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e8pos wird. Von einer Identifikation keine Spur. Ändert sich der Befund beim Vollkommenen, für den Mose steht? Hier wird ja im Zusammenhang des Aufstiegs auf den Sinai der „Ort" von Ex 24,10 auf den Logos gedeutet (QuaestEx II 37). Aber nicht nur Mose, sondern auch Aaron, Nadab und Abihu sehen diesen Ort und schauen Gott so durch seinen Unterbefehlshaber ( u r r a p x o s QuaestEx II 39), wenn sie ihn auch nur „aus der Ferne" verehren können (vgl. Ex 24, l ) . Davon wird Mose dann Ex 24,12 abgehoben: Er allein darf weiter hinaufsteigen ins Dunkel. Dieser Unterschied war schon vorher bei der Exegese von Ex 24, lf geklärt worden (QuaestEx II 27-29). Mose allein ist der prophetische Geist, der von Gott 34
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S E L L I N , Streit (s. Anm. 4), 167. Zur Ekstase bei Philo vgl. C. N O A C K , Gottes bewußtsein, WUNT 11/116, Tübingen 2000, und dazu meine Rezension in: Studia Philonica Annual 12, 2000, 199-205. Die Gleichsetzung von Logos und (stoisch aufgefasstem) Pneuma findet sich allerdings schon bei L E I S E G A N G , Der heilige Geist (s. Anm. 17), 66f. 137.210.212. Bei seiner Auswertung von Somn I (a.a.O. 207-212), ist aber zu bedenken, dass bis 129 auch nach Leisegang die Vorbereitungen zur Ekstase, nicht diese selber geschildert werden. Die Schau bewirkt der Logos öetais emirvoiats. Meiner Kenntnis nach die stärkste Annäherung von Geist und Logos. Nach S E L L I N , Streit (s. Anm. 4), 145, ist allgemein das Pneuma, daneben auch die Sophia und der Logos, Medium der Inspiration. Für letzteres fehlen die Belege. Schärfer sieht er a.a.O. 150: „Erkenntnis durch Weisheit ist die inspiratorische des passiven, Erkenntnis durch den Logos ist die des aktiven Nous." Dies entspricht so sehr der philonischen Tendenz, dass man versucht ist anzunehmen, Philo meine sich mit den „einigen". Auch die nächste TÖTros-Stelle Gen 28,1 lc-e wird Somn I 127ff als Ausruhen beim göttlichen Losos bzw. Training des Athleten gedeutet; bei Gen 31,13, ist es Jakob, der sich Übende, dem Gott in Gestalt des Logos erscheint (Somn 1227-232). Somn. 1119, vgl. II 187: gar TrpöeSpos, allerdings im Bezug auf die Seelenteile. Auch in Conf 96f ist die Schau des Abbilds, des allerheiligsten Logos, nur die zweite Wahl. Hier wird aber der „Ort" von Ex 24,10 auf die sichtbare Welt gedeutet. 3 5
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erfüllt, ins Göttliche verwandelt wird (QuaestEx II 29.40). Dieses Privileg wird aber nicht als Identifikation mit dem Logos formuliert. 41
Ein Missverständnis liegt vor in dem Satz „Som I 71 ist Mose sogar der Logos, der in die Seelen der Frommen kommt". Hier bezieht sich avros auf Gott, nicht auf Mose. 42
VI. Ergebnis Philo will zweifellos an den Vätern und Führern Israels menschliche Spitzen möglichkeiten der Gottesnähe aufzeigen, zugleich wahrt er aber immer die Transzendenz Gottes. Hier ist die Stelle, wo das Konzept des Logos Bedeutung gewinnt. Er spielt eine vermittelnde Rolle. Deswegen haben hauptsächlich die Menschen, die noch auf dem Weg zur Vollkommenheit sind, mit ihm zu tun. Es scheint mir aber schwierig, daraus in einer systematisierenden Zusammenschau der Texte zu folgern, dass dann der vollkommene Weise die gleiche Stelle wie der Logos einnimmt oder gar mit ihm identisch wird. Dafür fehlen die Texte. Entsprechend würde ich auch die soteriologische Rolle tiefer hängen, die Sellin diesem vollendeten Weisen zuschreibt Er wird nicht im selben Maß wie der Logos zum Heilsmittler für andere: Er hält die sichtbare Welt nicht zusammen und bringt in dieser kosmologischen Funktion nicht Gott zur Anschauung; er mag zwar das Gesetz verkörpern, aber er ersetzt nicht die Stimme des Gewissens. Seine Zwischenstellung zwischen Gott und Mensch wird nicht durch seine Identität mit dem Logos definiert. Wenn so, wie mir scheint, doch einige Korrekturen an der Philo-Synthese Sellins notwendig sind, fallt auch die Anwendung auf IKor 1—4 schwerer. Sicher haben die Korinther ihre Schulhäupter überschätzt, und Paulus muss ihnen in Erinnerung rufen, dass es bloß Menschen mit dienender Funktion für den Glauben sind. Dass sich einer dieser Führer aber mit dem Logos iden tifiziert habe, kann man m.E. selbst nicht aus 1,12 herauslesen. Entsprechende Abstriche macht denn auch H. Merklein, der sonst Sellin weitgehend folgt, in seinem Kommentar. 43
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Nur Migr 23 f spricht Philo von Mose als dem „gesetzgebenden Logos". Aber die Tatsache, dass Joseph ihm als Führer folgt, zeigt, dass nicht der konkrete Mose, sondern seine Tora gemeint ist, die dann auch in 25 zitiert wird. Ähnliches gilt auch vom „prophetischen Logos, Mose" Migr 151, dessen Anweisungen „wir" folgen. SELLIN, Streit (s. Anm. 4), 38, wiederholt 161. 4 2
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Z.B. SELLIN, Streit (s. Anm. 4), 161.
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Der erste Brief an die Korinther, ÖTKNT 7/1, Gütersloh, Würzburg 1992, 133.137.
Einflüsse philonischer Logos-Theologie in Korinth Weisheit und Apostelparteien (IKor 1 ^ ) von GERHARD SELLIN
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Dieter Zeller hat eine sehr sorgfältige Kritik meiner Thesen bezüglich eines philonischen Einflusses auf die von Paulus in IKor 1-4 attackierte korinthi sche Weisheitstheologie vorgetragen, eine Kritik, für die ich ihm dankbar bin. Zellers Kritik richtet sich gegen zwei gewichtige Thesen, von denen es abhängt, ob man das Problem, das IKor 1-4 zugrunde liegt, von Philon her erklären kann: (1) Zeller bestreitet, dass Philon ein soteriologisches Modell der „Ekstase" benutze, wonach der vovs des Menschen zeitweilig ausgeschal tet und durch den Logos ersetzt werde. (2) Er bestreitet, dass nach Philon ein Mensch selber zum Logos werden, mit ihm identisch werden könne. Die erste meiner beiden Thesen, die Zeller bestreitet, ist im Grunde eine Subthese der zweiten. Das soteriologische Modell der Ekstase ist ein speziel ler Fall der Hauptthese: Bestimmte Menschen können nach Philon die Rolle und Funktion des Logos einnehmen bzw. übertragen bekommen. Um es gleich vorwegzunehmen: Das Problematische dieser These ist der Begriff der Identität. Hier bin ich gefordert, den Begriff genauer zu erklären 3
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D. ZELLER, Philonische Logos-Theologie im Hintergrund des Konflikts von IKor 1^?, in diesem Band 155-164. G. SELLIN, Das „Geheimnis" der Weisheit und das Rätsel der „Christuspartei" (zu IKor 1-4), ZNW 73, 1982, 69-96; vgl. D E R S . , Der Streit um die Auferstehung der Toten, FRLANT 138, Göttingen 1986 (bes. 137-171); D E R S . , Gotteserkenntnis und Gotteserfahrung bei Philo von Alexandrien, in: Monotheismus und Christologie, hg. v. H.-J. Klauck, QD 138, Freiburg u.a. 1992, 17-40; D E R S . , Die religionsgeschichtlichen Hintergründe der paulinischen „Christusmystik", ThQ 176, 1996, 7-27. Zu Recht weist Zeller auf einige mir unterlaufene Fehler hin: (1) Nicht erst E. Bran denburger, sondern schon R. Reitzenstein hat IKor 3,3f im Sinne eines übermenschlichen Anspruchs der Korinther gedeutet. (2) epawäv gebraucht Philon (anders als Paulus in IKor 2,10) für die kosmologische Gotteserkenntnis, die im Verhältnis zur geistlichen Gotteserkenntnis nur „zweite Fahrt" ist. (3) In Somn I 71 bezieht sich aÜTÖv nicht auf Moses als Logos, sondern auf Gott selbst, der „in die Seele der sich nach ihm Sehnenden" kommt. 2
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und ihn vielleicht durch einen anderen zu ersetzen, um Missverständnisse zu vermeiden. Auch wenn es von einer solchen Klärung abhängt, ob man die Auseinan dersetzung, die hinter IKor 1-4 erkennbar ist, durch Einflüsse philonischer Theologie erklären kann, beginne ich mit Beobachtungen zu IKor 1-4 (genauer: zu 1,12 und 3,18-23). Religionsgeschichtliche Interpretation hat es mit Intertextualität zu tun und ist deshalb notwendig zirkulär.
I. IKor 1,12; 3,18-23 Bezüglich IKor 1,12 stimmt Dieter Zeller mir insoweit zu, dass die „ChristusLeute" im Unterschied zu den Apostel-„Jüngern" eine „Christus-Unmittel barkeit" beanspruchen. Das setzt eine Hierarchisierung voraus: (1.) Christus - (2.) die Christus-Unmittelbaren - (3.) die Apostel-Abhängigen. Es gibt hier zwei Möglichkeiten: a) Die Christus-Unmittelbaren sind Gemeindeglieder, welche die Unter ordnung unter einen der genannten Apostel überhaupt ablehnen („Gnostiker", die Pneumatiker). Diese Möglichkeit ist unwahrscheinlich, denn Paulus geht in V. 13 und 14 ausschließlich auf das Problem der Abhängigkeit von jeweils einem der Apostel ein, wobei er sich selbst als Beispiel nimmt. Die These „ich bin Christi" wird von ihm an dieser Stelle auch nicht als positive Alter native vorgebracht - obwohl er sie in 3,23a in Bezug auf die ganze Gemeinde selber aufstellt. b) Da Paulus die Christus-Parole also nicht als Alternative einführt, sondern den kritisierten Apostel-Parolen gleichstellt, ist die Behauptung e y w 8e X p i a T o ü eine These, die von Aposteln (bzw. von einem von ihnen) vorgebracht wurde. Das wird bestätigt durch den Sprachgebrauch in 2Kor 10,7: Auch Paulus kann (wie die Superapostel) den Anspruch stellen, XpLQToO elvai. Da er hier in IKor 1,12 aber selber ausscheidet, kann es sich nur um Kephas oder Apollos handeln. Zwar wird Kephas in 3,22 noch einmal genannt, doch in 3,5-17 geht es ausschließlich um Paulus und Apollos. Ich 4
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Die gängigen Hypothesen zu 1,12 (die Christus-Parole sei eine Glosse - es handele sich um die positive Alternative des Paulus - es handele sich um eine gnostische Parole) sind entweder hypothetischer als diese (so die erst- und die drittgenannte) oder auszuschließen (die zweite: dazu s.u. zu Anm. 5). \iev ... 8e ... 8e ... 8e ... ist eine lineare konsistente Aufzählung. Die Tatsache, dass Paulus hier in 1,12 (im Gegensatz zu 3,23a) auch der ChristusParole widerspricht, ist mein Hauptargument für die Hypothese, die Parole stamme aus dem Kreis der Apostel und nicht aus der Gemeinde. 5
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habe zu zeigen versucht, dass 3,5-17 eine Kritik an Apollos enthält: Der eine hat „gepflanzt" (der Gemeindegründer Paulus), der andere hat „begossen" (der „darauf aufbauende" Apollos). Es folgt in 3,11 ff eine merkwürdige Warnung über das „Darauf-Aufbauen", die sich nur auf Apollos beziehen kann. Dass Apollos Alexandriner ist, geht aus Apg 18,24ff hervor. Was Lukas über ihn mitteilt, widerspricht nicht philonischer Theologie, muss aber auch nicht direkt auf Philon zurückgeführt werden. In IKor 3,18-23 wird das Thema der Hierarchie Christus - Apostel Gemeindechristen noch einmal aufgenommen. Die beiden Mahnungen im Imperativ der 3. Person richten sich nicht einfach an die Korinther: „Niemand betrüge sich selbst! Wer weise zu sein glaubt unter euch soll töricht werden, damit er daraufhin (wirklich) weise werde!" (V. 18) - und: „Niemand rühme sich e v dvGpwTTois!" (V. 21). Auffallig sind in beiden 8
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Sätzen die ev-Bestimmungen: e v i>utv (V. 18) und e v dvGpwTrois (V. 21).
Während e v V\LIV in V. 18 rein lokal aufzufassen ist („unter euch"), gibt das e v in der Wendung K a u x d o G a i e v d v G p o m o i s (V. 21) den Grund und Gegenstand des Rühmens an. Im Deutschen steht dann der Genitiv: „sich der (bzw. etlicher) Menschen rühmen". Das Subjekt dieses Rühmens müssen dann Apostel sein (vgl. 2Kor 10,16). V. 22f bestätigt noch einmal, dass die Genitivwendungen von 1,12 eine Hierarchie voraussetzen (vgl. 2Kor 10,7). Die Genitive sind also nicht einfach Parteiparolen (im Sinne von: Ich bin Pauliner, ich Apolliner usw.). Wenn also jemand sagt „Ich bin Christi", versteht dieser sich als einer, der auf einer höheren Hierarchie-Ebene ange siedelt ist. Theoretisch könnten das alle Apostel außer Paulus behauptet haben. Wegen IKor 3,5ff aber halte ich es für wahrscheinlich, dass es sich um Apollos handelt. Paulus kehrt in 3,21-23 die Hierarchie um: Gott Christus - Gemeinde - die Apostel als Diener der Gemeinde. Wenn auch in 3,18-23 (wegen der Imperative in der 3. Person) die Apostel angesprochen sind (die implizite Kritik von 3,5-17 an Apollos geht also in 3,18ff weiter), so ist die in 3,1-5 vorgebrachte Kritik an der Gemeinde mit zu berücksichtigen. Dabei fallt auf, dass Kephas nicht mehr genannt wird. Es 7
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SELLIN, „Geheimnis (s. Anm. 2), 75f.
„Pflanzen" und „begießen" verhalten sich wie „Fundament legen" und „darauf aufbauen". Man kann gegen diese Hypothese auf IKor 16,12 verweisen (Paulus würde seinen Gegner doch nicht nach Korinth schicken!). Aber es bleibt immer noch erwägenswert, IKor 1-4 als einen eigenen abgeschlossenen späteren Brief des Paulus aufzufassen. Um hier jedoch nicht eine Hypothese mit einer zweiten Hypothese zu begründen, ist auf dies Argument zu verzichten. Selbst dann kann man aber 16,12 nicht als Indiz für eine Harmonie zwischen beiden Aposteln nehmen. Apollos hat sich der „Aufforderung" (TTapaicaXetv) des Paulus widersetzt. Der scharfe Ton von 2Kor 10-13 muss nicht generell schon bei Abfassung des IKor vorausgesetzt werden. 9
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geht in Korinth wohl nur um die beiden Apostel, die die Gemeinde gegründet bzw. aufgebaut haben. Das Pneumatikertum, das - wie aus dem Brief hervorgeht - in der Gemeinde eine Rolle spielt, könnte mit der Person des Apollos zusammenhängen. Dafür spricht nicht nur die Weisheitsthematik in IKor 1-4, sondern auch Apg 18,24f.
II. Philonisches als Hintergrund 1. Menschen mit Logosfunktionen und als Logos Auszugehen ist von der „negativen Theologie" Philons: Gott ist absolut trans zendent, seinem Wesen nach unerkennbar, unbegreifbar, unsagbar. Was erkennbar ist, ist aber sein Logos. Unter diesem Begriff wird alles „Seiende" (das ist der wie eine Pyramide aufgebaute Ideenkosmos) und alles „Wirken" Gottes (die Suvdueis) zusammengefasst. Die Vorstellung der Ideenpyramide geht auf die platonische Dihairese zurück: Die einzelnen Phänomene werden zu höheren Allgemeinheiten zusammengefasst, so dass die höchste Allge meinheit das „Sein" ist (denn das kommt allem Seienden als Eigenschaft zu). Der Logos ist so zugleich die ganze Pyramide wie aber auch ihre Spitze (die ja alles zusammenfasst). Der Logos ist aber auch das „Wirken" Gottes, eine aktive Größe. Es geht also um zwei Richtungen: eine aufsteigende, die der menschliche Geist (vo€s) wie eine Leiter emporsteigen kann (so im Symbol des Aufstiegs des Mose auf den Sinai) und eine absteigende: das Herabkommen des Pneuma, das Wort (Xoyos, zugleich auch eine Erscheinung des Logos), das wohltätige, schöpferische Handeln Gottes (mit Namen Oeds) und das herrschende, strafende Handeln Gottes (mit Namen K u p i o s ) . Um aufzusteigen, muss der Mensch „heraufgerufen" werden. Der Logos wird an einigen Stellen auch „Ort" ( T O T T O S ) genannt. Der „Ort" schlechthin ist die Spitze der Ideenpyra mide. Der ausführlichste Text zum „Aufstieg" ist QuaestEx II 27-46 (daneben VitMos II 69-71; LegAll III 95-103; Plant 18-27). Danach gelangt Moses an den T O T T O S , welcher der Logos ist. Dabei spielt wahrscheinlich auch Ex 33,21 eine Rolle: Moses will Gott sehen; dafür muss er sich auf einen „Platz" (in LXX: T O T T O S ) stellen, um den „vorübergehenden" Gott ganz von ferne und von hinten sehen zu können. Ex 33 und 34 sind von Philon leider nicht kommentiert (QuaestEx brechen bei Ex 29 ab). Wenn man noch einmal vom Bild der Pyramide ausgeht, befindet sich Moses (an diesem „Ort") auf deren Spitze. Damit ist er auf gleicher Höhe mit dem Logos, er ist mit ihm „isotop". Da die Spitze ein Punkt ist, fällt Moses an diesem Ort mit dem Logos
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Einflüsse philonischer Logos-Theologie in Korinth
zusammen und ist - auch wenn das nicht explizit ausgedrückt wird identisch mit ihm. Wenden wir uns nun der Abstiegsmetaphorik zu: Aaron wird l e p ö s \6yos genannt (LegAll I 76), weil er Symbol des prophetischen Wortes ist, und Mose wird „der prophetische Logos" genannt (LegAll III 43; Migr 151; Congr 170). Dies sind freilich Metonymien, doch ist die Prophetie eine der Erscheinungweisen des Logos. Gewichtiger sind Conf 41 und 146-148. In Conf 41 identifiziert Philon Jakob-Israel als dvGpwTros OeoO ausdrücklich mit dem Logos. Allerdings ist nicht der sterbliche Jakob, sondern der unsterbliche Israel als Menschentyp gemeint. Nun bezeichnet dvGpcoTros Geoö im Allegorischen Kommentar von Gig 60 an zugleich eine Klasse konkreter Menschen: „die Heiligen und Propheten, die ... alles Wahrnehmbare übersprangen, in die geistige Welt auswanderten und dort Wohnung nahmen, eingetragen als Bürger in dem Staate der unvergänglichen und unkörperlichen Ideen". Auch Abraham wird nach seiner Umbenennung ein dvGpcoTros GeoC. In Gig 64 findet sich dabei die Genitivformulierung, Abraham selbst sei „Gottes" (ävrös 6eo€). Dieser (ja auch in IKor 1,12 auf Christus bzw. die Apostel bezogene) „hierarchische Genitiv" impliziert bei Philon, dass Abraham auf der Stufe unter Gott steht, und das ist die Ebene des Logos. Abraham ist also ein Logos. Das 0eoO eivai sagt Paulus nur von Christus aus (IKor 3,23b). So ist es plausibel, dass Christus später direkt (Joh 1,1) und indirekt (Kol 1,15) als 6 \ 6 y o s bzw. als etKwv GeoC (was gut philonisch dasselbe bedeutet) genannt wird. Am bemerkenswertesten ist aber Conf 146-148, wo die Möglichkeit ausge sprochen wird, dass ein konkreter Mensch „Sohn Gottes" werden kann: 10
Wenn aber jemand noch nicht würdig ist, Sohn Gottes zu heißen, so bestrebe er sich, sich zuzuordnen dem Logos (oder: dem Logos zugeordnet zu werden), seinem Erstgeborenen, da er Erzengel und vielnamig ist. Er heißt nämlich: dpxri K a i övo^a 0eoO Kai Xöyos Kai 6 e i K Ö v a dvOpwTTOs K a i 6 opöv, 'Iapaf]X ... Denn wenn wir auch noch nicht tüchtig sind, als Söhne Gottes erachtet zu werden, so doch seines formlosen Abbildes, des hochheiligen Logos. Der ehrwürdige Logos ist nämlich OeoC eiKwv. K O T '
Dieter Zellers Ausführungen zu dieser Stelle verstehe ich nicht ganz: Selbst wenn der (erstgeborene) Logos als Ersatzmann ins Spiel kommt, schließt Philon doch nicht aus, dass konkrete Menschen (wenn auch wohl in Ausnah mefallen) den Status von „Söhnen Gottes" erlangen können und damit - um in der Familienmetaphorik zu bleiben - zu „Brüdern" des Logos werden. Die Bezeichnung „Sohn Gottes" ist synonym mit dv9p(DTros GeoO. Conf 41 sind 1 0
Wenn Christus in Joh 1,1b das Prädikat 0e6s (ohne Artikel) erhält, so entspricht das auch dem von Philon in Somn I 229f thematisierten Prinzip: Oeds (ohne Artikel) ist Name des Logos.
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die Söhne Israels Kinder des dvGpwTros Geoü, „der als Logos des Ewigen ... selbst unvergänglich ist". Aber wahrscheinlich muss ich hier eine Erläuterung zum Verständnis des Begriffs „Identität" bzw. „Identifikation" geben. Ich gehe dazu von Migr 174f aus: Solange er (Abraham) nämlich nicht zur vollkommenen Reife gelangt ist, braucht er als Führer des Weges den göttlichen Logos ... Sobald er aber zum Gipfel der Weisheit gelangt ist, kann er in angestrengtem Lauf Schritt mit dem früheren Wegführer halten; denn beide werden auf diese Weise Begleiter des allführenden Gottes ...
Natürlich hat Zeller zunächst recht: Es sind nach wie vor zwei Subjekte. Aber daraufkommt es nicht an. Der Vollkommene, für den die Erzväter Abraham, Isaak und Israel stehen, hat den Rang und die Funktion des Logos. In Hinsicht darauf sind sie gleich mit ihm. So gesehen bin ich bereit, auf das Prädikat „identisch" hier zu verzichten. Allerdings gibt es hier doch noch eine kleine Lücke für den Gebrauch des Prädikates „Identität": Wenn man das Modell der Ideenpyramide akzeptiert, dann kann man sagen, dass es auf der Stufe des Logos, wo die Einheit des Seins herrscht, nur einen Punkt gibt (das „Eine" und zugleich „alles"). Isotopie ist in diesem Modell Identität. Es geht Dieter Zeller aber offenbar nicht nur um die Frage, ob „Identität" oder „gleiche Funktion" angemessene Ausdrucksweise sei. Im letzten Ab schnitt behauptet er nämlich: Der philonische vollendete Weise „wird nicht im selben Maß wie der Logos zum Heilsmittler für andere" (in diesem Band S. 164). Das leuchtet mir nicht ein. Moses, der die Tora bringt, vermittelt Heil - so wie ja die wichtigste Funktion des Logos Vermittlung zwischen Gott und Mensch ist. Man mag hier zu Recht die Gefahr eines charismatischen Heroentums des vollkommenen Menschen erkennen und für hybride erklären - aber das Modell des dvGpwrros GeoO und seine Gleichstellung mit der Logosfunk tion lässt sich m.E. nicht bestreiten. Dass dieses Modell im Neuen Testament teilweise christologisch verwendet wurde, gibt ihm eine völlig neue Qualität, insofern es mit der Kreuzestheologie verbunden wurde. Das ist u.a. die Leistung des Paulus, der seinen charismatischen Apostelkollegen und ihren korinthischen Anhängern, die m.E. dem alexandrinischen Charismatikertum frönen, wegen ihrer Weisheit die weisere Torheit des Kreuzes entgegenhält. Allerdings gibt es auch Funktionen des Logos, die die vollkommenen Weisen nicht übernehmen können, z.B. die Funktion, die Welt zusammenzu halten (der Logos als 8eouos). Und: Der Weise ist nicht ständig Logos. Nur solange der „Hohepriester" sich in seiner Sühnefunktion im Allerheiligsten aufhält, ist er Sinnbild des Logos. Wenn er wieder herauskommt, wird er wieder Mensch. Und damit komme ich zu einem zweiten Punkt.
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2. Das soteriologische Modell der Ekstase Das Wort „Ekstase" wird hier als Bezeichnung für einen metaphorisch konstruierten seelischen Vorgang gebraucht: die Ausschaltung des Bewusstseins und seine Ersetzung durch eine von außen eindringende steuernde Kraft. Dieses Modell kennt auch Philon (wohl im Anschluss an Piaton). Auszugehen ist von Her 264f: „Es entfernt sich der voOs in uns bei Ankunft des göttlichen TTve€ua und kommt wieder bei dessen Entfernung. Denn Sterbliches kann nicht mit Unsterblichem zusammenwohnen". Der menschliche vovs wird also zeitweilig durch das göttliche irvev\ia ersetzt. Das hängt mit Philons Anthropologie zusammen, wonach auch das Höchste im Menschen, der vovs, menschlich, schwach und letztlich irdisch ausgerichtet ist. Gerade der auf sich selbst vertrauende menschliche Geist ist hybride und töricht. In Philons entsprechenden Texten zu diesem Thema ist es - wie Dieter Zeller zu Recht betont - immer das göttliche Pneuma (und nicht der Logos), das in den Menschen kommt und solange den vovs aussperrt. Der Mensch ist dann ein Werkzeug des göttlichen Geistes. Das gilt vorwiegend für die Prophetie, die aber nur eine der Funktionen des Logos ist (entsprechend werden Aaron und Mose als Xoyos Trpo(f)T|TLKÖg bezeichnet). In diesen Zusammenhang gehören die Äußerungen vom Hohenpriester, der, solange er im Allerheiligsten fungiert, „kein Mensch mehr ist" (Somn II 231-233). Er ist allerdings auch kein Gott, sondern ein Mittleres aus beidem. Das aber ist die Position des Logos. Nach Somn II 230 ist mit diesem Mittelwesen, dessen Symbol der Hohepriester am Versöhnungstag ist, „der Weise" im vorübergehenden Zu stand des Pneumatikers gemeint. 11
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Der Dissens zwischen Dieter Zeller und mir hängt also einerseits mit der weitreichenden Bedeutung des Begriffs Logos bei Philon zusammen, zum anderen aber auch mit der religionsgeschichtlichen Frage, ob der philonische Logosbegriff (wenn man seine Bedeutung denn so, wie ich es versuche, annä hernd bestimmen darf) in Korinth eine theologische Rolle gespielt haben kann. Denn der paulinische Gebrauch von Xöyos ist in beiden Korintherbriefen nicht philonisch. Er bezeichnet dort durchweg die menschliche Rede (bei Philon ist das nur ein Aspekt des Begriffs). Stattdessen gebraucht Paulus aber 8 w a u i s („Kraft", „Macht") und oofyia („Weisheit") im Sinne dessen, was bei Philon Logos meint - nun freilich bei Paulus schon christologisch
Es gibt eine Ausnahme: Fug 117, wo es heißt „Denn solange dieser heilige Logos lebt und in der Seele anwesend ist, ist es unmöglich, dass eine unabsichtliche Veränderung in sie eindringt ... Wenn er aber stirbt, d.h. zwar nicht selbst zugrunde geht, aber sich von unserer Seele trennt, so ist sogleich den unabsichtlichen Verfehlungen die Rückkehr gestattet." Der Logos bzw. Hohepriester ist hier das Gewissen. Hier geht es nicht (wie in Fug 117 - s. vorige Anm.) um den Logos als Gewissen. 1 2
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bezogen (IKor 1,24; vgl. aber Rom l,16f vom „Evangelium"). Dass der philonische Logosbegriff seine Spuren im Neuen Testament hinterlassen hat, und zwar gerade in christologischen Zusammenhängen, zeigen aber auch Kol 1,15 und Joh 1,1 ff. Im übrigen ist Logos schon bei Philon ein Metaphern bündel.
The Mystery Terminology in Philo by NAOMI G. COHEN
It is hardly necessary to argue that the 'mystery terminology' in Philo must be studied within the frame of reference of the major contours of mystical thought and activity in the ancient world. This includes in a somewhat untidy mosaic, the mysticism of the philosophers, that of the pagan mystery cults, and that of the Rabbis. However, since our object in the present context is to do no more than determine what Philo meant when he used the vocabulary of mysticism, we now need only mention that these different mystical traditions were the backdrop - a three-dimensional screen as it were - upon which these Philo passages must be viewed. The word u.uoTfjpiov (Mysterion) has different connotations. The one that first comes to mind is its use to refer to the secret rites of mystery cults, including the implements and ornaments used at the celebration of these cultic mysteries. Since this included 'secrets revealed by God', it came to be used also in connection with religious, mystical and even philosophical truth, and eventually to indicate 'knowledge' and 'expertise' per se. Plato has already used this word to refer to philosophical discourse. A single example is Theatetus 156a: "... Far more ingenious are the brethren whose mysteries I am about to reveal to you (a>v piXXa) aoi T a p.uaTfipia Xeyeiv). Their first principle is, that all is motion etc." Respecting Hellenistic-Jewish Literature: While in the Septuagint the word \LVGTT\piov - 'mystery' is found only in the translation of the Aramaic portion of Daniel where it is used for n n , n and « n (in 2:18,19, 27, 28, 29, 30, 47, 47; 4:6) to indicate 'hidden thing,' and almost none of the other 'mystery words' used by Philo are found in either the Septuagint or the New 1
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See also Meno 76e "...color is an effluence of form, commensurate with sight, and palpable to sense ... The answer, Meno was in the orthodox vein... and yet, O son of Alexidemus, I cannot help thinking that the other was better; and I am sure you would be of the same opinion, if you would only stay and be initiated, and were not compelled, as you said yesterday, to go away before the mysteries ( d v a y K a i o v aoi d m e v c u Trpo (iuaTnpiuv, dXX' e l TTepLiietvais Te K a l uvnGeis) ..."
Naomi G. Cohen
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Testament, the term u u o T f j p i o v itself is found some 27 times in the NT in the connotations: a secret, which would remain such but for revelation, or a hidden meaning of a symbol. Hence, it is indeed worth carefully reviewing Philo's use of this term in the context of the present Philo-NT Symposium. 3
I. Unspecific Usage The chapter in the manuscript of my forthcoming book upon which the present article is based, surveys all the passages where Philo has used 'mystery words' such as mysterion, orgia, telete (jiuCTTfjpiov, o p y i a , T e X e T T ] ) et sim., words that appear in the context of the pagan mysteries. There are all told fewer than forty discrete Philonic passages containing one or more instances of these words - which are not very many considering the size of Philo's oeuvre. While it is often impossible to place one or another passage categorically under a single rubric, nevertheless, the overall picture that emerges is clear enough. There are about seven passages referring to pagan worship, and whenever Philo used these terms in connection with pagan mystery cults or pagan rites of any sort, he expressed unqualified, unveiled, and obvious disgust. In several other passages the connotation is: 'technical expertise' of whatever kind: Somn. 2.78 refers to Joseph's expertise in dream inter4
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The exceptions are 3 Kgdms 15:12 (the Septuagint rendition of MT o ' D i p n = male shrine prostitutes, sodomites), and Amos 7:9 (where it is the translation of 'iznpo = sanctuaries). As for the NT: the dictionary definition of fiveo) is 'to initiate into the mysteries' and more generally 'to instruct', a variant of which latter is the usage in the NT - i.e. Philippians 4:12 where Paul is quoted as saying, kv iraim Kal ev trdaiv p.e[iiir|Tai "I have learned the secret (nefiur||iai) of being content in any and every situation ..." The study is based almost exclusively on P. Borgen, K. Fuglseth, and R. Skarsten, The Philo Index: A Complete Greek Word Index to the Writings of Philo of Alexandria (Grand Rapids: Eerdmans; Leiden: Brill, 2000). Even should I have missed one or another isolated instance the picture is clear. 5 Following is a list of passages containing this terminology: Leg. 1.104; 3.3, 27, 71, 100, 219; Cher. 42-50 (3x), 94; Sacr. 33, 60-62; Det. 143; Post. 173; Gig. 54, 57; Deus 61; Plant. 26; Ebr. 129; Fug. 85; Mut. 107; Somn. 1.82, 164; 2.78; Abr. 121-122; Mos. 2.71, 149, 153; Decal. 41; Spec 1.56, 319, 320; Spec. 3.40; Virt. 178; Praem. 121; Prob. 14; Contempt. 25; Legat. 56, 78; QG 4.8b and QE 2.15b. The Philo Index (above n. 4) has also noted QG isf 2 and QE isf 13, 14 but I have not been able to locate them. Also, I have not found it worth copying QE 2.15b, since, as is noted in the introduction to Appendix A at the end of Philo Supplement II: Questions and Answers on Exodus (translated by R. Marcus; LCL; Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1969), 179, some of the Greek fragments are "periphrastic rather than literal". Both of these latter are found ibid. 214, 244. 3
4
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The Mystery Terminology in Philo
pretation, Mos. 1.264 refers to Biram's expertise in future telling (augury), and in Legat. 56 the connotation is the expertise of ruling. And sometimes they are no more than merely metaphorical turns of phrase - and are not even found in a Jewish context - e.g. Sacr. 33 where the connotation is 'grand pageant.' The imagery and the terminology in such instances are no more than picturesque metaphorical manners of speech, which Philo could hardly have meant to be taken literally. These instances, important as they are for the overall picture of Philo's use of 'mystery' terminology, for us in the present context they are of only tangential interest. In any event, in all of this Philo was following current usage, for 'mystery terminology' had entered common parlance to indicate not only the rites of mystery religions but also religious revelations in general, various aspects of philosophic rhetoric, and even the technical expertise of an occupation - in short, as a figure of speech. There are also texts that talk about a 'mystery' - but reveal nothing specific concerning the content of the 'mystery'. Reading them, even with a magnifying glass, one becomes no wiser than before respecting the content of Philo's 'mysteries', for while they do contain 'mystery terminology', they provide little or no concrete information as to content. This category is found in Leg. 1.104; 3.3, 27-31, and 71 - and these are also the first instances of Philo's use of this vocabulary in whatever connotation. 6
7
Leg. 1.104 What is stated here in the very first instance of the use of "mystery" terminology in Philo's Oeuvre, is that while for the acquisition and practice of virtue ( d p e r n ) , a single thing only is needed, namely our understanding ( X o y i a L i o s ) , for the practice of evil, the physical, bodily, aspect of our being, is required, but no information is vouchsafed respecting the contents of these 'not to be divulged mysteries.' 8
6
And cf. also Post. 173. This statement assumes that Opif. and Praem. are the opening and closing books of a single magnum opus that proceeds from a primarily 'philosophic' stance through the allegories and the symbolic histories and culminates in a virtually traditionally Jewish frame of reference. This differs from what is today the more general view, but it is in agreement with Valentin Nikiprowetzky, e.g. in Le Commentaire de l'Ecriture chez Philon d'Alexandrie: son caractère et sa portée (ALGHJ 11; Leiden: Brill, 1977), 199-202 (and is a return to the view of Adrien Turnèbe). And see also my book Philo Judaeus. His Universe of Discourse Q3EAT 24, P. Lang Verlag: Frankfurt am Main, 1995), 31 and note 61. The need for the organ of speech to "divulge mysteries" (eicXaXiicrei uuarnpia) in the cited passage (see next page) is one of several illustrations of this. 7
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Leg. 1.104: All these the inferior man requires for the full satisfaction of his particular form of wretchedness. For how shall the (evil man) divulge mysteries (eKXaXiiaei uuaTTipLa) unless he has the organ of speech?
Leg. 3.2-3 In Leg. 3.2-3 the midwives of Exodus 1:21 are allegorically understood as "(souls) who make a quest of God's hidden mysteries (Tav8aip.oveiv), that is Isaac ... (219) ... "the L—d hath made laughter for me; for whosoever shall hear of it will rejoice with me" (Gen 21:6). Therefore, O ye initiates open your ears wide and take in holiest teachings (avcnteTdoavTes ow W T O , a> \ivarai, trapa8e£aa9e TeXeTas leparraTa?) ... "Made" is equivalent to "beget" ("eiroiriaev" t a o v T
8aiuovetv)" is parallel to that used shortly before in 218 in respect to Abraham: "(Abraham) rejoices and laughs, because He is to beget happiness, that is Isaac" (OTL iieXXei yevvav TO e i i S a t i i o v e t v , TOV ToaaK)."
Note: not 'minds' as with Moses.
