Oliver Bidla . Carina Jasmin Englert . Ja Reichertz (Hrsg.) Securitainment
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Oliver Bidla . Carina Jasmin Englert . Ja Reichertz (Hrsg.) Securitainment
Oliver Bidla Carina Jasmin Englert Ja Reichertz (Hrsg.)
Securitainment Medien als Akteure der Inneren Sicherheit
III VS VERLAG
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1.Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Frank Engelhardt VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer sclence-suslness Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seinerTeile ist urheberrechtlich geschützt, Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung desverlagsunzulässig undstrafbar. Das gilt insbesondere für vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungund Verarbeitung in elektronischen Systemen. DieWiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen. warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und dahervon jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17601-7
Inhalt
Vorwort
I
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Theoretische Perspektive: Medien als Akteur
Die Medien als Akteurefür mehr Innere Sicherheit Jo Reichertz
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Wenn aus Medien Akteure werden. Der Akteurbegriffund die Medien Oliver Bidlo
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Dauerbrenner Outsourcing. Neue Akteure und neue Inhalte am TV-Markt Carina Jasmin Englert
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11 Medien als Aktivierer? Innere Sicherheit schreiben - Sicherheitsthemen in Tageszeitungen Stefanie Böhm
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Von Lesereportem und Kontrolleuren. Medien und Bürger als Akteure der Überwachung. Oliver Bidlo
111
Die Enthüllungsplattform WikiLeaks zwischen Bürgerservice und Sicherheitsrisiko Pascal Riemann
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Inhalt
III Vom Vermittlerzum Wachhund Das Fernsehen - dein Freund und Helfer? Hermeneutisch-wissenssoziologische Videoanalyse von Fernsehsendungen zur Inneren Sicherheit in Deutschland Carina Jasmin Englert / Phillip Roslon Wenn Watchdogs CRITItainment betreiben. Der ,Sheriffunter den Medien' oder die Boulevardisierung der Kritik Carina Jasmin Englert / Phillip Roslon Reality-TV - ein Versuch, das Muster zu finden Jo Reichertz
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203
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IV Securitainment Wenn Innere Sicherheit zur Unterhaltung wird - Securitainment Oliver Bidlo / Carina Jasmin Englert
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Die Führung zur Selbst-Führung Jo Reichertz / Oliver Bidlo / Carina Jasmin Englert
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Vorwort
Der hier vorliegende Band gibt einen Überblick über erste Forschungsergebnisse, die im Rahmen des DFG-Projekts Medien als Akteure. Die neue Eigenständigkeit der Medien am Beispiel des Diskurses über ,Innere Sicherheit' an der Universität Duisburg-Essen erarbeitet wurden. Ziel des Projektes ist es, aus soziologischer wie kommunikationswissenschaftlicher Sicht zu ermitteln, ob und inwieweit die (privaten) Medien im gesellschaftlichen Diskurs um Innere Sicherheit on air und offair eigenständig agieren und somit zu Recht auch als selbständige Akteure begriffen werden müssen. Die öffentlich-rechtlichen wie die privaten Medien (Zeitungen, Fernsehen, Rundfunk) haben von Beginn an auf die politische Willensbildung eingewirkt teils ausdrücklich und teils auch sehr nachdrücklich; die einen mehr, die anderen weniger. Das taten sie vornehmlich dadurch, dass sie unter dem selbst angehefteten Label ,Qualitätsjournalismus' über die Legislative, die Judikative und die Exekutive und deren Politik berichteten, deren Politik kommentierten oder und somit deren Politik als ,Vierte Gewalt im Staat' kritisch beobachteten, Entscheidungen kommentierten oder Deutungsrahmen setzten und neue Deutungen in Umlauf brachten. Ziel war dabei - so das explizite Selbstverständnis - die Herstellung einer kritischen Öffentlichkeit. Medien ,dienten' in diesem Verständnis der Öffentlichkeit und waren orientiert an dem Gemeinwohl - selbst dann, wenn sie sich explizit einer bestimmten politischen Richtung verpflichtet fühlten und selbst dann, wenn sie sich am Markt behaupten mussten. Oft versuchten sie auch in Ausübung der Vierten Gewalt, Themen auf die Tagesordnung zu setzen oder Personen bzw. Ereignisse zu skandalisieren. Dass private wie öffentlich-rechtliche Medien also auch Akteure im gesellschaftlichen Diskurs sind, ist nicht wirklich neu, sondern ziemlich alt. In diesem Sinne waren Medien von Beginn an auch politische Akteure und natürlich haben sie auch bestimmte Interessen(gruppen) vertreten. Letzteres aber immer mit dem Ziel, die Perspektive ,ihrer' Gruppe in der Öffentlichkeit zur Geltung zu bringen. Neu ist, dass die (privaten) Medien seit Beginn der 1990er Jahre vor allem Unternehmen sind, die schwarze Zahlen schreiben müssen und wie andere börsennotierte Unternehmen geführt und vermarktet werden und sich dem Kunden
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Vorwort
verpflichtet fühlen und nicht einer kritischen Öffentlichkeit - was auch Auswirkungen auf die öffentlich-rechtlich Medien und deren Politik hat. Neu ist außerdem, dass die Printmedien zunehmend weniger genutzt werden und dass stattdessen das Internet als Lese- und Schreibmedium genutzt wird. Neu ist zudem, dass Bürger sich als sogenannte ,Bürgerreporter' aktiv an der Nachrichtenproduktion beteiligen und damit den Qualitätsjoumalismus unter Druck setzen. Neu ist auch, dass die privaten Medien sich explizit in vermeintlicher Vertretung ihrer Kunden und Käufer in den Diskurs einmischen und ihn aktiv gestalten wollen. Steigende Konkurrenz und ökonomischer Druck und die Notwendigkeit der Kundenbindung nötigen sie zur politischen Aktion. Sie bringen das zur Sprache und stoßen (z.B. in Ordnungspartnerschaften und Kriminalpräventiven Räten) das an, von dem sie vermuten (oder aufgrund der Marketingabteilungen auch wissen), dass ihre Kunden es zur Sprache gebracht bzw. angestoßen haben wollen: Wenn die Bürger sich in einer Gegend unsicher fühlen, dann sind es zunehmend die Medien, die dieses Unsicherheitsgefühl aufgreifen, Vorschläge fiir eine Änderung öffentlich unterbreiten, Ordnungspartnerschaften initiieren und steuern und die Polizei animieren, die Vorschläge umzusetzen. Die Leser und die Zuschauer wirken so auf die Medieninhalte ein, steuern deren Auswahl und deren politische Ausrichtung. Verschärft wird dieser Einfluss der ,Rezipienten' durch eine Vielzahl von Möglichkeiten (z.B. Blogs, Onlineberichterstattung, Leserreporter etc.), an den Medieninhalten aktiv mitzuarbeiten, an der Medienarbeit mitzuwirken oder modem: zu kollaborieren. Ob die Medien tatsächlich als eigenständige Akteure agieren und in welchem Maße dies geschieht, das wurde in der Zeit von 2009 bis 2011 in einem DFG-Projekt im Wesentlichen empirisch untersucht. In diesem (ersten) Band stellen wir nun die Ergebnisse vor, die sich vor allem auf die Medien beziehen. In einem weiteren Band werden wir die Arbeitsergebnisse präsentieren, die sich damit beschäftigen, wie die mit der Inneren Sicherheit befassten Institutionen, also vornehmlich die Polizei, auf diese neuen Strategien der Medien reagieren und (als Reaktion darauf) ebenfalls neue Handlungsweisen herausbilden. Ganz herzlich möchten wir der DFG fiir die finanzielle Unterstützung danken.
Essen, Januar 2011 Jo Reichertz, Oliver Bidlo, Carina Englert
I
Theoretische Perspektive: Medien als Akteur
Die Medien als Akteure für mehr Innere Slcherhelt' Jo Reichertz
The newspaper is supposed to be the community 8 watchdog. Michael Connelly: The Scarecrow (2009: 36)
1. Neue Tendenzen bei der Politik der Inneren Sicherheit Innere Sicherheit ist eines der wenigen Ziele staatlicher Führungspolitik, über die es keinen Dissens gibt. Alle wollen sie, die Innere Sicherheit, selbst die, die in Opposition zur Führung stehen. Innere Sicherheit ist ein basaler Bestandteil aller bürgerlichen Regierungspolitik, auch weil sie wesentlich zum politischen Selbstverständnis der Modeme und dem damit verbundenen Schutz aller Bürger gehört. Innere Sicherheit meint, dass der Staat jedem Gesellschaftsmitglied Schutz für die Unverletztheit seiner Person, seiner Rechte und seines Eigentums bietet. Zuständig für die operative Herbeiführung und Erhaltung Innerer Sicherheit ist seit dem 19. Jahrhundert die Polizei. Diese versteht bzw. verstand ihr Geschäft vor allem als Gefahrenabwehr, was bedeutet, dass insbesondere der Einzelne vor Verbrechen geschützt wird und staatliche Einrichtungen gesichert werden. Die gegenwärtige Situation ist gekennzeichnet durch eine Neuverteilung staatlicher Sicherheitsaufgaben. Ohne dass sich der Staat aus dem Prozess der Herstellung von Sicherheit und Sicherheitsgefühl völlig zurückzieht, übergibt er zunehmendAufgaben an private Unternehmen, NGOs (Non-Govemmental Organizations), Vereine und Bürger (Garland 1997 und vor allem Garland 2008: 65ff.; Singelnstein/Stolle 2006: 25-55, siehe auch Lange/OhlylReichertz 2008 und Groenemeyer 2010). Neue Akteure, von Gunther Teubner private govemance regimes genannt (Teubner 2003, vgl. auch Ortmann 2010: 2l9ff.), tauchen im Feld der Inneren Sicherheit auf, werden in dieses Feld hineingezogen oder suchen es aktiv auf, weil dort ökonomische Gewinne erwartet oder doch vermutet werden (vgl. hierzu auch der Beitrag von Englert über den Fernsehmarkt in diesem Band). Überall "ergänzen und ersetzen, verschieben und verändern hochspezialisierte Regimes [...] in einer Art außerstaatlicher Rechtsproduktion staatliches Recht und müssen es, weil letzteres immer öfter Überforderungen ausgesetzt ist" (Ortmann 2010 : 219). Die Diese Einleitung greift überwiegend die überlegungen von Reichertz 20 I 0 auf. Allerdings finden sich hier deutlicher und sehr viel ausfiihrlicher die Bezüge zum Forschungsprojekt ,Die Medien als Akteur' . Einerseits werden hier die Fragen des Projekts erläutert, andererseits auch schon wesentliche Ergebnisse angedeutet und eingearbeitet.
O. Bidlo et al. (Hrsg.), Securitainment, DOI 10.1007/978-3-531-93077-0_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Jo Reichertz
neuen Akteure betreiben zusammen (und manchmal auch gegeneinander) aktiv eine Politik der Sicherheit - wenn auch jeder nach eigenen Maßstäben und eigenen Relevanzen (vgl. Feltes 2008). "An die Stelle staatlich gesetzter treten immer öfter ,selbstgesetzte' Normen und Standards." (Ortmann 2010: 219) Obwohl manche es so wahrnehmen, ist es nicht so, dass der Staat sich systematisch aus der Politik der Inneren Sicherheit herauszieht, sondern man muss genau hinschauen und differenzieren: denn neben den (nach wie vor ablaufenden) Deregulierungsprozessen sind immer auch Neu-, Um- und Re-Regulierungen zu verzeichnen. Deshalb kann hier nicht von einer bloßen ,Entstaatlichung' der Sicherheitspolitik gesprochen werden, also einer Selbstfreistellung oder Selbstbefreiung des Staates von der Verantwortung (vgl. Offe 1994), sondern von einer tief greifenden Umgestaltung staatlicher Zuständigkeit. Der Staat versteht sich immer weniger als ,Hirte', der :für jedes Mitglied seiner Herde verantwortlich ist und sich deshalb auch um jedes Teil der Herde zu kümmern hat (Foucault 2005: 188-220), sondern als die Instanz, die lediglich gewährleistet (mithin nicht garantiert), dass bestimmte politisch gewollte Aufgaben sichergestellt werden. Wer diese Aufgaben letztendlich wahrnimmt, ob staatliche, gemeinnützige oder private Organisationen, bleibt offen und ist auch nicht wichtig, da alle Träger (private wie öffentliche) gleich gestellt sind' . Was allein zählt, das ist die Effizienz, mit der die Aufgaben erledigt werden. Effizienz meint hier immer und vornehmlich ,ökonomische Effizienz' (Folkers/Weißgerber 2008), die auch mit modemen Managementtechniken bei allen beteiligten Akteuren (:für die Polizei siehe Lange/Schenk 2004) erreicht werden soll. In Abgrenzung zu Foucault wird auch ein anderes Bild vom Staatswandel gezeichnet: er habe sich vom Herrschaftsmonopolisten in einen Herrschaftsmanager verwandelt (Genschel/Zangl 2008, im Anschluss daran auch Heinze 2009), der zusammen mit anderen Akteuren den Staat vor allem manage, sich allerdings eine .Auffangverantwortung" (Heinze 2009: 205) vorbehalte. Dennoch sei ein solcher ,Gewährleistungsstaat' (Voßkuhle 2003; Heintzen 2003) chronisch überbelastet, was auch dazu führe, neben nichtstaatlichen Organisationen auch den einzelnen Bürger verantwortlich zu machen und ihn mit zahlreichen Maßnahmen zu aktivieren, auch selbst :für Innere Sicherheit und Ordnung 2
Wichtig wird diese Frage allerdings dann, wenn es ,Fehler' bei der Gewährleistung von Sicherheit gibt - so geschehen bei der Love-Parade in Duisburg 20 I O. Die Polizei, die Feuerwehr, die Stadt und der Veranstalter waren für die Organisation von Sicherheit zuständig, und als es zur Katastrophe kam, stritten sich die Beteiligten (angesichts der erwartbaren Regressansprüche) entschieden und öffentlich (auch mithilfe der Medien) darüber, wer versagt hat. Die Duisburger Love-Parade hat somit nicht nur eine Eventpraxis der Technoszene beendet, sondern auch die Bereitwilligkeit der Sicherheitsbehörden bei der Bewilligung von Großveranstaltungen zu hoffen, dass schon alles gut gehen wird. Es steht zu erwarten, dass sich stattdessen die Praxis etablieren wird, vom schlimmsten Fall auszugehen - nicht nur bei Großveranstaltungen.
Die Medien als Akteure für mehr Innere Sicherheit
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zu sorgen bzw. an seinem Ort das Richtige (auchfür die Sicherheit) zu tun (Lessenich 2008). Der Staat als Herrschaftsmanager' tritt oft gern auch als ein Aktivierungsstaat (Butterwege 2007) auf oder wie Ortmann formuliert: "Der Staat überlässt mehr Steuerungsaufgaben ,uns', aber es kommt zu mehr Normierung des Lebens als zuvor. Er überlässt es ,uns', das heißt, den zu steuernden Akteuren, aber genau besehen doch eher jenen private govemance regimes, die uns diese ,Selbst'steuerung meist ab und aus der Hand nehmen." (Ortmann 2010: 219) Wenn von der Miteinbeziehung anderer Akteure, also den private govemance regimes, oder von der Aktivierung der Bürger selbst gesprochen wird, kommen in der kriminologischen Fachliteratur meist nur Privatunternehmer (Sicherheitsfirmen und auch Architekten und Stadtplaner), NGOs oder die Bürger in den Blick: Eine Reihe privater Firmen übernehmen großflächig Überwachungsaufgaben (vgl. Beste 2008). In Hessen werden sogenannte Public Private Partnerships geplant, bei denen der Staat zwar Eigentümer der Gefängnisse bleibt, aber Betrieb und Instandhaltung von privaten Unternehmen übernommen wird (zur aktuellen Situation im deutschen Strafvollzug siehe Alex/Feltes 2008). In der kommunalen Kriminalprävention verfolgen staatliche Akteure im Rahmen von Community Policing-Ansätzen seit den 1990er Jahren eine Deregulierungsstrategie, indem die Durchsetzung von Sicherheit in der Nachbarschaft und im Wohnumfeld verstärkt dezentral in die Verantwortung von Bewohnerschaft, Vermietern bzw. Wohnungsunternehmen und ansässigen Gewerbetreibenden gelegt werden soll (vgl. auch Kury 2008). Bei allen aktuellen Analysen zur Neuausrichtung der Politik der Inneren Sicherheit spielen die Medien als eigenständige Akteure so gut wie keine Rolle: Glaubt man den kriminologischen, soziologischen und kommunikationswissenschaftliehen Analysen, dannberichten die Medien ,nur' über die Politiken der Inneren Sicherheit, sind also Überbringer von Nachrichten, gestalten diese jedoch allenfalls durch die Berichterstattung und gelegentliche Skandalisierungen mit. Die Auswirkung der Medien wird dann als nicht kalkulierbarer ,Kollateralschaden' der Nachrichtenübermittlung und -verbreitung betrachtet, und nicht als Ergebnis einer eigenen und neuen ,Strategie' der Medien, die System hat. Dieses neue System ist - so die These - nicht die gängige, wenn auch meist unbegriffene Praxis geworden. Sie zielt vor allem auf Kundenbindung in einem Markt, in dem der Konkurrenzdruck in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat. Die kriminologischen Studien unterschlagen meist völlig diese Bedeutung der Medien als eigenständige Akteure (z.B. Groenemeyer/Wieseler 2008) - das 3
Die systematische Unterstützung staatlichen Handelns durch den großflächigen Einsatz zentraler wie dezentraler Großrechner (fiir die Polizei siehe: Heinrich 2008) führt nicht nur zu einem massiv erhöhten Abstimmungsbedarf, sondern verändert die Arbeit der Akteure grundsätzlich (fiir die Polizei siehe: Wilz/Reichertz 2008).
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Jo Reichertz
gilt auch und in besonderem Maße für Garland 2008 und in dessen Nachfolge auch Singelnstein/Stolle 20064, die beide im Anschluss an die Arbeiten von Michel Foucault (zu Recht) einen grundlegenden Wandel der Politik der Inneren Sicherheit westlicher Staaten diagnostizieren (kritisch hierzu Reuband 2010). Die Arbeiten von Garland und Singelstein/Stolle folgen Foucault aber auch in seiner Nichtbeachtung der Medien. Gleiches gilt auch für die studies 01governmentality, die ebenfalls die Akteurrolle der Medien meist ausblenden (beispielhaft hierfür: KrassmannNolkmer 2007)5.Und wenn einmal die Medien explizit in den Fokus der kriminologischen Forschung geraten, dannwird vor allem deren Rolle bei der Erweckung und Steigerung der Kriminalitätsfurcht (Reuband 2008) oder die Thematisierung von Polizei in den fiktionalen oder semifiktionalen Fernsehsendungen (Kersten 2008) untersucht. Im politischen Diskurs über die äußere Sicherheit werden die Medien vor allem in ihrer Bedeutung als Multiplikatoren von Nachrichten gewürdigt (siehe ähnlich JägerNiehrig 2009b: 8)6bzw. aufdiese beschränkt. In den letzten Jahren wurde zudem wiederholt auch auf den CNN-EfIekt hingewiesen (Livingston 1997). Demnach sollen Medien in bestimmten historischen und politischen Konstellationen durchaus auch in der Lage sein, politische Entscheidungen herbeizuführen'. 4
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Das gilt im übrigen auch für den Sammelband von JägerNiehrig 2009. Obwohl der Zusammenhang im Buchtitel "Sicherheit und Medien" benannt wird, verbleibt auch hier die Analyse im Wesentlichen bei der Betonung der Multiplikatorenfunktion der Medien. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet z.B. die Arbeit von Seier/Surma 2008 . Hier zeigt sich, wie fruchtbar es ist, die Foucaultschen überlegungen um die Beachtung der Rolle der Medien zu ergänzen. Allerdings wird von denAutorinnen nur herausgearbeitet, dass und aufweiche Weise Medien (Brief, Zeitung, Fernsehen etc.) konstitutiv sind für die Praktiken der Selbstfiihrung, dass also "Medientechnologien und Selbsttechnologien produktiv ineinander greifen" (Seier/Surma 2008: 177). Die Bedeutung der Medien als eigenständige Akteure für den und in dem öffentlichen Diskurs, wie z.B. bei Ivänyi/Reichertz 2002 und Ivänyi 2003 herausgearbeitet, gerät dabei nicht in den Blick. Jäger und Viehrig betonen neben der Multiplikatorenfunktion der Medien im Anschluss an die Arbeiten von Vtrilio auch deren Fähigkeit zur Teleaktion. "Die Analyse der neuen Handlungsbedingungen bewegt sich zwischen zwei Polen: der Teleaktion und der Multiplikatorenfunktion. Auf der einen Seite ist die dreifache Aufhebung von Handlung zu beobachten, die durch die Teleaktion ersetzt wird [...]: Handlungen werden bewahrt, es wird weiter gehandelt; sie werden ersetzt, indem anders gehandelt wird; und - zumindest aus Sicht der Akteure - werden sie auf ein höheres Niveau gehoben. Denn Teleaktion simuliert nicht nur eine neue Realität, sondern schafft auch gleichzeitig eine neue Realität, die die bisherigen Handlungsräume ersetzt." (Jäger/ Viehrig 2009b : Bf.) In Deutschland ist diese Frage im Jahr 2003 am Beispiel einer Bild-Kampagne gegen ,FloridaRolf diskutiert worden. BILD hatte dagegen polemisiert, dass der in Florida lebende Rolf dort Sozialhilfe aus Deutschland bezieht. Diese mediale Klage führtedazu, dass das deutsche Kabinett auf Initiative der Bundessozialministerin Ulla Schmidt eine Verschärfung der Richtlinien zur Zahlung von Sozialhilfe ins Ausland verabschiedete (siehe hierzu: http://www.bpb.de/veranstaitungen/VVTUUC.html-letzter Abruf: 20.11.2010).
Die Medien als Akteure für mehr Innere Sicherheit
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Neuere kommunikationswissenschaftliehe Analysen nehmen durchaus die Akteursrolle der Medien in den Blick (z.B. Page 1996, Pfetsch/Adam 2008, Jäckel/ Mai 2008, Mai 2005), beziehen sich allerdings in der Regel auf den politischen Prozess ganz allgemein (Hombach 2004, Kübler 2010) und nicht auf den Prozess der Herstellung Innerer Sicherheit. Neben ihrer .Primärfunktion der Informationsübermittlung" (Eilders 2008: 27) nehmen sich ihr "Recht in Anspruch, sich als Sprecher der Öffentlichkeit mit ihrer eigenen Sichtweise, ihren Präferenzen und Bewertungen zu Wort zu melden" (ebd.). Sie versuchen, bestimmte Themen auf die Agenda zu setzen, sie kommentieren politische Entscheidungen und sie setzen Deutungen tframes - siehe ausführlich dazuBaumgarten 2010: 43ff.) in die Welt (z.B. Eilders 2008, Waldherr 2008). In der allgemeinen Diskussion um die Frage, ob die Massenmedien als politische Akteure zu betrachten sind, hat sich die kommunikationswissenschaftliche Forschung vor allem auf drei Themen konzentriert (siehe auch: Pfetsch/Adam 2008a): die politischen Folgen des Handelns von großen, mittlerweile auch global agierenden Medienunternehmen (Baker 2007), die Bedeutung einzelner hervorgehobener individueller Akteure im Feld der Medienarbeit (Neidhardt/Eilders/Pfetsch 2004; Pfetsch/Adam 2008a) und (aus der neoinstitutionalistischer Perspektive - siehe Senge/Hellmann 2006 und Senge 2011) die Bedeutung der Medien bei der Vermittlung der von der Makroebene vorgegebenen Werte (Marcinkowski 2007).
2. Der Prozess des Polizierens Innere Sicherheit stellt sich nicht von selbst her, sondern muss hergestellt werden: sie ist in der Regel das Ergebnis eines komplexen Zusammenwirkens lokaler, regionaler und überregionaler Praktiken. Polizieren meint dabei das gesamte staatliche, private, von Verbänden und Bürgerinitiativen getragene Handeln, das auf die Erreichung und Erhaltung von Sicherheit zielt", Der Begriff ,Polizieren' greift zwar den deutschen Ausdruck ,policieren' (abgeleitet vom Substantiv ,Policey',) auf, der bereits im 16. Jahrhundert aufkam und insbesondere im 18. Jahrhundert die europäische ,Kunst des Regierens' maßgeblich bestimmte, erfährt aber hier in Abgrenzung zu der Tradition des Policey-Gedankens (vgl. vor allem Nitschke 1996; klassisch zum Thema: Moh11832) eine Neufestlegung. Zu berücksichtigen 8
Diese Überlegungen zum Begriff des ,Polizierens' sind maßgeblich beeinflusst durch ein Konzeptpapier zum Antrag auf Förderung einer Forschergruppe - .Polizieren - Über den Wandel bei der Erreichung und Erhaltung von innerer Sicherheit" vom September 2005, dass neben mir von Thomas Feites, Cay Folkers, Andre Kaiser, Julian Krüper, Martin Morlok, Peter Stegmaier, Jürg Weißgerber und Henning van den Brink verfasst wurde .
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ist in dieser Hinsicht zunächst, dass das semantische Feld des - heute im Deutschen ungebräuchlichen - Ausdrucks ,Polizieren' sich nur zum Teil mit dem des englischen .policing' deckt. Es sollen dagegen hier lediglich diejenigen Praktiken angesprochen sein, die zur Herstellung Innerer Sicherheit führen bzw. führen sollen. Polizieren kann demnach beschrieben werden als ein Kampf der beteiligten Akteure um die Rechtfertigung, Verankerung und Durchsetzung bestimmter Handlungsstrategien innerhalb einer bestimmten Gesellschaft. Diese Prozesse vollziehen sich im Rahmen der etablierten politischen, juristischen und ethischen Legitimationsdiskurse und mithilfe der gegebenen Medien der Gesellschaft (siehe ausführlicher dazu: Reichertz 2007a und c, Reichertz 2010 und auch Feltes 2009). ,Polizieren' deckt sich also keineswegs mit Kustodialisierung (vgl. EIsbergen 2004). Zwar trifft sich ,Kustodialisierung' mit dem ,Polizieren', wenn es um private governance regimes als Akteure der Inneren Sicherheit geht. Aber auch bei dem Konzept der Kustodialisierung werden die Medien ausgeblendet. Stattdessen stehen besorgte Bürger im Mittelpunkt dieses Konzepts, die ihr vermeintliches Recht selbst in die Hand nehmen und selbst für ihre Innere Sicherheit sorgen wollen. Das Konzept des Polizierens setzt da an, wo die Kustodialisierung aufhört. Dort will der Bürger überwachen und sein Revier schützen, hier werden die Medien zu "community's watchdogs?" (Connelly 2009: 36), weil sie es dürfen - da sie nur schreiben und nicht ,handgreiflich' werden. Am Prozess des Polizierens sind Polizisten ebenso beteiligt wie Richter, so genannte ,Schwarze und Blaue Sheriffs' ebenso wie ,Sky Marshals', Polizeiforscher, Journalisten, Fernsehmacher, Sicherheitsfirmen, Bürgerwehren sowie Sicherheitswarte, Jugendgerichtshilfen ebenso wie Streetworker und natürlich auch Detektive und Bodyguards. Zum Polizieren gehören Repression wie Prävention, das öffentliche Warnen und Aufklären, das Erstellen von Ratgebern genauso wie das Herausgeben von Kriminalstatistiken, die Ausbildung in Kampfsportarten wie der Besitz von Waffen, das Beobachten von öffentlichen Plätzen mit Videokameras (siehe hierzu Hempel/Metelmann 2005, Zurawski 2007, Kammerer 2008) wie die Ausstrahlung von Fernsehsendungen, die auf Ordnung und Sicherheit zielen (von Aktenzeichen XY-ungelöst bis hin zu Tatort Internet), dazu gehören auch alle Maßnahmen zur Erschwerung von Geldwäsche, das systematische Scannen des World Wide Web nach strafbaren Inhalten und der Bau von ,Panic-Rooms'. Dazu gezählt werden müssen aber auch die unterschiedlichen Bewegungen zur Aufwertung der 9
Man beachte dabei die Implikationen der Metapher ,Wachhund' . Medien sind in diesem (Selbst-) Verständnis nicht (mehr) die Vierte Gewalt im Staate, sondern Wächter, die ein bestimmtes Haus, eine bestimmte Gemeinde vor Angriffen von außen schützen. Es geht also nicht (mehr) um die Schaffung einer kritischen Öffentlichkeit, sondern um die Schaffung partikularer Sicherheit.
