suhrkamp taschenbuch Wissenschaft 1740
Der Körper gilt in der Soziologie als vernachlässigtes Thema. Ein Blick in die...
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suhrkamp taschenbuch Wissenschaft 1740
Der Körper gilt in der Soziologie als vernachlässigtes Thema. Ein Blick in die klassischen und zeitgenössischen soziologischen Theorien zeigt, daß er, wenn er nicht als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wird, so doch allenfalls eine marginale Rolle spielt oder ihm sein baldiges Verschwinden prophezeit wird. Das Gegenteil scheint jedoch der Fall zu sein. Wir erleben zur Zeit eine veritable Renaissance des Körpers: Tätowierungen, Piercing, Branding, Diäten, plastische Chirurgie und andere Körperpraktiken steigern sich zu einem wahren Körperkult, der sich vor allem in den Massenmedien widerspiegelt. Obwohl sich inzwischen eine schier unübersehbare Flut interdisziplinärer Publi kationen diesen Phänomenen widmet, fuhrt die deutschsprachige Soziologie des Körpers noch immer ein Schattendasein. Der vorliegende Band möchte einen Beitrag dazu leisten, den Körper in den Mittelpunkt soziologischer Aufmerksamkeit zu rücken. Im Zentrum steht dabei die Frage nach der Rolle des Körpers in der gegenwärtigen Gesellschaft, die aus verschiedenen Per spektiven beleuchtet wird. Dabei geht es sowohl um theoretische als auch empirische Zugänge; es geht um Körper und Kommunikation, Körper und Sport, Körper im Internet, um Männer und Frauen, um Behinderung, Eßstörungen und um Körperprothesen. Markus Schroer ist Heisenberg-Stipendiat der DFG und Privatdozent an der Technischen Universität Darmstadt. Im Suhrkamp Verlag erschien von ihm: Das Individuum der Gesellschaß (stw 1509).
Soziologie des Körpers Herausgegeben von Markus Schroer
Suhrkamp
Für Hannah und Rosa
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie http://dnb.ddb.de suhrkamp taschenbuch Wissenschaft 1740 Erste Auflage 2005 © SuhrkampVerlag Frankfurt am Main 1005 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öfTendichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Satz: Hummer GmbH, Waldbüttelbrunn Druck: Nomos VerlagsgeSeilschaft, Baden-Baden Printed in Germany Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus und Rolf Staudt ISBN 3-518-29340-0 1 2 3 4 5 6 -
10 09 08 07 06 05
Inhalt
Einleitung Markus Schwer Zur Soziologie des Körpers
Theoretische Zugänge Peter Fuchs Die Form des Körpers Gabriele Klein Das Theater des Körpers Zur Performanz des Körperlichen Hubert Knoblauch Kulturkörper Die Bedeutung des Körpers in der sozialkonstruktivistischen Wissenssoziologie Gesa Lindemann Die Verkörperung des Sozialen Theoriekonstruktionen und empirische Forschungsperspektiven Gerd Nollmann Individualisierung und ungleiche Strukturierung des Körpers Ein weberianischer Blick auf den kulturellen Wandel körperbezogener Deutungen Jürgen Raab / Hans-Georg Soeffner Körperlichkeit in Interaktionsbeziehungen
48
73
92
114
139 166
Spezielle Körper - Der Körper und seine Beziehungsfelder Zygmunt Bauman Politischer Körper und Staatskörper in der flüssig-modernen Konsumentengesellschart Christiane Funken Der Körper im Internet
189 215
Martina Low Die Rache des Körpers über den Raum? Über Henri Lefebvres Utopie und Geschlechterverhältnisse am Strand 241 Michael Meuser Frauenkörper — Männerkörper Somatische Kulturen der Geschlechterdifferenz 271 Arbeit am Körper Karl-Heinrich Bette Risikokörper und Abenteuersport Robert Gugutzer Der Körper als Identitätsmedium: Eßstörungen Ronald Hitzler IAnne Honer Körperkontrolle Formen des sozialen Umgangs mit physischen Befindlichkeiten Werner Schneider Der Prothesen-Körper als gesellschaftliches Grenzproblem . . . Über die Autoren
295 323
356 371 108
Markus Schroer Einleitung Zur Soziologie des Körpers
i. Die Soziologie entdeckt den Körper Es ist nicht länger zu übersehen: Die Soziologie hat den Körper (für sich) entdeckt. Eine Vielzahl von Sammelbänden, Tagungen und Forschungsberichten zeugt vom anhaltenden Interesse dem Körper gegenüber. Damit vollzieht sich ein bedeutender Wandel, gehört doch der Körper zu einer langen Liste von Themen,' von denen gesagt wird, sie seien von der Soziologie vernachlässigt worden. Noch 1997 notiert beispielsweise Trutz von Trotha (1997, S. 27), daß die Soziologie »bis heute weitgehend eine Wissenschaft ohne den menschlichen Körper« sei. Und in der Tat gibt ein Blick in die Geschichte des Faches schnell darüber Aufschluß, daß der Körper bisher nicht im Mittelpunkt soziologischer Aufmerksamkeit gestanden hat. Das heißt allerdings im Umkehrschluß nicht, daß er keinerlei Berücksichtigung im soziologischen Denken gefunden hätte. Eine entsprechende Suchbewegung fördert durchaus Ergebnisse zu Tage. Dazu zählen etwa Robert Hertz' Studie über »die Vbrherrschaft der rechten Hand« aus dem Jahre 1909 (Hertz 2000), Marcel Mauss' Fragment gebliebene Arbeit über die »Techniken des Körpers« aus dem Jahre 1936 (Mauss 1975), Georg Simmeis »Soziologie der Sinne« von 1907 (Simmel 1993) und Norbert Elias' Studie über den »Prozeß der Zivilisation« aus den 30er Jahren (Elias 1976). Wenngleich es sich bei diesen Arbeiten eher um vereinzelte Fundstücke handelt als um den Versuch einer systematischen Erfassung des Körpers und seiner Rolle 1 Beklagt wird z. B. die mangelnde Erforschung der Gewalt durch die Soziologie (von Trotha 1997. S. 10). Ahnliches gilt auch fiir die »Soziologie des Krieges, die insgesamt ein schändlich vernachlässigtes Gebiet der Soziologie ist, und für die Soziologie der Judenvernichrung, die es gerade in Deutschland bis heute schwer hat« (von Trotha 1997, S. 36). Ebenso wird moniert, daß Sterben und Tod von den meisten Soziologen nicht als Thema angesehen wird, das eine systematische Bedeutung fiir die Soziologie hat (vgl. Feldmann/Fuchs-Heinritz 1995). Darüber hinaus wird auch der Raum zu den vernachlässigten Kategorien soziologischer Theoriebildung (vgl. Low 2001; Schroer 2005) gezählt.
für die Gesellschaft, so wird doch immerhin klar, daß der Körper zwar nie ein zentrales, aber auch kein völlig vernachlässigtes Thema der Soziologie (vgl. Kaufmann 1999, S. 287; Willems/Kautt 1999, S. 298; Hahn/Meuser 2002 a, S. j)1 darstellt. Diese Einschätzung ist vor allem dann plausibel, wenn man die Grenzen der Soziologie nicht zu eng zieht, ethnologische und kulturanthropologische ebenso wie Arbeiten der philosophischen Anthropologie von Mary Douglas, Claude Levi-Strauss, Arnold Gehlen und Helmuth Plessner hinzunimmt. Ihre Plausibilität verstärkt sich sogar noch, je näher man in die Gegenwart vorrückt. Kommt bei einigen der frühen Arbeiten zum Körper noch der Verdacht auf, daß die Soziologie womöglich selbst zum Opfer der kulturellen Parzellierung des Körpers geworden ist, weil sie, wenn sie sich überhaupt mit dem Körper befaßt, es zumeist einige wenige, bevorzugt behandelte Körperteile sind, die primär Berücksichtung finden,3 so ist in den neueren Arbeiten gewissermaßen der gesamte Körper Thema,4 wird der Körper als unhintergehbare Größe für die Erklärung des Sozialen angeführt. Spätestens mit den Arbeiten von Erving GofTman, Michel Foucault5 und Pierre Bourdieu handelt es sich um deutlich mehr als nur eine implizite Berücksichtigung des Körpers, die man bereits bei einigen Klassikern wie Karl Marx und Friedrich Engels, Herbert Spencer, Max Weber, Emile Durkheim, George Herbert Mead, Alfred Schütz und Talcott Parsons vorfinden kann (vgl. Bertholet 1983; Gugutzer 2004, S. 19fr.). Goffmaji, Bourdieu und Foucault werden zu Recht bereits als »Klassiker der Körpersoziologie« (Koppetsch 2000b, S. 9; Gugutzer 2004, S. 45) bezeichnet.6 Sie haben maßgeblichen Einfluß auf die 2 Vgl. dazu auch den Beitrag von Hubert Knoblauch in diesem Band. 3 In Georg Simmeis »Soziologie der Sinnex (Simmel 1993) ist es vor allem das Auge, dem eine besondere, vergesellschaftende Bedeutung zugesprochen wird. 4 Daneben gibt es Arbeiten, die sich explizit den bisher eher vernachlässigten Körperteilen und Körpersinnen widmen, um ein Gegengewicht zur primären Behandlung des Auges und des Visuellen zu schaffen (vgl. Benthien/Wulf 2001). Auch in der fiktionaJen Literatur, in der die Dominanz des Auges und des Sehens ebenso anzutreffen ist, gibt es Versuche einer Rehabilitierung der stiefmütterlich behandelten Körperorgane und Sinne. So hat etwa Patrick Süskind mit seinem Roman »Das Parfüm« (2000) das Riechen und Marcel Beyer mit seinem Roman »Flughunde« (1996) das Hören in den Mittelpunkt gestellt. 5 Zur Verknüpfung der Perspektiven von Goffman und Foucault vgl. Reuter (2003). 6 Bei Bourdieu (1991, S. 26) heißt es programmatisch: »Soziologie muß zur Kenntnis nehmen, daß menschliche Wesen zugleich biologische Individuen und soziale Ak-
Ausarbeitung einer Soziologie des Körpers, die vor allem in den angelsächsischen Ländern in Angriff genommen worden ist. Dabei geht es dezidiert darum, der Vernachlässigung des Körpers ein Ende zu machen, ihn nicht mehr bloß als implizite Kategorie mitzufuhren, sondern in das Zentrum soziologischer Theorie und Forschung zu stellen. Als Initialzündung dieser Anstrengung kann Bryan S. Turners Buch von 1984, »The Body and Society« (Turner 1996), angesehen werden. Es folgen die zentralen Arbeiten »The Body« (Featherstone/ Hepworth/Turner 1991), »The Body and Social Theory« (Shilling 1993), »Body Matters« (Scott/Morgan 1993), »The Body Social« (Synnott 1993) und »Body Modification« (Featherstone 2000).7 Seit 1995 geben Mike Featherstone und Bryan S. Turner die Zeitschrift »Body and Society« heraus. Auch in Deutschland ist das wachsende Interesse belegbar: 1994 widmet sich die Zeitschrift »Ästhetik & Kommunikation« dem Thema »Körper-Antikörper«, 1995 bringt das »Kursbuch« eine »Verteidigung des Körpers« heraus, 1997 berichtet ein »SPIEGEL-speciai« über die »Lust am Leib«, 1998 titelt »du. Die Zeitschrift der Kultur«: »Hautnah. Bilder und Geschichten vom Körper« und 1999 nimmt sich »Psychologie & Gesellschaftskritik« des Themas an. 1998 kommt es zur Gründung des Arbeitskreises »Soziologie des Körpers« innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, 2001 verleiht die Körber-Stiftung den Deutschen Studienpreis für die Beantwortung der Frage: »Wie viel Körper braucht der Mensch?« (von Randow 2001) und mit den Sammelbänden »Körper und Status« (Koppetsch 2000a) und »Körperrepräsentationen« (Hahn/Meuser 2002b) sind zwei zentrale Publikationen erschienen, die die Etablierung einer Soziologie des Körpers weiter vorantreiben sollen. Seit 2004 schließlich liegt endlich auch die erste Einführung in die Soziologie des Körpers (Gugutzer 2004) vor.8 teure sind, die in ihrer und durch ihre Beziehungen zu einem sozialen Raum oder, besser, zu Feldern als solchen konstituiert werden. Als biologisch individuierte Körper sind sie, wie physische Gegenstände, örtlich gebunden |...] und nehmen einen Platz ein.« Kaum zu überschätzen ist bei Bourdieus Auffassung des Körpers der Einfluß Merleau-Pontys, für den Handeln immer schon leibliches Handeln ist. 7 Gewissermaßen als Vorläufer dieser Anstrengungen können die von Jonathan Benthall und Ted Polhemus bereits in den 70er Jahren herausgegebenen Sammelbände angesehen werden (vgl. Benthall/Polhemus 1975 und Polhemus 1978). 8 Wichtige Anregungen erhält die soziologische Beschäftigung mit dem Körper vor allem von anthropologischer Seite, vgl. Kamper/Rinner (1976), Kamper/Wulf (1982), Kamper/Wulf (1984).
