Strategisches Kompetenzmanagement
Walter Jochmann · Sascha Gechter (Hrsg.)
Strategisches Kompetenzmanagement Mit 71 Abbildungen
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Dr. Walter Jochmann Kienbaum Management Consultants Ahlefelder Straße 47 51645 Gummersbach
[email protected] Sascha Gechter Kienbaum Management Consultants Grolmanstraße 36 10623 Berlin
[email protected] ISBN-10 3-540-27966-0 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-27966-2 Springer Berlin Heidelberg New York
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Gedruckt auf säurefreiem Papier
Geleitwort Es ist nicht unsere Aufgabe, die Zukunft vorauszusagen, sondern auf sie gut vorbereitet zu sein. Perikles von Athen
Trotz der überwältigenden Flut an Prognosen, Trendanalysen und Szenarien, welche nahezu täglich über uns hereinbricht, existiert keinerlei gesichertes Wissen über die Zukunft. Unternehmen kennen weder die Produktfelder noch die Technologien, mit denen sie in zehn bis fünfzehn Jahren um globale Marktanteile ringen werden. Mit Bestimmtheit lässt sich nur sagen, dass die Veränderungsdynamik kontinuierlich steigt und Unternehmen sich permanent neu erfinden müssen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen, d.h. sie müssen ihre Geschäftsstrategien, Portfolioaktivitäten und Regionalstrategien immer wieder den sich ändernden Gegebenheiten anpassen. Wandel wird zur Daueraufgabe. Damit einhergehend haben sich die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft, aber auch die Flexibilität und Lernfähigkeit der Mitarbeiter zum kritischen Erfolgsfaktor entwickelt, denn insbesondere in wissens-intensiven Industrien lassen sich nachhaltige Wettbewerbsvorteile nur noch durch die Entwicklung überlegener Mitarbeiterkompetenzen und einer Hochleistungskultur erzielen. Gerade weil zukünftige Entwicklungen so schwer absehbar sind und heute gültige Prognosen bereits morgen veraltet sein können, besteht die einzige Möglichkeit zur Sicherung der eigenen Überlebensfähigkeit in einer konsequenten Investition in die Kompetenzen und das Wissen der Organisationsmitglieder. Damit wird das strategische Kompetenzmanagement zu einem zentralen Stellhebel für den Aufbau nachhaltiger unternehmerischer Erfolgspotentiale. Kompetenzmanagement hat aber auch eine volkswirtschaftliche Implikation, denn in vielen Ländern ist aufgrund des demografischen Wandels in absehbarer Zeit mit angespannten Arbeitsmärkten im Bereich der hoch Qualifizierten zu rechnen. Ein während der nächsten Jahrzehnte permanent sinkender Anteil von Menschen im erwerbsfähigen Alter wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Fachkräftemangel und einem erbitterten Kampf um die Besten führen. Somit wird die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehende Qualifikation auch zum Aspekt der Standortattraktivität. Global tätige Unternehmen haben aufgrund ihrer weltweiten Präsenz und verteilten Wertschöpfungsstrukturen den Vorteil, dass sie jeweils dort auf die Kompetenzen zugreifen können, wo diese vorhanden und zu wettbewerbsfähigen Preisen erhältlich sind. Dazu bedarf es jedoch einer entsprechenden Transparenz des externen und internen Arbeitskräftepotenzials sowie einheitlicher Standards beim Kompetenzaufbau und bei der Potentialanalyse. Im Zuge einer globalen strategischen Personalentwicklung bietet es sich an, besonders leistungsfähige Mitar-
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Geleitwort
beiter mit hohem Potenzial in einem speziellen Pool zusammenzufassen, so dass diese dann besondere Förderung erfahren und weltweit eingesetzt werden können. Siemens beispielsweise hat ‚People Excellence’ als eines seiner strategischen Handlungsfelder definiert. Im Vordergrund dabei stehen weltweit die Suche nach den besten Köpfen sowie deren systematische Entwicklung über die verschiedenen Hierarchieebenen hinweg – dies gilt für Fachexperten wie auch für das Management. Nachwuchsentwicklung ist Führungsaufgabe! In Konsequenz daraus ist auch das Top Management als Erfahrungsträger intensiv persönlich in die Ausbildung der nachwachsenden Führungsgenerationen eingebunden. Auf diese Weise werden Geschäfts- und Personalstrategie auf das Engste miteinander verknüpft und der Unternehmenswert nachhaltig gesteigert. Dass wir in Menschen und ihre Fähigkeiten investieren, hat nichts mit philanthropischen Neigungen zu tun, sondern stellt nach unserer festen Überzeugung eine zwingende Überlebensnotwendigkeit dar. Das vorliegende Buch beleuchtet verschiedene Facetten zu zentralen Themen des strategischen Kompetenzmanagements. Autoren aus Wissenschaft und Praxis erläutern die Zusammenhänge und präsentieren Best-Practices zur unternehmerischen Umsetzung, denn deren erfolgreiche Ausgestaltung entscheidet heute mehr denn je über Erfolg und Misserfolg sowie die Zukunft unserer Unternehmen. Dr. Jürgen Radomski
Inhaltsverzeichnis
I
Grundlagen und Hintergründe des strategischen Kompetenzmanagements
1.