Die Medien als Akteure für mehr Innere Sicherheit
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Innenstädte durch die Beseitigung von Müll sowie die Ausgrenzung von Bettlern, Drogenabhängigen und Prostituierten, die Beratungen von Drogenkonsumenten in den ,Locations', die Bürgerbeteiligung bei Betreuungsaufgaben, die bewachende Nachbarschaftshilfe und die geschützten Wohngebiete (also gated communities) fiir Ältere und Wohlhabende (vgl. Wehrheim 2000, 2002). Gewiss gehören auch alle wissenschaftlichen Debatten über die Innere Sicherheit, das plötzliche Erstarken des Broken-Window-Ansatzes (vgl. Wilson/Kelling 1996), die Übernahme des Zero-Tolerance-Konzeptes durch eine Reihe von bundesdeutschen Städten (vgl. DreherlF eltes 1997) und die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen über einen steigenden Bedarf an verhaltensorientierten Traditionen und Werten dazu. Der Begriff des ,Polizierens' unterscheidet sich somit erkennbar von dem des ,Regierens' (KortelWeidenfeld 2000; KortelFröhlich 2004, Leggewie/Münch 2001), denn ,Regieren' bezeichnet vor allem das staatliche Handeln, das auf gezielte Steuerung des Ganzen und seiner Teile ausgerichtet ist (zu Praktiken der Steuerung aus systemtheoretischer Perspektive siehe Willke 1998). In dieser Perspektive geraten Institutionen theoretisch erst dannin den Blick, wenn sie Gegenstand oder Betreiber staatlichen Handelns sind. ,Polizieren' umfasst dagegen mehr: Es beinhaltet auch Formen individuellen Verhaltens, die nicht durch staatliche Interventionen initiiert sind. Es ist damit also das gesamte öffentliche und private, von Verbänden, Institutionen und Bürgerinitiativen getragene Handeln angesprochen, das auf die Erreichung von Ordnung und/oder subjektiv empfundener Sicherheit zielt. ,Polizieren' bezieht sich gerade auch aufVerhaltensformen und -normen, die das individuelle und soziale Leben auf informelle Weise regeln - und nicht nur allein auf den rechtlich regulierten Bereich im engeren Sinn. ,Polizieren' bezieht sich hier also auf die Gesamtheit historisch gewachsener ,,Machttechniken, die auf Individuen zielen und diese auf stetige und beständige Weise lenken sollen" (Foucault 1994: 67). Der hier verwendete Begriff des ,Polizierens' weist Berührungspunkte mit dem von Michel Foucault geprägten Konzept der Gouvernementalität auf, das allerdings auf einen weitaus umfänglicheren Anwendungsbereich bezogen ist. Der Begriff Gouvernementalität nimmt nämlich die Gesamtheit der Praktiken des Führens und des Regierens in den Blick und zwar sowohl die Praktiken des Führens anderer Menschen als auch der eigenen Person. Den französischen Ausdruck ,gouverner' bezieht Foucault auf die Übernahme von Verantwortung fiir Dinge und Menschen, die Anleitung der Geführten, ihre systematische Beobachtung und ihre Umwelten, und zwar vor dem Hintergrund der Frage, wie die Geführten am besten von einem bestimmbaren Ausgangspunkt zu einem bestimmten Ziel gebracht werden können. Dies gilt gleichermaßen fiir die Führung einer Familie, eines Landes
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Jo Reichertz
und natürlich auch für die Führung seiner selbst - und das unterscheidet ,gouverner' vom Regieren im engeren politikwissenschaftlichen Sinne (zum Konzept der Gouvernementalität siehe vor allem Foucault 1994 und 2004, aber auch: Lemke 1997,2000; Krasmann 1999, 2002, 2003a, 2003b; Lemke/Krasmann/Bröckling 2000; KrassmannNolkmer 2007 und Pieper/Rodriguez 2003). Die Vorzüge des Gouvernementalitätskonzepts liegen darin, dass die Betrachtung sozialer Selbstregulierungsvorgänge keine idealisierten Akteure voraussetzt, sondern mit einer Interdependenz von sozialer Regulation und individueller Habitusbildung rechnet (vgl. auch Bourdieu 1979). Die Verhaltensdispositionen und Optionsspielräume der sozialen Akteure werden dabei vom Ansatz her nicht als Eigenschaften vorsozialer Handlungssubjekte konzeptualisiert. Vielmehr werden sie von den Regeln und Zwängen des soziokulturellen Raums überhaupt erst konstituiert, ohne dass ein Verhältnis vollständiger Determination vorläge. Foucaults Einsicht zufolge wirken die gegebenen sozialen Machtverhältnisse auf die Akteure niemals nur einschränkend, sondern immer auch befähigend (vgl. Foucault 2005). Das Polizieren ist dementsprechend nicht als einseitige obrigkeitliche Beeinflussung oder Disziplinierung zu verstehen, sondern wird von den Akteuren im sozialen Raum immer auch mehr oder weniger freiwillig mitgetragen, abgewandelt oder auch vorangetrieben. Die Akteure lernen, sich selbst bereitwillig selbst fiihren zu wollen. Die Scham ersetzt den Zwang (vgl. Foucault 2004 und 2010, Necke12008: 149fI, Reichertz 2009, Tomasello 2010 10) .
3. Medien als Akteure innerhalb der Politik der Inneren Sicherheit Sozialwissenschaftliche Zeitdiagnosen sind sich im Wesentlichen darüber einig, gleich ob sie unter dem Label Risiko-, Wissens- oder Kommunikationsgesellschaft oder anderen firmieren (vgl. Ederer/Prisching 2003: 13fI.), dass (nicht nur) die deutsche Gesellschaft gekennzeichnet ist durch (a) einen massiven und umfassenden, alle gesellschaftlichen Bereiche beeinflussenden Globalisierungsschub, (b) durch eine tief greifende Herauslösung des Einzelnen aus angestammten Gruppen bei gleichzeitiger Angewiesenheit auf neue gesellschaftliche Institutionen, (c) durch weiter anwachsende und noch bedeutsamer werdende Interkulturalität und (d) die zentrale Rolle von Wissen und Kommunikation bei der Bearbeitung und Bewältigung der aus den Besonderheiten moderner Gesellschaften resultierenden Integrationsprobleme (Heck/Grande 2004; Giddens 1999; Sennett 2000). Für solche 10
Stellvertretend für viele andere ähnlich lautenden Aussagen: "Sowohl Kooperations- als auch Konformitätsnormen werden durch Schuld- und Schamgefiihle untermauert." (Tornasello 2010: 78)
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Gesellschaften ist der Kampfder Perspektiven konstitutiv und auch auf Dauer gestellt. Unterschiedliche und oft heftig miteinander konfligierende, besser: in Konflikt stehende Sitten, Normen und Interessen müssen immer wieder neu aufeinander abgestimmt und in ein ,Gleichgewicht' gebracht werden. Bei diesem Prozess spielen mediale Kommunikation und die Medien auch deshalb eine wichtigere Rolle, weil immer mehr, immer öfter und immer begründeter Geltungsansprüche und Legitimationen ausgehandelt werden müssen (siehe auch Ziemann 2006 und 2011). Die deutsche Gesellschaft ist aus dieser Sicht eine Gesellschaft, 1.
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in der das private wie berufliche individuelle Leben immer stärker und immer häufiger durch die Notwendigkeit kommunikativen (Aus- )Handelns gekennzeichnet ist (Knoblauch 1995, Reichertz 2007a, Villa 2008), in der alle Bereiche des privaten wie beruflichen, des individuellen wie des öffentlichen Lebens von einem tiefgreifenden Medialisierungs- bzw. Mediatisierungsprozess überarbeitet werden (Imhoff 2006, Krotz 2007, Meyen 2009), in der das private wie berufliche individuelle Leben immer stärker und immer häufiger durch die Notwendigkeit der Nutzung von Kommunikationsmedien aller Art gekennzeichnet ist (Döring 2003, GoIl2002), in der Kommunikation im privaten wie im beruflichen Leben das wichtigste Mittel zur Initiierung und Umsetzung von Veränderungsprozessen (change management) ist (Doppler & Lauterburg 2008, Richter 2008), in der wegen der Kunden- und Prozessorientierung in immer mehr Unternehmen Netzwerkstrukturen aufgebaut und deshalb von fast allen Mitarbeitern/innen auch immer mehr Kommunikationsarbeit erwartet wird (Holtgrewe 2005, Sydow 2006, Castels 2002), in der politische oder ökonomische Entscheidungen unter immer größerer Unsicherheit und mit zunehmendem Risiko, außerdem in vemetzten, globalisierten und daher immer komplexeren Zusammenhängen getroffen werden müssen und die Ansprüche an individuelle Entscheider, Entscheidungen kommunikativ herbeizuführen, sie kommunikativ zu vermitteln und durchzusetzen den Stellenwert von Kommunikation emorm erhöht haben (vgl. z.B. Kieser 1998, Faust 2006, Schreyögg 2000, Ortmann 2010), in der staatliche, wirtschaftliche und private Organisationen aller Art Kommunikation als ein Steuerungsmittel erster Güte ansehen und zur Erreichung ihrer Ziele einsetzen (Lange/Schimank 2004, KrasmannlVolkmer 2007, Opitz 2004, Pfadenhauer 2008),
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in der die lokale, nationale wie internationale Öffentlichkeit sich im Wesentlichen mit Hilfe der Massenmedien informiert und durch sie auch irritieren bzw. animieren lässt (Münch 1991, Luhmann 1996, Eilders/Neidhardt/ Pfetsch 2004, Jarren/Donges 2002, Baker 2007), 9. in denen neue Formen der gesellschaftlichen Kommunikation (Internet, Web 2.0, Powerpoint) von Wissen aller Art alltäglich geworden ist (Schnettler/ Knoblauch 2007, Reichertz 2007b, Lul12008) und 10. in der Probleme des Wissens und der Kommunikation von immer leistungsstärkeren Kommunikationstechnologien übernommen werden und diese Medien deshalb als Bedingung und Mittel erfolgreichen Wirtschaftens und Verwaltens nicht mehr wegzudenken sind (Brüggemeier et al. 2006, Köthe 2008). Diese tief greifenden Veränderungen der Gesellschaft, die einerseits von den neuen Formen der Kommunikation und den neuen Kommunikationsmedien mit geschaffen wurden, andererseits den Kommunikationsbedarfund den Bedarfan neuen Kommunikationsmedien erheblich gesteigert haben, kommt in allen gesellschaftlichen Bereichen zum Ausdruck. Seit der Öffnung des Rundfunkmarktes für private Anbieter ist eine tief greifende Verlagerung des gesellschaftlichen und politischen Geschehens in den öffentlichen Diskurs hinein zu verzeichnen: Medien und der damit verbundene Mediatisierungsprozess" stellen nicht mehr nur die ,Begleitmusik' zu dem eigentlichen politischen Geschehen dar, sondern sind ein wesentlicher Teil der Politik (vgl. Münch 1991: 17). Medien (regionale wie überregionale) und der Prozess der Mediatisierung spielen also zunehmend eine wichtige und auch qualitativ neue Rolle (Imhof2006, Krotz 2007, Meyen 2009), da sich alle Beteiligten ihrer bedienen wollen. Besonders markante, medial gut vermittelbare Großereignisse wie die Anschläge vom 11. September 2001 dienen dazu, Neuorientierungsprozesse anzustoßen bzw. bereits ablaufende zu deuten und zu rechtfertigen. So gaben die Terroranschläge in New York und Washington nicht nur in fast allen westlich orientierten Staaten (für alle Akteure) den symbolischen Katalysator ab, mit dem teils weitreichende Veränderungen der "Politik der inneren Sicherheit" legitimiert wurden und immer noch werden (vgl. z.B. Reichertz 2003; Hitzler/Reichertz 2003; Heitmeyer/Soeffner 2004; Miller/Soeffner 1996; Kemmesies 2006, Münkler 2006). Mediatisierungsprozesse sind in modemen Demokratien allgegenwärtig und deshalb unabdingbar, da Politik, Machtausübung und Legitimation an den Glauben 11
Zum Begriff der Medialisierung siehe weiter unten.
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der Beherrschten an die Geltung der gesellschaftlichen Ordnung gebunden sind (Jarren/Donges 2002 und 2007). Deshalb muss dieser Glaube dadurch erzeugt werden, dass Politik von allen Akteuren dargestellt wird und die Beherrschten in der Versinnbildlichung von Politik das finden, was ihnen die Erzeugung dieser Geltung ermöglicht bzw. nahe legt. Die Herstellung von Öffentlichkeit hat sich durch die mit der Privatisierung des Rundfunks einhergehenden sprunghaften Vermehrung der Medien und die neuen Konkurrenzbedingungen, denen sich auch die öffentlich-rechtlichen Sender nicht entziehen können, quantitativ wie qualitativ in entscheidender Weise verändert: Die Vermehrung der Medien hat zur Folge, dass (auf der Suche nach ,Content') immer mehr Akteure Content produzieren (so z.B. in sogenannten nachfrageorientierten "Content-Farmen" - Langer 2010: 10) und immer mehr Bereiche immer intensiver beobachtet werden, sodass kaum mehr ein Bereich der Gesellschaft von ihrer Beobachtung ausgespart bleibt. Die Konkurrenz der Medien und vor allem: die persönliche Konkurrenz der in den Medien Arbeitenden hat die Art der Berichterstattung (Kampf um Aufmerksamkeit) in wesentlichen Punkten verändert: es geht vor allem um Quoten und Auflagenhöhe. Diese qualitativen wie quantitativen Veränderungen der Erreichung gesellschaftlicher Öffentlichkeit mithilfe der Medien, die ich hier mit dem BegriffMediatisierung bezeichnen möchte, sind von den Sozialwissenschaften bislang weder hinreichend erfasst noch hinreichend auf ihre Folgen hin untersucht worden.
4. Mediatisierung als neue Ausdrucksform der Medialisierung Der Begriff ,Mediatisierung', der meist synonym mit dem Begriff ,Medialisierung' benutzt wird, ist in der Medienwissenschaft schon mehrfach wegen seiner Missverständlichkeit zu Recht kritisiert worden. Wenn hier gleichwohl der Begriff der Mediatisierung bewusst weiterhin verwendet wird, dann deshalb, weil damit ein neues Phänomen adressiert werden soll, das über die Medialisierung hinausgeht. Medialisierung meint nämlich nur, dass alles Wichtige und alles, was als wichtig gelten will, in den Medien auftauchen muss, Mediatisierung meint darüber hinaus auch noch den Prozess der Ausrichtung und Gestaltung des Handelns von gesellschaftlichen Akteuren auf die Medien und deren Berichterstattung hin (siehe auch Imhof2006 und Krotz 2007). All das ist in modemen Demokratien allgegenwärtig (Kepplinger 1998), auch weil jede Politik an Legitimation gebunden ist. Deshalb müssen alle gesellschaftlichen Akteure sich darum bemühen, den Glauben an die Legitimität der eigenen Perspektive und Position zu erzeugen (vgl. Jarren/Dongers 2002). Dies versuchen politische Akteure zunehmend dadurch zu erreichen, dass
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sie allen ,stakeholders ' eine Visualisierung oder,Versinnbildlichung' ihrer Politik anbieten, die ihnen die Erzeugung dieser Legitimität ermöglicht bzw. nahe legt. Politik und Politiker, obwohl schon immer auf Inszenierung angewiesen und deshalb darin ausgewiesen, müssen in erheblich gesteigertem Maße inszeniert werden, wobei sich alle beteiligten Akteure immer mehr darauf ausrichten, Ereignisse zu dramatisieren oder allgemeiner: zu theatralisieren (vgl. Meyer 2001: 547-571; Reichertz 1998: 385-402, auch Reichertz 2007b und Reichertz/Englert 2010, auch in diesem Buch in den Beiträgen von EnglertJRoslon und Bidlo/Englert). Mediatisierung meint darüber hinaus, dass Politik in den Medien stattfindet. Die Medien berichten nämlich nicht nur über die für sie inszenierte Politik und darüber, was in der Politik entschieden wird, sondern sie ermöglichen und unterstützen oder erschweren oder unterlaufen die politische Entscheidung: Nicht nur und nicht allein durch einen politischen Kommentar, Sondersendungen, Talkshows und Politikmagazine, sondern auch dadurch, dass sie die Arena stellen, in der Politik - zumindest ein Teil davon - betrieben wird", Medien sind wie selbstverständlich in politische Steuerungsprozesse (Govemance) eingebunden und die Medien stellen nicht nur die Rennbahn zur Verfiigung, sondern sie sind selbst Akteure" in dieser Konkurrenz um die Angemessenheit von Politik. Vor allem deshalb wird hier bewusst der Begriff der Mediatisierung'" verwendet. In den Medien spielt sich also ein öffentlicher Kampfum die (Be-)Deutung und Durchsetzung von Politik ab, der über die rein symbolische Politik hinausgeht und der eine qua-
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Ein besonders bemerkenswertes Beispiel hierfür ist die Debatte über die Integration von Migranten/innen, die Sarrazin mit seinem Buch im Sommer 2010 ausgelöst hat (Sarazzin 2010). Erst wurde er öffentlich von den Medien und der Politik in den Medien geächtet, dann glaubten einige Medien (auch BILD), öffentlich fiir die Meinungsfreiheit (auch fiir die von Sarrazin) in Deutschland kämpfen zu müssen, dann war man sich in zahlreichen Talk-Shows bald einig, dass Sarrazin ein wichtiges Thema angestoßen habe (nur ungeschickt bis unhaltbar argumentiert habe) und dass jetzt die Politik eine bessere Integrationspolitik betreiben müsse. Die Politik revanchierte sich mit dem Vorwurf an die Medien, diese wären bei der Integrationsproblematik ihrer gesellschaftlichen Aufgabe (was ist hier mit gesellschaftlicher Aufgabe gemeint?) nicht gerecht geworden. In der neueren Debatte bescheinigen auch andere Autoren den Medien, dass diese als Akteure auftreten - so auch JägerMehrig 2009b. Allerdings beziehen sich deren Befunde aufvornehmlich auf die äußere Sicherheit (auch wenn sie anderes reklamieren). Zudem beschränkt sich das Akteursein der Medien darauf, ein " Spielfeld der Teleaktion zu sein und als Multiplikator von Regierungs- und Eliteninteressen zu dienen" (ebd. : 15). Die hier vorgenommene Gebrauch des Begriffs ,Mediatisierung' weicht damit etwas ab von dem Gebrauch, den Friedrich Krotz in den letzten Jahren etabliert hat. Er meint mit ,Mediatisierung' vor allem dengrundlegenden Prozess, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die gesamte Kultur einer Gesellschaft durch den medialen Wandel kommunikativen Handelns neu aufbereitet und ausgehandelt wird (Krotz 2007). Der hier verwendete Mediatisierungsbegriff beschränkt sich darauf, vor allem das neuartige Handeln der Medien zu untersuchen.
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litativ neue Form besitzt, die Soeffner und Tänzlerfigurative Politik genannt haben (Soeffner/Tänzler 2002: 17-34). Ausdrücklich ist mit ,figurativer Politik' nicht ,symbolische Politik' (wie z.B. bei Sarcinelli) (vgl. Sarcinelli 1998) gemeint. Der letztere Begriff geht auf eine Debatte in den Rechtswissenschaften zurück, denn seit Gusfield (1963 und 1981) und Noll (1981: 347-364) nennt man scheinbar folgenlose Gesetzestexte auch ,symbolische Gesetze'. Diese sind Teil eines symbolischen Rechts, welches seinerseits Ausdruck einer symbolischen Politik ist. Eine beliebte Metapher für symbolische Politik: "Es wird politisch viel Wind gemacht und erreicht wird nichts." Der Begriff ,Mediatisierung' adressiert hier sehr viel mehr und anderes als symbolische Politik: Die Berichterstattung in und durch die Medien ist für alle gesellschaftlichen Akteure enorm wichtig, nicht nur, weil alle, die wahrgenommen und berücksichtigt werden wollen, in den Medien vorkommen müssen, sondern weil die Medien Teil der praktischen Politik geworden sind. Deshalb drängt alles und jeder in die Medien - nicht nur weil sie gesehen werden wollen, sondern weil sie beteiligt sein wollen. Deshalb sind Medien wirksam und deshalb ist die Darstellungspolitik - so sehr sie auch mit Symbolen arbeitet - keine symbolische Politik, sondern praktische Politik mit Symbolen.
5. Polizieren und der Mediatisierungsprozess Diese allgemeinen Bestimmungen zur figurativen Politik gelten noch sehr viel mehr, wenn es darum geht, eine Neuausrichtung gesellschaftlicher Herstellung und Verantwortung von ,Innerer Sicherheit' zu erreichen, durchzusetzen und zu verankern - geht es doch hier nicht um die Fortschreibung eines bereits vorhandenen Handlungskonsenses, sondern um die Veränderung alter Muster und Zuständigkeiten. Es entsteht ein erhöhter Bedarfan Erklärung und Legitimation, was reflexartig zur verstärkten Mediennutzung führt. Auch hier müssen alle Akteure im Feld des Polizierens, so sie denn wirken und ihr Handeln legitimieren wollen, mit den Medien ,umgehen' - das gilt nicht nur für die überregional präsenten Akteure, sondern auch und gerade für die nur regional und/oder lokal präsenten. ,Polizieren' (also nicht zu verwechseln mit ,policing') meint (wie oben bereits ausgeführt) das gesamte staatliche, private, von Verbänden und Bürgerinitiativen getragene Handeln, das überregional, regional oder lokal auf die Erreichung und Erhaltung von Sicherheit zielt. Ausdrücklich sind damit zwei Prozesse angesprochen: die jeweils historisch fundierte und in die jeweilige Kultur eingebundene Herstellung von Innerer Sicherheit durch bestimmte Institutionen und Personen einerseits und die Deutung und Akzeptanz der Leistungsfähigkeit dieser Instituti-
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onen und Personen durch die Öffentlichkeit, die Medien und die Bürger andererseits. Allerdings können Herstellung und Deutung nur analytisch voneinander getrennt werden, gibt es im gesellschaftlichen, kommunikativ vermittelten Prozess doch keine strikte Arbeitsteilung zwischen aktiven Produzenten auf der einen und passivem Publikum auf der anderen Seite. Denn die in interpersonalen wie medialen Diskursen vorgenommene Deutung von Sicherheit beeinflusst ihrerseits Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster und kann als solche an der ,Herstellung' von Innerer Sicherheit durchaus beteiligt sein. Öffentlichkeit, Medien und Bürger können daher nicht nur als ,Resonanzkörper', sondern müssen ebenfalls als aktiv gestaltende Akteure betrachtet werden. An dem aktuell zu beobachtenden Sicherheitsdiskurs, der durch die Entwicklung der Deregulierung bei gleichzeitiger Neuregulierung des Polizierens maßgeblich bestimmt ist, sind zunächst die direkt :für die Gesetzgebung verantwortlichen Sicherheitspolitiker beteiligt. An ihm nehmen aber auch die Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen teil, diefür die Gewährleistung von Innerer Sicherheit verantwortlich sind bzw. die sichfür die Gewährleistung der Inneren Sicherheit verantwortlich wähnen. So kommt es zu einem hoch komplexen, von verschiedensten Interessen her angegangenen und in einer dynamischen Machtformationen stehenden, in sich widersprüchlichen und unübersichtlichen Verständigungsprozess, mit dem sicherheitspolitische Selbstverständlichkeiten zur Disposition gestellt und durch neue Dispositionen ersetzt werden. Die am Diskurs Beteiligten sind ganz im Sinne der "Reflexiven Modeme" (Giddens 1995, 1999) immer wieder von Neuem zu einem Überdenken und Modifizieren ihrer Positionen gezwungen. Dieser Verständigungsprozess über die Innere Sicherheit und die mit ihm einhergehenden machtpolitischenAuseinandersetzungen sind heute ohne die Beteiligung der Medien nicht mehr denkbar. Politische Akteure müssen, wollen sie und ihre Position im öffentlichen Diskurs auftauchen, das Treiben der Journalisten (teils mit professioneller Hilfe) beobachten: so produzieren sie Ereignisse, damit über sie berichtet wird, sie müssen mit ihren PR-Beratern oder Spin Doctors (vgl. Esser 2000: 17-24; Kocks 200la: 137-148) Strategien entwickeln, in welchen Medien und welchen Sendungen in welchem Outfit über welches Thema etwas gesagt werden sollte".
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Dieses Spiel zwischen Medien und Politik findet sich seit einigen Jahren auch in einern anderen Bereich der Inneren Sicherheit: im Recht. Unter dem Begriff ,Litigation-PR' kämpfen Unternehmer und finanzstarke Einzelpersonen, die sich vor Gericht einer Straftat zu verantworten haben, mit Hilfe der Medien um eine öffentliche Entschuldung oder Freisprechung, währenddessen Staatsanwälte mit Hilfe Ihrer PR-Abteilungen ihrerseits die Presse selektiv mit Informationen versorgen und so dagegen halten.
