungen mit Gewalt und Aggression. Stattdessen dominieren Themen wie Kultur, Bildung, weißrussische Geschichte und Traditionen das Programm. „Belarus TV“ ist der erste weißrussische Auslandsfernsehkanal. Er nahm seine Arbeit am 1. Februar 2005 aufgenommen. Den Schwerpunkt bilden Informationssendungen, die den ausländischen Zuschauern „zuverlässige und aktuelle Informationen über Weißrussland“ bieten sollen, so die offizielle Absichtserklärung des Regimes. Im Endeffekt heißt das, dass dem ausländischen Zuschauer ein geschöntes Bild der wahren Verhältnisse geboten wird. Darüber hinaus bietet der Kanal sozialpolitische Projekte, Dokumentarfilme, Reportagen über Geschichte und Kultur des weißrussischen Volkes, Sport-, Unterhaltungs-, Kinderprogramme sowie Spielfilme. Seit Mai 2007 werden Programme von „Belarus TV“ über Satellit Express-AM22 ausgestrahlt und können in vielen Ländern, darunter auch in Deutschland, empfangen werden. Seit Juli 2005 begann man in Minsk und in dessen unmittelbarem Umkreis digitalen Rundfunk zu senden. Bis 2015 will man das zumeist analoge Fernsehen und der Hörfunk durch Digitaltechnik ersetzt haben. Allerdings gibt es bis jetzt in Weißrussland kaum Haushalte, die einen Internet-Anschluß haben, und nur ein verschwindend geringer Teil davon ist DSL-Nutzer mit Übertragungsraten über 1 MB/s. Diese Tatsache macht ein LiveStreaming von Videobildern, besonders in Kleinstädten, nahezu unmöglich. Seit seiner Wahl im Jahre 1994 schirmt Präsident Aleksandr Lukašenko sein ohnehin außenpolitisch isoliertes Land von politischen und kulturellen Einflüssen aus dem Westen ab. Mittlerweile werden Rundfunkprogramme von außen nach Weißrussland gesendet. Auf diesem Wege hoffen die Europäische Union und die Vereinigten Staaten, Weißrussland etwas demokrati-
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schen Geist einzuhauchen. Das erfolgreichste Radioprogramm unter den inter-national empfangbaren Programmen in Weißrussland ist das „European Radio for Belarus“, das zwei Stunden Programm im Internet liefert. Es richtet sich mit einem Musikangebot von 30 bis 40 Prozent vor allem an Jugendliche. Außerdem produziert der russische Auslandssender „l“ (RTVI) im Auftrag von „Media Consulta“ und mit Unterstützung des ZDF das halbstündige TV-Magazin „Window To Europe“, das über Satellit nach Weißrussland gesendet wird und mit seinem Infotainment-Programm vor allem für das ältere russischsprachige Publikum gedacht ist. Doch ob die Rundfunkprogramme ihre Wirkung entfalten können, um Weißrussland demokratischer zu machen, ist nach wie vor fraglich. Der erwähnte Versuch des russischen Fernsehsenders „RTVI“, die Weißrussen mit unabhängigen Informationen zu versorgen, begann 2006, und wurde von der Europäischen Kommission mit zwei Millionen Euro für zwei Jahre unterstützt. „RTVI“ behauptet von sich, der einzige Sender zu sein, „der auf Putin nicht hört“. Dieser Werbespruch machte ihn den weißrussischen Behörden rasch verdächtig. Ende Februar 2006 hatte der Kanal seine Arbeit in Weißrussland aufgenommen, drei Wochen später war er bereits wieder aus dem Kabelnetz verbannt worden – sieben Tage vor der Wahl, die Präsident Lukašenko die Macht sicherte. Als offizieller Grund wurde angegeben, der Netzbetreiber hätte ein technisches Problem. Den Behörden war schlicht die halbstündige Sendung „Fenster nach Europa“ ein Dorn im Auge. Gerade vor den Präsidentschaftswahlen brauchte man keine breit angelegte Informationskampagne, an der auch andere weißrussische Medien beteiligt waren. Wenn auch die Sendethemen breitgefächert und international waren, ging es doch vor den Wahlen in Weißrussland um das Land selbst, seine Politik und Probleme. Experten saßen im Studio und diskutierten frei, ohne Zensur. Dass europäische Themen, aber auch Probleme offen diskutiert wurden, empfand man in den offiziellen