Von unternehmerischen Erfolgsfaktoren zu personalwirtschaftlichen Kompetenzmodellen Walter Jochmann....................................................................................... 3
2.
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit Christoph Nienaber ................................................................................. 25
3.
Unternehmerische Werte und personelle Kompetenzen Lutz von Rosenstiel................................................................................. 47
4.
Demografischer Wandel und die Notwendigkeit, Kompetenzsicherung und -entwicklung in der Unternehmung neu zu betrachten Hans-Jörg Bullinger und Hartmut Buck.................................................. 61
II
Kompetenzmanagement in Unternehmen – Entwicklung, Implementierung und Wirkungsbreite
5.
Das Nachfolgemanagement im RWE-Konzern Dieter Jurgens ......................................................................................... 81
6.
Kompetenzmanagement im Strategischen Führungsprozess bei Porsche Martin Meyer und Holger Rust............................................................... 95
VIII
Inhaltsverzeichnis
7.
Internationales Kompetenzmanagement Markus John.......................................................................................... 111
8.
Strategisches Kompetenzmanagement der Bundesagentur für Arbeit Beatrix Behrens und Michael Kühn...................................................... 125
9.
Corporate Values und strategisches Kompetenzmanagement in der unternehmerischen Umsetzung Joachim Kayser, Harriet Sebald und Jörg H. Stolzenburg .................... 139
10.
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der RAG Ulrich Weber......................................................................................... 169
11.
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der DB AG Uwe Gottwald ....................................................................................... 181
12.
Das Leadership-Kompetenzmodell der Dresdner Bank Gruppe Bernd Span und Sascha Gechter ........................................................... 201
Autorenverzeichnis ............................................................................. 213
Teil 1 Grundlagen und Hintergründe des strategischen Kompetenzmanagements
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Von unternehmerischen Erfolgsfaktoren zu personalwirtschaftlichen Kompetenzmodellen
Walter Jochmann
Einleitung Strategisches Kompetenzmanagement ist seit 10 Jahren ein hohes PrioritätsThema in der Personalarbeit. Das Konzept erweitert den Blick klassischer Personalentwickler von der Beurteilung / Potenzialanalyse und der Durchführung von Qualifizierungsbausteinen oder -programmen. Der alte Fokus auf Führungskräfte und Potenzialpools sowie der Anpassungsqualifizierung für sich verändernde JobProfile wird theoretisch auf die gesamte Unternehmung und die in ihr beschäftigten Mitarbeiter in den unterschiedlichsten Verantwortungsebenen und Positionsprofilen ausgeweitet. Durch unternehmensweites Kompetenzmanagement wird dem nicht neuen Leitspruch vieler Personaler Rechnung getragen, dass hinter Unternehmenserfolgen letztlich Führungskräfte und MitarbeiterInnen mit ihren Fähigkeiten (Wissen, Fertigkeiten und Erfahrungen), mit ihrer Motivation, ihrer Aufgabenmotivation und ihrer Unternehmensidentifikation stehen (Jochmann, 2002). Die nicht triviale Fragestellung ist, wie neben Standard-Anforderungsprofilen mit ihrem klassischen zwischenmenschlichen Fokus die wirklich branchen- und unternehmensspezifischen Erfolgsfaktoren des Kompetenzmanagements implementiert werden können. Die durchaus reife Personalfunktion der qualitativen Personalplanung hat über viele Jahre hinweg nicht die ausreichende Qualität an Konzepten, Durchführungsprozessen und Instrumenten aufgezeigt, um dieser Strategietransformierenden Anforderung und Herausforderung in der Kernfunktion der Personalentwicklung gerecht zu werden. In den letzten 5 Jahren haben sich auf der Basis klassischer Unternehmensstrategie-Modelle allerdings derartige Transformationswege herauskristallisiert, die von der inhaltlichen Plausibilitätsableitung über tiefergehende, systematische Ableitungsprozesse hin zu Wirkungsketten-Analysen mit ihren unternehmerischen Wert- und Leistungstreibern reichen.