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Diese Einflussnahme auf die Medien ist aber nicht ungebrochen möglich, hat sich doch das modeme Mediensystem aufgrund politischer und ökonomischer Rahmenbedingungen zunehmend zu einem eigenständigen gesellschaftlichen Subsystem entwickelt, das nach eigenen Logiken und eigenen Zwängen prozessiert. Damit entzieht es sich weitgehend dem unmittelbaren Zugriff politischer Akteure. Das Mediensystem hat sich eigene ,Spielregeln' geschaffen, gemäß derer Berichterstattung funktioniert. Medien - so sie denn um sich herum eine soziale Organisation geschaffen haben und das sind in modemen Gesellschaften all die, die aufrnassenhaften Verkauf angewiesen sind - beobachten nämlich in der Regel die Welt nach eigenen Relevanzen, also auch das Wirken der politischen Akteure. Den Medien ist dabei das wichtig, was ihren Käufern wichtig ist, und denen ist wichtig, über das politische Handeln der unterschiedlichen Akteure nicht mit offiziellen Verlautbarungen informiert zu werden (und ihnen ist wichtig, über das Relevante so unterrichtet zu werden, dass sie es verstehen können und dabei auch ein wenig unterhalten werden). Für die ,Hofberichterstattung' sind die jeweiligen Regierungs- bzw. Pressesprecher zuständig. Deshalb dürfen sich (in demokratischen Gesellschaften) die Medien nicht von den politischen Akteuren instrumentalisieren lassen, wollen sie noch Käufer finden, wollen sie also überleben. Weil also politische Akteure und die Medien sich bei ihrem Handeln an unterschiedlichen Interessen orientieren und dennoch immer aufeinander verwiesen sind, werden von beiden ,Parteien' immer ausgefeiltere Praktiken entwickelt, die jeweils andere Seite für die eigenen Zwecke zu nutzen. Dieses Bestreben ist dann besonders intensiv, wenn Gewichtiges aufdem Spiel steht. Und wenn es um die Sicherheit geht, steht Gewichtiges auf dem Spiel. Der öffentliche Kampf um die Innere Sicherheit findet mittlerweile zu wesentlichen Teilen in den Massenmedien statt (ausdifferenzierter Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt, aber vor allem öffentlich-rechtliches und privates Fernsehen, Rundfunk, Internet: Homepages/Mails/Chats). Die parlamentarische Debatte, die lange Zeit die Bühne der öffentlichen Auseinandersetzung war, hat an Bedeutung verloren, erlangt jedoch dann wieder etwas mehr Gewicht, wenn sie in Phoenix live übertragen wird. Deshalb ist jede politische Debatte in eine an Personen gebundene ,Ökonomie der Aufmerksamkeit' (Franck 1998) und die damit einhergehenden Inszenierungschancen und Inszenierungszwänge von Personen eingebunden (vgl. Hitzler/Peters 1998; Soeffner/Tänzler 2002, Willems/Jurga 1998, Dörner 2000). Neu ist, dass die Medien - durchaus in Verfolgung ökonomischer Interessen - immer mehr selbst zu politischen Akteuren werden (vgl. Reichertz 2000 und 2007a). Sie haben und wollen zu allem etwas Eigenes sagen - auch zur Inneren Sicherheit (vgl. Page 1996, Eilders 2008, EilderslNeidhardt/Pfetsch 2004).
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Die Medien (Zeitungen wie Fernsehsender) entwickeln mittels eigener Deutungen und Kommentierungen ein eigenes Profil (Corporate Identity), das sich von der Konkurrenz abgrenzt und die Medien dadurch unterscheidbar macht. Medien - die sich zum einen von ihren direkten (Medien-)Konkurrenten und zum anderen von den anderen Akteuren im Handlungsfeld unterscheiden, indem sie eine eigene Position liefern oder gar Eigenes selbst veranlassen oder tun - liefern möglichen Käufern einen Nutzen, der, wenn er groß genug erscheint, den Kauf des Mediums bzw. dessen Nutzung zur Folge hat. Wichtigfür die eigene ,Medien-Identität' sind Auswahlentscheidungen und Präsentationselemente, nach denen Ereignisse und Angebote erfasst, selektiert und dargestellt werden. Dieser Auswahlprozess unterliegt verschiedenen Rahmenbedingungen, die zum Ersten von außen auf das Mediensystem einwirken (Ökonomie - sieh hierzu Karmasin 1998, Heinrich 201Oaund b, Hosp 2005), zum Zweiten durch das Journalistische Feld' (Bourdieu 1998) und zum Dritten aus der Arbeit der Journalisten selbst resultieren. Als wichtigste externe Faktoren können hier ökonomische, politische und technologische Einflüsse genannt werden, während die Stellung im journalistischen Feld, das Selbstverständnis der einzelnen Journalisten, der vermeintliche Nachrichtenwert und die Darstellungszwänge der Medien die bedeutendsten internen Faktoren ausmachen (vgl. auch Baum/Schmidt 2002). Es ist davon auszugehen, dass die Medien innerhalb der politischen Kommunikation im Allgemeinen und des sicherheitspolitischen Diskurses im Besonderen in konkreter, teils durch persönliche Beziehungen gesicherter Wechselbeziehung zu den einzelnen Akteuren stehen und mehr oder weniger etablierte Netzwerke von konkreten Personen bestehen bzw. aufgebaut werden (siehe hierzu Bourdieu 1998). Deshalb sind die Medien wie auch die am Prozess des Polizierens Beteiligten und ihre Agenturen wechselseitig sowohl Akteure als auch Instrumente im sicherheitspolitischen Diskurs (siehe hierzu auch Jäger/Viehrig 2009 a und b). Und genau auf diesen Sachverhalt richten die Akteure im sicherheitspolitischen Diskurs zunehmend ihr Verhalten aus. Sie entwickeln auf allen Ebenen (überregional, regional und lokal) Strategien und Konzeptefür den Umgang mit Medien und :für eine mediengerechte Präsentation. Sie richten innerhalb ihrer BehördenAbteilungen ein, die entsprechende Konzepte ausarbeiten und die relevanten Kontakte herstellen. Dabei nutzen sie auch eine mittlerweile entstandene medienpolitische Beraterbranche und stellen sie in ihre Dienste: Und das alles, um die eigene sicherheitspolitische Position in den Medien öfIentlichkeitswirksam zum Tragen zu bringen und durchzusetzen (vgl. hierzu auch der Beitrag von Englert in diesem Band).
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6. Was bedeutet: Medien als Akteur? Medien sind nicht nur Berichterstatter, sondern auch Akteure, die auf die Gesellschaft, in der sie leben und die sie trägt, einwirken. Das ist nach Durchsicht der Literatur völlig unstrittig. Auch unstrittig ist, dass die Medien immer als ,korporierte Akteure' aufgefasst werden müssen (siehe Reichertz 2007: 250f.). Das heißt: Medien werden immer als strukturierte Organisationen aufgefasst, die unterschiedliche Subjektpositionen miteinander verbinden. Das Handeln der Organisationen kann dabei begriffen und auch behandelt werden als das Handeln eines Akteurs (siehe ausführlich Ortmann 2010: 62ff. und Bidlo in diesem Band). Weiter zu diskutieren wäre die Frage, ob korporierte Akteure auch über so etwas wie eine "geteilte Intentionalität" (Tomasello 2010: 11) verfügen und was dies für eine sozialwissenschaftlicheAnalyse bedeutet. Im Anschluss an vor allem Searle (1995: 34ff.), der von "kollektiver Intentionalität" spricht, versteht Tomasello unter geteilter Intentionalität "ganz allgemein die Fähigkeit, mit anderen in kooperativen Unternehmungen gemeinsame Absichten zu verfolgen und Verpflichtungen einzugehen" (Tomasello 2010: 11f.), Hier müsste ebenso wie bei dem Begriffdes korporiertenAkteurs untersucht werden, ob der Akteursstatus und die einheitliche Intentionalität ,nur' von außen (also von Lebenswelt und Wissenschaft) zugeschrieben werden (und dann es auch werden) oder ob die Medien sich auch selbst als einheitliche Akteure mit kollektive Intentionen verstehen. Doch zurück zu dem Agieren der Medien: Meist nehmen (wie oben erläutert) die Studien zum Agieren des korporiertenAkteurs ,Medien' keineswegs das Gleiche, sondern oft recht unterschiedliche Formen des aktiven medialen Handelns in den Blick. Versucht man sich einen groben Überblick über die unterschiedlichen Handlungsweisen der Medien zu verschaffen, dann finden sich mindestens acht zu unterscheidende Formen und Ebenen des Akteurseins: 1.
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Erst einmal sind Medien Akteure, weil sie Nachrichten multiplizieren und übermitteln, also berichten und mitteilen, was sich in der Welt Bemerkenswertes getan hat. Dann sind Medien Akteure, weil sie die Nachrichten mittels materieller Träger distribuieren. Sie ,schaffen' also eine spezifische materielle Vertriebsstruktur, die erstellt, gewartet, mit Energie versorgt und ausgebaut werden muss. Ganz handgreiflich wirken hier die Medien auf Land und Leute ein. Indem die Medien on air über die Welt berichten, sind sie auch an deren Konstruktion beteiligt. Sie sind Akteure bei der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit. Sie sagen, zwar nicht allein, sondern im Konzert mit anderen, was ist und was nicht ist.
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Medien berichten on air nicht nur über Ereignisse in der Welt, sondern erklären und bewerten diese. Sie sehen es als ihre Aufgabe an, im Interesse anderer Ereignisse und Entscheidungen (a) mittels framing zu deuten und (b) mittels Kommentare zu erklären und bewerten. Indem sie deuten und bewerten, etablieren und gestalten die Medien darüber hinaus einen gesellschaftlichen Diskurs und auch eine spezifische Form von Öffentlichkeit und öffentlicher Meinung. Medien sind aber auch deshalb Akteure, weil sie on air und offair implizit oder explizit Aktionen, welche die Gesellschaft bewegen sollen, anstoßen oder sich daran beteiligen. So geben manche explizit Wahlempfehlungen oder ermitteln off air dort gegen Straftäter, wo die Polizei ihrer Meinung nach zu wenig tut etc.. Medien können aber auch indirekt agieren. So z.B. wenn sie on air und off air andere dazu bewegen wollen, offair etwas Bestimmtes zu tun. Ein Beispiel hierfür: Sie fordern Leser/innen dazu auf, als kostengünstiger und allgegenwärtiger Lesereporter tätig zu werden und verändern somit die Struktur der Öffentlichkeit. Medien übernehmen eine Art Ausfallbürgschaft, indem sie aktiv Aufgaben übernehmen, für die andere Institutionen der Inneren Sicherheit zuständig waren oder wären - wie z.B. dass sie dabei helfen, Kriminalpräventive Räte zu etablieren, aktiv in Ordnungspartnerschaften mitarbeiten oder öffentliche Informationsveranstaltungen z.B. zum Thema ,Stalking' organisieren.
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Medien handeln nicht nur anders, sondern sie haben auch ihre Zielstellung geändert. Verstanden sie sich in der ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik als Vierte Gewalt im Staate, die neben der Legislative, der Judikative und der Exekutive für das Gelingen und das Wohlergehen eines Staates verantwortlich waren - sie fiihlten sich in der Pflicht -, so hat sich das Ziel teils explizit, teils unter der Hand gewandelt: nicht mehr die Herstellung einer kritischen Öffentlichkeit ist das Ziel, sondern die Umwerbung des Kunden. Medien als korporierte Akteure agieren also auf verschiedene Weise und auf unterschiedlichen Ebenen. Und je nach Erkenntnisinteressen fokussieren unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen nur bestimmte Formen des Medienhandelns. Die Kommunikationswissenschaft (und oft auch die Politikwissenschaft) nehmen vor allem das Multiplizieren und Berichten, das Kommentieren, das auf die Tagesordnung-Setzen und das Deuten in den Blick, die Soziologie dagegen mehr die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit und das Etablieren und Gestalten
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von Diskursen. Die Medienökonomie interessiert sich vornehmlich fiir die Organisation und das Marketing von Distributionsprozessen. Was oft ausgeblendet wird, das ist der Teil des medialen Agierens, der nicht aufdie Kognition des Nutzers zielt, sondern aufdessen Tat, also darauf, Aktionen innerhalb der Gesellschaft und Aktionen von anderen anzustoßen. Diese Formen des Akteurseins stehen in dem DFG-Projekt und stehen deshalb auch hier vor allem im Vordergrund. Und diese Formen des Agierens sollen im Weiteren aus der Sicht einer handlungstheoretisch angelegten, qualitativ vorgehenden und an einer soziologischen und kommunikationswissenschaftliehen Forschungsperspektive orientierten Sozialforschung untersucht werden.
7. Die Bedeutung der Medien in der Debatte um mehr Sicherheit Will man dies, nämlich das Agieren der Medien, in den Blick nehmen, dannmuss man auch den Diskurs um die Innere Sicherheit in Zukunft besser ausleuchten, sehr viel mehr (a) dem Diskurs in den Medien (vgl. hierzu auch die Beiträge von Böhm und EnglertJRoslon in diesem Band) und (b) den Feldaktivitäten der Medienvertreter (vgl. hierzu den Beitrag von Englert in diesem Band) Aufmerksamkeit schenken. Für die Untersuchung des öffentlichen Kampfes um die richtige Politik des Polizierens sind dabei erst einmal zwei Untersuchungsbereiche bedeutsam zum einen die Inhalte der Medien, zum anderen die Rolle der Medien als eigenständige Akteure. 7.1 Die Medien und ihre Inhalte Wenn die Diskursinhalte und die Diskursakteure im Fokus der Untersuchung stehen sollen, dann muss zum einen geklärt werden, wer was wo zu wem mit welchen Argumenten sagt, zum anderen aber auch, wie die Akteure miteinander vernetzt sind, sich aneinander orientieren und fiireinander/gegeneinander arbeiten. Wichtige Orientierungspunkte fiir die Analyse sind dabei durchgängig die Dimensionen ,Handlungen - Strukturen' (Was ist neu, was bewährt?) und ,Effizienz - Legitimation' (Was wirkt wie - was wird wie legitimiert?) (vgl. hierzu auch der Beitrag von EnglertJRoslon in diesem Band) . Grundlegend ist die Klärung der Fragen, welche Diskursinhalte, also welche Argumente, Themen und Metaphern im Diskurs um Innere Sicherheit von welchen Akteuren ins Spiel gebracht und genutzt werden. Hier sollte es in erster Linie um die Rekonstruktion der im Gebrauch der Medien kursierenden sicherheitspolitischen Diskursinhalte und der Diskursdynamik gehen: Welche Akteure beteiligen
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sich mit welchen Themen an dem Diskurs, welche Positionen tauchen aufund wie beziehen sie sich aufeinander? Welche Wechselbeziehungen und Diskursentwicklungen ergeben sich aus den Bezugnahmen? In welche Darstellungs- und Inszenierungsformen ist die Diskursdynarnik gekleidet und welchen Wandlungsformen unterliegt sie? Im Kern müsste es darum gehen, die Struktur der in den Medien repräsentierten Diskursentwicklung im Falle des sicherheitspolitischen Diskurses zu beschreiben (vgl. auch Frevel 2003: 321-336). Und: Wie hat sich im Zuge der Neuregulierung des Polizierens das Verhältnis der einzelnen Akteure zu den Medien und zur Außen-/Selbstdarstellung insgesamt gewandelt (z.B. Wandel bei der Ausbildung und Besetzung der Pressesprecher bei der Polizei, Öffnung der Polizei für ,AufStreife'-Dokumentationenl-Serien etc.)? Wichtig erscheint mir, sich bei solchen Analysen erst einmal auf die ,fiihrenden' Medien zu konzentrieren, also auf die Printmedien und auf das Fernsehen. Gewiss ist auch der Rundfunk, also ,das Radio' und hier vor allem das lokale, meist privat finanzierte Radio bei der Herstellung von Innerer Sicherheit aktiv, somit ein eigenständiger Akteur und für unser Thema von Bedeutung. Gleiches gilt zunehmend für das Internet. Es hat in den letzten Jahren als eigenständiges Diskursmedium beachtlich an Bedeutung gewonnen. Allerdings ist die Analyse des Internets als Akteur deshalb so besonders schwierig, da die einzelnen Formate und Gattungen (Mails, Chats, Homepages, Online-Zeitungen, Boards, Blogs) noch stark im Wandel begriffen sind und sich nur schwer mittelfristige Aussagen treffen lassen. Wichtig ist allerdings, dass nicht allein die so genannten ,anspruchsvollen' Medien und Formate (also solche, von denen sich Intellektuelle oder gar der ,wohl informierte Bürger' angesprochen fiihlen) untersucht werden sollen, sondern auch die weniger ,anspruchsvollen' Medien und Formate, da davon ausgegangen werden kann, dass diese Medien und Formate von großen Teilen der Bevölkerung genutzt werden. Parallel dazu sollte die Frage angegangen werden, wie das Zusammenspiel bzw. die Konkurrenz der Feldakteure, der politischen, privaten und medialen Akteure organisiert ist bzw. war, ob und gegebenenfalls wie sie einander beobachten und sich in ihren Handlungsstrategien wechselseitig aufeinander beziehen (vgl. Bourdieu 1998), und ob sie im Diskurs Koalitionen eingehen oder alle einzeln agieren. Hier gilt es, das Handeln auf der ,Hinterbühne' auszuleuchten (Feld, Netzwerk, Klüngel), das maßgeblich an der Gestaltung des Sicherheitsdiskurses beteiligt ist. Wie gehen die verschiedenen Akteure den Zugriff auf die Medien an? Wie managen sie die Themen, die sie für relevant halten oder die ihnen durch externe Ereignisse auferlegt werden? Welche Ressourcen (Geld, PR-Berater, Spin Doctors, Presseabteilungen - vgl. Kocks 200la und 200lb) stehen ihnen dabei zur Verfii-
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gung? Welche Interessen verfolgen die Vertreter der Medien bei der Bearbeitung sicherheitspolitischer Themen? Wie gestalten sie den Umgang mit den Akteuren? Gehen NGOs ihre PR-Arbeit anders an als Privatunternehmen oder Institutionen? Ziel sollte sein, am Fall des Diskurses die Struktur der Wechselbeziehung zwischen den Akteuren und den Vertretern der Medien (also das Netzwerk) zu beschreiben - und zwar in ihrer Bedeutung fiir das Resultat: der Sinnstruktur des in den Medien repräsentierten sicherheitspolitischen Diskurses. Dabei muss durchaus an die Ergebnisse der Nachrichtenwerttheorie, der Gatekeeper- und der Redaktionsforschung angeknüpft werden (Ruhrmann 1994: 237-256), doch gilt es auch, die relevanten, in der Region und am Ort gewachsenen Mikropolitiken imjournalistischen Feld und die ökonomischen Verflechtungen und Zwänge, die immer mehr das Handeln der Medien durchdringen und dieses bei der Selektion und Konstruktion von ,Nachrichten' bestimmen, in den Blick zu nehmen (Bourdieu 1998) (vgl. auch die Ausfiihrungen von Englert über den Fernsehmarkt in diesem Band). 7.2 Die Medien als eigenständige Akteure Das eigentlich Neue an der Rolle der Medien im öffentlichen Kampf über die ,richtige' Form des Polizierens wird aber erst sichtbar, wenn man die Medien als eigenständige Akteure selbst in den Blick nimmt und hier vor allem die Zeitungen und das (lokale) Fernsehen (Eilders/Neidhardt/Pfetsch 2004) - obwohl sich natürlich die Politik des Fernsehen von der Politik der Zeitungen und der Politik des Hörfunks massiv unterscheidet. Gleiches gilt auch fiir die einzelnen Fernsehsender, Rundfunksender und die Zeitungen: auch hier gibt es große Unterschiede. Einige verschweigen eher ihre aktive Rolle, andere arbeiten sie heraus. Selbst innerhalb eines Fernsehsenders ist die Spannweite groß: Sie reicht von Sendeformaten, die sich explizit einmischen bis zu Formaten, die scheinbar nur der Informationspflicht entsprechen. Ganz gewiss sind die Medien keine "unified actors" (page 1996) mehr. Statt mit einer Stimme zu sprechen, sprechen sie mit vielen Zungen - je nachdem, wer ihre Kunden sind. Zu der ,Vermehrung der Zungen' zählt auch, dass vor allem bei den Printmedien zunehmend Bürger als sogenannte ,Bürgerreporter' aktiv werden und sich an der Nachrichtenproduktion beteiligen und damit den Qualitätsjournalismus unter Druck setzen. Auch bei den Medien kommt es zur Vermehrung der Akteure: ,,Auch in europäischen Ländern lässt sich derzeit ein Wandel beobachten, bei dem ehemalige Hoheitsaufgaben inzwischen auch von ganz neuen Anbietern übernommen werden, während etablierte Medien mit teilweise langer Tradition ins Straucheln geraten sind." (Langer 2010: 9) Immer mehr Bürger, journalistisch begabte und auch solche ohne Begabung, streben danach, an den Medieninhalten aktiv
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mitzuarbeiten, an der Medienarbeit mitzuwirken oder modem: zu kollaborieren. Der Bürgerreporter oder Leser-Reporter (Volkmann 2008) ergänzt und ersetzt teilweise den Qualitätsjournalisten - was Letzteren massiv unter Druck setzt, ist doch der Bürgerreporter viel kostengünstiger. Dieser erhöhte Druck führt dann einerseits auch zur Überhöhung und Abschottung des Qualitätsjournalismus (z.B. durch Selbstverpflichtungen und moralische Standards), andererseits führt er im journalistischen Feld zu rituellen Kämpfen darum, wer Qualität produziert und wer nicht. Eine besondere Rolle spielt dabei der ,Medienjournalismus' (= Medien schreiben über Medien), der sich gerne als "Instrument der Medienselbstkontrolle" (Rentsch 2010: 26) und auch als Media Watchdog verstehen möchte, jedoch oft genug ein Mittel ist, die unliebsame Konkurrenz (z.B. die private Konkurrenz) zu kritisieren. Medienjournalismus ist somit oft ein Mittel der Auseinandersetzung im journalistischen Feld (Quast 1999, Weischenberg/Malik/Scholl 2006 - vergleiche hierzu aber auch den Artikel von Englert/Roslon in diesem Band). Besonders massiv gingen einige Vertreter des Qualitätsjournalismus mit Wikileaks ins Gericht (Ausnahme: der Spiegel). Wikileaks warf man nämlich angesichts dessen neuer Form des investigativen Journalismus vor, keinen Qualitätsjournalismus, sondern Denunziation zu betreiben (siehe hierzu den Beitrag von Riemann in diesem Band). Was fehle, das sei eine verantwortliche Qualitätskontrolle durch ausgebildete Redakteure. Die Vehemenz der Attacken aufWikileaks, das sich selbst als global watchdog" versteht, erklärt sich nicht nur daraus, dass dieser korporierte Akteur eine bislang unangreifbare Internetplattform anbietet (Stand: Anfang Dezember 2010), auf der von ihm auf Zuverlässigkeit geprüfte interne und geheime Informationen öffentlich gemacht werden, ohne dass der Informant erkennbar ist, sondern sicherlich auch daraus, dass hier ein neuer Akteur das journalistische Feld betreten hat, der in der Lage ist, die Strukturen des Feldes und die Bedeutung des Journalismus zu verändern - falls er den vereinten Angriffen der in diesem Punkt vereinigten Staatengemeinschaft standhalten kann (was bezweifelt werden muss). Und das Besondere: Wikileaks ist ohne Zweifel einAkteur, der eine eigene Sicherheits- und Außenpolitik betreibt - schon allein dadurch, dass er aktiv in die Sicherheits-, Innen- und Außenpolitik von Staaten eingreift.
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Diese Einschätzung des global watchdog wird nicht von allen Initiatoren von Wikileaks geteilt. So wird intern von Daniel Domscheit-Berg die Konzentration auf nationale und internationale Geheimdolrumente kritisiert (vgl. Fresenius 2010: 32). Sie bediene, so Domscheit-Berg, vor allem die Aufmerksamkeitsökonomie. Man müsse jedoch auch auf der lokalen Ebene Geheimdokumente publizieren. Auch das war für ihn ein Grund, weshalb er Ende 2010 mit OpenLeaks eine Konkurrenzplattform zu Wikileaks in die Welt setzte.
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Ebenfalls neu über das bereits Genannte hinaus ist, dass die privaten Medien sich explizit in vermeintlicher Vertretung ihrer Kunden und Käufer in den Diskurs einmischen und ihn aktiv gestalten wollen. Steigende Konkurrenz und ökonomischer Druck und die Notwendigkeit der Kundenbindung nötigen sie zur politischen Aktion. Sie bringen das zur Sprache und stoßen an, von dem sie vennuten (oder aufgrund der Marketingabteilungen auch wissen), dass ihre Kunden es zur Sprache bringen bzw. angestoßen haben wollen: Die Leser und die Zuschauer wirken so auf die Medieninhalte ein, steuern deren Auswahl und deren politische Ausrichtung. Verschärft wird dieser Einfluss der ,Rezipienten' durch eine Vielzahl von Möglichkeiten (z.B. Blogs, Internet, Social Webs etc.), sich an dem Nachrichtenstrom anzuschließen. Deshalb reagieren immer mehr klassische Medien "auf den entbündelten Nachrichtenkonsum in Netzwerken, indem sie selbst twittern, eigenen Kanäle in youtube anlegen und eigene Facebook-Fanseiten anbieten" (Langer 2010: 10). Neu ist auch, dass z.B. die WAZ-Mediengruppe im Jahr 2009 (im Rahmen ihrer kostendämpfenden Umorganisation) ein Rechercheteam geschaffen hat, das ähnlich dem Vorhaben von Wikileaks, den Dingen auf den Grund gehen will "und Unbekanntes bekannt'"? machen möchte. Zitat aus öffentlichen dem Aufruf des Leiters der Recherche-Gruppe: "Wenn Sie wollen, dass wir diesen Dingen aufden Grund gehen "dann rufen Sie uns an, schicken Sie eine Email, ein Fax oder einen Brief. Melden Sie sich einfach?", Der Leser, also der Kunde, soll offensichtlich näher an die Quellen heran, ohne dass sie von Journalisten gedeutet werden. Auch das ein Angriff auf den Qualitätsjournalismus - dieses Mal jedoch aus den eigenen Reihen. Manche deuten das auch als die ,Befreiung' der Leser von der Bevonnundung der Journalisten. Frei geschaltet wurde das Upload-Portal der WAZGruppe dann im Dezember 2010. Auch das ein Ausdruck davon, dass Medien sich zunehmend als community's watchdogs verstehen, denn dem WAZ-Upload Portal geht es vor allem um Lokales". Aber das Aufblühen der Wikileaks Alternativen auf lokaler und nationaler Ebene ist auch Ausdruck davon, dass die gesellschaftliche Debatte über Transparenz und Sicherheit in eine neue Runde gegangen ist. War es bisher vor allem der Staat, der seinen Wunsch nach mehr (Video-)Beobachtung seiner Bürger etwas blauäugig mit dem Satz: "Wer nichts zu verbergen 17 18 19
http://www.zdnet.de/news/digita1e_wirtschaft_internet_ebusiness_waz_startet_wiki1eaks_alternativeJuer_informanten_story-39002364-41542283-1.htm -letzter Aufruf: 20.12.2010. ebd. So würde die neue WAZ Plattform, laut Auskunft des Leiter des Recherche-Teams, sehr gerne Dokumente der Polizei und des Innenministeriums zum Ablauf des Unglücks bei der Loveparade in Duisburg an die Öffentlichkeit bringen (vgl. ebd.), da viele deren Inhalte in die Öffentlichkeit gehörten.