Nach einer langen Zeit der Randständigkeit hat der Körper also inzwischen durchaus Konjunktur und ist zu einem regelrechten Modethema avanciert. Nach einem »linguistic turn«, einem »cultural turn« und einem »geographical turn« erscheint die Soziologie nunmehr einen »somatic turn« zu erleben. Dabei ist allerdings nicht davon auszugehen, daß sich das Thema durch innertheoretische Debatten aufgedrängt hätte. Vielmehr folgt die Soziologie einem Trend, der sie von außen erreicht. Sie reagiert dabei nicht zuletzt auf ein insbesondere durch die Medien forciertes Thema, dem sich auch einige Nachbardisziplinen nicht länger entziehen können (vgl. Imhof 1983; Schreiner/Schnitzler 1992; Lorenz 2000).9 Spätestens seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts berichten Zeitschriften und Magazine in regelmäßigen Abständen vom »Kult um den Körper«, der an immer neuen Phänomenen und Praktiken sich ablesen lasse. Von Schönheitsoperationen über Tätowierungen bis hin zu radikalen Körpermodifizierungen wird immer wieder über die Möglichkeit körperlicher Veränderungen berichtet. Längst hat sich auch die Soziologie dieser Thematiken angenommen (vgl. Hahn 2000b; Koppetsch 2000c; Degele 2004; Breyvogel 2004; Fritscher 1996; Featherstone 2000), so daß von einer »defizitären Forschungslage« (Abraham 2002, S. 15) eigentlich nicht länger gesprochen werden kann. Die neue Berücksichtigung der Körper-Themen aber kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Thema inzwischen zwar behandelt wird, aber noch immer weit davon entfernt ist, eine zentrale Rolle in der Allgemeinen Soziologie einzunehmen. Vielmehr steht zu befurchten, daß das Thema in einer neuen Bindestrichsoziologie abgehandelt wird, damit aber auch gewissermaßen entsorgt zu werden droht. Denn es ist ja keineswegs so, als ginge mit der Beförderung eines Themas zur Bindestrichsoziologie auch seine nachhaltige Etablierung einher. Eher kann man umgekehrt den Eindruck haben, daß damit einem Nischendasein Vorschub geleistet wird und die Anstrengungen zum Erliegen kommen, den jeweiligen Gegenstand in den Mittelpunkt allgemeinsoziologischer Arbeiten zu stellen. Mit 9 Auch in der Kunst ist ein wachsendes Interesse am Körper nachweisbar. Ausstellungen wie »Fremdkörper - fremde Körper. Von unvermeidlichen Kontakten und widerstreitenden Gefühlen« 1999 in Dresden, »Der anagrammatische Körper und seine mediale Konstruktion« im Karlsruher ZKM im Jahre 2000 zeugen davon. Vgl. auch die zweibändige Ausgabe der Zeitschrift »Kunsrforum International« mit dem Titel »Die Zukunft des Körpers« (Rotzer 1996).
der Etablierung einer neuen Speziellen Soziologie jedenfalls ist nicht schon automatisch das Ziel erreicht, den Körper zu einer zentralen Kategorie der Soziologie insgesamt werden zu lassen. Genau darauf aber zielen die ambitionierten Versuche unter den bisherigen Beiträgen zu einer Soziologie des Körpers. Stellvertretend für viele vertritt Wolfram Fischer die These, daß »Körper und Leib zentrale Gegebenheiten und Konstrukte sind. Sie gehören deshalb nicht in eine der beliebig zu erweiternden Spezialsoziologien (etwa: >Körper-Soziologie/puterrot anläuft; die Friseurin Petra W. legt am Abend erschöpft die Beine hoch, weil sie durch das viele Stehen während der Arbeit im Friseursalon ermüdet sind und schmerzen; in einem der seltenen Momente absoluter Stille im Konzertsaal, in dem nicht einmal das obligatorische Husten zu hören ist, knurrt Sabine F. lautstark der Magen, ohne daß sie dagegen etwas unternehmen könnte; Facharbeiter Walter J. drängelt mit zahlreichen anderen Wartenden um einen Platz in der U-Bahn, wobei man ihm mehrfach auf die Füße tritt. Ein Blick auf die Uhr zeigt Annette L, daß sie die »Beine in die Hand nehmen« muß, wenn sie den letzten Zug noch erreichen will. Glücklich angekommen, sinkt sie ermattet auf einen der freien Sitze nieder, völlig außer Atem und mit rasendem Herzen. Mit anderen Worten: Es gibt tagtäglich eine Fülle von Situationen, in denen sich der Körper bemerkbar macht - meist ebenso ungewollt wie unpassend. Der Körper macht sich dabei vor allem als Widerstand bemerkbar, als Störfaktor gewissermaßen. Er erinnert seinen Träger immer wieder schmerzlich daran, daß er nicht »Herr IS
im eigenen Haus« ist, seinen Körper nicht vollständig kontrollieren kann.15 In ihm ist zudem aufbewahrt und an ihm wird erkennbar, was »wir« vielleicht schon längst nicht mehr wahrhaben, deshalb abstreifen wollen und verdrängt haben. Er funktioniert gewissermaßen als Gedächtnis unserer Selbst, auf das wir nur bedingt Zugriff haben. Er offenbart Dinge vor anderen, die wirfreiwilligeigentlich nie preisgegeben würden. Deshalb ist er im Grunde ein eher unzuverlässiger Partner des Selbst: der Körper als Verräter.
3. Auslösende Faktoren für eine Thematisierung des Körpers Die Gründe für das mangelnde Interesse dem Körper gegenüber enthalten, positiv gewendet, bereits einige der Gründe für das inzwischen ausgeprägte Interesse am Körper. Oder anders formuliert: Daß der Körper in den Fokus soziologischer Aufmerksamkeit gerät, hat 1) mit einer neuen Offenheit der Soziologie gegenüber anderen Fächern zu tun, die man als Zeichen ihrer Reife ansehen könnte, 2) mit der Kritik am cartesianischen Denken und rationalistischen Paradigma und 3) der Beobachtung, daß der Körper keineswegs eine zu vernachlässigende Größe ist, die durch den allgemeinen Fortschritt, die Ausweitung der Technik und eine weitgehend körperlose Form der Arbeit ohnehin dem Untergang geweiht ist. Ganz im Gegenteil zeigt sich, daß wir selbst in digitalen Räumen auf unseren Körper nicht verzichten können.16 Die »Abschiebung« des Körpers in die Bereiche Sport und Medizin, die gewissermaßen als Gegenmaßnahme zu seiner allgemeinen Vernachlässigung den Körper in den Mittelpunkt rücken, erscheint nicht mehr länger plausibel. Der Körper läßt sich offenbar nicht in eigens für ihn vorgesehene Reservate abdrängen. Entgegen allen Abschiebungs- und Marginalisierungsversuchen wird heute vielmehr auf die Allpräsenz des Körpers hingewiesen, die allein in der Sprache stets bewahrt blieb: Wir zeigen Fingerspitzengefühly drücken jemandem die Daumen, können bestimmte Zeitgenossen nicht riechen, ge15 Dadurch ist gerade der Körper für den unberechenbaren Verlauf von Interaktionen verantwordich. Vgl. dazu Dreitzel 1983, Kieserling 1999, S. 140, und den Beitrag von Jürgen Raab und Hans-Georg SoerTner in diesem Band. 16 Vgl. dazu den Beitrag von Christiane Funken in diesem Band. 16
raten in Situationen, in denen kein Auge trocken bleibt, betreiben Dinge, die Hand und Fuß haben, schreiben Texte mit Herzblut fühlen Prüflingen auf den Zahn, tragen unsere Haut zu Markte; etwas ist uns über die Leber gelaufen, während uns anderes an die Nieren geht, uns fällt ein Stein vom Herzen, wir nehmen etwas auf die leichte Schulter, halten etwas im Kopf nicht aus oder für andere denselben hin, haben die Nase voll, leihen jemandem unser Ohr, verschreiben uns einer Sache mit Haut und Haaren usw. Jenseits dieses semantischen Reservoirs an Körperpräsenz sehe ich vor allem im Individualisierungsprozeß den entscheidenden Faktor, ohne den eine verstärkte Thematisierung des Körpers nicht denkbar erscheint.