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Naomi G. Cohen
Cher. 42-49 Cher. 42ff is the only other passage in Philo's writings that uses 'mystery terminology' while describing G-d as implanting virtue into the human soul and it even more explicitly associates this metaphor with human procreation. In Cher. 42ff Philo represents God as consorting with the human soul and depositing therein the seed (arrepp_a) of unpolluted virtues. I quote from it extensively in order to enable the reader to consider it in context. The passage is introduced inter alia by the following words, that would seem to state clearly enough that these are "divine mysteries ... for the initiated": (42) The virtues have their conception and their birth pangs, but when I purpose to speak of them let them who corrupt religion into superstition (ol 8eio-i8ai(ioves) close their ears and depart. For these are divine mysteries (TeXeTds 0eias), and their lesson is for the initiated who are worthy to receive the holiest mysteries ( T O I > S reXerwu d£tous, T&V leporrdTow u w r a s ) ...
The 'mystery' proper is presented in the next paragraph: (43) Thus then must the sacred instruction (Tfjs TeXeTf]s) begin. Man and woman, male and female of the human race, in the course of nature, come together to hold intercourse for the procreation of children. Virtues ... if they receive not seed of generation from another they will never of themselves conceive. (44) Who then is he that sows in them the good seed save the Father of all, which is G-d unbegotten and begetter of all things? He then sows, but the fruit of His sowing ... He bestows as a gift ...
Philo again alludes to the biblical verse that describes G-d's visitation of Sarah - viz. Gen 21:6 - and after he represents Leah, Rebecca and by in timation also Zipporah, as having been fructified by G-d, even while the offspring belongs to the husband. He continues: 18
(45) ... For he shows us Sarah conceiving at the time when God visited her in her solitude (Gen 21:6), but when she brings forth it is not to the Author of her visitation, but to him who seeks to win wisdom, whose name is Abraham. (46) And even clearer is Moses' teaching of Leah, that God opened her womb (Gen 29:31). Now to open the womb belongs to the husband. Yet when she conceived she brought 19
1 8
This same verse is used in Leg. 3.219 just discussed. The word eiroLriaev = 'to make' in Gen 21:6: eiTrev 8e Z a p p a TeXuTa um eTToCriaev Kiipios, MTn'pV« ? ntoi; p i n s (= G-d hath 'made' laughter for me), is taken here by Philo to homiletically mean to make her pregnant. F. H. C O L S O N in his endnote ad loc. (Philo II, translated by F. H. Colson and G. H. Whitaker, LCL, Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1969), 483, adds that this is "apparently a fanciful deduction from the fact that Abraham's presence is not mentioned in Gen 21:6. In the cases that follow there is the same deduction from the absence of any mention of the husband." 1 9
,l
The Mystery Terminology in Philo
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forth not to God, for he is in Himself all-sufficing for Himself ... Thus virtue receives the Divine seed from the Creator, but brings forth to one of her own lovers ... (47) Again Isaac ... besought G-d, and Steadfastness = Rebecca became pregnant (Gen 25:21) through the power of Him that was thus besought. And without supplication or entreaty did Moses, when he took Zipporah, the winged and soaring virtue, find her pregnant (KVOVOGLV) through no mortal agency (Exod 2:22).
Then, as he continues, Philo repeats the prohibition respecting the divulging of these 'holy mysteries' - the knowledge of "the Cause and of Virtue, and besides these two, of the fruit ( y e v v i i f i a T o s ) which is engendered by them both": (48) These thoughts, ye initiated (a> [ivarai), whose ears are purified, receive into your souls as holy mysteries indeed ( l e p d O V T O J S u u c r r n p i a ) , and babble not of them to any of the uninitiated (a\ivr\Tuv) ... the knowledge of the Cause and of Virtue, and besides these two, of the fruit (yevvrwiaros) which is engendered by them both.
And then following upon this immediately, using yet again such terms as \ivoQels and T d iieydXa [ivorr\pia, Philo enthusiastically introduces Jeremiah 3:4 and homiletically expounds it not only to serve as a proof-text for the above, but in addition to underpin the conception, so central to Philo's thought, of G-d as the repository of the 'ideas'. And note too in passing that what has in 48 been called "knwowledge of the Cause and of Virtue" is now G-d as "husband of Wisdom (ao<j>ias dvf^p)." 20
(49) He (Jeremiah) ... gave forth an oracle spoken in the person of G-d to Virtue, the allpeaceful. "Didst thou not call upon Me as thy house, thy father and the husband of thy virginity" (Jer. 3:4). Thus he implies clearly that G-d is a house, the incorporeal dwellingplace of incorporeal ideas, that He is the father (TraTrip) of all things, for He begat them ( y e y e v v e K w s a i i T a ) and husband of Wisdom ( a o c j u a ? d v f j p ) , dropping the seed ( o " r r e p p . a ) of happiness (ei>8aiuovias) for the race of mortals into good and virgin soil... 21
Though the passage continues in a similar vein, what we have quoted is enough for our present purpose, and one can find striking similarities between this and the central Christian Mystery. But they are far from being the same, for in Philo not only is what is born a character quality; everything is allegory. Nevertheless, the parallels are clearly close enough to have invited its adoption or at the very least its 22
2 0
This is the only instance where Philo mentions a prophet by name. I have discussed this in my article, "Earliest Evidence of the Haftarah Cycle for the Sabbaths between the 17th ofTammuz and Sukkot in Philo," JJS 48 (1997): 225-249, further in my forthcoming book. Cf. Leg. 3.219 for a similar use: o-rreipwv e v T a t s ifuxats K O L yevvtiv TO ei>8ai|iovety. This was pointed out to me in a private conversation by Michael Mach some years ago. 2 1
2 2
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184 23
adaptation by early Christianity, and conversely, it is not surprising to hear echoes, already in Cher. 42ff itself, of its vehement rejection on the part of some of his contemporary Jewish readership. At the same time it is also important to be aware of the fact that while Philo does not elsewhere call this allegorical construction a 'mystery', he continued to use it. Philo loved this description of Virtue as the fruit of G-d's consorting with His Wisdom, and he has repeated it many times, particularly, but not only, in conjunction with the allegorical exegesis of Gen 21:6 and 29:31. But he never again expresses it in terms of such overtly sexual imagery. Elsewhere, he has refrained from blatant human sexual imagery, and this perhaps explains why, after having toned it down, he no longer termed it a 'mystery.' Following are several examples: Mut. 130-139 develops the very similar, if not identical image at length, without calling it a 'mystery.' (131) ... Isaac must be not the man Isaac but the Isaac whose name is that of the best of the good emotions, joy ... a son of G-d who gives him as a means to soothe and cheer truly peaceful souls. (132) It were a monstrous thing that one should be a husband, and another the parent... and yet Moses writes of G-d as the husband of the virtue loving mind ...
And then immediately after this, Leah is treated in a similar manner to that above, and a lengthy and detailed allegory in this vein respecting Tamar is also brought, and then in 138 Philo returns to Gen 21:6 and closes with Hosea 14:9-10: (139) I remember too an oracle given by a prophet's mouth in words of fire which run thus: 'From Me thy fruit has been found. Whoso is wise shall understand them, whoso is prudent shall know them' (cf. Hosea 14:9-10). 24
In contrast to Cher. 42ff the imagery here is the fruits of the trees, and this is used to replace the image of the fruit of human procreation. It will be understood by the wise and prudent, but it is not a 'mystery'. Likewise, Migr. 140-2 also has this imagery of G-d sowing and begetting the seed of Virtue: (140) ... he (Abraham) will sacrifice his only son, no human being ... but the male progeny of the rich and fertile soul ... How the soul bore it she does not know: it is a Divine growth; and when it appeared she that seemed to have given birth to it acknowledges her ignorance of
2 3
And since prima facie it seems likely that Philo is here quoting from a literary source, one must also consider to what extent ideas like this may already have been found in the intellectual undercurrent. The same idea, even less esoterically expressed, is also found together with Hosea 14:9-10 in Plant, ttl-%. 2 4
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the good thing that had occurred in the words ... "who shall tell Abraham that Sarah is suckling a child" (Gen 21:7) ... (142) ... for G-d begets and sows the seed of those goodly births, which, as is meet and right, are rendered to Him Who gave them ... for thanksgiving. (143) This is the purpose of the path of those who follow the words and injunctions of the laws and walk in whatever direction that G-d leads the way ...
Here too it is stated that, "G-d begets and sows the seed of those goodly births", but the sexual imagery is not developed. It is downplayed. In a third parallel, Det. 123ff, Gen 21:6 is also used as its proof text and the allegorical construct is the same, but the connotation of the word €TroLT|0'€v (= MT nou) is even further deflected - from physical procreation to literary creation. (123) ... So when he has routed evil things, he is filled with joy, as Sarah was; for she says, "the L—d hath made for me laughter," and goes on, "for whosoever shall hear, will rejoice with me" (Gen 21:6). (124) For G-d is the Creator of laughter that is good, and of joy, so that we must hold Isaac to be not a product of created beings, but a work of the Uncreated One. For if 'Isaac' means 'laughter', and according to Sarah's unerring witness G-d is the maker (TTOIT|TTIS) of laughter, G-d may with perfect truth be said to be Isaac's father. But he gives to Abraham, the wise one, a share in His own title, and by the excision of grief He has bestowed on him gladness, the offspring of wisdom (eiTiyewr|p.a a o r t a s ) . If, therefore, a man be capable of hearing the poetry which G-d makes (ei TL? OVV LKavo? eonv aKoOaai TTJS 9eo0 TTOlTVTlKfjs) . . .
(125) ... G-d is an author in whose works you will find ... truth's inexorable rules ... nature's own consummate works (rd 8e uaea)s aiiTfjs TeXeioTnTa e p y a ) . . .
The examples just brought will, I trust, have made the point clear. Gen 21:6 continues to be allegorized by Philo in a manner quite similar to that found in the two 'mystery' passages discussed (Leg. 3.219 and Cher. 42ff), and this is also true respecting Gen 29:31 "And He opened her (Leah's) womb." The same conceptualization is there, as well as more or less the same biblical 'allegorical building blocks', but the sexual imagery has either been drastically toned down or removed entirely.
III. General Remarks in Conclusion I originally researched Philo's use of the 'mystery terminology' in order to be able to arrive at firm and reasoned conclusions respecting Goodenough's famous thesis that presented Philo's Judaism as a 'mystery religion.' The results of our research justify the categorical statement that Philo did nothing of the sort - and that he by and large used the 'mystical terminology'
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metaphorically, and this is not surprising, since this accords with its use in what was then contemporary common parlance. Second, while Philo does indeed consider that certain things must be reserved for the ears of those capable of understanding them, he more often than not does not phrase this in 'mystery' terminology. He uses other terms. And even when he does use 'mystery terminology' to express the idea of secrecy, it is not in order to refer to something as secret esoteric lore. The object of the secrecy was rather to avert the criticism of what he has called 01 8eior8aL|jLOV€s - and what I would term fundamentalist-literalists; and judging from the number of times that he heatedly inveighs against such people in his writings, he clearly suffered from their attacks. Third, I think that one is justified in concluding that while the nuances change, for Philo, the "Great Jewish Mysteries" are God's absolute unity and incorporeality, something that is conceived at different levels of abstraction in accord with the capabilities of the conceiver - the lower stage being the conception of The One together with and/or through the medium of His Potencies and their actions. And further, that for Philo, also axiomatically, God was both the Absolute Good and the source, the "Father" of all goodness. All this is of course both very Jewish and at the same time very Platonic, particularly since Philo uses the Platonic concept of archetypes and copies, "reality" being the abstract, and the "shadow" being the material copies in these contexts. These matters belonged to the central core of Philo's thought and they are more often than not presented by him without any 'mystery' terminology. In sum, we can now say with confidence that they could hardly have been considered by Philo to have been "mysteries" in the technical sense of the term. Before closing, a short remark in reply to the imposed question that may well be in the minds of many of my readers: What can be positively stated respecting what we would today refer to as 'mystic experience' on Philo's part? There are several Philonic passages that appear to be autobiographical descriptions of intermittent experience of inspiration - though I am not certain that what is referred to in these passages goes significantly beyond what many a creative scholar has experienced when deeply ensconced in research/writing. Probably the most famous passage is Spec. 3.1-6 that was the subject of Prof. Heininger's lecture (see pp. 193-195 in this volume). 25
2 5
What sometimes confuses the modern reader is Philo's practice of making the Biblical characters symbols of abstract qualities, while at the very same time following out the literal Biblical account.
The Mystery Terminology in Philo
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In a similar vein is the statement found in Cher. 27. In both, Philo has described his experience of what he considered to be at least akin to Divine possession, and of course in neither passage is there any suggestion whatsoever of anything in any way resembling pagan mysteries. Cher. 27 provides a description of mystic experience, and it also portrays the philosophical allegorical representation of God and His Potencies, plus the metaphor of 'begetting' respecting G-d's creation - the major facets of what we found to have been the philosophical content of Philo's 'mystery'. Philo writes: (27) ...It comes from a voice in my own soul, which oftentimes is god-possessed (0eoXr|TTTeta9ai.) and divines ([iavTeuea0ai) where it does not know. This thought I shall record in words if I can. The voice told me that while God is indeed One, His Highest and Chiefest Powers are two, even Goodness and Sovereignty. Through His goodness He begat all that is ... (28) ... Of these two Potencies, Sovereignty and Goodness, the Cherubim are symbols, as the fiery sword is the symbol of Reason.. . 2 6
Without using a single one of the 'mystery terms' that we have surveyed in the present paper, Philo has here not only described his existential experience of "possession". The allegory brought also picturesquely expresses the central philosophic conceptions found in the 'philosophical' passages containing 'mystery terminology', for he has allegorically rendered the Cherubim and the Flaming Sword between them as symbolizing the knowledge of the One God, and His two major Potencies, Sovereignty and Goodness, with the Logos uniting them, and further states that it was "through His Goodness (that) He begat all that is". These, as we have just noted, are indeed central tenets of Philo's philosophic/theosophic thought - and at the same time it must be stressed that they are brought here without any 'mystery' terminol ogy at all. In sum: While Philo apparently did experience what may be called mysti cal experience, and there are passages not brought here that can be subsumed under this heading, this was not the subject of the present paper. Respecting Philo's usage of the 'mystery' terminologies, it has been shown that they reflect metaphorical manners of speech.
2 6
C0LS0N, Philo II (s. above n. 19), 483, mentions in an endnote ad loc., that there is a parallel in QG 1.58 (it should be QG 1.57). A comparison of the two reveals that while they are similar they are not identical.
Paulus und Philo als Mystiker? Himmelsreisen im Vergleich (2Kor 12,2-4; SpecLeg III 1-6) von BERNHARD HEININGER
Mystik ist wieder en vogue. Wer sich die Mühe macht und den exegetischen Büchertisch einmal etwas eingehender durchstöbert, wird leicht auf eine Reihe von jüngeren Arbeiten stoßen, die Substantiv („Mystik") oder Adjektiv („mystisch") im Titel führen. Insbesondere Paulus ist wieder zum bevorzug ten Objekt „mystischer Begierde" geworden. Zwar liegen die Dinge bei Philo von Alexandrien etwas anders, aber auch dieser wird bis in die 1
2
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Vgl. nur zum Johannesevangelium J. ERNST, Das Johannesevangelium - ein frühes Beispiel christlicher Mystik?, ThGl 81, 1991, 323-338; J.J. K A N A G A R A J , Jesus the King, Merkabah Mysticism and the Gospel of John, TynB 47, 1996, 349-366; DERS., Mysticism in the Gospel of John. An Inquiry into its Background, JSNT.S 158, Sheffield 1998; J.A. D R A P E R , Temple, Tabernacle and Mystical Experience in John, Neotest. 31, 1997, 263-288; B. N E U E N S C H W A N D E R , Mystik im Johannesevangelium. Eine hermeneutische Untersuchung aufgrund der Auseinandersetzung mit Zen-Meister Hisamatsu Shin'ichi, Biblical Interpretation Series 31, Leiden 1998; K. S C H O L T I S S E K , Mystik im Johannes evangelium? Reflexionen zu einer umstrittenen Fragestellung, in: Pneuma und Gemeinde. Christsein in der Tradition des Paulus und Johannes, hg. v. J. Eckert, M . Schmidl u. H. Steichele, FS J. Hainz, Düsseldorf 2001, 295-324 (mit weiterer Lit.). Für die kolossischen „Mystiker" einschlägig ist neben der Monographie von T.J. S A P P I N G T O N , Revelation and Redemption at Colossae, JSNT.S 53, Sheffield 1991, besonders C A . E V A N S , The Colossian Mystics, Bib. 63, 1982, 188-205. Vgl. außerdem noch A.D. D E C O N I C K , Seek to See Him. Ascent and Vision Mysticism in the Gospel of Thomas, VigChr.S 33, Leiden 1996; D I E S . , Voices of the Mystics. Early Christian Discourse in the Gospel of John and Thomas and Other Ancient Christian Literature, JSNT.S 157, Sheffield 2001. 2
Einschlägig jetzt H.-C. M E I E R , Mystik bei Paulus. Zur Phänomenologie religiöser Erfahrung im Neuen Testament, TANZ 26, Tübingen 1998; außerdem: D. M A R G U E R A T , La mystique de l'apotre Paul, in: Paul de Tarse. Congres de l'ACFEB (Strasbourg, 1995), hg. v. J. Schlosser, LeDiv 165, Paris 1996, 307-329; G . M . M . P E L S E R , Could the „Formulas" Dying and Rising with Christ Be Expressions of Pauline Mysticism?, Neotest. 32, 1998, 115-134. Etwas länger zurück liegt, aber immer noch sehr einflussreich ist: A.F. S E G A L , Paul the Convert. The Apostolate and Apostasy of Saul the Pharisee, New Haven/London 1990, mit dem bezeichnenden Satz: „Paul is a mystic" (ebd. 34).
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Bernhard Heininger 3
Gegenwart hinein mit der Mystik in Verbindung gebracht. Nun besagt allerdings dieselbe Nomenklatur für sich genommen noch nicht viel. Etwas salopp formuliert: Nicht überall, wo Mystik drauf steht, ist auch Mystik drin. Speziell im vorliegenden Fall wird die Sache noch dadurch verkompliziert, dass eine allgemein verbindliche und von der Mehrheit der Forscherinnen und Forscher geteilte Definition oder wenigstens Umschreibung dessen, was Mystik meint, nach wie vor fehlt. Im Blick auf den im Folgenden angestrebten Vergleich zwischen Paulus und Philo scheint es mir deshalb sinnvoller, bei einer Sprachform anzusetzen, die vielfach im Dunstkreis der Mystik anzutreffen ist, im Fall der jüdischen Merkabah-Mystik (als deren Vorläufer Philo und Paulus gelegentlich benannt werden) sogar einen unverzichtbaren Bestandteil ausmacht und für unsere Zwecke vor allen Dingen den Vorteil hat, dass sowohl Paulus wie auch Philo mit „firsthand accounts" (P. Borgen) derselben aufwarten: Ich meine den Himmelsaufstieg (heavenly ascent) oder die Himmelsreise bzw., wenn das passivische Moment stärker betont ist, die Entrückung in den Himmel. 4
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I. Die Himmelsreise des Paulus (2Kor 12,2-4) Im Rahmen seiner „Narrenrede" (2Kor 11,16-12,13), in der sich Paulus mit Anfeindungen seitens der in die korinthische Gemeinde eingedrungenen (judenchristlichen) Wandermissionare auseinandersetzt, kommt er u.a. auf O T T T a a i a i K a i d i T O K a \ i j i | ; e i s , auf „Erscheinungen und Offenbarungen" zu sprechen (2Kor 12,1). Der unmittelbar darauf folgende Entrückungsbericht, 3
Vgl. zuletzt C . N O A C K , Gottesbewußtsein. Exegetische Studien zur Soteriologie und Mystik bei Philo von Alexandria, WUNT 11/116, Tübingen 2000; von den älteren Beiträgen etwa D. W I N S T O N , Was Philo a Mystic?, SBL.SP 13, Missoula 1978, 161-180; D E R S . , Philo's Mysticism, Studia Philonica Annual 7, 1996, 74-82. B. McGlNN, Art. Mystik. II. Historisch-theologisch, LThK VII, 1998, 587. Einige Kostproben: A. P A U S , Art. Mystik. I. Religionsgeschichtlich, LThK VII, 1998, 583-586 (584), sieht in der Mystik eine „Ausdrucksform des vorübergehenden, unmittelbaren, integra len Ergriffenseins oder -Werdens als homo religiosus von der numinosen anderen Wirk lichkeit"; für H. CANCIK, Art. Mystik, HRWG 4, 1993, 174-178 (176), stellt Mystik „die besonders intensive Form innerlicher, persönlicher, subjektiver Religiosität" dar. M. V O N B R Ü C K nennt als Elemente der mystischen Erfahrung Ich-Entgrenzung, kosmische Harmonie, Zusammenfall der Gegensätze (coincidentia oppositorum) bzw. das Einswerden mit Gott oder dem All (unio mysticä), Gegenwart des Göttlichen, Auflösungen der Kategorien von Raum, Zeit und Kausalität, subjektiv unerschütterliche Authentizität des Erlebens, Ekstase, Unaussprechlichkeit, usw. (Art. Mystik. II. Religionswissenschaftlich, RGG 5, 2002,1652f). Näheres zur begrifflichen Differenzierung sowie zur Typologie der visionären Kom munikationsformen bei B. H E I N I N G E R , Paulus als Visionär. Eine religionsgeschichtliche Studie, HBS 9, Freiburg u.a. 1996, 36-43. 4
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Paulus und Philo als Mystiker?
der in zwei Anläufen und in der 3. Person von der Entrückung eines „Menschen in Christus" bis in den dritten Himmel bzw. das Paradies berichtet, darf wohl trotz der distanzierten paulinischen Erzählweise als autobiographischer Bericht des Paulus gelesen werden. Er lautet: 6
Ich weiß von einem Menschen in Christus, dass er vor vierzehn Jahren - ob im Leib, weiß ich nicht, oder außerhalb des Leibes, weiß ich nicht; Gott weiß es - dass dieser bis in den dritten Himmel entrückt wurde. Und ich weiß von dem betreffenden Menschen - ob im Leib oder außerhalb des Leibes, weiß ich nicht; Gott weiß es - dass er in das Paradies entrückt wurde und unaussprechliche Worte hörte, die auszusprechen einem Menschen nicht zusteht.
Dass Paulus an dieser Stelle so verklausuliert von sich selbst spricht, hat mit der spezifischen korinthischen Situation zu tun: Paulus muss sich seiner Erfolge bzw. Auszeichnungen rühmen - konkret werden von ihm die „Zei chen des Apostels" (2Kor 12,12) verlangt, wozu offenbar auch Erscheinungen und Visionen gehörten - , er will es aber nicht und setzt deshalb die Narrenkappe auf bzw. spricht in der dritten Person von sich selbst. Wie wir der Zeitangabe „vor vierzehn Jahren" noch entnehmen können, muss das referierte Erlebnis Anfang der 40er Jahre stattgefunden haben. Dabei ist vorausgesetzt, dass der 2. Korintherbrief bzw. der Tränenbrief, falls man 2Kor teilt und 2Kor 10-13 als Teil des Tränenbriefs identifiziert, zwischen 54 und 56 n.Chr. abgefasst worden ist. Der in 2Kor 12,2-4 berichtete Himmelsaufstieg des Paulus ist daher weder mit dem Damaskuserlebnis noch mit irgendeiner anderen der in der Apostelgeschichte erzählten zahlreichen paulinischen Visionen (vgl. Act 16,8-10; 18,9f; 22,17-21; 23,11; 27,23f) identisch. 7
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In diesem Sinn eigentlich alle neueren Ausleger, vgl. nur M E I E R , Mystik (s. Anm. 2), 120-156, und zuletzt wieder O. W I S C H M E Y E R , 2 Korinther 12,1-10. Ein autobiographisch theologischer Text des Paulus, in: Was ist ein Text?, hg. v. ders. u. E.-M. Becker, NET 1, Tübingen/Basel 2001, 29-41. Für eine eingehendere Analyse des Textes verweise ich, neben der genannten Literatur, auf meine früheren Ausführungen, vgl. H E I N I N G E R , Paulus (s. Anm. 5), 246-254. Erschöpfende Diskussion der mit dem 2Kor (und dem IKor) verbundenen Teilungs theorien bei M.E. THRALL, The Second Epistle to the Corinthians. Vol. I: Introduction and Commentary on II Corinthians I-VII, ICC, Edinburgh 1994, 3-77, die insgesamt drei Briefe ausmacht (in der Reihenfolge 2Kor 1-8; 9; 10-13) und das uns betreffende Textstück sehr präzise in die Monate August/September des Jahres 56 n.Chr. datiert. Ähnlich V.P. F U R N I S H , II Corinthians. Translated, with Introduction, Notes, and Commentary, AncB 32A, New York 1984, 55 (Frühling oder Sommer 56). Für den Spätherbst 55 plädiert U. S C H N E L L E , Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 1999, 90. Anders C.R.A. M O R R A Y - J O N E S , Paradise Revisited (2 Cor 12:1-12): The Jewish Mystical Background of Paul's Apostolate. Part 1: The Jewish Sources; Part 2: Paul's Heavenly Ascent and ist Significance, HThR 86, 1993, 177-217.265-292 (286), der 2Kor 12,2-4 mit der Act 22,17-21 berichteten Vision im Jerusalemer Tempel gleich setzt. 7
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Als Ziel der Entrückung, die in zwei Anläufen geschildert wird, ist der dritte Himmel bzw. das Paradies angegeben. Das erklärt sich vor dem Hintergrund der jüdischen Apokaryptik, die eine Vorliebe für die Vervielfachung von Himmeln hat: Je nach Schrift werden drei, sieben oder zehn Himmel konzipiert. Deshalb ist im vorliegenden Fall auch nicht völlig klar, ob Paulus sagen will, er sei in den höchsten Himmel entrückt worden. Zieht man zum Vergleich 2Hen 8,1 heran, wo das Paradies ebenfalls wie bei Paulus im dritten Himmel bei insgesamt sieben oder zehn Himmeln lokalisiert wird, wäre Paulus nicht bis zu höchsten Stufe gelangt. Festzuhalten ist weiter, dass sich Paulus über die somatische Befindlichkeit nicht im Klaren ist. „Ob im Leib oder außerhalb des Leibes" lässt auch die Möglichkeit einer Seelenreise zu, wie wir sie aus den eschatologischen Mythen Piatons und Plutarchs, aber auch von den sibirischen und indianischen Schamanen Nordamerikas her kennen, die sich in Trance versetzen und dabei ihre Seele entäußern. Und seltsam bleibt vor allem das Ergebnis der paulinischen Himmelsreise: „unsagbare Worte" sind, gerade vor dem Hintergrund der frühjüdischen Apokalypsen mit ihren ausgedehnten Schilderungen himmlischer Regionen und Verhältnisse, ein recht mageres Ergebnis für eine Himmelsreise. Windisch hat das in seinem Kommentar mit der Arkandisziplin der Mysterienkulte zu erklären versucht (das in den Mysterien Gehörte und Geschaute darf nicht nach draußen getragen werden), doch ist ihm die Exegese diesbezüglich nicht gefolgt. Näher liegt die Annahme, Paulus wolle mit der nichtssagenden Auskunft die Bedeutung solcher außergewöhnlicher religiöser Erfahrungen bewusst zurückschrauben. 10
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Das dafür gebrauchte Wort dpTrd£eiv ist der älteste griechische Entrückungsterminus (vgl. Homer, Od. XV 250f; Hom.Hym. 5,203.208.218; Pindar, Olymp. 1,40; Theokrit 17,48-50) und bringt vor allem das Plötzliche und Unerwartete zum Ausdruck, vgl. HJ. KLAUCK, Die Himmelfahrt des Paulus in der koptischen Paulusapokalypse aus Nag Hammadi (NHC V/2), in: DERS., Gemeinde - Amt - Sakrament. Neutestamentliche Perspektiven, Würzburg 1989, 391^429 (393f mit Anm. 5). Im biblischen Sprachraum ist er nicht so prominent (SapSal 4,11; ApkEsr 5,7; grLAE 37,3, vgl. W. FOERSTER, Art. dp-rrdCw, dp-n-ayiiös, ThWNT I, 1933, 471-474), kommt neben 2Kor 12,2.4 aber auch Act 8,39; lThess 4,17; Apk 12,5 zur Anwendung. Vgl. 2Hen 8,1 (Übers. C. Böttrich): „Und die Männer ergriffen mich von dort, und sie führten mich hinauf in den dritten Himmel. Und sie stellten mich in die Mitte des Paradieses. Und ich schaute hinab, und ich sah den Ort des Paradieses." Dieselbe Vorstellung auch grLAE 37,5 (Adam verbleibt bis zum Tag des Gerichts im Paradies im dritten Himmel); 40,1 (Lesart unsicher). Vgl. C. COLPE, Die „Himmelsreise der Seele" als philosophisches und religionsgeschichtliches Problem, in: Festschrift für Joseph Klein zum 70. Geburtstag, hg. v. E. Fries, Göttingen 1967, 85-104, der den ganzen Komplex an das Schamanentum zurückkoppelt. Vgl. H. WINDISCH, Der zweite Korintherbrief, KEK 6, Göttingen 1924, 377f. 1 0
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Paulus und Philo als Mystiker?
II. Die Himmelsreisen Philos (SpecLeg III 1-6) 1. Der Text Werfen wir von da aus einen Blick auf den Anfang des dritten Buches der Einzelgesetze SpecLeg III 1-6, wo Philo - jedenfalls nach Meinung Peder Borgens - mit einem „firsthand account" einer Himmelsreise aufwartet. Genau besehen ist sogar nicht nur von einer, sondern von mehreren Himmels reisen die Rede, die in 4f allerdings lediglich angedeutet sind. Dagegen sollte man m.E. am Ende in 6a besser von Erleuchtung sprechen. Unab hängig davon hat aber Paulus mit Philo gemeinsam, dass er die Himmelsreise zeitlich fixiert. Die Erwähnung der „großen Flut politischer Sorgen" in 3 könnte ein Hinweis auf das Pogrom gegen die alexandrinischen Juden sein, in Folge dessen sich Philo an der Spitze einer fünfköpfigen Delegation 39/40 n.Chr. zu Kaiser Caligula begibt. Demnach hätte die in den 1-2 geschilderte Himmelsreise noch vor dieser Zeit „stattgefunden". Der Text lautet wie folgt: 13
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(1) Es gab einmal eine Zeit, da ich, mit Zeit zur Muße für die Philosophie und die Betrach tung der Welt und der (Dinge) in ihr, den herrlichen, vielbegehrten, wahrhaft glückseligen Nous genoss, in stetem Verkehr mit göttlichen Gedanken und Lehren, an denen ich mich mit nie zu stillendem und zu sättigendem Verlangen erquickte; da stieg kein niedriger oder gemeiner Gedanke in mir auf, noch wand ich mich im Staube um Ruhmes, Reichtums oder leiblicher Freuden willen, sondern ich glaubte immer hinauf in die Luft getragen zu werden nach irgendeiner Begeisterung der Seele und mitzuschwingen mit Sonne und Mond, mit dem ganzen Himmel und dem Weltall. (2) Damals, ja damals erschaute ich, aus Äthershöhen hernieder blickend und das Geistesauge wie von einer Warte hinabrichtend, die unzähligen
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P. B O R G E N , Heavenly Ascent in Philo: An Examination of Selected Passages, in: The Pseudepigrapha and Early Biblical Interpretation, hg. v. J.H. Charlesworth u. CA. Evans, JSP.S 14, Sheffield 1993, 246-268 (247); D E R S . , Early Christianity and Hellenistic Judaism, Edinburgh 1996,310.314. SpecLeg III 4 ist davon die Rede, „dass ich manchmal das Haupt emporhebe und mit dem Auge des Geistes doch wenigstens notdürftig umherblicken kann"; III 5 bietet dann wieder einen regelrechten Himmelsaufstieg: „Und wenn mir etwa gar wider Erwarten für kurze Zeit Stille und Ruhe vom politischen Getöse gegönnt ist, dann erhebe ich mich be schwingt über die Wogen und schwebe sozusagen in den Lüften, von dem Wehen der Wissenschaft umfächelt." SpecLeg III 6 werden die „Augen der Seele" (jovs Tfjs ijjuxfis 6cJ>9aXuoiis) vom Licht der Weisheit bestrahlt. Näheres dazu bei H E I N I N G E R , Paulus (s. Anm. 5), 153-156, mit weiteren Belegen. B O R G E N , Christianity (s. Anm. 13), 314f, der Argumente für diese Überlegung vorträgt, bleibt aber selbst skeptisch. Es könne auch an eine frühere Phase im Leben Philos gedacht sein. In diesem Sinn optiert A.F. S E G A L , Heavenly Ascent in Hellenistic Judaism, Early Christianity and their Environment, ANRW II 23.2, 1980, 1333-1394 (1356) (denkt an die Jugendzeit Philos). 1 4
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Bilder von allem, was auf Erden ist, und pries mich glücklich, den Verhängnissen des Menschenlebens durch Anspannung meiner Kräfte entronnen zu sein. 17
Drei Etappen scheinen für den philonischen Himmelsaufstieg kennzeichnend zu sein: Eine Zeit zur Muße für die Philosophie, in der Philo den wahrhaft glückseligen Nous genießt und sich an göttlichen Gedanken und Lehren erquickt, dann der eigentliche Aufstieg „in einer Art Begeisterung der Seele" durch die Luft vorbei an Sonne und Mond, Himmel und Kosmos, schließlich - als dritte und letzte Etappe - die im Äther lokalisierte Schau des „Geistesauges" auf die Erde herab. Sieht man indessen genauer hin, d.h. unterzieht man das griechische Original einer sorgfältigen sprachlichen Analyse, entpuppt sich die durch die Linearität des Textes suggerierte Etappenfolge schnell als Trugschluss. Der mit Hilfe des TOTE Sri TÖTE am Anfang von III 2 realisierte Rückbezug auf die den Passus einleitende Zeitangabe r\v TTOT€ xpovos (III 1) gibt nämlich zu der Vermutung Anlass, dass hier - im ersten Teil von III 1 und in III 2 jeweils auf dasselbe Geschehen rekurriert wird, auch wenn die sprachliche Beschreibung differiert. D.h. das Genießen „des guten, vielbegehrten und wahrhaft glückseligen Nous" bzw. das Erquicken an den göttlichen Gedanken und Lehren (III 1) ist mit der in III 2 thematisierten Schau des Geistesauges vom Äther herab identisch! Unterstützung erhält diese Vermutung durch eine weitere semantische Klammer zwischen la und 2: Der Gewpia TOD KÖA|iou K a i TWV kv duTa) in 1 entsprechen die Gewpiai TWV em yfjs aTrdvTtov in 2. Das Bindeglied zwischen Kontemplation und Schau ist der bereits erwähnte Himmelsaufstieg, den Philo mit dem „Nicht-Aufsteigen" niedriger 18
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SpecLeg III lf: "Hv TTOTe XP0 °S ÖTe c()iXoo-o(J>ig oxoXdCwv K a i Gewpiq T O O K a i r&v ev avrä K a X ö v K a i TT€piTTÖ0T)TOv K a i i x a K a p i o v vovv e K a p i T o u u r i v Öeiois d e l Xöyois avyyivo\ievog K a i 8öyuaaiv, u v d-rrXTiaTus K a i ÖKopeo-Ttos e x « v e v e u 4 » p a i v ö ( i r | y ov8ev TaTreivöv $pov&v r\ x^^C^Xov oi>8e T r e p l 86£av fi r\ ras o6\iaros evnaQeias LXuaiTwuevos, dXX' d v w j i e T a p a i o s e 8 o K o w d e l fyepeaQai TIVO. TT\S ipux^S e T r i G e i a C T ^ ö v K a i a u n T r e p i T T o X e t v r\\i^ K a i aeXf^vrj K a i ov\mavTi o i i p a v a i T e K a i K Ö a n ö . 8f| dvü)0ev a i 0 e p o s K a i Teivwv w a i r e p d-rrö a K O t r i d s Siavoias ö u n a K a T e 0 e u | i r | v ras ä[ivQr\rovs 0 e ü ) p i a s e m yfjs diTdvTwv K a i ei)8atjiövLCov e u a u T Ö v cos d v d K p a T o g KÖauou
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eKTrefiTT|s ist übrigens e^riynTTis, ein Wort, das Philon freilich nur in seinem uns nunmehr geläufigen Sinn „Schriftausleger" kennt (SpecLeg II 159). Um das Wortfeld der Inspiration aus Philon zu vervollständigen: Dazu gehört auch das Adjektiv OeocbpdSuwv in Her 30 1 und VitMos II 269, ferner in Mut 96 (von Jakob). Unter den Verben für „Begeisterung" findet sich ferner 9eoXr|iTTe'io-0ai (Cher 5, von Philons eigenen, häufigen Erhebun gen) mit zugehörigem Adjektiv 0eoXr|TTTOs (Aet 76, dort großzügigerweise auf die Stoiker Boethos und Panaetios angewendet). In De somniis begegnet dann, nicht unerwartet, Geöuepmros (1 1.133.190; II 1.113). Thematisch einschlägig ist hier auch das Fragment De Deo, Ausschnitt einer Besinnung über Gen 18,2, die Erscheinung der drei Männer - die dann auch wieder einer sind - vor Abraham. Dieses nur armenisch überlieferte Fragment dürfte einem verlorenen Buch des ursprünglich funfbändigen De somniis entstammen. Hier lesen wir in Kap. 6 von Jesajas Inspiration etwa solche Worte, wie wir sie bei ihm sonst von Mose gewohnt sind - wobei der so offenbarte Text nun aber nicht mehr der Dekalog ist, sondern die Vision von Jes 6 (wovon V. 1-2 ausdrücklich zitiert werden). Anknüpfend an die dreifach-einfache Gotteserscheinung von Gen 18, als deren Symbol er die 32
Dort neben iX6o-o(|>os; Mose ist Künder göttlicher wie menschlicher Weisheit.
