BIBLIOTHEK DER GRIECHISCHEN LITERATUR ISSN 0 340-7853
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BAND 39
BIBLIOTHEK DER GRIECHISCHEN LITERATUR
HER AUSGEGE B...
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BIBLIOTHEK DER GRIECHISCHEN LITERATUR ISSN 0 340-7853
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BAND 39
BIBLIOTHEK DER GRIECHISCHEN LITERATUR
HER AUSGEGE BEN VON PETER WIRTH UND WILHELM GESSEL
BAND 39
EIN BAND DER ABTEILUNG BYZANTINISTIK HER AUSGEGEBEN VON PETER WIRTH
ANTON HIERSEMANN STUTTG ART 1994
NIKEPHOROS GREGORAS
Rhomäische Geschichte HISTORIA RHOMAIKE
üBERSETZT UND ER LÄ UTERT VON JAN LO UIS VAN DIETEN
VIERTER TEIL ( K A PITEL X V III-XXI V,2)
ANTON HIERSEMANN ST UTTG ART 19 9 4
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Nicephorus (Gregoras): R homäische Geschichte Historia R homaike / Nikephoros Gregoras. übers. und er!. von Jan-Louis van Dieten. - Sruttgart: Hiersemann. Einheitssacht.: Byzantina historia (dt.) Teilw. auf derHaupttitels.:Jan-Louis van Dieten NE: Dieten, Jan-Louis van [Hrsg.] =
Teil 4. (Kapitel XVlIl-XXIV,2). - 1994 (Bibliothek der griechischen Literarur ; Bd. 39 : Abteilung Byzantinistik) ISBN 3-7772-9402-0 NE:GT
Printed in Germany © 1994 Anton Hiersemann, Stuttgart Alle R echte vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der übersetzung. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses urheberrechtlich geschützte Werk oder Teile daraus in einem photomechanischen, audiovisuellen oder sonsti gen Verfahren zu vervielfältigen und zu verbreiten. Diese Genehmigungspflicht gilt ausdrücklich auch für die Verarbeitung, Vervielfältigung oder Verbreirung mittels Datenverarbeirungsanlagen. Dieses Buch ist gedruckt auf holzfreiem, säurefreiem und alterungsbeständigem Papier. Lichtsatz in Sabon-Antiqua und Druck von Allgäuer Zeirungsverlag, Druckerei, Kempten. Bindearbeit von Kunst- und Verlagsbuchbinderei, Leipzig. Einbandgestalrung von Alfred Finsterer, Sruttgart.
INHALT
ERGÄNZUNG ZUM LITERATURVERZEICHNIS
in Band I, 11 und III EINLEITUNG .
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VII 1
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NIKEPHOROS GREGORAS: RHOMÄISCHE GESCHICHTE (übersetzung)
Kapitel XVIII
59
Kapitel XIX
84
Kapitel XX .
114
Kapitel XXI
138
Kapitel XXII
159
Kapitel XXIII
178
Kapitel XXIV
185
ANMERKUNGEN
193
REGISTER .
337
Bisher erschienene Bände dieser Ausgabe: Nikephoros Gregoras: Rhomäische Geschichte. Historia Roma"ike. übersetzt und erläutert von Jan Louis van Dieten. Erster Teil (Kapitel I-VII). 1973. VIII u.339 Seiten (
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BGL Band 4)
. Zweiter Teil (Kapitel VIII-XI) in 2 Halbbänden. 1979. XI/V u. 441 Seiten ( Bd.8 u.9) Dritter Teil (Kapitel XII - XVII). 1988. X u. 438 Seiten (
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BGL Bd.24)
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BGL
ERGÄNZUNG ZUM LITERATURVERZEICHNIS (in Bd. I, S. 301-307, Bd. II, S. V II -XI, Bd. III, S. IX -X)
Bat. Bosph. BALARD, Michel: A propos de la bataille du Bosphore. L'expedition genoise de Paganino Doria a Constantinople (1351-1352), in: Trav. Mem. 4 (1970) 431469. BEYER: Dem. Kab. BEYER, Hans-Veit: Demetrios Kabasilas, Freund und späterer Gegner des Gregoras, in: JÖB 39 (1989) 135-177. BEYER: Streit und Liedermacher BEYER, Hans-Veit: Der Streit um Wesen und Energeia und ein spätbyzantinischer Liedermacher, in: JÖB 36 (1986) 255-282. Boivin Jean Boivin in: Annotationes H. WOLFll, C. DUCANGII, 10. BOlVINI, CLAUDll CAPPE RONNERII, wie abgedruckt in Greg. Hist. Rhom. ed. Bonn. II 1149-1323. Capperon. Claudius Capperonnerius ebd. Greg. Antirrh. II Nikephoros Gregoras: Antirrhetikoi logoi deuteroi (gegen den Tomos v. 1351), in: Cod. Laur. LV I 14 fol. 1-159 (unediert; vgl. Bd. I 60 Ne. 71). J ORGA: Lat. et Gr. JORGA, N.: Latins et Grecs d'Orient et l'etablissement des Turcs en Eu rope (1342-1362), in: BZ 15 (1906) 179-222. KYRRIS: Cant. Gen. Yen. KYRRIS, Costas P.: John Cantacuzenus, the Genoese, the Veneti ans and the Catalans, in: Byzantina 4 (1972) 333-356. LMA Lexikon des Mittelalters. NICOL: Byz. Yen. NICO L, Donald M.: Byzantium and Venice, a study in diplomatie and cultural relations, Cambridge 1988. Phi10th. Antirrh. Philotheos Kokkinos: Logoi antirrhetikoi X V «gegen Greg.», in: Philo theou Kokkinou dogmatika erga A' (gr.) ed. Demetrios B. KAIMAKIS, Thessalonike 1983 (zitiert mit Kapitelnummer und Kapitelzeile). Phi10th. Enk. Philotheos Kokkinos: Logos enkomiastikos (auf unseren heiligen Vater Gre gorios Palamas, Erzbischof von Thessalonike), in PG 151,551-656. STRÄSSLE: Schwarzmeerhandel STRÄSSLE, Paul Meinrad: Der internationale Schwarz rneerhandel und Konstantinopel 1261-1484 im Spiegel der sowjetischen Forschung (Diss.), Bern 1990. TINNEFELD: Faktoren TINNEFELD, Franz: Faktoren des Aufstiegs zur Patriarchenwürde im späten Byzanz, in: JÖB 36 (1986) 89-115.
BALARD:
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EINLEITUNG
Die zweigeteilte Einleitung bringt im ersten Teil die üblichen allgemei nen Angaben zum Text des hier vorliegenden Bandes: Abfassungszeit die ses Teiles der Historia Rhomaike, Inhalt, Textüberlieferung und Text grundlage meiner Übersetzung, Allgemeines zur Übersetzung und Beson derheiten, auf die man in diesem Band achten soll, Persönliches. Der zweite Teil beinhaltet eine allgemeine - nicht urteilssterile - Einführung in den Streit um die neue Theologie des Gregorios Palamas, dem fünfund neunzig Prozent des Bandes gewidmet sind, sowie eine Übersicht über die sen Streit.
TEIL I. ALLGEMEINES
1. Die Abfassungszeit dieses Teiles der Historia Rhomaike Der vierte Teil meiner Gregoras-Übersetzung umfaßt die Kapitel VII XIII § 2 des zweiten Teiles der Hist. Rhom. bzw. die Kapitel XVIII -XXIV § 2 des gesamten Werkes. Nachdem Gregoras bald nach der Machtübernahme durch Kantak. im Februar 1347 den ersten bis 1341 reichenden Teil seiner großangelegten Hist. Rhom. veröffentlicht hatte (s. Bd. 11 15 f. , III 9), arbeitete er an einer Fortsetzung, die offenbar bis in die unmittelbare Gegenwart gehen sollte; denn als er etwa im Mai 1351 plötzlich um die Vollendung und Publika tion dieser Fortsetzung bangen mußte, konnte er noch eilig den bis März 1349 gediehenen Teil veröffentlichen (s. Bd. III Anm. 613) . Den in diesem und teilweise erst im nächsten (und letzten) Band enthaltenen Teil (Kap. XVIII-XXVII) verfaßte Gregoras als «Gefangene!», und zwar laut eigenem Bekunden innerhalb (etwa) vierzig Tagen. Er begann damit, wie er selbst berichtet, erst nach dem zweiten heimlichen Besuch, den sein Freund Agathangelos ihm i.{p Juni 1352 in seiner Haft abstattete (s. Grego ras ed. Bd. III 75,19 -76,2; vgl. dazu Beyer: Chronol. NI. 64. Zu den Besu chen des Agathangelos s. Bd. 126 - 30; Beyer o. c. NI. 62-70. 74) . Über die Zeit nach diesem und vor dem folgenden Besuch �eines Freundes Anfang 1
EINLEITUNG
August 1352 (Gregoras ebd. 134,13-20; zur Datierung s. u.) berichtet Gre goras, daß die göttliche Vorsehung ihm in seiner trostlosen Einsamkeit Er leichterung seines üblichen Leidens (Kopfschmerzen) gewährte, so daß er sich der Fortsetzung seines Geschichtswerkes widmen konnte (ebd. 130,1 - 10) . Obgleich er sich nichts, was man zum Schreiben braucht (131,19 - 22), insbes. kein entsprechendes Papier (132,23- 1 33,2) besorgen konnte und seine Augen und sein Kopf ihn weiterhin schmerzten (132,2lf.) , war er imstande, die Arbeit leichter als erwartet in kurzer Zeit fertigzustellen. Um Verbesserung kümmerte er sich danach nicht mehr, denn auf die an sich notwendige « zweite und dritte Hand» mußte er aus Zeitmangel und wegen der strengen Überwachung verzichten. Darum ließ er alles so, wie es ihm auf Anhieb «von erster Hand» geraten war (133,19 134,12; die betr. Stellen ausführlicher zitiert in van Dieten: Entstehung 12- 14). Die kurze Zeit, wovon Gregoras spricht, ist die Zeit zwischen dem zweiten und dritten Besuch des Agathangelos. In Bd. I 27 habe ich mit Guilland (Essay 46) das Fest der Gottesmutter, an dem Agathangelos Gregoras zum ersten Mal besuchte, mit dem Fest der unbefleckten Emp fängnis Mariä am 8. Dezember identifiziert, was aufgrund des orthodo xen Kalenders auf den 9. Dezember zu korrigieren wäre, wenn es um die ses Fest ginge. Meyendorff: Pa lamas 391 identifizierte aber das Fest als Mariä Darstellung im Tempel bzw. Mariä Tempelgang « qui selon lui ( Gregoras) n'etait ceIebre que par ses geoliers» , d. h. durch die Mönche des Choraklosters, die Gregoras oft als seine Gefängniswärter bezeichnet. Daß nur jene dieses Marienfest gefeiert hätten, steht weder so bei Grego ras, noch trifft es zu, da dieses Fest schon seit Anfang 8. Jh. bezeugt ist (s. Beck: Kirche 261 ) . Wohl aber bezeugt der Satz « das von meinen Gefäng niswärtern jährlich zu Ehren der ganz reinen Gottesmutter begangen wird » , daß Gregoras selbst von der Feier seiner «Hausgenossen» Abstand nimmt. Das betrifft freilich nicht das Fest des Tempelgangs an sich, da er es selbst in einer Predigt auf die Gottesmutter (s. Bd. I 54 Nr. 49) mitbe handelt hat. Er spricht darin aber im Gegensatz zu Palamas in einer dies bezüglichen Predigt (aus 1335) ganz absichtlich nicht von einem Eintritt Mariä in das Allerheiligste, sondern nur von einem Gang zum Allerheilig sten (s. Beyer: Antirrh. 166 f.) . In dem Sinne distanziert er sich von der Fei er der zu Palamiten gewordenen Mönche seines Klosters, denen das Fest ein Symbol des Eintritts in das Allerheiligste ihrer Gottesschau war. Diese Präzisierung ändert aber nichts daran, daß der erste Besuch des Agathan=
2
TEIL 1. ALLGEMEINES
gelos bei Gregoras mit Meyendorff und Beyer in die Nacht vom 20. auf den 21. November zu datieren ist (s. Beyer: Chrono1. Nr. 62) . Der zweite Besuch erfolgte laut Gregoras, nachdem Agathangelos sich inzwischen sechs Monate in Konstantinopel aufgehalten hatte (Gregoras III 75,19f.; vor dem ersten Besuch war er lange Jahre im Ausland gewe sen) . Beyer: Chronol. Nr. 64 setzt diesen Besuch «folglich im April oder Mai 1352» an, ich gehe von mindestens sechs vollen Monaten aus und da tiere den zweiten Besuch nicht vor d. 21. Mai und den dritten mit Grego ras (III 134,13 f.) (um die) vierzig Tage danach, also nicht vor d. 1. Juni. Der Ansatz auf die Zeit um den 1. Juni paßt aber noch nicht zu den ande ren Angaben bei Gregoras über den dritten Besuchstermin (vg1. Beyer: Chrono1. Nr. 66) . Gregoras läßt seinen Freund Agathangelos bei diesem Besuch über die jüngsten Ereignisse bis Ende Juni 1352 berichten (III 171,15 - 172,3) und schreibt danach: « Damals ging der Sommer zu Ende» (172,5 f.) . Damit kommen wir schon auf eine Datierung kaum vor d. 1. Juli. Weiter heißt es, daß das neue Jahr schon ziemlich nahe sei und schon fast vor der Tür stehe (172,15 f.) . Dafür ist aber der 1. Juli noch zu weit vom byzantinischen Neujahr am 1. Sept. entfernt. Aufgrund der Tat sache, daß Agathangelos zu Gregoras kam « in einer Nacht, zu deren Be ginn nach verstrichenem Vollmond der Mond nicht schien» (134,16-20) und im J. 1352 am 23. od. 24. August Vollmond war, schloß Beyer 1. c. auf einen Besuch zwischen dem 25. und 30. August. Er verkürzt aber die Be schreibung des Gregoras, der erklärt, warum am Anfang jener Nacht der Mond nicht schien, weil nämlich die abnehmende Halbmondphase schon vorbei war. Er kann also nicht den Vollmond vom August, sondern nur den vom 25. od. 26. Juli (vg1. Beyer o. c. Anm. 119) im Auge haben, und der Besuch ist demnach nicht vor ca. d. 5. August anzusetzen. Das paßt auch besser zur umständlichen Beschreibung der Nähe des Neuen Jahres, das nach dem 25. August nicht « schon fast», sondern unmittelbar vor der Tür stand. Ich bevorzuge es darum, die Datierung des zweiten Besuchs « nachdem Agathangelos sich inzwischen sechs Monate in der Stadt aufge halten hatte» als grob angedeutet zu betrachten und für diese sechs Mona te knapp sieben zu berechnen, d. h. den zweiten Besuch in die dritte Woche des Juni zu datieren. Wenn..man dazu in der heiligen Zahl von vierzig Ta gen zwischen zweitem und drittem Besuch eine etwas großzügige Abrun dung sieht, kommt man von dort aus in den Anfang des August. Nun spricht Gregoras aber davon, daß die <ekdemia> des Agathangelos schon 3
EINLEITUNG
vierzig Tage dauerte, bevor er wiederkam. Aus dem Wort ekdemia schloß Beyer 1. c., daß Agathangelos nach dem zweiten Besuch eine Reise (außer Landes = weg aus Konstantinopel) unternommen habe und die vierzig Tage, wovon Gregoras spricht, weder auf die Gesamtabwesenheit des Agathangelos noch auf die Dauer seiner Reise, sondern auf die Zeit zwi schen der Reise und dem dritten Besuch zu beziehen seien (0. c. Anm. 119). Es handele sich dabei um die Reise, die Agathangelos als Begleiter der Kai serin Eirene machte und worüber er Gregoras berichtet, dabei sich selbst als Manuel Angelos darstellend (Beyer: Chronol. Nr. 66 Anm. 119 u. S. 144 f.). Zur letztgenannten Hypothese brauche ich mich hier nicht zu äußern, denn ich lehne die Interpretation von « ekdemia» bei Gregoras 134,13 als « Reise» ab. Ab 130,1 spricht Gregoras ausschließlich darüber, wie es ihm nach dem Weggang des Agathangelos nach seinem zweiten Be such in seiner Gefangenschaft erging, und zwar darüber, wie er jetzt mit seiner Geschichtsschreibung vorankam. Der Übergang auf den Bericht über den dritten Besuch erfolgt mit den Worten: « Als die <ekdemia> des Agathangelos schon die Zwischenzeit von vierzig Tagen durchmaß . . . » , was Boivin m . E. richtig übersetzte mit: « quadraginta diebus post Aga thangeli discessum praeterlapsis» . Für mich weist Gregoras mit diesem Satz zurück auf das Fortgehen seines Freundes nach dem zweiten Besuch, das er 130,1 erwähnt hat, und nicht voraus auf eine Reise, worüber er Agathangelos erst weiter unten (152,1 ff.) berichten läßt, was hier niemand ahnen kann und wovon auch Gregoras selbst in seiner Darstellung zu die sem Zeitpunkt noch nichts wußte. Daß er für die Abwesenheit seines Freundes das etwas « schwere» Wort ekdemia wählte (das außer « in die Fremde gehen» auch hinscheiden/sterben bedeuten kann), halte ich aus der Sicht des von der Außenwelt abgeschlossenen und auf der Insel seiner Haft sich nach Kontakten sehnenden Gregoras für nicht außergewöhn lich. Für mich bleibt es dabei, daß Gregoras laut eigenem Bekunden die zehn Bücher seiner Hist. Rhom. ( Kap. XVIII- XXVII), die er Agathan gelos bei seinem dritten Besuch zur VervieIfältigung und Verbreitung über gab (135,6-137, 3), in (den) vierzig Tagen (zwischen d. 2. u. 3. Besuch) Ende Juni/Anfang August 1352 geschrieben hat. Das wären ca. 400 Seiten in 40 Tagen (im Durchschnitt 10 Seiten pro Tag). Ich kann dazu nur seuf zen: Hätte ich sie oder auch nur den in diesem Band enthaltenen Teil da von (ca. 275 Seiten) in so kurzer Zeit übersetzen und kommentieren kön nen! =
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TEIL I. ALLGEMEINES
Es ist klar, daß Gregoras nicht das ganze 27ste « Buch»/Kapitel (also auch XXVII 9-58 ed. Bonn. III 130- 175) Agathangelos beim dritten Besuch hat übergeben können. Denn der größte Teil dieses Kapitels bringt eben den Bericht über diesen Besuch und über das, was er erst nun von Agathangelos erfuhr, und außerdem erwähnt Gregoras ganz am Ende den Anbruch des Frühlings 1353 und die Erwartung eines baldigen vierten Be suchs des Agathangelos (174,7- 175,5). Diesen Teil muß er also beim vier ten Besuch nachgereicht haben (s. v. Dieten: Entstehung 16; vgl. Beyer: Chronol. 143 f.). =
2. Der Inhalt dieses Teiles der Historia Rhomalke Gregoras selbst schreibt darüber folgendes : « Nur war da (in meinem Elend) Gott, der . . . mich befähigte, die Geschichte . . . auf die gleiche Wei se in spontanen Gedenkschriften festzuhalten, wie ich das auch früher (zu tun) gewohnt war . . . » (ed. Bonn. Bd. III 130,6- 10). « Durch Gottes Vorse hung brachte ich in kurzer Zeit beinahe die ganze Geschichte zu Papier, ohne wichtige Dinge auszulassen oder solche, die überflüssig scheinen könnten, einzuflechten, sondern ich bediente mich auf absolut einfache Weise des erzählenden Stils. Freilich dort, wo es um die Dogmen und um die Vorgänge auf jenem (bekannten) Räuberkonzil ging, hielt ich es für notwendig, mein T hema mit besonderer Sorgfalt auszuarbeiten . . . » (131, 23 - 132,8) . « Ich habe nach deinem Fortgehen (Agathangelos) diese zehn Kapitel verfaßt und niedergeschrieben auf Papier, das sich anbot, eilig und in großer Angst, da Gefahren mich ganz und gar umgeben und einkreisen. Und soweit es die knappe Zeit zuließ, habe ich sie mit den übrigen Kapi teln meiner Historia Rhomaike verbunden» (136,10- 17). Diese zehn Kapitel waren demnach vom Autor von Anfang an als Fort setzung seiner Historia Rhomaike gedacht, und er hat sich darum be müht, einen einwandfreien Anschluß an den vor seiner Haft eilig heraus gebrachten zweiten Teil seiner Geschichte herzustellen. Es handelt sich am Anfang dieses Bandes auch tatsächlich um eine Fortsetzung der Historia Rhomaike in ihrer bisherigen Form, doch bald muß der Leser sich mit ei ner starken Wandlung abfinden: aus einer allgemeinen Geschichte des by zantinischen Reiches wird eine Monographie über die jüngste Entwick lung im Kampf um die Theologie des Gregorios Palamas. Die zehn Kapitel sind in der Überlieferung den obigen Angaben des Au5
EINLEITUNG
tors entsprechend an erster Stelle als Kapitel des zweiten Teiles der Histo ria Rhomaike gezählt, also « Kap. VII des 2. Teiles» usw., aber auch, wie die schon vorab herausgebrachten Kapitel I-VI, als Kapitel des Gesamt werkes, also als Kap. XVIII usw. Inhaltlich fährt Gregoras genau an dem Punkt fort, an den er am Ende von Kap. VI bzw. XVII gekommen war: die Lage des Reiches unmittelbar nach der byzantinischen Niederlage im Krieg gegen die Genuesen von Galata vom 6. März 1349. Die Vorwar nung, der Leser solle sich auf eine besondere Behandlung des Streites um die christlichen Dogmen gefaßt machen, erweist sich als in jeder Hinsicht zu schwach; auch die schlimmsten dadurch geweckten Befürchtungen werden von der Wirklichkeit übertroffen. Die « normale» Geschichte füllt in diesem Band die Seiten 869 - 880 der Bonner Ausgabe 4,4%, der Streit um die Rechtgläubigkeit die Seiten 881 - 1146 95,6%. Das Einverständ nis des Lesers voraussetzend, habe ich deshalb einen Teil dieser besonders ausführlichen Darstellung, wo sie in der Hauptsache der Widerlegung der palamitischen Theologie aus Vätertexten gewidmet ist, nicht vollständig übersetzt, sondern zusammengefaßt (Näheres dazu unten S. 12 f. und Anm. zu S. 958,18 ff. ) . An geschichtlichen « Fakten» bringen die Kapitel dieses Bandes folgen des. =
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Kap. VII
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XVIII
Ed. Bonn. Bd. 11, S. 869,1- 870,8: Reaktion des Kantak. auf die Niederlage vom sechsten März 1349. 870,8 - 871,7: Tod des Patriarchen Isidoros (Febr./März 1350), der vom Autor nachträglich für die genannte Niederlage mitverantwortlich ge macht wird. 871,8 - 876,3 : Einsetzung des Patriarchen Kallistos (10. 6. 1350) , der geeig net scheint, den Sieg des Palamismus auf einem Konzil zu besiegeln. 876,3 - 21: Die Opposition gegen den neuen Patriarchen wird mit Hilfe dieser Zielsetzung gebrochen (Sept. 1350) . 876,22 - 880,7: Vorbereitung des Konzils über die Theologie des Palamas und Einbeziehung von Byzanz in den Krieg Venedigs gegen Genua (April/Mai 1351). 880,7 -21: Zuerst ist das Konzil zu behandeln. 881,1- 884,5: Die Vorbereitung. 6
TEIL I. ALLGEMEINES
884,6- 890,19: Letzter Versuch des Gregoras, Kantak. zu « bekehren». 890,19 - 891,19: Gregoras wird Mönch. Der erste Sitzungstag (27. 5.) bricht an. 891,20 - 896,14: Aufmarsch der Antipalamiten. 896,15 - 898,4: Verzögerung der Konzilseröffnung. 898,4 - 907,17: Eröffnung und Eröffnungsrede des Kaisers Kantak . Kap . VIII
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XIX
909,1 - 935,23: Fortsetzung des Berichtes über die erste Sitzung. Gregoras antwortet dem Ks. und läßt sich weder von ihm (917,23 -918 ,11) noch von Palamas (925,1-3) am Reden hindern. 936, 1 -937,23 : Kantak. antwortet Gregoras. 937,23 - 938,7: Palamas u. a. pflichten ihm bei. 938,7 - 939,4: Gregoras setzt an zu einem neuen Vortrag, 939,4- 10: aber als er das Thema Thaborlicht anschneidet, verbietet ihm der Ks. weiter zu reden. 939,11 - 945,15: In einem Exkurs behandelt Gregoras das Thema Thabor licht für seine Leser. 945,15-946,5: In einem plötzlichen Gefühlsausbruch nimmt er den un heilvollen Konzilsausgang vorweg. 946,6-953,15: Er setzt seinen Exkurs über das Thaborlicht fort. Kap. IX
=
XX
955,1-7: Gregoras bricht wegen Kopfschmerzen seinen Exkurs ab und verspricht weiteres für später. 955,7-963,12: Er kehrt zurück zum Punkt, an dem der Ks. ihm das Wort abschnitt, und antwortet auf den Vorwurf, er verbiete das Theologisie ren. 963,13 - 964,10: Der Ks. unterbricht ihn wiederum und übergibt Palamas das Wort. 964,10- 969,9: Kommentierte Zusammenfassung des Auftritts des Pa la mas. 969,10- 975,5: Kritik an der Rede des Palamas, nicht vor dem Konzil, son dern für den Leser. 975,5- 976,6: Gregoras hat bisher nicht erwähnt"ob er Palamas auf dem 7
EINLEITUNG
Konzil geantwortet hat. Hier heißt es plötzlich: er konnte vor Kopf schmerzen nicht weiterreden und überließ seinen Mitstreitern das Wort, die selbst darüber geschrieben haben. 976,6 -977,17: Spätabends we>'den die gegen Barlaam im Tomos v. 1341 niedergelegten Väterzeugnisse über das Thaborlicht vorgelesen. Die Pa lamiten führen nun das große Wort. Protest wird nicht geduldet. 977,18 f. Das Konzil wird vertagt auf den 30. 5. 977,19-980,8: Der Tag endet mit Aktionen des Volkes gegen Palamas und seine Anhänger sowie einem Triumphzug für Gregoras. 980,9 - 984,22: Am nächsten Tag (28. 5.) erwirkt Palamas Verfolgung und Einschüchterung seiner Gegner durch den Ks. 984,23 -990,21: Die zweite Sitzung (30. 5.). Ihr geht ein ergebnisloses Ge spräch des Ks. mit Gregoras voraus und 990,21 - 992,7 eine Beratung der Palamiten über Einschüchterung ihrer Gegner. 992,8- 996,4: Man läßt diesmal die Antipalamiten nicht zu Wort kom men; diese ziehen aus. Kap . X = XXI 998 ,1- 999,7: 2. 6.: der Ks. versucht noch einmal, Gregoras umzustimmen. 999,8 - 1001,11: Die dritte Sitzung (8. 6.) . Die Antipalamiten tragen Bean standungen der Lehre des Palamas vor; dieser kann seine Thesen nicht verteidigen. 1001,12- 1002,13: Gregoras überläßt es wegen Kopfschmerzen anderen, insbes. einern seiner Schüler, zu antworten. Dieser besiegt Palamas. Die Sitzung wird aufgehoben. 1002,14- 1003,9: Die Palamiten präparieren eine neue Sitzung. 1003,9- 1006,18: Die vierte Sitzung (ca. 15. 6.). Die Widerlegung der The sen des Pa lamas wird fortgesetzt, aber vorn Ks. abgebrochen. 1006,18 - 1010,10: Ab jetzt können die Palamiten sagen und sanktionieren, was sie wollen. 1010,10- 1013 ,3: Die zwei bischöflichen Gegner des Palamas werden abge setzt und handgreiflich ihrer Würde entkleidet. Danach können sie und die übrigen Antipalamiten unbehelligt nach Hause gehen. 1013,4- 1021,7: Wenige Tage später (gegen Ende Juni) erhält Gregoras Hausarrest. Sein Schicksal erinnert an frühere Verfolgungen. 8
TEIL I. ALLGEMEINES
1021, 8 - 1025,14: Die Palamiten vollenden ihre Arbeit auf weiteren Sitzun gen (Juni - Juli) mit Verurteilungen und dogmatischen Definitionen. 1025,14- 1028,20: Gregoras beklagt seine Verlassenheit und insbes. die Untreue eines Freundes (Kabasilas). 1028,21 - 1033,1: Proklamation des palamitischen Tomos in der Agia 50phia (15. 8.). Die göttliche Strafe folgt auf dem Fuße. 1033,1 - 1036,7: Vergleich mit früheren Zeiten. Kap. XI = XXII 1037, 1 - 1050,12: Versuche, Gregoras umzustimmen und ihn bezüglich des Tomos zu täuschen, schlagen fehl (Sept.lOkt. 1351). 1050,13 - 1146,17: Eine ausführliche Diskussion mit seinem untreuen Freund Demetrios Kabasilas und einem anonymen Theologen endet ergebnislos. 3. Die Überlieferung dieses Teiles und die Textgrundlage dieser Übersetzung Wie wir gesehen haben, gab Gregoras vom zweiten Teil seiner Historia Rhomaike zuerst die Kapitel I-VI ( XII - XVII des Gesamtwerkes) ge trennt heraus (ca. Mai 1351) und danach zehn weitere Kapitel (VII bzw. XVIII- XVII bzw. XXVII) im Frühjahr 1353. Ich bringe davon in diesem Band nur den Teil bis Kap. XIII bzw. XXIV § 2 und schließe mich damit Boivin an, der seine Ausgabe so plante: Bd. I: Kap. I - IX, 11: Kap. XII XXIV § 2, III: Kap. XXIV § 3 - XXXVII, davon aber nur die beiden er sten Bände tatsächlich veröffentlichen konnte (1702). So blieb die editio princeps des dritten Bandes dem Gregoras-Herausgeber im Bonner Cor pus Ludwig Schopen vorbehalten (s. van Dieten: Entstehung 3 -9). Diese merkwürdige Einteilung empfiehlt sich nicht nur des Umfangs wegen (s. u.), sondern auch, weil mit Kap. XXIV § 3 eine andere Art Geschichts schreibung einsetzt. Gregoras schrieb ab hier (bis einschließlich XXIX § 25) nicht mehr als direkter Augenzeuge, sondern zeichnete auf, was er aus dem Mund seines Freundes Agathangelos während fünf Besuchen über die Zeit vom Juli 1351 bis Herbst 1354 erfuhr. Für diese Übersetzung kommt als Grund hinzu, daß ich von den übrigen Kapiteln XXX XXXVII sechs (XXX- XXXV) auslassen werde" weil sie rein theologi=
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EINLEITUNG
scher Natur sind (Dispute über die Lehre des Pa lamas vor einem lateini schen Bischof ( XXX - XXXI) bzw. mit Kantak. und anderen Palamiten ( XXXII -XXXV), als nicht zum eigentlichen Geschichtswerk gehörig (s. van Dieten ebd. 17 - 19) , so daß sich - wie gesagt - auch vom Umfang her der Einschnitt nach XXIV § 2 empfiehlt. Auch wenn dieser Einschnitt nicht vom Autor stammt, so hat er doch auch zu ihm einen besonderen Bezug. Seine ursprünglich nicht vom Pala mismusstreit beherrschte Geschichtsschreibung, die er im Kap. XVIII § 3 (S. 8 81,1) abbrach, um diesen Streit in aller Ausführlichkeit zu behandeln, nimmt er ab XXIV § 3 wieder auf, als er endlich in der ihm seit Juni 1351 auferlegten Absonderung von der Welt wieder erfährt, was sich dort seit dem abspielte und abspielt. Die Textüberlieferung der Historia Rhomaike ist eng verbunden mit der hier kurz angedeuteten Freigabe einzelner Teile für die Vervielfältigung und Verbreitung. Darin gehört der hier übersetzte Teil zum größeren Komplex der Kapitel XVIII - XXVII, die Gregoras ab August 1352/Früh jahr 1353 abschreiben und verbreiten ließ (s. o.). In genau dieser Zusam mensetzung sind sie auch überliefert im Codex Genev. 35, 2. H. 15. Jh. ( G) und den daraus kopierten Codd. Escorial T 1 - 2 und Londin. Br. Mus. Addit. 16405. Man darf als sicher annehmen, daß wir in G eine Ko pie eines der Exemplare vor uns haben, die unmittelbar nach 1353 herge stellt wurden (s. van Dieten: Entstehung 16 f.; Beyer: Gregoras als Theolo ge 174- 178; ders.: Chronol. Nr. 144). Dazu paßt die getrennte Überliefe rung von Kap. 28 -33, ursprünglich aber wohl 28-35 im Cod. Paris. gr. 1276 (Vorlage v. Marc. gr. 405, der wieder Vorlage war v. Palat. ( Heidelb.) 299 und Escorial Y- I -7) , s. van Dieten: Entst. 17- 19 u. 25. Außer G sind zwei weitere Hss. für diesen Teil der Hist. Rhom. wichtig: Cod. Vat. gr. 1095, 14. Jh. ( V) und Laurent. LVI 14, ausg. 14. Jh. ( L). Ersterer enthält die Kap. 1 8 - 37, der andere 18 - 29,18 (ed. Bonn. III 236,6) . Cod. V zeigt aber nach Kap. 29 einen deutlichen Einschnitt. Wir haben es, wie ich Entst. 18 f. gezeigt habe, mit einem Codex aus getrennt entstandenen Teilen zu tun: Kap. 18 - 29, 30-31, 32-35, 36 - 37 (verse hentlich vom Zusammensteller der ganzen Hs. 37- 3 8 gezählt). Die Kap. 18 - 29 bildeten also eine ursprünglich getrennt abgeschriebene Einheit. Cod. L besteht aus zwei Teilen; der erste Teil, fol. 1 - 163, enthält die Logoi antirrhetikoi deuteroi des Greg., in die als Erweiterung von Kap. 6 drei Bücher über das Thaborlicht eingefügt sind = Hist. 32 - 34 (fol. 97"ff. =
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TEIL I. ALLGEMEINES
ed. Bonn. III 375 ff.) ; der zweite Teil, fol. 164 -286 enthält aus der Hist. Rhom. Kap. 18 -29,18. Da das letzte Heft nur aus zwei Blättern besteht, darf man wohl davon ausgehen, daß wir es auch hier mit einem Exemplar der getrennten Überlieferung von Kap. 18 -29 zu tun haben. Anders als Kap. 27 bildet Kap. 29 einen geeigneten Abschluß eines eigenen Teiles der Historia Rhomaike. Daß Gregoras Kap. 18 - 27 vorzeitig veröffentlicht hat, ist erklärlich, da er nicht wußte, ob er noch eine Gelegenheit zur Voll endung und Publikation bekommen würde, deshalb auch die Freigabe ei nes anerkanntermaßen auch stilistisch unfertigen Manuskripts im August 1352. Als er aber frei war, konnte er es natürlich nicht lassen, sein Werk so bald wie möglich bis zum Sturz des Kantak. und zu seiner eigenen Befrei ung (Ende Nov. 1354) fortzusetzen, was ihm freilich nicht vor 1356 ge lang. Daraufhin konnte er einen weiteren Teil seiner Hist. Rhom. der Öf fentlichkeit übergeben, die Kapitel 28 -35, wiederum nur zwei davon (28 -29) historisch und sechs (30 - 3 1 sowie 32- 35) theologisch, aber dazu mehr im nächsten Band (vgl. auch van Dieten: Entstehung 17 f.). Wir haben also in den Codices V und L zwei Handschriften vor uns, worin der Text von G um zwei Kapitel erweitert, aber, wie der Textver gleich zeigt, auch der vorausgehende Teil vom Autor ein wenig überarbei tet wurde, besonders gegen Ende des 27. Kapitels (vgl. Beyer: Chronol. 144). 4. Die Übersetzung a.
