Klaus Mollenhauer · Helmut Tschöke Handbuch Dieselmotoren
Klaus Mollenhauer · Helmut Tschöke
Handbuch Dieselmotoren 3., neubearbeitete Auflage Mit 580 zum Teil farbigen Abbildungen und 84 Tabellen
123
Professor Dr.-Ing. Klaus Mollenhauer Orber Straße 25 14193 Berlin
[email protected] Professor Dr.-Ing. Helmut Tschöke Otto-von-Guericke-Universität Institut für Mobile Systeme Universitätsplatz 2 39106 Magdeburg
[email protected] Herausgeber und Verlag danken der Robert Bosch GmbH, Stuttgart, für die Unterstützung bei der Veröffentlichung des Werkes.
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ISBN 978-3-540-72164-2 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 978-3-540-41239-7 2. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1997, 2002, 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Text und Abbildungen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Verlag und Autor können jedoch für eventuell verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: WMX Design, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Vorwort zur 3. Auflage
Schon mit der 1. Auflage des Standardwerkes „Handbuch Dieselmotoren“ war beabsichtigt, den aktuellen Stand und künftige Entwicklungen der Dieselmotorentechnik zu ver mitteln. Seit dem Erscheinen der 2. Auflage des Handbuches im Jahr 2002 hat sich der Dieselmotor mit großer Dynamik als energiesparender, sauberer, leistungsstarker und komfor tabler Antrieb für den mobilen und stationären Einsatz weiterentwickelt. Nach wie vor stehen angesichts beschränk ter Erdölvorräte und der Diskussion um die prognostizierte Klimaveränderung die Reduzierung des Verbrauchs und der Einsatz alternativer Kraftstoffe bei größtmöglicher Abgas reinheit, weiter steigender Leistungsdichte sowie verbes sertem Betriebsverhalten des Dieselmotors im Fokus der Entwicklung. Diese orientiert sich auch an den gesetzlichen Rahmenbedingungen, den Kundenanforderungen und nicht zuletzt am Wettbewerb mit dem Ottomotor als dem nach wie vor als Benchmark geltenden Pkw-Antrieb. Vor diesem Hintergrund wurden die behandelten The men neu gewichtet: Neben den innermotorischen Maß nahmen zur Abgasemissionsminderung mit Hilfe neuer Brennverfahren und neuer Kraftstoffe ist vor allem der Abschnitt Abgasnachbehandlung stark erweitert worden. Der im Pkw-Bereich Ende der neunziger Jahre serienmäßig eingeführte Oxydationskatalysator genügte bald nicht mehr den gestiegenen Anforderungen an die Lufthygiene: Parti kelfilter und Systeme zur Stickoxidreduzierung, z. B. SCRund Speicherkatalysatoren, erhielten deshalb mehr Gewicht. Die neuen Brennverfahren mit einem gegenüber der nor malen Diffusionsverbrennung gesteigerten Anteil an vorge mischter, homogener Verbrennung gehören ebenso zum Inhalt des Handbuches wie die Entwicklung der Aufladung zur Steigerung der Leistungsausbeute, wobei mit erhöhtem effektiven Mitteldruck auch der Zylinderspitzendruck und damit die Grenze der Belastung zunimmt. Zeichnete sich Ende der neunziger Jahre mit dem Umstieg von der indi rekten zur direkten Einspritzung im Pkw-Bereich das Com mon-Rail-System als das kommende Einspritzverfahren ab,
so galt es zu Beginn des neuen Jahrtausends als bei PkwMotoren etabliert und wurde – zunächst noch versuchswei se – auch bei größeren Dieselmotoren eingesetzt. Heute findet man das Common-Rail-System serienmäßig bei nahezu allen Baugrößen der Dieselmotoren. Folglich wer den die verschiedenen Ausführungsformen, z. B. mit magnetventilgesteuerten oder piezoaktuierten Injektoren, entsprechend der aktuellen, jedoch noch nicht abgeschlosse nen Entwicklung ausführlich behandelt. Dementsprechend wird auch der Elektronik mit ihren vielfältigen Möglich keiten zur Steuerung und Regelung von Prozessabläufen im Motor breiter Raum eingeräumt. Herausgeber und Verlag wollen mit dieser dritten, in wei ten Bereichen völlig neu bearbeiteten Auflage dem Anspruch gerecht werden, dem Leser den Dieselmotor und sein großes Anwendungsspektrum wissenschaftlich und praxisnah vor zustellen. Das Handbuch wendet sich sowohl an den Exper ten als auch an den technisch interessierten Nichtfachmann und den Ingenieurstudenten. Zur Aufbereitung des Fach wissens trugen über 50 Autoren – alles exzellente Diesel fachleute – sowie das kompetente Fachlektorat des SpringerVerlags wesentlich bei. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Zum neuen Inhalt des Buches gesellt sich das ange passte, zweispaltige Layout und die nun fortlaufend in die Kapitel eingefügten farbigen Darstellungen der Bilder und Diagramme. Von den Helferinnen und Helfern im Hinter grund, die zum Gelingen des Buches beigetragen haben, soll stellvertretend Frau Monika Schmidt vom Institut für Mobi le Systeme der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, zuständig für die nicht ganz einfache Aufbereitung des Textund Bildmaterials, dankend erwähnt werden. Ganz besonderer Dank gilt der Robert Bosch GmbH, Geschäftsbereich Diesel Systems, für die fachliche und finanzielle Unterstützung, die erst ermöglicht hat, dieses umfangreiche Werk fertigzustellen. Den Herausgebern hat die Zusammenarbeit mit den Autoren, dem Verlag und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trotz mancher Hektik und erheblicher Zusatzbelastung viel Freude gemacht.
Berlin und Magdeburg, im Sommer 2007
Klaus Mollenhauer Helmut Tschöke
Vorwort zur 1. Auflage
„Mein Motor macht immer noch große Fort schritte …“ 1 (Rudolf Diesel, 1895)
Diesen Fortschritten nachzugehen, den heute erreichten Stand der Dieselmotorentechnik zu dokumentieren, ist das Anliegen dieses Buches. Den Anstoß zur Herausgabe eines VDI-Handbuches Dieselmotoren gab das Gedenken an die vor rund hundert Jahren vollzogene Umsetzung der Idee Rudolf Diesels von einem rationellen Wärmemotor in die Realität. Nach der Patentanmeldung im Jahre 1892 und der Aufnahme der Arbeiten an seinem Motor im darauffolgen den Jahr dauerte es weitere vier Jahre, bis der Verein Deut scher Ingenieure mit der VDI-Tagung in Kassel Rudolf Diesel das Podium bot, von dem aus er am 16. Juni 1897 der Öffentlichkeit seinen Motor vorstellte, der bald darauf den Namen seines genialen Erfinders trug. Das Handbuch ist weniger für den engen Kreis der DieselExperten gedacht als vielmehr für den ingenieurmäßig vorgebildeten oder zumindest technisch versierten „DieselLaien“, der – möglicherweise angeregt durch die Diskussion um das Drei-Liter-Auto – einen umfassenden, fundierten Überblick über die Dieselmotorentechnik und ihren Ent wicklungsstand gewinnen will, möglichst aus erster Hand. Aber auch dem Motorenfachmann soll das Buch im Sinne einer Gesamtschau helfen, seine Kenntnisse abseits der eige nen, oft sehr speziellen Erfahrungen zu ergänzen oder auf zufrischen. Dieser Zielsetzung entspricht die Gliederung des Buches in fünf Hauptteile. Zunächst wird dem Leser nach einem kurzen Abriss der Geschichte des Dieselmotors Grundlagen wissen vermittelt, das u.a. auch die Aufladetechnik und die dieselmotorische Verbrennung bis hin zu den Kraftstoffen umfasst. In den folgenden drei Teilen werden Fragen zur Beanspruchung und konstruktiven Gestaltung ausgewählter 1
Das Zitat entstammt einem Brief Diesels vom 3. Juli 1895 an seine Frau, nachdem zuvor am 26. Juni erstmals ein Nutzwirkungs grad von über 16% ermittelt worden war [E. Diesel: Diesel, der Mensch, das Werk, das Schicksal. Stuttgart: Reclam 1953, a.a.O., S. 194/195].
Bauteile, zum Betrieb von Dieselmotoren und die dadurch verursachte Umweltbelastung einschließlich von Maßnah men zu deren Verminderung behandelt. Im fünften Teil wird die gesamte Motorenpalette vom Einzylinder-Klein dieselmotor bis zum großen, langsamlaufenden ZweitaktDieselmotor vorgestellt. Den Abschluss bildet ein Exkurs zur weiteren Entwicklung der dieselmotorischen Verbren nung, der auch die Anfänge unter Rudolf Diesel einer neuen Wertung unterzieht. Ein Anhang enthält auch eine Zusammenstellung der für Dieselmotoren wichtigsten Nor men und Regeln. Wegen der Allgemeingültigkeit werden mathematische Zusammenhänge als Größengleichungen dargestellt. Für Zahlenwerte werden die SI-Einheiten verwendet bei Angabe von Drücken in Bar (bar, mbar). Auf eine Zusammenstel lung der Formelzeichen wurde verzichtet, da sie jeweils im Text erläutert werden und eine durchgängig einheitliche Bezeichnung angestrebt wurde. Nur bei der Kenngröße für die Arbeitsausbeute eines Motors, der spezifischen Nutz arbeit we bzw. dem mittleren effektivem Druck pe konnte dies nicht erreicht werden, worauf im Text näher eingegan gen wird. Um den mit einem Handbuch Dieselmotoren verbunde nen Erwartungen und Ansprüchen entsprechen zu können, war ich auf die Mitarbeit von hervorragenden Ingenieuren aus der Motorenindustrie ebenso angewiesen, wie auf die von Professoren an den Technischen Hochschulen und Universitäten. Besteht doch seit den Tagen Diesels, dessen Erfindung auf dem Ingenieurwissen seiner Zeit fußte, in der Motorenforschung eine besonders enge Verbindung zwischen Theorie und Praxis, zwischen Hochschule und Industrie. Hier ist die durch die Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. (FVV), Frankfurt a. M., initiierte und betreute Gemeinschaftsforschung hervorzu heben. Allen Autoren möchte ich für ihre Mitarbeit, das bereit willige Eingehen auf meine Vorstellungen und die vielen fruchtbaren Diskussionen danken. Das gilt für die in der Industrie Tätigen, wo heutzutage oftmals das Äußerste an Einsatz abverlangt wird, ebenso wie für meine Kollegen an den Hochschulen, wo die Zeiten schöpferischer Muße längst der Vergangenheit angehören. Für jeden Autor ging die zu
Vorwort zur 1. Auflage VII sätzlich übernommene Arbeit zu Lasten der schon mageren Freizeit. Deshalb möchte ich in meinen Dank auch die jeweiligen Lebenspartner und engeren Familienangehörigen einbezie hen. Ihr Verständnis unter Zurückstellen eigener Wünsche und Ansprüche – hier spreche ich aus eigener Erfahrung – hat letztlich mit zum Entstehen des gemeinsamen Werkes beigetragen. Zu danken ist auch den Firmen, die ihren Mitarbeitern die Nebentätigkeit gestatteten, das Erstellen von Text und Bildvorlagen unterstützten sowie bereitwillig Unterlagen zur Verfügung stellten. Anerkennung gebührt auch den vielen Helfern in den Betrieben und Instituten für ihre Zuarbeit, ohne die ein derart umfangreiches Buchmanuskript nicht hätte entstehen können. Mein Dank gilt auch den beteiligten Verlagen: Dem VDIVerlag bzw. seinem Fachlektorat, das die Idee zu diesem Buch hatte, bei der Verlagsleitung durchsetzte und zunächst verfolgte, insbesondere jedoch dem Springer-Verlag und Berlin, im Frühjahr 1997
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Diesel, R.: Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärme motors zum Ersatz der Dampfmaschinen und der heute bekann ten Verbrennungsmotoren. Berlin: Springer-Verlag 1893.
seiner Produktion, die das ins Stocken geratene Projekt auf griffen und tatkräftig vorantrieben, um es noch im Jubi läumsjahr des 100. Geburtstages des Dieselmotors auf den Markt zu bringen, um somit, wie schon einmal vor über 100 Jahren 2, dazu beizutragen, die Idee Rudolf Diesels vom „rationellen Wärmemotor“ zu verbreiten. Dass der Dieselmotor bis heute die wirtschaftlichste Wärmekraftmaschine ist und sich zu dem heutigen Stand eines High-Tech-Produktes entwickelte, ist der Arbeit vieler Generationen von Werkern, Ingenieuren, Wissenschaftlern und Professoren zu danken. Ich widme daher dieses Buch dem Andenken meiner akademischen Lehrer an der Tech nischen Universität Berlin, meiner langjährigen Wirkungs stätte, deren Namen mit der Entwicklung des Dieselmotors in besonderem Maße verbunden sind: Walter Pflaum (1896 bis 1989), Friedrich Sass (1883 bis 1968) und Heinrich Triebnigg (1896 bis 1969). Klaus Mollenhauer
Inhaltsverzeichnis
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI
Teil I Der Arbeitsprozess des Dieselmotors 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors . . . . 1.1 Historie des Dieselmotors (Klaus Mollenhauer) . . . . . . . . . . . . 1.2 Motortechnische Grundlagen (Klaus Mollenhauer) . . . . . . . . . . . . 1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses (Klaus Schreiner) . . . . . . . . . . . . . .
. . . 3 . . . 3 . . . 9 . . . 20
Ladungswechsel und Aufladung (Helmut Pucher) . . . . 2.1 Ladungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Aufladung von Dieselmotoren . . . . . . . . . 2.3 Programmierte Ladungswechselberechnung
34 34 42 63
3 Dieselmotorische Verbrennung (Klaus B. Binder) . . . 3.1 Gemischbildung und Verbrennung . . . . . . 3.2 Konstruktive Merkmale . . . . . . . . . . . . 3.3 Alternative Verbrennungsverfahren . . . . . 3.4 Prozesssimulation von Einspritzverlauf und Brennverlauf . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 78 82
2
84
4 Kraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.1 Dieselkraftstoff für Fahrzeugmotoren (Gerd Hagenow, Klaus Reders) . . . . . . . . . 86 4.2 Alternative Kraftstoffe (Hanns-Erhard Heinze, Wolfgang Steiger) . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren (Detlef Zigan) . . . . . . . . 118 4.4 Brenngase und Gasmotoren (Dirk Mooser) . 129 5 Kraftstoffeinspritztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . 143 5.1 Einspritzhydraulik (Walter Egler) . . . . . . . 143 5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter (Rolf Jürgen Giersch) . . . . . . . . . . . . . . 146
5.3 5.4
Einspritzsysteme (Friedrich Boecking, Jürgen Hammer, Jaroslav Hlousek, Patrick Mattes, Ulrich Projahn, Winfried Urner) . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Messtechnik für Einspritzsysteme (Björn Janetzky) . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme . 6.1 Mechanische Regelung (Ulrich Projahn) . . . 6.2 Elektronische Regelung (Helmut Randoll) . . 6.3 Sensoren (Erich Biermann, Jörg Brückner, Karsten Funk, Thomas Küttner) . . . . . . . . 6.4 Diagnose (Walter Lehle) . . . . . . . . . . . . 6.5 Applikation (Joachim Zuern) . . . . . . . . . .
198 198 198 208 211 214
Teil II Zur Konstruktion von Dieselmotoren 7 Belastung von Motorbauteilen . . . . . . . . . . . . . . 219 7.1 Mechanische und thermische Bauteil belastung (Dietmar Pinkernell) . . . . . . . . 219 7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor (Michael Bargende) . . . . . . . . . 228 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks 247 8.1 Bauformen und mechanische Eigenschaften des Triebwerks (Eduard Köhler) . . . . . . . . 247 8.2 Beanspruchung des Triebwerks (Eduard Köhler) . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 8.3 Massenausgleich des Triebwerks (Eduard Köhler) . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 8.4 Drehschwingungen des Triebwerks (Eduard Köhler) . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 8.5 Lager und Lagerwerkstoffe (Eckhart Schopf) 288 8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen (Uwe Mohr) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
Inhaltsverzeichnis IX 9 Motorkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 9.1 Interne Motorkühlung (Klaus Mollenhauer) . 324 9.2 Externe Motorkühlsysteme (Jochen Eitel) . . . 345 10 Werkstoffe und ihre Auswahl (Johannes Betz) . . . . . . 10.1 Bedeutung der Werkstoffe für den Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile . . . 10.3 Faktoren für die Werkstoffauswahl . . . . . . 10.4 Lebensdauerkonzepte und Werkstoffdaten . . 10.5 Verfahren zur Lebensdauersteigerung . . . . 10.6 Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . . .
378 378 379 388 388 390 392
Teil III Betrieb von Dieselmotoren 11 Schmierstoffe und Schmiersystem (Hubert Schwarze) . 399 11.1 Schmierstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 11.2 Schmiersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 12 Start- und Zündhilfesysteme (Wolfgang Dressler, Stephan Ernst) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Bedingungen zur Kraftstoffselbstzündung . . 12.2 Kraftstoffzündung mit Hilfsmitteln . . . . . . 12.3 Start- und Zündhilfesysteme . . . . . . . . . . 12.4 Kaltstart-, Kaltlaufverhalten und Kaltlaufemissionen bei Pkw-Motoren . . . . .
418 418 418 419 420
13 Ansaug- und Abgasanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 429 13.1 Luftfilter (Oswald Parr) . . . . . . . . . . . . . 429 13.2 Abgasanlagen (Leonhard Vilser) . . . . . . . . 436 14 Abwärmeverwertung (Franz Hirschbichler) . . . . . . 444 14.1 Grundlagen der Abwärmenutzung . . . . . . 444 14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung . . . . . 446
Teil IV Umweltbelastung durch Dieselmotoren 15 Abgasemission von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . 15.1 Allgemeine Zusammenhänge (Helmut Tschöke) . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Abgasgesetzgebung (Andreas Graf, Jürgen Stein) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Schadstoffe und ihre Entstehung (Michael Krüger, Johannes Schaller) . . . . . . 15.4 Innermotorische Maßnahmen zur Schadstoffreduktion (Michael Krüger, Johannes Schaller) . . . . . . 15.5 Abgasnachbehandlung (Michael Krüger, Norbert Breuer) . . . . . . .
461 461 471 488 495 502
15.6 Abgasmessverfahren (Kurt Engeljehringer, Wolfgang Schindler) . . . . . . . . . . . . . . . 518 16 Geräuschemission von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . 16.1 Grundlagen der Akustik (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Entwicklung der Motorgeräuschemission (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Motoroberflächengeräusch (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 16.4 Aerodynamische Motorgeräusche (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 16.5 Geräuschreduktion durch Kapselung (Hans A. Kochanowski) . . . . . . . . . . . . . 16.6 Geräteseitige Motorgeräuschdämmung (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . .
537 537 537 539 550 551 555
Teil V Ausgeführte Dieselmotoren 17 Fahrzeugdieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen (Fritz Steinparzer) . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge (Klaus Blumensaat, Georg Paehr) . . . . . . . 17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse (Wolfgang Held) . . . . . . . . . . . 17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdiesel motoren (Christoph Teetz) . . . . . . . . . . . 18 Industrie- und Schiffsmotoren . . . . . . . . . . . . . . 18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren (Günter Kampichler) . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Einbau- und Industriemotoren (Heiner Bülte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt Dieselmotoren (Franz Koch) . . . . . . . . . . 18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren (Klaus Heim) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
561 561 578 585 604 619 619 630 642 658
Normen und Richtlinien für Verbrennungsmotoren * . . . . . 675 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 Inserentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
* Die Zusammenstellung der Normen und Richtlinien wurde uns dankenswerterweise vom VDMA, Fachverband Power Systems, Frankfurt/M., zur Verfügung gestellt.
Autorenverzeichnis
Bargende, Michael, Prof. Dr.-Ing., IVK-Universität Stuttgart: Abschn. 7.2 Betz, Johannes, Langenargen: Kap. 10 Biermann, Erich, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.3 Binder, Klaus B., Prof. Dr.-Ing., Deizisau: Kap. 3 Blumensaat, Klaus, Volkswagen AG, Wolfsburg: Abschn. 17.2 Boecking, Friedrich, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.3 Breuer, Norbert, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 15.5 Brückner, Jörg, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.3 Bülte, Heiner, Dr.-Ing., Deutz AG, Köln: Abschn. 18.2 Dressler, Wolfgang, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Kap. 12 Egler, Walter, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.1 Eitel, Jochen, Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart: Abschn. 9.2 Engeljehringer, Kurt, AVL List GmbH, Graz: Abschn. 15.6 Ernst, Stephan, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Kap. 12 Funk, Karsten, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.3 Giersch, Rolf Jürgen, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.2 Graf, Andreas, Dipl.-Ing., DaimlerChrysler AG, Sindelfingen: Abschn. 15.2 Hagenow, Gerd, Dr., Shell Global Solutions (Deutschland) GmbH, Hamburg: Abschn. 4.1 Hammer, Jürgen, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.3 Heim, Klaus, Wärtsilä NSD Schweiz AG, Winterthur/ Schweiz: Abschn. 18.4 Heinze, Hanns-Erhard, Dr.-Ing., Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg: Abschn. 4.2 Held, Wolfgang, Dr.-Ing., MAN Nutzfahrzeuge AG, Nürnberg: Abschn. 17.3
Hirschbichler, Franz, Dr., MDE Dezentrale Energiesysteme GmbH, Augsburg: Kap. 14 Hlousek, Jaroslav, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH, Hallein/Österreich: Abschn. 5.3 Janetzky, Björn, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.4 Kampichler, Günter, Dipl.-Ing., Ruhstorf/Rott: Abschn. 18.1 Koch, Franz, Dr.-Ing., MAN B&W Diesel Ltd., Stockport/ England: Abschn. 18.3 Kochanowski, Hans A., Dr.-Ing., Hatz GmbH & Co. KG, Ruhstorf/Rott: Abschn. 16.5 Köhler, Eduard, Dr.-Ing. habil., Heilbronn: Abschn. 8.1 bis 8.4 Krüger, Michael, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 15.3 bis 15.5 Küttner, Thomas, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.3 Lehle, Walter, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.4 Mattes, Patrick, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.3 Mohr, Uwe, Dr., Stuttgart: Abschn. 8.6 Mollenhauer, Klaus, Prof. Dr.-Ing., Berlin: Abschn. 1.1, 1.2 und 9.1 Mooser, Dirk, Dr.-Ing., Caterpillar Motoren GmbH & Co. KG, Kiel: Abschn. 4.4 Paehr, Georg, Dr., Volkswagen AG, Wolfsburg: Abschn. 17.2 Parr, Oswald, Dr.-Ing., Ludwigsburg: Abschn. 13.1 Pinkernell, Dietmar, MAN Diesel SE, Augsburg: Abschn. 7.1 Projahn, Ulrich, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.3 und 6.1 Pucher, Helmut, Prof. Dr.-Ing., Technische Universität Berlin: Kap. 2 Randoll, Helmut, Dr. rer. nat., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.2
XII Inhaltsverzeichnis Reders, Klaus, Dipl.-Ing., Shell Global Solutions (Deutsch land) GmbH, Hamburg: Abschn. 4.1 Schaller, Johannes, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 15.3 und 15.4 Schindler, Wolfgang, Dr., AVL List GmbH, Graz: Abschn. 15.6 Schopf, Eckhart, Dr.-Ing., Federal Mogul Wiesbaden GmbH, Wiesbaden: Abschn. 8.5 Schreiner, Klaus, Prof. Dr.-Ing., Bermatingen: Abschn. 1.3 Schwarze, Hubert, Prof. Dr.-Ing., TU Clausthal, ClausthalZellerfeld: Kap. 11 Spessert, Bruno M., Prof. Dr.-Ing., Fachhochschule Jena: Abschn. 16.1 bis 16.4 und 16.6 Steiger, Wolfgang, Dr.-Ing., Volkswagen AG, Wolfsburg: Abschn. 4.2
Autorenverzeichnis XII Stein, Jürgen, DaimlerChrysler AG, Stuttgart: Abschn. 15.2 Steinparzer, Fritz, Ing., BMW Motoren GmbH, Steyr/ Österreich: Abschn. 17.1 Teetz, Christoph, Dr.-Ing., MTU Friedrichshafen: Abschn. 17.4 Tschöke, Helmut, Prof. Dr.-Ing., Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg: Abschn. 15.1 Urner, Winfried, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.3 Vilser, Leonhard, Dr.-Ing., Fa. Eberspächer, Esslingen: Abschn. 13.2 Zigan, Detlef, Dr.-Ing., Kiel: Abschn. 4.3 Zuern, Joachim, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.5
Teil I
Der Arbeitsprozess des Dieselmotors
1
Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors . . . . . .
3
2
Ladungswechsel und Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . 34
3
Dieselmotorische Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . 68
4
Kraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
5
Kraftstoffeinspritztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
6
Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
1
Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
1.1
Historie des Dieselmotors
Am 27. Februar 1892 meldet der Ingenieur Rudolf Diesel beim Kaiserlichen Patentamt zu Berlin ein Patent auf „Neue rationelle Wärmekraftmaschinen“ an, worauf ihm am 23. Feb ruar 1893 das DRP 67207 über „Arbeitsverfahren und Aus führungsart für Verbrennungskraftmaschinen“, datiert auf den 28. Februar 1892, erteilt wird: Ein wichtiger, erster Schritt auf dem Weg zu dem selbst gesetzten Ziel, das Diesel seit sei ner Studienzeit beschäftigt, wie seiner Biographie zu entneh men ist: Geboren am 18. März 1858 in Paris als Sohn deutscher Eltern verschlägt es ihn, noch ein Schuljunge, mit Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 über London nach Augsburg, wo er bei Pflegeeltern aufwächst. Ohne familiären und finanziellen Rückhalt ist der junge Rudolf Diesel gezwungen, sein Leben selbst zu organisieren und u.a. durc h Nachhilfeunterricht zum Unterhalt beizutragen. Stipendien ermöglichen ihm schließlich ein Studium am Polytechnikum München, der späteren Technischen Hoch schule, das er 1880 als bester aller bis dahin Examinierten verlässt. Dort, in den Vorlesungen von Professor Linde über die „Theorie der Calorischen Maschinen“, wird dem Studenten Diesel klar, welche enorme Energieverschwendung die Dampfmaschine, die dominierende Wärmekraftmaschine jener Zeit, betreibt, wenn man sie an dem von Carnot 1824 formulierten Idealprozess der Energiewandlung misst, s. Abschn. 1.2. Bei Wirkungsgraden von ca. 3% wird außer dem durch die lästige Rauchentwicklung damaliger Kessel feuerungen die Luft erheblich verschmutzt! Erhaltene Kolleghefte bezeugen, dass sich schon der Stu dent Diesel Gedanken über eine Realisierung des CarnotProzesses machte, möglichst durch unmittelbare Nutzung der in der Steinkohle enthaltenen Energie ohne Dampf als Zwischenmedium. Auch während seiner Tätigkeit für Lindes Eismaschinen, die ihn über Paris nach Berlin führt, verfolgt
er ehrgeizig die Idee eines rationellen Motors, von dessen Erfindung er sich wirtschaftliche Unabhängigkeit verbun den mit sozialem Aufstieg verspricht. Schließlich kommt es zur bereits erwähnten Anmeldung und Erteilung des Patents [1-1] mit folgendem Anspruch 1: „Arbeitsverfahren für Verbrennungskraftmaschinen, gekennzeichnet dadurch, dass in einem Zylinder vom Arbeitskolben reine Luft oder anderes indifferentes Gas (bzw. Dampf) mit reiner Luft so stark verdichtet wird, dass die hierdurch entstandene Temperatur weit über der Ent zündungstemperatur des zu benutzenden Brennstoffes liegt (Curve 1-2 des Diagramms Fig. 2), worauf die Brenn stoffzufuhr vom toten Punkt ab so allmählich stattfindet, dass die Verbrennung wegen des ausschiebenden Kolbens und der dadurch bewirkten Expansion der verdichteten Luft (bzw. des Gases) ohne wesentliche Druck- und Temperatur erhöhung erfolgt (Curve 2-3 des Diagramms Fig. 2), worauf nach Abschluss der Brennstoffzufuhr die weitere Expansion der im Arbeitszylinder befindlichen Gasmasse stattfindet (Curve 3-4 des Diagramms Fig. 2)“. Nach der Entspannung auf den Ausgangsdruck erfolgt längs der Isobaren 4-1 (Bild 1-1) die Wärmeabfuhr und somit das Schließen des Prozesses. Ein 2. Anspruch erhebt Patentschutz auf eine mehrstufige Kompression und Expansion, wozu Diesel einen dreizylind rigen Compoundmotor vorschlägt (Bild 1-2). In zwei, um 180° versetzt laufenden Hochdruckzylindern 2, 3 erfolgt die adiabate Kompression sowie die Selbstzündung des im obe ren Totpunkt über den Trichter B so zugeführten Brenn stoffs (Diesel spricht zunächst von Kohlenstaub), dass eine isotherme Verbrennung und Expansion erfolgt, die nach Brennschluss in eine adiabate übergeht. Nach Überschieben des Verbrennungsgases in den doppeltwirkenden, mittleren Zylinder 1 findet dort die Restexpansion auf Umgebungs druck und nach Bewegungsumkehr das Ausschieben statt, gleichzeitig mit der isothermen Vorverdichtung unter Was sereinspritzen bzw. dem vorhergegangenen Ansaugen der Frischladung für den parallel dazu ablaufenden zweiten
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1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Bild 1-1 Arbeitsprozess des idealen Dieselmotors (1-2-3-4) nach Fig. 2 in [11], ergänzt durch geänderte„Admissionsperioden“ (1-2-3’-4’bzw. 1-2-3’’-4’’) gemäß Brief Diesels vom 16.10.1893 an Krupp [1-2, S. 404]
Arbeitsprozess, sodass pro Umdrehung ein Arbeitsspiel erfolgt. Diesel greift also zur Realisierung des Carnot-Prozesses auf das seit Nikolaus Otto zum „Stand der Technik“ gehörende Viertakt-Verfahren zurück. Er glaubt, durch die isotherme Verbrennung bei maximal 800 °C die Temperaturbelastung im Motor so gering halten zu können, dass er ohne Kühlung auskommt. Diese Grenztemperatur bedingt Kompressionsdrücke von ca. 250 at, womit sich Diesel weit über den geltenden „Stand der Technik“ erhebt: Das verleiht dem „Seiteneinsteiger“ Diesel einerseits die notwendige Unbedarftheit zur Durchsetzung seiner Idee, andererseits schrecken im Motorenbau erfahrene Firmen, wie die Gasmotoren-Fabrik Deutz, vor dem Diesel-Projekt zurück. Sich bewusst, dass „eine Erfindung aus zwei Teilen besteht: der Idee und ihrer Ausführung“ [1-3], hatte Diesel dazu eine Druckschrift „Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärmemotors“ [1-4] verfasst, die er zum Jahreswechsel 1892/93 an Professoren und Industrielle, also auch nach Deutz, verschickte, um seine Ideen zu propagieren und die Industrie für sich zu gewinnen: Bei einem Carnot-Wirkungsgrad von ca. 73% bei 800 °C erwartet er im praktischen Betrieb Verluste von maximal 30 bis 40%, was einem Nutzwirkungsgrad von ca. 50% entspräche [1-4, S. 51]. Endlich kommt es nach fast einjährigem Bemühen und Taktieren im Frühjahr 1893 zum Vertrag zwischen Diesel und der renommierten, von Heinrich Buz geleiteten Maschinenfabrik Augsburg AG, die u.a. führend im Bau von
Dampfmaschinen ist. Der Vertrag enthält Konzessionen Diesels an den Idealmotor: Der Höchstdruck wird von 250 at auf 90 at, später auf 30 at gesenkt, die 3-zylindrige Verbundmaschine auf einen Hochdruckzylinder reduziert sowie Kohlenstaub als Kraftstoff verworfen. Dem für Diesel lukrativen Vertrag treten mit Krupp und bald danach Sulzer zwei weitere Firmen des Schwermaschinenbaus bei. Im Frühsommer 1893 beginnt man in Augsburg mit dem Bau des ersten, ungekühlten Versuchsmotors mit einem Hub von 400 mm bei 150 mm Bohrung. Als Kraftstoff ist zwar Petroleum vorgesehen, doch wird am 10. August 1893 bei geschlepptem Motor zunächst Benzin eingespritzt, in der irrigen Annahme, dass es leichter zündet: Das Prinzip der Selbstzündung erfährt zwar seine Bestätigung, wenn auch bei Drücken von über 80 bar der Indikator platzt! Die weitere Entwicklung kann man anhand ausgewählter Indikatordiagramme verfolgen (Bild 1-3): Nach Umbau des 1. Motors, der später eine Wasserkühlung erhält, zeigt sich, dass der Kraftstoff nicht direkt, sondern nur mit Hilfe von Druckluft eingespritzt, zerstäubt und verbrannt werden kann. Mit dem 1. Leerlauf des bisher geschleppten Motors wird der Motor am 17. Februar 1894 selbstständig. Schließlich erfolgt am 26. Juni 1895 ein erster Bremsversuch: Mit Petroleum als Kraftstoff und fremderzeugter Einblaseluft wird bei einem Verbrauch von 382 g/PSh ein indizierter Wirkungsgrad von Ki = 30,8% und ein Nutzwirkungsgrad von Ke = 16,6% ermittelt. Doch erst mit einer Neukonstruktion, dem mit einer einstufigen Luftpumpe versehenen 3. Versuchsmotor [1-2], gelingt der Durchbruch: Am 17. Februar 1897 führt Professor Moritz Schröter von der Technischen Hochschule München Abnahmeversuche durch, deren Ergebnisse er gemeinsam mit Diesel und Buz am 16. Juni 1897 auf einer VDIHauptversammlung in Kassel vorstellt, damit die erste Wärmekraftmaschine mit einem seinerzeit sensationellen Wirkungsgrad von 26,2% präsentierend [1-5]! Dazu musste die im Grundpatent beanspruchte isotherme Wärmezufuhr aufgegeben werden: Spätestens beim Auftragen der theoretischen Indikatordiagramme (Bild 1-4), muss auch Diesel klar geworden sein, dass angesichts der schmalen Diagrammfläche, die der indizierten Arbeit proportional ist, und der infolge der hohen Drücke zu erwartenden Reibungsverluste der Motor keine Nutzarbeit leisten würde. Bemüht, das Grundpatent nicht zu gefährden, stellt er frühzeitig Überlegungen zur Verlängerung der „Admissionsperiode“ an, womit ein Anheben der Linie der isothermen Wärmezufuhr im p, V-Diagramm gemeint ist (Bild 11). Eine zweite Patentanmeldung vom 29. November 1893 (DRP 82168) führt auch den Gleichdruckprozess auf, der wegen „nicht wesentlicher Druckerhöhung“ in Übereinstimmung mit dem Grundpatent gesehen wird. Mit der
1.1 Historie des Dieselmotors
Patenterteilung wird übersehen, dass entgegen dem Grundpatent sowohl die Brennstoffmasse als auch die maximale Temperatur zunehmen! So ist es nicht verwunderlich, dass Diesel und das DieselKonsortium bald nach Kassel in Patentstreitigkeiten verwickelt sind. Diesels Motor, so der Vorwurf, realisiert keinen seiner Patentansprüche: Weder kommt der Motor ohne Kühlung aus, noch erfolgt die Expansion ohne wesentliche Druck- und Temperaturerhöhung gegenüber der Kompression. Nur die im Anspruch 1 erwähnte Selbstzündung erfolgt. Doch ebenso wie Diesel nie zugibt, dass sein Motor
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keine Phase des Carnot-Prozesses realisiert, so vehement bestreitet er bis zuletzt, dass die Selbstzündung ein Wesensmerkmal seiner Erfindung sei [1-2, S. 406]. Leichter wiegt der Vorwurf, auch keinen Kohlenstaub zu verwenden [1-5; 1-6]: Diesel, ein Ingenieur des 19. Jahrhunderts, konnte zunächst nicht an der Kohle, der Hauptenergiequelle seiner Zeit, vorbeigehen, zumal sein Motor die Dampfmaschine ersetzen sollte. Damit schloss er aber andere Kraftstoffe nicht aus, wie spätere Versuche, u.a. auch mit Pflanzenölen, belegen [1-3]. Gemessen am damaligen „Stand der Technik“ konnte niemand, auch nicht Diesel,
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1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Bild 1-3 Indikatordiagramme zur Entstehung des Dieselmotors nach [1-3]. Die vom Druckverlauf über dem Zylindervolumen eingeschlossene Fläche entspricht der inneren Arbeit des Motors, s. Abschn. 1.2
wissen, welcher Kraftstoff sich am besten für den Dieselmotor eignet. Umso mehr ist sein durch viele konstruktive Vorschläge belegtes, geniales Einfühlungsvermögen in ihm weithin unbekannte Vorgänge der dieselmotorischen Verbrennung zu bewundern (Bild 1-5), denen wir oft erst heute unter Einsatz modernster Mess- und Rechentechnik auf die Spur kommen (s. Abschn. 3). Abgesehen von den erfolgreich bestandenen Patenstreitigkeiten ist der weitere Weg des Dieselmotors überschattet von Auseinandersetzungen zwischen dem Erfinder und dem Diesel-Konsortium: Letzteres ist daran interessiert, den als Ersatz für stationäre und Schiffs-Dampfmaschinen gedachten Motor möglichst bald gewinnbringend zu „vermarkten“ [1-7]. Dazu muss zunächst die in Kassel voreilig konstatierte Marktreife hergestellt werden, was vor allem dem Geschick und dem zähen Einsatz von Immanuel Lauster in Augsburg zu verdanken ist. Damit ist jedoch auch die
Entwicklungslinie „leistungsstarker Dieselmotor“ vorgezeichnet, Tabelle 1-1. Rudolf Diesel dagegen, vornehmlich an einer dezentralisierten Energieerzeugung interessiert [1-4, S. 89ff.], damit die Blockheizkraftwerk-Technik sowie heutige Entwicklungen in der Bahntechnik [1-8] mit der durchaus realistischen Vision von über Satellit ferngesteuerten, fahrerlosen Güterwagen vorwegnehmend [1-4], sah in dem schweren Versuchsmotor mit dem samt Kreuzkopftriebwerk vom Dampfmaschinenbau entlehnten A-Gestell nur die Vorstufe auf dem Weg zu einem leichten, „kompressorlosen“ Dieselmotor. Mit dem widerwillig zugestandenen Bau eines Compoundmotors, der die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen konnte, und einigen Tastversuchen mit Kohlenstaub und anderen, alternativen Kraftstoffen, endete die Entwicklungstätigkeit Diesels bei der Maschinenfabrik Augsburg.
1.1 Historie des Dieselmotors Ein späterer Versuch Diesels, zusammen mit der kleinen Firma Safir der Entwicklungslinie „Fahrzeug-Dieselmotor“ zum Durchbruch zu verhelfen, scheitert u.a. an der unzureichenden Kraftstoffdosierung. Ein Problem, das erst durch das Diesel-Einspritzsystem der Firma Bosch gelöst wird [1-9]. Das Schicksal Rudolf Diesels erfüllt sich während einer Überfahrt von Antwerpen nach Harwich vom 29. zum 30. September 1913, nur wenige Wochen nach Erscheinen seines Buches: „Die Entstehung des Dieselmotors“! Nach den jahrelangen Kämpfen und Anstrengungen, die seine geis-
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tigen und körperlichen Kräfte auf das Äußerste beanspruchten, droht der finanzielle Zusammenbruch, trotz der enormen, millionenschweren Einkünfte aus seiner Erfindung: Zu stolz, Fehlspekulationen und Irrtümer einzugestehen oder Hilfe anzunehmen, sieht Diesel, wie sein Sohn und Biograph darlegt, nur im Freitod einen Ausweg [1-10]. Geblieben ist sein Lebenswerk, der aus der Theorie der Wärmekraftmaschinen hervorgegangene Hochdruckmotor, der seinen Namen trägt und nach 100 Jahren noch das ist, was sein genialer Schöpfer Rudolf Diesel zum Ziel hatte: Die rationellste Wärmekraftmaschine ihrer und auch noch unserer Zeit (Bild 1-6): Gegenüber 1897 hat sich der Wirkungsgrad etwa verdoppelt und entspricht der von Diesel geschätzten Annäherung an den Carnot-Wirkungsgrad. Der maximale Zylinderdruck pZmax hat sich mehr als verfünffacht und erreicht bei heutigen Hochleistungs-Dieselmotoren (MTU 8000, s. Abschn. 17.4) mit 230 bar nahezu den von Diesel für den Carnot-Prozess vorgeschlagenen Höchstwert bei mehr als zehnfacher Leistungsdichte PA heutiger Dieselmotoren. Gemessen am „ökologischen Imperativ“ schont der Dieselmotor durch seinen hohen Wirkungsgrad und die Vielstofffähigkeit unsere begrenzten Ressourcen und mindert die Belastung der Umwelt mit dem Treibhausgas Kohlendioxid. Doch nur eine konsequent betriebene Entwicklung zur weiteren Verringerung der Abgas- und Geräuschemission über das Erreichte hinaus, sichert auch künftig die Akzeptanz des Dieselmotors. Gleichzeitig könnte sich dann auch die Vision Diesels erfüllen [1-10]: „dass die Abgase meines Motors rauch- und geruchlos sind“.
Bild 1-4 Theoretisches Indikatordiagramm des Carnot-Prozesses nach [1-4]
Bild 1-5 Vorschläge Diesels zum Verbrennungssystem. a Kolben mit Kolbenmulde (1892); b Nebenbrennraum (1893); c Pumpe-Düse-Aggregat (1905), s. Abschn. 5.3
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Tabelle 1-1 Wegmarken zur Entwicklung des Dieselmotors Entwicklungslinie „leistungsstarker Großdieselmotor” 1897 Erster Lauf eines Dieselmotors mit einem Wirkungsgrad von ηc = 26,2% bei der Maschinenfabrik Augsburg 1898 Auslieferung des ersten Zweizylinder-Dieselmotors mit 2 × 30 PS bei 180 min–1 an die Vereinigten Zündholzfabriken AG in Kempten 1899 Erster Zweitakt-Dieselmotor der MAN von Hugo Güldner (nicht marktfähig) 1899 Erster kreuzkopfloser Dieselmotor, Typ W, der Gasmotorenfabrik Deutz 1901 Erster MAN-Tauchkolben-Dieselmotor von Imanuel Lauster (Typ DM 70) 1903 Erster Einbau eines Zweizylinder-Viertakt-Gegenkolben-Dieselmotors mit 25 PS in ein Schiff (Kanalboot Petit Pierre) durch die Firma Dyckhoff, Bar Le Duc 1904 Erster MAN-Dieselkraftwerk mit 4 × 400 PS geht in Kiew in Betrieb 1905 Alfred Büchi schlägt die Nutzung der Abgasenergie zur Aufladung vor 1906 Erster umsteuerbarer Zweitaktmotor der Gebr. Sulzer, Winterthur, für den Schiffsantrieb mit 100 PS/Zyl. (s/D = 250/155) vorgestellt 1912 Erstes seegehendes Schiff, MS Selandia, mit zwei umsteuerbaren Viertakt-Dieselmotoren der Firma Burmeister & Wain mit je 1088 PS in Dienst gestellt 1914 Erster Probelauf eines doppelwirkenden Sechszylinder-Zweitaktmotors mit 2000 PS/Zyl. der MAN Nürnberg (s/D = 1050/850) 1951 Erster MAN-Viertakt-Dieselmotor (Typ 6KV30/45) mit Hochaufladung: ηe = 44,5% bei we max = 2,05 kJ/l, pZ max = 142 bar und PA = 3,1 W/mm2 1972 Bisher größter Zweitakt-Dieselmotor (s/D = 1800/1050, 40000 PS) geht in Betrieb 1982 Markteinführung von Superlongstroke-Zweitaktmotoren mit s/D ≈ 3 (Sulzer, B & W) 1984 MAN B & W erzielt Verbrauch von 167,3 g/kWh (ηe = 50,4%) 1987 Größte dieselelektrische Antriebsanlage mit neun MAN-B & W-Viertakt-Dieselmotoren und einer Gesamtleistung von 95600 kW zum Antrieb der „Queen Elizabeth 2” wird in Dienst gestellt 1991/92 Zweitakt- und Viertakt-Experimentiermotoren von Sulzer (RTX54 mit pZ max = 180 bar, PA = 8,5 W/mm2) und MAN B & W (4T50MX mit pZ max = 180 bar, PA = 9,45 W/mm2) 1997 Sulzer12RTA96C (s/D = 2500/960: 2T-Dieselmotor, Pe = 65880 kW bei n = 100 min–1 geht in Betrieb 1998 Sulzer-Forschungsmotor RTX-3 zu Erprobung der Common-Rail-Technik bei 2T-Großdieselmotoren 2000/01 MAN B & W 12K98MC-C (s/D = 2400/980): derzeit leistungsstärkster 2T-Dieselmotor mit Pe = 68520 kW bei n = 104 min–1 2004 Erster 4T-MSL-Dieselmotor MAN B & W 32/40, Pe = 3080 kW, Common-Rail(CR)-Einspritzung im praktischen Einsatz auf einem Container-Schiff 2006 Mit einem Verbrauch von be = 177 g/kWh ist der MaK M43C führend bei 4T-MSL-Marinemotoren mit einer Zylinderleistung von 1000 kW (s/D = 610/430, we = 2,71 kJ/dm3, cm = 10,2 m/s) 2006 Wärtsilä stellt den weltweit ersten 14-Zylinder-Zweitaktmotor und damit leistungsstärksten Dieselmotor in Dienst: Wärtsilä RTA-flex96C, CR-Einspritzung, Pe = 80080 kW, s/D = 2500/900, cm = 8,5 m/s, we = 1,86 kJ/dm3 (pe = 18,6 bar) Entwicklungslinie „schnelllaufender Fahrzeug-Dieselmotor” 1898 Erster Lauf eines Zweizylinder-Viertakt-Gegenkolbenmotors („5-PS-Kutschenwagen-Motor”) von Lucian Vogel bei MAN Nürnberg (Versuchsmotor, nicht marktfähig) 1905 Versuchsmotor von Rudolf Diesel auf der Basis eines Vierzylinder-Saurer-Ottomotors mit Luftkompressor und direkter Einspritzung (nicht marktfähig) 1906 DRP 196514 für die Firma Deutz auf Einspritzung in Nebenkammer 1909 Grundpatent DRP 230517 von L’Orange auf Vorkammer 1910 Brit. Patent 1059 von McKenchie auf direkte Hochdruckeinspritzung 1912 Erster kompressorloser Deutz-Dieselmotor, Typ MKV, geht in Serie 1913 Erste Diesel-Lokomotive mit Vierzylinder-Zweitakt-V-Motor der Gebr. Sulzer vorgestellt (Leistung 1000 PS) 1914 Erster diesel-elektrische Triebwagen mit Sulzer-Motoren bei den Preußischen und Sächsischen Staatsbahnen 1924 Erste Nutzfahrzeug-Dieselmotoren der MAN Nürnberg (direkte Einspritzung) bzw. der Daimler Benz AG (indirekte Einspritzung in Vorkammer) vorgestellt 1927 Beginn der Serienfertigung von Diesel-Einspritzanlagen bei Bosch 1931 Musterprüfung des Sechszylinder-Zweitakt-Gegenkolben-Flugdieselmotors JUMO 204 der Junkers-Motorenbau GmbH: Leistung 530 kW (750 PS), Leistungsmasse 1,0 kg/PS 1934 V8-Viertakt-Dieselmotoren mit Vorkammer der Daimler-Benz AG für LZ 129 Hindenburg mit 1200 PS bei 1650 min–1 (Leistungsmasse: 1,6 kg/PS einschl. Getriebe) 1936 Erste Pkw-Dieselmotoren mit Vorkammer der Daimler-Benz AG (Pkw Typ 260 D) und Hanomag in Serie 1953 Erster Pkw-Dieselmotor mit Wirbelkammer von Borgward bzw. Fiat 1978 Erster Pkw-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung in Serie (Daimler-Benz AG) 1983 Erster schelllaufender Hochleistungsdieselmotor der MTU mit Doppelaufladung in Serie: wemax = 2,94 kJ/l bei pZmax = 180 bar, Kolbenflächenleis tung PA = 8,3 W/mm2 1986/87 Erstmalig elektronisches Motormanagement (ECD) bei Fahrzeug-Dieselmotoren eingesetzt (BMW: Pkw, Daimler-Benz: Nfz)
1.2 Motortechnische Grundlagen
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Tabelle 1-1 (Fortsetzung) 1988 1989 1996 1997 1998 1999 2000 2004 2006
Erster Pkw-Dieselmotor mit direkter Einspritzung in Serie (Fiat) Erster Pkw-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung und direkter Einspritzung bei Audi in Serie (Pkw Audi 100 DI) Erster Pkw-Dieselmotor mit direkter Einspritzung und Vierventilbrennraum (Opel-Ecotec-Dieselmotor) Erster aufgeladener Pkw-Dieselmotor mit direkter Common-Rail-Hochdruckeinspritzung und variabler Turbinengeometrie (Fiat, Mercedes-Benz) Erster V8-Pkw-Dieselmotor: BMW 3,9 l DE-Turbodiesel, Pe = 180 kW bei 4000 min–1, Mmax = 560 Nm (1750…2500 min–1) „Smart-cdi”, 0,8 dm3 Hubraum, derzeit kleinster Pkw-Turbo-Dieselmotor mit LLK und Common-Rail-Hochdruckeinspritzung: Pe = 30 kW bei 4200 min–1, mit 3,4 l/100 km erstes„3-Liter-Auto”der Fa. DaimlerChrysler Erste Pkw-Dieselmotoren mit Partikelfilter in Serie (Fa. Peugeot) OPEL stellt eine alltagstaugliche Studie„Vectra OPC”mit einem 1,9-Liter-CDTI-Twinturbo-Aggregat mit einer Literleistung von PV = 82 kW/dm3 vor Beim 74. 24-Stunden-Rennen von Le Mans siegt erstmals ein AUDI R10 TDI mt einem V12-Dieselmotor (Pe > 476 kW bei n = 5000 l/min, VH = 5,5 dm3, we = kJ/dm3 bei einem Bi-Turbo-Ladedruck von pL = 2,94 bar)
Bild 1-6 Bestwerte von effektivem Wirkungsgrad Ke, maximalem Zylinderdruck pZmax und Kolbenflächenleistung PA für Serienmotoren ca. 100 Jahre nach Vorstellung des ersten Dieselmotors (s. auch Bild 1-13 bzw. Tabelle 1-3)
1.2
Motortechnische Grundlagen
1.2.1
Einleitung
Dieselmotor wie Ottomotor sind prinzipiell Energiewandler, die im Kraftstoff chemisch gebundene Energie in mechanische Energie (Nutzarbeit) wandeln, indem sie die im Motor durch Verbrennung freigesetzte Wärme einem thermodynamischen Kreisprozess zuführen und als Druck-Volumen-Arbeit nutzen.
Die Energiebilanz über die Systemgrenzen des als „BlackBox“ dargestellten Wandlers (Bild 1-7) lautet: . Ist die auf den Umgebungszustand bezogene Energie der Verbrennungsluft EL = 0, so ist die mit dem Kraftstoff mB zugeführte Energie gleich der Nutzarbeit We und der Summe aller Energieverluste ∑EV. Das technische System „Dieselmotor“ ist auch Teil eines vielfach vernetzten globalen Systems, das durch die Begriffe
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1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Bild 1-7 Der Dieselmotor als Energiewandler
„Ressourcen“ und „Umweltbelastung“ umrissen wird. Eine nur energetische, ökonomische Sicht mit dem Ziel, die Verluste ∑EV zu minimieren, genügt nicht heutigen, durch den ökologischen Imperativ beschriebenen Ansprüchen, wonach jede Wandlung von Energie und Materie mit maximalem Wirkungsgrad bei minimaler Umweltbelastung zu erfolgen hat. Das Ergebnis der angesichts dieser Forderung notwendigen, aufwendigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ist der Dieselmotor unserer Tage, der sich vom einfachen Motor zu einem komplexen, aus mehreren Teilsystemen bestehendem Motorsystem entwickelt hat (Bild 1-8). Charakteristisch für diese Entwicklung sind das verstärkte Einbinden elektrischer und elektronischer Bauelemente sowie der Übergang von offenen Steuerungen zu geschlossenen Regelkreisen. Zudem zwingt der internationale Wettbewerb zu minimalem Fertigungsaufwand und Materialeinsatz, was u.a. beanspruchungsgerechte Konstruktionen zur optimalen Bauteilnutzung bedingt.
1.2.2
Konstruktive Grunddaten
Geometrie und Kinematik jeder Kolbenmaschine werden durch folgende geometrischen Kenngrößen eindeutig beschrieben: – Hub/Bohrungsverhältnis ] = s/D, – Pleuelstangenverhältnis OPl = r/l, – Verdichtungsverhältnis H = Vmax/Vmin = (Vc + Vh)/Vc. Dabei entspricht Vmin dem Kompressionsvolumen Vc und das max. Zylindervolumen Vmax der Summe aus Vc und Hub-
Bild 1-9 Konstruktive Grunddaten des Tauchkolbentriebwerks
volumen Vh, für das mit der Zylinderbohrung D und dem Kolbenhub s gilt . Entsprechend ist VH = z ·Vh das Hubvolumen eines Motors mit z Zylindern. Durchgesetzt hat sich das Tauchkolbentriebwerk (Bild 1-9). Nur Zweitakt-Großmotoren (s. Abschn. 18.4) besitzen ein Kreuzkopftriebwerk zur Entlastung des Kolbens von den Seitenführungskräften (s. Abschn. 8.1). Beide Bauarten werden nur noch mit einseitig beaufschlagten Kolben eingesetzt. Zwischen dem Kurbeldrehwinkel M als normierte Zeitgröße und der Drehgeschwindigkeit Z besteht der Zusammenhang . Wird die Drehzahl n nicht als Drehzahlfrequenz (s–1) sondern, wie im Motorenbau üblich, in Umdrehungen pro Minute (min–1) angegeben, so ist Z = S · n/30. Der Arbeitsprozess eines Verbrennungsmotors spielt sich in dem möglichst dichten Zylinderraum Vz ab, der sich mit der Kolbenbewegung zK innerhalb der Grenzen Vmax und Vmin periodisch ändert: . Für den Kolbenweg gilt mit dem Kurbelradius r abhängig von der momentanen Kurbelstellung M in Grad Kurbelwinkel (°KW) ausgehend vom oberen Totpunkt OT (M = 0) , wobei meist folgende Näherungsfunktion verwendet wird:
1.2 Motortechnische Grundlagen
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Bild 1-8 Der moderne Dieselmotor als ein Komplex von Teilsystemen
. Für die momentane Kolbengeschwindigkeit cK und -beschleunigung aK folgen daraus:
mit niedrigen Drehzahlen, bzw. ist ein Schnellläufer ein Motor mit kleinen Abmessungen. Für Dieselmotoren mit einem Bohrungsdurchmesser von 0,1 m < D < 1 m besteht näherungsweise folgende Korrelation zur Motorgröße: .
(1-2)
. Die aus Kolbenhub s in m und Drehzahlfrequenz n in s–1 folgende mittlere Kolbengeschwindigkeit (1-1) ist eine wichtige Kenngröße für das kinematische und dynamische Motorverhalten, mit deren Zunahme auch Massenkräfte (~ c 2m), Reibung und Verschleiß steigen, sodass cm nur begrenzt steigerbar ist. Infolgedessen läuft ein Großmotor
1.2.3
Die motorische Verbrennung
1.2.3.1
Grundlagen der Verbrennungsrechnung
Die Verbrennung ist chemisch betrachtet eine Oxidation der Kraftstoffmoleküle mit dem Luftsauerstoff als Oxidationsmittel. Damit ist die maximal umsetzbare Kraftstoffmasse mB durch die im Motorzylinder befindliche Luftmasse beschränkt. Mit der kraftstoffspezifischen Mindestluftmasse
12 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors Lmin (kg Luft/kg Kraftstoff) zur vollständigen und vollkom menen Verbrennung des Kraftstoffes beschreibt das Luftver hältnis λV das Verhältnis von „Angebot zu Nachfrage“ bei der Verbrennung: .
(1-3)
Für das „Angebot“ der im gesamten Motor enthaltenen Luft masse mLZ aller Zylinder (VZ = z · Vz) gilt: .
(1-4)
Bei meist unbekannter Dichte ρZ der Zylinderladung weicht man i. Allg. auf die Definition des Liefergrades λl (s. Abschn. 2.1) und die Dichte ρL der Frischladung unmittelbar am Ein tritt in den Zylinderkopf aus: .
(1-5)
Der Luftbedarf folgt aus der Kraftstoff-Elementaranalyse: Dieselkraftstoff (DK) ist als Erdölderivat ein Konglomerat von Kohlenwasserstoffen und besteht hauptsächlich aus Kohlenstoff C, Wasserstoff H, Schwefel S bei meist vernach lässigbaren Anteilen an Sauerstoff O und Stickstoff N. Somit folgt aus der Bilanzgleichung zur vollkommenen Oxidation eines allgemeinen Kraftstoffmoleküls CxHySz zu Kohlendio xid CO2, Wasser H2O und Schwefeldioxid SO2:
der minimale Luftbedarf Lmin entsprechend dem Sauerstoff gehalt der Luft und den jeweiligen Molzahlen zu: [kg/kg] (c, h, s, o: Masseanteil an 1 kg Kraftstoff gem. Elementarana lyse. Anhaltswert für DK: Lmin = 14,5 kg/kg). Die bei der Verbrennung freigesetzte Wärme Qex ent spricht dem kraftstoffspezifischen Heizwert Hu, der sich ebenfalls aus der Elementaranalyse zu: [MJ/kg] berechnen lässt [1-11]. Auf die Kraftstoffdichte ρB bei 15°C stützt sich folgende Näherungsbeziehung: [MJ/kg]. Damit gilt für die durch „innere Verbrennung“ dem Arbeits prozess zugeführte Wärme: .
1.2.3.2 Vergleich motorischer Verbrennungsverfahren Der Verbrennung voraus geht das Aufbereiten des meist flüs sigen Kraftstoffes, um ein zündfähiges Gemisch aus gasför migem Kraftstoffdampf und Luft zu erhalten. Ein Vorgang, der bei Diesel- und Ottomotor unterschiedlich verläuft (Ta belle 1-2). Beim Dieselmotor (s. Kap. 3) setzt die innere Gemischbildung mit dem Einspritzen des Kraftstoffes in die hoch ver dichtete und erwärmte Luft kurz vor OT ein, wogegen die äußere Gemischbildung beim klassischen Ottomotor außer halb des Arbeitsraumes mittels Vergaser oder durch Ein spritzen in das Saugrohr erfolgt und sich oft über Ansaugund Verdichtungstakt erstreckt. Im Gegensatz zum homogenen Kraftstoff-Luft-Gemisch eines Ottomotors weist der Dieselmotor vor der Entzündung ein heterogenes Gemisch auf, bestehend aus über den Brenn raum verteilten Kraftstofftröpfchen von wenigen Tausends tel Millimeter Durchmesser, die teils flüssig, teils von einem Kraftstoffdampf-Luft-Gemisch umgeben sind. Beim Ottomotor wird die Verbrennung über eine gesteu erte Fremdzündung durch Auslösen einer elektrischen Ent ladung an einer Zündkerze eingeleitet, vorausgesetzt das Luftverhältnis des homogenen Gemisches liegt innerhalb der Zündgrenzen. Beim Dieselmotor erfolgt an bereits auf bereiteten, d.h. von einem zündfähigen Gemisch umge benen Tröpfchen eine Selbstentzündung, wobei nur für das Mikro-Gemisch im Bereich des Kraftstofftröpfchens Zünd grenzen im Bereich des stöchiometrischen Gemisches (λV = 1) bestehen (s. Kap. 3). Der Dieselmotor benötigt für eine normale Verbrennung einen Luftüberschuss: lV ≥ lmin > 1. Folglich erfolgt das Anpassen der Energiezufuhr an die Motorbelastung beim Dieselmotor über das Luftverhältnis, also die Gemischqualität (Qualitätssteuerung), beim Ottomotor wegen der Zünd grenzen über die Gemischquantität (Quantitätssteuerung) durch verlustreiches Drosseln beim Ansaugen der Frischla dung. Art der Zündung und Gemischbildung bestimmen die Anforderungen an den Kraftstoff: Dieselkraftstoff muss zündwillig sein, ausgedruckt durch die Cetan-Zahl, Benzin für Ottomotoren zündunwillig, d.h. hohe Oktanzahlen aufwei sen, um keine unkontrollierte Verbrennung durch ungesteu erte Selbstzündungen auszulösen. Letzteres wird durch leichtsiedende, kurzkettige, somit thermisch stabile Kohlen wasserstoffe (C5 bis C10) erfüllt. Dieselkraftstoff besteht dagegen aus schwersiedenden, langkettigen Kohlenwasser stoffen (C9 bis C30), die eher zerfallen und dabei die Selbst zündung begünstigende freie Radikale bilden (s. Kap. 3).
1.2 Motortechnische Grundlagen 13
Tabelle 1-2 Vergleich von Merkmalen der motorischen Verbrennung Merkmale
Dieselmotor
Ottomotor
Gemischbildung
innerhalb Vz
außerhalb Vz
Gemischart
heterogen
homogen
Zündung
Selbstzündung bei Luftüberschuss
Fremdzündung innerhalb Zündgrenzen
Luftverhältnis
λV ≥ λmin > 1
0,6 < λV < 1,3
Verbrennung
Diffusions-Flamme
Vormisch-Flamme
Drehmoment-Änderung durch Kraftstoff
Änderung von lV (Qualitätsänderung) zündwillig
Gemischdrosselung (Quantitätsänderung) zündunwillig
1.2.4
Thermodynamische Grundlagen
1.2.4.2 Idealer Kreisprozess und Vergleichsprozess
1.2.4.1
Ideale Zustandsänderungen von Gasen
Bei einem idealen Kreisprozess erfährt das Gas eine in sich geschlossene Zustandsänderung, sodass es nach Durchlau fen des Prozesses wieder den Anfangszustand erreicht. Somit gilt für die innere Energie U = U(T):
Der Zustand einer Gasmasse m ist durch zwei thermische Zustandsgrößen über die allgemeine Zustandsgleichung für ideale Gase bestimmbar: p·V=m·R·T (p absoluter Druck in Pa, T Temperatur in K, V Volumen in m3, R spezifische Gaskonstante, z.B. für Luft RL = 287,04 J/kg · K). Ideale Gase zeichnen sich durch einen von Druck, Tem peratur und Gaszusammensetzung unabhängigen, konstan ten Isentropenexponente κ aus (Luft: k = 1,4; Abgas: k ≈ 1,36). Der Zustand eines Gases lässt sich somit mit dem Werte paar (p, V) in einem p, V-Diagramm darstellen und verfol gen, wobei sich Zustandsänderungen durch Konstantsetzen einer Zustandsgröße einfach berechnen lassen, in dem für Isobaren (p = konst.), Isothermen (T = konst.) und Isocho ren (V = konst.) einfache, geschlossene Gleichungen existie ren [1-12]. Ein Sonderfall ist die adiabate Zustandsände rung: p ∙ Vk = konst., bei der kein Wärmeaustausch zwischen Gas und Umgebung erfolgt. Ist dieser Vorgang reversibel, so spricht man von isentroper Zustandsänderung, was in der Realität nie zutrifft, ebenso wie der reale Isentropenexponent von Gaszustand und -zusammensetzung abhängt [1-13].