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hat, der kann sich doch beobachten lassen." rechtfertigte, so sind es jetzt die Medien, die mit einer ähnlichen Argumentation vom Staat grenzenlose Transparenz einfordern und diese auch herstellen. Auch hier berichten die Medien nicht nur oder stoßen die Debatte an, sondern die Medien setzen das Wort in die Tat um. Sie handeln und sind damit auch ein politischer Akteur. Besonders gut sichtbar wird die aktive Politik der Medien im regionalen und lokalen Bereich. Hier ist zu fragen: Welche Ereignisse werden von den lokalen, regionalen und überregionalen Medien aufgegriffen, ausgearbeitet, verbreitet und verfolgt, und welche Bedeutung bzw. welche Folgen erlangt die Medienthematisierung auf der regionalenllokalen Ebene? Medien stellen, so die These, nicht nur für Akteure ein Verbreitungsmittel bereit, sondern sie werden selbst aktiv - auch im Diskurs über die richtige Form und die gültige Legitimierung innerer Sicherheit. Dies tun sie implizit und explizit. Implizit tun sie dies (in Deutschland) mit der Ausstrahlung von fiktionalen Filmen und Serien (aus Ost und West), in denen der Prozess des Polizierens offen oder verdeckt thematisiert wird. Dazu zählt der Tatort, genauso wie Hinter Gittern, Das Schweigen der Lämmer ebenso wie Aufder Flucht und Wolffs Revier ebenso wie Helicops, Großstadtrevier und Post Mortem (vgl. Viehoff 2005: 89-110; Brück 2002; allgemein zum Fernsehkrimi siehe Vogt 2005) (ein Abbild der deutschen Fernsehlandschaft mit einer Auswahl an Sendungen der Inneren Sicherheit finden sich bei EnglertJRoslon in diesem Band). Interessant sind dabei weniger allgemeine Fragen wie z.B. nach dem Bild des Polizisten oder nach der möglicherweise durch Krimis evozierten Kriminalitätsfurcht, sondern im Vordergrund sollte die Klärung der Frage stehen, wer in der fiktionalen Deutung (also den Krimis) für das Polizieren zuständig ist, welche Mittel von den Akteuren eingesetzt werden, welche Konflikte zwischen den Akteuren auftauchen, welchen Sinn das Zusammenspiel der Akteure macht, was auf Altes zurückgreift und was an Neuem eingeführt wird und: wie effizient die dargestellten Maßnahmen sind und wie sie legitimiert werden (zur Legitimation bestimmter Darstellungsweisen vgl. die Analyse von EnglertJRoslon in diesem Band). Explizit beteiligen sich die Medien auch mit ,Eigenproduktionen' an dem Sicherheitsdiskurs. Dies sind im Einzelnen: (a) halbdokumentarische Sendungen und Serien über Institutionen des Polizierens - so z.B. Gerichtsshows, Polizeisoaps wie Toto und Harry, K 1, Lenßen und Partner (vgl. Kersten 2008) - hier auch: ,Verbigbrotherung' der Polizeiarbeit, (b) Magazine, in denen die Arbeit der Sicherheitsakteure gedeutet, kommentiert und bewertet wird - so z.B. in Focus TV;Spiegel Tv; Extra, AkteX/05, Monitor, Panorama, (c) Formate, in denen über den Alltag der Arbeit der Polizei, der Sozial- und Jugendämter oder anderer Insti-
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tutionen des Polizierens informiert wird - so z.B. Achtung, Kontrolle! Einsatzfür die Ordnungshüter, Exklusiv. die reportage, (d) Formate, in denen die Medien die Arbeit der Polizei aktiv unterstützen - z.B. AktenzeichenXY-ungelöst (vgl. Reize 2006) oder Tatort Internet (Hipp 2010), und (e) Reportagen, in welchen die Bürger über Gefährdungslagen (Einbruch) informiert und in Sicherheitsfragen beraten und teils explizit zu mehr Aufinerksamkeit und Mitarbeit angehalten werden (ausfiihrlieh hierzu der Beitrag von Englert/Roslon in diesem Band). Die meisten dieser, oben noch ,Eigenproduktion' genannten Formate werden entgegen der Bezeichnung nicht mehr von den Sendern selbst hergestellt, sondern in dem Bestreben, möglichst billig und schnell zu produzieren, werden sie an private eigenständige Produktionsfinnen vergeben. Ein völlig neuer Markt ist so entstanden: Privatfinnen produzieren bestimmte Sendungsformate auf eigene Kosten vor und verkaufen sie dann an den meistbietenden Fernsehsender. Ebenfalls entstanden sind private ,Infonnationsfinnen', die Nachrichten- und Magazinsendungen produzieren. Dort fehlt die Zeit zur journalistischen Recherche. Zunehmend ist man, so die Klage, "nur noch damit beschäftigt, Agenturmaterial fernsehtauglich zu machen" (Butzek 2010: 25). Dies fiihrt zur schnellen und kostengünstigen Produktion von Informationsschnipseln (auch und vor allem über Innere Sicherheit, lokale Ordnung etc.). Alle die o.a. Formate, so verschieden sie im Einzelnen auch sind, sollen in Ermangelung eines eingefiihrten Begriffs hier erst einmal unter Securitainment (zum Begriff: Bidlo/Englert 2009, auch in diesem Band) gefasst werden. Eine solche Begriffsbildung rechtfertigt sich dadurch, dass in den genannten Fernsehfonnaten nicht nur Informationen zur Inneren Sicherheit unterhaltsam aufbereitet werden, sondern vor allem dadurch, dass Innere Sicherheit zur Unterhaltung wird. Darüber hinaus muss aber auch erfasst und vermessen werden, - und diese Perspektive geht systematisch über aktuelle Medienanalysen hinaus - ob und wie sich die Medien oder Medienangehörige, z.B. die aus den so genannten ,Blaulichtredaktionen" in kommunalen Sicherheitsinitiativen (Kriminalpräventiven Räten oder Ordnungspartnerschaften) engagieren, sie tragen oder sponsern und über sie berichten, ob und wie sie aktiv Aufklärung darüber betreiben, wie man sich vor Diebstahl, Raub und Einbruch schützen kann, ob und wie sie auch offair in öffentlichen Veranstaltungen Bürger informieren (z.B. über Stalking) und warnen, ob und wie sie mit Politikern und Wissenschaftlern Podiumsdiskussionen veranstalten, um Sicherheitsprobleme und Sicherheitspolitik diskutieren, ob und wie sie ungesühnte Verbrechen anprangern oder die Revision von Fehlurteilen bewirken. Kurz: ob und wie sie selbst mit einer eigenen Position in die Politik der Inneren Sicherheit eingreifen und sie mit gestalten.
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Hier zeigt sich das Neue an den Medien und das Neue der Medien besonders klar, agieren sie doch hier nicht mit dem Programm, sondern außerhalb. Dass ein solches Agieren der Medien vor allem der Bindung der Leser / Zuhörer / Zuschauer an das ,Programm' der Medien dient, dass es also um Kundenbindung und den Schutz wirtschaftlicher Interessen geht und nicht um eine (ausgearbeitete) Sicherheitspolitik, ändert nichts daran, dass es de facto Sicherheitspolitik ist. Nicht die Absicht zählt, sondern die Folgen - und jede Theorie, die sich mit dem Agieren der Medien beschäftigt, muss die Folgen dieses Agierens für die Herstellung der Inneren Sicherheit einer Gesellschaft im Auge haben. Alle diese Fragen wurden in dem DFG-ProjektMedien als Akteure. Die neue Eigenst ändigkeit der Medien am Beispiel des Diskurses über .Innere Sicherheit' an der Universität Duisburg-Essen von 2009 bis 2011 untersucht. Vornehmlich wurde dabei mit qualitativen Verfahren gearbeitet: teilnehmender Beobachtung von ,Blaulichtreaktionen' von Zeitungen, privaten Firmen, die Videoproduktionen herstellen, und Polizeipressestellen, narrativen Interviews mit Mitarbeitern/innen von Zeitungen und Polizeipressestellen, formalisierten Inhaltsanalysen von Zeitungsberichten und Fernsehproduktionen und auch hermeneutischen Deutungen von Zeitungsberichten und Videoproduktionen. Die hier versammelten Einzelbeiträge geben einen ersten Überblick über die Ergebnisse der Analysen.
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Wenn aus Medien Akteure werden. Der Akteurbegriff und die Medien Oliver Bidlo
Einleitung Akteur und (Massen-) Medien sind heute zwei Begriffe, die immer häufiger miteinander in Verbindung gebracht werden. Auch die meisten in diesem Band vertretenden Aufsätze arbeiten selbst mit dem Begriff der Medien als Akteure z.B. der Inneren Sicherheit. Andere Konzeptionen sehen die "Massenmedien als politische Akteure" (pfetsch/Adam 2008), die Medien als "selbständige Akteure" (Reichem 2007) oder verstehen "Medien als Akteur und Instrument der Politik" (Hombach 2004). Das Spannungsfeld, das sich zwischen beiden Begriffen Akteur und Medien öffnet, wird nur selten thematisiert (Ausnahme ist z.B. Donges 2008a). Donges betont zu Recht: "Es ist jedoch sinnvoll danach zu fragen, was es heißt, Medien den Status eines Akteurs zuzuschreiben." (Donges 2008a: 337) Meier setzt sich zwar nicht mit Medien, aber mit der Universität als Akteur auseinander (Meier 2008) und stellt dezidiert vier unterschiedliche Quellen der Akteurtheorie dar, von denen aus er im weiteren Verlauf die Universität als einen Akteur nachzeichnet. Analog hierzu sollen zunächst einige akteurstheoretische Konzepte skizziert werden. Zuvor muss allerdings der zugrunde gelegte Medienbegriffkonturiert werden, um in einem letzten Schritt darzulegen, wie man Medien als Akteure begreifen kann bzw. welche Implikationen damit verbunden sind. Die nachfolgenden Ausfiihrungen möchten zunächst kurz das :für die in diesem Band versammelten Aufsätze vorliegende Verständnis vom Medium als ein Akteur explizieren und dann die theoretischen Probleme darlegen und in Erinnerung rufen, die durch eine unreflektierte Koppelung der Begriffe Medien und Akteur entstehen können. Das Spannungsfeld des Begriffspaares liegt zwischen handlungs-, strukturund systemtheoretischen Implikationen. Allein dadurch wird deutlich, dass eine theorieinkonsistente Verwendung der Begriffe droht, wenn mikro-, meso- und makrosoziologische Aspekte undifferenziert in einem Begriffspaar gebunden werden. Wenn man Medien als Akteure begreift, hilft zunächst einmal die Explikation, welchen Medienbegriff man :für seine weitere Ausfiihrungen zugrunde legt O. Bidlo et al. (Hrsg.), Securitainment, DOI 10.1007/978-3-531-93077-0_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Oliver Bidlo
was man also unter einem Medium versteht, und daran anschließend, was und wie man mit dem Plural des Begriffes umgeht. Denn die Bandbreite reicht in unterschiedlichen Verständnissen von der Luft oder der Glühlampe bis hin zur Zeitung, Radio, Fernsehen oder Internet. Der Medienbegriffwird immer häufiger inflationär und entgrenzt genutzt, was so viel meint, dass kaum noch deutlich wird, was kein Medium ist. Und gerade in einer solchen Situation ist das Darlegen des zugrunde gelegten Medienverständnisses - zumindest in seinen Grundzügen - nicht nur eine wissenschaftliche Formalität, die immer häufiger ausbleibt, sondern eine Notwendigkeit; oder frei nach Voltaire: "Wenn Sie mit mir sprechen wollen, definieren Sie Ihre Begriffe."
Der Medienbegriff
Im alltäglichen Sprachgebrauch versteht man unter Medien zumeist das, was man in der Presse, dem Hörfunk oder Fernsehen hört oder sieht (zu einer Soziologie der Medien siehe Ziemann 2006, Medientheorie allgemein Weber 2010, Kloock/ Spahr 2007, Faulstich 2000). Genauso meint man damit oft auch die Anbieter und Unternehmen, die Inhalte produzieren und anbieten (vgl. auch EnglertJRoslon in diesem Band); und die physischen Medien und Endgeräte nicht zu vergessen, "die als technische Mittel zur Übertragung von Zeichen dienen" (Hasebrink 2006: 9), also etwa die Kupferkabel und die Empfangsgeräte. Eine einheitliche Bestimmung zu finden, was Medien - zumal Massenmedien - sind, ist sicherlich nicht möglich. Medien können die physische Grundlage sein, wie z.B. das Papier einer Zeitung als Medium für die Druckerschwärze, die wiederum in Kombination mit dem Papier als Medium für die Buchstaben dient. Die Buchstaben zu Sätzen, Absätzen und Seiten geformt, dienen dann als Medium für das Auszusagende. Man sieht daran, dass bereits die meisten Medien, die man heute allgemein als solche versteht, selbst aus ,kleineren' Medien bestehen bzw. aus diesen zusammengesetzt sind. Daher ist die Frage nach den Grenzen eines Mediums - wo fängt es an und wo hört es auf-, nehmen wir z.B. das Internet, nicht so leicht zu beantworten, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Gehören nicht die einzelnen Computer und deren Nutzer, die sich ins Netz einloggen, dazu? Nicht auch die Netzwerkkabel, Router und Netzwerkfestplatten, die den physischen Teil des Mediums ausmachen? Aber wenn wir von den Medien sprechen, meinen wir zugleich auch die Medienmacher, die Journalisten, Buchautoren oder TV-Produzenten, die die Inhalte, die durch das Medium verbreitet werden, erstellen? Wir meinen aber auch die Medienunternehmen, die - je nach ihrer inhaltlichen Ausrichtung - den Rahmen und den Duktus des Programmes vorge-
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ben. Nimmt man dann noch die Rezipienten hinzu, die durch ihre Auswahl mittelbar und unmittelbar das Programm bestimmen und etwas erst durch ihre Nutzung bzw. ihre Rezeption zu einem Medium machen, zeigt sich die Vielfalt, die sich hinter dem Begriff der Medien, selbst wenn man sie schon enger fasst, verbirgt. Medien sind Mittel zur Kommunikation und werden traditionell hinsichtlich ihrer Funktion und Bedeutung fiir den Kommunikationsprozess betrachtet. Eine solche instrumentell-funktionale Perspektive stellt beispielsweise verstärkt die Frage nach der sozialstrukturellenAnlage der Mediennutzer, ihrer Verteilung oder der Wirkung der Medien auf die menschliche Kommunikation im Allgemeinen oder der Gegenüberstellung von face-to- face- und massenmedialer Kommunikation im Besonderen. Eine hinzuzuziehende kulturwissenschaftliche Anschauungsweise erweitert das Verständnis der Medien hinsichtlich ihrer tiefgreifenden Auswirkung nicht nur auf soziale, sondern auch auf kulturelle Prozesse. "Sie sieht die Weltund Selbstverhältnisse der Menschen, kulturelle Praktiken, ästhetische Symbolisierungsleistungen und geistige Tätigkeiten eingelagert in mediale Bedingungen, die an deren Formierung beteiligt sind. Medien sind in diesem Verständnis sehr viel mehr als Instrumente fiir Kommunikationen: sie sind Ermöglichungen und Bestimmungsfaktoren kultureller Praxen." (Karpenstein-Eßbach 2004: 8) Die Stellung der Medien, zurnal der Massenmedien, fußt dann in ihrer Formierungsleistung fiir die Kultur selbst. Medien informieren, d.h., sie bringen etwas in Formation, nämlich Daten über die Welt.' Medien bringen nicht nur gesellschaftliche Vernetzung hervor, ihre Besonderheit liegt in ihrem symbolischen Charakter, mit dem sie dies tun und der fiir ihre Formierungsleistung grundlegend ist; das kann z.B. ästhetisch, politisch oder ökonomisch sein. Ein Beispiel hierfiir ist, dass die Dominanz eines Mediums zu historisch gewachsenen und kulturell sich verankernden Strukturen führt. Man denke an den Buchdruck (vgl. McLuhan 1995), der den Code der Schriftsprache zu einer bzw. zwei Kulturtechniken (lesen und schreiben) werden ließ und die schon seit der Antike anhaltende Optisierung des Menschen weiter voran trieb. Dieser Aspekt verweist zugleich auf den Zusammenhang des Mediums und der menschlichen Sinne. Gerade die digitalen Medien verringern den Einsatz des Körpers als Ausdrucksfläche und bieten zugleich medial überformte Möglichkeiten der Wahrnehmung und des Ausdrucks. Im Zuge der Ausbreitung der digitalen Medien und ihren Kommunikationsformen kann man von einem Wandel im zwischenmenschlichen Verhältnis sprechen. Denn
Wobei dannunterstellt wird , dass es so etwas wie Daten, also Uninformiertes - etwas noch nicht in Form Gebrachtes -, überhaupt gibt. Aber selbst, wenn man diesem Argument - dass es etwas Uninformiertes nicht gibt -, folgt, bleibt der Umstand bestehen, dass Medien dann Informationen in Formation bringen und damit eine gewisse Formierungsleitung erbringen.
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die Codes, mit denen und durch die die Menschen kommunizieren, wandeln sich (Flusser 2003, Bidlo 2008). Der Medienphilosoph Vilem Flusser sieht sogar einen "Umsturz der Codes" durch TV; Video und Computer, den er in seiner Heftigkeit mit der industriellen Revolution und ihrer Auswirkung auf die Arbeitswelt gleichsetzt. Wenn wir nun im weiteren Zusammenhang die Medien als Massenmedien begreifen, dann ist die Rezipienten- und die Produzentenebene gemeint und das sich zwischen ihnen aufspannende Feld von ökonomischen, politischen, moralischen oder juristischen Interessen. Und dieses Feld wiederum wird gerahmt von kulturellen und gesellschaftlichen Aspekten, wie der Bedeutung von Bildern und Texten oder der gesellschaftlichen Praxis der Handhabung dieser Medien auf Rezipienten- sowie Produzentenebene. Mit dem Letztgenannten ist gemeint, dass die Menschen zunehmend zu Prosumenten (Blättel-Mink/Hellmann 2010, siehe auch Toftler 1980) werden; sie konsumieren bzw. rezipieren nicht mehr nur das, was von den Medien dargeboten wird, sondern sie beteiligen sich aktiv an der Gestaltung der Inhalte.' Der Theoriehintergrund für den Begriff der Massenmedien kann eine systemtheoretische Perspektive sein, die Medien als funktionales Teilsystem der Gesellschaft begreift. Hier stellt sich danndie Frage, wie man in eine solche Konzeption den mikrosoziologisch aufgeladenen Akteurbegriff implementieren kann. Umgekehrt muss der Begriffdes Akteurs, wenn er - wie es die Regel ist - verstanden wird als mit einer Intentionalität ausgestattetes Bewusstsein, expliziert werden hin zu seiner Anschlussfähigkeit an Organisationen oder Institutionen.
Akteurtheorien
In vielen soziologischen - meist mikrosoziologisch-handlungstheoretischen - Ansätzen wird problemlos davon ausgegangen, dass es Akteure gibt, verstanden als handlungsfähige und mit einem Bewusstsein, Motive und Ziele ausgestattete Individuen, die Urheber von Handlungen sind.' Individuen sind in der Regel mit agency versehen, d.h. soviel, wie das Überschreiten und Heraustreten aus Ursache-Wirkungsbeziehungen. Das Thema "strukture and agency", das damit angesprochen 2
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Ein Beispiel können die sog. Leserreporter sein (vgL Bidlo Leserreporter in diesem Band). Daran wird übrigens ein weiteres deutlich; es gibt keine eindeutig bestimmbaren Grenzen des Mediums mehr - sofern es diese überhaupt je gab -, die Grenzen verschwimmen vielmehr. Denn freie Mitarbeiter oder die genannten Leserreporter sind in dem Augenblick Teil des Mediums, wo sie stellvertretend fiir dieses handeln z.B. durch eine Beitragsproduktion. Und manche Freelancer sind bei Pressekonferenzen sowohl fiir Print- als auch fiir Rundfunk und Fernsehen anwesend und liefern Beiträge fiir alle Formen. Z.B. bei Alfred Schütz, Max Weber oder im Rational Choice-Ansatz (Hartmut Esser, James Coleman u.a.).
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ist, nimmt das Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Strukturen, in denen sich die Individuen bewegen, und die Handlungsfähigkeit, Autonomie und Kreativität individueller und kollektiver Akteure in den Blick. Die Hintergrundfolie hierfür ist sicherlich zum einen die philosophische Freiheits- und Determinismusdebatte, also der Frage, wie sich ein freier Wille in einer kausal bestimmten Welt etablieren kann. Und zum anderen die Frage nach der Möglichkeit sozialen Wandels auf der einen Seite und der Stabilität von Gesellschaften und Institutionen auf der anderen Seite. Soziologische Handlungstheorien arbeiten, wie erwähnt, seit jeher mit dem Begriffdes handelnden Subjekts, Individuums oder Akteurs, also einer Handlungseinheit, die mit Motiven, Intentionalität und Handlungsfähigkeit ausgestattet ist (vgl. Reichertz 2009: 54-74, grundsätzlicher Reckwitz 2008). Immer wieder werden aber auch Organisationen als Akteure vorgestellt z.B. im Neo-Institutionalismus (vgl. Hasse/Kürcken 2005). Ob und wie lassen sich Organisationen als Akteure denken? Und welche theoretischen Probleme bringt eine solche Verquickung der darin enthaltenen Positionen? Zunächst lässt sich konstatieren, "dass für weite Teile der Soziologie offenbar keinerlei Problem besteht. Es ist vollkommen üblich, Organisationen als handlungsfähige Einheiten zu begreifen und auch Akteure zu nennen, ohne auch nur im Entferntesten über die Angemessenheit dieses Tuns zu reflektieren." (Meier 2009: 13)4 Heute ist die gegenwartsdiagnostische These verbreitet, die aus dem soziologischen Neo-Institutionalismus (siehe hierzu Senge 2011 und Senge/Hellmann 2006, auch HasselKrücken 2005) stammt, dass modeme Gesellschaften zu weiten Teilen aus institutionalisierten und verantwortlichen Handlungsträgerschaften bestehen. Hierdurch wird der Akteurstatus eben auch Einheiten zugeschrieben, die nicht mehr nur als ein handelndes Individuum gefasst werden. "Demnach wird die modeme Gegenwartsgesellschaft von universellen, hochgradig institutionalisierten Konzepten verantwortlicher Handlungsträgerschaft (actorhood) durchdrungen. Diese plausibilisieren nicht nur akteurzentrierte Selbstdeutungen der modernen Gesellschaft. Sie beleihen überdies Einheiten mit Autorität und Legitimität, die für sich überzeugend reklamieren können und denen von anderen zugemutet wird, Akteure zu sein." (Meier 2009: 13) Innerhalb des soziologischen Neo-Institutionalismus werden Akteure nun nicht mehr als apriori, vorgegebene Subjekte verstanden, sondern als aposteriori sozial konstruierte Einheiten. Neo-Institutionalistische Ansätze gehen sehr wohl von der vorrangigen Existenz des Menschen aus, aber das Subjekt, ausgestattet 4
Diesem Verständnis schließen sich auch die Ausführungen von EnglertlRoslon zu der Femsehanalyse in diesem Band an.