Allgemeines
Grundlage dieser Übersetzung ist der griechische Text der Bonner Aus gabe, korrigiert aufgrund einer vollständigen Kollation mit den Hss. V, L und G. Die Kopien aus diesen Hss. konnten außer acht bleiben. Auf V gehen zurück Paris. gr. 3075, Havniensis 1986 und Chicago Univ. 51. Ko pien aus L sind mir nicht bekannt. Die aus G habe ich oben schon ge nannt. Cod. Paris. gr. 3075 wurde für Boivin aus V abgeschrieben, der für seine Ausgabe hauptsächlich auf dieses « apographum valde mendosum» angewiesen war, auch wenn er in Rom eine Nachkollation verdächtiger Stellen hat vornehmen las.§en (s. van Dieten: Entst. 7). Der edierte Text des hier übersetzten Teiles der Hist. Rhom. ist bedeutend schlechter, als das bei Bd. 1 - III der Fall war. Zum Beispiel fehlen an mehr als 25 Stellen Satz teile von fünf bis über zwanzig Wörtern. Auf di�se und andere Fehler, die 11
EINLEITUNG
es dem Leser unmöglich machen, die Übersetzung mit dem edierten Text zu vergleichen, wird in den Anmerkungen hingewiesen. Kleinere Korrek turen, die beim Vergleich der Übersetzung mit dem edierten Text keine Probleme verursachen, habe ich stillschweigend vorgenommen. Einen Überblick über die wichtigsten Textkorrekturen findet man im Index s. v. Was die Art der Übersetzung betrifft, habe ich mich wie bisher bemüht, Texttreue und nach Möglichkeit auch eine gewisse Stiltreue mit genießba rem Deutsch zu kombinieren. Dabei war mir für die letztgenannte Seite dieses Balanceaktes meine Frau eine ebenso unermüdliche wie strenge Hilfe. Unregelmäßigkeiten in der Vorlage
Eine gelegentlich etwas unklare Präsentation der Materie ist nicht der Übersetzung, sondern der Vorlage zuzuschreiben. Sie ist eine Folge der Tatsache, daß der Autor - wie er selbst bezeugt - es an der zweiten und dritten Hand hat fehlen lassen. Dieser Mangel hat schon oben in der In haltsangabe seinen Niederschlag gefunden (s. z. B. zu S. 975,5 ff.). Zusätz lich will ich hier auf folgendes hinweisen. Im Bericht über das Konzil v. 1351, aber auch in dem über den Disput mit Kabasilas ist nicht immer so fort klar, an wen der Autor sich richtet. Gelegentlich verliert er aus den Augen, daß er nicht wiedergibt, was er auf dem Konzil gesagt hat, son dern dem Leser in einem Kommentar unterbreitet, was er auf dem Konzil gern hätte sagen wollen, aber aus welchem Grund auch immer nicht hat sagen können. Er bleibt also in diesen Berichten nicht bei der Sache und vermischt die Konzilsdebatte bzw. die Diskussion mit Kabasilas mit nach träglichen Betrachtungen. Auch in der Anrede seines Leserpublikums ist er nicht konsequent. Mal scheint er sich bei seiner vierzigtägigen Fleißar beit eine Hörerschar von Freunden vorgestellt zu haben, mal einen einzi gen Zuhörer. Wo solche Inkonsequenzen störend wirken, habe ich in den Anm. darauf hingewiesen (s. Anm. 35, 43, 259-261, 291, 313, 315, 345, 351, 354, 582) . b. Besonderheiten Teilzusammenfassungen
Wie schon gesagt, habe ich auf eine vollständige Übersetzung der theo logischen Widerlegung der palamitischen Thesen und der dazu ins Feld 12
TEIL l. ALLGEMEINES
geführten Väterzitate verzichtet, da diese die Mehrzahl der Leser nur mä ßig interessieren würde. Was sich um das Konzil und auf dem Konzil v. 1351 abspielte, auch was dort alles an nicht Theologischem gesagt wur de und wie man miteinander umging, habe ich vollständig übersetzt, wo bei die Theologie natürlich nicht einfach ausgeklammert werden konnte. Die Schilderung der dort auftretenden Personen und ihres Verhaltens, was und wie sie etwas sagten, der ganze Ablauf des für die orthodoxe Kirche folgenschweren Ereignisses ermöglichen dem Historiker manchen interes santen Einblick in die damalige byzantinische Welt, der das Fehlen von aufsehenerregenden Fakten aufwiegt. Von der theologischen Debatte habe ich soviel übersetzt, daß ihr Verlauf dem Leser deutlich bleibt. Von der Konzilsdebatte sind darum hauptsäch lich nur die Väterzeugnisse dem Rotstift zum Opfer gefallen (S. 958,18 963,12; 972,8 - 21; 974,4-975,2; 988,13 -989,12) . Radikaler habe ich die Diskussion des Greg. mit Kabasilas und dem anonymen Theologen be schnitten (1016,1 - 13; 1059,21- 1111,11; 1112,12 - 1118,5; 1119,1- 1143,14) . Außerdem hielt ich die aus Zitaten zusammengesetzte Klage S. 1015,161020,12 für überflüssig und irrelevant. Was die Art der Zusammenfassung betrifft, lasse ich im Textteil S. 958,18 - 1020,12 nicht Gregoras reden, sondern präsentiere selbst das, was ich dort zusammenfasse: wie die Väterzitate ins Spiel gebracht und welche Väter zitiert werden, was Sinn und Zweck der Zitate ist. Die Iden tifizierung der Zitate geschieht in den Anmerkungen (mehr dazu unten). Den Disput mit Kabasilas fasse ich, wie gesagt, mit Ausnahme von weni gen TextsteIlen (1050,12 - 1056,1; 1056,13 - 1059,20; 1111,11- 1112,11; 1143,14- 1146,17) in seiner Ganzheit zusammen und gestalte diese Zusam menfassung so, wie wenn sie in dieser Kürze von Gregoras selbst geschrie ben worden wäre (vgl. Anm. 536) . Die Zeugnisse der Väter und der heidnischen Philosophen
Gregoras verwendet im theologischen Teil seines Werkes eine Menge Väterzitate und in geringerem Maße auch Zeugnisse heidnischer Philoso phen (Aristoteles, Platon, :elotinos, Proklos ) . Schon Boivin und sein theo logischer Mitarbeiter Claudius Capperonnerius haben einen Teil davon « identifiziert», d. h. den Autor (wenn nicht genannt) , das Werk und unge fähr die Stelle des Werkes in der von ihnen benutzten Ausgabe in ihren 13
EINLEITUNG
Notizen verzeichnet. Besondere Erwähnung verdient hier, daß schon Boi vin den von Gregoras als Theodoros Graptos präsentierten Autor als ei nen Pseudo-Theodor erkannte und als den wahren Lieferanten der Theo dorzitate den Patriarchen Nikephoros I. ermittelte (s. Anm. 266) . Die mei ste Arbeit blieb aber noch zu tun, bis Fatouros: Test.App. (s. Lit.-Verz. Bd. 1II S. IX) den Löwenanteil dieses Werkes leistete. Vor allem was die Väterzitate (nach Migne PG) betrifft, habe ich davon dankbar Gebrauch gemacht. Leider hat auch Fatouros nicht alle Zitate identifiziert und ver zeichnet in seiner Liste (mit wenigen Ausnahmen, s. z. B. Romanos Melo des) nicht auch jene Zitate, die er nicht (gesucht?) gefunden hat. Dies trifft bes . für Chrysostomoszitate zu, kommt aber auch bei solchen von Atha nasios, (Pseudo-)Dionysios Areopagita, Gregorios v. Naz., Gregorios v. Nyssa, Johannes v. Damaskos, Maximos Confessor vor. Zur Gänze fehlt in der Liste von Fatouros der Ps.-Theod. Graptos bzw. Nikephoros Patri archa. Ich habe sämtliche Zitate nach Möglichkeit überprüft und präzi siert, aber nicht versucht, alle bisher nicht identifizierten Zitate ausfindig zu machen. Ich besuche nur noch gelegentlich eine größere Bibliothek, die eine solche Arbeit ermöglicht, und der Gewinn für diese Übersetzung würde das Hinauszögern der Fertigstellung dieser ganzen Arbeit nicht aufwiegen. Hier und da wird man aber trotzdem Ergänzungen und Ver besserungen zu der von anderen auf diesem Gebiet geleisteten Arbeit fest stellen können. Synode oder Konzil
In den vorausgegangenen Bänden habe ich das griechische Wort Syn odos immer mit Synode übersetzt. Es ging dabei meistens um nicht-öku menische Synoden in der Zeit, über die Gregoras schrieb, und nur gele gentlich um eines der alten ökumenischen Konzilien (gr. Synoden) , was immer im Kontext sofort deutlich war. Als einfache zeitgenössische Syn oden des Konstantinopolitaner Patriarchats behandele ich in diesem Band (wie in den vorausgehenden) die sich mit Palamas befassenden Synoden der Jahre 1341 und 1347. In diesem Band spielt aber eine «Synode» die Hauptrolle, die an sich zwar keinen höheren Rang hatte, aber laut Grego ras von Kantak. als Ökumenisches Konzil geplant war und sich in jedem Fall die Autorität eines solchen Konzils angemaßt sowie durch die nach trägliche Rezeption in den anderen orthodoxen Patriarchaten orthodox14
TEIL I. ALLGEMEINES
ökumenische Geltung erlangt hat. Um diese Sonderstellung der «Synode» v. 1351 hervorzuheben, spreche ich in diesem Fall in meiner Übersetzung vom Konzil v. 1351. Energeia-Wirkung / Wirksamkeit / Wirkungsvermögen
Der wichtigste Begriff in der palamitischen Theologie ist der Begriff Energeia. Die göttliche Energeia ist Palamas' eigentlicher Gott, der Schöp fer, der Gnadenspender und Vergöttlicher, der Gott, zu dem der Mensch Zugang hat und den er kennen, ja als Auserwählter mit seinen leiblichen Augen gelegentlich sehen kann, während das göttliche Wesen, d. h. der an und für sich seiende und real existierende Gott, für ihn irrelevant ist, da er unzugänglich bleibt, sich in keiner Weise mitteilt, weder Schöpfer der Welt noch Gnadenspender der Menschen ist, sondern, wollte er sich irgendwie mitteilen, alles restlos vernichten würde. Das Wesen Gottes steht hinter oder besser über seiner Energeia, denn ohne das Wesen gäbe es die Ener geia nicht, aber wirksam und dadurch erkennbar wird nur diese, denn das Wesen könnte nicht wirken, ohne das Erwirkte gleichzeitig zu zerstö ren. Der Mensch hat also de facto nur zur Energeia Gottes eine Beziehung. Mehr bildlich und in Anlehnung an Exod. 33,18 - 23 könnte man sagen, das Wesen Gottes sei für Palamas seine von uns abgewandte Seite, sein Wirken die uns zugewandte. Das Bild hat nur den Fehler, daß auch eine Beziehung zu uns andeutet, und zwar in biblischem Sinne eine sehr negative (Ps. 12,2; 26,9; 43,25 usw.) . Soviel zur Bedeutung dieses Begriffes für die palamitische Theologie. Da nun jedes Wort in seiner Bedeutung vom Denken des Benutzers be stimmt wird, der einem bestimmten Stadium eines bestimmten Kultur kreises angehört, wird die Übersetzung eines solchen problembeladenen Wortes wie in unserem Fall Energeia zu einem Problem. Wir müssen uns schon gleich hüten, es mit unserem Wort Energie wiederzugeben, das für uns (an erster Stelle?) das in den sogenannten Energiequellen gespeicherte Arbeitsvermögen ist, womit wir zum Schaden unserer Umwelt verschwen derisch umgehen, oder, wenn wir wissenschaftlicher denken, die Gesamt energie unseres kosmisch�n Systems, die sich in Masse umsetzt, in der Masse erhalten bleibt und aus der Masse neu entsteht, oder alltäglicher unsere eigene körperliche oder geistige Energie, d. h. unser täglich bei Sport, Denksport usw. eingesetztes körperliches oder geistiges Leistungs, 15
EINLEITUNG
vermögen, alles moderne Konkretisierungen einer allgemeineren Bedeu tung des ursprünglich griechischen Wortes energeia. Energeia heißt laut Wörterbüchern der altgr. Sprache Wirksamkeit, Tä tigkeit, Aktivität. Es ist das Substantiv zum Verb energeo wirken, tätig sein, und verhält sich zum Substantiv energema das Erwirkte, die Tat, als Ursache zu Verursachtem. Da die alten Griechen versuchten, in menschlichen Kategorien (Wesen, Eigenschaften, Empfinden, Wirken) über Gott zu denken und zu sprechen, und sich fragten, welche dieser Ka tegorien in welchem Sinne auf Gott anwendbar seien, und da sie außer dem Gott als letzte Erklärung des Kosmos postulierten, stellten sie sich auch die Frage, ob Gott alles, was ihm an Nichtgöttlichem zu bewirken unterstellt wurde, direkt als göttliches Wesen bewirke oder ob ihm dazu ein besonderes "Vermögen», eine von seinem Wesen verschiedene Ener geia/Tätigkeit zugeschrieben werden müsse. Ihre Philosophen beantwor teten die Frage im Sinne der erstgenannten Alternative und bezeichneten das Wesen Gottes deshalb auch als Autoenergeia, d. h. als direkt durch sich selbst wirkend, nicht mittels eines vom Wesen verschiedenen Vermö gens, das bald ruhe, bald aktiv werde. Soviel zum Hintergrund des Wortes Energeia. Wie kam nun Palamas dazu, dem Begriff Energeia eine so zentrale Stellung zu geben? Wie im zweiten Teil dieser Einleitung gezeigt wird, glaubte er fest an eine reale Gottesschau, die auch ihm persönlich öfter zuteil wurde. Als Barlaam die Möglichkeit einer wirklichen Gottesschau leugnete und dies mit eindeuti gen Aussagen der Bibel und der Väter untermauerte, sah er sich gezwun gen, in Gott eine Realität auszumachen, die es ihm ermöglichen könnte, an seiner realen Gottesschau festzuhalten, ohne den genannten Zeugnis sen zu widersprechen. Da erfand er die wirkende Gottheit, die in ihren Wirkungen sichtbar wird. Was er in seiner Gottesschau mit seinen körper lichen Augen als das reale göttliche Licht wahrzunehmen glaubte, wurde nun für ihn zur sich « in actu» offenbarenden Aktivität Gottes, ausgestattet mit den gleichen göttlichen Eigenschaften wie das Wesen Gottes (Uner schaffenheit, Unendlichkeit usw. ) . Er verfügte so über zwei Gottheiten (Göttlichkeiten) bzw. zwei Schichten im einen Gott, deren eine die höhere und absolut unzugängliche, die andere die niedrigere, die sich ihm und an deren Auserwählten offenbarende sei. Das in der Kirche wegen des Trini tätsmysteriums übliche Sprechen über eine abstrakte göttliche Natur (Gottheit) , die in drei Hypostasen Realität sei, half ihm wohl, die eine ab=
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TEIL I. ALLGEMEINES
strakte unerschaffene und unendliche Gottheit in zwei real verschiedene Formen (Wesen und Energeia) aufzuteilen, die deshalb noch keine zwei Götter sein müßten. Dabei half auch die anthropomorphe Vorstellung ei nes ruhenden Arbeitsvermögens, dessen Aktualisierung am Wesen Gottes nichts ändere, wie umgekehrt das Wesen diesem Wirken nicht seine zer störerische Unmitteilbarkeit mitteile. Da also, wie ich es sehe, Palamas, wenn er über die Energeia Gottes spricht, diese Energeia als ausgeübtes Wirkungsvermögen sieht - denn nur wirkend wird es sichtbar - übersetze ich Energeia meistens mit Wirkung, gelegentlich mit Wirksamkeit, und füge, wo es mir nützlich erscheint, er klärend das gr. Energeia hinzu.
Voraus- und Rückverweise
Diese geschehen - wie schon in dieser Einleitung - auf der Basis der Bonner Ausgabe, deren Seiten auf dem oberen Rand eines jeden Blattes (Innenseite) angegeben sind. So konnten sie gleich im Manuskript vorge nommen werden. Außerdem ist die Angabe etwas genauer, weil eine Seite dieser Übersetzung etwa anderthalb Seiten des gr. Textes entspricht. Da die Angaben mit Seite und Zeile erfolgen, ist es nützlich zu wissen, daß eine Übersetzungszeile und eine Zeile des gr. Textes in etwa gleich lang sind. Griechische Wörter
Für den in besonderen Fällen am gr. Wortlaut interessierten Leser hielt ich es gelegentlich für notwendig oder aufschlußreich, einzelne Wörter oder Satzteile in den Anmerkungen griechisch wiederzugeben. Sofern sich dies problemlos in deutscher Transkription realisieren ließ, habe ich das getan. Nur in sehr wenigen Fällen schien mir eine Wiedergabe in Original griechisch notwendig. Lange Anmerkungen
Bd. III Ein!. S. 1 f. habe ich mich für «lange Anmerkungen» entschul digt. Ich muß gestehen, mich kaum gebessert zu haben. Es gibt auch hier wieder Anmerkungen mit Überlänge, wofür ich pie gleichen Entschuldi17
EINLEITUNG
gungen geltend machen möchte wie dort, für Anm. 29 u. 155, daß ich dar in neue chronologische Ansätze begründen muß, für 147, 362 u. 432, daß darin der Widerspruch zwischen Gregoras und Kantak. bzw. Philotheos Kokkinos zu klären ist. 5. Persönliches Dieser vierte Band erscheint in geringerem zeitlichem Abstand nach dem dritten (1988), als dieser nach dem zweiten (1979) und dieser wiederum nach dem ersten (1973). Das hat mehrere Gründe: das Otium cum labore des Ruheständlers, der mehrere angefangene Arbeiten noch vollenden möchte, die unermüdliche Hilfe meiner Frau, mit Rotstift und am Text verarbeiter, und als letzten Anstoß das Bestreben, das Manuskript für die sen Band dem Verlagsbetreuer der ersten drei Bände, Herrn Dr. Reimar W. Fuchs, noch vor seinem Rückzug aus der Tätigkeit für den Verlag An ton Hiersemann anzubieten, als Anerkennung für die ausgezeichnete Zu sammenarbeit. Ihnen gilt also am Ende dieser Einleitung mein besonderer Dank. Dem Verlag Hiersemann sei hier ebenfalls gedankt für die gedeih liche Zusammenarbeit sowie im voraus meinem neuen Betreuer Herrn Dr. Axel Dornemann, dem zu diesem Zeitpunkt die eigentliche Arbeit mit diesem Werk noch bevorsteht, und schließlich Herrn Dr. Peter Wirth so wie meinem Freund und Kollegen Franz Tinnefeld für die Durchsicht der Übersetzung bzw. des übrigen Textes und ihre Verbesserungen jeglicher Art. Nettetal, 26. 12. 1991
Jean-Louis van Dieten
TEIL II. DER STREIT UM DIE THEOLOGIE DES GREGORIOS PALAMAS
Der weitaus größte Teil (ca. 95%) der Kapitel 18 -23 der Hist. Rhom., der hier in Übersetzung vorgelegt wird ( ed. Bonn. II 8 8 1 - 1146) , ist dem von Gregoras (an)geführten Kampf gegen die Theologie des Gregorios Pa lamas gewidmet, die 1347 von der kirchlichen Obrigkeit als allgemein ver bindlich vorgeschrieben wurde, so daß niemand ihr noch widersprechen konnte, ohne aus der Kirche ausgeschlossen zu werden. Diesem Kampf hat Gregoras nicht nur die letzten zwölf Jahre seines Lebens gewidmet (1347 - 1359), sondern auch die Fortführung seiner Hist. Rhom. ab 1347 =
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TEIL 11. DER STREIT UM DIE THEOLOGIE DES GREGORIOS PALAMAS
weitestgehend untergeordnet. Manchem mag das als Verlust von Augen maß für Wichtigeres und weniger Wichtiges vorkommen, und gewiß rufen die paar hundert Seiten, die Gregoras allein schon in diesen Kapiteln auf die Widerlegung der palamitischen Dogmen verwendet, Überdruß hervor, aber man soll nicht aus den Augen verlieren, daß es dabei um einen ver hängnisvollen Vorgang geht, um die Usurpation der Macht in der byzanti nischen Kirche durch eine selbsternannte Elite von Mystikern, einen Vor gang, der nicht weniger bleibende Folgen hatte als etwa die Eroberung des byzantinischen Reiches durch die Türken. Aber auch allein schon die Bedeutung, die Gregoras diesem Thema bei gemessen, und der Umfang der Behandlung, die er ihm gewidmet hat, ma chen es notwendig, hier den Einsatz und die Geschichte dieses Kampfes bis einschließlich des Konzils von Mai/Juni 1351 (Hauptthema dieses Bandes) etwas näher zu erläutern, will man der Lektüre dieser Überset zung etwas abgewinnen. Hinzu kommt, daß ich nicht mehr zu allem ste he, was ich in der Lebensskizze des Gregoras Bd. I 14 ff. darüber gesagt habe. Einiges habe ich inzwischen in Anmerkungen zu Bd. 11 u. III schon in ein anderes Licht gerückt, aber hier möchte ich das gründlicher und übersichtlicher tun. Antiker und byzantinischer Tradition folgend, werde ich mich dabei nicht bemühen, eine angeblich urteilsfreie Präsentation des Streites um die palamitische Theologie vorzulegen, sondern betrachte es als Aufgabe des Historikers, historische Vorgänge zu verstehen und verständlich zu ma chen, d. h. wenn es um einen Streit geht, zu verstehen, warum, wozu, wo für, mit welchen Motiven und Mitteln man kämpfte. Dabei bleibt es oft nicht aus, daß man für eine der streitenden Parteien kein Verständnis ha ben kann. Über den Galilei-Prozeß (um Rezenteres zu vermeiden) kann man heute auch als Historiker nicht schreiben, als ob die Tatsache, daß der Gelehrte und nicht die Kirche recht hatte, für die historische Auswer tung des Vorgangs irrelevant wäre. Schon wer Galilei sicheres Wissen und seinen Gegnern Unwissen zuschreibt, fällt ein Urteil. Auch im vorliegen den Fall, wo es angeblich beiden Parteien um die Wahrheit und nichts als die Wahrheit ging, kann dem Historiker die Frage «Was ist Wahrheit?» nicht gleichgültig sein. In Jiesem Sinne soll hier der Streit Gregoras - Pa lamas beleuchtet werden . Vorab ein Überblick über die Thematik der Abhandlung. 1. Hesychasmus und Absage an Vernunft und Glauben. 19
EINLEITUNG
2. Die erste Konfrontation Gregoras - Palamas (vor 1330). 3. Barlaam und Palamas. Who is who? a. Barlaam, b. Palamas, c. die er ste Auseinandersetzung zwischen beiden. 4. Barlaams Angriff auf den Hesychasmus. 5. Palamas' theologische Veneidigung der hesychastischen Praxis; der sogenannte Tomos Agioritikos. 6. Die Synoden und der Tomos v. 1341: a. Die Synoden. b. Der Tomos. 7. Der Streit um den Tomos 1341 - 1347. 8. Kantakuzenos und die Palamiten übernehmen die Macht in Staat und Kirche (Febr. - Aug. 1347) ; der Tomos v. 1347. 9. Der Endsieg: Konzil und Tomos v. 1351. 10. Schluß betrachtung. 1. Hesychasmus und Absage an Vernunft und Glauben Vom asketischen Mönchtum angezogene und selbst Mönch gewordene hellenistische Intellektuelle, wie etwa ein Euagrios Pontikos, strebten schon früh nach einer Verbindung des philosophischen Ideals, zur höch sten menschlichen Vollkommenheit aufzusteigen und Gott so nahe wie möglich zu kommen, mit dem, was der Mensch nach dem Evangelium Jesu zu tun habe, wenn er vollkommen sein, in das Reich Gottes eingehen und das ewige Leben erwerben möchte (vgl. Matth. 19,16; Mark. 10,19; Luk. 18,18). So wie die christlichen Häretiker und die sogenannten Kir chenväter der ersten Jahrhunderte gemeinsam die Botschaft Jesu in philo sophisch formuliene Dogmen preßten, um den unbegreiflichen Gott Jesu mit Hilfe von Begriffen in den Griff zu bekommen, suchten diese Mönche nach Wegen, sich des unsichtbaren Gottes in direkter Gottesschau zu be mächtigen. Jesus hat über ein Gott Nahekommen durch irgendeine An von mystischer Gottesschau nie ein Wort gesprochen. Die Vollkommen heit, die er predigte, bestand im Befolgen der Gebote, zusammengefaßt in der Gottes- und Nächstenliebe (Matth. 22,35-40; Mark. 12,28 - 34; Luk. 10,25 - 28). Außer sozialen Tugenden (s. vor allem Matth. 5,43 -48; 25,3 1-46) predigte er ein wenig Askese (Buße Mark. 6,12; Luk. 13 ,1 f.; Ar mut Matth. 5,3; Fasten ebd. 6,16- 18) und vor allem Dienen, Lieben und die Einheit bewahren (Joh. 13,12- 17; 13,34 f.; 17,21-23). Zum Thema Be ten empfahl er seinen Jüngern das Vaterunser und das Beten im Verborge nen (Matth. 6,5 - 15), womit das Pochen auf ein zur Gottesschau führen20
TEIL II. DER STREIT UM DIE THEOLOGIE DES GREGORIOS PALAMAS
des Gebet sich schwerlich legitimieren läßt. Die Verbindung des Vollkom menheitsideals heidnischer Philosophie mit dem des Evangeliums fiel bei dieser Basis so aus, daß letzteres für den unteren Teil des Aufstiegs in An spruch genommen wurde, während der zweite und wichtigere Teil, wor über die Offenbarung schwieg, mit philosophischer und vor allem mysti scher ( dem Verstand nicht zugänglicher) Kontemplation bewältigt wer den mußte. Die beiden Kontemplationsstufen erhielten insofern einen christlichen Anstrich, als die «Begriffe» Dreifaltigkeit, Wort Gottes und der Name Jesu in die Kontemplationsterminologie eingebaut wurden. Die einmalige Offenbarung Gottes in der historischen Person des Jesus von Nazareth wurde dafür ihres Sinnes beraubt. D ie der christlichen Offenba rung völlig fremde Empfehlung heidnischer Philosophen, in leidenschafts loser Seelenruhe (in Apatheia und Hesychia) durch Entleerung des Geistes von jeder Phantasievorstellung und aller in Worten faßbaren Begriffe das Fassungsvermögen des Geistes zu erweitern, um eine direkte Einstrahlung göttlichen Lichtes zu ermöglichen, negiert die Tatsache, daß Gott für die Christen einen völlig anderen Weg gewählt hat, sich zu offenbaren, näm lich durch den Glauben sichtbar zu werden in der historischen und immer historisch greifbaren Person des Jesus von Nazareth und durch ihn die Menschen in ihrer eigenen Sprache anzusprechen. Sie negiert auch, daß dieser historische Jesus sich als den einzigen Weg zu Gott bezeichnet hat. Sobald also der menschliche Geist sich vom « historischen» Jesus, der als solcher nur menschlicher Erkenntnis zugänglich ist, entleert, wie es die hesychastische Präparation auf eine zu erhoffende Schau göttlichen Lichts verlangt, verläßt er den einzigen Weg zu Gott und sucht sich einen mehr versprechenden, er versucht Glauben in Hoffnung und Liebe zu umgehen, um zu direkter Kenntnis Gottes zu gelangen, die nicht nur Gottesbeweise, sondern auch Glauben überflüssig macht. Zumindest in der Theorie vom geistlichen Leben siegte im byzantini schen Mönchtum die Konzentration auf die eigene Vollkommenheit über die christlicheren Ideale eines Basileios von Kaisareia oder eines Theodo ros Studites und verlegte den Schwerpunkt des mönchischen Lebens viel fach auf die nichtchristlichen Forderungen, was zu tun sei, wenn einer «vollkommen» werden mfu:hte, d. h. auf hesychastische Praktiken, ange fangen mit Nabelschau, Konzentration auf die Atmung, ständiges Wieder holen einer einzigen Gebetsformel (üblicherweise das sogenannte Jesusge bet: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner) , um so die =
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EINLEITUNG
ruhige Leere des Geistes zu erreichen, die eine sogar für die leiblichen Au gen sichtbare Einstrahlung göttlichen Lichts ermöglichen würde. Das hesychastische Ideal erlebte um 1300 - in einer für die Byzantiner desolaten Zeit - eine große Blüte, besonders gefördert von einem Mönch namens Gregorios Sinaites, und wurde in den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts auch auf dem Athos und dort nicht zuletzt bei den einfa chen Mönchen populär. Das hatte zur Folge, daß die Schau göttlichen Lichts ein für jeden erreichbares Erlebnis zu werden drohte, und man wundert sich nicht, daß der große Meister Gregorios Sinaites warnte, nicht jedes mit Hilfe der genannten Praktiken erreichte Erleuchtungserleb nis für eine Gottesschau zu halten. Man fragt sich aber auch, wer denn ein solches angeblich unaussprechliches Erlebnis überhaupt beurteilen soll und wem es außer dem, der es hat und nicht aussprechen kann, nutzen soll. Nicht zuletzt fragt man sich, ob die Warnung des Sinaiten nicht auch ein gewisses Vorurteil verrät, die Gottesschau sei nichts für Ungebildete, die sich zu schnell etwas einbilden könnten. In die Richtung weist auch die Tatsache, daß man unter Hesychasten sorgfältig zwischen Meistern und Schülern unterschied. Letztendlich ist es aber unwichtig, wer welche Er leuchtungserfahrung für eine Gottesschau hielt und wer wie über das Un aussprechliche sprach, wichtig ist nur, daß die von den Hesychialehrern selbst gepredigten Voraussetzungen für die Erleuchtung ausschließen, daß sie etwas mit der Offenbarung Christi zu tun haben könnten, so daß sie nur eine rein private Angelegenheit eines jeden Hesychasten sein können und für den christlichen Glauben ohne jede Bedeutung bleiben müssen. Um ein Wort Podskalskys zu zitieren (Theo!. und Phi!. 155) : «Die ( des Palamas) Reduktion der theologischen Erkenntnis auf die mystische Got tesschau . . . bedeutet das Ende einer rational nachprüfbaren Wissenschaft, die Anspruch auf überindividuelle Geltung erheben könnte.» Freilich geht es hier nicht an erster Stelle um wissenschaftliche Theologie, sondern um Reduzierbarkeit auf die Offenbarung Christi, die bei (angeblicher) indivi dueller Gottesschau nie und nimmer gegeben ist. Das Aufblühen eines hesychastischen Mönchtums auf dem Athos und das Übergreifen dieser neuen Religiosität auch auf Laienkreise in der Um gebung des Hl. Berges, namentlich in der Stadt Thessalonike, aber bald auch in Konstantinopel (man denke an die Mutter des Kantak. ) , verur sachte nicht sogleich große Unruhe in der Kirche. Diese entstand erst in den späten dreißiger Jahren, aber zumindest einmal wurde man in Konstanti=
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TEIL II. DER STREIT UM DIE THEOLOGIE DES GREGORIOS PALAMAS
nopel schon vor 1330 mit dem sich hier anbahnenden Problem konfron tiert, wie uns Gregoras, und leider nur er, berichtet. 2. Eine erste Konfrontation Palamas - Gregoras Der Mann, der als erster die Behauptung der Hesychasten, sie schauten (gelegentlich) mit ihren leiblichen Augen Gott, in aller Öffentlichkeit als Häresie anprangerte, war der italogriechische Mönch Barlaam aus Semi nara in Süditalien. Aber schon bevor dieser das tat, wurden Gregoras und viele andere, deren Namen wir nicht kennen, einmal mit dieser These konfrontiert, als ein gewisser Gregorios Drimys und sein Schüler Grego rios Palamas aus nicht näher bekanntem Anlaß in Konstantinopel damit aufwarteten. Das war vermutlich noch vor dem Sturz Kaiser Andronikos' 11. (24. 5. 1328; s. Anm. 193) und auf alle Fälle, ehe Barlaam nach Kon stantinopel kam (1328) . Gregoras wies damals die Behauptung als uner hört zurück und warnte u. a. seinen Freund Theodoros Metochites und viele gelehrte Bischöfe, was auf die Kirche zukäme. Die einzige Reaktion, von der Gregoras zu berichten weiß, ist, daß man ihm ein altes Gerücht über eine schreckliche Häresie in Erinnerung brachte, deren Bekämpfung ein ökumenisches Konzil erfordern würde, das das achte und letzte sein werde (vgl. Anm. 195). Man scheint die Sache damals nicht sehr ernst ge nommen zu haben, und Gregoras hat sich anscheinend unschwer damit abgefunden. Wohl erst im nachhinein und zu spät ist ihm dazu das «weh ret den Anfängen» eingefallen. Der Hesychasmus konnte unbehelligt wei ter gedeihen, bis der obengenannte Barlaam damit in Berührung kam. Und das kam so.