. Aus dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik, der die Erhal tung der Energie in geschlossenen Systemen beschreibt, , folgt damit, dass die im Verlauf des Kreisprozesses umge setzte Wärme Q als mechanische Arbeit anfällt: , d.h. die Druck-Volumen-Änderung entspricht der theore tisch nutzbaren Arbeit Wth des idealen Prozesses. Ein idealer Kreisprozess wird zum Vergleichsprozess für eine thermische Maschine, wenn man ihn den Realitäten anpasst. Für den Hubkolbenmotor bedeutet dies, dass sich Ideal-Prozess und realer Arbeitsprozess gleichermaßen zwi schen zwei Volumen- bzw. Druckgrenzen abspielen, gege ben durch Vmax und Vmin bzw. pmax und pmin. Die obere Druckgrenze pmax entspricht dem aus Festigkeitsgründen zulässigen maximalen Zylinderdruck pZmax und pmin dem Druck pL vor Einlass in den Motor (Bild 1-10a). Als weitere Vorgaben müssen Verdichtungsverhältnis ε und die zuge führte Wärme Qzu bzw. QB übereinstimmen: . Dabei wird die Kraftstoffmasse mB bei gegebener Masse der Frischladung mLZ (Gl. (1-4)), durch das Luftverhältnis λV
14
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
bzw. den Gemischheizwert hu beschränkt: . Angelehnt an den Arbeitsprozess des Dieselmotors bei Annahme eines verlustlosen Ladungswechsels längs der Isobaren pmin (s. Abschn. 2.1) beginnt der Vergleichsprozess in 1 mit einer adiabatischen Verdichtung auf p2 = pc = p1 · HN(Bild 1-10a). Anschließend erfolgt die Wärmezufuhr: Zunächst isochor bis zum Erreichen des Grenzdruckes pmax in 3’, darauf isobar bis 3. Die dann folgende adiabatische Expansion endet in 4. Mit der danach einsetzenden Wärmeabfuhr längs der Isochoren Vmax schließt sich der Kreisprozess. Die Fläche 1-2-3’-3-4-1 entspricht der theoretischen Arbeit: , wobei sich für den thermischen Wirkungsgrad Kth des hier beschriebenen Seiliger-Prozesses ein geschlossener Ausdruck angeben lässt (N = konst. vorausgesetzt), , unter Verwendung des Füllungsverhältnisses G = V3/V2 bzw. des Druckverhältnisses \ = p3/p2. Im Temperatur-Entropie(T, s-)Diagramm (Bild 1-10b), kann der Energieumsatz des Seiliger-Prozesses verfolgt werden: Da die Flächen smin-1-23’-3-4-smax und smin-1-4-smax der zugeführten Qzu bzw. abgeführten Wärme Qab entsprechen, entspricht die Differenz der theoretischen Nutzarbeit, sodass für den thermischen Wirkungsgrad gilt: .
a
(1-6)
b
Die durch die Grenzwerte in beiden Diagrammen gebildeten Rechtecke entsprechen den jeweils maximal nutzbaren Arbeiten, jedoch mit unterschiedlichen Wirkungsgraden: Dem Volllastdiagramm einer idealen Kolbendampfmaschine im p, V-Diagramm mit bescheidenem Wirkungsgrad steht der Carnot-Wirkungsgrad mit einer real nicht nutzbaren Arbeit gegenüber (s. Abschn. 1.1). Für den Wirkungsgrad Kc des Carnot-Prozesses ist das Temperaturgefälle Tmax – Tmin bestimmend: . Aus dem T, s-Diagramm ist ersichtlich, dass auch während des realen Arbeitsprozesses hohe Temperaturen (bis zu 2500 K) auftreten (s. Abschn. 1.3). Dank des intermittierenden Arbeitsprozesses unterschreiten bei entsprechender Konstruktion die Motorbauteile die für sie kritischen Temperaturen (s. Abschn. 9.1) wozu auch eine möglichst niedrige Temperatur Tmin ≤ TL beiträgt. Der Seiliger-Prozess entspricht dem allgemeinsten Fall eines Vergleichsprozesses, da er dem realen Motorprozess angepasst werden kann. Er umfasst auch die Grenzfälle Gleichraum-Prozess (G o 1) und Gleichdruck-Prozess (\ o 1), die oft als idealer Ottomotor- bzw. Dieselmotor-Prozess bezeichnet werden, obwohl weder beim Ottomotor die Verbrennung momentan mit unendlich großer Brenngeschwindigkeit erfolgt, noch beim Dieselmotor eine isobare Verbrennung vorliegt (Bild 1-11). Der Einfluss des Verdichtungsverhältnisses auf den thermischen Wirkungsgrad K*th mit Berücksichtigung des Realgasverhaltens, d.h. N ≠ konst., ist aus Bild 1-12 für ein Druck-
Bild 1-10 Der Seiliger-Prozess als Vergleichsprozess für Verbrennungsmotoren im p, V-Diagramm (a) und T, s-Diagramm (b)
1.2 Motortechnische Grundlagen
15
Bild 1-11 Idealer Kreisprozess als Vergleichsprozess: Seiliger-Prozess (pZmax = 150 bar), Gleichdruck- und Gleichraum-Prozess für p1 = 2,5 bar, T1 = 40°C, e = 16, λv = 2 und Hu = 43 MJ/kg
verhältnis pmax/pmin = 60 ersichtlich: Bei einem Luftverhältnis von OV = 2wird beim Gleichraum-Prozess bereits für H ≈ 9 der zulässige Maximaldruck überschritten, wobei ein Seiliger-Prozess höhere Verdichtungsverhältnisse zulässt, jedoch für H ≈ 19,7 in den Gleichdruck-Prozess übergeht. Die reale Prozessberechnung (Abschn. 1.3) hat den idealisierten Vergleichsprozess in der praktischen Arbeit verdrängt, dennoch behält er seinen Wert für das schnelle Abschätzen nach „oben“, z.B. bei Variation der Motorprozessführung.
Bild 1-12 Thermischer Wirkungsgrad K*th mit Berücksichtigung des Realgasverhaltens (nach [1-13])
1.2.5
Der reale Arbeitsprozess des Dieselmotors
1.2.5.1
Zweitakt- und Viertakt-Verfahren
Geht man beim idealisierten Arbeitsprozess von äußerer Wärmezufuhr aus, so erfordert die innere Verbrennung den Austausch der Ladung nach jedem Arbeitsspiel durch einen Ladungswechsel (s. Abschn. 2.1). Hierfür benötigt der Viertaktmotor zwei zusätzliche Hübe oder Takte, wie die Bewegung von einer Totlage zur anderen bezeichnet wird. Das gesamte Arbeitsspiel umfasst daher zwei Umdrehungen oder 720 °KW, indem nach den Arbeitstakten (Kompression sowie Verbrennung und Expansion) das Ausschieben des Abgases und Ansaugen der Frischladung erfolgt. Somit besteht
16 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors zwischen Drehzahl und Arbeitsspielfrequenz na ein Fre quenzverhältnis: a = n/na ,
(1-7)
das oft auch als „Taktzahl“ bezeichnet wird, ohne mit a = 2 (Viertaktverfahren) bzw. a = 1 (Zweitaktverfahren) die tat sächliche Anzahl der Takte anzugeben.
1.2.5.2
Wirkungsgrade des realen Motors
Neben dem thermischen Wirkungsgrad, der eine Abschät zung nach oben ermöglicht, interessiert in erster Linie der effektive Wirkungsgrad: ,
(1-8)
der sich auch als Produkt aus dem thermischen Wirkungs grad und den Vergleichsgrößen zur Beschreibung der Verlust anteile angeben lässt. Verluste durch unvollständige Verbren nung erfasst der Umsetzungsgrad: .
(1-9)
Bezieht man We auf das Hubvolumen VH, so bezeichnet die spezifische Arbeit we in kJ/dm3 die aus einem Liter Hubraum gewonnene Nutzarbeit. Sie ist damit neben der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm, Gl. (1-1), die wichtigste Motorkenn größe zur Charakterisierung des „Standes der Technik“. Traditionsbewusste Motorenfirmen verwenden oft noch die Größe pe, den „Mitteldruck“ oder „mittleren effektiven Druck“, der jedoch trotz Angabe in „bar“ keinem messbaren Druck entspricht, sondern aus der Historie des Maschinen baus herrührt1. Für Umrechnungen gilt: 1 bar „mittl. effektiver Druck“ = 0,1 kJ/dm3. Der mitunter bei Fahrzeugmotoren verwendete Begriff eines volumenspezifischen Drehmoments M/VH in Nm/dm3 ent spricht nach Gl. (1-9) mit M/VH = we/(2 · p · a) ebenfalls der spezifischen Nutzarbeit, wobei für Viertaktmotoren we ≈ 0,0125 · (M/VH) ist.
Hauptgleichung des Dieselmotors
Der Gütegrad beschreibt Abweichungen des realen vom idealen Prozess durch – Verwenden eines realen statt idealen Arbeitsgases, – Wandwärmeverluste statt adiabater Zustandsänderung, – reale Verbrennung statt idealisierter Wärmezufuhr, – Ladungswechsel (Drossel-, Aufheiz- und Spülverlust). Der mechanische Wirkungsgrad umfasst nach DIN 1940 die Reibungsverluste am Kolben und in den Lagern, die Verlustarbeit aller für den Motorbetrieb erforderlichen Aggregate und die aerodynamischen bzw. hy draulischen Verluste am Triebwerk. Durch das als Indizieren bezeichnete Messen des Zylin derdruckverlaufs ist die am Kolben anstehende, indizierte Arbeit Wi (schraffierte Fläche in Bild 1-10a) ermittelbar und damit der innere (indizierte) Wirkungsgrad .
1.2.5.3
.
Mit dem effektiven Wirkungsgrad ηe und mit dem Luftver hältnis lV, Gln. (1-8), (1-3), folgt für die Nutzarbeit: .
(1-10)
Die Frischluftmasse mLZ im Motor, Gl. (1-4), ist durch Liefer grad λl und Ladungsdichte ρL, Gl. (1-5), festgelegt, sodass für die spez. Nutzarbeit folgt: (1-11) . Sieht man die kraftstoffspezifischen Größen ebenso wie den direkt nicht zu beeinflussenden Wirkungsgrad als gegeben an, so verbleibt nur die Steigerung des Druckes pL durch Ver dichtung, z.B. durch Abgasturboaufladung mit Ladeluftküh lung (s. Abschn. 2.2) als frei wählbare Option, die Nutzarbeit zu steigern, da sowohl für den Liefergrad mit (l1)max → e/(e – 1) als auch für das Luftverhältnis lV → lmin > 1 Gren zen bestehen.
Motorleistung Aus Arbeitsspielfrequenz na und spez. Nutzarbeit we, Gln. (17), (1-9), folgt für die Nutzleistung: ,
Motorbetrieb und Motorkenngrößen
(1-12)
Nutzarbeit und Drehmoment 1
Die Nutzarbeit We folgt aus dem an der Abtriebswelle des Motors messbaren Drehmoment M und der „Taktzahl“ a:
Bei der Vielzahl der Autoren aus Industrie und Hochschulen war kein Konsens zu erzielen, sodass der Leser gebeten wird, dies bei den einzelnen Abschn. zu beachten, insbesondere bei Zahlenangaben.
1.2 Motortechnische Grundlagen 17 bzw. mit der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm, Gl. (1-1): (C0 = p/(8 · a) ≈ 0,2 bzw. 0,4 bei Vier- bzw. Zweitakt).
(1-13)
Die zweite Form der Leistungsgleichung mit ihrer quadra tischen Abhängigkeit vom Bohrungsdurchmesser D weist auf den Großmotor als weitere Möglichkeit zur Leistungs steigerung hin, wobei gleichzeitig das Motormoment (Gl. (19)), zunimmt:
nach Verwendung des Motors die nicht überschreitbare blockierte ISO-Nutzleistung oder die überschreitbare ISO-Standardleistung mit definierter Größe und Dauer der Überleis tung angegeben [1-14]. Sie entspricht bei 10%iger Überlast der „continuous brake power“ der CIMAC-Empfehlung für Schiffsmotoren.
Leistungsbezogene Motorkenngrößen Die bei Fahrzeugmotoren häufig verwendete Literleistung
. Entsprechend ist bei Beibehalten der Zylindermaße eine ver gleichbare Motorleistung allein über die spezifische Arbeit we nur durch Höchstaufladung zu erreichen (vgl. Abschn. 17.4). Für praktische Berechnungen bei Angabe der Drehzahl in min–1, des Hubraumes in dm3 und der spezifischen Arbeit in kJ/dm3 erhält man bzw. mit dem mittleren effektiven Druck pe in bar jeweils in kW. Aus der Dieselmotor-Hauptgleichung, Gl. (1-11), ist ersichtlich, dass die Motorleistung vom Umgebungszustand abhängt: Ein in 1000 m Höhe betriebener Dieselmotor kann nicht die gleiche Leistung wie auf Meereshöhe erbringen. Daher hat man für Leistungsvergleiche und Abnahmeunter suchungen auf die spezifischen Belange der Anwender abgestimmte Bezugszustände (x) definiert2, um die gemes sene Leistung P auf die bei Bezugszustand geltende Leistung Px umrechnen zu können. Allgemein gilt: . Einflussgrößen für α und β sind neben Luftdruck und -tem peratur auch relative Luftfeuchte, Kühlwassereintrittstempe ratur am Ladeluftkühler sowie mechanischer Wirkungsgrad (hm = 0,8 falls nicht bekannt). Da es sich gezeigt hat, dass oftmals die Gefahr einer Überkompensation besteht, sind einige Hersteller von Fahrzeugmotoren dazu übergegangen, die Leistungsmessungen in klimatisierten Prüfständen bei normgerechten Umweltbedingungen durchzuführen. We gen der geringen Überlastbarkeit des Dieselmotors wird je
.
ist drehzahlabhängig und damit auch abhängig von der Mo torgröße. Dagegen ist die spezifische Kolbenflächenleistung: ,
Gebräuchliche Normen sind z.B. DIN ISO 3046, Teil 1, speziell für Fahrzeugmotoren die DIN 70020 (11/76) und für „Verbrennungsmotoren für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen und mobile Maschinen und Geräte, die nicht für den Straßenverkehr bestimmt sind” die ECE-Regelung Nr. 120.
(1-15)
kJ/dm3,
cm in m/s folgt mit 2 · a = 4 für Viertakt (mit we in bzw. 2 · a = 2 für Zweitakt, PA in W/mm2) unabhängig von der Motorgröße, wenn man von der Korrelation n. Gl. (1-2) ein mal absieht. Das Produkt aus mechanischer und thermischer (we) sowie dynamischer Belastung (cm) kennzeichnet den „Stand der Technik“ für Zwei- oder Viertaktmotor, Großoder Fahrzeugmotor gleichermaßen, wie das folgende Bei spiel verdeutlicht: Beim Vergleich zweier Serienmotoren, des langsam lau fenden Zweitakt-Dieselmotors Wärtsilä RT96C [1-15] mit einer MCR-Zylinderleistung von 5720 kW, einer spezi fischen Nutzarbeit we = 1,86 kJ/dm3 und einer mittleren Kolbengeschwindigkeit cm = 8,5 m/s mit dem z. Zt. leis tungsstärksten BMW-Pkw-Dieselmotor (BMW 306 D4: we = 1,91 kJ/dm3, cm = 13,2 m/s [1-16]) folgt für die Kolbenflä chen- bzw. Literleistung: – Wärtsilä PA = 7,91 W/mm2 bzw. PV = 3,16 kW/dm3, – BMW PA = 6,31 W/mm2 bzw. PV = 70,2 kW/dm3. Der Vergleich der Kolbenflächenleistungen zeigt deutlich, dass auch der mitunter abschätzig als „Dinosaurier“ bezeich nete Zweitakt-Langsamläufer ein „High-Tech“-Produkt ist, der dem BMW 306 D4, einem „Kraftprotz“ mit einer Nenn leistung von 210 kW, sogar den Rang abläuft.3 Nicht unerwähnt sollte dabei bleiben, dass der Pkw-Die selmotor seine Volllastleistung nur höchst selten auf die Straße bringen wird, wogegen ein Schiffsdieselmotor – von einigen Manövern abgesehen – stets unter Volllast läuft, nicht selten bis zu 8.000 h im Jahr. 3
2
(1-14)
Die mitunter verwendete Größe „pe • cm“ [1-17] ergibt vergleichsweise für den Langsamläufer 158 bzw. für den BMW 252 (bar · m/s). Da die unterschiedlichen Arbeitsverfahren nicht berücksichtigt werden, ist das Produkt „pe • cm“ keine echte Kenngröße. Außerdem entzieht sich die Angabe in (bar · m/s) jeder vernünftigen Deutung.
18
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Bild 1-13 Entwicklung der Kolbenflächenleistung PA von Großdieselmotoren; Höchstwerte von Zweitakt (Sulzer RTX54) – und Viertakt (MAN B&W 4T 50MX) – Experimentiermotoren und eines Serienmotors (MTU 595)
Die in Bild 1-13 dargestellte Entwicklung der Größe PA lässt erkennen, dass anscheinend das Entwicklungspotenzial der Dieselmotoren noch nicht ausgeschöpft ist! Die heutigen Entwicklungsschwerpunkte sind jedoch weniger auf Steigerung der Leistung als – in Hinblick auf steigende Kraftstoffpreise – auf die Verringerung des Kraftstoffverbrauchs und eine Verbesserung der Abgasemission hin ausgerichtet.
Spezifischer Kraftstoffdurchsatz oder -verbrauch · folgt der leistungsbezoMit dem Kraftstoffmassenstrom m B gene spezifische Kraftstoffdurchsatz oder Kraftstoffverbrauch: . Vergleichende Betrachtungen bedingen danach gleichen Heizwert bzw. Kraftstoff. Von Verbrauchsangaben beim Einsatz alternativer Kraftstoffe (s. Abschn. 4.2) kann also nicht auf die Güte der Energieumsetzung geschlossen werden, sodass grundsätzlich die Angabe des effektiven Wirkungsgrades vorzuziehen ist. ISO-Normverbräuche beziehen sich auf einen Kraftstoff (DK) mit Hu = 42 MJ/kg, was folgende Umrechnung bei Verbrauchsangaben in g/kWh erlaubt: .
Spezifischer Luftdurchsatz oder Luftverbrauch · , Analog zum spezifischen Kraftstoffdurchsatz folgt mit m L dem Gesamt-Luftdurchsatz (s. Abschn. 2.1.1): , der spezifische Luftdurchsatz bzw. -verbrauch eines Motors (s. Tabelle 1-3). Damit gilt für das Gesamt-Luftverhältnis: .
Liefer- und Bedarfskennung Der Einsatz des Motors zum Antrieb von Aggregaten oder Fahrzeugen erfordert i. d. R. ein Anpassen der Lieferkennung, wie der Verlauf des Drehmomentes M über der Drehzahl bezeichnet wird: Mit Annäherung an das Volllastdrehmoment sinkt das Luftverhältnis OV, sodass mit OV o Omin die Rauchgrenze erreicht wird, die einer noch als zulässig angesehenen Abgasschwärzung entspricht. Mit zunehmender Spreizung der Drehzahlgrenzen nA und nN (Anfahrund Nenndrehzahl) besteht bei Fahrzeugmotoren eine Überhöhung im mittleren Drehzahlbereich, die dem Motor eine größere Elastizität im Fahrverhalten verleiht (Bild 1-14). Derartige Motorkennfelder enthalten neben der Rauchgrenze und den Leistungshyperbeln (Kurven konstanter
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses
Tabelle 1-3 Betriebswerte von Dieselmotoren bei Nennlast Motorenart
spez. Kraftstoffdurchsatz be (g/kWh)
spez. Luftdurchsatz le (kg/kWh)
Luftverhältnis λV (–)
spez. Ölverbrauch bÖ (g/kWh)
Abgastemperatur TA nach ATL °C
Pkw-Dieselmotoren o. Aufladung: m. ATL:
265 260
4,8 5,4
1,2 1,4
p0) reflektiert (t2), die nun ihrerseits mit der Geschwindigkeit a0 zum Einlassventil zurückläuft (t3). Ist beim Eintreffen der Druckwelle das Einlassventil noch geöffnet, so kann diese den Liefergrad steigern. Dazu muss die gesamte Wellenlaufzeit 't = 2L/ a0 kürzer sein als die zeitliche Ventilöffnungsdauer 'tEö – Es . Daraus lässt sich die Bedingung (2-15) formulieren. Diese macht deutlich, dass bei gegebenen Einlasssteuerzeiten und damit auch gegebener Einlassventilöffnungsdauer ΔφEö – Es bei einer bestimmten Drehzahl n eine bestimmte Einlassrohrlänge L vorliegen muss, um einen maximalen Liefergrad zu erzielen. Für die Praxis wichtiger ist jedoch der Umkehrschluss, nämlich, dass bei gegebenen Steuerzeiten eine gegebene Saugrohrlänge L nur bei einer bestimmten Drehzahl zum maximalen Liefergrad und meist nur innerhalb einer relativ engen Drehzahlspanne zu relativ hohen Liefergradwerten führt. Dieser am Beispiel des Einzylindermotors erläuterte grundsätzliche Einfluss der Einlassleitung auf den Liefergrad ist sinngemäß auf Mehrzylindermotoren zu übertragen und kann gezielt dazu eingesetzt werden, die maximale Zylinderfüllung auf einen ganz bestimmten Drehzahlbereich zu legen (Saugrohrabstimmung, Schaltsaugrohr).
40
2 Ladungswechsel und Aufladung
Mischform. Im Falle der Schlitzsteuerung (Schlitze in der Zylinderlauffläche) übernimmt der Kolben auch die Funktion eines Steuerschiebers.
2.1.3.2
Bild 2-6 Wellenlaufvorgang im Ansaugrohr nach der akustischen Theorie
2.1.3
Zweitaktverfahren
2.1.3.1
Besonderheiten des Zweitaktladungswechsels gegenüber dem Viertaktladungswechsel
Das Zweitakt-Arbeitsspiel entspricht zwei Kolbenhüben bzw. einer Kurbelwellenumdrehung (= 360 °KW). Der Ladungswechsel hat in zeitlicher Umgebung des unteren Totpunkts (UT) zu erfolgen. Daraus leiten sich unmittelbar zwei Konsequenzen ab: – Dadurch, dass der Ladungswechsel bereits vor UT einsetzt bzw. erst nach UT endet, ist ein Teil des Expansions- bzw. des Kompressionshubes nicht nutzbar. – Die momentane Kolbengeschwindigkeit ist während der gesamten Ladungswechselphase so gering, dass der Kolben praktisch keine Ansaug- oder Ausschubwirkung auf die Zylinderladung ausüben kann. Der Ladungswechsel kann daher nur bei Vorhandensein eines positiven Spülgefälles, d.h. eines Überdrucks von der Einlass- zur Auslassseite, erfolgen, wozu Zweitaktmotoren grundsätzlich mit einem Spülgebläse (auch Spülpumpe genannt) ausgerüstet sein müssen. Als Gaswechselorgane kommen sowohl Ventile als auch Schlitze zur Anwendung und zwar sowohl rein als auch in
Spülverfahren
Alle bislang ausgeführten Zweitakt-Spülverfahren lassen sich in die zwei Grundkategorien – Schleifenspülung, – Gleichstromspülung einordnen. Für Großdieselmotoren im Zweitaktverfahren (mit D = 250 bis 900 mm) war bis zu Beginn der achtziger Jahre die MAN-Umkehrspülung, eine Schleifenspülung, von Bedeutung. Das Hub/Bohrungs-Verhältnis lag bei knapp oberhalb s/D = 2. Bild 2-7a zeigt schematisch die Anordnung der Aus- und Einlassschlitze sowie das zugehörige Steuerdiagramm. Wenn der sich abwärts bewegende Kolben die Auslassschlitze freigibt, beginnt die Vorauslassphase (von „Aö“ bis „Eö“).Während dieser soll sich der zum Zeitpunkt „Aö“ noch relativ hohe Druck im Zylinder durch Ausströmen eines Teils der Zylinderladung soweit abbauen, dass er beim nachfolgenden Öffnen der Einlassschlitze bereits niedriger als der anstehende Spüldruck ist. Nur dann kann bereits ab „Eö“ Frischluft in den Zylinder einströmen, die im Zylinder im Zusammenwirken mit dem noch ausströmenden Zylindergas eine Schleifenströmung ausbilden soll, wie in Bild 27a angedeutet. Nach der Umkehr des Kolbens in UT schließt dieser beim Aufwärtshub zunächst die Einlassschlitze und schiebt ab „Es“ einen Teil der Zylinderladung durch die Auslassschlitze wieder aus. Dieser mit dem sog. Nachauslass verbundene Frischgasverlust ist ein wesentlicher Nachteil aller Schleifenspülverfahren und hat im (zu UT) symmetrischen Steuerdiagramm seine Ursache. Für Zweitakt-Großdieselmotoren hat sich seit Beginn der achtziger Jahre die Gleichstromspülung gegenüber der Umkehrspülung durchgesetzt, was vor allem durch den Zwang zu größeren Hub/Bohrungs-Verhältnissen (s/D bis > 4) bedingt ist (s. Abschn. 18.4). Die Gleichstromspülung wird allgemein über Einlassschlitze und ein einzelnes, zentral im Zylinderkopf angeordnetes Auslassventil realisiert, s. Bilder 18-36 und 18-43. Durch die damit mögliche freie Wahl der Auslasssteuerzeiten werden ein unsymmetrisches Steuerdiagramm (s. Bild 2-7b) möglich und ein Nachauslass vermieden. Durch ein entsprechendes Anschrägen der Einlassschlitzkanten kann der von unten nach oben verlaufenden Längsspülrichtung ein Drall überlagert werden, wodurch die Spülung zusätzlich stabilisiert wird und auch Einfluss auf Gemischbildung und Verbrennung genommen werden kann. Wesentlich ist dabei, die hohe thermische
2.1 Ladungswechsel
Bild 2-7 Schematische Darstellung von Spülströmung und Steuerdiagramm für zwei wesentliche Spülverfahren von Zweitakt-Großdieselmotoren
Belastung des Auslassventils zu beherrschen (s. Abschn. 6.1). Mit den in Abschn. 2.1.1 definierten Kenngrößen kann man den in Bild 2-8 dargestellten Zusammenhang herleiten, um Zweitakt-Spülverfahren beurteilen zu können. Der bestmögliche Spülverlauf, nämlich die reine Verdrängungsspülung, liegt dann vor, wenn der Luftaufwand Oa nur entsprechend dem Volumen Vh + Vc oder Oa = H/(H – 1) getrieben werden muss, um den Spülgrad Os = 1,0, d.h. vollkommene Ausspülung zu erreichen. Die Gerade Os = 0 entspricht der Kurzschlussströmung, d.h. bei noch so großem Luftaufwand Oa wird keine Spülwirkung erreicht. Die als totale Mischung gekennzeichnete Kurve entspricht einer Spülung, bei der jedes in den Zylinder eintretende Frischladungs-Massenelement sich mit der momentan insgesamt im Zylinder befindlichen Zylinderladungsmasse vollkommen vermischt und über den Auslass nur Massenelemente aus der momentanen Mischladung abströmen. Es ist sicherlich leicht nachzuvollziehen, dass die Gleichstromspülung unter allen Spülverfahren der reinen Verdrängungsspülung am nächsten kommt.
Bild 2-8 Spülgrad als Funktion des Luftaufwandes für idealisierte Spülabläufe
41
42 2 Ladungswechsel und Aufladung
2.2
Aufladung von Dieselmotoren
2.2.1
Allgemeines
2.2.1.1
Definition und Ziele der Aufladung
Die Aufladung des Verbrennungsmotors stellt primär ein Verfahren zur Steigerung seiner Leistungsdichte dar, wie die folgende Überlegung verdeutlichen soll: Die effektive Motorleistung nimmt gemäß der Definition des effektiven Wirkungsgrades, Gl. (1-8), mit der in der Zeiteinheit umgesetzten Kraftstoffmasse m ˙B zu. Zu deren Verbrennung ist je nach Verbrennungsverfahren ein bestimmter Luftmassenstrom m ˙LZ erforderlich. Unter Verwendung des Verbrennungsluftverhältnisses λV und des Mindestluftbedarfs Lmin sowie des Liefergrades λl folgt die Bestimmungsgleichung für Pe in der Form
(2-16)
mit a = 2 für Viertakt, a = 1 für Zweitakt (vgl. Abschn. 1.2). Diese besagt, dass die effektive Leistung eines bestimmten Motors (VH, a) unter Verwendung eines bestimmten Kraftstoffes (Hu, Lmin) und eines bestimmten Brennverfahrens (λV) bei einer bestimmten Drehzahl nM (→ λl = konst.) abgesehen vom effektiven Wirkungsgrad ηe nur noch von der Dichte ρL der Luft vor Motoreinlass abhängt. Wird dem Motor die Luft vor Einlass mit einer Dichte höher als die der Umgebungsluft angeboten, liegt Aufladung vor. Da nach der thermischen Gaszustandsgleichung (2-17) die Dichte ρL vom Druck pL und der Temperatur TL bestimmt wird, und TL im Normalfall nicht unter die Umgebungstemperatur abgesenkt werden kann, versteht sich die Aufladung in erster Linie als eine Anhebung des Drucks vor Einlass auf einen Wert oberhalb des Umgebungsdrucks, den sog. Ladedruck pL. Das dazu eingesetzte Aggregat wird als Lader bezeichnet. Die Möglichkeiten zur Aufladung sind nach DIN 6262 festgelegt.
2.2.1.2
Vergleich von Abgasturboaufladung und mechanischer Aufladung
Da Abgasturboaufladung und mechanische Aufladung die größte praktische Bedeutung erlangt haben, soll deren unterschiedliches Zusammenwirken mit dem Basismotor anhand
idealisierter Kreisprozesse veranschaulicht werden, Bild 2-9. Im Falle der mechanischen Aufladung liefert der vom Motor angetriebene Lader den Zylindern Luft vom Druck p2 = pL, mit dem während des Saughubes der Zylinderdruck identisch ist, so dass die Verdichtung bei einem gegenüber dem Saugmotor erhöhten Druck einsetzt (1Z). Nach Abschluss des Expansionshubes (5Z) öffnet das Auslassventil, und die Zylinderladung wird gegen den Umgebungsdruck (p1) ausgeschoben. Dadurch ergibt sich eine, im Sinne einer vom Motor abgegebenen Arbeit, positive Ladungswechselarbeit WLDW (Fläche 1Z, 6Z, 7Z, 8Z, 1Z). Die vom Motor aufzubringende (isentrope) Laderarbeit WL ist allerdings größer als seine Ladungswechselarbeit. Die senkrecht schraffierte Fläche entspricht dem Arbeitsverlust, der dadurch entsteht, dass die Zylinderladung vom Zustand 5Z auf den Druck p1 (nach Auslassventil) gedrosselt und nicht auf diesen isentrop entspannt wird (Verlust durch unvollkommene Dehnung). Im Falle der Abgasturboaufladung ist bei gleichem Ladedruck p2 und gleicher Hochdruckphase des Motorprozesses wie bei der mechanischen Aufladung auch die gleich große Laderarbeit WL aufzubringen. Ferner liegt auch der gleiche Zylinderzustand bei Expansionsende (5Z) vor. Die Laderarbeit WL wird nunmehr jedoch nicht von der Kurbelwellenarbeit abgezweigt, sondern von der (flächengleichen) Turbinenarbeit WT abgedeckt, die aus der Abgasenergie entnommen wird. Da die Abgastemperatur T3 vor Turbine höher ist als T2, liegt unter der Bedingung WT = WL der Abgasdruck p3 vor Turbine niedriger als p2, so dass sich auch hier eine positive Ladungswechselarbeit WLDW einstellt. Darüber hinaus ist wegen des höheren Gegendrucks am Auslass der Arbeitsverlust infolge unvollkommener Dehnung der Zylinderladung (senkrecht schraffierte Fläche) geringer als im Falle der mechanischen Aufladung. Dass ein Teil dieses zylinderseitigen Arbeitsverlustes von der Abgasturbine sogar zurückgewonnen wird, kommt darin zum Ausdruck, dass die Temperatur im Punkte 3 größer ist als die bei 3ʹ, welche sich bei isentroper Expansion der Zylinderladung auf den Abgasdruck p3 einstellen würde. Auch wenn Bild 2-9 nur idealisierten Zustandsänderungen entspricht, so deutet sich doch bereits an, dass bezüglich des Motorgesamtwirkungsgrads die Abgasturboaufladung wohl günstigere Voraussetzungen bietet als die mechanische Aufladung.
2.2.2
Zusammenwirken von Motor und Lader
2.2.2.1
Laderbauarten und ihre Kennfelder
Vom Wirkungsprinzip her lassen sich alle bekannten Laderbauarten in zwei Gruppen einteilen, nämlich in: – Verdrängerlader und – Strömungslader.
2.2 Aufladung von Dieselmotoren
Bild 2-9 Die Aufladung bei idealisierter Prozessführung
Entsprechend existieren auch zwei Grundformen des Laderkennfeldes. Unter Laderkennfeld wird die Darstellung des Laderdruckverhältnisses SL = p2/p1 über dem auf einen definierten Bezugszustand (p1, T1) bezogenen Fördervolumenstrom V˙1 verstanden, mit Linienscharen konstanter Laderdrehzahl nL (Laderkennlinie) und konstanten isentropen Laderwirkungsgraden ηsL, Bilder 2-10 und 2-11.
Verdrängerlader Zu den Verdrängerladern zählen neben dem Hubkolbenverdichter, der außer als Kolbenunterseitenverdichter nicht als Aufladeaggregat eingesetzt wird, insbesondere das Rootsgebläse, die verschiedenen Dreh- und Kreiskolbenverdichter (Ro-Lader, Flügelzellenlader), der Spirallader (G-Lader) und auch der Schraubenlader, Bild 2-10. Entsprechend dem Verdrängerprinzip verlaufen die Laderkennlinien (nL = konst.) relativ steil. Beim verlustfreien Lader würden sie sogar exakt senkrecht verlaufen, womit der Durchsatz nur von der Drehzahl und nicht vom Druckverhältnis abhängt. Im realen Verdrängerlader nehmen mit dem Druckverhältnis, je nach Bauart, die Spaltverluste oder die Verluste durch Rückexpansion des verdichteten Mediums im Schadraum zu und (bei nL = konst.) der Fördervolumenstrom entsprechend ab. Daraus folgt: – Das erreichbare Druckverhältnis ist unabhängig von der Drehzahl, so dass auch bei kleinen Drehzahlen und damit
Bild 2-10 Kennfeld des Verdrängerladers (schematisch)
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44
2 Ladungswechsel und Aufladung
kleinen Volumenströmen hohe Druckverhältnisse möglich sind. – Der Fördervolumenstrom V˙1 hängt praktisch nur von der Drehzahl ab. – Das Kennfeld ist im gesamten Bereich stabil und dementsprechend für die Aufladung nutzbar.
Strömungslader Dazu zählen Axial- und Radialverdichter. Weil der Radialverdichter, anders als der Axialverdichter, bereits in einstufiger Ausführung ein hohes Druckverhältnis liefern kann, kommt er für Aufladezwecke praktisch ausschließlich zum Einsatz. Bild 2-11 zeigt schematisch das Kennfeld des Radialladers. Der Fördervolumenstrom V˙1 nimmt in etwa proportional, das Druckverhältnis SL in etwa quadratisch mit der Laderdrehzahl nL zu. Die Laderkennlinien erreichen mit abnehmendem Volumenstrom in der Nähe ihres jeweiligen Scheitels die Pumpgrenze, die das Laderkennfeld in einen stabilen (rechts) und einen instabilen (links) Kennfeldbereich teilt. Ein Lader ist immer so an den Motor anzupassen, dass der zu erwartende Betriebsbereich rechts der Pumpgrenze zu liegen kommt [2-3]. Dadurch wird das Pumpen vermieden, das sich in einem Pulsieren von Druck und Fördervolumenstrom äußert, wodurch – abgesehen von der diskontinuierlichen Förderung – Schaufelschwingungen des Laders angeregt werden, die zu seiner Beschädigung führen können. Zusammenfassend lässt sich feststellen: – Das erreichbare Druckverhältnis ist drehzahlabhängig; bei kleinen Drehzahlen und damit kleinen Volumenströmen sind keine hohen Druckverhältnisse zu erreichen.
– Der Fördervolumenstrom hängt von der Drehzahl und dem Druckverhältnis ab. – Der Kennfeldbereich links der Pumpgrenze ist ein instabiler Bereich.
2.2.2.2
Motorschlucklinie
Zur Veranschaulichung des Zusammenwirkens von Motor und Lader ist es zweckmäßig, den Motor als „Verbraucher“ im Laderkennfeld darzustellen. Diese Verbrauchercharakteristik wird als Motorschlucklinie bezeichnet und verläuft für Viertakt- und Zweitaktmotor grundsätzlich unterschiedlich.
Viertaktmotor Unter der Annahme vernachlässigbar kleiner Spülverluste gilt für den vom Motor „geschluckten“ Volumenstrom V˙1 bezogen auf Ansaugzustand (p1, T1) (2-18) Unter sinngemäßer Verwendung von Gl. (2-18) lässt sich Gl. (2-19) für einen bestimmten Motor (VH = konst.) in die Form (2-19) bringen, die besagt, dass bei einer bestimmten Motordrehzahl nM und damit auch gegebenem Liefergrad Ol für eine
Bild 2-11 Kennfeld des Strömungsladers (schematisch)
2.2 Aufladung von Dieselmotoren bestimmte Ladelufttemperatur TL Ladedruckverhältnis SL und durchgesetzter Volumenstrom V˙1 direkt proportional sind, was in Bild 2-12 einer Geraden durch den Ursprung entspricht. Für eine höhere Drehzahl (nM2 > nM1) weist die entsprechende Gerade einen geringeren Anstieg auf. Praktischen Sinn besitzt diese Geradenschar allerdings nur für Druckverhältniswerte SL ≥ 1, wobei SL = 1,0 dem Saugmotor entspricht. Soll berücksichtigt werden, dass TL mit SL ansteigt, ergibt sich für SL ≥ 1 die dick gezeichnete Linienschar. Wird am betrachteten Motor zusätzlich eine Ventilüberschneidung (VÜ) realisiert, so nehmen die Schlucklinien die gestrichelt eingetragenen Verläufe an. Dabei ist unterstellt, dass auf der Auslassseite der Druck p1 anliegt.
Zweitaktmotor Der Ladungswechsel des Zweitaktzylinders erfordert zwingend ein Druckgefälle von der Einlass- zur Auslassseite. Einlass- und Auslassöffnungen des Zweitaktzylinders wirken, unabhängig von der Motordrehzahl, wie zwei hintereinander geschaltete Drosseln, die sich zu einer Ersatzdrossel für den gesamten Motor zusammenfassen lassen, an der das Druckverhältnis pL/pA anliegt. Entsprechend nimmt die Schlucklinie in Bild 2-13 die Form einer Drosselkennlinie an, bei der das Druckverhältnis πL in etwa quadratisch mit dem Durchsatz V˙1 zunimmt, mit dem Druck pA nach Auslass als Parameter.
2.2.2.3
45
Motorbetriebslinien
Jeder Motorbetriebspunkt eines aufgeladenen Motors erscheint im Laderkennfeld als der Schnittpunkt zwischen zugehöriger Motorschlucklinie und zugehöriger Laderkennlinie. Die Verbindung aller bei einer bestimmten Motorbetriebsart möglichen Schnittpunkte ergibt die Motorbetriebslinie. Nachfolgend wird die Motorbetriebslinie für einige praktisch wichtige Aufladeverfahren schematisch dargestellt.
Mechanische Aufladung Bei mechanischer Aufladung eines Viertaktmotors mit einem Verdrängerlader stellt sich für ein konstantes Übersetzungsverhältnis ü zwischen Motordrehzahl nM und Laderdrehzahl nL eine mit der Motordrehzahl nur leicht abfallende Motorbetriebslinie im Laderkennfeld ein, so dass auch im unteren Drehzahlbereich noch ein relativ hoher Ladedruck zur Verfügung steht, was z.B. einem Pkw-Motor ein gutes Beschleunigungsverhalten ermöglicht. Über ein Vergrößern des Übersetzungsverhältnisses ü kann das Ladedruckniveau insgesamt angehoben und im umgekehrten Falle abgesenkt werden, Bild 2-14 oben. Völlig anders verhält sich hingegen der Strömungslader bei mechanischer Aufladung. Bei gleichem Ladedruck für Nenndrehzahl wie beim Verdrängerlader fällt mit sinkender Motordrehzahl der Ladedruck stärker ab, Bild 2-14 unten. Wenn dennoch heute Entwicklungsbemühungen unter-
Bild 2-12 Motorschlucklinien des Viertaktmotors (schematisch). TL Ladelufttemperatur, VÜ Ventilüberschneidung
46
2 Ladungswechsel und Aufladung
Motordrehzahl jeweils verfügbare Ladedruck, zumindest im Stationärbetrieb, normalerweise ausreichend hoch. Beim abgasturboaufgeladenen Zweitaktdieselmotor ergibt sich für alle drei berücksichtigten Betriebsweisen nur eine einzige Motorbetriebslinie, wobei mit zunehmendem Durchsatz (V˙1) der Abgasgegendruck pA nach den Zylindern bzw. vor der ATL-Turbine ansteigt. Es liegen zwar alle möglichen Motorbetriebspunkte auf dieser Motorbetriebslinie, jedoch fallen die Betriebspunkte von z.B. 50% Leistung im Propellerbetrieb und 50% Generatorleistung nicht auf denselben Punkt.
2.2.3.1 Bild 2-13 Motorschlucklinie des Zweitaktmotors bei unterschiedlichem Abgasgegendruck
nommen werden, auch den Strömungslader wegen seines hohen Wirkungsgrades zur mechanischen Aufladung einzusetzen, so ist dabei immer ein variables Übersetzungsverhältnis wesentliches Konzeptmerkmal.
2.2.3
Turboladerhauptgleichungen, Turboladerwirkungsgrad
Bei der Abgasturboaufladung besteht bei stationärem Betrieb prinzipbedingt immer Leistungsgleichheit zwischen Lader und Turbine: (2-20) Dabei gilt unter der heute noch allgemein üblichen Annahme, dass Lader und Turbine adiabate Maschinen seien (adiabat = wärmedicht), für die Laderleistung (s. Bild 2-16) (2-21)
Abgasturboaufladung
Bei der Abgasturboaufladung wird die Laderdrehzahl nicht wie bei der mechanischen Aufladung direkt von der Motordrehzahl bestimmt, sondern vom momentanen Abgasenergieangebot (Abgasleistung) des Motors an den Abgasturbolader. Bild 2-15 zeigt im oberen Teil einen Auslegungsfall, bei dem für einen Viertaktdieselmotor im Nennleistungspunkt der gewünschte Ladedruck erreicht wird. Davon ausgehend verschiebt sich der Betriebspunkt im Laderkennfeld je nach Belastungskennung (s. Abschn. 1.2). Bei Generatorbetrieb (nM = nNenn = konst.) verschiebt sich mit abnehmender Motorleistung wegen der damit auch abnehmenden Abgasleistung der Betriebspunkt entlang der Motorschlucklinie nach unten. Dieser Ladedruckabfall ist, zumindest im stationären Betrieb, unproblematisch, weil für eine niedrigere Motorlast auch nur ein geringerer Ladedruck erforderlich ist. Wird die Motorleistung unter der Bedingung M= konst. (Drehzahldrückung) zurückgenommen, so muss auch dabei wegen der abnehmenden Abgasleistung ein Ladedruckabfall hingenommen werden, auch wenn für M = konst. an sich ein gleich bleibender Ladedruck wünschenswert wäre. Zudem gelangt der Betriebspunkt relativ bald an die Pumpgrenze. Im Falle des Propellerbetriebes, für einen Festpropeller gilt dabei der Zusammenhang M ~ nM2, liegt der bei reduzierter
mit der isentropen Enthalpiedifferenz 'hsL des Laders (2-22)
und analog für die Turbinenleistung (2-23)
(2-24) Damit lässt sich Gl. (2-20) in der Form
(2-25)
schreiben. Da Turbine und Lader eine gemeinsame Welle besitzen, sind die zugehörigen mechanischen Verluste im mecha-
47
2.2 Aufladung von Dieselmotoren
Bild 2-14 Motorbetriebslinie eines mechanisch aufgeladenen Viertaktmotors im Laderkennfeld
nischen Wirkungsgrad ηmTL des Turboladers zusammenzufassen: .
(2-26)
In der Praxis werden die mechanischen Verluste des (gesamten) Turboladers dem isentropen Turbinenwirkungsgrad ηsT zugeschlagen, so dass dieser übergeht in den Turbinenwirkungsgrad ηT: .
(2-27)
Die gesamte Wirkungsgrad-Produktkette in Gl. (2-25) wird als Turboladerwirkungsgrad ηTL bezeichnet:
.
(2-28)
Unter Verwendung von Gl. (2-28) lässt sich Gl. (2-25) umstellen in die I. Turbolader-Hauptgleichung:
. (2-29) Abgesehen davon, dass das Ladedruckverhältnis danach mit Zunahme von Abgasdruck und -temperatur sowie des Turboladerwirkungsgrades KTL steigt, folgt ferner, dass bei
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2 Ladungswechsel und Aufladung
Bild 2-16 Spezifische Arbeiten von Lader und Turbine
Bild 2-15 Motorbetriebslinien bei ATL-Aufladung im Laderkennfeld
Übergang zu einem Turbolader mit höherem Wirkungsgrad KTL für einen angestrebten Ladedruck p2 ein nur geringeres Aufstauen der Abgase vor der Turbine (kleinere Werte für p3, T3) erforderlich ist, worauf der Motor mit einer besseren Restgasausspülung und, wegen der nun geringeren Ausschiebearbeit, mit einem niedrigeren Kraftstoffverbrauch reagiert. Gleichung (2-29) lässt sich zudem umformen in die Bestimmungsgleichung für den Turboladerwirkungsgrad:
.
(2-30)
allgemein auf Aufladesysteme mit Abgasenergienutzung anwendbar. Das Aufladesystem wird dabei als eine „black box“ betrachtet, der Abgas mit dem Zustand p3, T3 zugeführt wird, das darin auf den Gegendruck p4 entspannt wird, und die im Gegenzug Luft vom Ansaugzustand p1, T1 auf den Ladedruck p2 verdichtet. Diese „black box“ kann außer für einen (einstufigen) Abgasturbolader auch für einen Druckwellenlader (COMPREX, s. Abschn. 2.2.5) oder ein zweistufiges Turboladeraggregat samt Zwischenkühler stehen. Bei der Übernahme konkreter Zahlenwerte für KTL in eigene Überlegungen ist immer darauf zu achten, über welche Bestimmungsgleichungen diese zustandegekommen sind, insbesondere ob die Zustandsgrößen (p, T) für die Zustände 1 bis 4 als statische Größen oder als Gesamtzustandsgrößen berücksichtigt worden sind. Aus der Tatsache, dass bei stationärem Betrieb der Abgasmassenstrom des Motors dem der Turbine zugeführten entspricht, folgt die II. Turbolader-Hauptgleichung:
. (2-31)
Sie stellt gleichzeitig auch die Bestimmungsgleichung für den sog. Aufladewirkungsgrad dar. Dieser Begriff ist ganz
Sie entspricht der Durchflussgleichung für eine Drosselstelle mit dem effektiven Querschnitt gleich dem effektiven Turbi-
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 49 nenquerschnitt ATeff, der außer von der Geometrie von Leitund Laufrad insbesondere vom Turbinendruckverhältnis p03/p4 abhängt. Je größer dieses wird, umso größer wird ATeff. So gilt für Turbolader-Axialturbinen für ATeff der empirische Zusammenhang:
(2-32)
Für die Turbinen von Fahrzeugturboladern, die praktisch immer Radialturbinen sind, wird meist im Turbinenkennfeld neben dem Turbinenwirkungsgrad ηT der Turbinendurchsatz als reduzierter Massenstrom m ˙Tred
(2-33) über dem Turbinendruckverhältnis p3/p04 aufgetragen (s. Bild 2-17). Wird ausgehend von einem bis dahin stationären Betriebs punkt des Motors und damit auch des Turboladers ((PT, PL, nTL)=konst.) das Abgasenergieangebot an den Turbolader verändert, so steigt bzw. fällt die Turbinenleistung PT gegenüber der momentanen Laderleistung PL, wodurch sich die
Turboladerdrehzahl nTL entsprechend dem Drallsatz (Gl. (2-34)) ändert. .
(2-34)
Je kleiner dabei das Massenträgheitsmoment ΘTL des Turboladerrotors ist, umso größer fällt diese Drehzahländerung aus, was vor allem für ein gutes Beschleunigungsvermögen (Ansprechverhalten) des Turboladers wichtig ist.
2.2.3.2
Stoß- und Stauaufladung
Einfluss der Abgasleitung Bei der Abgasturboaufladung kommt der Abgasleitung eine ganz besondere Bedeutung zu. Sie soll so gestaltet sein, dass – die angeschlossenen Zylinder sich nicht gegenseitig beim Auslassvorgang behindern, – die technisch nutzbare Abgasenergie möglichst verlustarm vom Zylinder zur Turbine transportiert wird, – die Abgasenergie der Turbine in einem zeitlichen Verlauf angeboten wird, der eine möglichst effiziente Umsetzung in Turbinenarbeit gewährleistet. Es ist zwischen zwei wesentlichen Grundformen zu unterscheiden, der Stoßaufladung und der Stauaufladung.
Bild 2-17 Turbinenkennfeld eines Fahrzeug- Turboladers
50
2 Ladungswechsel und Aufladung
Stoßaufladung Die Stoßaufladung geht auf das Büchi-Patent von 1925 zum sog. Druckwellen-Verfahren zurück [2-4]. Danach sollen in Rohrleitungen mit einem Strömungsquerschnitt gleich dem Zylinderkopfaustrittsquerschnitt die Abgase von jeweils nur solchen Zylindern einer Zylinderreihe zu einem gemeinsamen Abgasleitungsteilstrang zusammengefasst und auf einen separaten Turbineneintritt geleitet werden, die im Zündabstand so weit auseinander liegen, dass sie sich nicht gegenseitig während des Ladungswechsels behindern. Der Zündabstand zweier aufeinander folgend ausschiebender Zylinder eines Teilstrangs sollte aber wiederum auch nicht so groß sein, dass der Abgasdruck im zugehörigen Abgasleitungsteilstrang zwischen zwei Auspuffstößen bis auf den Turbinengegendruck abfällt. Diese Forderungen werden am besten von der DreierstoßAufladung erfüllt, die bei Viertakt einen Zündabstand von 3 × 240 °KW aufweist, bei Zweitakt einen von 3 × 120 °KW.
Wie Bild 2-18 verdeutlicht, wird bei Stoßaufladung ein Unterschwingen des Abgasdrucks pA unter den Ladedruck pL während der Ventilüberschneidungsphase erreicht, wodurch selbst dann noch eine Spülung des Zylinders stattfindet, wenn der mittlere Abgasdruck gleich hoch oder gar höher liegt als der Ladedruck: Allerdings ist die als ideal anzusehende Dreierstoß-Aufladung nur bei Zylinderzahlen von z = 3n (n = 1, 2,… N) je Zylinderreihe realisierbar. Für andere Zylinderzahlen, sofern sie ganzzahlig durch zwei teilbar sind, kommt die symmetrische Zweierstoß-Aufladung in Betracht. Da der Zündabstand (beim Viertaktmotor) nunmehr 2 × 360 °KW beträgt, fällt der Abgasdruck nach jedem Auspuffstoß bis auf den Turbinengegendruck ab. Andererseits baut sich der einzelne „Abgasdruckberg“ aber langsamer ab als beim Dreierstoß, weil der jedem Abgasleitungsteilstrang zugeordnete Turbinenteilquerschnitt das Abgas von nur zwei Zylindern aufzunehmen hat und dementsprechend kleiner ist als im Falle des Dreierstoßes, s. Bild 2-19. Eine spülungsbehindernde Auswirkung der letzt-
Bild 2-18 Abgasdruckverläufe und Abgasleitungsführung bei einem Sechszylindermotor mit Stoßaufladung nach [2-5]
2.2 Aufladung von Dieselmotoren
Bild 2-19 Ladungswechseldruckverläufe eines Mittelschnellläufers bei Dreierstoß- und symmetrischer Zweierstoßaufladung
genannten Erscheinung kann durch ein Späterlegen der Ventilüberschneidung weitestgehend ausgeschaltet werden. Für Motoren mit 5 oder 7 Zylindern je Zylinderreihe kann die Stoßaufladung nur durch eine Kombination aus zweibzw. dreifachem unsymmetrischen Zweierstoß und jeweils einem Einerstoß realisiert werden, wobei die für den sym-
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metrischen Zweierstoß genannten Nachteile gegenüber dem Dreierstoß nunmehr verstärkt auftreten. Bei einem Fünfzylindermotor weisen die Zylinder jeder der beiden ZweierZusammenfassungen die Zündabstände 288 °KW und 432 °KW auf, beim Einerstoß beträgt der Zündabstand 720 °KW, Bild 2-20. Für Zylinderzahlen je Zylinderreihe, die ganzzahlig durch vier teilbar sind, kommt außer dem symmetrischen Zweierstoß auch der Viererstoß als Stoßaufladungsvariante in Frage, wobei der Zündabstand dann 4 × 180 °KW beträgt. Da demzufolge der Auspuffstoß des nachfolgend ausschiebenden Zylinders bereits während der Spülphase des betrachteten Zylinders an dessen Auslassventil eintrifft, müsste allein aufgrund der bisherigen Ausführungen der Viererstoß als besonders nachteilig angesehen werden, was bis vor vielleicht 25 Jahren auch zutraf. Bei den heutigen, enorm gesteigerten Turboladerwirkungsgraden reicht für einen angestrebten Ladedruck bereits ein so niedriges Abgasdruckniveau aus, dass beim Viererstoß noch auftretende Abgasdruckpulsationen während der Ventilüberschneidungsphase nicht mehr bis an den Ladedruck heranreichen und damit während der gesamten Spülphase ein positives Spülgefälle zur Verfügung steht. Wegen des kurzen Zündabstandes und des relativ großen Turbineneintrittsquerschnitts je Abgasleitungsteilstrang weist der Abgasdruckverlauf bei Viererstoß-Aufladung nur noch relativ geringe Amplituden auf und liefert der Turbine ein zeitlich weitgehend vergleichmäßigtes Abgasenergieangebot.
Bild 2-20 Stoßaufladung eines mittelschnelllaufenden V-10-Motors
52
2 Ladungswechsel und Aufladung
Stauaufladung Bei Stauaufladung sind alle Zylinder einer Zylinderreihe abgasseitig mit relativ kurzen Verbindungsrohren an einem Sammelleitungsrohr angeschlossen, das entlang der Zylinderreihe geführt wird und an einem Ende mit der Turboladerturbine verbunden ist. Der Innenquerschnitt des Sammelleitungsrohres wird meist etwas größer als der Zylinderquerschnitt gewählt, s. Bild 19-35. Über dieses relativ große Abgasleitungsvolumen wird erreicht, dass trotz der intermittierenden Beaufschlagung durch die Zylinder ein weitgehend gleichmäßiger Abgasenergiestrom an der Turbine ansteht. Weil dabei auch der Abgasdruck vor Turbine nur noch geringfügig schwankt, ist dieses Aufladeverfahren auch als Gleichdruckaufladung bekannt. Dementsprechend spielt bei einem stauaufgeladenen Motor die Zylinderzahl keine nennenswerte Rolle mehr, d.h. ein Fünfzylinder-Reihenmotor unterscheidet sich aufladetechnisch nicht mehr von einem Sechszylinder. Auch ergibt sich der konstruktive Vorteil, dass die Abgassammelleitung für unterschiedliche Zylinderzahlen aus entsprechend vielen gleichen Teilabschnitten zusammengesetzt werden kann, was unter anderem die Ersatzteillagerhaltung vereinfacht und insgesamt als ein wesentliches Kostenargument für die Stauaufladung zu sehen ist. Aus thermodynamischer Sicht steht bei Stauaufladung dem Vorteil der weitgehend kontinuierlichen Beaufschlagung der Turbine der Nachteil gegenüber, dass beim Ausströmen aus dem Zylinder größere Drosselverluste als bei Stoßaufladung auftreten, weil der Abgasdruck in der Sammelleitung auf seinem zeitlich nahezu konstanten Niveau verbleibt, während bei Stoßaufladung aufgrund der engeren Abgasleitung nach Öffnen des Auslassventils der vom Zylin-
der „verspürte“ Abgasgegendruck schnell nahezu bis auf das momentane Zylinderdruckniveau ansteigt. Zur Frage des vorteilhafteren Einsatzes von Stau- oder Stoßaufladung bei stationär betriebenen mittelschnelllaufenden Dieselmotoren abhängig vom Aufladegrad gilt heute allgemein, dass ab mittleren effektiven Drücken von pe ≈ 18 bar bzw. einer spezifischen Arbeit we ≈ 1,8 kJ/dm3 die Stauaufladung von Vorteil ist, was etwa Ladedrücken von ca. 3,4 bar entspricht [2-6]. Bezüglich Teillast- und Beschleunigungsverhalten schneidet die Stoßaufladung grundsätzlich immer günstiger ab als die Stauaufladung. Bei niedriger Motorleistung und dementsprechend geringem Abgasenergieangebot der Motorzylinder arbeitet die Turbine nämlich in beiden Fällen mit einem sehr niedrigen Wirkungsgrad. Die Stoßaufladung liefert wegen der geringeren Drosselverluste am Zylinder jedoch etwas mehr nutzbare Abgasenergie an die Turbine. Zudem ermöglicht das bei Stoßaufladung prinzipbedingte „Unterschwingen“ des Abgasdrucks unter den Ladedruck während der Ventilüberschneidung eine verbesserte Restgasausspülung und damit einen größeren Sauerstoffgehalt im Zylinder bei Ladungswechselnde. Dessen Höhe ist aber entscheidend dafür, wie viel der bei Einleitung des Beschleunigungsvorgangs erhöhten Kraftstoffrate auch wirklich in Beschleunigungsleistung umgesetzt werden kann. Da bei Fahrzeugmotoren ein gutes Beschleunigungsverhalten besonders wichtig ist, sollten deren Abgasleitungen weitgehend nach den Forderungen der Stoßaufladung gestaltet werden. Für alle übrigen Motorenkategorien sollten, einmal abgesehen von etwaigen Firmentraditionen, außer dem Aufladegrad vor allem die überwiegende Einsatzart
Bild 2-21 Abgasleitung des Motors MWM TBD 604 BV 16 (D = 170 mm, s = 195 mm)
53
2.2 Aufladung von Dieselmotoren eines Motortyps die Entscheidung für die Stoßaufladung oder die Stauaufladung bestimmen. Die Tatsache, dass in den letzten Jahren die Turboladerwirkungsgrade generell enorm gesteigert werden konnten, entschärfte den genannten Zielkonflikt und ermöglichte Abgasleitungsausführungen, die als Mischformen und jeweils optimaler Kompromiss aus Stoß- und Stauaufladung anzusehen sind (s. dazu Bild 2-21).
2.2.3.3
Ladeluftkühlung
Bei der Verdichtung der Luft in einem Lader vom Zustand 1 auf den Druck p2 steigt mit dem Druck auch die Temperatur, die am Laderaustritt (T2) normalerweise höher liegt als die entsprechende Temperatur T2S bei isentroper Verdichtung. Ist der isentrope Laderwirkungsgrad KsL bekannt, der nach (2-35) im Versuch zu bestimmen bzw. dem Laderkennfeld zu entnehmen ist, lässt sich die Temperatur T2 berechnen: (2-36)
vgl. Bild 14-3. Durch eine isobare Rückkühlung (bei p2 = konst.), also durch Ladeluftkühlung in einem Ladeluftkühler, lässt sich der motortechnisch unerwünschte Temperaturanstieg im Lader teilweise zurücknehmen. Die mögliche Temperaturabsenkung im Ladeluftkühler LLK (s. Bild 2-22) wird außer vom Temperaturniveau des verfügbaren Kühlmediums (Kühlmitteleintrittstemperatur TKe) von der Wirksamkeit des Ladeluftkühlers bestimmt, die
Bild 2-22 Temperaturerhöhung im Lader und Ladeluftkühlung
im Rekuperationsgrad ηLLK, auch Ladeluftkühlerwirkungsgrad genannt, zum Ausdruck kommt: (2-37) Die Ladeluftkühler von Großmotoren, die nach dem Gegenstromprinzip arbeiten, erreichen die höchsten KLLK-Werte (> 0,90), s. Abschn. 14.3. Abgesehen vom gerätetechnischen Aufwand bringt die Ladeluftkühlung nur Vorteile, nämlich – geringere thermische Belastung des Motors, – geringere mechanische Belastung des Motors, weil bei Ladeluftkühlung ein angestrebter Wert der Zylinderladungsdichte bei einem niedrigeren Ladedruck erreicht wird, – geringere NOx-Emission.
2.2.3.4
Stationäres und dynamisches Motorbetriebsverhalten bei Abgasturboaufladung
Ladedruckregelung Wie alle Strömungsmaschinen sind auch der Verdichter (Lader) und die Turbine des Abgasturboladers jeweils für einen bestimmten Betriebspunkt ausgelegt (Auslegungspunkt), bei dem sie unter jeweils optimalen Bedingungen arbeiten. Die Anpassung des Turboladers an einen bestimmten Betriebspunkt des Motors ist dann erreicht, wenn mit dem in diesem Betriebspunkt vom Motor gelieferten Abgasenergiestrom vom Turbolader der gewünschte Ladedruck bereitgestellt wird, s. Punkt A in Bild 2-23. Jeder Betriebspunkt im Motorkennfeld, der unterhalb der Zugkrafthyperbel (Linie konstanter Nennleistung) liegt, entspricht einer Motorleistung kleiner als die Nennleistung. Da er dementsprechend auch nur eine kleinere Abgasleistung an den Turbolader liefert, liegt auch der zugehörige Ladedruck niedriger als im Punkt A. Für die drei ausgezeichneten Betriebsarten – Generatorbetrieb (nM = konst.) – Propellerbetrieb (M ~ nM2) – Drehzahldrückung (M = konst.) sind die Betriebslinien im Motorkennfeld (Bild 2-23, links) und (für einen Viertaktmotor) im Laderkennfeld (Bild 2-23, rechts) eingetragen, vgl. auch Bild 2-15. Vorausgesetzt, die Motorbetriebspunkte gehen quasistatisch ineinander über (stationäres Betriebsverhalten), so ist, wie unter 2.2.2.3 ausgeführt, der Ladedruckabfall bei Generator- und Propellerbetrieb unproblematisch. Dagegen ist Drehzahldrückung nur durch ein abfallendes Verbren-
54
2 Ladungswechsel und Aufladung
Bild 2-23 Motorbetriebslinien in Motorkennfeld (links) und Laderkennfeld (rechts) bei abnehmender Motorleistung; Viertaktdieselmotor mit ungeregeltem Abgasturbolader (ATL)
nungsluftverhältnis realisierbar, wobei außer mit einer erhöhten Abgasschwärzung mit einer Zunahme der thermischen Belastung der Brennraumbauteile zu rechnen ist. Die Drehzahldrückung birgt in sich zudem die Gefahr einer zu starken Annäherung oder gar Überschreitung der Pumpgrenze, Bild 2-23, rechts. Da aber für Fahrzeugmotoren, ausgehend vom Nennleistungspunkt, mit fallender Drehzahl nicht nur eine waagerechte, sondern sogar eine ansteigende Volllastlinie verlangt wird, ist eine andere Turboladeranpassung als bei Großmotoren erforderlich. Dabei ist zwischen Turboladern mit fixer und solchen mit variabler Turbinengeometrie zu unterscheiden. Ein Turbolader mit fixer Turbinengeometrie (Bild 224) wird so ausgewählt, dass er den für das maximale Motordrehmoment Mmax erforderlichen Ladedruck bereits bei der zugehörigen Motorteildrehzahl n2 bringt. Diese wird für Nutzfahrzeugmotoren auf etwa 60% und für PkwMotoren auf etwa 40% der Motornenndrehzahl n3 gelegt. Für davon ausgehend kleinere Motordrehzahlen (n < n2) nehmen aus den vorgenannten Gründen der Ladedruck und das zugehörige Volllastmoment wiederum ab, relativ zu Mmax stärker als beim Saugmotor, der naturgemäß bei allen Drehzahlen über den maximalen „Ladedruck“ verfügt. Für Motordrehzahlen zunehmend größer als diejenige beim maximalen Motordrehmoment (n > n2) steigt ohne jeden Regeleingriff in den Turbolader der Volllast-Ladedruck immer weiter an. Wegen der grundsätzlich robusteren Bauweise von Nutzfahrzeugmotoren kann bei dieser Motorenkategorie dieser Volllast-Ladedruckanstieg meist noch
akzeptiert werden und wird wegen der zur Nenndrehzahl hin abfallenden Volllastmomentenkurve zur Darstellung eines entsprechend großen Verbrennungsluftverhältnisses genutzt. Aufgrund der größeren insgesamt zu überdeckenden Drehzahlspanne und n2 ≈ 0,40 · n3 würde beim Pkw-Motor der Volllast-Ladedruck für Drehzahlen n > n2 besonders hoch ansteigen, was wegen der damit verbundenen hohen mechanischen Belastung des Triebwerks nicht akzeptabel ist; schon wegen des bei Pkw-Dieselmotoren erforderlichen hohen Verdichtungsverhältnisses. Abgasturboaufgeladene Pkw-Motoren benötigen daher unbedingt eine Ladedruckregelung, zumindest eine Ladedruckbegrenzung durch ein ungeregeltes Waste-Gate (Bild 2-25). Dabei wird das Waste-Gate-Ventil über eine ladedruckbeaufschlagte Membran gegen eine Feder geöffnet und Abgas um die Turbine herumgeleitet, wenn der Ladedruck die zulässige Obergrenze erreicht hat. Ausgelöst durch die diesbezüglich besonderen Anforderungen des Ottomotors (Quantitätsregelung) findet sich heute in Ottound Dieselmotoren überwiegend eine elektronische Ladedruckregelung. Dabei vergleicht ein Regler den LadedruckIstwert mit dem im Motor-Steuergerät abgelegten betriebspunktabhängigen Sollwert und regelt diesen, im vorliegenden Fall über eine elektropneumatische Ansteuerung des Waste-Gate (geregeltes Waste-Gate), ein. Je kleiner der bei Teillast einzustellende Ladedruck gegenüber dem VolllastLadedruck ist, umso kleiner ist dabei auch der Abgasdruck vor der Turbine, was sich nicht zuletzt in einem entspre-
2.2 Aufladung von Dieselmotoren
Bild 2-24 Volllast-Motorbetriebslinie im ATL-Laderkennfeld für Nutzfahrzeug (Nfz)- und Pkw-Motor
chend geringeren Kraftstoffverbrauch des Motors niederschlägt. Eine Annäherung des Luftangebotes des Turboladers an den betriebspunktabhängigen Luftbedarf des Motors, die bei Verwendung eines ungeregelten Turboladers insbesondere mit abnehmender Motordrehzahl immer weiter auseinanderklafft, kann auch über eine sog. variable Turbinengeometrie (VTG) erreicht werden. Dabei wird die Turboladerturbine in ihrem Querschnitt so (groß) gewählt, dass im Nennleistungspunkt des Motors der gewünschte Ladedruck erreicht wird. Mit abnehmender Motordrehzahl wird einem Ladedruckabfall über das Verengen des Zuströmquerschnitts zum Turbinenlaufrad entgegengewirkt, bevorzugt über verstellbare Turbinenleitschaufeln (Bild 2-26). Dies
Bild 2-26 Fahrzeug-Turbolader mit variabler Turbinengeometrie (verstellbare Leitschaufeln) (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)
Bild 2-25 Ladedruckbegrenzung mit Waste-Gate [2-5]
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2 Ladungswechsel und Aufladung
Bild 2-27 Variable-Schieber-Turbine (VST) für Fahrzeug-Turbolader (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)
führt zu einem erhöhten Aufstauen des Abgases vor der Turbine – höhere Werte für p3 und T3 in Gl. (2-29) – und damit zu einem höheren Ladedruck. Es ist allerdings dafür zu sorgen, dass mit der Verringerung des Querschnitts des Turbinenleitapparates die Strömungsbedingungen im Laufrad nicht zu sehr verschlechtert werden, weil ansonsten über eine zu starke Abnahme von KT und weiter von KTL (s. Gln. (2-28 und 2-29)) das erhöhte Abgasenergieangebot zu wenig zur Ladedrucksteigerung genutzt werden kann. Die mechanisch robustere Lösung, mit einer in Rotorachsrichtung verschiebbaren Hülse den Zuströmquerschnitt des Turbinenlaufrads teilweise abzudecken (s. Bild 2-27), ist wirkungsgradmäßig als ungünstiger einzustufen, weil das Verringern des Turbinenquerschnitts mit einer Teilbeaufschlagung des Turbinenlaufrads verbunden ist. Für Großdieselmotoren waren bereits in den siebziger Jahren Turbolader mit verstellbarem Turbinenleitapparat entwickelt worden [2-7], die eine Verstellung des Turbinenquerschnitts im Bereich zwischen 100% und ca. 70% des vollen Querschnitts zuließen. Auf einen Serieneinsatz wird bei dieser Motorenkategorie heutzutage aber verzichtet, weil bei dem inzwischen erreichten generell hohen Niveau der
Turboladerwirkungsgrade bei Großdieselmotoren andere Lösungen bevorzugt werden [2-8]. Hingegen werden Fahrzeugdieselmotoren inzwischen überwiegend mit VTG-Turboladern ausgerüstet. Neben den anfänglich allein üblichen pneumatischen Stellern werden jetzt – wegen der um den Faktor 10 [2-9] höheren Verstellgeschwindigkeit und der deutlich verbesserten Regelcharakteristik – zunehmend elektrische Steller eingesetzt. Eine andere Lösung, den Turbolader-Turbinenquerschnitt an den Bedarf des Motors anzupassen, bietet die Registeraufladung [2-10]. Dazu ist ein Motor mit mehreren parallel geschalteten Turboladern ausgestattet, von denen jeder über luft- und abgasseitige Klappen zu- oder abgeschaltet werden kann, so dass dem Motor betriebspunktabhängig der jeweils „richtige“ Turbinenquerschnitt zur Verfügung steht. Da somit jeder einzelne im Betrieb befindliche Turbolader relativ nahe an seinem Bestpunkt betrieben werden kann, ergibt sich ein relativ günstiger Aufladewirkungsgrad des Motors auch in den Betriebsbereichen (niedrige Last und niedrige Drehzahl), in denen ein einziger großer Turbolader weit ab von seinem Bestpunkt läuft. Die Vorteile der Registeraufladung werden insbesondere bei der Motorbeschleunigung deutlich. Zu Beginn der
2.2 Aufladung von Dieselmotoren Beschleunigungsphase wird die gesamte verfügbare Abgasenergie nur einem einzigen der z.B. insgesamt vier Turbolader zugeführt. Dieser läuft damit sehr schnell in seiner Drehzahl hoch, nicht zuletzt auch deshalb, weil sein Laufzeug ein geringeres Massenträgheitsmoment aufweist als das eines einzigen großen Turboladers. Der damit verbundene schnellere Ladedruckaufbau erlaubt eine schnellere Kraftstoff-Füllungsfreigabe. Der Motor läuft in seiner Drehzahl schneller hoch, liefert eine erhöhte Abgasenergierate, so dass nacheinander die weiteren Turbolader zugeschaltet werden können. Auf diese Weise wird insgesamt schneller der angestrebte, auf höherem Leistungsniveau befindliche Betriebspunkt erreicht als bei Verwendung eines einzigen (großen) Turboladers. Wesentlicher Nachteil der Registeraufladung ist der komplexere Aufbau des Aufladesystems (mehrere Turbolader, Luft- und Abgasklappen und deren Ansteuerung) und der damit verbundene erhöhte Investitionsaufwand. Die Registeraufladung wird seit vielen Jahren erfolgreich bei schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren mit zweistufiger Aufladung eingesetzt, s. Abschn. 18.4. Sie findet inzwischen aber auch bei Fahrzeugmotoren Anwendung, wenngleich hier meist nur mit zwei Turboladern [2-11]. Dabei können bei Verwendung von zwei unterschiedlich großen Turboladern durch ihre Zu- bzw. Abschaltung dem Motor insgesamt drei unterschiedlich große Turbinengesamtquerschnitte angeboten werden. Einen interessanten anderen Weg, einen variablen Turbinenquerschnitt darzustellen, bietet das VMP (VariableMulti-Pulse)-Verfahren der Firma MaK (heute Caterpillar Motoren) für mittelschnelllaufende Motoren im Schiffsbetrieb, welches im aktuellen Motorenprogramm allerdings nicht mehr eingesetzt wird. [2-12]. Im Leistungsbereich unter 75% der Nennleistung verschließt ein Variator genannter Schieber einen Teil des
Bild 2-28 Verstellen des ATL-Turbinenquerschnitts nach dem VMP (VariableMulti-Pulse)-Verfahren der MaK
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Düsenringquerschnittes der Axialturbine, so dass die Turbine höher aufstaut und folglich für den Motor ein höherer Ladeluftdruck verfügbar ist [2-12]. Nach Herstellerangaben lassen sich dadurch Kraftstoffverbrauchseinsparungen um bis zu 10 g/kWh erzielen.