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Dreiheit des intelligiblen Weltschöpfers mit seinen beiden „Kräften" - letz tere im einstigen Tempel von den beiden Cherubim symbolisiert - gewertet hatte, bleibt er bei der Szenerie des Tempelinneren und assoziiert Jesajas große Vision im Rauch der Räucheropfer: 33
Diese Erscheinung erweckte auch den Propheten Jesaja und richtete ihn auf; er empfing nämlich einen Anteil an dem, was oberhalb des Alls das Pneuma der Gottheit ist. Von diesem ausgegossen, gerät der prophetische (Geist) in Verzückung und Taumel. Er spricht nämlich: „Ich sah den Herrn auf einem hohen Thron sitzen; und das Haus war voll Herrlichkeit, und Seraphim standen rings um ihn. (...)
Wir brechen das Zitat, auch das biblische, hier ab, um zunächst auf die überkosmische Herkunft des hier gemeinten Pneumas hinzuweisen: Hier hat Philon die stoische Kosmologie, deren Sprache er ganz und gar übernimmt, um die Voraussetzung eines Schöpfers erweitert. Von diesem Schöpfer geht nun auch dasjenige Pneuma aus, das in besonderen Situationen besondere Menschen in Ekstase versetzt und sie etwas von der Schöpfungsweisheit aussprechen lässt. Wenn wir diesen Befund nun im Sinne Burkhardts deuten wollen (der diesen Text nicht kennt), werden wir nicht so weit gehen, dass wir die Liste der Ausnahmetexte, die wörtlich Gottes Diktat sind, verlängern um Jes 6 oder gar um das ganze Jesaja-Buch. Die ersten Christen hätten das wohl so gemacht. Im Sinne Philons, des Toraauslegers, werden wir aber eher Jes 6 und ähnliche Texte, nämlich Visionsberichte, als Beleg nehmen für Ausnahmeereignisse, eben Ekstasen. Deren textliches Resultat interessiert Philon gerade nicht als Prophetie, eine nahe oder ferne Zukunft betreffend, sondern als Gesetz oder wenigstens als Ethik. Doch merkwürdig: 2Tim 3,16 stimmt ihm hier sogar bei. Wir wissen aber, dass eine auf Prophetenaussagen gegrün dete Gegenwartsdeutung und Zukunftserwartung im Urchristentum bereits gut etabliert war - um nur an Q 16,16, Act 1,20 und vieles andere im selben Buch bis hin zu Act 28,25ff zu erinnern. Doch dafür haben wir Philon nicht mehr zum Zeugen. Auch finden wir bei ihm sonst kein Zitat mehr von Jes 6 und auch keine von den Mosebüchern unabhängige Schrifttheologie. Philons Würdigung von Jesajas besonderer Inspiration begründet also kein auf den Text des übrigen Jesaja-Buches ge richtetes Interesse, sondern tritt illustrierend zur Auslegung des mosaischen Nomos und seiner Vorzüglichkeiten hinzu. Das gleiche Verhältnis kann man zwischen Mose, in dessen „große Mysterien" Philon als Leser sich einweihte,
Philon, De Deo 6, übers, bei SlEGERT, Philon (s. Anm. 4), 35.
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und Jeremia feststellen, dem er auch einmal ein bestätigendes Zitat entnimmt (Cher48f). Burkhardt selbst lenkt aus eigenen Gründen ab von dem Begriff der Verbal- auf den der Personalinspiration. Er hilft, viele - von Burkhardt kaum angedeutete - Schwierigkeiten zu vermeiden. Unter anderem muss er nicht dazu führen, den jeweiligen Empfänger vom Gebrauch seines Verstandes im Formulieren seiner Worte auszuschließen. Auch hält er nicht davon ab, die Textzeugnisse in ihrer historischen Einbettung zu sehen. Nur so kann die historisch-kritische Forschung durchaus sich des Themas der Inspiration annehmen, ohne sich selbst zu widersprechen. Damit nähert sich unser kritischer Durchgang durch Philons Inspirations aussagen alimählich seinem Ende. Als ein Fachwort, das erst beim Lesen der Texte selbst auffallen dürfte (und nicht schon in der Konkordanz, wo es seine Vorsilbe mit vielen anderen teilt), ist ferner noch das Verb KaTaTrveTv zu nennen, insbesondere in seinen Passivformen, angewendet auf vom Geist „Angewehte" wie z.B. Mose und die 70 Ältesten in VitMos II 67. Diese letztere Stelle hebt noch besonders ab auf ihre Gottesliebe, e p w s o i i p d v i o s genannt, mit einem Ausdruck platonischer Mystik. Auf den hierin liegenden „Synergismus" - den der Gottsucher - kann hier nicht näher eingegangen werden. Er zählt zu den unsystematischen Zügen in Philons Denken. 34
VI. Die Inspiration des Lesers Unseren Durchgang abschließend und einen heute modernen Textzugang aufgreifend, können wir auch von der Inspiration des Nomos-Lcsers bei Philon sprechen. Unser Autor interpretiert den Lebenshauch Adams (Gen 2,7), TTVOT\ durch irveOua ersetzend (Opif 135), als rezeptives Organ, das jede menschliche Person zum Offenbarungsempfang befähigt. Es ist ja eine hellenistisch-jüdische, auch durch Paulus bekannte These (Rom 1,19), dass wenigstens die Existenz eines Schöpfers seinen denkenden Geschöpfen erkennbar sei. Freilich hat Philons Pneumatologie, wie wir sahen, stoischkosmologische Züge, die nichts oder nicht viel mit Vorgängen des Mitteilens oder Verstehens zu tun haben und Probleme schaffen, die wir oben an der Äolsharfe interpretiert haben. 35
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Dies ist die einzige Nennung Jeremias in den uns erhaltenen Schriften Philons. Jesaja wird in QuaestGen II 43 noch ein weiteres Mal erwähnt, auch hier ausdrücklich als „Schüler Moses". Dazu ferner SIEGERT, Philon (s. Anm. 4), 86ff. 125ff. 3 5
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Auch hier fühlt sich der historisch-kritisch gesinnte Ausleger wohler im Konkreten. Man kann es sogar als Leseregel für Philon aufstellen, dass die Lebensferne seiner Texte zu einem guten Teil stilisiert ist und schon von seinem damaligen Publikum in Gegenwartsbezüge umgemünzt wurde. Versuchen wir es auch hier, denn Philon selbst vernimmt - beim Lesen des Nomos - nicht selten eine Gottesstimme (Verbum imnxeiv)! Sie gibt ihm zu einer Frage die Lösung ein (Somn II 252 u.ö.). Solche Leseerlebnisse, deren Gefühlsaspekt von ihm in gut platonischer Tradition mit Verben wie ev9ouaid£eiv und Kopußavndv belegt wird, erheben seinen Geist, ohne ihn jedoch auszuschalten. Mag sein, dass er dabei um seinen Schreibtisch getanzt ist; wir wissen es nicht. Jedenfalls geht ihm als Leser des Mose-Textes eine Einsicht auf, ähnlich wie dessen einstigem Verfasser, wenn er sich in einer strittigen Frage ein Orakel erbat und auch erhielt (VitMos II 228f). Es sei nochmals betont: Hier verliert Mose und verliert Philon nicht den Verstand. Er beschreibt seine Aha-Erlebnisse beim Lesen der mosaischen „Orakel" als ein Ergriffenwerden von Gott (0eoX"nTTT€Tcr0(xi), das ihm geradezu eine Gewohnheit wurde (... ^ x ^ S e u f j s e t o G u t a s rä TToXXd 0eoXr)iTT€La-0ai, Cher 27) - in einer durchaus nachvollziehbaren Weise, denn der Sachbezug dieser und anderer, ihr ähnlicher Stellen bei Philon ist die hermeneutische These einer Aufteilung der Handlungen des Schöpfers und Herrn der Welt in solche des Oeds und solche des Kupios, womit deren interne Widersprüchlichkeiten sich wandeln zu einer wohlgeordneten Polarität. Ähnlich hat auch den im Neuen Testament vertretenen Autoren die immer wieder neu bedachte Jesus-Überlieferung einen Lektüreschlüssel für Nomos, Propheten und Schriften gegeben, der zu Entdeckungserlebnissen von hoher Intensität geführt hat. Die Freude Philons, wenn er seinen Mose las, hat sich den Christen insbesondere an Jesaja und an den Psalmen wiederholt, was rein quantitativ schon an der Häufigkeit ihres Zitiertwerdens im Neuen Testament ablesbar ist. Wenn Philon den Nomos als eine Sammlung von „Orakeln" behandelt, kann man das also einerseits auf deren Ursprung beziehen, andererseits aber auch auf deren Wirkung. Was den Ursprung betrifft, so glaubt Philon, wie wir sahen, nachbiblischen Erzählungen, deren Inhalt unvereinbar ist mit dem mindesten Sinn für historisch-philologische Kritik. Was jedoch die Wirkung der Bibellektüre betrifft, so sind Philons Begeisterungen mit vielem vergleichbar, was sich im Christentum nach ihm ereignete, von Lk 24,27ff angefangen. „Suchet in der Schrift" (Joh 5,39; vgl. 7,52), das hatten sie mit Philon und überhaupt mit dem Judentum, einer Buchreligion, gemeinsam, wobei die Ausdehnung des mit „Schrift" gemeinten bei ihnen stets größer war als im vergleichbaren Judentum. Auch 2Tim 3,16 setzt solchen Gebrauch von Israels Heiligen Schriften voraus, hat also eine nicht nur theoretische
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(dogmatische), sondern auch eine praktische, historisch damit auch eher fassbare, Grundlage, worauf auch der Kontext hinweist. Was jedoch noch das Theoretische betrifft, so vermag auf hellenistisch jüdischer Seite die Logos-Lehre, insbesondere in ihrer philonischen Variante, Entdeckungserlebnisse am Text in einer Weise darzustellen, die geeignet ist, die knappe These des 2. Timotheusbriefs verständlicher zu machen. Ja, sie erinnert uns auch an den feierlichsten aller christlichen Texte, den JohannesProlog. Über diesen müsste hier ein eigener Artikel beginnen, der jedoch bereits geschrieben ist. Immerhin ist es auch bei Philon ein Logos, der ihn in seinen eben aus De Cherubim 27 zitierten Ekstasen erreicht. Doch endet hier die Parallelität frühchristlicher Schriften mit Philon: Das „Wort", das von christlicher Theologie auszulegen war, ist nicht nur ein Schriftwort, sondern jenes Wort, das „Fleisch wurde". 36
3 6
F. SlEGERT, Der Logos, «älterer Sohn» des Schöpfers und «zweiter Gott». Eine Erinnerung an Philon, in: Kontexte des Johannesevangeliums, hg. v. J. Frey, WUNT 1. Reihe, Tübingen 2004 (im Erscheinen). Das erst wäre die eigentlich theologische Stellungnahme zu unserem Thema, mehr als Philons noch sehr mythische Inspirations auffassungen.
„Von Gottes Geist durchweht" Die Inspiration der Schrift nach 2Tim 3,16 und bei Philo von Alexandrien* von JENS HERZER
I. Die Fragestellung In seiner Auslegung zu Sprüchen aus dem Neuen Testament schreibt Martin Luther zu 2Tim 3,16f: „Wenn wir gleuben köndten, das Gott selbs mit uns in der Schlifft redet, so wurden wir mit vleis darinnen lesen, und sie für unsere selige werckstat halten." Diese Sentenz des Reformators sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen. Doch schwingt deutlich ein zweifelnder Unterton mit, weil das Verständnis der Heiligen Schrift und der Umgang mit ihr immer wieder umstritten waren und sind. Wenn es um das Verständnis der Schrift geht, wird 2Tim 3,16 gern heran gezogen. Die lutherische bzw. altprotestantische Orthodoxie konnte nicht zuletzt unter Hinweis auf diese Stelle ihre Vorstellung von Inspiration der Schrift im Sinne einer Verbalinspiration präzisieren und dabei auf eine lange altkirchliche und mittelalterliche Tradition sowohl griechischer als auch lateinischer Provenienz zurückgreifen. Die wirkungsgeschichtliche Bedeu tung der im Neuen Testament keineswegs zentralen Aussage von 2Tim 3,16 wird nicht zuletzt daran deutlich, dass der Topos „Inspiration der Schrift" in der Dogmatik unter dem dieser Stelle entnommenen Stichwort der „Theo pneustie" verhandelt wird. In den lutherischen Bekenntnisschriften findet sich ein Bezug auf 2Tim 3,16 jedoch erst in der Solida Declaratio der Konkordienformel, wo unter dem Paragraphen De tertio usu legis divinae der Begriff der Schrift auf das zur Belehrung und vor allem Bestrafung nützliche Gesetz 1
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Christian Wolff (Berlin) zum 60. Geburtstag in Dankbarkeit gewidmet. WA 48, 137 (Nr. 181B). Vgl. J. B E U M E R , Die Inspiration der Heiligen Schrift, HDG I/3b, Freiburg u.a. 1968; vgl. auch den anschaulichen Überblick bei O. W E B E R , Grundlagen der Dogmatik, Bd. I, Berlin 1983 (= Neukirchen-Vluyn 1964), 253-257. 1
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bezogen und eingeschränkt wird. Auch Luther selbst hatte dem Topos der Theopneustie der Schrift keinen eigenen Artikel gewidmet - man vermutet darin eine bewusste Vermeidung wegen der Auseinandersetzung mit den Schwärmern. Und so interpretiert er auch 2Tim 3,16, ohne den Begriff des Geistes zu verwenden: Alle Schrift ist „von Gott selbs eingegeben und geleret" und das heißt: Gott redet mit uns in der Schrift. Andere haben später andere Akzente gesetzt, wobei der zentrale Begriff GeörrvewTos aus 2Tim 3,16 Ausgangspunkt für ganz unterschiedliche Auffassungen sein konnte, weil seine Bedeutung nicht eindeutig zu bestimmen ist. Dies ist Anlass zu der im Folgenden zu untersuchenden Frage nach der traditionsgeschichtlichen Verankerung der Vorstellung von der Theopneustie der Schrift. Im Rahmen der Themenstellung dieses Symposions soll der Interpretation von 2Tim 3,16 unter besonderer Berücksichtigung der Inspira tionsvorstellung bei Philo von Alexandrien nachgegangen werden, auf deren Bedeutung für das Neue Testament meist nur pauschal hingewiesen wird, ohne den traditionsgeschichtlichen Zusammenhang methodisch klar zu be stimmen. Für das Verständnis der neutestamentlichen und insbesondere auch der paulinischen Tradition und der hellenistisch-jüdischen Welt, in der diese Tradition lebendig war, ist dieser jüdisch-hellenistische Religionsphilosoph und Zeitgenosse von Jesus und Paulus zweifellos von unschätzbarem Wert. Die Kirchenväter haben Philo ausgiebig verwendet. Eusebius im 4. Jh. und 4
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BSLK 966; vgl. BSLK 1067. WA 48, 218 (Nr. 290): „Wie wol viel bucher sind, die seer nütze sind und feine geschickte, gelerte, leute machen können So ists doch alles allein zü diesem vergenglichem leben gericht und weltliche Weisheit oder gerechtigkeit, kann keinen Gottes Menschen machen noch den selben leren, straffen, bessern, zuchtigen, zur gerechtigkeit, und zu allem guten werck geschickt oder volkomen machen Solchs müs allein die heilige Schrifft thün, von Gott selbs eingegeben und geleret." Wie beziehungsreich das Thema Schriftinspiration in der hellenistisch-jüdischen und neutestamentlichen Literatur ist, hat kürzlich J. WHITLOCK, Schrift und Inspiration. Studien zur Vorstellung von inspirierter Schrift und inspirierter Schriftauslegung im antiken Judentum und in den paulinischen Briefen, WMANT 98, Neukirchen-Vluyn 2002, überzeugend aufgezeigt, vgl. bes. den Überblick 12-17. Vgl. D.T. RUNIA, Philo in Early Christian Literature. A Survey, CRI III/3, Assen, Minneapolis 1993 (Lit.); DERS., Philo and the Church Fathers. A Collection of Papers, VigChr Suppl. 32, Leiden u.a. 1995. Hist.eccl. II 17,1: „Markus soll als erster in Ägypten das von ihm niedergeschriebene Evangelium gepredigt und in Alexandrien selbst als erster Kirchen gegründet haben. So groß war schon beim ersten Beginnen die Menge der daselbst gläubig gewordenen und in größter Enthaltsamkeit und strengster Entsagung lebenden Männer und Frauen, daß Philo ihr Leben, ihre Zusammenkünfte, ihre Mahlzeiten und ihre ganze übrige Lebensführung einer schriftlichen Darlegung würdigte. Philo soll unter Claudius in Rom mit Petrus, als er damals den Bewohnern predigte, verkehrt haben. Dies dürfte nicht unwahrscheinlich sein. Denn die Schrift, von welcher wir sprechen und welche Philo später nach Jahren verfaßt hat, enthält 4
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später auch Hieronymus wissen von einem freundschaftlichen Treffen zwi schen Philo und Petrus in Rom zu berichten, und in den byzantinischen Catenae ( 6 . Jh.) sind Exzerpte aus Philo überschrieben mit OLXWVOS e m c r K O T r o u s , so dass David Runia ihn geradezu als „Church Father honoris causa" bezeichnen konnte. Wie verhält es sich aber bei Paulus bzw. in seiner Schultradition? Die Diskussion darum, wie der „Vergleich" von Philo mit Paulus bzw. der Paulustradition methodisch angemessen durchge führt werden kann, ist eine sehr offene, wie die Vorträge und Gespräche auf dem Philo-Symposion gezeigt haben. Wenn z.B. in einer neueren Monogra phie zum Schriftverständnis der Pastoralbriefe Gerd Häfher auf die Überein stimmung von 2Tim 3 , 1 6 mit der philonischen Inspirationsvorstellung pauschal hinweisen kann und damit das Problem für geklärt hält, dann wirft dieses Urteil in Wahrheit mehr Fragen auf, als dass es tatsächlich zur Klärung beiträgt. Inwiefern also hilft der Vergleich mit Philo, zu einer angemessenen Inter pretation jener für die Vorstellung von der Theopneustie der Schrift so entscheidenden Stelle 2Tim 3 , 1 6 zu gelangen? Was ist das „Philonische" an dieser Schriftstelle? Zur Klärung dieser Fragen soll im Folgenden in vier weiteren Schritten vorgegangen werden: 9
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IL Strukturelle und inhaltliche Beobachtungen zur Inspiration der Schrift in 2Tim 3,16. III. Welche Beziehung zur philonischen Auffassung von Inspiration lässt sich feststellen? IV. Welche Konsequenzen ergeben sich für das Verständnis von 2Tim 3,16? V. Zusammenfassung
offenbar kirchliche Vorschriften, welche noch heute bei uns beobachtet werden" (zitiert nach: Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte, hg. u. eingeleitet von H. Kraft, Darmstadt 1989, 132). Gemeint ist Philos Traktat über die Therapeuten De vita contemplativa. Eusebius widmet Philo zwei lange Paragraphen (hist.eccl. II 17 und 18), vgl. R U N I A , Literature (s. Anm. 6), 212-234. De viris illustribus 11, vgl. R U N I A , Literature (s. Anm. 6), 312-319. Vgl. R U N I A , Literature (s. Anm. 6), 3. > Ebd. Vgl. dazu R U N I A , Literature (s. Anm. 6), 66-74. Runia hält es aufgrund der Notiz in Prov II 107 für möglich, dass Philo auf seiner Jerusalemreise mit den Ereignissen des Todes Jesu in Berührung gekommen sein könnte (a.a.O., 3); vgl. auch Flacc 36-40 und die Nähe dieser Stelle zur Domenkrönung Jesu, ebd. Anm. 2 u. jetzt P.W. V A N DER H O R S T , Philo's Flaccus. The First Pogrom, Philo of Alexandria Commentary Series 2, Leiden u.a. 2003, z.St. G. HAFNER, Nützlich zur Belehrung (2Tim 3,16). Die Rolle der Schrift in den Pasto ralbriefen im Rahmen der Paulusrezeption, HBS 25, Freiburg u.a. 2000, 240. 3
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II. Strukturelle und inhaltliche Beobachtungen Hier ist eine Konzentration auf das Wesentliche geboten, denn es gibt keinen Buchstaben dieses Textes, der nicht mehrfach hin und her gewendet wurde, zuletzt ausführlich in der bereits genannten Monographie Hämers zum Thema Schriftverständnis der Pastoralbriefe. Die Aussage über die Inspiriertheit von Schrift in 2Tim 3 schließt den Zusammenhang einer zweifach strukturierten Ermahnung ab, die in 3,10 und 3,14 jeweils mit einem betonten ov 8e eingeleitet wird und damit den Angeredeten (Timotheus) von den Falschlehrern abgrenzt. Unter diesem Vorzeichen stehen die nachfolgenden Aussagen über die Schrift. Während der erste Teil der Ermahnung (V. 10-13) auf die Lehre und das Vorbild des Apostels verweist, ist der zweite Teil (V. 14-17) auf das Gelernte (ev olg e\iaQes) und Vertraute (€TTIO"T(I)6T)S) gerichtet, was mit der Kenntnis der heiligen Schriften von Kindesbeinen an ( d i r ö ßpecpous [ T d ] Upd y p d | i u a . T a o l S a s ) konkretisiert wird. Dabei steht V. 16 in einer eigentümlichen Beziehung zu den vorangegan genen Ermahnungen, obwohl es keine grammatische Verknüpfung gibt, weder durch eine Konjunktion noch durch eine einfache Partikel wie 8e oder K a i . Der umstrittene Begriff ypa<j)Ti nimmt aber zweifellos Bezug auf die l e p d y p d p . p . a T a von V. 15. Das Attribut Trdcra unterstreicht diese Relation: die lepd y p d | i | ± a T a sind iräoa ypct(j)"n (ohne dass damit über deren konkre ten Umfang etwas gesagt ist). Und darauf liegt auch der Ton: Jede Schrift dieser „heiligen Schriften" ist nützlich zur Lehre. 13
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S. Anm. 12, bes. 224-273. Zur inhaltlichen Abgrenzung und Sinneinheit von 3,14-17 vgl.
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(s. Anm. 12),
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Vgl. M. D I B E L I U S , Die Pastoralbriefe, HNT 13, Tübingen 1955, 88; J.N. K E L L Y , The Pastoral Epistles, BNTC, London 1960, 198.202; N. B R O X , Die Pastoralbriefe, RNT 7/2, Regensburg 1969, 257; L. O B E R L I N N E R , Die Pastoralbriefe 2: Kommentar zum zweiten Timotheusbrief, HThK XI/2, Freiburg u.a. 1995, 136; L.T. J O H N S O N , The First and Second Letters to Timothy, AncB 35A, New York u.a. 2001, 416; H Ä F N E R , Belehrung (s. Anm. 12), 238; sowie F. SlEGERT, Die Inspiration der Heiligen Schriften: Ein philonisches Votum zu 2Tim 3,16, in diesem Band, 205-222 (205-209). Sprachlich sinnvoll wäre im Deutschen daher durchaus auch: „alle Schrift" (Luther), vgl. auch im Englischen G.D. F E E , 1 and 2 Timothy, Titus, New International Biblical Commentary 13, Peabody, Mass. 1988, 279; R.F. C O L L I N S , I & II Timothy and Titus. A Commentary, The New Testament Library, Louisville/London 2002, 254.263 u.a.: „all Scripture". Unwahrscheinlich ist wegen der Korrespondenz zu l e p d ypd\i\iara die Bedeu tung .jede Bibelstelle" (G.HOLTZ, Die Pastoralbriefe, ThHK 13, Berlin 1986, 183.188; vgl. schon A. S C H L A T T E R , Die Kirche der Griechen im Urteil des Paulus. Eine Auslegung seiner Briefe an Timotheus und Titus, Stuttgart 1983, 259); vgl. dazu LH. M A R S H A L L , A Critical and Exegetical Commentary on the Pastoral Epistles, ICC, Edinburgh 1999, 792f; H Ä F N E R , 4
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Unter dieser Voraussetzung lässt sich auch die syntaktische Zuordnung von GeöiTveuoTOs in der umstrittenen Nominalkonstruktion des V. 16 besser verstehen, denn dadurch wird die prädikative Zuordnung des Wortes G e ö r r v e u a r o s zu ypafyi) inhaltlich wahrscheinlicher: ,Jede Schrift ist von Gottes Geist durchweht und (als solche) nützlich ..." Howard Marshall hat dies in seinem neuen Kommentar gegenüber der in den meisten Auslegungen bevorzugten attributiven Zuordnung überzeugend begründet. Das Gewicht der Aussage, das ohnehin schon auf Träcra liegt, wird verstärkt, und der Begriff GeÖTTveuoros bekommt ein eigenes Gewicht in der Aussage. Das wird sich für die Bestimmung der abweichenden Auffassung der Gegner im 2Tim als wesentlich erweisen. Im Fall eines attributiven Verständnisses („Jede von Gottes Geist durchwehte Schrift ist auch nützlich ...") wäre nicht nur das Kai inhaltlich schwierig anzuschließen, sondern GeÖTTvevaTos wäre als Hinweis auf ein ohnehin selbstverständliches Schriftattribut überflüssig. Für das Herausstellen der Nützlichkeit der Schrift wäre - wie etwa Rom 15,4 17
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Belehrung (s. Anm. 12), 237f. Ebenso unwahrscheinlich ist aus sprachlichen Gründen die Übersetzung „die ganze Schrift", vgl. J.D. QuiNN/W.C. W A C K E R , The First and Second Letters to Timothy. A New Translation with Notes and Commentary, The Eerdmans Critical Commentary, Grand Rapids/Cambridge 2000, 42.746: „all the Scripture" (in der Erläuterung dann aber: „,all Scripture' or .every Scripture'", 759f); W H I T L O C K , Schrift (s. Anm. 5), 412 mit Anm. 24 u.a., weil dann ein Artikel vor ypar| zu erwarten wäre, vgl. F. B L A S S / A . D E B R U N N E R / F . R E H K O P F , Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 1990, §275,1. M A R S H A L L , Pastoral Epistles (s. Anm. 16), 792f; so jetzt auch W H I T L O C K , Schrift (s. Anm. 5), 412. Vgl. bereits KELLY, Pastoral Epistles (s. Anm. 15), 202, der zu Recht auf die grammatische Parallele in lTim 4,4 verweist; ferner auch auf 3Makk 3,29. Anders bei D I B E L I U S , Pastoralbriefe (s. Anm. 15), 90; B R O X , Pastoralbriefe (s. Anm. 15), 261; dazu die ausführliche Darstellung der Argumente bei H Ä F N E R , Belehrung (s. Anm. 12), 239-242. Zur Übersetzung von öeoiTveuaTos mit der Wendung „von Gottes Geist durchweht" vgl. P. S T U H L M A C H E R , Der Kanon und seine Auslegung, in: D E R S . , Biblische Theologie und Evangelium. Gesammelte Aufsätze, WUNT 146, Tübingen 2002, 167-190, hier 180 u.ö. Schon JA. Bengel schrieb dazu (JA. B E N G E L , Gnomon. Auslegung des Neuen Testaments in fortlaufenden Anmerkungen, Bd. 11,1: Briefe und Offenbarung. Deutsch von C.F. Werner, Berlin 1952, 495): „(Griechisch]. Rühret von Gottes Odem her;) diese Worte enthalten eben das, was Paulus von der h[eiligen]. Schrift, die mit diesem ihrem Namen genugsam bezeichnet ist, hat aussagen wollen, daß sie nämlich von Gottes Odem herrühre, und zwar nicht bloß hinsichtlich der Verfasser, welche Gottes Odem unter dem Schreiben anwehte, sondern auch beim Lesen, indem Gott durch die Schrift seinen Geist wehen läßt, und die Schrift Ihn selbst gleichsam athmet. Daher ist sie nützlich." Vgl. auch W E B E R , Dogmatik (s. Anm. 2), 259. 17
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Anders jetzt wieder D.-A. KOCH, Art. Inspiration II, Neues Testament, RGG IV, 2001, 168f (168). M A R S H A L L , Pastoral Epistles (s. Anm. 16), 793: „It is more likely that the reference to inspiration is part of what the author wants to affirm about Scripture in order to defend its universal usefulness ...". 1
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zeigt - weder der Hinweis auf die Theopneustie noch die ausdrückliche Betonungy'ecfe Schrift notwendig. Strukturell und inhaltlich bedeutsam ist schließlich der Nachsatz in V. 17, der grammatisch als Finalsatz eine Absicht oder einen Zweck angeben sollte. Ungewöhnlich an dieser Konstruktion ist jedoch, dass der Vordersatz als Hauptsatz keine finite Verbform enthält und in seiner nominalen Struktur keine Handlung eines Subjektes zum Ausdruck bringt, auf das bezogen dann - wie in V. 17 - eine Folgehandlung oder ein Ergebnis formuliert werden könnte. Die Frage ist, welche Konsequenz die Schriftaussage von V. 16 im Blick auf den „Menschen Gottes" hat und wer damit gemeint ist. Oft wird V. 17 auf die Bedeutung der Schrift für alle Glaubenden bezogen, doch auch hier steht der Gemeindeleiter als dvGpwTros 9 e o 0 im Mittelpunkt des Interesses (vgl. lTim 6,11), so dass im Finalsatz die Bedeutung der Schrift für den Dienst des Gemeindeleiters beschrieben ist. In welchem Verhältnis aber steht diese Aussage über den Lehrer der Gemeinde zur Inspiration der Schrift? Um diese Frage zu beantworten, muss noch ein Blick auf die Bedeutung ö e ö n v e u a T o s geworfen werden. Der darin enthaltene Wortstamm des Verbums irveiv verweist auf die Beteiligung des Geistes Gottes, der nach 2Tim 1,14 auch in den Glaubenden wirksam ist. Durch die Wortbildung von GeÖTTveuoros wird zunächst deutlich, dass am göttlichen Ursprung des ausgesagten Schriftattributes kein Zweifel bestehen kann. Ob jedoch die Übersetzung „gottgehaucht" - die zweifellos diesen Aspekt umgreift - ausreicht, ist schwer zu beurteilen. Mit anderen wählt 20
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Hinzu kommt sprachlich, dass das zwischen GeötTveuaTOs und (ic|)eXi|ios stehende K a i nicht nur schwierig platziert, sondern mit „auch" zu übersetzen wäre, was aber keinen Sinn ergibt; es wäre funktionslos, vgl. M A R S H A L L , Pastoral Epistles (s. Anm. 16), 793. Allerdings meint Marshall ebenfalls, dass die Hauptaussage in der Nützlichkeit besteht (a.a.O., 795). Vgl. auch oben Anm. 16. H Ä F N E R , Belehrung (s. Anm. 12), 251: eher Gemeindeleiter, da in Tit 2,7 „Titus" als Typos guter Werke genannt ist und Titus eben für den Amtsträger schlechthin steht. „Da die fiktiven Adressaten der Past durchweg als Typen des Gemeindeleiters zu sehen sind, zielt auch diese Anrede auf den Amtsträger." (252) Dementsprechend meint die Wendung Jedes gute Werk" in V. 17 nicht Liebeswerke allgemein, sondern „in erster Linie ... die gute Ausübung des Vorsteheramtes" (253). Auch der Gebrauch des Begriffes dvGpwrros 0eoO in der Septuaginta für Führungspersönlichkeiten (vgl. F. S I E G E R T , Zwischen Hebräischer Bibel und Altem Testament. Eine Einführung in die Septuaginta, Münsteraner Judaistische Studien 9, Münster 2001, 295: „Gottesmann"; vgl. auch bei Philo Gig 60f) spricht für den Bezug auf den Gemeindeleiter. Vgl. schon D I B E L I U S , Pastoralbriefe (s. Anm. 15), 90. Zu diesem entscheidenden Aspekt findet sich bei H Ä F N E R , Belehrung (s. Anm. 12) leider keine Interpretation. Vgl. B L A S S / D E B R U N N E R / R E H K O P F , Grammatik (s. Anm. 16), § 175,4. So H Ä F N E R , Belehrung (s. Anm. 12), 237 Anm. 71. 2
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Lorenz Oberlinner die Übertragung „von Gott eingegeben" , wodurch aber der pneumatische Aspekt weniger zur Geltung kommt. Was ist aber unter der Einhauchung bzw. Eingebung zu verstehen? Wie hängt dies mit dem Verständnis des TTveOna zusammen, das ja auch in den Glaubenden wirksam ist? Folker Siegert hat auf den Zusammenhang mit Gen 2,7 hingewiesen, wo allerdings in der Septuagintafassung nicht von TrveOiia sondern von TTVOTI die Rede ist, von dem Atem, den Gott dem Menschen einhaucht (eveo-r|aev e i s T Ö TrpöatoiTOi' aÜToO m>ofjv £ü)fjs K a i eyeveTO 6 dvGpwrros e i s I | > I > X T | V
C&oav. eve$vor)oev
cbr|alv Ö T I e i s T Ö irpöodmov aÜToO TrveOua Coafjs K a i eyeveTO 6 1 dvöpuTTO? e i s ijjuxri ' Cöaav irdXiv 8id T O U T O U TTapicrrds, Ö T I TtveOna f) i^uxiis o i i a i a . 2
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Die Frage, ob Philo den Begriff bewusst ersetzt oder einen differierenden Text vorliegen hatte, muss hierbei berücksichtigt werden, ist aber kaum zu entscheiden, vgl. aber Somn I 34; QuaestGen II 59. Der sonst identische Wortlaut des Zitats könnte auf eine bewusste Substitution hinweisen, wobei freilich die Bedeutung des Wortlautes der Schrift bei Philo oft bis in den Buchstaben hinein gegen ein solches Verfahren sprechen würde (für diesen Hinweis danke ich Frau PD Dr. Martina Böhm). Wichtig ist, dass er von dieser Begrifflichkeit aus argumentiert. D I B E L I U S , Pastoralbriefe (s. Anm. 15), 90; A.T. H A N S O N , Studies in the Pastoral Epistles, London 1968,45f.52. H Ä F N E R , Belehrung (s. Anm. 12), 240; vgl. E. P L Ü M A C H E R , Art. Bibel II. Die Heiligen Schriften des Judentums im Urchristentum, TRE VI, 1980, 8-22; H A N S O N , Studies (s. Anm. 30), 54; K O C H , Inspiration (s. Anm. 18), 168. 3
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Geistes im Propheten im Anschluss an Plato (Ion 534b) verkündet." Die Frage ist aber, ob dies einfach so vorausgesetzt werden kann. In der Forschung hat sich demgegenüber inzwischen die Einschätzung durchgesetzt, dass von einem einheitlichen Inspirations- bzw. Schriftverständnis bei Philo keine Rede sein kann. Siegert hat z.B. den stoischen und platonischen Einfluss auf Philos Pneuma- und Inspirationsvorstellung sehr viel differenzierter vorgestellt. Philo spricht danach nicht unmittelbar von der Inspiration der Schrift, sondern von der Inspiriertheit des in ihr zu Wort kommenden Propheten, durch den das göttliche T T v e ü j i a wirkt (vergleichbar mit der klassischen Beschreibung göttlicher Geistwirkung in der Weisheit nach SapSal 7,21-27). üveOua wird verstanden als der alles durchdringende feine Stoff, als das von Gott in den Menschen Gegebene, Eingehauchte (Det 80-90; LegAll 137f), das Erkenntnis ermöglicht. nveüu\a ist das Wesen der Seele (r| il^x^S ovoia, Det 81). Philo interpretiert dies als schöpferisches Ereignis, indem er auf die biblische Schöpfungsgeschichte als Analogie zurückgreift, in der er, wie gesagt, statt Trvof| den hier entscheidenden Begriff T r v e ü ( i a liest. Der Erkenntnisvorgang ist so vorgestellt, dass der mensch liche vovs den göttlichen Geist nicht nur empfangt, sondern im äußersten Fall sogar dadurch ersetzt wird (VitMos I 283; SpecLeg IV 49; Her 265). Doch geht es nicht nur um eine einfache Substitution, denn der Ursprung der Heili gen Schrift wäre dadurch noch nicht hinreichend definiert. Die bei Philo damit verbundene Ekstasis-Vorstellung ist notwendiges Bindeglied zwi schen dieser Auffassung einer Inspiration des Menschen bzw. Propheten (d.h. Mose) durch den göttlichen Geist und dem prophetischen Hervorbringen jener Schriften des Alten Testaments (VitMos II 37). Die Schriften können daher in Gestalt der griechischen Übersetzung als ekstatisch inspirierte, d.h. von Gottes Geist in und durch Menschen hervorgebrachte Schriften gelten. 33
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DlBELIUS, Pastoralbriefe (s. Anm. 15), 90. An der bei Dibelius genannten PlatonStelle ist von Sokrates die Rede, der vom Schriftsteller als einem Ekstatiker spricht, vgl. auch Phaidr. 265. WHITLOCK, Schrift (s. Anm. 5), z.B. erörtert diese Frage nicht. S I E G E R T , Philon (s. Anm. 27), 86-91, sowie seinen Beitrag in diesem Band; vgl. Ff. K R A F T , Die Kirchenväter bis zum Konzil von Nicäa, Sammlung Dieterich 312, Bremen 1966, 94-104. Vgl. WHITLOCK, Schrift (s. Anm. 5), 112. SIEGERT, Philon (s. Anm. 27), 87f; vgl. WHITLOCK, Schrift (s. Anm. 5), 109-113. S.o. Anm. 29. SlEGERT, Philon (s. Anm. 27), 88. Vgl. WHITLOCK, Schrift (s. Anm. 5), 114f. Vgl. Y. AMIR, Die hellenistische Gestalt des Judentums bei Philon von Alexandrien, FJCD 5, Neukirchen-Vluyn 1983,71. 3 3
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Erst als solche können sie Grundlage des jüdischen Glaubens, besser: der jüdischen Philosophie sein. Der Modus der prophetischen Ekstase ist es, der verständlich werden lässt, „warum in den Worten der Tora, obwohl Philon sie als Stiläußerung mensch licher Rede faßt, für ihn auch der getreue Widerhall göttlicher Inspiration hörbar wird. Es ist die Rede eines Menschen, aber eines Menschen, mit dem Gott spricht." Der schöpferische Aspekt darf dabei für Philo nicht vergessen werden, denn für ihn ist - entsprechend seinem Wortlaut der griechischen Version von Gen 2,7 - der lebendige Atem, der dem Menschen bei der Schöpfung von Gott eingehaucht wird, bereits das göttliche TrveO|ia (Det 80f). Dennoch bleibt diese Geistvermittlung von der aktuellen Geistbega bung der Propheten unterschieden, die Gottes Wort vermitteln, indem sein TTveöiia durch sie hindurch klingt. Ähnlich wie Siegert beurteilt auch Helmut Burkhardt das Schriftver ständnis Philos. Er spricht von „inspirierter Weisheit" . Gemeint ist damit jener Zusammenhang, wonach Schrift nicht unmittelbar göttlicher Eingebung entspringt, sondern die vermittelnde Instanz des Menschen, des mit göttlicher Weisheit begabten Propheten, braucht. „Die Schrift wäre danach Nieder schlag und literarisches Dokument solcher Weisheit." Das ekstatische Moment, dass dabei - wie gesagt im äußersten Fall - die „eigene" Weisheit des Propheten von göttlicher Weisheit und göttlichem Geist verdrängt wird, hebt auch Burkhardt deutlich hervor (SpecLeg I 65; IV 49; Her 264-266 u.ö.), relativiert es aber zugleich als ein „Interpretament ... gegen mensch liche Eigenmächtigkeit" . Philo verstehe dieses ekstatische Moment in der Weise, dass der Mensch sich Gott in den Dienst stellt, sich ihm weiht, sich ihm zur Verfügung stellt (SpecLeg I 196; Cher 110.113.118; Her 74); die Beteiligung des Menschen ist also nicht automatisch ausgeschaltet, ^ auch nicht aufgrund der Beeinflussung des vovs durch das TrveOua. Auch Yehoshua Amir betont dies nachdrücklich: Nach Philo ist im Unterschied zu 41
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Gestalt (s. Anm. 40), 89; vgl. a.a.O., 89f: Gott ist „po(i)etisch" im Menschen am Werk (vgl. Det 125) - im Sinne der Poiesis, des schöpferischen Gestaltens. Inspiration ist insofern ein schöpferischer Akt. 4
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Vgl. SIEGERT, Philon (s. Anm. 27), 88; s.o. mit Anm. 29.