3 . Barlaam und Palamas a. Barlaam (ca. 1290- 1350; PLP 2284)
Das Wichtigste über den Werdegang Barlaams bis einschließlich seines Aufenthalts in Konstantinopel 1328/29 - 1332 habe ich Bd. I 10- 12 zusam mengestellt. Ausführlicher ..tut das, besonders was die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Gregoras betrifft, Beyer, Antirrh. 136-55. Bar laam, der sich in einem Disput mit Gregoras, der vielseitiger gebildet und in den griechischen Philosophen belesener war, p.atte geschlagen geben 23
EINLEITUNG
müssen, hatte ohne Zweifel aus dieser Niederlage viel gelernt und zeigte sich bald als der originellere und scharfsinnigere Denker, der sämtliche zeitgenössischen Theologen hinter sich ließ, wie man nach langer Diskri minierung des Mannes durch orthodoxe Theologen außerhalb dieses Kreises inzwischen erkannt hat. Hier drei Stimmen von Wissenschaftlern, die sich intensiver mit ihm befaßt haben. Schir6: Ep. gr. 200 karn zur Er kenntnis: «non aveva uguali nella dialettica e nelle scienze speculative» , und er zeigt (ebd. 216) , daß Barlaam seinem Gegner Palamas « una lezione bellissima di filosofia intorno al valore probante deI sillogismo nelle trat tazioni teologiche» erteilte. Beyer o. c. 72 schreibt anläßlich der antilateini schen Traktate Barlaams, die dieser nach 1334/35 verfaßte (s. ebd. 6772) : « Das Verhältnis des Gregoras zu Barlaam hat sich für die Zeit des La teinerstreits als die Anregung erwiesen, die größere Gelehrsamkeit einer schöpferischen Intelligenz gab » . Podskalsky o. c. 126f., der die genannten antilateinischen Traktate am gründlichsten behandelt (S. 126- 142), ur teilt: « vom Gesichtspunkt der Methode handelt es sich dabei um die schlechthin bedeutendste Leistung der byzantinischen Theologie» . Diese antilateinischen Traktate haben im Lebenslauf Barlaams nach 1332 eine wichtige, aber ganz andere als die beabsichtigte Rolle gespielt. 1334 hatte der Ks. Barlaam nach Konstantinopel zurückbeordert; er sollte eine Diskussion mit zwei lateinischen Bischöfen führen, die zu einem Unionsgespräch in die byzantinische Hauptstadt gekommen waren. Laut eigenem Bekunden wurde Gregoras damals vorn Patriarchen eingeladen, an einern solchen Gespräch teilzunehmen, da die Synode nicht über aus reichend qualifizierte Gesprächspartner verfügte; er habe aber in einer langen Rede von einer aussichtslosen Diskussion abgeraten, weil die La teiner grundsätzlich nicht zu einem vorurteilsfreien Gespräch bereit gewe sen seien (s. Bd. II 262- 273; Beyer o. c. 58-65). (Wie recht er hatte, bewies gut hundert Jahre später das Konzil von Ferrara-Florenz, 1438/39.) Der Kaiser ließ daraufhin Barlaam kommen (vgl. Bd. I 14), der im Gespräch mit den Bischöfen den orthodoxen Standpunkt vertrat, wie Gregoras es nicht besser gekonnt hätte. Gregoras versäumt es, dies in seinem Ge schichtswerk zu erzählen, und ich habe es Bd. II Anm. 449 b versäumt, auf diese Tatsache hinzuweisen (s. De Vries: Elite 121 Anm. 5 ) . Den Nieder schlag dieser Gespräche finden wir in den genannten antilateinischen Traktaten, die Anlaß zur Konfrontation mit Palamas wurden. Die Be zeichnung « antilateinisch» im landläufigen Titel dieser Sammelschrift tut 24
TEIL Ir. DER STREIT UM DIE THEOLOGIE DES GREGORIOS PALAMAS
Barlaam freilich Unrecht, und daß Meyendorff ihn als mauvais theologien de l'unite abqualifiziert hat, sollte man nicht mit «Befangenheit» (Pod skalsky) gewissermaßen entschuldigen, sondern als Verleumdung aus Vor urteil zurückweisen. Barlaam war in seinem Streben nach und Denken über Kirchenunion sämtlichen Theologen seiner Zeit und den meisten späteren sowie allen kirchlichen Hierarchien bis heute weit voraus. Nicht nur plädierte er für Bereinigung psychischer Hindernisse auf dem Weg zur Einigung (vgl. Beyer o. c. 69; Podskalsky o. c. 128 f. , 146 f. ) , sondern auch, trotz seinem Festhalten an einer argumentativ belegten Ablehnung des fi lioque und des monarchischen Papstprimates, für Preisgabe extremer Standpunkte auf beiden Seiten (s. Podskalsky 146 - 148) . b . Gregorios Palamas (1294- 1357; PLP 21546)
Anläßlich der antilateinischen Traktate Barlaams tritt Gregorios Pala mas für uns auf den Plan, zu der Zeit (1336) ein Mann von gut vierzig Jah ren. Er entstammte einer adligen und vor allem frommen Familie aus Konstantinopel (Phi10th. Enk. PG 151, 553 D 9 - 15 ) . Sein Vater war Erzie her des Prinzen Andronikos III. gewesen und Gregorios deshalb am Hofe aufgewachsen und entsprechend erzogen (ebd. 554 C 6 - 15 ) . Schon in frü her Jugend begeisterte er sich für das mönchische Ideal und widmete sich mit besonderem Eifer asketischen Leistungen wie Enthaltsamkeit, Fasten, Nachtwache und Gebet im Geiste des frühen ägyptischen Mönchtums (ebd. 561 A 12 - C 10) . Als er kaum erwachsen war, zog es ihn zum Athos (ebd. C 11 - 13 u. 562 A 9 f.) , wobei sich zugleich zeigte, wie er sich schon damals um Proselyten bemühte: Er nahm nicht nur seine beiden jüngeren Brüder mit (ebd. 562 B 9 - 11), sondern überredete vorher die ganze Fami lie, einige enge Freunde und sogar auch Diener, ins Kloster zu gehen (562 A 11 - B 6). In der Familie hatte er laut Philotheos schon immer in jeder Hinsicht eine führende Rolle gespielt, besonders in der Frömmigkeit (554 A 1 -4) . Auf dem Weg zum Athos verbrachte er einen Winter auf dem Mönchsberg Papikion (562 B 11 f.; C 3; 565 D 15 f.) und bekehrte von dort aus Massalianer-Mönche (Bogomilen) auf einem Berg in der Nähe (562 D 4- 565 B 2). Als besonder� Großtat wertet Philotheos, daß der Gebets freund Palamas (563 C 6 f.) sie dazu bewegen konnte, ihre Ansicht aufzu geben, das Vaterunser sei das einzige richtige Gebet für Christen, indem er darauf hinwies, daß die Apostel unmittelbar vo� dem Pfingstgeschehen 25
EINLEITUNG
nicht das Vaterunser gebetet hätten (563 B 8 ff., insbes. 564 A 2 - 13), wozu man wohl notieren darf, daß das Vaterunser nicht geeignet ist, als hesy chastische Gebetsformel zu dienen. Auf dem Athos angekommen, wurde er im Vatopediukloster Mönch (566 A 1 -B 2) . Das war um 1316. Uns interessiert hier weniger, wann und wohin er freiwillig oder von den Umständen gezwungen in den nachfolgenden Jahren auf dem Athos oder auch vom Athos weg und zurück umzog (566 B 3 ff.) , sondern welche inneren Erlebnisse ihn damals geprägt haben. Wohl sei hier noch notiert, daß er sich um 1326 in Thessalonike zum Priester weihen ließ (570 C 15 D 1) . Vom Anfang an glaubte er sich nicht mit Traumbildern, sondern mit echten Erscheinungen in wachem Zustand begnadet (566 B 15; vgl. 579 D 9) . Wegen der Mitteilsamkeit des Begnadeten gegenüber Freunden (s. z.B. 566 D 14- 567 A 3 ; 570 B 10- 12; 580 A 5 - 7; B 6.12; C 13 - 15) konnte Philotheos uns darüber ausführlich informieren. Solche Mitteilungen machten einen Hesychasten weithin berühmt in Askese, Hesychia und Kontemplation, wie z. B. Palamas' Lehrmeister Gregorios Drimys (568 B 12 f.) , der selbst wieder für seinen Schüler Palamas Zeugnis ablegte (568 D 11 - 15 ) . Als erster erschien Palamas (1316) , als dieser sich i n Ruhe der Seele auf sich und Gott konzentrierte (566 B 13 - C 1), Johannes der Evangelist. Die ser belehrte ihn im Namen der Mutter Gottes, immer wieder das Gebet «Erleuchte meine Finsternis» zu sagen, und versprach ihm die Hilfe der Gottesmutter. Gewissermaßen die Erfüllung dieser Zusage erfolgte um 1322123 , als Palamas das Lavrakloster verlassen und sich in die Einsamkeit einer Glos sia genannten Gegend zurückgezogen hatte, wo auch der allseits in Hesy chia und Kontemplation berühmte Gregorios Drimys lebte, der ihn unter richtete (568 A 12- C 11) . « Was Gregorios (Palamas) dort in der Ruhe (der Seele und des Geistes) allein mit sich selbst und Gott glücklich zustande brachte, läßt sich nicht leicht . . . erzählen» schreibt Philotheos (568 C 12-D 1) und beruft sich dafür auf Gregorios Drimys als Zeugen, welcher Gnadengaben Palamas damals dort, als er allein war mit sich und Gott, für würdig erachtet wurde (568 D 9 - 14). Philotheos bemüht sich freilich erst später, uns über die mystischen Erfahrungen seines Helden näher zu belehren (574 D 13 -579 A 9). Etwas Beeindruckendes ist dabei nicht her ausgekommen. Der gewöhnliche Mensch wüßte von Mystik nicht viel, wenn nicht die großen Mystiker immer wieder das Bedürfnis gehabt hät26
TEIL 11. DER STREIT UM DIE THEOLOGIE DES GREGORIOS PALAMAS
ten, das Unaussprechliche und Unmitteilbare auszusprechen und mitzutei len, und wenn dabei nicht gelegentlich wahre Literatur herausgekommen wäre, Literatur, die lebt von dem, was aussprechbar und mitteilbar ist, von Bildern und Inhalten, von in Aussagen gepreßten Empfindungen, vom Erleben dessen, in äußerster Konzentration, was sich der Mensch an Gu tem und Schönem vorstellen kann, vom Bewußtsein, an Grenzen zu sto ßen, die er nicht überschreiten kann, vom Glauben, der nicht zur Erkennt nis, von der Hoffnung, die nicht zur Erfüllung, von der Liebe, die nicht zur Umarmung gelangen kann. Wenn die Erläuterungen des Philotheos keinen Eindruck machen, so ist ihm zugute zu halten, daß Palamas selbst keine beeindruckende mystische Literatur hinterlassen hat, trotz des unten noch zu erwähnenden göttlichen Auftrags, in dieser Hinsicht für andere ein sich reichlich ergießendes Gefäß zu werden. In einer weiteren Vision (1325) in Thessalonike sah Pa lamas sich aufge fordert, nicht, wie geplant, mit anderen nach Jerusalem zu gehen. Diesmal war es der Schutzpatron von Thessalonike, Demetrios, der den späteren Metropoliten seiner Stadt festhalten wollte (570 A 6 - C 14) . Am Gründonnerstag 1331 sah er in der Großen Lavra, geistig und kör perlich von göttlichem Licht umstrahlt (579 B 13 - C 1) , elf Jahre im vor aus (579 C 8 f.) seinen Abt Makarios (PLP 16276) den Bischofsthron von Thessalonike besteigen (6. 4. 1342) (579 A 10 - C 13) . In der nächsten Erscheinung beauftragte die Gottesmutter ihre Beglei ter, dafür zu sorgen, daß es ihm (Palamas) und den Seinen nie am Lebens notwendigen fehlen würde, so daß sie sich ihrer Seele widmen könnten (579 C 13 - 580 A 7) . Im dritten Jahr seines Aufenthalts im Lavrakloster (1333/34) hatte Pala mas, wie wir aus dem Bericht des Philotheos schließen müssen, der Pala mas selbst als Zeugen auftreten läßt, die entscheidende Vision, ohne die der orthodoxen Kirche der Palamismus vielleicht erspart geblieben wäre. Ich übersetze: «Als er im dritten Jahr dort einmal wie üblich für sich allein war und in Ruhe des Geistes und des Gebets (also in der Ausübung hesy chastischer Gebetspraxis) seinen Geist auf Gott richtete, schien er sich ir gendwie einem Schatten von Schlaf zu nähern. Dieser (Schlaf) zeigte ihm sofort folgende Vision. Er.schien ein Gefäß in beiden Händen zu halten, das voll Milch war, die plötzlich gleichsam zu sprudeln begann und aus strömte und sich über den Rand des Gefäßes ergoß. Darauf schien sie (die Milch) sich plötzlich in einen herrlichen aromatischen Wein zu verwan27
EINLEITUNG
deIn und ergoß sich so reichlich über seine Kleider und seine Hände, daß diese davon total naß und mit Duft erfüllt wurden. Während ich - sagte er - mich darüber mehr als man sagen kann erfreute, trat ein vornehmer lichterfüllter Mann auf mich zu und sagte: <Warum teilst du von diesem so wunderbar sprudelnden göttlichen Becher nicht auch anderen mit, son dern läßt ihn sich so umsonst ergießen? Meinst du nicht, daß dies ein Ge schenk Gottes ist, das nicht aufhören wird so hervorzuquellen und zu überfluten?> Ich (Palamas) warf ein, daß ich zum Verteilen zu schwach und im Augenblick niemand da sei, der danach verlange, aber jener sagte: Darauf schien wie er (Palamas) sagte - der prächtige Mann fortzugehen. Ich schüttelte jenen Schatten des Schlafes ab und blieb die ganze Nacht und auch noch den größten Teil des Tages dort sitzen, ganz reichlich umstrahlt von göttli chem Licht» (580 A 9 - C 12) . Philotheos beschließt die Geschichte mit der Bemerkung: «Das erzählte der wunderbare Gregorios später seinem Freund und Jünger, dem heiligen Dorotheos, als er jene wunderbaren Schriften über die göttlichen Dogmen herauszugeben begann (580 C 13 D 1) . » Diese Vision ist, wie mir scheint, bei wohlwollendster Interpreta tion eine aus dem Unterbewußtsein hervorgerufene und für göttlich gehal tene Bestätigung des Dranges des Palamas, seine Religiösität anderen auf zudrängen, wie er das seit seiner Jugend tat. Diese «Vision» machte für ihn aus diesem Drang, den man normalerweise mit Eitelkeit und Gel tungsbedürfnis erklärt, einen göttlichen Auftrag, der den damit Betrauten in den Rang eines gottgesandten Botschafters erhob, der Dinge mitzutei len habe, die über das dem normalen Christen Mitgeteilte hinausgehe. Diese Vision vollendete den Prozeß, der mit der ersten begonnen hatte, in der Johannes ihm für sein hesychastisches Streben nach Gottesschau das Stoßgebet «Erleuchte meine Finsternis» offenbart hatte. Philotheos schreibt ihm wohl zu recht ein regelrechtes Sendungsbewußtsein zu, das ihn nicht nur zur mündlichen Belehrung anderer, sondern auch zum Schreiben inspirierte (581 B 8 - C 7) . Nachdem Palamas Abt des 200 Mönche zählenden Esphigmenu-Klo-
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sters geworden war (58 1 C 8 - D 10) , fing er auch an, Wunder zu wirken (582 C 2 - 4) , eine Art Teufelsaustreibung aus einem Mönch mit dem Na men Eudokimos (PLP 6239; 582 C 4 -583 A 11) , Ölvermehrung für ein Jahr in einem leeren Faß (583 A 12-B 10) , Heilung der unfruchtbaren Bäume des Klosters (583 B 11 - D 2). Philotheos hält es in seiner Biographie nun für an der Zeit, zum Kampf des Palamas «gegen die neuen (!) Häresien» zu kommen (583 D 3 f.) , er wähnt aber noch kurz seinen Abschied vom Esphigmenu- und die Rück kehr zum Lavrakloster (584 A 8 - 12) . Der Mann, der im J. 1336 glaubte, Barlaam als Theologe kritisieren zu müssen, war also ein sehr selbstbewußter Mann mit einer starken Phanta sie, die Träume in Realitäten verwandelte, und dessen Selbstsicherheit ihn befähigte, anderen zum Lehrmeister zu werden, ja ihn gerade zur Kultper son einfacherer Mönche machte. Seine Weisheit schöpfte er vorzugsweise aus direkter göttlicher Erleuchtung, so daß ein Widerspruch zur Offenba rung oder zu den Vätern der Kirche für ihn von vornherein ausgeschlossen war. Als Mönch vertrat er auch das uralte mönchische Selbstbewußtsein, das schon Männer wie Maximos Homologetes, Theodoros Studites und Symeon Neos Theologos kennzeichnete, die prophetische Elite des Chri stentums zu sein, die als Wächter der Rechtgläubigkeit notfalls auch gegen die kirchliche Hierarchie ihre Stimmen zu erheben hatten, ein Selbstbe wußtsein, das so weit ging, daß man sich aufgrund der Gleichsetzung von wirklichem Christentum und mönchischem Leben für die eigentliche Kir che hielt, wie es aus anderem Grund auch der Klerus tat.
c.
Die erste Auseinandersetzung Palamas - Baarlam
Als Barlaam 1334/35, wie gesagt, in einem Unionsgespräch die byzanti nische Orthodoxie verteidigt hatte und seine Verteidigung publizierte, er fuhr auch Palamas davon und griff zur Feder, eine eigene Verteidigung zu schreiben, da er, auch ohne die Barlaams zu kennen, dem Halblateiner mißtraute (vgl. dazu Beyer o. c. n f. ; Podskalsky o. c. 150). Pa lamas sah sich als Kämpfer gegen den Satan, den Urheber aller Übel, auch aller Hä resien (vgl. Beyer 73 f.). Daß er dem ihm unbekannten, in der lateinischen Scholastik geschulten Barlaam, dem er eine gründliche Widerlegung der lateinischen Thesen nicht zutraute, nicht gewachsen war, ahnte er noch nicht (vgl. Podskalsky 151) . Palamas bietet eine unbedeutende traditionel29
EINLEITUNG
le Widerlegung des Filioque mit wenig glücklichen eigenen Zutaten (vgl. Beyer 74 -76) . Im Gegensatz zu Barlaam (und Gregoras) kennt er in der Theologie « gewissermaßen nicht zu beweisende Prinzipien» und erkennt demnach die letzten Grenzen menschlicher Erkenntnis nicht an. Durch den gemeinsamen Freund Gregorios Akindynos bekam Palamas Barlaams Widerlegung des Filioque in die Hände und glaubte, diese Widerlegung korrigieren zu müssen, vor allem in zwei Punkten: Barlaam lehne das Fi lioque nicht radikal genug ab, und er gehe zu weit, wenn er in bezug auf Gott jeden beweiskräftigen Syllogismus ausschließe. Palamas' Versuch, sich kritisch mit Barlaam auseinanderzusetzen, zeigt von vorneherein, daß der Kritiker seinem Opfer keineswegs ebenbürtig war (vgl. Beyer 77 -79). Ansichten, die in seiner ersten Stellungnahme zum Filioque anklangen, werden nun deutlicher ausgesprochen. Gott und die Einigkeit Gottes sind beweisbar, unsere allgemeinen Begriffe und Axiomata sind vergleichswei se auf Gott anwendbar. Die mystische Schau Gottes als Quelle des Lichtes ist als direkte Erfahrung für Menschen reinen Herzens ein Gottesbeweis, der den natürlichen Gottesbeweis der nicht so hoch Aufgestiegenen über trifft (vg1. Beyer 1. c.; Podskalsky 151 - 153). Die Aphasia, die Stumpfheit des menschlichen Verstandes und die Stummheit seiner Zunge vor dem unbekannten Gott, dieses Grundanliegen der östlichen Theologie, war bei Barlaam besser aufgehoben als bei Palamas. Da letzterer den einen Gott direkt erfährt und der eine Gott mit dem Gott der Christen identisch ist, ist er für seine Gotteserkenntnis nicht mehr auf Offenbarung und Glauben angewiesen, denn wozu glauben « auf Gehör, auf Gehör der Worte Chri sti» (Röm. 10,17), wenn man mit den eigenen Augen sieht. In seiner Antwort auf die Kritik des Palamas sagte Barlaam nicht aus drücklich, daß er von dessen Gottesschau nichts halte, ließ es ihn aber merken durch die Ironie, womit er gleich am Anfang die alles übertreffen de Erleuchtung seines Kritikers lobte, die natürlich verbiete, ihn für einen Verrückten zu halten, was man sonst wegen seiner Art zu denken und sei ner Logik tun würde (vg1. Beyer 81 f. ) . Anschließend gab er eine vernich tende Antwort auf das, was Palamas an Kritik vorgebracht hatte (Beyer 84- 8 8 ) . Dieser antwortete mit einem Brief, worin das Unvermögen des Halbgebildeten, es mit seinem scharfsinnigen Gegner aufzunehmen, Kom pensation sucht in der Behauptung, dem Christen reiche die Unbildung der Väter, deren Weisheit die der heidnischen Autoritäten Barlaams weit übertreffe (vg1. Beyer 8 8 - 93 ) . Dies wird ein beliebtes Argument bei seinen 30
TEIL 11. DER STREIT UM DIE THEOLOGIE DES GREGORIOS PALAMAS
Jüngern. Palamas hatte anscheinend anders als Barlaam keine Ahnung, wie sehr schon die «ungebildeten» Väter am Gott der Offenbarung Christi vorbei philosophiert und diesen Irrweg schon in Nikaia und Chalkedon dogmatisiert hatten. Barlaam hatte in seinem Brief an Palamas wenigstens gezeigt, wie problematisch und vielleicht falsch es sei, über Christus als « Gott aus Gott» zu sprechen (vgl. Beyer 83) . Tatsächlich ist « Gott aus Gott» philosophisch gesprochen eine Unmöglichkeit, aber auf die Un möglichkeit, die philosophischen Begriffe Wesen und Hypostase auf Gott anzuwenden, kann ich hier nicht eingehen. Ein Vortrag, worin ich das ge tan habe (Prato, April 1990) , harrt noch der Publikation. 4. Barlaams Angriff auf die Hesychasten Barlaam fragte sich begreiflicherweise, woher ein Mann wie Palamas als Theologe ein solches Selbstbewußtsein demonstrierte, obgleich sein Ta lent und seine Bildung dies keineswegs rechtfertigten. Darum erkundigte er sich nach Theorie und Praktiken der hesychastischen Mönche, zu de nen Palamas zählte. Wo und wie er seine Untersuchung durchführte, ist nicht eindeutig geklärt, aber für uns unwichtig (s. dazu Schir6 : Ep. gt. 187 - 199) . Auch den genauen Ablauf der nachfolgenden Auseinanderset zung zwischen Barlaam und Palamas müssen wir hier nicht rekonstruie ren (s. Beyer in PLP Nt. 2284 S. 27 u. PLP Nt. 21546 S. 110) . Wichtig sind die abschließenden Urteile, zu denen jeder von ihnen kam. Barlaam hat sein Urteil außer in kleineren Schriften vor allem in einem Werk « Gegen die Massalianer» niedergelegt (1339/40), das leider nicht erhalten ist. Pala mas hat damals in drei Triaden den Hesychasmus verteidigt (1338/41) und, als ein von Barlaam angestrengter Prozeß vor der Synode in Kon stantinopel drohte, einen « Tomos» mit den Grundthesen seiner hesycha stischen Theologie verfaßt, den sogenannten Tomos Agioritikos (1340), den sein ganzer Anhang auf dem Athos mit unterschrieb. Barlaam stellte die Möglichkeit einer göttlichen Erleuchtung nicht grundsätzlich in Abrede und nahm sie für Heiden in Anspruch (vgl. Pod skalsky 145 f.) . In bezug auf die Offenbarung Christi glaubte er an authen tische Erleuchtung für die_apostolische und nachapostolische Zeit sowie für die seit Jahrhunderten von der Kirche anerkannten Väter (vgl. Pod skalsky 146). Die Macht der Tradition versperrte wohl auch dem kritischen Geist Barlaams noch die Sicht auf die Willkürlich!<eit dieser Annahme, die 31
EINLEITUNG
in keiner Weise von Christus hergeleitet werden kann. Sollte Barlaam dies bezüglich doch seine Zweifel gehabt haben (wie beim «Gott aus Gott» ) , so hat er sie gewiß unterdrückt, da er sich damit in seiner Zeit nach allen Sei ten unmöglich gemacht hätte. Es ging aber auch nicht um die Frage nach göttlicher Erleuchtung in irgendeinem unbestimmten Sinne, sondern um die These der Hesychasten, sie sähen Gott (als Quelle des Lichtes) mit ih ren leiblichen Augen. Dies ist die These, der Gregoras schon widerspro chen hatte und jetzt Barlaam vehement widersprach, da sie mit der Offen barung und der Lehre der Väter eindeutig im Streit sei. Als Palamas ein sah, daß er diese These in ihrer ursprünglichen Einfachheit nicht aufrechterhalten konnte, präzisierte er sie in dem Sinne, daß er in Gott Wesen und Wirken (nach außen) voneinander unterschied und trennte, die Möglichkeit einer Schau des Wesens, die in Schrift und Überlieferung ge meint sei, leugnete und das geschaute Wirken (nach außen) zu einem dem Wesen untergeordneten « Aspekt» Gottes erklärte, das auch als Gottheit bezeichnet werden könne, da es gleichermaßen unerschaffen, anfanglos und unendlich sei. Die Einheit von Wesen und Wirken beteuerte er, ohne ihre reale Unterscheidung erklären zu können. Diese nähere Erklärung der palamitischen Gottesschau wies Barlaam als Ditheismus zurück. 5. Palamas' Verteidigung des Hesychasmus und der Tomos Agioritikos Palamas, den Barlaam schon seine Überlegenheit im argumentativen Diskutieren hatte spüren lassen, zog sich nun vollends auf eine grund sätzliche Ablehnung vernunftgemäßen Denkens und die Autorität einer von Gott inspirierten Unterweisung zurück. Die Wahrheit des Mystikers hatte für ihn nun nichts mehr mit der Wahrheit menschlichen Denkens zu tun. « Es zeigt sich», so schrieb er, « daß es eine doppelte Wahrheit gibt. Die eine erreicht in von Gott inspirierter Unterweisung ihr Ziel, die andere ist weder notwendig noch heilsam; sie ist das Objekt der profanen Philosophie und von untergeordnetem Wert. Wie können wir also durch beide die Wahrheit finden?» (griechisch zitiert v. Podskalsky 155) . Daß Pa lamas nicht die Unterweisung aller Menschen durch Christus meint, son dern die individuelle mystische Erleuchtung des Hesychasten, beweisen nicht nur Aussagen, worin er dieser Erleuchtung das Monopol jeglicher Erkenntnis zuschreibt (Podskalsky 156) , sondern vor allem der Tomos Agioritikos. 32
TEIL II. DER STREIT UM DIE THEOLOGIE DES GREGORIOS PALAMAS
Dieser begründet die Theologie des Palamas, angefangen mit der Lehre einer oberen und unteren Gottheit (bzw. Göttlichkeit), mit folgender The se. Als die Propheten des Alten Testaments von einem Wort und einern Geist Gottes sprachen, mit ihm von Ewigkeit in Ewigkeit existierend, war das für die Juden unerhört, weil es ihrem offenbarten Monotheismus wi dersprach, aber die neutestamentliche Offenbarung bestätigte die Prophe ten (PG 151,1225 A 1 - 1228 B 9). Die Rolle der alttestamentlichen Prophe ten sei aber jetzt im N. T. den Mönchen zugefallen, und zwar den mystisch erleuchteten unter ihnen (1228 C 2-4 u. 10- 14) und indirekt jenen Mön chen, die die erleuchteten verehren, glauben und lieben (C l4 f. ! ) . (Das Wort Mönche wird vermieden, aber so umschrieben (1228 C 4-9), daß ein Mißverständnis ausgeschlossen ist.) Seinen Anspruch auf höhere und absolute Autorität und auf eine Truppe, die berufen sei, diese durchzuset zen, hat Palamas wohl nirgends ungenierter ausgesprochen. Man versteht, daß diese Anmaßung schon manchen Zeitgenossen schockierte (s. Pod skalsky 156 Anm. 696) . Der Tomos Agioritikos gebärdet sich auch in der Fortsetzung, als ob er ein Dokument der höchsten kirchlichen Autorität wäre. Er exkommuniziert alle, die das Sprechen über die unerschaffene Gnade ( Wirkung Gottes) als eine Gottheit und den darüber stehenden Gott ( Wesen Gottes) als Prinzip dieser Gnade falsch verstehen und jene, die so sprechen, Massalianer und Ditheisten nennen. Diese sollen wissen, daß sie sich den Heiligen Gottes widersetzen und sich vorn Los der Erlö sten ausschließen (1228 D 1 - 1229 A 10) . Wer diese Lehre nicht versteht, soll sie erst einmal glauben und sich von den Wissenden belehren lassen (1229 A ll -B 2) . Zwischen den wirklich von Gott Erleuchteten und dem nicht so hoch aufgestiegenen Fußvolk wird eine Trennungslinie gezogen. Die Behauptung Barlaams, die Hesychasten glaubten, mit ihrer Gebets technik eine Lichtvision erzwingen zu können, wird zurückgewiesen als Häresie der Massalianer. Die von Gott für würdig Befundenen sehen und begreifen nur durch übernatürliche und unaussprechliche Erleuchtung auf unsichtbare und unbegreifliche Weise das Wirken Gottes. Wer sich diesbe züglich irrt, soll sich von den Erfahrenen oder den von ihnen Unterrichte ten belehren lassen (1229 B 6 - C 12) . Als Feind der Heiligen wird weiter verurteilt, wer die Hesychasten Massalianer nennt, das Thaborlicht im Widerspruch zu den Vätern als symbolhaftes Phänomen erklärt und nur das Wesen Gottes und nicht auch seine ewigen Wirkungen unerschaffen nennt. =
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EINLEITUNG
Der Tomos Agioritikos bemüht außer dem hochmütigen Vergleich der Mönche mit den Propheten des Alten Testaments kein einziges Schrift wort, Palamas' abenteuerlicher Umgang mit Väterzeugnissen wurde schon von Akindynos auf überzeugende Weise angeprangert (s. Podskalsky 157 - 160) . Trotz seiner Absage an die Philosophie versucht Palamas doch gelegentlich, philosophisch zu argumentieren, und zeigt dann, wie seine Verachtung der Philosophie sich selbst bestraft. Zum Abschluß ruft der Tomos noch einmal die allesübertreffende Er leuchtung der dazu Auserwählten in Erinnerung (1232 D 4 - 15) und be hauptet - man traut seinen Augen nicht - : « Dies hat uns die Schrift ge lehrt, dies haben uns die Väter überliefert, dies kennen wir ein wenig (!) aus Erfahrung» (1236 A 1 - 3 ) . Die Unterzeichner des Dokumentes identifi zieren den Autor: « Dies und den ehrwürdigsten Priestermönch und unse ren Bruder Gregorios, der es zur Verteidigung der frommen Hesychasten verfaßt hat, bestätigen wir als genau übereinstimmend mit den Überliefe rungen der Heiligen und unterschreiben es im Interesse derer, die es lesen werden» (1236 A 3 - 8) . Das Dokument spricht für sich.