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mit Wünschen, Motiven und Zielvorstellungen, ist insoweit sozial konstruiert, als dass eben diese Motive und Zielvorstellungen soziale Konstruktionen und Entwürfe sind. Und hier treffen wir wieder auf die Frage nach der Detenniniertheit und Nichtdetenniniertheit des Handelns. Denn Akteure sind bereits sozial konstruierte Einheiten, sind sozial geprägt. Und damit ist der freie Wille im Sinne von Agency immer auch schon sozial gefasst. Bei George H. Mead (vgl. Mead 1993) finden wir z.B. in der Konzeption des I den kreativen Funken, der die soziale Struktur dann immer wieder auch verändern kann und so sozialen Wandel ermöglicht. Handlungstheoretisch lassen sich dergestalt folgende Anforderungen an Akteure festhalten: Sie müssen ein Wollen hervorbringen, "auf deren Grundlage sie ein intendiertes und nicht durch soziale Strukturen determiniertes Tun (oder gegebenenfalls Unterlassen) generieren" (Meier 2009: 41). Auf der nächsthöheren Ebene können aus dem Zusammenwirken unterschiedlicher individueller Akteure überindividuelle Einheiten hervorgehen, denen man wiederum einen Akteurstatus zusprechen kann. Solche korporative Einheiten, wie z.B. Organisationen, sind Akteure, die entsprechend aus anderen, individuellen Akteuren zusammengesetzt sind, die in der Lage sind, wie eine einzelne Person zu handeln (vgl. auch Donges 2008b: 52) und so auf ein gemeinsames Ziel (z.B. ein fertiges Produkt oder eine Dienstleistung) hinzuarbeiten, das - als geteilte Intention vorausgesetzt - gemeinsam erreicht werden will. Aus den individuellen Handlungen und ihrer systematischen Bezugnahme entsteht dadurch ein geordnetes Ganzes. Es handelt sich dann nicht mehr nur um eine Ansammlung oder ein Aggregat von Individuen, sondern um einen komplexen Akteur und um eine korporative Einheit. Diese korporierten Einheiten sind emergente Gebilde, die sich nicht mehr nur aus den Intentionen, Motiven oder den Interessen der einzelnen Organisationsmitglieder speisen, sondern eine Verselbständigung diesen gegenüber darstellen (Ortmann 2010: 62). Auf dieser Ebene wird eine Zweiteilung der Perspektive verschärft, die auf der Ebene individueller Akteure als Grundvoraussetzung von Sozialforschern angenommen und entsprechend nicht (oder nur, wenn sie zum Problem wird) problematisiert wird. Legt man Definitionsmaßstäbe an den Begriff des Akteurs an, z.B. Unterstellung eines Bewusstseins, Handlungsfähigkeit, Intentionalität, Motivation u.a., so lässt sich damit für den Sozialforscher der Akteurstatus eines Individuums oder einer Organisation benennen oder verneinen. Auf der Ebene von Organisationen tritt aber nun darüber hinaus verschärft die Rezipientenperspektive hinzu. Die Menschen des Alltags können Organisationen oder andere Korporationen als Akteure wahrnehmen, auch wenn ein Sozialforscher den Akteurstatus nach Anlage gewisser Definitionsmaßstäbe dieser Korporation
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den Akteurstatus nicht unbedingt zuschreiben würde. Selbst wenn man gewisse Akteure als Fiktion versteht, z.B. die juristische Person, die eine Personenvereinigung oder eine Vermögensmasse mit gesetzlichen Rechten und Pflichten, aber keine natürliche Person ist, verliert sie dadurch nicht ihre soziale Relevanz. Zusammengefasst: Es kann etwas geben, dass sozialwissenschaftlich nicht als Akteur gefasst wird, dennoch aber im Alltag als Akteur wahrgenommen wird. Fasst man den Akteurbegriff eng und verleiht ihn nur Individuen, die mit einer natürlichen Handlungsfähigkeit ausgestattet sind, fallen letztlich alle überindividuellen Gebilde aus dem Akteurstatus heraus. Sie sind dann theoretisch fiktive Akteure, aber auf der (alltagspraktischen) Rezipientenebene mit realer Akteurwirkung und einem praktischen Akteurstatus. In der sozialen Praxis sind sie Akteure, weil ihnen der Akteurstatus zugesprochen wird, der sich "durch die zyklische Verknüpfung von Selbst- und Fremdbeschreibung" (Ortmann 2010: 63) konstituiert. Die soeben problematisierte Beschreibung des Akteurstatus' von Organisationen folgt der Grundperspektive der Handlungstheorie. Aus systemtheoretischer Perspektive ergeben sich die beschriebenen Aspekte insoweit nicht, als dass das Soziale respektive soziale System subjektlos konzipiert wird, indem nicht mehr Handlungen, sondern Kommunikationen als Grundelement des Sozialen verstanden werden (vgl. Luhmann 1997). "Dort, wo kommuniziert wird, konstruiert sich die Kommunikation ihre Handlungen und gleichzeitig auch ihre Akteure." (Meier 2009: 56) Akteure sind dergestalt kommunikativ konstruiert. Demnach lassen sich systemtheoretisch auch Organisationen als Akteure fassen. Neben den handlungs- und systemtheoretischen Fassungen, lässt sich im Anschluss an Michel Foucault oder Pierre Bourdieu eine Mesoebene kennzeichnen. Bei Foucault (Foucault 1994) und Bourdieu (Bourdieu 1976) sind Akteure sozusagen handlungsfähige Verkörperungen sozialer Strukturen. Bei Foucault wirkt die strukturalistische Überzeugung von subjektlosen Strukturen fort. Erst die Strukturen und die Verzahnung von ,,Machtwirklichkeit und Wissensgegenstand" bringen im Nachgang eine Seele und den Menschen hervor. Foucault drückt dies anschaulich durch die Entwicklung und die Funktion des Gefängnisses aus. ,,Doch täusche man sich nicht: man hat an die Stelle der Seele, der Illusion der Theologen, nicht einen wirklichen Menschen, einen Gegenstand des Wissens, der philosophischen Reflexion oder technischen Intervention, gesetzt. Der Mensch, von dem man uns spricht und zu dessen Befreiung man einlädt, ist bereits in sich das Resultat einer Unterwerfung, die viel tiefer ist als er. Eine ,Seele' wohnt in ihm und schafft ihm eine Existenz, die selber ein Stück der Herrschaft ist, welche die Macht über den Körper ausübt. Die Seele: Effekt und Instrument einer politischen Anatomie. Die Seele: Gefängnis des Körpers." (Foucault 1994: 42)
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Somit geht es weniger um einen qua Existenz innehabenden Subjektstatus von Individuen, sondern um die Praxis und die sozialen Prozesse, die an der Subjektkonstitution beteiligt oder stärker ausgedrückt: essentiell sind. Wenn Bourdieu der Möglichkeit nach nicht von Individuen oder Subjekten spricht, sondern von Akteuren, drückt er damit die Doppelung der sozialen Struktur aus. "Das Konzept des Akteurs (französisch ,agent') zeigt klar die Anwesenheit des Sozialen in den intimsten Regungen. In ihm verschränken sich objektive Zwänge der sozialen Struktur und subjektive Determinationen des Habitus." (Rehbein 2006: 95) Und nach Foucault sind Akteure, wie oben erwähnt, nur bedingt als Produzenten von Diskursen zu verstehen. Vielmehr sind Akteure (Subjekte) als Produkte der Diskurse zu begreifen. Das Subjekt ist ein Effekt des Diskurses. Diskurse bestimmen das Wissen des Subjektes und bringen als Diskursfigur das Subjekt hervor. Dergestalt ist der Akteurstatus von Subjekten ebenso ein Effekt des Diskurses, wie auch die Zuschreibung des Akteurstatus' von Organisationen. Medien können in diesem Zusammenhang dann als Verdichtungen im Diskurs verstanden werden, die so weit gehen können, dass man ihnen einen Akteurstatus zuschreibt. Gerade die Machttheorien von Bourdieu und Foucault lassen eine Lesart zu, die das Verhältnis von Akteur und Struktur anbieten, in der Akteure Machtwirkungen ausgesetzt sind, sie aber dennoch ihren gestalterischen Freiraum behalten, in der Subjekte Ergebnis von Subjektivierungen sind, die sich an Organisationen anlegen lassen. "Während verschiedene Handlungstheoretiker [...] behaupten, dass Organisationen, insoweit sie als Akteure angesprochen werden, behandelt würden, als ob sie Individuen seien, behaupten die governmentality studies, dass Individuen als Subjekte konstituiert würden, insoweit sie behandelt werden, als ob sie Organisationen seien." (Meier 2009: 67) Insofern Organisationen Handlungsträgerschaft zugeschrieben wird, gehen damit zugleich eine Reihe von Adressierungen einher, die von Verantwortlichkeit bis hin zu gewissen Erwartungen an ihre Funktion reichen, die wiederum zirkulär zu den angenommenen Erwartungen der Organisationen selbst werden. Vereinfacht veranschaulichen lässt sich dieser Kreislauf z.B. an dem Spiel von Einschaltquoten und daran anschließender Programmauswahl aufseiten der TV-Sender. Die Einschaltquoten werden vonseiten der Sender als Erwartungen der Zuschauer verstanden, die Programmauswahl der Sender fiir die Zuschauer erwecken auf mittlerer Sicht eine Erwartung und ein Profil eines Senders bei den Zuschauern. Eine Verdichtung dieses Prozesses vollzieht sich übrigens - zumindest auf der Seite der Printmedien, aber nicht ausschließlich dort - durch die verstärkte Einbindung des Publikums bzw. der Rezipienten durch sogenannte Bürger-, Leseroder Lokalreporter. Damit sind Nutzer des Mediums gemeint, die selbst Inhalte
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fiir das entsprechende Medium produzieren. Gerade diese Leserreporter bilden in ihrer zunehmenden Verbreitung eine neue Dynamik, wie Medien als Akteure auf dem Spielfeld der Produktion, Distribution und Rezeption von (Medien-) Inhalten aktiv werden (vgl. den entsprechenden Aufsatz von Bidlo in diesem Band).
Medien als Akteure Wir haben gesehen, dass die handlungstheoretische Perspektive zunächst die "natürliche" Theorieumgebung des Akteurbegriffs ist, d.h. jene Theorieumgebung, der er entspringt. Hieraus wiederum lässt sich nicht ohne Weiteres das Mediensystem als ein mit Bewusstsein und Intentionalität ausgestattetes und darauf handelndes Individuum fassen. Die Massenmedien als Akteure aufzufassen, "impliziert eine eigene Handlungsautonomie und eine eigene Logik, die ihr intentionales Handeln strukturiert" (Pfetsch/Adam 2008: 10). Im Anschluss an die obige Darstellung lassen sich Medien als Akteure eines dezentralen Feldes begreifen, "in dem Akteure mitwirken, die zuallererst in diesem Feld konstituiert werden" (Meier 2009: 72). Medien als Akteure sind Produkte des Diskurses genauso wie die Subjektakteure. Der Akteurstatus ist dergestalt keine automatisch an ein Subjekt gebundene Eigenschaft. Medien sind diskursiv hervorgebrachte, gesellschaftlich konstruierte Handlungseinheiten im Rahmen der sozialen Ordnung. Pointiert: "Der Korporativakteur ist eine Realität, die sich einer Fiktion verdankt." (Ortmann 2010: 63) Daraus wird auch ihre Machtwirkung im gesellschaftlichen Kontext deutlich. Denn Macht wird im Kontext von den governmentality studies (vgl. Foucault 2004) nicht als eine dominante oder "durch klar identifizierbare Machthaber gedeutet, die die gesellschaftlichen Zwangsmittel in sich konzentrieren, sondern eher als das allgegenwärtige, dezentrale Wirken vielfältiger sozialer Kräfte" (Meier 2009: 73). Eine Organisation wird qua Zuschreibung zu einem Akteur (siehe auch Ortmann 2010: 62-65). Darin inbegriffen sind auch externe Zuschreibungen von Handlungsund Verantwortungserwartung, die an einen Akteur angelegt werden, die wiederum durch seine Handlungsträgerschaft bedient werden. Medien können also als Organisationen gefasst werden, denen man einen Akteurstatus zuschreibt, sie "werden plausible Adressen der Zurechnung von Handlungen; an sie werden Erwartungen adressiert, und sie erkennen Erwartungen als fiir sich gültig an, die einem gesellschaftlichen Modell des Akteurs entsprechen" (Meier 2009: 98). Die Umwelt erwartet von einer Zeitung, dass sie sich wie ein Medium verhält und entsprechend handelt. Dazu gehört auch die Ein- und Abgrenzung von seiner Umwelt, d.h. der äußeren Einheit des Akteurs. Diese Einheit wird z.B. durch Cor-
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porate Design, einen Pressesprecher, ein Leitbild, Leitlinien, grundlegende, dem Unternehmen oder Organisation zugrunde liegende Überzeugungen usw. konstituiert. Das wiederum verweist aufdie Autonomie, die dem Medium als Akteur zugesprochen wird (so wie sie allen Akteuren unterstellt wird). Die Medien ziehen in Deutschland ihre Autonomie und ihre Aufgabe in einem nicht unerheblichen Maße aus dem Artikel 5 des Grundgesetztes, der die Autonomie der Presse und die Meinungsfreiheit festschreibt. Im Verständnis der Feldtheorie Pierre Bourdieus besitzt das journalistische respektive mediale Feld allerdings nur eine schwache Autonomie, da es in hohem Maße vom politischen und ökonomischen Feld abhängig ist. Aus der bisher beschriebenen akteurtheoretischen Perspektive waren und sind Medien schon immer Akteure. Das Neue daran ist die Veränderung in der Art ihrer Aktivität, d.h. in der Art ihres Handelns, die sich prägnant so zusammenfassen lässt: Vom Vermittler zum Akteur (siehe hierzu auch die Einleitung von Reichertz in diesem Band). Genau genommen ist der Begriff des Akteurs in dieser prägnanten Formulierung doppelt unterlegt, hier trifft der theoretische auf den alltagsweltlichen Begriff des Akteurs, der das Machen, selbst Tun und das Bestimmen meint. Vermittler agieren natürlich und Akteure ebenfalls. Aber die Akteure agieren mit einem anderen Motiv als die Vermittler; sie wollen nun im hohen Maße selbst bestimmen, was, wie und warum in den Medien gesendet wird. Damit ist gemeint, dass Medien immer stärker - aus ganz unterschiedlichen Beweggründen (z.B . politisch, moralisch, ökonomisch motiviert) - selbst darüber entscheiden, was berichtet wird; und zugespitzt formuliert, selbst Inhalte anschieben und hervorbringen, über die dann erst berichtet wird. Sie sind nun selbst immer auf der Suche nach einem Inhalt, der zu einem Thema ausgebaut werden kann. Sie erschaffen sich vermehrt ihren Gegenstand selbst, über den dann berichtet wird. Aber nicht nur das, sie beziehen auch Stellung zu diesem selbst erzeugten Gegenstand, haben eine Meinung, die politisch, ökonomisch, moralisch usw. motiviert sein kann, und tun diese kund oder stellen sie erneut zur Diskussion, z.B. über die immer weiter verbreiteten Kommentarfunktionen aufden entsprechenden Onlineplattformen von Rundfunk-, Fernseh- und Zeitungsunternehmen. Der Akteurstatus der Medien, so wie er hier verstanden wird, ist ein starker und konturiert sich besonders deutlich in der schon konstatierten Unterscheidung bzw. Entwicklung der Medien vom Vermittler zum Akteur. In Rekurs auf die in der Einleitung von Reichertz zu diesem Band aufgestellten Handlungstypen, sind es besonders die Typennummern sechs bis acht, die den besonderen Akteurstatus beschreiben, der in diesem Band gemeint ist: Medien beteiligen sich on air und offair an Aktionen und Themen, die die Innere Sicherheit betreffen und gehen auch in Eigeninitiative vor, um z.B. auf Pro-
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bleme und auch Unterlassungen anderer Institutionen hinzuweisen.' Medien betätigen sich zudem als Akteure in diesem Sinne, wenn sie andere dazu auffordern etwas zu tun. Das kann z.B. die Aufforderung sein, sich als Leserreporter aktiv für Themen und Inhalte (und damit für das Medium) einzusetzen. Daran anschließend werden Medien durch diese Eigenaktivität und ihr Aktivierungsversuch der Rezipienten zu Akteuren, denen im Diskurs zunehmend auch die aktive Rolle in Bezug zur Sicherungsherstellung zugeschrieben wird. Sie selbst treten bei Informationsveranstaltungen auf oder organisieren diese selbst zu Themen, sind oft Teil von Krirninalpräventiven Räten und werden damit aktives Mitglied und Gestalter dieses Feldes. Als Hintergrundfolie für die weiteren Beiträge lässt sich das hier vorliegende Verständnis von Medien als Akteure nochmals wie folgt zusammenfassen.
Abschluss Medien, verstanden als Massenmedien, treten als korporierte Einheiten in einem sich aufspannenden Feld oder eines Diskurses aufbzw. bilden sich erst innerhalb des Feldes bzw. Diskurses aus. Damit können sie als ein Akteur in diesem Feld betrachtet werden. Die ,Intentionen' ihres Agierens stammen zu einem Teil aus Zuschreibungen und Erwartungen anderer Akteure und Diskursteilnehmer und zu einem anderen Teil aus selbst hervorgebrachten und durch die herangetragenen Erwartungen anderer Diskursteilnehmer ausgebildeten Interessen. Es ist die Interdependenz dieser Selbst- und Fremdbeschreibung und -zurechnung ihres Handelns, die ihre Intentionen ausbilden. Die intendierten Handlungen der Medien als Akteure müssen hier in Anlehnung an Reichertz auch als kommunikatives Tun verstanden werden (vgl. Reichertz 2009), das nicht nur die willentlich Adressierten in den Blick nimmt, sondern auch die, die Kommunikation unadressiert erreicht, 5
Man denke hier beispielsweise an das Format "tatort internet. Schützt endlich unsere Kinder" aufRTL 11,das ganz explizit versucht, Dinge ans Licht zu holen, die in den Augen des Senders bisher nicht oder zu wenig vonseiten der "Anderen" in den Blick genommen wurde und wird. Der Imperativ "Schützt endlich unsere Kinder" kann an die Politik, die Eltern, die Gesellschaft, Lehrer, Vertreter von Jugendämtern usw. gerichtet sein; und der darin befindliche Unterlassungsvorwurf unterstreicht erst die implizite Aussage des Mediums: Wir tun endlich etwas und werden aktiv, was sonst kein anderer tut, obwohl es dringend nötig wäre, und fordern alle auf, uns dieses gleich zu tun! Darin ist sowohl die Eigenaktivität als auch der Aktivierungsversuch anderer enthalten. Inwieweit der Aktivierungsversuch ehrlich gemeint ist oder nicht kann hier nicht verhandelt werden. Allerdings wird gerade über Veränderungen, die die Sendung oder das Medium durch seine Eigenaktivität angestoßen hat, ebenfalls im Nachgang gerne berichtet. Ganz im Sinne: Wir haben das Thema erst einmal in die Öffentlichkeit gebracht und dafiir gesorgt, dass die ,,Anderen" endlich etwas tun.
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weil sie im Wahrnehmungsbereich sind. "Gekennzeichnet ist dieses kommunikative TWldadurch, dass es zwar in der Situation nicht bewusst gesetzt wurde [...], aber dennoch sinnhaft ist und auch immer in einer kommunikativen Situation als sinnhaft gedeutet wird - auch weil es auf eine frühere Handlung verweist [...]. Kommunikatives Handeln wie kommunikatives Tun lassen sich nicht willentlich nicht nur auf die richten, die adressiert werden sollen, sondern erreicht all die, in deren Wahrnehmungsbereich Kommunikation sich ereignet." (Reichertz 2009: 118-119) Der Akteurstatus der Medien ist weiterhin nicht an ein Subjekt gebunden - kann dies aber durchaus auch sein, wie sich im Beitrag von Englert/Roslon in diesem Band zeigt. Folgt man der Darstellung, Medien als korporative Einheiten und damit als einen korporierten Akteur zu fassen, lassen sich ihnen Handlungen zuschreiben. Wenn Medien aber in unserem Zusammenhang als Akteure verstanden werden, die handeln, ist damit nicht nur jede Form des Handelns gemeint. Vielmehr ist damit gemeint, dass das Handeln der Medien, das sich mit dem Begriff des Akteurs verknüpft, nicht nur das Vermitteln bzw. Distributieren und Kommentieren von Nachrichten ist (das ist es selbstverständlich auch), sondern sich vor allem auf die besondere off air und on air Aktivität, die Selbstgestaltung von Themen im Feld der Inneren Sicherheit und die Aktivierung von Rezipienten Wld entsprechenden Institutionen (z.B. Polizei, Politik allgemein, Jugendämter, Ordnungsamt usw.) bezieht. Diese Akteurperspektive ist die gemeinsame Grundlage der in diesem Band versammelten Beiträge.
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"Wer nicht wirbt, der stirbt." Dieses Diktum Henry Fords bezog sich ursprünglich auf die Produktwerbung (von Automobilen). Darin drückt der umtriebige Automobilhersteller kurz und knapp aus, dass in einer großen und großflächigen Gesellschaft die öffentliche Lobpreisung eines Produkts überlebensnotwendig ist. Verzichtet man auf diese Möglichkeit, hat man keine Chance auf dem .Markt'.' Zu Beginn des 20. Jahrhunderts revolutioniert derAutomobilhersteller Henry Ford mit seiner Idee derFließbandtechnik die industrielle Produktion (,Fordismus'). Die erfundene Produktionsweise sieht eine verstiirkte Arbeitsteilung in einzelne Produktionsschritte am Fließband vor, sodass die Fließbandarbeiter vorwiegend eintönige Arbeitsvorgänge durchführen müssen (SigelnsteiniStolle 2006: 18). Ford beeinflusst mit dieser modernen Form der Automobilherstellung nicht nur die Industrie. Der ,Fordismus' wirkt sich auch auf die moderne Kultur aus. Gottl-Ottilienfeld prägt den Begriff des ,Fordismus', den er als einen nicht roten Sozialismus (vgL Gottl-Ottilienfeld 1925: 40) versteht. Gottl-Ottilienfeld bezeichnet diesen im Gegensatz zum ,,roten Sozialismus" (ebd.) die Utopie eines Sozialismus ohne Revolution. Der ,weiße Sozialismus' sei in der Lage, alle sozialen Probleme des Kapitalismus zu beseitigen ohne die kapitalistische Wirtschaftsform abzuschaffen (ebd.) . Massenproduktion und Massenkonsum ermöglichen Lohnsteigerungen und die Fabrikarbeiter können die eigens produzierten Waren erwerben (Hirsch/Roth 1986: 50f.). Zur gleichen Zeit propagieren die Lehren von John Maynard Keynes einen stark lenkenden Eingriff des Staates in die Marletabläufe. Eine Idee, die sich als Mittel gegen Unterbeschäftigung und Wirtschaftskrisen durchsetzt. Die staatliche Regulierung der Produktion und der Gesellschaft steigt. Der keynesiansiche Sozial- und Wohlfahrtsstaat entsteht, der die Nachfrage im Interesse der Vollbeschäftigung regelt (SingelnsteiniStolle 2006 : l8f.). In den 1970er Jaltren nimmt die Automatisierung einzelner Produktionsschritte zu. Dies fiihrt zunächst zur Arbeitserleichterung und später zur Arbeitskrafteinsparung. Das Idealbild staatlicher Regulierung wird durch die Ölkrise Anfang der 70er Jaltre weiter erschüttert und die Profit- und Wachstumsraten sinken. Das fordistische Modell wird durch Automatisierung und Technologisierung der Produktionsabläufe setzt. Die Flexibilität von Mensch und Maschine wird gesteigert. DieArbeitsorganisation wird zur Gruppenarbeit und der einzelne Beschäftigte arbeitet selbstständig und trägt ab diesem Zeitpunkt mehr Verantwortung (Hirsch/Roth 1986: 106ff.). Von der einstig angestrebten Idealvorstellung der Vollbeschäftigung verabschiedet man sich in der ,postfordistischen' Zeit. Die Wirtschaftskrise verschärft den Druck auf den gesamten Wirtschaftsmarkt und den einzelnen Arbeitnehmer. Der Verlust des Arbeitsplatzes kann heute dazu fiihren, dass man die eigene Arbeitskraft entweder zu verschlechterten Bedingungen anbieten muss oder man riskiert dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen zu werden, denn die ,,[...] waltrhaft Benachteiligten werden schlicht nicht mehr gebraucht" (Heck 2005: 49) . Die Wirtschaftskrise verschärft jedoch nicht nur den Druck auf den Einzelnen, sondern den Druck auf alle nationalen Industriezweige.
O. Bidlo et al. (Hrsg.), Securitainment, DOI 10.1007/978-3-531-93077-0_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Betrachtet man die aktuelle Entwicklung des Fernsehmarktes, so stimmt dieses Diktum auch heute noch, auch wenn sich dessen Bedeutung etwas gewandelt hat. Überträgt man die Aussage "wer nicht wirbt, der stirbt" auf den TV-Markt, fällt der Blick vor allem auf die Einführung des dualen Fernsehsystems 1984. Seit diesem Zeitpunkt sind die Relevanz und die Quantität der Werbung im Fernsehen gestiegen,da sich private Fernsehsender ausschließlich über die von ihnen erzielten Werbeeinnahmen finanzieren (Maurer/Reinemann 2006: 86). Ohne Werbeaufträge beziehungsweise bei zu geringen Werbeeinnahmen hat ein privater Fernsehsender eine geringere bis keine Chance, auf dem ,Markt' zu überleben. Die dadurch notwendigen Veränderungen im Denken und in der Praxis sowie die dadurch entstehende Dynamik des ,sozialen Feldes' des Fernsehmarktes im Sinne Pierre Bourdieus lässt sich allerdings nicht auf die Notwendigkeit von Werbeeinnahmen von privaten Sendern und dem damit verbundenen ,Kampfum Aufmerksamkeit' (Einschaltquoten) reduzieren. Vielmehr handelt es sich nach Bourdieu um verschiedenste Mechanismen des ,journalistischen Feldes', dem bestimmte unsichtbare Strukturen inhärent sind. Dies schließt beispielsweise neben den privaten auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ein. Bourdieu versteht das ,journalistische Feld' als einen autonomen Mikrokosmos, der seinen eigenen Gesetzen folgt und durch die Anziehung und Abstoßung, welche durch andere Mikrokosmen aufihn ausgeübt werden, definiert ist (vgl. Bourdieu 1998: 55). Bourdieu beschreibt das ,soziale Feld' als einen ,,[...1 strukturierte[n] gesellschaftliche[n] Raum, ein Kräftefeld - es gibt Herrscher und Beherrschte, es gibt konstante, ständige Ungleichheitsbeziehungen in diesem Raum -, und es ist auch eine Arena, in der um Veränderung oder Erhaltung dieses Kräfteverhältnisses gekämpft wird. In diesem Universum bringt jeder die (relative) Kraft, über die er verfügt und die seine Position im Feld und folglich seine Strategien bestimmt, in die Konkurrenz mit den anderen ein" (Bourdieu 1998: 57f.). Demnach setzt sich das Kräftefeld des ,journalistischen Feldes' aus unterschiedlichen (korporierten) Akteuren (wie zum Beispiel Journalisten, Sendeanstalten oder auch Regisseure) zusammen (zum Begriff des Akteurs siehe Bidlos Beitrag in diesem Band; spezielle zum ,korporierten Akteur' auch der Beitrag von Englert/ Roslon über das in diesem Band), die in ständiger Konkurrenz bzw. in einer bestimmten Relation zueinander stehen (Meyen 2009 und Meyn 2004: l83ff.). Ein ,soziales Feld' befindet sich daher ständig in Bewegung, es treten neue Akteure ein (zum Beispiel vor einigen Jahren die Welle der journalistischen Freelancer), andere fallen weg (beispielsweise durch den 1Rückgang spezifischer Spartenzutei-
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lung wie Blaulichtreporter-) und weitere möchten sich (neu) im Feld behaupten. In den Zeitungsredaktionen existieren keine festen ,Ressorts' mehr für die bestimmte Mitarbeitern vorrangig alleine verantwortlich sind (Meier 2002a und Meier 2002b) und die zum Beispiel die Kontakte zu den Polizeivertretern pflegen. Es sind zunehmend Generalisten gefragt (Interview M-2-2). Solche Generalisten sind unter anderem die ,Freelancer' im journalistischen Feld. Besonders durch die Zunahme von ,Freelancern' (und des Outsourcings der Produktion von Fernsehinhalten an Produktionsfirmen') wird die mediale Berichterstattung immer mehr zur Ware (Kuhlen 2009), die nicht mehr hauptsächlich durch Redaktionen im Kontakt zu Informanten generiert wird. Diese Veränderungen sind nicht zuletzt auf das Konkurrenzverhältnis (im Kampf um Einschaltquote und Leserzahl) zwischen den einzelnen Medienvertretern zurückzufiihren, das Bourdieu wie folgt beschreibt: ,,Die wirtschaftliche Konkurrenz der Sender oder Zeitungen um Leser oder Zuschauer oder, wie es auch heißt, um Marktanteile, spielt sich konkret in Form einer Konkurrenz zwischen den Journalisten ab, und diese Konkurrenz hat ihre eigenen spezifischen Ziele: den Scoop, die Exklusivmeldung, das berufliche Ansehen, und sie wird nicht als rein wirtschaftlicher Kampf um finanzielle Gewinne erfahren und verarbeitet, obwohl sie den Zwängen unterliegt, die mit der Position eines Informationsmediums innerhalb ökonomischer und symbolischer Kräfteverhältnisse verbunden sind." (Bourdieu 1998: 57f.; Hervorhebungen im Original)
Das (ökonomische, kulturelle, soziale) Kapital ist dabei unter den Akteuren eines Feldes ungleich verteilt, woraus sich die Kräfteverhältnisse des ,journalistisehen Feldes' bestimmen und diese einen sehr wichtigen Stellenwert einnehmen. Dies gilt auch und insbesondere für den TV-Markt, in dem es heute mehr denn je um Einschaltquote und damit um Erfolgskonzepte geht. Hieran zeigt sich: Fernsehsendungen ,schweben' nicht einfach in einem leeren Raum. Konkrete Fernsehsendungen werden vor einem bestimmten gesellschaftlichen Hintergrund von konkreten Menschen in bestimmten Situationen produziert und rezipiert. Für einund dieselbe Fernsehsendung bestehen unterschiedliche Lesarten, abhängig davon, wie der Rezipient den Inhalt interpretiert. Der individuelle Konsum von Fernsehsendungen ist (so ein Ergebnis der Cultural Studies) etwas Kreatives (Hall 1999). Die Auswahl der auszustrahlenden Fernsehsendungen durch die Sendeanstalten erfolgt dagegen weniger kreativ. Es gilt rechtliche und politische Grundlagen, Vor2 3
Der ,typische Blaulichtreporter', dessen Themenschwerpunkt sich in der Redaktion rund um die Innere Sicherheit in Deutschland dreht, gerät zunehmend in den Hintergrund. Das Outsourcing der Produktion von Fernsehinhalten an Produktionsfirmen kann in diesem Beitrag nur in eingeschränktem Umfang behandelt werden. Während der Arbeit an diesem Beitrag ist allerdings die zunehmende Relevanz von Produktionsfirmen auf dem Femsehmarkt, nicht zuletzt auf die gezeigten Inhalte deutlich geworden, weshalb eine ausführlichere Erörterung dieser Thematik angedacht ist.