S I E G E R T , Inspiration (s. Anm. 15), 215f, verweist hierbei auf den Begriff des TrXiiKTpov (VitMos I 274; SpecLeg IV 49; Mut 139): Der Geist ist das Plektron, das den Propheten zum, »Klingen" bringt. H. B U R K H A R D T , Die Inspiration heiliger Schriften bei Philo von Alexandrien, Gießen/Basel 1988, 213. A.a.O., 211. A.a.O., 213-218.221. Vgl. A M I R , Gestalt (s. Anm. 40), 77.106. 4
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rabbinischen Überlieferungen die Tora nicht vom Himmel gefallen sondern von Mose verfasst, aber mit der Präzisierung: „... nicht Mose als Schreiber nach Diktat, sondern Mose als Verfasser." Dabei sind die Prioritäten bei Philo klar gesetzt: „Die väterlichen Gesetze hätten vom Menschengeist nicht ohne göttliche Inspiration erdacht werden können" (Prob 80). „Man könnte also in Philo einen Vorläufer der späteren sog. Personalinspiration sehen." Fraglich ist jedoch, ob Philo diese begriffliche Kategorie angemessen ist. Aufschlussreicher ist in diesem Zusammenhang Praem 55: o i K e t o v f|v T p i T o v Xaßetv TrpoUXTI" (above n. 1), 653.
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III. Conclusions The works of Philo and 1 Peter are different, but have nevertheless several structural features in common. Among these are their reliance on narratives from the Hebrew scriptures, their application of these narratives as models of behavior as well as their creation of new stories. Furthermore, while 1 Pet 2:11 is an exhortation, the works of Philo have many comparable aspects of exhortation too. Postulating a Philonic reader of 1 Peter as a reader well versed in the works of Philo, we suggested s/he would find several other similarities: In addition to functional similarities of the use of words and phrases, a Philonic reader of 1 Pet 2:11 would also recognize several common terms as rrdpoiKOS, rrapeTTL8r)|ios, emGuuXa, a d p £ and ^V\T\. In the Philonic universe of meaning, these terms are especially associated with a particular understanding of the wise man as irdpoiKos K m rrap€Tri8r|u.osr. The wise man is the one who focuses his attention on the vision of God, the only One, struggling with his emQv[iia as it tries to distract him from his goal by tempting and subjecting his soul to the tortures of passion. The wise man subdues his emGuuXa by help of reason: By education into the virtues and a moderate life he proceeds on his way toward the light. This process in the Philonic universe is also considered as a part of the migration of the wise man's soul back to its heavenly origin. The soul, according to the Philonic view, is not the essence of man, his personality as an expression of his subjectivity or of human beings in their totality. The soul is considered as an entity of its own that enters the body at birth and leaves it at the death of the body, having the body as a temporary abode. Hence we asked how would a Philonic reader interpret 1 Pet 2:11 with its cluster of so many well-known terms from the works of Philo? Would s/he possibly understand it, and especially its anthropological part (11c), in the ways most modern interpreters understand it? Probably not. There is close to nothing in 1 Pet 2:11 that would problematize the understanding inherent in his or her symbolic Philonic universe of thought. Hence 1 Pet 2:11 may not only be considered as "the most Hellenized tyvxA passage in the NT," but as a whole also as one of the most Philonic passages of the NT.
Das Verständnis des Leidens bei Philo und im ersten Petrusbrief von KARL-HEINRICH OSTMEYER
I. Einführung Zuhause sein, in Frieden leben, in Ruhe seinem Gott dienen, geachtet von seinen Mitmenschen - ein christliches Ideal? Nicht so im ersten Petrusbrief: Da, wo gelitten wird, da ist der Christ in seinem Element. Auf den ersten Petrusbrief konzentriert sich mehr als ein Viertel der -rrdaxo)- und Trd9r)[ia-Belege des Neuen Testamentes. Der erste Petrusbrief weist damit die mit Abstand größte „Leidensdichte" aller neutestamentlichen Schriften auf. Leiden und Fremdlingschaft der Christen in der Welt, verstanden als Ausdruck besonderer Gottesnähe - das ist ein Spezifikum des ersten Petrusbriefes. Das beginnt schon mit dem ersten Vers des Briefes: Adressiert ist das Schreiben an die Fremden in der Diaspora. Sie müssen vielfältig leiden, ihr Glaube wird geprüft. Als Christen sind sie ihrer Umwelt fremd geworden. Die Fremde ist ihre eigentliche Heimat. Ein Christ kann nicht bei Gott und in der Welt zuhause sein. Christen haben sich für Gott und gegen die Welt entschieden. Als Konsequenz müssen sie nun leiden. Auch Philo beschreibt die Leiden in der Fremde. Die Verbannung, so heißt es in De Abrahamo (64), stehe zwar offiziell nur auf Platz zwei der 1
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IPetr 2,19-21.23; 3,14.17f; 4,1.15.19; 5,20. IPetr 1,11; 4,13; 5,1.9. Vgl. auch Xi)TT£to"9cti (IPetr 1,6); üiTOepeiv X U T T C X S (IPetr 2,19); TTeipaauös (IPetr 1,6; 4,12). Zur Fremdlingschaft im ersten Petrusbrief vgl. CHR. WOLFF, Christ und Welt im 1. Petrusbrief, ThLZ 100, 1975, 333-342, und R. FELDMEIER, Die Christen als Fremde. Die Metapher der Fremde in der antiken Welt, im Urchristentum und im 1. Petrusbrief, WUNT 64, Tübingen 1992. IPetr l,6f. IPetr 4,4. 2
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Ostmeyer
Strafenskala - hinter der Todesstrafe. Vor dem Richterstuhl der Wahrheit aber gebühre der Verbannimg der erste Rang. Denn - so begründet Philo und vermischt dabei metaphorisches Reden und Faktenbeschreibung - die Todesstrafe bringe kurz und schmerzlos das Ende aller Leiden. Die Verbannung in die Fremde aber bedeute den Beginn neuer Leiden und bringe nicht einen Tod, sondern Myriaden Tode mit Schmerz. Wenn es kurze Zeit zuvor - wie auch noch an anderen Stellen - bei Philo heißt, die Fremde sei die wahre Heimat, dann scheint sich der Gedanke einer Verbindung oder gar Abhängigkeit zwischen Philo und dem ersten Petrusbrief geradezu aufzudrängen. Oft reicht schon weit weniger, um zwei Autoren einer offenen oder geheimen Beziehung zu verdächtigen. Für ein wissenschaftlich haltbares Urteil genügt es jedoch nicht, sich die Ähnlichkeiten herauszusuchen. Zunächst sind das spezifische Leidens verständnis Philos und das des ersten Petrusbriefes in ihren Kontexten zu analysieren. 7
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II. Das Leidensverständnis Philos Wenn man vom „Leiden bei Philo" spricht, geschieht es leicht, dass man aneinander vorbei redet, denn es begegnen mindestens drei verschiedene Leidenskonzeptionen: 10
1. Leiden als anthropologische Konstante Für Philo zählt das Leiden zu den Grundkonstanten des Menschseins. Wer Kreatur ist, musste zunächst einmal seine Erschaffung erleiden. Gott ist der Aktive, Gott leidet nicht. Das Geschöpf hingegen ist passiv, also leidend. 11
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Abr 64. Vgl. Abr 86f. Abr 62; F E L D M E I E R , Die Christen als Fremde, (s. Anm. 4), 60, erläutert, „daß Philo als einziger die atl Rede von der Fremde nicht nur bei jeder Gelegenheit, die ihm die Texte bieten, positiv aufnimmt, sondern daß er die Fremdlingsexistenz sogar als die einzige Daseinsform behaupten kann, die dem wahren Weisen auf dieser Erde angemessen ist, und daher diesen auch direkt als Fremden bezeichnen kann. Philo bezieht den Gedanken der Fremdlingsschaft auf die Existenz des Weisen." Mit anderer Akzentsetzung spricht von einem dreifachen Leidensverständnis bei Philo auch J. C O S T E , Notion grecque et notion biblique de la .souffrance éducatrice' (à propos d'Hébreux V, 8), RecSR 43,1955, 481-523 (508-522). Cher 77.82. 8
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Das erklärt nicht, warum der Mensch - obwohl als Geschöpf seinem Wesen nach leidend - zu aktivem Handeln befähigt ist. Philo findet die Antwort in der Genesis, in dem Bericht über die Erschaffung Adams. Er deutet Adam als den vovs. Der vovs verkörpert den aktiven Part des Menschen. Obwohl Geschöpf, kann er aktiv sein, weil er aufgrund seiner Gottebenbildlichkeit auch göttliche Anteile enthält. Doch der Mensch ist nicht allein vovs. Solange der Mensch nur aus vovs besteht, fehlt ihm die Fähigkeit, mit seiner Umwelt in Kontakt zu treten. Er hat keinen Sinn für die Welt. Der Geist allein kann zwar denken, ist aber blind, taub und gefühllos usw. Ihm fehlt die sinnliche Wahrnehmung. Deshalb sprach Gott in Genesis 2,18: „Es ist nicht gut, dass der Mensch [also der Nous] allein sei." Gott nahm aus Adam eine Rippe und baute daraus Eva. Eva steht für die cucr0r|O"is, die sinnliche Wahrnehmung. Sie trat aus Adam heraus, d.h. sie ermöglichte ihm, Außenkontakt aufzu nehmen. Die aLaGncTLS kann sehen, riechen, schmecken, fühlen usw., kann diese Sinneseindrücke aber nicht verarbeiten; dazu nämlich bedarf es 12
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des v o u s .
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Beide gehören zusammen; deshalb heißt es: „Sie werden ein Fleisch sein." Da die sinnliche Wahrnehmung nur wahrnimmt, wenn sich ihr Sinneseindrücke eindrücken, ist sie passiv. Der Sehsinn wird affiziert von den Objekten des Sehens, auf den Hörsinn wirken die Laute ein, ebenso bei den anderen Sinnen. Aktiv verstehen kann nur der vovs. Die sinnliche Wahrnehmung erlei det alles, sie ist das passive, das weibliche Prinzip. Der vovs dagegen ist das männliche, das aktive Prinzip. Ihm führt Gott die a i a G r | a i s zu. Beide gemeinsam machen den Menschen aus. Entsprechend versteht Philo Gen 2,23 („das ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch"): Was die a i o G n o L s erleidet, erfährt sie nur gemeinsam mit dem vovs. Beide sind aufeinander angewiesen und bilden eine organische 19
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Gen 2,7-25; LegAll II 31-42. LegAll II 38. Gen 2,22. LegAll II 38. LegAll II 35. LegAll II 38-41. LegAll II 39-41. Gen 2,24. LegAll II 39. LegAll II 38.44.50. LegAll II 40; vgl. Gen 2,22. Vgl. Gen 1,27.
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Einheit. Die CUCTGTICTIS vermittelt dem vovs ihre punktuellen Eindrücke von der Gegenwart; er ist daraufhin imstande, diese Eindrücke, auch wenn deren Auslöser nicht mehr vorhanden sind, erinnernd oder vorausschauend zu reproduzieren. Wichtig für Philo ist in diesem Zusammenhang das Gebot: „Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass es Dir wohl ergehe und Du lange lebst auf Erden". Damit sind nicht die leiblichen Eltern gemeint, denn es heißt: „Damit es Dir wohl ergehe", nicht aber: „dass es Ihnen wohl er gehe". Also ist der einzelne Mensch gemeint, der sowohl seinen vovs, das ist sein Vater, als auch seine aia0r|ais, seine Mutter, ehren soll, wenn er will, dass es ihm gut geht. Konkret ehrt man den vovs durch tugend haftes Verhalten. Die ato-0r|o-is erfahrt Ehrung durch ihre Zügelung, auf dass sie nicht der Sinnenwelt anheim fallt. Das skizzierte Leidensverständnis ist ein anthropologisches. Es gilt all gemein für alle Menschen, egal ob Weiser, Tor, Jude oder NichtJude, und hat wenig mit unserem Verständnis von Leiden zu tun. Es handelt sich um eine Beschreibung der sinnlichen Wahrnehmung mit Hilfe von „Leidens vokabular". Unabhängig von diesem Leiden als anthropologischer Grund konstante kennt Philo auch das Leiden im „traditionellen" Sinne. Hier differenziert er in zwei Gruppen: In Strafleiden und in unverschuldetes Leiden. 25
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2. Strafleiden Philo hat bei seinen Erörterungen das Geschick und das Verhalten des Weisen im Blick. Deshalb sind die Strafleiden, die ein Sklave oder ein Verbrecher verdientermaßen zu erdulden hat, für ihn eigentlich indis kutabel. Ihre Erwähnung dient in erster Linie der Präsentation einer Negativfolie, von der sich ein Weiser abhebt: Das Leiden eines Weisen hat eine ganz andere Qualität als die Leiden der zu Recht von den Kräften Gottes oder von Menschen Bestraften. Von Bedeutung für das philonische Verständnis der Herkunft der Leiden ist, dass nicht Gott selber straft. Gott kommt nicht mit der Materie in Berührung. Philo leitet dieses 29
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LegAll II 40f; vgl. Det 49f. LegAll II 42f. Ex 20,12; Dtn 5,16. Det 52; in Det 54 werden der Vater auf den Schöpfer der Welt und die Mutter auf die Weisheit gedeutet. Det 53. Cher 80. Abr 121f.l43-146; Fug 66; vgl. Sacr 131; Conf 137. 2 5
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Verständnis ab aus Gen 18 und 19. Drei Männer besuchen Abraham, und nur zwei von ihnen gehen weiter nach Sodom. Für Philo bedeutet dies: Gott selber ist der Seiende, er sendet seine beiden Kräfte aus: die strafende Kraft, das ist der Kyrios, um die Stadt zu zerstören, und die wohltuende, den Theos, um Lot samt seinen Töchtern zu retten. Entscheidend ist: Leiden kommen nicht direkt von Gott. 32
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3. Unverdientes Leiden und Konsequenzen für das menschliche Handeln Interessant für einen Vergleich des Verständnisses der Leiden bei Philo und im ersten Petrusbrief wird es bei den Leiden, die unserem Verständnis von Leiden entsprechen und die zugleich nicht als verdiente Strafleiden zu klassifizieren sind: Dem Leiden der Unschuldigen. Dass es Leiden gibt, liegt für Philo in der Schöpfungsordnung begrün det. Das gilt für das „Leiden" im Sinne der sinnlichen Wahrnehmung, aber auch für alle sonstigen Leiden. Hier zeigt sich, dass die verschiedenen Leidenskonzeptionen nicht separat nebeneinander stehen, sondern mit einander verzahnt sind. Weil der Mensch Kreatur ist, muss er leiden. Zugleich ist Gott nicht Urheber der einzelnen Leiden. Sie sind nicht zielgerichtet dem Individuum zugedacht, sondern gehören zu seinem Kreatur-Sein wie die ihn umgebende Luft. Wie soll sich der Mensch verhalten? Soll er sich gegen die schöpfungs bedingten Leiden auflehnen? Die Frage ist rhetorisch. Wer das versucht, 35
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Gen 18,1-15; Sacr 59. Genl9,lff. Vgl. F. H A H N , Die Gestalt Abrahams in der Sicht Philos, in: Zion. Ort der Begegnung. FS L. Klein, hg. von F. Hahn, F.-L. Hossfeld, H. Jorissen u. A. Neuwirth, BBB 90, Bodenheim 1993, 210: In Gen 18 „zeigt sich, daß die von Gott als dem wahrhaft .Seienden' (6 (5v) ausgehenden Kräfte (Suvapeis) erfahrbar sind, und zwar sowohl die schöpferische als auch die bewahrende Kraft Gottes, die von Philo mit ,Gott' (0e6s) und .Herr' (Kupios) bezeichnet werden." L. C O H N skizziert Philos Deutung der alttestamentlichen Gottesnamen in der Einleitung zum ersten Teil der von ihm herausgegeben Ausgabe: Die Werke Philos von Alexandria. In Deutscher Übersetzung, Breslau 1909, Band 1, 19: „Philo spricht an mehreren Stellen von zwei höchsten Kräften oder Eigenschaften Gottes, die von dem über ihnen stehenden Logos zuammengehalten werden (oder von ihm ausgehen): Güte und Macht. Er findet sie ausgedrückt in den beiden Gottesnamen, die abwechselnd in der Bibel gebraucht sind und die in der Septuaginta mit 0eös (Gott) und Kupios (Herr) wiedergegeben werden. Die eine Kraft nennt er auch die schöpferische, wohltuende, gnädige, die andere die königliche, leitende und strafende; diese Attribute werden von ihm aus den griechischen Ausdrücken Oeös [von Tiönpi z.B. SpecLeg I 307; Mut 28f; vgl. Herodot, hist. II 52; Erläuterung Vf.] und Kupios abgeleitet." Cher 77.82. 3 2
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leugnet seine Rolle als Geschöpf und setzt sich selbst an die Stelle des Schöpfers. Philo vergleicht einen solchen Menschen mit Sisyphus, der sich gegen das Unvermeidliche anstemmt und unweigerlich immer wieder von den Vorkommnissen überrollt wird. Wer gegen die Schöpfungsordnung rebelliert, muss wie ein Sklave oder wie leblose Materie alles über sich ergehen lassen. Wer aber nur erduldet, gebärdet sich unmännlich, d.h. er wird seinem vovs nicht gerecht. Wer sich freiwillig in alles fügt, ähnelt einem Schaf, das geschoren wird und passiv alles erträgt. Wenn aber sowohl Rebellion als auch das Sich-Fügen als adäquate Formen des Umgangs mit den Leiden wegfallen, wie sieht dann die rechte Verhaltensweise aus? Sie entspricht der gemischten menschlichen Natur. Der Mensch ist zugleich Subjekt und Objekt des Leidens. Als Beispiele führt Philo unter anderem den Athleten an, der aktiv körperliche Übungen durchführt und im selben Moment diese Übungen erleidet und durch sie ermüdet wird. Wer sich aktiv tötet, erleidet dadurch selber den Tod. Der Mensch besteht aus passiver aia0r|cris und aktivem vovs. Zwar muss er leiden, doch ist er auch gehalten, seinen vovs aktiv einzusetzen. Er nimmt sein Schicksal an und stellt sich wie ein Fechter dem unausweichlichen Kampf. Er weicht den Leidensschlägen aus, pariert sie und ficht dagegen. Das ist die wahrhaft männliche Haltung, daran erkennt man den Weisen. Weder Passivität, noch Auflehnung gegen die Schöpfungsordnung, sondern mannhafter Kampf im Leiden ist das Ideal. Das Leiden wird für den wahrhaft Weisen zur Arena und zum Kampfplatz der Bewährung. 36
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III. Das Leidensverständnis des ersten Petrusbriefes 1. Unterschiede im Leidensverständnis gegenüber Philo Im ersten Petrusbrief finden sich Anklänge an zwei der drei philonischen Leidensvorstellungen. Es fehlen das Verständnis der sinnlichen Wahrneh mung als einer Form des Leidens und die damit verbundenen Erwägungen über den aktiven männlichen vovs und die leidende weibliche aio-0T)ais.
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Cher 78. Cher 80. Cher 79. Det49. Cher81f. Cher 78.
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Die Erwähnung von Mann und Frau in IPetr 3,1-7 dient der Hervorhe bung der Gleichwertigkeit beider bezogen auf das Heil - ein Punkt der bei Philo im Kontext der Leiden nicht im Blick ist. Es geht um das Einordnen in gesellschaftliche Gegebenheiten, um missionarische Lebensführung und um gegenseitige Rücksichtnahme auf geschlechtsspezifische Eigen heiten. In IPetr 3,7 wird begründet, warum die Männer den Frauen mit Einsicht begegnen und ihnen die Ehre (nur)) geben sollen: Frauen als „das schwächere Gefäß" sind Miterben der Gnade des Lebens (xcipis 42
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Einigkeit herrscht bei beiden Autoren bezüglich der Bewertung des Strafleidens. Bei Philo stehen Strafleiden einem Weisen nicht an, im ersten Petrusbrief sind sie eines Christen unwürdig. Leiden haben keinen Wert an sich. Wer wegen seiner Sünden oder Vergehen leidet, darf sich nicht mit dem zu Unrecht leidenden Christus verbunden fühlen. Niemand leide als Mörder, Verbrecher etc. 45
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2. Das unverdiente Leiden im ersten Petrusbrief Soll das Leidensverständnis der beiden Autoren verglichen werden, geht es allein um die dritte der Leidenskategorien bei Philo: Das unverdiente Leiden. Hier überwiegen die Unterschiede. Die Adressatengemeinde des ersten Petrusbriefes hat ein Problem, das nach einer Erklärung verlangt. Warum leiden gerade die Christen? Warum sehen sie sich als Christen mit besonderen Leiden konfrontiert?
J.H. E L L I O T T , 1 Peter. A New Translation with Introduction and Commentary, AncB 37b, New York u.a. 2000, 582: Die Anweisungen „are reflective of historical and social custom rather than of an absolute and abiding 'order of creation' established by God". IPetr 3,1-6. Vgl. IThess 4,4. E.G. SELWYN, The First Epistle of St. Peter, London 1949, 187: „The , vessel' here thought of is the whole personality of the wife regarded as a representative of her sex. We might translate the phrase , rendering chivalrous respect to the woman in them, as the weaker sex'." Cher 80. N. B R O X , Der erste Petrusbrief, EKK XXI, Zürich, Neukirchen-Vluyn 1979, 221: „Mit der Unterscheidung der prinzipiell verschiedenen Gründe, aus denen , gelitten' wird, will Ps-Petrus bei seinen Lesern die Einsicht in die prinzipielle Verschiedenheit des jeweiligen Leidens erreichen." IPetr 2,20a; 4,15. IPetr 2,22. IPetr 2,20; 4,15. 4
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Zunächst ist zu erörtern, welche Art von Leiden der Autor des ersten Petrusbriefes im Blick hatte. An blutige Christenverfolgungen und Märtyrertum ist noch nicht gedacht. Das, was den Gliedern der christlichen Gemeinde des ersten Petrusbriefes widerfahrt, sind Ausgrenzung und Verleumdung. Ihre Umwelt ist befremdet darüber, dass die ehemaligen Weggefahrten, seitdem die sich als Christen verstehen, nicht mehr wie zuvor mitlaufen. Man reagiert mit Lästerungen. Christen treten damit in Christi Fußstapfen, der ebenfalls geschmäht wurde und litt. Die Christen sind aufgefordert, das, was ihnen begegnet, als Prüfung zu verste hen, analog zum Gold, das durch Feuer geläutert wird. Möglicherweise wurden christliche Sklaven „absonderlicher Herren" auch körperlich ge züchtigt, denn das Ertragen von Leiden wegen guter Taten wird dem Geschlagenwerden als Strafe für Missetaten gegenübergestellt. Auf akute Lebensgefahr für Christen aufgrund ihres christlichen Bekenntnisses lässt der erste Petrusbrief nicht schließen. Bei Philo spielen Leidensunterschiede zwischen verschiedenen Gruppen keine Rolle. Ein Weiser erfährt sich nicht als Leidensmagnet. Im Gegen teil, weil der Weise bewusst gegen das Leiden ankämpft und ihm geschickt ausweicht, leidet er weniger als die unweisen Menschen in seiner Umwelt. Unter dem Aspekt der Leidensökonomie erweist sich das Christsein von der Warte Philos aus als große Dummheit. Ein weiterer gravierender Unterschied zwischen Philo und dem ersten Petrusbrief besteht darin, dass der erste Petrusbrief das Leiden als von Gott kommend deutet. Es geschieht zur Prüfung und ist Bestandteil des Gerichtes, das beim Hause Gottes seinen Ausgang nimmt. Das Leiden 50
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Vgl. F.-R. P R O S T M E I E R , Handlungsmodelle im ersten Petrusbrief, fzb 63, Würzburg 1990, 57f: Es ist nicht „die Rede vom gewaltsamen Tod der Christen [...]. Hierzu gesellt sich die Beobachtung, daß der 1 Petr dort, wo er in seinen Angaben genauer wird, gleichzeitig das Szenario einer blutigen Verfolgung vermeidet." ELLIOTT, 1 Peter (s. Anm. 42), 808: „Martyrdom [...] is not an issue here." IPetr 4,2-4. 1 Petr 4,4. IPetr 2,21.23. IPetr l,6f; 4,12. IPetr 2,18; E L L I O T T , 1 Peter (s. Anm. 42), 517: „The word skolios (,cruel\ lit., ,crooked') is rarely used of persons in Classical Greek but in the L X X qualifies a generation as .crooked' [...], in that it deviates from God's justice. The sense of ,unjust' would fit here in the light of,suffering unjustly' (v 19c) and ,suffer though doing what is right' (v 20d). But as a contrast to the qualities mentioned in v 18b, it probably describes masters who are unfair, cruel, or harsh, and inflict ,pain' (v 19c)." IPetr 2,20; vgl. 2,12; 4,15. IPetr l,6f; 4,12. IPetr 4,17. 5 1
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der Christen geschieht gemäß dem Willen Gottes. Indem die Christen ihre Leiden standhaft ertragen, übergeben sie ihre Seele dem treuen Schöpfer. An drei von vier 9eXr)p:a-Stellen wird das Leiden als Gottes Wille bezeichnet. Leiden ist x^P S bei Gott. Durch Leiden treten Christen in Christi Fußstapfen. Der Annahme des Leidens bei Petrus steht das Ankämpfen bei Philo gegenüber. Nach Philos Verständnis kommen Leiden nicht von Gott, sondern der Mensch hat sich im Kampf gegen das Leiden als Gott zugehörig zu erweisen. 60
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3. Leiden als Modi der Begegnung mit Gott 3.1 Leiden und Verherrlichung Gottes im ersten Petrusbrief Mehrfach werden die Christen dazu angehalten, so zu handeln, dass es der Doxa Gottes dient. Auffällig ist, dass die Mehrzahl der 8o£d£w-/8ö£aBelege im Kontext von Erklärungen für das Leiden der Gläubigen erscheint: Die Christen erdulden jetzt Versuchungen, die der Erprobung und der Bewährung des Glaubens dienen. IPetr 1,7 vergleicht sie mit dem Läutern von Gold. Die Erprobung dient der 8ö£a, dem eTrcuvos und der TIUT| des Glaubens an Christus. Über ihn jubeln die Christen mit unaussprechlicher und „verherrlichter Freude" (xapd 8e8o£ao"p.evr|). In IPetr 2,12 sehen sich die Christen Anfeindungen und Verleumdungen der Umwelt gegenüber. Doch ihre guten Werke im Angesicht der Feinde ziehen zwar Leiden nach sich, bewirken aber, dass diejenigen, unter denen sie jetzt leiden, Gott am Tag der Heimsuchung verherrlichen werden. 64
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H. M I L L A U E R , Leiden als Gnade. Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung zur Leidenstheologie des ersten Petrusbriefes, EHS.T, 56, Bern/Frankfurt a. M . 1976, 98: „Gott beruft in die Nachfolge. Deshalb ist das Leiden nichts Befremdliches (4,12), es geschieht nach dem Willen Gottes (3,17; vgl. 1,6) und ist Erweis seiner Liebe gegenüber dem Glaubenden." IPetr 4,19. IPetr 3,16-18; 4,lf.l9. IPetr 2,20. IPetr 2,21. IPetr 2,12; 4,11.16. tTeipaa|ioi, IPetr 1,6. Vgl. IPetr 4,12. IPetr 1,7. IPetr 1,8. B R O X , Petrusbrief (s. Anm. 46), 113, spricht von einer ,,werbende[n] Wirkung" der guten Taten. Es ist umstritten, ob bei der T i j i e p a e-mo-KOTTfjs an das Endgericht oder in individuellem Sinne an den Tag der Bekehrung gedacht ist. Zur Diskussion vgl. 6 0
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Die Ermahnung, mit allem Tun und Reden Gott zu verherrlichen, ist eingebettet in die Erklärung, dass dieses typisch christliche Handeln Leiden und Verfolgungen nach sich ziehen wird. Im gegenwärtigen Äon sind Verherrlichung Gottes, Christsein und Leiden untrennbar verknüpft. Der Christ ist nicht dieser Welt gleichförmig. Er hat seine Heimat bei Gott und muss deshalb in seiner Gegenwart als gut handelnder Mensch immer wieder auf Befremden stoßen. Die daraus resultierenden Leiden belegen, dass er in der Nachfolge Christi steht. Wer in der unchrist lichen Welt leidet, weil er sich als Christ bekennt, verherrlicht in diesem Namen Gott gerade durch sein Leiden. Leiden geben dem Gläubigen die Gewissheit, auf der richtigen Spur zu sein. Nirgends im ersten Petrusbrief werden die Nähe Gottes und sein Wille intensiver erfahren als im Leiden. Wer leidet, gehört zu Gott und nicht zur Welt. 71
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3.2 Leiden und Freude Die vom Verfasser des ersten Petrusbriefes propagierte Form des Kommu nizierens mit Gott ist das Leiden. Es handelt sich dabei um mehr als um ein passives Erdulden, sondern gemahnt wird zu aktiver Annahme des Leidens als von Gott gegeben. Leiden im Namen Christi gehören zum Wesen des Christen und dienen der Verherrlichung Gottes. 79
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L. G O P P E L T , Der Erste Petrusbrief, KEK XII/1, 1. Aufl. der Neubearbeitung, Göttingen 1978, 161f. lPetr4,ll. IPetr 4,7-19; vgl. 3,14-17. IPetr 4,2-4. Gerade Gutestun (aYaOoiToieiv) zieht im ersten Petrusbrief regelmäßig Leiden nach sich (IPetr 2,20; 3,17; 4,19). IPetr 2,21; 3,17f; 4,1. Außer in IPetr 4,16 begegnet die Bezeichnung eines Christen als X p i a n a v ö s nur in Act 11,26; 26,28. B R O X , Petrusbrief (s. Anm. 46), 222: Leiden als Christ „bedeutet nicht Schande, sondern Verherrlichung Gottes." IPetr 2,20f; 4,4. IPetr 3,17; 4,lf.l9; U . S C H N E L L E , Einleitung in das Neue Testament, 4., neube arbeitete Aufl., U T B 1830, Göttingen 2002, 459: „Das Leiden erscheint jedoch nicht nur als Folge des neuen Verhaltens der Christen in der Gesellschaft, sondern ist ein konstitutiver Bestandteil christlicher Existenz, in ihm begegnet Gottes Wille (IPetr 4,19)." IPetr 1,7; 4,12;W. S C H R Ä G E , in: D E R S . / H . B A L Z , Die Katholischen Briefe. Die Briefe des Jakobus, Petrus, Johannes und Judas, NTD 10, 11. Aufl. der neuen Fassung, Göttingen 1973, 115: „Die Schlußfolgerung [IPetr 4,19] aus dem ganzen Abschnitt: Leiden die Christen, so tun sie es nach Gottes Willen (vgl. 1,6; 2,15; 3,17), und es besteht kein Anlaß zur Irritation". IPetr 4,16; vgl. 1,7. 7 0
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Mit 8o£d£ü) wird ein indirektes Kommunizieren mit Gott umschrieben. Die Christen sollen so reden und handeln, dass Gott verherrlicht wird; sei es durch die Taten selbst, sei es durch deren Wirkung auf die Verleumder, die am Tage der Heimsuchung wegen der von ihnen gesehenen guten Taten Gott verherrlichen werden. Im Unterschied zur Verherrlichung geschieht der Jubel der Christen über ihre Zugehörigkeit zu Christus direkt. Scheinbar paradox ist dyaXXida) immer mit Betrübnis und Leiden in den Versuchungen verbunden. Xatpo) und x a p d wiederum begegnen nicht unabhängig von dyaXXidto. Da das Leiden in der Welt Indikator der Verbundenheit mit Gott ist, gibt gerade die äußere Bedrängnis Anlass zur Freude: 81
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Christi Herrlichkeit wird offenbar werden, nachdem man bislang nur sein Leiden sah; folgerichtig werden die Christen, die jetzt leiden, an der Herrlichkeit partizipieren. Das ist jetzt und künftig-eschatologisch Grund zur Freude. 87
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Wenn durch die aktive Annahme des Leidens Gott verherrlicht wird, so sind Freude und Jubel des Christen im Leiden der deutlichste Ausdruck dieser Akzeptanz. Die Freude des Christen an seinem Christsein, das sich im Leiden manifestiert, ist ein Lobpreis Gottes und seines Heilswillens. Wer um der Gerechtigkeit willen leidet, wird glückselig gepriesen.