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Aktuelle Strategiemodelle
Heutzutage wird kein Vorstand und keine Geschäftsführung eines größeren, in der wirtschaftlichen Öffentlichkeit stehenden Unternehmens darauf verzichten können, eine formale Unternehmensstrategie vorzulegen. Dabei ist eine eindeutig abgegrenzte Definition dieses Begriffes nur schwer möglich. Klar ist, dass eine Unternehmensstrategie auf der Basis einer mehrjährigen Vision und entsprechend mittel- und langfristiger Unternehmensziele die Kurzfristziele und vor allen Dingen gewählte strategische Optionen und resultierende Handlungsprogramme beschreibt. Klar ist auch, dass eine Unternehmensstrategie sich an den Produktschwerpunkten und Märkten orientiert (definiert über den Kombinationsbegriff des strategischen Geschäftsfeldes), dass sie für die relevanten Märkte die übergreifend gültigen Erfolgsfaktoren berücksichtigt (Erfolgsfaktoren im jeweiligen strategischen Geschäftsfeld) und dass sie die spezifische Antwort der eigenen Unternehmung in diesem Marktzugang beschreibt (Müller-Stewens & Lechner, 2005). Erfolgreiche Unternehmen müssen somit die Erfolgsfaktoren in ihren Geschäftsfeldern berücksichtigen und erfolgreich managen, sie müssen zudem spezifische Kernkompetenzen aufzeigen und somit eine Unique-Selling-Proposition oder richtiger eine Unique-Competence-Proposition realisieren (Prahalad & Hamel, 1990). Zahlreiche Studien belegen, dass hinter den beiden wesentlichen Erfolgswegen von Größe (überdurchschnittliches Wachstum, regionale Präsenz, breites Produktspektrum) und Spezialisierung (Problemlösungs-Führer in spezifischen Problemlösungen, Innovator kompetenzbasierte Wettbewerbsvorteile) eine „Übererfüllung“ bei mindestens zwei hoch relevanten Erfolgsfaktoren gegeben ist, die durch Wettbewerber kurz- und mittelfristig nicht imitiert werden kann (Porter, 1985). Die enge Auslegung des Strategiebegriffes beschreibt den jeweiligen Approach des Unternehmens in seinen Märkten und somit letztlich dessen Geschäfts- und Erfolgsmodell. Hierbei lassen sich die folgenden Grundstrategien mit durchaus vorhandenen Übergängen und Kombinationsformen identifizieren: Ɣ Wachstum und Marktführerschaft: Anstreben einer zumindest Top 3-Position in jedem Geschäftsfeld und übergreifend im gewählten Marktmodell. Schnittstelle Kostenmanagement und Investment-Möglichkeiten in Innovationen. Ɣ Spezialisierung / Nischenstrategie: Klare Konzentration auf abgesteckte, eng formulierte Geschäftsfelder. Dabei internationale Durchdringung, intensivste Kundenbeziehungen mit Problemlöser-Status und Positionierung als BusinessPartner. Option Multi-Spezialist (entsprechend breite Aufstellung). Ɣ Kostenführerschaft: In der Regel kombiniert mit einer Volumen- und somit Wachstumsstrategie. Fokus auf Standardisierung der Produkte und Prozesse, Fokus auf kontinuierliche Effektivitäts- und Effizienzsteigerung. Ɣ Premiumanbieter: Marktspezifisch überzeugende Kombination aus Spezialisierung / Kompetenzführerschaft, Innovation und Branding. In der Regel intensive Marketingfunktion und Hochpreis-Politik.
