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Thomas Witulski
Kaiserkult in Kleinasien Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung
Vandenhoeck &...
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NTOA63
Thomas Witulski
Kaiserkult in Kleinasien Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung
Vandenhoeck & Ruprecht Academic Press Fribourg
Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Herausgegeben im Auftrag des Departs für Biblische Studien der Universität Freiburg Schweiz von Max Küchler, Peter Lampe und Gerd Theißen
Band 63
Vandenhoeck & Ruprecht Academic Press Fribourg
Thomas Witulski
Kaiserkult in Kleinasien Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius
Vandenhoeck & Ruprecht Academic Press Fribourg
J'
Lukas und Sharon
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-53986-6 (Vandenhoeck & Ruprecht) ISBN 978-3-7278-1586-7 (Academic Press)
© 2007, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen und Academic Press Fribourg / Paulusverlag Fribourg Schwitzerland. Internet: www.v-r.deund www.paulusedition.ch Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: @ Hubert & Co, Göttingen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Vorwort
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um ein einzelnes Kapitel aus meiner Studie "Hadrian oder Christus? Untersuchungen zur Frage der Datierung der neutestamentlichen Johannesapokalypse", die von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Wintersemester 2004/2005 als Habilitationsschrift angenommen worden ist. Die in ihr zu untersuchende Fragestellung erforderte es, sich vor der eigentlichen Exegese der Apokalypse zunächst umfassend mit der historischen Entwicklung der kultisch-religiösen Verehrung der römischen Kaiser in der Provinz Asia von Augustus bis zu Antoninus Pius auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse dieser ausschließlich historischen Forschungen werden in dem vorliegenden Buch dargeboten, die Ergebnisse der Exegese ausgewählter Texte der Apk, die an die zuvor geleistete historische Arbeit anknüpft und auf sie aufbaut, werden unter dem Titel "Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian" in der Reihe FRLANT vorgelegt werden. Daß aus meiner Idee, die Frage nach der Datierung der Johannesapokalypse neu aufzurollen, ein Habilitationsprojekt und schließlich eine Habilitationsschrift geworden sind, habe ich zunächst meinem ehemaligen Chef, Prof. Dr. D.-A. Koch, zu danken. Durch sein Angebot, eine Assistentur an seinem Lehrstuhl zu übernehmen, eröffnete er mir überhaupt erst die Möglichkeit, mich intensiv mit der Fragestellung zu beschäftigen. Darüber hinaus begleitete er den Fortgang der Arbeit mit großem eigenen Interesse, zahlreichen sachlichen Hinweisen und außerordentlich hilfreicher, konstruktiver und weiterfiihrender Kritik. Schließlich haben nicht zuletzt auch sein persönliches Wohlwollen und das ausgezeichnete menschliche Miteinander, das am Lehrstuhl insgesamt herrschte, ihren Teil zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Wichtige und hilfreiche Erkenntnisse verdanke ich darüber hinaus dem im Dezember 2004 verstorbenen Prof. Dr. I-W. Taeger, dem Inhaber des Nachbarlehrstuhls, der sein als Apokalypsespezialist erworbenes gründliches Wissen über das letzte Buch des neutestamentlichen Kanons in zahlreichen Gesprächen mit mir teilte, und dem Direktor des Institutum Judaicum Delitzschianum, Prof. Dr. F. Siegert, von dessen weitreichender historischer Gelehrsamkeit und umfangreicher Kenntnis der antiken christlichen und paganen Literatur ich mehr als einmal profitieren konnte. Zudem sind viele Hinweise aus seinem Zweitgutachten in die Arbeit eingeflossen. Nicht unerwähnt bleiben sollen hier auch die Mitglieder
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Vorwort
des neutestamentlichen Doktoranden- und Habilitandenkolloquiums, hier zunächst Prof. Dr. M. Rese, dann aber auch PD Dr. A. Reichert, PD Dr. M. Vogel, Dr. J. Dochhorn, Dr. J. Kalms (t), Dr. S. Schewe, Dr. D. Schinkel, Dr. C. deVos, D. Bienert und M. Dom, mit denen ich zahlreiche Einzelfragen und -probleme diskutieren konnte und die mich in zahlreichen Gesprächen immer wieder neu ermutigten. Ihnen allen sowie auch den Hilfskräften W. Hunger und M. Helmert, die die Mühe des Korrekturlesens auf sich genommen haben, sei für ihre stets bereitwillige Hilfe herzlich gedankt. Schließlich danke ich den Herausgebern der Reihe NTOA, Prof. Dr. M. Küchler, Prof. Dr. P. Lampe und Prof. Dr. G. Theissen; sie haben mir sehr entgegenkommend die Möglichkeit eröffnet, die Ergebnisse meiner historischen Forschungen in der von ihnen verantwort;eten Reihe veröffentlichen zu können. Last but not least danke ich meiner Frau Birgit, die während der Zeit meiner Arbeit an der Habilitationsschrift für sich selbst auf vieles verzichtet hat. Wieviel ich ihr zu verdanken habe, vermag durch Worte kaum ausgedrückt zu werden. Dankbar widme ich dieses Buch meinen Kindern Lukas und Sharon, die während der Arbeit an der Habilitation sicherlich nicht immer zu ihrem Recht gekommen sind.