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lPetr2,12. IPetr 1,6.8; 4,13. Nach G O P P E L T , Petrusbrief (s. Anm. 69), 99, bezeichnet dyaXXidw „durchweg im 1 Petr (1,6. 8; 4,13)" den Jubel in der Vollendung, vgl. a.a.O., 298-304.; dagegen versteht F E L D M E I E R , Die Christen als Fremde, (s. Anm. 4), 138-140, den Jubel in IPetr 1,6.8 präsentisch. B R O X , Petrusbrief (s. Anm. 46), 215, schaut gegenwärtige und eschatologische Freude in eins: Die „doppelte Freude, die nur eine einzige ist, illustriert die Vitalität urchristlicher eschatologischer Hoffnung, die nicht darauf verzichtet, das Heil schon gegenwärtig als Freude und Glück zu kennen, wenn die Verhältnisse auch dagegenstehen." Zur Diskussion vgl. F E L D M E I E R , a.a.O., 139 Anm. 29. IPetr 4,13. IPetr 1,8. IPetr 4,13. Vgl. IPetr 1,11. Vgl. IPetr 5,1. B R O X , IPetr (s. Anm. 46), 215. M I L L A U E R , Leiden als Gnade (s. Anm. 59), 103: „Gott hat sie [die Christen] in seiner Gnade schon jetzt in die Gemeinschaft mit ihm berufen. In diesem Zusammenhang gesehen verstehen die Christen ihr Leiden als Liebeserweis Gottes, es ist schon jetzt ein Zuteilwerden seiner Gnade (2,19f.; 5,10)." uaKdpios: IPetr 3,14; 4,14; vgl. Mt 5,10; Jak 1,12; 5,11. 8 2
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3.3 Leiden als Gnade Im ersten Petrusbrief geht es weder darum, des Heils teilhaftig zu werden, noch darum, Gott durch rechte gottesdienstliche Handlungen zu verehren. Es wird vorausgesetzt, dass die Adressaten des Briefes als Christen von Gott angenommen sind. Sein Verfasser will erklären, warum sich das Leben der Christen äußerlich so unheilvoll gestaltet. Er ruft die Gemeinde glieder nicht zu besonderen Gebeten oder Bekenntnissen auf, sondern dazu, das, was ihnen widerfährt, als Stehen in der Nachfolge Christi und als Ausdruck der Annahme durch Gott zu erfahren und anzunehmen. Was von den Gläubigen gefordert wird, ist eine bestimmte Sicht dessen, was ihnen geschieht. Die einzige Möglichkeit, nicht mehr zu leiden, besteht darin, wieder so zu leben wie vor der Bekehrung und damit allen Anfeindungen aus dem Weg zu gehen. Wer wie die Welt ist, leidet nicht in der Welt. Ein Ankämpfen gegen das Leiden hieße, gegen das Medium der Begeg nung mit Gott anzukämpfen, nicht in die Nachfolge Christi zu treten und nicht geläutert zu werden. Es liegt außerhalb des Horizontes des Briefes, darum zu beten, das Leiden möchte ein Ende haben. Leiden sind Wesensmerkmal des Christen und bedeuten Nachfolge Christi. Daraus folgt: Je intensiver das Leiden als Leiden in der Nachfolge Christi erfahren wird, desto inniger gestaltet sich die Beziehung zu Gott. Das Leiden kommt von Gott zur Erprobung. Der Christ nimmt anders als der Weise bei Philo gegenüber dem Leiden eine äußerlich passive Rolle ein. Er weicht dem Leiden nicht aus, sondern hält stand. 91
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IPetr 2,19-21; 4,12-14. IPetr 2,21f. IPetr l,6f; 4,12. B R O X , Petrusbrief (s. Anm. 46), 223: „Es wird [...] als Wille Gottes beschrieben, was sich ereignet. Protest und Klage gegen das Schicksal sind damit abgewiesen". 1 Petr 4,16; B R O X , Petrusbrief (s. Anm. 46), 214, nennt das Leiden in Anschluss an IPetr 2,21-25 „die christliche Existenz-Form". S C H N E L L E , Einleitung (s. Anm. 78), 450: „Die Vorbildlichkeit des Leidens Christi prägt die Leidensbereitschaft der Christen. Das Leiden erscheint als konstitutiver Bestandteil christlicher Existenz, es ist die natürliche Folge der Fremdlingschaft der Glaubenden in dieser Welt (vgl. 1 Petr l,6f.; 5,10)." IPetr 1,7; 4,12. Das impliziert zugleich eine aktive Annahme des Leidens. J.H. E L L I O T T , A Home for the Homeless. A Sociological Exegesis of 1 Peter, Its Situation and Strategy, London 1982, 148, legt den Schwerpunkt seiner Analyse auf die fraglos vorhandenen soziologischen Konsequenzen der Fremdheit und des Leidens. Deren theologische Bedeutung tritt dabei jedoch zu sehr in den Hintergrund: „Christian / Gentile conflict, like the suffering which ensued, was beneficial and not simply 9 2
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Leiden bei Philo und im ersten Petrusbrief
Von Seiten Gottes ist \apis die Erlösung des Menschen durch die Heilstat und Offenbarung Christi. Für den Christen wird diese xiAairrov 86y|ia, den Abel, TÖ (JuXöGeov ooyua, gebiert und an dessen Stelle setzt: Zwei einander bekämpfende Anschauungen (86£as) stehen sich jedenfalls hier gegenüber: Die eine schreibt dem Geiste (TU vß) alles zu als dem Leiter der Vorgänge im Denken und Empfinden, im Bewegen und Innehalten, die andere hält sich an Gott. Die Ausprägung der ersten ist Kain, genannt „Besitz" (KTTICTL?), weil er alles zu besitzen meint, die der anderen Abel; denn er wird erklärt als ,der alles auf Gott Beziehende'. Beide Anschauungen gebiert
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Zu antiken Belegen für „leben" mit Dativ der Person oder Sache (Dativus commodi) vgl. D. ZELLER, Selbstbezogenheit und Selbstdarstellung in den Paulusbriefen, ThQ 176, 1996, 40-52 (41f; viele der von Zeller besprochenen Texte sind auch im Neuen Wettstein zu Rom 14,7 aufgeführt). Zu den Stellen, die das „für sich leben" kritisch reflektieren, notiert Zeller: „Diese Belege werten nur ein exklusives Dasein für sich selbst negativ und stellen ihm das Dasein für andere gegenüber." Vgl. noch Mut 213: Das Leben gemäß der Tugend bestehe darin, für Gott allein zu leben (Gey [lovq Cflaai). Im weiteren Kontext dieser Stelle kritisiert Philo die Haltung, dass Denken und Wahrnehmung die einzigen Ursachen der menschlichen Geschicke seien (Mut 205). ZELLER, Selbstbezogenheit (s. Anm. 12), bemerkt zu diesen Stellen: „Nicht die soziale Verpflichtung erscheint hier als Gegenpol zum selbstbezogenen Leben, sondern Gott, und zwar ausschließlich." 1 3
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eine einzige Seele (tyux !); sie müssen sich aber, sobald sie geboren sind, trennen; denn es ist unmöglich, daß Feinde für immer zusammen wohnen. Solange nun die Seele die gottliebende Anschauung, das heißt den Abel, noch nicht geboren hatte, weilte in ihr die nur sich selbst liebende, nämlich Kain. Als sie aber die Übereinstimmung mit dem Urgrund erzeugt hatte, ließ sie die mit dem scheinklugen Geiste fahren. 14
Typisch für die etymologische Seelenallegorese nutzt Philo die Übersetzung des Wortes „Kain" mit den Begriff „Besitz", um Kain als eine Haltung des Geistes (JPOTTOS ev r|utv) zu interpretieren, die alle Fähigkeiten des Denkens als Zentrum seelischer Aktivität sich selbst zuschreibt. Diese Haltung wird auch hier als Selbstliebe qualifiziert. Abel hingegen steht für die Anschauung, die alles auf Gott als einzigen Urheber bezieht; diese wird als Gottesliebe bezeichnet. Die Selbstliebe auf der einen Seite wird als illusorisches Besitzdenken charakterisiert, die Gottesliebe auf der anderen Seite als ein Erkennen, dass völlig auf Gott ausgerichtet ist. In Congr 130 wird die Antithese mit den Verben exeiv/Xaußdveiv und den Substantiven (piXcuma/öeoa.eßeia durchgespielt: 15
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Die (Seelen), die zu haben meinen (exetv vo(ju£ouaou), schreiben sich mit hochgestochenen Reden (aeuvopuOoOouv) die Wahl und die Entstehung (des Guten) selber zu, die aber zu empfangen beanspruchen (Xa|ißdveiv ä£ioöaai), bekennen damit, dass sie von sich aus nichts ihnen Zukommendes haben, sie empfangen vielmehr Same und Frucht als von außen her eingegossen, bewundern den Geber und stoßen so das größte Übel, die Selbstliebe (<j>iXaimai/), durch ein vollkommenes Gut, die Frömmigkeit (Beoaeßeig), von sich. 18
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Eine wichtige Weiterentwicklung der jüdisch-alexandrinischen Seelenallegorese war mit der Benutzung einer Namensliste zur etymologischen Deutung der biblischen Eigennamen verbunden. Es muss daher bei Philo zwischen zwei Stufen der Seelenallegorese unterschieden werden. Vgl. Cher 65: „Dies ist diejenige Sinnesart in uns (TpöiTos e v rnJ.Ii/), die Mose mit dem Namen Kain ausdrückt, was »Besitz' (KTfjaiv) bedeutet, die voller Torheit (eun6eias), mehr noch voller Gottlosigkeit ist". In Cher 57 symbolisiert Kain die oincris, den dünkelhaften Wahn. In Congr 107 verwendet Philo Kauxnais (einziger Beleg bei Philo) und o i n a i s synonym. R. B U L T M A N N , Art. Kai>xdo|iai KTX., ThWNT III, 1938, 646-654, bemerkt dazu: „Bei Philo ist die Warnung vor dem Selbstruhm ein charakteristisches Motiv, wenngleich Kauxdo-0cuusw dabei keine Rolle spielen; stattdessen begegnen die Begriffe ((nXcama, oino-is, dXa£oveia,' VTTepoilua, Kevo8o£ia, TO(J>OS, $VOäaöai, ua." Für Bultmann erreichen die philonischen Aussagen zum Rühmen „die größte Nähe zu den paulinischen" (648). Ichliebe und Gottesliebe werden als antithetische Begriffe erst in 2Tim 3,2-4 verwendet, ein typischer Beleg für die starke Adaption jüdisch-hellenistischer Terminologie in der dritten urchristlichen Generation. Zu dieser Antithese vgl. die präzise, Philos philosophische Eigenständigkeit herausarbeitende Studie von W. W A R N A C H , Selbstliebe und Gottesliebe im Denken Philons von Alexandrien, in: Wort Gottes in der Zeit, FS K.H. Schelkle, hg. v. H. Feld u. J. Nolte, Düsseldorf 1973,198-214. Übersetzung nach ZELLER, Charts (s. Anm. 9), 115. 1 5
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Congr 130 steht im Zusammenhang einer längeren Diskussion über das Verhältnis von enzyklischer Ausbildung und Philosophie. Philo wirft be stimmten Lehrern der Enzyklika vor, sich zu Meistern aufzuschwingen, die Erfolge auf sich selbst zurückführen (Congr 127), um diese Haltung dann seelenallegorisch zu vertiefen (128-130). Anstatt in einer Haltung des Empfangens und damit der Gottesverehrung zu wirken, schreibt sich die Selbstliebe erfolgreiche Handlungen selbst zu. Philo kritisiert außerdem, dass sie mit überheblicher Rede einhergeht. Er spielt hier auf das Klischee des sich selbst rühmenden Sophisten an. In Post 35 fragt Philo, worin die gottlose Meinung besteht, und antwortet: [ i i T p o v e l v a i T r d v T w v XP^M-GTIOV TÖV dvGpwTTLvov vovv. Er zitiert damit - aber auffällig in einer auf das Denken zugespitzten Weise verändert - einen Leitsatz des Sophisten Protagoras, den er in eine Reihe mit „Kain" stellt. In Post 36 deutet er diesen Satz mit Hilfe der Etymologie von „Enoch" gleich „dein Geschenk" als eine überhebliche Haltung des Erkennens, bei der sich das Erkennen zum Schöpfer der Dinge macht: x ^ P S e o r l K a i Swped TO€ VOÜ T a T r d v T a . Immer wieder kommt Philo auf diese für ihn gottlose Selbstreflexion zu sprechen: Der vovs hält sich für gottähnlich und spricht sich betont die Fähigkeit zu, selbst schaffen zu können (LegAll I 49 6 Xeywv vovs ÖTI e y w ^vrevu d o e ß e t ) . Das Erkennen versteht sich als „königlicher v o € s " (Mut 56). Es sagt, alles für seinen Besitz haltend: 19
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Mein ist der Herr, der Geist, er ist sein eigener Herr und Gebieter, mein ist auch die Sinnlichkeit, ein ausreichendes Prüfmittel der Körper, mein sind auch deren Kinder, die des Geistes (sind) die rein geistigen Dinge, die der Sinnlichkeit (sind) die sinnlich wahrnehm baren Dinge, denn in meiner Macht stehen das Denken und das Wahrnehmen (LegAll III 198 Übersetzung Ch.N.).
In Cher 56-66 beschreibt Philo unter Allegorisierung von Gen 3,20 den „Ursprung" dieser Daseinshaltung: Das Denken („Adam") begegnet der Sin neswahrnehmung („Eva") und erzeugt in diesem Vorgang den Wahn, dass alle Wahrnehmungsakte sein Besitz seien, von ihm selbst erfunden und gestaltet („Kain"). Die Sinneswahrnehmung ist zwar von Gott als Hilfe für das geschöpfliche Bewußtsein erschaffen worden, aber sobald es durch die Sinneswahrnehmung von Gott befähigt wird, die Welt zu erkennen, hält es sofort die wahrgenommenen Gegenstände für seinen eigenen Besitz und vertraut auf eine von Gott unabhängig gehaltene Sinneswahrnehmung, was notwendigerweise „Betrug" und „Pseudowissen" erzeugt. 21
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Philo nennt Grammatik, Musik, Geometrie, Rhetorik und Dialektik (Congr 14-19). Vgl. u.a. noch LegAll II 46; III 4-10; III 30; III 35. Hier liegt eine Version des „Sündenfalls" vor, die strukturelle Ähnlichkeiten zu Rom 7,7-13 hat, wenn man sieht, dass bei Paulus das Gesetz diejenige Stelle einnimmt, die die 2 0
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Philo beschreibt ein stolzes, sich selbst ermächtigendes Ich. Zentral ist die Kritik an einer egozentrischen Selbstreflexion des Geistes, die ihn zur Auffassung führt, Zentrum der Wirklichkeit zu sein. Philo geht es nun darum, seinen in die Seelenallegorese eingeweihten Kreis in die entgegengesetzte Existenzweise des Empfangens einzuüben. Er lädt ein zu einer theozentrischen Selbstreflexion: Alles, was ich besitze, habe ich von Gott empfangen, und darum bringe ich es ihm dar. In der gottliebenden Seele (<J)iX60eos i|ii)XTl) tritt an die Stelle der Fixierung auf sich selbst als Quelle aller Aktivität die Fokussierung auf Gott als Ursprung aller Wirksamkeit. In Her 85 schließt Philo die Deutung von Gen 15,5 mit einer seelenallegorischen Interpretation ab, in der er deutlich macht, dass auch das Verlassen der atheistischen Denkform eine Gabe Gottes ist: Sehr richtig also heißt es: .Hinaus führte er ihn auswärts' - außerhalb der Fesseln des Körpers, der Schlupfwinkel der Sinnlichkeit, der Klügeleien der trügerischen Beredsamkeit und schließlich aus sich selbst und aus der Überzeugung, nach eigenem selbstmächtigen und selbstherrlichen Willen zu denken und zu begreifen ( T O Ö SoKetv a u T e ^ o u a t ^ Kai a i r r o K p a T o p i Yvwp.rj voeiv Kai KaTaXaußdveiv).
Die durch Gott von sich selbst distanzierte, „aus sich herausgeführte" Seele gibt die Vorstellung auf, aus dem Selbstverständnis eines königlichen Selbst herrschers heraus agieren zu können. Königliche Attribute werden Gott als alleiniger, aktiver Kraft zugesprochen. Das Bewusstsein führt alle Hand lungen und Gedanken auf Gott zurück (LegAll III 44). Die Denkbegabung ist so ganz in den Dienst für Gott gestellt (Congr 99). Es ist ein Zustand im Blick, in dem das Ich mit der Erkenntnis erfüllt ist, alles aus Gott heraus zu tun, sich nicht selbst zu besitzen, sondern allein aus Gott heraus zu existieren: Denn wer den eigenen Geist verläßt, bekennt damit, dass nichtig ist, was gemäß dem menschlichen Geist geschieht, schreibt aber alles Gott zu ( d i r a v T a 8e TrpoadiTTei 6ew) (LegAll III 29).
Philo kann diesen Vorgang der Zuschreibung auch kultterminologisch als Weihegabe der Seele bezeichnen. In Her 74 (zu Gen 15,4) fordert Philo die Seele auf, sich nicht nur vom Leib, von der Sinneswahrnehmung und von der Sprache aufgrund deren Täuschungsfähigkeit zu distanzieren, sondern auch von sich selbst: 22
In derselben Weise, wie du dich von den anderen entfernt hast, entweiche und ziehe hinweg von dir selbst. Wie aber geschieht dies? Verwalte nicht für dich selbst das Denken, das
Sinneswahrnehmung im Philotext hat. Das Gesetz ist - wie die Sinneswahrnehmung bei Philo - grundsätzlich gut, wird aber in der Begegnung mit dem Menschen oder dessen Denken zum Anlass der Sünde. Vgl. insgesamt zu Her 63-74 NOACK, Gottesbewußtsein (s. Anm. 8), 158-215. 2 2
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Nachdenken und Begreifen (ur| Tauieuarj T Ö voeiv Kai 8iavoeta8ai Kai KaTaXaaßdveii' CTeaiiTfj), sondern bringe und weihe es dem (^epouoa 8e Kai raöra ävdGes), der die Ursache des genauen Denkens und des täuschungsfreien Begreifens ist. (Übersetzung Ch.N.)
In Her 74 geht es im Sich-selbst-Verlassen um den Akt der totalen Hingabe des Ichs an Gott. Die von sich selbst distanzierte Vernunft ist fähig, ihr „Denken, Nachdenken und Begreifen " - also sich selbst - „ Gott zu weihen " und ihn als „ Ursache des Denkens" zu verstehen. ' A v a T i 9 r | | j . t spielt hier wie Her 75 zeigt - , auf die Aufstellung einer Weihegabe im Tempel an, wobei der Tempel der geistige Kosmos ist. Von Philo im übertragenen Sinn verwendet, bezeichnet dvaTi0T]|ju ein Verhalten des Erkennens, das nicht über sich und seine Fähigkeiten souverän verfügt, sondern im Vollzug dieser Fähigkeiten diese, d.h. sich selbst, Gott „darbringt" und ihm „weiht". Das Erkennen wird somit aus Gott, dem Urheber wahrer Vernünftigkeit, heraus vollzogen. Es geht um die völlige Hingabe aller seelischen Fähigkeiten an Gott und die dankbare Anerkennung, dass Gott der Urheber dieser Fähig keiten ist. Der Einzelne entspricht damit dem Verhalten der Weltseele, des gesamten Kosmos, von dem Philo in Her 200 sagt: 23
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Die angemessene Lebensaufgabe für den Kosmos besteht darin, dem Vater und Schöpfer fortwährend und unaufhörlich Dank abzustatten (pvveyßs Kai dSiaaTaTws ei>xctpio"reiv), indem er sich beinahe räuchert und in seine Elemente auflöst, um zu zeigen, daß er nichts für sich selbst aufspeichert (ur|8ev G n a a u p i ^ e o G a i ) , sondern sich völlig Gott, der ihn geschaffen hat, zum Opfer darbringt (dvdGnua dvanGevai.).
Die durch Gottes überfließende Gnade von sich selbst distanzierte Seele partizipiert an der Hingabe der gesamten Schöpfungswirklichkeit, die nur in
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Vgl. zur Spiritualisierung kultischer Handlungen Z E L L E R , Charis (s. Anm. 9), 119-125. In den Vorstellungskomplex der Wendungen „für Gott leben", „gottliebend", „weihen"/„zuschreiben" ist auch der Gebrauch des Glaubensbegriffs bei Philo einzureihen, und zwar als Vertrauen allein auf Gott und Misstrauen gegenüber der Welt (vgl. z.B. Her 90-95). „Glaube" ist für Philo nichts anderes als eine Form der Erkenntnis, die Gott alles und nichts der Schöpfung zuschreibt. Der Glaube ist ein Vorgang radikaler Selbst- und Weltdistanzierung und erschließt so Gott als alleiniges Aktivitätszentrum der Wirklichkeit. Der Glaube steht zwar am Ende des Tugendweges, aber für Philo ist der ganze Tugendweg von Gott gewirkt, um der Falle der Besitzillusion zu entgehen. Der Glaube ist vollkommene Tugend, aber als Tugend gerade nicht „Besitz" des vorfindlichen Menschen, sondern des geistlichen Menschen, der weiß, dass alle Tugenden Gottes Besitz sind. Darum ist bei Philo auch der Glaube Gabe Gottes. 2 4
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Ähnlich E.R. G O O D E N O U G H , By Light, Light. The Mystic Gospel of Hellenistic Judaism, New Haven 1935, 246: „The ,heir', the mind, must come out of the body, the senses, and speech, and indeed his very self in so far as he renounces his own thought proces ses ... Everything is now concentrated in God, sense, speech, and mind, and all should properly be usedfor God [kursiv Ch.N.]. God is the beginning and the end."
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dieser Hingabe Realität und Identität gewinnt. Es wird von allen beseelten Geschöpfen alles gegeben, weil sie alles von Gott empfangen haben. 26
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Der ganze Himmel und die ganze Welt sind ein Weihgeschenk an Gott (dvd9r|p.a 0eoü), der das Geschenk geschaffen hat; und alle Seelen, die Weltbürgerinnen und gottgeliebt sind, weihen sich selbst, von nichts Sterblichem davon abgehalten, und nimmer werden sie müde, ihr unvergängliches Leben als Weihgeschenk und Opfer darzubringen (Somn 1243).
Die gesamte Geschöpflichkeit steht somit im Dienst des Gotteslobes im Modus einer exzentrischen Existenz zu Gott hin. Im Vollzug dieses Gottes lobes verliert das Erkennen seine egozentrische sich selbst setzende Identität und gibt Gottes Realität völligen Raum. Identität, also bleibendes Sein, gibt es für Philo nur in der Existenzweise der Hingabe der von Gott gewährten Geschöpflichkeit zurück an Gott. Wahres Sein haben die Menschen bei Philo nur, wenn sie sich mit Körper, Sinnen, Sprache und Denken Gott ganz hingeben und im Gotteslob existieren. Es ist üblich, die grundlegende Differenz zwischen Weisheit und Torheit bei Philo in der Differenz zwischen Denken und Sinnlichkeit zu verorten. Der törichte Mensch orientiert sich an der Sinnlichkeit einschließlich der mit den Sinnen verbundenen Lüste, und damit an der sinnlich-materiellen Welt. Der Weise hingegen lebt von der Vernunft her (voüs), kontrolliert mit ihr die Sinne samt ihren Lüsten und orientiert sich dabei an der geistig-immateriellen Welt. Diese gängige Wahrnehmung der philonischen Texte erscheint vom oben präsentierten Befund her ergänzungsbedürftig. Bei Philo lässt sich eine dualistische Vorstellung finden, die den Leib/Geist (Niedrig/Höher)-Dualismus durch einen Dualismus im Erkennen selbst ergänzt. Philo gelingt es, 28
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Für Philo erfüllt Gott, obwohl welttranszendent, die gesamte Schöpfungswirklichkeit: K e v ö v u n o e e p n u o v e a u T o O KctTaXeXoiTTOTOs, dXXd i r d v T a 8id i r d v T t o v
iinoev
6KiTeiTXr|pü)KÖTOS (Post 6). 2 7
Die Wendung ist nicht als Genitivus subjektivus (so M. Adler, in: Philo, Werke VI [s.o. Anm. 8], 222: „die Welt ist ein Weihgeschenk Gottes"), sondern als Genitivus objektivus zu übersetzen. Nicht Gott gibt hin, sondern die Geschöpfe. Aber Gott ermöglicht die Hingabe durch sein Schöpfungshandeln. Darum bleibt nichts übrig, dessen sich die Schöpfung rühmen könnte. 28 Vgl. ZELLER, Charts (s. Anm. 9), 72: „Erlösung besteht letztlich, könnte man sagen, in der dankbaren Anerkennung des alles bewirkenden Schöpfers." 29 Vgl. D.M. HAY, The Psychology of Faith in Hellenistic Judaism, ANRW II 20.2, 1987, 881-925: „One important way in which Philo goes beyond the psychological teaching of other hellenized Jewish writers consists in his conceiving the inner struggle not merely as one between rational mind and irrational desires, passions, and senses, but as a struggle between conflicting thoughts or patterns of thought" (899). ZELLER, Charis (s. Anm. 9), 113-119, nimmt Hay positiv auf und diskutiert den Dualismus unter den Gliederungs punkten: „Zwei Grundhaltungen: Selbstsucht und Dankbarkeit"; „Der auf sich zentrierte Geist"; „Rückerstattung der Wohltat im Dank".
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mit der Seelenallegorese den Ursprung der Frömmigkeit und der Gottlosigkeit im Denken selbst zu verankern. Hier entscheidet sich, ob die Welt ego zentrisch in Besitz genommen wird oder ob sie als Gabe gedeutet wird, die dem Geber in Hingabe zugeschrieben wird. Philo beschreibt dabei nicht nur das Verhalten des Toren aus einer Fremdperspektive heraus, sondern er versetzt sich in die Selbstreflexion des von ihm konstruierten gottlosen Denkens hinein. Dessen Gedanken konzentrieren sich auf narzisstische, machtorientierte Selbstbespiegelungen. Die Illusion, etwas zu besitzen, wird in die Psyche hinein verinnerlicht: Sinneswahrnehmung, Sprache, Gedanken, ja das Denken selbst werden als Selbstbesitz verstanden und zum Zentrum der egozentrischen Welterschließung. Umgekehrt wird das sich selbst kritisch reflektierende Denken des Weisen völlig auf Gott ausgerichtet gedacht. Welchen Sitz im Leben hat dieser Erkenntnisdualismus? Zunächst einmal hat er eine Funktion für die psychagogische Lehrexegese, die im Allego rischen Kommentar vorliegt. Die Leser (und Hörer) sollen durch die anti thetischen Formulierungen in ihrer Haltung des Empfangens und Darbringens gefestigt werden. Von daher stellt sich die Frage, ob die Darstellung der egoistischen Existenzweise nur eine rhetorische Funktion hat. Dennoch ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass Philo mit dem Modus des Besit zens tatsächliche soziale Phänomene im Blick hat: Attraktive Alternative zur philosophischen Bildung war im 1. Jh. für die alexandrinische Oberschicht die rhetorische Bildung. Nicht zufällig bringt Philo die seelenallegorische Deutung von „Kain" mit den Sophisten in Beziehung. „Kain" als Träger der gottlosen Lehre wird auch zum Urvater der „Sophisten". Der Stadtbau Kains (Post 51-53 zu Gen 4,17) und der Turmbau zu Babel (Gen 9,1-9) werden bei Philo zu Bildern dafür, wie mit Hilfe der Sprache eine eigene, von Gott unabhängige Wirklichkeit aufgebaut wird. Die Gebäude in der Stadt Kains symbolisieren in Post 52 die sophistische Sprachwirklichkeit. Die Ziegel, mit denen die Stadt Babel gebaut wird, symbolisieren die Theoriearbeit der „Sophisten", die durch dialektische Analyse aus dem Chaos und der Form losigkeit der Leidenschaften Form und Wirklichkeit schaffen (Conf 83-90). Die Verwandlung der Ziegel durch Feuer zu Stein symbolisiert die Stabi lisierung der Laster durch Sprache, mächtige Worte und überzeugende 30
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Etwa nach der Lehre: T(Ji y d p e v a v T i w T a e v a v T i a Trec^UKe TTWS u d X i a T a
yv(i)ptCeo-0cu (Gig 3). Vgl. zur „rhetorischen Antithese", bei der der negative Teil nur dazu dient, den positiven stärker zu markieren: J.S. Vos, Die Kunst der Argumentation bei Paulus. Studien zur antiken Rhetorik, WUNT 149, Tübingen 2002, 24 (zu Philo). Vgl. dazu B.W. W I N T E R , Philo and Paul among the Sophists. Alexandrian and Corinthian Responses to a Julio-Claudian Movement, Grand Rapids, Mich./Cambridge 2002, 19-58; ZELLER, Charis (s. Anm. 9), 128, bemerkt knapp: „Eher hat er heidnische, sich autark gebärdende Weise im Blick." 3 1
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Beweisführungen (Conf 10 lf). Ein sozialgeschichtlicher Verstehenshintergrund für die von Philo kritisierte Haltung könnte daher ein sophistisch geprägtes Kommunikationsverhalten in der römisch-hellenistischen Oberschicht sein. Die rhetorischen Kaderschmieden städtischer und reichsrömischer Führungspositionen und deren Selbstverständnis waren es dann, in denen Philo einen Denkstil (86 £a) beobachtet hat, der zu jener radikalen Subjektivierung führte, und den Philo dann theologisch in der für die Seelenallegorese typischen Weise zuspitzte. Es ist dabei auch an Männer der jüdischen Oberschicht zu denken, die sich durch Teilnahme an diesen Karriereinstitutionen von den Wurzeln ihrer Herkunft lösten (vgl. Alexander, den Neffen Philos). Philo übt in die Auseinandersetzung mit diesen sich selbst als Handlungssubjekt vergewissernden Menschen ein und festigt seine Leser in der Haltung der Hingabe an Gott. 32
III Bei Paulus wird die Herausforderung, Torheit und Weisheit antithetisch zu charakterisieren, offensichtlich durch Konflikte und Gegnerschaften in den von ihm gegründeten Gemeinden aktualisiert. Ich möchte drei Texte in den Blick nehmen, IKor 1-4, Phil 3 und 2Kor 2,14-7,4, die von der Philolektüre her vertraute Formulierungen und Bedeutungen anklingen lassen: Haben/ Empfangen, die Betonung des „mein" und die Antithese „für sich selbst/für Gott leben". In IKor 1-4 setzt sich Paulus mit einem von seiner Gemeinde favorisierten Weisheitsideal auseinander, das er selbst nur als Torheit bewerten kann (Antithese weise/töricht und Weisheit/Torheit in 3,18-20). Dieses Urteil ist so scharf, dass Paulus unter Zuhilfenahme der Antithese Fleisch/Geist den Korinthern im Verlauf der Gegenargumentation sogar abspricht, am wahren Geist der Weisheit Anteil zu haben (3,1-4). Anlass ist das Phänomen, dass sich die Korinther aus der Sicht des Paulus in einem Zustand befinden, der von Eifersucht und Streit (£f|Xos K a i e p i s ) geprägt ist: Sie präsentieren sich als Zugehörige unterschiedlicher prominenter Leitfiguren (Apollos, Paulus, Petrus, Christus) und spitzen diese Situation offensichtlich zu einem
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Vgl. hier besonders den von Philo als blasphemische Rede konstruierten Anspruch in Somn II 291: „Wir sind die Führer, wir die Herrscher; auf uns stützt sich alles; wer sind die Urheber des Guten und seines Gegenteils, wenn nicht wir? Wem, wenn nicht uns, kommt es absolut untrüglich zu, Gutes und Böses zu bewirken? Leeres Geschwätz treiben diejenigen, die da sagen, alles sei abhängig von einer unsichtbaren Kraft, von der sie glauben, dass sie über alle menschlichen und göttlichen Angelegenheiten in der Welt regiere."