2.2.3.5
Downsizing
Von Downsizing spricht man bei Konzepten, bei denen eine gewünschte Motornennleistung über einen kleineren Motor (kleineres Gesamthubvolumen, eventuell zusätzlich kleinere Zylinderzahl) dargestellt werden soll, der dementsprechend hoch aufgeladen wird. Durch die geringere Reibung des kleineren Motors steigt dessen mechanischer und damit auch sein effektiver Wirkungsgrad. Zudem ergibt sich ein geringeres Motorgewicht, weshalb Downsizing vor allem für die Entwicklung von Fahrzeugmotoren zu einem wichtigen Konzeptionsmerkmal geworden ist.
2.2.4
Sonderformen der Abgasturboaufladung
2.2.4.1
Zweistufige Aufladung
Unter zweistufiger Aufladung wird die Reihenschaltung zweier freilaufender Abgasturbolader verstanden, wovon der eine als Niederdruck-, der andere als Hochdruck-Turbolader bezeichnet wird. Es ist zwischen den beiden Varianten – ungeregelte zweistufige Aufladung und – geregelte zweistufige Aufladung zu unterscheiden.
Ungeregelte zweistufige Aufladung Eine wesentliche Forderung für eine ungeregelte zweistufige Aufladung sind Ladedruckverhältnisse bis zu sechs und darüber, wenn mittlere effektive Drücke im Bereich von pe = 30 bar und größer darzustellen sind [2-10]. Schaltet man zwei Lader (Verdichter) hintereinander, von denen beispielsweise jeder ein Druckverhältnis von SL = 2,5 bei einem isentropen Laderwirkungsgrad von KsL = 80% aufbaut, so wird damit ein Gesamt-Ladedruckverhältnis von SLges = 6,25 mit einem isentropen Wirkungsgrad über beide Laderstufen von immerhin noch 77,5% erreicht. Ein Ladedruckverhältnis von 6,25 ließe sich zwar unter Umständen auch noch über eine einzige Radialverdichterstufe verwirklichen, jedoch nur mit einem deutlich niedrigeren Wirkungsgrad. Dieser Vorteil der zweistufigen Verdichtung wird noch verstärkt durch die Einbindung eines Zwischenkühlers. Dieser verringert die Temperatur der Luft vor Eintritt in den Hochdrucklader und damit gemäß Gl. (2-22) die
58 2 Ladungswechsel und Aufladung für das gewünschte Druckverhältnis aufzubringende Verdichterleistung. Jeder der beiden genannten Effekte wirkt sich positiv auf den Aufladewirkungsgrad und damit auf den spezifischen Kraftstoffverbrauch des Motors aus. Die positive Wirkung der Zwischenkühlung auf den Aufladewirkungsgrad und damit mittelbar auf den Motorgesamtwirkungsgrad wird umso kleiner, je mehr der momentane Ladedruck (bei Teilleistung) vom maximalen Ladedruck (bei Nennleistung) abweicht, weil es dann auch entsprechend weniger zu kühlen gibt. Um bei derart hohen Aufladegraden, wie sie die zweistufige Aufladung ermöglicht, die mechanische Belastung des Motors durch den maximalen Zylinderdruck (Zünddruck) beherrschbar zu halten – es werden dabei ohnehin bereits Werte bis pZmax ≈ 200 bar [2-13] gefahren – wird das Verdichtungsverhältnis ε gegenüber den bei einstufiger Aufladung üblichen Werten deutlich abgesenkt. Eine ε-Absenkung stellt als Einzeleinfluss aber immer eine Wirkungsgradverschlechterung dar, ein wesentlicher Grund für die grundsätzlich höheren spezifischen Kraftstoffverbräuche der zweistufig aufgeladenen Hochleistungs-Schnellläufer (mit pe ≈ 30 bar) im Vergleich zu den einstufig aufgeladenen Mittelschnellläufern (mit pe ≈ 21…24 bar). So hat sich bei den Mittelschnellläufern die zweistufige Aufladung – es gab prototypische Anwendungen in den
siebziger Jahren – nicht durchsetzen können. Demgegen über werden höchste Werte bezüglich der Leistungsdichte, wie sie von zweistufig aufgeladenen Schnellläufern erbracht werden, z.B. für Schnellbootantriebe, mit erster Priorität und ein niedriger spezifischer Kraftstoffverbrauch erst mit zweiter Priorität gefordert.
Geregelte zweistufige Aufladung Bei Nutzfahrzeug- wie bei Pkw-Dieselmotoren findet inzwischen die sog. geregelte zweistufige Aufladung Anwendung, nicht unbedingt zum Zweck, einen besonders hohen Ladedruck darstellen zu können, sondern als Alternative zur Zwei-Turbolader-Registeraufladung. Wesentlicher Unterschied zur ungeregelten zweistufigen Aufladung ist je ein steuerbarer Bypass um die Hochdruckturbine und den Hochdrucklader (s. Bild 2-29), bei der Pkw-Anwendung zusätzlich noch ein Waste-Gate an der ND-Turbine. Von Fahrzeugmotoren wird für ein hohes Beschleunigungsvermögen auch schon im unteren Motordrehzahlbereich ein möglichst hoher Ladedruck benötigt, was mit einfacher Abgasturboaufladung (ohne Ladedruckregelung) nicht zu realisieren ist, weil der Abgasmassenstrom des Motors entsprechend niedrig ist. In dieser Betriebs phase werden bei geregelter zweistufiger Aufladung beide
Bild 2-29 Geregelte zweistufige Aufladung, Schaltschema (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 59 Bypassventile geschlossen gehalten. Dies bewirkt, dass der gesamte Abgasmassenstrom bzw. der gesamte Abgasenergiestrom auf die (kleinere) HD-Turbine geleitet wird, welche ähnlich einer eng gestellten VTG-Turbine dadurch sehr schnell dreht, so dass im HD-Lader der gewünschte hohe Ladedruck erzeugt wird. Für die nachgeschaltete ND-Turbine bleibt in dieser Motorbetriebsphase nur noch ein kleiner Rest nutzbarer Abgasenergie. Sie dreht entsprechend langsam, so dass der ND-Lader, der zwar den gesamten Luftmassenstrom durchsetzt, auch nur ein sehr kleines Druckverhältnis aufbaut. Wenn mit zunehmender Motordrehzahl und steigender Last der Abgasmassenstrom durch den Motor und der Abgasenergiestrom aus dem Motor anwachsen, werden die beiden Bypassventile immer weiter geöffnet, bis HD- und ND-Turbolader in einer Art Mischform aus Reihen- und Parallelschaltung arbeiten. Motoren, welche mit solch einem Aufladesystem ausgerüstet sind, zeigen ein enorm gutes Ansprechverhalten [2-14].
2.2.4.2
Miller-Verfahren
Voraussetzung für die Darstellung des Miller-Verfahrens [231] ist ein Viertaktmotor mit Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung, bei dem im Betrieb die Steuerzeit „Einlass schließt“ (Es) verstellt werden kann. Ziel ist, bei einem gewünschten Zylinderdruck zu Verdichtungsbeginn eine niedrigere Zylindertemperatur einzustellen, als sie über den gegebenen Ladeluftkühler im Normalfall erreichbar ist. Dazu ist der Turbolader so abzustimmen, dass er entsprechend dem früheren Schließen des Einlassventils (noch vor UT) und der danach fortgesetzten Expansion der Zylinderladung einen so stark erhöhten Ladedruck liefert, dass der für den Normalfall vorgesehene Verdichtungsanfangsdruck dennoch erreicht wird. Durch die gleichzeitig eintretende Expansionskühlung des Zylindergases sinkt dessen Temperatur im UT auf Werte unterhalb der Temperatur, die im Normalfall, also bei späterem „Einlass schließt“ (Es), herrschen würde. Bei aufgeladenen Ottomotoren lässt sich auf diese Weise die Klopfgrenze zu höheren Motorlasten verschieben. Durch die heute bei Ottomotoren, mit und ohne Auf ladung, schon angewandten Methoden „Frühes-EinlassSchließen“ (FES) oder „Spätes-Einlass-Schließen“ (SES) kann die Drosselklappe weitgehend „arbeitslos“ gemacht werden, was als Entdrosselung des Ottomotors bezeichnet wird. Beim Dieselmotor kann die über das Miller-Verfahren bei gleichem Zylinderdruck erreichbare größere Zylinderfüllung (gegenüber dem Normalverfahren) bei Verdichtungsbeginn entweder zur Leistungssteigerung oder zu einem Betrieb bei größerem Verbrennungsluftverhältnis führen.
Wegen des dabei auch geringeren Zylinderdruckniveaus kann diese auch zur Absenkung der NOx-Emission genutzt werden. Bei der Bewertung des Miller-Verfahrens in seiner reinen Form darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass der gegenüber dem Normalverfahren vom Lader zu erzeugende, höhere Ladedruck vom Motor mit einer erhöhten Ausschiebearbeit erkauft werden muss. Dies hat einen negativen Einzeleinfluss hinsichtlich des Motorwirkungsgrades zur Folge. Das Miller-Verfahren könnte auch die Möglichkeit der Ladedrucksteuerung bei einem Fixgeometrie-Turbolader eröffnen. Dazu ist der Turbolader, insbesondere hinsichtlich seiner Turbine, so an den Motor anzupassen (turbocharger matching), dass er schon im unteren Motordrehzahl-Bereich den für den gewünschten Volllastverlauf erforderlichen Ladedruck bringt, wobei der Motor hier mit normalem „Es“ (nach UT) betrieben wird. Damit bei dieser TurboladerAuslegung im oberen Motordrehzahl-Bereich und damit hohen Durchsätzen der Ladedruck und in der Folge das Zylinderdruck-Niveau nicht zu hoch werden, wird das Einlassventil entsprechend früher (vor UT) geschlossen, mit dem positiven Zusatzeffekt der zylinderinternen Expan sionskühlung.
2.2.4.3
Elektrisch unterstützte Aufladung
Um bei abgasturboaufgeladenen Fahrzeugmotoren den für ein besseres Beschleunigungsverhalten erforderlichen schnelleren Ladedruckaufbau zu erzielen, als ihn der Turbolader alleine zu erbringen vermag, kann auch kurzzeitig elektrische Energie aus dem Bordnetz des Fahrzeugs genutzt werden. Dieses ist bislang über zwei Wege prototypisch realisiert worden, nämlich über eBooster und elektrisch unterstützte Abgasturbolader (euATL).
eBooster Zum Verdichter des Abgasturboladers wird ein elektrisch angetriebener Strömungslader (Radialverdichter) in Reihe geschaltet, meist vor dem Turboladerverdichter angeordnet. Dieser elektrisch angetriebene Zusatzverdichter wird allerdings nur zu Beginn einer Motorbeschleunigungsphase aktiviert. In der übrigen Zeit bleibt er elektrisch abgeschaltet und die Ansaugluft wird in einem Bypass um den Zusatzverdichter direkt dem Turbolader-Verdichter zugeführt (s. Bild 2-30). Die Grenzen für dieses Verfahren bestehen in der bei einem 12 V-Bordnetz maximal möglichen Antriebsleistung sowie in der bei gegebener Batteriekapazität je Beschleunigungsvorgang maximal entnehmbaren elektrischen Energie.
60
2 Ladungswechsel und Aufladung
Bild 2-30 Abgasturboaufladung mit eBooster, nach [2-28] (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)
euATL Ein Ladedruckdefizit im unteren Motordrehzahlbereich kann auch dadurch verringert werden, dass der Turboladerrotor über einen elektrischen Fremdantrieb auf eine höhere Drehzahl gebracht wird, als es allein über den momentanen Abgasenergiestrom vom Motor möglich ist. Dazu wird der Läufer der elektrischen Maschine zusätzlich zum jeweiligen Laufrad von Verdichter und Turbine in den Turboladerrotor integriert (s. Bild 2-31). Dieses Verfahren ist aber erst möglich geworden, seit Elektromotoren verfügbar sind, deren Drehzahlbereich in denjenigen von Fahrzeugmotoren-Turboladern hineinreicht, also mindestens bis 100 000 min–1. Für den euATL gelten die gleichen, durch das elektrische Bordnetz gegebenen Leistungsobergrenzen wie für den eBooster. Der euATL weist aber einen entscheidenden Nachteil gegenüber dem eBooster dadurch auf, dass er das Massenträgheitsmoment des Turboladerrotors vergrößert. Könnte nämlich in einer bestimmten Betriebssituation des Motors der Basis-Turbolader (ohne elektrische Maschine auf dem Rotor) allein über den Abgasenergiestrom gerade noch zufrieden stellend beschleunigt werden, so könnte er es (ohne elektrische Unterstützung) nicht mehr, wenn zusätzlich der Läufer der elektrischen Maschine auf dem Rotor vorhanden wäre (s. Einfluss von 4 in Gl. (2-34)).
Bild 2-31 Elektrisch unterstützter Abgasturbolader (euATL) (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)
2.2 Aufladung von Dieselmotoren Die in den Turboladerrotor integrierte elektrische Maschine ließe sich dann aber auch als Generator nutzen, wenn es darum gehen soll, einen etwaigen Abgasenergieüberschuss, der aufladetechnisch nicht benötigt wird, in elektrische Energie zu wandeln und diese ins Bordnetz zurückzuspeisen (s. Abschn. 2.2.4.4 und [2-15]).
2.2.4.4
Turbocompounding
Man spricht von Verbundverfahren oder Turbocompounding, wenn ein Verbrennungsmotor mit einer oder mehreren Gasturbinen zusammenarbeitet und dabei nicht nur vom Motor, sondern auch von mindestens einer der Turbinen Nutzleistung abgenommen wird. Von den in Bild 2-32 dargestellten Schaltungsarten [2-16] haben inzwischen die Variante 4 für Großdieselmotoren und die Variante 1 für Nutzfahrzeugdieselmotoren praktische Bedeutung erlangt. In beiden Fällen bildet der abgasturboaufgeladene Motor die Ausgangsversion. Dass diese seit Jahrzehnten bekannten Verfahren [2-5], [2-17] erst seit einigen Jahren Eingang in die Praxis gefunden haben, hängt einmal mehr mit den in den vergangenen Jahren enorm gesteigerten Turboladerwir-
Bild 2-32 Schaltungsarten für Verbundbetrieb [2-16]
61
kungsgraden zusammen, eine unbedingte Voraussetzung des Turbocompoundings. Nach [2-16] lässt sich bei einem Nutzfahrzeugmotor durch eine nachgeschaltete Nutzturbine (Variante 1 in Bild 2-32) mit festem Übersetzungsverhältnis eine Kraftstoffverbrauchseinsparung bis zu 5% erreichen. Gleichzeitig vergrößern sich zu niedriger Last und Drehzahl hin der Ladedruck und damit das Luftverhältnis gegenüber dem Basismotor. Da der Motor bei kleiner Drehzahl und Volllast an sich bei einem relativ kleinen Luftverhältnis arbeitet, ist dies eine positive Nebenwirkung des Turbocompoundings. Unterhalb von 5 bar mittleren effektiven Drucks erhöht sich allerdings infolge der Nutzturbine der spezifische Kraftstoffverbrauch, weil diese – verstärkt durch das feste Übersetzungsverhältnis – weitab von ihrem Auslegungspunkt läuft und ihr Wirkungsgrad entsprechend niedrig liegt. Streckenverbrauchsrechnungen von [2-16] haben allerdings gezeigt, dass die über ein Abschalten der Nutzturbine im unteren Lastbereich erreichbare Verbesserung den Aufwand nicht lohnt. Als ein weiterer positiver Effekt der nachgeschalteten Nutzturbine ergibt sich ein verbessertes Beschleunigungs-
62 2 Ladungswechsel und Aufladung verhalten infolge der engeren Turboladerturbine gegenüber der des Basismotors. Beim Turbocompounding mit Viertakt- wie ZweitaktGroßdieselmotoren (Bild 2-32, Variante 4) werden in der parallel geschalteten, entsprechend kleineren Nutzturbine bis zu 12,5% des Abgasstromes verarbeitet. (Wegen der Größenabhängigkeit des Turboladerwirkungsgrades ist Variante 4 indiskutabel für Nfz-Motoren.) Damit lässt sich bei stauaufgeladenen mittelschnelllaufenden Dieselmotoren eine zusätzliche Nutzleistung von ca. 4% bei Minderung des Verbrauchs um 4,5 g/kWh erzielen, die bei 40% Propellerleistung etwa noch 2,5 g/kWh beträgt [2-18]. Eine noch deutlichere Kraftstoffverbrauchseinsparung lässt sich erzielen, wenn im (Propeller-)Leistungsbereich kleiner 75% die Nutzturbine abgeschaltet wird, weil dann der gesamte vom Motor gelieferte Abgasenergiestrom der Turboladerturbine zugeführt und dementsprechend ein höherer Ladedruck aufgebaut wird, zumal die Turboladerturbine des Turbocompoundmotors generell enger ausgelegt sein muss als diejenige des Basismotors (ohne Turbocompounding). Unterhalb von 40% Motorleistung sollte die Nutzturbine grundsätzlich abgeschaltet bleiben. Vergleichbare Ergebnisse werden mit langsamlaufenden Zweitaktdieselmotoren erzielt [2-19]. Wesentliche Voraussetzung für eine nennenswerte Anhebung des Gesamtwirkungsgrades durch Turbocompounding ist ein hoher Turboladerwirkungsgrad. So können heute Turbolader von Großdieselmotoren Werte von mehr als 70% erreichen [220], [2-21].
2.2.4.5
Turbobrake
Unter Turbobrake ist nicht ein Aufladeverfahren im engeren Sinn zu verstehen, sondern eine zusätzliche Nutzung des VTG-Turboladers eines Nutzfahrzeug-Motors zur Erhöhung der Motorbremsleistung. Mercedes-Benz und Iveco haben als erste Nutzfahrzeug-Hersteller dieses System für schwere Nutzfahrzeuge in Serie gebracht [2-22]. Bevorzugt wird dieses Verfahren auf der Basis von Turboladern realisiert, deren Turbine über ein zweiflutiges Zuströmgehäuse verfügt. Über einen in Rotorachsrichtung verschiebbaren Schieber kann maximal eine der beiden Fluten am Eintritt zum Turbinenlaufrad verschlossen werden (s. Bild 2-27). Soll die Bremswirkung aktiviert werden – der Motor läuft dabei im Schiebebetrieb und ohne Verbrennung – wird über den Schieber eine der beiden Turbinenfluten verschlossen. Die nun engere Turbine bewirkt bei dem relativ hohen Massenstrom aus dem Motor eine hohe Turboladerdrehzahl und einen entsprechend hohen Ladedruck. Dieser fordert dem Motor beim Kompressionshub eine entsprechend hohe Verdichtungsleistung ab, die als
Bremsleistung wirkt. Bereits am Ende des Kompressionshubs wird nun das Auslassventil geöffnet, damit das verdichtete Zylindergas nicht in vollem Maß (positive) Expansionsarbeit an den Kolben abgeben und damit der Bremswirkung entgegenwirken kann. Es ergibt sich dadurch eine negative Hochdruckschleife im Indikatordiagramm des Motors. Mit einer Abblasevorrichtung vor der Turbine, also einem Waste-Gate, wird dafür gesorgt, dass der Motor weder beim Bremsen noch im gefeuerten Betrieb infolge zu hohen Ladedrucks überbeansprucht wird. Mit einer Turbobrake lassen sich Motor-Bremsleistungen realisieren, welche deutlich über der jeweiligen Motornennleistung liegen.
2.2.5
Druckwellenaufladung (COMPREX)
Der unter seiner eingetragenen Schutzmarke COMPREX bekannte Druckwellenlader nutzt – wie der Abgasturbolader auch – die vom Motor gelieferte Abgasenergie zur Ladedruck erzeugung, jedoch im Gegensatz zum Abgasturbolader durch direkte Energieübertragung vom Abgas auf die zu verdich tende Luft. Aufbauend auf Patenten von Burghard (1912) und Seippel (1940) und grundlegenden Arbeiten von Berchtold [2-23] wurde dieses vor allem für Fahrzeugdieselmotoren konzipierte und wegen seines Wirkprinzips faszinierende Aufladeaggregat in den sechziger und siebziger Jahren bei BBC (heute ABB) zur Serienreife entwickelt. Die besondere Stärke des Druckwellenladers besteht im prinzipbedingten Vermögen, eine vom Motor sprunghaft erhöhte Abgasenergierate verzögerungsfrei in einen erhöhten Ladedruck umzuwandeln, während beim Turbolader in diesem Fall zunächst die Massenträgheit des Turboladerlaufzeugs überwunden werden muss („Turboloch“). Diese Eigenschaft ließ den Druckwellenlader gerade für Fahrzeugmotoren und für Motoren, denen hohe Lastsprünge aufgeprägt werden, prädestiniert erscheinen [2-24]. Inzwischen konnten Turbolader bezüglich Beschleunigungsverhalten allerdings mit dem Comprex mindestens gleichziehen, bieten gegenüber diesem jedoch geringere Herstellkosten, geringeres Gewicht und größere Freiheit beim Anbau an den Motor, so dass derzeit der Comprex nicht mehr serienmäßig eingebaut wird.
2.2.6
Mechanische Aufladung
Wie unter Abschn. 2.2.2 ausgeführt, steht bei üblicher mechanischer Aufladung schon im unteren Drehzahlbereich ein relativ hoher Ladedruck an, wodurch sich im Vergleich zum Basissaugmotor das Volllastmoment etwa parallel zu höheren Werten verschiebt, Bild 2-33. Durch die Kopplung Ladedruck – Motordrehzahl erfolgt dies nicht nur im statio-
2.3 Programmierte Ladungswechselberechnung
63
Bild 2-33 Volllast-Drehmoment des aufgeladenen Fahrzeug-Dieselmotors
nären, sondern auch im dynamischen Betrieb (Beschleunigen). So sehr dieses Argument für die Anwendung der mechanischen Aufladung auch im Pkw-Dieselmotor spricht, so sehr spricht der gegenüber der Abgasturboaufladung höhere spezifische Kraftstoffverbrauch dagegen. Zur Minimierung dieses Nachteils ist unbedingt eine Ladedrucksteuerung vorzusehen, d.h. es ist dafür zu sorgen, dass der Lader jeweils nur so viel Ladedruck erzeugt und entsprechend Antriebsleistung aufnimmt, wie der Motor betriebspunktabhängig tatsächlich benötigt. Dieses ist außer über ein variables Übersetzungsverhältnis des Laderantriebs auch durch einen steuerbaren Bypass am Lader realisierbar. Über eine Magnetkupplung ließe sich erreichen, dass der Lader immer erst dann zugeschaltet wird, wenn das „Saugmotor-Luftangebot“ an den Motor ausgeschöpft ist. Eine sinnvolle Anwendung der mechanischen Aufladung für Dieselmotoren könnte in einem mechanisch angetriebenen Verdrängerlader bestehen, der im Luftpfad eines Nutzfahrzeugmotors vor dem Turboladerverdichter angeordnet jeweils nur in Beschleunigungsphasen über eine (magnetische) Kupplung zugeschaltet wird, was der zum eBooster geschilderten Wirkung (s. Abschn. 2.2.4.3) entspricht.
2.3
Programmierte Ladungswechselberechnung
Neben der Berechnung der zylinderinternen Zustandsänderungen bildet die Berechnung der Zustandsänderungen in den Ein- und Auslassleitungen, die sog. Ladungswechselrechnung, den Kern der Motorprozesssimulation (s. Abschn. 1.3). Abgesehen von Rechenverfahren, die von der stark vereinfachenden Annahme eines zeitlich und örtlich konstanten Gaszustandes in der Einlass- und Auslassleitung ausgehen, lassen sich die in Anwendung befindlichen Rechenprogramme in zwei Gruppen einteilen. Programme, die auf dem quasi-stationären Verfahren der Füll- und Entleermethode basieren, berechnen nur einen zeitlichen Verlauf der Zustandsänderungen in den Gaswechselleitungen und gelten daher auch als nulldimensionale Verfahren. Dazu wird z.B. die Abgasleitung eines abgasturboaufgeladenen Mehrzylindermotors als ein Behälter konstanten Volumens betrachtet, der entsprechend der Zündfolge der angeschlossenen Zylinder intermittierend mit Abgas gefüllt und über die Abgasturbine kontinuierlich entleert wird. Im Wesentlichen unter Ansatz der Glei-
64
2 Ladungswechsel und Aufladung
Bild 2-34 Rechnungs-Messungsvergleich zur Füllund Entleermethode für einen Mittelschnellläufer [2-27]
Bild 2-35 Quasistationäre und instationäre Ladungswechselrechnung im Vergleich zur Messung
65
Ladedruck in mbar, Motordrehzahl in min–1
2.3 Programmierte Ladungswechselberechnung
Bild 2-36 Pkw-Dieselmotor mit geregelter zweistufiger Aufladung, Ladedruck- und Drehzahlaufbau bei Volllastbeschleunigung von 0 auf 100 km/h, simuliert mit THEMOS®
chungen für die Massen- und Energiebilanz und der Gaszustandsgleichung für dieses Kontrollvolumen lassen sich für dieses die Verläufe von Druck und Temperatur und damit unter anderem auch das Abgasenergieangebot an der Turboladerturbine berechnen. Turbine und Verdichter des Turboladers gehen über ihre Kennfelder als Randbedingungen in die Berechnung ein. Dass sich damit durchaus realitätsnahe Ergebnisse erzielen lassen, bestätigt Bild 2-34 mit einem Rechnungs-Messungsvergleich. Die Grundvoraussetzungen der Füll- und Entleermethode sind umso weniger erfüllt, je höher das Drehzahlniveau und je länger und schlanker die Gaswechselleitungen des zu berechnenden Motors sind. Dann muss auch die Ortsabhängigkeit der Zustandsgrößen in den Gaswechselleitungen berücksichtigt werden, wozu ein entsprechend instationär arbeitendes Rechenverfahren, wie das Charakteristikenverfahren, heranzuziehen ist. Die Strömung in den Gaswechselleitungen wird dabei als eindimensionale instationäre Rohrströmung behandelt [2-25], [2-26]. In [2-27] werden die quasistationäre Füll- und Entleermethode und das Charakteristikenverfahren in der Anwen-
dung auf unterschiedliche Viertaktdieselmotoren miteinander verglichen, Bild 2-35: Der für einen schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotor mit symmetrischer Zweierstoßaufladung stark gasdynamisch geprägte Abgasdruckverlauf kann vom Charakteristikenverfahren ziemlich gut, von der Füll- und Entleermethode jedoch nur noch in der groben Tendenz nachgebildet werden. Die Motorprozesssimulation ist seit ihren Anfängen in den sechziger Jahren zeitgleich mit der rasanten Entwicklung der Rechnertechnik zu einem unverzichtbaren Werkzeug der Motorentwicklung geworden. Sie kann zusätzlich zu den Berechnungen der Zustandsänderungen in den Zylindern und in den Gaswechselleitungen auch die Modellierung des angetriebenen Fahrzeugs (Fahrzeuglängsdynamik) sowie des Fahrers mit einschließen. Damit lassen sich beispielsweise Betriebsstrategien für einen Fahrzeugmotor mit geregelter zweistufiger Aufladung für den Einsatz in einem ganz bestimmten Fahrzeugtyp entwickeln [2-29]. Bild 2-36 zeigt dazu für einen zweistufig aufgeladenen Pkw-Dieselmotor die Verläufe von Motordrehzahl und Ladedruck bei Volllastbeschleunigung von 0 auf 100 km/h. Besonders am Drehzahl-
66 2 Ladungswechsel und Aufladung verlauf sind die Zeitpunkte des jeweiligen Gangwechsels zu erkennen, der mit einem steilen Drehzahlabfall einhergeht. Die inzwischen erlangte Echtzeitfähigkeit der Motorprozesssimulation [2-30] erlaubt unter anderem ihre HIL(=Hardware in the loop)-Anwendung.
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Tagungsband der 9. Aufladetechnischen Konferenz Dresden 2004, S. 211–228 2-15 Hopmann, U.: Ein elektrisches Turbocompound Konzept für NFZ Dieselmotoren. Tagungsband der 9. Aufladetechnischen Konferenz Dresden 2004, S. 77–87 2-16 Woschni, G.; Bergbauer, F.: Verbesserung von Kraftstoffverbrauch und Betriebsverhalten von Verbrennungsmotoren durch Turbocompounding. MTZ 51 (1990) 3, S. 108–116 2-17 Khanna,Y.K.: Untersuchung der Verbund- und Treibgasanlagen mit hochaufgeladenen Viertaktdieselmotoren. MTZ 21 (1960) 1, S. 8–16 u. 3, S. 73–80 2-18 Pucher, H.: Analyse und Grenzen der Kraftstoffverbrauchsverbesserung bei Schiffsdieselmotoren im Turbocompoundbetrieb. Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft Bd. 82. Berlin/Heidelberg/New York/London: Springer 1988 2-19 Meier, E.: Turbocharging Large Diesel Engines – State of the Art and Future Trends. Broschüre der ABB Turbo Systems Ltd. Baden (Schweiz) 1994 2-20 Appel, M.: MAN B&W Abgasturbolader und Nutzturbinen mit hohen Wirkungsgraden. MTZ 50 (1989) 11, S. 510–517 2-21 Nissen, M.; Rupp, M.; Widenhorn, M.: Energienutzung von Dieselabgasen zur Erzeugung elektrischer Bordnetzenergie mit einer Nutzturbinen-GeneratorEinheit. HANSA Schiffahrt – Schiffbau – Hafen 129 (1992) 11, S. 1282–1287 2-22 Flotho, A.; Zima, R.; Schmidt, E.: Moderne Motorbremssysteme für Nutzfahrzeuge. Tagungsband 8. Aachener Kolloquium 4.-06.10.1999, S. 321–336 2-23 Berchtold, M.: Druckwellenaufladung für kleine Fahrzeug-Dieselmotoren. Schweizerische Bauzeitung 79 (1961) 46, S. 801–809 2-24 BBC Brown Boveri, Baden (Schweiz): Erdbewegungsmaschinen mit Comprex-Druckwellenlader. Comprex bulletin 7 (1980) 1 2-25 Seifert, H.: 20 Jahre erfolgreiche Entwicklung des Programmsystems PROMO. MTZ 51 (1990) 11, S. 478– 488 2-26 N.N.: GT-Power – User’s Manual and Tutorial, GTSuite TM Version 6.1, Gamma Technologies Inc. Westmont IL 2004 2-27 Pucher, H.: Ein Rechenprogramm zum instationären Ladungswechsel von Dieselmotoren. MTZ 38 (1977) 7/8, S. 333–335 2-28 Münz, S.; Schier, M.; Schmalzl, H.-P.; Bertolini, T.: Der eBooster – Konzeption und Leistungsvermögen eines fortgeschrittenen elektrischen Aufladesystems. Firmenschrift der 3K-Warner Turbosystems GmbH (2002) 9
2 Literatur 67 2-29 Birkner, C.; Jung, C.; Nickel, J.; Offer, T.; Rüden, K.v.: Durchgängiger Einsatz der Simulation beim modellbasierten Entwicklungsprozess am Beispiel des Ladungswechselsystems: Von der Bauteilauslegung bis zur Kalibrierung der Regelalgorithmen. In: Pucher, H.; Kahrstedt, J. (Hrsg.): Motorprozesssimulation und Aufladung. Haus der Technik Fachbuch Bd. 54, Renningen: expert 2005, S. 202–220
2-30 Friedrich, I.; Pucher, H.: Echtzeit-DVA – Grundlage der Regelung künftiger Verbrennungsmotoren. Tagungsband der MTZ-Konferenz – Motor 2006. (1./2. Juni 2006, Stuttgart) Der Antrieb von morgen, Wiesbaden: Vieweg Verlag 2006, S. 215–224 2-31 Miller, R.; Liebherr, H.U.: The Miller Supercharging System for Diesel and Gas Engines Operating Condi tions. CIMAC-Kongress 1957 Zürich, S. 787–803
3
Die dieselmotorische Verbrennung
3.1
Gemischbildung und Verbrennung
3.1.1
Verfahrensmerkmale
Die im Kraftfahrzeug bevorzugt eingesetzten Antriebsmaschinen basieren auf Verbrennungskraftmaschinen. Bei diesen wird die in dem überwiegend aus Kohlenwasserstoffen bestehendem Kraftstoff gebundene chemische Energie durch Oxidation mit dem in der Verbrennungsluft befindlichen Sauerstoff in Wärme umgewandelt, diese wird wiederum an das Arbeitsmedium der Maschine übertragen. Der Druck im Arbeitsmedium steigt an und kann unter Ausnutzung der Expansion in eine Kolbenbewegung und damit in mechanische Arbeit umgewandelt werden. Da das auch als Arbeitsgas bezeichnete Arbeitsmedium nach der Expansion ausgetauscht wird und die Verbrennung innerhalb des Arbeitsraumes der Verbrennungskraftmaschine stattfindet, spricht man von einer „offenen Prozessführung mit innerer Verbrennung“ [3-1]. Dies gilt sowohl für den Ottomotor als auch für den Dieselmotor. Im Gegensatz hierzu beschreibt man z. B. den Stirlingmotor als eine Maschine mit einer geschlossenen Prozessführung und äußeren Verbrennung. Beim konventionellen Ottomotor wird das Kraftstoff/ Luft-Gemisch im Saugrohr gebildet. Während des Ansaugund Kompressionstaktes bildet sich ein überwiegend homogenes Gemisch, das durch eine Zündkerze entflammt wird. Dieses Brennverfahren ist also gekennzeichnet durch „äußere Gemischbildung“, homogenes Gemisch und Fremdzündung. Die Energiefreisetzung erfolgt, beginnend an der Zündkerze, mit der Ausbreitung der Flamme und ist deshalb proportional zur Oberfläche der Flammfront. Die Flammgeschwindigkeit hängt vom Kraftstoff, der Gemischtemperatur und dem Luft/Kraftstoffverhältnis ab. Die Brenngeschwindigkeit wird zusätzlich von der Oberfläche der Flammfont beeinflusst. Diese nimmt infolge der durch Turbulenzen im Gemisch bedingten „Flammfaltung“ mit der Drehzahl des Motors zu. Wesentlicher Einflussfaktor auf die
Flammfaltung sind Strömungen des Gemisches, die durch den Einlassvorgang und die Kompression, aber auch durch die Verbrennung selbst, verursacht werden. Um Selbst- oder Frühzündung zu vermeiden, muss der Kraftstoff zündunwillig (klopffest) sein und das Verdichtungsverhältnis wird durch „klopfende“ Verbrennung oder Frühzündung begrenzt. Bei klopfender Verbrennung werden im gesamten, von der Flamme noch nicht erreichten Gemisch, dem sog. „Endgas“, die Zündbedingungen erreicht. Das hoch komprimierte und deshalb energiereiche Gemisch verbrennt ohne kontrollierte Flammausbreitung nahezu zeitgleich. Dies führt zu steilen Druckgradienten mit den charakteristischen Druckschwingungen und bedingt lokal eine sehr hohe thermische und mechanische Belastung der Bauteile. Längerer Betrieb bei klopfender Verbrennung führt zum Totalausfall des Motors und muss deshalb unbedingt vermieden werden. Begrenzte Verdichtung, erforderliches Lastregelverfahren (Quantitäts- oder Drosselregelung) sowie begrenzte Aufladefähigkeit beeinträchtigen den Wirkungsgrad des Prozesses mit äußerer Gemischbildung und Fremdzündung. Da aber im Brennraum aufgrund des homogenen Betriebes bei λ = 1 keine Bereiche mit fettem Gemisch auftreten, hat dieses Verfahren keine kraftstoffbedingte Rußemission. Moderne Ottomotoren arbeiten auch mit direkter Kraftstoffeinspritzung und können, je nach Einspritzzeitpunkt, ein homogenes oder inhomogenes Gemisch bilden. In diesen Fällen spricht man von „innerer Gemischbildung“, wie sie beim Dieselmotor Anwendung findet. Beim Dieselmotor wird kein Gemisch, sondern Luft verdichtet. Der Kraftstoff wird kurz vor dem oberen Totpunkt in diese hoch verdichtete und damit heiße Verbrennungsluft eingespritzt. Die Gemischbildung läuft also in extrem kurzer Zeit im Brennraum des Motors ab und die Zündung erfolgt, ohne fremde Zündquelle, ausschließlich durch Übertragung der Wärme von der komprimierten Luft an den Kraftstoff. Der Dieselmotor ist deshalb ein Motor mit „innerer Gemischbildung“ und „Selbstzündung“. Zur Sicherstellung der Zündeinleitung müssen zündwillige Kraftstoffe verwen-
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 69 det und die erforderlichen Temperaturen garantiert werden. Letzteres erfolgt durch eine hohe Verdichtung (Verdichtungsverhältnis 12 0 vor. Eine völlige Luftausnutzung ist bei heterogener Gemischbildung nahezu unmöglich. Die Zeit für die Herstellung eines homogenen Gemisches und für eine vollständige Oxidation ist hierfür viel zu kurz. Dieselmotoren arbeiten deshalb auch bei Volllast mit Luftüberschuss von 5 bis 15 %. Langsam laufende Großdieselmotoren müssen aus Gründen der thermischen Bauteilbelas tung mit noch größerem Luftüberschuss betrieben werden. Dies hat Auswirkungen auf evtl. erforderliche Abgasnachbehandlungssysteme. Da im Abgas stets eine „oxidierende“ Atmosphäre vorliegt, kann der beim Ottomotor homogen, bei λ = 1,0 betriebene, erfolgreiche TWC (Three Way Catalyst) nicht eingesetzt werden. Der Luft/Kraftstoff-Gradient ist neben den Unterschieden in der Gemischqualität auch für lokale Temperaturunterschiede im Brennraum verantwortlich. Die höchsten Temperaturen treten außerhalb des Kraftstoffstrahles in Bereichen ∞ > λ, die niedrigsten im Strahlkern λ ≈ 0 auf. Wie Bild 3-1 zeigt, entstehen in Bereichen mit Luftüberschuss und hohen Temperaturen Stickstoffoxide. In der mageren Flammaußenzone sind die Verbrennungstemperaturen so niedrig, dass keine vollständige Oxidation des
Bild 3-1 Entstehungsbereiche der Schadstoffe im Brennraum bei hetero‑ genem Gemisch
70
3 Die dieselmotorische Verbrennung
Kraftstoffes stattfinden kann. Hier ist die Quelle für unverbrannte Kohlenwasserstoffe. In Luftmangelbereichen im Strahlkern werden Rußpartikel, und als deren Vorläufer Kohlenmonoxid, gebildet. Da sich beim heterogenen Gemisch die Rußbildung infolge fetter Gemischbereiche nicht vermeiden lässt, zielen moderne Dieselverfahren auf die innermotorische Partikeloxidation. Diese kann durch Erhaltung bzw. Erzeugung hoher Turbulenz während des Expansionstaktes wesentlich verbessert werden. Bei modernen Dieselverfahren werden deshalb bis zu 95% der entstandenen Partikel innermotorisch wieder verbrannt. Die innere Gemischbildung, verbunden mit der hohen Verdichtung und dem Lastregelverfahren (Qualitätsregelung), sind Grundlage für den sehr guten Gesamtwirkungsgrad des Dieselmotors.
3.1.2
Gemischbildung
Haupteinflussgrößen Neben der durch die Brennraumauslegung und die Einlasskanalgestaltung formbaren Luftbewegung im Brennraum (squish oder Quetschströmung und Luftdrall), wird die Gemischbildung bei direkter Einbringung wesentlich von der Einspritzung dominiert. Das Einspritzsystem hat dabei die folgenden Aufgaben zu erfüllen: Erzeugung des erforderlichen Einspritzdruckes, Darstellung der Kraftstoffdosierung [3-2], Sicherstellung der Strahlausbreitung, Garantie eines schnellen Strahlzerfalles, der Tropfenbildung sowie der Vermischung des Kraftstoffes mit der Verbrennungsluft, siehe auch Kapitel 5.
nung ergibt allerdings sehr hohe Füllungsverluste, führt zu einem überproportionalen Drallanstieg über der Motordrehzahl und ist extrem kritisch gegenüber Fertigungstoleranzen. Diesbezüglich besser geeignet sind Spiralkanäle, bei denen die Luft bereits im Kanal in eine Spiralbewegung versetzt wird (Bild 3-2). Dadurch ist eine nahezu lineare Steigerung des Drallniveaus über der Motordrehzahl und damit ein konstantes Verhältnis Dralldrehzahl / Motordrehzahl (nDrall /nMot) möglich sowie ein guter Kompromiss zwischen erforderlichem Drallniveau und akzeptablem Liefergradverlust darstellbar. Durch eine einseitige Anfasung des Ventilsitzringes kann der Luftaustritt in Drallrichtung begünstigt und eine Drallanhebung im unteren Ventilhubbereich erzielt werden. Diese Maßnahme kann in Kombination mit den Ventilsteuerzeiten auch geschickt zu einer Drallabsenkung über der Motordrehzahl genutzt werden. Schirmventile – eine weitere Methode zur Drallerzeugung – müssen fixiert eingebaut werden und sind somit aus Verschleißgründen keine serientaugliche Methode zu Drallerzeugung, eignen sich aber bestens für grundsätzliche Untersuchungen. Da ein mittels der Kanalgeometrie erzeugter Luftdrall mit steigender Motordrehzahl schneller dreht, werden auch die pro Grad Kurbelwinkel überwehten Luftsegmente größer. Dieser selbst regelnde Effekt, der mit der Drehzahl die Gemischbildung schneller macht, kann allerdings nur dann genutzt werden, wenn sich auch die Spritzdauer in gleicher
Luftdrall Der Luftdrall ist eine im Wesentlichen um die Zylinderachse „rotierende Festkörperströmung“, deren Drehgeschwindigkeit durch die Einlasskanalauslegung geformt werden kann und die aufgrund der zunehmenden Kolbengeschwindigkeit mit der Motordrehzahl ansteigt. Eine wesentliche Aufgabe des Luftdralls ist es, den kompakten Kraftstoffstrahl aufzureißen und die zwischen den Kraftstoffstrahlen liegenden Luftsektoren mit dem Kraftstoff zu vermischen. Damit wird schon deutlich, dass der Drallbedarf mit zunehmender Düsenlochzahl abnimmt. Dies ist von Vorteil, weil ansteigendes Drallniveau zu erhöhten Wandwärmeverlusten führt und die Drallerzeugung mit Füllungsverlusten erkauft werden muss. Füllungsverluste können zwar durch die Aufladung kompensiert werden, die negativen Auswirkungen der Drallerzeugung auf den Gaswechselwirkungsgrad und damit auf den Kraftstoffverbrauch bleiben allerdings bestehen. Recht einfach kann der Drall durch tangentiales Einströmen der Luft in den Zylinder erzeugt werden. Diese Anord-
Bild 3-2 Drallgestaltung mittels eines als Spiralkanal ausgeführten Einlasskanals
3.1 Gemischbildung und Verbrennung Weise verhält. Ist die in ° KW definierte Spritzdauer (z. B. bei Volllast) über der Drehzahl konstant, ist eine optimale Abstimmung von Drall und Spritzdauer im gesamten Drehzahlbereich des Motors möglich. Nimmt allerdings die Spritzdauer (in ° KW) über der Drehzahl zu, ist der Drall im unteren Drehzahlbereich zu niedrig und die Luftausnutzung unbefriedigend oder er ist im oberen Drehzahlbereich zu hoch und es kommt zu Überwehungen der einzelnen Strahlbereiche. Beides reduziert den erreichbaren Mitteldruck und führt zu erhöhten Emissionen. Bei allen Einspritzsystemen, die mit konstantem Düsenlochdurchmesser arbeiten – und das sind heute alle serienmäßigen Systeme – tritt dieses Problem auf. Ein hohes Drehzahlverhältnis (nmax/nmin) und/oder ein großes Mengenverhältnis Volllastmenge zu Leerlaufmenge erschweren die Motorauslegung. Mit einem im Kennfeld variablen Einspritzdruck oder durch Einsatz sog. Registerdüsen versucht man diese Problematik zu lösen. Obwohl die Drehzahl des Dralles über der Motordrehzahl genau das Richtige tut und zumindest beim Spiralkanal das Drehzahlverhältnis Drall/Motor konstant ist, versucht man mangels geeigneter Ansatzpunkte beim Einspritzsystem, den Drall zu verstimmen und auf das „Fehlverhalten“ des Einspritzsystems anzupassen. Bei Motoren mit zwei oder mehr Einlassventilen kann durch Abschalten eines Einlass-
71
ventils (Einlasskanalabschaltung EKAS) im unteren Drehzahlbereich der Drall angehoben und damit auf die in diesem Bereich üblicherweise kurze Spritzdauer angepasst werden. Eine stufenlose Klappenverstellung erlaubt sogar das Drallniveau in Abhängigkeit vom Öffnungswinkel für jeden Kennfeldpunkt anzupassen (Bild 3-3). Optimal ist dies allerdings nicht, weil die Gemischbildung im unteren Drehzahlbereich beschleunigt und im oberen Drehzahlbereich des Motors verlangsamt wird. Flexible Einspritzsysteme können dem Zielkonflikt Drall/ Spritzdauer auch nur begrenzt über eine Anpassung des Einspritzdruckes begegnen. Diese Maßnahme würde eine Absenkung des Druckes im unteren Drehzahlbereich bedingen. Die optimale Lösung wäre eine Düse mit variablem, mit der Drehzahl ansteigendem Durchflussquerschnitt.
Quetschströmung Während des Kompressionshubes wird die Luft zunehmend in die Kolbenmulde gequetscht wodurch der Luftdrall erhöht wird. Je kleiner die Kolbenmulde desto höher wird der Drall. Der beschriebene, durch die Einlassströmung in den Zylinder bzw. in die Brennraummulde erzeugte Luftdrall wird mit Annäherung des Kolbens an den oberen Totpunkt zunehmend von einer Quetschströmung überlagert. Diese entsteht dadurch, dass die zwischen Kolbenboden und Zylinderkopf befindliche Luft in die Kolbenmulde verdrängt wird (Bild 3-4). Diese Quetschströmung wirkt der Ausbreitung des Kraftstoffstrahles entgegen und unterstützt somit den für die Gemischbildung wichtigen Impulsaustausch zwischen Brennraumluft und Einspritzstrahl. Mit Beginn des Expansionstaktes dreht sich die Strömungsrichtung um. Durch entsprechende Gestaltung der Muldengeometrie, insbesondere des Muldenrandes, lässt sich eine hochturbulente Strömung im Kolbenspalt erzeugen, welche die Gemischbildung unterstützt und die Verbrennung beschleunigt.
Kinetische Energie des Kraftstoffstrahls
Bild 3-3 Drallniveau als Funktion der Stellung der Einlasskanalklappe [3-3]
Der dominierende Parameter bei der Gemischbildung ist die kinetische Energie des Kraftstoffstrahles. Sie hängt neben der Kraftstoffmasse im Einspritzstrahl auch vom Druckgefälle an der Einspritzdüse ab und bestimmt zusammen mit dem Strahlkegelwinkel den Impulsaustausch zwischen Brennraumluft und Kraftstoffstrahl sowie das Größenspektrum der Tröpfchendurchmesser. Der Strahlkegelwinkel hängt vor allem von der Düseninnenströmung und damit von der Düsengestaltung und dem anliegenden Druck, aber auch von
72
3 Die dieselmotorische Verbrennung
Bild 3-4 Überlagerte Strömungsvorgänge im Brennraum eines Motors beeinflussen die Ausbreitung des Kraftstoffstrahles und die Gemischbildung
der Luftdichte ab. Mit zunehmender Kavitation im Spritzloch wird der Strahlkegelwinkel größer und der Impulsaustausch mit der Luft wird intensiviert. Die Strahlenergie ist bei Nocken getriebenen Einspritzsystemen durch die Förderrate der Einspritzpumpe und die Durchflussquerschnitte an der Einspritzdüse beeinflussbar. Bei Speichereinspritzsystemen ist der Raildruck die entscheidende Größe. Durch den Einspritzstrahl wird der Kraftstoff in die äußeren Bereiche des Brennraumes transportiert. Dies ist eine bei der hoch verdichteten, heißen und damit hochviskosen Luft nicht zu unterschätzende Aufgabe. Dabei kommt dem Druckverlauf am Spritzloch entscheidende Bedeutung zu. Ansteigender oder zumindest konstanter Druck über der Einspritzdauer ist von Vorteil [3-4]. Ein während der Einspritzung abfallender Druck ermöglicht keine Interaktion der einzelnen Kraftstoffbereiche im Strahl und ist deshalb möglichst zu vermeiden. Die Erfassung der äußeren Brennraumbereiche ist Voraussetzung für eine gute Nutzung der Brennraumluft und somit für eine hohe Leistungsdichte des Motors. Bei begrenztem Einspritzdruck gelingt dies nur durch eine gleichzeitige Begrenzung der Düsenlochzahl und damit einer hohen Kraftstoffmasse im Strahl. Mit steigendem Einspritzdruck kann die Anzahl der Einspritzstrahlen erhöht und damit die Kraftstoffverteilung im Brennraum verbessert werden, ohne dass die Strahlausbreitung beeinträchtigt wird. Dies wird durch den Zusammenhang von Strahleindringtiefe, dem Einspritzdruck bzw. dem Druckgefälle am Düsenaustritt und Lochdurchmesser deutlich. Danach ist die Strahleindringtiefe eine Funktion des am Spritzloch anliegenden Druckes, des Durchmessers eines Spritzloches, der Kraftstoffdichte, des Reziprokwertes der Luftdichte und der Zeit nach Spritzbeginn [3-5]. Vorausge-
setzt bei ungefähr gleicher Spritzdauer wird mit zunehmender Düsenlochzahl der Durchmesser des einzelnen Loches und damit die Kraftstoffmasse im einzelnen Strahl verringert. Der für die Strahlausbreitung maßgebende Strahlimpuls muss also durch eine entsprechende Erhöhung des Druckes wieder ausgeglichen werden. Mit steigendem Einspritzdruck wird zudem der Lufteintritt in den Strahl (air entrainment) verstärkt und damit das lokale O im Strahl erhöht. Nach Wakuri [3-5] wird das lokale Luft/Kraftstoffverhältnis allein schon durch die größere Strahleindringtiefe mit steigendem Einspritzdruck erhöht. Die Bedeutung von Drall und Quetschströmung nimmt mit zunehmendem Einspritzdruck ab. Moderne Nfz-Brennverfahren arbeiten bei Einspritzdrücken von über 2000 bar in Verbindung mit 8- bis 10-Lochdüsen und sind nahezu drall- und sqishfrei. Bei den höher drehenden Pkw-Motoren nutzt man die sehr stabile Drallströmung zur Rußoxidation während der Expansionsphase. Ferner bedingt hier die größere Drehzahlspanne eine relativ tiefe und damit enge Mulde, was zwangsläufig eine Quetschströmung ergibt.
Strahlzerfall Bei direkter Einspritzung müssen Verdampfung und Gemischbildung in wenigen Millisekunden abgeschlossen sein. Dazu ist es erforderlich, dass der kompakte Strahl sehr schnell zerfällt und sich viele kleine Tropfen mit einer großen Oberfläche bilden. Zwei Mechanismen sorgen für diesen raschen Zerfall des Kraftstoffstrahles und die Schaffung einer großen Kraftstoffoberfläche: der durch turbulente Strömungen und Kavitation in der Düse bedingte „Primärzerfall“ im Düsennahbereich sowie der „Sekundärzerfall“ infolge aerodynamischer Kräfte im Fernfeld der Düse.
Primärzerfall Der Primärzerfall von einem in hoch verdichtete, hochviskose Brennraumluft eingespritzten Kraftstoffstrahl wird durch die Umverteilung des Geschwindigkeitsprofils im Inneren des Strahles (Interaktion unterschiedlicher Segmente im Strahl), die Oberflächenspannung, die aerodynamischen Kräfte (Impulsaustausch zwischen bewegtem Strahl und „ruhender“ Luft), die Turbulenz (maßgeblich durch den Strahlimpuls induziert) und die Kavitation beeinflusst [3-6]. Kavitation entsteht durch die Bewegung des turbulent in der Düse strömenden Kraftstoffes, wobei starke Umlenkungen, beeinflussbar durch das Radienverhältnis der Düsenrundungen zum Lochradius, die hydrodynamischen Einströmeffekte sowie Lochform und Lochkonizität eine wichtige Rolle spielen. Mit Kenntnis sowohl der Geschwindigkeits- und Turbulenzgrö-
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 73
Bild 3-5 Strahlzerfall und Strahlaufbruch in Düsennähe [3‑7]
ßen als auch des Volumenanteils von Dampf und Gas lassen sich Größe und Anzahl der Kavitationsblasen ermitteln. Kavitationsblasen im Spritzloch der Düse beeinflussen sowohl den Strahlzerfall, die Strahlausbreitung und die Tropfenbildung wie auch die Belagsbildung im Loch und die Haltbarkeit der Düse. Die Aufbrechphänomene des Einspritzstrahles in Düsennähe sind in Bild 3-5 dargestellt. Kraftstofftemperatur und -zusammensetzung bestimmen die Eigenschaft Flüchtigkeit und spielen eine zentrale Rolle beim Strahlzerfall, da die Bildung von Kavitationskeimen durch Ausgasen der im Kraftstoff gelösten Gase infolge lokaler Unterschreitung des Sättigungsdampfdruckes beeinflusst wird [3-7]. Im Nahbereich der Düse beobachtet man zunächst einen kompakten, flüssigen Strahlkern. Bereits in einer Entfernung des 5- bis 10-fachen des Düsenlochdurchmessers vom Düsenaustritt ist er jedoch einem starken Zerfall durch Luftund Kraftstoffdampfblasen unterworfen. Tropfengröße und Tropfenverteilung werden durch das Verhältnis der aerodynamischen Kräfte zu den Oberflächenkräften, also durch die Weberzahl beschrieben. Dabei bedeuten ρK die Kraftstoffdichte, νinj die Strahlgeschwindigkeit am Düsenloch, d Düsenlochdurchmesser und σ die Oberflächenspannung. Die Weberzahl kennzeichnet das Verhältnis der pro Zeiteinheit aus dem Düsenloch austretenden kinetischen Energie der kontinuierli-
chen Strahlsäule und der pro Zeiteinheit gebildeten Energie der freien Oberfläche.
Sekundärzerfall Durch den Sekundärzerfall erfolgt die eigentliche „Atomisierung“ des Einspritzstrahles aus den groben Ligamenten über Zerwellung in mittelfeine Tropfen sowie Zerstäubung zu mik rofeinen Tröpfchen. Das Entstehen letzterer ist zur schnellen Aufheizung und Verdampfung – und damit zur Verkürzung des physikalischen Zündverzuges – erforderlich. Bei der Sekundärzerstäubung spielen die aerodynamischen Kräfte die entscheidende Rolle. Einspritzdruck, Einspritzdruckverlauf, Strahlkegelwinkel und Luftdichte sind dabei wesentliche Einflussparameter. Beim Sekundärzerfall hat man zwei gleichzeitig ablaufende Effekte zu beachten: a) die Verformung der durch die Reibungskräfte abgebrems– ten Primärtropfen infolge der höheren Trägheit des Strahlkerns gegenüber dem Strahlrand und b) das Abscheren von Tröpfchen im μm‑Bereich infolge des an den Flanken zerwellenden Strahlrandes. Auch hier ist die oben definierte Kenngröße, die Weberzahl, eine charakteristische Größe, die mit der Dichte der den Strahl umgebenden Luft ermittelt wird. Ein über der Einspritzdauer ansteigender Druck am Düsenloch begünstigt den Impulsaustausch zwischen
74
3 Die dieselmotorische Verbrennung
Brennraumluft und Kraftstoffstrahl und ist deshalb für einen raschen Zerfall des Strahles förderlich. Mit steigendem Einspritzdruck gelangt nicht nur mehr Luft in den Strahl, sondern die Tropfendurchmesser werden auch kleiner. Der statistische mittlere Tropfendurchmesser d32 nach Sauter (Sauter Mean Diameter) ist eine Funktion der oben beschriebenen Weberzahl, der Reynoldszahl und des Düsenlochdurchmessers bzw. des Druckgefälles am Düsenaustritt 'p, der Kraftstoffdichte UK, der Luftdichte UL sowie der Kraftstoffviskosität νK.
Hülle der Tropfenoberfläche, dem Oberflächenfilm, Temperaturen erreicht, die zu einer merklichen Verdampfung führen. In der auf diese Weise entstehenden Diffusionsbzw. Reaktionszone ist das Luft/Kraftstoff-Gemisch zündfähig, sobald das Luftverhältnis O in einem Bereich zwischen 0,3 < O < 1,5 liegt (Bild 3-7).
3.1.3
Zündung und Zündverzug
Damit in dem so gebildeten heterogenen Gemisch aus Luft und flüssigen Kraftstofftröpfchen unterschiedlicher Größe und Verteilung chemische Reaktionen ablaufen können, muss der Kraftstoff in Dampfform vorliegen. Dem Wärmetransport der durch die Kompression erhitzten Luft zum flüssigen Kraftstoff kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Dieser Prozess wird wesentlich durch die kinetische Energie des Kraftstoffstrahles – und damit wiederum durch den Einspritzdruck – beeinflusst (Bild 3-6). Sowohl die Schaffung freier Tropfenoberflächen als auch Stofftransport und Wärmeübergang werden durch eine hohe Relativgeschwindigkeit zwischen Tropfen und Umgebung begünstigt. Je feiner die Zerstäubung der Tropfen und je höher die Relativgeschwindigkeit der dispersen Kraftstoffphase und der kontinuierlichen Phase der Brennraumladung ist, um so eher werden in der äußeren
Das Zündverhalten des in die komprimierte und deshalb heiße Brennraumluft eingespritzten Kraftstoffes hängt von der Reaktionsgeschwindigkeit zur Bildung von Zündradikalen infolge thermischer Anregung der Moleküle ab. Die Selbstzündungsbedingungen werden sowohl durch die thermodynamischen Zustände im Brennraum, also Druck und lokale Temperaturen, als auch durch die lokale Dampfkonzentration, die abhängig von den zuvor beschriebenen Aufheizungs- und Diffusionsprozessen im Anschluss an den Sekundärzerfall ist, bestimmt. Eine wichtige Rolle spielt natürlich der Kraftstoff selbst. Mit der Cetanzahl CZ wird die Zündwilligkeit desselben beschrieben. Dem sehr zündwilligen n-Hexadekan (Cetan) wird dabei die Kennzahl 100, dem zündträgen Methylnaphthalin die Kennzahl 0 zugeordnet. Je höher die Cetanzahl, umso zündwilliger verhält sich der Kraftstoff. Zur Einhaltung der sehr strengen Abgas- und Geräuschvorschriften sind Cetanzahlen CZ > 50 wünschenswert (s. Kap. 4). Hinsichtlich des Wirkungsgrades, der Schadstoffemission, des Verbrennungsgeräusches und der Bauteilbelastung kommt dem zeitlichen Abstand zwischen Einspritzbeginn und Zündbeginn entscheidende Bedeutung zu. Der Zeitraum zwischen diesen beiden Ereignissen, üblicherwei-
Bild 3-6 Aufbereitung eines Kraftstofftropfens bei niedriger (links) und hoher (rechts) Anströmgeschwindigkeit
Bild 3-7 Schematische Darstellung des Luft/Kraftstoff-Verhältnisses in Abhängigkeit von der Entfernung zum Kraftstofftropfen
Kraftstoffverdampfung
3.1 Gemischbildung und Verbrennung se aus Düsennadelhub und Brennraumdruckindizierung ermittelt, wird als Zündverzug bezeichnet und ist ein wesentliches Merkmal der dieselmotorischen Verbrennung (Bild 3-8). Beim Zündverzug wird zwischen einem physikalisch und einem chemisch bedingten Anteil unterschieden. Der physikalische Zündverzug umfasst die oben beschriebenen Vorgänge des primären und sekundären Strahlzerfalls, die Verdampfung des Kraftstoffes sowie die Abläufe zur Erzeugung eines reaktionsfähigen Luft/Kraftstoffgemisches. Der chemische Zündverzug beschreibt jene Zeitspanne, in der sich in einer Vorreaktion die Zündradikale (z. B. OH) bilden. Moderne, hoch aufgeladene Dieselmotoren, die mit Einspritzdrücken bis 2000 bar arbeiten, weisen Zündverzüge zwischen 0,3 und 0,8 Millisekunden auf. Bei Saugmotoren mit entsprechend niedrigeren Einspritzdrücken liegt er zwischen 1 und 1,5 Millisekunden. In die komplexe Berechnung des Zündverzuges gehen neben der Cetanzahl auch Größen ein, welche die Temperatur bei Spritzbeginn (Verdichtungsverhältnis, Ansauglufttemperatur, Einspritzeitpunkt) sowie den Zustand der Luft im Zylinder (Ladedruck, Luftdrall, Quetschströmung, Kolbengeschwindigkeit) beschreiben. Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche empirische Formeln zur Beschreibung des Zündverzuges entwickelt [3-8 bis 3-10]. Das erste Zünden des aufbereiteten Kraftstoffes ereignet sich üblicherweise am Strahlrand im Lee (niedriger Luftein-
75
trag) des Einspritzstrahles. In diesem Bereich der Diffusionszone treten deutlich geringere O-Gradienten, d. h. geringere Inhomogenitäten der Gemischzusammensetzung als auf der Luv-Seite oder an der Strahlspitze auf. Dadurch sind hier auch höhere Temperaturen als in Zonen mit hohem O-Gradienten möglich. Eine Zündung im Nahbereich der Einspritzdüse ist deshalb nicht möglich, weil hier, wie oben beschrieben, ein kompakter Kraftstoffstrahl vorherrscht.