Billerbeck, im März 2007
Thomas Witulski
Inhalt
Einleitung ....................................................................................................... 7 1.
Die Kaiser der julisch-claudischen Dynastie ........................................... 9 1.
Augustus - die Basis für das Folgende ............................................. 9 1.1 Die Eimichtung des ersten provinzialen Kaiserkults ............... 9 1.2 Die Reform des Kalenders der Provinz Asia .......................... 25 1.3 Ergebnis .................................................................................. 32 1.4 Grundsätzliches zur kultisch-religiösen Kaiserverehrung ...................................... 32 1.4.1 Das ontische Verhältnis des kultisch-religiös verehrten Kaisers ............................. 32 zu den traditionellen 8EOi 1.4.2 Zu den semantischen Implikationen der Begriffe Divus und 8E6(; ................................... 35
2.
Die Nachfahren des Augustus ......................................................... 37 2.1 Tiberius ................................................................................... 37 2.2 Gaius (Caligula) ..................................................................... 42 2.3 Claudius .................................................................................. 46 2.4 Nero ........................................................................................ 50
11. Die Kaiser der flavischen Dynastie und die Adoptivkaiser ................... 53 1.
Die Flavier ....................................................................................... 53
2.
Traian .............................................................................................. 78
3.
Hadrian .................................................................................. :......... 90 3.1 Die kultische Verehrung Hadrians in der Provinz Asia ......... 90 3.1.1 Der Provinzialkult in Smyma ..................................... 90 3.1.2 Der Provinzialkult in Ephesus .................................... 98 3.1.3 Der Provinzialkult in K yzikos .................................. 101 3.1.4 Zusammenfassung ..................................................... l 09 3.2 Der Ausbau des Heiligtums des ZEU(; , Oi\uMIDO(; in Athen und die Gründung der Institution des navEi\i\~vI0v ................................................................. 109 3.3 Der Sophist Antonius Polemon und sein Verhältnis zu Hadrian ................................................... 13 9
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Inhalt
3.4 Die Reisen Hadrians durch die Provinz Asia ....................... 153 3.5 Ergebnis ................................................................................ 168 4.