4. Zur Individualisierung des Körpers zwischen Selbstgestaltung und Fremdbestimmung Mit Individualisierung meine ich zum einen den historischen Prozeß der Individualisierung, der zu Beginn der Renaissance einsetzt. Im Zuge dieses Prozesses erscheint Gesundheit nicht mehr länger als göttliche Gabe, sondern als durch individuelle Lebensführung erlangbares Gut. Die »Gleichsetzung von irdischem Leben mit Leben schlechthin« hatte zur Folge, daß der Körper »einen unerhörten Schub an Aufwertung erfuhr, denn irdisches Leben ist für uns heutige nun einmal quantitativ wie qualitativ engstens mit dem körperlichen Zustand verbunden. Nun lohnt es sich und wurde sinnvoll, in den Körper zu investieren.« (Imhof 1983, S. 19)17 Zum anderen meine ich die in den 80er und 90er Jahren des zo. Jahrhunderts geführte Individualisierungsdebatte, die die Konjunktur des Themas, mit der wir es aktuell zu tun haben, eingeleitet hat (vgl. Beck 1983). War der Körper in der soziologischen Theorie lange Zeit über nur als unterdrückter, kontrollierter und disziplinierter Körper anwesend, so haben wir es nun mit einem sich seiner selbst annehmenden Körper zu tun, der nicht mehr nur als Opfer, sondern auch als Initiator gesellschaftlicher Prozesse auftritt. Im Vordergrund steht nicht mehr länger eine Perspektive, die allein die Beeinflussung des Körpers 17 Gesundheit läßt sich insofern definieren als »permanente Auseinandersetzung mit seinem Körper und basiert auf den Fähigkeiten, seinen Körper wahrzunehmen, zu spüren, zu erleben und mit ihm einfühlsam und sensibel umzugehen« (Bründel/Hurrelmann 1999, S. iz6). 17
durch die Gesellschaft zum Thema hat, sondern mehr und mehr auch eine, die den Anteil des Körpers an der Konstitution, der Aufrechterhaltung und Veränderung der Gesellschaft thematisiert wissen will. Damit scheint endlich eingelöst, was schon bei Berger und Luckmann (1980, S. i93f.) wie folgt auf den Punkt gebracht wird: »Auch die Art, wie der Organismus tätig ist - Expressivität, Gang, Gestik - trägt den Stempel der Gesellschaftsstruktur. Die Möglichkeit einer Soziologie des Körpers, die damit auftaucht, können wir hier nicht verfolgen. Das Entscheidende ist, daß die Gesellschaft dem Organismus Grenzen setzt - wie der Organismus der Gesellschaft.« Es scheint mir unstrittig zu sein, daß sich die Soziologie zunächst vor allem für den ersten Aspekt interessiert hat. Die Thematisierung des Körpers beginnt - und endet auch oft - mit der Analyse der Prägung des Körpers durch die Gesellschaft.18 Damit ist für viele auch heute noch der genuin soziologische Anteil an der Thematisierung des Körpers bezeichnet.19 Die Berücksichtigung des zweiten Aspekts wird zwar immer wieder aufs neue angemahnt, oft aber dennoch nicht umgesetzt.20 Allerdings würde man die Geschichte der Individualisierung unnötig verkürzen und vereinseitigen, wollte man erst die Betonung der zweiten Perspektive als Folge der Individualisierung verstehen. Vielmehr zählt gerade die Geschichte der Disziplinierung des Körpers zur Geschichte der Individualisierung, verstanden als negative Individualisierung (vgl. Schroer 2001a, S. 156°.), hinzu. Was sich zu18 Auch in eher beiläufigen Bemerkungen kommt diese Perspektive zum Tragen. So heißt es beispielsweise in Richard Sennctts Studie über den flexiblen Menschen (Sennett 2000, S. 88 f.): »Rodney Everts (...] ist Jamaikaner, kam mit zehn Jahren nach Boston und arbeitete sich auf die traditionelle Art vom Lehrling über den Bäckermeister zum Vorarbeiter hoch. Dieser Weg steht für zwanzig Jahre Kampf. [...] Die Zeichen des Kampfes sind an seinem Körper abzulesen, er hat starkes Übergewicht, er ist ein sogenannter >Angstesser«.« Allerdings hat gerade Sennett ein von der Körpersoziologie wenig beachtetes Buch vorgelegt, in dem die These materialreich entfaltet wird, »daß urbane Räume weithin durch die Weise Gestalt annehmen, wie die Menschen ihren eigenen Körper erfahren« (Sennett 1997. S. 456). 19 Wie selbstverständlich heißt es bei Anthony Giddens (1999, S. 147), der das Körperthema in die 2. Auflage seines Lehrbuchs »Soziologie- aufnahm: »Die Soziologie des Körpers befaßt sich mit den sozialen Einflüssen auf unseren Körper.« 20 Zur Einlösung des zweiten Aspekts vgl. den Beitrag von Gesa Lindemann in diesem Band.
nächst wie die Kehrseite des Individualisierungsprozesses liest, ist selbst Produkt der Individualisierung. Koch bevor die Individuen auf die Idee kommen, ihre Individualität an ihrem Körper festmachen zu wollen, bedienen sich polizeiliche Ermittlungen des Körpers und seiner spezifischen Merkmale als Ausweis des Individuums (vgl. Küchenhoff 1988; Stichweh 1995, S. 180). In diesem Sinne wird der Körper zu einem zentralen Gegenstand in Michel Foucaults Arbeiten und in diesem Sinne schreibt Foucault die Geschichte der Individualisierung als eine Geschichte der systematischen, immer lückenloseren und umfassenderen Erfassung des Individuums zwecks seiner besseren Kontrolle und Überwachung. An den neuesten Vorschlägen zur Erfassung und einwandfreien Identifizierung der Körper mittels biometrischer Verfahren im Namen der Sicherheit wird nur zu deutlich, daß diese Geschichte der Individualisierung keineswegs zum Erliegen gekommen ist, so, als habe eine positiv konnotierte Individualisierung die negative abgelöst. Der leidende und bedrohte Körper ist keineswegs durch einen befreiten und erlösten Körper, einen happy body, ersetzt worden. Spätestens an der Engführung des Individualisierungsthemas auf den Körper wird vielmehr klar, daß Individualisierung nichts mit Freiheitszuwachs zu tun hat, sondern mit einem Wandel der für ihn verantwortlichen Kontrollinstanzen (vgl. Boltanski 1976, S. 170). Der Übergang von der Fremd- zur Selbstkontrolle ist vor allem am Umgang mit dem Körper ablesbar. Dabei geraten die Individuen in die paradoxe Situation zugleich Subjekt und Objekt der Kontrolle und Überwachung zu sein.21
In Don DeLillos Roman »Körperzeit« (2.001) gibt es eine ebenso komprimierte wie treffende Beschreibung dieses Vorgangs: »Tag für Tag arbeitete sie hart an ihrem Körper. Es galt immer, Zustände zu erreichen, die frühere Extreme überschritten. Sie konnte eine Sache bis zum unerträglichen Äußersten dehnen, gemessen mit Atem oder Kraft oder Zeitdauer oder Willensstärke, und dann beschließen, die Grenze noch weiter hinauszuschieben. Ich glaube, du erschaffst dir deine eigene kleine totalitäre Gesellschart, hatte Rey einmal festgestellt, in der du uneingeschränkter Diktator bist und unterdrücktes Volk.« (DeLillo zooi, S. 6$f.) 19
5- Der Körper — ein unvollendetes Projekt? Wenn Individualisierung unter anderem meint, daß der einzelne aus einer Vielzahl von Instanzen endassen wird, die ihm vorgegeben haben, wie er zu leben hat, nunmehr freigesetzt ist und anhand eigener Entscheidungen nicht mehr ein Leben abieben, sondern eine Biographie zu gestalten hat, dann bedeutet die Individualisierung des Körpers vor allem, daß nicht einmal mehr der Körper als Faktum einfach hinzunehmen ist, sondern verändert werden kann. Neu daran ist, daß »die Verantwortung für die Entwicklung des Körpers und sein äußeres Erscheinungsbild direkt in die Hände seines Besitzers« (Giddens 1993, S. 43) gelegt wird. Und um diese Aufgabe bewältigen zu können, steht gleich eine ganze Armada von Ratgebern bereit, die bei der Pflege, dem Erhalt und der Verbesserung des Körpers behilflich sein sollen. Dankbar greifen die mit ihrem Besitz allein gelassenen Individuen die Ratschläge auf, denn die schlechte Nachricht der Individualisierung des Körpers besagt, daß alle als solche definierte Unzulänglichkeiten des Körpers als individuelles Versagen zugerechnet werden.22 Rund um das Thema Gesundheit, Fitneß und Wellness ist deshalb ein gewaltiger Markt entstanden. Der »Körperboom« ernährt eine komplette, nach ihm benannte Industrie. Der Vielzahl der Angebote ist dabei immer wieder die Botschaft zu entnehmen: »Der Körper - nie war er so wertvoll wie heute!« Und deshalb ergehen die zahllosen Ratschläge, wie mit ihm zu verfahren sei. Wir sind geradezu von Instanzen umstellt, die uns sagen wollen, wie mit diesem neu erworbenen Eigentum umzugehen sei. Dabei ist zu beachten, daß es ein langer Weg war, bis der Körper als »unser erstes und unbedingtes Eigentum« (Simmel 199z, S. 421) gelten konnte: »Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert wird der Körper immer mehr als ökonomischer Wert betrachtet. Ein Gesundheitsbewußtsein entsteht. Der Körper wird zum Besitz, etwas, daß man hat und nicht mehr ist.« (Low 2001, S. 117)23 Und auf das, was man hat, gilt es zu 22 In diesem Sinne argumentiert auch Jean Baudrillard (1981), der den Körper als Konsumgegenstand analysiert: »Wenn Sie Ihrem Körper keine Dienste erweisen, wenn Sie sich der Nachlässigkeit schuldig machen, werden Sie dafür bestraft werden. [...] alles, woran Sie leiden,« ist »selbstverschuldet durch Ihre Unverantwortlichkeit Ihnen selbst gegenüber.« (Ebd., S. 96) 23 Bei einigen ins Esoterische weisenden Körperpraktiken gewinnt man den Eindruck, daß die Geschichte gewissermaßen zurückgeschraubt werden soll, indem 20
achten. Den Körper als Besitz gilt es zu bewahren, zu schonen und zu pflegen.24 Die Gestaltbarkeit des Körpers (vgl. Hitzler 2002) ist dabei allerdings nicht mit einer uneingeschränkten Verfügungsgewalt über den Körper zu verwechseln: »Der Körper, den wir erleben, ist nie wirklich und zur Gänze der unsere, ebensowenig die Art und Weise, in der wir ihn erleben. Die Körpererfahrung jedes einzelnen als Quelle, Organ und Stütze jeder Kultur ist vollständig von den anderen und der Gesellschaft durchdrungen.« (Bernard 1980, S. 119)25 Es scheint aber gerade »die generelle Nichtverfugbarkeit des eigenen Körpers« (Bette 1999, S. 136), die die Anstrengungen erhöhen, permanent auf ihn einzuwirken: »Die Möglichkeit einer Gestaltbarkeit des eigenen Körpers vermittelt die Illusion von Kontrolle über das eigene Leben.« (Stahr 2000) Die auf den Körper bezogenen Anstrengungen der Gestaltung und Kontrolle26 scheinen dabei das ursprüngliche Verhältnis zum Körper wiederhergestellt werden soll: Man will keinen Körper haben, sondern ein Körper sein, »eins werden mit ihm« und damit die durch das Besitzverhältnis entstandene Distanz zu ihm wieder einziehen. Jenseits der für Plessner (1975) unaufhebbaren Differenz zwischen Leib sein und Körper haben wird aber auch innerhalb der Philosophie diese Differenz einzuziehen versucht durch die Präferiening des Seins: »Als lebendige Subjekte haben wir nicht, sondern sind wir Körper, lebende Organismen.« (List 1998, S. 79) 24 Der Sklave dagegen hatte keinen Körper, sondern war Körper - und nichts «titer: »Da der Sklave kein Rechtssubjekt war, hatte er theoretisch keinerlei Recht auf seinen Körper. Die Möglichkeit für den Sklavenbesitzer, diesen Körper zu verkaufen oder zu verleihen, blieb immer bestehen.« (Galsterer 1983, S. 34) Daß es überhaupt ein Bewußtsein von einem eigenen, individuellen Körper gibt, ist keineswegs selbstverständlich, sondern Ergebnis der sich auf den Körper beziehenden Diskurse im Laufe der Jahrhunderte, wie Philipp Sarasin (2001) im Detail nachgezeichnet hat. Daß der einzelne unter Bedingungen extremer Exklusion wieder ganz und gar auf den Körper zurückgeworfen sein kann, erinnert nicht zufällig an die Existenz des Sklaven oder des »Leibeigenen«, mit dem Unterschied freilich, daß heute nicht nur wieder die Versklavung in großem Umfang stattfindet, sondern auch der einzelne selbst Teile seines Körpers auf dem Markt des Organhandels feilbieten kann, im Sinne einer extremen physischen Selbstausbeutung. Inklusionsbereich und Exklusionsbereich der Gesellschaft scheinen sich nicht zuletzt dadurch zu unterscheiden, daß Inkludierte danach streben, ihren Körper zu fühlen und zu erfahren, während Exkludierte ganz und gar auf ihren Körper zurückgeworfen sind (vgl. dazu Luhmann 1995, Schroer 2001b). Zur Frage des Eigentums vgl. auch Boullion 1999. 25 Vgl. auch: »Die völlige Beherrschung des Körpers durch das Bewußtsein oder die Gesellschaft ist allemal Utopie.« (Hahn/Jacob 1994, S. 152) 26 Vgl. dazu den Beitrag von Anne Honer und Ronald Hitzler in diesem Band.