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konkurrierenden Wettbewerb zu, in dem auch rhetorische Fähigkeiten eine maßgeblich Rolle spielten (2,4; 4,20), verbunden mit einem enthusiastischen Vollendungsbewusstsein (4,8.10). Paulus unterstellt den Korinthern (und hier vermutlich den Meinungsführern), durch „egoistische Selbstdarstel lung" (3,21; 4,6f; vgl. auch 5,2.6) in diese Lage geraten zu sein. In diesem Zusammenhang fragt er jeden einzelnen kritisch: 33
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Wer räumt dir einen Vorrang ein? Was hast du, was du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich, als ob du es nicht empfangen hättest? ( T I 8e eyjevs 6 OVK eXaße?;el 8e Kai eXaßes, T L Kavxaaai (os ur) Xaßwv). (lKor4,7)
Paulus zitiert hier lehrsatzartig eine für ihn grundlegende Einsicht theolo gischer Wirklichkeitswahrnehmung: Was man als Vorzuweisendes besitzt, hat man empfangen. Wer sich allerdings selbst lobt und sich überheblich gebärdet, der vergisst, dass er ein Beschenkter ist. Das „Sich-Rühmen" ent springt demnach einer Haltung des Stolzes auf scheinbar Selbsterworbenes, und zwar im konkurrierenden Vergleich zu anderen; es hat bei Paulus eine zugespitzt kommunikativ-soziale Dimension. Paulus kritisiert ein Denken, das aus der Haltung heraus erfolgt, etwas vorweisen zu können, für das man sich selbst im Unterschied zu anderen anpreisen kann. Ironisch fragt er die sich ihres Habens Rühmenden in 4,8: „Ihr seid schon satt? Ihr seid schon reich? Ihr herrscht ohne uns?" Paulus unterstellt ihnen eine Haltung, in der sie nicht mehr des Empfangens und damit der Gnade bedürfen. Er spielt damit auch auf das Selbstbewußtsein der römisch-hellenistischen Aristokratie an, die sich rühmt, mächtig und stark zu sein, gerade gegenüber anderen, die diesen Status nicht haben (vgl. 1,26-28). Das von Oberschichtgepflogen35
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Eine genauere Rekonstruktion der theologischen Positionen, die Paulus angreift, ist kaum möglich, vgl. K.-W. N l E B U H R , Die Paulusbriefsammlung, in: Grundinformation Neues Testament. Eine bibelkundlich-theologische Einführung, hg. v. K.-W. Niebuhr, UTB 2108, Göttingen 2000, 196-293 (229). So J. BECKER, Paulus. Apostel der Völker, Tübingen 1989,202. Paulus verwendet neben christologisch oder theologisch gefüllten Dogmen auch Grundsatzüberlegungen, die rein formal Realitätsstrukturen beschreiben wollen, wie z.B. „Kraft wird in Schwachheit zum Ziel gebracht" (2Kor 11,9); „Die Erkenntnis bläht auf, die Liebe baut a u f (IKor 8,1); „Alles ist erlaubt, aber nicht alles ist nützlich" (IKor 10,23). ZELLER, Charis (s. Anm. 9), 168, charakterisiert IKor 4,7 als eine „Diatribe", „die auch bei Philon stehen könnte". Vgl. dazu oben Philo, Congr 130. Auffällig ist, wie Philo in Congr 130 der egoistischen Haltung einen sich selbst rühmenden Redestil zuschreibt. A. L I N D E M A N N , Der erste Korintherbrief, HNT 9/1, Tübingen 2000, 104: „Ihr KauxdcrGai reklamiert ein e x e i v und vergisst dessen Ursprung; das ist es, was Paulus hier kritisiert." L I N D E M A N N , Korintherbrief (s. Anm. 37), verweist auf Philo, SpecLeg III 43: ußpiv ydp KÖpo? yevväv rrefyvKev. 3 4
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heiten gespeiste Statusdenken in der korinthischen Gemeinde unterwirft Paulus einer fundamentalen Kritik. In der Danksagung 1,4-9 hat Paulus - auf diese Kernproblematik des Konflikts vorgreifend - gezeigt, wie in einer Haltung des Empfangens und damit der Betonung der Aktivität Gottes dem geistlichen Reichtum Anerken nung gegeben werden kann. Paulus dankt Gott als dem Urheber aller Stärken der Gemeinde. Mit vier passivischen Verben (8o0eior), €7r\oima0r|Te, eßeßaiütön, eK\f)0r|Te) verdeutlicht Paulus den Korinthern, wem sie alles verdanken: Gott gibt die Gnade (1,4), er macht reich (1,5; im Gegensatz zu 4,8), er festigt die Gemeinde (1,6), er hat berufen (1,9). Aktiv tritt Gott im Bewahren (V. 8 ßeßaiuaei) und in seiner Treue ( m o r o s 6 0e6s) auf. Damit wird in der Danksagung das Empfangene dem Geber dargebracht, so dass die später zitierte Grundregel „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn" (1,31) verwirklicht wird. Das Wort vom Kreuz (1,18-25) ist in besonderer Weise von der Aktivität Gottes geprägt: Mit ihm handelt Gott, indem er die Weisheit der Welt in Torheit verwandelt. Gott „gefallt es" (ei>86Kr|aev), durch die Verkündigung des gekreuzigten Christus die Glaubenden selig zu machen (1,21). Die Glaubenden verdanken ihren Status der Erwählung und Berufung Gottes: Nicht sie haben Gott erwählt, sondern er hat sie aus seinem freien Wohlgefallen heraus berufen (l,24.26-28). Die Erwählungsaussagen haben hier die pragmatische Funktion, die Aktivität Gottes hervorzuheben und jedem Selbstlob den Boden zu entziehen, so dass allein Gott für sein allumfassendes Heilshandeln in Christus (1,30) gelobt werden kann. Dem Wort vom Kreuz entspricht die Schwäche (1,25.27; 2,3), Furcht und Zittern (2,3), das Nichtsein (1,28). So kann sich ohne Einschränkung die Kraft und Aktivität Gottes entfalten (2,1-5). Der Weise verzichtet auf den Wettstreit, den der gesellschaftliche Zeitgeist (Trve0|ia T O Ü K Ö Q U O U , 2,12) fordert, in dem man rhetorische und andere eigene Stärken mittels Selbstlob ins Feld führen müsste. Diese Betonung der Teilhabe an der Aktivität Gottes hält Paulus im weiteren Argumentationsweg durch: Die wahre Weisheit Gottes ist 39
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Vgl. S. V O L L E N W E I D E R , Weisheit als Kreuzweg. Zum theologischen Programm von IKor 1 und 2, in: Kreuzestheologie im Neuen Testament, hg. v. A. Dettwiler u. J. Zumstein, Tübingen 2002,43-58. Aussagen zur Erwählung, Berufung und Bewahrung der Glaubenden spielen bei Paulus eine zentrale und nicht zu unterschätzende Rolle in der Gesamtanlage seines theolo gischen Denkens. V O L L E N W E I D E R , Weisheit (s. Anm. 39), 46: „Ich gehe im Folgenden davon aus, dass Paulus in IKor 1/2 den Zusammenstoss des Evangeliums von Jesus Christus mit dem .Zeitgeist' auslotet ... Torheit stellt er in der Perspektive der .Weisheit dieser Welt' dar. Paulus signalisiert damit, dass er eine Auseinandersetzung mit dem in seiner Zeit domi nierenden griechisch-hellenistischen Denken führt, das natürlich auch in Korinth massgeblich war." 4 0
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allein durch Offenbarung Gottes zugänglich und erschließt den Gabecharakter der neuen Existenz in Christus: „Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen (eXdßofiev), sondern den Geist, der aus Gott ist, damit wir erkennen können, was uns von Gott geschenkt wurde ( T d ü u ö TOU OeoC XctpiaGevTa)". Wenn dies grundsätzlich geklärt ist, kann Paulus auch von einem Haben der Pneumatiker sprechen: „Wir haben das Denken Christi" (riP-ets 8e vovv Xpioroi) exop-ev). Aber genau dieses an Christus partizipierende Denken verdankt sich einer Haltung des Empfangens. So betont Paulus, dass weder er als Gründer noch Apollos als Pfleger der Gemeinde einen besonderen Status haben (3,5-7), weil Gott als Schöpfer und damit als eigentliche Ursache (hier als Kraft des Wachsens) das Gedeihen bringt. Als „Diener" (SidKovoi) sind nicht sie Initiatoren, sondern sie führen aus, was ihnen gegeben wurde (3,5), gemäß der Gnade, die ebenfalls gegeben ist (3,10). Die nächste Selbstbezeichnung „Verwalter" in 4,lf (OLKOV6|IOS) impliziert eine Gabe, die man empfangen hat. Paulus versteht sich als „Verwalter" dessen, was ihm anvertraut ist. In 3,21 f wird der von allen weltimmanenten Mächten befreiende Zuspruch „Alles ist euer" dadurch begründet, dass die Glaubenden gerade nicht sich selbst, sondern Christus und Gott gehören. Im polemischen, Irrlehrer attackierenden Text Philipper 3 stellt Paulus zwei gegensätzliche Daseinshaltungen gegenüber: die K Q I J X ! " ^ & XpiorQ 42
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O U K eaTtv T I im Sinne von: „kein vorzeigbarer Status", vgl. IKor 1, 28. Vgl. dazu Her 115: „Sehr lehrreich lässt die Schrift ihm die ,Anfänge' weihen: Denn tatsächlich erscheinen die Anfänge (eigentliche Ursachen) der Körper und Dinge als Gottes Werk allein. Prüfe, wenn du es erkennen willst, ein jedes: Pflanzen, Lebewesen, Künste, Wissenschaften. Sind die ersten Aussaaten der Pflanzen eine Ackerbautätigkeit oder die unsichtbaren Werke der unsichtbaren Natur?" Dieser Gedanke entspricht sachlich dem „Verwalten" bei Philo. Er interpretiert die Erkenntnismöglichkeiten der Psyche als Gaben, die man treu verwalten soll. Den Paulus zu „Werken" motivierenden Gedanken eines belohnenden und bestrafenden Weltgerichts kennt Philo allerdings nicht; er formuliert im Allegorischen Kommentar allein in räumlichen Kategorien (Rückkehr der Seele nach dem Tode zum Himmel). Vgl. L I N D E M A N N , Korintherbrief (s. Anm. 37), 93: „iTdvTa v\i&v (bzw. ixdvra r|uöv) ist ein Denkprinzip des kynisch-stoischen Weisen, der über alles ,herrscht', was ihn von außen betreffen könnte ... Möglicherweise handelt es sich um eine von Paulus aufgenom mene, durch die Umwandlung in die 2. Pers. und durch die ,Ergänzung' in V. 22f. dann allerdings korrigierend interpretierte korinthische Parole." L I N D E M A N N , Korintherbrief (s. Anm. 37), 94: „Das den Adressaten in V. 22 Zuge sagte gilt gerade und letztlich nur deshalb, weil sie zu Christus gehören ...". Ob mit dem Philipperbrief ein kohärenter Text vorliegt oder nicht, wird gegenwärtig mit jeweils gewichtigen Argumenten völlig unterschiedlich beurteilt. Phil 3,2-4,1 bildet in jedem Fall einen in sich strukturierten Argumentationsgang: 3,2-3: antithetisch formulierte Warnung vor bestimmten Irrlehrern; 3,4-14: Paulus als spirituelles Vorbild (Ichrede, zu untergliedern in V. 4-6, V. 7-11, V. 12-14); 3,15-17: Ermahnung, die Lebensform des 4 3
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'Irjaoü der TreTroi0T)ais ev aapid (V. 3). Das Vertrauen auf durch Abstammung empfangene und durch Eifer erworbene Ehrentitel und Vorzüge (V. 4-6), die im sozialen Feld als Distinktionsgewinn eingesetzt werden können, interpretiert Paulus aus der Perspektive der erfolgten Erkenntnisrevolution (V. 7-8) als Vertrauen auf „eine eigene Gerechtigkeit" (ex^v eixf|v 8iKaiocn3vr|v) statt auf die „Gerechtigkeit aus Gott" (V. 9). Das „mein" ohne Artikel - mit „eine eigene" zu übersetzen - betont, in Phil 3,8 vorangestellt, den possessiven Charakter der „eigenen" Gerechtigkeit Paulus deutet sein ehemaliges Vertrauen auf religiöse Mitgifte und Leistungen als etwas, das er als „eigenes", als „Besitz", als „Gewinn" (KEpön 3,7) verstand, dessen er sich selbst loben und auf das er vertrauen konnte. Das „eine eigene" artikuliert dieses Besitzdenken. Paulus ordnet damit die von ihm früher praktizierte Toraobservanz einer Erkenntnisweise zu, die der Überzeugung ist, etwas als Besitz „eigenmächtig" zu erwerben und als „Gewinn" vorweisen zu können. Paulus deutet so seine vergangene pharisäische Lebensform mit einer Unterscheidung, die er damals seiner eigenen Darstellung nach nicht im Blick hatte: Haben oder Empfangen. Das Christusereignis, so stellt er es von der revolutionierenden Christuserkenntnis her dar, führte nicht nur zu einer Neugewichtung der für ihn verbindlichen Gottesoffenbarung (an die Stelle der Tora tritt Jesus Christus als endgültige Offenbarung Gottes), sondern auch zu einer völlig veränderten Haltung seines Ausgerichtetseins auf Gott. Jetzt rühmt er sich des Herrn, will „in ihm" erfunden werden, schreibt alles Gott zu, empfängt die Siraioauvr) EK GeoO. Da Paulus sich in der Ichrede 3,4-14 als Vorbild der Gemeinde präsentiert (3,15-17), greift er zu vielen aktivischen Formulierungen. Es ist aber bezeichnend, wie er diese mit passivischen, Gottes Wirken Raum gebenden Wendungen ergänzt oder 48
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Paulus nachzuahmen; 3,18-21: antithetisch formulierte Warnung vor einem falschen Lebensstil; 4,1: abschließende Bemerkung. Vgl. F. B L A S S / A . D E B R U N N E R / F . R E H K O P F , Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 1984, § 285, Anm. 7. Nach Philo darf kein Mensch das Pronomen „mein" für sich in Anspruch nehmen (LegAU III 195-198). Solange das „mein" betont wird, besteht noch kein Anteil an der ewigen göttlichen Weisheit. Philo zeigt dies anhand der etymologischen Namensdeutung von „Sarai" als äpxA pou gleich „meine Herrschaft" (Cher 5). Hier offenbart sich das eyw 4>6apTos. „Sarai" ist verbunden mit Hagar, der allgemeinen Bildung, und mit deren Sohn Ismael, der für den eigenmächtigen Sophisten steht. Vgl. W. SCHENK, Die Philipperbriefe des Paulus. Ein Kommentar, Stuttgart 1984, 303: Im e\ir\v liegt „das Moment der unbegründeten Subjektivität einer nur eingebildeten, selbstgebastelten SiKOtioowri ..." Vgl. R. B U L T M A N N , Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 1980, 240: „Diese Stelle [Phil 3,3-7] macht besonders deutlich, daß das Verhalten, das sich an der adp£ orientiert, aus der adp£ lebt, das eigenmächtige Verhalten des Menschen ist, der der eigenen Kraft und dem Verfügbaren vertraut." 4 8
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korrigiert, um auch rhetorisch Gott als eigentlichen Beweger seiner Existenz kenntlich zu machen: r i y o ö u m T r d v T a £r)p.iav elvai mit T a TrdvTa e£r)p:iü)0r|V (V. 8), Iva X p i a T Ö v Keörjaw mit Kai ei>pe0d) e v aiiTw (V. 8c.9a), TOÖ y v ö v a i aiiTov mit ov\L\LopiC6[Levo<s TÖ OavaTW auToO (V. 10), 8LWKW 8e e l Kai KaTaXdßü) mit ecf)' w Kai KaTeXrin.(j>0r|v ÜTTÖ XpiaTOU (V. 12). Vollkommenheit wird im Abschnitt 3,12-16 so definiert, 52
dass sie allein im Modus der NichtVollkommenheit gelebt werden kann, um damit wiederum einer Möglichkeit des Vertrauens auf sich selbst zu wehren. Philo hat die Antithese „für sich leben'7„für Gott leben" in Her 111 im Kontext der Antithese „besitzen/darbringen" verwendet. Gibt es dafür eine Analogie bei Paulus? Ich konzentriere mich auf die Stelle 2Kor 5,15, die sich in der großen Apologie seines apostolischen Wirkens angesichts konkurrierender Missionare in Korinth befindet. Diese Selbstdarstellung will das genaue Gegenteil dessen sein, was Paulus den Selbstempfehlungen der Wandermissionare vorwirft, denen es gelungen war, seine Autorität als Apostel in Korinth in Frage zu stellen. Der gesamte Text ist von dieser Auseinandersetzung geprägt und daher immer wieder antithetisch formuliert. Dies zeigt sich auch in den unmittelbar vorausgehenden Überlegungen ab V. 11: 53
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Der Furcht des Herrn eingedenk, versuchen wir Menschen zu überzeugen; Gott aber sind wir offenbar. Ich hoffe aber, dass wir auch vor eurem Gewissen offenbar sind. Wir wollen uns nicht wieder selbst bei euch empfehlen, sondern euch Gelegenheit geben, rühmend auf uns hinzuweisen, damit ihr denen antworten könnt, die sich des äußeren Ansehens rühmen und nicht des Herzens. Denn wenn wir außer uns waren, für Gott, wenn wir besonnen waren, für euch. Denn die Liebe Christi drängt uns, weil wir von Folgendem überzeugt sind: Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben. Und er ist für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich selbst leben, sondern für den, derfür sie gestorben und auferstanden ist.
Ich möchte die Antithese o l CövTes u.r)K€Ti e a i r r o t s £ok7iv dXXd TW ÜTiep aiiTcov diToOavovTL Kai e y e p 0 e v T i vom Kontext der Apologie her deuten, gehe also davon aus, dass Paulus hier knapp zusammenfasst, was er
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G.D. FEE, Paul's Letter to the Philippians, NICNT, Grand Rapids, Mich. 1995, 321, Anm. 32: „In characteristic fashion Paul with this passive shifts the emphasis from himself to God." Vgl. noch Rom 6,11: K a i iiuets Xoyt£ea0e e a u T O u s veKpovs aev d^apTia Cakaas 8e TÜ) 0eqi ev XpioTÖ 'InaoC, Gal 2,19: e y w ydp 8id vöuou V6\L6> cmeQavov, Iva Gey CA™. Vgl. auch IPetr 2,24: „der Gerechtigkeit leben". Zum Charakter von 2Kor 2,14-7,4 vgl. J. S C H R Ö T E R , Der versöhnte Versöhner. Paulus als unentbehrlicher Mittler im Heilsvorgang zwischen Gott und Gemeinde nach 2Kor 2,14-7,4, TANZ 10, Tübingen 1993. Eine faszinierende Geschichte der Krise zwischen Paulus und seiner Gemeinde entwickelt M.M. M I T C H E L L , Korintherbriefe, RGG IV, 2001, 1688-1694; die Bedeutung der Gegner wird allerdings etwas vernachlässigt. 5 3
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insgesamt in seiner Apologie im Blick hat. Paulus hat dann die konkur rierenden Missionare ganz in die negative Haltung eingezeichnet, während er selbst für die entgegengesetzte Daseinshaltung steht. Zunächst eine Skizze der „für sich selbst Lebenden", die sich aus dem Gesamtbild der Apologie ergibt: Sie empfehlen sich selbst (3,1; 5,12) und lassen sich empfehlen; sie predigen sich selbst (4,5); sie halten sich selbst für tüchtig (3,5), haben Kraft von sich selbst (4,7); sie rechnen sich selbst etwas zu (3,5). Sie „verhökern" Wahrheit wie eine Ware (2,17; 7,2) und verfälschen sie dabei auf hinterhältige Weise (4,2). Sie orientieren sich an äußerlich sichtbaren Vorzügen (5,16) und rühmen sich dieser (4,18; 5,12). Ihr Wahr heitsverständnis ist an der „Oberfläche" orientiert, indem sie auf das Sichtbare sehen (4,16.18). Antithetisch dazu verhält sich Paulus, der zu denen gehört, die „für den leben, der für sie gestorben und auferstanden ist": Er empfiehlt nicht sich selbst, weil er aus Gott und vor Gott in Christus das Evangelium verkündet (2,17). Er verdankt es Gott, dass er im Siegeszug Christi mitgeführt wird, nicht zum Selbstlob, sondern zum Lobe Gottes (2,15). Er will nicht Menschen gefallen, sondern allein Gott (5,9), weil nicht die Beurteilung durch Menschen, sondern allein das Urteil Gottes zählt (vgl. auch IKor 4,3-5). Sein Vertrauen als Apostel gründet ganz in Christus, seine Tüchtigkeit kommt allein von Gott (3,5.6). Sein Amt erhält er durch das Erbarmen Gottes (4,1). Ganz von sich selbst absehend (4,5), lehrt er offen die Wahrheit, die zum Inhalt hat, dass Gott in Jesus Christus völlig aus eigener Initiative (5,18 „das alles aber von Gott") das Heil bereitet hat. Diese Liebe drängt Paulus zur Verkündigung (5,14), die eine Erneuerung des Herzens bewirken kann, die völlig von Gott gewirkt ist (4,6; 5,5). Das Übermaß der Kraft, das sich hier zeigt, kommt von Gott und nicht von einem selbst (4,7). Entscheidend ist nicht das Sichtbare (4,18), sondern das Unsichtbare, zu dem auch der „innere Mensch" (4,18), das Herz und das Gewissen des Menschen gehören. Am Ende der katalogartigen Präsentation seines apostolischen Wirkens („Peristasenkatalog") in 6,4-10 bekennt Paulus: Wir sind „wie solche, die nichts haben und doch alles besitzen" (ws u r | 8 e v e'xovTes Kai r r d v T a 56
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Vgl. ZELLER, Selbstbezogenheit (s. Anm. 12), 45: „Der Abschnitt 2 Kor 5,12ff zeigt, wie eng Für-sich-Leben und ein falscher Ruhm vor anderen miteinander verflochten sind. Ob Gott oder das Selbst Bezugspunkt des Daseins sind, hat eine bestimmte Art der Selbstdar stellung zur Folge." In Rom 14,7-9 (vgl. auch 7,4) unterlegt Paulus der Wendung „für ... leben", die zunächst einmal einen Bezug auf etwas beschreibt, die Bedeutung „zugehören", wenn er formuliert: „Wir gehören dem Herrn". Damit klingt die Vorstellung des „Besitzens" an. Der Herr als Herr „besitzt" die Gläubigen, und in dieser Weise sind sie auf ihn „ausgerichtet". 5 6
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KdTexovTes). So greift er auch in der Apologie auf die Dialektik von Nichthaben/Haben zurück. Paulus hat mit der Formulierung „Für-sich-selbst-Leben" eine Grundhaltung sozialen Verhaltens im Blick. Es geht ihm nicht um einen naiven, gesellschaftlich verachteten Egoismus, sondern gerade um eine aristokratische Form des Selbstbezugs, der gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern geradezu verehrt und angestrebt wurde. Er beschreibt in 2Kor 2,14-7,4 Selbstdarstellungspraktiken, die an äußerer, wettbewerbsorientierter Präsentation der eigenen Person orientiert sind. Paulus als Beobachter unterstellt diesen Praktiken, die von Selbst- und Fremdempfehlungen begleitet sind, dass sie aus eigener Kraft gewirkt erscheinen. Sie suggerieren die Vorstellung, über sich selbst zu verfügen, sich selbst besitzen zu können. Außerdem beobachtet er bei solchen auf sichtbare Vorzüge ausgelegten Präsentationen eine mitlaufende Täuschungs- und Verfalschungsdimension. Diese Betonung des „äußeren Menschen" führt aus seiner Sicht zum Hochmut, zu Stolz und sozialen Hierarchisierungen. Ob er damit dem eigenen Anliegen der Wandermissionare in irgendeiner Weise nahe gekommen ist, ist wohl eher zu bezweifeln. Paulus will sich auf das von ihm wahrgenommene Spiel gar nicht einlassen, weil er aufrichtig vor und aus Gott heraus mit dem Evangelium Menschen überzeugen möchte, in einer Weise, die das Herz als das Innere des Menschen betrifft. Der Geist wirkt seinem Urteil nach gerade nicht so, dass er das Äußere verwandelt, sondern das Innere. Die von Christus her gewirkte 86£a Gottes gestaltet in der Gegenwart das Innerste des Menschen, sein Herz, um, nicht sein Äußeres (vgl. 3,1-4,6). Paulus will deshalb auf alle äußeren Vorzüge verzichten, damit die scheinbar glanzvolle äußere Präsentation nicht von der Wirksamkeit Gottes ablenkt, vielmehr das Sterben Christi am Apostel selbst sichtbar wird. Ihm liegt alsoalles daran, sein Apostolat so darzustellen, dass es völlig Gottes Wirken Raum gibt. Grundlegend für den ganzen Text ist die Betonung der Aktivität Gottes. Das beginnt schon in 2,14-16b mit der Basismetapher, in der Paulus sich als Sklave vorstellt, der im Triumphzug Gottes mitgeführt wird. Paulus gehört Gott; Jesus Christus 57
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Um die entscheidende Innenseite zu bezeichnen, verwendet Paulus Begriffe wie eaw
ävöpwrros, KapSia, TrveOua, a u v e i ö r i a i s . 5 8
Am Beispiel des Mose zeigt Paulus, dass äußere Formen der 8ö£a nicht beständig sind, sondern nach einiger Zeit an Wirkung verlieren (und genau darum braucht Mose eine Decke 3,13); Auch die Tora als Schrift, als ypd\i\ia, gehört zu den sichtbaren, vergänglichen, „oberflächlichen" Dingen; darum kann sie nicht geistlich aktiv sein (3,14-16). Vgl. K. SCHOLTISSEK, „Ihr seid ein Brief Christi" (2 Kor 3,3). Zu einer ekklesiologischen Metapher bei Paulus, BZ 44,2000,183-205 (189). 5 9
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besitzt Paulus. Die der Aktivität Gottes und dem Empfangen seiner Gaben entsprechende Haltung ist das Lob Gottes. Wenn Paulus in 5,13 sagt, dass er „für Gott" außer sich war, dann stellt er dieses Phänomen in den Dienst des Gotteslobes, nicht des Selbstlobes. An die Seite des „für Gott" tritt das „für euch", das Ausgerichtetsein der apostolischen Wirksamkeit auf die Gemeinde. In diesen Zusammenhang gehört auch, sich anderer zu rühmen. So lädt Paulus die Korinther dazu ein, sich des Paulus zu rühmen, wie er selbst sich ihrer rühmt. Entscheidend ist, dass der Selbstbezug vermieden wird. Paulus will seine ganze apostolische Arbeit in den Dienst der Steigerung der Gnade und der Danksagung bis hin zum Überfluss stellen: T& y d p uävra 81' v\Läg, 61
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e i s TT\V 86£av TOÜ Geou (2Kor 4,15). In dem von der Gnade, nicht von Menschen, gewirkten überreichen Gotteslob vollendet sich die Identität des Apostels und seiner Gemeinden.
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IV
Philo und Paulus haben sich als zwei Zeugen für die beeindruckende Kreativität des hellenistischen Judentums erwiesen. Die antithetische Beschreibung von Torheit und Weisheit liegt bei Philo (im Allegorischen Kommentar) in einer innovativen, auf das Erkennen selbst zugespitzten „psychologischen" Weise, bei Paulus in einer besonders auf das kommunikative Zusammenleben ausgerichteten „soziologischen" Weise vor. Philo entwickelt mit Hilfe der etymologischen Seelenallegorese einen „Erkenntnis-
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Der in 2,15 verwendete Dativus commodi bezeichnet über den weiteren Sinn (Person oder Sache, zu dessen Vorteil etwas geschieht) hinaus mehr den Besitzer (so B L A S S / D E B R U N N E R / R E H K O P F , Grammatik [s. Anm. 48], § 188,3). Vgl. auch 2Kor 9,3. SCHOLTISSEK, Brief (s. Anm. 59), 189: „Sowohl Paulus als auch den Christen in Korinth ist das Evangelium ins Herz geschrieben. Auf dieser Basis und nur auf dieser Basis können der Apostel und seine Gemeinde sich wechselseitig „rühmen" bzw. „empfehlen" ein reziprokes „Rühmen", „Danken" und „Empfehlen", das seinen Ursprung in dem einen Evangelium hat und dem eine universale Adresse und Ausstrahlung zukommt." Vgl. auch 9,12. Die Syntax des Finalsatzes lässt sich unterschiedlich gliedern, vgl. die gute Übersicht bei M.E. T H R A L L , The Second Epistle to the Corinthians Vol. I, ICC, Edinburgh 1994, 345f. Die entscheidenden Argumente für die oben im Text mit Kommata verdeutlichte Gliederung finden sich schon bei P H . B A C H M A N N , Der zweite Brief an die Korinther, KNT 8, Leipzig 1918, 205-207. In jedem Fall stehen zwei vom menschlichen Selbstbezug absehende Größen, nämlich die Gnade als heilbringende Wirkmacht Gottes und das Gotteslob zur Ehre Gottes im Mittelpunkt des Textes. 6 1
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dualismus", bei dem das Böse und Gottlose Ausdruck einer verfehlten Erkenntnis der Wirklichkeit ist, einer egozentrischen Erkenntnis, die sich selbst anstatt Gott zum Mittelpunkt des Kosmos macht. Philos Psychagogie richtet sich in erster Linie an den Einzelnen. Paulus wiederum entfaltet die Antithese zwischen Torheit und Weisheit mit Hilfe einer „sozial" angelegten Christologie ekklesiologisch zu einem soziologischen Dualismus zweier entgegengesetzter Formen von Vergemeinschaftung (Gesellschaft), die sich wie zwei Mächte gegenüberstehen. Das Böse besteht im Wettstreit von auf sich selbst bezogenen Teilnehmern, die eine Konkurrenzgesellschaft er zeugen. Paulus hat das gesellschaftliche Zusammenleben und einen ganz bestimmten gesellschaftlichen Zeitgeist im Blick. Seine Antithesen zu Torheit und Weisheit sind unter dem Aspekt des Rühmens ganz an der Konstitution und Erhaltung von „Gesellschaft" als Öffentlichkeit, in der Menschen ihren Status bestimmen, formuliert. Beide sehen das Zentrum wahrer Weisheit in der Eucharistia Gottes. Der Grund des Gotteslobes ist bei Philo schöpfungstheologisch verankert; der Schöpfergott selbst wirkt durch die schöpfungserhaltendenden Kräfte in erlösender Weise auf die Schöpfung und dabei auch auf die Seele ein; die erlöste Seele erfahrt sich als Geschöpf der überreichen Gnade Gottes und partizipiert am Gotteslob der gesamten Schöpfung. Bei Paulus ist der Grund des Gotteslobes christologisch verankert. Der Schöpfergott wirkt durch die rettende Sendung seines Sohnes in erlösender Weise auf die Menschheit ein und damit auch auf den Einzelnen, dieser erfahrt sich als Neuschöpfung aufgrund der Teilhabe an Christus und partizipiert durch den Leib Christi, die Gemeinde, am Gotteslob. Dieses Gotteslob ist von der neuschöpferischen 65
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Den psychologischen Erkenntnisdualismus, v o n Philo im Allegorischen Kommentar entfaltet, kennt Paulus nicht. Bei Paulus aber besitzt die a d p f , anders als bei Philo, offensichtlich eine Dimension des Erkennens (Philo benutzt den Begriff „Fleisch" nicht, um eine gottlose Erkenntnisweise zu beschreiben, sondern das geistlose Dasein selbst, das v o n den Sinnen, den Lüsten u n d v o n Leiden geprägt ist u n d v o m pneumatischen Dasein antithetisch unterschieden ist (z.B. Gig 19-39, Gig 65). Wenn er also in Rom 8,6 zwischen T 6 <j>pövr|p.a Tfjs oapKÖs u n d T Ö (j)pövripa T O U -rrveupaTOs unterscheidet u n d beides als
Möglichkeiten des Selbst- u n d Weltverhältnisses ins Auge fasst, d a n n liegt auch bei Paulus ein Dualismus vor, der im Erkennen, im Denken selbst verortet ist. Besonders deutlich wird dies in 2Kor 10,2-6. Hier geht Paulus a u f den Vorwurf ein, a d p i c a zu wandeln, d.h. in geschöpflicher Schwachheit. Er korrigiert: Er wandele ev c r a p i d , aber nicht K a T d a d p i c a . Paulus dualisiert damit die Wendung K a T d a d p K a . Sie umschreibt eine Erkenntnisweise, die dem Evangelium entgegensteht. So sieht er seine Aufgabe d a r i n , Vernünfteleien zu zerstören (Xoyiauoüs K a G a i p o ü V r e s ) , alles Hochragende (uilicopa), das sich gegen die Erkenntnis Gottes (yvwo-ews T O U Qeov) erhebt, jedes Denken (vönua) im Gehorsam gegenüber Christus gefangen zu nehmen. K O T O
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Die gesellschaftliche Bedeutung der Frömmigkeit steht für ihn allerdings außer Frage u n d wird vor allem in der an die Öffentlichkeit gerichteten Expositio Legis stark betont.
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Heilstat Gottes in Christus geprägt, während bei Philo die Erkenntnis des Kosmos als Schöpfung Gottes im Mittelpunkt steht. Bei Philo erkennt der Weise, dass das, was er scheinbar besitzt, Gabe des Schöpfers ist, er erkennt sich als Geschöpf. Das Gotteslob ist daher von der opfergleichen Darbringung des geschöpflichen Seins an den Schöpfer geprägt, die von einer radikalen Selbstdistanzierung begleitet ist. Bei Paulus erkennt der Weise, dass Gott in Jesus Christus seine überfließende Gnade in einem unermesslichen Geschenk zum Ausdruck gebracht hat: der heilschenkenden Schicksalsgemeinschaft mit dem Erlöser, die mit anderen zur Gemeinde verbindet. Bei Paulus hat daher die indikativische Heilszusage eine stärkere Priorität als bei Philo. Es ist gleichwohl zu beachten, dass die neue Daseinsweise des Paulus nicht „christ lich" im Gegensatz zur Jüdischen" genannt werden kann, weil die neue Haltung strukturell ebenfalls im damaligen Judentum, wie z.B. durch Philo, vertreten wurde. Das wesenhaft Christliche ist tatsächlich die Christusoffen barung, die Paulus offensichtlich eine neue Haltung zu Gott ermöglichte, eine Ausrichtung, die in analoger Form im alexandrinischen Judentum philonischer Richtung ebenfalls angestrebt wurde. Im Gotteslob lebt der Weise bei Philo wie bei Paulus eine auf Gott aus gerichtete Existenz, in der durchgängig Gottes Aktivität wahrgenommen und betont wird. Der Erlöste erlebt sich von Gottes Wirken aktiviert und bringt daher alle seine Aktivitäten in eine Perspektive, die diese wiederum als von Gott initiiert interpretieren. Selbstbezogene Macht wird von beiden für töricht gehalten. Bei Philo lässt sich der Tor von der Illusion verführen, alle geistigen Kräfte selbst zu besitzen und von daher fähig zu sein, auch über die Welt zu verfügen bis hin zum Glauben, alles zu besitzen. Man könnte von einem Gefühl schlechthinniger Unabhängigkeit sprechen, das Philo kriti siert. Bei Paulus ist der Tor von dem Anspruch besessen, sich selbst vor 66
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So ZELLER, Chans (s. Anm. 9), 169.
ZELLER, ebd.: „Der Intention nach kommt Philon mit Paulus darin überein, dass der Mensch sich letztlich als demütig empfangendes Geschöpf verstehen soll. Aber die Begründung ist eine andere: Dort die rechtfertigende xapis Gottes aufgrund des Glaubens an das Sühnewerk in Christus, hier die xctpiTes als Wohltaten des Schöpfers, der die seiner Würdigen gnädig erleuchtet und zu seiner Erkenntnis befähigt ... Sobald die Theologie aber nicht bei dem kontingenten Heilsgrund stehen bleibt, sondern daran geht, das in der Rechtfertigungslehre des Paulus implizierte Wirklichkeitsverständnis zu entfalten, kommt eine grundsätzliche Übereinstimmung mit Philon zu Tage." Die Reflexion von Macht, Kritik am Machtmissbrauch und die Hinführung zum gottgemäßen Machtgebrauch ist eine klassische Aufgabe weisheitlicher Lehre. Vgl. nur SapSal 1,1. So trifft das, was B U L T M A N N , Theologie (s. Anm. 51) 2 3 3 , zusammenfassend zu Paulus formuliert, ebenso auf Philo zu: „Als die eigentliche Sünde offenbart sich also der Wahn, das Leben nicht als Geschenk des Schöpfers zu empfangen, sondern es aus eigener Kraft zu beschaffen, aus sich selbst statt aus Gott zu leben." 6 8
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anderen mittels Selbstlob als erfolgreich zu präsentieren. Der sich selbst Rühmende ist dabei von einer Haltung des Habens geprägt; er besitzt sich als jemand, der etwas vorweisen kann, um Distinktionsgewinne zu erzielen. Paulus unterstellt seiner früheren Religiosität eine sündige Selbstbezogenheit, die Philo der gottlosen, selbstzentrierten Lebensweise zuschreibt. Paulus thematisiert also ein religiöses Haben, das vor Menschen und „vor Gott" Geltung beanspruchen will, während Philo vor allem das „Haben" atheistisch geprägter Erkenntnisweisen vor Augen hat. Dass Frömmigkeit selbst eine Haltung des „Habens" einnehmen kann, die im sozialen Feld als Distinktionsgewinn eingesetzt wird, das hat Philo nicht im Blick. Beide aber verweisen ein Erkennen, das auf etwas jenseits der Gaben Gottes vertraut, ins Reich der Illusionen. Beide definieren auf je eigene Weise tiefgreifend und grundlegend das Weise und das Törichte vor dem Horizont der göttlichen Transzendenz. Dabei entwickeln sie jeweils eine voraussetzungsvolle Frömmigkeit (Spiritualität), die als Ziel formuliert wird. Beide nutzen die psychagogische (paränetische) Funktion der Antithesen, um ihre realen Adressaten auf das zu fokussieren, worauf es ankommt. Die von Gott geschenkte Fähigkeit zur Distanznahme gewinnt bei Philo eine mystische Ausrichtung, in der das Geschöpf ganz dem Schöpfer Raum gibt, bis hin in das eigene Denken hinein. Bei Paulus orientiert sich die Distanznahme völlig am „Empfangen" einer Gabe, die Gott darreicht, nämlich an der Gemeinschaft mit Christus als Heilsmittler, dem Paulus ganz und gar Raum geben will. Beide Denker erschließen so in ihren die Nähe Gottes suchenden und zusprechenden Texten ihren Lesern eine „mystische" Dimension.
God's House: Temple or Universe by CANA WERMAN*
The question of the appropriate way to worship God is an ancient one. If the ideal biblical cult consists of temple worship and sacrifices, Second-Templeperiod religious streams exhibit a variety of alternatives for combining the biblical view with their own ideas. Consideration of a number of texts, which, with one exception, contain exegeses of Nathan's prophecy (2 Sam 7), elicits the existence of two main streams of thought. There is a spiritualizing trend, which views the universe as God's temple, and mainly negates earthly temple and sacrifices, and another that affirms temple and sacrifices. The positive attitude toward the concept of temple, however, is often accompanied by the denunciation of the Second Temple. Belief in a current heavenly temple and hope for a future perfect temple built by God are common features of this opposition to the Second Temple. Book 1 of Philo's Special Laws (66-298), a detailed discussion of the laws of priesthood, temple, and sacrifices, devotes, as Daniel R. Schwartz noted in his paper on Philo's priestly descent, a disproportional amount of space to cult. The opening of this long section reveals a conflict in Philo's thought. On the one hand, viewing the entire universe as God's temple, he is a proponent of the spiritualizing trend: 1
The highest, and in the truest sense the holy, temple of God is, as we must believe, the whole universe, having for its sanctuary the most sacred part of all existence, even heaven; for its votive ornaments the stars, for its priests the angels who are servitors to his powers, unbodied souls... all mind through and through, pure intelligences, in the likeness of the monad (Spec. 66).
On the other, Philo also grants recognition to the terrestrial temple and its role: *
This research was supported by the Israel Science Foundation (Grant no. 878/01). D. R. Schwartz, "Philo's Priestly Descent," in Nourished with Peace: Studies in Hellenistic Judaism in Memory of Samuel Sandmel (ed. F. E. Greenspahn et al.; Homage Series; Chico, Calif.: Scholars Press, 1984): 155-71. See p. 166 for the comment. 1
Carta Werman
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There is also the temple made by hands; for it was right that no check should be given to the forwardness of those who pay their tribute to piety and desire by means of sacrifices either to give thanks for the blessings that befall them or to ask for pardon and forgiveness for their sins (Spec. 67).
Thus, God's temple is the universe; however, there is also a temple in Jerusa lem, and sacrifices to fulfill human religious needs. In Philo's view, God has no need of sacrifices; rather, they serve as a human means for giving "thanks for the blessings that befall them or to ask for pardon and forgiveness for their sins." The temple is a haven for those who seek to find calm weather, and, released from the cares whose yoke has been heavy upon them from their earliest years, to enjoy a brief breathing-space in scenes of genial cheerfulness (Spec. 69).