Antoninus Pius .............................................................................. 171
Ergebnis und Ausblick .............................................................. ~ ................ 173 Autorenregister ........................................................................................... l 75 Quellenregister ........................................................................................... 178 Literatur ...................................................................................................... 185
Einleitung
Die kultisch-religiöse Verehrung der römischen Kaiser ist in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Gegenstand monographischer Untersuchungen gewesen. 1 In diesen Arbeiten wird die kultisch-religiöse Kaiserverehrung vorzugsweise unter religionsphänomenologischen oder aber politischen oder soziologischen Gesichtspunkten in den Blick genommen. Entwicklungsgeschichtliche Analysen aber, in deren Rahmen - bezogen auf eine bestimmte geographisch bzw. verwaltungstechnisch abgegrenzte Region und auf einen bestimmten Zeitraum - nach den geschichtlichen Entwicklungen und Veränderungen innerhalb der kultisch-religiösen Kaiserverehrung gefragt wird, lagen bis dato jedoch kaum im Fokus des althistorischen Forschungsinteresses. Mit der vorliegenden Arbeit nun soll ein Beitrag eben zur entwicklungsgeschichtlichen Analyse der kultisch-religiösen Kaiserverehrung geleistet werden. In ihr wird die geschichtliche Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia in der Zeit von Augustus bis Antoninus Pius untersucht. Der geographischen Beschränkung auf die Provinz Asia liegen dabei folgende Erwägungen zugrunde: (a) Diese Provinz zählte in der frühen Kaiserzeit zu den wichtigsten Provinzen des gesamten imperium Romanum. 2 (b) Auf dem Boden der Provinz Asia spielten sich wichtige Entwicklungen innerhalb des frühen Christentums ab. Ephesus, die Hauptstadt der Provinz, 3 muß als Zentrum der Missionsarbeit des Paulus und als Sitz der Paulusschule gelten,4 die in der johanneischen Schule bzw. im johanneischen Kreis entstandenen Schriften dürften ebenfalls dort verfaßt worden sein. 5 (c) Der Verfasser der neutestamentlichen Johannesapokalypse reagiert mit seinem Werk auf eine in der gesamten römischen Provinz Asia Platz greifende6 aktuelle Intensivierung der kultisch1
Exemplarisch sei hier nur auf die Arbeiten von F. Taeger, S.R.F. Price und M. Clauss verwie-
sen. 2 Vgl. hierzu nur Hanslik, Art. Asia, in: KP 1, 636f: "Das Prinzipat hat, besonders im 2. Jh., der Provinz eine neue Blütezeit zuteil werden lassen" (636). 3 Vgl. hierzu Hanslik, Art, Asia, in: KP 1,636. 4 Vgl. hierzu Schnelle, Einleitung, 50. 5 So Schnelle, Einleitung, 482f. 6 Daß hier die Provinz Asia in ihrer Gesamtheit und nicht etwa nur eine einzelne Stadt in den Blick zu nehmen ist, ergibt sich schon aus der Adresse der Apk, die an sieben Gemeinden innerhalb dieser Provinz gerichet ist (Apk 1,4.9.11; 2fu.ö.).
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Einleitung
religiösen Kaiserverehrung. 7 Die zeitliche Eingrenzung der Untersuchung wird durch den Sachverhalt nahe gelegt, daß spätestens mit der Zeit des Antoninus Pius, der von 138 bis 161 n.Chr. regierte, die Zeit des Neuen Testaments und damit des Urchristentums zu einem gewissen Abschluß gekommen ist und in die Zeit der frühen Kirche ausmündet. 8 • Die hier vorgelegte entwicklungsgeschichtliche Analyse der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius beschränkt sich im wesentlichen auf den Aspekt der kultisch-religiösen Kaiserverehrung auf provinzialer Ebene. Dies hat einerseits praktische, insbesondere quellentechnische Gründe: Hinsichtlich der munizipalen oder auch der privaten religiös-kultischen Kaiserverehrung lassen sich aus dem vorhandenen Quellenmaterial nur sehr selten sichere, geschweige denn :für eine entwicklungsgeschichtliche Systematik verwertund vergleichbare Auskünfte ableiten. Andererseits wird diese Beschränkung durch heuristische Erwägungen indiziert: Linien geschichtlicher Entwicklung und Veränderung innerhalb der in der Provinz Asia praktizierten religiös-kultischen Kaiserverehrung lassen sich am ehesten durch die Analyse der entsprechenden provinzialen Praxis erkennen und aufzeigen, da in ihr gesamtprovinziale, kaiserliche und auch senatorische Interessen paradigmatisch zusammengeführt werden. Als Methode :für eine den oben diskutierten Vorgaben entsprechend begrenzte entwicklungsgeschichtliche Analyse der kultisch-religiösen Kaiserverehrung bietet sich der Vergleich an. Ausgehend von der Analyse der kultisch-religiösen Verehrung des Augustus, mit dessen Verehrung die Grundlage für weitergehende Entwicklungen gelegt ist, ist die jeweilige kultisch-religiöse Verehrung sämtlicher weiterer Regenten bis hin zu Antoninus Pius in den Blick zu nehmen und jeweils mit derjenigen ihrer Vorgänger, nicht zuletzt auch mit derjenigen des Augustus, in Beziehung zu setzen. Diese vergleichende Methode ermöglicht es, insbesondere diejenigen Phasen innerhalb der Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia wahrzunehmen, in denen deren Intensität über das dort Gewohnte und von Beginn des Prinzipats an Praktizierte hinaus weiterentwickelt worden ist.