durchaus etwas mit dem erlahmenden Glauben an den Einfluß des Individuums auf die Gestaltung und Veränderungsmöglichkeit von politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu tun zu haben. Insofern gilt der Körper gewissermaßen als letzter Fluchtpunkt, der die schmerzhafte Einsicht in die mangelnde Beeinflußbarkeit von Makrophänomenen ein wenig zu kompensieren vermag.27 Er hat den unschätzbaren Vorteil, daß an ihm die Anstrengungen und Investitionen für jedermann (und für einen selbst) sichtbar sind. Deshalb gilt der Körper als Ausweis »persönlicher Identität: dieser Körper ist der meine und nicht der des anderen, ich bin genau dieses Individuum, das sich durch seine körperliche Verpackung auszeichnet« (Kaufmann 1996, S. 32). Somit erscheint der Körper geradezu als »Garant unserer Individualität« (Field 1978, S. 256).28
6. »Was sich nicht wegkommunizieren läßt«: Der Körper als Kontingenzbewältiger, Realitätsanker und Garant des Konkreten Die Wiederentdeckung des Körpers erfolgt nicht zufällig parallel zur Wiederentdeckung des Raums als Thema der Sozialwissenschaften (vgl. Low 2001). Beiden vernachlässigten Kategorien haftet etwas schlicht Gegebenes und damit Selbstverständliches an. Raum und Körper scheinen ganz einfach »da« zu sein. So heißt es sowohl: »Dem Raum können wir nicht entkommen« (Meyrowitz 1997, S. 176) als auch: »Wo auch immer ein Individuum sich befindet und wohin auch immer es geht, es muß seinen Körper dabeihaben.« (Goffman 1994, S. 152) Der Raum ebenso wie der Körper sind also unausweichlich. Sie gehören zu den Dingen, die »sich nicht wegkommunizieren lassen« (Gumbrecht 1999). Es ist diese unterstellte Unausweichlichkeit des Körpers und des Raums, ihre offensichtliche Gegebenheit, die dazu fuhren, in ihm den rettenden Anker im Meer der Kontingenzen sehen zu wollen. Der Körper dient gewissermaßen als Antidot gegen das von der Postmoderne verkündete »Ende der Eindeutigkeit« 27 Vgl.: »Wenn nichts mehr definitiv Sinn macht, ist der Körper die vielleicht letzte Instanz, die Sinn auf eine überzeugende Weise auf sich ziehen kann.« (Berte 1999. S. 164) 28 Schon für Durkheim (1981, S. 366) stellt der Körper einen »Individualisierungsfaktor« par excellence dar.
(Bauman 1995a). Er ist es, der in einem individualisierten Leben fiir einen letzten Rest von Kontinuität29 und Verläßlichkeit sorgt. Dies macht ihn zu einer der wenigen Konstanten im Leben des individualisierten Einzelnen, dem — von allen verlassen (Frauen, Kinder, Freunde, Kollegen) — immerhin der eigene Körper bleibt. Die neue Hinwendung zu Raum und Körper30 erfolgt keineswegs als separates und kontexdoses Einzelphänomen, sondern als Teil einer Entwicklung, die eine gewisse Abkehr von konstruktivistischen und eine Hinwendung zu materialistischen und naturalistischen Ansätzen mit sich bringt. Es hat den Anschein, als gäbe es durch die von Konstruktivismus, Dekonstruktivismus und Diskursivierung vertretenen Abstraktionen und die dadurch ausgelösten Verunsicherungen einen neuen Bedarf am Greifbaren, Materiellen und Konkreten, dem Evidenten, der durch den Verweis auf den Körper gegeben zu sein scheint.31 Der Körper gilt als »greifbarste[r] Beweis fiir das Reale (man ist schließlich da, mit Haut und Haaren, Gegenstand physischer Empfindungen)« (Kaufmann 1996, S. 31 ff). Es entsteht der Eindruck, daß man nach der Beschäftigung mit der Rede über den Körper sich nun endlich ihm selbst zuzuwenden habe — in einer Art Neuauflage des Rufs »Zu den Sachen selbst!« Obwohl der *somatic turn« einerseits nicht zuletzt eine Folge des »cultural turn« in den Sozialwissenschaften ist, so scheint das neue Interesse am Körper doch andererseits auch mit einem »natural turn« einherzugehen: »Die Phänomene der Körperaufwertung zeigen [...], daß komplexe Gesellschaften einen gesteigerten Natüriichkeitsbedarf haben.« (Rittner 1983, S. 236) Der Natürlichkeitsbedarf entsteht gerade dort, wo die Einsicht sich längst verbreitet hat, daß es Natur nicht gibt: Gerade »der Körper, gesellschaftlich produzierte und einzig sinnliche Manifestation der >Personphysisches< Mal« (Bourdieu 1982, S. 310).32 Mit dieser Einsicht beginnt die Aus29 Vgl.: »Nur der menschliche Körper stellt noch eine sichtbares Moment von Kontinuität dar und zeigt die kumulative Wirkung der Anstrengungen, sich selbst zu konstituieren - er erscheint als der einzige konstante Faktor unter den proteischen und unberechenbaren Identitäten: das materiell fassbare Substrat, das alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Identitäten beinhaltet, trägt und ausfuhrt.« (Bauman 1995b, S. 229) jo Vgl. dazu den Beitrag von Martina Low in diesem Band. ji Vgl. dazu auch den Beitrag von Peter Fuchs in diesem Band. 32 Ähnlich heißt es bei Merleau-Ponty 1966, S. 224: »Es geht schlechterdings nicht 23
einandersetzung mit dem Körper in den Sozialwissenschaften schon bei Marcel Mauss - und doch hat sich die Beschäftigung mit dem Körper offenbar immer neuer Naturalisierungsversuche zu erwehren. Trotz dieser Zurechnungen aber - der Körper als Realitätsgarantie, Kontingenzbewältiger und Ausweis des Konkreten - unterliegt selbstverständlich auch der Körper den Kontingenzen und Uneindeutigkeiten, wird auch er zu etwas gerade nicht mehr länger Selbstverständlichem, unterliegt auch er der Auflösungsdynamik der Moderne, als dessen Gegenmittel er oft in Stellung gebracht wird.33 Damit aber ist seine Funktion in Frage gestellt, als Konkretes inmitten des Abstrakten, als Festes und Geschlossenes in Zeiten allgemeiner Verflüssigung und Öffnung zu gelten. Wenn aber der Körper selbst den Verflüssigungstendenzen unterliegt, dann gilt es zu fragen, was wir eigentlich unter Körper noch verstehen wollen.