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schriften und Rahmenbedingungen ebenso zu berücksichtigen wie volkswirtschaftliche Aspekte (Karstens/Schütte 2010). Das sind die Mindestanforderungen. Hinzu kommt der (kommerzielle) Erfolg. Dass die Sendungen kommerziellen Erfolg (= hohe Einschaltquote, am besten auch bei Wiederholungen) haben sollen, ist vor allem seit der Einführung des dualen Rundfunksystems 1984 für die privaten Sender von hohem Interesse. Denn nur auf diese Weise können sie in der freien Marktwirtschaft unter anderem durch gut platzierte Werbeeinnahmen und Wettbewerbsvorteile durch ein neues Sendungsformat überleben: ,,Beim werbefinanzierten Fernsehen verschafft ein Programmveranstalter durch die Ausstrahlung von Sendungen den werbetreibenden Unternehmen Zuschauer fiir die eingelagerten Werbespots und andere Werbeformen. Vordergründig werden Werbespots bestimmter Länge und bestimmter Platzierung im Programm verkauft." (Berger 2008: 19)
Werbeeinnahmen sind demzufolge neben einem völlig neuen Sendungsformat für den TV-Markt die entscheidende Einnahmequelle der privaten Sender, die im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Sendern keine staatlichen Rundfunkgebühren erhalten. Allerdings sind die staatlichen Subventionierungen für die öffentlichrechtlichen Sender auch an die Erfüllung des Grundversorgungsauftrags und den klassischen Rundfunkauftrag gebunden. Der Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verlangt die ..[... ] ungekürzte Darstellung der Meinungsvielfalt, ein umfassendes Programmangebot bei uneingeschränkter weltanschaulicher Vielfalt und die tatsächliche Empfangbarkeit seiner Programme [...]. Zusätzlich verlangt der klassische Rundfunkauftrag die Herstellung und Ausstrahlung eines Programms, das dem Gemeinwohl verpflichtet ist und Information, Bildung und Kultur und Unterhaltung gleichermassen berücksichtigt." (Lucht 2006: 173 nach BVerfGE 73, S. 118f. und BVerfGE 87, S. 181ff.)
Lucht erläutert weiter, dass das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass nur der öffentliche-rechtliche Rundfunk aufgrund seiner Teilfinanzierung durch Gebühren in der Lage ist, diese beiden Aufträge zu erfüllen. Denn durch die staatliche Subventionierung sind die öffentlich-rechtlichen Sender nicht in dem Maße wie private Sender auf Einschaltquoten zur eigenen Finanzierung angewiesen (Lucht 2006: 173). Dennoch erfordert die Legitimierung der Rundfunkgebühren für die öffentlich-rechtlichen Sender auch eine Art Konkurrenzfähigkeit. Was nützt Bildungsfernsehen, wenn es sich keiner ansieht? Völlig befreit vonjeglicher Konkurrenz und jeglichem Marktgeschehen sind die öffentlich-rechtlichen Sender also nicht (Beyer/CarI2008: 53).4 4
Interessant sind in diesem Kontext die Erläuterungen von Hanno Beck und Andrea Beyer zu der Frage, ob mittlerweile nicht auch eine öffentlich-rechtliche Zeitung nach dem Vorbild öffentlich-
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So folgen die einzelnen privaten und öffentlich-rechtlichen Sender unterschiedlichen (Markt-) Strategien im ,Kampf um die Quote und damit im ,Kampf um die eigene Stellung im ,journalistischen Feld'. Sie erfinden in diesem Zusammenhang neue Sendungsformate, sie entwickeln bestehende Formate weiter oder orientieren sich an bereits bestehenden (ausländischen) Formaten (anderer Sender) (Karstens/Schütte 20 I0: 186ff.) und ,kämpfen' um Werbeeinnahmen. Ein Kampf, der sich zunehmend verschärft: ,,[...] die Intensität des Wettbewerbs um die Werbegelder hat zugenommen. Die Anzahl der Sendeunternehmen hat sich stetig erhöht, zugleich wird Werbung teilweise ins Internet verlagert, so dass die Refinanzierung der Sendeuntemehmen schwieriger wird." (Haucap 2010: 24)
Dies bestätigen Bemd Holznagel, Eike Jahn und Isabel Simon ebensofür das Femsehprogramm, die von einer Steigerung der Femsehprogramme um 100 Prozent seit 2003 sprechen (Holznagel/Jahn/Simon 2009: 202f.). Die Wirtschaftskrise verschärft dabei zusätzlich den Druck auf die gesamte Presse, das heißt sowohl aufdie Femseh- als auch aufdie Printmedienbranche (hierzu unter anderem Beck/ ReineckiSchubert 2010: 43) und damit auch der Kampfum die Quote sowie letztendlich auch um die Deutungshoheit im ,journalistischen Feld'. Unterschiedliche Sender- und Sendungsstrategien mit diesen veränderten Rahmenbedingungen umzugehen, haben unterschiedliche Inhalte und Darstellungsweisen von Sendungen zur Folge. Die (Markt-) Strategien tangieren damit das, was die Rezipienten sehen und so auch das, was einer Sendungsanalyse als Grundlage dient: ,,Die Funktionsweise des Fernsehmarktes, seine ökonomischen Besonderheiten, die Akteure sowie Zahlen und Daten über den Femsehmarkt sind unentbehrliche Informationen fiir ein umfassendes Verständnis dieses Mediums in Theorie und Praxis." (Berger 2008: 8)
Nun können die folgenden Ausführungen nicht den Anspruch darauf erheben, alle Akteure, Zahlen und Daten über den Femsehmarkt vollständig darzustellen. Jedoch ermöglichen sie einen Einblick in den heutigen Femsehmarkt, dessen Dynamik und Einfluss auf einzelne Femsehsendungen und -formate unter Berücksichtigung der Stellung der Einnahmequelle für die Sender durch die von ihnen gesendete Werbung.'
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rechtlicher Sender in Deutschland gebraucht wird (Beck/Beyer 2009: 95ff.). Eine weitere wichtige untersuchenswerte Kapitalsorte am Medienmarkt ist beispielsweise das soziale Kapital in Form von Vertrauen zwischen den Joumalisten und deren Informanten.
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1. Die Geschichte des Fernsehens: Kleine Schritte und große Sprünge Der bereits angesprochenen Einführung des dualen Rundfunksystems 1984 gingen einige technische und gesellschaftliche kleine Schritte und große Sprünge voraus. Die technische Geschichte des Fernsehens geht zurück auf das Ende des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit werden erste Experimente von Schriftstellern und Ingenieuren durchgeführt, aus denen teils visionäre, teils völlig utopische Fernsehfantasien und Fernsehapparaturen entstehen (Rusch et al. 2007: 282ff.). Dies geschieht zu einer Zeit, in der Paul Nipkow das ,Elektrische Teleskop' erfindet, die erste technische Entwicklung, die dem späteren Fernsehen gleicht. Der Durchbruch des Fernsehens zum alltäglichen Nutzungsgegenstand in Deutschland gelingt ihm erst gut 50 Jahre später. Nazi-Deutschland nimmt 1935 das erste halb-regelmäßige TV-Programm der Welt in Betrieb, was vor allem auf die negative politische Entwicklung und die damit verbundenen damaligen Propagandazwecke zurückzuführen ist. Der täglich zweistündige Fernsehbetrieb wurde in den extra dafür vorgesehen knapp 30 Fernsehsalons in Berlin und Hamburg zunächst nicht gut angenommen. Es gab kein individuelles Programm. Außerdem irritierte die Zuschauenden die kleine grobkörnige Darstellung der sonst so groß und wirkmächtig erscheinenden Politiker. Sie waren die Darstellungen auf den großen Leinwänden des Kinos gewohnt. Fernsehen als Alltagsgegenstand - eine immer noch undenkbare Idee. Während der Kriegszeit des Zweiten Weltkrieges kommt die Entwicklung des Fernsehens völlig zum Erliegen. Der televisionäre Sendebetrieb wird erst 1952 im Nachkriegsdeutschland wiederaufgenommen (Hörisch 2004: 360ff.). Die Siegermächte stellen die Weichen für das deutsche Nachkriegsprogramm im Fernsehen. In Westdeutschland heißt dies: staatsferne Organisation des Rundfunkbetriebs. Durch Orientierung an der dezentralen föderalistischen Organisation des Staates entstehen öffentlich-rechtliche Sendeanstalten in Westdeutschland. Je nach Besatzungszone entwickelb sich Südwestfunk (SWF, französische Besatzungszone), Süddeutscher Rundfunk (SDR, US-Besatzungszone) und der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR, britische Besatzungszone) (Karstens/Schütte 2010: 12).6 Während beispielsweise der NWDR Anfang der 1950er Jahre noch für weniger als zehntausend Zuschauende von 20-22 Uhr sein Programm an drei Tagen in der Woche ausstrahlt (Hörisch 2004: 360ff.), weitet er ab Weihnachten 1953 sein Programm auf den täglichen Sendebetrieb aus (Karstens/Schütte 2010: 13). Die Sendungen bleiben allerdings ein für die Zuschauenden unübersichtlicher Mix aus 6
Die Anfänge des Fernsehens zur Nachkriegszeit rufen die kritischen Stimmen derFemsehtheorie hervor, wie Horkheimer und Adomo, die vor der ,Verdwnmung' und ,Manipulation des naiven Zuschauers' durch die Kulturindustrie, speziell durch das Fernsehen warnen (Adorno 1970: 69ff.) und begründen damit den kritischen medientheoretischen Diskurs in Deutschland.
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unterschiedlichsten Themengebieten und Genres. Sich ein eigenes Fernsehgerät anzuschaffen erscheint den meisten Deutschen noch als wenig lohnenswert (Reichertz 2009: 15ft). Auch die Einführung der ,Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland' (ARD) bringt keine Ordnung in diese unübersichtliche Programmgestaltung. Jede in dem Zusammenschluss bestehende Anstalt ist zu unterschiedlich großen Anteilen an der Gesamtsendezeit beteiligt. Die jeweilige Sendeanstalt besteht auf ihrer regionalen Prägung, und eine aufeinander abgestimmte, gar einheitliche Programmgestaltung der Programminhalte liegt in weiter Feme. Der Kampf um Sendeplätze beginnt zu einer Zeit, in der Live-Übertragungen das Fernsehprogramm ausmachen. Die Krönung Elisabeth 11. 1953 und die Fußballweltmeisterschaft 1954 machen den Deutschen klar, dass sie durch Fernsehen an wichtigen geschichtlichen Ereignissen trotz geografischer Entfernung teilnehmen können. Die Beliebtheit des Fernsehens steigt (Enge1lRidder 2010). Seit 1957 kommt zur Live-Übertragung die Aufzeichnung hinzu. Kameras verlassen die Studios (Karstens/Schütte 2010: 14). Ab diesem Zeitpunkt beginnt sich das Fernsehen mehr und mehr in die deutschen Haushalte zu integrieren - oder besser: die deutschen Haushalte integrieren das Fernsehen in ihr Zuhause. Seit Ende 1957, als mehr als eine Million Menschen ein Fernsehgerät angemeldet haben, steigen die Nutzungszahlen stetig (ebd.): "Zugleich konnte man erstmals wirklich von einem Massenmedium sprechen, das bald auch politische und wirtschaftliche Begehrlichkeiten weckte." (Karstens/Schütte 2010: 14) In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts geht das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) mit popularistischeren Programminhalten als dieARD auf Sendung. Dieser Zeitpunkt markiert die Geburtsstunde der Einschaltquote. Es folgen 1964 die Dritten Programme (Karstens/Schütte 2010: l6f.). Zu dieser Zeit sind die meisten deutschen Haushalte mit einem Fernsehgerät ausgestattet und können ab 1963 zwischen zwei Programmen, nämlich ARD und ZDF wählen. Bereits zehn Jahre später, nach der Einführung des Farbfernsehens, setzt der Trend zum Zweit- beziehungsweise Drittgerät ein (Hörisch 2004: 360ff.). Das Fernsehgerät ist aus dem deutschen Haushalten nicht mehr wegzudenken,? Neben der Information hält die Unterhaltung, beispielsweise in Form von Serien sowie Spielfilmen, Einzug in das deutsche Fernsehprogramm: "Einmal der Erprobungsund Einführungsphase entwachsen, brachte das Fernsehen in Reportagen, Dokumentationen und Nachrichtensendungen die große weite Welt in die deutschen Wohnstuben." (Karstens/Schütte 2010 : 17, auch: Reichertz 2009: 15ft) Auf diese 7
Der Streit um das Verdummungs- oder Bildungsmedium Fernsehen verliert in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Schärfe. Man erkannte, dass Fernsehen auch positive Affekte hat, wie beispielsweise die ,Reeducationprogramme' nach dem Zweiten Weltkrieg (Hörisch 2004: 360ff.).
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Weise kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag und dem Grundversorgungsauftrag eine neue Stellung zu. Die Experimentierfreude zu innovativen neuen Inhalten und Sendungsformaten nimmt Anfang der 1970er Jahre aufgrund der Ölkrise ab und geht Ende der 70er zur Zeit des RAF-Terrorismus weiter zurück (ebd.). Die Zuschauenden sehnen sich nach harmloser nicht-politischer Unterhaltung und diese bekommen sie auch. Seit der Einführung der Privatsender RTL plus und SAT.l 1984 haben sich der Fernsehmarkt und auch das Feld der relevanten Akteure, aber auch das Programmangebot massiv verändert. Zum Beispiel entwickelt sich durch die ausgeweitete Sendezeit der Privatsender das 24-Stunden-Programm an sieben Tagen der Woche (Hörisch 2004: 360). Es entstehen neue Realitätskonstruktion und -einblicke, indem Privatsender andere - boulevardeskere - Inhalte aufgreifen und es kommt durch dieAusdifferenzierung der Zuschauerschaft in Informations- und Unterhaltungsinteressierte (vgl. u.a. Meyen 2001). Dies führt zu einer stärkeren Polarisierung zwischen den unterschiedlichen Bildungsschichten in Deutschland durch den Gegensatz der Angebote des öffentlich-rechtlichen, mehr informationsorientierten, und privaten, mehr unterhaltungsorientierten, Fernsehens (Hörrisch 2004: 360). Zu Beginn der Einführung des Privatfernsehens besaßen nur wenige deutsche Haushalte einen Kabelanschluss oder eine Satellitenschüssel (Karstens/Schütte 2010: 20). Ab 1988 sind sowohl RTL als auch SAT.l mit der normalen Hausantenne zu empfangen, die Anzahl der Kabelanschlüsse ist besonders in den Ballungsräumen stark angestiegen (ebd.). Die zunehmende Zuschauerzahl gewöhnt sich schnell an das Unterhaltungsfernsehen der privaten Sender, die neben bekannten Formaten auch viel Neues zu bieten hatten. Die Strip-Show Tutti Frutti auf RTL oder kommerzielle Ratespiele wie das Glücksrad auf SAT.l stellen beispielsweise ein neues Konzept im Fernsehprogramm dar. Zunehmend sichern sich die Privatsender auch Ausstrahlungsrechte an populären Sportevents, wie Boxen oder Fußball. Es setzen sich zudem immer mehr Kanäle durch und die Gesamt-Sehdauer der Zuschauenden ist seit 1994 um gut 27 Prozent (ca. 45 Minuten) gestiegen. 2006 liegt die Durchschnittsfernsehzeit schon bei 212 Minuten pro Person pro Tag (Karstens/Schütte 2010: 21). Doch nicht nur fiir die Rezeptionsforschung gilt 1984 als Wendepunkt im Femsehdiskurs, sondern auch fiir die einzelnen Sender, ihr Programm und das damit verbundene Marktgeschehen: "Das Privatfernsehen hatte sich durchgesetzt - und
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mit ihm eine Kombination aus neuen Finanzierungsmodalitäten und einer gewandelten programmlichenAnmutung [...]." (Karstens/Schütte 2010: 21)8
2. Wenn das Fernsehen zum Markt wird: Unterschiedliche Finanzierungsmodelle Der Fernsehmarkt folgt in wesentlichen Punkten einem bestimmten Geld- und Güterkreislauf. Dabei gibt es zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten Unterschiede. Während die Rezipientenfinanzierung (Beyer/Car12008: 29) einen Schwerpunkt der öffentlich-rechtlichen Sender darstellt, ist die Werbefinanzierung (Beyer/Car12008: 28) mehr das Finanzierungsmodell der Privatsender. In Reinform liegen weder die Rezipientenfinanzierung noch die Werbefinanzierung vor. Beispielsweise finanzieren sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten hauptsächlich durch die Rezipienten in Form von Rundfunkgebühren, jedoch nicht ausschließlich. Werbung ist auch für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten eine Einnahmequelle, wenn auch in geringerer Ausprägung als bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Für die öffentlich-rechtlichen Sender gilt nach Beyer und Carl ein spezielles Kreislaufmodell für Geld und Güter:
Grafik 1: Kreislaufmodell bei öffentlich-rechtlichem Angebot (nach: Beyer/Car12008: 29) mediale Dienstleistung
Rezipient als Produktionsfaktor.
Rezipient
Zeit
Medienunternehmen
Staat
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Die Folgen der Einführung von Internet und Smartphones sind bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in ihrer Gänze absehbar. Es wird jedoch bereits heute von einem notwendigen Paradigmenwechsel gesprochen, der die Zunahme von Bezahlinhalten im Fernseh- und im Zeitungsbereich zu berücksichtigen hat (Siebenhaar 2010: 9ff.).
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Der Rezipient, der Staat beziehungsweise die von ihm autorisierten Institutionen und das öffentlich-rechtliche Medienunternehmen selbst stehen in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Der Rezipient investiert Zeit und liefert dem Medienunternehmen Einschaltquoten und zahlt Gebühren an den Staat. Das öffentlich-rechtliche Medienunternehmen stellt dem Rezipienten hierfür die mediale Dienstleistung zur Verfügung. Die Besonderheit: der Staat bestimmt in diesem Kreislauf mit. Er gibt das Geld des Rezipienten in Form von GEZ-Gebühren an das Medienunternehmen weiter und erteilt ihm dafür die Berechtigung zur Nutzung der medialen Dienste. Die öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen unterliegen einer besonderen rechtlichen Kontrolle durch den Staat (Beyer/CarI2008: 29). Der staatliche Gebühreneinzug garantiert den öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen einen Großteil ihrer Einnahmen. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind damit von dem Druck des Erfolgs bei dem Zuschauer zu einem großen Teil befreit, wenn auch nicht völlig. Denn auch sie benötigen eine Rechtfertigungsgrundlage für diese Art von Finanzierung in Form eines ansprechenden Programms. Die privaten Rundfunkanstalten verfolgen nach Beyer und Carl das Kreislaufmodell der Werbefinanzierung:
Grafik 2: Kreislaufmodell bei Werbefinanzierung (nach: Beyer/CarI2008: 29) mediale Dienstleistung
Rezipient als Produktionsfaktor.
Rezipient
Zeit
Medienunternehmen
Geld
Ware
werbetreibende Wirtschaft
WerbeleistungIKontakte
Die Beziehung zwischen Rezipient und Medienunternehmen bleibt die gleiche wie bei dem Kreislaufmodell des öffentlich-rechtlichen Angebots. Statt des Staates tritt hier allerdings die werbetreibende Wirtschaft als regulierende Instanz auf. Die Geldund Güterströme sind nicht direkt mit dem Medienkonsum verbunden. Der Rezipi-
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ent trägt hier durch den Kaufpreis der beworbenen Produkte einen Teil der Kosten, der von Unternehmen für die Werbung in deren Preiskalkulation eingeplant wird. Der Rezipient kauft ein Produkt der werbetreibenden Wirtschaft und erhält dafür die gekaufte Ware. Ein Teil dieses erwirtschafteten Geldes fließt in die Medienunternehmen, die dafür von den Medienunternehmen Werbeleistungen erhalten. Entsprechend der unterschiedlichen Kreislaufmodelle der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender gestalten sich auch die (Sach- beziehungsweise Formal-) Ziele? der Sender verschieden (Beyer/Carl 2008: 30). Das öffentlich-rechtlicheAngebot erhält seine Erlöse aus den Gebühren und definiert sein Sachziel anhand der Sendeleistungen gemäß des Programmauftrags und sein Formalziel ist die wirtschaftliche Erfüllung des Programmauftrags. Die Erzielung von Einnahmen ist bei den öffentlich-rechtlichen Angeboten lediglich Mittel zum Zweck. Im Gegensatz hierzu stellen Werbeerlöse die Erlösquelle des werbefinanzierten Angebots dar. Das Sachziel ist hier die Produktion von Rezipientenkontakten für die Werbewirtschaft, eng verbunden mit dem Formalziel, angemessene Gewinne für die Gesellschafter zu erwirtschaften. Hier ist die Gewinnerzielung das herausragende Ziel (Beyer/Car12008: 30). Diese unterschiedlichen Kreislaufprozesse von Geld und Gütern zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medienunternehmen beeinflussen nicht zuletzt die Inhalte der jeweiligen Programme unterschiedlicher Sender. Die Sender setzen unterschiedliche Maßstäbe an das Programm. Während bei den öffentlichrechtlichen Sendern vor allem der Bildungs- und Informationsauftrag im Vordergrund steht, setzen private Sender besonders auf neue unterhaltende in ihr Chancen-Risiko-Profil passende Formate.
3. Die Dynamik. des Feldes: Substanzielle Veränderung des TV-Marktes Seit der Einführung des dualen Rundfunksystems 1984 setzt das ,Marktdenken' bei den privaten, aber auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ein. Sowohl private als auch öffentlich-rechtliche Fernsehsender sind in den 1990er Jahren dazu übergegangen, sich mit Produktionen in den Fernsehmarkt einzubringen (Zabel 2009: 187). Dabei konkurrieren die Sender nicht nur um die Einschaltquote, sondern ebenso um den Werbemarkt und die Rechte an unterschiedlichen Programmen 9
Beyerund Carl definieren das ,Forma1ziel' als ,,[.. .] in erwerbswirtschaftlich orientierten Unternehmen übergeordnete Ziele, an denen sich die Sachziele auszurichten haben. In ihnen kommt derErfolg untemehmerischen Handelns zum Ausdruck. Beispiele sind Produktivität, Rentabilität und Wirtschaftlichkeit" (Beyer/Carl 2008: 30). Sachziele sind nach Beyer und Carl Ziele des konkreten Handelns, wie Markt-, Produkt- und Finanzziele sowie soziale und ökologische Ziele (Beyer/CarI2008: 30).
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(Programmbeschaffungsmarkt). Das ,Marktgeschehen' bestimmt unter anderem das Programm sowie die Werbung und vor allem auch die Beschaffung beziehungsweise Produktion von Sendungen. Daher liegt der Fokus der folgenden Ausfiihrungen auf dem Fernsehmarkt, seinen Dynamiken und Folgen." Das Chancen-Risiko-Profil hat sich seit 1984 auchfür die öffentlich-rechtlichen Sender verändert. Auch sie befinden sich im Zwiespalt zwischen Massengeschmack und Gemeinwohl (Schröder 2009), denn die Konkurrenz zwischen den privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern erhöht sich - zugunsten der Zuschauer. Um Einschaltquotenfür die erforderlichen Werbeeinnahmen zu erzielen, müssen die Bedürfnisse der Zuschauer immer besser durch das Programm befriedigt werden. Nur aufdiese Weise lassen sich die Marktanteile der Sender behalten oder ausbauen. Einen Trend zu verpassen, istfür einen Sender ein starker Rückschlag, der manchmal sogar nur mit einer neuen Trendwende ausgeglichen werden kann (Karstens/Schütte 2010: 185). Das Chancen-Risiko-Profil hat sich mit dem dualen Rundfunksystem verändert: die (ökonomische) .Wettbewerbsfähigkeit'!' entscheidet über das Überleben der (privaten) Sender. Doch nicht nur die Einschaltquote und Werbeeinnahmen sind wichtige Einnahmequellenfür die Sender, sondern auch die möglichst rentablen Produktionsbedingungen von Sendungen entscheiden über die Chancen-Risiko-Profile der Sender. Der Umbruch betrifft zum Ersten das jeweilige Werbeprogramm der Sender. Bei ARD und ZDF sind lediglich 20 Minuten Werbung pro Tag vor 20.00 Uhr erlaubt. Kommerzielle Sender unterbrechen das Programm mit bis zu einem Fünftel pro Sende stunde das Programm durch Werbung (Karstens/Schütte 2010: 21). Die Finanzierung durch Werbung istfür die Privatsender von entscheidender Bedeutung, während die öffentlich-rechtlichen Sender sich hauptsächlich durch die staatlichen Rundfunkgebühren finanzieren. Der Druck durch die Werbefinanzie10
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Die nachstehenden Erläuterungen sind als exemplarisch zu betrachten und erheben keinen Anspruch aufVollständigkeit. Technische, volkswirtschaftliche und rechtliche Entwicklungen beeinflussen den Fernsehnoarkt neben dem beschriebenen Geschehen auf dem Fernsehnoarkt entscheidend. Allerdings liegt der Fokus dieses Beitrages mehr aufden Folgen und weniger auf den Ursprüngen der Entwicklung des Fernsehnoarkts. Näheres zur technischen Entwicklung des Fernsehens findet sich beispielsweise bei Jan Krone 2009, speziell zur Entwicklung der Fernsehtechnik Klaus Sandig 2005 und Rainer Schäfer 2005. Ausfiihrungen zur Medienökonomie sind unter anderem bei Andrea Beyer und Petra Carl2008 sowie bei Gabriele Siegert 2002 , Hanno Beck 2005 sowie bei Klaus-Dieter Altrneppen und Matthias Karmasin 2003 zu finden. Den Fernsehrnarkt mit seinen Dynamiken greift außerdem Zabel2009 auf. Durch die Wirtschaftskrise trifft sowohl die öffentlich-rechtlichen, allerdings vor allem die Privatsender hart. Die Netto-Werbeerlöse gehen drastisch zurück, allein zwischen 2000 und 2003 gehen um knapp 20 Prozent zurück (Karstens/ Schütte 2010). Nähere Ausfiihrungen über den Wettbewerb am deutschen Femsehmarkt finden sich bei Zabel 2009.