7 Vgl. den entsprechenden Abschnitt aus Witulski, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian (erscheint 2007). 8 Einerseits datiert Kraus, Sprache, 413, den 2. Petr als die späteste Schrift des Neuen Testaments neuestens in die Zeit zwischen 110 und 130 n.Chr. Andererseits verfaßte Quadratus als der wohl älteste christliche Apologet seine Apologie in hadrianischer Zeit (vgl. hierzu Beck, Art. Quadratus, in: LACL, 529); der smymäische Bischof Polykarp, der bereits "mit und durch das NT" (König, Art. Polykarp von Smyma, in: LACL, 512) spricht, starb um 150 n.Chr. (vgl. 511).
1. Die Kaiser der julisch-claudischen Dynastie
1. Augustus - die Basis
rur das Folgende
1.1 Die Einrichtung des ersten provinzialen Kaiserkults In der Provinz Asia setzte die kultisch-religiöse Verehrung der amtierenden römischen Kaiser auf provinzialer Ebene unmittelbar nach der Beendigung der Bürgerkriege ein. Wohl um 29 n.Chr. wurde in Pergamon ein provinzialer Kult eingerichtet, der der Dea Roma und dem Divi filius Augustus gewidmet gewesen ist. Folgende epigraphische und literarische Zeugnisse! bieten Informationen über den Zeitpunkt und die Umstände der Einrichtung: 2 (a) Die auf der Insel Lesbos gelegenen Stadt Mytilene verfaßte einen Ehrenbeschluß3 rur Augustus, in dem ein dem Herrscher zugeeigneter Tempel erwähnt wird. Dieser Tempel werde gegenwärtig in Pergamon erbaut. (b) Aufschlußreicher ist eine Inschrift aus Ephesus aus der Zeit nach 51 n.Chr. Sie dokumentiert die von Paullus Fabius Persicus, einem proconsul der Provinz Asia nach 51 n.Chr., in einem Edikt angeordnete Entlassung der von der Stadt Ephesus besoldeten Hymnoden und deren Ersetzung durch "ehrenamtlich" tätige Epheben. 4 In diesem Zusammenhang nahm der Statthalter auch auf den Provinzialkult des Augustus in Pergamon und die mit diesem verbundenen UIlV4JOO{5 Bezug. (c) Der jüdische Historiograph Flavius Josephus6 berichtet von einer Anordnung des Augustus, die sich auf ein Ehrendekret bezieht, das dem Herr!
Zu den numismatischen Zeugnissen vgl. Fayer, Culto, 109ff und Friesen, Twice Neokoros,
12ff. 2 V gl. zu den epigraphischen und literarischen Belegen für Kaisertempel in Pergamon Fayer, Culto, 108, A. 4 und 110, A. 9. 3 Vgl. OGIS I 456 bzw. IGR IV 39; zur Datierung dieser Inschrift zwischen 27 und 11 v.Chr. vgl. Dittenberger, OGIS 11, 43, A. 1 und Lafaye, IGR IV, 20. . 4 IEph 17-19; zur Datierung des Prokonsulats des Paullus Fabius Persicus vgl. u.a. Hanslik, Art. Fabius.II,10, in: KP 2, 497. Diese Datierung des Prokonsulats läßt die von Wankei, IEph la, 91 vorgeschlagene Datierung seines inschriftlich erhaltenen Edikts in die Zeit um 44 n.Chr. als einen Druckfehler erscheinen. 5 Die wichtigste Aufgabe der mit dem pergamenischen Roma- und Augustustempel verbundenen UIlV4l001 bestand darin, die beiden Gottheiten zu preisen und an ihnen zu Ehren veranstalteten religiösen Feierlichkeiten und Festen teilzunehmen. Zu den UIlV4l001 des Augustus und der Roma vgl. darüber hinaus Fayer, Culto, 125ff. 6 Zu Flavius Josephus vgl. Schaller, Art. Josephos.2, in: KP 2, 1440ff. Der jüdische Historiker wurde 37/38 n.Chr. geboren und starb nicht lange nach 100 n.Chr.