For Philo, the temple's terrestrial existence is even more justified by the fact that just as there is only one God, there is only one temple, formed in the shape of the universe. Philo's positive stance toward temple and sacrifices does not represent the sole attitude expressed by Hellenistic Jewry. Antagonistic attitudes toward temple and sacrifices are found in several Hellenistic-Jewish works. Third Maccabees is an anti-Jerusalem-temple polemic whose author believes that Egypt is the site of God's revelation. For its part, the Sibylline Oracles expresses a negative attitude toward sacrifices (4.24-30). And, as Daniel Schwartz has shown, 2 Maccabees displays little interest in the temple - it is mainly concerned with Jerusalem, r| dyia TTOXLS. Another Hellenistic-Jewish anti-temple polemic has been preserved in the New Testament. Acts 7 sharply criticizes sacrifices and temple in the name of Stephen, a representative of the Hellenistic community belonging to the young movement of Jesus followers. The pseudo-attribution of this speech to Stephen should not obscure its Hellenistic-Jewish features, first of all, its constant stress on God's revelation outside the land of Israel: God appeared to Abraham in Mesopotamia (v. 2) and supported Joseph in Egypt (v. 9); the land in Arabia is called holy (v. 33); the land of Israel is the land of the Gentiles (v. 45); and God performed miracles in Egypt, on the Red Sea, and 2
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De vita Mosis 2.98, 122. In this work Philo speaks of the tabernacle; however, from his point of view the tabernacle and the temple are one and the same. N. Hacham, "Third Maccabees: Literature, History and Ideology" (Ph.D. diss., Hebrew University, 2002), 65-103, 107^4. See D. R. Schwartz, "Temple or City: What Did Hellenistic Jews See in Jerusalem?" in The Centrality of Jerusalem: Historical Perspectives (ed. M. Poorthuis and Ch. Safrai; Jewish and Christian Perspectives Series 1; Kampen: Kok Pharos, 1996), 114-27; idem, "The Jews of Egypt between the Temple of Onias, the Temple of Jerusalem, and Heaven," Zion 62 (1997): 5-22 (Hebrew). 3
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in the desert (v. 36). Another Hellenistic-Jewish feature of Acts 7 is its em phasis on the biblical figures, Abraham, Joseph and Moses, the same three found in Artapanus' On the Jews and the popular heroes of other HellenisticJewish writings. As noted, the criticism in Acts 7, grounded in biblical traditions, is both sacrifice- and temple-directed. In what appears to be an independent unit ( w . 39~43), a claim is made that the Israelites initiated sacrifice as a mode of worship in preference to heeding Moses. The author of the Hellenistic-Jewish treatise found in Acts 7 converts the verse from Amos in which the prophet denies the existence of sacrifice during Israel's journey in the desert ("Have you offered to me slain beasts and sacrifices for forty years in the wilder ness?" [5:25]) into an assertion that sacrifices were offered in the desert but not to God ("Have you offered to me slain beasts? [Acts 7:42]). He thus makes Amos a source for a notion equating sacrifice with idolatry. Unwilling to obey Moses, the Israelites' hearts turned back to Egypt; they fashioned a golden calf (v. 41) and sacrificed to it joyfully. God, in response, turned away from the people, or turned them into idol worshipers, or both, from that time forth until the Babylonian exile. Stephen's words also address barbed criticism toward the temple. It is the tabernacle that is lauded: "The tent of testimony, just as the One who had spoken to Moses had ordered him to make it after the pattern that he has seen" (v. 44), and an accusatory finger is pointed at Solomon, who built a house for God, "Yet the Most High dwells not in buildings made by human hands as the prophet said: Heaven is my throne and earth is my footstool." The importance of the tabernacle is twofold: commanded by God, its structure follows a heavenly pattern. Its superiority is further embedded in the tabernacle's mobility, which is consistent with God's omnipresence. None of this is true of Solomon's temple. Acts 7 portrays Moses, the man of the taber nacle, as symbolizing the true cult embodied in the concept of nonstructural 6
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G. E. Sterling, Historiography and Self-Definition (NovTSup 64; Leiden: Brill, 1992), 373 n. 309; L. D. Hurst, The Epistle to the Hebrews: Its Background of Thought (SNTSMS 65; Cambridge: Cambridge University Press, 1999), 98. Indeed, in Acts 7 God promises Abraham that his seed will return to the land of Israel after the long exile and will worship there. Thus Jerusalem was selected as a place for worship. However, as Hurst notes (Epistle, 100), by avoiding the mention of the promise made to Abraham that the land of Israel will be inherited for his seed for eternity, Acts 7 plays down the centrality of Jerusalem. H. Conzelmann, Acts of the Apostles (Hermeneia; Philadelphia: Fortress Press, 1987), 55; C. R. Koester, The Dwelling of God: The Tabernacle in the Old Testament, Intertestamental Jewish Literature and the New Testament (CBQMS 22; Washington, D.C.: Catholic Biblical Association of America, 1989), 80. Translations of Acts cited from J. A. Fitzmyer, The Acts of the Apostles (AB 31; New York: Doubleday, 1998), with some revisions. 6
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worship to an omnipresent and spiritual God. In contrast, the Israelites and their Davidic leaders are blamed for distorting the true worship. Scholars ask: "Does Acts 7 stand in a thoroughly well-precedented pro phetic tradition, or does it stand as a radical new element in Judaism which transcends anything going before?" In my opinion, its attack on sacrifices represents a new twist on the prophetic criticism by Amos and others throughout the Bible. The drafting of biblical support for anti-temple opposi tion is more surprising. Nathan's oracle (2 Sam 7) serves as the biblical source behind the anti-temple attack in Acts. We must therefore examine how Acts uses exegesis to convert Nathan's words into an anti-temple tirade. Second Samuel 7 presents many enigmas, with regard to both structure and content. According to verses 1-3, David, who sits in his house of cedar, is troubled by thought that the ark of God resides in a tent. At first, encouraged to fulfill his wish (to build a house of cedar, a temple, for God?) by Nathan the prophet, David's request is subsequently rejected. God has no need of this gracious offer (v. 4), nor does he need a temple; God is accustomed to moving about in a tent and in a tabernacle ( w . 5-7). In rejecting David's offer, God emphasizes his beneficent acts to David: 8
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I took you from the pasture, from following the flock, to be a ruler of my people Israel and I have been with you wherever you went, and have cut down all your enemies before you. Moreover, I will give you great renown like that of the greatest men on earth, ( w . 8-9; NJPS).
Note that, because of the presence of waw marking the past and of ordinary past tense in God's language, it is difficult to deduce what has already been done for David and what constitutes future divine promises. In the subsequent verses the future tense is clear. Beginning with verse 11, God promises David an everlasting house (here used in the meaning of dynasty). 11
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According to the author of Luke-Acts, true leadership from the house of David will return with the coming of the End of Days; in chapter 15 the promise of rebuilding "the tabernacle of David which is fallen down" is fulfilled by the existence of the early Christian community (vv. 16-17). However the source of Stephen's speech does not express any expectations concerning the house of David. Hurst, Epistle (above n. 5), 92. Hurst does not think the Solomonic temple is negated in Acts, rather Stephen's message is that God can be worshiped anywhere. Claiming that, the source behind Stephen's words devalued the sacrificial cult, which is performed at the Jerusalem temple (ibid., 91-93). My discussion is based on Koester's interpretation (Dwelling of God [above n. 6], 80). P. Kyle McCarter Jr., 2 Samuel: A New Translation with Introduction and Commentary (AB; Garden City, N.Y.: Doubleday, 1984), 190-231. nvn ? |N^n nnsD mrrp -pnnp'? ^ msns n -IOX r o TIT? ''"ash naxn r o nrun •p T I W I -psa j i r x hz ns nrv-DKi ro^n -\m bon ~ps rrnxi honor .(8-9) p x n -iBK D'Vmn DBD *?na an 9
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David's house (dynasty) will be like a son to God: "I will be to him a father, and he will be to me a son," and a scion of David's house will build a house for God (in 1 Chron. 15:12) or for God's name (2 Sam. 7:13). The oracle's literary unity is evident from its deliberate use of the motif "house": David's cedar house; God's house; David's house (dynasty) to be built by God. Verse 10, however, deviates from this theme, referring neither to David nor to a house. Rather it promises Israel a place of rest (even though by David's reign the Israelites had achieved security): 1 will establish a place for my people Israel and will plant it firm, so that it will dwell secure and will tremble no more. No sons of iniquity will afflict it as in the past. 12
Aside from this deviation in verse 10, chapter seven presents other diffi culties. Upon reading the oracle, two puzzling questions arise. Firstly, what is the human obligation to an omnipotent and omnipresent God? What are the divine and the human roles in the world? Secondly, on a more practical level, should a temple be built or not? Whereas a tabernacle is more appropriate for an omnipresent God, according to Nathan's oracle God anticipates that a member of David's house (i.e., Solomon?) will build a house for him. The decisive anti-temple voice absent from Nathan's prophecy that appears in Acts 7 is the result of an exegetical decision. By inserting an accu satory tone when it describes Solomon's deed, the Hellenistic-Jewish source in Acts 7 resolves the tension between the omnipresent God and the promise that one of David's descendants will build God's house. God does not desire a temple, and Solomon misunderstood God's message and essence. Both transportable and built according to a heavenly pattern, the tabernacle, and not the Solomonic temple, represents divine omnipresence and omnipotence. Furthermore, according to Acts 7, Solomon's deed is contrary to David's wish, which was to find "a habitation for the House of Jacob." Although many interpreters prefer the version "a habitation for the God of Jacob," I favor the lectio difficilior, "a habitation for the House of Jacob," derived from 2 Sam 7:10. Acts 7 hints that 2 Sam 7:10, which talks about a place of rest for Israel, is an answer to David's request. David's wish to build a house, ex pressed at the beginning of his negotiation with Nathan in 2 Samuel, is concealed in Acts. Another noteworthy point is that Acts 7's exegesis reconciles the human and the divine roles, the other problem evoked by Nathan's oracle. David built his house of cedar, whereas God's domain is heaven and earth: "Heaven is my throne and earth is my footstool... has not my hand made all these?" (v. 49; Isa 66:1-2). Although God built a house for David, he does not desire that David or his offspring build a house for him. Translated by author.
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Both Philo and the Hellenistic-Jewish source underlying Acts 7, in agreement that the universe is God's temple, represent a tendency toward spiritualizing the divine cult. There is, however, a notable difference between Philo and Acts. Notwithstanding their common origin, namely, the Hellen istic-Jewish Diaspora, Philo stresses human nature's need for temple and sacrifices, emphasizing the importance of a "temple made by hands" - TO X e i p o K p / n T o s - to man. The expression "made by hand" has a derogatory tone in the Hellenistic-Jewish source found in Acts, where it is used to denote the gods for whom the sacrifices were made - e p y o i s TWV xeip&v avr&v as well as the temple - e v x P°' ' i S KGTOLKCI. Sacrifices are sinful acts of idolatry; the temple is a distortion of the divine cult. Whereas Acts 7 contradicts Philo, there is a similarity between Philo and one of the Qumran writings, 4QFlorilegium, whose third column contains an exegesis of Nathan's oracle. Both Philo and AQFlor declare that temples do not serve God's needs but rather satisfy human religious needs: "And He commanded (Solomon) to build for him a temple of man (D1K EnpQ), to sacrifice there for him, before him, works of thanksgiving" (4QFlor III 6-7). Philo and Florilegium alike stress the earthly dimension of the temple: "made by hand" (Philo) and "temple of man" (Flor) and share the view that a structural temple is important in the human physical world. It is of interest to see how Florilegium converts the text of 2 Sam 7 into pro-temple propaganda. Consideration of Florilegium may also shed light on the position taken by the source of Acts 7 as well as on another text that refers to 2 Sam 7, namely, the Letter to the Hebrews 3. Florilegium is a pesher, that is, it contains citations of biblical verses that are used for historical decoding. The current text opens with a (broken) citation of 2 Sam 7:10 and 11a (with a slight modification according to a similar verse from Ps 89:23): el
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And no] enemy [will strike at it an]ymore [and no] son of iniquity [will afflict] it as in the past ever since [I commanded judges to be] over my people Israel. (Ill 1-2)
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Editio princeps: J. M. Allegro, Qumran Cave 4.1 (DJD V; Oxford: Clarendon Press, 1968), 53-57. A translation of the text is appended to this paper. I follow here M. Kister ("Marginalia Qurnranica," Tarbiz 57 [1988]: 320-21 [Hebrew]) and Schwartz (D. R. Schwartz, "The Three Temples of 4QFlorilegium," RQ 10 [1979]: 83-91) who showed that D~IK E H p Q i s a temple made by men and not a temple consisting of men, i.e., the Qumran community. For a different interpretation, see D. Dimant, "4QFlorilegium and the Idea of Community as Temple," in Hellenica et Judaica: Hommage à Valentine Nikiprowetzky (ed. A. Caquot et al.; Collection de la Revue des Etudes Juives 3; Leuven: Peeters, 1986), 165-89. On the nature and the content of this pesher, see A. Steudel, Der Midrasch zur Escha tologie aus der Qumrangemeinde (4QMidrEschaf ) (STDJ 13; Leiden: Brill, 1994). 1 4
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As was noted by Dimant, in its pesher, its decoding of verse 10, Florilegium refers to a place. Thus, though not preserved, it is clear that the first part of verse 10: "I will establish a place for my people Israel and will plant it firm, so that it will dwell secure and will tremble no more," was also part of the original text. Florilegium'spesher identifies the place that God promised to prepare for his people not as a habitation for the people but rather as a temple made by God for his people. It is the (third) Temple to be built by God at the End of Days: 16
That is the House which [He will establish for H[im] at the End of Days, as it is written in the book of [Moses: "The Temple of Adonai your hands have established; Yahweh will reign for ever and ever" (Exod 15:17-18) (III 2 - 3 ) . 17
The enemy and the sons of iniquity who, according to 2 Samuel, would not harm the people of Israel become in Florilegium those who will not harm the future temple: the stranger, the Moabite, the Ammonite, the ger and those who have a permanent blemish. That is the House where these will not enter [anymore neither the one who has a] permanent [blemish] nor an Ammonite, nor Moabite, nor bastard, nor alien nor proselyte forever for there his holy ones [He will revea]l [and his] eternal [glory] will continually appear upon it (III 3-5).
Seemingly, the author hints here to the temple in his day, from which prose lytes and other strangers were not barred. It appears that, because of the presence of strangers, the author perceives the current temple as defiled and anticipates its disappearance. The immutable purity of the future temple, on the other hand, will ensure its eternity. The future temple will not be desolated as was the First Temple, which was destroyed, nor as is the Second Temple, which is defiled: "And strangers will not desolate it again, as they desolated formerly the Templ[e of Is]rael by their sin" (5). It is at this point that the above-cited sentence referring to the temple of man appears (6-7). Although not cited, what is being decoded here is Nathan's oracle in 2 Sam 7:13: "He will build a house for my name" (or, in the 1 Chr 15:12 version: "He will build a house for me"). The pesher's purpose is to explain why God commanded that the temple of Israel, which had been desolated and defiled, be erected. The ideal temple will be built by
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As Dimant notes: "While in the original biblical verses the suffixes were traditionally understood to refer to Israel, the pesher relates the suffix of nt'tyw to 'the place' (mqwm), as it also does with the other pronominal suffixes in the same verse" ("4QFlorilegium" [above n. 14]. 173). Exod 15:17 reads: "A temple, Adonai, your hands have established." In Florilegium, Adonai modifies temple. 1 7
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God at the End of Days; nonetheless, Solomon was commanded to construct a temple to enable man "to sacrifice there ... works of thanksgiving." Nathan's prophecy regarding David's house (2 Sam 7:11-14) is cited in Florilegium, lines 10-11: And the Lord de]clares to you that He will build you a house. And I will raise up your seed after you and I will establish the throne of his kingdom [for ev]er. I will be to him a father, and he will be to me a s o n . 18
Florilegium applies these verses to the coming of the Davidic messiah at the End of Days: He is the Shoot of David who will stand with the Interpreter of the Torah who [will rise in Zi[on at the En]d of Days. (Ill 11-12).
The author of Florilegium here emphasizes that the DaVidic dynasty in the First Temple period was not the fulfillment of Nathan's oracle (a claim found, for example, in the words of Ben-Sira ). Nathan's oracle is rather the assur ance that David's dynasty will return in the eschatological era. Even from this brief survey, it is clear that Florilegium''s author supports the idea of a temple. In Nathan's oracle divine omnipresence is expressed via the symbolism of tent and tabernacle. In order to accentuate the temple, Florilegium ignores the theme of God's omnipresence, replacing it with another feature of the tabernacle, its heavenly pattern. Because it will be built by God, the future temple, like the tabernacle, has a heavenly quality. Ac cording to Florilegium, God's promise to build the temple with his own hands is found both in Nathan's oracle, 2 Sam 7:10, and in Exod 15. Thus 2 Sam 7:10, originally a deviation from the main theme, in Florilegium becomes an integral part of the theme of a "house." In their answers to what is God's true house, Acts 7 and Florilegium represent two opposite poles. To achieve its end of criticizing the temple, the source of Acts exalts Moses, conceals David's wish to build a house for God, and preserves the original meaning of 2 Sam 7:10 where a habitation for the people of Israel is promised. To achieve its end of supporting a temple, Florilegium conceals the tabernacle and turns verse 10 into a declaration concerning God's future house. 19
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The author omitted both the part speaking of the son who will build a house (which was referred to in the previous lines) and the part which denotes the literal father-son relationship ("one of your issue"). M. Himmelfarb, "The Wisdom of the Scribe, the Wisdom of the Priest, and the Wisdom of the King according to Ben Sira," in For a Later Generation: The Transformation of Tradition in Israel, Early Judaism, and Early Christianity [FS George W.E. Nickelsburg] (ed. R. A. Arrgall, B. A. Bow, and R. A. Werline; Harrisburg, Pa.: Trinity Press International, 2000), 89-99. 1 9
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There are, however, two points of similarity between Acts and Florilegium. First, in its exegesis, Florilegium, like Acts, creates a balance between the human and the divine roles. To clarify the relation between these roles, Acts blames Solomon of misconduct in building a house - God has already built his house just as David has built his house. In creating its balance, Florilegium points to the temporality of Solomon's temple: David built his house and God will build his house; God built David's house/dynasty and David's house, i.e., Solomon, built God's house in the past. The second point of similarity is that both Acts and Florilegium, in their reworking of Nathan's oracle, refer to the heavenly character of the tabernacle, not mentioned in the oracle. Acts points to the heavenly pattern according to which the tabernacle was constructed; Florilegium alludes to a heavenly pattern in its declaration that the future temple will be built by God. The heavenly pattern brings us to the Letter to the Hebrews where the idea of a heavenly tabernacle is an important motif. I begin this consideration, however, with chapter 3, in which "house" is a central theme. In light of the previous discussion, several difficulties found in this chapter can be re solved. The biblical text reworked here is Nathan's oracle and, as in Nathan's prophecy, in Heb 3 the term "house" has several meanings. I have identified at least three. One is inherent in Jesus' descent from David. Seen as a fulfillment of the promise made to David that his descendant will be a son to God, this son, Jesus, built a house, or rather two houses, for God: the world and the Christian community. "House" appears explicitly in the reference to Jesus as an apostle who built the world (v. 3). Another reference is found in v. 6, where Jesus is called a high priest who built a community of believers. A distinction is made between Moses who "was faithful in all God's house as a servant" (v. 5) ("in my whole house he is faithful," Num 12:6) and Jesus, who as the builder of the house is superior to Moses. 2 Samuel 7 provides the background for this comparison with Moses. In order to nullify Moses' superiority, hinted at in 2 Samuel and emphasized in Acts 1, the author of Hebrews ignores the theme of tent and tabernacle. Rather, assisted by Num 12, the author to the Hebrews makes a connection between Moses and a 20
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See Hurst, Epistle (above n. 5), 7-41. A more conservative approach is found in Koester, Dwelling of God (above n. 6), 152-70. On the many questions regarding chapter 3, see the survey in H. W. Attridge, The Epistle to the Hebrews: A Commentary on the Epistle to the Hebrews (Hermeneia; Phil adelphia: Fortress Press, 1989), 104-112. On its possible Jewish background, see D. Flusser, "Messianology and Christology in the Epistle to the Hebrews," in idem, Judaism and the Origins of Christianity (Jerusalem: Magnes, 1988), 246-79. As was claimed in a detailed but largely unconvincing survey by M. R. D'Angelo, Moses in the Letter to the Hebrews (SBLDS 42; Missoula, Mont.: Scholars Press, 1979), 70-93. 2 1
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house, and thus made possible a comparison because both Moses and Jesus are linked to a house. Understanding Nathan's oracle as the background to Heb 3 solves another difficulty in the passage, the statement making God "the builder of all things" (v. 4). I have already noted the question of the divine vs. human role embedded in Nathan's words. In order to clarify the relationship between divine and human deeds, Acts blames Solomon for misconduct and Florile gium points to the temporality of Solomon's temple. Contrarily, in Hebrews, the house(s) built by Jesus is/are an eternal house bearing eternal significance. By making God the builder of all things, Hebrews preserves the divine superiority over humans found in Nathan's oracle. Hebrews 3 might be perceived as another witness for the tendency to spiritualize the idea of temple: God's house is the world and the Christian community. However, in other chapters of Hebrews we find references to both sacrifices and tabernacle. Hebrews 8-10 compares the heavenly taber nacle built by God in the eschatological era, where Christ is a high priest who sacrificed himself, with the biblical tabernacle and its sacrifices, affirm ing the latter but emphasizing the former's supremacy. The feature of the heavenly tabernacle in Hebrews is based upon two beliefs found in the apocalyptic literature of that time. I have already noted the conviction found in Florilegium (also expressed in 1 En. 90) that God will build his own temple. However, there is also a belief in a heavenly temple where God's cult is performed. The heavenly temple and its cult appear in such early apocalyptic works as 1 Enoch (chapter 14) and the Aramaic Levi Document and are also hinted at in the writings of the Qumran community, including the Songs of the Sabbath Sacrifice. This temple is a development of Ezekiel chapters 1 and 10 where God leaves his abode because the earthly temple is defiled. As in Ezekiel, 1 En. 14 and the Aramaic Levi Document separate the earthly temple from its heavenly counterpart (cf. Isaiah 6). The heavenly temple of 1 Enoch and Aramaic Levi constitutes one solution to the currently defiled temple, whereas Florilegium's (and / En. 90) future, earthly, ideal temple represents another. As noted, Hebrews combines both notions: the heavenly temple was built by God in the Eschaton. Despite its reworking of ideas found in 1 Enoch, Aramaic Levi, and at Qumran, Hebrews does not 23
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I accept Hurst's conclusion (see above n. 20), that Hebrews makes no claim for the pre-existence of the heavenly tabernacle; I agree with his assessment that Hebrews does not express the platonic notion of a heavenly idea-ideal of earthly items. For different view, see G. E. Sterling, "Ontology versus Eschatology: Tensions between Author and Community," Studia Philonica Annual 13 (2001): 190-211. C. A. Newsom, Songs of the Sabbath Sacrifice: A Critical Edition (HSS 27; Atlanta, Ga.: Scholars Press, 1985); Sterling, "Ontology" (above n. 23), 204-8. 2 4
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share their high regard for the (ideal) earthly temple, whose role it aims is to play down. Hebrews' author accepts the need for atonement but views the heavenly temple and Jesus' sacrifice as the preferred options. In essence, the texts considered here all relate to the concepts of God's house, temple, and universe. With regard to temple and cult, Philo's attitude appears to more closely resemble writings from the land of Israel than those of the Hellenistic-Jewish Diaspora. Both Philo and Florilegium affirm temple and sacrifices. The difference between the two lies in each one's identifi cation of the other, superior temple. Philo points to the universe whereas Florilegium points to the future earthly temple. This underscores the distance between the Hellenistic-Jewish philosopher and someone rooted in a priestly movement. The extreme Hellenistic-Jewish view is represented by Acts, which negates the earthly temple and sacrifices because God's dwelling is heaven and earth. Hebrews contains all of the above, with a twist. On one hand, by endowing God's house with a new meaning, it shares the spiritualization found in Hellenistic-Jewish literature. On the other, temple and sacrifices are necessary; their purpose is to atone for mankind. Hebrews, however, shows a preference for the heavenly temple and Jesus' sacrifice. Appendix: A translation of 4QFlorilegium III 1-13:
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(1) And no] enemy [will strike at it anjymore [and no] son of iniquity [will afflict] it as in the past ever since (2) [I commanded judges to be] over my people Israel [2 Sam 7:10-11]. That is the House which [He will establish for h[im] at the End of Days, as it is written in the book of (3) [Moses: The Temple of Adonai your hands have established; Yahweh will reign for ever and ever [Exod 15:17-18]. That is the House where these will not enter (4) [anymore neither the one who has a] permanent [blemish] nor an Ammonite, nor Moabite, nor bastard, nor alien nor ger forever for there his holy ones (5) [He will revea]l [and his] eternal [glory] will continually appear upon it. And strangers will not desolate it again, as they desolated formerly (6) the Templfe of Is]rael by their sin. And He commanded to build for him a temple of man, to sacrifice there for him (7) before him, works of thanksgiving. And as for what he said to David: And [I will give you] rest from all your enemies [2 Sam 7:11]. This means that he will give them rest from a[U] (8) the Sons of Belial who cause them to stumble in order to destroy [them through their wicked]ness, as they came with the plan of Belial to stumble the So[ns of] (9) Lig[ht] and to plan against them evil plans so [that they might be fjrapped by Belial through their guilty error (10) [and the Lord de]dares to you that He will build you a house. And I will raise up your seed after you and I will establish the throne of his kingdom 2 5
Translation based on Dimant, "4QFlorilegium" revised.
(above n. 14), 170-71; slightly
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(11) [for evjer. I will be to him a father, and he will be to me a son [2 Sam 7:11-14]. He is the shoot of David who will stand with the Interpreter of the Torah who (12) [will rise] in Zi[on at the En]d of Days as it is written: And I will raise up a Booth of David which has fallen [Amos 9:11], that is the Booth of (13) David which has fall[en w]ho will stand to save Israel.
III Philo-Lektüren
Creation, the Logos and the Foundation of a City A Few Comments on Opif. 15-25 by JUTTA LEONHARDT-BALZER
The present paper presents the results of a workshop on Opif. 15-25. The Greek text will be presented with a translation which may occasionally be more literal than elegant so that the structure of the Greek argument becomes more apparent. Comparisons with other translations, especially the two English translations by Colson/Whitaker and, most recently, by Runia are given. The brief commentary follows the translation. For a more detailed commentary as well as for a list of further bibliography on the text, see Runia's recent commentary on the treatise. This commentary has been used extensively for the interpretation of the passage. However, in the course of the preparation and in the workshop itself the questions and comments of the participants have produced further insights into the passage which warrant the publication of these pages. After that the results will be summarised in a few remarks on Philo's use of similes, on the literary critical implications of the results of the workshop and on his approach to the bible. 1
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I. Introduction to the Passage De Opificio Mundi is the introductory treatise to Philo's Exposition of the Law. This comprises De Opificio as his interpretation of the creation account, the treatises on the patriarchs (Abr., the lost treatises on Isaac and Jacob, Ios.), as the people who follow and embody the divine laws before they were written down, De Decalogo as the exposition of the Decalogue as the principle and structure of the Laws, the exposition of the Special Laws in De 1
The text follows Cohn's edition in L. Cohn, P. Wendland, S. Reiter, Philonis Alexandrini opera quae supersunt (6 vols; Berlin: Reimer 1896-1915, repr. Berlin: de Gruyter 1962), 1:1-60. Many thanks to the participants of the workshop for their contributions. 2
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Specialibus Legibus I-IV, a systematic treatment of the virtues described by Moses in De Virtutibus and a systematic treatment of the rewards and punishments for the keeping or breaking of the laws (De Preamiis et poenis). In Opif. Philo interprets the biblical creation accounts as the foundation of the Jewish Law. It is a commentary on Gen 1:1-2:24 in the genre of a treatise in the Greek style. While Philo does not hesitate to use allegory at times to understand the biblical text, it is not the main method used in the Exposition of the Law. Unlike the Allegorical Commentary, it is not a running commentary, but it is structured by the biblical text, especially by the seven days of creation. Occasionally Philo uses the method of the quaestio to discuss specific points. Number symbolism also plays an important role in Philo's exegesis. The details of Philo's interpretation are not necessarily his own invention; he deliberately draws on various traditions - Jewish and Greek - to clarify the meaning of the text. The treatise begins with an introduction on the quality of the Mosaic legislation and of Moses' insight into creation (1-5). It proceeds with a preliminary discussion of God and the cosmos (6-12). The creation account begins with a passage on the meaning of the creation in six days which cannot be seen in temporal terms but as implying the structural order of the universe (13-14). After this general comment on the scheme of six days Philo begins with the interpretation of the first day of creation. In this context the references to the work of the demiurge in Plato's Timaios provide the background for Philo's work. Furthermore, the Hellenistic doctrine of the Logos is taken up. 3
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II. Translation and Commentary 1. Day one: the intelligible world a) Text (Opif. 15-16) 15 eKdarrj 8e T i X o T i | i i a v auTOKpaToOs
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b) Translation 1 7 To speak or think of the world consisting of the ideas as being in some place is not per missible. How it has been constituted we shall know by following closely some image of these things around u s . When a city is founded according to the great ambition of a king or some ruler who has laid claim to supreme power and who, while his thoughts are illustrious, adds further adorn ment to his good fortune, it may happen that some man trained a s an architect^ comes 25
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Runia, On the Creation (above n. 3), 50; Colson/Whitaker, Philo I (above n. 8), 15: "how it consists (of them)." Colson/Whitaker, ibid., 15; Runia, ibid., 50: "understand." Runia, ibid., 50: "... if we pay careful attention to an image drawn from our world"; Colson/Whitaker, ibid., 15: "... if we carefully attend to some image supplied by the things of our world." Colson/Whitaker, ibid., 17: "being magnificent in his ideas"; Runia, ibid., 50: "out standing in his conception." Runia, ibid., 50; Colson/Whitaker, ibid., 17: "there comes forward now and again." Literally: 'by training.' Runia, ibid., 50: "a trained architect"; Colson/Whitaker, ibid., 17: "some trained architect." 2 6
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forward. And he, having observed the good climate and good position of the site, writes down first in his own mind virtually all the parts of the city that is to be perfected, temples, gymnasia, town halls, market-places, harbours, docks, streets, walls to be built, private houses and other public buildings. 18 Then, having received the imprints of each of these in his soul as in wax, he carries around in his mind the intelligible city. Summoning u p the images by means of the innate power of his memory and imprinting their types even deeper, like a good builder, ® looking up to the pattern, he begins to construct (the city) from stones and timbers, making each of the incorporeal ideas correspond to the corporeal objects. 19 The same must be thought about God, namely that when he had decided to create the great city, he first conceived its models, out of which, having put together the intelligible world, he also completed the sense-perceptible world, using the former as a model. 20 Just as the city, which was marked o u t beforehand in the architect, did not have any space outside but had been engraved in the soul of the craftsman, in the same way the cosmos composed from the ideas would have no other place than the divine Logos who ordered this. ** For, which other place would there be for his powers that could be sufficient to receive and to contain, I do not say all but (even) one, in its unmixed state? 33
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c) Comments Opif. 17 In some place: Location is seen in a double sense, physical location and location in God's mind. The two sides do not contradict each other as there 48
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Runia, ibid., 50; Colson/Whitaker, ibid., 17: "observing." Colson/Whitaker, ibid., 17: "sketches"; Runia, ibid., 50: "designs." Colson/Whitaker, ibid., 17; Runia, ibid., 50: "public offices." Runia, ibid., 50: "shipyards." Runia, ibid., 50: "constructions of walls." Colson/Whitaker, ibid., 17; Runia, ibid., 50: "taking up." Runia, ibid., 50; Colson/Whitaker, ibid., 17: "recalls"; literally: 'movingup.' Colson/Whitaker, ibid., 17; Runia, ibid., 50: "features." Runia, ibid., 50; Colson/Whitaker, ibid., 17: "craftsman"; the term is used by Plato for the demiurge. Colson/Whitaker, ibid., 17; literally: 'paradigm'; Runia, ibid., 50: "model." Colson/Whitaker, ibid., 17: "making the visible and tangible objects correspond in each case to the incorporeal ideas"; Runia, ibid., 50: "ensuring that the corporeal objects correspond to each of the incorporeal ideas." Colson/Whitaker, ibid., 17: "the models of its parts"; Runia, ibid., 50: "outlines." Runia, ibid., 50; Colson/Whitaker, ibid., 17: "fashioned." Runia, ibid., 51; Colson/Whitaker, ibid., 17: "Reason." R. Arnaldez, in Les œuvres de Philon d'Alexandrie vol. 1: Introduction générale. De opificio mundi: Introduction, traduction et notes (ed. R. Arnaldez, J. Pouillouix and C. Mondésert; Paris: Éd. du Cerf 1961), 155: "... qui a organisé ces sortes de réalités"; Runia, ibid., 51: "... who gives these (ideas) their ordered disposition"; Colson/Whitaker, ibid., 17: "... which was the Author of this ordered frame." Runia, ibid., 51; Colson/Whitaker, ibid., 17: "uncompounded anduntempered." Cf. Runia, ibid., 140. 3 3
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is nothing outside God, especially none of the ideas can be imagined as separate from God. Some image: Because of the exact correspondence between the intellectual and the perceptible world (Opif 16) it is possible to use the material world as a visualisation of the intelligible world. Philo does not use allegory here. Allegorical reading is a method of interpreting a scriptural passage. Philo uses the term 'image', e'lKwv. Philo creates a simile, it is an argumentatio ad hominem. Philo's aim is to help the reader to understand an abstract thought. King: Runia identifies the king with Alexander the Great and the founding of Alexandria. The comparison of God with a king is not new for Philo's argument: God's monarchia has been argued in Opif. 7-11, God as absolute in power in Congr. 49. Already in the Platonic tradition the highest principle is described as "king" (Resp. 509d2; Ep. 2 312e; Atticus frg. 4.12; Numenius frg. 12). Architect: Philo's description sees the architect as separated from the king, Runia regards it as "a kind of upgrading of the demiurgic metaphor pioneered by Plato in the Timaeus. It is more suitable to compare the creation of the cosmos with the building of a city than with the making of a pot". However, the relationship to the Platonic demiurge is not very pronounced. The demiurge is defined by the fact that he performs the actions of manufacturing the material world according to the existing ideas. He does not create anything in his mind first. Good climate: Alexandria was renowned for its favourable site and climate. Runia points out that Diodorus Siculus 17.52.2 and Strabo 17.1.7 even use the same terms as Philo's simile. Temples, gymnasia, ...: The order of the list can be seen as the order of importance. It seems to be a standard list for the buildings expected in a decently sized Hellenistic city at the coast. Again, the model Alexandria lies at the heart of the description. 49
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Opif 18 Wax: Runia points out that the imagery is used here in epistemological, not an ontological, sense. The image first appears in Plato Theat. 191c. Philo knew
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Runia, On the Creation (above n. 3), 140; on God's kingship cf. also N. Umemoto, "Die Königsherrschaft Gottes bei Philon," in Königsherrschaft Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und der hellenistischen Welt (ed. M. Hengel and A. M. Schwemer; WUNT 55; Tübingen: Mohr Siebeck, 1991), 207-256; on the Platonic back ground, see H. Dörrie, "Der König: Ein platonisches Schlüsselwort, von Plotin mit neuem Sinn erfüllt," RlPh 24 (1970): 217-235. Runia, ibid., 140f. Runia, ibid., 141. 5 0
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the text and quoted it in Her. 191. Runia suggests that this combination of ontology and epistemology is a Middle Platonic development, but does not find any parallels. In this context the reference may not immediately be to the Theat, because Plato refers to the writing tablets with their surface made from wax while Philo uses the term T U T T O S , 'imprint' and thus returns to his seal metaphor of Opif. 16. Carries around: Runia designates dya\[icn-o(|>op€iv as a Verbum Philonicum. The idea of statues being carried around in a temple or procession is evoked in this description of the plan in the architect's mind. Good builder: At this point the account leaves the stage of planning with the architect and enters the stage of construction. This is the work of the builder. It is not until now that the demiurge appears. The Greek term demiurge refers to the builder as well as to the Platonic demiurge. The term indicates the fundamental difference between the platonic demiurge and the Jewish God in Philo's interpretation. The platonic demiurge is not involved in any planning of the creation, he merely executes it. Only in the limited context of this passage does Philo use the demiurge in a genuinely Platonic sense. It is, however, a play with words using the philosophical and the literal meaning of the term and transforming both. For, in Philo's view, the creator and the builder are the same person, therefore Philo cannot be said to use the precise Platonic expression. Looking up to the pattern: Runia points out that the preposition e l s is used in the same way as in Tim. 28b 1 for the reference to a model. But in Plato it is important that a perfect copy only derives from an uncreated original while a created model, such as it is described in Philo's argument, is not perfect. Philo, on the other hand, sees in the fact that the creation takes place in the Logos of the perfect God the guarantee for the intelligible world's perfection. 52
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Opif. 19 About God: Runia emphasises that the distinction between king, architect and builder is dropped in the application to God. God's creative activity, the result of his goodness, "does not exhaust the fullness of his being". This reasoning 56
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Runia, On the Creation (above n. 3), 141. Runia, ibid., 141. On the term, see P. Boyance, "Etudes Philoniennes," REG 76 (1963): 64-110, esp. 109; Runia, Philo and the Timaeus (above n. 23), 333; P. Graffigna, "Un hapax di Filone d'Alessandria: dyaXpaTOopetv," Maia 43 (1991): 143-148; D. T. Runia, "Verba Philonica, ArAAMATOOOPEIN, and the Authenticity of the De Resurrectione Attributed to Athenagoras," VC46 (1992): 313-327, esp. 317-320. Runia, On the Creation (above n. 3), 141. Runia, ibid., 142. 5 3
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has consequences for the Logos and the intelligible world. But neither the intelligible world nor even the Logos represent God entirely. There is always more to know about God. The question of whether the Logos is a necessary part of God does not occur to Philo. In his reasoning it is sufficient that the bible begins with the creation. It does not imagine God without the aspect of creator. Any speculation beyond this point is futile. Extending biblical reason ing, however, it is likely that Philo would have argued that God does not exist without the desire to create the world. Therefore he never existed without the Logos. Great city: Runia calls megalopolis a verbum Philonicum, as it is not used for the cosmos anywhere else. In Flacc. 163 Philo uses the term for Alexandria. In Opif., however, Philo does not coin a new phrase but applies the simile of the foundation of a city. It is an interpretation, the use of his previous metaphor, not a new use of the term. 51
Opif. 20 Divine Logos: This is the first reference to the Logos in the treatise. In the present context it is impossible to give a detailed discussion of the Philonic Logos with its combination of Hellenistic philosophy and biblical interpre tation. Place: In Opif 17 Philo argued against the intelligible world having a place. Now its place is seen in the Logos. Runia lists Somn. 1,62 as a parallel with its three possibilities to define a place: Firstly as space filled by a body; secondly as the Divine Logos filled by God with incorporeal powers; thirdly as God himself containing all things and not being contained by anything. In this sense the Logos as the place of the ideas is the same level as that of the incorporeal powers. Thus the Logos is the place of the true creative activity of God. 58
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Runia, On the Creation (above n. 3), 142. A verbum Philonicum is not necessarily a new word or a new phrase but also a certain meaning that Philo gives to a known phrase or word. 5% On the Logos in Philo, see e.g. D. Winston, Logos and Mystical Theology in Philo of Alexandria (Cincinatti: Hebrew Union College Press, 1985); Runia, Philo and the Timaeus (s. above n. 23), 446-451; T. H. Tobin, "Logos," Anchor Bible Dictionary (1992), 4:348-356. For an interpretation of the Logos in the context of the first day of creation in Opif, see J. Leonhardt-Balzer, "Der Logos und die Schöpfung: Streiflichter bei Philo (Opif. 20-25) und im Johannesprolog (Joh 1,1-18)," in Kontexte des Johannesevangeliums. Das vierte Evange lium in religions- und traditionsgeschichtlicher Perspektive (ed. J. Frey and U. Schnelle; WUNT; Tübingen: Mohr Siebeck, forthcoming). Runia, On the Creation (above n. 3), 143. Runia also points out that in this definition involves not only philosophical but also biblical aspects. 5 9
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Who ordered this: Runia translates the pronoun as referring to the ideas. Colson/Whitaker regard it as referring to the creation of the physical cosmos. This seems unlikely as the context is the world of ideas. But similarly the reference to the ideas in that context seems to be repetitive. Could it be that 'this' refers to the whole structure of creation with its division between intelligible and perceptible world? His powers: Immediately after the reference to the Logos the divine powers are introduced. The Logos is closely connected to the divine powers. The powers broaden the perspective to include the perceptible world. The previously used image of the seal and the stamp leaves the question of why God created this copy at all, knowing that it would not be as perfect as the original. It is to answer this question that Philo turns to the matter of God's motive for creating the universe.