3.1.4
Verbrennung und Brennverlauf
Ein wesentliches Merkmal des Dieselmotors besteht darin, dass die Verbrennung und damit die Energieumsetzung durch den Zeitpunkt und die Art der Kraftstoffeinbringung in den Brennraum (rate shaping) gesteuert werden kann. Dies wirkt sich vorteilhaft auf den Wirkungsgrad aus, ist aber auch für den Zielkonflikt zwischen Partikelemission (Particulate Matter PM) und Stickstoffoxid (NOX) einerseits sowie Kraftstoffverbrauch und NOX andererseits, verantwortlich. Der Brennverlauf kann um so mehr durch die Einspritzrate geformt werden, je weniger Kraftstoff in flüssiger Form auf die Brennraumwände gelangt und je besser es gelingt, den flüssigen Kraftstoff in der Verbrennungsluft zu halten und entsprechend schnell zu verdampfen. Dabei spielen Strahleindringgeschwindigkeit und Verdampfungsgeschwindigkeit eine wichtige Rolle. Mit elektronisch betätigten Steuerelementen evtl. noch kombiniert mit Speichereinspritzsystemen
Bild 3-8 Zündverzug bei einem Dieselmotor mit Direkteinspritzung. 1 Förderbeginn, 2 Einspritzbeginn, 3 Zündbeginn, 4 Einspritzende, 5 Zündverzug
76 3 Die dieselmotorische Verbrennung
Bild 3-9 Schematische Darstellung möglicher Einspritzverläufe bei Mehr‑ facheinspritzung [3‑11]
(Common Rail Systeme mit Last- und Drehzahl abhängigem Einspritzdruck) lassen sich Einspritzverlaufsformung, Mehrfachvoreinspritzungen und/oder der Mehrfachnacheinspritzungen realisieren (Bild 3-9). Die Weiterentwicklung vom Elektromagnetventil zum Piezo-Injektor bietet neben einer erhöhten Schaltfrequenz grundsätzlich die Möglichkeit einer
definierten Wegvorgabe des Schaltelementes (variable Drossel). Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass eine Drosselung im Nadelsitz vermieden wird, da die Gemischbildung von einem hohen Druck im Spritzloch profitiert (s. Kap. 5). Wie oben gezeigt, weisen moderne Dieselmotoren mit direkter Einspritzung einen sehr kurzen Zündverzug im Bereich von 0,3 bis 0,5 ms bei Volllast und 0,6 bis 0,8 ms bei niedriger Teillast auf. Da die Spritzdauer also in einem weiten Lastbereich länger als der Zündverzug ist, wird nur ein kleiner Teil des Kraftstoffes vor Zündbeginn eingespritzt. Dieser Kraftstoffanteil ist sehr gut mit der Verbrennungsluft vermischt und weist hohe λ‑Werte sowie einen niedrigen λ-Gradienten auf. Dadurch wird in diesen Gemischbereichen zwar die Bildung von Rußpartikeln vermieden, aber es entsteht in dieser Phase der Verbrennung, der sog. „vorgemischten Flamme“, ein wesentlicher Teil der innermotorisch nicht mehr abzusenkenden Stickstoffoxide. Außerdem werden durch den Anteil der „vorgemischten Flamme“ das Verbrennungsgeräusch und der Kraftstoffverbrauch beeinflusst. Ein großer Anteil an „vorgemischter Flamme“ (Gleichraumverbrennung) erhöht das Geräusch, kommt aber dem Verbrauch zugute (Bild 3-10). Der überwiegende Teil des Kraftstoffes wird während der bereits laufenden Verbrennung eingespritzt. In dieser sog.
Bild 3-10 Brennverlauf und Verbren‑ nungsgeräusch mit und ohne Voreinspritzung [3‑12]
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 77 „Diffusionsflamme“ (Gleichdruckverbrennung) wird aufgrund der lokal niedrigen λ-Werte wenig NOX aber viel Ruß gebildet. Ein Schwerpunkt moderner Dieselmotorentechnik gilt somit der innermotorischen Rußoxidation. Es herrschen gute Randbedingungen für diese Oxidation, da bei ausreichend hohen Temperaturen kleine, noch nicht koagulierte Partikel mit großer Oberfläche vorliegen. Die notwendige Turbulenz kann z. B. durch eine hohe Strahlkinetik aufgrund hoher Einspritzdrücke bereitgestellt werden. Ferner sind „Nacheinspritzungen“ (Post Injection) ein geeignetes Mittel zur Temperatur- und Turbulenzsteigerung und damit zur Rußabsenkung durch innermotorische Oxidation. Zur Vermeidung unerwünschter Wärmeverluste sollte die Energieumsetzung zu einem frühen Zeitpunkt abgeschlossen sein. Die zur Erfüllung künftiger Abgasstandards verstärkt erforderlichen Abgasnachbehandlungssysteme stellen aber besondere Anforderungen an Abgastemperatur und Abgaszusammensetzung. Somit kommt der Betrachtung des Gesamtsystems Motor/Nachbehandlung immer mehr Bedeutung zu. Die Motorkomponenten werden zunehmend mit immer mehr variablen Bestandteilen versehen. Prinzipiell sind durch voll flexible Einspritzsysteme, variable Ventilsteuerzeiten, variabler Drall, variable Turbinengeometrie, variable Verdichtung und/oder Steuerung der Kühlmitteltemperatur viele Parameter zur Optimierung des Verbrennungsablaufes an unterschiedliche Anforderungen gegeben. Der Sensorik und Aktorik, dem Motormanagement kommt dabei immer mehr Bedeutung zu. Bezieht man die Nachbehandlungssysteme in die Betrachtung ein, sind im Instationärbetrieb des Motors selbst geregelte Systeme meist zu langsam. „Model Based Closed Loop Control Strategies“ werden mehr und mehr notwendig und sind zielführend.
3.1.5
Schadstoffbildung
Grundsätzlich kann das Luft/Kraftstoffgemisch in einem relativ weiten Lambda-Bereich von 1,5 > λ > 0,5 entflammt werden. Die günstigsten Zündbedingungen sind allerdings am Strahlrand vorhanden. Während die Temperatur im Strahlkern niedrig ist (Kraftstofftemperatur), herrschen am Strahlrand nahezu die Temperaturen der komprimierten Luft. Das Gemisch beginnt somit am Strahlrand im eher mageren Bereich zu entflammen. In Zonen um λ = 1,1 entwickeln sich die höchsten Verbrennungstemperaturen (s. Bild 3-1). Da neben Sauerstoff auch Stickstoff vorhanden ist, sind dies die bevorzugten Bereiche der Stickstoffoxidbildung. Bild 3-11 verdeutlicht, dass Stickstoffoxide im mageren Gemischbereichen bei Temperaturen über 2000 K gebildet werden. Die Bildung des von Zeldovich beschriebenen ther-
Bild 3-11 Lambda- und Temperaturbereiche der NOX- und Rußentstehung (φ = 1/λ)
mischen Stickstoffmonoxides hängt neben dem lokalen Luftverhältnis auch von der Verweilzeit ab und steigt expotentiell mit der lokalen Temperatur. Entlang des sich nach außen ausdünnenden Gemisches gibt es derart magere Bereiche, in denen das Gemisch trotz steigender Temperatur infolge der Verbrennung nicht entflammt werden kann. In dieser sog. „mageren Flammaußenzone“ entstehen die unverbrannten Kohlenwasserstoffe. Die Rußpartikel entstehen in fetten Gemischzonen und Temperaturen über 1600 K. Diese hohen Temperaturen treten erst nach Zündeinleitung auf. Die fetten Bereiche finden sich vorzugsweise im Strahlkern oder im Staubereich des Kraftstoffstrahles im Bereich der Muldenwand. Damit allerdings überhaupt Ruß entstehen kann, muss der Kraftstoff in Dampfform vorliegen. Die Größe der Kraftstofftropfen hat somit keinen direkten Einfluss auf die Größenverteilung der emittierten Partikel. In der Zündverzugsphase hat der Strahl Zeit, sich bei Temperaturen unter der Rußbildungstemperatur auszubreiten, auszudünnen und die fetten Bereiche zu vermindern. Ein langer Zündverzug ist also prinzipiell günstig für eine niedrige Rußbildungsrate. Durch das beschriebene Ausdünnen des Gemisches entstehen aber auch große λ-Bereiche in denen Stickstoffmonoxid gebildet wird (vorgemischte Flamme). Auch werden die mageren Flammaußenbereiche vergrößert, in denen unverbrannte Kohlenwasserstoffe entstehen. Da der Kraftstoff in einer vorgemischten Flamme sehr
78
3 Die dieselmotorische Verbrennung
erforderlichen Verweilzeit müssen nun die Partikel in einem Filter, dem sog. DPF (Diesel Partikel Filter) zurückgehalten werden. Da trotzdem in weiten Betriebsbereichen des Dieselmotors keine ausreichende Temperatur garantiert werden kann, sind Zusatzmaßnahmen zur Erzielung der Entflammungstemperatur der Rußpartikel im DPF notwendig.
Bild 3-12 NOX- und Rußkonzentrationen im Brennraum als Funktion der Kolbenstellung in °KW
schnell verbrennt, wird durch einen langen Zündverzug auch das Verbrennungsgeräusch negativ beeinflusst. Bei modernen Brennverfahren wird deshalb eher ein kurzer Zündverzug angestrebt. In Bild 3-12 ist schematisch der Einspritzvorgang über der Zeit als Rechteck dargestellt. Nach dem Zündverzug beginnt die Wärmefreisetzung mit einem durch die vorgemischte Flamme bestimmten, mehr oder weniger steilen Gradienten. Die zweite Phase der Energieumsetzung erfolgt, durch die Diffusionsverbrennung gesteuert, wesentlich langsamer. Es ist zu erkennen, dass die Stickstoffoxide in der ersten Phase der Verbrennung entstehen und über der Zeit nur eine vernachlässigbar geringe Reduktion durch kurzzeitig vorhandenen Wasserstoff oder durch Kohlenmonoxid auftritt. Auch die Bildung der Rußpartikel beginnt erst mit der Energieumsetzung, da das fette Gemisch entsprechend hohen Temperaturen ausgesetzt werden muss. Allerdings fällt auf, dass während der fortschreitenden Verbrennung die Rußkonzentration im Brennraum deutlich abnimmt. Bis zu ca. 95% des im Brennraum gebildeten Rußes werden in der Expansionsphase wieder oxidiert. Hohe Temperaturen und Turbulenzen unterstützen die Rußoxidation. Es wirkt sich zudem günstig aus, dass die Partikel noch klein sind, da sie erst mit der Zeit zu größeren Partikeln koagulieren. Mit fortschreitender Expansion werden die Bedingungen für die Rußoxidation ungünstiger, weil der Druck, die Temperatur, die Turbulenz sowie die Partikeloberfläche (infolge der Koagulation) abnehmen. Die zur Partikeloxidation erforderliche Zeit nimmt deshalb mit der Expansion zu. Im Auspuff sind die Oxidationsbedingungen so ungünstig geworden, dass keine nennenswerte Rußoxidation erfolgt. Zur Schaffung der
3.2
Konstruktive Merkmale
3.2.1
Gestaltung des Brennraumes
Hinsichtlich der konstruktiven Gestaltung des Brennraumes unterscheidet man zwischen Motoren mit nicht unterteiltem Brennraum, bei denen der Kraftstoff direkt in den Hauptbrennraum eingespritzt wird (direkte Einspritzung) und Motoren, die einen unterteilten Brennraum haben. Bei letzteren wird der Kraftstoff in eine Nebenkammer (Vorkammer oder Wirbelkammer) eingespritzt. Man spricht deshalb von „indirekter“ Einspritzung. Ein Teil des Kraftstoffes wird in der Nebenkammer verbrannt. Durch die Drucksteigerung werden verdampfter Kraftstoff und/oder teilweise oxidierte Kraftstoffbestandteile in den Hauptraum geblasen und mit der dort vorhandenen Luft weiter verbrannt. Die zur Erfassung des Hauptraumes erforderliche Energie wird also durch eine Teilverbrennung des Kraftstoffes erzeugt. Diese zweistufige Verbrennung bringt Vorteile im Verbrennungsgeräusch, hat aber aufgrund der langen Brenndauer und der erhöhten Wandwärmeverluste Nachteile im Kraftstoffverbrauch. Besonders im unteren Drehzahlbereich wird das Ausströmen der Gase aus der Nebenkammer durch die zwischenzeitlich im Hauptraum stattfindende Verbrennung und der damit hier verbundenen Drucksteigerung verlängert. Im oberen Drehzahlbereich wird die Brenndauer durch die Übertrittsquerschnitte von der Nebenkammer zum Hauptraum bestimmt. Hier ist ein Kompromiss zwischen dem zur Erfassung der Hauptraumluft erforderlichen Druck in der Kammer und der Brenndauer zu finden. Mit der Weiterentwicklung der Einspritztechnik zu höheren Einspritzdrücken, der Möglichkeit der Voreinspritzung und der Einspritzverlaufsformung wurden die Nebenkammermotoren zunehmend von dem verbrauchsgünstigeren Direkteinspritzer vom Markt verdrängt, weshalb auf Nebenkammer-Merkmale nicht mehr näher eingegangen wird. Das zur Verdampfung und Zündung des Kraftstoffes erforderliche hohe Verdichtungsverhältnis der Dieselmotoren (15 < H < 20; Großmotoren 12 < H < 16) ist nur mit einem kompakten und damit gleichzeitig hinsichtlich der Wandwärmeverluste günstigen Brennraum darstellbar. Dieselmotoren haben deshalb meist einen flachen Zylinderkopf mit parallel hängenden und zurückgesetzten Ven-
3.2 Konstruktive Merkmale tilen. Da der Spalt zwischen Zylinderkopf und Kolben möglichst klein gehalten wird (< 1 mm), wird der Brennraum von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung nahezu ausschließlich durch eine im Kolben befindliche Mulde gestaltet. Die der Kraftstoffverbrennung zur Verfügung stehende Luft ist also im Bereich des oberen Totpunktes überwiegend (80 bis 85%) in der Kolbenmulde konzentriert. Während der Kompression entsteht eine gerichtete Quetschströmung in die Mulde sowie nach Zündeinleitung und während der Expansion eine turbulente Strömung zurück in den Kolbenspalt. Beide Strömungen können durch Ausgestaltung der Kolbenmulde, insbesondere des Muldenrandes, beeinflusst werden. Sie unterstützen die Vermischung von Luft und Kraftstoff wesentlich. Mit „eingezogenen“ Mulden kann der Effekt verstärkt werden. Die Ränder dieser Kolbenmulden sind aber mechanisch und thermisch sehr hoch belastet. Eine weitere Möglichkeit die Gemischbildung zu unterstützen, ist durch den sog. Luftdrall gegeben. Diese überwiegend um die Zylinderachse drehende, als Festkörperrotation der Verbrennungsluft zu beschreibende Strömung, wird durch die Einlasskanalgestaltung, den Muldendurchmesser und den Hub des Motors beeinflusst und dient zur Erfassung der zwischen den Einspritzstrahlen liegenden Luftsektoren. Mit zunehmender Düsenlochzahl kann damit das erforderliche Drallniveau abgesenkt werden. Langhubige Motoren arbeiten mit höherer Kolbengeschwindigkeit, damit mit höherer Einströmgeschwindigkeit und kommen deshalb mit einem niedrigeren Drallniveau der Einlasskanäle aus. Mulden mit kleinem Durchmesser erhöhen den durch die Kanäle erzeugten Drall ebenso. Die Drall erzeugenden Einlasskanäle von Direkteinspritzern sind als Spiralkanäle oder Tangentenkanäle ausgeführt. Bei der Vierventiltechnik können beide Varianten
Bild 3-13 Brennraummulden von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung
79
eingesetzt oder auch mit einem Füllungskanal kombiniert werden. Die Gestaltung der Kolbenmulde ist immer in Kombination mit der Auslegung der Einspritzdüse sowie der Drehzahlspanne des Motors zu sehen. Dabei ist zu vermeiden, dass flüssiger Kraftstoff auf den Boden der Mulde gelangt. Motoren mit einer großen Drehzahlspanne arbeiten deshalb eher mit engen und tiefen Kolbenmulden (b bis d in Bild 3-13). Mit einer sehr stark eingezogenen Mulde wird eine hoch turbulente Strömung im Kolbenspalt erzeugt. Dadurch wird die Diffusionsverbrennung beschleunigt und die Brenndauer verkürzt. Die thermisch-mechanische Belastung des Muldenrandes setzt dieser Maßnahme Grenzen. Drallarme Nfz-Motoren weisen meist weite und flache Kolbenmulden auf (a in Bild 3-13).
3.2.2
Anordnung der Einspritzdüse
Die Einspritzdüse hat wesentlichen Einfluss auf Strahlzerfall, Tropfenbildung und Erfassung der Verbrennungsluft durch den Einspritzstrahl. Die Zweiventiltechnik bedingt durch die Anordnung der Gaswechselventile eine bzgl. des Zylinders und der Kolbenmulde außermittige Lage der Einspritzdüse. Im Hinblick auf eine optimale Lufterfassung sollten die exzentrisch angeordneten Düsen mit unterschiedlichen Lochdurchmessern und am Umfang unsymmetrischer Lochverteilung ausgeführt werden. Aus Kosten- und Fertigungsgründen wird darauf allerdings üblicherweise verzichtet. Da die Kraftstoffstrahlen ferner in gleicher Höhe auf die Muldenwand auftreffen sollen, sind die Löcher in einem bzgl. Düsenachse unterschiedlichen Winkel anzuordnen, d. h. die Lochkegelachse weicht von der Düsenachse ab. Dadurch werden die Strömungsverhältnisse in der Düse enorm beeinträchtigt und trotz großer Anstrengungen im Bereich
80
3 Die dieselmotorische Verbrennung
Düsenauslegung und Düsenfertigung sind die Eigenschaften der einzelnen Strahlen sehr unterschiedlich. Der Einsatz der Vierventiltechnik ermöglicht eine bzgl. des Zylinders mittige Anordnung der Düse und damit symmetrische Verhältnisse für die Kraftstoffstrahlen, was der Gemischbildung und damit den charakteristischen Motorkennwerten Verbrauch, Verbrennungsgeräusch und Emissionen zugute kommt und eine Optimierung der teilweise gegenläufigen Einflüsse erleichtert. Düsenüberstand und Lochkegelwinkel bestimmen zusammen mit dem Einspritzzeitpunkt und der Strahlgeschwindigkeit den Auftreffpunkt der Kraftstoffstrahlen auf den Muldenrand (Bild 3-14). Dieser Auftreffpunkt sollte möglichst hoch liegen. Bei der Auslegung ist darauf zu achten, dass eine evtl. vorliegende Quetschströmung den Auftreffpunkt drehzahlabhängig beeinflusst und dass die zunehmende Luftdichte die Strahlausbreitung behindert. Bild 3-15 zeigt die Möglichkeit einer zentralen Düsenanordnung bei 4-Ventiltechnik, sowie die Anordnung einer als Kaltstarthilfe erforderlichen Glühkerze.
3.2.3
stoffoxide zu vermeiden, können sie wirkungsvoll erst durch eine Abgasnachbehandlung reduziert werden. Dabei ist zu beachten, dass aufgrund des stets herrschenden Luftüberschusses die vom Ottomotor bekannte und bewährte Technologie des Dreiwege-Katalysators nicht einsetzbar ist. Da das nach dem Zeldovich-Mechanismus – auch thermischer NO-Mechanismus genannt – entstehende Stickstoffmonoxid sehr schnell gebildet wird („Prompt NO“) und bei heterogener Gemischbildung die für eine NO-Bildung günstigen, lokal vorherrschenden O-Zonen nicht vermieden werden können, bietet die Absenkung der Verbrennungstemperatur einen technisch wirkungsvollen Lösungsansatz zur Verringerung der NO-Bildung. Die bekannteste Methode zur Temperaturabsenkung ist die beim Pkw-Dieselmotor seit längerem eingesetzte Abgasrückführung (AGR). Im Wesentlichen wirkt sich dabei die erhöhte Wärmekapazität der inerten Verbrennungsprodukte Wasserdampf und Kohlendioxid auf die lokale Temperatur aus. Die gekühlte AGR ist besonders effektiv und vermindert die negativen Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch, belastet aber den Wärmehaushalt des Fahrzeugküh-
Abgasrückführung, Verbrennungstemperatursenkung
Wie in Abschn. 3.1.1.5 gezeigt, wird das erst einmal gebildete, sehr reaktionsträge Stickstoffmonoxid in der Expansionsphase kaum rückgebildet. Auch das zusätzliche Einbringen von Wasserstoff, Kohlenmonoxid oder Kohlenwasserstoffen ist wenig effektiv. Gelingt es nicht, die Entstehung der Stick-
Bild 3-14 Strahlausbreitung und deren Einflussfaktoren [3-13]
Bild 3-15 Anordnung einer zentralen Einspritzdüse bei 4-Ventiltechnik
3.2 Konstruktive Merkmale 81 lers. In manchen Lastbereichen kann deshalb die mögliche AGR-Rate durch die Kühlleistung des Fahrzeugkühlers begrenzt werden. Die Kühler sind aufgrund der aggressiven Abgase aus Edelstahl auszuführen. Aufgeladene Dieselmotoren bieten sich für die AGR besonders an, da der Abgastransport vom Abgasstrang in den Ansaugtrakt erleichtert wird. Wird das Abgas vor der Turbine entnommen und nach Ladeluftkühler der Luft zugeführt, spricht man von einer „hochdruckseitigen AGR“ (short way EGR). Bei der „niederdruckseitigen AGR“ wird das Abgas nach der Turbine bzw. nach dem Dieselpartikelfilter (DPF) entnommen und vor dem Verdichter der Ansaugluft zugeführt (long way EGR). Diese Anordnung belastet Verdichter und Ladeluftkühler, ist hinsichtlich des Wirkungsgrades ungünstiger, hat aber Vorteile bezüglich der Vermischung des Abgases mit der Verbrennungsluft sowie hinsichtlich der Gleichverteilung auf die Zylinder. In allen Fällen wird die Rückführrate über ein pneumatisch, hydraulisch oder elektromagnetisch betätigtes AGR-Ventil geregelt. Da durch das zugeführte Abgas üblicherweise Anteile der Verbrennungsluft ersetzt werden, spricht man von einer „replaced EGR“. Bei dieser Art der AGR wird also das Luft/Kraftstoffverhältnis verringert. Soll trotz AGR das Luft/Kraftstoffverhältnis konstant gehalten werden, bedingt dies einen erhöhten Ladedruck. In diesem Fall spricht man von einer „additional EGR“. Turbolader mit einer variablen Turbinengeometrie eignen sich besonders für die AGR, da in weiten Lastbereichen das zum Abgastransport erforderliche Druckgefälle eingestellt werden kann und sogar eine „additional EGR“ möglich ist. Für den AGR-Transport ist es notwendig erheblich aufzustauen, womit der Druck in der Turbine häufig nicht mehr völlig abgebaut werden kann. Das verbleibende Restdruckgefälle kann dann über eine nachgeschaltete zweite Turbine genutzt werden. Diese ist entweder mit einem zweiten Verdichter (zweistufige Aufladung) verbunden, oder sie gibt ihre Energie an die Kurbelwelle (Turbo Compound, TC) ab. Eine weitere Möglichkeit des Abgastransportes ist durch die Nutzung der Auslassdruckspitzen gegeben. Die Druckspitzen überdrücken ein Rückschlagventil (Reed Valve) wodurch kurzzeitig eine Verbindung zwischen Abgaskrümmer und Saugrohr frei gegeben wird. Eine einfache Methode die Verbrennungstemperatur abzusenken, ist durch die Wahl eines späten Einspritzbeginnes gegeben, da die durch die Verbrennung bedingte Druck- und damit Temperatursteigerung einer Druckminderung durch die Expansion entgegensteht. Dieser Effekt wirkt sich allerdings negativ auf die Rußoxidation und den Wirkungsgrad des Motors aus. Die Verbrennungstemperatur kann auch durch den sog. Miller-Cycle abgesenkt werden. Durch frühen „Einlass-
Schluss“ wird ein Teil des Ansaugtaktes zur Expansion der angesaugten Luft verwendet, wodurch deren Temperatur abgesenkt wird und die Verbrennung auf niedrigerem Temperaturniveau abläuft. Diese Technik wird vor allem für den Einsatz bei Großdieselmotoren untersucht. Im Teillastbereich ist diese Technologie durchaus zielführend, zumal auch noch das λ abgesenkt wird. Ein Nachteil dieses Konzeptes ist, dass durch den frühen „Einlass-Schluss“ der Liefergrad und damit die Leistung beeinträchtigt wird. Dies muss dann durch laderseitige Maßnahmen kompensiert werden. Die Einspritzung von Wasser ist ebenso ein Mittel zur Absenkung der Verbrennungstemperatur. Dabei zeigt die Wassereinbringung in das Saugrohr den geringsten Effekt und hat außerdem den Nachteil einer Ölverdünnung. Besser geeignet ist die Wassereinspritzung in den Brennraum über eine separate Düse, wobei deren Kühlung nicht unproblematisch ist. Die effektivste, aber auch aufwendigste Methode ist mit einer „Zweistoffdüse“ gegeben. Hier wird während der Spritzpause über eine Dosierpumpe Wasser in die Einspritzdüse eingelagert. Dabei wird das Wasser so platziert, dass zunächst Dieselkraftstoff, dann Wasser und schließlich wieder Diesel in den Brennraum eingebracht werden kann. Dies hat den großen Vorteil, dass Zündverzug und Brenn ende nicht verlängert werden und das Wasser zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zur Temperaturabsenkung zur Verfügung steht. In dieser Hinsicht weniger geeignet ist die Wassereinbringung in Form einer Diesel-/Wasseremulsion. In allen Fällen ist jedoch die Bereitstellung des Wassers problematisch.
3.2.4
Auswirkung der Aufladung
Wie in Bild 3-16 gezeigt, kann mit einer Abgasrückführung die Stickstoffoxidemission deutlich reduziert werden. Mit der sog. „replaced EGR“ sinkt allerdings das Luftverhältnis λ deutlich ab. Auf Grund der schlechteren Oxidationsbedingungen für den Ruß hat dies einen Anstieg der Partikel zur Folge. Bei identischem Luftverhältnis λ, also mit der sog. „additional EGR“ können die ursprünglichen Partikelwerte nahezu erreicht werden. Bei gleichem Spritzbeginn betrachtet, wird dabei die NOX-Emission nur geringfügig erhöht. Die „additional EGR“ stellt allerdings hohe Anforderungen an Aufladetechnik, Wärmehaushalt und zulässigen Spitzendruck des Motors. Da der Luftdurchsatz des Hubkolbenmotors und der Strömungsmaschine Turbolader über der Drehzahl unterschiedliche Schluckliniencharakteristika aufweisen, sind die Turbinenquerschnitte entweder im unteren Drehzahlbereich zu groß oder im oberen zu klein dimensioniert. Ein schnelles Ansprechverhalten des Laders erfordert ein auf niedrige
82
3 Die dieselmotorische Verbrennung
Bild 3-16 Einfluss der AGR-Rate und des Luft/Kraftstoff- Verhältnisses auf die NOX- und Rußemission eines direkt einspritzenden Dieselmotors
Massenströme ausgelegte Turbine, wodurch sie im oberen Drehzahlbereich verstopft, was den Gaswechselwirkungsgrad verschlechtert und die innere Abgasrückführung erhöht. Dieses Problem kann durch ein druckgeregeltes Abblasventil zu Lasten einer optimalen Abgasenergienutzung gelöst werden. Eine Turbine mit „variabler Turbinengeometrie“ oder eine Registeraufladung sind diesbezüglich die besseren Alternativen [3-14]. Die Aufladung hilft aber nicht nur den Zielkonflikt NOX/ PM zu entspannen, sie ist auch zur Erhöhung der Leistungsdichte und zur Anpassung des Drehmomentverhaltens eines Motors von enormer Bedeutung. Moderne Dieselmotorenkonzepte in Europa beinhalten deshalb bereits die zweistufige Aufladung mit Zwischenkühlung der Ladeluft.
3.3
Alternative Verbrennungsverfahren
Wie oben beschrieben, ist der Zielkonflikt zwischen PM und NOX, aber auch zwischen NOX und Verbrauch durch die heterogene Gemischbildung des Dieselmotors bedingt. Es wird auch gezeigt, dass im heterogenen Gemisch eines konventionellen Dieselmotors immer Temperatur- und O-Bereiche vorliegen, in denen sowohl Stickstoffoxide als auch Partikel entstehen können. Da im Gegensatz zu den im Brennraum entstandenen Partikeln die einmal gebildeten Stickstoffoxide innermotorisch nicht mehr verringert werden können, zielen moderne Verbrennungsverfahren darauf ab, Stickstoffoxide erst gar nicht entstehen zu lassen, indem die Temperatur abgesenkt wird (später Spritzbeginn, AGR, Miller, Wassereinspritzung). Geht die jeweilige Maßnahme zu Lasten der Rußbildung, müssen verstärkt Methoden zur Rußoxidation (hoher Einspitzdruck, Nacheinspritzung, Aufladung) angewandt werden.
Ein guter Ansatz ist auch durch den eingesetzten Kraftstoff selbst gegeben. Da Aromaten die ringförmige Grundstruktur der Rußpartikel aufweisen und damit als deren Vorläufer zu betrachten sind, tragen aromatenfreie Kraftstoffe zur Entspannung des Zielkonfliktes NOX/PM bei. Die mittels Fischer-Tropsch aus Methan (Erdgas) hergestellten GtLKraftstoffe (Gas to Liquid) bestehen ausschließlich aus Paraffinen und sind somit ideale Dieselkraftstoffe, s. Kapitel 4. Sauerstoffhaltige Kraftstoffe wie Methanol oder Dimethylether (DME) bilden auf Grund der in ihren Molekülen vorhandenen Sauerstoffatome keinen Ruß, sind aber wegen ihrer geringen Zündneigung (Methanol) oder ihres Dampfdruckes (DME) weniger für konventionelle Dieseleinspritzung geeignet. Rapsöl-Methylester (RME) wird von den Motorenherstellern bedingt zugelassen, wobei die Ölwechselintervalle deutlich kürzer sind. Aufgrund der am Markt sehr unterschiedlichen Qualität des RME ergeben sich auch Unterschiede in der die Gemischbildung beeinflussenden Viskosität. Deshalb befürworten die meisten Motorhersteller eher eine unproblematische Zumischung von RME bis zu 5% zum konventionellen Dieselkraftstoff. Gepresstes Rapsöl (ohne Umwandlung zu Methylester) wird von den Motorherstellern sehr kritisch gesehen, da es zu Problemen im Einspritzsystem führt und als Folge Motorschäden auftreten können. Da bei RME nur die Frucht der Pflanze genutzt wird, zielen neueste Ansätze bei der Nutzung von Biomasse auf die Verwertung der kompletten Pflanzen. Dabei wird die Biomasse vergast. Das Gas kann vorzugsweise in stationären Anlagen genutzt, oder für den mobilen Einsatz (wie oben am Beispiel GTL gezeigt) in einem weiteren Schritt verflüssigt werden. Bei alternativen Brennverfahren wird versucht die Verbrennungstemperatur abzusenken und die kritischen OBereiche um 1,3 > O > 1,1 (NOX-Bildung) oder 0 < O < 0,5 (Rußbildung) völlig zu vermeiden. Ziel ist, den Motor wesentlich magerer, homogen und bei niedrigen Temperaturen zu betreiben. Die für eine ausreichende Homogenisierung stets erforderliche Zeit soll bei den meisten Ansätzen durch eine Verlängerung der Zündverzugsphase erreicht werden. Der konventionellen Dieselgemischbildung am nächsten kommt dabei das HCLI-System (Homogeneous Charge Late Injection). Das Verfahren arbeitet mit einem etwas früheren Einspritzzeitpunkt als konventionelle Dieselmotoren und damit einem längeren Zündverzug. Dadurch soll die Zeit zur Verringerung der fetten Bereiche verlängert und der Anteil der mageren Gemischbereiche vergrößert werden. Zur Vermeidung von Frühzündungen benötigt das Verfahren sehr hohe AGR-Raten in der Größenordnung von 50 bis
3.3 Alternative Verbrennungsverfahren 83 80% und ist deshalb wohl nur im Teillastbereich anwendbar. Ebenfalls mit einem langen Zündverzug, allerdings moderaten Abgasrückführraten, arbeitet das HPLI-Verfahren (Highly Premixed Late Injection). Wie der Name schon sagt, wird der lange Zündverzug durch eine extrem späte, deutlich nach OT liegende Einspritzung, erreicht. Das Verfahren hat Verbrauchsnachteile und der fahrbare Kennfeldbereich ist durch die Abgastemperatur begrenzt. Bei dem „Dilution Controlled Combustion System“ (DCCS) soll bei konventionellen Einspritzzeitpunkten mittels AGR-Raten > 80% die Temperatur unter die NOX- und Rußbildungstemperatur abgesenkt werden. Beim klassischen HCCI-System (Homogeneous Charge Compression Ignition) wird der Homogenisierung entscheidende Bedeutung zur Absenkung von NOX und Ruß beigemessen. Man gibt dem Gemisch sehr viel Zeit für die Homogenisierung und spritzt deshalb sehr früh im Verdichtungstakt ein (90° bis 140 ° KW vor OT), oder man arbeitet sogar mit äußerer Gemischbildung. Dabei können Probleme durch Schmierölverdünnung infolge schlecht verdampften Dieselkraftstoffs entstehen. Die Verbrennung wird eingeleitet, wenn durch die Kompression des Gemisches die erforderliche Zündtemperatur erreicht wird. Der Beherrschung des thermodynamisch richtigen Zündzeitpunktes sowie des Verbrennungsablaufes unter den unterschiedlichen Randbedingungen kommt diesem, dem konventionellen Ottoprinzip nah verwandten, Konzept eine wesentliche Bedeutung zu. Das Verfahren erfordert zur Vermeidung von Frühzündungen eine Absenkung des Verdichtungsverhältnisses auf 12:1 1) stark abnehmen, erreicht die NOx-Emission erst bei λ ≈ 1,1 ihr Maximum, für das die immer noch sehr hohen Temperaturen im Brennraum verbunden mit dem Sauerstoffangebot bei λ > 1 die Ursachen sind. Erst danach sinken die Emissionswerte, um dann bei λ ≈ 1,6 im extrem mageren Bereich ein für die Abgasgesetzgebung nach TA Luft akzeptables Niveau zu erreichen. Die im Bild enthaltenen Grenzen weisen auf die beiden Betriebsarten für einen schadstoffoptimierten Gasmotor hin: Verbrennung eines stöchiometrischen (λ = 1) bzw. eines mageren Gas-Luft-Gemisches mit λ ≥ 1,6.
4.4 Brenngase und Gasmotoren 139
Bild 4-47 Luftverhältnis und Abgasemission, Konzeptgrenzen für die NOx-Reduktion
Die Abgasgesetzgebung in Europa orientiert sich im Wesentlichen an der deutschen TA Luft (s. Abschn. 15.2) mit der Besonderheit, dass die Grenzwerte nicht, wie oft üblich, auf die Leistung, sondern auf den Ladungsdurchsatz in m3n bei einem O2-Gehalt des Abgases von 5% bezogen werden. Damit ist es ohne Belang, ob wenig oder viel Strom aus der gleichen Menge an Brenngas erzeugt wird, da der Nutzwirkungsgrad nicht in die ermittelten Emissionswerte eingeht. Deshalb berücksichtigen einzelne Länder, wie z. B. Dänemark für die unverbrannten Kohlenwasserstoffe, den effektiven Wirkungsgrad bei der Festsetzung ihrer Limits. Außer für NOx , CO und HC bestehen Emissionslimits auch für NMHC (Non Methane Hydrocarbons: Kohlenwasserstoffe mit Ausnahme von Methan), für die Staub- oder Partikelemission (abhängig vom vorgeschriebenen Messverfahren, s. Abschn. 15.6) sowie für C-Verbindungen geordnet nach C1, C2, C3 etc., ferner für Dioxine und Furane.
4.4.5.2
Gasmotoren mit stöchiometrischem Gemisch
Vergleichbar den Pkw-Ottomotoren ist ein stöchiomet risches Gas-Luft-Gemisch Voraussetzung für den Einsatz des Drei-Wege-Katalysators, der gleichzeitig die Emission von CO, HC und NOx durch Nachoxidation bzw. Reduktion senkt. Voraussetzung ist eine Regelung des Gas-Luft-Gemisches mittels einer Lambdasonde, die die Funktion des Katalysators innerhalb der sehr engen Grenzen des „LambdaFensters“ von 0,980–0,991 sicherstellt. Nur bei unterstöchiometrischer Verbrennung (λ ≈ 0,997) ist eine wirkungsvolle Reduktion von NOx zu erreichen.
Durch hohe thermische Belastung, verbunden mit Einflüssen durch Ölaschen und im Brenngas enthaltene Pro blemgase, sinkt der Katalysator-Wirkungsgrad. Daher sind die Service- und Wartungskosten relativ hoch, was den Einsatz des Drei-Wege-Katalysators auf Motoren geringer Leis tung, vorwiegend Saugmotoren, beschränkt (pme ≤ 8 bar bzw. we ≤ 0,8 kJ/dm3). Durch die Kombination der Abgasturboaufladung mit einer Abgasdrückführung ist es jedoch möglich, die thermische Belastung und gleichzeitig die NOx-Rohemission und damit die Kosten zu senken.
4.4.5.3
Mager-Gemisch-Motoren
Gemischreglung mittels Mager-Sonde Der sog. Magerbetrieb zur Einhaltung der Grenzwerte der TA Luft erfordert die Mager-Gemisch-Aufladung, um durch Aufladung die mit einer „mageren“ Verbrennung verbundenen Verluste an Nutzarbeit kompensieren zu können. Dabei hat sich gezeigt, dass sich das vorgemischte Gas-Luft-Gemisch problemlos im Verdichter des Abgasturboladers mit Vorteil für die Gemisch-Homogenisierung vorverdichten lässt, s. Abschn. 4.4.4.1. Für mit Schadstoffen, wie Chlor-, Fluor-, Siliziumverbindungen und Schwefelwasserstoff H2S, beladene Biogase können nur Mager-Gemisch-Motoren eingesetzt werden, da diese „Katalysatorgifte“ einen Drei-WegeKatalysator in kürzester Zeit außer Funktion setzen würden. Die notwendige Konstanz des Luftverhältnisses des mageren Gas-Luft-Gemisches kann (vergleichbar mit einem „Lambda 1-Betrieb“) durch einen geschlossenen Regelkreis aufrechterhalten werden. Die dazu verwendeten „Mager-
140 4 Kraftstoffe Sonden“ liefern erst bei einem Luftverhältnis λ > 1,6 ein für die Regelung verwendbares elektrisches Signal. Da die Lebensdauer dieser Sonden beschränkt ist, insbesondere beim Einsatz von Biogasen mit ihren schädigenden Inhaltsstoffen (Cl, F, S etc.), ist dieses Konzept bei einer MotorBetriebszeit von 8000 h/a sehr kostenintensiv, so dass alternative Konzepte zur Steuerung der Gemischzusammensetzung entwickelt wurden.
Alternative Konzepte für Mager-Gemisch-Motoren Messung der Brennraumtemperatur (TEM) Das Konzept der Firma Deutz [4-44] sieht die Messung einer repräsentativen Temperatur in einem Volumenelement des Brennraumes vor, um daraus auf das Luftverhältnis schließen zu können. Dabei erfasst der träge Sensor (Thermoelement) keineswegs die wahre Temperatur im Volumenelement, einer Ausnehmung im Zylinderkopfboden, sondern eine sich während des Arbeitsspiels einstellende Mitteltemperatur, der dann die bei einem Betriebspunkt gemessene und in der Regeleinheit (TEM) abgespeicherte mittlere NOxEmission zugeordnet wird. Nachteilig wirkt sich die nachlassende Empfindlichkeit des Sensors infolge isolierender Ablagerungen aus, da bei vorgetäuschter zu niedriger Mitteltemperatur das Gemisch angefettet wird. Andererseits führt ein Betrieb im klopfnahen Bereich zu einem besseren Wärmeübergang an der Sonde, sodass der Regler, wie gewünscht, in Richtung „mager“ verstellt und so Klopfen vermeidet.
ordnet. Bei sehr magerer Verbrennung (λ > 2,5) ist das von der Sonde gelieferte Signal relativ unscharf, sodass die Regelung nicht mehr präzise genug arbeitet. Messung der Lichtemission Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die Flammenstrahlung im Bereich des OH-Bandes bei 310 nm der NOx-Emission so zuordnen lässt, dass eine eindeutige Korrelation besteht. Für den realen Motorbetrieb ist die mit zunehmender Laufzeit eintretende Verschmutzung der Brennraumfenster problematisch. Das notwendige häufige Nachjustieren ist kos tenintensiv, beschränkt die Genauigkeit des Verfahrens und damit auch seine Anwendung. Zylinderdruckmessung Eine sehr elegante Möglichkeit bietet eine zylinderselektive Druckmessung und die damit im On-line-Betrieb durchführbare thermodynamische Auswertung. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass weitere relevante Kenngrößen, wie mittlerer indizierter Druck pi, maximaler Zylinderdruck, Zündzeitpunkt, Brenndauer sowie auch Klopferscheinungen für die Regelung und Überwachung verwendet werden können. Bei großen Schiffsdieselmotoren wird dieses (derzeit noch sehr kostspielige) Konzept eines Motor-Managements eingesetzt [4-46]. Neue Sensoren bzw. Wege zur Druckmessung [4-47] in Verbindung mit kostengünstigen, leistungsstarken Rechnern könnten den Einsatz dieses Konzeptes zukünftig auch für Gasmotoren ermöglichen [4-48].
Abgasnachbehandlung
Leanox-Verfahren Das von der Firma Jenbacher [4-45] entwickelte und patentierte Konzept verwendet die nach der Drosselklappe gemessenen Werte von Druck und Temperatur, die bei gegebener Motoreinstellung der Energiezufuhr entsprechen. In Verbindung mit den zugehörigen NOX-Werten besteht eine Korrelation zwischen dem Luftverhältnis und der NOX-Emission. Der Vorteil dieses Konzeptes ist seine Unabhängigkeit von der Betriebsdauer des Motors, die ohne Einfluss auf die Messung ist. Sie gleicht auch eine Abnahme des Heizwertes aus, indem der Regler dies als Abweichen in Richtung „mager“ deutet, was zum gewünschten Anfetten des Gemisches führt.
Oxidationskatalysator Für Gasmotoren ist nach TA Luft die CO-Emission auf ≤ 650 mg/m3n begrenzt. Die Rohemission von wirkungsgradoptimierten Gasmotoren liegt gemäß dem Stand der Technik bei ca. 800 bis 1100 mg CO/m3n. Primär wird das CO durch nicht vollständige Reaktionen bei der Verbrennung verursacht. Bei Formaldehyd liegt ein Zwischenprodukt der Oxidation von Methan vor. Beide Emissions komponenten sowie auch höhere Kohlenwasserstoffe können bei ausreichender Dimensionierung (Raumgeschwindigkeit und Edelmetallgehalt) des Oxidationskatalysators stark reduziert werden.
Ionenstromsensor Die Fa. Caterpillar verwendet für ihre große Baureihe 3600 bzw. G-CM34 eine Ionenstromsonde. Das Grundprinzip beruht auf die Erfassung der Geschwindigkeit der Flammenfront von der Zündkerze zu der in Büchsenbundnähe angeordneten Ionenstromsonde. Die Geschwindigkeit der Flam me wird bei der „Einmessung“ einer NOX-Emission zuge-
Thermische Nachoxidation Sie wird bei Biogasen mit dem bereits erwähnten Gehalt von Problemgasen, die als „Katalysatorgift“ die Wirkung von Oxidationskatalysatoren in kürzester Zeit außer Kraft setzen, eingesetzt, um teil- oder unverbrannte Komponenten im Abgas wirkungsgradoptimierter Gasmotoren zu reduzieren. Je nach Verbrennungskonzept befindet sich ausreichend Sauer-
4 Literatur 141 stoff O2 im Abgas, das jedoch auf die erforderliche Oxida tionstemperatur von > 760 °C gebracht werden muss. Um den energetischen Aufwand zu reduzieren, werden rekuperative oder regenerative Wärmeübertrager eingesetzt. Bei Deponiegasanlagen hat sich derzeit das System CL.AIR der Firma GE Jenbacher durchgesetzt.
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5
Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Das vorliegende Kap. behandelt die Grundlagen, Wirkungs weise und technische Ausführung von Dieseleinspritzsyste men. Dabei beschränken sich die Ausführungen zunächst auf die Komponenten und Teilsysteme, welche direkt in Kon takt mit dem Dieselkraftstoff sind und diesen in Form eines Fluidsprays in den Brennraum einspritzen und zumessen. Das elektronische System, wie Sensorik, Regelstrukturen und Bedatung des elektrischen Steuergeräts, beschreibt Kap. 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsys teme. Die Anforderungen an die Kraftstoffzumessung leitet Kap. 3 aus der dieselmotorischen Verbrennung und den Ziel größen Verbrauch, Schadstoffemissionen, Komfort und Leis tung ab. Das daraus resultierende Lastenheft an die Einsprit zung legt fest, wie der Kraftstoff zeitlich und örtlich in den Brennraum eingebracht werden muss, um die geforderten motorischen Ziele zu erreichen. Makroskopisch ist dabei die Einspritzung durch die Größen Einspritzmasse, Einspritzbe ginn, Einspritzdruck und Einspritzverlauf1 definiert, wäh rend mikroskopisch der Einspritzstrahl selbst durch seine strömungsmechanischen und geometrischen Funktionen zeitlich und örtlich die Kraftstoffverteilung in den Brenn raum beschreibt. Abschn. 5.1 geht auf die Grundlagen der Einspritzhydraulik ein und zeigt Wege zur Modellierung und Auslegung der Einspritzhydraulik auf. Die Schnittstelle zwischen Kraftstoffzumessung und Brennraum bildet die Einspritzdüse. Abschn. 5.2 erläutert Funktion und Bauarten, vertieft den Einfluss der Düsenpa rameter auf die Gemischbildung und beschreibt die tech nische Ausführung der Düsen für unterschiedliche Ein spritzsysteme. Mit den Wirkprinzipien und Bauarten von Einspritzsyste men bildet Abschn. 5.3 den Kern dieses Kapitels. Die Schlüsselkomponenten wie Pumpen und Injektoren sowie Regelventile werden ausführlich beschrieben. Die Hydraulik
1
früher „Einspritzgesetz“, beschreibt den zugemessenen Kraftstoffstrom als Funktion der Zeit
zur Einspritzung größerer Kraftstoffmassen für Großdiesel aggregate findet besondere Beachtung. Bei der Entwicklung und Fertigung von hydraulischen Einspritzsystemen spielt die präzise Messung von Kraftstoffmassen und -drücken eine entscheidende Rolle. Grundlegende Aspekte dieser Messtechnik zur hydraulischen Funktionsprüfung des Ein spritzsystems fasst Abschn. 5.4 zusammen.
5.1
Einspritzhydraulik
Die Beschreibung der Vorgänge in Einspritzsystemen erfor dert die interdisziplinären Anwendungen von Methoden der Strömungsmechanik, Technischen Mechanik, Thermodyna mik, Elektrotechnik und Regelungstechnik. Beträchtliche Anforderungen an Modellqualität und numerische Verfah ren entstehen aus den sehr hohen Drücken und einer gefor derten Kleinstmengenfähigkeit bei Voreinspritzungen von ca. 1,5 mm3 je Einspritzung mit ± 0.5 mm3 Zumessgenauig keit in flexibel wählbaren Abständen von der Haupteinsprit zung. Zudem ist zu beachten, dass es sich um hochgradig instationäre Vorgänge im kompressiblen Fluid handelt, in folge derer Komponenten durch Kavitationsschäden gefähr det und zu Schwingungen mit hohen mechanischen Belas tungen angeregt werden können. Auch die beträchtliche Erwärmung des Kraftstoffes durch Drossel- und Reibungs verluste mit ihrem erheblichen Einfluss auf Kraftstoffeigen schaften und Lager- bzw. Kolben/Buchse -Spiele in den Pum pen muss quantifizierbar sein.
5.1.1
Zustandsverhalten von Kraftstoffen
Kenntnisse der Stoffeigenschaften sind Voraussetzungen für das Verständnis und eine Modellierung des hydraulischen Verhaltens. Das kompressible Verhalten von Kraftstoff und Prüföl wird mit der Dichte ρ bzw. dem spezifischen Volu men v = 1/ρ beschrieben. In der Literatur existieren eine Reihe von Ansätzen, mit denen die von Druck p und Tempe ratur T abhängigen Dichten bzw. spezifische Volumina von
144 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik Flüssigkeiten aufgrund von gezielten Messungen in Hoch drucklabors approximiert werden können [5-1]. Hier wird nur die modifizierte Tait-Gleichung
(5-1)
wiedergegeben, die sich bei Dieselkraftstoffen und Prüfölen mit p0 als Umgebungsdruck durchweg bewährt. Zustandsänderungen während einer Einspritzung laufen so schnell ab, dass sie als adiabat angesehen werden können. Kompressions- und Expansionsvorgänge mit vernachlässig baren Reibungs- und Stoßverlusten können zusätzlich als reversibel und damit als isentrop angesehen werden. Da für die Schallgeschwindigkeit a(p, T) mit der spezifischen Entropie s (5-2) gilt, kennzeichnet sie sowohl die Ausbreitungsgeschwindig keit von Druckwellen in Leitungen als auch lokale isentrope Druckänderungen. Zudem sind nach [5-2] isentrope Zu standsänderungen mit der Temperaturänderung (5-3) verbunden. Die spezifische Wärmekapazität cp hängt mit der Schallgeschwindigkeit bei bekannter Dichte ρ(p, T) über
(5-4)
zusammen. Mit bekannten Abhängigkeiten ρ(p, T) bzw. v(p, T) und a(p, T) oder cp(p, T) liegt damit theoretisch eine vollständige Beschreibung des Zustandsverhaltens vor. Die partiellen Ableitungen machen die Ausdrücke jedoch sehr fehlerempfindlich, so dass eine in sich konsistente, genaue Beschreibung aus empirischen Zustandsgleichungen mit be grenztem Messaufwand schwierig ist. Ist die Schallgeschwin digkeit im gesamten interessierenden Zustandsgebiet be kannt, kann v(p, T) nach Davis und Gordon [5-3] aus der Maxwellgleichung (5-5a) und der aus Gl. (5-4) abgeleiteten Gleichung (5-5b)
für diskrete Stellen durch numerische Integration berechnet werden. Bei der von Jungemann [5-4] vorgeschlagenen Wei terentwicklung werden die Koeffizienten der gewählten Zu standgleichung im Rahmen eines Minimierungsproblems so ermittelt, dass die damit bestimmten Stoffgrößen das Diffe rentialgleichungssystem (5-5) möglichst gut erfüllen und Schallgeschwindigkeit sowie spezifische Wärme optimal wiedergegeben werden. Mit dieser Methode wurde z. B. für ein gebräuchliches Prüföl nach ISO 4113 die empirische Zu standsgleichung auf der Basis von Gl. (5-1) bestimmt. Grund lage waren Messwerte der Schallgeschwindigkeit im gesam ten Zustandsgebiet und Messwerte des spezifischen Volu mens und der spezifischen Wärmekapazität entlang der Iso baren bei Umgebungsdruck. Bild 5-1 zeigt so ermittelte Stoffeigenschaften.
5.1.2
Modellierung, Simulation und Auslegung
Die Entwicklung und Auslegung von Dieseleinspritzsyste men erfolgt heute maßgeblich mit Hilfe der numerischen Simulation. Sie basiert auf mathematischer Modellierung, also einer Beschreibung der Realität mit mathematischen Gleichungen. Dabei wird eine korrekte zeitabhängige Be schreibung von Massenströmen, Druckschwingungen und Druckverlusten erwartet. Zielgrößen wie z. B. der Einspritz mengenverlauf hängen vom komplexen Zusammenspiel ver schiedener Systemkomponenten ab und erfordern sowohl eine Betrachtung des Gesamtsystems mit angemessener Be rücksichtigung lokaler Einflüsse wie auch Einzelbetrach tungen mit lokal sehr hoher Auflösung. Zur detaillierten Untersuchung lokaler dreidimensionaler Strömungen kann die Methodik der Computational Fluid Dynamics (CFD) eingesetzt werden, auf die in Abschn. 5.2 eingegangen wird. Heutige Werkzeuge für Systemsimulationen (siehe z. B. [5-5 bis 5-7]) erlauben es, aus einem Baukasten parametri sierbare Modellelemente auszuwählen und meist durch grafische Oberflächen unterstützt zu einem Gesamtmodell zusammen zu fügen. Für die Modellierung der hydrau lischen Bereiche wird unter geeigneter Einbeziehung aller relevanten 3D-Effekte die Stromfadentheorie verwendet; so entsteht ein „hydraulisches Netzwerkmodell“. Die wich tigsten Modellelemente werden im Folgenden umrissen. Behälter. Dieses Modellelement hat als Knoten im Netzwerk elementare Bedeutung. Behälter stehen z. B. für die kraft stoffgefüllten Teile von Injektoren und Hochdruckpumpen zylindern. Örtliche Änderungen des Druckes und der Tem peratur werden per Definition vernachlässigt. Über die Be grenzungsflächen des zugeordneten Kontrollraums können Massenströme als Folge von bewegten Wänden (sog. „kör pergebundene Flächen“) und aus der Durchströmung freier
5.1 Einspritzhydraulik 145 Flächen A mit dem Geschwindigkeitsvektor v→ transportiert werden. Mit einer Massenbilanz folgt unter Berücksichti gung der Kompressibilität mit Gl. (5‑2)
(5-6)
für Druckänderungen.
a
Leitungen. Bei stark instationären Vorgängen spielt die Wel lenausbreitung in Leitungen, z. B. zwischen der Pumpe und dem Hochdruckspeicher oder zwischen dem Hochdruck speicher und den Injektoren, eine wesentliche Rolle. Die der Gl. (5‑6) entsprechende differenzielle Bilanz längs einer Stromröhre mit der Koordinate x und der Geschwindigkeit w lautet
b
(5-7)
Die um einen Reibungsansatz erweiterte Eulersche Bewe gungsgleichung (5-8)
berücksichtigt als Impulsbilanz die Trägheit des Kraftstoffs. Das aus den Gl. (5‑7) und (5‑8) bestehende partielle Diffe rentialgleichungssystem wird sehr genauen Berechnungen mit dem Modellelement Leitung zugrunde gelegt.
c
d Bild 5-1 Stoffeigenschaften von Prüföl nach ISO 4113. a Dichte ρ nach Glei‑ chung (5‑1); b Schallgeschwindigkeit a nach Gleichung (5‑4); c Spezifische Wärmekapazität cp nach Gleichung (5‑5a); d Isentrope Temperaturänderung nach Gleichung (5‑3)
Kurzes Rohr. Bei relativ kurzen Abschnitten, wie z. B. Kraft stoffbohrungen im Düsenbereich des Injektors, spielt die Trägheit des Kraftstoffes eine wesentliche Rolle, nicht aber die Druckwellenausbreitung. Daher wird beim Modell des kurzen Rohres auf Gl. (5‑7) verzichtet. Druckverluste der Strömung und die Trägheit des Fluids werden mit Gl. (5‑8) berücksichtigt. Das kurze Rohr benötigt im Vergleich mit der Leitung deutlich weniger Rechenzeit. Auch Strömungen in längeren Bohrungen oder Leitungen können in guter Nähe rung durch Hintereinanderschaltung von kurzen Rohren und Behältern beschrieben werden. Drosseln und Ventile. Der Volumenstrom in Drosseln und Ventilsitzen hängt von der anliegenden Druckdifferenz und einer effektiven Querschnittsfläche ab, die durch die geome trischen Verhältnisse bestimmt ist. Als mathematisches Mo dell eignet sich die um die Reibung erweiterte Bernoullische Energiegleichung:
(5-9)
146 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik Sie entsteht durch Integration der Gl. (5‑8) zwischen den Querschnitten „1“ und „2“. In r fließen phänomenologische Ansätze für Druckverluste durch Wandreibung und Unste tigkeitsstellen ein. Wegen der sehr kleinen Länge der be trachteten Abschn. kann die Trägheit und damit der erste Term meist vernachlässigt werden. Spaltströmungen. Leckagen, z. B. in Kolbenführungen von Hochdruckpumpen oder Injektoren, können als ebene Strö mung mittels der Reynoldschen Schmiermittelgleichung [5‑8] berechnet werden. In vielen Fällen müssen darüber hinaus zu sätzliche Einflüsse wie die Spaltaufweitung bei hohem Drücken und exzentrische Kolbenlagen berücksichtigt werden. Auch ist nicht immer gewährleistet, dass die Strömung laminar bleibt, was dann weitere korrigierende Eingriffe erfordert. Druckkräfte. Druckkräfte spielen bei beweglichen Bautei len, wie z. B. Druckventilen oder Düsennadeln, eine ent scheidende Rolle. Die Modellierung dieser Kopplung von Hydraulik und Mechanik basiert auf dem Ansatz
(5-10) Ist die Druckverteilung auf der Oberfläche O aus einer paral lel gekoppelten 3D‑Strömungssimulation bekannt, würde Gl. (5‑10) die exakte Kraft liefern. Dieser Aufwand kann in den meisten Fällen vermieden werden: Die Berechnung der Kraft wird mit
(5-11)
auf die angrenzenden Behälterdrücke pi und zugeordnete ef fektive Druckflächen AF,i zurückgeführt. Lokalen Abwei chungen vom Behälterdruck wird mit druck- und hubabhän gigen Kennfeldern der effektiven Druckflächen Rechnung getragen. Kavitation. Wenn der Druck lokal den Dampfdruck erreicht, bilden sich Dampfblasen, d. h. es entsteht Kavitation. In In jektoren wird z. B. eine Drossel vor dem Magnetventil gezielt so ausgelegt, dass während der Einspritzung Kavitation ein tritt. Damit ist der Durchfluss unabhängig vom Gegendruck und vom Magnetventilhub mit großen Vorteilen für die Mengenkonstanz. Schmitt [5‑9] hat bereits 1966 einen Weg aufgezeigt, wie relativ einfache Hypothesen mit der Energie gleichung (5‑8) verknüpft werden können, um auch bei Ka vitation den Durchfluss in Drosseln berechnen zu können. Die Qualität von Bauteil-Schadensvorhersagen erfordert da rüber hinaus große Anstrengungen bei der Entwicklung von Kavitationsmodellen und deren Integration in die dreidimen sionale CFD [5-10].
Parametrierung. Die Modelle werden mit den bekannten Dimensionen des Einspritzsystems, wie z. B. der Masse der Düsennadel, der Länge und dem Durchmesser der Leitungen und den Totvolumina des Injektors und des Rails para metriert. Die effektiven Querschnittsflächen der Ventile und die effektiven Ventildruckflächen werden mittels eines hubund druckabhängigen Kennfelds vorgegeben. Diese Kenn felder werden mit 3D‑CFD oder detaillierten Stromfaden modellen [5‑4] berechnet und in geeigneter Form in die Modelle eingebracht. Aufgrund der hohen Systemdrücke können Bauteilverfor mungen zur Änderung der hydraulischen Funktion führen. Einflüsse aus Elastizitäten werden mit Hilfe von Finiten Elemente Methode (FEM) bestimmt und in die Modelle integriert. Aktoren. Ebenfalls eine sehr große Rolle bei der genauen Zu messung der Einspritzmenge spielt die präzise Abbildung der Stellelemente wie z. B. des Magnetventils oder Piezostellers. Für die Berechnung des zeitlichen Auf- und Abbaus der Stell kraft kommen elektromagnetische Modelle zum Einsatz, die direkt mit den hydraulischen und mechanischen Modellen gekoppelt werden können. Bild 5‑2 zeigt am Beispiel eines piezogesteuerten Systems typische Simulationsergebnisse bei fünffacher Einspritzung.
5.2
Einspritzdüsen und Düsenhalter
Einspritzdüsen bilden die Schnittstelle zwischen Einspritzsys tem und Brennraum und beeinflussen maßgeblich Leistung, Abgas-Emissionen und Geräusch des Motors und dichten das Einspritzsystem zwischen den Einspritzungen zum Brennraum ab. Sie werden in Düsenhalterkombinationen (DHK), Unit- (UI) und Common Rail-Injektoren (CRI) ein gebaut und mit diesen als Funktionseinheit, räumlich sehr genau positioniert zum Brennraum, im Zylinderkopf ange baut, (Bild 5‑3). UI- und Common Rail-Injektoren werden in den betref fenden Teilkapiteln des Abschn. 5.3 erläutert. Für die Ansteuerung der Düsennadel gelten folgende Funktionsprinzipien: Nadelschließen/Abdichten des Einspritzsystems zum Brennraum. Die Düsennadel wird durch eine auf das Na delende wirkende, mechanisch oder hydraulisch erzeugte Schließkraft in den Düsensitz gepresst. Nadelöffnen: Die Düsennadel öffnet zu Beginn der Einspritz phase sobald die „hydraulische“ Kraft FD (Einspritzdruck wirkt auf die Kreisringfläche zwischen Nadelführung und Dü sensitz) auf der Sitzseite größer wird als die Schließkraft FS.
5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter 147
a
b
c
d
Bild 5-2 Simulationsergebnisse eines piezogesteuerten Pkw Common Rail Injektors. a Schaltventilhub; b Druck an der Einspritzdüse; c Düsennadelhub; d Einspritzverlauf
DHK und UI gehören zu nockengetriebenen Einspritzsys temen mit druckgesteuerter Düsennadel, CRI gehören zu Druckspeicher-Einspritzsystemen mit hubgesteuerter Düsennadel, d. h. eine „hydraulische“ Schließkraft ist in Abhängigkeit zum kennfeldabhängigen Systemdruck modu lierbar und damit ist der Nadelhub steuerbar (s. a. Ab schn. 5.3.1.1, Bild 5‑14).
5.2.1
Einspritzdüsen
Düsen nehmen entscheidenden Einfluss auf die Gemischbil dung durch gezielte Verteilung und optimale Zerstäubung des Kraftstoffs im Brennraum und sie beeinflussen den Ein spritzverlauf.
Aufbau, Bauarten Eine Standarddüse besteht aus einem Düsenkörper mit Hochdruckzulauf, Nadelführungs-, Sitz- und Spritzlochbe reich und einer nach innen öffnenden Nadel. Abhängig vom
Brennverfahren und der Nadelansteuerung sind drei grund sätzliche Düsenbauarten gängig (Bild 5‑4): – Drosselzapfendüsen für DHK-Anwendungen in IDI‑Motoren, sie haben heute in der Motorenentwicklung keine Bedeu tung mehr, – Lochdüsen für DHK‑,UI‑ und CRI‑Anwendungen in DI‑Motoren, – Düsenmodule, d. h. Lochdüsen mit integriertem hydrau lischem Steuerraum für CRI‑Anwendungen in DI‑Moto ren. Die Druckmodulation im Steuerraum erfolgt über Zulauf- und gesteuerte Ablaufdrosseln im Injektor. Das Steuerraumvolumen ist für eine gute Kleinstmengen fähigkeit hydraulisch steif, d. h. klein ausgelegt. Die Baugröße der Düsen richtet sich nach der Motorzylin dergröße und der Einspritzmenge. Des Weiteren werden Lochdüsen und Düsenmodule nach Sitzloch- und Sackloch ausführung unterschieden Bild 5‑5.