7. Worüber reden wir, wenn wir vom Körper reden, oder: Was ist der Körper? Stellt man die Frage, was der Körper ist, so wird man zunächst auf die generelle Aussage verweisen können, daß jeder materielle Gegenstand als Körper bezeichnet werden kann. Körper ist alles das, was einen meßbaren Raum ausfüllt. Im mathematischen Sinne gilt jedes dreidimensionale Gebilde als Körper. Folgerichtig listet der DUDEN unter dem Stichwort >Körper< eine ganze Reihe von Körpern auf, die wir aus unserem Alltag kennen: Beleuchtungskörper, Feuerwerkskörper, Flugkörper, Fremdkörper, Heizkörper, Himmelskörper, Hohlkörper, Knallkörper, Schwimmkörper, Sprengkörper. Körper stellen »ein ringsum begrenztes Gebilde« dar (DUDEN) und kommen damit einer Auffassung des Raums sehr nahe, die diesen als Behälter definiert (vgl. Low 1999, Schroer 2003). Raum wie Körper sind demnach nach Außen hin geschlossen und können aufgefüllt werden. Damit wird ein Körperinneres klar von einem Körperäußeren unterschiean, beim Menschen eine erste Schicht von >natürlich< genannten Verhaltungen und eine zweite, erst hergestellte und darübergelegte Schicht der geistigen oder KulturWelt unterscheiden zu wollen.« 3 3 Etwas ähnliches hat wohl auch Jean Clam (2000, S. 250) im Blick, wenn er lapidar notiert: »Wie alles andere in der modernen Gesellschaft haben Körper keinen Halt.« 24
den. Mit dieser Vorstellung setzt sich ein Körperbild durch, das den Körper als eine gegenüber seiner Umwelt abgeschlossene Einheit denkt. Diese auch heute noch immer verbreitete Körpervorstellung ist allerdings alles andere als selbstverständlich, sondern Resultat des mit dem Zeitalter der Aufklärung einsetzenden Rationalisierungsprozesses (vgl. Benthien 2001, S. 39). Im antiken Griechenland gab es dagegen noch gar keinen Begriff für den Körper als Ganzes. Es gibt lediglich Bezeichnungen für verschiedene Teile des Körpers oder Aspekte der Körperlichkeit. >Demas< steht für die Gestalt oder die Statur, >eidos< meint den sichtbaren Aspekt, >chros< bezeichnet die äuß Umhüllung, die Haut. Allein das Wort >soma< steht für die Gesamt heit des Körpers, meint aber ursprünglich den toten Körper, also den Leichnam (vgl. Vernant 1989, S. 21 f.). Insofern ist es keineswegs selbstverständlich, den Körper als eine Einheit zu begreifen, »dem das Bewußtsein, das Denken oder der Geist als ein anderes System gegenübersteht« (Hahn 2000b, S. 353).34 Die heutige Situation scheint mir vor allem davon geprägt zu sein, den Körper gewissermaßen als letztverbleibende Einheit gegen die mit dem gesellschaftlichen Differenzierungsprozeß einhergehenden Auflösungsprozesse setzen zu wollen, während andererseits kulturelle Praktiken und mediale Darstellungen des Körpers von der Faszination zeugen, die Einheit des Körpers nicht als ein für allemal biologisch festgelegt zu erachten, sondern gerade seine Grenzen in Frage zu stellen. Ich komme weiter unten noch darauf zu sprechen. An dieser Stelle sollen diese Hinweise nur deutlich machen, daß die Antwort auf die Frage, was der Körper sei, nur lauten kann: Das, was in den verschiedenen Zeitaltern, Gesellschaften und Kulturen darunter verstanden wurde und wird. Insofern lauten die Fragen, mit denen sich eine Soziologie des Körpers zu beschäftigen hätte: Auf welche Weise wird der Körper sozial und kulturell konstruiert? Wie wird über ihn kommuniziert? Wie und von wem wird er beobachtet? Welche Unterschiede gibt es dabei im zeitlichen und kulturellen Vergleich festzustellen? Welche Bedingungen müssen gegeben sein, damit der Körper Aufmerksamkeit erlangt? Welche Funktion erfüllt die Rede über den Körper? Was sagt eine Körperorientierung bzw. -Vernachlässigung über die jeweilige Gesellschaft aus? 34 Die Vorstellung vom Körper als Ganzheit korrespondiert zudem nicht mit der Tatsache, daß wir »eine Erfahrung unseres ganzen Körpers [...] nicht gewinnen« (Mead 1973, S. 178) können. 25
Die ontologischc Fragestellung Was ist der Körper? läuft dagegen Gefahr, zu einer Substantialisierung und Essentialisierung des Körpers beizutragen (vgl. Gugutzer 2004, S. 153), mit der die schon von Mauss vorgegebene Einsicht untergraben zu werden droht, daß es den Körper jenseits seiner kulturellen und sozialen Modellierungen gar nicht gibt. Was dem Gehenden oder Schwimmenden als natürlich erscheint, ist in Wahrheit Ergebnis kultureller Techniken, die sich in ihn eingeschrieben haben. Jeder, der sich entschließt, eine neue Sportart oder ein Musikinstrument zu erlernen, wird - im buchstäblichen Sinne - schmerzlich daran erinnert, wie wenig natürliche Voraussetzungen er mitbringt, um diese Sportart ausüben oder dieses Instrument spielen zu können und wie mühsam und langwierig es ist, es trotz aller Widrigkeiten und Widerstände des Körpers dennoch zu schaffen. Der Erfolg ist freilich keineswegs garantiert: Wer über 30 Jahre alt ist und bei dem Versuch eine SMS zu schreiben je einem Jugendlichen bei dieser Tätigkeit zugesehen hat, der wird angesichts der extrem verschiedenen Geschwindigkeiten, die dabei zu beobachten sind - frustriert feststellen, daß seine Finger für diese Art der Kommunikation schlicht und einfach nicht (mehr) geeignet sind. Ob nun aber erfolgreich oder nicht: Der Körper befindet sich in der zwiespältigen Rolle, zugleich Quelle des Widerstands als auch Instrument beim Erlernen neuer Fertigkeiten zu sein. Die ontologische Frage nach dem Körper scheint selbst noch Ausdruck des Bedürfnisses zu sein, ein Jenseits der Beobachtung, des Diskurses, der Konstruktion annehmen zu wollen, das all diesen Operationen vorausgeht. Der Körper bietet sich dafür - ähnlich wie der Raum - in ganz besonderer Weise an.35
35 Hinsichtlich des Raums läßt sich dies zum Beispiel auch daran erkennen, daß eine gewisse Distanz gegenüber den Konstruktionsannahmen bis weit in das Lager des Konstruktivismus hineinreicht. Rudolf Stichweh (zooj, S. 95) etwa kritisiert die mangelnde Aussagekraft der Rede über die soziale Konstruktion sozialer Tatbe stände, um daraufhin von der »Exteriorität oder Externalität«, ja von einer »Trans zendentalität von Raum und Zeit« zu sprechen. 26
8. Felder der Thematisierung des Körpers Körper im Einsatz - Körper, Politik und Protestbewegungen Der Körperbezug des Politischen ergibt sich zunächst daraus, daß der Aufbau und das Funktionieren politischer Gemeinwesen in den klassischen Texten der politischen Philosophie - von Aristoteles bis Thomas Hobbes - immer wieder mit dem Funktionieren des menschlichen Körpers verglichen wird. In neuerer Zeit haben wir es dagegen weniger mit der Politik als Körper als vielmehr mit dem Körper des Politikers zu tun. Körperliche Merkmale der politischen Akteure werden spätestens seit dem unaufhaltsamen Ausbau einer Mediengesellschaft nicht mehr als Nebensächlichkeiten behandelt, sondern zu zentralen Komponenten des politischen Lebens. Auf die äußerlichen Merkmale wird größter Wert gelegt. Ob Bart, Brille, Haartracht, Körperumfang, Kleider, Gang, Mimik — all das ist nicht nur relevant und berichtenswert, sondern mitunter auch wahlentscheidend.36 Da wird es zur elementaren Frage, ob der deutsche Bundeskanzler seine Haare färbt oder nicht und der Kandidat für das Amt des deutschen Präsidenten im Rollstuhl sitzt oder nicht. Ebenso werden von der wechselnden Körperfülle des deutschen Außenministers regelmäßig Rückschlüsse auf seine momentane private Situation zu ziehen versucht. Körperlichen Unterschieden wird darüber hinaus auch gerne symbolischer Wert zugesprochen. Das Zusammentreffen des klein und hager wirkenden Lothar de Maiziere mit dem korpulenten deutschen Bundeskanzler a. D. Helmut Kohl während der Verhandlungen über die »deutsche Einheit« wurde als Symbol für die Begegnung zwischen dem reichen Westen und dem armen Osten genommen. Der »Kniefall« Willy Brandts wäre ein Beispiel für die symbolische Kraft körperorientierter Handlungen. Aufgrund dieser Bedeutung des Körpers für die Übermittlung politischer Botschaften lassen sich Berufspolitiker in diesen Fragen inzwischen längst ebenso beraten wie in Fragen der Außenpolitik. In dem vom amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf übernommenen Fernsehduell zwischen dem amtierenden Kanzler Gerhard 36 So soll etwa Richard Nixon die Präsidentschaftswahlen von i960 gegen J. F. Kennedy nur aufgrund von dessen erfolgreicherer Medienpräsenz (knapp) verloren haben. 17
Schröder und seinem Herausforderer Edmund Stoiber beispielsweise sollte dem Zuschauer nichts verborgen bleiben: Kein Blick, kein Zucken, kein Versprecher blieb von den Augen (sie!) der Kameras unbemerkt. Jede Geste, jede Miene wird ins Bild gerückt und zur Interpretation freigegeben. Die Kamera filmt nicht einfach passiv diese zum »Showdown« stilisierte Begegnung politischer Rivalen ab, sondern macht mit Großaufnahmen und Zoom aufmerksam auf Gesten und Mienenspiel, an denen die Sicherheit oder Unsicherheit, Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, Kompetenz oder Inkompetenz des Kandidaten und des Amtsinhabers abzulesen sein soll. Der Politiker unterliegt dieser besonderen visuellen Überwachung ebenso wie er sie für seine Zwecke auszunutzen versteht. Er inszeniert sich seinerseits als glaubwürdig, kompetent und souverän, die Lage stets beherrschend für die Kameras und erwartet, daß die Darstellung beim Zuschauer auch entsprechend >rüberkommtLinie< zu achten, nicht aus der >Form< zu gehen, dem Gebot des Orgasmus usw.« (Lipovetsky 1995, S. 88f.) Im engen Verbund mit der Medizin arbeitet der Sport am Bild des ewig jung aussehenden, gesund und fit bleibenden Körpers, dem Alter und Tod nichts anhaben können, wenn sein Besitzer sich nur regelmäßig den Strapazen des Fitneßstudios unterzieht. Der dadurch erreichte Zustand des Körpers - Ausdauer, deudich verstärkter Muskelaufbau und sogenannte »Waschbrettbäuche« - soll sich dabei als Kapital erweisen, um damit in anderen Bereichen entsprechende Gewinne erzielen zu können. Dabei ist vor allem an beruflichen Erfolg und an die Steigerung 41 Immerhin aber ist in der Sportsoziologie bereits 1908 von der »Körperkultur« (Hessen 1908, S. 78) die Rede, zu der der Sport ausdrücklich hinzugezählt wird. 33