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rung lastet damit vorrangig auf den privaten Sendern, was sich auch auf deren Programm auswirkt." Die Einfiihrung der Privatsender hat zum Zweiten entscheidende Folgen für die Konkurrenzsituation auf dem deutschen Fernsehmarkt. Die Konkurrenz unter den privaten Sendern ist hoch, ebenso wie die Konkurrenz zwischen dem öffentlich-rechtlichen und den privaten Sendern. Die Sender können nicht mehr über Jahrzehnte hinweg ein- und dasselbe Programm ausstrahlen, sondern sind gezwungen, etwas Neues, am besten noch nie Dagewesenes, auf den Markt zu bringen (vgl. Karstens/Schütte 2010: l84ff.). Ein Phänomen, was im Besonderen für den deutschen Fernsehmarkt gilt, da hier die Konkurrenz höher ist als in den meisten europäischen Ländern ist (Karstens/Schütte 2010: 22). Die Zuschauerquote ist für die Sender entscheidend. Die Attraktivität des Fernsehprogramms entscheidet darüber, ob überhaupt ein-, um- oder abgeschaltet wird. Für die öffentlich-rechtlichen Sender leitet sich aus innovativen Konzepten, die dem ihnen auferlegten Bildungsauftrag genügen, die Legitimation ihrer staatlichen Subvention durch Rundfunkgebühren ab. Für die privaten Fernsehsender sind innovative Konzepte entscheidend, um die von ihnen zu vergebenden Werbeplätze zu möglichst hohen Preisen anbieten und damit ihre Finanzierung sichern zu können. Was also zählt, ist der Erfolg einer Sendung beim Zuschauer. Als dritte Folge der Einfiihrung der Privatsender lässt sich das die Trennung von Programmproduktion beziehungsweise -einkauf und Programmausstrahlung nennen. ZDF und die Freies Fernsehen Gesellschaft (FFG) führten das Prinzip der Trennung von Programmausstrahlung und Programmproduktion respektive -einkauf ein. Dies hat sich bis heute als übliche Verfahrensweise des deutschen Fernsehens entwickelt (Karstens/Schütte 2010: 21). ,Outsourcing' hat zu einem gängigen Verfahren entwickelt, nicht nur neue Sendungsideen zu finden, sondern auch umzusetzen. Am Beispiel der Ideenentstehung und der damit verbundenen Generierung von Fernsehinhalten werden die Auswirkungen der substanziellen Veränderung des Fernsehmarktes (s.o.), dessen Dynamiken und Folgen für die Fernsehinhalte beschrieben." An diesem konkreten Beispiel aus der Praxis, wird sich zeigen, dass 12
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Interessant ist in diesem Zusammenhang der von Feldmeier beschriebene Trend zur Entwertung der Werbung . Das Krisenjahr 2009 hat auch bei den Werbeeinnahmen seine Spuren hinterlassen: Branchenexperten sprechen von einer Einbuße bei den Nettoerlösen der Werbung um 10 Prozent (Feldmeier 2010: 13). Der generelle Trend zu sinkenden Einnahmen durch Werbung zeigt sich seit 2001: Diese sind um 26 Prozent gesunken, während die Werbeleistung der Medienuntemehmen um 14 Prozent gestiegen ist (ebd.). Dies zeigt die positive Entwicklung fiir den Werbekunden und die negative Entwicklung fiir die Werbungsplätze anbietenden Medienuntemehmen. Ein Trend, den es in zukünftigen Analysen zu berücksichtigen gilt. Auch hier gilt, dass die Ausfiihrungen lediglich exemplarischen Charakter beanspruchen können.
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jedes ,soziale Feld' einem stetigen Wandel im Hinblick auf seine Struktur (bedingt durch die Kapitalverteilung), seine Spielregeln und seine Akteure unterliegt. Die Akteure nehmen durch ihre Handlungen und Einsätze ihrer Kapitalien systematisch auf die soziale Praxis Einfluss (vgl. Bourdieu 1987: 389ff.).
3.1 Einmal ein .First mover' sein: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt Die Entscheidung fiir oder gegen eine Sendungsidee beziehungsweise deren Umsetzung und Ausstrahlung hängt von der Angebotsform ab: je nach Trägerschaft (öffentlich-rechtlich oder privat), Finanzierungsart (Gebühren und Werbeeinnahmen, lediglich Werbeeinnahmen oder Pay-TV), Programmart (Spartenprogramm, Vollprogramm, Teleshopping), Verbreitungsgebiet (national, lokal, Ballungsraum) und Vertriebsweg (Terrestrik, Kabel, Satellit, Internet, Handy) gestaltet sich das Programm anders. Entscheidend seit der Einführung des dualen Rundfunksystems bei der Ideenentstehung zu einer Sendung sind fiir die privaten Fernsehsender allerdings hauptsächlich ökonomische Faktoren entscheidend." Um weiterhin fiir den Zuschauenden attraktiv zu bleiben, muss sich das Fernsehen ständig selbst neu erfinden. Der Anspruch: Stets neue Sendungen oder überarbeitete Formate auf den Markt zu bringen. Es existieren wenige Ausnahmen dieser Regel. Sendungen wie die tagessehau oder heute, die seit Jahrzehnten im deutschen Fernsehen zu sehen sind, bilden mittlerweile diese wenigen Ausnahmen der Regel. Für die Mehrzahl der deutschen Fernsehprogramme gilt, dass sie in immer kürzerem Rhythmus wechseln und alte fiir neue Sendungen Platz machen (müssen). Der ,First mover', also derjenige Sender, der es schafft mit einer Sendung einen,Trend' zu setzen, besitzt den anderen Sendern gegenüber einen Vorsprung (Karstens/Schütte 2010: 185). Dieser Vorsprung schlägt sich nicht zuletzt im ökonomischen Kapital des Senders nieder. Bourdieu beschreibt in diesem Zusammenhang den bereits erwähnten ,scoop', die Leitnachricht, die dem jeweiligen Akteur im ,journalistisehen Feld' einen (ökonomischen) Gewinn verschafft (s.o.). Die Möglichkeit ,First mover' zu werden, birgt einige Risiken, bei wenig einschätzbaren Chancen. Die ,Erfindung' ist die einzige Option einen Trend zu 14
Dies impliziert allerdings nicht, dass sich die Entscheidungen der Sender fiir oder gegen bestimmte Programme und deren Produktionsweisen nur aufBasis ökonomischer Interessen getroffen werden. Die Errechnung der Erlöse gestaltet sich wesentlich komplexer. Neben Zuschauerzahlen und Einschaltquoten entscheiden auch die Demographie des entsprechenden Ausstrahlungsgebiets der Sendung und die Einschätzung der Qualität der Umgebung der Sendung fiir Werbung. Beispielsweise ist die Sendung Ich bin ein Star - holt mich hier raus aufRTL zwar ein Quotenerfolg, dennoch hielten sich Markenartikelindustrie mit Werbebuchungen zurück. Die Werbekunden wollen ihre Produkte nicht mit etwas in Verbindung bringen, was beim Zuschauenden Ekel erregt (Karstens/Schütte 2010: 190; siehe hierzu auch Schön 2008: 22).
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setzen, der bisher am Fernsehmarkt unbekannt ist. Für eine ,Erfindung' existieren keine unmittelbaren Vorbilder und sie besitzen ein hohes Maß an Originalität. Durch ihren innovativen Charakter ziehen sie eine hohe Aufmerksamkeit im Erfolgsfall auf sich. Erfindungen gründen sich allerdings zu einem gewissen - wenn auch geringen - Anteil auf Ähnlichkeiten zu bereits bestehenden Sendungen, andernfalls entfernen sich Erfindungen zu weit von den bestehenden Bedürfnissen und Gewohnheiten der Zuschauer. Ein Beispiel für eine Erfindung ist Wetten das? ! von 1981 auf ZDF. Es existieren zwar Ähnlichkeiten beispielsweise zu der USamerikanischen Sendung The Price is Right von 1956, jedoch sind die wesentlichen Merkmale neu. Neu sind unter anderem die außergewöhnlichen Wettangebote der Zuschauer oder die internationalen Show-Acts und prominenten Gäste. Auch heute erzielt Wetten das?! mit diesem Konzept einen Marktanteil von bis zu 40 Prozent (Karstens/Schütte 2010: 186). Allerdings besitzen Erfindungen aufdem deutschen Fernsehmarkt eher Seltenheitswert, da der Sender mit einer Erfindung ein großes Risiko eingeht. Eine Erfolgseinschätzung ist aufgrund des innovativen Charakters und der fehlenden Erfahrungswerte nur sehr schwer möglich. Für den Sender bedeutet dies, dass er eine große Chance durch ein hohes, schlecht kalkulierbares Risiko erkauft (ebd.). 3.2 Einfach, schnell und preisgünstig: Der spin-off Entscheidend für den Erfolg einer Sendung ist die Aufmerksamkeit bei möglichst vielen Zuschauenden. Das Erfolgspotenzial einer Sendung lässt sich am besten abschätzen, wenn ein ähnliches Format mit all seinen Erfahrungswerten am Fernsehmarkt bereits existiert. Aus diesem Grund stammt ein Großteil der Sendungsideen in Deutschland aus der Programmbeobachtung anderer nationaler Sender. Sogenannte,Weiterentwicklungen' ,auch ,spin-offs', bereits bestehender Sendungen bilden eine sicherere Lösung der Ausweitung des Senderprogramms. Anhand der Einschaltquoten (die, die Sender unter anderem von der Gesellschaft für Konsumforschung, kurz GfK, erhalten) können die für den Zuschauenden nicht interessanten Teile einer Sendung herausgegriffen und gegebenenfalls ersetzt werden. ,Spin-offs' besitzen den Vorteil eines geringeren Zeit- und Arbeitsaufwands. Allerdings ist die Aufmerksamkeit der Zuschauer bei ,spin-offs' wesentlich geringer als bei ,Erfindungen'. Der Charakter eines solchen ,spin-offs' ist wenig innovativ und birgt daher weniger neue Inhalte, die auch über die bereits bestehende Zuschauerschaft weitere Rezipienten ,anlocken'. Für das Chancen-Risiko-Potenzial bedeutet dies, ein möglichst geringes Risiko, allerdings auch eine möglichst geringe Chance zur Aufmerksamkeit beim Zuschauer (Karstens/Schütte 2010: l86f.).
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3.3 Sicher ist sicher: Formate anderer Sender Eine weitere Gruppe der in Deutschland ausgestrahlten Sendungen stammt von anderen internationalen Sendern. Hauptsächlich aus Großbritannien oder den USA. Beispielsweise hat Wer wird Millionär?, seit 1999 auf RTL, einen angloamerikanischen Vorgänger: die britische Quizshow Who Wants to Be a Millionair? von 1998. Dies ist nicht zuletzt auf das günstige Chancen-Risiko-Profil dieser bereits am Markt erprobten Sendungen zurückzuführen. .Formate anderer Sender' stellen eine attraktive Alternative zu der ,Erfindung' von Sendungen dar (Karstens/ Schütte 2010: l87f.). Die (inter-)nationale Programmbeobachtung stellt bei der Entwicklung neuer Ideen für den deutschen Fernsehmarkt somit eine wichtige Informationsquelle dar. Allerdings bleibt hierbei zu berücksichtigen, dass sich die Erfahrungswerte von deutschen Sendern und Sendern im Ausland nicht einfach vergleichen lassen. Eventuelle unterschiedliche kulturelle Hintergründe erfordern eine Anpassung des ausländischen Formats in Deutschland. Ebenso die Nutzungsrechte sind bei den .Formaten anderer Sender' eine zu berücksichtigende Überlegung bei der Übernahme eines Sendungskonzepts. Das Chancen-Risiko-Potenzial kann bei einem .Format eines anderen Senders' ebenso erfolgsversprechend sein wie bei einer ,Erfindung'. Als RTL II 2003 mit der Ausstrahlung der Sendung Frauentausch beginnt, handelt es sich dabei um ein ursprünglich britisches Format mit dem Namen Wife Swap. Frauentausch läuft heute noch. Ein bereits bestehendes ausländisches Format hält Einzug nach Deutschland und erscheint den Zuschauenden als neu und generiert dementsprechend Aufinerksamkeit und so Erfolg ." Die Sender orientieren sich damit grundsätzlich bei der Auswahl von Sendungsideen am Chancen-Risiko-Potenzial der Ideenentstehung. Auf diese Weise hat die Entstehung einer Idee bereits Einfluss aufdie Umsetzungsentscheidung einer Sendung und damit aufdie Fernsehinhalte. Für das deutsche Fernsehprogramm bedeutet dies nach Gerd Hallenberger, dass die Strategien zur Risikovermeidung den Markt dominieren und in Deutschland daher seit den 1990er Jahren regelrechte Wellen in der Programmgestaltung zeigen, wie die beispielsweise die CoachingWelle, die Quiz-Welle oder auch die Gerichtsshow-Welle (Hallenberger 2008: 19).
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Neben den veröffentlichten Zuschauerzahlen, (nationale und internationale) Programmzeitschriften und Fachpublikationen, Programm-Messen sowie Ergebnisse von Internetrecherchen treten Beobachtungen und Nachforschungen von Rechercheunternehmen zur Ermittlung des Erfolgs von Fernsehsendungen.
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4. Die (neue) Praxis: experimentieren, praktizieren(, absetzen) Doch eine neue Sendung auf einem Sender ist nicht immer eine Erfolgsgarantie, im Gegenteil. Als Deutschland sucht den Superstar (kurz: DSDS) 2002 auf RTL das erste Mal ausgestrahlt wird, erzielt die Casting-Show, an deren Ende dem Gewinner ein Plattenvertrag zugesichert wird, einen Marktanteil von über 50 Prozent (Kartens/Schütte 2010: 185). Dieser RTL-Erfolg lässt einige ,Nachahmer-Sendungen' auf den Markt treten. Star Search auf Sat.l wurde noch 2003 gesendet und auch die öffentlich-rechtlichen wollten dieses Erfolgsformat nicht verstreichen lassen: Ebenfalls 2003 begann das ZDF die Sendung Die deutsche Stimme 2003 auszustrahlen, doch keine der beiden ,Kopien' von DSDS schaffte es zu einem Quotenerfolg. Beide Sendungen gingen nicht in die zweite Staffel. DSDS läuft heute noch. Beispiele für dieses ,Nachahmerverhalten' zwischen den Sendern bilden unter anderem die Talkshow-Welle. Die Talkshow findet ihren Ursprung 1980 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die Sendung Heut abend startet 1980 im Bayrisehen Rundfunk und wurde von Joachim Fuchsberger moderiert. Sie entwickelte sich zur ,,[...] erfolgreichsten Talkshow der frühen 80er Jahre" (Foltin 1994: 88). Mit einer Verzögerung von vier Jahren setzt Mitte bis Ende der 1980er Jahre eine Welle von Talkshows im privaten Rundfunk ein (Krieger 2002: 61). Namen wie Hans Meiser auf RTL, Arabella Kiesbauer auf ProSieben oder Vera Int- Veen dominieren den Nachmittag der Privatsender in den neunziger Jahren. Auch hier bestimmt nicht zuletzt das Chancen-Risiko-Profil das Programm. Neumann-Bechstein schreibt 1997, dass die Talkshow eine der preiswertesten TV-Unterhaltungen auf dem damaligen Markt darstellt (Neumann-Bechstein 1997: 135). Dies kann nach Beyer unter anderem daraufzurückgeführt werden, dass Talkshow-Themen, die sich den alltäglichen Problemen der Gesellschaft, wie ungewollte Schwangerschaften, Cellu1ite oder Fremdgehen widmen, immer wieder aktuell sind und die Talkshow, einmal aufgezeichnet, immer wieder gesendet werden kann (Beyer 2000: 175). Doch der steigende Konkurrenzdruck zwischen den einzelnen Sendern :fiihrt nicht nur zu einem ,Nachahmertum' und zu bestimmten ,Wellenbewegungen', sondern auch zu einem zunehmenden Experimentierverhalten der einzelnen Sender. Langwierige Marktforschungen, die sich nicht nur zeit-, sondern auch kostenintensiv gestalten, werden von den Sendern mittlerweile möglichst vermieden (Karstens/Schütte 2010 : 185). Es werden Sendungen in kleiner Sendungsanzahl (sechs bis zehn Folgen für eine erste Staffel) produziert und direkt über den Sender ausgestrahlt.
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Ein Beispiel für eine dieser Sendungen ist die ,Kleingärtnersoap' Ab ins Beet", die seit 2007 auf RTL II zu sehen ist. Hier werden Hobbygärtner (bevorzugt im Kleingartenverein) beim Pflanzen, Gartenhäuserbau oder der Planung ihres Gartenstücks begleitet. Das Risiko im Hinblick auf finanzielle Einsätze des Senders bei der Produktion solcher Art von Sendungen gestaltet sich relativ klein im Vergleich zur ausführlichen Marktforschung. Minimales technisches Equipment (Kamera, Mikrofon, eventuell Licht) und wenig Personal (im Idealfall ein Kamerateam und eventuell noch ein Regisseur) reichen vor Ort aus. Requisiten, Bühne und Schauspieler bringt das Kleingarten-Motiv ganz im Go:ffman'schen Sinne von selbst mit. Menschen werden in solchen Sendungen also genau bei dem gefilmt, was sie ,sowieso schon vorhatten'. Hält die Idee nicht, was sie verspricht, nämlich eine für den Sender rentable Einschaltquote zur Platzierung der Werbung zu erzielen, wird sie einfach abgesetzt, ohne dass ein hoher finanzieller oder zeitlicher Verlust zu beklagen ist (vgl. Interview M-2-1). Es entscheidet damit der Praxistest über Erfolg oder Misserfolg der Sendung. Wenn widererwarten eine Sendung doch nicht erfolgreich ist, warten die Sender mittlerweile nicht mehr lange ab, neu am Markt eingeführte Sendungen, bei denen sich der versprochene Erfolg in Form von hohen Einschaltquoten nicht einstellt, wieder abzusetzen. In den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts gab man neuen Sendungen noch eine Schonfrist von ca. drei Monaten bis sich der Sender dazu entschloss, die Sendung abzusetzen. Mittlerweile können bereits die ersten zwei bis drei Ausstrahlungstermine darüber entscheiden, ob eine Sendung weitergesendet wird oder eben nicht (Karstens/Schütte 2010: 185). Dies geschah beispielsweise der Sendung Hire or Fire-Der beste Job der Welt von 2004 auf ProSieben. Hier suchte John de Mol für seine Produktionsfirma einen Creative Director. Der Marktanteil der Sendung lag bei 2,2 Prozent und damit weit unter dem versprochenen Erfolg (ebd.), sodass ProSieben nicht lange zögerte und die Sendung bereits nach der ersten Ausstrahlung absetzte (Karstens/Schütte 2010: l85f.).
5. Neue Inhalte und neue Akteure: Der Trend zum Outsourcing und seine Folgen Obige Erläuterungen zur Ideenentstehung und Sendungsumsetzung zeigen einen Trend der Sendeanstalten zum Outsourcing sowohl in redaktioneller als auch in technischer Hinsicht. Sender greifen seit Entstehung des dualen Rundfunksystems in unterschiedlicher Hinsicht auf die Möglichkeit des Outsourcings zurück (Za16
Bei der Einschätzung dieses Formats greife ich auf Interviews zurück, die im Rahmen unseres DFG-Projekt mit ,Machern' solcher Formate geführt wurden.
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bel 2009: 58). Neben Rechercheunternelnnen übernelnnen Produktionsfirmen die Ideenfindung für denjeweiligen Sender. Die Produktionsfirmen können außerdem die Aufgabe der Umsetzung der jeweiligen Sendungsidee übernelnnen. Es kommt zu einer Verlagerung der Ideenentwicklung und Sendungsproduktion nach außen (Outsourcing) (Karstens/Schütte 2010: 189).17 In diesen Fällen gehen Sender und TV-Produzenten eine Marktbeziehung miteinander ein (ZabeI2009: 60ff.). Outsourcing hat Vorteile. Beispielsweise macht Outsourcing von Sendungsproduktionen die Sendeanstalten flexibler (Beyer/CarI2008: 119) und es kommt zu Produktivitätsvorteilen (ZabeI2009: 178). Outsourcing spart zudem Kosten, da der ,Markt' billiger produziert, als dies in Eigenproduktionen der Sender möglich ist (Heinrich 2010a: 193). Die Bezahlung erfolgt durch die Vergabe eines Produktionsauftrags für die Sendung, also nur dann, wenn Idee auch tatsächlich umgesetzt wird. Die Produktionsfirmen stehen um den Produktionsauftrag im Wettbewerb und sind so zur Kreativität gezwungen. Sie versuchen immer innovativer Konzepte auf dem Markt anzubieten (Karstens/Schütte 2010: 190). Allein diese Vorteile erklären bereits den generellen Trend zum Outsourcing, der sich im Übrigen nicht nur am Fernsehmarkt, sondern auch bei den Printmedien feststellen lässt (Heinrich 2010a: 202fT., ausführlicher Heinrich 2010b: 151ff.). Ein Formathandel zwischen den einzelnen Sendern kommt aufgrund des Wettbewerbs am Markt kaum in Betracht. Sender möchten dennoch keinen,TV-Trend' verpassen und übernelnnen Formate in ähnlicher Weise - was immer öfter zu einem Phänomen führt, das Schumpeter 1939 unter dem Begriff ,Schweinezyklus' behandelt hat: Wenn sich ein bestimmtes Produkt auf dem Markt gut verkauft, erzeugen immer mehr dieses Produkt, so dass es bald wegen des Überangebots nur noch wenig wert ist, was dazu führt, dass es nicht mehr produziert wird, bis dann wieder jemand das Produkt neu auflegt. Da Kopien von Fernsehformaten in Deutschland allerdings allein aufgrund des Urheberrechts nicht erlaubt sind, müssen einige Details der Sendung verändert werden. Dies führt häufig zu einer Übergabe der Sendungsumsetzung an Produktionsfirmen (Karstens/Schütte 2010: 76ff.). Die Einwirkung solcher Agenturen auf 17
Das Outsourcing betrifft nicht nur Produktionsfirmen und Rechercheunternehrnen, sondern beispielsweise auch Lieferanten (weitere Erläuterungen hierzu finden sich bei Zabel 2009). Es wird durch die nachstehenden Erläuterungen damit lediglich ein Ausschnitt aus dem Diskurs des Fernsehmarktes gezeigt, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Outsourcing kann weiterhin in internes und externes Outsourcing unterteilt werden. Während bei dem internen Outsourcing die Produktion noch beim Sender selbst liegt, tritt er beim externen Outsourcing nur noch als Auftraggeber auf (Zabel 2009: 58ff.). Die folgenden Erläuterungen beziehen sich auf das externe Outsourcing und orientieren sich an der Definition von Heinrich, der Outsourcing als ,,[.. .] die Auslagerung einer ursprünglich unternehmensintemen erstellten Produktion in den Markt [... ]" (Heinrich 2010a: 167, siehe ausführlich auch Heinrich 2010b 151ft).
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das Fernsehprogramm ist erheblich, denn sie bestimmen, wie etwas gezeigt wird, auch wenn die Sender oft (noch) vorgeben, was gezeigt wird. Allerdings produzieren Produktionsfinnen nicht nur Inhalte nach Angaben der Sender, sondern auch eigene Angebote zum Verkauf anbieten treten sie als neuer Akteur in den Diskurs des Fernsehmarktes ein. Sender pflegen regelmäßig Kontakt zu privaten Produktionsfinnen, um für die entwickelten Formate ein fonnelles oder informelles Erstzugriffsrecht zu erhalten (Karstens/Schütte 2010: 189). Die Produktionsfinnen geben in diesem Fall vor, was eine betrachtenswerte Thematik für das deutsche Fernsehen darstellt. Es wird in Zukunft genauer beobachtet werden, inwieweit es dadurch zu einer Art ,Fremdbestimmung' der Formate und Inhalte durch Produktionsfinnen kommt und ob diese letztendlich nicht sogar die gezeigten Inhalte und darüber hinaus das Profil einer Sendung (und damit auch des Senders) bestimmen. Dabei folgen sie nicht ausschließlich jedoch vorrangig ökonomischen Interessen, denn es zählt nur das (=wird nur das produziert), was sich gut verkaufen lässt. Diese Umstrukturierung des Fernsehmarktes hin zum Outsourcing zeigt Folgen. Neben die alten Fernsehleute, oft auch ,Qualitätsjoumalisten' genannt, treten neue Akteure wie Rechercheunternehmen oder Produktionsfinnen in das Feld des Fernsehmarktes ein." Auf dem deutschen Fernsehmarkt existiert mittlerweile eine Vielzahl von Produktionsfinnen unterschiedlichster Ausprägung, wie eine exemplarische Auflistung von deutschen Produktionsfinnen zeigt": •
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Alpha Entertainment Film und Fernsehproduktion GmbH (produziert Informationsprogramme, Dokumentationen, Trailer und Spots für Privatfernsehen, Industrie- und Dienstleistungsunternehmen) Center TV Production GmbH (TV-Produktionsfinna, die für verschiedene TV-Sender wie unter anderem RTL, VOX, WDR und ORF tätig ist) Tele News Company (TNG) (produziert Reportagen und Dokumentationen und beliefert Nachrichtensendungen mit Informationen und aktuellem Videomaterial) WestCom Media-Group (produziert Beiträge für nationale und internationale Fernsehsender und betreut Live-Strearnings im Internet) (vgl. FilmFernsehen 2010)
Die Beteiligung der Produktionsfinnen am deutschen Fernsehmarkt hat Einfluss auf die Inhalte des Fernsehens, auch auf die der Inneren Sicherheit und Folgen für 18 19
Zum Spagat zwischen Qualität und Einschaltquote siehe auch Wick 2008 und Hallenberger 2008. Diese Auflistung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt lediglich eine exemplarische Auswahl der großen Vielfalt von Anbietem dar. Mehr hierzu unter : http://www. film-fernsehen.de/anzeige/filmfemsehen.php4?ziel=produktionsfinna.
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dessen Diskurs: "Neue Akteure tauchen im Feld der Inneren Sicherheit auf, werden in dieses Feld hineingezogen oder suchen es aktiv auf, weil dort ökonomische Gewinne vermutet werden." (Reichertz: Medien als Akteure für mehr Innere Sicherheit - in diesem Band) Die Akteure betreiben zusammen aktiv eine Politik der Sicherheit - wenn auch jeder nach eigenen Maßstäben und eigenen Relevanzen (Feltes 2008). Dabei erfolgen diese Veränderungen im Feld des Fernsehmarktes nicht intendiert, sondern resultieren vielmehr aus der Dynamik des Feldes." Es zeigt sich: Fernsendungen schweben nicht im leeren Raum. Sie sind immer mehr als das auf dem Bildschirm Gezeigte. Sie sind das auch Ergebnis der Dynamik des Feldes des Fernsehmarktes und sind nicht zuletzt von den ökonomischen und gesellschaftspolitischen Überlegungen der Sender abhängig. Genau auf diese muss sich auch der analytische Blick richten - will man das Fernsehen als Institution und einzelne Fernsehformate verstehen und verstehend erklären. Der analytische Blick darf sich deshalb nicht nur auf das Gesendete richten, sondern muss auch und mehr als bislang den Akteur des Sendens fokussieren.
Literatur Adorno, Theodor W. (1970): Prolog zum Fernsehen. In: Adorno, Theodor w.: Eingriffe. Neun kritische Modelle, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 69-80. Altmeppen, Klaus-Dieter; Karmasin, Matthias (Hrsg.) (2003) : Medienökonornie. Bd.1. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Bättel-Mink, Birgit; Hellrnann, Kai-Uwe (2010) : Proswner Revisited. Zur Aktualität einer Debatte. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Beck, Klaus; Reineck, Dennis; Schubert, Christiane (2010): Journalistische Qualität in der Wirtschaftskrise. Berlin: Deutscher Fachjournalisten Verband. URL : http://www.dfjv.de/fileadmin/user_upload/pdf/Studie_Journalistische_Qualitaet_03_2010.pdf [letzter Abruf: 20.12.2010]. Beck , Ulrich (2005): Was zur Wahl steht. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
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Die Entwicklung der Printmedien zum Outsourcing behandelt der Beitrag von Oliver Bidlo in diesem Band über den Bürgerreporter. Beispielsweise wird der Bürger in der BILD-Zeitung zum Prosument (zum Proswnenten siehe auch Bättel-Mink/Hellmann 2010) , der nicht mehr nur konsumiert, sondern die Inhalte der Zeitung auch produziert, indem er eigene Beobachtung auf eigenen Fotos im Alltag festhält und an die BILD-Zeitung schickt . Diese können dannvon der Redaktion veröffentlicht und kommentiert werden.