148 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-3 Düsenhalter, Injektoren. 1 Hochdruckzulauf; 2 Kraftstoffrücklauf; 3 Haltekörper; 4 Düsenspannmutter; 5 Düsenkörper; 6 Düsennadel; 7 Druckbolzen; 8 Druckfe‑ der; 9 Einstellscheibe; 10 Pumpenkolben; 11 Drucksteuer-Magnetventil; 12 Magnetspule; 13 Ventilanker; 14 Druckstange;15 Rückstellfeder; 16 Steuerraum; 17 Piezostel‑ ler; 18 hydraulischer Koppler, 19 Steuerventil, 20 Steuerraumhülse
Auslegung: Lochdüsen und Düsenmodule werden in allen aktuellen DI‑Motorkonzepten appliziert. Ziel der Düsenaus legung ist die wirkungsgradoptimierte Umsetzung der Druck energie in kinetische Energie, d. h. in Einspritzstrahlen, de ren Eindring-, Aufbruch- und Zerstäubungsverhalten auf das Brennverfahren, die Brennraumgeometrie, die Einspritz menge, das Luftmanagement des Motors und das last- und drehzahlabhängige Einspritzmuster optimal abgestimmt sind. Sitzgeometrie. Die Sitzauslegung berücksichtigt die Dicht funktion und bestimmt über den Sitzdurchmesser den Öff nungsdruck. Bei kleinen Hüben wirkt der Sitzspalt als Strö mungsdrossel, beeinflusst die Anströmung der Spritzlöcher und damit die Strahlaufbereitung und durch die strömungs
bedingten Druckfelder im Spalt die Nadeldynamik. Die Aus legung der Nadelsitz- und Nadelspitzenkegel bzgl. Länge und Winkeldifferenzen zum Körper erfolgt systemabhängig und ist ein Kompromiss aus Nadeldynamik (Einspritzmenge und -verlauf) und Langzeitstabilität (Geometrieangleich und da raus resultierende Einspritzmengendrift). Nadelführung: Die Nadelführung im Düsenkörper zentriert die Nadel zum Körpersitz während der Hubbewegung und dient der Trennung von Hochdruck- und Niederdruckbe reich (letzteres gilt nicht für Düsenmodul). Führungsspiele liegen im Bereich 1–5 µm, je höher der Einspritz- bzw. Sys temdruck, desto kleiner das Führungsspiel, um die Leckage verluste zu minimieren. Sitzlochdüsen weisen oft eine zweite Führung im Düsenschaft auf, um die Nadelzentrierung zum
5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter 149
Bild 5-4 Düsenbauarten. 1 Hochdruckzulauf; 2 Düsenkörper; 3 Düsennadel; 4 Druckzapfen; 5 Nadelführung, 6 Nadelsitz (-Ø); 7 Spritzloch; 8 Drosselzapfen; 9 Spritzzap‑ fen; 10 Sackloch; 11 Steuerraumhülse; 12 Steuerraum; 13 Zulaufdrossel, 14 gesteuerte Abströmdrossel; 15 Rückstellfeder; 16 Federteller; Drosselplatte (Injektor)
Bild 5-5 Sitzloch-, Sacklochausführungen
Sitz und damit die Mengenverteilung auf die Spritzlöcher und die Nadeldynamik zu verbessern. Sacklochdüsen sind diesbezüglich robuster, da die Strömung im Sitz die Verhält nisse am Spritzloch im Sackloch nicht direkt beeinflussen. Nadelhub. Die hydraulische Auslegung führt bei Vollhub zu vernachlässigbaren Drosselverlusten am Sitz. Der Nadelhub
ist entweder ballistisch oder durch einen Festanschlag begrenzt ausgeführt. Der ballistische Hub hat den Vorteil eines nahezu linearen (knickfreien) Mengenverlaufs über der Spritzdauer, ist jedoch nur in Verbindung mit Common Rail Injektoren sinnvoll, die den Öffnungs- und Schließzeit punkt gegenüber anderen Systemen sehr präzise steuern können.
150 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik Sitzloch-, Sacklochausführung, Schadvolumen (Bild 5‑5). Bei Sitz- und Sacklochdüsen ist das emissionsrelevante Merkmal die Größe des unter der Sitzkante nach dem Nadelschließen verbleibende sog. Schadvolumen, dessen Kraftstoffinhalt ausgast nicht optimal verbrennt und die HC‑Emissionen erhöht. Das kleinste Schadvolumen hat die Sitzlochdüse, gefolgt von konischen und zylindrischen Sacklochdüsenausführungen. Bei Sitzlochdüsen werden die Spritzlöcher ein- oder mehrreihig im Sitzkegel unterhalb des Nadelsitzes angeordnet, wobei wegen der Anströmung der Spritzlöcher und aus Festigkeitsgründen Mindestab stände einzuhalten sind. Bei Sacklochdüsen sind die erfor derlichen Mindestabstände zwischen den Spritzlöchern wesentlich kleiner. Spritzlochlänge (Bild 5‑6). Aktuelle Spritzlochlängen lie gen zwischen 0,7 und 1 mm. Sie beeinflussen den Strahl und auch die Kuppenfestigkeit, insbesondere bei Sitzlochdüsen
wegen der Nähe der Spritzlöcher zur Krafteinleitung im Sitz. Spritzgeometrie und Strahl. Ziel ist es, eine optimale Kraftstoffverteilung, ‑zerstäubung und Gemischaufberei tung im Brennraum zu erzeugen. Ausgelegt werden zu nächst Anzahl der Spritzlöcher, Strahlrichtung, jeweils mit räumlicher Zuordnung zu Zylinderkopf, Glühstift und Brennraummulde. Der Spritzlochquerschnitt wird durch die maximale Ein spritzmenge, den zugehörigen Einspritzdruck und die zuläs sige Spritzdauer festgelegt. Die Anzahl der Spritzlöcher richtet sich nach dem Brenn verfahren und dem Luftmanagement (u. a. Drall). Die Strahlen dürfen nicht ineinander verwehen. Derzeit werden bei Pkw 7–9 Spritzlöcher mit Durchmes sern von 105–135 µm und bei Nkw 6–8 Spritzlöcher mit Durchmessern von 150–190 µm appliziert.
Bild 5-6 Spritzlochgeometrie.1 Spritzlochdurchmesser; 2 Spritzlochlänge; 3 Einlauf hydroerosiv gerundet; 4 Spritzloch-Konizität
Tabelle 5-1 Übersicht Spritzlochauslegung Parameter
Auslegungshinweise
Lochanzahl
Möglichst hoch, jedoch Verwehen der Strahlen ineinander kritisch
Lochquerschnitt
Kleinstmöglich für optimale Zerstäubung und Gemischbildung
Hydroerosive Verrundung (Einlaufkante)
Verschleißvorwegnahme und je nach Grad der Verrundung eine Beeinflussung der Spritzlochinnenströmung (mit/ohne Kavita‑ tion) Bild 5-6, Bild 5-7
Konizität
In Verbindung mit hydroerosiver Verrundung und Lochlänge werden der Wirkungsgrad der Druckumsetzung und der Strahlauf‑ bruch beeinflusst
Lochlänge
Je kürzer umso kleiner die Strahleindringtiefe (bei gleichgestelltem Wirkungsgrad)
5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter 151
Bild 5-7 Strömungssimulation: Vergleich Spritzloch, Einlauf nicht gerundet/gerundet
Strahlauslegung: Für die optimale Spritzlochauslegung ei ner Düse stehen folgende Parameter zur Verfügung: Bei Auslegungen mit wirkungsgradoptimierten, nahezu kavitationsfreien Spritzlochströmungen, muss deren höhere Verkokungsempfindlichkeit durch geeignete Parameterwahl berücksichtigt werden. Lochselektive Spritzlochauslegungen, d. h. jedes Spritzloch ist individuell ausgelegt, Doppelloch anordnungen bis hin zu Lochnestern oder Kombinationen aus Sitzloch- und Sacklochausführungen mit parallelen, divergierenden oder sich kreuzenden Strahlen werden auf ihr Potenzial untersucht. Dies erfordert kleinere Spritzloch durchmesser und eine dafür entwickelte Erodier- oder Laserbohrfertigungstechnik.
Bild 5-8 Strahlbildanalyse
Strahl- und Sprayanalyse, Simulation: Strahlbildanalyse. Strahlbilder mit einer Hochgeschwindig keitskamera aufgenommen liefern schnell Aufschluss über Strahlform, Strahlbildsymmetrie, Strahlentwicklung zu Spritzbeginn und Spritzende und Hub/Hub-Streuungen durch Strahlkonturenvergleich (Bild 5‑8). Die Strahlkraftanalyse liefert genaue Informationen über Wirkungsgrad, Symmetrie, Strahlaufbruch und -struktur. Ein Drucksensor fährt in verschiedenen Abständen zur Düse den Einspritzstrahl ab und nimmt das Rohsignal und die Strahlstruktur auf (Bild 5‑9). Um weitere Informationen über das Spray, wie z. B. Strahlzerfall, Tröpfchengröße, Verdampfung, Luftentrain
152 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-9 Strahlkraftanalyse
ment, Gemischbildung und Verbrennung zu erhalten, wer den bestehende Verfahren laufend weiterentwickelt bzw. neue Techniken erprobt (Bild 5‑10). Die Kenntnis dieser Größen ist Voraussetzung für die Simulation einer Wirkkette von der Düseninnenströmung bis zur Verbrennung und Emissionsberechnung (Bild 5‑11). In allen Bereichen dieser Wirkkette wird intensiv entwickelt und geforscht. Für die Einspritzsysteme existieren bereits heute sehr gute Modelle, die sogar die hydraulische Wirkung von Bauteilveränderungen über der Lebensdauer abbilden. Werkstoffe, Kuppentemperatur. Bei Common Rail Syste men führen die ständigen Druckschwingungen im System zu Relativbewegungen im Sitz zwischen Nadel und Körper. Zur Verschleißreduzierung werden Gleitschichten aufge bracht. Düsenkuppen sind thermisch hoch belastet (Pkw bis ca. 300 °C, Nkw > 300 °C), entsprechend werden für hohe Temperaturen warmfeste Werkstoffe ausgewählt oder alter nativ Wärmeleithülsen eingesetzt. Bei dauerhaft niedrigen Betriebs- bzw. Kuppentempera turen ( 2000 bar befinden sich in der Ent wicklung. Das Common Rail System lässt sich in folgende Teilsys teme aufteilen (Bild 5‑26): – Niederdrucksystem mit den Komponenten der Kraftstoff versorgung (Kraftstofftank, Kraftstofffilter, Vorförder pumpe, Kraftstoffleitungen), – Hochdrucksystem mit den Komponenten Hochdruck pumpe, Rail, Injektoren, Raildrucksensor, Druckregelventil oder Druckbegrenzungsventil, Hochdruckleitungen, – Elektronische Dieselregelung mit Steuergerät, Sensoren und Aktoren. Die vom Motor angetriebene, kontinuierlich arbeitende Hochdruckpumpe baut den gewünschten Systemdruck auf und hält ihn weitgehend unabhängig von Motordrehzahl und Einspritzmenge aufrecht. Aufgrund der nahezu gleich förmigen Förderung baut die Pumpe kleiner und weist, im Vergleich zu anderen Einspritzsystemen, ein geringeres Spit zenantriebsmoment auf. Die Hochdruckpumpe ist als Radialkolbenpumpe, für Nfz teilweise auch als Reihen- oder Einzelsteckpumpe (Antrieb über Motornockenwelle) ausgeführt. Zur Regelung des Rail drucks kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz. Die Druckregelung kann hochdruckseitig über ein Druckregel ventil oder saugseitig durch eine in die Pumpe integrierte Zumesseinheit (bei Einzelsteckpumpen: in separatem Bauteil untergebracht) erfolgen. Zweistellersysteme kombinieren die
Vorteile beider Verfahren. Die Injektoren sind über kurze Hochdruckleitungen mit dem Rail verbunden. Über das Motorsteuergerät wird das im Injektor integrierte Schaltven til angesteuert, um die Einspritzdüse zu öffnen und wieder zu schließen. Öffnungsdauer und Systemdruck bestimmen die eingespritzte Kraftstoffmenge. Sie ist bei konstantem Druck proportional zur Einschaltzeit des Magnetventils und damit unabhängig von Motor- bzw. Pumpendrehzahl. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Systemen mit und ohne Druckübersetzung. Bei Systemen mit Drucküber setzung wird der von der Hochdruckpumpe erzeugte Druck über einen Stufenkolben im Injektor verstärkt. Lässt sich der Druckübersetzer über ein eigenes Steuerventil separat ansteuern, kann damit eine flexible Einspritzverlaufsfor mung realisiert werden. Die heute überwiegend eingesetz ten Systeme arbeiten ohne Druckübersetzung.
5.3.5.2
Niederdrucksystem
Im Niederdruckkreislauf ist die Kraftstoffversorgung der Hochdruckpumpe vom Tank und die Rückführung der Leck- und Überlaufmengen zum Tank zusammengefasst. Den prinzipiellen Aufbau zeigt Bild 5‑27, die wesentlichen Komponenten sind: – Kraftstoffbehälter, – Kraftstoffvorfilter mit Handpumpe (optional) und Kraft stoffhauptfilter, – Kühler für das Steuergerät (optional),
5.3 Einspritzsysteme 167
Bild 5-27 Niederdruckkreislauf für Pkw (links; saug- und hochdruckseitige Druckregelung) und Nfz (rechts; saugseitige Druckregelung). 1 Kraftstoffbehälter; 2 Vorfilter mit Wasserabscheider und Handpumpe; 3 Vorförderpumpe elektrisch /mechanisch; 4 Kraftstofffilter mit/ohne Wasserabscheider; 5 Zumesseinheit; 6 Überströmventil; 7 Nullförderdrossel; 8 Rail; 9 Injektorrücklauf; 10 Druckbegrenzungsventil; 11 Druckregelventil
– Vorförderpumpe, – Kraftstoffkühler (optional). Als Vorförderpumpen kommen Elektrokraftstoffpumpen (EKP, Bild 5‑28) oder Zahnradpumpen (ZP) zum Einsatz. Systeme mit EKP werden ausschließlich bei Pkw und leich ten Nfz verwendet. Die EKP wird meist im Kraftstofftank (Intank‑Pumpe), optional aber auch in der Zuleitung zur Hochdruckpumpe (Inline‑Pumpe) verbaut. Beginnend mit dem Startvorgang schaltet die EKP ein. Damit ist sicherge stellt, dass bei Motorstart der notwendige Druck im Nieder druckkreis vorhanden ist. Die Förderung des Kraftstoffs er folgt kontinuierlich und unabhängig von der Motordrehzahl,
überschüssiger Kraftstoff fließt über ein Überströmventil zum Tank zurück. Als Pumpenelement werden meist Rollen zellenpumpen (Schema s. Bild 5‑28) verwendet. Der Elektro motor wird durch den Kraftstoff gekühlt, womit sich eine hohe Motorleistungsdichte erreichen lässt. Im Anschlussde ckel ist ein Rückschlagventil integriert, das ein Leerlaufen der Kraftstoffleitungen nach dem Abschalten der Pumpe verhin dert. EKP haben gegenüber mechanisch angetriebenen Vor förderpumpen Vorteile hinsichtlich Startverhalten bei heißem Kraftstoff, beim Erststart und nach dem Motorser vice (z. B. Filterwechsel). ZP werden in Pkw- und Nfz-Systemen als Vorförderpum pe angewandt, für schwere Nfz kommen ausschließlich ZP
Bild 5-28 Einstufige Elektrokraftstoffpumpe (links) und schematische Darstellung der Rollenzellenpumpe (rechts). 1 Druckseite; 2 Rückschlagventil; 3 Mo‑ toranker; 4 Pumpenelement; 5 Druckbegren‑ zungsventil; 6 Saugseite; 7 Zulauf; 8 Nutscheibe; 9 Rolle; 10 Grundplatte; 11 Druckseite
168 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik zur Anwendung. Die ZP ist zumeist in die Hochdruckpum pe integriert und wird über deren Antriebswelle angetrie ben. Somit fördert die ZP erst beim Drehen des Motors, d. h. sie muss so ausgelegt sein, dass im Startfall ein genügend schneller Druckaufbau erfolgt. Für hohe Drehzahlen (För dermenge ist annähernd proportional zur Motordrehzahl) ist daher eine Mengenbegrenzung notwendig. Dies wird i. d. R. durch Drosselung auf der Saugseite der ZP realisiert. Zum Schutz des Einspritzsystems vor Verunreinigungen im Kraftstoff (Feststoffteilchen, Wasser) und damit zur Sicherstellung der geforderten Lebensdauer muss ein auf die jeweiligen Einsatzbedingungen abgestimmtes Kraftstofffil ter verwendet werden. Vorfilter mit integriertem Wasserab scheider werden vor allem für Nfz in Ländern mit schlechter Kraftstoffqualität und bei Industriemotorapplikationen ver wendet. Hinsichtlich ihrer Abscheidecharakteristik werden sie an den Hauptfilter angepasst. Der Hauptfilter ist i. d. R. druckseitig zwischen Vorförderpumpe und Hochdruck pumpe angeordnet. Im Niederdruckteil der Hochdruckpumpe befinden sich ein stufenlos regelbares Magnetventil, die Zumesseinheit (nur bei Systemen mit saugseitiger Mengenregelung) sowie das Überströmventil und die Nullförderdrossel. Die Zumess einheit passt die zur Hochdruckpumpe gelangende Menge so an, dass nur der hochdruckseitige Systemmengenbedarf auf den hohen Druck verdichtet wird. Die zuviel geförderte Kraftstoffmenge wird über das Überströmventil in den Tank bzw. vor die Vorförderpumpe geleitet. Bei kraftstoffge schmierten Pumpen dienen Drosseln im Überströmventil der Entlüftung bzw. garantieren eine ausreichende Schmier menge. Über die Nullförderdrossel werden die bei geschlos sener Zumesseinheit auftretenden Leckagemengen abge führt und damit ein ungewollter Raildruckanstieg verhin dert bzw. ein schneller Druckabbau sichergestellt.
5.3.5.3
Zeitpunkt der Einspritzung zu erreichen. Der von der Hoch druckpumpe verdichtete Kraftstoff wird über die Hochdruck leitung(en) in das Rail gefördert und von dort auf die ange schlossenen Injektoren verteilt. Das Rail hat neben der Spei cherfunktion auch die Aufgabe, die maximalen Druck schwingungen, die durch die pulsierende Pumpenförderung bzw. durch die Kraftstoffentnahme über die Injektoren ent stehen, zu begrenzen, um die Zumessgenauigkeit der Ein spritzung sicherzustellen. Einerseits sollte das Railvolumen möglichst groß sein, um dieser Anforderung gerecht zu wer den, andererseits muss es hinreichend klein sein, um einen schnellen Druckaufbau beim Start zu gewährleisten. Das Speichervolumen ist in der Auslegungsphase dahingehend zu optimieren. Als Eingangsgröße zur Druckregelung dient das Signal des Raildrucksensors, mit dem der aktuelle Kraftstoffdruck im Rail ermittelt wird. Zur Druckregelung kommen ver schiedene Verfahren zur Anwendung Bild 5‑29: Hochdruckseitige Regelung. Der gewünschte Raildruck wird über ein Druckregelventil (Proportional-Magnetventil, das über das Steuergerät angesteuert wird) hochdruckseitig geregelt. In diesem Fall fördert die Hochdruckpumpe unab
Hochdrucksystem
Der Hochdruckbereich des Common Rail Systems gliedert sich in die drei Bereiche Druckerzeugung, Druckspeicherung und Kraftstoffzumessung mit folgenden Komponenten: – Hochdruckpumpe, – Rail mit Drucksensor sowie Druckregel- oder Druckbe grenzungsventil, – Hochdruckleitungen, – Injektoren. Die Hochdruckpumpe wird vom Motor angetrieben. Das Übersetzungsverhältnis ist so zu wählen, dass die För dermenge ausreicht, um die Mengenbilanz des Systems zu erfüllen. Außerdem sollte die Förderung einspritzsynchron erfolgen um weitgehend gleiche Druckbedingungen zum
Bild 5-29 Hochdruckregelung von Common Rail Systemen. 1 Hochdruck‑ pumpe; 2 Kraftstoffzulauf; 3 Kraftstoffrücklauf; 4 Druckregelventil; 5 Rail; 6 Raildrucksensor; 7 Anschlüsse der Injektoren; 8 Anschluss Kraftstoffrücklauf; 9 Druckbegrenzungsventil; 10 Zumesseinheit; 11 Druckregelventil
5.3 Einspritzsysteme 169 hängig vom Kraftstoffbedarf die maximale Fördermenge. Der überschüssige Kraftstoff fließt über das Druckregelventil in den Niederdruckkreis zurück. Diese Regelung ermöglicht zwar eine schnelle Anpassung des Raildrucks bei Änderung des Betriebspunkts, die permanente Maximalförderung und das Abführen des unter Hochdruck stehenden Kraftstoffs sind energetisch betrachtet nachteilig. Wegen des ungüns tigen energetischen Verhaltens ist die Anwendung eines sol chen Systems auf niedrige Druckbereiche (max. 1400 bar) begrenzt. Diese Art der Regelung wurde bei den ersten Com mon Rail Systemen für Pkw angewandt. Das Druckregelven til ist meist am Rail, bei einzelnen Anwendungen auch an der Hochdruckpumpe angebaut. Saugseitige Regelung. Die Regelung des Raildrucks erfolgt bei diesem Verfahren niederdruckseitig über die an der Hochdruckpumpe angeflanschte Zumesseinheit. Durch die saugseitige Mengenregelung wird nur die Kraftstoffmenge in das Rail gefördert, mit welcher der geforderte Raildruck auf rechterhalten wird. Dadurch muss im Vergleich zur hoch druckseitigen Regelung weniger Kraftstoff auf Hochdruck verdichtet werden, die Leistungsaufnahme der Pumpe ist da mit geringer. Das wirkt sich einerseits positiv auf den Kraft stoffverbrauch aus, andererseits ist die Temperatur des in den Tank zurücklaufenden Kraftstoffs niedriger. Diese Art der Druckregelung wird bei allen Nfz-Systemen angewandt. Um im Fehlerfall (z. B. Ausfall der Zumesseinheit) einen unzulässigen Druckanstieg zu verhindern, ist am Rail ein Druckbegrenzungsventil angebaut. Übersteigt der Druck einen definierten Wert, dann wird über einen beweglichen Kolben eine Ablaufbohrung freigegeben. Diese ist so ausge legt, dass sich über alle Motordrehzahlen hinweg ein Rail druck einstellt, der deutlich unterhalb des maximalen Sys temdrucks liegt. Durch diese Notfahrfunktion (limp-homeFunktion) wird eine eingeschränkte Weiterfahrt zur nächsten Servicestation ermöglicht, eine Eigenschaft, die insbesondere im Transportgewerbe außerordentlich wichtig ist. Saug- und hochdruckseitige Regelung. Wenn der Druck nur auf der Niederdruckseite eingestellt werden kann, dauert der Druckabbau im Rail bei negativen Lastwechseln u. U. zu lange. Dies gilt insbesondere bei Verwendung von Injektoren mit geringer innerer Leckage, wie z. B. Piezoinjektoren. Um die Dynamik für die Druckanpassung an die veränderten Lastbedingungen zu beschleunigen, wird zusätzlich ein am Rail angebautes Druckregelventil verwendet. Mit diesem Zweistellersystem werden die Vorteile der niederdrucksei tigen Regelung mit dem günstigen dynamischen Verhalten der hochdruckseitigen Regelung kombiniert. Ein weiterer Vorteil gegenüber der ausschließlich nieder druckseitigen Regelung ergibt sich dadurch, dass bei kaltem
Motor nur hochdruckseitig geregelt werden kann. Die Hochdruckpumpe fördert somit mehr Kraftstoff als einge spritzt wird, der überschüssige Kraftstoff wird dadurch deutlich schneller erwärmt, wodurch auf eine separate Kraftstoffheizung verzichtet werden kann. Hochdruckpumpe und Injektoren sind mit dem Rail über Hochdruckleitungen verbunden. Diese müssen dem maxi malen Systemdruck und den zum Teil sehr hochfrequenten Druckschwankungen standhalten. Sie bestehen aus naht losen Präzisionsstahlrohren, die für sehr hohe Festigkeitsan sprüche auch autofrettiert werden können. Aufgrund von Drosselverlusten und Kompressionseffekten beeinflussen Querschnitt und Leitungslänge Einspritzdruck und ‑menge. Daher müssen die Leitungen zwischen Rail und Injektor gleich lang und so kurz wie möglich gehalten werden. Die durch die Einspritzung entstehenden Druckwellen breiten sich in den Leitungen mit Schallgeschwindigkeit aus und werden an den Enden reflektiert. Dadurch beeinflussen sich dicht aufeinander folgende Einspritzungen (z. B. Vor- und Haupteinspritzung) gegenseitig, was sich negativ auf die Zumessgenauigkeit auswirken kann. Weiterhin führen die Druckwellen zu einer erhöhten Injektorbelastung. Durch Einbau optimierter Drosseln in den Anschluss am Rail las sen sich diese Druckwellen deutlich reduzieren. Der Effekt auf die Zumessgenauigkeit wird bei Festlegung der Kenn felder oder durch eine entsprechende Software-Funktion (siehe Abschn. 5.3.5.7) ausgeglichen. Die Hochdruckleitungen werden mit Klemmstücken, die in definierten Abständen angebracht sind, am Motor fixiert. Schwingungen (Motorvibration, Förderimpuls) übertragen sich damit nicht oder nur gedämpft auf Hochdruckleitungen und angeschlossene Komponenten. Die Injektoren werden über Spannelemente im Zylinder kopf befestigt und durch Kupferdichtscheiben zum Brenn raum hin abgedichtet. Hinsichtlich der Verbindung des Injektors mit dem Rail bzw. dem Niederdruckkreis (Rück lauf) gibt es verschiedene, an das jeweilige Motorkonzept angepasste Bauarten (Bild 5‑30). Für Pkw und Light-DutyAnwendungen wird der Hochdruckanschluss über einen integrierten Druckrohrstutzen (Dichtkegel an Hochdruck leitung und Überwurfmutter) realisiert. Der Rücklauf erfolgt über eine Steckverbindung am Kopf des Injektors oder ebenfalls über einen Schraubanschluss. Bei Motoren für schwere Nutzfahrzeuge werden die ent sprechenden Verbindungen über interne Anschlüsse herge stellt. Für den Hochdruckanschluss wird als Verbindungs glied zwischen Hochdruckleitung und Injektor ein separater Druckrohrstutzen eingesetzt. Über eine Schraubverbindung im Motorblock wird der Druckrohrstutzen in die kegelför mige Zulaufbohrung des Injektors gedrückt. Die Abdich tung erfolgt durch den Dichtkegel an der Druckrohrspitze.
170 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-30 Bauarten Common Rail Injektoren (LD: Light Duty, MD: Medium Duty, HD: Heavy Duty). 1 elektr. Steckanschluss; 2 externer Rücklauf; 3 exter‑ ner Hochdruckanschluss; 4 elektr. Schraubanschluss; 5 interner Rücklauf; 6 in‑ terner Hochdruckanschluss
Am anderen Ende ist er über einen konventionellen Druck anschluss mit Dichtkegel und Überwurfmutter mit der Hochdruckleitung verbunden. Der im Druckrohrstutzen eingebaute wartungsfreie Stabfilter hält grobe Verunreini gungen im Kraftstoff zurück. Der elektrische Kontakt des Injektors wird über Steck- oder Schraubverbindung herge stellt. Einspritzzeitpunkt und Einspritzmenge werden über das Steuergerät vorgegeben. Die Menge wird über die Ansteuer dauer der im Injektor eingebauten Aktoren bestimmt, der Einspritzzeitpunkt wird über das Winkel-Zeit-System der elektronischen Dieselregelung (EDC, siehe Abschn. 6.2) gesteuert. Zur Anwendung kommen elektro-magnetische und piezo-elektrische Aktoren. Die Verwendung von Pie zostellern beschränkt sich heute ausschließlich auf Injek toren für Pkw-Anwendungen.
5.3.5.4
Hochdruckpumpen
Die Hochdruckpumpe ist die Schnittstelle zwischen dem Nieder- und Hochdruckteil des Common Rail Systems. Ihre Aufgabe besteht darin, die vom System benötigte Kraftstoff menge auf dem betriebspunktabhängig gewünschten Druck niveau bereit zu stellen. Diese umfasst nicht nur die aktuell vom Motor benötigte Einspritzmenge, sondern berücksich tigt darüber hinaus Mengenreserven für einen schnellen Startvorgang und einen raschen Druckanstieg im Rail, aber auch Leckage- und Steuermengen für andere Systemkompo nenten inkl. deren verschleißbedingte Drift über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs.
Bild 5-31 Common Rail-Radialkolben-Hochdruckpumpe (Schema, Radial‑ schnitt). 1 Exzenterwelle; 2 Polygon; 3 Pumpenkolben; 4 Ansaugkanal; 5 An‑ saug-Rückschlagventil; 6 Hochdruckkanal zum Rail; 7 Auslass-Rückschlagven‑ til; 8 Hochdruckzylinder; 9 Kolbenfußscheibe
Aufbau und Funktion Bei den Pkw Common Rail Systemen der ersten Generation kommen überwiegend Hochdruckpumpen mit Exzenter wellenantrieb und drei radial angeordneten Kolben zur An wendung, siehe Bild 5‑31. An dieser Bauart soll im Folgenden die Funktion einer Common Rail-Hochdruckpumpe bei spielhaft erläutert werden. Das zentrale Antriebsbauteil ist die Exzenterwelle (1). Radial zu dieser und um jeweils 120 Grad am Umfang der Pumpe versetzt befinden sich die Pumpenelemente, d. h. Funktionsgruppen aus Kolben (3), Zylinder (8), zugehö rigen Ventilen (5, 7) und Kraftstoffkanälen (4, 6). Über das sog. Polygon (2), ein auf den Exzenter der Exzenterwelle geschobenes 120 Grad‑Dreiflach, wird die Hubbewegung des Exzenters auf die Pumpenkolben übertragen, wobei die Fußscheibe des Kolbens (9) auf dem Polygon eine hin- und hergehende Gleitbewegung ausführt. Bei seiner durch Federkraft erzwungenen Abwärtsbewegung saugt der Kol ben über ein als Rückschlagventil ausgebildetes Saugven til (5) Kraftstoff aus dem Ansaugkanal (4) der Pumpe an. Die Förderung des Kraftstoffs vom Tank zur Pumpe und die Erzeugung eines Vordrucks im Ansaugkanal übernimmt dabei je nach Hochdruckpumpentyp eine mechanische, in die Pumpe integrierte, oder externe elektrische Vorförder pumpe. Kurz nach dem unteren Totpunkt der Kolbenbewe gung schließt das Saugventil, und bei der folgenden Auf
5.3 Einspritzsysteme 171 wärtsbewegung des Kolbens wird der Kraftstoff im Zylinder solange verdichtet, bis der Öffnungsdruck des ebenfalls als Rückschlagventil gestalteten Auslassventils (7) erreicht wird, welcher in etwa dem im Rail vorliegenden Druck entspricht. Nach dem Öffnen des Auslassventils strömt der Kraftstoff aus der Pumpe über die Hochdruckverbindungsleitung (6) zum Rail. Im oberen Totpunkt des Kolbens ist das Ende des Förderhubs erreicht und bei der folgenden Abwärtsbewe gung fällt der Druck im Zylinder wieder ab, wodurch das Auslassventil schließt. Der Befüllvorgang des Zylinders beginnt nun von neuem. Hochdruckpumpen werden vom Verbrennungsmotor mit einem festen Übersetzungsverhältnis angetrieben, wobei abhängig von der Zylinderzahl des Motors und der Pumpe nur bestimmte Werte sinnvoll sind. Übersetzungsverhält nisse von 1/2 und 2/3 bezogen auf die Motordrehzahl sind bei 4‑Zylinder-Motoren in Verbindung mit DreikolbenPumpen weit verbreitet. Bei kleineren Übersetzungsverhält nissen müsste zur Kompensation das geometrische Förder volumen der Pumpe unnötig groß ausgelegt werden, größe re Übersetzungsverhältnisse dagegen stellen höhere Anfor derungen an die Drehzahlfestigkeit der Pumpe. Die sog. einspritzsynchrone Förderung einer Pumpe dient zur Erzie lung konstanter Druckverhältnisse zum Einspritzzeitpunkt in Rail und Injektor. Dabei muss die Anzahl der Pumpen-Förderhübe pro Nockenwellenumdrehung der Zylinderzahl des Motors ent sprechen. Bei 4‑Zylinder-Motoren mit Dreikolben-Pumpen ist dies z. B. bei einer Übersetzung von 2/3 gegeben. Ist bei Einspritzsynchronität darüber hinaus jedem Einzelinjektor stets dasselbe Pumpenelement zugeordnet, so erreicht man den Idealzustand der sog. elementsynchronen Förderung. Diese kann für 4‑Zylinder-Motoren grundsätzlich nur mit Ein‑ oder Zweikolben-Pumpen und entsprechend ange passtem Übersetzungsverhältnis erreicht werden. Die beschriebene Kopplung zwischen Pumpenelement und Injektor ist für die sog. Mengenausgleichsregelung zur Reduzierung der Einspritzmengenunterschiede zwischen den Zylindern nötig und kann auch bei asynchroner Förde rung gegeben sein, falls die Phasenlage der Pumpenhübe relativ zum Einspritzzeitpunkt nach jeder NockenwellenUmdrehung erhalten bleibt. Die Einstellung eines exakten Werts für die Phasenlage der Pumpen-Förderhübe zu den Einspritzungen in Grad Nockenwinkel kann zur weiteren Steigerung der Genauigkeit der Einspritzmenge bei der Montage der Pumpe über eine definierte Zuordnung der Drehwinkel von Nockenwelle und Pumpenantriebswelle erfolgen. Hochdruckpumpen für druckübersetzte Common Rail Systeme müssen bei gleichem Einspritzmengenbedarf prin zipbedingt und wegen der größeren Steuermengen für den
Injektor eine höhere Fördermenge liefern als Pumpen für nichtübersetzte Systeme. Aufgrund der Druckerhöhung im Injektor kann die Pumpe allerdings auf einem niedrigeren Druckniveau fördern, wodurch die größere Bauteilbelastung durch die Fördermengenerhöhung teilweise kompensiert wird.
Mengensteuerung Aufgrund der eingangs genannten Auslegungskriterien för dert die Hochdruckpumpe üblicherweise wesentlich mehr Kraftstoff als von Motor bzw. System benötigt wird, insbeson dere im Teillastbetrieb des Motors. Dies führt ohne regelnde Maßnahmen zu unnötig hohem Leistungsaufwand bei der Hochdruckerzeugung. Dieser resultiert in einer Aufheizung des Kraftstoffsystems, welche u. a. schädlich wegen der nach lassenden Schmierwirkung des heißen Kraftstoffs ist. Zur Anpassung der Fördermenge an den Motorbedarf wird in modernen Hochdruckpumpen die sog. Saugdrossel regelung eingesetzt. Bei dieser wird in den Zulaufkanal der Pumpenelemente eine elektrisch verstellbare Drossel einge baut, die sog. Zumesseinheit, deren Aufbau im Bild 5‑32 dargestellt ist. Der Kolben eines Magnetventils (10) gibt abhängig von seiner Stellung einen Strömungsquerschnitt frei, wobei die Ansteuerung mittels eines pulsweiten modulierten elektrischen Signals erfolgt, dessen Tastverhält nis in einen entsprechenden Ansaugquerschnitt umgesetzt wird. Im Teillastbetrieb des Motors werden über den dann angedrosselten Zulaufkanal die Pumpenzylinder nicht voll ständig befüllt, wobei in letzteren in bestimmten Betriebszu ständen Kraftstoffdampf entsteht und die Förderleistung der Pumpe insgesamt abnimmt. Bei der Aufwärtsbewegung des Pumpenkolbens bricht zunächst die im Pumpenzylinder entstandene Dampfblase zusammen, bevor dann im Teilhub Druckaufbau und Kraftstoffförderung ins Rail beginnen. Der schlagartige Druckaufbau nach dem Zusammenfall der Dampfblase in den Pumpenzylindern bewirkt eine erhöhte Triebwerksbelastung gegenüber Pumpen ohne Saugdrossel regelung.
Hauptbauarten für Pkw Die für Pkw eingesetzten Radialkolben-Hochdruckpumpen sind ausnahmslos kraftstoffgeschmiert, was durch die gerin gere Schmierfähigkeit gegenüber Motoröl höchste Anforde rungen an die Oberflächenqualität der an der Hochdrucker zeugung beteiligten Bauelemente stellt. Die Kraftstoffschmie rung vermeidet sicher eine Fluidvermischung von Kraftstoff und Motoröl, die wegen der Gefahr der Ölverdünnung und Düsenverkokung durch Ölanteile im eingespritzten Kraft stoff unerwünscht ist.
172 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-33 Common Rail-Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe, Typ CP3, Robert Bosch GmbH. 1 Pumpenflansch; 2 Tassenstößel; 3 Exzenterwelle; 4 Po‑ lygon auf Exzenter; 5 Pumpenkolben; 6 Ansaug-Rückschlagventil; 7 Mono‑ block-Gehäuse; 8 Zahnrad-Vorförderpumpe; 9 Hochdruckanschluss zum Rail; 10 Hochdruck-Rückschlagventil; 11 Rücklaufanschluss zum Tank; 12 Zumess‑ einheit; 13 Niederdruckanschluss
Bild 5-32 Aufbau einer Zumesseinheit. 1 Stecker mit elektrischer Schnitt‑ stelle; 2 Magnetgehäuse; 3 Lager; 4 Anker mit Stößel; 5 Wicklung mit Spulen‑ körper; 6 Topf; 7 Restluftspaltscheibe; 8 Magnetkern; 9 O-Ring; 10 Kolben mit Steuerschlitzen; 11 Feder; 12 Sicherungselement
CommonRail-Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe. Die ses eingangs schon beschriebene Pumpenprinzip zeichnet sich durch eine sehr gleichmäßige Kraftstoffförderung mit drei um 120 Grad Exzenterwinkel versetzten, sinusartigen Fördervorgängen aus, die zu einem sehr konstanten Verlauf des Antriebsdrehmoments der Pumpe führt. Drehmoment spitzen bei Common Rail-Pumpen sind um den Faktor fünf bis acht niedriger als bei Verteilerpumpen oder Unit Injec toren mit ihrem stark schwellenden, impulsartigen Drehmo ment, wodurch der Pumpenantrieb kostengünstiger ausge legt werden kann. Die im Common Rail System nötigen Reserve-Fördermengen führen allerdings im Vergleich zu einem höheren mittleren Drehmoment. Bild 5‑33 zeigt mit dem Typ CP3 der Fa. Bosch eine cha rakteristische Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe mit Saugdrosselregelung (12) und direkt an das Pumpengehäu
se angeflanschter Außenzahnradpumpe (8) zur KraftstoffVorförderung. Im Gegensatz zum Typ CP1 (ohne Saugdros selreglung) wird die Bewegung des Polygons nicht direkt auf die Kolben übertragen, sondern auf dazwischen ange ordnete Tassenstößel (2), die die reibungsbedingten Quer kräfte von den Kolben (5) fernhalten und in das Pumpen gehäuse (7) ableiten. Dadurch können die Kolben höher belastet werden, so dass derart ausgestattete Pumpen für höhere Druckbereiche und größere Fördermengen geeignet sind. Beim Typ CP3 befinden sich die Niederdruckkanäle hauptsächlich in dem in Aluminium ausgeführten Pumpen flansch (1), der das kundenspezifische Schnittstellen-Bauteil zum Motor darstellt und verschraubt ist mit dem Schmie destahl-Gehäuse in Monoblock-Bauweise (7). Dieses erzielt eine hohe Druckfestigkeit bei allerdings großem Bearbei tungsaufwand für die langen Hochdruck-Bohrungen inner halb des sehr schwer zerspanbaren Gehäusewerkstoffs. Common Rail Ein- und Zweikolben-Radial-Hochdruckpumpe. Bei neuen Hochdruckpumpen-Entwicklungen, ins besondere für kleine und mittelgroße Pkw‑Motoren, wird zur Kostenoptimierung die Anzahl der Pumpenelemente auf zwei und sogar auf eins reduziert. Als Maßnahmen zur Kom
5.3 Einspritzsysteme 173 pensation der dadurch reduzierten Fördermenge kommen zur Anwendung (ggf. auch in Kombination): – vergrößerte Zylindervolumina (wodurch sich bei vergrö ßertem Kolbendurchmesser Wirkungsgradnachteile ergeben), – Drehzahlerhöhung (durch angepasstes Antriebsüberset zungsverhältnis), – Antriebswelle mit Doppelnocken statt Exzenterwelle mit Polygon (dadurch Verdoppelung der Kolbenhübe pro Antriebswellenumdrehung). Zur Erzielung eines gleichmäßigen Förderstroms weisen die Pumpenelemente von Zweikolben-Pumpen abhängig vom Antriebskonzept eine Kröpfung von 90 oder 180 Grad auf. Der Pumpentyp CP4 (Bild 5‑34) besitzt zwei Kolben in 90 Grad-Anordnung und eine Antriebswelle mit Doppel nocken. Zur Vermeidung von Punktkontakt zwischen Nocken (6) und Tassenstößel (8) muss zwischen diesen ein weiteres Übertragungsglied eingefügt werden, bei dieser Bauart eine im Stößel gelagerte, auf dem Nocken ablaufende Rolle (7).
Die dargestellte Pumpe wird auch als Einkolbenvariante hergestellt; diese kann vorteilhaft mit einem Übersetzungs verhältnis von 1 angetrieben werden, wodurch sich bei 4‑Zylinder-Motoren eine elementsynchrone Förderung ergibt und zudem die geringe Kolbenzahl hinsichtlich För dermenge gut kompensiert wird.
Hauptbauarten für Nkw Die bisher beschriebenen Pumpen kommen auch im Nutz fahrzeugbereich zum Einsatz, insbesondere im Light- und Medium Duty-Anwendungsbereich. Die im Heavy Duty-Be reich verwendeten Pumpen werden mit Rücksicht auf die großen Belastungen durch die hohen notwendigen Förder mengen und Lebensdauern oft ölgeschmiert ausgelegt. Dies ist möglich, weil sich eine eventuelle Düsenlochverkokung durch Ölanteile im Kraftstoff wegen der größeren Spritzloch durchmesser in geringerem Maße auswirkt. Common Rail Reihen-Hochdruckpumpe. Für sehr große Nutzfahrzeugmotoren, bei denen oft auch Einbaukompatibi lität mit konventionellen Reihenpumpen (s. Abschn. 5.3.2) gefordert wird, kommen Pumpen wie in Bild 5‑35 (Typ CP2, Fa. Bosch) zur Anwendung: es handelt sich um eine Zweikol benpumpe in Reihenbauart mit nebeneinander angeord neten Pumpenelementen. Die Fördermengenregelung über nimmt eine zwischen Vorförderpumpe (5) und Ansaug ventilen angeordnete Zumesseinheit (2) in der bereits oben beschrieben Weise. Der Kraftstoffzulauf zu den Verdich tungsräumen und die Weiterleitung des verdichteten Kraft stoffs ins Rail erfolgen bei dieser Pumpe über kombinierte Ein/Auslassventile (7).
5.3.5.5
Rail und Anbaukomponenten
Funktion Rail Speichereinspritzsysteme verfügen über einen Hochdruck speicher, auch (Common) „Rail“ genannt. Dem Rail kom men die Hauptfunktionen – Kraftstoff unter Hochdruck speichern und – Kraftstoff auf die Injektoren verteilen zu.
Bild 5-34 Common Rail-Zweikolben-Radial-Hochdruckpumpe, Typ CP4, Robert Bosch GmbH. 1 Zumesseinheit; 2 Zylinderkopf; 3 Pumpenflansch; 4 Antriebswelle; 5 Aluminium-Gehäuse; 6 Doppelnocken; 7 Rolle; 8 Tassen‑ stößel; 9 Pumpenkolben; 10 Hochdruckanschluss zum Rail; 11 HochdruckRückschlagventil; 12 Ansaug-Rückschlagventil
Dabei beinhalten diese beiden Hauptfunktionen auch die Dämpfung von Druckschwankungen bei der Befüllung und Entnahme von Kraftstoff aus dem Rail. Die zulässige Raildruckschwankung stellt ein Auslegungskriterium beim Rail dar. Überdies erfüllt das Rail auch die Nebenfunk tionen: – Anbauort von Sensoren und Aktoren im Hochdruck kreis
174 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-35 Common Rail-Zweikolben-Reihen-Hochdruck‑ pumpe für Nkw, Typ CP2, Robert Bosch GmbH. 1 Nullförderdrossel; 2 Zumesseinheit; 3 Hohlrad; 4 Ritzel; 5 Zahnrad-Vorförderpumpe; 6 Hoch‑ druckanschluss; 7 zweiteiliges Ein-/Auslassventil; 8 C‑beschichteter Kolben; 9 Kolbenfeder; 10 Ölzu‑ laufbohrung; 11 C‑beschichteter Rollenbolzen; 12 konkaver Nocken
– Drosselelementen zur Dämpfung von Leitungsdruck schwingungen zwischen Hochdruckpumpe und Rail sowie den Injektoren und Rail, – Verbindungselement der Komponenten im Hochdruckkreis des Common Rail Systems, wie Hochdruckpumpe, Injektoren über die Hochdruckleitungen. Der von der Hochdruckpumpe verdichtete Kraftstoff gelangt über eine Hochdruckleitung zum Rail, wird dort gespeichert und über weitere Hochdruckleitungen, die mit den Injek toren verbunden sind, auf diese verteilt. Durch das gespei cherte Volumen im Rail, in Verbindung mit der Kompressi bilität des Kraftstoffs, ist das Rail in der Lage Druckschwan kungen, die durch Entnahme und Zufluss zum Rail hervor gerufen werden, zu dämpfen. Der Druck im Rail hängt somit von den Verbrauchern und der Pumpe die ans Rail ange schlossen sind und dem Speicherverhalten des Rails selbst ab. Der aktuelle Druck im Rail wird vom Raildrucksensor gemessen, Stellgrößen zur Beeinflussung des Raildrucks sind neben der Pumpe und den Injektoren das Druckregelventil, welches am Rail selbst oder an der Hochdruckpumpe ange baut sein kann.
Auslegung Rail Die Auslegung des Rails folgt dem Zielkompromiss mög lichst große Speicherfähigkeit und damit Dämpfung über ein
großes Volumen darzustellen, um den Raildruck konstant zu halten und andererseits möglichst dynamisch auf Raildrucksollwertänderungen zu reagieren. Etwa beim Druck aufbau im Start oder dynamischen Lastwechseln des Motors, wobei hier große Druckaufbau‑ und Abbaugeschwindig keiten je nach Laständerung gefordert sein können. Hier wäre ein möglichst kleines Hochdruckvolumen optimal. Mit Hilfe von Simulationen des Gesamtsystems an repräsenta tiven Lastpunkten und Verifikation an hydraulischen Prüfständen wird das minimal erforderliche Railvolumen als Funktion der Haupteinspritzmenge, bei gegebener Motor konfiguration ermittelt. Tabelle 5‑2 zeigt typische Ausle gungen für das Railvolumen für Serienapplikationen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass etwa durch die Randbedingung gleicher Leitungslängen im Hochdrucksystem zur Vermei dung von Zyl./Zyl.-Streuungen, die Länge des Rails motor seitig vorgegeben sein kann. Weitere Aspekte stellen der fahrzeugseitig vorgegeben Bauraum und Fertigungsaspekte beim Rail dar. Somit liegt das tatsächlich gewählte Railvolu men oft über dem funktional vorgegebenen Minimalvolu men, ohne dabei die geforderten Dynamikanforderungen merklich zu unterschreiten. Die an den Railabgängen angebrachten Dämpfungsdros seln sind als Kompromiss zwischen kleinstmöglichem Druckabfall und größtmöglicher Dämpfung der Reflexions wellen zwischen Rail und dem Verbrauchern ausgelegt. Funktional dienen die Drosselelemente zur Belastungsredu
5.3 Einspritzsysteme 175
Tabelle 5-2 Serienauslegungen für typische Applikationen Pkw-Motor
QE, max. [mm3/H]
Drossel-Ø [mm]
V RAK [ccm]
VHD gesamt [ccm]
Anzahl Rail
Verbindungsrail/-leitung
R4 R6 V6 V8 Nkw-Motor R4 R6
~ 80 ~ 80 ~ 80 ~ 90
0,85 0,85 0,85 0,85
~ 25 ~ 35 ~ 20 ~ 25
~ 20 ~ 40 ~ 50 ~ 60
1 1 2 2
– – JA JA
~ 200 ~ 450
0,85 0,85…1,3
14…20 20…40
20…30 35…65
1 1
– –
zierung der Pumpe und der Injektoren, sowie der Dämp fung von Leitungsdruckschwankungen, die bei Mehr facheinspritzung die Zumessgüte vermindern können.
Bauarten Rail Die gewählte Bauform des Rails hängt maßgeblich von den Motorgegebenheiten und der Ausführung des Common Rail Systems selbst ab. Bild 5‑36 zeigt ein typisches 4‑Zylinder Rail für ein Pkw Common Rail System mit angebautem Druckregelventil und Raildrucksensor. Je nach Fertigungs konzept sind Rails aus Schmiedrohlingen oder Rohrhalbzeu gen ausgeführt. Die bei der Spanbearbeitung auftretenden Verschneidungen werden i. d. R. verrundet, um die gefor derte Festigkeit zu erreichen. Die eingangs erwähnten Dämp fungsdrosseln an den Hochdruckabgängen zu Injektor und Pumpe können gebohrt oder als separate Bauteile eingepresst werden. Bei Reihenmotoren wird im System ein Rail einge setzt, während bei V-Motoren üblicherweise pro Zylinder bank des Motors ein Rail zum Einsatz kommt. Die spezielle Ausführung ist wieder motorabhängig und kann Ausgleichs leitungen zwischen den Rails oder gar Verbindungsrails ent halten, die eine möglichst gleiche Druckverteilung zwischen den Motorbänken und -zylindern sicherstellt.
Bild 5-36 Typisches Rail mit Anbaukomponenten für eine Pkw 4‑Zyl. Applikation
Raildrucksensor Der Raildrucksensor dient zur Erfassung des aktuellen Rail drucks, der Sensor ist am Rail verbaut und elektrisch mit dem Steuergerät verbunden. Weitere Ausführungen sind in Abschn. 6.3 Sensoren zu finden.
Druckregelventil Das Druckregelventil hat die Aufgabe als hochdruckseitiger Steller im Hochdruckregelkreis den Raildruck einzustellen. Dies geschieht durch Veränderung eines Querschnitts im Druckregelventil, über den je nach anstehendem Druck und elektrischem Strom mehr oder weniger Kraftstoff von Hoch druck auf Niederdruck abgesteuert wird. Das Ventil ist vor zugsweise am Rail angebaut und speist seine Absteuermenge in den Niederdruckkreis des Common Rail Systems ein. Bild 5‑37 zeigt den Aufbau und die funktionsbestimmenden Bauteile. Der Ventilkörper beherbergt einen Ventilsitz, der über einem Drosselquerschnitt angeströmt wird. Die Ventilkugel steht im Kräftegleichgewicht der hydraulischen Kraft infolge der Anströmung, sowie der Federkraft und Magnetkraft, die über den Magnetventilbolzen auf die Kugel eingebracht
176 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-38 Schnitt durch ein Druckbegrenzungsventil mit Notlauffunktion
Bild 5-37 Schnitt durch ein Druckregelventil
werden. Erhöht sich die hydraulische Kraft infolge größerer Durchsätze über den Ventilquerschnitt, so lenkt diese die Kugel und damit den Magnetventilbolzen stärker aus, was zu einer Erhöhung der Federkraft und somit zu einer pro portionalen Gegenkopplung führt. Soll einem größeren mittleren Druck Stand gehalten werden, prägt das Steuerge rät durch Pulsweitenmodulation dem Magneten einen höheren mittleren Strom auf, was die Magnetkraft erhöht. Im regelungstechnischen Sinne handelt es sich bei dieser Ventilausführung um ein PI‑Glied, das über eine langsame integrative Führungsgröße und eine schnelle proportionale Störgrößenaufschaltung verfügt. Damit werden hochdyna mische Druckschwankungen proportional ausgeglichen und über den Integrator in der Regelkaskade die bleibende Regelabweichung zu null geführt. Um ungewünschte Hystereseeffekte auszuschließen, wird dem Stromsignal eine Dither-Frequenz überlagert, die den Magnetbolzen stets in Bewegung halten. Die Frequenz ist so gewählt, dass der aktuelle Raildruck davon nicht negativ beeinflusst wird. Bei typischen 4‑Zylinder Pkw-Applikationen liegen je nach Arbeitspunkt des Druckregelventils die Durchfluss werte zwischen 0 und 120 l/h und die mittleren elektrischen Strömen 0) mit der Welle verbunden ist. Die dämpfende Wirkung wird mittels Schubspannungen in hochviskosem Siliconöl, Reibflächen in Verbindung mit Stahlfedern, Ölverdrängung oder Werkstoffdämpfung von Elastomeren erzeugt. Die unvermeidliche Elastizität erzeugt mit der gekoppelten Dämpfermasse eine zusätzliche Resonanzfrequenz, die unterhalb des Erreger-Frequenzbereiches liegen muss. Die ursprüngliche Resonanzfrequenz wird zu höheren Fre quenzen hin verschoben. Ausreichende Wärmeabführung ist die Voraussetzung für Funktion und Lebensdauer der primär auf Energiedissipation basierenden Dämpferwir kung. Federsteifigkeit und Dämpfung entsprechender Werkstoffe sind mehr oder weniger amplituden- und temperaturabhängig. Der zusätzliche Tilgungseffekt ist bauartbedingt. Ein Dämpfer ist umso wirksamer, je weiter entfernt er vom Schwingungsknoten eingebaut wird.
Bild 8-39 Prinzipielle Wirkungsweise von Drehschwingungsdämpfer, -tilger und Kombination beider Konzepte am einfachen Beispiel der Vergrößerungsfunktion (Amp‑ litudenüberhöhung) des ungedämpften Einmassenschwingers; a), b) und c) Resonanzabstimmung; a reine Tilgung ohne Dämpfung; b starre Kopplung der Tilgermasse; c Tilgung mit Dämpfung; d und e Dämpfung ohne Tilgung; e dabei optimale Auslegung nach [8‑2]; f optimale Tilgung mit Dämpfung nach [8‑2]
8.4 Drehschwingungen des Triebwerks 287 – Drehschwingungstilger erzeugen, ein den Erreger-Dreh momenten entgegen gerichtetes Massendrehmoment. Sie vernichten keine Schwingungsenergie, sondern lenken diese größtenteils zum angekoppelten Tilgersystem ab. Sie bestehen ebenfalls aus einer Zusatzdrehmasse ΘT und einer Drehfeder der Steifigkeit cT . Die unvermeidlichen Dämpfungseigenschaften (kD > 0) der Drehfeder wie auch des gesamten Schwingungssystems reduzieren die Wirk samkeit des Tilgers im Frequenzbereich, für den er ausge legt wurde. Diese Tilgereigenfrequenz wird auf die Erregerfrequenz abgestimmt (Resonanzab stimmung). Bei Hoch- und Auslaufvorgängen können beim Durchlaufen der durch den Tilger zusätzlich verur sachten Resonanzfrequenz – die ursprüngliche Resonanz stelle wird wiederum in zwei benachbarte Resonanzstellen aufgespaltet – infolge geringer Dämpfung große Schwin gungsamplituden auftreten. Letzteres gilt auch für die Tilgermasse selbst. Die Drehschwingungsamplituden des Tilgers sind daher bei dessen Auslegung/Anpassung auf Zulässigkeit zu überprüfen. Große Beanspruchung der Drehfeder begrenzt die Lebensdauer des Tilgers, ein prak tischer Grund, warum Tilgung mit Dämpfung kombiniert werden. Unter „innerer Tilgung“ ist eine – nachträglich meist nur in einem engen Frequenzbereich mögliche – Anpassung der Systemparameter zu verstehen. Beim „drehzahl adaptiven Tilger“ („DAT“) kann, was allgemein wünschens wert ist, der Einfluss der Erreger-Ordnung, auf die der Tilger abgestimmt ist, im gesamten Drehzahlbereich unterdrückt werden (z. B. Sarazin-Tilger [8‑1], [8‑53]).
Bild 8-40 Bauarten von Drehschwingungsdämpfern/-tilgern, a GummiDrehschwingungstilger, b viskoelastischer Drehschwingungstilger, c hydrody‑ namisch gedämpfter Drehschwingungstilger (Hülsenfederdämpfer, MAN B&W Diesel AG)
Dessen Eigenfrequenz verhält sich nämlich proportional der Drehzahl. Die Funktion beruht dabei auf dem Prinzip des Fliehkraftpendels. Die Ersatzsysteme von Drehschwingungsdämpfern und -tilgern sind aus oben erwähnten Gründen identisch. Nur deren Einsatzbereich unterscheidet sich gewissermaßen. In ihrer praktischen Ausführung genügen sie – abhängig von der jeweiligen Ausführung – mehr oder weniger beiden Anforderungen (Bild 8‑40). Bei mehr als vier Zylindern reicht die Eigendämpfung durch Schmierölverdrängung in den Hauptund Pleuellagern [8‑56] meist nicht mehr aus. Der herkömmliche, einfache „Gummidämpfer mit Schwungring“ erreicht angesichts begrenzten Bauraums schnell seine Grenzen, sodass mit steigender Zylinderzahl aufwändigere Kons truktionen erforderlich werden. Speziell bei sehr hohen Gasdrehkraftamplituden aufgeladener Motoren werden Drehschwingungsdämpfer bzw. -tilger unvermeidlich. Bei Fahrzeugmotoren ist häufig auch die Kombination Riemenscheibe – TSD anzutreffen. Nebenbei sei auch der zunehmende Einsatz von entkoppelten Riemenscheiben, zusätzlichen Kurbelwellen-Biegeschwingungsdämpfern, Nocken wellen- und Ausgleichswellentilgern bzw. -dämpfern erwähnt.
8.4.4.2
Zweimassen-Schwungrad
Die aktuelle Entwicklung im Fahrzeugbereich – hohe dynamische Drehmomente, Massenreduzierung im Antriebs strang, Erhöhung der Zahl der Getriebegänge, Lastschaltgetriebe, niederviskose Schmieröle und besonders Kraftstoff sparendes, niedertouriges Fahren – verschärfen die Schwingungsproblematik im gesamten Antriebsstrang. Das Zweimassen-Schwungrad („ZMS“) dient daher bei Fahrzeugmotoren der Entkopplung des Triebwerks gegenüber dem Antriebsstrang (Bild 8‑41). Das Prinzip beruht auf der Trennung der Schwungmasse in eine motorseitige Primär- und eine abtriebsseitige Sekundärmasse durch dazwischen geschaltete drehelastische bzw. viskoelastische Elemente. Das ZMS erzeugt eine zusätzliche, sehr niedrige Eigenfrequenz im Schwingungssystem Triebwerk – Antriebsstrang. Es wirkt demnach als mechanisches Tiefpassfilter. Das Übertragungsverhalten verändert sich allerdings mit der Motordrehzahl, was bei der Auslegung zu berücksichtigen ist [8‑57]. Die motorseitige Anregung des Getriebes und des übrigen Antriebsstranges sind erheblich reduziert. Die demzufolge nahezu gleichförmige Drehbewegung der Getriebe eingangswelle wirkt sich sehr günstig auf die bekannten Geräuschphänomene des Antriebsstrangs (Getrieberasseln, Hinterachsbrummen usw.) aus. Die Drehungleichförmigkeit des Motors selbst wird durch das ZMS jedoch größer, weil
288 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-41 Zweimassen-Schwungrad, Prinzip‑ skizze und Ausführungsbeispiel (Foto: LuK GmbH & Co. oHG, Bühl)
die primäre Schwungmasse kleiner wird. Dies ist bei der Abstimmung des Steuertriebs und der Nebenantriebe zu beachten. Insgesamt wirkt sich das ZMS jedoch eher günstig auf die Torsions- und Biegeschwingungen des Triebwerks aus, weil die kleinere primärseitige Schwungmasse geringere Reak tionen der Kurbelwelle erzeugt (Bild 8‑42). Unter günstigen Umständen kann auf einen TSD sogar verzichtet werden. Die abtriebsseitig nur noch geringe Drehungleichförmigkeit ent-
lastet das Getriebe von hochfrequenten Drehmomentamplituden. Bei Dieselmotoren erlaubt dies die Übertragung eines um bis zu 10% höheren statischen Drehmoments [8‑58]. Die Resonanzfrequenz wird durch eine hinreichend große Sekundärschwungmasse unter die Leerlaufdrehzahl ge drückt. Eine gewisse Problematik stellt dennoch der Resonanzdurchgang mit großen Drehmomentamplituden beim Starten des Motors dar. Dieselmotoren mit drei und vier Zylindern sind in dieser Hinsicht eine besondere Herausfor-
Bild 8-42 Getriebeseitige Schwingungsisolation eines Zweimassenschwungsrads (ZMS) im Vergleich mit einem her‑ kömmlichen Schwungrad [8‑58]
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe 289 derung. Teilweise ist eine Zusatzdämpfung notwendig, die allerdings dann die Wirksamkeit des ZMS einschränkt. Hohes Startmoment und hohe Starterdrehzahl sowie eine optimale Abstimmung der Systemparameter können dieses Problem in Grenzen halten. Ruckeln beim Anfahren und Rasseln beim Abstellen des Motors können u. U. etwas störend in Erscheinung treten. Bei Dieselmotoren haben sich „Weitwinkel-Ausführungen“ mit hohem Verdrehwinkel bei niedriger Verdrehsteifigkeit bewährt. Auch im konventionellen Antriebsstrang von Kraftfahrzeugen leistet ein Torsionsdämpfer in der Kupplungsscheibe seinen Dienst, bei niedrigen Drehzahlen allerdings ohne nennenswerte Schwingungsisolation. In Nutzfahrzeugen kommen als Bindeglied zwischen Motor und Getriebe hyd raulische Torsionsschwingungsdämpfer mit einem FederMasse-System („HTD“) zum Einsatz. Neue Entwicklungen lösen den Zielkonflikt Dämpfung - Isolation (z. B. Hydrodamp® HTSD von Voith). Eine zusätzliche TSD-Funktion im Antriebsstrang hat auch der „Integrierte Starter Alternator Dämpfer“ (ISAD). Bei anderen Anwendungen kommen im Antriebsstrang auch hochelastische Wellenkupplungen mit Drehschwingungsdämpferfunktion sowie Überlastkupp lungen zum Einsatz.
– Pleuellager im kleinen Pleuelauge in Form von Buchsen, – Kolbenlager in Form von Buchsen, – Nockenwellenlager in Form von Halbschalen oder Buch sen, – Kipphebellager in Form von Buchsen, – Zwischenradlager bei Steuergetrieben in Form von Buch sen, – Massenausgleichswellenlager als Halbschalen oder Buch sen, – Kreuzkopflager in Form von Halbschalen, – Kreuzkopfführungen in Form von Gleitbahnen verwendet.
8.5
Lager und Lagerwerkstoffe
8.5.2
Funktionsweise und Beanspruchungen
8.5.1
Lagerstellen im Triebwerk von Dieselmotoren
8.5.2.1
Hydrodynamik der Gleitlager
Bei Dieselmotoren haben sich wie bei Ottomotoren Gleitlager als beste Lösung für die Triebwerkslager erwiesen. Gründe hierfür sind vor allem: – ihre Eignung zur Aufnahme starker stoßartiger Belastun gen, bedingt dadurch, dass der Schmierstofffilm zwischen Lager und Welle ein hochbelastbares Trag- und Dämp fungselement darstellt, – ihre Eignung für hohe Drehzahlen und ihre lange, meist die Lebensdauer des gesamten Motors erreichende Gebrauchsdauer, – ihr einfacher Aufbau in Form von massesparenden, dünn wandigen Lagerschalen, die problemlos geteilt hergestellt werden können, wie dies zur leichteren Montage in Verbindung mit Kurbelwellen nötig ist, – ihre wirtschaftliche Fertigungsmöglichkeit im Bandbe schichtungsverfahren, das eine gleichmäßig hohe Qualität gewährleistet. In Form und Werkstoff speziell auf den jeweiligen Anwendungsfall zugeschnitten, werden Gleitlager z. B. als: – Kurbelwellenhauptlager in Form von Halbschalen, – Pleuellager im großen Pleuelauge in Form von Halbscha len,
Aufgrund der höheren Verdichtungsverhältnisse und sehr hohen Gasdrücke sind Gleitlager in Dieselmotoren, insbesondere auch bedingt durch die übliche Turboaufladung, mechanisch weitaus stärker belastet als in Ottomotoren. Außerdem wird von Dieselmotoren in Nutzfahrzeugen, und mehr noch von Industrie- und Schiffsmotoren, eine wesentlich längere Gebrauchsdauer verlangt. Dieses Problem wird bezüglich der Gleitlager sowohl durch größere Lagerdimensionen als auch durch höher belastbare Lagerwerkstoffe gelöst.