sexueller Akte aufgrund der Erhöhung körperlicher Attraktivität zu denken. Neben diesem instrumentellen Umgang ist aktuell auch ein Umgang mit dem Körper zu beobachten, der zu einem tiefgreifenden Wandel dessen fahrt, was unter Sport verstanden werden kann. Nichc mehr der gesunde Körper ist hier noch das Ziel der Turnvater Jahnschen »körperlichen Ertüchtigung«, sondern der ultimative Kick, das Risiko, die Herausforderung, der riskierte und »aufs Spiel gesetzte Körper« (Alkemeyer u.a. 2003). Beim Erlebnissport beispielsweise steht die permanente Grenzüberschreitung im Vordergrund42 und dies im zweifachen Sinne: Auf der einen Seite verlassen einzelne Sportarten die ihnen zugewiesenen Räume und auf der anderen Seite werden ständig neue Belastungsgrenzen des Körpers erprobt. Dabei zeigt sich, daß wir es im Bereich der Körperpraktiken mit ähnlichen Machbarkeitsphantasien zu tun bekommen, wie im Hinblick auf den Glauben an die Beherrschbarkeit der natürlichen Umwelt, der Technologien usw. Ebenso wie in diesem Fall Unfälle und Katastrophen an die Unmöglichkeit der totalen Beherrschbarkeit erinnern, zeigt auch der Körper die Grenzen seiner Belastbarkeit43 auf- etwa dann, wenn unter der mit Hilfe von Drogen erreichten Fitneß das Immunsystem der Profisporder zusammenbricht. Arbeit am Körper/Kampf dem Körper - Diäten, Schönheitsoperationen und Body Modification Michel Foucaults dreibändiges Werk »Sexualität und Wahrheit« (Foucault 1977; 1986a; 1986b) hat noch einmal deutlich werden lassen, daß das Einwirken auf den Körper nicht erst ein Phänomen der Moderne ist. Vielmehr werden bereits in der Antike Empfehlungen ausgesprochen, wie mit dem Körper zu verfahren ist. Im Laufe der Zeit steigert sich die »hygienische Aufmerksamkeit der Menschen sich selbst gegenüber« allerdings derart, daß das bürgerliche Subjekt schließlich vor allem »mit der dauernden, regelmäßigen Observierung seines Körpers beschäftigt« ist: »die Verantwortung, die es für sich hat, erstreckt sich nicht länger nur auf die Reinheit der Seele, die Lauterkeit seiner Absichten oder die Treue seiner Pflichterfüllung, sondern auch aufsein physisches Wohlergehen.« (Sarasin 42 Vgl. dazu den Beitrag von Karl-Heinrich Bette in diesem Band. 43 Vgl. dazu den Beitrag von Roben Gugutzer in diesem Band. 34
2001, S. 22)44 Die »Sorge um den Körper« (Goffman 1986, S. 192; Shusterman 1994) ist insofern keineswegs neu, hat aber in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts einen noch immer anhaltenden, enormen Aufschub erlebt. Ob Diäten, Fitneßtrainings und Schönheitsoperationen, ob Body-Building, Tattoos oder Piercing, ob Branding, Cutting oder Stretching45 - jede dieser sehr verschiedenen Körperpraktiken vermittelt die Botschaft, daß der Körper, so wie er ist, nicht mehr hingenommen, nicht mehr als Schicksal akzeptiert werden muß, sondern verändert werden kann, zur Option geworden ist.46 Der Körper erscheint nicht mehr länger als biologische Gegebenheit, mit der man alternativlos zu leben hat. Vielmehr wird es möglich, ihn neu zu gestalten, zu verändern und zu erweitern. Dabei wird man im einzelnen zu unterscheiden haben - wobei die Grenzen oft fließend sein dürften - zwischen Körperpraktiken, die den Körper im Sinne einer Revolte gegen das Altern und den Tod möglichst lange erhalten, den Körper perfektionieren wollen im Dienste eines bestimmten Schönheitsideals, ihn modifizieren zum Zwecke der Zugehörigkeit zu einer bestimmten (Jugend-)Szene47 oder ihn malträtieren und dabei den Umgang mit dem Körper wie eine Gegenbewegung zum »Schönheitsterror« aussehen lassen.48 Während die Maßnahmen der Erhaltung und Perfektionierung den schönen, 44 »Every morning, we do various things to our body in order to present it as an acceptable body for those wc will meet mroughout the day.« (Corrigan 1997, S. 151) 45 Unter Stretching versteht man Gewebedehnungen, unter Cutting Gewebeschnitte und unter Branding das Einbrennen von Mustern auf die Haut. Da diese Praktiken auf Vorbilder bei Urvölkern und in »primitiven« Kulturen verweisen, werden die Anhänger dieser Praktiken auch die »Modern Primitives« genannt. 46 Vgl. dazu auch den Beitrag von Werner Schneider in diesem Band. 47 Bei Durkhcim (1981, S. 318) heißt es über die Tätowierung: »Die beste Art, sich und anderen zu beweisen, daß man ein und derselben Gruppe angehört, ist eben, sich auf den Körper ein Erkennungszeichen einzuprägen.« 48 Natürlich sind auch andere Einteilungen vorstellbar: Shusterman (1994, S. I46f.) unterscheidet zwischen »solchen somatischen Praktiken, die sich auf die äußere Erscheinungsform des Körpers, auf seine wahrnehmbare äußere Form, konzentrieren, und solchen, bei denen im Vordergrund steht, wie der Körper von innen her empfunden wird, also die Qualität des Körpererlebens.« Zu der ersten Kategorie, die er »Somatik der Darstellung« nennt, zählt er Kosmetik, plastische Chirurgie und Bodybuilding. Zur zweiten, »Somatik des Erlebens« genannten Kategorie zählt er »Yoga und andere Disziplinen der Übung des Körperbewußtseins«. Myers (1992, S. 267) unterscheidet zwischen den Kategorien tempomry (»can be washed off, dusted away, or simply lifted off the body«) und permanent (»result in indelible 35
durchtrainierten und gesunden Körper zum Ziele haben, geht es in den Körpermodifizierungen und -manipulationen der Jugendszenen um eine radikale Abkehr von diesen Idealen bis hin zu selbstzerstörerischen Praktiken. Wo es so sehr auf die Körperhüllen ankommt, wie in unserer (post) modernen Gesellschaft, auf ihre Makellosigkeit, ihre faltenlose Glätte und Straffheit, wächst offenbar der unwiderstehliche Wunsch, durch diese körperliche Hülle hindurchzudringen, sie aufzureißen, um zu sehen, was dahinter verborgen ist.49 Je mehr Körper mittels der Schönheitschirurgie standardisiert werden, desto mehr Faszination erlebt vor diesem Hintergrund die Abweichung. Die Individuen befinden sich auch hier in dem Dilemma zwischen dem Willen zur Individuierung und zur Zugehörigkeit. Sie wollen Attribute am Körper, die sie von anderen unterscheiden und sie wollen zugleich das ablegen, was sie absondert. Obwohl die Körpermodifikationen Folge der Individualisierung sind und als Ausdruck von Individualität gelten sollen, arbeiten sie zugleich auch dem Gegenteil zu: einer zunehmenden Konformität des äußeren Erscheinungsbildes. Die Arbeit am Körper ist dabei nicht allein als Mittel gedacht, um andere Ziele zu erreichen: einen guten Job, einen ansprechenden Partner etc. Vielmehr kann die Arbeit am Körper auch ganz und gar selbstbezüglich werden, so daß das Ziel der Körperbetätigung schlicht die Körperbetätigung ist. Ist der gestählte und durchtrainierte Körper Jedoch einmal hergestellt, läßt er sich dann freilich für die verschiedensten Dinge nutzen. Er ist gleichsam ein latent vorhandenes, jeder Zeit einsetzbares, mobiles Kapital, das sich offensichtlicher als soziales und kulturelles Kapital zum Einsatz bringen läßt. Es ist somit die adäquate Kapitalform in einer Kultur der Sichtbarkeit. Die Konzentration auf den Körper paßt zu einer Gesellschaft, in der man glaubt, nicht mehr durch die alten Tugenden wie Fleiß, Leistung und Vitamin B es »zu etwas zu bringen«, sondern durch zufällig sich ergebende Konstellationen. In den Körper wird investiert, weil man es keineswegs für ausgeschlossen hält, plötzlich entdeckt zu werden (vgl. Neckel 1999). Man hält sich bereit für diesen Augenmarkings on die surface of the body«). Robert Schulze-Estor (2000, S. 4)) schlägt die Kategorien soft, hard und extreme vor. 49 Einem Wunsch, dem nicht zuletzt in zahlreichen, auf die Sezierung von Körpern spezialisierten Krimis, die sich in immer neuen Varianten der Schilderung von Körpermartern überbieten, entsprochen wird. 36
blick, der die große Wende bringen könnte. Der Körper befindet sich in der Zwischenzeit gewissermaßen in Lauerstellung.
Distinkte Körper - Körper, Klasse und soziale Ungleichheit Den Körper als Kapital einzusetzen, steht Bourdieu zufolge nicht jedem Individuum frei. Die Art und Weise des Umgangs mit dem Körper ist vielmehr von seiner jeweiligen Klassenzugehörigkeit abhängig. Von Geburt an prägen Ernährungsweisen, Erziehungsstile usw. den einzelnen nicht nur kognitiv, sondern leibhaftig. Seine Erfahrungen und Erlebnisse schreiben sich gewissermaßen in seinen Körper ein. Dem Körper sieht man seine Prägung durch die soziale Klasse, aus der er stammt, an. Bis in die kleinsten Gesten hinein verrät der Körper die Herkunft seines Trägers. Der einzelne hat einen Habitus erworben, dem gemäß sich seine Vorlieben und Fähigkeiten gestalten. Die Wahl bestimmter Getränke, Speisen und Sportarten, die Vorliebe für bestimmte Musikstile, bestimmte Literaten oder Epochen der Kunstgeschichte etwa sind keineswegs Ausdruck eines individuell zurechenbaren Geschmacks, sondern Ausdruck eines Klassengeschmacks. Gewissermaßen in vorauseilendem Gehorsam wählt der einzelne aufgrund seines Habitus genau das aus, was sich als kompatibel und passend zu seinem Habitus erweist, so daß es nach Bourdieu kaum zu irritierenden Berührungen oder gar Konfrontationen zwischen den Klassen kommt. (Vgl. Bourdieu 1982, S. 305ff.) Die intensive Beschäftigung mit dem Körper wird dabei als typische Erscheinung von Wohlstandsgesellschaften interpretiert. Der Zeitaufwand für Körperpflege gilt als Luxusphänomen (Boltanski 1976, S. 156ff.), dem nur wenige nachgehen können. Für diese These spricht zunächst einiges. Denn die entsprechenden Angebote der Wellnessund Fitneßindustrie sind durchaus kostenintensiv und deshalb nicht von jedermann nutzbar. Darüber hinaus erfolgt die intensive Beschäftigung mit dem Körper vor allem in der Freizeit, über die nicht jeder im Übermaß verfügt. Gerade aufgrund dieser verschiedenen Zugänge zu den Angeboten der Körperindustrie dienen körperliche Unterschiede zur Markierung sozialer Differenzierungen: »Der Körper ist [...] in derselben Weise wie all die anderen technischen Dinge, deren Besitz den Platz des Individuums in der Klassenhierarchie bezeichnet, durch seine Farbe (bleich, gebräunt), durch seinen Bau 37