6. Die Synoden und der Tomos von 1341 a.
Die Synoden
Bis hier war der Streit über die hesychastische Mystik, ihre Bedeutung und Begründung, ein Streit zwischen Theologen. Daran konnte auch der mit übernatürlicher Autorität von eigenen Gnaden sprechende Tomos Agioritikos nichts ändern. Die Affäre nahm erst ihren verhängnisvollen Lauf, als Barlaam Palamas wegen verfehlter Mystik und Ditheismus beim Patriarchen anklagte und eine Verurteilung der theologischen Grundthe sen des Palamas zu erwirken versuchte (s. Bd. 11 293 ) . Als Motiv sieht man gerne verletzten Stolz. Schir6: Ep. gr. 200, hebt hervor, daß Palamas Bar laam schwer beleidigt habe, weil er ihn als Lateiner betrachtete, ihm Kom petenz in orthodoxer Theologie absprach und Verleumdung der Väter vorwarf. Hinzu kam wohl �lO ch die Entrüstung des geistig Überlegenen über die Besserwisserei eines Halbgebildeten, der auf Erleuchtung pochte und normale menschliche Bildung mißachtete. Man soll aber m. E. auch nicht aus den Augen verlieren, daß Barlaam ein engagierter Verfechter der 34
TEIL II. DER STREIT UM DIE THEOLOGIE DES GREGORIOS PALAMAS
ostwestlichen Kirchenunion war und sicher erkannte, daß die irrationale Theologie des Palamas eine Union schlechthin unmöglich machen würde. (Das sah hundert Jahre später auch Ks. Johannes VIII. und verbot deshalb seinen Leuten für das Konzil von Ferrara-Florenz, 1438/39, in der Diskus sion jede Bezugnahme auf die palamitische Theologie. Daran hat sich der byzantinische Hauptsprecher, der Palamit Markos Eugenikos, auch strikt gehalten.) Barlaams Anklage war nicht nur ein taktischer Fehler, weil er als Halblateiner gegen einen Athosmönch mit Einfluß auf Persönlichkei ten am Hofe von vornherein keine Chance hatte (s. Schiro 206f., 209 f. ) , sondern auch inhaltlich nicht vertretbar, d a sie sich gegen die Unverbind lichkeit theologischer Forschung richtete. Sie hätte sich gegen die Anma ßung einer Mönchsgruppe richten sollen, die es wagte, über Mitchristen, die ihrer theologischen Sondererleuchtung bzw. Phantasie nicht zuzustim men vermochten, einen Bannfluch auszusprechen . Palamas hatte als An geklagter selbstverständlich das Recht, sich gegen die Anklage Barlaams zu verteidigen, tat aber auf gleiche Weise das Falsche, indem er sich das Monopol auf die Wahrheit anmaßte und die Freisprechung der Mönche von massaUanischen Gebets- und Meditationsmethoden in eine kirchliche Bestätigung seiner theologischen Thesen umzumünzen versuchte. Die Anklage Barlaams stieß in der Kirche nicht auf Gegenliebe. Es war noch zu gut in Erinnerung, mit wieviel Mühe man nach der sog. Union von Lyon (1274) den Unfrieden in der Kirche einigermaßen überwunden hatte, und nun sah man sich wiederum gezwungen, sich zu fragen, wieviel Union man sich für wieviel Militärhilfe gegen die Türkengefahr würde er lauben können. Bei den diesbezüglichen Gesprächen spielte ausgerechnet Barlaam eine wichtige Rolle, aber ein aufgebrachtes Mönchtum konnte ein Kaiser sich erwiesenermaßen erst gar nicht leisten. Ks. und Patriarch, Andronikos III. und Johannes XIV. Kalekas, setzten deshalb auf eine Aus söhnung der Parteien und eine Regelung, womit beide würden leben kön nen. Man beschwichtigte Palamas und seinen Anhang, indem man von Barlaam Zurücknahme und Bedauern seines Angriffs « auf die Mönche» verlangte und erhielt, und vermied jegliche konkrete dogmatische Stel lungnahme, indem man an alte Kanones erinnerte, die den Nichtbischö fen dogmatische Aussagen .untersagten. Ohne es auszusprechen, trat man damit auch der Anmaßung des (natürlich nicht erwähnten) Tomos Agiori tikos entgegen, der die amtliche Autorität der Kirche mißachtet hatte (vgI . Schiro 209 f. ) . Barlaam verfehlte also sein Ziel und mußte sogar insofern 35
EINLEITUNG
eine « dogmatische» Niederlage hinnehmen, als seine vernünftige Exegese des Thaborgeschehens aufgrund von Väterrhetorik über dieses Wunder zurückgewiesen wurde (vgl. Bd. III Anm. 534 S. 401 ) . Palamas siegte im gegen die Hesychasten angestrengten Prozeß insofern, als Barlaams An griff auf die Mönche zurückgewiesen und die Anklage gegen die von ihm zur Verteidigung ausgedachte Theologie erst gar nicht angehört wurde. Letzteres wurde von ihm aber eher als Niederlage empfunden, denn so dumm kann er nicht gewesen sein, daß er die darin enthaltene Mißach tung seines Tomos Agioritikos nicht durchschaut hätte. So schien aber der Friede wiederhergestellt, ohne daß mehr als eine Verurteilung Barlaams auf Bewährung wäre ausgesprochen worden, die erst bei einem erneuten Angriff auf das hesychastische Mönchtum in Kraft treten würde. Fünf Tage nach dieser Synode starb Andronikos III. Barlaam, der sah, daß er in Byzanz nichts mehr gewinnen konnte, kehrte nach Italien zu rück, so daß ein Rückfall fürs erste nicht zu erwarten war. Die politische Lage in Byzanz wurde aber wegen der Unmündigkeit des Thronfolgers Jo hannes V. instabil, da Kantak. das Fehlen einer schriftlichen Regent schaftsregelung ausnutzte, die Staatsverwaltung an sich zu ziehen, ob gleich die Kaiserin schon am dritten Tag nach dem Tod ihres Gatten von ihrem ungeschriebenen Recht Gebrauch machte, den Patriarchen Kalekas mit der Regentschaft zu betrauen (s. Bd. III Anm. 96) . Man würde unter diesen Umständen kein großes Interesse für inner kirchliche Probleme erwarten, aber tatsächlich erwirkte Palamas c. s. ge rade in dieser Zeit gegen den Willen des Patriarchen eine neue Synode, was auf großen Einfluß der Palamiten in höchsten Kreisen und gemeinsa mes Interesse dieser Kreise und der Palamiten schließen läßt. Diesmal war es Palamas, der eine Anklage einreichte, weil sein ehemaliger Freund Gre gorios Akindynos angeblich den Kampf Barlaams gegen die Mönche fort setzte. In Wirklichkeit hatte Akindynos vor dem 10. 6. Barlaam davon ab geraten, sich mit den Mönchen anzulegen, und bekämpfte vor wie nach diesem Datum nur die theologischen Thesen, die Palamas zur Verteidi gung einer echten Gottesschau entwickelt hatte. Die einzige Anklage, die er gegen Akindynos hätte vo rbringen können, war, daß dieser die dogma tische Streitfrage wieder aufgegriffen habe, was gegen den Synodalbe schluß vom 10. 6. war, aber damit hätte er auch sich selbst den Mund zu geschnürt. (Zur Rolle des Akindynos im Kampf um die palamitische Theologie s. Const.-Hero: Akind. XI -XXII) . 36
TEIL 11. DER STREIT UM DIE THEOLOGIE DES GREGORIOS PALAMAS
Der Patriarch war, wie er glaubwürdig versichert (Erklärung zum To mos ed. Allatius in PG 150,901 A 8 - B 10) , mit einer neuen Synode nicht einverstanden. Was Palamas damit erreichen wollte, war offensichtlich nicht vereinbar mit den Beschlüssen vom 10. 6. und also ein weiterer Ver such, die amtliche Autorität in der Kirche zu untergraben, und außerdem würde eine Synode seinem Rivalen Kantak. die Gelegenheit geben, seinen Anspruch auf die Regentschaft zu demonstrieren und auszuüben. Dabei konnte er nur verlieren. Er mußte zu der Zeit aber noch auf seine schwa che Position im Kampf um die Regentschaft Rücksicht nehmen und woll te keine Absetzung riskieren, die Kantak. aus diesem Anlaß hätte betrei ben können. Darum hat er sich wohl, anders als er die Leser in seiner Er klärung zum Tomos glauben machen will, ins Unvermeidliche geschickt und mitgemacht, um den Schaden in Grenzen zu halten. So verschob er die Auseinandersetzung mit dem kantakuzenisch-palamitischen Bündnis auf später. Fürs erste mußte er sein politisches Ziel, Kantak. auszuschal ten, heimlich weiter verfolgen (s. Bd. III Anm. 27 S. 240 unten) . Was Palamas von dieser zweiten Synode erwartete, war das, was die er ste ihm vorenthalten hatte, eine eindeutige Bestätigung seiner ganzen Theologie, die seiner Meinung nach seinen Sieg über Barlaam bewirkt hätte. Daran lag ihm deswegen soviel, weil seine neuen theologischen Thesen als die siegreiche Waffe gegen die verhaßten Lateiner erscheinen sollten, was es ihm ermöglichte, alle Gegner als Latinisierer zu diskreditie ren. Darum auch sollte Akindynos als direkter Nachfolger Barlaams vor gestellt werden, der im Grunde schon mit diesem verurteilt sei. Und nicht zuletzt sollte eine solche Bestätigung ihn mit seinem Tomos Agioritikos zum Vordenker kirchlicher Lehrentscheidungen machen. Kantak. stand zumindest durch seine Mutter, eine eifrige Palamitin, un ter palamitischem Einfluß, war an einer Synode schon deshalb auch selbst interessiert, weil er dort den Patriarchen auf den zweiten Platz verweisen konnte, und wollte natürlich nach der Niederlage Barlaams auf der Syn ode vom 10. Juni gern seine frühere Protektion des «Lateiners» vergessen lassen (vgl. Weiß: Kantak. 108 - 110) . Über das, was sich genau auf dieser Synode abspielte, differieren die pa lamitischen und antipalamitischen Quellen in nicht geringem Maße (vgl. Const. Hero XVIII; Darrouzes : Reg. 2212) . Sicher ist, daß es auf dieser Synodalsitzung einigermaßen turbulent zugegangen ist, und es gibt keinen Grund zu bezweifeln, daß Akindynos von den dort auftrumpfenden Pa la37
EINLEITUNG
miten ernsthaft bedroht wurde. Man darf wohl auch annehmen, daß der Patriarch es nicht hat verhindern können, daß Pa lamas seine Theologie ins Spiel gebracht und verteidigt hat. Wichtig ist für uns aber nur, daß der Synodaltomos die grundsätzlichen Thesen seiner Theologie mit keinem Wort bestätigt hat, ja sie überhaupt nicht erwähnt. b. Der Tornos von 1341
Dieser präsentiert sich als Werk des Patriarchen Kalekas (s. ed. Karmi ris § 3,4; 6,1; 52,4) und ist es auch (s. Kalekas' Erklärung zum Tomos, PG 150,901 B 11). Er wurde von ihm auf Drängen des Kantak. für die Mönche ausgestellt (ebd. 901 B 10- 12) . Die Unterstellung, daß Palamas der Verfas ser sein könnte (erwähnt von Darrouzes: Reg. 2213), ist abwegig; dieser hätte in den Tomos hineingeschrieben, was er später ohne jede Berechti gung dort hineingelesen hat. Die Position des Kalekas war, wie gesagt, da mals zu schwach, als daß er sich in allen Punkten Kantak. und den Pala miten hätte widersetzen können. Er mußte also wohl auch im Tomos ih ren Wünschen einigermaßen entgegenkommen, hat es aber offensichtlich fertiggebracht, nicht über den Eindruck eines Entgegenkommens hinaus zugehen und im Grundsätzlichen die Position vom 10. Juni in keiner Wei se anzutasten. Man kann sich nur wundern, daß die Palamiten nicht so fort gegen diesen Tomos Sturm gelaufen sind. Eine gewisse Geschichtsfälschung liegt immerhin vor in der Über schrift, die das Dokument im Patriarchatsregister aufweist (ed. 1. S. 299, 1-5). Diese faßt die Synoden vom 10. Juni und die von Juli zu sammen, wie wenn es um zwei Sitzungen eines Prozesses gegen Barlaam und Akindynos gegangen wäre. Weder die Bezeichnung Tomos noch das Sprechen von Synoden in der Mehrzahl entspricht den Absichten des Pa triarchen. Dadurch, daß von Synoden gesprochen wird, denen der Ks. ( Andronikos III.) präsidierte, solange er lebte, erweckt die Überschrift fal scherweise den Eindruck, daß Andronikos IU. auch etwas mit der Synode von Juli zu tun gehabt hätte und daß sein Werk dort in seinem Geiste voll endet worden wäre. Das Dokument selbst lobt zuerst allgemein Demut und Vätertreue (§ 1) und wirft dann im Sinne der Palamiten Barlaam Hochmut vor, der auf sei ner Kenntnis der heidnischen Weisheit beruhe und die höhere Weisheit der Mystiker verachte (§ 2,1 - 5 ) . Seine Anklage gegen die Hesychasten wird =
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TEIL 11. DER STREIT UM DIE THEOLOGIE DES GREGORIOS PALAMAS
wenig glücklich bis irreführend so zusammengefaßt: Die Angeklagten würden behaupten, an Gottes Wesen könne man teilhaben, und die unge bildeten Mönche, die Barlaams Informanten gewesen wären, hätten, des wegen angegriffen, geantwortet: nicht am Wesen, sondern an der uner schaffenen Gnade des Geistes . Daraufhin hätte er sie des Ditheismus be schuldigt und sei sogar zum Patriarchen gekommen, um insbesondere Palamas anzuklagen, der sich vor der Synode verantworten solle (2,5 3,6) . Er wollte diese Anklage nur von einer Synode in Gegenwart des Kai sers behandelt sehen (§ 4) . Auf der Synode wurde Barlaam gefragt, ob er etwas in bezug auf die hesychastischen Mönche vorzubringen habe. Als dieser daraufhin dieses Thema mit dogmatischen Fragen und Lösungen vermischen wollte und sich weigerte, sonst überhaupt etwas zu sagen (§ 5), ließ der Patriarch Kanones vorlesen, die es Nichtbischöfen verboten, Dogmen zu diskutieren und andere zu zwingen, sich in solchen Fragen zu vetteidigen, sowie sich selbst in kirchlichen Dingen Lehrbefugnis anzuma ßen (§ 6; s. bes. Z. 3 - 6) . Wie sehr auch auf den ersten Blick gegen Bar laam gerichtet, bedeutet dieser Passus doch auch eine Stellungnahme ge gen den Tomos Agioritikos, der wie kein anderes Dokument dieses Verbot mißachtet hatte. Danach wurden die Anklagen Barlaams gegen die Mön che (nicht gegen die Theologie des Palamas) vorgelegt und vorgelesen und der besagte Palamas beauftragt, dagegen die Verteidigung vorzubringen. Dieser lieferte im ersten Teil seines Vortrags die passende Verteidigung und erörterte danach, wie Barlaam ihn angegriffen und er sich gezwunge nermaßen gewehrt hätte (§ 7) . Der Inhalt dieses Streites wird mit keinem Wort erwähnt. Nun wurde befohlen, Barlaams Schrift « Gegen die Massa lianer» zu bringen. Daraus wurde seine Erklärung des Thaborlichtes vor gelesen. Diese lautete « <wörtlich» Tomos § 8,5 ) : « Das auf dem Thabor strahlende Licht der Gottheit war nicht unzugänglich, noch war es in Wahrheit Licht der Gottheit oder überhaupt heiliger oder göttlicher als Engel, sondern geringer und niedriger sogar als unser eigener Geist. Alle (unsere) Gedanken und geistigen Überlegungen sind von höherem Wert als jenes Licht, das durch die Luft in das Auge dringt und unter die sinnli che Wahrnehmung fällt und denen, die sehen, nur das Wahrnehmbare zeigt, also materiell ist und eine Form hat, an einem bestimmten Ort und in der Zeit erscheint, die Luft färbt, im einen Augenblick entsteht und er scheint, im anderen sich auflöst und zu existieren aufhört, weil es auf die Vorstellung wirkt, individuell und endlich ist. DaI1J.m wurde es auch von 39
EINLEITUNG
Menschen gesehen, die ihrer geistigen Aktivitäten beraubt waren, viel mehr diese gar nicht vollkommen besaßen und noch nicht rein waren und sogar bei jener Vision auf dem Berg noch nicht der Kenntnis des Gottähn lichen gewürdigt wurden. Wir werden von diesem Licht hinaufgeführt zu Gedanken und Meditationen, die unvergleichlich mehr wert sind als jenes Licht. Jene, die dieses Licht den Geist übersteigend, wahrhaftig und unzu gänglich usw. nennen, irren also total, und weil sie nichts Höheres kennen als die sichtbaren Güter, sind sie gottlos und führen höchst verderbliche Dogmen in der Kirche ein» (§ 8,5-21). Man beachte, daß ein Text zitiert wird, worin Barlaam nirgends über unerschaffenes, anfangloses und un endliches Licht spricht. Man kann diese Exegese Barlaams als für seine Zeit höchst aufgeklärt bezeichnen. Was « die Mönche» (nicht Palamas; § 9,1) dem entgegensetzten, war spätantike und byzantinische Rhetorik der Du siehst, wie er die Menschwerdung / (1056) klar zu nichte macht, wie ich auch oben irgendwie gezeigt habe. S. 1056,1 - 13 Zusammenfassung (s. Einl. S. 12 f.) Es folgen weitere Zitate, die die Auffassung des Palamas von den uner schaffenen und vom Wesen Gottes verschiedenen Wirkungen/Wirksam keiten Gottes belegen sollen. Danach fährt Gregoras fort. (Übersetzung S. 1056,13 ff. ) 6. Als ich noch viel mehr von solchen Gotteslästerungen des Mannes einflechten wollte, schnitt mir mein Freund das Wort ab und trug lange Lobreden auf Palamas vor. Danach sprach auch er als erstes voll Lob klar das Bekenntnis aus, daß es eine Menge unerschaffener Wirkungen Gottes gebe, die von seiner Natur völlig abgegrenzt seien. Zweitens, sagte er, daß der heilige und unerschaffene Geist (Gottes) nicht einer sei und auch nicht nur sieben (jene, die nach der Prophezeiung des Propheten Jesaja auf Chri stus ruhen würden), sondern siebzigmal sieben und soviele noch dazu, als 171
üBERSETZUNG: KAPITEL xxn
1056/1057/1058
man nur mit dem Verstand erfassen könne, ja unendliche Male unendlich viele. Dazu seien auch die über den Aposteln erschienenen zwölf feurigen Zungen / (1057) zu zählen, sagte er, wie auch die bei der Taufe Christi erschienene Taube. Das alles nenne die Schrift mal Geister, mal unerschaf fene Wirkungen, mal Gnaden, mal Kräfte. Das seien die Dinge, woran die Kreaturen Anteil hätten, und außerdem würden (dadurch) die Menschen unerschaffen und alles Geheiligte geheiligt werden, unter anderem auch unsere göttliche Taufe und außerdem das Brot, das wir opfern und woran wir Anteil haben in der göttlichen Liturgie. Aber die göttliche Natur blei be für alle nicht mitteilbar. 7. Daraufhin wurde der Bundesgenossenkrieg mit den Beispielen eröff net. Ich meine den (Krieg des) Mann(es) , der mit ihm seitens des patriar chalen Senats zu mir gekommen war, auch dieser angeblich einer der Ge lehrten. Dieser gürtete sich, das Fehlende zu sagen, und stellte sich mir im Verhalten und im Blick mit großer Schärfe entgegen. Denn jeder konnte es sich schon erlauben, mein Schicksal mit Füßen zu treten und mich zu ver achten, alleingelassen, wie ich war, und von allen Seiten von allen mögli chen Gefängniswärtern eingeschlossen, so wie es heißt, daß bei einer ge fällten Eiche es jedem Mann freisteht, sich davon Holz zu holen.533 Jede Scheu ist, wie es scheint, ins Meer geströmt und von der Ebbe mitgenom men und versenkt worden. Jener Mann also übernahm mit noch größerer Schärfe den Kampf, und es fiel ihm ein, mit einem Beispiel über Teilhaben und Nichtteilhaben das Wort zu ergreifen. Er sagte: «Gewiß können wir bei der Sonne am Wesen, das unbeweglich am Himmel bleibt, nicht teilha ben, aber an ihrer leuchtenden Wirkung, die zu uns herabkommt, haben wir Anteil. / (1058) So muß man sich das auch bei Gott denken. Sein We sen thront im Himmel, den die Schrift Thron Gottes nennt, und daran können wir keine Teilhabe erreichen. Wir haben also (nur) teil an seiner Wirkung, seinem Willen, seinem Leben, seiner Macht und Kraft, die ohne alles Wesen zu uns herabkommen und uns unerschaffen machen. Sie (die Wirkung) ist etwas anderes und etwas vom Wesen weit Verschiedenes, zwar auch eine Gottheit und unerschaffen, aber eine untergeordnete.» Während er das ausführte, beherrschten Wogen der Erregung sein Gemüt, und er bedrängte mich sehr heftig von oben herab mit der Frage, welches von beiden ich wählen wolle, Widerspruch oder Zustimmung. 8. Ich ant wortete und sagte: «Wie ich höre, konnte nach dem Sprichwort nicht mal Herakles zwei Gegner zugleich bekämpfen.534 Ich stehe hier allein, bin ein 172
1058/1059 - 1060
OBERSETZUNG: KAPITEL XXII
Gefangener und kann aus den gegebenen Umständen nicht die geringste Zuversicht schöpfen. Ich werde gezwungen, den Kampf gegen zwei zu führen, die vereint ihre Ansichten und ihre Zungen mit Zuversicht ge wappnet haben und in einem Stadion ohne Zuschauer furchtlos alles sa gen und darlegen können, was sie nur wollen. Und wenn sie weggehen, können sie Lügen verbreiten bei den Abwesenden, während ich nicht da bei bin noch jemand sonst, der an meiner Stelle die Wahrheit bezeugen wird. So sehe ich mich in großer Not von bedrohlicher Ratlosigkeit umge ben. Beides ist absolut beschwerlich, sowohl das schweigende Ertragen der gefährlichen dritten Woge des Gehörten, wie auch das Widerlegen des Wahnsinns auf der Stelle, weil bei dieser Abwesenheit des Gegners / (1059) Euch überhaupt nichts daran hindern wird, meine Argumente zu verdre hen. Was ich anpacke, scheint mir darum in beiden Richtungen schwierig und schwer durchzuführen. Da der Kampf unblutig ist und die körperlose Seele die Gegenstöße der geistigen Schwerter und die Wunden empfängt, scheint der Sieg bei fehlender Öffentlichkeit übler Deutung ausgesetzt, die Zunge aber wendig veranlagt, wenn es darum geht, den Sinn des Urteils nach Wunsch des eigenen Sinnes zu verfälschen. Ich weiß auch nicht, wie ich die Schlachtordnung dieses Krieges nennen soll. Es ist kein Zwei kampf, denn zwei Zungen sind gewappnet gegen eine, und auch steht kei ne Menge Soldaten da, die außerhalb (des Kampfes) zuschaut, damit die Arena der Kämpfenden öffentlich sei, wie wenn Kriegstrompeten die Run de machen und ringsherum ertönen, wenn sie zusammen die Schlachtsi gnale für die Kriege unter freiem Himmel erklingen lassen. So bin ich ge zwungen, die Front meiner Phalanx heute nach zwei Seiten aufzustellen, damit ich so irgendwie gegen beide Zungen ankomme. Dabei habe ich ei nerseits als Ausrichter des Kampfes und unbestechlichen Richter das nie schlafende Auge Gottes,535 für den ich den Kampf vollbringe, andererseits für später auch nicht wenige von denen, die jetzt nicht anwesend sind, wenn ich nämlich meine Schriften als Zeugen benutzen werde, sofern Gott mir noch ein wenig Zeit zu leben geben wird, aber in Freiheit.» S. 1059,21- 1075,7 Zusammenfassung. Gregoras nimmt unvermittelt den Kampf wieder auf.536 Du lokalisierst die Substanz (das Wesen) der Sonne am Himmel und er klärst ihr Licht zu einer Wirkung, die nicht für sich besteht. Du hättest beweisen sollen, daß die Väter zwischen Sonne und Sonnenlicht den glei173
üBERSETZUNG: KAPITEL XXII
1060-1066
ehen Unterschied machen (1059,21- 1060,11) . Weiter hättest du beweisen sollen, daß man aus einem Beispiel aus dem materiellen Bereich Schlüsse ziehen kann in bezug auf das Immaterielle, und auch, daß man aus allem (Materiellen und Immateriellen) sogar Schlüsse ziehen kann in bezug auf das alles transzendierende Wesen Gottes, dem wir aufgrund seiner Werke viele Namen geben (1060,11- 1061,2) . Du verstehst aber nicht einmal das, was du als sichtbares Beispiel benutzt, und also erst recht nicht das Un sichtbare, worüber du sprichst (1061,2-6) . (Gregoras verbindet das mit Beleidigungen, die im Ton hinter denen, die er seinem Gegner zum Vor wurf macht, kaum zurückstehen (1061,6- 1062,9»). Ich will hier vieles übergehen, aber zumindest zwei Väterzeugnisse zitieren, zuerst Johannes Damaskenos. (Im Zitat, das nun folgt,537 unterscheidet dieser in der Sonne zwei Wesen, das zuerst geschaffene Licht (s. Gen. 1.3) und die Sonne als nachträglich erschaffenen Körper dieses Lichtes (Gen. 1.16») . (Gregoras:) Das widerspricht der Unterscheidung zwischen Sonne als Wesen und Licht als Wirkung ohne Wesen (1062,9- 1063,4) . Höre auch was Gregor von Nazianz sagt. (Im Zitat, das folgt,538 wird das Licht als die körperlose Form des Lichtes bezeichnet und das Gefäß der Sonne als Materie, die vom Licht gleichsam beseelt wird.) (Gregoras:) Das Licht ist also das ei gentliche Wesen der Sonne. Es benutzt die Sonne als Instrument. Das Licht braucht nicht die Sonne, sondern die Sonne das Licht (1063,4- 18) . Daraus ist zu folgern, daß in Gott, wie in der Sonne, das Wesen direkt selbst Prin zip dessen ist, was Gott erwirkt, und dazu nichts anderes braucht (1063,18-1064,18) . Das bezeugt auch Maximos.539 (Gregoras): Indem Pa lamas in Gott das Wirken vom Wesen trennt und dem Wirken das Wesen nimmt, erklärt er etwas zu Gott, das ohne Wesen wäre und also nicht exi stieren könnte. Auf diese Weise macht er ungebildete Bischöfe zu Athe isten (1064,18 - 1065,20) . Weiter sagt Maximos:540 «Nichts von alledem, wovon man sagt, daß es ist, hat überhaupt das eigentliche Sein. Darum kann von aller Ewigkeit her nichts mit Gott zusammengebracht werden, das von ihm im Wesen verschieden ist, weder Ewigkeit noch Zeit noch et was, das darin existiert. Denn eigentliches Sein und nichteigentliches Sein gehen nie zusammen» (1065,20- 1066,3 ) . Weiter deuten wir, laut Maxi mos,541 mit allem, was wir von Gott sagen (er sei gut, er sei Schöpfer usw.), keine Dinge an, die wesentlich verschieden sind voneinander, son dern benutzen nur jeweils partielle Benennungen, die nie das Wesen selbst treffen (1066,3 - 11) . Auch ist laut Maximos542 jede Substanz zumindest 174
1066- 1071
üBERSETZUNG: KAPITEL XXII
potentiell Prinzip von Bewegung und steht jede substantielle auf Wirkung gerichtete Bewegung für unsere Begriffe zwischen der Substanz als Prinzip (Ursache), die im Denken vor der Bewegung kommt, und der Wirkung als Ziel (Ende), die im Denken nach der Bewegung kommt. Da Gott aber we der Anfang noch Mitte noch Ende kennt, steht er über diesen Begriffen und ist weder Wesen noch Macht noch Wirkung in unserem Sinne, son dern transzendiert und verursacht das alles (1066,11- 1067,10). Du siehst, daß die Väter verbieten, in Gott zwischen Wesen und Wirken oder was auch immer zu unterscheiden. Ein weiteres Zitat aus Maximos543 bestätigt das (1067,10- 19) . Aber euer Palamas (denn er ist schuld an diesem Übel und nicht nur ihr seid anzuklagen, die ihr nur seine Schüler seid) lehrt schamlos und offen, daß Wirkung, Leben, Weisheit usw. Gottheiten seien, und zwar vom Wesen Gottes und voneinander verschieden und jede un vergleichlich besser als das Wesen (1067,19- 1068,5). Dazu äußerten sich auch Athanasios und Maximos,544 die jede Zusammensetzung in Gott aus Wesen und hinzukommenden Eigenschaften leugnen. Euer Palamas aber will und kann nicht begreifen, daß es das nur bei Kreaturen gibt. Diese haben Eigenschaften, weil sie für äußere Einflüsse empfänglich sind, was bei Gott nicht der Fall ist. Gott werden anthropomorphisierend, aber nicht im eigentlichen Sinne Eigenschaften zugeschrieben. Gott war alles, z. B. barmherzig, ehe der Mensch dies von ihm sagte, ja ehe jemand über haupt Barmherzigkeit brauchte. Barmherzigkeit als Wirkung gab es erst, nachdem der Mensch gesündigt hatte. Unsere Begriffe und Benennungen sind sekundär und zerlegen die Einfachheit Gottes, die unsere Begriffe übersteigt.545 Palamas aber macht aus diesen Begriffen und Namen uner schaffene Gottheiten, wie seine eigenen Worte beweisen, «von denen ich oben einige zitiert habe» (1068,5 - 1070,21) . Palamas hat auch das Be kenntnis zur Einigkeit Gottes nicht verstanden. Wenn die Vielheit der un erschaffenen Gottheiten des Palamas Gleichheit in bezug auf ihre Natur und Unerschaffenheit aufweist, ist die Vielheit keine Vielheit, sondern eine Einheit. Er setzt sie dann mit dem Wesen gleich, ohne es zu erkennen, und gibt dem, was er richtig sagt, eine falsche Bedeutung. Was gleich und nicht anders ist, ist in Natur und Wesen keine Vielheit. Wenn er aber seinen Gottheiten wie den Menschen Gleichheit kraft Gnade bescheinigt, setzt er, ohne es zu merken, die Vielheit seiner unerschaffenen Gottheiten mit der Vielheit der Menschen gleich. So wird bei ihm das Unerschaffene er schaffen. Vielheit heißt Ungleichheit und Ungleichheit heißt Vielheit. Wer 175
OBERSETZUNG: KAPITEL XXII
1071-1074
also dem Wesen Gottes andere unerschaffene Gottheiten an die Seite stellt, vernichtet die Einigkeit Gottes. Vielheit bedeutet auch Unterschied, Unter schied kann es aber nicht geben ohne Unvollkommenheit, und was un vollkommen ist, kann nicht Gott sein. Es gab und wird also immer nur das eine dreieinige göttliche Wesen geben, auch wenn alle Palamiten bei ihren Aussagen bleiben, bis sie platzen.546 Man höre dazu Johannes von Damaskos.547 Palamas unterscheidet in Gott aber nicht nur Wesen und Wirkungen, und nicht nur unendlich viele und unerschaffene Wirkungen, sondern auch noch höhere und niedrigere. Zwischen unendlich vielen hö heren und niedrigeren Gottheiten muß es aber Abstand geben, un4 zwar meßbar, sonst kann von höher und niedriger keine Rede sein. Das Unend liche ist aber nicht meßbar, wie auch der Hl. Gregorios sagt548 (1071,11073,4) . Ich hätte noch mehr Zeugnisse beibringen können zum Beweis, daß keine Wirkung, keine Eigenschaft oder sonst etwas von Ewigkeit zu sammen mit dem Wesen Gottes existieren und zugleich verschieden davon sein kann. Auch hätte ich den leeren Worten des Kabasilas ihm widerspre chende Vätertexte entgegensetzen wollen, aber er sagte, diese später anhö ren zu wollen, und befleißigte sich, zuerst das übliche Ausfluchtsargument vom Thaborlicht vorzubringen, das von den Heiligen eine unerschaffene Wirkung und eine Gottheit genannt worden wäre. Das täten namentlich Gregorios (von Nazianz) und der Melode.549 Bei ihnen heiße es, daß Gott sich als Licht zeigte bzw. als Lichtemanation, die zugleich göttlich, d. h. unerschaffen, und vom Wesen Gottes verschieden sein müsse, denn Gottes Wesen bleibe unsichtbar und könne Kreaturen nicht mitgeteilt werden, das Licht auf dem Thabor aber sei sichtbar gewesen und also vom Wesen Gottes verschieden (1073,4- 1074,3) . Dazu zitierte Kabasilas durcheinan der, aber dem Sinne nach richtig, einiges aus den Werken des Palamas. Er sagte: Alle Philosophen, heidnische wie christliche, unterscheiden beim einfachen körperlosen Wesen zwischen Wesen und Wirken. Das sind also zwei verschiedene Dinge. Gott sieht und vergöttlicht, aber vergöttlicht er darum auch alles, was er sieht? Und wenn Sehen und Vergöttlichen ver schieden sind, muß darum eins von beiden erschaffen sein? Wenn unser Geist Wissen aufnimmt, wird er dadurch nicht zusammengesetzt; also auch die göttliche Natur nicht durch seine Vorsehung, seine schöpferische Tätigkeit oder irgendein Wirken. Das sagen die Heiligen eindeutig. Er brachte aber keine Zeugnisse bei. Weiter sagte er: Durch seine Geburt aus dem Vater ist der Sohn auch Gott, und zwar nicht verschieden als uner176
1074-1079
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üBERSETZUNG: KAPITEL xxn
schaffener Gott und als Sohn, sondern dem Vater völlig gleich, aber trotz dem: als vom Vater verursachter Sohn ist er zweiter nach dem Vater, kein zweiter (zweitrangiger) Gott, sondern zweiter im Rang laut Basileios. So auch ist das Wirken Gottes eine unerschaffene Gottheit aus der unerschaf fenen Gottheit des Wesens, nicht verschieden als unerschaffene Gottheit, sondern als Wirkung; in der Unerschaffenheit in nichts verschieden oder getrennt vom Wesen, aber das Wesen als Ursache über sich habend (1074,3 - 1075,7) . Darauf ich: «So lieb warst du noch nie. Du bringst mir geradezu die Schätze von Lydern und Persern.551 Du löst mir ein Rätsel, das mich schon lange quälte. Und das schönste ist: das gegen deinen Willen und zu mei nem Vergnügen. Ich wollte nämlich nicht nur deine sonstigen Gottesläste rungen nachweisen, sondern auch, daß du die Menschwerdung leugnest. Das ist nämlich der Höhepunkt der Häresien und Gotteslästerungen. Du hättest mir keine bessere Gelegenheit bieten können, Palamas in flagranti zu ertappen bei dem, was er heimlich mal so, mal so verkündet. Er be hauptet also, daß alle Philosophen auf seiner Seite sind. Damit erfüllt sich das Sprichwort: «Bellerophon, du bekämpfst dich selbst.,, 552 Mit drei Din gen vor allem hat Palamas die Masse betrogen, erstens mit der falschen Erklärung des Thaborlichts. Die Verklärung haben auch schon die Bilder stürmer für ihre Häresie mißbraucht. (Übrigens habe ich das oben schon ausführlich behandelt. Wer will kann es dort aufsuchen.) Zweitens sam melt er j ährlich Manuskriptfälscher um sich, um mit ihrer Hilfe (durch Änderungen in den Handschriften) zu beweisen, daß die Widerlegungen, die ihm entgegengehalten werden, nicht stimmen und man ihn also ver leumdet. Deshalb geben seine Gegner die Verfolgung auf, weil er jeden Augenblick seinen Standpunkt ändert. Ähnlich verfahrende Gegner hat schon Athanasios angeklagt. (Zitar5s3). Palamas ahmt also eindeutig die alten Häretiker nach, ja er setzt jenen Übeln Olympe (Berge) neuer Übel auf (1075,7- 1078,20). Darum freue ich mich, daß die Beute, die ich bisher nicht erwischen konnte, mir so in die Hände geliefert wird. Ich brauche nun nicht mehr gegen fragliche Aussagen anzukämpfen, sondern habe eindeutige Zeugnisse. Drittens behauptet Palamas immer wieder, daß gro ße Weise, christliche wie heidnische, mit ihm übereinstimmen. Er nennt aber entweder keine oder haufenweise Namen, ohne anzudeuten, was sie genau sagen. Mit diesen Namen sucht er zu verbergen, daß er ein Neuerer ist, denn Neuerer werden von den meisten nicht akzeptiert. Das macht ihn 177
üBERSETZUNG: KAPITEL XXTIl
1079 -1085
nicht nur zu einem Gotteslästerer, sondern auch noch zu einem Verleum der derer, denen er seine Gotteslästerungen zuschreibt (1078,20 - 1079 ,22) .
KAPITEL XII - XXIII DES GANZEN WERKES s. 10 80,1- 1111,11 Zusammenfassung (s. Anm. 536) . 1.1. Ich werde es ihm nicht gleichtun, solange Gott mich bei Verstand
läßt. Palamas hat keine Ahnung von der Literatur und Wissenschaft der Hellenen, die die Väter sich in Auswahl zu ihrem eigenen Nutzen dienst bar gemacht haben. Ihm fehlten die elementaren Kenntnisse zur Textinter pretation, und er verstand darum die christlichen und heidnischen Texte, die er benutzte, nicht. Darum erging es ihm wie Ikaros, der auch etwas versuchte, das seine Möglichkeiten überstieg.554 Um den Applaus von un gebildeten Hörern zu ergattern, entlieh er mit den Vätern bei den heidni schen Weisen gewisse Ausdrücke, vermischte sie mit den christlichen Dog men und verursachte so, ohne es zu merken, einen Sturm gegen die Kir che. Als er soweit war, bereute er das nicht, sondern fing an, gegen mich, der ihn korrigiert hatte, zu wüten. Um stark dazustehen, schmeichelte er sich beim Kaiser ein. Er erkaufte sich dessen Wohlwollen, aber vertrieb die Gnade Gottes (10 80,1-10 82,14) . 2 . Ursprünglich hatte ich befürchtet, dein Palamas würde mich verleum den und behaupten, daß ich meine Kraft den mir vertrauten dialektischen Kenntnissen der heidnischen Weisheit entnähme. Aber nun hat er, da er ungewappnet war, von sich aus versucht, sich selbst in dieser Hinsicht ge gen die Wahrheit zu wappnen, und darum darf ich das jetzt zur Verteidi gung der Wahrheit um so mehr tun. Das entspricht auch der Empfehlung der Theologen und Kirchenlehrer. In diesem Sinne darf ich also vorweg die Prinzipien des Wettkampfes festlegen (1082,14-10 83,12) . 3. Laut Dionysios (Areopagita) 555 gibt es eine doppelte theologische Tradition, einerseits eine geheime und mystische, andererseits eine philo sophische und demonstrative. Das Ausgesprochene verbindet sich mit dem Unsagbaren. Ersteres überzeugt und legt die Wahrheit des Gesagten verbindlich fest, das andere verankert uns in Gott durch geheime Einfüh rungen, die von niemandem gelehrt werden. Athanasios, Basileios, Chry sostomos, Maximos und Johannes von Damaskos556 bezeugen, daß helle nische Weisheit und Dialektik zur Reinhaltung und Verteidigung der 178
1085 -1089
ÜBERSETZUNG: KAPITEL xxm
Glaubensdogmen notwendig sind. Wer in der Sprache und der Terminolo gie der Hellenen über etwas redet, muß bei den Erfindern des Hellenischen in die Lehre gehen. Das taten auch die Väter (10 83,12 - 10 86,2) . 4. Zu allererst ist nun die Frage zu stellen, ob es möglich ist, in bezug auf die einfache körperlose Natur, ich meine die Natur Gottes, irgendei nen Unterschied zwischen Wesen und Wirken zu lehren, so daß am Wesen keine, am Wirken jede Kreatur teilhaben kann, das Wirken sich aber als unerschaffen nur in dem einen Punkt vom Wesen unterscheidet, daß es das Wesen als seine Ursache und als höher anerkennt und außerdem in For men wie Weisheit, Macht, Leben, Wahrheit, Wille, Heiligung usw. ausein anderfällt. Man lese das bei ihm nach und überzeuge sich selbst. 5. Nun will weder euer Palamas noch wollt ihr euch als seine gehorsamen Schüler von unseren heiligen Lehrern überzeugen lassen, sondern ihr beschuldigt die Väter einer falschen Terminologie. Gut. Ich will von den Vätern hier insbesondere den sehr weisen Justinus zum Vorbild nehmen, der in seinem Werk über die Einheit des Prinzipss57 sehr viele Zeugnisse von hellenischen Philosophen, Dichtern und Rednern anführt, die sich einig sind, daß es nur einen Gott gibt. Er ging davon aus, daß Zeugnisse seiner Gegner für die meisten glaubwürdiger wären. So will ich heute auch mit Zeugnissen von Heiden arbeiten, ohne ihrer Religion zuzustimmen. Erkenntnis ist kein Teil der Religion und fremde Weisheit kann genau so wenig schaden wie Nahrungsmittel fremder Völker, die wir auf unseren Tisch bringen. Diesen Zeugnissen werde ich dann wieder solche von Heiligen hinzufü gen. Aber euer Palamas will von beiden nichts wissen. Er ist wie ein kran ker Mann, der ein Messer nimmt, das für ihn zu schwer ist, und sich dann, weil er damit etwas anderes nicht erreichen kann, aus dem eigenen Fleisch ein blutiges Mahl vorsetzt und sich selbst ißt, zugleich Spender und Ver zehrer der Speise ist. In dem, was er so fleißig studierte, fiel er durch, eine Folge seiner Arroganz und Dummheit (1086,2 - 1088,1) . 6 . Plotinos bekundet, daß Gott immer derselbe und einzig ist, o b man ihn nun Wesen oder Energeia (Akt) nennrS58 (1088,1 - 10 89,4) . 7. Desglei chen Aristoteles, der Gott als ewigen Akt, als ewige Energeia definierrS59 (1089,5 - 10) . Diese Zeugnisse stimmen genau mit solchen von Kirchenleh rern überein, die ich oben angeführt habe, ich meine Athanasios, Basilei os, Kyrillos, Theodoros (Graptos), der die Bilderbekämpfer vertrieb wie die Athener den kylonischen Frevel560 ( 10 89,11 - 18) . Damals hatte ich die betreffenden Bücher zur Hand und zeigte ihnen die Texte, hier will ich sie 179
üBERSETZUNG: KAPITEL XXIll
1089 -1100
nicht anführen, da sie schon im Bericht über das Räuberkonzil der Pala miten stehen (1089,19- 1090,4) .561 8. Dieselben Philosophen 9. und Väter nennen den (menschlichen) Geist ein Bild Gottes und bezeichnen auch Gott als Geist. So wie sie keinen Unterschied machen zwischen Wesen und Wirken, tun sie das auch nicht zwischen Geist und Denken (nous und noe sis). Dies bezeugen Plotin, Platon, Aristoteles und Maximos562 (1090,41091,19) . 10. Das habe ich aus dem Stegreif vorgebracht. Sobald ich dazu die Zeit habe, werde ich das weiter ausführen. Aus dem Gesagten ist aber klar, daß Kirchenlehrer und heidnische Philosophen sich einig sind, daß im einfa chen göttlichen Wesen Wesen und Wirken identisch sind (1091,201092,6) . Ich will diese Identität trotzdem auch noch beweisen aus der Sin gularität, der Einheit und dem Guten. 11. Zeugen sind mir Plotinos und der Platoniker Proklos563 (1092,6- 1094,6) . 2.1. Als ich glaubte, genug zur Sache gesagt zu haben, 2.-4. verlangten meine beiden Gegner noch, daß ich die Texte der Väter zeige, die mit den heidnischen Philosophen übereinstimmen würden. Im Gegensatz zu mir hatten sie sich mit den Philosophen kaum befaßt. Dafür glaubten sie Pala mas alles aufs Wort und übernahmen von ihm als Unwissende von einem Unwissenden die Gottlosigkeit. Ich zitierte sofort Aussagen des Dionysios Areopagita564 (1094,7- 1098,6) . Ich fügte auch noch vieles über Wille, Macht, Leben, Wahrheit usw. hinzu, halte es aber nicht für nötig, das euch (meine Leser) auch noch vorzulegen, wie ich das damals in der Hitze des Kampfes tat. Ihr werdet mir also verzeihen, daß ich jetzt nach dem Sturm gelassen an die Erzählung herangehe. Es ist inzwischen klar genug gewor den, daß die Einigkeit der heidnischen Philosophen und christli�hen Theologen in der fraglichen Angelegenheit daher kommt, daß sie den glei chen Regeln wissenschaftlichen Denkens huldigen, die Gott wie Erde und Himmel, Luft und Regen, Sonne und Mond oder auch Normen der Land wirtschaft, Jagd usw. für alle Menschen gleich gemacht hat. Insbesondere sollten die Griechen sich an ihre Urheber dieser Regeln halten. Eben des wegen hat Julianus Apostata den Christen die rhetorische Bildung der Hellenen verboten.565 Nur muß man immer aufpassen, daß man aus den heidnischen Schriften das Richtige auswählt, immer in übereinstimmung mit den heiligen Vätern. Sonst stiftet man aus Unerfahrenheit und Dumm heit Verwirrung, wie jetzt Palamas und ihr, die ihr ihm zustimmt und u. a. mit ihm bei der Verklärung Christi drei Naturen annehmt, eine für die 180
1100-1106
üBERSETZUNG: KAPITEL
xxm
Menschheit und zwei für die beiden Gottheiten, die Unsichtbare und die Gezeigte, eine zusätzliche unerschaffene Gottheit, mitteilbar im Gegensatz zu der anderen. Ihr zwingt mich also, auch diesen Unsinn zu widerlegen
(1098,6 - 1100, 10) . 5. Dazu muß zu allererst der Begriff Teilhabe behandelt werden. Dein Palamas trifft diesbezüglich aus den heidnischen Philosophen und den Schriften der Väter eine Auswahl nach der Art der Mistkäfer, die sich vor allem, was gut riecht, ekeln und das, was stinkt, lieben.s66 6. Von Proklos, der auch vieles über Gott gesagt hat, was nicht zu tadeln ist, hat er ausge rechnet die verkehrteste These zu der seinen gemacht.s67 Proklos unter scheidet drei Seinsordnungen, erstens die übergeordnete Gottes, an der Teilhabe unmöglich ist, zweitens die Art von Sein, woran Teilhabe mög lich ist, und drittens die Seinsart der Teilhabenden. Die erste steht so weit über der zweiten, wie diese über der dritten. Proklos befürchtete anschei nend, daß Gott, wie das bei Körpern der Fall ist, durch die Teilhabe ande rer an seinem Sein, geteilt werden könnte. Er sah nicht, daß Gott als abso lut einfaches Wesen immer überall und nirgends ganz da ist, daß alle ihn miteinander teilen können, ohne daß jemand (nur) einen Teil von ihm hat. Ein Beispiel bietet unsere Seele. Sie ist im ganzen Körper, ohne stück chenweise über den Körper verteilt zu sein. Vielmehr kann also alles an GOtt teilhaben, der überall ist und alles füllt (1100,11- 1103,1) . 7. Palamas, ehrgeizig im Schlechten, geht aber mit seiner Erfindung einer Menge uner schaffener Gottheiten und unerschaffener Kreaturen viel weiter als Pro klos. Die Behandlung des Unerschaffenen will ich aber für einen anderen Tisch aufheben. Hören wir uns jetzt die Worte der Heiligen an über das, woran Teilhabe nicht möglich ist (1103,1 - 1104,5) ! 8. Zuerst Dionysios Areopagita.s68 Er bezeichnet also Leben, Weisheit usw. gleichermaßen wie das Wesen als mitteilbar und nicht mitteilbar. Also entweder akzeptiert Palamas Dionysios nicht oder er versteht ihn nicht, oder beides, wie es scheint. Er beschimpft jene, die an Dionysios festhalten. Er ist wie die ehe brecherische Hure, von der Salomon sagt: Sie wäscht sich und behauptet, nichts Ungehöriges getan zu haben,,569 (1104,6- 1105,10). 9. Palamas sagt: «Nie werde ich akzeptieren, daß man an Gottes Wesen in seiner Ganzheit teilhaben kann. Es würde das teilhabende Wesen total verzehren nach dem Bibelwort: >, de Vries «peu avant les jours de Paques
1351» (vgl. n. 72 «debut 1351»). Was sagt nun Philotheos wirklich? Folgendes: «Als der große Bischof in die Stadt einzog wie es Brauch ist, . . . und er mit heiligen Hymnen und Psalmengesang durch die Stadt begleitet werden mußte, hörten sämtliche Sänger wie auf Vereinbarung mit all dem auf und sangen mit lautem Rufen und Schreien die Gesänge jenes großen Tages der Auferstehung Christi, obgleich man weit von jener Zeit und jenem Tag entfernt war (sie! 618 A 5 f.), weil sie glaubten, in dem Jünger und Nachfolger Christi, der wie aus der Unterwelt und dem Grab der Verfolgung und des Exils zurückgekehrt war, geradezu einen anderen Christus zu sehen, und so feierten sie jenen Tag als den Tag einer glänzenden Auferstehung» (617 D 12-618 A 10).