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Ɣ Globaler Systemanbieter: Fokus auf Kunden- und Produktlinien / Kompetenzsynergien sowie auf horizontale und vertikale Ausschöpfung der Wertketten. Klassisch ist die Kombination von Produktions- und Dienstleistungskompetenz mit resultierenden Angebotsstrukturen in Technologie- und InfrastrukturUnternehmungen.
Vision Begeisternder Horizont
Strategische Ziele
Qualitatives Langfristziel
Finanzziele
Strategie-Selektion • Marktführer • Nischenanbieter • Kostenführer • Systemanbieter • Premiumanbieter
Mission Legitimationsbasis
Kunden- / Marktziele
Geschäftsmodell
Innovationsziele
Value Proposition
Prozessziele
Unique Competence Proposition Unique Selling Proposition
Human Resources Ziele
Strategische Geschäftsfelder der Unternehmung
Abb. 1. Grundmodell Unternehmensstrategie
Abbildung 1 vermittelt ein Grundmodell wesentlicher Konzepte und Schlüsselbegriffe von Unternehmensstrategien. Die klassische Unterscheidung in unternehmerische Ziele, realisierende Strategien mit mittelfristigen / ressourcenintensiven Handlungsprogrammen und nachfolgende Taktiken (meist jahresbezogene Projekte und Maßnahmen-Schwerpunkte) greift zu kurz, um den Zusammenhängen zwischen Markt- und Unternehmensfaktoren, harten Fakten und „Intangible Assets“ (Scholz, Stein & Bechtel, 2004) sowie sich im Wandel befindlichen unternehmerischen Planungs- und Steuerungsprozessen gerecht zu werden.
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Vision Mission Statement Leitsätze
Kernstrategie » Unternehmensbereiche und Geschäftsfelder
»Geschäfts-Philosophie »Prinzipien Unternehmensführung
» Strategische Positionierung » Unternehmerisches Kompetenzprofil / Erfolgsfaktoren Unternehmensziele
»People Strategy »Führung und Kooperation »Gesellschaftlicher Beitrag/ Verantwortung
» Finanzielle Ziele » Non-finanzielle Ziele Unternehmenswerte
Abb. 2. Struktur Unternehmensleitbild
Abbildung 2 verdeutlicht eine immer häufiger gewählte Strukturierung von Unternehmensstrategien und Kultur-/ Werteaussagen, die wir mit dem integrierten Begriff des Unternehmensleitbildes versehen möchten. Insgesamt beobachten wir den folgenden Anwendungs- und Entwicklungsstand ausgewählter Komponenten dieses Strukturmodells: Ɣ Unternehmerische Vision: Bildet als Mega-Ziel die Unternehmensentwicklung nach 5 bis 10 Jahren ab, ist somit unverzichtbares Langfristziel. Wesentliche Elemente sind neben dem Ranking im Markt bzw. im Wettbewerb die ErtragsZielwerte und emotionalisierende Aussagen zur Positionierung im Markt und gegenüber Stakeholdern. Ɣ Business-Mission / Value Proposition: Beschreibt prägnant den Unternehmenszweck und damit letztlich seine erfolgreiche Existenzbegründung im Gesamtmarkt der bearbeiteten strategischen Geschäftsfelder. Entscheidend ist hierbei die Bilanz der strategischen Erfolgsfaktoren und das Herausheben der Unique-Competence-Proposition. Ɣ Kurz- und mittelfristige Unternehmensziele: Neben den klassischen Finanzzielen (Unternehmenswert-Entwicklung, Umsatzentwicklung / Marktposition und Ertragsentwicklung / Eigenkapitalrendite) werden zunehmend weitere Zielklassen zu den Perspektiven Kunden, Strukturen / Prozesse, Innovationen und Human Resources formuliert – Übernahme der klassischen Felder der Balanced Scorecard (Kaplan & Norton, 1997). Die klassische UnternehmenszielKaskadierung in die Bereiche ist ein traditioneller und dennoch unverzichtba-