(schlaff und weich oder fest und muskulös), durch sein Volumen (beleibt oder schlank, untersetzt oder hochgewachsen), durch Weite, Form und Geschwindigkeit seiner Bewegungen im Raum (linkisch oder anmutig) ein Statussymbol.« (Ebd. 1976, S. 170) Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, wie sehr der Körper gerade von marginalisierten Gruppen benutzt wird, um zu Wohlstand zu gelangen oder auch nur auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Zudem zeigt der Blick auf die verschiedenen Formen der Körperpraktiken, daß einige davon geradezu kostenneutral ausgeübt werden können. Entscheidend für eine Soziologie sozialer Ungleichheit, die den Körper berücksichtigt,50 ist, daß nicht zuletzt das körperliche Erscheinungsbild über Erfolg oder Mißerfolg im Beruf und in der Freizeit (mit)entscheidet.51 Die Liste der Felder, in denen auf den Körper Bezug genommen wird, ließe sich beliebig erweitern - um die Medizin und vor allem die Reproduktionsmedizin, Religion, Wirtschaft, Erziehungssystem, Medien u. v. m. Die Biotechnologien beispielsweise betreiben inzwischen das Geschäft der Sozialwissenschaften: Sie haben den Glauben an den Körper als Naturprodukt nachhaltiger und effektiver erschüttert als die sozialwissenschaftliche Botschaft von der gesellschaftlichen Konstruktion es je vermocht hätte. Und die Medien haben einen kaum zu unterschätzenden Einfluß auf die Präsenz des Körpers. Sie spielen eine enorme Rolle bei der Verbreitung des aktuellen Körperbildes: Gesund, fit und schön hat er zu sein. Die Präsenz des Körpers in den bisher genannten Feldern wird zudem durch den Einfluß der Medien um ein vielfaches gesteigert. Es sind die Medien, die den Körper des Politikers in den Vordergrund rücken, Gewaltphänomene anhand des Körpers zeigen und über Körperpraktiken der konventionellen und ausgefallenen Art massiv berichten. Körper und Medien sind beinahe symbiotisch aufeinander bezogen. Für den vorliegenden Zusammenhang soll die Auflistung und Er50 Vgl. dazu den Beitrag von Gerd Nollmann in diesem Band. 51 In diesem Sinne notiert schon Siegfried Kracauer in seiner Studie über die Angestellten (Kracauer 1975, S. 25) »Der Andrang zu den vielen Schönheitssalons entspringt auch Existenzsorgen, der Gebrauch kosmetischer Erzeugnisse ist nicht immer ein Luxus. Aus Angst, als Altware aus dem Gebrauch zurückgezogen zu werden, färben sich Damen und Herren die Haare, und Vierziger treiben Sport, um sich schbnk zu erhalten.« 38
läuterung der genannten Felder dennoch genügen, um deutlich zu machen, in wie vielen Kontexten der Körper mittlerweile Berücksichtigung findet. Der eigentliche Anspruch der Soziologie des Körpers allerdings, nicht nur die Vergesellschaftung des Körpers, sondern auch eine Verkörperlichung der Gesellschaft zu etablieren, hat sich bisher noch nicht erfüllt. Völlig zu Recht schreibt deshalb Ellen Kuhlmann (2004, S. 71): »Will es die Soziologie nicht dabei belassen, die disziplinaren Perspektiven auf den Körper zu ergänzen, sondern ihre Theorien vom Körper aus weiterentwickeln, bleibt noch einiges zu tun.« Dabei gilt es zu bedenken, daß die allgemeine Berücksichtigung des Körpers für die Soziologie in der Tat eine »Herausforderung« darstellt. Denn immerhin will die Soziologie des Körpers von ihrem Selbstanspruch her dazu beitragen, tief in die Soziologie eingelassene Gegensätze wie etwa den zwischen Individuum und Gesellschaft überwinden zu wollen. Von diesem Ziel scheint sie derzeit noch weit entfernt zu sein. Statt einer Überwindung bestehender Paradigmen und Dichotomien scheinen wir es bisher eher mit einer Einordnung des Körperthemas in die bestehenden Paradigmen zu tun zu haben. In den bisher vorliegenden Ansätzen zeigt sich weniger ein Aufbrechen verkrusteter Fronten als vielmehr die Übertragung der bereits bestehenden konkurrierenden Ansätze auf das Feld des Körpers. Die theoretische Erfassung des Körpers läßt sich in phänomenologische, handlungstheoretische, struktural istische, System theoretische Ansätze usw. einteilen. Dabei werden Grundlinien der Argumentation sichtbar, die es erlauben würden, von gefährlichen, gefährdeten und riskanten Körpern sprechen zu können (vgl. Schroer 2001a). Während die vom Ordnungsproblem ausgehenden soziologischen Theorien den Körper und seine Bedürfnisse hinsichtlich seiner Gefahren für den Bestand der sozialen Ordnung einer Gesellschaft thematisieren (vgl. Turner 1984), also einen gefahrlichen Körper im Blick haben, geht es auf der Gegenseite um die Abrichtung und Zurichtung, die Disziplinierung und Kontrolle des Körpers, der insofern als stets gefährdeter Körper erscheint. Zwischen diesen beiden Positionen vermittelt eine dritte Position, die nicht nur vom Einfluß des Körpers auf die Gesellschaft und vice versa handelt, sondern den Körper als dasjenige in Erscheinung treten läßt, das die Instanzen, auf die der Körper ebenso Einfluß hat wie sie auf ihn, allererst herzustellen in der Lage ist. Der in diesem Feld thematisierte Körper kann des39
halb als riskanter Körper beschrieben werden, weil die von ihm konstituierten sozialen Arrangements und Beziehungen sowohl gefährdend als auch als gefährlich auf den Körper zurückwirken können. Anders als andere bisher erschienene Sammelbände zur Körpersoziologie ist der vorliegende nicht auf eine bestimmte Thematik festgelegt. Vielmehr will er einen Überblick über die Soziologie des Körpers geben, theoretische Zugänge ebenso präsentieren wie empirische. Dabei soll gerade die Fülle möglicher Zugänge zum Thema Körper dokumentiert werden. Entgegen der sich hartnäckig haltenden Meinung, die Soziologie stecke so lange noch in den Kinderschuhen, wie sie sich auf keine einheidiche Theorie und Methodik geeinigt hat, wird im vorliegenden Fall die Multiperspektivität der Soziologie gerade umgekehrt für eine Stärke des Faches gehalten.
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Peter Fuchs Die Form des Körpers »»Die Seele« ohne den Körper brächte nur Kalauer hervor und Theorien.« Paul Val^ry Der Körper des Menschen ist in gewisser Weise super-evident. In vielerlei Hinsichten hat man sich zwar an das Auflösungsvermögen der Wissenschaft gewöhnt, aber der Körper in seiner phänomenalen Einund Nachdrücklichkeit ist, so scheint es, nicht wegdiskutierbar.' Er ist zweifelsfrei, wie die Soziologie weiß, in seinen Erscheinungsformen sozial konditionierbar,2 aber als schiere Tatsache, als Faktum par excellence ist er die originäre Gegebenheit, die so etwas wie konditionierbaren Weltkontakt überhaupt erst ermöglicht.3 Er war es, er ist es, er wird es sein. Die Frage ist nur, ob man mit dieser Behauptung über die Deskription dessen, was dem vorausgesetzten Körper sozial zustößt, welchen Zumutungen er ausgesetzt ist, wie er sich auf Akzeptanz hintrimmt, sehr weit hinauskommt. Deskription ist nicht Theorie. Sie ist der mitunter magere Effekt der Vorstellung, daß es etwas gebe (da draußen, dem Beobachter gegenüber) mit einem Sein, das sich manchmal schlecht, manchmal recht beschreiben ließe - zum Beispiel den Körper als etwas, das man zwar beobachten kann, das aber in gewissen Hinsichten jeder Beobachtung zuvor ist und deswegen auch einen seltsamen Primat hat gegenüber jeder möglichen Kognition.4
i Vgl. zu dieser Schein-Evidenz Nassehi 2003, S. 222f. 2 Vgl. zur sozialen Vermittelheit des Körpers für viele (Bette 1989; Butler 1991, 1995; Senne« 1997). Als spannende Erzählungen einer anderen Körpergeschichte vgl. die Aufsätze in Hagner (1995) und Lachmund (1997). 3 Siehe zum Gegenwärtig-Werden der Welt am Körper (allerdings im Kontext impliziten Wissens) Polany 1985. S. 23f. 4 So auch Nietzsche, wenn er sagt, daß das Bewußtsein gegenüber dem Leibe ein zweitrangiges, ein Phänomen der Zweit-Wichtigkeit sei. Das Geistige sei abgeleitet. Es »ist als Zeichensprache des Leibes festzuhalten.« Nietzsche (1980, S. 285). So ähnlich argumentiert auch Vico (1979, S. 53), wenn er sagt, daß es kein körperfreies Denken gebe, eine Behauptung, die man im Duktus unserer Überlegungen umkehren könnce: Es gibt keinen denkfreien Körper.
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Die soziologische Systemtheorie muß jedoch auf Grund ihrer eigenen Prämissen in diesem Primat eine epistemologische Blockade vermuten. Diese Theorie setzt (wenn auch in raffiniert zirkulären Verquickungen) die Operation der Beobachtung primär an. Der Körper des Menschen ist deshalb fiir sie beobachteter Körper. Und die Operation der Beobachtung vollzieht sich sinnförmig} Ein provokativer Ausdruck dafür ist: »Das Bewußtsein wohnt nicht im Körper, sondern der Körper wohnt im Bewußtsein.«6 Darüber hinaus ließe sich formulieren: Dieser Körper ist sozial designierter Körper, und er ist nichts jenseits der Designation. Oder besser: Ob er etwas ist, wenn er nicht beobachtet wird, ist schlicht unerheblich, weil ein Satz, der dies behauptet, nichts weiter ist als sinnförmige Beobachtung, nichts weiter als eine verweisende Selektion, absolut immanentes Moment, wie man auch sagen könnte, eines unabschließbaren Textes, der durch Sinnsysteme (psychisch und sozial) inszeniert wird.7 Der Körper des Menschen >ist< seine Beobachtung, und wenn jemand behauptet, er sei mehr als dies, hat er recht und unrecht zur gleichen Zeit - recht insofern, als Beobachtung immer auch Informationsraffung8 ist, Reduktion des Wahrnehmbaren auf Unterscheidung und Bezeichnung; unrecht insofern, als beobachtende Systeme ausschließlich als informarionsrafTende, also beobachtende Systeme beobachtbar sind. Wer von der Beobachtung auf die andere Seite der Nichtbeobachtung will, müßte die Grenze zum Präsignikativen überschreiten,9 die Sinnform verlassen können, und das hieße, daß er -
5 Diesem Unterschied zollt etwa die Leib/Körper-Unterscheidung Tribut. Vgl. Schmitz (1966; 1992). In diesem Text reden wir aber nahezu durchweg vom Körper. Der Grund dafür ist, daß ein begrifflicher Zugang gesucht wird, der Bewußtsein und Sozialsystcme gleicherweise betrifft. Es geht also nicht vordringlich um die bewußte Konstitution des Körpers als Leib. 6 Nishida (1989, S. 77). Siehe als modernere Version Johnson (1987). 7 Ohne Beobachtung zu beobachten, wäre der Versuch, alles, was ist, zu löschen. »Wir erzeugen eine Existenz, indem wir die Elemente einer dreifachen Identität auseinandernehmen. Die Existenz erlischt, wenn wir sie wieder zusammenfugen. Jede Kennzeichnung impliziert Dualität, wir können kein Ding produzieren, ohne Koproduktion dessen, was es nicht ist, und jede Dualität impliziert Triplizität: Was das Ding ist, was es nicht ist, und die Grenze dazwischen.« Spencer-Brown (1997, S. xviii). 8 Siehe zum Grundgedanken der Informationsraffung Günther (1969, S. ifF.). 9 Vgl. Ditterich/Kaehr (1979. S. 386). 49
zurückkreuzend - nichts zu berichten hätte.10 Der Körper ist insofern fiir Sinn-Systeme alles andere als super-evident. Die folgenden Überlegungen stellen sich diesem Befund.
I.