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Die Kaiser der julisch-claudischen Dynastie
scher selbst und seinem Statthalter Gaius Marcius Censorinus von den in der Provinz Asia lebenden Juden zugeeignet worden ist. Dieses Dekret sollte zusammen mit einem kaiserlichen Edikt7 im "berühmtesten Teil"8 des dem Kaiser von dem Koinon der Provinz Asia in Pergamon gewidmeten Tempels aufgestellt werden. In seinem Edikt habe der Kaiser den in der Provinz Asia und in der Kup~Vll A1ßUll ansässigen Juden in Anerkennung der früheren und auch gegenwärtigen Loyalität des jüdischen Volkes Rom gegenüber die unbehinderte Ausübung ihrer Religion garantiert. 9 (d) Der römische Historiker P. Cornelius Tacitus lO überliefert anno IV 37,2f eine Rede des Tiberius, in der der Kaiser darauf verweist, daß Augustus die Errichtung eines ihm und der Stadt Rom gewidmeten Tempels in Pergamon nicht verwehrt, sondern gestattet habe. 11 Einen weiteren Verweis auf den pergarnenischen Augustustempel bietet Tacitus in anno IV 55,2. Als im Senat die Frage diskutiert wurde, in welcher Stadt der Provinz Asia der dem Tiberius, dessen Mutter und dem Senat gewidmete zweite provinziale Kaisertempel erbaut werden sollte,12 zeigten sich die Gesandten der Stadt Pergamon zufrieden damit, daß sie seinerzeit den Tempel des Augustus errichten durften, und zogen ihre Bewerbung zurück. 7 Nach Deininger, Provinziallandtage, 37, A. 1 ist dieses Edikt in das Jahr 2/3 n.Chr. zu datieren. V gl. auch Fayer, Culto, 110, A. 8. 8 Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen des Josephus. Der genaue Ort der Aufstellung ist unbekannt. 9 Vgl. ant. XVI 165. Die hier im Blick auf den Standort des Augustusheiligtums vertretene Lesart ITEpya/14> folgt einer Konjektur T. Mommsens, da die Ausführungen des Josephus m.E. nur so sinnvoll werden (Res Gestae, X, A. 1; zur textkritischen Diskussion dieser Stelle vgl. u.a. Fayer, Culto, 110, A. 8 und Deininger, Provinziallandtage, 37, A. 1). Damit verliert dieser Beleg allerdings seine Beweiskraft für die Stadt Pergamon als Standort des Tempels der Augustus und der Roma, bleibt aber als Zeugnis für das Faktum eines provinzialen Kaiserkults in der Provinz Asia zur Zeit des Augustus von Belang. Anders hier etwa Fayer, Culto, 110, A. 8, die trotz dieser Konjektur und trotz der Tatsache, daß die göttliche Roma nicht erwähnt wird, den Beleg des Josephus unter die "testimonianze sul tempio della dea Roma e di Augusto a Pergamo" subsumiert. Zum gesamten Vorgang, der zu diesem Edikt und zu dessen Aufstellung im pergamenischen (?) Kaisertempel führte, vgl. Josephus, ant. XVI 160-165. 10 Zu Tacitus vgl. Fuhrmann, Art. Tacitus.l, in: KP 5, 486ff. Tacitus wurde um die Mitte des 1. Jh. n.Chr. geboren, sein Todesjahr ist unbekannt. Da Tacitus seine schriftstellerische Tätigkeit erst nach dem Tod Domitians begann (vgl. Sontheimer, Tacitus, 6) und sein literarisches Erstlingswerk um 98 n.Chr. veröffentlichte (vgl. Fuhrmann, Art. Tacitus.l, 487), läßt sich die Entstehung der annales etwa in das erste Viertel des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts datieren. 11 Diese Rede des Tiberius wurde verursacht durch kritische Stimmen, die ihm aufgrund seiner zuvor dem Koinon der Provinz Asia erteilten Zustimmung, ihm selbst, seiner!Mutter und dem Senat einen Provinzialtempel zu weihen, eine unzulässige Hinwendung zum Ehrgeiz vorwarfen. Nun, anläßlich einer entsprechenden Bitte des Koinon der Provinz Hispania ulterior, rechtfertigt der Kaiser seine damalige Zustimmung u.a. mit dem Verweis auf die Tatsache, daß Augustus selbst, dessen Taten und Worte Tiberius wie ein Gesetz beachtet, seinerzeit dem asianischen Koinon ebenfalls eine entsprechende Erlaubnis erteilt hat. 12 Vgl. hierzu unten 37ff.