Gleitlager in Verbrennungsmotoren arbeiten nach dem hy drodynamischen Funktionsprinzip. Das dem Lager an einer zweckmäßigen Stelle zugeführte Schmieröl wird durch Haftung an der Wellenoberfläche in Drehrichtung mitgenommen, wobei durch die so entstehende Schleppströmung in Verbindung mit dem sich durch exzentrische Verlagerung der Welle relativ zum Lager bildenden Schmierkeil ein Druck im Schmieröl aufgebaut wird. Das so entstehende Druckfeld wirkt als Federkraft. Neben der Drehbewegung führt die Welle infolge der veränderlichen Belastung Bewegungen mit einer radialen Komponente aus. Hierdurch wird der Schmierstoff sowohl in beide Umfangsrichtungen als auch in beide Axialrichtungen aus dem sich verkleinernden Schmierspalt verdrängt. Das durch diesen Vorgang entstehende Druckfeld wirkt als Dämpfungskraft. Die Druckfelder aus Drehung und Verdrängung überlagern sich zu einem resultierenden Druckfeld, das die Lagerreaktionskraft bildet und die Gleitflächen von Welle und Lager trennt. Bild 8‑43 zeigt die beiden Druckfelder und die zugehörigen Lagerreaktionskräfte. Grundlage von Berechnungen der Hydrodynamik in Gleitlagern bildet die Reynoldssche Differentialgleichung (Herleitung z. B. [8‑59]), in der die Schmierstoffströmung im Schmierspalt durch die mit der Kontinuitätsbedingung
290
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-43 Druckaufbau im Schmierstoff von instationär belasteten hydrodynamischen Gleitlagern. F Lagerbelastungskraft; FD Lagerreaktionskraft aus dem Druckfeld durch Drehung; FV Lagerreaktionskraft aus dem Druckfeld durch Verdrängung; e Exzentrizität des Zapfens; δ Lagewinkel der Zapfenexzentrizität; hmin minimale Schmierfilmdicke; ω Winkelgeschwindigkeit des Zapfens
verknüpfte Bewegungsgleichung (Navier-Stoke’sche Gleichung) beschrieben wird. Bei der nur numerisch möglichen Lösung der Differentialgleichung (z. B. nach [8-60] bis [8 64]) werden aus Vereinfachungsgründen üblicherweise zahlreiche idealisierende Annahmen und Voraussetzungen zugrunde gelegt. Die Zulässigkeit der meisten dieser Voraussetzungen ist experimentell und praktisch hinreichend bestätigt. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich allerdings für die Annahme einer vollkommen steifen Lagergeometrie. Bei früheren Motoren war dies wegen der niedrigeren Belastungen und mit Reserven versehenen Dimensionierung noch annähernd zutreffend. Durch die heutigen aufgrund von Leistungssteigerungen und Leichtbauweise extrem gestiegenen spezifischen Lagerbelastungen ergeben sich insbesondere bei den Pkw- und Nfz-Dieselmotoren so große Betriebsverformungen, dass sie für eine verlässliche rechnerische Lager-Auslegung berücksichtigt werden müssen. Berechnungen der Hydrodynamik (HD) der Gleitlager mit steifen Lagergeometrien dienen bei diesen Anwendungen im Entwurfsstadium nur als erster Überschlag, dem nach Vorliegen der genauen Bauteilgeometrien (z. B. Pleuelstange, Motorblock, Kurbelwelle) i. d. R. Berechnungen der Elasto-Hydrodynamik (EHD) der Gleitlager, also unter Berücksichtigung der mechanisch-elastischen Bauteil-Ver-
formungen gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung thermisch-elastischer Verformungen (TEHD) folgen.
8.5.2.2
Berechnung der Lagerbeanspruchungen
Unter der Lagerberechnung ist die Ermittlung von Betriebskennwerten des tribologischen Systems Gleitlagerung, bestehend aus den Elementen Lagergehäuse, Lagerschalen, Schmierstoff und Wellenzapfen, zu verstehen. Zur Überprüfung der Funktionssicherheit sind die für alle relevanten Betriebszustände ermittelten Betriebskennwerte mit Betriebsrichtwerten (Grenzwerte aus Versuchen bzw. aus Erfahrung) zu vergleichen und auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen. Die rechnerische Überprüfung der Funktion von Gleitlagern besteht hauptsächlich in der Ermittlung der mechanischen Belastung und des Abstands der Welle vom Lager (minimale Schmierfilmdicke) im Betriebszustand. Weitere Beurteilungsgrößen sind die Reibverlustleistung, der Schmieröldurchsatz und die sich einstellende Lagertemperatur. Die Betriebs-Berechnung der Motorgleitlager beginnt mit der Ermittlung der Belastungskräfte (s. Abschn. 8.2.4). Bild 8-44 zeigt den typischen Verlauf einer Pleuellagerbelastung bei einem Nutzfahrzeug-Dieselmotor in Form eines Polardiagramms, wobei die Pleuelachse senkrecht verläuft
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe
291
len (Ähnlichkeitsgröße für Gleitlager, Erklärung z. B. in [8-59]) erhält man die Änderungen der Zapfenexzentrizität 'e und deren Lagewinkel 'δ bei Änderung des Kurbelwinkels um die Schrittweite 'φ. Durch Addition dieser Änderungen zu den jeweils aktuellen Werten berechnet man die Verlagerungsbahn des Zapfens für ein bzw. mehrere Arbeitsspiele, bis eine periodische und geschlossene Kurve, d. h. Konvergenz, erreicht wird. Bild 8-45 zeigt den so berechneten, zu Bild 8-44 gehörenden Verlauf der Verlagerung des Wellenzapfens innerhalb des Lagers, wobei der Abstand zwischen der Verlagerungskurve und dem äußeren Kreis ein Maß für den Abstand zwischen Wellenzapfen und Lager (minimale Schmierfilmdicke hmin) ist. Aus den auf die Lagerschale bezogenen (schalenfesten) Polardiagrammen für die Verläufe der Belastung (Bild 8-44) und der Zapfenverlagerung (Bild 8-45) können auch Schlüsse auf günstige Positionierungen für die konstruktiv notwendigen Elemente der Schmierstoffversorgung (Schmierlöcher, Schmiernuten, Schmiertaschen) in den Lagern gezogen werden, bei denen die Tragfähigkeit der Lagerung möglichst wenig beeinträchtigt wird. Eine entsprechende Hilfe für die Positionierung der Elemente der Schmierstoffversorgung in den Zapfen (Schmierlöcher) bieten auf den Zapfen bezogene (zapfenfeste) Polardiagramme. Bild 8-46 zeigt beispielhaft den starken Einfluss der Verformungen des großen Pleuelauges auf das Lagerverhalten. Hiervon sind nicht nur Größe, Lage und Verteilung der Schmierfilmdrücke und die damit verbundenen Spannungsmechanismen in Lager (mit eventueller Materialermüdung) und Pleuelstange, sondern auch Größe und Lage der Schmierfilmdicken und die damit verbundene Verschleißgefährdung betroffen.
8.5.2.3 Bild 8-44 Typischer Belastungsverlauf im Pleuellager eines Nfz-Motors mit Angabe der Kurbelwinkel φ (schalenfestes Diagramm)
und der Schaft oben sowie der Deckel unten zu denken sind. Um die Zapfenverlagerungsbahn in Pleuel- und Hauptlagern zu ermitteln, wird die Lagerkraft F in zwei Komponenten in Richtung des minimalen Schmierspaltes hmin sowie senkrecht dazu zerlegt, (s. Bild 8-43), die dann ins Gleichgewicht gesetzt werden mit den entsprechenden Komponenten der Lagerreaktionskraft FD und FV (Index D: Druckentwicklung durch Drehung, Index V: Druckentwicklung durch Verdrängung). Aus den damit gebildeten Sommerfeld-Zah-
Betriebskennwerte heutiger Lager
Die Beurteilung des Beanspruchungsgrades von Gleitlagern in Verbrennungsmotoren bezieht sich primär auf die Maximalwerte der spezifischen Lagerbelastung und des Schmierfilmdrucks sowie die Minimalwerte der Schmierfilmdicke. Die Extremwerte dieser Beurteilungskriterien haben sich bei Dieselmotoren in den letzten Jahren stark verändert. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die extremsten Beanspruchungen bei den kleineren Bauarten in turboaufgeladenen Pkw-Motoren auftreten und sich mit zunehmender Motorgröße zu etwas moderateren Betriebswerten hin bewegen. Der triftigste Grund hierfür ist die mit der Motorgröße zunehmende Forderung nach einer längeren Gebrauchsdauer. Eine an sich wünschenswerte und von der Motorenindustrie geforderte theoretisch verlässliche Voraussage der Gebrauchsdauer der Gleitlagerungen ist heute
292
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-45 Typische Zapfenverlagerungsbahn des Hubzapfens im Pleuellager eines Nfz-Motors mit Angabe der Kurbelwinkel φ (schalenfestes Diagramm). ε = 2e/C relative Zapfenexzentrizität; e absolute Zapfenexzentrizität; C absolutes Lagerspiel (Differenz der Durchmesser von Lagerbohrung und Zapfen); 1 - ε=hmin /(C/2)
allerdings noch ebenso wenig möglich wie die der genauen Lebensdauer eines Verbrennungsmotors. Wegen des starken Einflusses des Anteils unterschiedlicher Betriebsbedingungen während des Motoreinsatzes, insbesondere der Drehzahlen und Belastungen, und von Störungen, z. B. durch Wartungsfehler, muss daher bei der Gebrauchsdauervorhersage größtenteils auf Versuche, praktische Erfahrungen und Statistiken zurückgegriffen werden. Die letzten Jahre haben dabei gezeigt, dass trotz Erhöhungen der Betriebsbeanspruchungen auch der Forderung nach weiterer Gebrauchsdauerverlängerung entsprochen werden konnte, was letztlich auf ein ganzes Bündel von technischen Verbesserungen zurückzuführen ist. Bezüglich der Triebwerkslager gehören hierzu Fortschritte bei: – den Lagerwerkstoffen, – der Bearbeitung von Lagerschalen und Wellenzapfen, – der verformungsarmen Lagergestaltung (z. B. mittels Finite-Element-Methode),
– den Schmierölen, – der Filtertechnik, – der Schmierölführung, – der Exaktheit und der Sauberkeit bei der Motormontage. Da die rechnerischen Betriebswerte in ihrer Größe je nach Berechnungsmethode unterschiedlich sein können, ist anzumerken, dass alle angegebenen Werte in Tabelle 8-3 mit dem in den Abschn. 8.5.2.1 und 8.5.2.2 erwähnten HD-Berechnungsverfahren ermittelt wurden. Alle Angaben sind Extremwerte von einzelnen Diesel-Serienmotoren. Weitere Steigerungen sind in den nächsten Jahren zu erwarten. Der Großteil aller Motoren weist allerdings stark gemäßigte Bedingungen auf, wobei im Mittel die maximalen Belastungen etwa bei 65% und die minimalen Schmierfilmdicken bei etwa 150% bis 200% der angegebenen Werte liegen.
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe
Bild 8-46 Beispiel für den Einfluss der elastischen Betriebsverformung auf die Werte und die Verteilung sowie die Lage des Schmierfilmdrucks in MPa und auf die minimale Schmierfilmdicke hmin
Tabelle 8-3 Zusammenstellung derzeitiger Betriebsextremwerte (Rechenwerte) von Pleuellagern und Hauptlagern europäischer, in Serie gebauter Pkw-, Nfz- und Groß-Dieselmotoren Betriebswert
Pkw-Dieselmotoren Wellendurchmesser ≤ 75 mm Betriebsdauererwartung ca. 3000 h Pleuellager Hauptlager
Nfz-Dieselmotoren 75 mm ≤ Wellendurchmesser ≤ 150 mm; Betriebsdauererwartung ca. 15000 h Pleuellager Hauptlager
Groß-Dieselmotoren Wellendurchmesser ≥ 350 mm Betriebsdauererwartung ca. 50000 h Pleuellager Hauptlager
maximale spezifische Lagerbelastung in MPa minimale Schmierfilmdicke in μm
130 0,15
100 0,30
55 2
60 0,25
60 0,60
40 3
293
294
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
8.5.3
Konstruktive Ausführungen
8.5.3.1
Grundsätzlicher Aufbau
Gleitlager für moderne Dieselmotoren bestehen heute fast ausschließlich aus Verbundwerkstoffen. Dabei werden Stahlbänder in unterschiedlichen, meist kontinuierlichen Verfahren, auf die im Abschn. 8.5.4 näher eingegangen wird, mit Lagerwerkstoff beschichtet. Aus den Bimetallbändern werden Platinen gestanzt, diese zu Halbschalen gebogen und anschließend spanend bearbeitet. In bestimmten Fällen werden zur Verbesserung der Funktion noch zusätzlich sehr dünne Gleitschichten auf den eigentlichen Lagerwerkstoff aufgebracht. Bei großen Abmessungen (etwa ab Durchmessern von 200 mm) werden auch Stahlrohre anstelle von Stahlbändern als Ausgangsmaterial verwendet, wobei der Lagerwerkstoff im Schleudergussverfahren auf die innere Rohrfläche aufgebracht wird. Die Rohre werden danach in zwei Halbschalen getrennt.
8.5.3.2
Pleuellager und Kurbelwellenhauptlager
Die Bilder 8-47 und 8-48 zeigen den konstruktiven Aufbau von typischen Pleuellagern und Kurbelwellenhauptlagern (kurz Hauptlager) von Nfz-Dieselmotoren. Die relativ dünnwandige Ausführung dient der Einsparung von Platzbedarf und Gewicht. Da Pleuellager vom Pleuelzapfen her mit Schmieröl versorgt werden, benötigen sie keine Schmiernuten. In den Fällen, in denen das Kolbenbolzenlager im kleinen Pleuelauge entweder von Spritzöl durch eine Bohrung im großen Pleuelauge oder von Drucköl durch eine Pleuelschaftbohrung aus der Schmierölaustrittsbohrung im Hubzapfen geschmiert wird, weisen die Pleuellagerschalen entsprechende Öllöcher auf. Bei Großmotoren wird das Drucköl häufig durch eine Deckelschalennut sowie durch Bohrungen im großen Pleuelauge und im Pleuelschaft dem Kolbenbolzenlager zugeführt. Die verlaufende Wanddicke im Bild 8-47 dient der Abstimmung mit der Geometrie der Pleuelbohrung, um die bezüglich der Tragfähigkeit und Schmierfilmdicke optimale Kreiszylinderform zu erreichen. Die Hauptlagerschalen werden bei den kleinen und mittleren Motoren i. d. R. dickwandiger als die Pleuellagerschalen ausgeführt, um genügend tiefe Schmierölnuten vorsehen zu können. Diese dienen nicht nur der Ölversorgung der Hauptlager, sondern auch der Pleuellager. Dabei fließt das Öl aus den Nuten durch Kurbelwellenbohrungen vom Hauptzapfen zum Hubzapfen. Wegen der Verbesserung der Tragfähigkeit werden i. d. R. bei Dieselmotoren lediglich die Gehäuse-
Bild 8-47 Beispiel einer Pleuellager-Stangenschale eines Nfz-Motors Lageraußendurchmesser D=98,022 mm; Wanddicke der Lagerschale im Scheitel wI=2,463 + 0,012 mm; Wanddicke der Lagerschale 25° von der Teilfläche wll=0,010 + 0,010 mm dünner als Istmaß von wI
Lagerhalbschalen (Oberschalen) mit Nuten versehen, während die Deckel-Lagerhalbschalen (Unterschalen) entweder gar keine Nuten oder nur vom Nutgrund auf die Gleitflächen hin verlaufende Partialnuten aufweisen. Die Schmierstoffzufuhr von der Hauptölleitung in das Hauptlager erfolgt entweder durch Rundlöcher oder durch Langlöcher, die Vorteile bei einem eventuellen Winkelversatz zwischen den Bohrungen im Gehäuse und in der Lagerschale bieten. Die Nocken an der Teilfläche dienen lediglich als Montagehilfe zum lagerichtigen Einbau (Positionierhilfe). Die Verdrehsicherung der Lagerschalen in der Aufnahmebohrung muss über einen ausreichend bemessenen Presssitz erfolgen. Die Tendenz im gesamten Verbrennungsmotorenbau, auch bei Dieselmotoren, ist permanent auf Verringerung des Platzbedarfs und auf Gewichtseinsparungen gerichtet. Bei den Motorlagern werden immer geringere Durchmesser, Breiten und Schalenwanddicken angestrebt. Auch die lageraufnehmenden Komponenten werden immer leichter gebaut. Dies bedeutet, dass in Zukunft auch bei Dieselmotoren, wie schon seit längerem bei extrem leicht gebauten Ottomotoren, dem Erreichen eines ausreichenden Presssitzes der Gleitlager besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe
295
aus verschiedenen, den unterschiedlichen Aufgaben angepassten, Werkstoffen bestehen können. Oft kommen jedoch separate Anlaufhalbscheiben zum Einsatz, die beidseitig vom Radiallager in Aussparungen im Gehäuse, bzw. im Lagerdeckel, eingelegt werden (Bild 8-49). Der Trend bei den kleineren Motorgrößen geht heute meist zu dieser preiswerteren Lösung mit losen Anlaufscheiben, die bei den Großmotoren aus Fertigungsgründen schon immer Standard war.
8.5.3.4
Lager von Kolbenbolzen, Kipphebeln und Nockenwellen
Kolbenbolzenlager und Kipphebellager werden grundsätzlich als Buchsen ausgeführt, die zur Einhaltung kleiner Lagerbohrungstoleranzen in aller Regel erst im eingebauten Zustand bezüglich der Innenbohrung fertig bearbeitet werden. Wo möglich, werden auch für Nockenwellenlager Buchsen verwendet. In einigen Fällen sind jedoch aus konstruktiven Gründen Lagerschalen erforderlich.
Bild 8-48 Beispiel einer Kurbelwellenlager-Gehäuseschale eines Nfz-Motors Lageraußendurchmesser D=115,022 mm;Wanddicke der Lagerschale w=3,466+0,012 mm
Die üblichen mittleren Lagerspiele liegen in der Größenordnung von 1/1000 des Lagerinnendurchmessers. Aus Gründen der besseren Tragfähigkeit werden möglichst geringe Kleinstspiele angestrebt, wobei die Grenze durch die fertigungs- und montagebedingten Formfehler der die Gleitlagerung bildenden Elemente (Gehäuse, Lagerschale, Welle) und eine noch ausreichende Kühlwirkung des die Lager durchfließenden Ölstroms gebildet wird.
8.5.3.3
Axiallager
Zur axialen Führung der Kurbelwelle und zur Aufnahme des Kupplungsdrucks (bei Verwendung automatischer Getriebe teils auch zur Aufnahme ständiger Axiallasten) wird eine der Kurbelwellen-Hauptlagerstellen mit einem beidseitig wirkenden Axiallager bestückt. Hierfür wurden früher bei Fahrzeugmotoren oft Bundlager verwendet, bei denen Radiallager (Schalen) und Axiallager (zwei Bunde) aus einem Stück bestanden. Moderne Bundlager werden heute bevorzugt in gebauter Form ausgeführt. Dabei werden Lagerhalbschalen beidseitig mit Anlaufhalbscheiben verbunden (verklinkt oder verschweißt). Dies hat den Vorteil gegenüber den Bundlagern aus einem Stück, dass Anlaufscheiben und Schalen
8.5.4
Lagerwerkstoffe [8-67]
8.5.4.1
Gleitlagerbeanspruchungen und Funktion im Motorbetrieb
Gleitlager in Verbrennungsmotoren werden mechanisch durch die dort auftretenden Gaskräfte und Massenkräfte belastet. Der hydrodynamische Schmierfilmdruck zwischen den Gleitflächen von Wellenzapfen und Lager tritt infolge der instationären Belastungskräfte schwellend auf und verursacht eine Pressung der Gleitflächen. Die thermische Beanspruchung ergibt sich durch die unvermeidlich entstehende Reibungswärme und eventuell auftretende Wärmeeinfälle von den Brennräumen her. Verschleißbeanspruchung ergibt sich aus der Tatsache, dass sich die angestrebte, praktisch verschleißfreie Flüssigkeitsreibung mit vollkommener Trennung der Gleitflächen durch den Schmierfilm nicht in allen Betriebspunkten erreichen lässt und dadurch zeitweilige Mischreibungszustände nicht zu vermeiden sind. Hinzu kommen durch Fertigungs- und Montageungenauigkeiten verursachte Anpassungsvorgänge der Gleitpartner, die ebenso zusätzliche Beanspruchungen bezüglich Pressung und Verschleiß der Gleitflächen hervorrufen wie die mechanisch und thermisch bedingten Verformungen der Gleitflächen im Betrieb. Schließlich können die Gleitflächen auch korrosiven Beanspruchungen ausgesetzt sein, wenn entweder extern oder intern bedingte Veränderungen des Schmierstoffs zu chemischen Reaktionen mit deren Werkstoffen führen.
296
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-49 Beispiel einer Anlaufhalbscheibe eines Nfz-Motors. Wanddicke 3,360 + 0,05 mm
Um unter dem Zusammenwirken dieser Beanspruchungen die Funktionsfähigkeit des tribologischen Systems „Gleitlagerung“ im erforderlichen Umfang zu gewährleisten, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: – Es darf kein unzulässiger mechanischer oder korrosiver Verschleiß auftreten! – Es darf keine unzulässige Lagertemperatur auftreten! – Es darf keine Werkstoffermüdung auftreten! Dieser Katalog von Basisforderungen setzt nicht nur voraus, dass die Bedingungen für eine hydrodynamische Schmierung erfüllt sind, sondern verlangt auch von den Gleitlagerwerkstoffen eine ganze Reihe spezieller Eigenschaften, die im folgenden beschrieben werden.
8.5.4.2
Anforderungen an Gleitlagerwerkstoffe
Die wohl wichtigste Eigenschaft, die einen bestimmten Werkstoff zum „Gleitlagerwerkstoff “ macht, ist dessen Verträglichkeit im Betrieb mit dem Werkstoff der Gegengleitfläche, z. B. einer Welle. Die Verträglichkeit und weitere erforderliche Einzelheiten im Verhalten von Gleitlagerwerkstoffen sind in ISO 4378/1 definiert. Es sind dies: – Anpassungsfähigkeit (Kompensieren von geometrischen Mängeln), – Einbettfähigkeit (Einbettung von harten Partikeln aus dem Schmieröl),
– Einlauffähigkeit (Verminderung von Reibung beim Einlaufen) und – Verschleißwiderstand (Abriebfestigkeit). Hierzu kommen aber noch die dort nicht aufgeführten Eigenschaften: – Notlauffähigkeit (Aufrechterhaltung des Lagerbetriebs auch bei Mangelschmierung durch geringe Fressneigung) und – Ermüdungsfestigkeit (gegen schwellende Druckbelastung). Anpassungs- und Einlauffähigkeit sowie die ebenfalls erwünschte geringe Fressneigung können nur durch relativ weiche Werkstoffe ermöglicht werden, deren Schmelzbereich meist recht niedrig liegt. Infolgedessen ist der weiteren Forderung nach möglichst hoher Ermüdungsfestigkeit gegen schwellende Druckbelastung ebenso eine Grenze gesetzt wie einem möglichst hohen Verschleißwiderstand, da diese Eigenschaften eher relativ harte Werkstoffe erfordern. Wünschenswert sind weiter eine gute Wärmeleitfähigkeit und eine ausreichende Korrosionsfestigkeit, z. B. gegen aggressive Bestandteile im Schmieröl. Von großer Bedeutung ist auch eine technisch und wirtschaftlich gute Herstellbarkeit. Lediglich durch Presssitz mit der Aufnahmebohrung verbundene Lagerschalen und Buchsen erleichtern deren Austausch und sind im Reparaturfall von Vorteil. Welcher von den aufgeführten Eigenschaften die erste Priorität zukommt, ist abhängig vom jeweiligen Einsatz des
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe 297 Gleitlagers und den Betriebsbedingungen. Treten beispielsweise bei hydrodynamisch geschmierten Gleitlagern mit niedrigen Gleitgeschwindigkeiten Störungen bei der Vollschmierung auf, so hat die entstehende Mischreibung erfahrungsgemäß meist nur abrasiven Verschleiß zur Folge. Dieser nimmt mit der Lagerbelastung zu, wodurch zwar die Lebensdauer der Lagerung verkürzt wird, jedoch erst bei extrem hohen Lagerbelastungen Schäden durch spontane Lagerfresser auftreten. Ist bei hohen spezifischen Belas tungen und niedrigen Gleitgeschwindigkeiten (z. B. bei Kolbenbolzenbuchsen und Kipphebelbuchsen) Mangelschmierung nicht ganz zu vermeiden, wird in der Praxis Gleitlagerwerkstoffen mit möglichst hohen Werten bezüglich Verschleißwiderstand und Dauerfestigkeit der Vorrang gegenüber jenen mit hoher Anpassungsfähigkeit gegeben. Hierfür kommen relativ harte Lagerwerkstoffe in Frage. Ganz besonders hohe und vielseitige Anforderungen werden an den Lagerwerkstoff gestellt, wenn bei starken, insta tionären spezifischen Belastungen gleichzeitig hohe Gleitgeschwindigkeiten auftreten (z. B. bei Pleuellagern und Hauptlagern von Fahrzeug-Dieselmotoren). Neben hoher Dauerfes tigkeit müssen hier auch möglichst gute Verschleißfestigkeit und Verträglichkeit des Lagerwerkstoffs vorhanden sein. Diese vielseitigen, teilweise widersprüchlichen Anforderungen kann man am ehesten durch heterogen aufgebaute Lagerwerkstoffe erfüllen. Heterogenität kann sowohl durch das Gefüge der Lagerlegierung selbst (Mischkristalle oder Unlöslichkeiten der Legierungsbestandteile) als auch durch geschichteten Aufbau der Lagerwerkstoffe erreicht werden. Im Verbrennungsmotorenbau hat sich daher bereits seit Jahrzehnten das aus Mehrschicht-Verbundwerkstoffen bestehende Gleitlager, in Form von Halbschalen oder Buchsen mit einem Stahlrücken, der die für den Presssitz in der Aufnahmebohrung notwendige Festigkeit erbringt, durchgesetzt.
8.5.4.3
B asismaterialien und grundsätzlicher Aufbau von Gleitlagerwerkstoffen
Bei niedrigen Lagerbelastungen wurden früher Lagerlegierungen auf Blei- oder Zinn-Basis verwendet. Dabei sind in einer weichen Matrix, deren Vorteil gute Notlaufeigenschaften sind, zur Verbesserung der Belastbarkeit und Verschleißfestigkeit harte Mischkristalle („Tragkristalle“), i. d. R. Antimon-Legierungen, eingelagert. Diese Werkstoffe sind heute aufgrund ihrer zu niedrigen Belastbarkeit, des durch die Europäische Altauto-Verordnung verhängten Bleiverbots in Fahrzeug-Verbrennungsmotoren und durch die weltweit von den meisten Motorherstellern praktizierten Verbote der Verwendung toxischer Stoffe in Verbrennungsmotoren so gut wie verschwunden.
Bei mittleren Belastungen werden häufig Lagerlegierungen auf Aluminium-Basis, bei hohen Belastungen solche auf Kupfer-Basis eingesetzt. Dabei sind in Umkehrung des Prinzips bei den Blei- und Zinnlegierungen in einer härteren Matrix mit höherem Soliduspunkt, deren Vorteile hohe Dauerfestigkeit und guter Verschleißwiderstand sind, weichere, niedrigschmelzende Komponenten (z. B. Zinn) eingelagert, durch welche die erforderlichen Notlaufeigenschaften erreicht werden.
8.5.4.4
Einschichtlager
Gleitlager in Einschichtbauweise werden in Verbrennungsmotoren in einigen Fällen als Buchsen im kleinen Pleuelauge und in den Kolben als Kolbenbolzenbuchsen aus Cu-Legierungen sowie selten als massive Anlaufscheiben aus Al‑Legierugen für Kurbelwellen verwendet. In der weitaus überwiegenden Zahl aller Fälle kommen sowohl in Dieselmotoren als auch in Ottomotoren aus Gründen der höheren Festigkeit bezüglich Betriebsbelastung und Presssitz Gleitlagerschalen und Buchsen in Mehrschichtbauweise zur Anwendung.
8.5.4.5
Zweischichtlager
Bei der Herstellung von Zweischichtlagern werden die Laufschichten üblicherweise durch kontinuierliches Gießplattieren, Sinterplattieren oder Walzplattieren auf ein Stahlband aufgebracht. Eine der wichtigsten Anwendungen sind hochbelastbare, gerollte Buchsen im kleinen Pleuelauge, oder in Kipphebeln, bei hoch belasteten Kolben auch in den Kolbennaben, die aus im Gieß- oder Sinter-Plattierverfahren hergestellten Bronze-Bimetallbändern gefertigt werden. Die frühere Standardlegierung CuPb10Sn10 ist wegen des Bleiverbots von bleifreien Legierungen abgelöst worden. Basis ist i. d. R. ein CuSn-Werkstoff mit unterschiedlichen zusätzlichen Legie rungselementen. Ein Beispiel aus den zahlreichen neuen bleifreien Werkstoffentwicklungen ist CuSn10Bi3. Weitere Anwendungen von Zweischicht-Verbundwerkstoffen als Buchsen sind z. B. Nockenwellenlager und Getriebelager, für welche wegen der höheren Gleitgeschwindigkeiten meist etwas weichere anpassungsfähige Legierungen zum Einsatz kommen. Bild 8‑50 zeigt ein Schliffbild der bisher verwendeten bleihaltigen Gusslegierung CuPb10Sn10 und der bleifreien Sinterlegierung CuSn10Bi3. Besonders häufig finden mittels Walzplattieren hergestellte Zweischichtlager Anwendung. Hierbei werden die Lagerlegierungen auf ein Stahlband aufgewalzt. Dieses Verfahren hat sich bei Lagerwerkstoffen auf Aluminium-Basis besonders gut bewährt.
298
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-50 Schliffbilder der beiden Zweischicht-Verbundwerkstoffe Stahl/CuPb10Sn10 und Stahl/CuSn10Bi3
Weit verbreitet ist AlSn20Cu. Dieser Lagerwerkstoff wird in den Kurbelwellenhauptlagern von Pkw-Motoren sowohl bei Otto- als auch bei Dieselmotoren eingesetzt. Auch einige Großmotoren haben diesen Lagerwerkstoff wegen seiner guten Korrosionsbeständigkeit als Pleuellager und Kurbelwellenhauptlager im Einsatz. Bild 8-51 zeigt das Gefüge dieses Werkstoffs im Schliff. Das im Aluminium praktisch unlösliche Zinn ist durch entsprechende Glühbehandlungen fein verteilt, womit man eine befriedigende Dauerfestigkeit erreicht. Um noch höhere, den Bronzen nahe kommende Dauerfestigkeiten zu erreichen, wurden zahlreiche, wegen des Bleiverbots heute durchweg bleifreie Aluminium-Legierungen auf AlSn-Basis mit unterschiedlichen zusätzlichen Legierungselementen entwickelt. Bei Verwendung von Gusswellen, ein
Bild 8-51 Schliffbild des Zweischicht-Verbundwerkstoffs Stahl/AlSn20Cu
Trend bei Pkw-Dieselmotoren, haben sich AlSn-Legierungen mit Silizium als vorteilhaft erwiesen. Dünne zusätzliche Schichten verschiedener Zusammensetzungen zwischen Aluminium-Legierung und Stahl erhöhen die Dauerfestigkeit.
8.5.4.6
Dreischichtlager
Die in Pleuellagern von Verbrennungsmotoren auftretenden hohen spezifischen Belastungen, die in den letzten Jahren durch stetige Erhöhung der spezifischen Leistungen und Verringerung der Abmessungen extrem gesteigert wurden, stellen zusammen mit den hohen Gleitgeschwindigkeiten höchste Anforderungen an die Gleitlagerwerkstoffe. Bei diesen anspruchsvollen Anwendungen kommen Dreischichtlager zum Einsatz. Auf relativ harte Zweischicht-Verbundwerkstoffe, deren Zweitschicht i. d. R. etwa 0,2 bis 0,7 mm dick ist, wird zusätzlich eine dritte Schicht durch Galvanisieren oder Bedampfen als Drittschicht (Gleitschicht) aufgebracht, die sowohl die Notlaufeigenschaften als auch die Anpassungsfähigkeit und die Einbettfähigkeit von Fremdpartikeln im Schmieröl verbessert. Um die Belastungsfähigkeit der Lager durch die bei Galvanik-Lagern sehr weiche Drittschicht nicht zu stark abzusenken, dürfen diese Schichten nur etwa 0,010 bis 0,040 mm dick sein, was gießtechnisch nicht erreichbar ist. Der Zweitschicht fällt die Sicherstellung der erforderlichen Belastbarkeit zu. Bei örtlichem Verschleiß der Drittschicht muss sie aber auch durch ausreichenden Widerstand gegen Fressen für die weitere Funktionsfähigkeit der Lagerung sorgen.
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe Die früheren Zweitschicht-Bronzen der DreischichtLagerschalen auf CuPbSn-Basis, z. B. CuPb22Sn, sind wegen des Bleiverbots von bleifreien Legierungen abgelöst worden. Basis ist i. d. R. ein CuSn-Werkstoff mit unterschiedlichen zusätzlichen Legierungselementen. Ein Beispiel aus den zahlreichen neuen bleifreien Werkstoffentwicklungen ist CuSn8Ni mit weiter gesteigerter Belastbarkeit. Die früheren Galvanikschichten auf PbSnCu-Basis, z. B. PbSn14Cu8, sind von bleifreien Legierungen, i. d. R. auf Sn-Basis, abgelöst worden. Ein Beispiel aus den zahlreichen neuen bleifreien Drittschicht-Entwicklungen ist SnCu6. Bild 8-52 zeigt einerseits das Schliffbild des früher häufig eingesetzten bleihaltigen Dreischicht-Verbundwerkstoffs Stahl/CuPb22Sn/PbSn14Cu8, der bei den Pleuellagern und Kurbelwellenlagern sowohl von Pkw-Motoren als auch von Nfz- und Großmotoren, teils mit leicht variierenden Legierungsanteilen in der Drittschicht, verwendet wurde. Der zwischen der Bleibronze und der Drittschicht zusätzlich 1 bis 2 µm dick galvanisch aufgebrachte Nickeldamm dient der Verminderung der bei Betriebstemperatur auftretenden Zinn-Diffusion aus der Drittschicht zur Bleibronze hin, welche den Korrosionswiderstand der bleihaltigen Drittschicht sonst zu stark verringern würde. Andererseits zeigt Bild 8-52 das Schliffbild des bleifreien Dreischicht-Verbundwerkstoffs Stahl/CuSn8Ni/ SnCu6. Unter Beibehaltung des prinzipiellen Aufbaus der bleihaltigen Lagerwerkstoffe auch bei den bleifreien wurden durch Kombinationen mit verschiedenen neuartigen Zwischenschichten Ermüdungs- und Verschleißfestigkeit deutlich gesteigert.
299
Bei mit Schweröl betriebenen Dieselmotoren und Gasmotoren wird aus Gründen der guten Korrosionsfestigkeit auch eine Drittschicht aus SnSb7 verwendet. Eine frühere Idee, die in manchen Fällen nicht ausreichende Ermüdungsfestigkeit und Verschleißfestigkeit der galvanischen Deckschicht zu verbessern, bestand darin, nicht die komplette Gleitfläche galvanisch mit Drittschicht zu überziehen, sondern nur die in die Oberfläche eines Zweischicht-Verbundwerkstoffs eingebrachten Ausnehmungen auf galvanischem Weg zu füllen. Die härteren Bereiche erhöhen Tragfähigkeit und Verschleißfestigkeit, die weicheren Bereiche sorgen für noch ausreichende Notlaufeigenschaften. Diese Lagerart kam als Pleuel- und Kurbelwellenlager von Nfz- und Mittelschnellläufer-Dieselmotoren zum Einsatz, wird jedoch (vor allem im Nfz-Bereich) wegen ungenügender Lebensdauer infolge Auswaschungen des Galvanikwerkstoffs) immer seltener verwendet. Trotz Erhöhung der Verschleiß- und Ermüdungsfestigkeit der galvanischen Drittschichten durch Steigerung der Härte (z. B. CuSn6) sind diese den heutigen Höchstanforderungen in hochaufgeladenen Dieselmotoren häufig nicht mehr gewachsen. Deshalb mussten noch härtere Legierungen für die Drittschicht entwickelt werden, wobei man das Bedampfen mittels PVD-Beschichtungsverfahren zu Hilfe nimmt (Physical Vapor Deposition), das auch mit „Sputtern“ bezeichnet wird. Dabei wird der Werkstoff im Vakuum in der Dampfphase abgeschieden. Für höchste Belastbarkeit wurden bisher als Zweitschicht gegossene Bleibronzen mit erhöhtem Zinngehalt eingesetzt, die heute aber wie bei den Galvanik-Dreischicht-Verbundwerkstoffen durch in der Belastbarkeit noch weiter gestei-
Bild 8-52 Schliffbilder der beiden Dreischicht-Verbundwerkstoffe Stahl/CuPb22Sn/PbSn14Cu8 und Stahl/CuSn8Ni/CuSn6
300
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
gerte bleifreie Legierungen (z. B. CuSn8Ni) abgelöst wurden. Die relativ harte PVD-Drittschicht besteht i. d. R. aus AlSn20 (Bild 8-53). Einsatzbeispiele sind Pleuellager in hoch aufgeladenen Pkw-Dieselmotoren sowie Pleuel- und Kurbelwellenlager in hoch aufgeladenen Nfz-Dieselmotoren insbesondere bei solchen mit modernen Direkteinspritzverfahren und Ladeluftkühlung.
8.5.5
Lagerschäden und ihre Ursachen [8-68], [8-69]
8.5.5.1
Beeinträchtigungen des Betriebs
Der Betrieb des Lagers kann durch verschiedene Störeinflüsse beeinträchtigt werden. Hierunter sind alle Ursachen zu verstehen, die einen hydrodynamischen Betrieb unter Vollschmierung trotz richtiger Auslegung verhindern. Dazu zählen z. B. Schmierstoffmangel, verschmutzter, verdünnter oder luftverschäumter Schmierstoff, Überlastung, mangelhafte Geometrie der Gleitpartner aufgrund von Herstellungs- oder Montagefehlern. Folgen der Störeinflüsse können Verschleiß, Überhitzung, Werkstoffermüdung oder Korrosion sein. Liegen diese Beeinträchtigungen nur in geringem Grad vor, behält die Lagerung im Allg. ihre Funktionsfähigkeit bei. Im fortgeschrittenen Stadium können sie jedoch letztlich alle zum Ausfall der Lagerung führen.
8.5.5.2
Verschleiß
Reicht die Schmierfilmdicke zwischen zwei Gleitpartnern nicht aus, deren Gleitflächen vollkommen voneinander zu trennen, so tritt statt der verschleißfreien Vollschmierung bei reiner Flüssigkeitsreibung Mischreibungsverschleiß auf. Wegen der herstellungsbedingten Oberflächenrauheiten entstehen Furchen durch den härteren im weicheren Gleitpartner, und es tritt ein Abscheren der Rauhigkeitsspitzen auf. Solche
Bild 8-53 Schliffbild eines Sputterlagers
Mikrozerspanungsvorgänge werden als Abrasionsverschleiß bezeichnet. Dieser kann bei Gleitlagern als zulässig bezeichnet werden, wenn die Abtragsgeschwindigkeit des Lagerwerkstoffs so gering ist, dass die angestrebte Lebensdauer der Gleitlagerung hierdurch nicht herabgesetzt wird. Dabei ist flächiger Abtrag harmloser als riefiger, da er den Aufbau des hydrodynamischen Tragdrucks weniger beeinträchtigt. Flächiger Einlaufverschleiß ist als positiv anzusehen, da durch die damit erzeugte Glättung der Gleitflächen die Hydrodynamik verbessert wird. Bild 8-54 zeigt flächigen Abrasionsverschleiß. Der durch harte Fremdpartikel im Schmieröl erzeugte Lagerverschleiß wird als Erosionsverschleiß bezeichnet. Viele kleine Partikel erzeugen eher flächigen, wenige große Partikel riefigen Abtrag. Bei unzulässig hohen Verschleißgeschwindigkeiten kann es zu stärkeren Überhitzungen und zu Schmelzvorgängen des Lagerwerkstoffs kommen. Hierdurch entstehen örtlich Verbindungsbrücken mit dem Gleitpartner, die beim Abscheren zu Adhäsionsverschleiß führen. Ist eine Trennung der Adhäsionsbrücken nicht mehr möglich oder mit starken Zerstörungen verbunden, wird von Lagerfressern gesprochen. Diese bedeuten i. d. R. den Totalausfall des Lagers. Korrosionsverschleiß kann infolge von chemischen Reaktionen des Lagerwerkstoffs mit aggressiven Medien im Schmieröl entstehen. Solche Medien können sich z. B. beim Überschreiten der vorgeschriebenen Schmierstoff-Wechselintervalle insbesondere auch bei hoher thermischer Belastung und Alterung des Schmierstoffs in Form von Säuren bilden. Auch können Korrosion erzeugende Medien vom Kraftstoff (Schweröl, Deponiegas) in das Schmieröl gelangen. Korrosionsverschleiß ist eine chemische Zersetzung des Lagerwerkstoffs, die dessen Eigenschaften verändert und häufig zu lochfraßähnlicher Abtragung des Materials bis hin zu Totalschäden mit Lagerfressern führen kann.
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen
301
lute Höhe des Schmierfilmdrucks, sondern vor allem auch dessen örtlicher Gradient die Ermüdung des Lagerwerkstoffs. Durch die Zerstörung der Gleitfläche vermindert sich die Tragfähigkeit des Lagers, da der hydrodynamische Druckaufbau gestört wird. Meist treten dann zusätzlich Verschleiß, Überhitzung und letztlich der Totalausfall durch Fressen auf.
Bild 8-54 Abrasionsverschleiß bei einer Dreischicht-Lagerschale
8.5.5.3
Ermüdung
Nach [8-59] und [8-66] werden Ermüdungsrisse im Lager durch zu hohe dynamisch wechselnde Umfangsspannungen verursacht, die durch den dynamisch schwellenden Schmierfilmdruck hervorgerufen werden. Bei veränderlicher Lagerbelastung ergeben sich durch das zwischen den Gleitflächen dynamisch schwellend auftretende Druckfeld im Schmierstoff tangentiale Normal- und Schub-Wechselspannungen im Lagerwerkstoff. Beim Überschreiten der Dauerfestigkeit des Werkstoffs kommt es zu Ermüdungsschäden. Ermüdung ist ein rein spannungsmechanischer Vorgang. Die Schäden treten als Risse von der Oberfläche in die Tiefe gehend, im fortgeschrittenen Stadium als Ausbröckelungen in der Gleitschicht auf. Bild 8-55 zeigt typische Ermüdungsschäden von Galvanik-Gleitlagern. Nach [8-59] und [8-66] beeinflusst nicht nur die abso-
8.6
Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen
8.6.1
Funktion des Kolbens
Der Kolben ist das erste Glied in der Kette der kraftübertragenden Teile eines Verbrennungsmotors. Als bewegliche, kraftübertragende Wand hat er zusammen mit den Kolbenringen den Brennraum gegen Gasdurchtritt und Schmieröldurchfluss bei allen Betriebs- und Lastzuständen zuverlässig abzudichten. Durch die spezielle Gestaltung des Kolbenbodens als wesentlicher Teil des Brennraumes beeinflusst er bei den verschiedenen Arbeitsverfahren die Strömungsverhältnisse beim Ladungswechsel, die Gemischaufbereitung und die Verbrennung. Durch Erhöhung der Drehzahl und des mittleren effektiven Drucks mit Hilfe der Aufladung wachsen die Anforderungen an die mechanische und thermische Belastbarkeit der Kolben von Dieselmotoren ständig. Mit den erhöhten Belastungen ist es aber zunehmend schwieriger geworden, die an moderne Kolbenausführungen gestellten Forderungen, wie Anpassungsfähigkeit an wechselnde Betriebsbedingungen, Fresssicherheit, hohe Gestaltfestigkeit, Laufruhe, niedrigen Ölverbrauch und lange Lebensdauer zu erfüllen. Außerdem sind die Einsatzgrenzen mancher konventioneller Kolbenkonstruktionen und auch der üblichen Werkstoffe deutlich geworden. Beim Entwurf von Kolben für Hochleistungs-Dieselmotoren müssen daher alle Möglichkeiten in Bezug auf Werkstoff und konstruktive Gestaltung ausgeschöpft werden.
8.6.2
Bild 8-55 Ermüdung der Drittschicht einer Dreischicht-Lagerschale
Temperaturen und Kräfte am Kolben
Die sehr schnelle Umsetzung der im Kraftstoff gebundenen Energie in Wärme führt bei der Verbrennung zu einer beträchtlichen Temperatur- und Drucksteigerung. Dabei bedingen die verschiedenen Arbeitsverfahren unterschiedliche Verdichtungs- und Kraftstoff-Luft-Verhältnisse, die Spitzentemperaturen der Gase im Brennraum zwischen 1800 und 2600 °C zur Folge haben. Während des Arbeitsspiels sinken die Temperaturen stark ab, wobei die den Verbrennungsraum verlassenden Abgase immer noch zwischen 500 und 1000 °C heiß sein können. Der Wärmeübergang von den heißen Brenngasen an die Brennraumwände und damit an den Kolbenboden erfolgt vorwiegend durch Konvektion und nur zu einem geringen Teil durch Strahlung (s. Abschn. 7.2).
302
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Die starken periodischen Temperaturschwankungen im Brennraum führen zu Temperaturschwankungen in der obersten Schicht des Kolbenbodens. Die Amplituden der Schwingungen liegen in der Größenordnung von einigen Grad an der Oberfläche und klingen nach einer Exponentialfunktion innerhalb weniger Millimeter nach innen ab [8-70]. Ein großer Teil der vom Kolbenboden während des Arbeitstaktes aufgenommenen Wärme fließt über die Kolbenringpartie und über die Zylinderwand an das Kühlmittel ab. Je nach Motor und Kolbenbauart, beeinflusst durch das Arbeitsverfahren und die Kolbengeschwindigkeit, liegt der dabei hauptsächlich über die Kolbenringe abfließende Anteil zwischen 20 und 60% der am Kolbenboden einfallenden Wärmemenge. Ein kleiner Teil der Wärme wird während des Gaswechsels auf das Frischgas übertragen. Das Schmierbzw. Kühlöl, welches an die Innenwandung des Kolbens gelangt, übernimmt die restliche Wärmeabfuhr. Im Kolben entsteht ein dreidimensionales Temperaturfeld, das sich unter Zuhilfenahme von Randwerten mit FiniteElement-Programmen berechnen lässt. Charakteristische Oberflächentemperaturen an Kolben von Otto- und Dieselmotoren sind aus Bild 8-56 ersichtlich. Sie werden im Motor mit nichtelektrischen Messmethoden (Schmelzstifte, Templug, Resthärte) und aufwändigen elektrischen Messverfahren (Thermoelemente, NTCWiderstände,Telemetrie) ermittelt. Durch Kühlung (Anspritzkühlung, Zwangsölkühlung) kann die Kolbentemperatur beeinflusst werden.
Am Kolben herrscht ein Gleichgewicht aus Gas-, Massenund Stützkräften (Pleuel- und Seitenkräfte). Für die mechanische Beanspruchung des Kolbens ist der maximale Gasdruck von entscheidender Bedeutung. Er beträgt bei SaugDieselmotoren 80 bis 110 bar, bei aufgeladenen Dieselmotoren 160 bis 250 bar. Die Drucksteigerungsgeschwindigkeit erreicht 3 bis 8 bar/°KW, bei Verbrennungsstörungen kann sie 20 bar/°KW überschreiten ([8-71] bis [8-73]).
8.6.3
Gestaltung und Beanspruchung des Kolbens
8.6.3.1
Hauptabmessungen des Kolbens
Der Kolben verfügt über die Funktionsbereiche Kolbenboden, Ringpartie mit Feuersteg, Bolzennabe und Schaft. Zusätzliche Funktionselemente wie Kühlkanal und Ringträger kennzeichnen die Kolbenbauart. Zur Baugruppe Kolben zählen auch die Kolbenringe und der Kolbenbolzen sowie die Bolzensicherungen. Die Kolbenhauptabmessungen (Bild 8-57, Tabelle 8-4 [8-74]) stehen in enger Wechselbeziehung zu den Hauptabmessungen des Motors und den Abmessungen anderer Bauteile (Kurbelgehäuse, Kurbelwelle, Pleuel). Wichtigstes Maß neben dem Zylinderdurchmesser ist beim Kolben die Kompressionshöhe, d. h. der Abstand zwischen Bolzenmitte und Feuerstegoberkante. Die Kolbenmasse spielt besonders bei schnelllaufenden Motoren eine große Rolle.
Bild 8-56 Betriebstemperaturen an Kolben von Fahrzeugmotoren bei Volllast (schematisch)
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen
Bild 8-57 Wichtige Abmessungen und Begriffe am Kolben. F Feuersteg; St Ringsteg; s Bodendicke; KH Kompressionshöhe; DL Dehnlänge; GL Gesamtlänge; BO Nabenbohrungs-Durchmesser (Bolzendurchmesser); SL Schaftlänge; UL untere Länge; AA Nabenabstand; D Kolbendurchmesser
Tabelle 8-4 Hauptabmessungen von Leichtmetallkolben für Dieselmotoren Viertakt-Dieselmotoren Durchmesser D in mm Gesamtlänge GL/D Kompressionshöhe KH/D Bolzendurchmesser BO/D Feuersteg F/D 1. Ringsteg St/D** Nutenhöhe für 1. Ring in mm Schaftlänge SL/D Nabenabstand AA/D Bodendicke s/D Gewichtskennzahl GN/D in g/cm3
75…100 0,8…1,3 0,50…0,80 0,35*…0,40 0,10…0,20 0,07…0,09 1,5…3,0 0,50…0,90 0,27…0,40 0,10…0,15*** 0,8…1,1
>100 1,1…1,6 0,70…1,00 0,36…0,45 0,10…0,22 0,07…0,12 3,0…8,0 0,70…1,10 0,25…0,40 0,13…0,20 1,1…1,6
* unterer Wert für Pkw-Diesel. ** Werte gelten für Ringträgerkolben. *** bei Direkteinspritzern ~ 0,2 x Muldendurchmesser.
8.6.3.2
Beanspruchungsverhältnisse am Kolben
Allgemeine Beschreibung Die am Kolben wirkenden Gas-, Massen- und Führungskräfte erzeugen Verformungen und damit Spannungen im Kolben. Der Druck der Verbrennungsgase wirkt auf den Kolbenboden. Die daraus resultierende Kraft wird vom Kolben
303
über den Kolbenbolzen und die Pleuelstange an die Kurbelwelle weitergeleitet. Da sich die Bolzenaugen im Bereich des Schaftes auf den Kolbenbolzen abstützen, wird der Kolbenschaft an seinem offenen Ende oval verformt. Die Verformung wird durch die Verformung des Bolzens (Abplattung und Durchbiegung) und durch die Anlagekräfte im Zylinder, die sich ebenfalls auf die Verformung des Kolbens auswirken, beeinflusst. Diesen aus den mechanischen Kräften herrührenden Kolbendeformationen sind Verformungen überlagert, die sich aus dem im Kolben herrschenden Temperaturfeld ergeben. Sie führen beim betriebswarmen Kolben gegenüber dem kalten Zustand zu Verwölbungen des Bodens und ansteigenden Durchmesservergrößerungen vom unteren Schaftende bis zum Feuersteg. Beim Entwurf eines Kolbens werden ausreichend große Wandstärken angestrebt, um Brüche und Verformungen, auch durch die Seitenkräfte, zu vermeiden, die in bestimmten Bereichen aber elastisch genug sind, um von außen aufgeprägten Verformungen (z. B. durch den Zylinder) nachgeben zu können. Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass der Kolben als schnell bewegtes Teil im Motor eine möglichst geringe Masse haben sollte. Mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode können Deformationen und Spannungen infolge der Wirkung eingeprägter Kräfte und Temperaturfelder berechnet werden (Bild 8-58).
Belastung des Kolbenbodens Der Kolbenboden bei Dieselkolben ist einer extremen Temperaturbelastung mit Temperaturen von weit über 300 °C ausgesetzt, bei der die Dauerfestigkeit der verwendeten Werkstoffe bereits erheblich reduziert ist. Durch die geometrische Gestaltung, insbesondere des Muldenrandes und des Muldengrundes, muss dafür gesorgt werden, dass sich nach Möglichkeit keine lokalen Temperaturspitzen und keine festigkeitsmindernden Kerbwirkungen ergeben, die ein Anreißen begünstigen könnten ([8-76] bis [8-78]). Für den Muldenrand ergibt sich im motorischen Betrieb eine deutliche Temperaturwechselbeanspruchung. Durch lokales Aufheizen und Verformungsbehinderung durch umliegende kältere Bereiche kann es örtlich zur Plastifizierung des Kolbenwerkstoffes kommen und im Extremfall zur Entstehung von thermisch bedingten Anrissen. Um die Anrissneigung zu reduzieren, kann durch Anodisation des Kolbenbodens eine Aluminium-Hartoxidschicht erzeugt werden. Bei Mulden für Motoren mit Direkteinspritzung erfordert häufig die Optimierung des Schadstoffausstoßes, dass der Muldenrand mit möglichst kleinem Radius, oft auch mit einem Hinterschnitt ausgeführt wird. Am Muldenrand ent-
304
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
a
b
Bild 8-58 Finite-Elemente-Berechnung eines Kolbens. a FE-Netzwerk und Temperaturfeld in °C; b Verformungen unter Temperaturbelastung
steht dann zwangsläufig ein ausgeprägtes Temperaturmaximum. In die Kolbenlegierung eingebrachte keramische Kurzfasern aus Aluminiumoxid erhöhen die Festigkeit des lippenförmig ausgeführten Muldenrandes wesentlich. Da die Kolbenlegierung in flüssigem Zustand allerdings nur unter erhöhtem Druck in das poröse Paket aus Fasern eindringt, ist ein spezielles Gießverfahren erforderlich, um derartige Kolben mit faserverstärktem Muldenrand (Bild 8-59) oder örtlich faserverstärkten Bodenpartien herstellen zu können [8-79].
Beanspruchung der Ringpartie Die thermische und mechanische Belastung der ersten (in manchen Fällen auch der zweiten) Ringnut erfordert bei Aluminiumkolben für Dieselmotoren zum Erreichen der heute geforderten Lebensdauer zusätzliche Maßnahmen. Der Ringnutverschleiß (Flankenverschleiß) hat seine Hauptursache in der radialen Bewegung der Ringe, verursacht durch Kippbewegung des Kolbens im Zylinder. Auch die Axialbewegung infolge von Gas-, Massen- und Reibungskräften und das Rotieren der Ringe tragen zum Ringnutverschleiß bei. Die hohe thermische Beanspruchung, insbesondere der ersten Ringnut, verstärkt einerseits den mechanischen Ver-
schleiß, kann andererseits bei Dieselmotoren aber auch zur Verkokung der Ringnut und zum Festgehen des ersten Ringes führen. In der Regel ist die erste Ringnut von Aluminium-Dieselkolben durch Eingießen eines Ringträgers armiert, der meist aus „Niresist“ hergestellt wird. Es handelt sich dabei um ein austenitisches Gusseisen, dessen Wärmeausdehnung etwa der des Aluminiums entspricht. Zwischen Ringträger und Kolbenwerkstoff wird durch das Alfinverfahren eine intermetallische Bindung erzielt, die ein Lösen des Ringträgers durch Gas- und Massenkräfte vermeidet und einen besseren Wärmeübergang ermöglicht. Andere Maßnahmen zur Ringnutbewehrung wie innenspannende Stahlringe an der Nutoberflanke oder Einlegieren von verschleißmindernden Werkstoffen bieten im Vergleich zum Ringträger meist nur geringeren Verschleißschutz.
Naben- und Abstützungsbereich Die auf den Kolben einwirkenden Kräfte werden über die Bolzennabe in den Kolbenbolzen und über das Pleuel in die Kurbelwelle eingeleitet. Die Bolzennabe zählt zu den am höchsten beanspruchten Partien des Kolbens.
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen 305
Kolbenkühlung
Bild 8-59 Flüssiggepresster, keramikfaserverstärkter Kolben mit gekühltem Ringträger und Nabenbuchsen
Zur kraftflussgerechten Abstützung des Kolbenbodens kommen verschiedene Nabenformen zum Einsatz (Blockoder Trapezabstützung). Bei größeren Dieselmotoren für Bahn- und Schiffsantriebe wird vielfach durch abgesetzt ausgeführte Bolzennaben (Stufenpleuel) die Flächenpressung reduziert. In den Nabenabstützungen befinden sich die Nabenbohrungen zur Aufnahme des Kolbenbolzens. Wegen ihrer Aufgabe als Gleitlager muss die Nabenbohrung mit hoher Oberflächengüte hergestellt werden. Die Dimensionierung des Kolbenbolzens und der Breite des kleinen Pleuelauges haben wesentlichen Einfluss auf die Belastbarkeit der Nabenbohrung. Bei einer Leistungssteigerung eines Motors kann es unter den gegebenen Bedingungen (Zünddruck, Temperatur, Lebensdauer) erforderlich werden, die Feingeometrie der Nabenbohrung abweichend von der zylindrischen Kontur zu gestalten, um einen rissfreien Dauerbetrieb im Nabenbereich zu gewährleisten [8‑80], [8‑81]. Durch eine leichte Ovalität des Bolzenlochs oder eine optimierte trompetenförmige Aufweitung zum Pleuel hin lässt sich die Bauteilfestigkeit im Bereich der Bolzennabe um etwa 5 bzw. 15% steigern. Weitere Möglichkeiten bieten sich durch Entlastungstaschen in der Bolzennabe und durch Kolbenbolzen mit profilierter Außenkontur (Formbolzen, s. Abschn. 8.6.5). Allerdings führen alle diese Maßnahmen zu einer Erhöhung der mechanischen Spannungen am Kolbenboden.
Die thermische Belastung der Kolben lässt sich wegen der oberhalb von etwa 150 °C mit zunehmender Temperatur stark abnehmenden Dauerfestigkeit der Al‑Si‑Legierungen nur begrenzt steigern. Daher wird bei Dieselmotoren in den meisten Fällen eine gezielte Kühlung des Kolbens benötigt [8‑82]. Hierfür reicht in manchen Fällen das Anspritzen der Kolbeninnenform mit Öl durch Standdüsen aus (Temperaturreduzierung in der 1. Ringnut um 10 bis 30 °C). Vielfach wird hinter der Ringpartie ein umlaufender Hohlraum, der sog. Kühlkanal erforderlich. Kühlkanalkolben werden mit wasserauslösbaren Salzkernen oder als „gekühlter Ringträger“ mit einem am Ring träger angebrachtem Blechkühlkanal hergestellt. Das Kühlöl wird von einer sorgfältig justierten, gehäusefesten Düse aus über eine Zulauföffnung im Kolben in den ringförmigen Kühlkanal eingespritzt. Für eine gute Wärmeabfuhr ist die Einhaltung der richtigen Ölmenge von entscheidendem Einfluss. Den Ablauf bilden eine oder mehrere Bohrungen an der Kolbeninnenseite, die bevorzugt auf der dem Zulauf in etwa gegenüberliegenden Seite des Kühlkanals angeordnet sind. Abhängig von der Lage des Kühlkanals wird eine deutliche Temperaturabsenkung am Muldenrand sowie im Ring-, Abstützungs- und Nabenbereich erreicht. Im Bereich der 1. Nut können Temperaturabsenkungen von 25 bis 50 °C erreicht werden (Bild 8-60, Tabelle 8-5). Bei gebauten Kolben lassen sich im Boden aus Stahl Kühlräume gestalten, die eine wirkungsvolle Kühlwirkung, besonders im Bereich der Ringzone, ermöglichen. Üblicherweise erfolgt die Zuführung des Kühlöls in den äußeren, ringförmigen Kühlraum und der Rücklauf aus dem inneren Kühlraum. Da die Temperatur im Bereich der Nut des ersten Verdichtungsringes wegen Säurebildung durch Taupunktunterschreitung des in den Verbrennungsgasen enthaltenen SO2 und SO3 im Teillastbereich 150 °C nicht unterschreiten sollte, kann es erforderlich werden, den Kühlölkreislauf im Kolben zu ändern, so dass zuerst der Kolbenboden und anschließend der Bereich der Ringpartie gekühlt wird.
8.6.3.3
Kolbenbauarten
Kolben für Pkw-Dieselmotoren Verfahrensbedingt tritt beim Dieselmotor neben der thermischen auch eine höhere mechanische Belastung auf. Bei noch relativ niedrig belasteten Pkw‑Dieselmotoren reichte der übereutektische Aluminiumwerkstoff mit 18% Siliziumgehalt aus. Bei höher belasteten Motoren hat sich jedoch der Ringträger als Schutz gegen Verschleiß in der ersten Nut
306 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Tabelle 8-5 Einfluss der Motorbetriebsbedingungen und Kühlung auf die Kolbentemperaturen von Fahrzeugmotoren Betriebszustand
Änderung des Betriebszustandes
Temperaturänderung an der 1. Ringnut
Drehzahl n (pe = konst.)
100/min
2…4°C
Last pe (we) (n = konst.)
1 bar (0,1kJ/dm3)
≈10°C (Muldenrand ≈20°C)
1 bar bei Kühlkanalkolben
5…10°C (Muldenrand 15…20°C)
Förderbeginn (nach früh)
1° KW
+ 1…3°C (Muldenrand 1 t
L1
L2
L3
L4
L5
M1
M2
M3
N1
Bauart
zweirädrig
dreirädrig
zweirädrig
Dreirädrig (asymmetr.)
Dreirädrig (symmetr.)
–
–
–
–
Hubraum
< 50 ccm
< 50 ccm
> 50 ccm
> 50 ccm
> 50 ccm
Höchstgeschwindigkeit
< 50 km/h
< 50 km/ h
> 50 km/ h
> 50 km/h
> 50 km/h
Anzahl der Sitzplätze
_
–
–
–
–
1-5
>9
>9
zul. Gesamtmasse
–
–
–
–
1t
1–5t
>5t
1 – 3,5t
N2
N3
3,5–12t
>12 t
17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge 579 Handwerk, Kleingewerbe und für kommunale und gewerbliche Dienstleistungen (z. B. Taxi, Schulbus, Kranken- und Behindertentransport, Straßenreinigung, Feuerwehr usw.) verwendet. Auch beim privaten Nutzer erfreut sich diese Fahrzeugkategorie in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit. Der Trend zur aktiven Urlaubs- und Freizeitgestaltung hat dazu geführt, dass Campingfahrzeuge, Wohnmobile und Kleinbusse zu einer gewohnten Erscheinung im Straßenbild gehören. Die Anforderungen, die an Motoren für leichte Nutzfahrzeuge gestellt werden, resultieren aus den oben genannten vielfältigen Einsatzgebieten. Für den kommerziellen Einsatz stehen niedrige Betriebskosten, hohes Drehmoment und hohe Verfügbarkeit im Vordergrund. Bei privaten Anwendern werden zusätzlich hohe Fahrleistungen wie Beschleunigungsvermögen und Höchstgeschwindigkeit neben Komfort und niedrigem Kraftstoffverbrauch, ähnlich dem Pkw, erwartet.