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rer Ausgangspunkt für die Frage, wie Personalbereiche mit ihren strategischen und operativen Kernfunktionen wirkungsvolle Unterstützung zur Erreichung der Unternehmensziele leisten können. Fokus Teilstrategien: Auf der Gesamtsteuerungsebene der Unternehmung Aussagen zum Portfolio-Management, auf der Ebene strategischer Geschäftsfelder Beschreibung der Strategievarianten rund um die Grunddimensionen Wachstum und Spezialisierung. Strategische Erfolgsfaktoren und resultierende Einzigartigkeit: Entscheidende Unterlegung des Geschäftsmodells mit seiner Value Proposition durch eine überzeugende Kombination herausragender Erfolgsfaktoren im Vergleich zu den Wettbewerbern. Bezugnahme auf die insgesamt geltenden strategischen Erfolgsfaktoren der jeweiligen Märkte. Prozessmodell / Wertschöpfungskette: Beschreibung unternehmerischer Kernprozesse in ihrer Differenzierung nach Kern- und Unterstützungsaktivitäten (Gaitanides, Scholz, Vrohlings & Raster, 1994). Zusammenhang zwischen ausgewähltem Business-Modell und Fokus der eigenen Kernkompetenzen. Fixierung auf Fertigungstiefe und Bandbreite / Intensität in der Verfolgung der Unterstützungsaktivitäten / Infrastruktur-Prozesse (Auswahl unternehmerisches Kernmodell und Outsourcing-Optionen). Unternehmenswerte / Core Values: In der Regel im Bottom-up-Prozess ermittelte und mit besonderem Commitment des Top-Managements ausgestattete Normen sowie angestrebte Eigenschaften der Unternehmung. Bezug zur Funktion des Marketings und zu Brand-Aspekten der wesentlichen Produkte oder der Gesamtmarke der Unternehmung. Geschäftsprinzipien / Business Ethik (Ulrich, 2001): Primär marktorientierte Aussagen zu Verpflichtungen und Verantwortungen des Unternehmens, zunehmend erweitert um den Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung (Corporate Social Responsibility). People Strategy: Spiegelseite der unternehmensinternen Geschäftsprinzipien, insbesondere Verantwortungs- und Orientierungsrahmen gegenüber den MitarbeiterInnen, allerdings auch Erwartungshaltungen etwa mit Blick auf das Prinzip der Selbstverantwortung. Integration der klassischen Grundsätze für Führung und Zusammenarbeit.
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Walter Jochmann
Abb. 3. Intangible Assets als Bausteine des Unternehmenswertes
Die Darstellungsmodelle von Unternehmensstrategien variieren in der Praxis. Strukturmodelle spiegeln häufig den in Abbildung 1 wiedergegebenen Säulenaufbau, alternativ können natürlich auch andere Zusammenhangsmodelle, etwa das mittlerweile über 20 Jahre alte 7-S-Modell von McKinsey, (Peters & Waterman, 1982) genutzt werden. Eine Alternative bieten die prozessorientierten Darstellungsraster, von denen die unternehmerische Wertschöpfungskette von Porter und die schon erwähnten Prozessklassen (Osterloh & Frost, 1998) die prominentesten Vertreter sind. Pragmatische Varianten, die allerdings die Gefahr einer KurzfristPerspektive bergen, sind am Geschäftsplan orientierte Strategiedarstellungen, die zunehmend die Betrachtungsfelder der Balanced Scorecard und somit insbesondere den Innovations- und den Human Resources-Faktor intensivieren. Insgesamt gibt es in der Literatur und in den Praxisberichten zu erfolgreicher Unternehmensführung einen klaren Trend zur Bewertung und Förderung der Intangible Assets (Abbildung 3), die allerdings mit dem klassischen Begriff der Soft Factors nur unzureichend beschrieben sind: Ɣ Innovationsfähigkeit mit Blick auf Produkte und Lernfähigkeit / Wandlungsfähigkeit für neue Geschäftsmodelle als kollektiver Kompetenzvorteil der Unternehmung. Ɣ Statistisch nachgewiesene Zusammenhänge zwischen Mitarbeiteridentifikation bzw. -zufriedenheit und der Unternehmenswert-Entwicklung (Hewitt, 2004).