201
ANMERKUNGEN: 29
Es steht also fest, daß der Tag des Einzugs weit vom Osterfest (17. April 1351) entfernt war, d. h. lange davor zu datieren ist. Vorab hat Philotheos nämlich berichtet, wie und wann es endlich zum Einzug kam. W ährend Palamas sich auf Lemnos aufhielt, geschah folgendes. «Aber die wunderbare Stadt (Thessa lonike) des großen Mannes (gr. «des Großen» ; so tituliert Philotheos fortwäh rend seinen Helden) ertrug es nicht bis ans Ende und hielt es nicht aus, dar über hinwegzusehen, daß ihr eigenstes Gut so wider jedes Recht unter dem Druck einiger leicht zu zählenden Revolutionäre den Lemniern überlassen blieb. . . . Darum kam sie (die Stadt) damals mehr als früher mit gerechtem Ei fer zur Verteidigung ihrer selbst, ihres Ruhmes und ihrer Rechte in Bewegung und warf einen Teil jener schlechten und verdorbenen Leute hinaus und brachte den anderen zur Besinnung . . . . Als diese nun bestens und wie es sich gehörte aus dem Weg geräumt waren, verlangten alle einmütig und einstim mig nach ihrem guten Hirten. Sofort wurde dazu ein Schiff bereitgemacht, und die leitenden Männer der Kirche fuhren aus und brachten kurz darauf den großen Priester . . . » (617 A 15- C 2). Es folgt die Beschreibung des feierli chen Einzugs, die in die oben zitierte «Entgleisung» der Sänger mündet. Daß Philotheos das Verlangen der Thessaloniker nach ihrem geistigen Hirten das Ende der Zelotenherrschaft herbeiführen läßt, ist eine im Rahmen des übli chen bleibende hagiographische Lüge; das darin verpackte historische Faktum ist, daß das Ende der Zelotenherrschaft den Einzug des Palamas in die Stadt herbeiführte. Die Endabrechnung mit den Rebellen in T hessaloniki erfolgte durch Kantak. (s. Kantak. III 117,4-25; mehr dazu unten), aber wenn Philo theos den Einzug des Palamas sofort nach dem Machtwechsel stattfinden läßt, ist das gewiß keine hagiographische Phantasie. Welche führenden Männer der Kirche das Schiff nach Lemnos schickten, um Palamas abzuholen, ist unklar, aber im Klerus gab es, wie zwei weitere unten noch zu erzählende Vorfälle be weisen, ganz gewiß Anhänger des neuen Metropoliten, die seine sofortige Ein setzung verlangten, wobei sie mit Unterstützung des Kantak. rechnen konn ten, der in dieser Angelegenheit die frühere Btüskierung seines Eintretens für Palamas (s. u.) zu rächen hatte. Da es also keinen Grund gibt, die von Philo theos mitgeteilten Tatsachen anzuzweifeln, steht fest, daß der Einzug nur we nige Tage nach dem Machtwechsel in Thessalonike stattgefunden haben muß. Das Ende der Zelotenherrschaft läßt sich aber mit Sicherheit noch in den Sep tember (1350) datieren, d. h. etwa sieben Monate vor Ostern 1351! Hier der Nachweis. Von den Thessalonikern gegen Stephanos IV. Dusan zu Hilfe gerufen, verließ Kantak. noch vor dem Herbstäquinoctium, und zwar ganz am Anfang des neuen Jahres (anno mundi 6859
=
1. 9. 1350-31. 8. 1351) Konstantinopel (s.
Gregoras 876,22f. u. 878,3 -5; vgl. Kleinchron. 8/52 ed. Schreiner:
202
« • • •
Sept.
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. . . Ind. 3, a. 6858,» wo nur der Monat stimmt und die Jahres- und Indiktions angabe um ein Jahr zu niedrig angesetzt sind, vg1. Schreiner Bd. II 278). Kan tak. selbst begründet seinen Beschluß, Thessalonike fürs erste vorläufig zu hel fen und erst im Frühjahr einen größeren Feldzug zu unternehmen, damit, daß es schon Ende Herbst war (III 112,16 f.), aber dazu ist zu bedenken, daß für ihn der Herbst bereits Anfang August und der Winter Anfang Oktober beginnen kann (s. Bd. III 236; dies wird hier, wie wir noch sehen werden, bestätigt). In seinem Bericht betont er, daß, um die Einnahme von Thessalonike durch die Serben zu verhindern, größte Eile geboten war (110,17 f.; 114,6), und aus der Beschreibung der Fahn dorthin kann man errechnen, daß er dafür nicht mehr als acht Tage gebraucht hat (s. 114,4- 10; 114,20ff., bes. 115,7f.; 116,14f.; 116,16- 117,5). Die «Eroberung» der Stadt ging kampflos vonstatten und erfor derte also keine weitere Zeit (117,5- 10). Kurz nach der Machtübernahme in der Stadt traf ein venezianischer Gesandter, Giacomo Bragadin, bei ihm ein, um ihn zu einer Allianz gegen Genua zu überreden (118,6- 10; ohne Erfolg 118,10-22; vg1. Greg. III 44,5-9). Dieser Gesandte war vom venezianischen Admiral Marco Ruzzini zu ihm geschickt worden, der, am 1. September aus Venedig abgefahren, auf dem Weg nach Galata im Hafen von Alicastri auf Eu boia 14 genuesische Schiffe überrascht und 10 davon erbeutet hatte (vg1. Greg. III 43,9-23). Das war laut Gregoras (der zwar nicht selbst, wie Heyd: Com merce II 502 n. 7 und Iorga: Lat. et Gr. 207 n. 3 schreiben, damals dort war, wohl aber sein Freund und Gewährsmann Agathangelos) Ende Sommer (43,9 f.; 44,1), d.h. vor dem 21. Sept. Laut einer westlichen Quelle war der ge naue Tag der 18. Sept. (s. Schreiner: Kleinchron. II 277 zu Chron. 8,53; vgl. Balard: Bat. Bosph. 431 f.). Das zeigt, daß Gregoras, anders als Kantak., bei der Bestimmung der Jahreszeiten dem Kalender und nicht dem Saisonempfinden folgt. Da Ruzzini sich offenbar nur kurz auf Euboia aufhielt und, nachdem er don ein paar Sachen geregelt hatte, direkt nach Konstantinopel weiterfuhr (s. Greg. 44, 2-5), wo er am 30. September vor Galata ankam (s. Schreiner 1. c.), muß sein Gesandter bei der geringen Entfernung Euboia-Thessalonike und da Ruzzini in Konstantinopel auf Kantakuzenos warten wollte (Greg. III 44,9 f.), noch im Sept. in Thessalonike gewesen sein (und nicht erst Anfang Oktober, wie Kyrris: Cant. Gen. Ven. 334 f. annimmt). Ruzzini blieb übrigens nur 40 Tage vor Galata, ohne etwas ausrichten zu können (vg1. Balard 1. c.; Schreiner 1. c.), und Agathangelos, der Gewährsmann des Gregoras, sah ihn via Euboia nach Hause zurückfahren, ehe der Winter kam (wohl noch in der ersten No vemberhälfte), und während Kantak. noch in Thessalonike war (Greg. III 45,1-4). Aber das gehön nicht mehr hierher. Zu notieren ist aber noch, daß die Abwesenheit des Palamas beim Synodalprozeß gegen Niphon im Septem ber 1350 (s. MM I 300,18 -29) nicht, wie Darrouzes: Reg. 2314 glaubt, damit
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erklärt werden kann, daß er sich damals mit den Kaisern auf dem Wege nach Thessalonike befunden hätte. Nun zu 2.: Wie und wann versuchte Palamas, sein Amt in Thessalonike de fac to anzutreten? Von unseren drei Quellen (das Enkomion auf Palamas durch Patriarch Neilos (1379-1388) lasse ich hier bis auf eine Stelle als zweitrangig außer acht) kennt nur Philotheos Kokkinos ein zweimaliges Erscheinen seines Helden vor (den Toren) der Stadt und eine zweimalige Zurückweisung durch die Stadt bzw. die Regierenden in der Stadt. Gregoras und Kantak. kennen nur einen vergebli chen Versuch des Palamas, auf seinen Bischofsthron zu gelangen. Greg. er wähnt diesen gleich zur Wahl des Palamas zum Bischof, die mit der Thronbe steigung des Patriarchen Isidoros (17.5. 1347) verbunden war. Er sagt aber nicht, ob der Versuch auch sofort nach der Wahl gemacht wurde. Er schreibt (s. Bd. III 173): «Er (Isidoros) ernannte ihn (Palamas) also zum Bischof von Thes salonike. Palamas ging auch hin, fand aber bei den Bürgern dort keine freund liche Aufnahme . . . ». Ein sofortiger Versuch ist zwar an sich wahrscheinlich, in diesem Fall aber nicht unbedingt anzunehmen, da Palamas als profilierter Kantakuzenos-Anhänger mit Ablehnung rechnen mußte, weil die Thessaloni ker sich eindeutig fiir Johannes V. und gegen Kantakuzenos ausgesprochen hatten. Auch Kantak. erwähnt nur einen Versuch, aber in einem anderen Kon text. Bei ihm (III 104,5 ff.) bildet der Bericht über diesen Versuch den Auftakt zur apologetischen Darstellung, wie nur die Notlage von Thessalonike im Sommer 1350 ihn damals veranlaßt habe, nicht, wie geplant, ins Kloster zu ge hen und die Macht dem legitimen Herrscher Johannes V. Palaiologos zu über geben. Die Erwähnung dieses Versuchs ist also keineswegs chronologisch ein geordnet, wie Dölger: Reg. 2951 voraussetzt (s. dazu unter 4.), sondern gehört zur Erläuterung der Lage und der Entwicklung der Dinge in Thessalonike, die angeblich seinen fatalen Rückzieher vom Sommer 1350 bewirkt hätten, der zu einem neuen «Bürgerkrieg» (gegen Johannes V.) fiihrte, indem nämlich die weitere Entwicklung in Thessalonike Johannes V. zum Rebellen machte und ihn zwang, seinen «dynastischen Legitimismus» preiszugeben und seinem Sohn Matthaios die Mitkaiserherrschaft zu übertragen. Nur dieser Rücktritt von seinem Vorhaben, ins Kloster zu gehen , und der Anlaß dazu sind chrono logisch eingeordnet, nicht die Vorgeschichte. Kantak. erweckt wie Gregoras den Eindruck, daß der Versuch sehr bald nach der Ernennung des Palamas er folgte. Er greift zurück bis auf die Wahl des Isidoros im Mai 1347 und schreibt: «Isidoros, dem nach Johannes (XIV. Kalekas) das Ruder der Kirche der Byzan tier zugefallen war, weihte fiir nicht wenige Städte andere Bischöfe, darunter auch Gregorios Palamas fii r Thessalonike. Da dieser zu der ihm zugefallenen Stadt gesandt werden mußte, gab der Kaiser ihm ein Schreiben mit an die Ar-
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chonten in Thessalonike, den Protosebastos Alexios Metochites und den Tischvorsteher Andreas Palaiologos, und befahl, den Bischof mit allem Wohl wollen und aller Ehrerbietung zu empfangen» (III 104,5-13). Niemand würde diese Entsendung des Palamas nicht sofort nach der Wahl datieren, wenn wir nicht aus Philotheos wüßten, daß dies erst der zweite Versuch des Palamas war, auf seinen Bischofsthron zu gelangen. Denn Philotheos kennt, wie gesagt, zwei Versuche, und der von Kantak. erwähnte entspricht klar dem zweiten Ver such bei Philotheos. Überprüfen wir dessen Bericht. Die enttäuschten Patriarchatsaspirationen des Palamas nach dem Ausscheiden Johannes' XIV. Kalekas verschweigend (vgl. de Vries: Elite 177 n. 66), schreibt Philotheos: «Der göttliche Isidoros übernahm das Ruder der ganzen Kirche und sofort nach ihm und durch ihn der große Gregorios das der wunderbaren Kirche von Thessalonike» (Enk. 613 B 2-6). Nach einem lobhudelnden Kom mentar dazu fährt er fort: «Aber das war der Anfang neuer Kämpfe ... Er fuhr aus Byzanz ab zu der ihm als (Bischofs)Sitz zugeteilten Stadt, aber sie stieß ihn zurück . . . während sie noch nach dem Verderben roch, das sie vorher ergriffen hatte ( nach der Pest von 1347/1348 (?») und nach dem Aufruhr ( der Rebel lion der Zeloten)>> (613 D 2-10). Es folgt nun bald ein kaum beachteter Bericht über ein Wunder, das Gott kurz danach zu Ehren «des Verfolgten» in Thessa lonike verrichtete (so Philotheos 614 A 2-7) und zwar an einem Tag, der uns den t.a. q. für den sog. ersten Versuch liefert. Philotheos erzählt: «Es gab zu der Zeit in Thessalonike einen Priester im Rang eines Orphanotrophos (Waisen hausvorsteher), der eine seit drei Jahren ans Krankenbett gefesselte Tochter hatte. Dieser verlangte von seinen Mitpriestern am Fest Mariä Geburt, am 8. des Monats Gorpiaios ( am 8. Sept. (1350»), mit ihm um ein Zeichen zu be ten, daß der neue Metropolit (Palamas) Unrecht erlitten hatte. Und Gott ehrte seinen Diener (Palamas) und ließ das Kind plötzlich vom Bett aufstehen usw.» (614 A 8-D 2). Nicht einmal Meyendorff: Palamas 135 n. 38, der den «ersten Versuch» Ende Aug./Anfang Sept. datiert und auf Phi10th. 614 B hinweist, nennt diesen t.a.q., geschweige, daß er ihn erläutern würde. Im übrigen sagt Philotheos nicht, wie lange nach dem Versuch das Wunder stattfand, so daß die Datierung Ende Aug./ Anf. Sept. willkürlich ist, es sei denn, man nimmt an, das Wunder hätte am Fest Mariä Koimesis (15. Aug.) stattfinden sollen, wenn der Versuch schon vor diesem Datum gewesen wäre. Korrekt scheint mir nur die Datierung «vor d. 8. Sept.» Natürlich kann man zum Wunder mehr als nur ein Fragezeichen setzen, aber da sich um 1368 (als Philotheos sein Enkomion schrieb) noch zu viele Leute an die Ereignisse erinnern konnten, muß es am 8. 9. 1347 wohl ein irgendwie von Palamasanhängern herbeigeführtes «Wun der» gegeben haben. Daß es sich um ein Wunder mit Propagandacharakter ge handelt hat, wird dadurch bestätigt, daß der gleiche Priester-Orphanotrophos =
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auch noch einen mondsüchtigen Sohn hatte, der während der ersten feierlichen Liturgie des Palamas in seiner Bischofsstadt (Sept.lOkt. 1350) von diesem ge heilt wurde (Philoth.: Enk. 619 A 4-B 7). Die Geschichte geht nun bei Philo theos folgendermaßen weiter: Palamas zieht sich nach dem Mißerfolg auf den Athos zurück, geht nach einiger Zeit von dort nach Konstantinopel und unter nimmt bald darauf einen zweiten Versuch. Dieser ist mit dem einzigen von Kantak. erwähnten gleichzusetzen. Vergleichen wir die Berichte. Bei Kantak. kommt Palamas nach Thessalonike mit einer kaiserlichen Emp fehlung (s. ob.), aber wird von den Archonten der Stadt zurückgewiesen. Kan tak. berichtet: «Aber sie (die Archonten) gehorchten weder dem kaiserlichen Schreiben noch nahmen sie den Bischof auf, sondern leugneten offen, dem Kai ser zu unterstehen. Sie gaben vor, daß sie dem Palaiologen ( = Joh. V.) zugetan waren und deshalb gegen den Kaiser Kantakuzenos Krieg führten, der jenen der Herrschaft beraubt habe. In Wahrheit wollten sie aber sich selbst die Macht über Thessalonike aneignen» (104,13-18) . . . «was ihnen auch eine Zeitlang nach Wunsch gelang» (105,9). Philotheos spricht beim ersten Versuch weder über irgendeine Beteiligung von offizieller Seite, sei es des Kaisers, sei es der Kirche, noch auf der anderen Seite von Zurückweisung durch die Macht haber in Thessalonike, von einer Palamas mitgeteilten Begründung gar zu schweigen. Er drückt die erste Ablehnung in einem Bild aus, das die Stadt als ein widerspenstiges Pferd erscheinen läßt: «Aber sie schüttelte ihn von sich ab, o Jammer, und sprang vom Vater weg» (613 D 8 f.). Der Grund wird gleicher maßen nur ganz allgemein angedeutet: die (mit der Pest und wie die Pest?) wü tende Zelotenherrschaft (613 D 9-13). Zusätzlich wird auf den Einfluß eines von Gottlosen ( Palamasgegnern) verbreiteten Gerüchts über Neuerung der Dogmen hingewiesen, wofür Philotheos ebenfalls die zelotischen Wirren ver antwortlich macht (613 D 13-614 A 2; diese Stelle von Meyendorff: Palamas 134 f. mißverstanden). Beim zweiten Versuch hebt Philotheos die Rolle von Kaiser und Kirche hervor und läßt die Zelotenführer Bedingungen stellen, die Palamas zum Abzug zwin gen, da er sie nicht erfüllen will. Er schreibt: «Es verging inzwischen (sc. nach der Rückkehr des Palamas vom ersten Versuch) ein wenig Zeit, und er fuhr wieder herunter zu seiner Kirche in Thessalonike. Dazu bewogen ihn sowohl der Wunsch, dort die Führung (seiner Kirche) zu übernehmen, als auch ganz besonders die Kaiser (Joh. VI. u. V.) zusammen mit dem Großen Vorsteher der gesamten Kirche ( dem Patriarchen (Isidoros»). Denn der Aufruhr schien, dort eingeschlafen zu sein und auf Eintracht und Harmonie zuzugehen. Aber es gab wieder andere Anlässe zu Unruhe und Zwietracht, und dem Bischof wurde wieder der Zugang zur Stadt und zu seiner Kirche verwehrt. Denn die Führer der aufgetretenen Verwirrung verlangten boshaft von den Kaisern =
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hohe, unangemessene Kampfpreise für die Wirren und die Rebellion, wofür man sie vielmehr hätte (zur Hinrichtung) abführen sollen. Da sie also nichts erreichten, wurde der Bischof vor die Wahl gestellt und gezwungen, eins von beiden zu wählen, entweder zu bleiben und die Kaiser der (ihnen zustehenden) Erwähnung in der heiligen Liturgie zu berauben und so in den Genuß seines Thrones und seiner (Bischofs)Gewalt zu kommen, oder, wenn er an jenen fest halten und sie nicht preisgeben wolle, mit ihnen zu verschwinden» (616 A 9-B 13). Der Bericht des Philotheos macht klar, daß die Installation des Palamas auf seinen Bischofsthron Teil eines umfassenderen Versuchs des Kantak. aus machte, mit Thessalonike zu einem Vergleich zu kommen. (Wir werden weiter unten sehen, daß er nicht viel später noch einen solchen Versuch macht, eben falls vergeblich). Denn nur so ist verständlich, daß zu allererst Forderungen an die Kaiser gestellt werden. Auf deren vermutlichen Inhalt komme ich noch zu rück. Hier sei fürs erste nur notiert, daß Palamas sie offenbar ohne Rückspra che mit Konstantinopel als unerfüllbar zurückweisen konnte. Danach erst wurde dem Bischof gesagt, zu welchen Bedingungen man ihn trotzdem in die Stadt aufnehmen würde. So bekommen durch Philotheos die Worte des Kan tak. «sie gehorchten weder dem kaiserlichen Schreiben, noch nahmen sie den Bischof auf» erst ihre wirkliche Bedeutung. In einem nicht unwichtigen Punkt weicht Philotheos freilich von Kantak. ab. Dieser läßt die Thessaloniker ihre Ablehnung mit ihrer Treue zum legitimen Kaiser Johannes V. Palaiologos be gründen, Philotheos spricht von Forderungen an die Kaiser, d. h. sowohl an Joh. VI. Kantak. als an Joh. V. Palaiologos, und laut seiner Darstellung wurde auch von Palamas verlangt, die Namen beider Kaiser in der Liturgie nicht zu nennen. Gegen diese Darstellung spricht aber nicht nur, daß die Thessaloniker keinen Grund hatten, öffentlich von der ursprünglichen Begründung ihrer Re bellion abzurücken, sondern auch, daß der spätere Enkomiast des Palamas, Patriarch Neilos, überliefert, daß von Palamas nur die Streichung des Namens Johannes' VI. verlangt wurde (PG 151, 673 A 1-4):» Man wollte ihn zwingen, für den einen Ks. (Joh. V.) zu beten und ihn (in der Liturgie) zu erwähnen, für den anderen aber keineswegs, da er schuld sei am Bürgerkrieg.» (Vgl. Meyen dorff : Palamas 138 mit Anm. 50). Die unterschiedliche Darstellung desselben Vorgangs durch Kantak. und Philotheos ist eine Folge der unterschiedlichen Absichten beider Autoren. Kantak. konzentriert sich auf das für ihn Wichtige: Palamas wurde abgelehnt, da er zu ihm, als dem legitimen Herrscher stand, und außerdem sei die angebliche Treue der Thessaloniker zur Palaiologendy nastie nur ein Vorwand, da die Rebellion sich in Wirklichkeit gegen die (gott gewollte) Kaiserherrschaft überhaupt richte. Philotheos, der unter Johannes V. schreibt, der sich längst mit seinem Mönch gewordenen Schwiegervater ausge söhnt hat, läßt die vormalige Zwietracht der beiden völlig außer acht und
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macht sich gleich die Sicht der kantakuzenischen Propaganda zu eigen, daß die Zeloten gegen die Kaiserherrschaft als solche rebelliert hätten. So vermeidet er es auch, Palamas' Bindung an Kantak. zu betonen, die den Sieg des Palamas als Belohnung für politische Treue erscheinen lassen könnte. Als zusätzliches Argument für die Gleichsetzung des einzigen von Kantak. er wähnten Versuchs mit dem zweiten bei Philotheos kann man noch anführen, daß beide unmittelbar anschließend Palamas nach Lemnos gehen lassen. Während die detaillierten Angaben bei Kantak. und Philotheos es uns ermögli chen, den von Kantak. erwähnten Versuch mit dem zweiten bei Philotheos zu identifizieren, deutet Greg. den Versuch des Palamas, in seine Bischofsstadt zu gelangen, so summarisch an, daß sowohl der erste wie der zweite gemeint sein könnte. Doch ist wohl eher anzunehmen, daß er den ersten im Auge hat, da für ihn nur wichtig ist, daß der Ketzer Palamas von Anfang an abgelehnt wurde. Seine Sicht paßt zu dem, was Philotheos als Einfluß antipalamitischer Gerüch te bezeichnet (613 D 13-614 A 2; vgl. oben). So wie Philotheos und Greg. über den ersten «Versuch» sprechen, hat man den Eindruck, daß Palamas sich da mals nur in die Nähe von Thessalonike begeben hat, um sich über seine Chan cen, in die Stadt einzuziehen, zu informieren, ohne daß es zu offiziellen Kon takten mit den Machthabern gekommen wäre. Die Tatsache, daß Palamas nicht einfach aufgrund seiner Ernennung seinen Sitz übernehmen konnte, dürfte der Anlaß gewesen sein, daß Kaiser und Kirche offiziell vorstellig wur den, um die Zeloten öffentlich für die Sedisvakanz veranrwortlich zu machen. Zu 3. Warum begab sich Palamas nach Lemnos? Greg. stellt einen Zusammenhang her zwischen dem Aufenthalt des Palamas auf Lemnos und den Plänen des Kaisers, ein Konzil über dessen Lehre urteilen zu lassen. Er erweckt den Eindruck, daß Palamas sich nach Lemnos begab, um ein solches Konzil zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern. Kantak. schreibt: «Nachdem also der Bischof von Thessalonike Gregorios (Palamas) von den Archonten nicht aufgenommen worden war, kehrte er zu rück und verblieb auf Lemnos, wo ihm vom Kaiser die nötige Fürsorge zuteil wurde» (I1I lOS,9-U) . Damit will er offensichtlich sagen, daß er den von sei ner Existenzgrundlage abgeschnittenen Bischof mit einer Pfründe auf Lemnos entschädigte. Die Art der Pfründe läßt er offen. Philotheos verrät, daß es eine kirchliche war. Kantak. dürfte sich dafür eingesetzt und Zusätzliches getan ha ben, so daß er das Verdienst der Fürsorge ganz für sich in Anspruch nimmt. Philotheos berichtet : «Vor die Wahl zwischen zwei übel gestellt (die Kaiser ver leugnen oder auf seinen Bischofssitz verzichten), wählte der große Mann wie der das geringere und akzeptierte, mit ihnen (den Kaisern) verbannt zu sein, da er keine geltenden Gesetze wie auch immer übertreten wollte und sah, wie Zwietracht und Aufruhr in ihnen (den Thessalonikern) wieder Oberhand ge-
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wannen. Wiederum gab es eine Seereise, wiederum ein Weggehen von Zuhause übers Meer, das den Bischof der großen Stadt (Thess.) zur Munerinsel des He phaistos (= Lemnos mit berühmtem Hephaistos-Kult) brachte und das Glück der großen Stadt einer kleinen und namenlosen schenkte und diese gewisser maßen mit einem Schlag groß und berühmt machte. So betrat der große Mann Lemnos aufgrund eines Beschlusses der Gesamtkirche» (616 B 13-C 10. Vgl. Darrouzes: Reg. 2314). Wenn man diesen Bericht mit dem des Kantak. zusam mennimmt, darf man daraus wohl schließen, daß Patriarch und Synode, von Kantak. dazu aufgefordert, Palamas enrweder den zufällig vakanten Bischofs sitz der Insel zu verwalten gaben oder ihn mit einem Sonderauftrag dorthin entsandten, so daß der «verwaiste» Bischof weder ohne Aufgabe noch ohne Einkünfte blieb, die seiner Würde entsprachen. Unsere Kenntnisse über die Be setzung des Bischofssitzes der Insel sind zu lückenhaft, als daß man eine Sedis vakanz für diese Zeit bejahen oder verneinen könnte (vgl. Darrouzes I. c.). Der Bericht des Philotheos über das segensreiche Wirken seines Helden auf der In sel erweckt aber den Eindruck, daß dieser in seiner Tätigkeit keinen Einschrän kungen unterworfen war. Auch, daß er sagt: das Glück der großen Stadt (= Palamas als B. v. Thess.) wurde einer kleinen (Lemnos) geschenkt, sowie die Tatsache, daß er die Inselbewohner Palamas als «Hirten» bezeichnen läßt (616 D 1Of.), sprechen für eine bischöfliche Amtsverwaltung. De Vries: Elite 178 verschweigt mit Kantak. und Greg. den kirchlichen Auftrag, der für den Auf enthalt des Palamas auf Lemnos aus rechtlicher Sicht entscheidend war. Dar rouzes sieht in der Darstellung des Greg., die er als «allusion a la fuite de Pala mas d'abord 'a Lemnos, puis a Thessalonike» bezeichnet und in die Zeit der Wahl des Patriarchen Kallistos datieren möchte, einen möglichen Grund, das von Philotheos bezeugte kirchliche Mandat neu zu überdenken. Ich halte diese überlegung für abwegig, da sie eine tendenziöse Deutung des Gregoras für bare Münze nimmt und dazu noch überinterpretiert. Der Vergleich mit Kan tak. und Philotheos läßt die Motivation des Lemnos-Aufenthalts bei Greg. als eine, wenn nicht böswillige, so doch höchst subjektive Interpretation erschei nen. Freilich muß man Greg. zugute halten, daß er den Lemnosaufenthalt des Palamas, der seinem Einzug in Thessalonike vorausging, bei seinen Lesern als bekannt voraussetzen durfte. Und da er dem Verweilen des Palamas in seiner eigenen Bischofsstadt das gleiche Motiv zugrundelegt wie dessen Verbleib auf Lemnos, ist es wohl nicht seine Absicht, dieses Fernbleiben als «Flucht» aus der Hauptstadt zu interpretieren, sondern will er nur andeuten, daß Palamas seine angeblich für längere Zeit norwendige Anwesenheit an diesen Orten als Vor wand benutzt habe, um die Teilnahme an einem Konzil ablehnen bzw. hinaus zögern zu können. Zu 4. Wann kam Palamas nach Lemnos?
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Laut Philotheos und Kantak. mehr oder weniger bald nach dem ergebnislosen Versuch, auf Empfehlung des Kaisers in seiner Bischofsstadt aufgenommen zu werden. Dieser Versuch wurde, wie schon oben angedeutet, von Dölger: Reg. 2951 ca. Sommer 1349 datiert, und dieser Datierung sind viele gefolgt, z.B. Ni col: Kantak. 72; ders.: Last Cent. 98; Weiß: Kantak. 98 f.; Darrouzes: Reg. 2314; Miller: Cantac. 393; de Vries: Elite 178. Sie wird aber, wie ebenfalls oben gezeigt, nicht stichhaltig begründet. Ich komme aufgrund der nachfolgenden überlegungen zu einem anderen Ansatz. Unser Ausgangspunkt muß die Datierung des ersten Amtsantrittsversuchs des Palamas sein, d. h., wie oben nachgewiesen, ein Datum nicht lange vor dem 8. Sept. 1347, vermutlich nicht vor dem 15. August. Welche Aufenthaltsstatio nen des Palamas lassen sich nun für die Zeit danach bis Sept.lOkt. 1350 (Ein zug in Thessalonike) ermitteln? Unser Hauptzeuge ist Philotheos. Dieser be richtet, daß Palamas sich, als Thessalonike ihm die Aufnahme verweigerte, zu rückzog und auf den Athos begab (614 D 2-5). Da er vor und nach seiner Reise nach Thessalonike schwer krank war, kam er nur langsam und nach vie len Tagen dorthin (614 D 5-8). Die Mönche wollten ihn bei sich behalten, und er wollte auch selbst dort bleiben, bis sich die Lage in Thessalonike normali sieren würde (614 D 13-615 A 5). Es ist anzunehmen, daß dies so von vornher ein geplant war, da Palamas sich als prominenter Kantakuzenosanhänger kaum ernsthaft hat Chancen ausrechnen können, in Thessalonike als Bischof akzeptiert zu werden. Auf dem Athos war er gut aufgehoben und konnte sei nen Einfluß geltend machen. Vielleicht hatte er sogar den Auftrag, dort dem Einfluß Dusans von Serbien entgegenzuwirken, zu dessen Herrschaftsgebiet der Hl. Berg seit Ende 1345 gehörte (s. G. Soulis: Tsar Stephan Dusan and Mt. Athos, Harv. Slav. Stud. 2 (1954) 125-139). Sicher ist, daß Palamas letzteres versucht hat. Philotheos berichtet, daß gerade damals auch der Serbenherr scher dorthin gekommen war und vergeblich versuchte, Palamas für sich zu gewinnen (615 A 5-B 2). Er versprach ihm alles mögliche, u. a. gleichsam im Tausch für den Bischofssitz von Thessalonike, den die Rhomäer ihm verwehr ten, Kirchen, Städte, Dörfer und passende Einkünfte, aber Palamas ließ sich auf nichts ein (615 B 2-616 A 5). Insbesondere soll Palamas Dusan dadurch verärgert haben, daß er für den griechischen Mönch Niphon (Skorpios vom Skorpiu-Kloster; PLP 20683) als Protos des Athos eintrat entgegen dem Bestre ben der Mönche des serbischen Chilandarklosters, die einen der ihren zum Protos machen wollten, was ihnen 1348 auch gelang (s. PLP 9, 111. Daß DUSan Palamas die gewaltsame Einsetzung in sein Bistum angeboten hätte, wie man ebd. liest, kann ich bei Philotheos nicht finden) . Dusan reagierte auf Palamas' ablehnende Haltung mit einem «Angebot», dem er den nötigen Druck verlieh, er solle sein Großgesandter beim Ks. in Konstantinopel werden (615 B 2-6). =
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Das war aber laut Philotheos ein Vorwand, ihn vom Athos zu entfernen; in Wirklichkeit sei es Dusan um folgendes gegangen: « Da seine Herrschaft über das rhomäische Land erst neugegründet und noch schwankend war, wollte er jenen großen Mann nicht in seinem Reich haben, da dieser für die Kaiserherr schaft der Rhomäer glühte und als großer Mann in Wort und Tat für sie sehr leicht die Flamme der Zuneigung seiner Leute wieder entfachen könnte» . M. a. W., Dusan befürchtete, Palamas könnte einen antiserbischen griechi schen Nationalismus auf dem Athos, dem er gerade durch Schenkungen und Privilegien wirkungsvoll entgegengewirkt hatte (vgl. de Vries, Elite 177 mit Anm. 67), neu aufleben lassen. Philotheos erklärt auf diese Weise, warum aus dem geplanten längeren Aufenthalt auf dem Athos nichts wurde. Daraus ergibt sich folgende Berechnung. Von Thessalonike zog Palamas irgendwann in der zweiten Augusthälfte 1347 weg (s. ob.). Um auf den Athos zu kommen, brauchte er viele Tage; da nur von «Tagen» die Rede ist, setze ich dafür höch stens zwei Wochen an. Da Dusan sich bekanntlich mit seiner Familie während der Pestepidemie von 1347- 1348 auf dem Athos aufhielt, bis er 1349 die Erobe rung von Epirus und Thessalien in Angriff nahm (s. F. Kämpfer: Dusan, in: Biogr. Lex. Südosteuropa I 450), ist anzunehmen, daß Palamas ihn dort bei sei nem Kommen schon vorfand und also von ihm noch im Oktober 1347 wieder zur Abreise veranlaßt wurde. Wir wissen übrigens aus Gregoras, daß Palamas Ende 1347 (oder spätestens Anfang 1348) von Kantak. aus Didymoteichon nach Konstantinopel gerufen wurde. Um dies zu begründen, will ich etwas ge nauer die Abfolge der Ereignisse nach Mai 1347 (Krönung des Kantak. usw., s. Bd. III 170- 173) rekonstruieren und die Widersprüche «auflösen», die in der diese Periode betreffenden Berichterstattung durch Greg. und Kantak. auftre ten und denen ich in den Anm. zu Bd. III zu wenig Auftnerksamkeit geschenkt habe. Ich gebe zuerst einen überblick meiner Rekonstruktion, um diese an schließend in einigen Bemerkungen zu erläutern und zu verantworten. Der Überblick enthält: 1. den Zeitansatz, 2. das Geschehen, 3. wo behandelt durch Greg., 4. wo durch Kantak. (Bd. III), wonach eine eingeklammerte Nummer die Reihenfolge bei diesem Autor markiert. Kantak. Gregoras 1347 Bd. II C B Anf. Juni:
Gesandtschaft an Dusan Absolution d. Gegner v. Kantak. u. Palam.