17.2.2 Anforderungen an Motoren für leichte Nutzfahrzeuge Bei leichten Nutzfahrzeugen kommen Gesetzesvorschriften zur Schadstoffemission zur Anwendung, die sowohl von den schweren Nutzfahrzeugen als auch von den Vorschriften für Personenkraftwagen abgeleitet sind. Mit der Einführung der EURO III-Grenzwerte sind für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t in Weiterentwicklung des 13-Stufentestes gem. der ECE R49Richtlinie die Prüfprozedur nach dem ESC- und ELR-Test zur Anwendung gekommen. Fahrzeuge mit Dieselpartikelfilter sind außerdem nach dem ETC zu testen. Für leichte Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht unter 3,5 t gelten Schadstoffgrenzwerte, deren Einhaltung auf einem Rollenprüfstand ermittelt wird. Für diese Fahrzeugklasse kommt der gleiche Rollentest zur Anwendung wie er auch für Pkw vorgeschrieben ist. Je nach Bezugsmasse gelten dabei unterschiedliche Grenzwerte (vgl. Kap. 15). Die Bezugsmassenklasse 1 bis 1305 kg gilt für Pkw, die Klassen 2 (< 1760 kg) und 3 (> 1760 kg) gelten für Fahrzeuge wie sie die leichten Nutzfahrzeuge darstellen. Für diese Fahrzeugklasse (2 und 3) sind die Grenzwerte entsprechend höher angesetzt. Aufgrund dieser, je nach Klasse zur Anwendung kommenden Vorschriften, werden unterschiedliche Maßnahmen ergriffen. Die Abgasvorschriften unterliegen einer kontinuierlichen Verschärfung, so dass der Entwicklungstand der Motoren in entsprechend kurzen Zyklen der aktuellen Gesetzgebung angepasst werden muss. Hierbei hat sich die Common Rail Technik in den letzen Jahren fast ausnahmslos
durchgesetzt. Dieses Gemischbildungsverfahren bietet eine Fülle von Freiheitsgraden, wie die Einspritzung hinsichtlich Menge, Zeitpunkt, Häufigkeit (Vor- und Nacheinspritzung) und Druck zu gestalten. Weitere Maßnahmen wie beispielsweise gekühlte, geregelte Abgasrückführung oder Regelung des Ladedruckes sind durch die Anwendung der Elektronik in den Dieselmotor inzwischen selbstverständlich geworden. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass die in Frage kommenden Motoren ein Zylindervolumen von deutlich unter 1 dm3 aufweisen. Dieses, gegenüber den Motoren für schwere Lastkraftwagen, relativ kleine Zylindervolumen erschwert aufgrund der geringen freien Einspritzstrahllängen die Verbrennungsoptimierung. Verbesserungen beim Ölverbrauch und vor allem im Kraftstoffverbrauch sind für die Zukunft unabdingbar. Trotz Einsatz aller motorisch vorgesehenen Maßnahmen gewinnt die Abgasnachbehandlung zunehmend an Bedeutung. Mit der Einführung der Abgasstufe 4 für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht > 3,5 t nach dem 13‑Stufentest und für Fahrzeuge < 3,5 t nach dem Rollentest wird bei den leichten Nutzfahrzeugen neben dem Oxidations katalysator der Dieselpartikelfilter zur Erreichung der Abgas grenzwerte eingesetzt. Die deutliche Reduzierung der Stickoxide mit Einführung der Euro 5-Grenzwerte zum 1.10.2008 wird darüber hinaus auch in dem hier betrachteten Fahrzeugsegment vermutlich weitere Abgasnachbehandlungs systeme erfordern. Die Geräuschemission von Nutzfahrzeugen wird durch die EG-Vorschrift 70/157/EWG limitiert, s. Abschn. 16.2. Zur Einhaltung dieser Vorschrift sind Maßnahmen am Motor wie auch am Fahrzeug notwendig. Am Motor wird man diesen Anforderungen durch eine steife Gestaltung des Zylinderkurbelgehäuses, der Verwendung einer gegossen Ölwanne und des Einsatzes eines Leiterrahmens für die Hauptlagergasse gerecht. Sekundärseitig lassen sich durch Kapselungen Verbesserungen erreichen. Wesentlichen Einfluss lässt sich durch die Gestaltung des Brennverlaufs, wie eine oder mehrere Voreinspritzungen, auf das Verbrennungsgeräusch nehmen. Neben den gesetzlichen Randbedingungen bestimmen auch das Einsatzgebiet des Nutzfahrzeuges und die Kundenanforderungen die Motorenentwicklung. Für den Gütertransport im Nahbereich ist weniger eine hohe Nennleistung als vielmehr ein hohes Drehmoment bereits bei niedrigen Drehzahlen erwünscht. Eine derartige Drehmomentcharakteristik wird mit Hilfe von Turboladern mit variabler Turbinengeometrie erreicht. Eine weitere Möglichkeit stellt die 2‑stufige Aufladung dar, wie sie sich bereits im Pkw-Bereich in Serie befindet [17-2]. Für den privaten Nutzer, vor allem bei personentransportierenden Ausführungen, ist dagegen eine relativ hohe Motorleistung gefragt. Bei Fahrzeugen
580 17 Fahrzeugdieselmotoren dieser Kategorie werden Motoren mit hoher spezifischer Leistung angeboten. Die Abgasturboaufladung ist bei Dieselmotoren zur Selbstverständlichkeit geworden, ausnahmslos wird hierbei die Ladeluftkühlung eingesetzt. Die Triebwerksbelastungen durch hohen Zylinderspitzendruck sind sowohl verbrennungsseitig wie konstruktiv zu beherrschen. In dem Fahrzeugsektor mit entsprechend hoher Leistung sind Ottomotoren vorzufinden. Faktoren wie Langlebigkeit, Zuverlässigkeit, Robustheit und lange Wartungsintervalle haben bei leichten Nutzfahrzeugen eine große Bedeutung. Die im leichten Nutzfahrzeug bis 3,5 t eingesetzten Pkw-Motoren werden für diese Anwendung gesondert angepasst. Meist werden diese Motoren im maximalen Drehmoment, der Nennleistung, dem maximalen Ladedruck und der Nenndrehzahl begrenzt, um die oben genannten Kriterien zu erfüllen. Hinzu kommen Modifikationen im Triebwerkbereich zur Anpassung an das Nfz-spezifische Lastkollektiv sowie periphere Maßnahmen wie die Wartungsintervallanzeige und Anpassungen an die Einbausituation. Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 5 t sind i. d. R. mit Dieselmotoren bestückt, deren Nenndrehzahl bei ca. 3000 min–1 oder niedriger liegt, um den Motorverschleiß in Grenzen zu halten und lange Laufzeiten gewährleisten zu können.
17.2.3 Ausgeführte Motorisierungen leichter Nutzfahrzeuge 17.2.3.1
Gesamtbetrachtung
Die Palette von ausgeführten Dieselmotoren, die heute als Antrieb in Kraftfahrzeugen Anwendung findet, reicht vom kleinvolumigen 0,8 l – Motor mit 30 kW bis zum 18 l – Motor mit 485 kW. Die zur Motorisierung von leichten Nutzfahrzeugen mit einer Gesamtmasse von 2 bis 5 t verwendeten Motoren decken inzwischen einen Leistungsbereich von ca. 50 bis 170 kW ab (Bild 17‑19). Als Triebwerke werden sowohl Otto-, als auch aufgeladene direkt einspritzende Dieselmotoren mit Ladeluftkühlung eingesetzt, deren Hubvolumina von 1,9 bis 3,7 Liter reichen. Hervorzuheben ist, dass sich neben dem klassischen Otto- und Dieselantrieb auch Motoren mit Erdgas als Treibstoff etablieren. Leichte Nutzfahrzeuge bis zu 2 t zulässiger Gesamtmasse werden i. d. R. mit aus dem Pkw-Antrieb stammenden Diesel-Aggregaten bestückt. Die Leistung beträgt zwischen 50 bis 90 kW, der Hubraum liegt bei ca. 2 Litern. Bei leichten Nutzfahrzeugen bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 6 t reicht die Motorleistung bis ca. 130 kW bei 2,5 bis 3 Liter Hubvolumen. In dem Bereich der Fahrzeuge zur Personenbeförderung sind teilweise größer volumige Ottomotoren zu finden (Bild 17‑20).
Bild 17-19 Nennleistung von Verbrennungsmotoren für leichte Nutzfahrzeuge mit unterschiedlichem Gesamtgewicht
17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge 581
Bild 17-20 Hubraum von Verbrennungsmotoren für leichte Nutzfahrzeuge mit unterschiedlichem Gesamtgewicht
Für Lastkraftwagen mit einer Gesamtmasse im Bereich zwischen 6 und 7,5 t, die ebenfalls zu den kleinen Nutzfahrzeugen zählen, werden Motoren verbaut, die unübersehbar aus den Motorfamilien der schweren Nutzfahrzeuge abgeleitet sind. Die Nennleistung ist aufgespannt zwischen 90 und 160 kW bei Hubvolumina zwischen 3 und nahezu 5 Litern. Werden die Leistungsdaten von ausgeführten Kraftfahrzeug-Dieselmotoren verglichen, so lassen sich spezifische Zuordnungen zu den Anwendungsgebieten feststellen. In Bild 17‑21 ist der mittlere effektive Druck der Motoren bei Nennleistung in Abhängigkeit von der volumenspezifischen Leistung aufgetragen. Zusätzlich sind in dem Diagramm die entsprechen Nenndrehzahlen eingetragen. Motoren für leichte Nutzfahrzeuge weisen erwartungsgemäß Auslegungsdaten auf, die näher bei den Pkw-Motoren angesiedelt sind. Es sind Literleistungen von bis zu 50 kW/l vorzufinden, der Mittelwert beträgt ca. 40 kW/l. Im Diesel-PkwBereich werden bei Spitzenmotorisierungen nahezu 70 kW/ l erreicht. Die Nenndrehzahlen der Nutzfahrzeugmotoren decken den Bereich um 3500 min-1 ab und liegen unter denen der Pkw-Motoren. Die Auslegung ergibt sich einerseits aus den geometrischen Abmessungen des Triebwerks und ist andererseits begrenzt durch die beim nutzfahrzeugspezifischen Lastkollektiv lebensdauerkritischen Kolbengeschwindigkeiten. Als Verbrennungsverfahren finden bei Dieselmotoren für die betrachtete Kategorie der leichten Nutzfahrzeuge das
Direkteinspritzverfahren Anwendung. Zur Gemischbildung hat sich inzwischen das Common Rail-Verfahren etabliert. Kammer-Brennverfahren mit einer Verteilereinspritzpumpe werden inzwischen nicht mehr appliziert, weil mit dieser Art der Gemischbildung und Verbrennung die Emissionswerte nicht mehr zu erfüllen sind. Aufgrund der vielseitigen Möglichkeiten zur Regelung haben sich ausnahmslos elekt ronische Systeme durchgesetzt. Maßgeblich ist diese Entwicklung durch die Abgasgesetzgebung beeinflusst worden. Aufgrund des hohen Wirkungsgrades und seiner Langlebigkeit hat sich das Direkteinspritzverfahren schon lange als Lkw-Antrieb bei Motoren oberhalb der Hubraumgrenze von 2,5 l durchgesetzt. Der Kraftstoffverbrauch und damit die Betriebskosten haben die Entscheidung für dieses Konzept maßgeblich geprägt. Aus obengenanten Gründen werden auch keine Saugmotoren mehr für die Anwendung im leichten Nutzfahrzeug angeboten. Mit bescheidenem Marktanteil im Vergleich zum Dieselantrieb wird in dem Segment des exklusiv ausgestatteten Fahrzeuges des Privatkunden das obere Leistungsspektrum mit Ottomotoren abgedeckt. Daneben ist der Trend zu beobachten, die leichten Nutzfahrzeuge bis zu einer Tonnage von 5 t mit Erdgasantrieb auszustatten (Bild 17‑22). Bild 17-23 zeigt die maximalen Drehmomente, die von ausgeführten Nutzfahrzeug-Dieselmotoren erreicht werden. Im unteren Teil der Darstellung sind die Erdgasantriebe
582 17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-21 Leistungsdaten ausgewählter Dieselmotoren für den Fahrzeugeinsatz
Bild 17-22 Motorauslegung für leichte Nutzfahrzeuge
17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge 583
Bild 17-23 Maximales Drehmoment von Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge mit unterschiedlichem Gesamtgewicht
gefolgt von den Otto-Motoren zu finden. Es wird der Drehmoment‑Bereich zwischen 100 und 200 Nm abgedeckt. Eine Ausnahme bilden die größeren, teilweise auch aufgeladenen Ottomotoren. Dieselmotoren für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 6 t erreichen Drehmomente von 400 Nm. In der Fahrzeugklasse bis 7,5 t sind Drehmomente von 400 bis ca. 800 Nm üblich. Die in den vorangegangenen Bildern aufgeführten Motoren erfüllen die Abgasstufe 3 bzw. 4. Zur Einführung der Abgasstufe 5 am 1.10.2008 für den 13‑Stufentest ist mit einer weiteren Modifikation der Aggregate hinsichtlich der Gemischbildung im Dieselbereich zu rechnen. Mit der zukünftigen Generation der Hochdruckpumpen lässt sich ein Einspritzdruck von 2000 bar und mehr darstellen. Im Weiteren ist zur Reduzierung der Stickoxide mit dem Einsatz eines entsprechenden Abgasnachbehandlungssystems zu rechnen. Inwieweit sich eines der Systeme für die leichten Nutzfahrzeuge durchsetzen wird, lässt sich aus heutiger Sicht nicht abschließend abschätzen.
17.2.3.2
Ausgewählte Beispiele
Nachfolgend sind stellvertretend für die Palette der Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge zwei ausgewählte Motorenreihen unterschiedlicher Hersteller beschrieben, die den Hubraum zwischen 2,2 und 2,5 l abdecken. Diese Hubraumklasse stellt den größten Teil der im leichten Nutzfahrzeug angewen-
deten Motoren dar (Bild 17‑20). In der Tabelle 17‑2 sind die Basisdaten zweier ausgewählter Motoren genannt.
Fünfzylinder DI-Dieselmotoren (Volkswagen) In der Transporterbaureihe T5 von Volkswagen werden neben einigen Ottomotoren 4 und 5‑Zylinder-Dieselmotoren eingesetzt. Im Nachfolger des LT2s, dem Crafter, werden ausschließlich 5‑Zylinder‑Diesel‑Motoren angeboten [17-3]. Das bewährte Triebwerk geht in seinen Ursprüngen auf den Pkw‑Motor der 80er Jahre zurück und ist für die Nutzfahrzeuganwendung stets weiter entwickelt worden. Für den Einsatz im Crafter ist das Aggregat grundlegend überarbeitet worden. Wesentlicher Bestandteil ist der Einsatz der Common Rail-Technologie der 3. Generation. Der Einspritzdruck erreicht 1600 bar. Die Injektoren sind mit Piezo‑Aktuatoren versehen. Die Leistung ist von 65 bis 120 kW in 4 Klassen gespreizt. Die Nenndrehzahl beträgt durchgängig 3500 min-1. Das maximale Moment wird bei einer Drehzahl von 2000 min-1 erreicht. Variable Turbinengeometrie und die Ladeluftkühlung sind inzwischen bei dieser Fahrzeugkategorie zur Selbstverständlich geworden. Mit einem Hub von 95,5 mm und einem Zylinderdurchmesser von 81 mm handelt es sich um einen vergleichsweise langhubigen Motor. Bei einem Hubvolumen von 2461 cm3 entspricht das Zylinder-Hubvolumen dem des für Pkw bzw. leichte Nutzfahrzeuge verwendeten Vierzylindermotors.
584 17 Fahrzeugdieselmotoren
Tabelle 17-2 Basisdaten ausgewählter Motoren leichter Nutzfahrzeuge
Bauart Hubraum Bohrung Hub Abgasrückführung Ladeluftkühlung ATL-Geometrie Einspritzsystem Nennleistung Max. Drehmoment Spez. Leistung
ccm mm mm
kW/min Nm kW/l
Das Zylinderkurbelgehäuse besteht aus Grauguss, der Zylinderkopf aus einer Aluminiumlegierung. Im Zusammenhang mit einer Aluminiumölwanne, die den Getriebeflansch mitgestaltet, ergibt sich ein steifer Verbund des Gesamtaggregates. Bei einem Zylinderabstand von 88 mm und einer Bohrung von 81 mm verbleibt zwischen den Zylindern eine minimale Stegbreite von 7 mm, die mittels einer Metallsicken- Zylinderkopfdichtung sicher beherrscht wird. Mit Hilfe des Dichtungsverbundes wird der Zylinderverzug in engen Grenzen gehalten, was für den Ölverbrauch von entscheidender Bedeutung ist. Der Zylinderkopf auf Aluminiumbasis mit 2 Ventilen ist als Gleichstromkopf ausgeführt. Die hydraulischen Tassenstößel der Ventile werden über eine Nockenwelle betätigt. Der Antrieb der Nockenwelle und der Common RailPumpe erfolgt über einen automatisch gespannten Zahnriemen. In diesen Riementrieb ist ebenfalls der Antrieb der Kühlmittelpumpe integriert. Die fortlaufende Weiterentwicklung der verwendeten Materialen der Zahnriemen, so wie die moderaten Belastungen durch die Common RailTechnik erlauben ein Zahnriemenwechselintervall von 200.000 km. Die Erfüllung der Abgasgrenzwerte nach Stufe 4 sowohl für den Rollentest wie auch für die Zulassung nach dem 13‑Stufentest sichert der Einsatz eines beschichteten Dieselpartikelfilters.
DaimlerChrysler
Volkswagen
R4 2148 88 88,3 ja ja variabel Common Rail 110/3800 330 51,2
R5 2461 81 95,5 ja ja variabel Common Rail 120/3500 350 48,8
maximale Moment der leistungstärksten Auslegung beträgt 330 Nm. Nach oben schließt ein V6‑Diesel die Motorisierung ab. Das Zylinderkurbelgehäuse ist in Grauguss ausgeführt. Die Seitenwände des Triebwerkes sind zur Steigerung der Steifigkeit weit heruntergezogen. Einer erhöhten Triebwerksbelastung wird durch Verwendung eines Trapezpleuels Rechnung getragen. Trotz Einsatz eines Trapezkolbens
Vierzylinder-2,2-l-Dieselmotor (DaimlerChrysler) DaimlerChrysler verwendet im leichten Nutzfahrzeugsegment unter anderem 4‑Zylinder-Dieselmotoren die ebenfalls im Pkw ihren Ursprung haben, [17-4]. Die Leistung der 4‑Zylinder-Motorenbaureihe reicht im neuen Sprinter von 65 bis 110 kW bei einer Nenndrehzahl im Nfz von 3800 min–1. Das
Bild 17-24 2,5-l-Turbo‑Dieselmotor von Volkswagen
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 585 konnte an der Axialführung der Pleuel im Kolben (Obenführung) festgehalten werden. Der Zylinderkopf ist in einer Aluminiumlegierung aus geführt. Zwei oben liegende Nockenwellen treiben die jeweils 4 Ventile an. Der CR‑Injektor ist zentral angeordnet, wodurch eine zentrisch im Kolben liegende Mulde ermög licht wird. Hinsichtlich der Temperaturverteilung sind hierdurch deutliche Vorteile gegenüber einem 2‑Ventil-Motor mit exzentrischer Kolbenmulde zu erwarten. Der Motor ist mit einem Common Rail-System der 3. Generation ausgestattet. Der erreichbare Einspritzdruck beträgt 1600 bar. Der Antrieb der Ventilsteuerung ist als Kettentrieb ausgeführt, in den der Antrieb der Common Rail-Pumpe integriert ist.
17.2.4
Ausblick
Die künftige Entwicklung von Dieselmotoren, die als Antrieb für leichte Nutzfahrzeuge vorgesehen sind, wird auch zukünftig entscheidend durch die Gesetzgebung beeinflusst. Die weitere Limitierung von Schadstoff- und Geräuschemissionen sowie die Entwicklung der Rohölpreise und damit die Steigerung der Energiekosten werden maßgebliche Einflussfaktoren für den Motorenentwickler darstellen und diesen bzgl. seiner Entscheidungen hinsichtlich des Antriebskonzeptes nachhaltig beeinflussen. Der Ottomotor wird künftig wohl nur noch in solchen Nutzfahrzeugen Anwendung finden, die aus dem Pkw direkt abgeleitet sind und überwiegend dem Personentransport dienen. Es sind vornehmlich die kleineren Tonnagen, die mit Otto-Motoren versehen sind. Die zukünftigen Gesetzesvorlagen werden mehr denn je von der CO2-Diskussion vor dem Hintergrund des Treibhauseffektes getrieben. Aufgrund des günstigeren H/C-Verhältnisses beim Erdgas im Vergleich zum Vergaserkraftstoff oder zum Dieselöl gewinnt auch diese Antriebsart an Bedeutung [17-5]. Einige Hersteller leichter Nutzfahrzeuge haben bereits Erdgasantriebe im Angebot. Dieselmotoren sind heute ausschließlich als Direkteinspritzer ausgeführt; steigende Kraftstoffpreise haben diesen Trend nachhaltig verstärkt. Bei der Gemischbildung hat sich die Common Rail-Technik weitgehend durchgesetzt. Die Formgebung des Einspritzverlaufs und damit des Brennverlaufs kann damit besser verwirklicht werden. Die Frage, ob die Piezo-Technik den magnetventilgesteuerten Injektor in den nächsten Jahren vom Markt verdrängen wird, lässt sich aus heutiger Sicht nicht abschließend beantworten. Derzeit kommen beide Systeme nebeneinander zur Anwendung. Hinsichtlich der Abgasturboaufladung hat sich die variab le Turbinengeometrie durchgesetzt. Zur Steigerung der Fahrleistungen und zur Erfüllung der Abgasgesetzgebung
wird am Dieselmotor vermehrt die 2‑stufige Aufladung zum Zuge kommen. Zur Erfüllung der Euro 5-Grenzwerte wird auch in diesem Fahrzeugsegment die Abgasnachbehandlung über den Einsatz des Dieselpartikelfilters hinaus eingesetzt werden. Der Dieselmotor mit seinem günstigen Kraftstoffverbrauch wird bei leichten Nutzfahrzeugen in den nächsten Jahren der beherrschende Antrieb sein. Dabei werden die strengen gesetzlichen Vorschriften eingehalten, Lebensdauer und Wartung verbessert sowie der Komfort dem Pkw weiter angepasst werden.
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 17.3.1
Definition „schwere Nutzfahrzeuge“
17.3.1.1
Klassifizierung
Nutzfahrzeuge werden vom Gesetzgeber nach ihrer zulässigen Gesamtmasse für die Güter- bzw. Personenbeförderung eingeteilt (Bild 17‑25). Diese Klassifizierung wird für viele Regelungen herangezogen, die das Nutzfahrzeug und sein Umfeld betreffen. Dazu gehören z. B. die Begrenzung von Emissionen, Erhebung von Steuern, Klasseneinteilung der Fahrerlaubnis oder zulässige Geschwindigkeit. Im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge, die nach der deutschen Straßenverkehrsordnung bei 7,5 t beginnt, ist noch einmal eine Unterteilung in leichte, mittlere und schwere Klassen üblich (Bild 17‑25). Die Grenzen sind dabei fließend. Die obere Grenze für die Gesamtmasse beträgt bei schweren Nutzfahrzeugen, die auf öffentlichen Straßen fahren dürfen, in Europa 40 t. Ausnahmen von dieser Regelung sind lokal möglich.
17.3.1.2
Einsatzgebiete
Nutzfahrzeuge sind das Rückgrat unserer modernen arbeitsteiligen Wirtschaft und ein Garant für Wachstum und Wohlstand. Rund drei Viertel aller Güterverkehrsleistungen werden in der europäischen Union mit dem Nutzfahrzeug abgewickelt, der weitaus größte Teil im Nahbereich. Während im europäischen schweren Fernverkehr der Sattelzug dominiert (Bild 17‑26), werden in Deutschland in hohem Maße auch Gliederzüge eingesetzt. Im regionalen und örtlichen Verteilerverkehr werden hauptsächlich Fahrzeuge der Mittelklasse und der leichten Klasse betrieben. Hierzu gehören auch Kommunalfahrzeuge für Stadtreinigung und Müllabfuhr sowie Feuerwehrfahrzeuge. In diesen Einsatzgebieten wird vorwiegend ohne Anhänger gefahren.
586
17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-25 Einteilung der schweren Nutzfahrzeuge nach ihrer Gesamtmasse
Bild 17-26 Schwere Sattelzugmaschine mit aufliegendem Anhänger, Gesamtmasse 40 t
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 587 Im Personentransport werden Reisebusse im fernen und mittleren Reiseverkehr eingesetzt. Sie werden in vielen Varianten bezüglich Nutzlast und Sitzplatzkapazität angeboten. Omnibusse im öffentlichen Personen-Nahverkehr, also Stadtbusse und Regionalbusse, sind die weitaus zahlreichsten Vertreter dieser Fahrzeuggattung. Auch hier sind zahlreiche Varianten, z. B. Doppeldecker und Gelenkbusse, anzutreffen.
17.3.2
Anforderungen des Betreibers an die Motoren
17.3.2.1
Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Kostenanalyse Nutzfahrzeuge sind Investitionsgüter, deshalb stehen Wirtschaftlichkeitserwägungen bei deren Anschaffung an erster Stelle. Die Kaufentscheidung wird nach Analyse der Transportaufgabe für das dafür am besten geeignete Fahrzeug getroffen. Vorwiegend werden dabei die Kosten während der Nutzungsdauer des Fahrzeuges betrachtet, s. z. B. [17-6]. Ein Beispiel für Fernverkehrs-Fahrzeuge enthält die Tabelle 17-3. Sie zeigt die Anteile der verschiedenen Kostenarten an den Gesamtkosten. Die dominierenden Faktoren sind erwartungsgemäß die Kraftstoffkosten gefolgt von Fahrzeug-Leasing und Autobahnmaut. Vom Fahrzeughersteller können
neben den Herstellkosten nur die Wartungs- und Reparaturkosten beeinflusst werden, deren Anteil 5,7% beträgt.
Leistung, spezifische Leistung Für den Bereich der schweren Nutzfahrzeuge werden vom Markt Motorleistungen zwischen 100 kW und 500 kW gefordert. Die wirtschaftlichste Antriebsleistung wird im Einzelfall nach der gegebenen Transportaufgabe ermittelt. Wenn die erforderliche Leistung festgelegt ist, kommt die spezifische Leistung als Wettbewerbskriterium ins Spiel. Raumbedarf und Gewicht des Motors sollen Transportvolumen und Nutzlast des Fahrzeugs so wenig wie möglich einschränken.
Kraftstoffverbrauch Der Kraftstoffverbrauch ist neben der Zuverlässigkeit für den Betreiber wegen seiner unmittelbaren Beeinflussung der Kosten der wichtigste Wirtschaftlichkeitsfaktor (s. Tabelle 17-3), zumal er auch wegen der öffentlichen Diskussion um die Schonung der Ressourcen und der Umwelt im Vordergrund steht. Deshalb wird im Markt der schweren Nutzfahrzeuge fast ausnahmslos nur der verbrauchsgünstigste Antrieb, der direkteinspritzende Dieselmotor, akzeptiert. Dies gilt vor allem für die schwere Klasse, da dort die Fahrleis
Tabelle 17-3 Nutzungsdauer-Kostenanteile. Sattelzugmaschine, geeignet für 40t Gesamtzugmasse, Nutzungsdauer 48 Monate, Gesamtfahrleistung 600.000km, ohne Kosten für Fahrpersonal, Verwaltung und Garage (Stand 2006) Variable Kosten
Rahmenbedingungen
Auswertung
Kosten Diesel (€/100 km = ct/km)
32,11
Einsatztage (Tage/Jahr)
240
Kosten AdBlue (€/100 km = ct/km)
0,00
Nutzungsdauer (Monate)
48
Autobahnmaut (€/100 km = ct/km)
9,60
Variable Kosten (€/100 km = ct/km)
41,71
Fixe Kosten Fahrzeug-Leasing (€/Jahr) Service und Reparatur (€/Jahr) Reifen (€/Jahr) Versicherung, Steuern, sonstige Fixkosten (€/Jahr) Fixe Kosten (€/Jahr)
122,93 19,67
Laufleistung Fahrzeug (km/Jahr)
150.000
Variable Kosten (€/100 km = ct/km)
41,71
Laufleistung Autobahn mautpflichtig (km/Jahr)
120.000
Fixe und variable Kosten (€/100 km = ct/km)
61,38
Fahrzeug-Leasing (€/Monat)
1.285,00
Service u. Reparatur (€/Monat) 15.420,00
Fixe Kosten (€/Tag) Fixe Kosten (€/100 km = ct/km)
438,00
Fahrzeug-Leasing (€/Jahr)
15.420,00
Reifen (€/Monat)
75,00
Wartung und Reparatur (€/Jahr)
5.256,00
Verbrauch Diesel (l/100 km)
34,90
Reifen (€/Jahr)
900,00
900,00
Verbrauch AdBlue (l/100 km)
0,00
Kraftstoff (€/Jahr)
48.162
7.926,00 29.502,00
Autobahnmaut (€/100 km = ct/km)
12,00
Maut (€/Jahr)
Preis Diesel (€/l)
0,92
Steuer u. Versicherung (€/Jahr)
Preis AdBlue (€/l)
0,60
Summe (€/Jahr)
5.256,00
14.400,00 7.926,00 92.064,00
588 17 Fahrzeugdieselmotoren tungen im Fernverkehr mit teils über 200.000 km/Jahr am höchsten sind. Im Bereich der leichten Klasse im Verteilerverkehr hat der Kraftstoffverbrauch unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten weniger Bedeutung. Solche Fahrzeuge kommen teilweise über 20.000 km/Jahr nicht hinaus. Für den Betreiber sind die streckenbezogenen Verbrauchswerte des Fahrzeugs maßgebend. Dafür mitentscheidend ist zunächst die fahrzeugseitige Optimierung von Roll- und Luftwiderstand, um die Verlustleistung zu minimieren. Ein weiteres fahrzeugseitiges Entwicklungsziel insbesondere für Tank- und Silofahrzeuge muss die Verringerung des Leergewichts sein. Dadurch wird nicht nur ein direkter Beitrag zur Energieeinsparung, sondern auch indirekt durch Erhöhung der Transportleistung bewirkt. Für die Motorenentwicklung genügt aber nicht, ein möglichst niedriges Verbrauchsminimum zu erzielen. Es sollte möglichst breit und im Motor-Kennfeld in dem Bereich liegen, in dem der Motor am häufigsten betrieben wird. Umgekehrt beeinflusst das Motor-Verbrauchskennfeld auch die Auslegung des Antriebsstranges. Erst die Optimierung dieser Wechselbeziehungen zwischen Motor, Getriebe, Hinterachse und Radgröße erfüllt die Ansprüche des Betreibers.
Verfügbarkeit, Wartung, Reparatur, Gewährleistung Wie alle Investitionsgüter soll auch das Nutzfahrzeug für den beabsichtigten Einsatzzweck möglichst uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Im Idealfall bedeutet dies für den Betreiber, dass nur die Betriebsstoffe nachgefüllt werden müssen. Komponenten mit einer kürzeren Nutzungsdauer als das Fahrzeugleben werden im Rahmen von Wartung und Instandhaltung erneuert, ausgetauscht oder nachgestellt. Da diese Aufwendungen ein ganz erheblicher Wettbewerbsfaktor sind, wird versucht, die Intervalle nach Möglichkeit zu verlängern und zu synchronisieren, um notwendige Stillstandszeiten zu reduzieren. Im Folgenden wird der Stand der Technik bei Wartung und Instandhaltung aus der Sicht des Betreibers untersucht. Schmierölsystem. Wegen der Alterung des Schmieröls ist dessen Wechsel in bestimmten Intervallen bisher unvermeidbar, obwohl eine teilweise Auffrischung durch den Ölverbrauch erfolgt. Dieser ist im Hinblick auf Emissionen und Abgasnachbehandlungssysteme zwar unerwünscht, aber auf niedrigem Niveau weiterhin unvermeidlich. Den Betreiber belastet der Ölwechsel durch Kosten für Ölmenge, Ölfilter und Arbeitszeit. Als wichtiges Entwicklungsziel gilt daher, den Ölverbrauch weiter zu senken und das Wechselintervall zu verlängern.
Verlängerte Ölwechselintervalle erfordern daran angepasste Ölreinigungssysteme. Im Filtersystem werden Verunreinigungen zurückgehalten, um den abrasiven Verschleiß an Tribopartnern zu vermeiden. Weit verbreitet sind heute Ölfilter im Nebenstrom, während die früher eingesetzte Ölzentrifuge zur weiteren Verlängerung der Ölwechselintervalle ebenfalls angeboten wird. Verschiedentlich werden in Verbindung mit Wartungsrechnern schon Ölwechselintervalle von bis zu 150.000 km im Fernverkehr erreicht. Dabei können verschiedene Parameter wie z. B. Ölqualität, Kraftstoffart, Schwefelgehalt oder Einsatzbedingungen berücksichtigt werden. Verbrennungsluft. Die bedarfsgerechte Wartung des Luftfiltersystems ist für die Lebensdauer des Motors von entscheidender Bedeutung, da die Verbrennungsluft staubfrei sein muss, um vorzeitigen Verschleiß an Zylinder, Kolben und Kolbenringen zu vermeiden. Die Intervalle sind abhängig von den Einsatzbedingungen des Fahrzeuges. Bei erhöhter Staubbelastung werden häufig dem Hauptfilter vorgeschaltete Zyklonabscheider verwendet. Auch in Nutzfahrzeugen haben sich Papierluftfilter in Form von Wechselpatronen durchgesetzt, s. Abschn. 13.1. Die Filterbeladung und der notwendige Filterwechsel werden durch Unterdruckwächter auf der Reinluftseite angezeigt, da vermieden werden muss, dass der Motor unter Luftmangel leidet. Unvollständige Verbrennung mit Rauchentwicklung, Leistungsabfall, Kraftstoffverbrauchserhöhung, aber auch Motorschäden können die Folge sein. Kraftstoffsystem. Außerordentlich hohe Anforderungen an die Reinheit des geförderten Mediums gelten für das Kraftstoffsystem, wo feinste Passungen bei hohen mechanisch-hydraulischen Beanspruchungen vorhanden sind. Verunreinigungen werden mit dem Kraftstoff beim Tanken übernommen oder können durch die notwendige Belüftung des Tanks in den Kreislauf gelangen. Die erforderliche Reinheit ist nur durch Feinstfiltereinsätze zu erreichen. Ihre Standzeit sollte bei normalen Umgebungsbedingungen ebenfalls dem Ölwechselintervall entsprechen. Ventilspiel. Während in den letzten Jahrzehnten noch die klassische Bauweise mit Nockenwelle im Kurbelgehäuse und Übertragung der Bewegung über Stößel und Kipphebel auf die Ventile dominierte, wird nun auch beim schweren Nutzfahrzeug zunehmend bei Neuentwicklungen eine obenliegende Nockenwelle mit Übertragung über Rollenkipphebel eingesetzt. Für jedes Ventilpaar ist eine Einstelleinrichtung vorzusehen, die in bestimmten – möglichst großen – Intervallen überprüft und, falls erforderlich, korrigiert werden muss. Ein automatischer Spielausgleich auf hydraulischer
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 589 Basis lässt sich im Nutzfahrzeugmotor bisher nicht mit akzeptabler Betriebssicherheit verwirklichen: es muss vermieden werden, dass im Motorbremsbetrieb mit Bremsklappe im Auspuffstrang und ungesteuert öffnenden Auslassventilen der automatische Spielausgleich wirksam wird und dadurch die Ventile am Schließen gehindert werden, vgl. Abschn. 17.3.3.2.
Dehnung unterworfen. Sie funktionieren nur zuverlässig und erreichen die erwartete Nutzungsdauer, wenn sie mit einer definierten Vorspannung betrieben werden. Die Längenänderung muss deshalb in der Antriebsgeometrie ausgeglichen werden. Auch bei Nutzfahrzeugen haben sich heute selbstnachstellende federbelastete Spannrollen durchgesetzt.
Keilriemenantriebe. Nutzfahrzeugmotoren müssen eine Reihe unterschiedlicher Nebenaggregate antreiben. Je nach Fahrzeug- und Einsatzart gehören hierzu Lüfter, Generatoren, Luftkompressoren, Lenkhilfepumpen, Kältemittelkompressoren, Hydraulikpumpen und andere Aggregate. Eine einfache und kostengünstige Leistungsübertragung war der Keilriemen [17-7]. Bei neueren Entwicklungen hat sich der leistungsfähigere Keilrippenriemen [17-8] durchgesetzt (Bild 17‑27). Die Lebensdauer dieser Antriebselemente ist deutlich geringer als die des Motors, weshalb sie in bestimmten Abständen erneuert werden müssen. Keilriemen sind aufgrund ihrer Konstruktion und durch ihre Beanspruchung dem Verschleiß und zunehmender
Reparaturen, Gewährleistung. Ausfälle anderer Motorkomponenten sollen nicht vor der Nutzungsdauergrenze des Motors auftreten. Sie fallen deshalb nicht unter den Begriff Wartung, sondern gelten als Schaden, der eine Re paratur erfordert. Im Fernverkehr werden Laufleistungen von einer Million Kilometer und mehr erreicht. Nebenaggregate wie z. B. Wasserpumpe, Generator oder Abgasturbolader erreichen bei manchen Anwendungen diese Werte nicht. Garantiezusagen für den Antriebsstrang bei schweren Nutzfahrzeugen werden unterschiedlich limitiert, beispielsweise mit 2 Jahren nach Erstzulassung und/oder 200.000 km Laufstrecke, je nachdem, welche Grenze zuerst erreicht
Bild 17-27 Antrieb der Nebenaggregate durch einen Keilrippenriemen an einem Dieselmotor für Omnibusse. a Kurbelwelle; b Umlenkrolle; c Generator; d Wasserpumpe; e Spannrolle; f Feder‑Dämpfer‑Element; g Klima‑Kompressor; h CR‑Hochdruckpumpe
Motor
590
17 Fahrzeugdieselmotoren
wird. Die Gewährleistungsverpflichtung erstreckt sich auf den Ersatz schadhafter Komponenten, vorausgesetzt, dass der Motor nicht missbräuchlich beansprucht wurde. Kaufpreis, Herstellkosten. Da ein wartungsfreier Motor nicht oder nur durch aufwendige Zusatzmaßnahmen realisierbar ist, gilt es, den richtigen Kompromiss zwischen Herstellkosten sowie Wartungs- und Instandhaltungskosten zu finden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass zunehmend umweltentlastende, aber teuere Maßnahmen ins Gewicht fallen, die der Gesetzgeber entweder direkt durch wirkungsorientierte Vorschriften oder indirekt durch emmissionsbezogen gestaffelte Steuerbelastungen des Betreibers veranlasst.
17.3.2.2
Fahrbarkeit, Bedienungsfreundlichkeit, gesellschaftliche Akzeptanz
Leistungscharakteristik, Schaltarbeit Bild 17-28 zeigt für einen 40 t-Zug den Leistungsbedarf für verschiedene Fahrbahnneigungen abhängig von der Fahrgeschwindigkeit. Um den Fahrwiderstand bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h auf ebener Fahrbahn zu überwinden, ist eine Motorleistung von ca. 100 kW notwendig. Die Antriebs-
übersetzungen in der höchsten Gangstufe sind so ausgeführt, dass sich dabei Motordrehzahlen von 1300 bis 1400 min–1 ergeben. Da die Motorleistungen dieser Fahrzeugklasse meist zwischen 250 und 400 kW bei Nenndrehzahlen um 1900 min–1 liegen, ermöglicht diese Auslegung eine kraftstoffsparende und geräuscharme Fahrweise. Daraus leitet sich die Forderung ab, dass die Motoren schon ab etwa 1000 min-1 ein möglichst hohes Drehmoment haben müssen, so dass auch kleine bis mittlere Steigungen schaltarm befahren werden können. Bild 17-29 zeigt Volllastcharakteristiken, die auf Grund dieser Forderungen entwickelt wurden. Während Hersteller A eine Kombination aus Konstantleistung und Konstantdrehmoment im Hinblick auf die Fahrbarkeit favorisiert, stuft Hersteller B einen stetigen Drehmomentanstieg bis zu den unteren Volllastdrehzahlen als günstiger ein. Die daraus resultierenden Drehmomentüberhöhungen von ca. 35% ergeben ein durchzugstarkes elastisches Betriebsverhalten und – vor allem in Verbindung mit automatisierten Getrieben – entspanntes Fahren. Ermöglicht wurden diese Charakteristiken durch die Anwendung der Abgasturboaufladung mit Ladeluftkühlung, die bei Motoren für schwere Nutzfahrzeuge seit Jahrzehnten Standard ist, bei den oberen Leistungen meist mit einem Wastegate. Im Gegensatz zu Pkw oder leichten Nutzfahrzeugen bietet die
Bild 17-28 Abhängigkeit des Fahrleistungsbedarfs an den Rädern Prad von der Fahrgeschwindigkeit und der Fahrbahnsteigung. Fahrzeuggesamtmasse m=40.000 kg, Stirnfläche A=8,45 m2, Luftwiderstandsbeiwert cW=0,62, Luftdichte D=1,250 kg/m3, Rollwiderstandsbeiwert fr=0,006
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse
Bild 17-29 Volllastcharakteristiken von Nutzfahrzeug-Dieselmotoren mit Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung
591
592 17 Fahrzeugdieselmotoren variable Turbinengeometrie bei Motoren für schwere Nutzfahrzeuge auf Grund des kleineren Drehzahlbandes in Verbindung mit 12- oder 16‑Ganggetrieben keine besonderen Vorteile.
Anfahrverhalten Ein weiterer wichtiger Parameter ist das Beschleunigungsverhalten des Motors unter Last bei niedrigen Drehzahlen. Dieses Verhalten wird besonders bei Nutzfahrzeugen im innerstädtischen Verkehr, z. B. bei Stadtomnibussen, Kommunalfahrzeugen, Fahrzeugen im Güter-Verteilerverkehr, kritisch beurteilt. Der ausgeprägte Stop-and-Go-Betrieb in Ballungsgebieten erfordert ein hohes Motormoment schon bei niedrigen Betriebsdrehzahlen. Darüber hinaus muss es unverzüglich auf Fahrerwunsch zur Verfügung stehen. Hier wird auch bei Turbomotoren gefordert, das etwas verzögerte Ansprechverhalten (Turboloch) weitgehend zu vermeiden. Da Zusatzmaßnahmen wie mechanisch oder elektrisch angetriebene Verdichter aus energetischen, Kosten- und/oder Verfügbarkeitsgründen bisher ausschieden, waren motorische Maßnahmen zu entwickeln. Die Lösungen ergaben sich in Form von elektronisch geregelten Einspritzsystemen in Verbindung mit hohem Einspritzdruck.
Bremsverhalten, Motorbremse Die Wettbewerbsfähigkeit des Fahrzeugbetreibers hängt besonders im Fernverkehr von der erreichten Reisegeschwindigkeit des Fahrzeuges ab. Diese sollte im Idealfall sehr nahe bei der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegen. Um dies zu erreichen, müssen auch Gefälle entsprechend schnell und gefahrlos gefahren werden. Nach Bild 17‑28 ist die dafür erforderliche Bremsleistung so hoch wie die Antriebsleistung in Gegenrichtung, vermindert um den Fahrwiderstand des Fahrzeuges. Die Reibungsbremsen an den Rädern wären bei einem solchen Dauerbremsbetrieb thermisch überfordert, weshalb zahlreiche verschleißfreie Zusatzbremssysteme entwickelt wurden. Dabei wird der Motor nach dem Prinzip des Luftverdichters als Dauerbremse benutzt. Die Bremswärme wird direkt mit der verdichteten Luft über die Abgasanlage abgeführt. Bild 17‑30 zeigt auf das Hubvolumen bezogene Leistungskurven verschiedener Motorbremsen, s. a. Abschn. 17.3.2. Mit Hilfe der Getriebestufen kann die Bremsleistung an den Bedarf des Fahrzeuges angepasst werden.
Innengeräusche, Vibrationen Für den Fahrer eines Nutzfahrzeuges im Fernverkehr ist die Fahrerkabine der Arbeitsplatz, den er während der Arbeits-
zeit nicht verlassen kann. Seine Gestaltung und Optimierung im Hinblick auf Funktionalität und Komfort erfolgt in den Entwicklungsabteilungen daher mit hoher Priorität. Es werden Pkw-Maßstäbe erreicht und das, obwohl i. d. R. der Motor direkt unter der Fahrerkabine eingebaut ist. Wesentliche Schritte hierzu waren die Entwicklung steifer Motoroberflächenstrukturen mit geringer Schallabstrahlung oder die verbesserte Dämpfung von Schwingungen in den Motortrag lagern, s. a. Kap. 16. Nachteilig für den Fahrkomfort können nach außen wirkende, freie Massenkräfte und Massenmomente des Motors sein, die über die Motorlagerung in die Fahrzeugstruktur eingeleitet werden. Diese aus dem Bewegungsablauf des Kolbentriebwerks stammenden Kräfte hängen in ihrer Größe und Auswirkung von der Bauform und der Größe des Motors ab (s. Abschn. 8.2). Es kann notwendig sein, den Motor mit zusätzlich angetriebenen Wellen auszustatten, die ausgleichend angeordnete Gegenmassen tragen. Für den Antrieb der schweren Klasse werden weitgehend Sechszylinder-Reihenmotoren, aber auch Sechs- und Achtzylinder-V-Motoren mit 90°‑V‑Winkel eingesetzt. R6- und V8‑Motore sind bezüglich der Massenkräfte und Massenmomente nach außen vollkommen ausgeglichen. Sie stellen aus dieser Sicht ideale Lösungen für hohen Fahrkomfort dar. In der Drehungleichförmigkeit hat der V8‑Motor Vorteile wegen der größeren Zylinderzahl. Dies ist in der Praxis jedoch nur bei sehr niedrigen Drehzahlen unter Volllast spürbar. In den Bereichen der mittleren und hohen Leistungen haben sich noch weitere Bauformen etabliert. Hierzu gehören der Fünfzylinder-Reihenmotor sowie der V10‑Motor in der schweren Klasse. Für den Fünfzylinder-Reihenmotor muss die Motorlagerung sehr sorgfältig abgestimmt werden, da diese Bauform ein ausgeprägtes freies Massenmoment 2. Ordnung nach außen abgibt, s. Abschn. 8.3. In der Regel sind daher Momentenausgleichswellen im Motor erforderlich. Ein Ausführungsbeispiel zeigt Bild 17‑31 mit einem internen Ausgleich der Massenmomente durch zwei Getriebe mit je zwei gegenläufigen Wellen mit Ausgleichsmassen, die mit doppelter Kurbelwellendrehzahl laufen. Die Getriebe sind unter den Kurbelwellenlagern 2 und 5 angeordnet und werden jeweils von einem Zahnkranz auf einer Kurbelwange angetrieben. Am unteren Ende der Leistungsskala der schweren Nutzfahrzeuge, im Bereich der leichten Klasse, sind häufig Vierzylinder-Reihenmotoren anzutreffen. Diese Motoren mit nicht ausgeglichenen Massenkräften 2. Ordnung sind akzeptabel, wenn es mit einer gut abgestimmten Motorlagerung gelingt, unzulässige Schwingungen vom Fahrerhaus fernzuhalten. Bei erhöhten Komfort-Anforderungen z. B. im Kleinbus erhalten solche Motoren Massenausgleichswellen.
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse
Bild 17-30 Auf den Hubraum bezogene Motorbremsleistungsverläufe verschiedener Ausführungen der Motorbremse. a offene Motorbremsklappe (Schleppleistung), R6-Motor; b geschlossene Motorbremsklappe, Motor wie a; c EVB (Exhaust Valve Brake), Motor wie a; d Konstantdrossel mit geschlossener Motorbremsklappe, V8-Motor; e Jake-Brake, R6-Motor; f Intebrake, R6-Motor; g wie d, jedoch mit Turboaufladung im Bremsbetrieb
593
594
17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-31 Getriebe zum Ausgleich der Massenmomente 2. Ordnung an einem Fünfzylinder-Reihenmotor (MAN Nutzfahrzeuge AG)
Startverhalten, Kälteverhalten Der Betreiber eines schweren Nutzfahrzeuges erwartet, dass der Motor auch bei tiefen Außentemperaturen zügig und ohne auffällige Emissionen startet. Auf Grund der direkten Kraftstoffeinspritzung mit hohem Druck und Verdichtungsverhältnissen von 17 bis 20:1 ist dies bei Kaltstarts oberhalb ca. –15 °C Umgebungstemperatur und erst recht bei Heißstarts die Regel. Für tiefere Temperaturen sind Kaltstart-Hilfseinrichtungen zur Ansaugluftvorwärmung wie z. B. elektrische Heizkörper oder Brenner erforderlich. Die Vorheizzeit beträgt abhängig von der Umgebungstemperatur bis zu 25 s. In den Brennraum ragende schnelle Glühstiftkerzen, wie sie aus dem Pkw bekannt sind, können in Motoren für schwere Nutzfahrzeuge wegen der Beeinträchtigung der Emissionen nicht eingesetzt werden.
Gesellschaftliche Akzeptanz Vor dem Hintergrund des zeitweise dichten Fahrzeugverkehrs auf den Orts- und Fernstraßen ist die gesellschaftliche und damit politische Akzeptanz des schweren Nutzfahrzeuges sehr wichtig geworden. Das Nutzfahrzeug wird bereits allein durch seine Anwesenheit im Verkehr vom Individual-Verkehrsteilnehmer als hinderlich für das eigene Vorankommen betrachtet. Wenn noch Belästigungen durch Abgase und Geräusche hinzukommen, werden ablehnende Tendenzen bei der politischen Willensbildung in der Gesellschaft noch stärker. Argumente, dass auch das Nutzfahrzeug in hohem Maße zur Lebensqualität des einzelnen beiträgt, können sich dann oftmals nicht durchsetzen. Es liegt also im Geschäftsinteresse des einzelnen Nutzfahrzeugbetreibers und dient dem Ansehen des Straßen-Güter-
transportgewerbes, wenn Nutzfahrzeugmotoren nicht durch belästigende Emissionen jeder Art im Verkehr auffallen. Für die Motorenentwicklung lautet also die Maximalforderung: Der Motor soll über den Pegel der Fahrgeräusche hinaus nach außen nicht wahrnehmbar sein, seine Abgase sollen nicht sichtbar und nicht riechbar sein. Die Aufgabe besteht darin, mit im Wettbewerb wirtschaftlich vertretbarem Aufwand diesem Ziel möglichst nahe zu kommen [17-9].
17.3.2.3
Gesetzgebung
Abgasemissionen Stickoxide (NOX), Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffe (CXHY) und Partikel (PM) aus festen und flüssigen Bestandteilen sind als unerwünschte Abgasemissionen gesetzlich limitiert, vgl. Abschn.15.2. Messtechnik und Bestimmungsverfahren sind ebenfalls in Kap. 15 beschrieben. Im Unterschied zum Pkw werden für den Dieselmotor im schweren Nutzfahrzeug die Abgasemissionen auf die abgegebene Leistung bezogen. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Motorleistung und Transportaufgabe in einem direkten, unmittelbaren Zusammenhang stehen. Leistungsbezogene Emissions-Grenzwerte sorgen somit für die sachgerechte Gleichbehandlung der Transportleistungen von der leichten Klasse bis zum 40 t-Zug. Um die geltenden und zukünftigen Grenzwerte zu erreichen, muss als schwierigste Aufgabe der Zielkonflikt zwischen der Stickoxidemission und der Partikelemission gelöst werden. Auch auf den Einfluss der Kraftstoffqualität ist hinzuweisen, s. Abschn. 4.1. Die Motorenhersteller fordern daher die weitestgehende Verminderung des Schwefel- und Aromatengehaltes im Kraftstoff [17-10], [17-11].
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 595 Ein weiterer Zielkonflikt besteht zwischen den Emis sionen von Stickoxiden und Kohlendioxid (CO2). Das Kohlendioxid als angestrebtes Produkt vollständiger Verbrennung ist zwar kein Schadstoff im herkömmlichen Sinn, aber es gilt als klimarelevantes, sog. „Treibhausgas“. Wird die Stickoxidemission vermindert, dann verschlechtert sich grundsätzlich der indizierte Wirkungsgrad des Motors. Dies bedeutet höheren Kraftstoffverbrauch und als Folge vermehrte Kohlendioxidemission. Auch hier gilt es, durch Weiterentwicklung von Gemischbildung und Verbrennung die Verbrauchsnachteile bei der Minderung der Stickoxid emission nach Möglichkeit zu vermeiden. Mit der Einführung der Grenzwertstufe Euro 4 wurde nun ein Niveau erreicht, das die Einführung einer Abgasnachbehandlung erforderlich macht, zumal zeitgleich auch eine Emissionsstabilität über 7 Jahre/ 500.000 km garantiert werden muss. Grundsätzlich bieten sich zwei Lösungsansätze an, vgl. auch Abschn. 15.4 bzw. 15.5. A. innermotorische Stickoxidminimierung und Partikelreduzierung durch einen Partikelfilter Die gekühlte externe Abgasrückführung (AGR) ist die wirkungsvollste Maßnahme zur Begrenzung der NOx-Emission im Verbrennungsprozess. Sie erhöht die Masse der Zylinderladung und verlangsamt die Reaktionsgeschwindigkeit, so dass geringere Brennraumtemperaturen auftreten. Nachteilig ist, dass auch die Rußoxidationsvorgänge verlangsamt werden, gekennzeichnet durch einen Anstieg der Rußemission. Durch weiter steigende Einspritzdrücke (>2000 bar), aber auch durch eine Nacheinspritzung kann die Nachoxidation verbessert werden. Zur Einhaltung des Partikelgrenzwertes ist daher ein Filter erforderlich. Seine Regeneration erfolgt i. d. R. kontinuierlich mit Hilfe von Stickstoffdioxid NO2, das an einem platinbeschichteten Katalysator erzeugt wird, wenn die Abgastemperaturen ausreichend hoch sind. B. innermotorische Partikelminimierung und Stickoxidreduzierung durch die SCR-Technologie Ein gegensätzlicher Weg wird bei der Verwendung eines SCR- (Selective Catalytic Reduction) Systems beschritten. Durch Optimierung der Verbrennung werden die Partikel auf das geforderte Niveau gebracht. In einem nachgeschalteten Katalysator werden die Stickoxide mit Hilfe des Reagenz Ammoniak wieder zu Luftstickstoff N2 reduziert. Das Ammoniak wird dabei aus einer wässerigen Harnstoff-Lösung mit dem Handelsnamen AdBlue erzeugt. Die Hydrolyse erfolgt bei ausreichend hohen Temperaturen nach Einsprühen in den Abgasstrom.
Geräusch Die gesetzliche Begrenzung der Geräusche schwerer Nutzfahrzeuge bezieht sich auf die Geräuschabstrahlung nach außen, vgl. Kap. 16. Die Geräuschemission wird auf das Gesamtfahrzeug bezogen, wo der Motor eine Geräuschquelle unter anderen ist. Unter den Bedingungen der Typprüfung bei beschleunigter Vorbeifahrt nach 70/157/EWG [17-21] ist der Motor i. d. R. als Hauptschallquelle anzusehen. Zur Minderung der Ansaug- und Auspuffmündungsgeräusche stehen wirksame Dämpfersysteme zur Verfügung, s. Kap. 13. Es ist darauf zu achten, dass Druckverlust und Bauraum akzeptabel bleiben. Schwieriger ist die Geräuschemission des Motors selbst zu beherrschen. Ausgehend vom Impuls der Verbrennung wird über die Körperschallleitung durch die Motorstruktur in Verbindung mit Resonanzerscheinungen von der Motorund Getriebeoberfläche Luftschall abgestrahlt. Hinzu kommen Geräusche, die durch Impulse aus der Motormechanik, z. B. durch Lagerspiele, Verzahnungsspiele, Ventilspiele usw., ausgelöst werden. Beim Verbrennungsgeräusch lassen sich Minderungen durch eine „weiche“ Verbrennung, d.h. durch einen niedrigen Verbrennungsdruckgradienten, erreichen [17-9], [1710]. Durch die Einführung elektronisch geregelter Einspritzsysteme mit der Möglichkeit einer Voreinspritzung konnten wesentliche Fortschritte erzielt werden, ohne eine Beeinträchtigung des Motorwirkungsgrades. Bei Motorneuentwicklungen sind geräuschoptimierte Kurbelgehäusestrukturen und als Sekundärmaßnahme auch schalldämmende Elemente wirkungsvoll, s. a. Abschn. 17.3.3.2. Voll- oder Teilkapseln, s. Abschn. 16.5, davon können sowohl motor- als auch fahrzeuggetragen ausgeführt werden. In allen Fällen müssen Gewichtserhöhungen und oft auch Behinderungen bei den notwendigen Wartungsarbeiten am Motor in Kauf genommen werden.
17.3.3 Ausgeführte Motorkonstruktionen für schwere Nutzfahrzeuge 17.3.3.1
Gesamtbetrachtung
Leistungsdichte Die Motorenentwicklung wird nachhaltig durch die Emis sionsgesetzgebung beeinflusst. Dies hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass in allen schweren Nutzfahrzeugen ausschließlich Dieselmotoren mit Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung und dementsprechend hohen spezifischen Leistungen zu finden sind. In Bild 17‑32 werden verschiedene europäische Motoren für schwere Nutzfahrzeuge mit
596
17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-32 Leistung und Drehmoment von Nutzfahrzeugmotoren mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung, abhängig vom Hubraum
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse ihrer Nennleistung eingetragen. Im unteren Hubraumbereich werden auf Grund der höheren Nenndrehzahlen Maximalwerte um 35 kW/l erreicht. Eine weitere wichtige Größe bei Nutzfahrzeugmotoren ist das auf den Hubraum bezogene Drehmoment. Es entspricht dem mittleren effektiven Druck pe, s. Abschn. 1.2. Bild 17-32 enthält für die gleichen Motoren auch die Werte des maximalen Drehmoments. Die höchsten spezifischen Drehmomentwerte liegen bei etwa 200 Nm/l, was einem mittleren effektiven Druck pe | 25 bar bzw. einer spezifischen Nutzarbeit von we | 2,5 kJ/dm3 entspricht, s. Abschn. 1.2.5.
Hubvolumen Die Anhebung der spezifischen Leistung durch Turboaufladung und Ladeluftkühlung führte generell zu kleineren Motoren (Downsizing). Die Nennleistungs- und Hubraumwerte der Motoren in den verschiedenen Fahrzeugklassen kann man den Angaben aus Bild 17-32 entnehmen. Bei den europäischen schweren Nutzfahrzeugen werden Motoren zwischen etwa 4 l und 16 l Hubraum eingesetzt. In der leichten
Bild 17-33 Entwicklung des Zylinderspitzendruckes über der Zeit
597
Klasse sind Vier- und Sechszylindermotoren üblich. In der Mittelklasse sind es fast ausschließlich sechs Zylinder. In der schweren Klasse sind Zylinderzahlen von 6, 8 und 10 zu finden sind. Das Hubvolumen liegt zwischen 0,7 l/Zylinder und 2,2 l/Zylinder und die dazugehörige Nenndrehzahl zwischen 2500 min–1 und 1800 min–1.
Zylinderdrücke Als Folge der Leistungskonzentration war es notwendig, auch die den Brennraum begrenzenden Teile sowie die Kraftübertragung über Pleuel, Kurbelwelle und Schwungrad zu ertüchtigen. Bild 17-33 zeigt die Entwicklung der Verbrennungsdrücke seit 1990, wobei eine deutliche Auswirkung der Abgasemissionsgesetzgebung insbesondere ab Euro 3 sichtbar wird.
Kraftstoffverbrauch Wie bereits erwähnt, werden in schweren Nutzfahrzeugen, abgesehen von einigen Sonderanwendungen bei Bussen oder Kommunalfahrzeugen, ausnahmslos Dieselmotoren einge-
598
17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-34 Nfz-Dieselmotor mit geregelter Abgasrückführung, zweistufiger Aufladung und Zwischenkühlung sowie Common Rail-Einspritzsystem (MAN D08, MAN Nutzfahrzeuge AG)
setzt. Damit werden die niedrigsten spezifischen KraftstoffVerbrauchswerte beim Antrieb von Straßenfahrzeugen erzielt. In Abschn. 17.3.2.2 wurde bereits dargelegt, dass die gesetzlichen Begrenzungen der Stickoxidemission, aber auch der Partikelemission den Kraftstoffverbrauch erhöhen. Durch gezielte Weiterentwicklung des Verbrennungsablaufs hinsichtlich geringer Abgasemissionen wird versucht, die negativen Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch so klein wie möglich zu halten. Im Bestpunkt werden dennoch Werte von unter 190 g/kWh entsprechend einem Gesamtwirkungsgrad des Motors von ca. 45% erzielt. Für den Fahrzeugbetreiber ist der auf die Fahrstrecke bezogene Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs aussagekräftiger. Es ist aber kaum möglich, hierzu Standardwerte anzugeben, weil viele Randbedingungen, z. B. Fahrzeugabmessungen, Einsatzprofil, Beladung, Topographie, Windverhältnisse oder Verkehrsdichte die Ergebnisse beeinflussen. Mit Fernverkehrsfahrzeugen meist der schweren Klasse führen Fachzeitschriften auf gleich bleibenden Strecken Fahr- und Verbrauchstests durch, die dem Betreiber als Orientierungshilfe dienen können, s. z. B. [17-12].
17.3.3.2
Ausgewählte Ausführungen
Verbrennungsverfahren, Ladungswechsel Motoren für schwere Nutzfahrzeuge haben ausnahmslos die luftverteilende Direkteinspritzung (vgl. Abschn. 3.1). Zur Verbesserung der Gemischbildung und Verbrennung ist eine Un-
terstützung durch einen gerichteten Drall im Brennraum hilfreich. Seine Höhe ist von den Randbedingungen wie Druckpotenzial des Einspritzsystems, Abgasrückführrate, Aufladegrad etc. abhängig. Die Drehströmung wird in einem drallerzeugenden Kanal aufgebaut, der vor den Einlassventilen liegt. In der Regel steuern vier Ventile, d. h. je zwei Einlass- und Auslassventile, den Ladungswechsel. Neben der Vergrößerung der Strömungsquerschnitte bringt diese Entwicklung auch Vorteile bei der Verbrennung, weil die Einspritzdüse zentral in Brennraummitte angeordnet werden kann. Eine Variante mit erhöhtem Drallbedarf verkörpert der Motor in Bild 17-34. Der Reihen-Sechszylinder mit 108 mm Zylinderbohrung und 125 mm Hub entsprechend 6,9 l Hubraum leistet 240 kW bei 2300 min–1. Er ist mit einer extern gekühlten Abgasrückführung (AGR) versehen, die den Zielkonflikt zwischen Schadstoffemission und Kraftstoffverbrauch entspannt, vgl. Abschn. 17.3.2.2. In Verbindung mit einer zweistufigen Aufladung und Zwischenkühlung erfüllt er durch innermotorische Maßnahmen die Euro 4-Grenzwertstufe für NOX. Wie nahezu alle Motoren dieser Klasse verfügt er über zwei Einlass- und Auslassventile je Zylinder. Die Nockenwelle ist im Zylinderblock angeordnet. Einen Vertreter der drallarmen Motoren mit mehr kraftstoffverteilter Gemischbildungsenergie zeigt Bild 17-35 [17-13]. Als erstem Vertreter eines neuen Motorendesigns mit einem Hubraum VH = 7,8 l folgten ihm noch Baureihen mit 10,5 und 13 l Hubraum mit identischen Konstruktionsmerkmalen, [17-14], [17-15]. Der Reihen-Sechszylindermotor besitzt 115 mm Bohrung bei 125 mm Hub und leistet
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse
599
Bild 17-35 Nutzfahrzeugdieselmotor mit im Zylinderkopf angeordneter Nockenwelle und Pumpe-Düse-Einspritzsystem (Iveco)
257 kW bei 2500 min-1. Der Zylinderkopf enthält zwei Einlass- und Auslassventile je Zylinder. Die Mitten der Einlassventile sind jeweils quer zur Kurbelwellenachse angeordnet. Analog gilt dies für die Auslassventile. Die Gemischbildung wird u. a. durch die Geometrie des Brennraums mit Turbulenzen unterstützt, die sich am Ende des Verdichtungshubes ergeben. Den größeren Anteil an der mechanischen Gemischbildungsenergie trägt die Kraftstoffeinspritzung bei. Eine in der Zylinderachse angeordnete Pumpedüse sorgt für eine gleichmäßige Verteilung der Kraftstoffstrahlen auf den zentrischen Brennraum. Durch den maximalen Einspritzdruck von 1900 bar wird der Kraftstoff in sehr kleine Tröpfchen aufgelöst. Verdampfung und Mischung des Kraftstoffes mit
der Luft kommen in dieser Auslegung mit der langsameren Drehströmung der Ladung aus. Ein Einspritznocken auf der im Zylinderkopf liegenden und über Zahnräder angetriebenen Nockenwelle treibt über einen Kipphebel den Kolben der Pumpedüse. Einspritzbeginn und Einspritzmenge werden durch ein Magnetventil an der Pumpedüse gesteuert. Eine Elektronikeinheit regelt die Gesamtanlage, zu der in der leistungsstärksten Ausführung auch eine variable Turbinengeometrie VTG gehört. In Bild 17-36 ist der Querschnitt durch einen turboaufgeladenen und ladeluftgekühlten V8-Motor mit 420 kW bei 1800 min-1 dargestellt [17-16]. Die Zylinderbohrung beträgt 130 mm Durchmesser, der Hub 150 mm. Eine V6-Variante ist ebenfalls verfügbar. Die vier Ventile je Zylinder betätigt
600 17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-36 Querschnitt durch einen V‑Achtzylinder-Dieselmotor mit Pumpe‑Leitung‑Düse‑Einspritzsystem und Kons tantdrossel (Daimler Chrysler AG)
eine Nockenwelle jeweils über Rollenstößel, Stößelstange, Kipphebel und Ventilbrücke je Einlass- und Auslassventilpaar. Die Nockenwelle ist im Kurbelgehäuse in der Mitte zwischen den beiden Zylinderbänken gelagert. Sie wird von der Kurbelwelle am schwungradseitigen Ende direkt ohne Zwischenrad angetrieben. Die Nockenwelle trägt außer den Nocken zur Ventilbetätigung je Zylinder einen weiteren Nocken, der die in das Kurbelgehäuse eingesetzte, magnetventilgesteuerte Steckpumpe zur Kraftstoffeinspritzung antreibt, vgl. Abschn. 5.3. Einspritzmenge und Spritzbeginn regelt eine Elektronikeinheit.