weißrussischen Medien, die nach typisch sowjetischem Muster geführt werden, als Affront. Daher wurde „RTVI“ auch nicht nur in Weißrussland, sondern auch in Russland aus dem Kabelnetz ausgeschlossen und konnte nur noch über Satellit gesehen werden. Die Stärke des Senders und Garant seiner Unabhängigkeit ist seine Internationalität. Er hat zwar ein Studio in Moskau, aber auch in Berlin, New York und Tel Aviv. Hinter „RTVI“ steht der Milliardär Vladimir Gusinskij, der 2000 von der russischen Staatsmacht zum Verkauf seines Medienkonzerns gezwungen worden war, weil er sich für seinen Sender „NTV“ die Freiheit einer unabhängigen Meinung erlaubt hatte. Im Exil baute Gusinskij „RTVI“ auf, und pendelt heute zwischen Israel und den Vereinigten Staaten. „RTVI“ kann auch in Georgien, den baltischen Staaten und der Ukraine gesehen werden, und bietet die Informationen, die eine unabhängigere Entwicklung dieser Staaten fördert. In Weißrussland sind die Bedingungen, dass Sender wie „RTVI“ und andere unabhängige Medien größeren Einfluss gewinnen, wohl am schlechtesten. Aber im Unterschied zu früher kann heute im Zeitalter des Internets und des Satellitenfernsehens der Zugang zu anderslautenden Informationen abseits der staatlichen Propaganda nicht mehr vollkommen unterdrückt werden. Allein das ist Grund zur Hoffnung, dass die Medien über kurz oder lang auch diese letzte Bastion der Unfreiheit eindrücken können.
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Nachwort: Die Zukunft der Medien in Osteuropa Es ist eine Binsenweisheit, dass die Freiheit der Medien unmittelbar vom Grad der Demokratisierung einer Gesellschaft abhängt. Wenn in Russland Medienvertreter über Beschränkungen und Behinderungen durch Behörden und Politiker klagen, wenn sie beklagen, dass Kritik nicht als notwendiges Element einer demokratischen Gesellschaft verstanden wird, sondern als unterminierend verdammt wird, dann zielt das immer auf ein grundsätzliches Problem, das in allen osteuropäischen Staaten mehr oder weniger virulent ist: das Weltbild wurde bis zur Wende, bis zum Fall des Eisernen Vorhangs von einer geschlossenen Ideologie bestimmt, die Zweifel nicht zuliess und die Diskussion und Kritik nur in sehr engen Grenzen gestattete. Da sich aber anderslautende Meinungen und der Drang, diese zu artikulieren, auf Dauer nicht unterdrücken lassen, implodierte das System des real existierenden Sozialismus. Der Pluralismus, der sich nun Bahn brach, empörte die Hüter des abgelösten Systems, die um Macht und Einfluss fürchteten, und wirkte verstörend auf jene, die mit dem plötzlichen Wandel von der Einheit zur Vielfalt nicht fertig wurden. Die Mächtigen versuchten sich einzumauern, Netzwerke zu bilden, ja in letzter Instanz, wenn nichts mehr half, griff man auch zur nackten Gewalt – wie die zahlreichen Fälle von Journalistenmorden gerade in der schwierigen Zeit unmittelbar nach der Ablösung der sozialistischen Diktaturen beweisen. Hinzu kommt, dass diese Ablösung mit der Auflösung der bisher gewohnten Staatsgebiete einherging. Jugoslawien ist das klassische Beispiel und genauso die ehemalige Sowjetunion, deren Kernland Russland sich mit dem Verlust annektierter, eroberter und jahrzehntelang von Moskau unterdrückter Gebiete wie der Ukraine oder des Baltikums arrangieren muss. Da das bis heute schwer fällt und gerade in Russland durch eine harte Politik gegenüber den angeblichen ‚abtrünnigen‘ Gebieten kompensiert wird, gilt jede Kritik an dieser Politik als ‚staatsfeindlich‘. Sie trifft die ohnehin angegriffene nationale Identität dorthin, wo es am meisten schmerzt. Dafür kritische Journalisten mundtot zu machen oder gar zu beseitigen, beseitigt das Identitätsproblem und den Zwang nicht, sich mit der gewandelten Situation irgendwann abfinden zu müssen. Der Frieden mit der Vergangenheit ist somit in Osteuropa eine wesentliche Voraussetzung, um den Medien eine Entwicklung zu erlauben, wie sie in zivilisierten Gesellschaften zur Normalität gehört. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit, das was in Deutschland als Vergangenheitsbewältigung bekannt wurde, ist jedoch in Osteuropa noch weitgehend ein Tabu. Jede nationale bzw. ethnische Gemeinschaft empfindet sich in erster Linie selbst als Opfer und erwartet von der Gegenseite Schritte zur Versöhnung. Ob das die Albaner im Kosovo oder in Mazedonien sind, die ein Schuldbekenntnis von den Serben bzw. den Mazedoniern verlangen; ob das die Russen sind, die sich vom Westen missachtet fühlen, ob das die polnischen Medien sind, die immer wieder die Konfrontation mit dem westlichen Nachbarn suchen – in den osteuropäischen Medien spielt sich bis heute die große Abrechnung mit den Sünden der Vergangenheit und vor allem mit den Sünden ‚des anderen‘ ab. Russland verlegt sich zum Beispiel in seinem Fernsehprogramm statt auf eine Aufarbeitung der Sowjetdiktatur auf eine vorsichtige bis offene Glorifizierung der Vergangenheit. Dahinter steht jene instabile Identität, die sich aus der Vergangenheit ihre Versicherung holt, weil die Pluralität und Wandelbarkeit der Gegenwart sie verunsichert – oder weil schlicht die Machtinteressen stärker sind als das Interesse an einer Bereinigung des eigenen Verhältnisses zur problematischen Vergangenheit, die immer riskant ist, weil die Gegen-
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wart immer offen, die Vergangenheit dagegen vermeintlich ‚abgeschlossen‘ ist. Die mittelosteuropäischen Staaten haben zwar damit auch noch zu ringen, genauso wie die südosteuropäischen. Aber sie lernen aus den Fehlern der Vergangenheit. Sie sind dabei sie zu überwinden. Auch sind sie mehr und mehr eingebunden in das europäische Gefüge. Sie sehen ihre Zukunft in der Europäischen Union, die einen anderen Umgang mit der Vergangenheit vorlebt, die eine freie, offene Gesellschaft als Voraussetzung für eine gedeihliche Zukunft sieht. In Russland sieht man die Freiheit eher als Bedrohung, was letztlich in die Irre führen wird. Das alte Gesellschaftsmodell, das mehr als neuzig Jahre gegolten hat, ist an seinen gravierenden inneren Widersprüchen zerbrochen. Couragierte Journalisten haben in Mittelost- und Südosteuropa daran gearbeitet und arbeiten daran, diese Widersprüche und Altlasten zu beseitigen, oft unter Einsatz ihrer Wohlfahrt und ihres Lebens. In den osteuropäischen Staaten, namentlich in Russland und Weißrussland, haben Journalisten nach wie vor mit Schikanen, Drohungen und Gefahr für Leib und Leben zu rechnen, wenn sie die Anmaßungen der Mächtigen untersuchen und kritisieren. In der Ukraine hat der Protest gegen die Arroganz der Macht eine Wende herbeigeführt, von der man nur hoffen kann, dass sie auch unter den neuen Machtverhältnissen Bestand haben wird. Der russische Präsident Medvedjev hat zwar für Russland eine Wende angekündigt. Ob sie eintreten wird, bleibt abzuwarten. Die Zweifel überwiegen. Was bleibt ist die Hoffnung, dass in diesen Ländern weiterhin Journalisten den Mut finden, sich nicht mit dem status quo abzufinden. Gerade in Südosteuropa hat unter anderem das Engagement westlicher Medienkonzerne dazu geführt, dass der Beruf des Journalisten etwas in Verruf gekommen ist. Seine Tätigkeit schien sich auf die Befriedigung der Sensationsgier zu beschränken, auf das ‚Aufdecken‘ von Skandälchen des oder jenes Prominenten. Dass die Geschichte des Journalismus in Osteuropa eine Geschichte des Mutes ist, des Kampfes gegen das sehr reale Gespenst der Unterdrückung, sollte gerade das Beispiel der Journalisten lehren, die für ihren Mut mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit bezahlen mussten und müssen. Ihnen sei dieses Buch in aller Bescheidenheit gewidmet.
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