Augustus - die Basis rur das Folgende
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Innerhalb der epigraphischen und literarischen Quellen zum asianischen Kaiserkult zur Zeit des Augustus wird der erste provinziale Kaisertempel der Provinz Asia nur bei Tacitus, anno IV 37,2f als Tempel des Augustus und der Roma bezeichnet. Sämtliche anderen epigraphischen und literarischen Zeugnisse sprechen hingegen nur von einem Tempel des Augustus. 13 Da nun die numismatischen Zeugnisse keinen Zweifel daran lassen, daß der pergarnenische Kaisertempel zumindest um 19 v.Chr. beiden Gottheiten geweiht gewesen ist,14 und sich rur eine nachträgliche Ergänzung des provinzialen Augustuskults um die Göttin Roma keinerlei Indizien oder Motive ausmachen lassen,15 bleibt zur Erklärung des Befundes nur folgende Möglichkeit: Der in Pergamon praktizierte provinziale Kaiserkult bezog sich zunächst auf beide Gottheiten. Aber die Verehrung der Göttin Roma wurde je länger je mehr so weit von der des Augustus überschattet, daß sie bereits zur Zeit des Statthalters Paullus Fabius Persicus,16 erst recht aber zur Zeit des Josephus 17 und des Cassius Dio 18 nicht mehr relevant erschien. 19 In anno IV 37,2f spricht Tacitus selbst von einem Tempel des Augustus und·der Dea Roma, in anno IV 55,2 aber nur von einem Augustusheiligtum. Dies mag damit zusammenhängen, daß er in anno IV 37 ,2ff, gestützt möglicherweise auf Protokolle der entsprechenden Senatssitzung, eine Rede des Tiberius wiedergibt, der wiederum gerade an diesem Punkt womöglich aufgrund der nicht spannungsfreien Situation und des offiziellen Anlasses sehr präzise formulierte. 20
(e) Der Historiograph Cassius Dio 21 berichtet über eine den in der Provinz Asia lebenden "Hellenen" im Winter 29 v.Chr. 22 von Augustus erteilte Erlaubnis, diesem in Pergamon ein Heiligtum zu weihen. 23
13
V gl. oben und unten passim.
14 Vgl. Fayer, Culto, 109fund Heinen, Kaiserkult, 147, A. 5. 15 Vgl. Heinen, Kaiserkult, 147, A. 5. 16 Vgl. oben 9. 17 Vgl. oben 9f. 18 Vgl. unten 11f. 19 So auch Heinen, Kaiserkult, 147, A. 5 mit Verweis aufE. Komemann. 20 Heinen, Kaiserkult, 147, A. 5 vermutet im Blick auf die unterschiedlichen Aussagen des Tacitus, daß er sich in anno IV 37,2fpräziser als in IV 55,2 äußere, weil "es sich [an dieser Stelle] mehr um eine prinzipielle Entscheidung des Kaisers handelt". M.E. aber übersieht Heinen, daß in anno IV 37, 2f die Frage, ob Augustus in der Provinz Asia allein oder in Kultgemeinschaft mit der Roma verehrt wird, weder in der vorgetragenen Argumentation noch hinsichtlich der von Tiberius getroffenen prinzipiellen Entscheidung noch hinsichtlich der Ausgestaltung des asianischen Tiberius-Kultes eine Rolle spielt. Somit läßt sich die Genauigkeit des Tacitus in anno IV 37,2f weder aus der hier dargestellten Argumentation noch aus der grundsätzlichen Bedeutung der geschilderten Situation erklären. 21 Zu Cassius Dio vgl. Stiewe, Art. Cassius.III 4, in: KP 1, 1076f. Cassius Dio begann seine literarische Tätigkeit unter Septimus Severus gegen Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts. 22 Diese Datierung ergibt sich aus der zeitlichen Einordnung der von Cassius Dio in LI 20,1 ff geschilderten Ereignisse und der Anmerkung: TailTa IlEV EV T4J XElllWVl EytNETO ("Alle diese [d.h. die zuvor geschilderten Ereignisse] begaben sich im Winter"; Text und Übersetzung nach Cary, Dio's Roman History VI, 58f) in LI 20,9. Die Weihe des Tempels wurde C. Fayer zufolge erst zehn Jahre später vollzogen. "Al contrario numerose sono le attestazione sul culto della dea Roma e di Augusto instituito dal koinon d'Asia che, nel 19 a.C., consacro alle due divinita il