Motorbremse Eine einfache und häufig angewendete Ausführung ist eine Drosselklappe in der Abgasleitung, die die Bremsleistung durch den hohen Gegendruck in der Ausschubphase des Kolbens erzielt, Bild 17‑37. Der Gegendruck und damit die erreichbare Bremsleistung müssen aber begrenzt werden, um Bauteilschäden zu vermeiden. Höhere Bremsleistungen werden erzielt, wenn nicht nur der Ausschubhub des Kolbens, sondern auch der Verdich-
tungshub verlorene Arbeit aufnimmt. Diese wird durch Abblasen der verdichteten Luft gegen Ende des Verdichtungshubes erreicht. Systeme, die mit dementsprechend gesteuerten Ventilen arbeiten, sind als Jake(Jacobs)-Brake [17-17], Konstantdrossel [17-18], EVB (Exhaust Valve Brake) [17-19] und als Intebrake [17-20] bekannt, vgl. Abschn. 17.3.3.1. Weitere Steigerungen der Bremsleistung erzielt man durch Turbobrake, durch zusätzliche Nutzung eines VTG-Turboladers, s. Abschn. 2.2.5.2. Bei dem V-Motor nach Bild 17‑36 werden die vier Gaswechselventile je Zylinder durch ein weiteres Ventil ergänzt, das den Verdichtungsraum mit dem Auslasskanal verbindet, wie im Schnitt der linken Zylinderbank zu erkennen ist. Dieses Ventil ist im Normalbetrieb geschlossen. In Kombination mit der Drosselklappe in der Auspuffleitung dient es dazu, die Motorbremsleistung zu erhöhen. Dazu wird es druckluftbetätigt dauernd einen definierten Spalt weit geöffnet. Die zusätzliche negative Arbeit entsteht im Verdichtungshub durch Abblasen der Luft über dieses Drosselventil, der sog. „Konstantdrossel“ [17-18], vgl. Abschn. 17.3.2.1. Im Motorbrems-System EVB (Exhaust Valve Brake) [17-19] übernimmt das Auslassventil die Funktion der Ab
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 601
Bild 17-37 Funktionsweisen von Motorbremssystemen
blasdrossel. Bild 17‑37. Den dazu erforderlichen Eingriff in die Ventilsteuerung in der Viertaktabfolge zeigt Bild 17-38: Um die Motorbremse zu aktivieren, wird die Drosselklappe im Abgastrakt geschlossen. Der auspuffseitige Druck, geprägt durch die Druckwelle eines ausschiebenden Nachbarzylinders, lässt das Auslassventil am Ende des Ansaugtaktes aufspringen. Eine ölhydraulische Sperre im Kipphebel verhindert das vollständige Schließen des Auslassventils. Durch den verbleibenden, definierten Spalt am Ventilsitz (1,5…2 mm) wird ein Teil der im Kompressionstakt verdichteten Luft abgeblasen und dadurch die Bremsleistung erhöht, vgl. Abschn. 17.3.2.1. Die am Ende des Expansionstaktes beginnende nockengesteuerte Öffnung des Auslassventils deaktiviert die ölhydraulische Sperre. Eine andere Möglichkeit, verdichtete Ladung abzublasen und dadurch die Motorbremsleistung zu erhöhen, besteht darin, das Auslassventil am Ende des Verdichtungshubes gesteuert zu öffnen. Bei der Jacobs-Brake [17-17], bekannt als „Jake-Brake, wird bei Motoren mit Pumpe-Düse-Einspritzsystemen die mechanische Betätigung der Pumpedüse
herangezogen, um mit Hilfe einer zusätzlichen Hydraulikeinheit das Auslassventil im Verdichtungs-OT zu öffnen. Die „Intebrake“ profitiert zugunsten hoher Bremsleistung von zwei obenliegenden Nockenwellen, deren eine ausschließlich die Pumpedüsen betätigt, während die zweite die Ventile steuert. Auf der zweiten Welle ist je Zylinder ein zusätzlicher Nocken angeordnet, der über einen zu- und abschaltbaren Rollen-Kipphebel das Auslassventil öffnet, um die verdichtete Luft abzublasen. Dadurch sind die Funktionen Motorbremse und Kraftstoffeinspritzung voneinander unabhängig und für beide können optimale Steuerzeiten und Nockenprofile verwirklicht werden, vgl. Abschn. 17.3.2.1.
Kurbelgehäuse und Triebwerk Bild 17‑39 stellt den Querschnitt eines R-Sechszylindermotors, Leistung 321 kW, einer Baureihe mit 120 mm Zylinderdurchmesser und 155 mm Hub dar. Das Kurbelgehäuse wurde, erstmals in dieser Motorenklasse, aus Vermicular-
602
17 Fahrzeugdieselmotoren
a
b
c
Bild 17-38 Funktion der EVB (Exhaust Valve Brake). a Ansaugtakt: Sperrkolben liegt am Ventil an; b Verdichtungs- und Expansionstakt: Ventil ist durch auspuffseitige Druckwelle aufgesprungen, Sperrkolben hält definierten Ventilspalt (1,5 . . . 2 mm), Luft bläst ab; c Auspufftakt: Nockenhub deaktiviert Sperre (MAN Nutzfahrzeuge AG)
graphitgusseisen GJV-450 gegossen und für hohe Belastungen konzipiert. Auf Grund der hohen Festigkeit dieses Werkstoffs ergeben sich Möglichkeiten für eine kompakte und leichte Motorkonstruktion. Da die Übertritte von Kühlmittel und Motoröl nicht durch die Zylinderkopfdichtung, sondern über externe Anbauteile erfolgen, konnten das Deck des Kurbelgehäuses bzw. die Bodenplatte des Zylinderkopfes sehr steif ausgeführt werden. Die ebenfalls erstmals an einem Nutzfahrzeugmotor- in Crack-Technologie ausgeführten Hauptlagerdeckel sind mit je zwei hochfesten Rollschaft-Bundschrauben am Kurbelgehäuse befestigt. Gecrackte Bauteile finden bei lagerichtiger Montage exakt in die richtige Ursprungsposition zurück. Querbelastungen können auf Grund der rauen Oberfläche besser aufgenommen werden. Der Kolben besteht aus einer gegossenen Aluminiumlegierung. Für den ersten Kolbenring ist ein Ringträger aus Niresist mit Alfinbindung eingegossen. Die drei Ringnuten sind mit einem verchromten Doppel-Trapezring, einem Minutenring und einem verchromten Dachfasen-Schlauchfederring als Ölabstreifer bestückt. Der Kolbenbolzen ist axial durch Seegerringe gesichert.
Die Pleuelstange ist aus Vergütungsstahl ohne Gewichtsausgleichsstollen im Gesenk präzisionsgeschmiedet und durch Bruchtrennen (Cracken) des Lagerdeckels schräg geteilt. Lagerdeckel und Stange werden durch die beim Cracken erzeugte Oberflächenmakrostruktur zueinander fixiert und mit hochfesten Torx-Bundschrauben verschraubt. Die Pleuellager sind für höchste Belastungen und Lebensdauer ausgelegt. Die stangenseitige Schale besteht aus verschleißfestem Sputter-Lagermetall. Die Ölversorgung des kleinen Pleuelauges mit eingepresster Lagerbuchse erfolgt über Spritzöl aus der Kolbenkühlung. Die Kurbelwelle wird im Gesenk aus hochvergütetem mikrolegiertem Stahl geschmiedet. Acht angeschmiedete Gegengewichte dienen zum Ausgleich der Massenkräfte. Mit Hilfe der FEM-Berechnung wurde die Kurbelwelle für hohe Biege- und Torsionssteifigkeit ausgelegt. Am vorderen Wellenende sitzt zur Dämpfung der Kurbelwellen-Drehschwingungen ein Visco-Torsionsschwingungsdämpfer mit Kühlrippen zur effektiven Wärmeabfuhr. Als Hauptlager werden einbaufertige Dreistofflager verwendet. Die axiale Lagerung erfolgt durch in das Kurbelgehäuse eingelegte Anlaufscheiben.
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse Bild 17-39 zeigt, dass das Hochdruck-Speichereinspritzsystem „Common Rail“ (ohne Druckübersetzung im Injektor), s. Abschn. 5.3.5, auch an Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge entwickelt wurde. Als Druckerzeuger wird eine 3-Stempel-Hochdruckpumpe verwendet, die mit Kraftstoff geschmiert wird. Somit wird der Vergiftungsgefahr des Abgasnachbehandlungssystems durch Öladditive vorgebeugt. Der im Rail gewünschte Kraftstoffdruck ist im gesamten Kennfeld flexi-
603
bel einstellbar und liegt über kurze Leitungen auch an den magnetventilgesteuerten Injektoren an. In dem hier verwendeten System der 2. Generation ist er noch auf 1600 bar begrenzt, weitere Steigerungen sind in Entwicklung. Der Injektor steht senkrecht und zentral über dem Brennraum. Der Kraftstoff wird durch eine 7-Loch-Düse mit gleichmäßig über den Brennraum verteilten Strahlen eingespritzt. Je Arbeitsspiel erfolgt eine Mehrfacheinspritzung mit Vor-, Haupt- und Nacheinspritzung. Die Motorelektronik
Bild 17-39 Wesentliche Konstruktionsmerkmale eines modernen Nutzfahrzeugdieselmotors (MAN Nutzfahrzeuge AG)
604 17 Fahrzeugdieselmotoren steuert deren Verlauf, jeweils gekennzeichnet durch Raildruck, Spritzbeginn und Spritzdauer, abhängig von gespeicherten Kennfeldern. Dadurch lässt sich ein Verbrennungsablauf erzielen, der sich vorteilhaft auf Abgas- und Geräusch emissionen sowie den Kraftstoffverbrauch auswirkt. Der Verbrennungsdruck im Zylinder erreicht maximal 200 bar.
17.3.4
Ausblick
Gebrauchsnutzen und die damit verbundenen Kosten werden auch in Zukunft die entscheidenden Wettbewerbskriterien für Dieselmotoren in schweren Nutzfahrzeugen sein. Weiterhin werden die gesetzlichen Vorgaben zur Umweltverträglichkeit die Entwicklung erheblich beeinflussen. Dies hat bereits dazu geführt, dass die Grenzwertstufen für Stick oxidemissionen und Partikel ab dem Jahr 2005 nicht mehr allein durch motorinterne Maßnahmen erreichbar waren: leistungsfähige und gebrauchstüchtige Abgasnachbehandlungssysteme mussten zur Marktreife entwickelt werden. Die Nutzfahrzeugindustrie hat sich dabei für zwei unterschiedliche Strategien entschieden, die beide jeweils mit Vor-, aber auch Nachteilen behaftet sind. Hersteller von AGR-Motoren reklamieren für sich z. B. geringere Herstellkosten, Bauraumvorteile, niedrigeres Gewicht oder Unabhängigkeit von einer AdBlue-Infrastruktur; Hersteller von SCR-Motoren nehmen für ihr Produkt geringere Kraftstoffkosten oder Benutzervorteile durch staatliche Förderungen wegen Vorerfüllung künftiger Emissionsstandards in Anspruch. Welcher Weg für Euro 4 und 5 auch immer gewählt wurde: es wird die Prognose gewagt, dass für die noch in der Diskussion befindliche Stufe Euro 6 ab etwa 2012 beide Technologien zur gleichen Zeit am gleichen Motor verbaut werden müssen. Die Fähigkeit der einzelnen Unternehmen, die Potenziale zur Minimierung der Rohabgasemissionen zu erschließen, wird den Aufwand für die Abgasnachbehandlungssysteme und damit deren Kosten nachhaltig beeinflussen. Im Interesse des Kunden darf dabei der Gebrauchsnutzen in Form von Lebensdauer, Wartungsaufwand etc. nicht beeinträchtigt werden. In jedem Fall erfordern Abgasnachbehandlungssysteme einen Dieselkraftstoff, dessen Schwefelgehalt auf unter 10 ppm abgesenkt und dessen Aromatengehalt auf ein wirtschaftlich vertretbares Maß abgesenkt ist. Auf längere Sicht werden deutliche Beiträge durch die Zumischung synthetischer Kraftstoffe wie CTL, GTL oder BTL zu erwarten sein, vgl. Abschn. 4.2. Trotz der Herausforderungen der Emissionsgesetzgebung ist zu erwarten, dass die spezifische Leistung der Motoren sich auch in der Zukunft weiter steigern lässt. Dazu wird auf Basis hoher AGR-Raten sowie zweistufiger Aufladung mit Zwischenkühlung eine Steigerung der Spit-
zendruckfestigkeit der Motorbauteile auf deutlich über 200 bar, aber auch eine Weiterentwicklung der Fahrzeugkühlsysteme erforderlich sein. Einen deutlichen Schub in Richtung größerer und damit stärkerer Motoren könnte eine Anhebung des zul. Gesamtgewichtes im normalen Straßeneinsatz mit sich bringen. Entsprechende Feldversuche laufen in verschiedenen Regionen Europas bis hin zu 60 t. Ob sich eine der Aufladeturbine im Abgasstrom nachgeschaltete Nutzturbine durchsetzen wird, bleibt weiterhin abzuwarten. Das Ergebnis wird davon abhängen, wie sich das Verhältnis von Aufwand zu Kraftstoffeinsparung für ein solches Turbo-Compound-System entwickelt, s. Abschn. 14.1. Mittelfristig wird die Motorleistung der FernverkehrsLkw mit 40 t Gesamtmasse auf etwa 500 kW steigen. Diese Leistung wird gebraucht, um Autobahnsteigungen von 4% mit der zulässigen Geschwindigkeit von 80 km/h befahren zu können.
17.4 Schnelllaufende Hochleistungs dieselmotoren 17.4.1 Einordnung der schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren Im Allgemeinen versteht man hierunter Dieselmotoren mit einer hohen Leistungsdichte. Eine eindeutige Abgrenzung der schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren (SHD) zu den übrigen Dieselmotoren ist nicht möglich. Die Übergänge sind fließend. SHD sind i. d. R. Motoren, deren Auslegungsdrehzahl oberhalb 1000 min–1 liegt. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal, hier im Besonderen zum mittelschnelllaufenden Dieselmotor, ist die mittlere Kolbengeschwindigkeit cm, die beim SHD deutlich über 10 m/s liegt. Eine wesentliche Kenngröße für Hochleistung ist die spezifische Arbeit we (entspricht dem „mittleren effektiven Druck“ pe, s. Abschn. 1.2), die bei SHD im Nennleistungspunkt mehr als 2 kJ/dm3 beträgt. Kennzeichnend für Hochleistung beim Dieselmotor ist außerdem die spezifische Kolbenflächenleistung, deren Abhängigkeit von der Bohrung D für ausgeführte SHD in Bild 17‑40 dargestellt wird. Die spezifische Kolbenflächenleistung erreicht danach im Mittel Werte von 5 W/ mm2. Der Maximalwert liegt bei annähernd 10 W/mm2. Die auf die Leistung bezogene Motormasse mP, das sog. Leistungsgewicht, ausgeführter Hochleistungsdieselmotoren wird im Bild 17‑41 gezeigt. Um günstige Leistungsgewichte darstellen zu können, werden SHD in V-Anordnung ausgeführt. Prinzipiell ist danach festzustellen, dass das Leistungsgewicht bei konstanter spezifischer Kolbenflächenleistung PA mit steigender Bohrung zunimmt, was einer allgemeinen
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren
605
Bild 17-40 Abhängigkeit der spezifischen Kolbenflächenleistung von der Zylinderbohrung bei ausgeführten Dieselmotoren
Bild 17-41 Leistungsmassen ausgeführter Dieselmotoren in Abhängigkeit von der Zylinderbohrung
Gesetzmäßigkeit entspricht, s. Abschn. 17.4.2. Legt man für die Schnellläufigkeit von SHD als Randbedingungen cm ≤13 m/s, n ≥1000 min–1 fest, so ist das Zylindervolumen Vh schnelllaufender Hochleistungsdieselmotoren nach oben begrenzt, indem mit s = cm/2n
für den Hub folgt: s < 390 mm. Für ein effektives Verbrennungsverfahren sollte das Hub/ Bohrungs-Verhältnis bei s/D ≥ 1,25 liegen,
606
17 Fahrzeugdieselmotoren
sodass daraus die maximal mögliche Bohrung für den schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotor zu berechnen ist: D ≤ 300 mm. Wählt man gemäß Bild 17-40 die spezifische Kolbenflächenleistung PA = 10 W/mm2, so berechnet sich die maximal mögliche Zylinderleistung: PZ ≈ 700 kW bei einem Zylinderhubvolumen von ca. 27 dm3. In diesen Grenzbereich ist man bisher aber nicht vorgestoßen, da mit SHD dieser Größenordnung kein Kundennutzen erzeugt werden kann, wie im weiteren noch näher beschrieben wird. Die obere Grenze des schnelllaufenden Hochleistungsmotors mit Pe = 9100 kW (455 kW/Zyl.) stellt heute die Baureihe 8000 von MTU dar (Bild 17-42). Der schnelllaufende Hochleistungsdieselmotor wird überall dort eingesetzt, wo geringes Leistungsgewicht und/ oder geringes Bauvolumen zu Vorteilen des Gesamtsystems führen. Zu nennen sind: – schnelle Schiffe, – Stromaggregate mit besonderen Anforderungen (transportabel), – Lokomotiven und Triebwagen sowie – große Muldenkipper.
Von besonderer Bedeutung ist der SHD für schnelle Schiffe, da „pay load“ ähnlich wie beim Flugzeug entscheidend vom Gewicht der Antriebsanlage abhängig ist. Ohne näher auf die Schiffstechnik eingehen zu wollen (s. hierzu z. B. [17-22] bis [17-24]), steigt grundsätzlich der Bedarf nach geringem Leistungsgewicht mit sinkender Verdrängung und steigender Geschwindigkeit des Schiffes und umgekehrt. Das bedeutet, das Leistungsgewicht des Antriebssystems verliert mit steigender Verdrängung des Schiffes an Bedeutung, wenn nicht gleichzeitig extreme Forderungen an die Geschwindigkeit gestellt werden. Exakte Einsatzgrenzen für den SHD im oberen Leistungsbereich sind aber dennoch nicht festlegbar, da diese erheblich von den Anforderungen an das Antriebssystem abhängig sind. Als Richtgröße lässt sich sagen, dass für den Leistungsbereich zwischen 5000 kW und 10000 kW und einer Geschwindigkeit im Bereich ≤ 30 kn (kn: Knoten, d. h. Seemeilen pro Stunde, wobei 30 kn ≈ 55 km/h entsprechen) die Bedeutung des SHD stetig abnimmt und die Bedeutung des mittelschnelllaufenden Dieselmotors mit günstiger Leistungsmasse (mP ≤ 6 kg/kW) ständig zunimmt. Bei hohen Geschwindigkeitsanforderungen in Zusammenhang mit großen Schiffseinheiten kann die erforderliche Leistung nur durch Gasturbinen zur Verfügung gestellt werden. In der Regel wird der Leistungsbereich bis 1500 kW mit preiswerten Derivaten des Nutzfahrzeugdieselmotors abgedeckt. Oberhalb 1500 kW sind speziell entwickelte SHD vorzufinden, auf deren Auslegung und Konstruktion in den Abschn. 17.4.2 und 17.4.3 besonders eingegangen wird.
Bild 17-42 MTU 20V 8000 M91, 9100 kW bei 1150 min–1, Bohrung 265 mm, Hub 315 mm, spez. Arbeit 2,73 kJ/dm3
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 607
17.4.2 Darstellung hoher Leistungen beim Dieselmotor Basierend auf den für die Leistung eines Verbrennungsmotors üblichen Bestimmungsgleichungen (vgl. Abschn. 1.2) ist es für das typische Anwendungsfeld des SHD, nämlich den Schiffsantrieb, wegen der dabei in weiten Bereichen frei wählbaren Drehzahl sinnvoll, von folgendem Zusammenhang auszugehen: Pe ~ z ∙ we ∙ cm ∙ D2.
(17-1)
Von entscheidender Bedeutung für die Leistungsmasse ist die Zylinderzahl z. Es ist zu überlegen, welchen Einfluss die Zylinderzahl bei konstanter mittlerer Kolbengeschwindigkeit cm, konstanter spezifischer Arbeit we und konstanter Leis tung des Motors Pe auf die Leistungsmasset hat. Für die Masse eines Hubkolbenmotors gilt in 1. Nährung: m ~ D3.
(17-2)
Damit folgt unter Berücksichtigung von Gl. (17-1) für die leistungsbezogene Motormasse, auch Leistungsgewicht genannt: mP = m/Pe ~ D/(z ∙ we ∙ cm) ~ D/(z ∙ PA).
(17-3)
Unter Beachtung von Gl. (17-1) sinkt für Pe, we und cm = konst. mit steigender Zylinderzahl der Bohrungsdurchmesser D. Damit sinkt bei gleichzeitig steigender Zylinderzahl z das Leistungsgewicht bei sonst konstanten Randbedingungen überproportional. Der Einfluss der Zylinderzahl auf die Leistungsmasse ist in Bild 17‑43 für Motoren konstanter Leistung in V-Anordnung dargestellt. Neben hohen Werten für die spezifische Kolbenflächenleis tung PA sind beim SHD hohe Zylinderzahlen anzustreben. Da i. d. R. ein Leistungsbereich mit einer Baureihe abgedeckt werden muss, werden die Zylinderzahlen 12, 16 und 20 in V‑Anordnung für eine SHD-Baureihe gewählt. Bei kleineren Motoren, mit Zylinderhubvolumen kleiner 3 dm3, ist aus Steifigkeitsgründen des Kurbelgehäuses eines V20‑Motors nicht mehr in Betracht zu ziehen. Motoren ab 12 Zylinder in V‑Anordnung können für jeden V‑Winkel so ausgeführt werden, dass ohne zusätzlichen Massenausgleich 1. bzw. 2. Ordnung ein vollständiger Massenausgleich möglich ist. Der Nutzwirkungsgrad eines Dieselmotors als ein Produkt von Teilwirkungsgraden, vgl. Abschn. 1.2, wird im Wesentlichen vom Verhältnis maximaler Zylinderdruck (Spitzendruck) zu spezifischer Arbeit pZmax/we, von der Verbrennung nach Güte und zeitlichem Verlauf, vom Auf-
Bild 17-43 Relative Leistungsmasse in Abhängigkeit von der Zylinderzahl bei V‑Motoren
608 17 Fahrzeugdieselmotoren ladewirkungsgrad (s. Abschn. 2.2) und den mechanischen Verlusten beeinflusst, wobei weder pZmax/we noch der Aufladewirkungsgrad durch die Zylinderzahl beeinflusst werden. Vergleicht man Motoren mit gleicher Leistung, aber mit unterschiedlichen Zylinderzahlen, so nehmen bei sonst gleichen Randbedingungen gem. Gl. (17‑1) mit zunehmender Zylinderzahl die konstruktiven Zylinderabmessungen ab, sodass wegen der damit verbundenen Zunahme der Wandwärmeverlust infolge vergrößerten Oberflächen-VolumenVerhältnissen und der Ladungswechselverluste der Gütegrad bzw. der indizierte Wirkungsgrad sinkt. Verglichen mit allen übrigen Maßnahmen zur Reduzierung des Leistungsgewichtes ist dies jedoch die Maßnahme, die zu den geringsten Einbußen beim Wirkungsgrad führt. Da die Motorleistung proportional mit der spezifischen Arbeit zunimmt, nimmt bei gleichen Abmessungen die leis tungsbezogene Motormasse ab, wobei gleichzeitig relativ betrachtet die mechanischen Verluste abnehmen. Es ist also für die Motorauslegung von Interesse, die obere Grenze der spezifischen Arbeit zu ermitteln. Für SHD liegt mit einstufiger Aufladung der erreichbare Ladedruck bei ca. 4,5 bar absolut. Höhere Ladedrücke sind zwar prinzipiell möglich, doch reicht dann das schmaler werdende Verdichterkennfeld nicht aus, um z. B. bei Schiffsantrieben das notwendige Motorenkennfeld darstellen zu können, vgl. Abschn. 17.4.3. Mit 4,5 bar Ladedruck ist dann ein Wert für die spezifische Arbeit we bis 2,8 kJ/dm3 erreichbar. Oberhalb dieses Wertes sind die Motoren mehrstufig aufzuladen. In Abhängigkeit vom zulässigen Spitzendruck und der möglichen Einspritzdauer folgt daraus das maximal mögliche Verdichtungsverhältnis. Hoher Spitzendruck lässt auch hohe Verdichtungsverhältnisse zu. Durch Verkürzen der Einspritzdauer kann bei konstantem Einspritzdruck der Einspritzbeginn zu späteren Zeitpunkten verlegt werden. Bei vorgegebenem Spitzendruck sind somit wiederum höhere Verdichtungsverhältnisse möglich. Da zum Starten und zum weißrauchfreien Leerlaufbetrieb ein Mindestverdichtungsverhältnis notwendig ist, ist für eine gegebene Motorenkonstruktion der zulässige Ladedruck nach oben begrenzt und damit wiederum auch die maximal mögliche spezifische Arbeit we unter den angegebenen Randbedingungen (ηemax, λVmin). Das minimal notwendige Verdichtungsverhältnis liegt bei kleinen Motoren (Vh < 3 dm3) bei 14 bis 15, bei größeren Motoren bei 13 bis 14. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass – hoher Spitzendruck, – hoher Wirkungsgrad, – geringes Luftverhältnis, – kurze Einspritzdauer,
hohe Ladedrücke und damit hohe spezifische Arbeit ermöglichen. Dabei hat der Spitzendruck einen großen Einfluss sowohl auf die Motormasse als auch den Wirkungsgrad des Motors. Es besteht ein Zielkonflikt, der sorgfältig abgewogen werden muss. Im Bild 17-44 ist der Einfluss der spezifischen Arbeit auf die Leistungsmasse eines Dieselmotors unter unterschiedlichen Randbedingungen dargestellt. Für beide Kurven sind die Zylinderleistung PZ wie auch die mittlere Kolbengeschwindigkeit konstant. Die Leistungspositionierung muss bei der Auslegung des Motors zuerst festgelegt werden. Die Kurven geben jeweils für ein bestimmtes Konstruktionsprinzip die zu erwartenden Leistungsgewichte in Abhängigkeit der spezifischen Arbeit we an, d. h. mit we variiert auch die Bohrung entlang der Kurven mit PZ = konst. Für die durchgezogenen Kurven ist außerdem das Verhältnis pZmax/we konstant, d. h., der Wirkungsgrad und damit der spezifische Kraftstoffverbrauch sind in erster Nährung konstant. Für die gestrichelte Kurve gilt pZmax = konst., sodass mit Zunahme der spezifischen Arbeit resp. des mittleren effektiven Drucks das Verhältnis pZmax/we und damit der Wirkungsgrad abnehmen. Die Unstetigkeitsstellen bei we = 2,8 kJ/dm3 stellen den Übergang von einstufiger auf zweistufige Aufladung dar. Die Masse des Motors wurde durch Ähnlichkeitsbetrachtungen an den Bauteilen eines konkreten konstruktiven Konzeptes berechnet. Es ist festzustellen, dass mit höherer spezifischer Arbeit das Potenzial für ein Reduzieren des Leistungsgewichts abnimmt. Um den Zusatzaufwand der zweistufigen Aufladung ausgleichen zu können, ist eine Steigerung der spezifischen Arbeit notwendig. Hohe spezifische Arbeit führt nur dann zu spürbaren Vorteilen beim Leistungsgewicht, wenn der Spitzendruck im Zylinder und damit die notwendige Bauteilfestigkeit begrenzt wird und Zugeständnisse an den Wirkungsgrad möglich sind. Die Bohrung ist ein weiterer Parameter, der die Leistung eines Dieselmotors entscheidend beeinflusst. Die Bohrung wird einerseits geometrisch durch den Zylinderabstand und andererseits in Kombination mit dem angestrebten Spitzendruck durch die zulässige Lagerbelastung begrenzt. In Bild 17‑45 wird die Zylinderbohrung D in Abhängigkeit von der spezifischen Arbeit we dargestellt unter der Annahme, dass sowohl der Zylinderabstand x als auch die mittlere Kolbengeschwindigkeit cm im gesamten Diagramm konstant sind. Bei konstantem Zylinderabstand x ist die Bohrung aus geometrischen Gründen nach oben gemäß D ≤ x/1,3 limitiert. Jeder Bohrung ist bei konstantem Zy linderabstand ein maximaler Verbrennungsdruck gemäß D2 ∙ pZmax = konst. zuzuordnen. Nach oben wird der max.
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 609
Bild 17-44 Relative Leistungsmasse und relativer Kraftstoffverbrauch eines Dieselmotors abhängig von der spezifischen Arbeit
Spitzendruck auf 220 bar begrenzt. Hier handelt es sich um eine variable Grenze, die sich in Abhängigkeit vom technischen Fortschritt nach oben verschiebt. Weiterhin sind Linien konstanter Zylinderleistung PZ und Linien mit pZmax/we = konst. eingetragen. Beide verlaufen parallel, da sowohl die Leistung als auch die Triebwerksbelastung quadratisch von der Bohrung abhängen, wobei außerdem für Linien pZmax/we = konst. ein annähernd gleicher Nutzwirkungsgrad angenommen werden kann. Begrenzt wird das Feld durch ein minimal mögliches pZmax/we ≥ 50, unterhalb dieses Wertes sind Start- und Teillastprobleme zu erwarten. Die Grenze der einstufigen Aufladung liegt bei we = 2,8 kJ/dm3, die der zweistufigen Aufladung bei we = 4,0 kJ/dm3. Unter den gegebenen Randbedingungen wäre nur durch Erhöhung des Spitzendruckes oder Reduzierung des zulässigen Verhältnisses pZmax/we eine Erhöhung der spezifischen Arbeit auf Werte oberhalb 4,0 kJ/ dm3 möglich. Verlaufen Linien mit konstanter Leistung sowohl durch den Bereich der einstufigen als auch den Bereich der zweistufigen Aufladung, d. h. bei hohen Verhältnissen pZmax/we, so sind für die Darstellung der angestrebten Leistung hohe spezifische Arbeit bei kleiner Bohrung und geringe spezifische Arbeit bei großer Bohrung gleichbe
rechtigte Mittel. Werden gute Verbräuche angestrebt, d. h. pZmax/we ≥ 70, so ist es möglich, die dann zulässige Leistung mit einstufiger Aufladung darzustellen. Leistungssteigerung durch Erhöhen der spezifischen Arbeit we bei gegebenem Spitzendruck pZmax führt wegen der Abnahme des Verhältnisses pZmax/we zu einer Verschlechterung des spezifischen Kraftstoffverbrauches. Für den Bereich 50 ≤ pZmax/we ≤ 60 ist die Leistung nur zweistufig darstellbar. Es ist zu erwarten, dass durch Fortschritte bezüglich der Belastungsfähigkeit des Grundmotors, d.h. Erhöhung des Spitzendruckes bei konstantem Zylinderabstand, höhere Werte für pZmax/we als 60 mit zweistufiger Aufladung und geometrisch maximaler Bohrung möglich werden. Die zweistufige Aufladung ist daher dann anzuwenden, wenn bei einer Neuauslegung extreme Leistungsdichte angestrebt wird und einerseits eine Vergrößerung der Bohrung aus geometrischen Gründen nicht möglich ist und andererseits die Grenzen der einstufigen Aufladung erreicht sind. Auch bei vorhandenen Baureihen kann mit Hilfe der zweistufigen Aufladung eine Leistungssteigerung vorgenommen werden, wenn das Potenzial der einstufigen Auf ladung erschöpft ist.
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17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-45 Zylinderbohrung und maximaler Zylinderdruck eines Dieselmotors in Abhängigkeit von der spezifischen Arbeit
Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass mit der zweistufigen Aufladung mit Zwischenkühlung höhere Aufladewirkungsgrade erreichbar sind als mit der einstufigen Aufladung, sodass für den spezifischen Kraftstoffverbrauch ein Bonus von 3 bis 4 g/kWh besteht (s. Abschn. 2.2). Abschließend ist als weiterer, die Leistung beeinflussender Parameter die mittlere Kolbengeschwindigkeit zu betrachten. Gemäß Gl. (17-1) ist die Leistung direkt proportional der mittleren Kolbengeschwindigkeit, die durch Erhöhung des Hubes und/oder Erhöhung der Drehzahl gesteigert werden kann. Beide Maßnahmen wirken sich unterschiedlich auf das Leistungsgewicht und den Wirkungsgrad des Motors aus. Die Zusammenhänge sind sehr komplex, werden daher an dieser Stelle nur qualitativ diskutiert. Um die Auswirkungen exakt zu erfassen, ist für den konkreten Fall der Einfluss auf die Auslegung des Triebwerkes einschließlich des Einflusses auf das schwingungsfähige Gesamtsystem, auf die Reibung und die Gaswechselverluste zu untersuchen. So wird z. B. beim Vergrößern des Hubes die Zapfenüberdeckung der Kurbelwelle geringer, deshalb muss zur Beibehaltung der Steifigkeit der Zapfendurchmesser vergrößert werden. Das Triebwerk wird dadurch schwerer und die Lagerreibung nimmt zu. Die Gaswechselverluste steigen
quadratisch mit der mittleren Kolbengeschwindigkeit, sodass bedingt durch diese beiden Abhängigkeiten der Wirkungsgrad des Motors abnimmt. Soll die spezifische Arbeit gehalten werden, so kann dies nur durch Erhöhen des Ladedruckes ausgeglichen werden, was i. d. R. eine Reduzierung des Aufladewirkungsgrades nach sich zieht. Dies ist besonders problematisch zu bewerten, wenn man bereits an die Grenzen eines Aufladeverfahrens gestoßen ist. Zusätzlich führen bei einer gegebenen Einspritzausrüstung höhere notwendige Einspritzmengen zu einer Verlängerung der Einspritzdauer, das wiederum zu einer Verschlechterung des thermischen Wirkungsgrades führt. Die Verlängerung des Hubes führt in jedem Fall zur Massenzunahme des Motors. Die zweite hier zu diskutierende Maßnahme, nämlich die Drehzahlerhöhung bei konstantem Hub, hat zwar einen geringeren Einfluss auf die Masse des Motors, führt aber zu höheren Gaswechselverlusten. Bei konstanter mittlerer Kolbengeschwindigkeit hat der langhubige Motor gegenüber dem kurzhubigen Motor eine geringere Drehzahl. Eine geringere Drehzahl hat geringere Gaswechselverluste zur Folge, da die Zeitquerschnitte größer sind, indem bei einer geringen Drehzahl absolut mehr Zeit für den Gaswechselvorgang zur Verfügung steht (s. Abschn. 2.1). Für die Ausle-
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 611 gung eines SHD mit vorgegebener Leistung ist zusammenzufassen: – hohe Zylinderzahl und – größtmögliche Bohrung für gegebenen Zylinderabstand anstreben, – Verhältnis von maximalem Zylinderdruck zu spezifischer Arbeit an den angestrebten Wirkungsgrad sowie an das geforderte Start- und Teillastverhalten anpassen, – hohe mittlere Kolbengeschwindigkeit anstreben, jedoch auf 13 m/s begrenzen.
17.4.3
Konstruktion von Hochleistungsdieselmotoren
17.4.3.1
Vorbemerkungen
100 Jahre Dieselmotorenbau haben zu einer hoch entwickelten Verbrennungskraftmaschine geführt. In dieser Zeit wurden sehr viele interessante konstruktive Lösungen entwickelt. Heute ist jedoch zu sagen, dass hauptsächlich aus Kos tengründen aufwendige Grundkonzepte nicht mehr verfolgt werden, sodass sich neuentwickelte Dieselmotoren in den wesentlichen Merkmalen des Grundmotors nur wenig unterscheiden. Mit der Weiterentwicklung der Abgasturbo aufladung werden konstruktive Ansätze, große Hubvolumina in kleinem Bauraum unterzubringen, z. B. durch Anordnen mehrerer Zylinderreihen in Delta-, W- oder H-Form, nicht mehr verfolgt. Somit beziehen sich die folgenden Ausführungen allein auf den gegenwärtigen Stand der Technik bei Viertakt-Dieselmotoren. Historisch interessierte Leser werden auf die Literatur verwiesen, z. B. [17-25], [17-26]. Auslegung und Ausführung eines schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotors (SHD) hängen in großem Maße vom Know-how und Know‑why des einzelnen Herstellers ab. Um bei der Neu- bzw. Weiterentwicklung moderner SHD erfolgreich zu sein, ist die Anwendung modernster Hilfsmittel, wie – CAD-Technik (CAD: Computer aided design), – neuere Erkenntnisse der Mechanik, Thermo- und Aerodynamik, – Prozesssimulation des Gesamtsystems Dieselmotor, – neueste Fortschritte in der Mess- und Analysetechnik unerlässlich. Nur mit Hilfe dieser Mittel ist es möglich, das Gesamtsystem, Teilsysteme und Komponenten bezüglich ihrer Eigenschaften zu optimieren. Im Besonderen werden betrachtet: – Grundmotor und – Aufladeverfahren.
17.4.3.2
Grundmotor
Zum Grundmotor gehören im Wesentlichen das Kurbelgehäuse, die Komponenten des Triebwerkes, der Zylinderkopf, die Ventilsteuerung, das Einspritzsystem und der bzw. die Rädertriebe. Das Kurbelgehäuse wird heute i. d. R. aus lamelaren bzw. bei höheren Anforderungen aus globularen Gusseisen hergestellt. Das Kurbelgehäuse hat die Aufgabe, den Kraftfluss zwischen Zylinderkopf und Triebwerk zu schließen. Es treten also hohe dynamische Belastungen auf. Für den SHD mit gutem Leistungsgewicht ist es daher von großer Bedeutung, mit geringem Materialeinsatz eine hohe Gestaltfestigkeit darzustellen. Um dieser Forderung zu entsprechen, wird das Kurbelgehäuse weit bis unter die Lagerungsebene der Kurbelwelle heruntergezogen (Bild 17‑46). Zur Erhöhung der Steifigkeit werden die Lagerdeckel seitlich verspannt. Um Mikrobewegungen an der Trennfläche Lagerdeckel – Kurbelgehäuse, die zu Reibrost führen können, zu vermeiden, ist auf Höhe der Trennebene entweder ein geeigneter Formschluss vorzusehen oder es sind durch Zuganker entsprechende Vorspannkräfte aufzubringen. Mit Hilfe der FE Methode ist die Struktur bezüglich der Steifigkeit zu optimieren, was nicht nur zur Entlastung der Kurbelwelle und der Kurbelwellenlagerung führt, sondern auch das Körperschallübertragungsverhalten günstig beeinflusst. Bei entsprechender Gestaltung der Ölwanne kann diese zur Erhöhung der Steifigkeit der Struktur beitragen. Da das Kurbelgehäuse das teuerste Einzelbauteil des gesamten Motors ist, sollte man sich darum bemühen, es nicht durch Nebenfunktionen zu belasten, die auch konstruktiv anders gelöst werden könnten. Die Konstruktion des Kurbelgehäuses im oberen Bereich hängt sehr stark von anderen Komponenten wie dem Einspritzsystem und dem Abgassys tem ab, sodass in diesem Bereich nur wenig Allgemeingültiges zu sagen ist. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Bereich, dass die Gewinde für die Zylinderkopfschrauben tief im Kurbelgehäuse angeordnet sind, um eine günstige Druckverteilung am Dichtverband Laufbuchse – Zylinderkopf zu erhalten. Das Triebwerk hat die Aufgabe, eine Linearbewegung in eine Rotationsbewegung umzusetzen und besteht aus den Komponenten Kurbelwelle, Pleuellager, Pleuelstange, Kolbenbolzen und Kolben. Um die Belastung der Hauptlager und der Gehäusestruktur zu reduzieren bzw. nach außen wirksame freie Kräfte und Momente zu eliminieren bzw. zu reduzieren (zylinderzahlabhängig), werden auf der Kurbelwelle Gegengewichte angeordnet. Die Kurbelwelle wird aus einem Vergütungsstahl geschmiedet. Zur Erhöhung der Dauerwechselfestigkeit können die Radien am Hubzapfen gehärtet werden. Bei der Dimensionierung der Kurbelwelle und Anordnung der
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17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-46 Kurbelgehäuse mit hoher Gestaltfestigkeit
Hubzapfen muss ein Kompromiss eingegangen werden bezüglich des Drehschwingungsverhaltens bei verschiedenen Zylinderzahlen, der Zündfolge, des Massenausgleichs und der Lagerbelastungen. Unter Berücksichtigung o. g. Einflüsse sind der Hauptlagerzapfen, die Wange und der Hubzapfen zu dimensionieren. Es müssen im Vorfeld umfangreichere strukturmechanische Berechnungen durchgeführt werden, da sowohl der notwendige Zylinderabstand als auch der notwendige Gegengewichtsradius und damit Masse und Bauraum des Motors davon abhängen. Bei neu entwickelten Motoren werden die Pleuelstangen aus Kostengründen ausschließlich nebeneinander auf einem Hubzapfen angeordnet (Bild 17-47). Der Schaft der geschmiedeten Pleuelstange wird auf Knickung ausgelegt. Im Bereich des Pleuellagers ist die Pleuelstange steif auszuführen, um eine zusätzliche Belastung des Lagers durch Verformung zu reduzieren und Relativbewegungen am Lagerrücken zu vermeiden. Um eine masseoptimierte Pleuelstange zu erhalten und zusätzlich den notwendigen Gegengewichtsradius und damit Masse zu reduzieren, ist die Pleuelstange vollständig zu bearbeiten. Um hohe Drücke aufnehmen zu können, ist das kleine Pleuelauge stufen- oder trapezförmig auszubilden (Bild 17-48).
Der Kolbenbolzen wird im Kolben in einer Bronzebuchse gelagert, um bei hohen Belastungen Nabenbrüche des Kolbens zu vermeiden. Für Spitzendrücke bis 180 bar werden elektronenstrahlgeschweißte Vollschaftkolben verwendet. Grenzen sind darüber hinaus bei der Brennraumgestaltung durch Einschränkungen bei der Ausbildung des Kühlkanals gegeben. Für Spitzendrücke >180 bar und tiefe Brennraummulden müssen gebaute Kolben mit Aluminiumschaft und Stahloberteil vorgesehen werden, Bild 17-48 (s. dazu Abschn. 8.6). Bei den damit gegebenen hohen Leistungsdichten ist der Kolben intensiv mit Öl zu kühlen. Dies geschieht i. d. R. über eine Spritzdüse, die im unteren Totpunkt in den Kolben eintaucht. Der Zylinderkopf hat die Aufgabe, sowohl den Brennraum nach oben hin zu begrenzen bzw. abzudichten als auch die Gaswechselorgane und die Einspritzdüse aufzunehmen. Der Gestaltung des Zylinderkopfes ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen: – optimale Gestaltung der Ein- und Auslasskanäle (je zwei bei SHD), – ausreichende Kühlung im Bereich des Zylinderkopfbodens und des Auslasskanals,
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren
613
Bild 17-47 Triebwerk mit paralleler Anordnung der Pleuelstangen
Bild 17-48 Verbindung Kolben – Kolbenbolzen – Pleuel
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17 Fahrzeugdieselmotoren
– steife Struktur, um eine gleichmäßige Pressungsverteilung am Dichtverband Laufbuchse-Zylinderkopf zu erzielen, – Anordnung der Zylinderkopfschrauben, um Gaskräfte mit dem Kraftfluss in die Lagerwände des Kurbelgehäuses einzuleiten, – Erfüllung von Zusatzforderungen, wie Dekompression und Druckluftanlassen. Hierzu sind umfangreiche strukturmechanische und strömungstechnische Untersuchungen notwendig, um die genannten Forderungen miteinander in Einklang zu bringen. In der Regel wird der Zylinderkopf als Querstromkopf ausgeführt, d. h., Einlasskanaleintritt und Auslasskanalaustritt befinden sich gegenüber. Abhängig vom gewählten Brennver-
fahren befinden sich bei drallarmen Verfahren die Teilkanäle nebeneinander bzw. bei Brennverfahren mit starkem Drall hintereinander. Zwischenstellungen sind auch möglich, doch wird dann die Steuerung komplizierter. Die Zylinderköpfe werden bei Hubvolumina über 3 dm3 ausschließlich als Einzelzylinderköpfe ausgeführt, da sonst im Betrieb zu hohe Relativbewegungen durch Wärmedehnung entstehen können. Außerdem wird dadurch die Wartung erleichtert. Die Steuerung der Gaswechselorgane erfolgt i. d. R. über eine untenliegenden Nockenwelle, Stößel, Stoßstange und Kipphebel (Bild 17-49). Je nach Anordnung der Ventile werden zum Weiterleiten der Betätigungskräfte auf die beiden Ventile Gabelkipphebel oder Brücken verwendet.
Bild 17-49 Steuerung der Gaswechselorgane
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 615 Die Anordnung einer untenliegenden Nockenwelle ermöglicht die einfache Demontage einzelner Zylinderköpfe im Wartungsfall. Obenliegende Nockenwellen verursachen einen erheblichen konstruktiven Zusatzaufwand, der in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Die Einspritzausrüstung hat die Aufgabe, den Kraftstoff zum richtigen Zeitpunkt in der benötigten Menge in angemessener Dauer in den Brennraum zu befördern. Es wird eine Einspritzdauer von max. 25°KW bei Volllast angestrebt, um hohe thermische Wirkungsgrade erreichen zu können. In Abhängigkeit von der Motorgröße und vom Verbrennungsverfahren sind dazu Einspritzmaximaldrücke oberhalb 1500 bar notwendig. Bekannte Einspritzsysteme sind (vgl. Abschn. 5.3): – Einzeleinspritzpumpe-Leitung-Düse, – Pumpe-Düse-System, – Hochdruckspeicher-Leitung-Injektor (Common Rail). Für Neuentwicklungen wird i. d. R. das Common Rail Einspritzsystem mit vollelektronischer Regelung über Magnetventile gewählt. Der Einspritzdruck ist nicht mehr von der Motordrehzahl abhängig und der Einspritzbeginn ist frei wählbar. Darüber hinaus kann der Einspritzverlauf z. B. durch eine Vor- oder Nacheinspritzung sehr einfach über Softwareparameter variiert werden. Damit bietet das Common Rail Einspritzsystem die Möglichkeit, die Emissionen und den Kraftstoffverbrauch entscheidend zu beeinflussen. Erhebliche Vereinfachungen am Grundmotor sind mit diesem Einspritzsystem möglich. So kann auf den 2. Rädertrieb auf der Abtriebsseite verzichtet werden. Es ist möglich, den Ventiltrieb über eine zentrale Nockenwelle zu betreiben und eine der sonst üblichen zwei Nockenwellen damit einzusparen. Das aufwendige Reguliergestänge entfällt komplett. Die neue MTU-Baureihe 4000 ist mit diesem fortschrittlichen Einspritzsystem ausgerüstet (Bild 17‑50).
17.4.3.3
Aufladeverfahren
Die Aufladung von Dieselmotoren dient dazu, die Leistung und den thermodynamischen Wirkungsgrad des Dieselmotors zu steigern. Hinsichtlich der thermodynamischen Zusammenhänge sei auf den Abschn. 2.2 verwiesen. Im Folgenden werden hier die konstruktiven Belange näher diskutiert. Für den Viertaktdieselmotor hat sich die Abgasturboaufladung durchgesetzt, da hiermit freie konstruktive Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sind. Das Abgasturboaufladesystem eines schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotors (SHD) besteht aus folgenden Komponenten: – Abgasleitungssystem, – Abgasturbolader,
– Ladeluftkühler, – Ladeluftverteilungssystem. Da das Schluckverhalten der Hubkolbenmaschine Dieselmotor und das Förderverhalten der Strömungsmaschine Abgasturbolader stark voneinander differieren, können Dieselmotor und Abgasturbolader nur in einem Betriebspunkt im Kennfeld optimal abgestimmt werden. In Abhängigkeit der angestrebten spezifischen Nutzarbeit, des geforderten Motorenkennfeldes und der zulässigen Grenzwerte des Turboladers bzw. Dieselmotors sind daher Anpassungen im Betriebskennfeld notwendig. Jedes Aufladesystem ist bezüglich seiner thermodynamischen Eigenschaften und des notwendigen konstruktiven Aufwandes zu bewerten. So sind für den SHD im Wesentlichen die Stoß- und die Stauaufladung zu unterscheiden. Zwischenlösungen sind auch möglich und werden durchaus ausgeführt. Die Aufladeverfahren werden im Abschn. 2.2 detailliert beschrieben.
17.4.3.4
Ausgeführte Konstruktionen
Beispielhaft für einen ausgeführten SHD wird die im Jahre 2000 vorgestellte Baureihe 8000 der MTU Friedrichshafen beschrieben (Bild 17‑42), die im Grenzbereich zwischen den schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren und den mittelschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotoren (Abschn. 17.3) angesiedelt ist. Diese Baureihe wird zunächst als V20-Version für die Schiffsanwendung angeboten. Das Zylinderhubvolumen beträgt 17,37 dm3. Bei einer maximalen Drehzahl von 1150 min–1 ergibt sich eine mittlere Kolbengeschwindigkeit von 12,1 m/s, ein Wert, der für die Größe dieses Motors beachtlich ist. Mit einstufiger Registeraufladung beträgt die spezifische Arbeit we = 2,7 kJ/dm3, ein Wert, mit dem die Grenze der einstufigen Aufladung weiter nach oben verschoben werden konnte. Der konstruktive Aufbau der Motoren der BR 8000 ist klar gegliedert. Auf der Kraftabgabeseite (KS) sind die Komponenten der Aufladung, d. h. der sog. Anschlusskasten mit Ladeluftkühlern und Lufteinlauf in das Kurbelgehäuse sowie das Trägergehäuse mit den vier Abgasturboladern angeordnet. Auf der Kupplungsgegenseite (KGS) befinden sich die Komponenten des Serviceblocks, beginnend von unten mit der Ölpumpe, zwei Hochdruckpumpen für das CR‑Einspritzsystem, gefolgt von der Seewasserpumpe auf der Aund der Motorwasserpumpe auf der B-Seite. Oberhalb der beiden Wasserpumpen sind die Kraftstofffilter, der Automatik-Ölfilter und der Ölkühler angeordnet. Außen auf der A-Seite sind Motorkühlwasser-Thermostat
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17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-50 Zylinderkopf mit Common Rail Einspritzsystem
und Zentrifugen für die Ölpflege im Nebenstrom angebracht. Mittig über den Ölwärmetauschern befinden sich die Komponenten der Motorelektronik. Der Bauraum oberhalb des Motors zwischen KS und KGS ist gut zugänglich für die Montage von power-units. Die power-unit und das Common Rail Einspritzsystem sind besondere konstruktive Merkmale dieses Motors. Unter der power-unit wird die gemeinsam als Einheit montierbare Gruppe von zylinderstationsbezogenen Bautei-
len, bestehend aus Zylinderkopf (mit Elementen der Steuerung und der Einspritzung), Laufbuchse, Kolben und Pleuel, verstanden. Die power-unit wird lediglich über vier Stehbolzen im Kurbelgehäuse gehalten. Auf diese Weise bieten sich für die optimale Gestaltung des Zylinderkopfes mit den Ein- und Auslasskanälen Freiräume, die sich in exzellenten Durchflusswerten der Kanäle und in einem robusten, dauerfesten Zylinderkopf ausdrücken.
17 Literatur 617 Gegenüber herkömmlichen Gestaltungsvarianten werden bei der BR 8000 die Halte- und die Dichtkraft durch unterschiedliche Konstruktionselemente aufgenommen. Die Dichtkraft für die Verbindung der Laufbuchse mit dem Zylinderkopf wird durch 24 Schrauben von unten aufgebracht. Dadurch werden sehr gleichmäßige Flächenpressungen im Hochdruckdichtverband erzeugt. Die beiden Hochdruckpumpen für das Common Rail Einspritzsystem erzeugen im Kraftstoffsystem Drücke von bis zu 1800 bar. Der Kraftstoff wird über doppelwandige Leitungen, die längs am Motor verlegt sind, und über Verteiler in sog. Akkumulatoren oder Einzelspeicher gefördert. Diese Speicher besitzen ein Volumen, das groß genug ist, um bei Einspritzen der maximalen Einspritzmasse einen Druckabfall vor Injektor und Druckschwingungen im Kraftstoffsys tem zu vermeiden. Die Einspritzung selbst erfolgt über Injektoren, die im Zylinderkopf zentral (bezogen auf den Brennraum) angeordnet sind. Die Steuerung von Einspritzbeginn und Dauer wird über eine elektrische Ansteuerung vom Motormanagement-System vorgenommen. Über eine Anzahl von Sensoren gewinnt das elektronische Motormanagement-System Informationen über den Betriebszustand des Motors. Diese Informationen werden mit hinterlegten Kennfeldern verknüpft und liefern die Daten nicht nur für das Timing, sondern auch für den betriebszustandsabhängigen Druck im Kraftstoffsystem. Der Vorteil des Common Rail Systems liegt darin, dass der Einspritzdruck unabhängig vom Betriebszustand des Motors frei gewählt werden kann. Das heißt, dass auch – im Gegensatz zu Motoren mit konventionellen Einspritzsystemen – bei niedrigen Motordrehzahlen hohe Einspritzdrücke zur Verfügung stehen, die auch im Teillastbereich eine effiziente und schadstoffarme Verbrennung ermöglichen.
17.4.4
Ausblick
Der schnelllaufende Hochleistungsdieselmotor (SHD) hat heute einen hohen Entwicklungsstand erreicht, d. h. Kundennutzenelemente wie Leistungsgewicht, Bauraum, Lebensdauer und Nutzwirkungsgrad befinden sich auf hohem Niveau. Zukünftig wird der Dieselmotor immer mehr bezüglich seiner Umweltverträglichkeit beurteilt werden. Betrachtet man den Material- und Energieeinsatz während der Produktion und des Betriebes eines Dieselmotors, so lässt sich feststellen, dass der Dieselmotor, über seine Lebensdauer gesehen, eine relativ umweltfreundliche Maschine ist. Dafür kennzeichnend sind: – Verarbeitung von unbedenklichen Werkstoffen wie Gusseisen, Stahl und Aluminium,
– konventionelle Fertigungsverfahren, – beherrschbare Umweltbelange, – hoher recyclingfähiger Materialanteil, – lange Lebensdauer, – hoher thermischer Wirkungsgrad. Als problematisch ist aus heutiger Sicht die Abgasemission zu bewerten, s. Kap. 15. Von besonderem Interesse sind dabei die Bestandteile NOx und Partikel. Zusätzlich gewinnt CO2 wegen des Treibhauseffektes an Bedeutung. Um zukünftige Grenzwerte erfüllen zu können, ist es notwendig, den Dieselmotor so zu konzipieren, dass güns tige Voraussetzungen für geringe Abgasemissionen vorliegen. Prinzipiell sind hierzu innermotorische und außermotorische Maßnahmen möglich, s. Kap. 15. Außermotorische Maßnahmen bedeuten einen erheblichen Zusatzaufwand in Form von Kosten, Bauraum und Gewicht. Die spezifischen Eigenschaften der SHD, nämlich geringe Masse und geringerer Bauraum gehen damit verloren, sodass die Zielsetzung besteht, beim SHD günstige Abgasemissionswerte mit innermotorischen Maßnahmen zu erzielen. Zunächst sind hierfür die konventionellen Methoden wie Anpassung des Brennraumes, des Dralls und des Einspritzsystems auszuschöpfen. Neuentwicklungen sind mit drall armen Brennverfahren zu konzipieren, wodurch zwingend leistungsfähige Einspritzsysteme notwendig werden. Um im mobilen Anwendungsbereich NOx-Grenzwerte 1 zu bevorzugen, jedoch verhindern größere Hübe, die Vorteile einer optimalen Bauhöhe zu nutzen. Dies kann mitunter ausschlaggebend für die Realisierung eines Motorisierungsprojekts sein, so dass auch Motoren bis zu einem s/D- Verhältnis von ≥ 0,6 angeboten werden. Stark im Kommen sind aus Gründen der Bauhöhe sog. Vertikalwellen -Motoren, z. B. für den Einbau in Rasenmähern (s. Bild 18-1). Kühlverfahren. Nahezu ausschließlich wird die direkte Luftkühlung angewendet, s. Abschn. 9.1.4, mit einem in das Schwungrad integrierten Radial-Sauggebläse. Bei diesem
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren platzsparenden und kostengünstigen Prinzip wird die Kühlluft mittels Leitbleche gezielt an die temperaturkritischen Bauteile wie Zylinderkopf und Zylinderrohr geführt. Je größer die zur Kühlung herangezogene Motoroberfläche ist, umso größer ist die Reserve für den Einsatz in Ländern mit hohen Umgebungstemperaturen. Eine Wasserkühlung, wie bei kleinen Mehrzylindermotoren, ist zu aufwendig und kommt daher nicht in Betracht. Die ständig verschärften Vorschriften für die Geräuschemission von Geräten, Apparaten etc. zielen auch auf den Antrieb, den Verbrennungsmotor, so dass oftmals nur die vollständige Kapselung des Motors Abhilfe schafft, s. Abschn. 16.5. Die dabei auftretenden thermischen Probleme beim Motor und die notwendige Dämpfung der Kühlluftgeräusche, zwingen die Motorenhersteller neue
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Konzepte für vollständig gekapselte Motoren zu entwickeln. Für Motoren der sog. B-Baureihe, Fa. Hatz, ist dafür eine Flüssigkeitskühlung mit Schmieröl und externem Wärmetauscher in der Erprobung (Bild 18-2). Erkennbar sind der geänderte Zylinderkopf, die Ölführung an der Steuerseite sowie der größere Ölvorrat. Der vergrößerte und mit Öl gefüllte Spalt zwischen den slip-fit-Laufbuchsen dient zu deren Kühlung bzw. als Wärmebrücke zum Gehäuse. Motorbefestigung. Sofern möglich, sollte der Motor elastisch gelagert werden. Hierfür bietet die Zulieferindustrie umfangreiche Möglichkeiten: Hydrounterstützte Elemente auf der Basis Gummi/Polymere haben sich hier sehr gut bewährt, auch dann, wenn beim Hochlauf des Motors bzw. Aus-
Bild 18-2 Flüssigkeitskühlung mit Schmieröl und externem Wärmetauscher der sog. B-Baureihe, Fa. Hatz (in Erprobung)
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18 Industrie- und Schiffsmotoren
lauf beim Motorstop Resonanzdrehzahlen durchfahren werden. Beim Riemenantrieb von Arbeitsmaschinen gibt es die Möglichkeit, diese zunächst zusammen mit dem Motor auf einen Zwischenrahmen starr aufzubauen und diesen Rahmen über Dämpfungselemente zum Fundament zu entkoppeln. Ein starrer Aufbau des Motors ist in Verbindung mit sehr steifen und massebehafteten Rahmen und Fundamenten möglich. Abtriebsmöglichkeiten. Universeller Motoreinsatz erfordert den Abtrieb sowohl auf der Schwungradseite als auch auf der gegenüberliegenden Steuerseite, womit sich der Drehsinn umkehrt. Die heute verstärkt eingesetzte Reversierstarteinrichtung blockiert jedoch die Abtriebsmöglichkeit auf der Schwungradseite. Verzichtet man auf die simple Handstarteinrichtung und wählt den komfortableren, aber auch anfälligeren Elektro-Start, ergeben sich je nach Motorkonzeption weitere
Abtriebsmöglichkeiten wie es z. B. der 1D81 Motor mit 4 Ausgängen (PTO’s) darbietet (s. Bild 18-3). Neben Links- (Standard) oder Rechtslauf bestehen folgende Optionen für die Drehmomentabnahme: – 100% an der Schwungradseite axial über Kupplungsflansch oder radial über Riemenscheibe (1), – 100% steuerseitig an der Kurbelwelle radial und axial (2), – 100% zusätzlich bei Handkurbelstart auch auf der Steuerseite, an der Nockenwelle durch Keilriemenscheibenanbau (3), – begrenzte Momentabnahme an der Nockenwelle zum Antrieb kleiner Hydraulikpumpen (4).
Starteinrichtungen, Startmöglichkeiten Handkurbelstart. Dieser erfordert in jedem Fall ein höheres Massenträgheitsmoment, als dies beim Elektro-Start erforderlich ist. Höheres Massenträgheitsmoment heißt jedoch
Bild 18-3 Abtriebsmöglichkeit an einem luftgekühlten Einzylinder-Dieselmotor (HATZ SUPRA 1D81). Vh=0,667 dm3
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren beträchtlich höheres Motorgewicht aufgrund des notwendigerweise schwereren Schwungrades. Mögliche Korrosion an elektrischen Bauteilen sowie Beschädigung der Batterien durch starkes Rütteln, sprechen gegen den Elektrostart im rauen Baumaschineneinsatz. Das Baumaschinen-Verleihgeschäft ist durch Wartungsverfall, unsachgemäße Bedienung usw. gekennzeichnet: „einfach“, „robust“ und „in der Funktion überschaubar“ lautet hier die Forderung. Das spricht für den Handkurbelstart bei größeren Einzylinder-Dieselmotoren ab Vh > 0,5 dm3, bei dem über mehrere, vorwählbare, dekomprimierte Arbeitsspiele das Schwungrad soweit auf Drehzahl gebracht wird, dass dessen Energie für einen oder mehrere OT-Durchläufe bei voller Verdichtung Selbstzündung und Hochlauf des Motors erreichen lässt. Gegen das gefährliche Rückschlagen (-drehen) bei unzureichendem Schwungmoment und vor OT einsetzender Zündung schreibt der deutsche Gesetzgeber Schutzmaßnahmen vor, indem z. B. eine in die Handkurbel verlegte Ausklinkmechanik den Kraftschluss zum Rückschlagmoment nach wenigen Winkelgraden aufhebt. Der Handkurbelstart ist bei richtiger Wahl des Schwungrades und der Übersetzung von Handkurbel- zur Kurbelwellendrehzahl bis 0,8 l Hubraum möglich. Ergonomisch ist eine Handkurbeldrehzahl von 2,5 Umdrehungen pro Sekunde mit einem maximalen Handkurbelradius von 200 mm
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bei vollem Kraftaufwand über eine Zeitdauer von 3,5 s gerade noch vertretbar. Der Trend, die leistungsbezogene Motormasse durch leichtere Schwungräder zu senken, geht zu Lasten von Startsicherheit und Kaltstartverhalten. Hierzu stellt das Diagramm in Bild 18-4 die Zusammenhänge für einen sicheren Kaltstart bei –6 °C dar. Reversierstart. Der bei Einbau-Benzinmotoren fast ausnahmslos eingesetzte Reversierstarter wird zunehmend auch bei Klein-Dieselmotoren angewendet, zumal kaum Verletzungsgefahr besteht. Die über einen Seilzug von 0,7 bis 1 m Auslenkung von Hand eingebrachte Energie muss das Schwungrad innerhalb eines Arbeitsspieles, also zwei Umdrehungen, auf die Startdrehzahl bringen. Dekompression durch Anheben des Auslassventils um ca. 0,1 bis 0,2 mm über ein einfaches, nach einem Arbeitsspiel zurückspringendes Hebelwerk oder eine automatische, fliehkraftgesteuerte Dekompressionseinrichtung erleichtern den Startvorgang. Dem Diagramm in Bild 18-4 ist auch das Trägheitsmoment des Schwungrades für flimmerfreien Generatorbetrieb mit 3000 min1 zu entnehmen, womit allerdings schon ab 300 cm3 Hubraum ein Kaltstart mittels Reversierstart problematisch ist. Der in diesem Fall günstigere Handkurbelstart lässt höhere Übersetzungen zu, die bei IDI-Motoren mit
Hubvolumen Vh in cm3 Bild 18-4 Erforderliches Trägheitsmoment des Schwungrades in Abhängigkeit vom Hubvolumen für Einzylinder-Dieselmotoren an der Kaltstartgrenze bei –6 °C
624 18 Industrie- und Schiffsmotoren Vh 2,5 mm zu wählen, um Zahnausbrüche bei versehentlichem Nachstarten zu vermeiden. Grundsätzlich ist daher ein elektronisches Startsperr-Relais zu empfehlen, das bei fernbedienten Motoren unverzichtbar ist. Abschließend sei vermerkt, dass beim Handstart in den Ansaugtrakt zu sprühende „Zündhilfen“ ebenso wie der einfache Handseilstart in Deutschland und künftig in Europa wegen der Unfallgefahren verboten sind.
Ansaug- und Abgasanlage Luftfilter. Die bei Kleindieselmotoren früher verwendeten Ölbadluftfilter haben zwar schlechtere Abscheidegrade, sind jedoch einfach zu warten, da sie mit dem auf Baustellen verfügbaren Motoröl auskommen. Der hinsichtlich Abscheidegrad deutlich bessere Trockenluftfilter, s. Abschn. 13.1, bedarf neben der Bevorratung von Filterpatronen einer Wartung, indem die Filterbelegung kontrolliert wird. Die dazu übliche Unterdruckanzeige am Filtersystem ist bei Einzylindermotoren wegen der starken Ansaugpulsationen problematisch. Eine verstopfte Filterpatrone kann jedoch schon nach kurzer Zeit schwere Schäden im Zylinderkopfbereich durch Überhitzen aufgrund Verbrennungsluftmangels initiieren. Da bei Einsatz im Bausektor erhöhte Staubbelastungen auftreten, sollte das Motorgrundkonzept beide Filterarten vorsehen und bei extremer Staubbelastung den Anbau eines Vorabscheiders (Zyklons) ermöglichen. Bei unsicherer Ersatzteilversorgung, z. B. in sog. „Drittländern“, ist dem Ölbadluftfilter der Vorrang zu geben. Ansaugtrakt. Vom Luftfiltereintritt der Rohluft bis zum Motoreintritt der Ansaugluft ist eine dichte Anbindung, z. B. über elastische Schläuche, vorzusehen. Bei Motoreinbauten in halben oder ganz geschlossenen Räumen sollte die Luft von außen ohne Druckverluste und Temperaturerhöhung zugeführt werden (Richtwerte: ≤ 10 mbar (100 mm WS) Unterdruck bzw. 5 K Temperaturerhöhung gegenüber der Außenluft, gemessen am Einlasskanaleintritt bei Nenndrehzahl). Abgasanlage. Das Schalldämpfervolumen soll möglichst groß gewählt werden. Einerseits ist ein hinsichtlich Leis tungsverlust bzw. Mündungsgeräusch ideales Volumen vom
10fachen Hubvolumen wegen des Bauraums nicht möglich, andererseits ist unter einem 3fachen Hubvolumen keine wirksame Dämpfung ohne Leistungsverluste bis zu 10% erreichbar. Der mittlere Gegendruck am Schalldämpfereintritt (= Auslasskanalaustritt) soll dabei