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Medien als Aktivierer?
Innere Sicherheit schreiben - Sicherheitsthemen in Tageszeitungen Stefanie Böhm
1. Einleitung
Medien vermitteln ihren Rezipienten nicht nur sicherheitsrelevante Themen, sondern sie gestalten - neben den staatlichen, gesellschaftlichen und politischen Akteuren - Innere Sicherheit aktiv mit (vgl. Reichertz 2007 und 2011; Feltes 2009: 107). Das ist die zu überprüfende Ausgangsthese des Projekts, innerhalb dessen die hier vorgelegte Zeitungsinhaltsanalyse vorgenommen wurde. Allerdings ist der Akteursbegriff innerhalb der sozialwissenschaftliehen und kommunikationswissenschaftlichen Literatur uneinheitlich - was letztlich auch darauf zurückzuführen ist, dass Unterschiedliches unter dem Handlungsbegriff verstanden wird (siehe zum Begriff des Handeins von Akteuren den Einleitungsbeitrag von Reichertz in diesem Band). Wenn die Medien in der kommunikationswissenschaftliehen Literatur als Akteure in den Blick genommen werden, dann deshalb, weil sie teils sehr bewusst Themen setzen, Deutungsrahmen anbieten, die Welt erklären und mehr oder weniger deutlich Ansichten mittels Kommentaren vertreten und damit Position beziehen (vgl. Eilders/NeidhardtJPfetsch 2004; Pfetsch/Adam 2008, Eilders 2008). Der Status der Medien als Akteure ergibt sich dann zum einen dadurch, dass sie on air durch die Verbreitung bestimmter Themen, die Innere Sicherheit betreffen, maßgeblich den öffentlichen Diskurs mitzubestimmen versuchen. Dabei treten die Zeitungen selbst jedoch meist nicht sichtbar als eigenständiger Akteur in Erscheinung' sondern sie bleiben im Hintergrund und werden vor allem als Nachrichtenüberbringer und (scheinbar neutrale) Kommentatoren gedeutet. Weniger Beachtung findet in der Fachliteratur (auch in der sozialwissenschaftliehen) der Umstand, dass die Zeitung für jedermann erkennbar als eigenständiger Akteure auftreten. Dies kann geschehen, indem das Medium z. B. offair für die Leser/innen Podiumsdiskussionen zu sicherheitsrelevanten Themen initiiert oder sich in Stadtteilen sichtbar in der Präventionsarbeit engagiert (z.B. Bürger auf die Diebstahlgefahren auf Weihnachtsmärkten hinweist und Tipps zur SieheO. Bidlo et al. (Hrsg.), Securitainment, DOI 10.1007/978-3-531-93077-0_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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rung des Eigentwns gibt). Die Akteurrolle der Medien ist aber auch dann gegeben, wenn das Medium Probleme aus der Lebenswelt der Leser/innen aufgreift und zum Thema macht und mit Hilfe des Medieneinsatzes Veränderungen herbeifiihren will und dann den Leser über seine eigene Aktivität informiert. Die Zeitung macht sich selbst, bzw. ihr Engagement und ihre Errungenschaften für den Leser zum Gegenstand der eigenen Berichterstattung. Zeitungen sind also on air und offair tätig - beides mit dem Ziel, Käufer zu finden und zu binden - was angesichts der Konzentrationsprozesse innerhalb der Medien (Rationalisierung), der Konkurrenz durch die neuen digitalen Medien (online-Plattformen, Bloggs) und aufgrund des veränderten Käuferverhaltens (weniger langfristige Vertragsbindungen) immer schwieriger wird. In der vorliegenden Studie wird nur die Aktivität der Zeitungen on air untersucht werden. Über die Aktivitäten der Zeitungen off air können also weder Aussagen gemacht noch abgeleitet werden. Angenommen wird, dass Printmedien verstärkt als Akteure, also mehr Aktionen selbst anstoßen bzw. andere anstoßen, auftreten. Daher ist von besonderem Interesse, in welchem Maße ein Medium als korporierter Akteur (siehe die Beiträge von Reichertz und Bidlo in diesem Band) aktiv wird und in wie weit diese Aktivität anband der Inhalte der jeweiligen Zeitung sichtbar wird. Im Rahmen des DFG-Projektes "Medien als Akteure der Inneren Sicherheit" werden insbesondere lokale Strukturen und Phänomene betrachtet. Daher bilden die Lokalteile von tagesaktuell erscheinenden Zeitungen aus der Region Ruhrgebiet und angrenzendes nördliches Rheinland hier den Untersuchungsgegenstand. Da die WAZ über die zahlenmäßig stärkste Leserschaft in diesem Gebiet verfügt, wird die WAZ Dortmund, die WAZ Bochum-Wattenscheid und die WAZ Essen für die Untersuchung herangezogen. Zudem soll der Kölner Lokalteil der Kölnischen Rundschau betrachtet werden. Um die Repräsentativität der Ergebnisse gewährleisten zu können, werden jeweils 100 Exemplare dieser Zeitungen in dem Zeitraum vom 01. Juni 2009 bis 07. Oktober 2009 ausgewertet werden.' Im Folgenden wird anband der empirischen Inhaltsanalyse in Anlehnung an die eher quantitative Inhaltsanalyse von Wemer Früh der Grad der Aktivität der genannten Medien untersucht werden. ,,Die systematische, offengelegte und damit kritisierbare Vorgehensweise der empirischen Wissenschaft verlangt [... ], dass sowohl die Vorstellungen des Forschers als auch der anvisierte Realitätsausschnitt in eine dritte Modalität, nämlich die empirischer Daten überfiihrt werden, wobei dieser Prozess offenzulegen ist. Nur so ist es möglich, dass sich Sachverhalte von
Für den Zeitraum ab Juni 2009 lagen die meisten Zeitungsexemplare vor.
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völlig verschiedener Beschaffenheit wie unsere Vorstellungs- und Objektwelt intersubjektiv nachvollziehbar miteinander vergleichen lassen." (Früh 2007: 20) Zu diesem Zweck werden sämtliche Artikel der o.a. Zeitungen zu Sicherheitsthemen mit Hilfe eines aus den Daten entwickelten Kategoriensystems dahingehend beurteilt werden, inwieweit sich durch sie der Grad der Aktivität des Mediums zeigt. So scheint es Formen der Berichterstattung zu geben, in denen Medien weniger aktiv sind und solche, in denen das Medium eher Informationen vermittelt, als das es selbst Akteur ist. Im Anschluss daran wird betrachtet werden, in welchem Verhältnis die Menge dieser Artikel, in denen das Medium als Akteur auftritt, zu der Anzahl der Artikel mit sicherheitsrelevanten Themen insgesamt steht.
2. Kategorisierung Die Artikel, die sich mit der Thematik der Inneren Sicherheit beschäftigen, unterscheiden sich zum Teil deutlich in verschiedenen Aspekten voneinander, wie Inhalt und Zielrichtung. Es wird angenommen, dass die genannten Punkte Aufschluss über den Grad der Aktivität eines Mediums geben können. Um eine Auswertung dieser Artikel vornehmen zu können, galt es, vor dem Hintergrund der Projektfragestellung trennscharfe Kategorien aus dem Material zu entwickeln, die geeignet waren, die jeweilige Besonderheit der Texte zu erfassen. Zentral war bei der Kategorienbildung, ob und inwieweit die Zeitung selbst aktiv wird oder ob andere Akteure der Inneren Sicherheit die Zeitung als Sprachrohr bzw. als Vermittler ihrer Botschaften benutzten. Als Akteure der Innere Sicherheit zählen dabei, ganz im Sinne von Feltes (2009) "Bürger, Nachbarschaftsorganisationen, Polizei (inklusive Gewerkschaften), Geheimdienste, Private Sicherheitsdienste, Medien, Politiker [und] Wissenschaftler. Sie alle gestalten - oftmals im Gleichklang, meist aber unter Betonung gegenseitiger Dissonanzen - den Rahmen, in dem sich Innere Sicherheit gestaltet" (Feltes 2009: 107). Aufgrund der Sichtung und ersten exemplarischen Auswertung des Datenmaterials ergaben sich sukzessive fiinf Hauptkategorien: • • • •
Bericht, Kommentar, die Polizei rät, Hilfeersuchen der Polizei und
•
Polizeibericht.
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2.1 Der Bericht Der Bericht ist gekennzeichnet durch eine (umfassende) Darstellung eines Ereignisses. Mit abnehmender Wichtigkeit werden dem Leser Fakten und Hintergrundinformationen geliefert (vgl. Fasel 2008: 42). Der Umfang eines Zeitungsberichts beträgt bis zu 100 Zeilen. Dadurch hat der Autor die Möglichkeit, eine detailliertere Darstellung eines Themas vorzunehmen. Im Bericht berichtet das Medium meist über andere oder anderes, manchmal auch über andere Medien oder über sich. In der Regel taucht das Medium also im Bericht nicht explizit als Akteur auf. Im Bericht ist das Medium erst einmal nur insoweit Akteur, als es den Bericht schreibt, also das Thema auswählt und stilistisch gestaltet. Insofern hat sich in jedem Bericht das Medium implizit als Akteur eingeschrieben. Zu der Kategorie ,Bericht' werden fiir unsere Zwecke auch Meldungen und Nachrichten gezählt, da auch hier die Beschreibung eines Ereignisses im Vordergrund steht. Bericht, Meldung und Nachricht unterscheiden sich vor allem im Umfang. Die Nachricht ist die nächst kleinere Form des Berichts. In komprimierter Form liefert sie dem Leser einen Überblick über ein Ereignis, indem die wichtigsten ,W-Fragen' (wer, wann, was, wo, wie, warum) beantwortet werden. Allerdings beschränkt sich der Umfang der Nachricht auf acht bis 40 Zeilen, sodass Hintergrundinformationen und Erklärungen, wie sie im Bericht vorgenommen werden, weitgehend ausbleiben müssen (vgl. Fasel 2008: 42). Die Meldung ist noch deutlicher reduziert. In zwei bis drei Sätzen wird ein Ereignis knapp und präzise auf den Punkt gebracht. Berichte, Meldungen und Nachrichten machen den Großteil der Zeitungsartikel aus. Aufgrund der Vielfalt der vorgefundenen Berichtsformen wurden weitere fiinfUnterkategorien entwickelt. Zentral fiir diese Ausdifferenzierungen der Kategorie ,Bericht' war das Kriterium,Wer ist der Akteur, über den berichtet wird?' a.
Berichte, die sich inhaltlich in erster Linie mit einem staatlichen Akteur der Inneren Sicherheit, wie der Polizei, der Feuerwehr, dem Zoll, dem Ordnungsamt oder der Bundespolizei befassen, zählen zu der Kategorie A staatliche Akteure. Mögliche Inhalte eines solchen Berichts sind zum Beispiel, dass die Feuerwehr zu einem Tag der offenen Tür einlädt, dass die Polizei die neuesten Verkehrsunfallstatistiken herausgegeben hat oder dass ihre Uniformen und Streifenwagen nun nach und nach von Grün aufBlau umgestellt werden. Vordergründig ist hier also nicht die Darstellung zum Beispiel eines Tathergangs unter Erwähnung des polizeilichen Vorgehens, sondern die Institution selbst (polizei, Feuerwehr, Zoll etc.) steht im Bericht (A) im Zentrum. Der
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b.
Bericht (A) deutet auf ein Interesse des Mediums an der jeweiligen Institution oder an deren Arbeit hin. Texte, die sich in erster Linie mit der Beschreibung zum Beispiel eines Unfall- oder Tathergangs beschäftigen, also dem, was Menschen in ihrem Alltag zugestoßen ist, und sich dabei nur in zweiter Linie auf einen staatlichen Akteur der Inneren Sicherheit beziehen, fallen in die Kategorie B - Alltag. In einem solchen Artikel wird ein staatlicher Akteur der Inneren Sicherheit erwähnt, jedoch bildet er nicht selbst den Mittelpunkt der Berichterstattung. Zur Verdeutlichung, welche Formen eines Artikels zu der Kategorie Bericht (B) gezählt werden, soll ein Beispiel dienen: Geschildert wird ein Verkehrsunfall. Dessen Abläufe und Konsequenzen stehen im Zentrum des Interesses. •
•
•
c.
d.
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Dabei bezieht sich der Autor auf eine Aussage (zum Beispiel: "Nach Angaben der Polizei beträgt der Sachschaden 20.000 Euro." Oder: "Die Pressesprecherin der Polizei erklärte, dass zurzeit keine weiteren Aussagen gemacht werden könnten. ") Oder ein staatlicher Akteur der Inneren Sicherheit wird als Teil des Geschehens im Artikel erwähnt (zum Beispiel: "Die Rettungskräfte waren in kürzester Zeit am Unfallort.") Oder aber im Text wird kein staatlicher Akteur der Inneren Sicherheit erwähnt, doch auf einer zum Artikel gehöriger Fotografie ist zu erkennen, wie Polizisten den Unfallort absperren wollen und die Feuerwehr mit Schneidwerkzeugen das Opfer aus seinem PKW befreien will.
Staatliche Organe der Inneren Sicherheit dienen in einem Artikel der Kategorie Bericht (B) als Bezugsgröße, bzw. als Referenz, um einen Sachverhalt glaubhafter schildern zu können. Zu der Kategorie C - Gericht werden all jene Zeitungsartikel gezählt, die sich mit Fällen beschäftigen, die bereits vor Gericht verhandelt werden. In einem Bericht (C) wird also über einen anstehenden, bereits laufenden oder schon zum Abschluss gekommenen Prozess berichtet. Welchem Verbrechen die Angeklagten verdächtigt werden, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle . Die Kategorie D - keine staatlichen Akteure der Inneren Sicherheit umfasst alle diejenigen Artikel, in denen zwar ein die Innere Sicherheit betreffendes Thema behandelt wird, jedoch ohne dass sich dabei auf Polizei, Feuerwehr, Staatsanwaltschaft etc. bezogen wird. Folgende Möglichkeiten bestehen:
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•
•
•
e.
Ein Thema der Inneren Sicherheit wird besprochen, ohne dass der Autor auf eine der unter dem Punkt Bericht (B) genannten Optionen zurückgreift. Geschildert wird, wie zum Beispiel eine Organisation, die nicht originär für die Erhaltung der Inneren Sicherheit zuständig ist (zum Beispiel eine Schule), im Rahmen einer bestimmten Aktion der Öffentlichkeit einen Innere Sicherheit betreffenden Aspekt zugänglich machen will und dabei nicht auf die Unterstützung von Polizei, Ordnungsamt etc. zurückgreift. In beiden geschilderten Fällen wird durch das bewusste oder unbewusste Weglassen der Bezugnahme auf Polizei, Feuerwehr und Co. für den Leser das Medium zur Referenzgröße in Fragen der Inneren Sicherheit.
Obwohl politische Akteure ebenso wie zum Beispiel die Polizei, das Ordnungsamt und die Feuerwehr zu den staatlichen Akteuren der Inneren Sicherheit zählen, werden sie hier getrennt behandelt, da sie als übergeordnete Instanz fungieren . Die Kommunalpolitik ,managet' Ordnungsämter und freiwillige Feuerwehren und sie kann Anliegen, die von Bürgern an sie herangetragen werden, an die zuständige Behördenleitung weitergeben. Zur Kategorie E - Politik zählen alle Artikel über politisch initiierte Aktionen zur Inneren Sicherheit. Hierzu würden Artikel zählen, in denen beispielsweise über den Aktionsplan der Kommune gegen die Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts berichtet wird. Der Grad der expliziten Eigenaktivität des Mediums ist in der Kategorie Bericht eher gering, denn hier steht das Berichten, die Weitergabe von Informationen an den Leser (ohne explizite Wertung) im Vordergrund. Das Medium tritt dabei in der Regel nicht erkennbar als expliziter Akteur auf, sondern nur als impliziter, nämlich in seiner Rolle als Auswähler und Gestalter des Berichts.
Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass in der Kategorie Bericht (B) auch gerade diejenigen Artikel zu finden sind, in denen das Medium ganz besonders aktiv wird, indem es zum Beispiel über die sprichwörtlichen Steine, die durch die eigene Berichterstattung ins Rollen gebracht wurden, berichtet. Zu Analysezwecken werden daher diese speziellen Erscheinungsformen gesondert behandelt und separat ausgewertet werden. Die Tatsache, dass Medien über solche ,Errungenschaften' berichten, deutet daraufhin, dass sie mit der Intention über Zustände, Ereignisse etc. schreiben, etwas zu bewegen - selbst wenn dies nicht explizit im Artikel angesprochen wird . Aufgrund dieses unterschwelligen
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Agierens der Medien in der Kategorie Bericht (B) muss der Grad der Aktivität des Mediums in der folgenden Analyse hierbei als höher eingeschätzt werden, als bei den übrigen Berichtformen. 2.2 Der Kommentar Der Kommentar gehört zu den meinungsbildenden Formen journalistischer Darstellung (Eilders/Neidhardt/Pfetsch 2004: 39ft). Indem der Autor Stellung zu einem Thema bezieht, wird dem Leser eine Orientierung geboten. Es soll ihm so erleichtert werden, ein Ereignis einzuordnen und sich eine Meinung zu bilden (vgl. Fasel 2008: 18 f., 102 ff.). Kommentiert werden die Ereignisse aus dem lokalen Bereich aber nicht nur von Journalisten, sondern vielfach auch von interessierten Bürgern, denen durch das Medium eine Plattform geboten wird. Indem Leser angesprochen und zum Mitmachen animiert werden, zeigt sich ein hoher Grad der Aktivität des Mediums. Das Medium wird aktiv, indem es seine Leser aktiviert (vgl. Bidlo: Leserreporter in diesem Band).
2.3 Die Polizei rät "Die Polizei [ist] fiir die Bürger eine wichtige (wenn nicht sogar die wichtigste, weil unspezifische) Hilfeinstitution, an die sie sich mit den verschiedensten Problemen wenden können und die rund um die Uhr verfügbar ist." (Feltes 2009, S. 107) Wohl deshalb ist die Polizei fiir die Bürger und deshalb auch fiir das Medium und seine Leser von ganz besonderer Bedeutung. Und deshalb wird die Polizei in den Zeitungen deutlich häufiger in Verbindung mit Sicherheitsthemen erwähnt als andere staatliche Akteure der Inneren Sicherheit. Viele Zeitungen verfügen deshalb über sogenannte ,Blaulichtredaktionen', also Redaktionen fiir Polizei und Feuerwehr. Und bei vielen Zeitungen gibt es sogar eine spezielle Rubrik Polizeibericht. Allerdings gilt es auch hier wegen der Vielzahl der Formate zu unterscheiden. Unter der Kategorie die Polizei rät sollen alle diejenigen Artikel zusammengefasst werden, bei denen sich die Polizei über das Medium Zeitung ausdrücklich an die Öffentlichkeit wendet, um diese (in der Regel kriminalpräventiv) zu beraten. So könnte beispielsweise zum Herbst hin von der Polizei darauf aufmerksam gemacht werden, dass sich Einbruchsdiebstähle häufen, sobald die Tage wieder kürzer und die Nächte länger werden. In diesem Zusammenhang könnte die Polizei Tipps geben, wie sich die Leser vor solchen Einbrüchen schützen können. Da die Zeitung der Polizei hier vor allem als Plattform dient, ist der Grad der Aktivität des Mediums sehr gering.
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2.4 Hilfeersuchen der Polizei Die Kategorie Hilfeersuchen der Polizei umfasst Zeitungsartikel, in denen die Polizei die Öffentlichkeit um ihre Mithilfe bei der Aufklärung von Straftaten auffordert. Diese Artikel sind in der Regel ähnlich aufgebaut, wie Artikel der Kategorie Bericht (B). Bei Hilfeersuchen der Polizei handelt es sich folglich nicht immer um die Veröffentlichung von Fotografien, mit deren Hilfe Täter identifiziert werden sollen. Genauso zählen zu dieser Kategorie auch Berichte, denen lediglich ein "Hinweise" oder "Zeugen" mit anschließend genannter Telefonnummer des zuständigen Kommissariats, angehängt wurden. Ebenso zählen hierzu die Texte, die den Leser und potentiellen Zeugen dazu auffordern, sich mit Hinweisen an die Polizei zu wenden. Auch hier ist der Grad der Aktivität des Mediums als sehr gering einzustufen.
2.5 Polizeiberichte Wie weiter oben bereits erwähnt, befindet sich in den meisten Lokalteilen der untersuchten Zeitungen eine spezielle Rubrik Polizeibericht. Darunter finden sich in der Regel eine oder mehrere kurze Meldungen zu polizeilich relevanten Ereignissen. Bei diesen Texten handelt es sich sehr häufig um Meldungen, die durch die Pressestellen der Polizei im ots-System veröffentlicht wurden und oftmals (wenn überhaupt) nur leicht verändert in dieser Rubrik abgedruckt werden.' Daher ist das aktive Wirken des Mediums in der Kategorie Polizeibericht als besonders gering einzuschätzen. Im Zuge der Datenerhebung wurde aber nur die Anzahl der Rubriken, nicht die Anzahl der darunter aufgefiihrten Meldungen erfasst. Für die nachfolgende Analyse ist von Interesse, ob und mit welcher Regelmäßigkeit die Zeitungen einen Polizeibericht eingerichtet haben. Die darunter aufgefiihrten Meldungen können keine weiteren Erkenntnisse über die Aktivität des Mediums liefern.
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Die Mitarbeiter der Polizeipressestellen geben täglich Meldungen über die wichtigsten Ereignisse des letzten Tages bzw. der letzten Nacht heraus . Seit Ende der neunziger Jahre erfolgt die Weitergabe dieser Meldungen an die Presse mittels des von der Firma news aktuell angebotenen ots-Systems. Dieses löste seit 1997 nach und nach die Versendung des Polizeiberichtes an die Medien per Fax ab (siehe hierzu ausführlich Böhm 2010) . News aktuell ist eine Tochter der Hamburger dpa-Firmengruppe und versteht sich als Mittler zwischen Pressestellen und Medien (Vgl. Konzept: news aktuell. In: Beele 2000, S. 254) . Zur Datenübersendung werden insbesondere zwei nachrichtentechnische Programme genutzt: ots. satellit und ots.e-mail. Redaktionen können die Meldungen der Polizeipressestellen nun (genauso wie die Meldungen von Nachrichtenagenturen) via Satellit empfangen. Außenbüros oder auch freie Mitarbeiter, die diese Möglichkeit nicht haben, können das Programm ots.e-mail nutzen. Hierbei werden die Meldungen direkt an die E-Mail Adressen der Journalisten geschickt.
Ereignis
Gerichtsverfahren
Ereignis oder Initiative
Initiative
Variieret (Ereignis , Institution, Person)
Bitte um Zeugenhinweise
Variiert
Bericht (B)
Bericht (C)
Bericht (D)
Bericht (E)
Kommentar
Hilfeersuchen der Polizei
Polizeibericht
Gering bis nicht vorhanden
Mittel bis gering
Hoch (Das Medium bietet einer bestimmten Person eine Plattform zur Meinuogsäußenmg.)
Gering (Das Medium als Vermittler.)
Hoch (Durch die fehlende Bezugnahme auf eine IdIS wird die Aktivität des Mediums erkennbar.)
Mittel (Das Medium dient als Vermittler.)
Mittel (das Medium dient als Vermittler)
IdIS Mittel (Institution (das Medium dient als der Inneren Vermittler.) Sicherheit)
Grad der sichtbar werdenden Aktivität des Mediums
Bericht (A)
Fokusaur
Gering
Hoch
I
I
Hoch
Gering
Gering
Gering
I
Mittel bis hoch
Gering
Gering
Gering
Grad der Subjektivität
Gering
Gering
Gering
Grad der sichtbar werdenden Aktivität der IdIS (Einßussnahme der Pressestellen)
Unter der Überschrift ,,Polizeibericht" herichtet die Polizei neutral üher ein Ereignis der Inneren Sicherheit. Dabei können auch Hilfeersuchen eingebracht werden. Das Medium wird als Vermittler genutzt .
Das Medium macht ein Innere Sicherheit betreffendes Ereignis zum Gegenstand der Berichterstattung. Es erfolgt keine explizite Bewertuog. Das Hilfeersuchen wird dabei in den Text eingegliedert.
Eine bestimmte Person kommentiert etwas oder jemanden aus seiner persönlichen Perspektive. Es erfolgt eine explizite Bewertuog.
Das Medium macht eine politische Initiative zur Inneren Sicherheit zum Thema der Berichterstattung. Es erfolgt keine explizite Bewertuog.
Ein Journalist berichtet neutral über ein Ereignis der IS, ohne Bezugnahme auf eine IdIS. Es erfolgt keine explizite Bewertung.
Das Medium macht ein Gerichtsverfahren zum Thema der Berichterstattung. Es erfolgt keine explizite Bewertuog.
Das Medium macht ein Innere Sicherheit betreffendes Thema zum Gegenstand der Berichterstattung. Es erfolgt keine explizite Bewertung.
Das Medium macht eine IdIS zum Gegenstand der Berichterstattung. Es erfolgt keine explizite Bewertuog.
Zusammenfassung
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Stefanie Böhm
3. Analyse des Datenmaterials
Bei der Sichtung derjeweils 100Lokalteile ergab sichfolgendes Bild: In derWAZ Dortmund wurde Innere Sicherheit am häufigsten thematisiert. Hier fanden sich insgesamt 392 relevante Artikel. Mitgeringem Abstand folgt die WAZ BochumWattenscheid mit 377 Artikeln zurInneren Sicherheit. Auch in der Kölnischen Rundschau konnte mit 367 Artikeln eine ähnliche Häufigkeit festgestellt werden. Etwas abgeschlagen liegtdieWAZ Essen. Hierkonnten in den 100ausgewerteten Lokalteilen nur286 Artikel zu sicherheitsrelevanten Themen gefunden werden. DieseVerteilung deutet daraufhin, dass Sicherheitsthemen in Dortmund, BochumWattenscheid und Köln von insgesamt größerer Bedeutung für den öffentlichen Diskurs sind, als in Essen. An diesen Größen lassen sichjedoch vielerlei Dinge nicht ablesen, so dass sich eine Vielzahl von Deutungsmöglichkeiten eröffnet.
Abbildung 1: Anzahl derArtikel zu Innerer Sicherheit ausje 100Zeitungsexemplaren
Innere Sicherheit schreiben - Sicherheitsthemen in Tageszeitungen
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Sicher ist nur, dass allein die Menge derArtikel mit Sicherheitsthemen wenig überdie Bedeutung des Themas in einerKommune undnoch wenigerübermögliche Hintergründe und Ursachen dafür aussagt (vgl. Früh 2007, S. 24). Zu diesem Zweck wurde die oben beschriebene Kategorisierung vorgenommen, durch die ermöglicht werden soll, zu aussagekräftigen Ergebnissen zu gelangen. ImFolgenden werden die vier untersuchten Lokalteile jeweils einzelnbetrachtet. Dabei werden insbesondere markante Abweichungen diskutiert.
Abbildung 2: Zeitungen im direkten Verleich 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0
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