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Die Kaiser der julisch-claudischen Dynastie
Nach Cassius Dio unterscheidet Augustus ausdrücklich zunächst zwischen den römischen und den griechischen Einwohnern der Provinzen Asia bzw. Bithynia, dann aber auch zwischen seinem nach dessen Tod divinisierten Vater Julius Caesar und ihm selbst als dem amtierenden Kaiser. Während er den in den beiden Provinzen24 lebenden Römern befiehlt, die Göttin Roma und seinen divinisierten Va!er Julius Caesar kultisch zu verehren, gestattet er den "Hellenen" der Provinz Asia, ihm selbst und der Göttin Roma einen Tempel zu weihen. 25
(f) Eine in den Ausführungen der Suda26 zu Telephos erhaltene Notiz belegt, daß dieser im 2. Jh. n.Chr. lebende und aus Pergamon stammende Grammatiker27 neben vielem anderem auch zwei Bücher über den Kaisertempel in Pergamon verfaßt hat. 28 Sowohl die Äußerung des Tacitus in anno IV 37,2: Cum divus Augustus sibi atque urbi Romae templum apud Pergamum sisti non prohibuisset [... ]29 als auch die Ausführungen des Cassius Dio LI 20,7: TOle; ÖE ö~ ~EV01e;, "EAAllvae; acpae; tmKaAEaae;, tauTTOKP<XTOPl NEpoua224 Tpatavw Kal<Japl "APWTW L:Eßa<JTw rEp~avIKw ~aKIKw IIap81Kw XaPWTIJ plOV. 225
5
Die Maße226 der Blöcke, auf welchen die Inschriften jeweils eingemeißelt worden sind, sowie auch die Nennung des Namens des Herrschers im Dativ lassen daran denken, daß es sich bei diesen Steinblöcken um kleine Altäre handelt, die vor den Privathäusem der Einwohner Mytilenes aufgestellt worden sind und auf denen die Bewohner des jeweiligen Hauses Traian Dankopfer227 darbringen konnten bzw. mußten. Da diese Inschriften in ihrem Wortlaut übereinstimmen, wird die Vermutung wahrscheinlich, daß die Aufstellung der Altäre auf einen Beschluß und eine entsprechende Verordnung der Behörden Mytilenes zurückgeht. 228 Anlaß für diese Aufstellung wird eine außergewöhnliche Hilfeleistung Traians zugunsten der Stadt gewesen sein, auf die deren Behörden dann entsprechend reagierten. Ein Vergleich des in Pergamon eingerichteten asianischen Provinzialkultes des ZEUs
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Die Kaiser der flavischen Dynastie und die Adoptivkaiser
einer zweiten, in die Zeit zwischen März/April und Juli/August 129 n.Chr. fallenden Reise650 reiste der Kaiser zunächst von Athen aus nach EpheSUS,651 Milet und durch die Landschaft Carien. 652 Danach zog er über Tralleis,653 Laodikeia am Lykos,654 Kolossai,655 dann über Apameia und Melis650 Vgl. zum gesamten ReiseverlaufHalfmann, Itinera, 192f.204-206. 651 Zur Verleihung der zweiten Neokorie an die Stadt Ephesus, zu der damit zusammenhängenden Errichtung eines neuen, Hadrian geweihten Tempels in der Stadt sowie zu der damit zu verbindenden Stiftung eines neuen Agon vgl. oben 98ff. Die Inschrift IEph 1145 belegt die Teilnahme Hadrians an einer Veranstaltung im Theater von Ephesus. 652 Nach Weber, Geschichte, 218 unternahm Hadrian unmittelbar von Ephesus aus einen Abstecher nach Süden. Dabei verweist Weber auf die Inschrift IG XII 3, 177, einen in Laodikaia am Lykos verfaßten Brief Hadrians an das Gemeinwesen von Astypalaia. F. Hiller von Gaertringen gibt die entsprechende Passage der Inschrift wie folgt wieder: IlE t7wraivoVTa [äpn(?)] I [Tf)