Der Körper des Menschen ist beobachteter Körper. Er ist schlicht nichts anderes als seine Beobachtung.11 Wenn man das sagt, behauptet man, daß er eine bestimme Form hat, nämlich die einer operativ eingesetzten Bezeichnung, die kombiniert ist mit einer Unterscheidung. Der Körper läßt sich nicht nennen, ohne daß die Nennung selbst einen Unterschied etabliert zu anderen Markierungen, wobei seit Saussure gilt, daß jede Markierung das, wofür sie gehalten wird, nur ist in der Differenz zu anderen Bezeichnungen. Die Markierung, die das Spiel einer unendlichen Sinn-Differentialität eröffnet, wird durch die Bezeichnung erzeugt und ist zugleich der Effekt der Differenz, oder, wie man seit edichen Dekaden sagen kann: der Effekt der dißerance}1 Damit ist für soziologische Fragestellungen (unter Verzicht auf philosophische Abzweigmöglichkeiten) nur gesagt, daß jede Operation der Beobachtung, sei sie bewußt, sei sie sozial, die >Identität< dessen, was sie beobachtet, in der Form des Nachtrags, in der Form der Differenz von Identität und Differenz ermittelt, daß sie also nicht etwas aufgreifen kann, das ist, sondern nur anschließen kann an das, was sie selbst als gegeben konstruiert. Daraus folgt, daß der Körper für soziale und bewußte Systeme gerade nicht ist, was er war und was er sein wird. Er ist statt dessen wie alle Ausdrücke, die bewußt und sozial fungieren, polyvalent. Er gleitet, wenn man so will, durch vielfältige Sinnzuweisungsmöglichkeiten, deren De-Arbitrarisierung nur im Kontext soziokultureller Evolution nachvollziehbar wird: als Einschränkung (bzw. Begünstigung)
10 Die Nuer setzen fiir das nicht Bezeichenbare die Bezeichnung »kwoth« (also eben eine Bezeichnung) ein. Vgl. dazu Schäfer (1999, S. 161). Im übrigen sind auch Bezeichnungen wie >Spüren< nichts weiter als Bezeichnungen. 11 Sicher kann man sagen: daß er mehr ist als nur dies und sich irgendwie anders als sinnfbrmig zur Geltung bringen kann, aber hier geht es darum, daß dies gesagt und gedacht (also beobachtet) wird. 12 Siehe dazu bündig Derrida (1988). 50
sozialer und dadurch auch bewußter Plausibilitäten.13 Sogar die Rede von dem einen Körper, um nur ein Beispiel zu nennen, ist alles andere als ubiquitär überzeugend. Für das antike Griechenland war der Körper als soma (Leichnam) ein Singular, der die Form der Seelenverlassenheit (des Ausfalls vitaler Dynamik) bezeichnete.14 Ansonsten erscheint er als Einheit nur unter wechselnden, aspekt-orientierten Gesichtspunkten. Die Glieder des Körpers heißen gyia, wenn es um die Bewegung geht, milea in Hinsicht auf die Kraft. Demos ist eher das Wort für die Statur, chrös eine Bezeichnung, die sich auf den Rand des Körpers, auf seine Umhüllung bezieht.15 Die Leib/ Seele-Unterscheidung, die erst sehr viel später prominente Leitunterscheidung wird, ist noch nicht präsent, der Körper noch nicht als Organisation von Organen, also als Organismus, der in Juxtaposition zur Psyche steht, aurgefaßt. Der Körper des Menschen ist kein Totum, er ist Diversifikation}** Erst auf langen Wegen wird das Schema Leib/Seele (Körper/ Geist) so ausgearbeitet, daß die Schemaseiten je für sich eigentümliche Weltzustände bezeichnen, die zwar in schwieriger Komplizenschaft aufeinander bezogen sind, aber eben nicht dasselbe bedeuten. Die Behauptung der Differenz (bei zugleich bestehendem, sozusagen kompliziertem Verhältnis) wirft bis heute die philosophische Frage nach der Einheit der Differenz (bzw. nach dem Zusammenspiel der Differenzseiten oder gar nach der Löschung der Differenz) auf. Soziologisch gesehen, mag die Semantik dieser Differenz sich gesteigerten Kontrollbedürfnissen unter Bedingungen hoher sozialer Komplexität verdanken: Nur ein Körper, der nicht Geist (heute: nicht Bewußtsein) ist, vollzieht die >höheren< Befehle, die sozial zurechenbar sind, also die Attribution von Verantwortlichkeiten für spezifisches Handeln ermöglichen.u Der Körper ist Vollzugsorgan einer höheren In13 Siehe als Überblick Böhme (1996;, der zeigt, daß die Referenz auf den Körper keineswegs evolutionär stillsteht. 14 Auf Begriffe wie Psycho-Somatik (und familienähnliche Wörter) wird damit ein sehr schräges Licht geworren. 15 Vgl. Hahn/Jacob (1994, S. 147) (unter Bezug auf Vemant). \6 Daß er ein Ganzes, eine Einheit sei, ist zunächst auch weder phänomenologisch noch vom Alltagserleben her evident. Siehe zum Argument Hahn/Jacob (1994, S. 15of.) Siehe auch für die Nachwirkung des Motivs der Mehrleibigkeit (Zweileibigkeit) Bachtin (1969). 17 Marx, weber, Elias, Foucault sind Kronzeugen für diesen KontroU- und Zivilisationsgedanken. Vgl. Hahn/Jacob (1994, S. 15z). 51
stanz, eine Maschine, die allerdings, wie in der Neuzeit mehr und mehr thematisierbar, aus dem Ruder laufen kann, Eigen-Sinn entfaltet, die Bewußtsein und soziale Systeme zu sabotieren in der Lage ist, ja sogar (denkt man an das weite Feld systemischer Therapie) in der Form von Symptomen, die sie (irgendwie) zuwegebringt, Kommunikation und Bewußtsein zu umgehen scheint. Die Maschine >dämonisiert< sich, aber sie ist gleichwohl noch Maschine-im-Gegenüber der Seele, des Geistes, des Bewußtseins. Man kann diese äußerst komplexe Entwicklung abkürzen, wenn man schlicht festhält, daß die Differenz Leib/Seele (Körper/Geist) zunächst auch von der soziologischen Systemtheorie aufgegriffen und behauptet wird.18 Sie ist ja schon von ihrem Ausgangspunkt (man müßte formulieren: ihrem Ausgangs-Schied) her, der System/Umwelt-Differenz, so angelegt, daß die Bereiche Körper, psychisches System und Sozialsystem entlang dieser Schlüsselunterscheidung aufgeordnet werden. Sie sind situiert in einem Verhältnis der, wenn man so sagen darf, Umweltigkeit füreinander, wobei das Bewußtsein und das Soziale ausgezeichnet sind als Sinn-Systeme, die über die Operation der Beobachtung verfügen, wohingegen der Körper (als Umwelt beider Systeme) nicht eigentlich als System begriffen wird, sondern als eine Art hyperzyklischer >Verschmierung< verschiedener und verschieden wirkender Systeme. Der Körper ist das, worauf das Bewußtsein und das Sozialsystem referieren können, aber diese Referenz erreicht nicht den Körper, der nur als Zeichen, als unterschiedenes Sinnmoment bezeichnet wird.19 So kann man zum Beispiel sagen, daß das Bewußtsein und soziale Systeme durch strukturelle Kopplung in ein Verhältnis wechselseitiger Irritationsmöglichkeiten gebracht werden, insofern sie beide beobachtende, Sinn in Anspruch nehmende Systeme sind, daß aber der Körper weder Bewußtsein noch Sozialsysteme anders denn als bezeichneter (eben durch diese 18 Dieses >zunächst< soll signalisieren, daß die Idee konditionierter Koproduktion diese Differenz unterläuft. Sie wird nicht in diesem Aufsatz thematisiert. Siehe aber Fuchs (2002a). 19 Man könnte einwenden, daß Körperzustände wie etwa Schmerzen oder Gefühle sich direkt als Irritationsquelle auswirken, aber das Argument ist hier: in der Registratur durch ein sinnförmig operierendes System und nicht als ein System, dem eigene Beobachtungsoperationen unterstellt werden könnten. Es ist nichts als eine Metapher, wenn man äußert, der Körper sage einem etwas, oder er müsse verstanden werden. Die Organe schreien nicht, wenn sie sich bemerkbar machen. Vgl. zu diesem Bild Kaeser (1997). 52
Systeme beobachteter) Körper irritieren kann, also nur in der Form kompletter Alterität, als Bezug oder Bezugnahme in einer nicht-körperlichen Operativität. Er ist selbst kein Beobachter. Der Körper bleibt für beobachtende Sinnsysteme das Signifikat eines Signifikanten, der das Zeichen nicht sprengt, weil das Signifikat Moment des Zeichens (nicht Moment einer wie auch immer gearteten Sinnexternität) ist; er kursiert als unterscheidungsgestützte Markierung in der geschlossenen Autopoiesis sowohl des Bewußtseins als auch des Sozialsystems und ist in dieser Hinsicht unaufhebbar sinn-immanent. Um so auffälliger ist es, daß er - wiewohl nur in dieser Form ansteuerbar - als Referenz unausweichbar erscheint. Er kann nicht weggedacht, nicht wegkommuniziert werden. Die Bezeichnung des Körpers ist in alle Operationen psychischer und sozialer Systeme eingebaut, sei es, daß er genannt wird, sei es, daß er als Conditio sine qua non schlechterdings vorausgesetzt ist. Man käme mithin nicht weiter, wenn man diese Nennung (Markierung) oder diese operative Vorausgesetztheit zum Anlaß nähme, den Körper des Menschen (nach so vielen Prozessen der De-Ontologisierung und Dekonstruktion) zu re-ontologisieren, ihn als originäre Präsenz aufzufassen, die dann wieder nur (wie immer auch subtil) beschrieben werden könnte. Der für die Systemtheorie typische Weg ist die Konstruktion des Problems, im Blick auf das die Nennung des Körpers und seine operative Vorausgesetztheit, die Begünstigung seiner präsentischen Evidenz als Lösung gedeutet werden kann, die mit anderen Problemlösungen vergleichbar ist.
2.
Zunächst ist wichtig, daß das Bewußtsein offenkundig keine körperlichen Eigenschaften hat.20 Es imponiert ersichdich nicht durch sein Gewicht, seine Masse, seine Ausdehnung. Es ist nicht isolierbar wie ein Präparat, das man ausstellen könnte. Es nimmt keinen Raum ein. Man kann dann zwar noch sagen, daß alle Bewußtseinszustände Körperzustände seien,21 aber man sagt damit auch, daß das Bewußtsein selbst nicht umstandslos mit diesen Körperzuständen zu identifizieren ist. Es muß, wenn man so will, sich denken, daß es an einen 20 Vgl. eingehender Fuchs (2003a). 21 Vgl. James (1920, S. 5). Siehe ferner Fuchs (2003b). 53
Körper geknüpft ist, und es kann dies nur denken, wenn ihm gesagt wurde, daß es sich so verhält.22 Es ist (in der Sprache der neueren Systemtheorie) die autopoietische Verkettung von Beobachtungen, die sich dem wahrnehmungsbasierten psychischen System einschreiben. Als autopoietisches System kann es nichts in sich hineinnehmen, nichts an sich entdecken, was nicht es selbst ist. Dabei ist die Subjektstellung, in die das Bewußtsein als »es< einrückt, zusätzlich irreführend. Das Bewußtsein ist kein Ding, das im Rahmen unserer Sprache ein Subjekt sein könnte, das sein Prädikat beherrscht. Es ist nicht >EsUnjekt