Juni:
Bildung einer Opposition g. Ptr. Isidoros Ernennung des Palamas
Juni, spätest.
(s. Bd. III Anm. 570) 791,22 -792,6 (III Anm. 495) 792,6-793,10 (III Anm. 498) 793,10 - 13
30,23 -31,21 (1)
(104,5-8)
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Juli: Juli/August:
September:
Herbstanfang: November: (November)
zum B. v. Thessal. Palamas durch Thess. zurückgewiesen Wiedereroberung von Medeia «Beförderung» von Verwandten des Ks. Ksl. Aufruf zu Spenden für den Staat Die Pest wütet in Konstantinopel Aufstand des Matth. Kantakuzenos Die Mutter bereitet Versöhnung vor Inzwischen stirbt Andron. Kantak. Briefe an B. v. Kiew u. russ. Fürsten (Dölger: Reg. 2925/9) Eröffnung v. Kontakten mit Papst Klemens VI. Forts. bis 1352
Kantak. «entschädigt» sei-
nen Sohn Matth. Kantak. zieht mit Joh. V. durch Thrakien Gregoras nimmt die Kaiserin gegen Palamas ein Kantak. herbeigerufen, Nov.lDez.: versöhnt Gregoras- Isid. Dezember( -Ja- Streit erneuert; Palam. herbeigerufen; Disput nuar?) 1348 Ende Winter: Anf. Frühl.:
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(III Anm. 499) 793,13 - 18 (cf. Phi10th.) 796,18 - 797,1 (III Anm. 509) 797,2- 17 (III Anm. 510) 797,17-798,16 (111 Anm. 514) 798,16- 804,12 804,13 - 813,4 813,4-6
62,21- 63,17 (12) 33,1 - 10 (4) 33,10-43,3 (5) (vgl. 49,1652,19 s. u.) 43,4-48,21 (6) 48,21-49,15 (7) 49,15 f. ( + Pestbeschr.)
53,13 -54,14 (10) 54,14-62,21 (11) 813,7 s. 825,10f. 813,7- 819,14 (111 Anm. 537) 53,1 - 12 (9) 825,6- 826,20 819,14f. 826,20- 828,21 828,21- 834,1
834,1 f. 834,3 - 5
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Frühjahr: Sommeranf.: Sommer:
Gesandtschaft an Dusan zurückgewiesen Aus Feldzug gegen Dusan wird nichts Matth. Kantak. besiegt türk. Invasoren Kantak. siegt bei Meseni
834,5- 9 (III Anm. 570) 834,9- 835,13
Kantak. erkrankt für ein Jahr in Didym.
835,13 - 18
835,23 - 839,25 (III Anm. 578) (III Anm. 573)
31,21 -32,5 (2) 32,5-24 (3) 66,15- 67,8 (14) 63,17 - 66,15 (13) 67,14-68,4 (15)
Dazu die folgenden Bemerkungen: 1. Die Chronologie des Gregoras verdient mehr Glauben als die des Kantakuzenos. Greg. geht nach Chronographen-An nach Jahreszeiten vor; insbes. erwähnt er immer den Herbstanfang, der (in etwa) den Anfang des neuen byzantinischen Jahres (1.9.) markien. S. 766,10: Herbst 1346, 813,7: Herbst 1347, 850,4: Herbst 1348; das Fehlen des Herbstan fangs 1349 ist damit zu erklären, daß Greg. in seinem Werk diesen Zeitpunkt noch nicht erreicht hatte, als er 1351 seine Arbeit für eine Weile abbrechen mußte und sie erst wieder als Gefangener fortsetzen konnte (s. Bd. III Anm. 613); 876,22: Herbst 1350, 1037,1: Herbstanfang nicht erwähnt (wegen fehlenden Zeitgefühls in der Haft?), aber indirekt markiert, s. Textbd. III 172,15- 18 (dazu Beyer: Chronol. Nr. 61, S. 140 f. mit Anm. 99), III 172,5 f. u. 15 f.: neues Jahr (Sept.) 1352 (vgl. auch 177,11 f.) ; Herbstanfang 1353 fehlt, s. III 201, 22 (Bericht des Agathangelos); III 223,3 f.: Herbst 1354. Da Greg. sich seit langem der Historiographie widmete (s. Bd. I 38 ff., 11 15 ff., III 6 ff.) ist davon auszugehen, daß er sich schon während der Zeit, über die er noch berichten wollte, Notizen machte. Anders als Kantak. hatte er keinen Anlaß, Geschichts daten aus apologetischen Gründen zu «fälschen». 2. Kantak. erzählt öfter thematisch zusammengehörige Ereignisse, die weit auseinanderliegen und durch andere Ereignisse, über die er später berichtet, getrennt wurden, unmittelbar hintereinander, ohne dies dem Leser gebührend klarzumachen. So hier S. 30,23-32,24 die Auseinandersetzung mit Dusan von ca. Juni 1347 bis einschließlich Frühjahr 1348 (vgl. Bd. III Anm. 570) und S. 52,13-62,21 die Verhandlungen mit Papst Klemens VI. (über einen mögli chen Kreuzzug und ein Konzil) vom Sept. 1347 bis zum Tode des Papstes im Dezember 1352. Aus dem Bericht ist zwar klar, daß er eine längere Periode be handelt, worin mehrere Gesandtschaften von Konstantinopel nach Avignon gingen und vice versa, aber der Abschluß dieses Berichtes läßt im unklaren, zu welchem Zeitpunkt genau er danach zurückkehrt. Dieser Abschluß lautet: «Mit diesen Dingen verging die Zeit und inzwischen starb Papst Klemens, und die Bemühungen um ein Konzil hörten wieder auf» (62,19-21), und die Fort-
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setzung: « Der Kaiser aber zog mit seinem Schwiegersohn aus gegen Medeia" (62,21 f.). Es ist klar, daß dieser Satz nicht beim S. 54,14- 62,21, sondern beim 53,13 -54,14 Erzählten anschließen will, d.h. bei einer Aktivität vom Sept. 1347, aber ob nun der Auszug nach Medeia noch im Herbst 1347 oder erst im Frühjahr 1348 erfolgte, muß der Leser raten. Ich folge darum (gegen z. B. Döl ger: Reg. 2940 u. Nicol: Kantak. 68) Gregoras, der dieses Ereignis eindeutig noch Sommer 1347 datiert, und verbinde es nicht mit der Meseni-Episode, die Greg., wie Kantak., Anfang Sommer 1348 ansetzt. Der Grund, warum Kantak. den ganzen Bericht über seine Versuche, das von Dusan zu Unrecht besetzte Gebiet zurückzubekommen, abhandelt, ehe er auf Ereignisse des ]. 1348 über geht, ist ein apologetischer. Der Verlust eines Großteils des Reiches an Serbien war in den Augen vieler der Preis für serbische Hilfe bei seiner Usurpation ge wesen. Diesem Eindruck mußte er etwas entgegensetzen. Gleichermaßen der Propaganda dient der Bericht über die Kontakte mit Klemens VI., die mit ei nem Brief des Kantak. anfangen, worin dieser die Zuhilfenahme der Türken im Thronstreit verteidigt und vom Papst absegnen läßt und zugleich (völlig un glaubwürdig) seine Bereitschaft verkündet, sich an einem Kreuzzug gegen die Türken zu beteiligen. Ein weiterer Fall irreführender Anordnung der Ereignis se findet man bei Kantak. III 185, 11 ff., s. dazu Anm. 49. 3. Als Geschichtsfälscher erweist sich Kantak. in diesem Teil seiner Geschichte vor allem dadurch, daß er verschweigt, daß seine Gattin Eirene weniger durch mütterliche Autorität (III 49,4- 15) als durch handfeste Versprechungen (Greg. 812,19 - 23 u. 825,11-14) seinen Sohn Matthaios vom offenen Aufruhr abhalten konnte, weiterhin, daß er ihn auch selbst besuchte, um diese Versprechungen in die Tat umzusetzen (Greg. 814,9-819,14 u. 825,11-14). Statt dessen berich tet er aber über einen von ihm inszenierten Umzug durch die Städte Thrakiens, der dazu dienen sollte, überall den noch unbekannten jungen Kaiser (Joh. V.) als Nachfolger seines Vaters (Andronikos III.) vorzustellen (53,1-6) . Diesen Umzug setzt Kantak. - nach einem kurzen Intermezzo über den Tod seines jüngsten Sohnes, den seine Mutter aus Adrianopel heimkommend an der Pest gestorben vorfand, und einem Exkurs über die damals wütende Pest - unmit telbar nach der Beschwichtigung seines aufständischen Sohnes durch die Mut ter an, offenbar um den Eindruck zu erwecken, daß er sich durch diese Rebel lion nicht um Haaresbreite von der Weitergabe der Macht an den legitimen Thronfolger hatte abbringen lassen. Um so schwerer wiegt das Verschweigen, daß er seinem Sohn gerade einen Teil des Reiches auf Lebenszeit als autonomes Herrschaftsgebiet überantwortet hatte (Greg. 8 14,13 - 16 u. 819,13 f.), in etwa das gleiche Gebiet, das Andronikos III. im ]. 1321 bekommen hatte (814, 1620, vgl. Bd. II 42), dazu fast-kaiserliche Insignien als Vorzeichen noch größerer Macht (Greg. 814,22-24) . Die Verbindung dieser apologetischen Veranstal-
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tung mit dem Erfolg der Kaiserin ist auch in chronologischer Hinsicht als Fäl schung zu werten, denn es ist undenkbar, daß Kantak. diese Show zur Beruhi gung der Anhänger der Palaiologendynastie hätte durchführen können, bevor er nicht seinem Sohn eine handfeste Garantie gegeben hätte, daß diese für ihn keine Bedrohung darstelle. Der Bericht über den Aufstand seines Sohnes, der bei Kantak., wie bei Greg., noch in den Sommer fällt (vor dem ersten Kontakt mit Klemens VI. vom Sept. 1347), sowie über dessen (angeblich) guten Aus gang und den (anschließenden !) Umzug mit dem Thronfolger dient dem apo logetischen Nachweis, daß Kantak. damals noch nicht, wie später, die Grün dung einer eigenen Dynastie betrieben hätte. Dasselbe Thema kehrt dann in der Korrespondenz mit dem Papst wieder (III 54,14-55,12). Auch hier ist Greg. zu folgen, der den verhältnismäßig kurzen (s. 805,6 - 13 ; 813,3 f.; Kantak. III 49, 15 f.) Auftritt der Kaiserin in Adrianopel vor Herbstanfang (813,7) da tiert, den Besuch des Kantak. bei seinem Sohn in Didymoteichon aber danach (813,7 ff.) , und zwar erst in die zweite Herbsthälfte. Letzteres geht hervor aus der Präzisierung 825,10- 14: «als die Zeit dem Ende des Herbstes entgegen ging» (korrigiere entsprechend meine Übersetzung Bd. III 193) kombiniert mit der Mitteilung, daß Kantak. zuerst den Expatriarchen Johannes Kalekas nach Konstantinopel zurückschickte (813,10- 8 14,9), der dort noch kurze Zeit lebte, ehe er - am 29. Dez. 1347 (s. Bd. III Anm. 537f.) - starb (813,14 - 17). Bei Greg. stoßen wir auf die Schwierigkeit, daß er S. 813,7-10 + 819,13 - 15 den Eindruck erweckt, daß Kantak. zur Beilegung des Konfliktes mit seinem Sohn Matthaios nur kurz aus Konstantinopel weg war. Was er aber S. 825,6- 826,21 über seine Aktivität und die seiner palamitischen Gegner während der Abwe senheit des Kaisers erzählt (s. bes. 826,3 - 12), deutet auf eine längere Absenz hin. Darum plaziere ich anschließend an den Besuch des Kantak. bei seinem Sohn den Umzug durch Thrakien, den Gregoras anscheinend nicht erwäh nenswert gefunden hat. 4. Unklar bleibt bei Greg. 825,6- 826,20 nicht nur, wie lange die Palamiten für ihren Entschluß brauchten, den Ks. herbeizurufen, um dem Einfluß des Greg. auf die Kaiserin zu begegnen (826,21 - 827,9), sondern auch wieviel Zeit ver ging zwischen der Beilegung des Streites Greg.-Isid. durch den Ks. (827,9828,21) und dem erneuten Aufflammen des Streites zwischen Gregoras und den Palamiten, was dazu führte, daß der Kaiser Palamas aus Didymoteichon herbeizitierte (828,21 ff.). Greg. spricht zwar von (828,21), aber das läßt sich schwer in Tagen oder Wochen konkretisieren. (In meiner Übers. Bd. III 196 ist ausgefallen, es soll dort heißen: « Diese Übereinstim mung gefiel nicht lange und nicht allen» ) . Hinzu kommt, daß i n der Überliefe rung des Gregorastextes das Ende des Disputs Greg. -Palamas und ein an schließender Passus unbekannten Inhalts fehlen, wonach Greg. das Ganze be-
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schließt mit den Worten «So war das und so ging der Winter zu Ende» (834,1 f.; dazu Bd. 1II Anm. 569). Je nachdem man die von Greg. in ihrer Dauer nicht genau bestimmten Vorgänge etwas kürzer oder länger berechnet, kommt man für das Herbeirufen des Palamas aus Didymoteichon nach Konstantinopel, worum es uns hier letztendlich geht, mit mir auf Ende Dezember 1347 oder mit Meyendorff: Palamas 140 f. auf Anfang 1348. Ich habe die frühere Datierung gewählt, da in der Darstellung des Gregoras jeder es jeweils eilig hatte, sein Anliegen zu realisieren. Nach Klärung dieses chronologischen Ansatzes müssen wir uns noch die Frage stellen: Wieso befand sich Palamas zu der Zeit in Didymoteichon und nicht in Konstantinopel? Meyendorff l. c. meint, Palamas, auf dem Weg vom Athos nach Konstantinopel, «s'est attarde pour quelque temps a Didymotique» und gibt dafür keine Erklärung. Er hätte sich dort also rein zufällig aufgehalten. Mir ist das zu zufällig. Palamas reiste quasi als Gesandter Dusans. Ich halte es darum für wahrscheinlicher, daß Palamas vom Athos direkt nach Konstanti nopel gereist war, aber bald nach seiner Rückkehr vom Athos Kantak. von Konstantinopel nach Didymoteichon begleitet hatte, als dieser dort seinen Sohn Matthaios besuchte, dem damals auch die Verteidigung der Grenzen zu den Serben übertragen wurde (s. Bd. 1II 187 f.) . Unter diesen Umständen dürfte Palamas, der gerade als «Gesandter» Dusans zum Ks. gekommen war, als Be rater hinzugezogen und zurückgelassen worden sein. Außer dem Aufenthalt des Palamas in Didymoteichon und Konstantinopel im Winter 1347/1348 wissen wir aufgrund von Synodalbeschlüssen, die er mitunterzeichnete, daß er im Sept. und Dez. 1348 in der Hauptstadt gewesen sein muß (s. MM I 294 u. 282; vgl. Dölger: Reg. 2951). Ein durchgehender Aufenthalt in Konstantinopel «seit sept. 1348» (bis etwa Sommer 1349), wovon Dölger I. c. (und in seiner Nachfolge z. B. Miller: Cantac. 392) spricht, ist damit aber nicht bezeugt. Bei Philotheos lesen wir über das alles nichts. Unergiebig ist auch der Bericht des Philotheos in seinen Antirrhetika (ed. Kai makis S. 226,101-228,150) über eine Diskussion, die er selbst etwa ein Jahr nach seiner Weihe zum B. v. Herakleia in Thrakien, also ca. Anfang Juni 1348 bald nach seiner Ankunft in Konstantinopel mit Greg. hatte (226,101 - 113). In diesem Bericht wird nicht erwähnt, ob Palamas damals auch in Konstantinopel war. (Zu widersprechen ist freilich Meyendorff: Palamas 141, wenn er aus die sem Bericht in bezug auf den Disput Greg. -Palamas (1347/8) folgert: «11 ne semble pas, que le differend qui les opposait ait alors ete tres passionne». Aus dem Bericht des Philotheos geht nur hervor, daß dieser aus seinem Gespräch den (gewiß falschen) Eindruck mitnahm, Gregoras bekämpfe weniger die Leh re als die Person des Palamas, den er haßte. Hätte er seinen Bruder auf christli-
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che Weise geliebt, wäre er bald mit den Palamiten einer Meinung gewesen (227,250-228,269») . Zurück zur Datierung der Ankunft des Palamas auf Lemnos und der Dauer seines Aufenthalts dort. Nachdem Philotheos in seinem Enkomion auf Pala mas seinen Bericht über den ersten Amtsantrittsversuch des Pa1amas beendet hat, fährt er fort: « Was geschah dann? Der große Bischof wurde, wie ich sagte, gezwungen, wieder nach Konstantinopel zurückzukehren und begab sich zu den Kaisern. Und nachdem inzwischen ein wenig (Zeit) vergangen war, reiste er wieder hinunter zu seiner Kirche in Thessalonike. Dazu bewogen ihn so wohl der eigene Wunsch, dort sein Führungsamt zu übernehmen, als beson ders die Kaiser zusammen mit dem großen Vorsteher der Gesamtkirche ( dem Patriarchen Isidoros), denn die Rebellion schien dort eingeschlafen zu sein und auf Eintracht und Harmonie zuzugehen» (616 A 5 - 14) . Dölger: Reg. 2951 schreibt zu dieser Stelle: « Seit seinem vorausgegangenen aufenthalt in Konstantinopel (gemeint ist: « seit sept. 1348» , s. ob.) wären bis zu dem ver such, der von diesem hier vorliegenden kaiserbrief (s. Kantak. III 104,9) beglei tet ist, <einige monate> verflossen». Hier wird der Eindruck vermittelt, daß die Angabe <einige monate> irgendwie auf Philotheos beruhe. Das ist irrefiihrend. Philotheos legt zwischen der Rückkehr vom Athos (Ende 1347) und dem zwei ten Amtsantrittsversuch nur <ein wenig Zeit> (mikron ti metaxy diagegonos, 616 A 8 f.) . Dölgers Interpretation <einige monate> und seine Berechnung dieser Monate ab Sept. 1348 bis etwa Sommer 1349 sind willkürlich. Das « wenig Zeit» von Philotheos ist die einzige Quellenangabe für die Dauer der Zeit vom Winter 1347/1348 bis zum sog. zweiten Versuch des Palamas, sein Amt anzu treten. Wer diesen Versuch Sommer 1349 ansetzt, muß für dieses « wenig Zeit» nicht <einige monate>, sondern anderthalb jahre berechnen. Das halte ich für entschieden zuviel, wie ungenau « wenig Zeit» auch sein mag. Da wir mit «ein wenig Zeit» nach dem t. p . q. Winter 1347/8 nicht zum Ziel kommen, müssen wir uns fragen, ob wir von einem feststehenden t. a. q. zurückrechnend zu ei nem präziseren Ergebnis kommen können. Zwei Möglichkeiten bieten sich an: die Entzweiung der Zelotenführer in Thessalonike, die Kantak. « kurze Zeit» nach dem zweiten (bei ihm einzigen) Amtsantrittsversuch des Palamas fixiert, und der Einzug des Palamas in Thessalonike Sept.lOkt. 1350, sofern sich die Dauer des Lemnosaufenthalts des Palamas festlegen lassen sollte, der mit sei ner Übersiedlung nach Thessalonike endete. Zum ersten: Der Bericht des Kantak. über den (2.) Versuch des Palamas ist nur ein Teil seines Berichts über die Lage in Thessalonike, die ihn, wie wir sahen, veranlaßt haben soll, daß er 1350 die Macht nicht, wie angeblich geplant, dem legitimen Thronfolger johannes V. übergab (der am 18. 6. 1350, acht Tage nach der Ernennung des Patriarchen Kallistos, seinen 18. Geburtstag feierte) . =
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In diesem Rahmen erwähnt Kantak. den mit seiner Unterstützung unternom menen Versuch des Palamas, sein Amt anzutreten, zum Beweis, daß Thessalo nike gegen die von Gott gewollte Kaiserherrschaft rebellierte (s. ob.). Nach dem Kantak. diesen Bericht mit dem Abgang des Palamas nach Lemnos abge schlossen hat, fährt er fort: « Die Führer in Thessalonike, ganz besonders der Palaiologe mit seiner Zelotenschar, hielten die übrigen Bürger aufgrund der früheren Vorkommnisse in Schrecken. Alle duckten sich und wagten nicht auf zubegehren. Als kurz darauf der Kaiser ( Kantak.) die Stadt mit Milde und Wohltaten für sich zu gewinnen versuchte (denn sie mit Waffen zu zwingen, war nicht möglich) und Edikte hinsichtlich allgemeiner und privater Privile gien sandte, ließ der Palaiologe mit Hilfe seiner tolldreisten Zeloten diese mit ten in der Stadt verbrennen. Ich werde etwas weiter unten darauf zurückkom men» (III 105,12-22). Dölger: Reg. 2962 datiert diesen Vorgang auf « mitte 1350» und begründet das damit, daß im Anschluß daran Alexios Metochites sich mit Andreas Palaiologos entzweite und sich an Kantak. wandte, der des sen Brief kurz nach der Ernennung des Patriarchen Kallistos (10. 6. 1350) er hielt. Bei Kantak. gibt es aber keinen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem genannten Vorgang und dem Brief des Alexios Metochites. Viel mehr ist der sensus obvius des Berichts, daß dieser Vorgang vor der Wahl des Kallistos, ja noch vor dem Tod des Patriarchen Isidoros, also vor Febr./März 1350, stattfand, worüber er anschließend berichtet (III 105,23 - 106,10). Der Versuch des Kantak., mit den Zelotenführern zu einem Vergleich zu kommen, hing vielleicht mit seinem angeblichen Plan zusammen, sich mit seinen Freun den Demetrios Kydones und Nikolaos Kabasilas in ein Kloster zurückzuzie hen, einem Vorhaben, das er wohl der Glaubwürdigkeit wegen wie auch für alle Fälle mit Schenkungen an das ins Auge gefaßte Kloster vorbereitete (Kan tak. III 106,10- 108,5) . Planung und Vorbereitung erstreckten sich gewiß über mehrere Monate und wären angeblich bald nach der Ernennung des Kallistos in die Tat umgesetzt worden, wenn nicht gerade in diesem Moment der Hilfe ruf des Alexios Metochites gekommen wäre (III 108,5 - 10) . Aus Anlaß dieses Hilferufs kommt Kantak. nun auf den oben erzählten Vorgang zurück. Meto chites machte nämlich in seinem Brief den inzwischen von ihm vertriebenen Andreas Palaiologos für « den ganzen Unverstand und die ganze Unverschämt heit» der Thessaloniker verantwortlich (108,11 - 13). Der eigentliche Anlaß des Schreibens war aber offensichtlich die Bedrohung der Stadt durch Dusan, an den sich der vertriebene Andreas Palaiologos gewandt hatte (108,13-20). Zur weiteren Erläuterung des Briefes erzählt nun Kantak., daß Metochites die Ver brennung der großzügigen kaiserlichen Angebote schrecklich gefunden und als einen eindeutigen Abfall vom rhomäischen Reich betrachtet hätte. Deswegen habe er sich mit Andreas Palaiologos und den Zeloten überworfen und sie ver=
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trieben. Diese hätten darauf ihre Maske abgelegt und sich offen mit Dusan ver bündet, der ihnen auf alle Arten entgegenkam. So sei es zur Belagerung von Thessalonike gekommen, aus der nur noch der Kaiser die Stadt habe befreien können (108,20-110,19). Dieser stellte natürlich sofort jedes Eigeninteresse (seine Klosterpläne!) zurück, damit Thessalonike nicht verloren ginge (110,19-24). Auch angenommen, daß Alexios Metochites sich in seinem Brief ausdrücklich von der Verbrennung der kaiserlichen Angebote distanziert hat, so war das wohl kaum mehr als eine unglaubwürdige Schutzbehauptung. Aus dem Bericht des Kantak. selbst geht hervor, daß er sich sofort nach der Ver brennung weder öffentlich noch heimlich für Rückkehr unter die Herrschaft des Kantak. ausgesprochen hat, sondern erst nachdem es deutlich geworden war, daß das bis dahin verfolgte Ziel, den Kaiser und Dusan gegeneinander auszuspielen, auf Dauer zur Unterwerfung durch den Serbenzar führen würde. Im Gegensatz zu Andreas Palaiologos wollte Metochites es so weit nicht kom men lassen. Daß Kantak. aus propagandistischen Gründen die Schutzbehaup tung des Metochites, sein Kollege sei allein an allem Schuld gewesen, für bare Münze genommen hat, kann für uns kein Grund sein, das auch zu tun. Döl gers Datierung des Verbrennungsvorfalls auf « mitte 1350" hat deshalb keine feste Basis. Ohne ausschließen zu wollen, daß die Entzweiung der beiden maß geblichen Führer in Thessalonike letztendlich in persönlicher Rivalität ihren Grund hatte, so ist doch klar, daß der Kampf auf der Basis der Parteinahme für oder gegen Kantak. oder Dusan ausgefochten wurde. Der Anfang der öffentli chen Entzweiung ist also zu einem Zeitpunkt anzusetzen, an dem die von Kan takuzenos (III 104,18 - 105,9) bezeugte Schaukelpolitik, ihn und Dusan gegen einander auszuspielen, nicht länger praktikabel schien, eine Einsicht, die sich natürlich nur allmählich durchsetzte und erst in bedrohlicher Lage zwang, sich für die eine oder andere Alternative stark zu machen. Frühestens im Frühjahr 1349 ist die « Schaukelpolitik" der Thessaloniker unter Druck geraten, als näm lich Dusan nach dem Abklingen der Pestwelle von 1347/48 wieder aktiv in Thessalien eingriff. Der Versuch des Kantak., die Thessaloniker mit Privile gien zu ködern, könnte zum Ziel gehabt haben, der Gefahr eines Anschlusses der Stadt an Dusan vorzubeugen, und wäre dann etwa Mitte 1349 zu datieren. In Thessalonike war aber offenbar zu der Zeit die Furcht vor Dusan noch kei neswegs so groß, daß man schon mit Kantak. verhandeln wollte. Nicht vor Ende 1349 wurde die Stadt vom Serbenherrscher in einem Maße bedroht, daß man sich vor die Frage gestellt sah, ob man im Notfall lieber Dusan denn Kan takuzenos als Kaiser anerkennen sollte. Der übergang von der Schaukelpolitik auf innere Konfrontation über ein neues politisches Ziel muß sich so oder ähn lich in einem länger dauernden Prozeß vollzogen haben. Der Bericht des Kan tak. über diese Vorgänge ist zu wenig präzise, als daß man daraus den ge-
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wünschten genaueren t. a. q. des Amtsantrittsversuchs des Palamas ermitteln könnte. Weder erfordert noch verbietet er, diesen Versuch auf 1348 zu datieren. Es bleibt also nur noch der andere Weg, diesen t. a. q. näher zu präzisieren, nämlich der Versuch, vom Einzug des Palamas in Thessalonike (Sept.!Okt. 1350) durch Feststellung der Dauer seines Lemnosaufenthaltes auszugehen. Über diesen Aufenthalt berichtet Philotheos (616 C 10-617 A 4) folgendes. Durch unermüdliche Seelsorge, Tag für Tag, konnte Palamas den rohen Cha rakter der Inselbewohner zähmen und für sie das Sprichwort «Lemnische Übel» in sein Gegenteil abwandeln. Ganz besonders zeichnete er sich aus, als ein Städtchen der Insel von einem Nachzügler der großen Pestwelle (von 1347/ 1348) heimgesucht wurde. «Er begab sich sofort dorthin, brachte die Krankheit zum Stehen und machte ihr mit Gott ein Ende.» Das sieht nach einem längeren Aufenthalt aus; man kann dabei aber sowohl an Monate wie an ein bis zwei Jahre denken, so daß wir auch so nicht zum Ziel kommen. Obgleich es nicht zum Datierungsproblem gehört, will ich hier nicht auf eine Zwischenbemerkung zu einer merkwürdigen Interpretation des Lemnosauf enthalts des Palamas verzichten. Meyendorff: Palamas 138 meint, seine Tätig keit auf der Insel wäre «peut-etre pas etrangere au desir du gouvernement de liquider les derniers Hots de la resistance anticantacuzenienne». Laut Anm. 52 soll Kantak. III 114f. diese Hypothese stützen. Kantak. erzählt dort aber nur, daß er auf dem Weg nach Thessalonike (Sept. 1350) einen vormaligen Anhän ger des Alexios Apokaukos, einen gewissen Alexios Bithynos (PLP 624), der als Seeräuber u. a. Lemnos heimsuchte (114,20- 115,6), angriff und seine Schif fe zerstörte. Auch Philotheos bietet für die Vermutung Meyendorffs nicht den geringsten Anhaltspunkt. Wie bei Miller: Cantac. 395 erscheint auch bei de Vries: Elite 178 die Vermutung Meyendorffs als Faktum; Miller: «Pa lamas was sent . . . to drive out the many revolutionaries there (Phi10th. 616 C - 617 B)) und: «It is not clear, whether Palamas was dispatched to quell anti-Palamite movements or to rid the island of the emperors opponents (Meyendorff 138) ) (weder noch!), de Vries: «Palamas s e montra la (d. h. auf Lemnos) pour l a pre miere fois un cantacuzeniste remplissant son devoir. Il fit liquider un petit nombre d'e!ements seditieux.» Sie fand das allerdings laut Anm. 72 bei Philo theos 617 B. Dort freilich liest man: «Aber die wunderbare Stadt (sc. Thessalo nike) des großen Mannes (sc. Palamas) ertrug diese Dinge (die Zelotenherr schaft) nicht bis ans Ende und hielt es nicht aus, auf ihr ureigenstes Gut (Pala mas als Bischof), das so ungerechterweise den Lemniern ausgeliefert worden war, unter dem Druck von einigen wenigen Rebellen zu verzichten» usw. Phi lotheos berichtet hier, wie die Stadt Thessalonike sich von den Zeloten befreit (einige hinauswirft, andere zu Vernunft bringt) und Palamas zu sich holt. Die
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Lemnier werden nur erwähnt, weil das Schicksal ihnen für einige Zeit das Glück bescherte, Palamas bei sich zu haben, und weil sie nun dessen Verlust beweinten. Palamas war ohne Zweifel auf Gedeih und Verderb Kantakuzenos treu, wie auch umgekehrt, aber daß er auf Lemnos Antikantakuzenisten liqui diert hätte, ist, soweit ich sehe, eine pure Legende, die man nicht weiter ver breiten sollte. Zurück zu unserem Datierungsproblem. Die bisherige, über Dölger auf Tafrali zurückgehende Datierung des zweiten Amtsantrittsversuchs des Palamas auf Mitte 1349 ist aus den Quellen nicht zu belegen. Leider bieten die Quellen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine konkrete Korrektur. Einige Über legungen zu den, wenn auch vagen, Zeitangaben und den überlieferten Fakten sprechen aber für einen deutlich früheren Ansatz. Erstens: Laut Philotheos ver strich nach der Rückkehr des Palamas von seinem ersten Versuch, auf seinen Bischofssitz zu gelangen, d. h. seit Ende 1347 (s. ob.), nur wenig Zeit. Zwei tens: Nach dem vergeblichen Versuch, den ausgesperrten Bischof vorläufig auf dem Athos zu « parken» , mußte natürlich bald eine neue Lösung für ihn gefun den werden. Daß man damit anderthalb Jahre gewartet hätte, halte ich für höchst unwahrscheinlich, um so mehr, da Thessalonike ihn für das ihm vor enthaltene Patriarchat hätte entschädigen sollen. Die neue Lösung hieß offen sichtlich Lemnos. Sie mußte aber abgesichert werden durch einen offiziellen Versuch, Palamas mit kaiserlicher und patriarchaler Unterstützung doch noch auf den ihm zugewiesenen Bischofsthron zu installieren. Irgendein Grund, warum man damit lange gewartet haben sollte, ist nicht ersichtlich. Freilich schreibt Philotheos, daß man die Lage in Thessalonike für einen zweiten Ver such günstig erachtete, aber das halte ich für eine hagiographische Vertu schung des wirklichen Grundes. In Wirklichkeit hatte sich die Lage offenbar keineswegs gebessert, und ich glaube nicht, daß man in Konstantinopel so schlecht informiert war, daß man den Mißerfolg nicht einkalkuliert hätte. Ich datiere den Versuch darum spätestens um die Mitte von 1348. Daß Palamas im Sept. und Dez. 1348 in Synodalangelegenheiten in Konstantinopel war, spricht nicht dagegen. Er war ein sehr wichtiger Mann und Konstantino pel von Lemnos aus leicht zu erreichen. Drittens: Nichts im Bericht des Philo theos spricht gegen einen Lemnosaufenthalt des Palamas, der zwei Jahre ge dauert hätte. Viertens: Auch Gregoras' Aussage zum Lemnosaufenthalt des Pa lamas läßt sich damit in Einklang bringen. Darrouzes: Reg. 2314 Crit. 2 notiert zwar dazu, daß die angebliche Flucht des Palamas (zuerst nach Lemnos und von dort nach Thessalonike) bei Greg. « dans le contexte» erst nach dem Plan für eine Synode angesetzt wird, die eine Klage der Bischöfe Thrakiens gegen den Patriarchen Kallistos behandeln sollte, und daß er andererseits auch anzu deuten scheint, daß Palamas den Ausgang der Diskussion über die Wahl des
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Kallistos nicht abwartete, aber weder das eine noch das andere trifft zu. Der Kontext bei Greg. ist folgender: Zum Bericht über die Wahl des Kallistos bringt Greg. einen Kommentar, weshalb Kantak. diesen Mann haben wollte, den die meisten Bischöfe (Thrakiens, d. h. des Reiches, s. Anm. 59) ablehnten, nämlich damit dieser auf einem von ihm seit langem (seit vier Jahren! s. u. S. 882,10f.; 885,9- 12) geplanten Konzil dem Palamismus zum Sieg verhelfe und nicht er selbst als Prügelknabe der Palamasgegner herhalten müsse. Mit diesem Plan des Kantak., die Veranrworrung auf ein Konzil abzuschieben, war aber laut Greg. Palamas nicht einverstanden, der sich deswegen von der Hauptstadt absentierte. Gewiß läßt dieser Kommentar zur Wahl des Kallistos an Klarheit zu wünschen übrig. Wir müssen aber davon ausgehen, daß bei ihm vom gleichen Aufenthalt auf Lemnos die Rede ist wie bei Kantak. und Philo theos. Auch bei Greg. geht Palamas von Lemnos nach Thessalonike. Daß Pala mas erst im Sommer 1350 nach Lemnos gegangen wäre, ist völlig unwahr scheinlich, da dies erstens nicht zu Kantak. paßt, der den Versuch vor der Wahl des Kallistos ansetzt, da man zweitens, wie oben schon angedeutet, in Konstantinopel sicher nicht so lange gewartet hätte, dem von seinem Bischofs sitz und seiner Existenzgrundlage ferngehaltenen Bischof eine Lösung anzubie ten, drittens da im Sommer 1350 in Thessalonike eine Enrwicklung im Gange war, die eine Lage dort, wie Kantak. sie für den Versuch schildert, ausschließt, und viertens da für den von Philotheos beschriebenen Aufenthalt auf Lemnos in diesem Fall bis zum Einzug in Thessalonike zu wenig Zeit bleibt. Das alles kann Gregoras nicht übersehen haben. Er ist darum so zu ver stehen, daß er die Absentierung des Palamas von Konstantinopel auf die ganze Planung eines palamitischen Konzils durch Kantak. bezieht, die dieser seit 1347 betrieb (s. ob.). Für eine spätere Datierung des 2. Amtsantrittsversuchs des Palamas sehe ich deshalb keine stichhaltigen Gründe. Seine Entsendung nach Lemnos ist auf jeden Fall unter dem Patriarchen Isidoros zu datieren, und ein entsprechendes Regest ist in Darrouzes: Reg. (unter Streichung von 2314) dort unterzubringen. D. h. vor dem 1. 9. 1350. S. Bd. III 125. 127 f. mit den Anm. 299 und 310ff. Das « Schisma», worüber Greg. hier berichtet, endete mit einem Synodalent scheid im Sept. 1350 bezüglich der Rechtgläubigkeit des Mönches Niphon (MM I 296-300), den Kallistos vom Athos mit nach Konstantinopel gebracht hatte (297,20 f.) . Dieser Mönch, Niphon Skorpios, 1347-48 Protos des Athos (vgl. Anm. 29), war dort zweimal beschuldigt worden, Massalianer zu sein. Ein erstes Mal war das um März 1342 der Fall gewesen (nicht « avant 1346» , wie Darrouzes: Reg. 2317 schreibt, s. Bd. III Anm. 310) . Hier möchte ich dazu folgendes ergänzen: Der Tomos, worüber Greg. (Textausg.) III 541,16-542,5
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spricht und der an erster Stelle vom Protos Isaak unterschrieben war (ebd. 541,19 f.), ist offenbar nicht mit dem damals erfolgten Freispruch Niphons gleichzusetzen, der im Synodalentscheid vom Sept. 1350 erwähnt wird, und an erster Stelle nicht vom Protos, sondern von (dem späteren Patriarchen) Kalli stos unterzeichnet war (MM I 297,1 -3), der als einziger nach der Friedensge sandtschaft vom März 1342 zum Athos zurückkehren konnte, um dort ein In terimsdirektorium zu leiten (s. PLP 5,45). Greg. bezieht sich auf eine Darle gung des damaligen Massalianer-Ärgernisses auf dem Athos an die Synode in Konstantinopel, die vor März 1342 verfaßt gewesen sein muß, die Synodalakte vom Sept. 1350 meint ein Rechtgläubigkeitszeugnis, das Niphon erst nach der Rückkehr des Kallistos aus Konstantinopel, also nach März 1342 ausgestellt wurde. Ein zweites Mal wurde im Herbst 1347 auf dem Athos gegen Niphon ermittelt, «nachdem eine gewisse Zeit (seit 1342) vergangen war» (Synodalakte 297,10), als « der Metropolit von Thessalonike (Palamas) zufällig gerade dort hin gekommen war» (297,13 f.) . (Darrouzes l. c. datiert diesen Prozeß «3. la fin de 1347» ; zu meinem früheren Ansatz der Anwesenheit des Palamas auf dem Athos s. Anm. 29. Die Art der Erwähnung seines Aufenthalts scheint zu bestä tigen, daß dieser nur sehr vorübergehend war.) Diesmal war Niphon als ProfOS des Athos Ziel eines Angriffs der Mönche des serbischen Chilandarklosters (297,11 f.; vgl. Anm. 29), und im Prozeß hatte Palamas anscheinend den Vorsitz (297,13 f.) . Wie 1342 (296,23 -297,10), wurde Niphon auch diesmal ein Recht gläubigkeitszeugnis ausgestellt (297,13 -20) . Ein dritter Prozeß fand nun in Konstantinopel bald nach dem Amtsantritt des Patriarchen Kallistos statt, wie der erhaltene, wiederum für Niphon positive Synodalentscheid vom Sept. 1350 bezeugt. Aus Greg. III 537,1-9 wissen wir aber, daß die Anschuldigungen ge gen Niphon den Patriarchen treffen und ihn um seinen Thron bringen sollten. Der Prozeß stand also eindeutig mit dem hier von Gregoras angesprochenen Schisma in Verbindung, und das erlaubt uns das Ende des Schismas mit dem für Kallistos positiven Ausgang des Niphonprozesses gleichzusetzen. Wie hier, schreibt Greg. auch III 537, 6 - 9 die Beendigung des Streites der Bischöfe gegen Kallistos dem Umstand zu, daß die Palamiten sich mit dieser Affäre nicht vor ihren Gegnern kompromittieren wollten. Er legt dort Kallistos, der in seinem zweiten Patriarchat (1355- 1363) erneut angefeindet wurde, die Worte in den Mund: « Bald hätten sie mich damals in Schande von diesem patriarchalen Thron gestoßen, wenn sie nicht gemerkt hätten, daß sie aus Unvernunft den sattsam bekannten Feinden meiner und ihrer Kirche damit Hilfe leisteten, und deshalb davon Abstand nahmen.» Daß Kantak. bei der Friedensstiftung damit argumentiert haben soll, daß man den Skandal unter den Tisch kehren solle, um den Palamismus nicht in Diskredit zu bringen, mag durchaus zutreffen. Leider ist Greg. (s. Anm. 18) dafür einziger Zeuge. Daß er diese Erklärung für