3. God's goodness as the source of creation a) Text (Opif 21-22) 21 8 w a | u s 8e m i rj Koa[iOTToir|TiKX| Trr|yf|v e x o u c r a T O T r p o s dXfiBeicu' d y a Q o v . e l y a p eQeXriaeie TT\V a m a v x\s eveica To8e T O TT&V e8nuioupyetTo 8iepeuvda6ai, 8oiceI
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s - d v a ß d T r i s (RitterAufsteiger), um die Gegensätze Kenntnis - Unkenntnis aufzuzeigen. Das erste Gegensatzpaar nennt einen erfahrenen Leiter, der sein Fachgebiet kennt und zur Anleitung fähig ist, und jemanden, der das nicht kann. Denselben Unterschied deutet Philon mit dem zweiten Gegensatzpaar an, das dem Bereich der Viehzucht entnommen ist. Beiden Begriffen, Hirte und Fütterer der Herde, schreibt er eine geistige Differenz zu, so wie er das schon für das 4
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Das Publikum der VitMos lässt sich m.E. genauer bestimmen. Die für dieses Publikum übliche Bezeichnung .Hellenen' scheint mir zu kurz zu greifen. Es handelt sich mit Sicherheit um eine heterogene Gemeinschaft, die von einem hoch kulturellen Synkretismus charakterisiert ist, der typisch für die hellenistische Gesellschaft im Alexandria des 1. Jh. ist. Zur Wahrnehmung dieses Synkretismus siehe jetzt W. AMELING, 'Market-Place' und Gewalt. Die Juden in Alexandrien, Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft N.F. 27, 2003, 71-123. Dazu auch: P.W. V A N D E R H O R S T , Philo's Flaccus. The First Pogrom. Introduction, Translation and Commentary, Leiden 2003, 19f; E. B I R N B A U M , The Place of Judaism in Philo's Thought, Studia Philonica Monographs = BJS 290, Atlanta, Ga. 1996.
Rosa Maria Piccione
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erste Paar getan hatte, und betont den epistemischen Charakter der Viehzucht als der Fertigkeit, die betreute Herde zu bewachen, die als zerstreute Masse eine Leitung braucht (Agr 30-34),. Die Aufgabe der Hirten, die allegorisch die Vernunft (Xöyos) vertreten, besteht darin, der nicht rationalen Seele (r| dXoyos tJJi>XTJ) das richtige Maßhalten aufzuerlegen, auch durch Verbot und Strafe. Der hohe Rang dieser Fertigkeit findet Bestätigung in der Bibel, wo sie von Königen wie David und Patriarchen wie Jakob, und eben auch von Mose ausgeübt wird (Agr 41-42.43): 5
O U T W S
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s äyaQos sind dieselben wie die des ßaoLXeüs d y a G ö s : 1 1
Kai Xoyog 8e aÜToO dTrouvTinoveueTai Xeyoi TrapaTrXr|aia epya elvai voaews äya0oO Kai ßaaiXews dya0oO- rov je ydp vo\iea XP*\ fy ) eü8aiuova Ta KTT\VX\ TroioOvTa xpflo"6ai auTots, f\ 8r\ irpoßaTov ei>8aiaovia, T Ö V re ßaaiXea w a a u T U ? ei>8ataovas TroXeis Kai dvGpwrrous TroioOvTa xpfjcrGat aiiTois. vai
1
Und seine Rede erinnert daran, wenn er sagt, dass die Aufgaben eines guten Hirten und die eines guten Königs ähnlich sind; der gute Hirte, sagte er, müsse das Vieh so gebrauchen, dass er es glücklich mache; das ist gewiss das Glück für die Lämmer; und ebenso müsse der König die Städte und Menschen so gebrauchen, dass er sie glücklich mache.
In Bezug auf die Darstellung des Mose ist die Kyrupaedie des Xenophon das grundlegende ideologische Vorbild, das hinter der isolierten Metapher des König-Hirten steht. In Philons Betrachtungen über die Ausbildung des Mose zum Hirten finden wir nämlich Elemente, die schon zur Vorbereitung des Kyros auf das Regieren der Menschen und die zukünftige Königsrolle gehör ten. Seine Exzellenz und seine Vollkommenkeit in der Regierungskunst (Texvr) TOO dvGptüTiw d p x e i v ) erlangt Kyros durch einen langsamen Erwerb des praktischen Wissens, das durch das Wort e m o T i ^ r ] bezeichnet wird. Dieser Prozess schreitet während einer langen Erziehungszeit seiner eigenen Natur ((j>uais) voran, dank einer Ausbildung (TraiSeLa; sie ist das Zentralthema in der Darstellung des Herrschens), die aus beständiger Übung (do"KT)OLs) und aus der Speicherung von Erfahrungen (e|nreipLai) besteht, die seine zukünftige Tätigkeit vorwegnehmen. Durch eine praktische Ausbildung in verschiedenen Disziplinen kann der Herrscher die besten Begabungen entwickeln, die ihm die Natur zur Verfügung gestellt hat, und damit kann er die absolute Vollkommenheit, die Perfektion in seiner Rolle (TeXeiÖTris) erlangen. Man erkennt hier leicht die revolutionären Theorien über die Erziehung, die von den Sophisten in die Athener Kultur des 5. Jh. v.Chr. emgeführt und später von Sokrates und Piaton übernommen wurden. 12
1 1
Man hat in dieser Passage aus der Kyrupaedie einen kynischen Einfluss und besonders einen solchen des verlorenen Kyros des Sokratikers Antisthenes erkennen wollen, unter dem der Verfasser die ßaaiXiKfi rex^n betrachtet hätte. Dazu siehe: Socratis et socraticorum reliquiae, collegit, disposuit, apparatibus notisque instruxit G. Giannantoni, Elenchos 18, Neapel 1990, Bd. 4, 306f; C. MUELLER-GOLDINGEN, Untersuchungen (s. Anm. 9), 42^44, mit weiterer Sekundärliteratur. Auch in der Spätantike kommt das Vorbild des ßaaiXetis 4>iXdv9pü)Tros als dya9ö? voaeus, besonders in Bezug auf seine 4»iXav0pwTroia, vor. Vgl. z.B. Themistios, Or. 1,9 d. Eine detaillierte Untersuchung bei H. WlLMS, Techne und Paideia bei Xenophon und Isokrates, Beiträge zur Altertumskunde 68, Leipzig 1995, bes. 100-207. Siehe natürlich auch W. JAEGER, Paideia. Die Formung des griechischen Menschen, Bd. 3, Berlin/Leipzig 1947, 233ff. 1 2
Rosa Maria Piccione
352
In der Kyrupaedie ist auch beachtenswert, was über die äoKr\ois, die den zukünftigen Herrscher zu dem Besitz der T e x v n <jTpaTT)yiKf) bringt, gesagt wird: Die Jagd ist die beste Übung zur Vorbereitung auf den Krieg, und in ihr ist der König der Anfuhrer, ebenso wie im Krieg (I 2,10-14: 8r|p.ocFig TOO 6r)pdv emp.eXovTai, Kai ßaaiXeug akm-ep Kai ev TroXepKp r\ye\i6v eonv a u T o t s [•••] dXr|9eaTdTTi a i n - o i s ÖOKet e l v a i avrr\ r\ p-eXern TWV rrpös
TOV TroXep.ov). Die xenophontische Beschreibung, Reminiszenz einer archaischen und aristokratischen Gesellschaft, kehrt auch bei Philon wieder: Durch die Jagd trainieren diejenigen, die Heere leiten werden, weil sie eine propädeutische Übung für das Kriegshandwerk darstellt (TOLS TroXep-iKoTs T d s (pvaeis T d KuvriyeaLa- 0T)pais ydp eurrpopieXeTükTiv ol TTpös
ras
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CTTpaTapXLas dX€icf)6p.evoi). So wie der von Xenophon dargestellte König Kyros hat auch Mose seine d o " K T | a i s , die eine Vorbereitung auf die zukünftige Königstätigkeit (Trpoyup-vaoia ßaaiXeias) ist. Sie entspricht der TTOLiieviKri p.eXeTT], und es ist, wie gesagt, die Exzellenz in diesem prakti schen Wissen, durch die Mose ein vollendeter König werden kann (ßaoiXevs -reXeios 6 rr\v Troip.eviKr|V emorfipLriv dyaGös). Die Anspielungen auf Xenophons Text oder zumindest auf die Tradition, der er angehört, sind entsprechend zahlreich. Man kann auch einen bedeutenden Widerhall des in Piatons Dialog Politikos betrachteten Themas erkennen, wo auch das Bild des Herrschers als Hirte herangezogen wird. Piaton nimmt hier eine schon in der Republik betrachtete Frage wieder auf, der zufolge der einzige Weg, um die beste Regierungsform zu erreichen, darin besteht, den bestmöglichen Herrscher zu haben. Im Politikos versucht Piaton zu bestimmen, welche Eigenschaften dieser beste Regierende haben muss. Als Antwort auf die Frage, wer die technischen Kompetenzen zum Regieren besitzt und was das dafür erfor derliche Fachwissen ist, wird das politische Wissen (TTOXITLKTI oder ßaaiXiKT) 6TTio"TT]p.ri) in einer ersten Phase des Dialogs als die Fertigkeit, eine Herde zu führen (r| dyeXaioKouiKT]), identifiziert (275 e 3-276 b 5). Diese Definition wird sofort berichtigt und setzt die ganze weitere Argumentation in Gang. Interessant ist, dass die Regierungskunst wie eine praktische Fertigkeit be trachtet wird, d.h. mit Fachkompetenzen: Nur der darf regieren, der eine besondere Teyyr\ besitzt, und zwar das zum Regieren erforderliche praktische Wissen. 14
1 3
Dass es sich um eine griechische Wertvorstellung handelt, betont auch I. HEINEMANN, Philons griechische und jüdische Bildung. Kulturvergleichende Untersuchungen zu Philons Darstellung der jüdischen Gesetze, Breslau 1932,169f. Dazu siehe bes. P. ACCATTINO, L' dpxii del politico, in: Reading the Statesman, Pro ceedings of the III. Symposium Platonicum, hg. v. Ch. J. Rowe, International Plato Studies 4, Sankt Augustin 1995, 203-212; J.-F. PRADEAU, Plato and the City. A New Introduction to 1 4
Philon und die griechische
iraiSeia
353
In Anbetracht dieser Tradition erhält das Bild des Mose als König-Hirte in der Vita Mosis klarere Konturen und lässt sich in eine kulturelle Tradition einordnen. Allerdings hat das Bild bei Philon eine andere Bedeutung als in der übrigen Tradition. Dort werden nämlich der König, der das Volk, und der Hirte, der seine Herde leitet, deswegen verbunden, weil beide durch ähnliche Tugenden ( d p e T c d ) verbunden sind, da das Glück ( e v S a i u o v i a ) ihrer Herden das Hauptziel ihrer jeweiligen Aktivität darstellt. Neben den engen Grenzen der Metapher stellt man bei Philon die biblische Realität eines Mose fest, der wirklich Hirte ist und erst später zum Leiter seines Volkes berufen wird. Auf genau diesen Aspekt baut Philon seine Legitimation der biblischen Erzählung für ein „profanes", ein nicht spezifisch jüdisch gebildetes Publikum auf. Die traditionelle Metapher des König-Hirten dient nämlich nur teilweise zur Legitimation für die Gestalt des Mose. In Wirklichkeit ist der Interpretationsschlüssel nicht das Bild an sich, son dern dessen Verwendung durch den Autor, der es an das Traiöeia-Konzept anbindet und in den Rahmen einer prozesshaften Bildung und Erziehung einfügt. Die Darstellung des Hirten Mose, des zukünftigen Herrschers des israelitischen Volkes, wird denn auch durch das interpretative Schema veredelt, das das größte Vermögen der griechischen Kultur repräsentiert. Mose ist der ßacriXeus T e X e i o s , und er ist es als d y a G o s in der Troi|i€ViKf| eTTio"TT|p.r), eine Exzellenz, die er durch seine langsame Ausbildung, die u a i S e t a in Form der Übung in der niedrigen Hirtenkunst, der Troi|ieviKfj [leXerr], erreicht hat. Schließlich muss man zugeben, dass für einen zukünf tigen König nicht einmal die Viehzucht und der Kontakt mit Tieren entwür digend sind. Denn die Tiere sind der Stoff, durch den der zukünftige König seine Natur (cj>uais) erziehen und sich das praktische Wissen verschaffen kann, so wie in jeder anderen T e x ^ n . Das Erreichen der ßaoiXiKT| eTTICTTr^nr), nach der platonischen Tradition die oberste Texvr), geschieht für Mose durch das Erreichen der Troi(ievaKT| eTrio-TT)|rr|. Am Ende werden sowohl die Tradition als auch die Metapher in der Weise gerechtfertigt, als ob es sich um eine yv6\n\ handelt: Könige sind die Hirten des Volkes, und zwar aus den zuvor genannten Gründen. Auch durch diese Form wird der kulturelle Hintergrund des Publikums aufgegriffen. Mose erfahrt also seine T r a i S e i a , seine Ausbildung, in der Hirtentätigkeit und wird dadurch ein Vorbild in der Beherrschung dieser Tätigkeit und der KaXoKdyaGia als Mensch. Das ist es, worin Philons Metapher von der 15
Plato's Political Thought, Exeter 2002, 72-113 (Übers, der franz. Fassung: Piaton et la cite, Paris 1997). Der Begriff der KaXoKdyaGia wird von Philon oft, auch in Bezug auf Mose, verwen det, dem dank seiner Tugend, seinem Seelenadel und seinem Wohlwollen allen gegenüber 1 5
354
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Tradition abweicht: Der Autor beschränkt sich nicht nur auf die Legitimation des Bildes, indem er auf traditionelle Weise erklärt, weshalb es verwendet wird, um die Gestalt des ßaaiXeus zu charakterisieren. Seine Argumentation geht noch einen Schritt weiter, indem sie annimmt, dass nur der ein guter König sein kann, der tatsächlich als Hirt gearbeitet hat, weil er durch die niedrigeren Lebensweisen auf die Ausübung der höheren vorbereitet wurde. Philons Argumentation hat sozusagen einen Schwachpunkt, und dessen war sich der Autor bewusst genug, um dem möglichen Spott seiner Adressaten zuvorzukommen. In den Kulturen des antiken Mittelmeerraums ist nämlich das Bild des Hirten, mit wenigen Ausnahmen, negativ konnotiert. Die Ägypter verachten das Hirtenhandwerk, wie man in Gen 46,34 liest und wie derselbe Philon Sacr 51 bestätigt: Jeder Hirte ist für die Ägypter ein Gegenstand des Abscheus". Die gleiche Ideologie existierte in der griechischrömischen Kultur und ist schon bei Herodot sowie bei Ethnographen und Historikern vor ihm, wie Hekataios von Milet, bezeugt. Sie wird auch von Aristoteles und Autoren der lateinischen Literatur bestätigt: Die Gesellschaften der vo|±d8es sind barbarische Gemeinschaften, die nicht mit TraiSeCa ausgestattet sind. Im ersten Buch von Aristoteles' Politik (I 1256 a 29-35) haben wir eine ausführliche Erklärung für diese kritische Einstellung. In Bezug auf die verschiedenen Unterhaltsformen und die entsprechend verschiedenen Lebensweisen (ßioi) wird das Hirtenleben, ßios vo^aSiKÖs, als das niedrigste Niveau der Zivilisation angesehen, da die Hirten sich vom Fleisch der eigenen Tiere ernähren und sich keine besondere Mühe geben müssen, um ihren Unterhalt zu bestreiten. In De agricultura (61-62) kommentiert Philon selbst - wiederum in Anspielung auf die Vita Mosis - die Verachtung der Ägypter den Hirten gegenüber: 16
17
et uev r\v Trepl aly&v f\ TrpoßctTuv eTri|ieXeia£ 6 Xöyos, K C X V t a u s rj8ea0r|aav ouoXoyetv dTiaCaf 4>uyovTes d8o£a y d p Kai Tarreivd Ta ToiaOra Trapd Tots öyKov uev evTVXia.s röv dveu ^povfjaews TrepißeßXr||jievoLS K a i udXiaTa ßaaiXeOai vevouiaTai. T Ö 8e AlywmaKÖv I K 4»vaews Kai 8ia(j>ep6vT(i)s eorlv imepauxw» ÖTrÖTe u i K p d Tis auTÖ [lovov a u p a K a T a T r v e u a e i e v eiirrpayias, ä>s x^ ^ l ' ^ TTXOTUV y e X w T a r i y e l a ö a i ras TKaTa<j>pövr|TOs, dXXd Kai d S i i s Kai d|i())iCTTpa£T)9els eß8opos, 6 -reaaapa K a i e ^ K o i r r a , TeTpdycovos p e v e c m v O K T O K I S O K T W TToXuTrXaaiaaGevTwv, K i i ß o s 8e T e a a d p w v e i l r e a a a p a TeTpaKis" Kai rraXiv 6 ev
362 TpiTfXaaiovi
Jürgen Hammerstaedt
Xoyy
Trapau£r|6els a r r ö [iovd8os eß8opos, 6 ern-aKÖaia e l K o a i e v v e a ,
T e T p d y w v o s p e v T T o X i m X a a i a a O e v T O S ec|)' ai>TÖv T O Ö e r r r d Kai
e i K o a i , K u ß o s 8e T O O
e v v e a !' airröv e v v a K i s ) . 2
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2
3
Mathematisch heißt das: 64 = 8 = 4 sowie 1729 = 2 7 = 9 . Kehren wir wieder zu unserem zusammenfassenden Text SpecLeg II 40 zurück. Mit der Wendung Kiißov onoO Kai T e T p d y w v o v dtTOTeXet („sie bringt gleichermaßen ein Quadrat wie einen Würfel hervor") verweist Philo in aller Deutlichkeit auf seine eben referierten Darlegungen in Opif 91-94. Der Zahlenvorgang, durch den sich diese wunderbare Wirkung der Siebenheit ergibt, erfährt nun allerdings mit den Worten e i s 8' dvaXoytav dxOeiaa eine allzu knappe, unvollständige und unverständliche Schilderung. Dabei bleibt zudem die Bedeutung von dxÖetaa ebenso rätselhaft wie die bei Philon unbelegte und im Griechischen sonst nur bei Proklos, wenn auch dort auffalligerweise beidemale zusammen mit dem Verbum d y e i v erscheinende Verbindung eis + dvaXoylav. Die bisherigen Übersetzungsversuche der Worte e i s 8' dvaXoylav dxOetaa legen diese dem Ausdruck innewohnenden Schwierigkeiten deutlich an den Tag. Bei Heinemann („durch Multiplizierung") und einst schon Yonge („being multiplied according to a regulär proportion equal in all its parts") wurde dem Verbum die spezifisch mathematische Bedeutung einer Rechenart zugewiesen, welche sich weder für seinen isolierten Gebrauch noch für seine Kombination mit dvaXoyla plausibel machen läßt. In diesem Sinn überzeugt letztlich auch Mangeys Emendation von dxöetoa zu ai^nGetaa nicht (einen treffenderen Terminus ergäbe übrigens die Herstellung von Trapai;£r|0eiaa), da die noch zu betrachtende Problematik des mit einem solchen Partizip (Trap-) au^r|0eXaa unstimmigen Ausdrucks eis dvaXoylav ungelöst bliebe. Um größere Nähe zum überlieferten Wortlaut ist Colsons Wiedergabe bemüht („when brought in a geometrical progression"). Allerdings hat 5
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Proclus in Piatonis Timaeum commentarii 2, 109: Karà y d p T Ô V 4 X ' K U K X O V KLvfiaei T Ô V a w p a T i K Ô v T r p o ï à v (vgl. Tim. 36d ff.) a u r a s ô c|>iX6aoos K a l Tas SiTràs d v a K U K X i i a e i s elç àvaXoyiav a£ei T Û V èv Tfj i|wxt) i T e p i ö S w v ; Proclus a.a.O. 3, 140: (2x1 Tim. 39b): vi>£ pèv ow r|pépa Te y é y o v e v O Û T O S - ëaTiv ovv dp.(j>oIv 8 r | M . i o v p y ô s r| yf\ auva-rroTeXoOaa Ts etraviaoGaav T T | V d v i a ö r n T a Kal elç àvaXoyiav àyovoav Tas Te aî>£riaeis Kal Tas peiwaeis à p ^ O T e p w v . So auch übersetzt bei D A N I E L , De specialibus legis (s. Anm. 2), 261. ,
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Philon von geometrischer Analogie eine völlig andere Vorstellung. Selbst wenn man Colsons Wiedergabe dahingehend modifiziert, dass man die fragliche Wendung ohne eine spezifische Einengung von dvaXoyia mit „in eine Entsprechung gebracht" übersetzt, kann der so gedeutete Text nicht überzeugen. Während es sich in den oben angemerkten Proklosstellen beidemale tatsächlich darum handelt, dass entweder der Philosoph die körperlichen Kreisläufe mit seelischen Perioden oder die Erde die Zunahme und Abnahme von Tag und Nacht im Jahreslauf zueinander „in eine Entsprechung bringt" - was somit jedesmal auf eine wie auch immer geartete Modifizierung des in eine Entsprechung Gebrachten hinausläuft - , bliebe es bei Philo völlig im Dunkeln, zu was und auf welche Weise die Siebenheit in eine Entsprechung gebracht werden sollte. Um so stärker befremdet dies, wo es sich doch um die Zusammenfassung eines bereits ausführlicher erläuterten arithmetischen Theorems handelt. Denn abgesehen von der grundsätzlichen Überlegung, dass für die Vollkommenheit der Siebenheit ja schlecht eine modifizierte Siebenheit ins Feld geführt werden könnte, bezieht sich der Analogiegedanke in dem Abschnitt aus Opif 91-94, dessen Zusammenfassung hier vorliegt, auf einen ganz anderen Bereich, nämlich auf die untereinander bestehende Entsprechung der bei jeder Vermehrungssequenz angewendeten Faktoren. Diese für die Rechenart entscheidende Übereinstimmung der jeweiligen Faktoren wird in Opif 91-94 mit Ausdrücken für Analogie bezeichnet. Unter dieser Voraussetzung erst kann die Beobachtung erfolgen, dass die siebte sich aus diesem Rechenvorgang ergebende Zahl gleichzeitig ein Kubus und ein Quadrat ist. Der in SpecLeg II 40 überlieferte Text, demzufolge „die Siebenheit in eine Analogie gebracht wird", schildert demnach den Zusammenhang zwischen Siebenzahl und Analogie in irreführender Verkürzung. Aufgrund dieses Befundes kann man sich schwer des Eindrucks erwehren, dass wichtige Elemente des an letzter Stelle zusammengefaßten arithmetischen Theorems verlorengegangen sind, zu denen zumindest die Erwähnung der fortschreitenden Vermehrung (Tr<xpai;£r|0fjvai) und der ganz entscheidenden Angabe gehört, dass dieser fortschreitende Vorgang ev 8iTrXao-Lois f\ TpiTrXaaLOis r\ auvöXwg dvaXoyoücav (seil. dpiGums, vgl. Opif 92) bzw. K o r r d TOUS SiTrXacrious f| TpiTrXao"Lous r\ auvöXw? dvaXoyoüvTas dpi9um>s (ebd. 91) oder, noch kürzer gesagt, K a r d TT\V avTr\v dvaXoytav (ebd. 94) erfolgt. Daher ist mit einer Überlieferungslücke zwischen der 8
7
Opif 108 wird eine geometrische Analogie im Sinne von „wie 8:6 so 12:9" von einer arithmetischen im Sinne von „wie 6+3=9 so 9+3=12" unterschieden. Für die vorliegende Rechnung kommen beide nicht in Frage. Opif 94: Kai d e l e ß S o i i o v TTOioupievös' Tis CLVTI (jtovdöos äpxr|v Kai Trapau£ü)v TT\V aÜTTJv d v a X o y i a v dxpis e ß S o p . d 8 o s evpr\oei tTdvTws 8
T Ö V
K O T O
T Ö V
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364
Präposition eis und dem dazu dem Sinne nach nicht passenden Akkusativ d v a X o y t a v zu rechnen, die die fehlenden Hinweise enthalten haben dürfte. Da sich für das im Anschluss an e i s von RM überlieferte, in F jedoch fehlende 8' nicht ausschließen lässt, dass es in der Überlieferung erst nach Entstehung der Lücke zur Wiederherstellung des vom vorangehenden [iev erforderten Bezugs an diese (nach der Präposition nicht zwingend erforderte) Stelle getreten ist, ergibt sich für die Lücke wohl folgendes Bild: e i s < * * * > 9
d v a X o y t a v dxOeTaa Kvßov 6\iov Kai TeTpdywvov aTroTeXet.
Über die Worte, die in einer solchen Lücke ausgefallen sein könnten, lässt sich aufgrund der bisherigen Überlegungen mit verschieden hoher Wahrscheinlichkeit spekulieren. Gehen wir vom Sicheren zum weniger Sicheren: 1. Der mit Sicherheit auf die Übereinstimmung zwischen den Faktoren hinweisende Akkusativ d v a X o y t a v wurde vermutlich in Übereinstimmung mit Opif 94 ( K a r d TT)V avrr\v d v a X o y t a v ) und Opif 91 (Kaja TOUS SLTrXacaous r\ TpiTrXaaious f\ CTWÖXWS d v a X o y o w T a ? dpi9|ioi>s) von der
Präposition
Kard
regiert. Für ein solches
K a r ' dvaXoytav
vgl. Cher 104
-
(TTJV K a i ' d v a X o y t a v iaÖTr)Ta) und Her 192.
2. Auch hat wahrscheinlich in der Lücke ein das u i v aufgreifendes öe gestanden. 3. Zu erwarten ist zudem ein Hinweis auf die in Opif 91-94 wieder und wieder genannte Rechenart, welche von mir mit Ausdrücken wie „fortschreitender Vermehrung" wiedergegeben worden ist. 4. Als problematisch, und mit der Lückenansetzung allein nicht zu lösen, hat sich sowohl die Bedeutung des Partizips dxöetoa und als auch die Präposition e i s erwiesen. Sprachliche Parallelen aus Opif 91-94 und entsprechenden Stellen können hier nicht weiterhelfen. Aufgrund des vorausgehenden p.ev ist es weniger wahrscheinlich, dass in der hier angenommenen Lücke noch ein oder mehrere weitere arithmetische Exempla verlorengegangen sind, als dass e i s zusammen mit den anschließend wohl ausgefallenen Wörtern zu dem bisher betrachteten Fall gehört. Philo hätte dann in seiner Zusammen10
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TTctpau£r|9evTa Kiißov Te K a i T e T p d y w v o v (wenn man z.B. unter Einschluss von 64 selbige Zahl bis zum 7. Ergebnis mit dem Faktor 2 multipliziert, ergibt sich 4096 = 6 4 = 16 ). Vgl. R. K Ü H N E R / B . G E R T H , Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache. Zweiter Teil: Satzlehre, Bd. II, Hannover/Leipzig 1904,267f. Dieser von Philon mit T r a p a u £ d v ü > bezeichnete Rechenvorgang ist von einfacher „Multiplikation" zu unterscheiden, die Philon, Opif 93, mit Ö K T W TToXu'n-Xaaiao-öevTwv ausdrückt. Man findet zwar in Opif 94 einen Ausdruck dxpis eß8op.d8os und kann beobachten, dass eine dem entsprechende Wendung dxpis 8eKd8os in Post 173 mit e i s e - r e p a v 8eKa8a variiert wird, doch schließt die grammatisch als Subjekt fungierende Siebenheit (eß86p.r|) in unserem Text jede Möglichkeit einer derartigen Verbindung mit e i s von vorneherein aus. 2
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De Specialibus Legibus II 39-48
fassung den Sachverhalt unter Verwendung eines anderen Verbums und einer anderen Präposition als in Opif 91-94 formuliert. Auf knappste Weise wäre der Text durch eine Konjektur wiederhergestellt, bei der die Einsetzung der Siebenheit als Terminus einer mit analogen Faktoren fortschreitenden Vermehrung durch die auch bei Philon belegte Wendung TaTTeoGai + e i s angezeigt würde: 1 2
e i s epövT(jjv X o y i a p o ü s ovs Tfjs e K a a T w v ^ u x n s e f o k i a a v , dXX' e\ieivav a l T&V o u v d p e i s eis äirav driTTn-roi, p i a ä v r\v 6 Ö T T Ö y e v e a e w s d x p i T e X e u T f j s dSidaTaTOs
eopTfj
Kai
TTdvTwv d v r i a a v d y a O ö v
al re o i K t a i Kai a l T f ö X e i s ev d8eia Kai evSiav d y o u a a t T T p a y p a T u v .
eKexeipla
aup-
aper&v y
xpo os
peaTal
Heinemann: „Und wenn nicht die Laster um sich gegriffen und die Erwägungen über das Förderliche überwunden und schliesslich aus der Menschenbrust ausgetilgt hätten, wenn vielmehr die Kraft der Tugend allzeit ungemindert geblieben wäre, so wäre die ganze Zeit von der Geburt bis zum Tode ein ununterbrochenes Fest, Hauswesen und Staaten befänden sich in Sicherheit und Frieden, reich an allen Gütern und vor allen Stürmen des Schicksals geschützt." 21
Das häufig bei Philo, sonst aber nur im Geschichtswerk des Diodorus Siculus (1. Jh. v.Chr.) erscheinende Verbum Trap€Dr|[iepeü) wird in LSJ s.v. für Philon mit der Bedeutung „flourish, abound" erklärt. Die Vorsilbe Trotpverleiht dem Kompositum jedoch die speziellere Konnotation eines Konkur renzverhaltens, so dass man präziser von einem Überwuchern bzw. Überhandnehmen der Laster zu sprechen hat. Bestätigt wird eine solche Bedeutung durch die Glosse im Lexikon des spätantiken Grammatikers Hesychios von Alexandria (TT 879): uapeunpiepetaGai • viKdoGai. Dass das Verbum dementsprechend im aktivischen Gebrauch bei Philon anzeigt, wie die Laster zu Ungunsten der Tugenden „überwuchern", erweist sich in der anschließenden Formulierung des Gegenteils mit dXX' ep.eivav al TWV dpeTÖv 8uvdp.eis eis arrav QTJTTTJTOL.
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SpecLeg II 55 (100, 10 Cohn) und besonders ebd. 44 (97, 6), wo solche d o > K T | T a l ao(|>ias ihr Leben im wörtlichen Rückgriff auf die vorliegende Stelle (96, 12f Cohn) dvemXfjiTTöS führen. Mit „vor allen Stürmen des Schicksals geschützt" sind die Worte evdiav dyouaai irpaypdTcjv (97, 2 Cohn) freilich unzutreffend wiedergegeben. Es geht vielmehr darum, dass alle „von lästigen Geschäften unbehelligt" sind, vgl. SpecLeg I 224 ev evbiq Kai yaXiivn TTpaypaTuv und inhaltlich SpecLeg II 44. 2 1
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Die Bedeutung und syntaktische Anbindung des Partizips K a T a 8 u v a a T hängt von der editorischen Entscheidung zwischen zwei Überlieferungsvarianten ab. Abweichend von dem oben wiedergegebenen, in allen modernen Ausgaben übernommenen Text der beiden Haupthandschriften R und F bietet die dritte wichtige Handschrift M nach K a T a S u v a a T e v o - a o - a i Kai TOUS, hat aber nicht das an X o y i a p i o u s anschließende Relativum ovs Mit diesem Text ergibt sich für das Partizip KaTa8waoTeiJo"ao"ai ein absoluter Gebrauch, wie er in dem einzigen weiteren Philonbeleg des Kompositums wiederkehrt, während dann TOVS Trepl TWV ou|i.povr\oav ol TravTaxoO Kai eyevovTo, o i o u s ßouXeTat e l v a i r) 4>i)ais, dvetTiXr|TrTOL Kai dvimaiTioi Trdvres, e p a o r a l (|>povrjo-ews, x ^ P S
8aiLiovias a v a l -rroXeis eyevovTo \iearai, T Ö V \iev ö a a XVTTT)S a i T i a Kai c^ößwv diieTOXot, TTXfjpeis 8e T W V dTTepya£op.evü)v x P ? l e i m a G e i a s , ü s p.r|8eva Kaipov eXXei-rreiv iXapoO ßtou, TrdvTa 8e T Ö V T O C eviauTou K U K X O V e l v a i eopTfjv. a
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Heinemann: „Wenn man sich allenthalben der Gesinnung dieser wenigen anschliessen wollte und alle Menschen so würden, wie sie die Natur haben will, fehlerlos und sündenfrei, Freunde der Einsicht, erfüllt von Freude an dem Edlen um seiner selbst willen und von dem Glauben, dass dies das einzige Gut, alles andere aber gleichsam seiner Herrschaft Untertan und untergeben sei, dann wären die Staaten voller Glückseligkeit, frei von allem, was Schmerz und Furcht verursacht, erfüllt von dem, was Freude und Behagen stiftet, sodass kein Augenblick des Lebens ohne Glücksgefühl bliebe und der ganze Kreislauf des Jahres ein einziges Fest bildete." 34
Mit Heinemann und Daniel und gegen die offenbar prädikativische Wiedergabe von rrdvTes bei Colson, sehe ich in ol TravTaxoO und in TrdvTes zwei gleichberechtigt nebeneinander stehende Subjekte, die jeweils erst gegen Ende des von ihnen regierten Satzabschnittes stehen. Damit entfällt jeder Anlass, der von Cohn im Apparat vorgetragenen Vermutung zu folgen, der iTdvTes direkt hinter o l TravTaxoO umzustellen erwog. 35
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HEINEMANN, Philo II (s. Anm. 2), 122; DANIEL, De specialibus legis (s. Anm. 2), 265: „Mais si les gens, en tout lieu, partageaient le sentiment de ce petit nombre, s'ils étaient tous tels que la nature veut qu'ils soient..." COLSON, Philo VII (s. Anm. 2), 337.339: „But if only everywhere men had thought and felt as these few, and become what nature intended them to be, all of them blameless and guiltless and lovers of sound s e n s e , t h e cities would have been brimful of happiness ..." Die Verbindung ol TravTaxoO steht allein für sich und substantiviert in Flacc 47: LLT) ol iravTaxoö Tfjv d^opLiriv eKeîôev XaßövTes, wo durch das Adverb èKeîOev deutlich wird, dass TTavTaxoö nicht ebenfalls Adverb, sondern mit ol substantivierter Begriff ist. 3 5
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Eine scheinbar geringfügige Änderung des in allen modernen Ausgaben gedruckten Textes, die aber auf das Gesamtverständnis erhebliche Wirkung zeigt, empfiehlt sich im Relativsatz olovs ßouXeTai e l v a i r| cpvcris (98, 7 Cohn). Während dieser Text R folgt, ist ansonsten überliefert: M IßouXeT' elvai i) 8dios 114 K a G a p w T a T o v , T Ö 104 KaXorayctGia 353f, 356 Kcrra8uvaaTet3eiv 368f KaTaiTveiv 220,234 KaTOlKOL 120
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Griechisches Wortregister
XapßdiAEiv 290, 299 Xoyiov/Xoyta 218 Xoyiapös 163,195f, 368 Xoyo? 159, 162, 246, 261, 248 - Xoyos GeoO 50, 155 - Xöyos T T P O C | ) T I T I K 6 S 171
irXfiKTpov 215 iTveiv 228 iTveöpa 171,210,215f, 220, 229-231,233 - TTveöpa T O 0 Koapou 298 TTveupaTiKÖs 128 w o f ] 220, 229f tToipfiv Xa&v 347, 349 TTOi|i.TiviKfi emaTiipri 348f, 352f TToipeviKr| peXern 352f T T Ö T O S 251,262f TTpövoia 123-125 Trpo<j)TiTr|s218, 232 TrpwTÖyovo? Xoyos 161
p a v i a 216 pdfTeis 218 peyaXoiToXig 332, 341 peTavota 46f p.eT6ü)poTroXeiv 196 [LT\VV€IV 326 p.DCTTayü)ydiv 177f p u a T a i 181-183 jiiKTTfipiov 173-176,179, 183
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vr\mog 128, 157 vor|TÖs Koapos 326 v o p e t s 350f vöpos / oi lepol vöpoi 177 voO? 133f, 137f, 156f, 162f, 165, 168, 171, 176, 179, 181, 194-196, 201, 230f, 246, 267f, 270, 280, 288f, 291, 294, 299
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TTdpoixos 243-245, 251-255, 264 TTapotKT|ais/TTapoiKia/iTapoLKiCeLv 252, 254
uTroßoXfi 211 iXaima 290 <J)iX69eo? tyvxA 292 fyvois 351,353,366 Xapd 275 Xdpis 273, 277f, 304 xeipaKpriTo? 314 Xpriapö? 218
tyvxA 138, 176, 241-264, 288, 290, 292 - dXoyos