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die Beendigung des Schismas der Bischöfe später auch noch einmal Kallistos in den Mund legt, ist konsequent, aber die Wiederholung einer Behauptung ist noch kein Beweis für ihre Wahrheit. Man kann also eine boshafte Interpreta tion des Vorgangs durch Greg. nicht ganz ausschließen. Daß es sich aber beim Schisma um eine antipalamitische Opposition gehandelt hätte, kann man wohl ausschließen, da der Episkopat kaum noch Antipalamiten zählte. Bischöfe wie Matthaios von Ephesos und Joseph von Ganos, die sich 1351 der Dogmatisie rung der Lehre des Palamas widersetzen, sind rühmliche Ausnahmen. Die An schuldigungen, die Kallistos laut Greg. gegen seine Feinde im Episkopat erho ben haben soll, lassen übrigens erkennen, daß Gregoras' Urteil über die vom Patriarchen Isidor sofort nach seiner Wahl eingesetzten palamitischen Bischöfe (s. Anm. 11) zumindest teilweise berechtigt war. Noch einmal zurück zum Niphon-Prozeß und Palamas. Der Synodalentscheid v. Sept. 1350 bezeugt, daß Palamas daran nicht direkt beteiligt gewesen ist. Er unterschrieb aber später. Darrouzes: Reg. 2317 vermutet, daß er Konstantino pel während der Wahl des Kallistos verlassen habe (wofür er keine Quelle an gibt) und erst nach Ostern 1351 wieder in die Hauptstadt kam. Diese Vermu tung beruht auf der falschen Datierung des Einzugs des Palamas in Thessaloni ke, die ich schon in Anm. 29 korrigiert habe. Palamas befand sich im Sept. 1350 auf Lemnos (s. ebd.). Was die Datierung der nachträglichen Unterschrift des Palamas betrifft, ist (u. a. gegen Darrouzes: Reg. 2322) folgendes zu sagen. Das Dokument wurde, wie wir aus der Überlieferung im Patriarchatsregister wissen, von vier Metropoliten, Philotheos (Kokkinos) v. Herakleia, Gregorios (Palamas) v. Thessalonike, Makarios v. Philadelphia (PLP ?) und Georgios v. Pegai und Parion (PLP 4036) nachträglich auf der Rückseite unterschrieben. Philotheos unterschrieb ohne nähere Erklärung, Palamas mit der Bemerkung, er sei erst später gekommen, die beiden anderen nach einem «Postscriptum», das folgenden Wortlaut hat: « Nachdem der vorliegende Entscheid ausgestellt war, haben wir, wie es sich schickt, der größeren Sicherheit wegen auch schriftliche Zeugnisse des heiligsten Metropoliten von Thessalonike . . . und auch des ehrwürdigsten Vorstehers der hl. Lavra, Jakob Trikanas, verlangt, die früher sorgfältig in der Angelegenheit ermittelt hatten. Diese sind nun abgege ben und hierher überbracht worden; und weil daher jeder Grund (sc. nicht zu unterschreiben) beseitigt worden ist, wollen auch wir jetzt diesen Entscheid mit unseren Unterschriften bestätigen. Im Monat Januar der 4. Indiktion ( Ja nuar 1351» >. Aufgrund dieses Wortlautes halte ich die Interpretation von Dar rouzes 1. c., daß hier von einem «ordre synodal» die Rede sei, für verfehlt. Die Synode stellte Niphon ohne Vorbehalt das Rechtgläubigkeitszeugnis aus. Ab wegig sind m. E. auch die von D. aufgezählten beiden ersten Alternativen: ent weder waren die beiden Metropoliten nicht anwesend beim Prozeß oder nicht =
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bei der Redaktion des Entscheids, oder sie weigerten sich zu unterzeichnen. Offensichtlich war letzteres der Fall; die beiden verlangten mehr Sicherheit, als der Prozeß gebracht hatte, und machten ihre Unterschrift von den Gutachten des Palamas und des Jakob Trikanas abhängig. Sie handelten nicht im Auftrag der Synode, sondern ihres Gewissens. Darrouzes Nr. 2322 ist also aus den Pa triarchatsregesten zu streichen und der Inhalt (nicht ohne Korrekturen) unter Nr. 2317 einzutragen. Einspruch ist auch zu erheben gegen Darrouzes' diplo matologische überlegung: Da dieser Text (das «Postscriptum» ) auf die Signa tur des Palamas folgt, die nach Januar gesetzt wurde, verbunden mit der des Philotheos « au verso» , ist es wahrscheinlich, daß die Notiz auch auf der Verso seite stand und nur zur Erklärung der verspäteten Unterschrift außer der Reihe dienen soll. Die Notiz im Patriarchatsregister: « Außerdem auf der Rückseite weitere Unterschriften» (s. MM I 300, 14) kündigt nicht nur die Unterschriften von Philotheos und Palamas an, sondern auch die des Makarios und Georgios. Diese standen nicht wahrscheinlich, sondern sicher dort. Und die vorausge hende « Notiz» dient ganz offensichtlich nicht zur Erklärung, warum sie dort stehen, sondern liefert die Begründung, warum sie überhaupt gesetzt wurden, und ist deshalb unzertrennlich damit verbunden. Daß Makarios und Georgios im Januar 1351 unterschrieben, steht darum außer Zweifel. Darrouzes' Datie rung der Unterschrift des Palamas « nach Januar» (1351) entbehrt, wie gesagt, einer haltbaren Begründung. Da sein Einzug in Thessalonike schon lange vor Januar 1351 stattfand, kann er sehr wohl auch noch vor Januar wieder einmal in Konstantinopel gewesen sein. Die Reihenfolge der Unterschriften auf unse rer Synodalakte scheint dafür zu sprechen, aber da wir das Original nicht ha ben, läßt sich in dieser Frage keine Sicherheit erreichen. übergang auf das byzantinische Jahr 6859 1. 9. 1350-31. 8. 1351, vgl. Anm. 29 S. 213. Im Cod. G. liest man zu dieser Stelle am Rande: « Man muß wissen, daß man drei Arten von Kriegsschiffen ausrüstete: Trieren, Dieren und Moneren.» Greg. sieht hier ein wichtiges Ereignis aus wohl arg eingeengter Perspektive. Er erwähnt mit keinem Wott den Anlaß dieses Auszugs, den Hilferuf aus Thessa lonike, wo man nach der Vertreibung des harten Kerns der Zeloten fürchtete, vom Serbenzar Dusan erobert zu werden (vgL Anm. 29). Ebenfalls übergeht er, daß der Einzug des Kantak. in Thessalonike die Abtrennung der seit 1342 von den Zeloten beherrschten Stadt beendete. Seine Perspektive beschränkt sich auf die Einsetzung Johannes' V. als Gouverneur, womit Kantak. laut Greg. (s. u. 878,21- 879,2 mit Anm.) sich den Weg freimachte, die Kaiserherrschaft auf seinen Sohn zu übertragen. Ausführlich behandelt Kantak. II1 108,5 - 118,5 die Wiedereingliederung von Thessalonike in das Reich. Seine Perspektive ist trotzdem nicht so ganz verschieden von der des Gregoras, gegen dessen Unter=
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stellung er sich geradezu verteidigt. Er sieht es so, daß die Lage in Thessalonike im Sommer 1350 ihn zwang, widerwillig seinen Vorsatz, die Herrschaft Joh. V. zu übergeben und sich ins Kloster zurückzuziehen, aufzugeben und ein Unter nehmen durchzuführen, das leider in eine Rebellion Johannes V. mündete und schließlich zur Aberkennung seines Nachfolgerechts führte. Anders als bei Gregoras bedeutet das bei ihm nicht, daß ihn die Details des angeblich seinen Plänen zuwiderlaufenden Gangs der Geschichte nicht interessieren würden. Er blieb ja auch in diesem Ereignisablauf der Hauptakteur (so wie Gregoras der Auseinandersetzung um den Palamismus seine größte Aufmerksamkeit wid met, worin er ein Hauptakteur war). Kantak. informiert uns also ausführlich über die Entzweiung der Zelotenführer Alexios Metochites und Andreas Palai ologos (vgl. Anm. 29) und den Hilferuf des Metochites (108,10- 110,19). Er kündigte der Stadt sofort schriftlich Hilfe an (110,24- 111,1; fehlt in Dölger: Reg. nach 2963) und bat seinen Schwiegersohn Orkhan um ein Hilfsheer, wo raus sich Schwierigkeiten bei der Organisation des Feldzugs ergaben (110,1912,16). Da der Herbst schon zu Ende ging (s. dazu Anm. 29), plante er nur vor läufige Soforthilfe und einen größeren Feldzug für den nächsten Sommer (112,16-20). Den Widerstand der (Ex-)Kaiserin Anna gegen die geplante Ein setzung ihres Sohnes Joh. V. zum Gouverneur von Thessalonike versuchte er zu entkräften, ohne daß er sie wirklich überzeugen konnte (112,20- 114,3; der ganze Passus soll seine wirklichen Absichten vertuschen) . Bei der Durchfüh rung der Expedition ließ das Landheer ihn im Stich, aber die Expedition wurde trotzdem ein Erfolg (114,4- 117,10) . Er konnte mit den Zeloten abrechnen und erste Maßnahmen zur Sicherung der Stadt durchführen (117,11- 118,5). In Thessalonike empfing er eine venezianische Gesandtschaft in Sachen eines Kriegsbündnisses gegen Genua, das er aber ablehnte, da er fürs erste nur Zeit habe für seine Auseinandersetzung mit Dusan, wofür die Venezianer vergeb lich ihre Vermittlung anboten (118,5-22). Nach weiteren Erfolgen gegen die Serben (118,22- 137,14) schloß Kantak. mit Dusan einen Teilungsvertrag (137,14- 156,22; vgl. Dölger: Reg. 2967 mit Datierung auf Dez. 1350), dessen Ausführung Dusan am nächsten Tag verweigerte. Byzantinische Anhänger Jo hannes' V. hätten ihn überredet, den Abzug des Kantak. abzuwarten und sich dann mit Joh. V. gegen ihn zu verbünden. Kantak. sieht, daß dies zum Bürger krieg führen muß, und verzichtet darauf, Dusan zu zwingen, dem Vertrag nachzukommen. Dusan zieht ab, um Edessa zu belagern (156,22 - 159,19) . Kantak. warm Joh. V., den er in Thessalonike zurückläßt, vor den Plänen Du sans und kehrt nach Konstantinopel zurück (159,19- 160,19; laut Greg. 878,20 kam er dort unmittelbar nach der Wintersonnenwende an). Dusan erobert nun Edessa, verwüstet die Stadt und vertreibt die Bewohner, ohne Rücksicht auf die winterliche Kälte, die bei seinem Abzug auch seinem Heer zusetzt. Der Monat
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Januar hat gerade begonnen (160,19- 162,13). Unmittelbar nach seiner Rück kehr antwortet Kantak. auf eine Klage der Bulgaren über Plünderungen durch seine türkischen Bundesgenossen (162,13 - 166,2) und wendet sich dann der Wiederherstellung des Friedens in der Kirche zu (166,3 - 185,14); dazu unten mehr. Vgl. auch Anm. 41 und zum ganzen Nicol: Kantak. 72 -75. Der Krieg Venedig - Genua, der laut Greg. seit langem wütete, als 1350 im Sept. zu einem Angriff auf das genuesische Galata 33 venezianische Schiffe nach Byzanz kamen, hatte offiziell erst am 6. August 1350 angefangen (s. Schreiner: Kleinchron. II 277 mit Lit. in Anm. 18), aber tatsächlich führten die beiden italienischen Seemächte mehr oder weniger ständig Krieg gegeneinan der. Es handelt sich hier um die Expedition des venezianischen Admirals Mar co Ruzzini, die ich schon in Anm. 29, Pt. 1 b erwähnt habe. Im gr. Text ist für diaspheterizomenoi: de spheterizomenoi zu lesen. Für die nach dem Krieg von 1294- 1299 zweite große kriegerische Auseinan dersetzung Venedig - Genua war der hier von Greg. genannte Versuch Ge nuas, den Schwarzrneerhandel durch Sperrung mit einer Zollstelle für sich zu monopolisieren, tatsächlich der Grund. Der direkte Anlaß war die Konfiszie rung venezianischer Schiffe, die den genuesischen Monopolanspruch nicht re spektierten, in der genuesischen Schwarzrneerkolonie Kaffa. Zur Lokalisie rung der Zollstelle: Ein Sarapis- und Kybeletempel ist von der Tradition be zeugt in der Nähe der Stelle, wo eine alte Burg, die die Genuesen 1350 in Besitz nahmen, später von den Osmanen zu Rumeli Kavagi ausgebaut worden ist. Sehr richtig notiert Greg., daß Venedig die Vorherrschaft Genuas im Schwar zen Meer nicht dulden konnte und wollte. Die Genuesen verdankten ihren Vor sprung dort dem Vertrag von Nymphaion 1261 (s. Bd. 1 245 Anm. 169) und der systematischen Ausnutzung der ihnen dadurch zugesicherten Vergünstigun gen. Es stimmt freilich nicht, daß der genannte Vertrag, wie man bei Strässle: Schwarzrneerhandel 9 liest, den Schwarzrneerhandel den Genuesen expressis verbis zugestand, allen genuesischen Feinden aber verbot, die ägäisch-ponti schen Märkte aufzusuchen. Das Schwarze Meer fiel normalerweise unter die Bestimmungen, daß die Genuesen in allen Reichsteilen Steuer- und Abgabefrei heit erhielten und daß den Feinden der Genuesen mit Ausnahme der Pisaner keine Handelserlaubnis im Reich erteilt werde (s. Dölger: Reg. 1890 Pt. 2 u. 6). 1265 wurde aber schon wieder ein Vertrag mit Venedig vorbereitet, der für die Venezianer am Schwarzen Meer Quartiere nach Wahl und die Vertreibung al ler Genuesen aus dem Reich beinhaltete. Dieser Vertrag wurde jedoch von Ve nedig nicht ratifiziert (s. Dölger: Reg. 1934). Ein abgeänderter 1268 ratifizierter Vertrag (Dölger: Reg. 1960) legte fest, daß die Genuesen nicht aus dem Reich zu vertreiben seien und daß der Kaiser Zwischenfälle zwischen Venezianern und Genuesen im Gebiet von Abydos bis einschließlich des Schwarzen Meeres
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zu verhindern bzw. zu lösen habe (Dölger 1. c. Pt. 7) . Letzteres wurde im Ver trag Byzanz-Venedig v. 1277 erneut festgelegt (s. Dölger: Reg. 2036 Pt. 6). Trotzdem hatte Genua im Schwarzrneergebiet de facto Venedig den Rang ab gelaufen; es hatte aber die Rivalin nicht draußen halten können, und noch viel weniger war der byzantinische Ks. imstande gewesen, den Frieden zwischen beiden zu erhalten. Dieses Unvermögen hatte Byzanz schon viel Geld gekostet, so nach dem Krieg von 1294- 1299, s. Bd. I 171 - 173 mit Anm. 362 u. 364. Zum Krieg der Jahre 1350- 1353, worum es hier geht, vg1. unten 880,7-881,5 und III 41,11-51,3; 76,3 -79,24; 82,17- 92,22; 99,7- 100,1; 106, 12- 107,8; 144,1 - 145,18; 189,3 - 195,4; Kantak. 185,15 - 200,15; 209, 3 - 237,6; Heyd: Commerce 502-520; Iorga: Lat. et Grecs 205 -216; Kyrris: Cant. Gen. Ven.; Balard: Rom. gen. 1 78 - 83; Balard: Bat. Bosph.; Nicol: Byz. Ven. 264-282. Gemeint ist die Niederlage vom 6. März 1349, s. Bd. III 214-218 mit Anm. 602. Für das übrige s. Anm. 36. Zum Aufgang des Arkturos als Markierung des Herbstanfangs am 21. Sept. sowie zum klimatischen Herbst (Aug./Sept./Okt.) s. Bd. III 235 f. Greg., der schon oben, 876,20 f., auf das Jahr 6859 übergegangen ist (vg1. Anm. 33), da tiert kalendermäßig und bestätigt hier also, daß Ruzzini mit seinen Schiffen gegen Ende September vor Byzanz erschien (vgl. Anm. 29 Pt. 1 b). Zu dieser Stelle ist Greg. III 42,15 ff. zu vergleichen. Dort berichtet ihm sein Freund Aga thangelos, daß er Anfang Frühling (1350) von Kreta nach Euboia ging, als auf Kreta bereits Gerüchte über einen bevorstehenden Krieg Venedig - Genua um gingen. Seine Absicht, Euboia ausführlich zu besichtigen, gab er bald auf, da ein Angriff genuesischer Schiffe auf diese von Venedig beherrschte Insel bevor stehe. Tatsächlich erschienen Ende Sommer 14 Schiffe, die Oropos und Aulis bedrohten; sie wurden aber von 23 venezianischen abgefangen und bis auf 4, die entkommen konnten, erbeutet. Nach diesem Erfolg vom Ende Sommer schickte der venezianische Admiral (Marco Ruzzini) einen Getreuen (Giacomo Bragadin) mit 4 Schiffen zum Ks. in Thessalonike und fuhr selbst weiter nach Konstantinopel. Die vier genuesischen Schiffe, die den Venezianern nicht in die Hände gefallen waren, plünderten inzwischen eine der reichsten Städte Eu boias. Nicht viel später sah Agathangelos die Schiffe aus Konstantinopel nach Hause zurückkehren, weil der Ks. dort nicht eintraf (42,15- 45,4). Eine Klein chron., Schreiner 8/53, bestätigt die Datierung der Ankunft Ruzzinis auf Sept. 1350; s. dazu Schreiner II 277 mit genaueren Angaben zu den Daten und den Schiffszahlen aus anderen Quellen. Ruzzini war am 1. Sept. aus Venedig abge fahren, lieferte am 18. den Kampf mit den genuesischen Schiffen bei Euboia, erreichte gegen Ende September mit 31 Galeeren Byzanz, blieb dort 40 Tage (von Greg. soeben als «wenige Tage» bezeichnet) und fuhr dann wieder nach Hause, ohne gegen Galata etwas ausgerichtet zu haben. Vg1. zu dieser Episode
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noch Heyd: Commerce 502 f. u. Jorga, Lat. et Grecs 207, die beide Greg. für einen Augenzeugen halten, was aber nur für seinen Gewährsmann Agathange los gilt; Kyrris: Cant. Gen. Yen. 337; Nicol: Byz. Yen. 272. Nach der Ausdrucksweise des Greg. zu urteilen, unmittelbar nach dem 21. Dezember 1350. Kantak., der ausführlich über seine Expedition nach Thes salonike berichtet (s. Anm. 35), gibt kein Datum an für seine Rückkehr (III 162,13 f.) . Er bestätigt Greg. aber durch die Nachricht, daß Dusan nach seiner Abfahrt von Thessalonike in den allerersten Januartagen Edessa eroberte (160,19 f. u. 162,6 f.); vgl. dazu Anm. 35. Derjenige, der Kantak. nun nicht mehr daran hindern könnte, die Kaiserherr schaft auf seine Söhne zu übertragen, kann nur Joh. V. sein. Greg. unterstellt hier Kantak. offenbar die Absicht, daß der Gouverneursposten in Thessaloni ke seinen Schwiegersohn um den Thron in Konstantinopel bringen sollte. Wie Kantak. das seiner Meinung nach verwirklichen wollte, sagt Greg. uns nicht. Als er den endgültigen Text der Bücher 18-27 (ed. Bonn. 11 869-III 175) seiner Historia Rhomaike im Frühjahr 1353 seinem Freund Agathangelos zur Publi kation übergab (s. Einleitung S. 4 f.), war der älteste Sohn des Kantak. Matthai os gerade zum (Mit-)Kaiser ausgerufen worden, oder diese Proklamation stand unmittelbar bevor. Doch muß Greg. diese Zeilen nicht erst in Kenntnis dieser Tatsache niedergeschrieben haben. Spätestens seit der Rebellion Johannes V. als Gouverneur von Thessalonike im Sommer 1351 und dem offenen Krieg zwischen ihm und Matthaios Kantak. 1352 war diese Entwicklung vorauszuse hen. Laut Greg. hat Kantak. sich über diese Entwicklung, die er mit der Zu rücklassung Johannes' V. in Thessalonike in die Wege geleitet hatte, schon An fang 1351 gefreut. Er muß sie also regelrecht geplant haben. Mich befremdet, daß Parisot, der Kantak. sonst meistens durchschaut, dieser «Unterstellung» des Greg. keine Aufmerksamkeit geschenkt hat. Zur Expedi tion des Kantak. nach Thessalonike notiert er S. 241 f. Anm. 4: « Gg. . . . est maigre et nul sur cette partie du regne et ne vaut que parce qu'il fixe bien le mom. de l'annee (1350) auq. part Cz.» Seiner Meinung nach (S. 244) beging Kantak., als er Joh. V. in Thessalonike zurückließ, einen unverzeihlichen Feh ler. Was ihn dazu veranlaßte, kann auch Parisot nicht sagen. Eine Erklärung schließt er jedoch aus: «3. nos yeux ce n'etait pas un machiaveJique calcul pour l'exciter 3. la revolte et avoir des prerextes de le briser.» Dagegen spreche die Großmut, die er seinem jungen Kollegen gegenüber immer gezeigt habe. (Ich kann mir nicht denken, daß Joh. V. es als Großmut empfunden hätte, daß er bis weit über seine Großjährigkeit hinaus von der ihm zustehenden Herr schaftsausübung ferngehalten wurde.) Positive Erklärungsvorschläge kann Pa risot nur mit Fragezeichen anbieten. «War es, um sich von seiner lästigen An wesenheit zu befreien?') (Weshalb?) «War es, um den Einfluß seiner Mutter zu
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brechen?» (Die warnte Kantak. vor einer Rebellion!, s. u.) . « War es, um ihn den Augen der Byzantier zu entziehen, die zu sehr mit ihm sympathisierten?» (Das taten die Thessaloniker auch. Warum lieber Revolte in Thessalonike als in Konstantinopel?) « War es, um ihn mit dem Schein der Freiheit zufriedenzustel len?» (Für wie dumm soll Kantak. Joh. V. gehalten haben?) Parisot spürte wohl selbst die Schwäche seiner Lösungsvorschläge und wählte deshalb alle vier zugleich. « Nous sommes porte a croire qu'il y eut de ces quatre causes.» Ein Zeugnis mit viermal der Note « nicht zufriedenstellend» ergibt keine Ge samtqualifikation « zufriedenstellend» . Immerhin erschließt Parisot aus der Tatsache, daß Kantak. die Frau seines Schwiegersohnes und seinen ältesten Sohn in Konstantinopel bei sich behielt, daß er eine Revolte einkalkulierte. So wenig, wie ich glaube, daß Kantak. einen unbeabsichtigten Fehler machte, als er im Sept. 1341 Konstantinopel seinen Feinden (Kalekas, Apokaukos, der Kaiserin Anna) überließ und sich nach Didymoteichon begab (s. Bd. III Anm. 27 S. 247 f. u. Anm. 100 S. 267) , so wenig sehe ich hier eine unverzeihli che Naivität. Ich halte die Interpretation des Greg. für absolut zutreffend. Kan tak. stand nach dreiundeinhalb Jahren Alleinherrschaft noch immer mit dem Rücken zur Wand. Sein Machtkampf hatte dem Volk nur Elend gebracht, seine Herrschaft offenbarte von Tag zu Tag deutlicher die Schwäche des Reiches. Der entmachtete legitime junge Kaiser an seiner Seite erinnerte allein schon durch seine Anwesenheit an das Unrecht, das Elend und Schwäche heraufbe schworen hatte. Eine vorübergehende Beseitigung des (tatsächlich) ungeeigne ten Thronfolgers half da nicht weiter. Joh. V. mußte eliminiert werden, ohne zum Märtyrer gemacht zu werden. Für die Richtigkeit der « Unterstellung" des Greg. spricht folgendes. Kantak., der diese Anschuldigung kannte, als er « sei ne» Geschichte schrieb, gibt sich Mühe, dieser von den Fakten anscheinend be stätigten Darstellung eine andere entgegenzustellen. Im Bericht über seinen Auszug nach Thessalonike im Sept. 1350 erzählt er, daß die (Ex-)Kaiserin Anna ihn damals bat, ihren Sohn nicht in Thessalonike zurückzulassen, da zu befürchten sei, daß dieser sich zur Rebellion würde verführen lassen. was einen neuen Bürgerkrieg zur Folge haben würde (111 112,20- 113,5). Kantak. will dar aufhin Anna gelobt haben, weil sie aus Sorge um sein Wohl und das des Staates eine berechtigte Angst zum Ausdruck gebracht habe (113,5 - 8 ) . Es paßt aber nicht zum Charakter und zum bisherigen Verhalten der Anna von Savoyen, daß sie auf den Plan des Kantak. reagiert hätte wie eine Mutter, die sich äng stigt, weil ihr Sohn sich zu erwas « Bösem» verführen lassen könnte. Vielmehr ist ihr zuzutrauen, daß sie Kantak. deutlich machen wollte, daß sie seinen Plan durchschaute, ihren Sohn gleichsam zur Rebellion herauszufordern. Der Ver such des Kantak., sie zu beruhigen (113,8- 114,2), konnte sie denn auch nicht überzeugen (114,2 f.). Er wollte sie glauben lassen, die Anwesenheit des jungen
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Kaisers in der Stadt würde die dort möglicherweise noch anwesenden Befür worter einer übergabe an Duhn davon abhalten, dies zu tun, da sie (als An hänger des Palaiologen) sich scheuen würden, mit der Stadt auch den jungen Ks. auszuliefern. Er gab damit zu erkennen, daß er seinen Schwiegersohn in Thessalonike als Unterpfand in den Händen derer zurückließ, die lieber Duhn als ihn zum Kaiser haben wollten, aber noch lieber Joh. V., so daß sie ihm zu liebe auf übergabe an Dusan verzichten würden. Die sich jedem aufdrängende Schlußfolgerung, daß dieser Verzicht nur dann einen Sinn hatte, wenn die Nachfolge Joh. V. auf dem Thron in Konstantinopel gesichert war, was gerade die Gegner des Kantak. nicht glaubten, kann Kantak. nur aus unglaublicher Naivität oder böswilliger Absicht übersehen haben. Alles spricht für letzteres. Daß die Rechnung des Kantak., wie schon 1341, auch 1350 nicht aufging, wuß te Greg. noch nicht, als er diese Zeilen schrieb; er hätte es sich sonst nicht ver kniffen, darauf hinzuweisen. Wie 1341 die Revolution in den Städten (s. Bd. III Anm. 100), so machte 1351 der Krieg Venedig - Genua ihm einen Strich durch die Rechnung. Aber das gehört in meinen nächsten Band (zu Greg. III 148,3149,22) . Wie Greg., bezeugt auch Kantak. selbst, daß er nach seiner Rückkehr aus Thessalonike in der Einberufung eines Konzils zur Beendigung des Streites um die Lehre des Palamas seine wichtigste Aufgabe sah (III 166,3 ff.) , denn die in Anm. 35 erwähnte Gesandtschaft an den Bulgarenzar Ivan Alexander und der nachfolgende Vertrag (s. Dölger: Reg. 2969 f.) können hier als bedeutungslos außer acht bleiben. Greg. erweckt den Eindruck, daß der Ks. sich auch deshalb jetzt diesem Problem widmen konnte, da Palamas wieder in der Stadt war. Daß dieser inzwischen offiziell seinen Bischofssitz in Thessalonike eingenom men hatte, erwähnt er mit keinem Wort. So wie er die Absentierung des Pala mas von der Hauptstadt nach Lemnos und Thessalonike als Boykott eines Konzils dargestellt hat, erklärt er nun seine Anwesenheit als Folge von Zusa gen des Kaisers, die Angelegenheit mühelos in seinem Sinne zu erledigen. Gemeint ist der sogenannte Sonntag der Orthodoxie. Nach dem Sieg der Bil derverehrer über die Ikonoklasten im J. 842 wurde der erste Fastensonntag zum Sonntag der (Wiederkehr zur) Orthodoxie proklamiert. An diesem Tag wurde j ährlich als Kernstück der Liturgie das sogenannte Synodikon der Or thodoxie vorgelesen, das sämtliche Häresien und Häretiker aufführte und ver urteilte. Dieses Synodikon wurde immer wieder mit neuen Anathemen ergänzt und auf den neuesten Stand gebracht. Auch Greg. erfuhr später die Ehre, darin anathematisiert zu werden. (Vgl. Beck: Kirche 56, 255, 327; J. Gouillard: Le Synodikon de 1'0rthodoxie. Ed. et comm., TM 2 [1967J 1 - 313) . Der Sonntag der Orthodoxie fiel im J. 1351 auf den 6. März. Als erste öffentliche Verkündigung der palamitischen Lehre durch den Patriar-
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chen Isidoros betrachtet Greg. die Benutzung palamitisch gefärbter Hymnen Isidors in der Kirche (s. Bd. III 195). Damals, Herbst 1347, überredete Greg. den Ks., Verbrennung der Hymnen anzuordnen, aber Palamas wußte sie zu verhindern (s. F. Tinnefeld, Orth. For. 5 [1991] 371). Ob die Auslassung der Namen des Kaisers Andronikos III. (zu der von ihm einberufenen Synode in Sachen Hesychasmus s. Bd. n 293 f. u. 297 mit den Anm. und oben Einleitung S. 34-38) und des Patriarchen Isidoros wirklich versehentlich d. h. im Verständnis des Greg. und seiner Leser durch Wirkung der göttlichen Vorse hung, oder mit Absicht erfolgte, da der Vorleser ein Gegner des Palamas war, ist eine Frage, die man stellen, aber nicht mit Sicherheit beantworten kann. Zu fälle gibt's! Diese Gregorasstelle ist übrigens von Schreiner: Kleinchron. n 276 mißverstanden worden. Er meint, daß hier von Andronikos IV., dem Sohn Jo hannes V., die Rede sei, und folgert daraus, daß dieser schon vor d. 6. März 1351 zum Mitks. ausgerufen worden sein müßte. Es ist hier aber ohne Zweifel von Andronikos III. die Rede. Der Protest der (Ex-)Kaiserin Anna ist wohl nur deswegen erfolgt, weil der Vorfall sofort in der Stadt diskutiert wurde und ein allgemeines Rätselraten nach einer Erklärung einsetzte. Er zeigt, daß die entmachtete Kaiserin nicht willens war, alles hinzunehmen, und nicht wollte, daß ihr verstorbener Gatte nun als Förderer der Lehre des Palamas gelten sollte. Freilich hatte sie vor ihrer Entmachtung noch versucht, Pa lamas auf ihre Seite zu ziehen (s. Bd. III Anm. 404) , aber das hatte nichts genutzt, da die Palamiten treu zu Kantak. standen. Sie hatte also keinen Grund, stillschweigend zuzusehen, daß die Rechtgläubigkeit ihres Mannes in Frage gestellt schien. Hier geht Greg. auf den Frühling 1351 über, nachdem er ein Ereignis behandelt hat, das am 6. März stattfand, mit einem Nachspiel am 13. Gemäß Bd. III 214 ist er für das Jahr 1349 auf den Frühling übergegangen, um anschließend ein Ereignis zu erörtern, das ausgerechnet ebenfalls auf den 6. März zu datieren ist (s. Bd. III Anm. 602) . Greg. bringt dieses Ereignis später noch einmal im Bericht seines Freundes Agathangelos (III 45,4 - 11 u. 14-20; vgl. auch 106,12- 14). Die Kleinchron. Schreiner 8/54 (Bd. I 86) datiert die Ankunft der venezianischen Schiffe auf Mai der 4. Indiktion (Mai 1351). Die Zahl der Schiffe ist hier auch vierzehn. Die Chronik notiert weiter, daß der Ks. sich mit den Venezianern gegen Genua verbündete und zusammen mit ihnen einen Tag lang Galata angriff. Dann er fuhren die Venezianer vom Herannahen einer genuesischen Flotte, flüchteten und überließen den Rhomäern den Kampf. Aus westlicher Quelle (Lorenzo de Monacis) ist bekannt, daß die venezianischen Schiffe unter Niccolo Pisano am 19. April ankamen (Schreiner II 279). Der Angriff erfolgte nicht sofort. Zuvor wurde das Bündnis mit dem byzant. Ks. geschlossen, das Greg. hier auch er-
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wähnt (s. Anm. 50). Der gemeinsame Angriff auf Galata fand erst am 27. Juli statt, die venezianischen Schiffe verschwanden in der Nacht vom 27. auf den 28., und am 28. erlitten die weiterkämpfenden Rhomäer eine Niederlage. Greg. geht in seiner Berichterstattung nicht so weit. Er erzählt hier nur, was die Venezianer unmittelbar nach ihrer Ankunft taten, offensichtlich in der Zeit, in der sie den Vertrag mit dem Ks. aushandelten. Kantak. erweckt den Eindruck, daß die Venezianer (nicht am 19. April, sondern) erst nach dem Ende des Kon zils (Mai/Juli) angekommen wären (III 185,11- 16). Er berichtet (III 185,15186,11) folgendes: Es kommen 14 lat. Schiffe nach Byzanz, die durch Überra schung nachts in Galata eindringen können, aber wieder vertrieben werden, ohne etwas von Bedeutung ausgerichtet zu haben. Versuche, genuesische Schif fe im Hafen in Brand zu setzen, schlagen ebenfalls fehl. Daraufhin kapern sie Schiffe, die aus dem Pontos heranfahren. Anschließend behandelt Kantak. den Abschluß des Vertrages Venedig-Byzanz, der auch bereits im Mai zustande ge kommen war (s. Anm. 50). Vgl. auch Heyd: Commerce 504; Jorga: Lat. et Grecs 207f.; Kyrris: Cant. Gen. Ven. 338; Nicol: Byz. Ven. 273. (Datierungen und Schiffszahlen sind bei den Autoren nicht immer gleich). 50
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Das Bündnis der Venezianer mit den Katalanen war nach langen Verhandlun gen am 16. 1. 1351 geschlossen worden (vgl. Dölger: Reg. 2974; Heyd 503; Kyr ris 337 f.; NicoI 272 f.), das mit den Byzantinern kam im Mai zustande (Dölger: Reg. 2975). Ausführlich berichtet Kantak. darüber III 186,11- 190,9. Greg. er wähnt den Vertrag auch III 45,20 f. und 106,14- 16. Den Angriff auf Galata kennt sein Freund Agathangelos nur vom Hörensagen, s. III 45,21-46,10 und 106,16- 108,3. An letzter Stelle erfahren wir, daß Pisano sofort nach Vertrags abschluß angreifen wollte, der Ks. aber den Kampf hinauszögerte, da er vorher mit seinen antipalamitischen Gegnern abrechnen wollte. Darüber vergißt der Autor, den Angriff selbst zu erzählen. Die von den Byzantinern nach dem Ab zug der Venezianer am 28. 7. 1351 erlittene Niederlage erwähnt Agathangelos (d. h. Gregoras) auch 46,4- 10 nicht. Mehr dazu im nächsten Band. Kantak. hat lange versucht, sich aus dem Konflikt Venedig - Genua herauszuhalten, wurde aber von beiden Seiten unter Druck gesetzt. Da die größere Gefahr von den Genuesen auszugehen schien, die von Galata aus direkt Konstantinopel bedrohten, schloß er sich schließlich den Venezianern an. Greg. erweckt hier durch das Präsens den Eindruck, er schreibe gleichzeitig mit den Ereignissen (vgl. Boivin 1293). Er macht aber selbst deutlich (s. III 135,613), daß er die Bücher 18-27 nicht vor 1352 fertiggestellt hat (s. dazu ob. Ein leitung S. 1 -5). - Das erste wichtige Ereignis im venezianisch-katalanisch byzantinischen Krieg gegen Genua war für die Byzantiner ihre Niederlage gegen die Genuesen am 28. Juli 1351, die sie erlitten, nachdem die Venezianer sie im Stich gelassen hatten, um eine angeblich zu Hilfe eilende genuesische Flotte ab-
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zufangen (s. ob. Anm. 49). Das Konzil, das den Palamismus zur offiziellen Lehre der byzantinischen Kirche proklamierte und worüber Greg. jetzt zuerst berichten will, begann am 27. Mai und endete für die Antipalamiten ca. 15. Juni 1351, für die Palamiten kurz vor dem 15. August. Die Verwicklung von Byzanz in den Krieg Venedig - Genua dauerte an bis zum 6. Mai 1352. Greg. verbindet aber mit seinem Bericht über das Konzil auch den über seine unmit telbaren Folgen, insbes. über die für ihn persönlich. Die wichtigste war, daß er schon bald nach der Konzilssitzung vom 15. Juni zu Hausarrest verurteilt wur de, der durch immer weitere Verschärfung praktisch in eine Gefängnisstrafe entartete. Einer ausführlichen Berichterstattung wert waren für Gregoras die vergeblichen Versuche seiner Gegner, ihn nachträglich noch zu bekehren. Die <profane> Geschichtsschreibung nimmt er erst wieder in der Form einer Be richterstattung durch seinen Freund Agathangelos auf, der ihm heimliche Be suche abstattete, zum ersten Mal in der Nacht vom 21. auf den 22. November 1351. Ihn läßt er bei seinem ersten Besuch von seiner « zwanzigjährigen» (III 7,4 u.53, 8), in Wirklichkeit zehnjährigen (III 10,5- 7 u. 53,2-8; s. dazu Beyer: Chronol. Nr. 62 S. l4l f. mit Anm. 112) Auslandsreise berichten, zuletzt von dem, was er auf Euboia vom Krieg Venedig - Genua des Jahres 1350- 1351 mitbekam und vom Hörensagen erfuhr (III 41,15-51,23; vgl. dazu Anm. 49) bis zu seiner Rückkehr nach Konstantinopel im August 1351 (III 52,1 f. u. 60,3 -5), um ihn dann darauf übergehen zu lassen, was er nach seiner Rück kehr in Konstantinopel erlebte und vor allem hörte über das vor kurzem abge haltene Konzil, die anschließende Verfolgung der Palamasgegner und den zum Abschluß des Konzils verfaßten palamitischen Tomos (III 52, 2-55,9 u. 60,567,23) . Bei seinem zweiten Besuch (III 76,1 ff.) setzt Agathangelos die Berichter stattung über den Krieg gegen Genua fort. Weil nach dem Eintritt von Byzanz in diesen Krieg im Mai 1351 bis zur Tagung des Konzils über den Palamismus Ende Mai/Anfang Juni nichts von Bedeutung geschah. unterbricht Greg. an dieser Stelle die diesbezügliche Berichterstattung, um gleichsam mit einem neuen Vorwort (s. Bd. I 40) auf ein Hauptthema überzugehen, das chronolo gisch nun an der Reihe ist. Wäre er ein freier Mann geblieben, hätte er viel leicht den Krieg bis zu seinem Ende im Mai 1352 als eine Einheit abgehandelt; der Verlust seiner Freiheit zwang ihn jedoch, über die Fortsetzung des Krieges ab Mai/Juni 1351 sozusagen aus zweiter Hand zu berichten und dementspre chend die diesen Umstand erklärende « Katastrophe» in seinem Leben vorher zu behandeln. 52
Um die Wichtigkeit des nachfolgenden Berichts zu betonen, wiederholt Greg. hier die Pflichtbeteuerung eines jeden altgriechischen und byzantinischen Hi storiographen, daß er zum Nutzen seiner Leser die reine Wahrheit bringen werde.
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Boivin 1293 notiene zu diesem Satz: «tota constructio perplexa et salebrosa est» und zu «mit lautlosen Zungen vorbeigehen» (wönlicher: «ein wonloses Vorübergehen der Zunge» ) : «dithyrambum sapit» , d. h. hier könnte ein Dich terwon vorliegen. Im gr. Text der Ausgabe ist <enious> in <eniois> zu korrigie ren (hs!. Befund), und zwischen <einai> und <dothesesthai> ist m. E. Wegfall von anzunehmen. Ein Dichterwon, auf das Greg. hier anspielen könnte, ist mir nicht bekannt. Daß Kantak. schon seit vier Jahren, d. h. seit 1347, ein Konzil in dieser Angele genheit plante, wiederholt Greg. unten S. 885,10 (vg!. Anm. 29 gegen Ende). Zur antipalamitischen Haltung des Volkes s. Anm. 27. Auch hier war es sicher wieder die « Wühlarbeit» der gelehnen Antipalamiten, darunter vermutlich Schüler des Greg., die beim Volk Erwanungen weckten, man würde Palamas und durch ihn Kantak. eine Niederlage beibringen können. Richtig betont Weiß: Kantak. 126, daß ein solcher Schülerstamm für den byzantinischen Lite raten eine Gefolgschaft bildete, die er in kritischen Situationen einsetzen konn te, wie ein Adeliger seine Klientele. S. ob. 879,5f. (mit Anm. 44). Julianus Apostata war in Byzanz neben Diokletian das am häufigsten verwen dete Beispiel eines Christenverfolgers. Joh. 3,20. Ob Palamas wirklich so gegen ein Konzil gewesen ist, wie Greg. uns glauben machen will, halte ich für sehr zweifelhaft, s. Anm. 28. Eine von Pala mas selbst vorgebrachte Begründung, weshalb er gegen ein Konzil gewesen sein soll, nennt Greg. uns nicht. Greg. wandelt das vor allem lateinisch aus Horaz (Ars poetica 139) bekannte Sprichwon «panurient montes, nascetur ridiculus mus» (Berge gehen schwan ger, geboren wird eine lächerliche Maus) m. E. absichtlich ab. Er hat es wohl kaum mißverstanden, wie Boivin 1293 meint. Das Sprichwon ist originär grie chisch, s. Lukian Hist. 23; Athenaios p. 616 d; Diogen. VIII 75; Karathanasis 209; vg!. auch Nik. Chon. Or. Ep. ed. van Dieten S. 112,14 f. Was Greg. hier damit meint, ist: Kaiser und Palamas, die sich für Berge hielten, gingen schwanger mit der Idee eines ökumenischen Konzils, geboren wurde eine Zu sammenkunft unwürdiger Bischöfe einer einzigen Kirchenprovinz. Greg. weist noch einmal (vg!. Anm. 26) darauf hin, daß Reich und Ökumene, also auch « Reichskonzil» und ökumenisches Konzil nicht mehr zusammenfal len. Schon Boivin 1293 wies darauf hin, daß die von Greg. hier genannte Zahl der teilnehmenden Bischöfe zu niedrig sei und daß der Konzilstomos von 27 Bi schöfen unterschrieben wurde. Letzteres garantien aber nicht, daß diese 27 auch auf dem Konzil anwesend waren. Oft wurden nachträglich weitere Unter schriften geleistet. Der Tomos dieses Konzils wurde z. B. ursprünglich nur von
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Joh. Kantak. unterschrieben, erst später von Joh. V. und Matthaios Kantak. De facto haben am Konzil teilgenommen: 25 Metropoliten, 3 Vertreter von Metropoliten und 7 Bischöfe. Ursprünglich unterschrieben nur 22 Metropoli ten; fünf weitere Unterschriften kamen später hinzu. Unter den Palamas-Geg nern waren zwei Metropoliten, die von Ephesos und Ganos. Für die Unter schriften s. PG 151,721; dazu Bd. I 23 Anm. 114; Meyendorff: Palamas 141; Darrouzes: Reg. 2326. Vgl. Bd. III 169 u. 173; ob. Anm. 11 u. 32. Den Vorwurf, daß die neu eingesetz ten Bischöfe schriftliche Glaubensbekenntnisse zur Lehre des Palamas hätten abgeben müssen, wiederholt Greg. unten S. 887,21; s. dazu Anm. 86. Laut Phi lotheos Vita Isid. 118 hatte dieser sofort nach seiner Inthronisation 32 neue Bi schöfe geweiht, hauptsächlich um vakante Sitze zu besetzen. Greg. unterschei det nicht genau zwischen diesen sofort geweihten und denen, die später an die Stelle der gegen den Patriarchen opponierenden Bischöfe gesetzt wurden. Meyendorff: Palamas 131 weist darauf hin, daß einige der erstgenannten sofort nach ihrer Ernennung nachträglich den palamitischen Tomos von 1347 unter schrieben. Er hält es für wahrscheinlich (S. 132), daß das anläßlich ihrer Weihe von den neuen Bischöfen verlangte Glaubensbekenntnis um ein Bekennmis zur palamitischen Theologie erweitert wurde. Dem kann man zustimmen. Die Pa lamiten gebärdeten sich spätestens seit dem Tomos von 1347, als seien sie die Kirche, s. Einleitung S. 51 f. Der Tomos von 1351 nennt als Anschuldigung der Antipalamiten, daß im Glaubensbekenntnis der neugeweihten Bischöfe ein Zu satz vorgenommen war (ed. Karmiris § 5 S. 314,4f.). S. Anm. 11. Im Griechischen wörtlicher: «und kaum imstande waren, die Elemente der Buchstaben zu Silben zu verbinden». Boivin übersetzte: «ac vix prima litera rum elementa articulate enuntiare didicissent». Dieses düstere Bild des Episkopates, das im Jahre 1351 die Lehre des Palamas, d. h. die Theologie eines philosophisch halbgebildeten Mönches, zum Glau bensgut erhob, ist wohl als eine Mischung aus (tragischer) Dichtung und Wahrheit zu werten. Patriarch Philotheos hat in seinen Antirrhetika gegen Greg. (teilweise zitiert von Boivin U93) diese Darstellung scharf, aber ohne Be weise zurückgewiesen (ed. Kaimakis 1 403 -498). Philotheos schreibt u. a.: «Dem Chor dieser Hirten und Lehrer der Kirche wirfst du Bildungsmangel und bäurisches Wesen vor, und auf der Liste, sagst du, stehe nicht einer, der vernünftig lesen und schreiben könne. Darum haben sie, wie du wohl sagen wirst, den heiligen Tomos voller Unkennmis und nicht nach den Gesetzen der von dir angebeteten Rhetorik verfaßt, oder besser, nicht in Übereinstimmung mit deinen Ansichten . . . Wenn ich wüßte, daß diesen ge priesenen Männern an dieser Sache viel gelegen wäre, und daß sie dies für
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nützlich hielten, hätte ich dir gezeigt, daß viele dieser hervorragenden Priester (gemeint sind die Bischöfe) weise in dieser Weisheit und rhetorisch begabte Re denschreiber sind, und nicht nur viele von ihnen, sondern auch viele ihrer Jün ger, Männer wie Lukas, Timotheos und Apollos (s. 1 Kor. 3,4 f.), oder, wenn du willst, Dionysios, Polykarpos und Klemens . . . » (gemeint sind hier jene, die
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den Bischöfen auf dem Konzil assistierten). Für Philotheos sind die Bischöfe andere Apostel und die, die nach ihnen kommen, andere Aposteljünger, wie die aus dem N. T. bekannten Lukas, Timotheos, Apollos oder solche, wie die apostolischen Väter Dionysios Areopagita, Polykarpos von Smyrna, Klemens von Rom. «Aber bei ihnen zählt die profane Bildung nicht viel. Sie wissen, daß sie Jünger von Fischern und Bauern sind, von jenen, meine ich, die von Chri stus, der Weisheit selbst, als erste zu Aposteln und Jüngern berufen wurden und von Rudergriff, Fischernetz und Fischerreuse zu Christi Wort (Luk. 22,30 vgl. Matth. 19,28) zum himmlischen Thron im ehrfurchterregenden und unbe stechlichen Gericht aufstiegen, worin die Richter sitzen, die über die zwölf Stämme urteilen. » Lassen wir es bei diesem Fragment (1 403 -433). Die angeb liche Bildung der Väter des palamitischen Glaubensgutes bleibt unbewiesen, weil Philotheos auf die Beweise verzichtet, die er angeblich bringen könnte. Sie seien überflüssig; denn den Aposteln könne man auch Bildungsmangel vor werfen, aber wer würde ihre Lehre in Zweifel ziehen wollen. Philotheos über sieht, daß die Apostel nichts Philosophisches lehrten oder lehren wollten, wäh rend Palamas das sehr wohl tat. Und in dem Fall ist ein wenig Bildung nicht fehl am Platz. Wir sind noch im Frühjahr 1351 (vgl. Anm. 48). Sicherer terminus ante quem ist die Eröffnung des Konzils am 27. 5. 1351; s.u. 905,7f.; Beyer: Chronol. Nr. 52 S. 139 (korrigiere die von mir Bd I 23 um einen Tag zu spät angesetzten Sitzungstage jeweils um einen Tag; im übrigen s. Anm. 155). Einen Versuch, Kantak. zu bekehren, hatte Greg. auch schon 1347 unternommen, s. Bd. III 191- 193. Greg. spielt auf den Tod des jüngsten Sohnes des Kantak. (Andronikos) an, der 1347 an der Pest starb, s. Bd. III 176 mit Anm. 515. Schon damals hatte Greg. der Kaiserin gegenüber diesen Tod als Strafe für die Förderung der palamiti sehen Häresie erklärt, für die der Vater verantwortlich sei (ebd. 194). Anspielung auf Provo 22,28; vgl. Bd. III Anm. 550. Der Ausdruck diente Greg. dazu, und nicht nur ihm, seinen theologischen Konservatismus zu legitimieren. S. auch Anm. 225, 327. BibI. Bild, s. Matth. 7,6. Lange Zeit stand bei den Byzantinern ta hemetera, das Unsere, als Gegensatz von ta exothen, das von außen, für alles, was sie der Hl. Schrift entnahmen, während alles, was sie der profanen Literatur entlehnten, als von außen kom237
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mend galt. Diese Stelle, wo die Hl. Schrift « dem Unseren» gegenübersteht, zeigt, wie sehr ein Mann wie Gregoras das heidnische Erbgut aus griechischer und hellenistischer Zeit wieder als das eigene empfand. Es folgen also jetzt Re densarten und Ausdrücke, die dem profanen Erbe der Byzantiner entnommen sind, auch wenn ich die Quelle nicht immer angeben kann. Der Ausdruck « Wespennester (bzw. Wespenschwärme) hetzen» bedeutet: Menschen, die schon an sich jähzornig sind, zusätzlich anstacheln, so z . B. bei Aristoph. Vesp. 224; weitere Beispiele im ThLG s.v. sphekia! Wer Palamiten über Theologie anspricht, heißt das hier, fordert sie heraus, auf den wahren Glauben einzustechen. « Das vor den Füßen Liegende nicht verstehen» hat der Platonverehrer und -imitator Greg. (s. Bd. 1 35 mit Anm. 179) sicher aus Platon Theaet. 174 a; man findet es aber bei vielen antiken und byzantinischen Autoren, s. z. B. Lukian Nigr. 7; Nik. Chon. Hist. 51,90; al. Im gr. Text der Ausgabe fehlt das Wort Turm. Auch Bd. III 198 hat Greg. die Lehre des Palamas mit dem Turm von Chalane verglichen. Er verwendet das Bild auch u. S. 948,9 und Antirrh. 11 fol. 18, 3. Zeile v. u. Meine Anm. Bd. III 566 möchte ich hier ergänzen bzw. korrigieren. Greg. schien mir hier Is. 10,9 mit Luk. 14,28 -31 zu kombinieren. Bei Is. 10,5 ff. spricht Jahweh sein « Wehe» über Assur, weil dessen König (Sargon 11.) in seiner Aufgabe, Werk zeug der strafenden Gerechtigkeit Gottes zu sein, zu weit gegangen und über heblich geworden ist. Um diese Überheblichkeit zu schildern, läßt Is. den Großkönig mit seinen Zerstörungen prahlen. Unter den aufständischen Städ ten, die von ihm zerstört wurden, führt er Chalane auf ( Kalno (bzw. Kulla ni der Keilschrifttexte) östl. v. Antiochien). Greg. schien mir nun einerseits an =
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diese Stadt zu denken, die einen Krieg begann, den sie nicht gewinnen konn te, eine Handlungsweise, die Christus bei Luk. 14,31 verurteilt, und anderer seits an die Warnung Christi bei Luk. 14,28, daß, wer einen Turm bauen will, zuvor ausrechnen soll, ob er den Bau auch finanzieren kann, weil er sonst über die Fundamente nicht hinauskommen wird. So kam Greg. m. E. zum Bild des leicht einstürzenden Turmes von Chalane, mit dem er die Lehre des Palamas vergleicht. Dieser sah auch nicht voraus, welche Folgerungen aus sei ner Lehre von der Schau Gottes zu ziehen sein würden. Inzwischen entdeckte ich den «Turm von Chalane» auch bei Greg. Naz. Or. 21,22 PG 35,1105 C 10f., der erläutert, welchen Turm er meint, indem er hinzufügt « der die Spra chen teilte» ; vgl. Or. 32 PG 36,193 B H f.; auch Greg. meint also gewiß den Turm von Babel. Die plötzliche Geburt der Giganten, die bei der Verstümmelung des Uran os durch Kronos aus den auf die Erde (Gaia) fallenden Bluttropfen hervorgingen (s. Hesiod. Theog. 183 ff.; Ap. Rhod. Schol. zu 4,992) verwendet Greg., ohne
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daß er eine klare Vorstellung des Gigantenmythos vermittelt, gern als Bild für eine plötzlich auftretende Gruppe, die ihm unsympathisch ist. Vgl. Bd. I 199 mit Anm. 452; III 173 mit Anm. 497. Die letzten vier rhetorischen Fragen sind eine Anspielung auf den Fluch Gottes über Adam nach dem Sündenfall, s. Gen. 3,18. Hebr. 10,31. «Seit vier Jahren» d. i. seit Anfang der Herrschaft des Kantak. in Konstantino pel, vgl. Boivin 1294. Greg. hat dieses Versprechen noch nicht erwähnt, auch nicht dort, wo es angebracht gewesen wäre, s. Bd. III 190ff. Wohl setzt er dort, wo er die Absentierung des Palamas von Konstantinopel als Flucht vor einem solchen Konzil interpretiert, die Planung eines Konzils voraus, s. Anm. 29 ge gen Ende. Unklar ist, ob Greg. hier vielleicht auch auf die Unterhandlungen des Kantak. mit Papst Klemens VI. im Herbst 1347 anspielt (s. ebd.). Dabei wurde auch über ein Konzil gesprochen, das aber an erster Stelle ein Unions konzil sein sollte. Ein gemeinsames Konzil der lateinischen und byzantinischen Kirche hätte Kantak. aber gewiß nicht mit einer Diskussion über die Lehre des Palamas belasten wollen, so wenig wie später in Ferrara-Florenz (1438/39) Kai ser Johannes VIII. das wollte. Greg. aber verlangte gerade, daß ein ökumeni sches Konzil über die Lehre des Palamas urteilen solle, wobei er freilich wohl nur an die östlichen Patriarchate, nicht auch an Rom dachte. Kantak. weiß in seinem Geschichtswerk nichts von einem Versprechen, das er erst nach vier Jahren eingelöst hätte. Er stellt es so dar (III 166,3 ff.), daß er das Konzil auf Drängen sowohl der Palamasgegner (166,8 f.) wie der « Amtskirche» (166,913) einberufen habe. Er selbst hätte nach der Übernahme der Macht alles ge tan, um dem damaligen Anführer der Palamasgegner, Gregorios Akindynos, die Gelegenheit zu geben, seinen Standpunkt zu verteidigen. Dieser sei aber darauf nicht eingegangen (166,18- 168,2). Danach hätten Leute wie der Metro polit von Ephesos und andere, die früher Barlaam und später auch Johannes Kalekas und Akindynos verurteilt hatten, die Kirche erneut mit Beschuldigun gen in Unruhe versetzt, weil diese angeblich Dogmen protegiere und lehre, die mit den Überlieferungen der Väter im Streit seien. Deshalb ließ er ein Konzil zusammentreten (168,2 - 15). Greg. widerspricht hier der Maximalinterpretation des Rechtsgrundsatzes, der Kaiser stehe über dem Gesetz. Er fordert, daß es in Kirche und Staat grundsätz liche Normen geben müsse, über die sich kein Inhaber menschlicher Gewalt hinwegsetzen dürfe. Vgl. Bd. III Anm. 14. Da Greg. dies schrieb, ehe Kantak. am 10. Dezember 1354 gestürzt wurde (nämlich spätestens im Frühjahr 1353, s. Anm. 43), können diese Worte nicht als Prophezeiung ex eventu abgetan werden. Man muß also annehmen, daß Greg. schon 1351 entweder Kantak. keine Chancen einräumte, an der Macht
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zu bleiben, oder Bestrafung durch die göttliche Vorsehung vorauszusagen wag 79 80
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te, weil er fest daran glaubte. S. dazu Bd. III Anm. 106. Greg. erinnert Kantak. an seine Lage in der Zeit vom Okt. 1341 bis zum Frühjahr 1343, als er zuerst plötzlich aller seiner Ämter enthoben wurde und bald nach Serbien flüchten und dort zehn Monate bleiben mußte, s. Bd. 11 60 -79. Zu dieser Leichentuchsymbolik wurde Greg. vielleicht durch das von Prokop «überlieferte» berühmte Wort der Kaiserin Theodora inspiriert, die in der Nachfolge des Perikles (bei Thukydides) das Sterben in der Herrschaft als schönes Leichentuch bezeichnete. S. dazu Bd. III 66 f. mit Anm. 105 f. Dies ist eine Rekapitulation des Kampfes um die Kaiserherrschaft von 13411347 (s. Bd. III 68 ff., wo Greg. noch ein günstiges Bild des Kantak. zu vermit teln versucht). Sie dient hier dazu, besonders die Benutzung türkischer Hilfe und ihren verderblichen Einfluß auf den Charakter des Kantak. hervorzuhe ben. Zum Ausdruck vgl. Soph., O. T. 1425; s. dazu Bd. III Anm. 357 a. Beachte die Wiederholung des Vorwurfs an die Adresse der Mutter des Kan tak., Theodora Palaiologina, am Vormarsch des Palamismus mitschuldig ge wesen zu sein. Ihre wiederholte Nennung in diesem Zusammenhang läßt er kennen, welchen Einfluß auf ihren Sohn Greg. ihr zuschreibt. Vgl. dazu die Stellen, die ich Bd. III 422 s. n. verzeichnet habe. Der ganze Passus (S. 886,12 bis hier 887,10) ist für die Beurteilung der Persönlichkeit des Greg. ein zwei schneidiges Schwert. Davon ausgehend, daß er Kantak. sein unmenschliches Verhalten im Bürgerkrieg tatsächlich so freimütig wie hier vorgehalten hat, scheint man ihm Bewunderung für erwiesene Zivilcourage nicht versagen zu können. Zum anderen aber kann man kein Verständnis dafür haben, daß er diese Vorhaltungen nicht macht, weil Kantak. Mitmenschen Unmenschliches angetan hatte, sondern weil er hoffte, ihn auf diese Weise noch für die von ihm =
vertretene Orthodoxie zurückzugewinnen. Wäre ihm dies gelungen, Greg. wäre bei seiner beschönigenden Darstellung der Taten des Usurpators geblie ben. Die « Erklärung» für diese aus unserer Sicht unerklärliche Haltung liefern die Vorurteile des Mannes; einmal, daß Häresie das größte aller Verbrechen sei (s. u. S. 888,23 - 889,1), zum andern, daß der tiefe Fall des von Greg. ur sprünglich nicht als Usurpator betrachteten Kantak. nur eine Folge seiner pro palamitischen Haltung war, so daß er sich durch Bekehrung zum gegnerischen Standpunkt von allen Sünden hätte reinwaschen können (s. S. 887,15 ff.) . Vgl. Anm. 147. 85 86
Vgl. Bd. III 165 - 167. Beachte hier die Wiederholung des Vorwurfs, die nach der Machtübernahme
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durch Kantak. neu eingesetzten Bischöfe hätten schriftliche Bekennmisse zur Lehre des Palamas abgeben müssen (vgl. ob. Anm. 61). 87
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Wenn man Greg. hier beim Wort nimmt, hatte er den Tod eines der Kinder des Kantak. vorausgesagt, und wagte er es nun, ihn daran zu erinnern. Aus der Stelle geht hervor, daß er Bd. III 190 ff. beim Rekapitulieren einiger übergange nen Geschehnisse mit seinen antipalamitischen Mahnungen an Kantak. auf die Periode vor dem Aufstand des Matthaios Kantak. und dem Tod des Androni kos Kantak. (an der Pest, Sommer 1347) zurückgriff (s. ebd. 176 ff.). Greg. läßt hier den Tod des Andronikos « wenig Zeit» nach seiner Vorhersage erfolgen. Wir wissen, daß dieser innerhalb von drei Tagen erkrankte und starb (Kantak. III 52,18 f.). Es ist nicht anzunehmen, daß Greg. seine Vorhersage innerhalb dieser drei Tage ausgesprochen hat, aber da er selbst von «wenig Zeit» zwi schen Prophezeiung und Erfüllung spricht, vermute ich, daß die aus Südruß land kommende Pest, die Konstantinopel im Frühjahr 1347 erreichte, schon viele Opfer forderte, als Greg. die Vorhersage machte, auf die er hier so stolz ist. Er wird sie aber wohl nur in der Form einer vagen Warnung gewagt haben, etwa: sieh zu, daß Gott dich nicht mit dem Tod eines deiner Kinder bestraft. Tritt ein solches Ereignis dann ein, kann man sagen: Habe ich dich nicht ge warnt? Wenn nicht, war es nur eine Warnung, keine Vorhersage. Gadeira (im Phönizischen: Gader, lat. Gades, heute C3.diz) ist für Greg. wie für die alten Griechen sprichwörtlich das (westliche) Ende der Welt (s. PW: RE IX 432. 439). Die genaue Lage der antiken Stadt war ihm nicht bekannt, denn er lokalisiert sie offensichtlich an der Straße von Gibraltar. Bel. I 115 heißt es, daß die Araber Afrika und Libyen erobern bis Gadeira, ebd. 187, daß die Römer Europa eroberten bis (Tanais (Don) und) Gadeira; III 110 ist mit Meerenge von G. eindeutig die Straße von Gibraltar gemeint (vgl. I 80). An allen diesen Stel len steht Gadeira weniger für die Stadt dieses Namens als solche, denn symbo lisch für ihre vermeintliche Lage am Ende der Welt, wie andernorts etwa das atlantische Meer, d. h. das Meer hinter dem Standort des Titanensohnes Atlas, der im äußersten Westen den Himmel stützte, dort wo Herakles seine berühm ten Säulen errichtete, so daß Atlas, Atlantisches Meer, Säule des Herakles die gleiche symbolische Bedeutung haben wie Gadeira, s. Bd. 11 49, 250, III 110; vgl. auch Greg. Ep. 69,60 ff. ed. Leone; unten Anm. 388. Als Vergelrungsschläge, die Kantak. nicht gebührend (als Bestrafung durch Gott) zur Kenntnis nimmt, betrachtet Greg. wohl die Gebietsverluste an Dusan von Serbien und die schwere Niederlage gegen die Genuesen, die er in Kap. 16 und 17 behandelt hat. Zum Ausdruck s. Bd. III Anm. 393. Ansp. auf. Rom. 11,33. «Die Worte der Weisen sind wie Ochsenstachel» aus Eccl.12,ll. Die Zivilcoura-
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ge des Greg., dem Ks. (aus welchem Grund auch immer, s. Anm. 84) ins Ge wissen zu reden, ist gewiß bewundernswert. Wichtiger scheint mir aber die Feststellung zu sein, daß die ksl. Autorität im 14. Jh. schon so viel gelitten hat te, daß ein politisch bedeutungsloser Gelehrter sich so etwas ungestraft leisten und dies veröffentlichen konnte. Er selbst erklärt fteilich die Haltung des Kan tak. im J. 1347 mit der « angeborenen Sanftmut» des Mannes, der es nicht fertig brachte, sich an Gegnern zu rächen (s. Bd. III 193), aber so viel Sanftmut konn te ein Ks. sich normalerweise nicht leisten. Kantak. war sich jedoch m.E. be wußt, wieviel Autoritätsverlust die Kaiserherrschaft nicht zuletzt durch seine Usurpation erlitten hatte. Im eigenen Namen gegen Greg. vorzugehen, hätte dessen Beschuldigungen, die anscheinend von den Fakten bestätigt wurden, nur glaubwürdiger gemacht. Er nutzte deshalb klug die Gelegenheit, den lästi gen Gelehrten und Moralprediger von der Kirche aburteilen zu lassen. Zu sei nem Charakter paßte diese risikolose Rache, wie Greg. übrigens oben selbst 92
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sagt, s. S. 874,ll ff. Im gr. Text ist für « kathaper» (gleich wie) « kathapax» (ein für allemal, ganz und gar) zu lesen. , kombinien mit Joh. 14,24: «das Won, das ihr vernehmt, ist nicht das meinige, vielmehr ist es das Wort dessen, der mich gesandt hat, des Vaters» . Worte Jesu zu den Emmausgängern, s. Luk. 24,27. «Geh . . . Satan» : Worte Jesu zu Petrus, der gegen seine Leidensvorhersage pro testierte, nach Matth. 16,23. Greg. verwechselt oder kombiniert sie, aus dem Gedächtnis zitierend, mit ähnlichen Worten in der Versuchungsgeschichte Jesu
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