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Ɣ Bewertungsmodelle des intellektuellen Kapitals einer Unternehmung mit beispielsweise der Differenzierung nach Strukturkapital, Kundenkapital und Humankapital (Edvinsson & Malone, 1997). Ɣ Berechnungen des Markenwertes der Unternehmung oder des Wertes ihrer Schlüsselprodukte. Wir vermuten, dass die letztgenannten Methodenansätze nicht nur die betriebswirtschaftlichen Strategieansätze beleben und erweitern werden, sondern dass hier mit Blick etwa „der nächsten Generation“ auf das Basel II-Ranking oder auf Unternehmensbewertungsmodelle seitens Wirtschaftsprüfern und Investment-Banken neue Schwerpunkte liegen werden (Koller, Goedhart & Wessels, 2005). Somit gewinnt neben dem klassischen strategischen Handwerkszeug der prinzipien- und werteorientierte Teil des Unternehmensleitbildes enorm an Bedeutung. Die strategischen Initiativen führender Konzerne rund um Mitarbeiter-Engagement und Werteprojekte sowie die Definition eines Geschäfts- und eines Managementverständnisses unterstützen diese Aussagen. Die Fragestellung, wie diese differenzierten inhaltlichen Konzepte kunden- und mitarbeiterwirksam umgesetzt werden, verlangt nach entsprechenden Prozessen und Instrumenten. Hier stellt das strategische Kompetenzmanagement mit seinem Standortbestimmungs- und Qualifizierungsansatz einen wesentlichen Stellhebel für die Gestaltung der Intangible Assets dar (Jochmann, 2006).
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Treiberorientierte Ableitungsmodelle
Strukturalternativen von Kompetenzmodellen werden an anderen Stellen dieser Publikation intensiv aufgezeigt. Hierbei lassen sich linear strukturierte Aufbauformen nach Kompetenzfeldern von an Geschäftsprinzipien orientierten und somit unternehmensspezifischeren Zuordnungsmustern unterscheiden.
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S T A B I L F L E X I B E L
Prozess
Kompetenzfelder
Entwicklungspotenziale
»Frühe Sozialisation
»Erbfaktoren
»Lernbereitschaft
»Jugenderfahrungen
»Intellekt
»Verstärkungsmuster
»Physische und psychische Stabilität
»Veränderungsbereitschaft
»Lerninhalte »Didaktik »Trainer / Coaches / Mentoren
»Fachliches Kompetenzspektrum »überfachliche Kompetenzen »Persönlichkeitsentwicklung
»Feedback-Effizienz »Erfolgsbilanz »Verhaltensvarianz »fachliche Mobilität
Abb. 4. Entwicklungsalternativen von Kompetenzen
Abbildung 4 zeigt den Gesamtzusammenhang zur Entstehung und Entwicklung von Kompetenzfeldern auf. Es wird hierbei zwischen relativ stabilen oder früh sozialisierten Kompetenzen einerseits und entwicklungsfähigen Kompetenzen andererseits unterschieden (Jochmann, 1999). Diese Modelle sollten aus der Sicht der Führungskräfte-Diagnostik die folgenden Kompetenzfelder abdecken: Ɣ Brain Factors: Problemlösekompetenz mit einerseits klassisch-intellektuellen Dimensionen sowie andererseits stärker erlernbaren Systematik- und Zielorientierungs-Dimensionen. Ɣ People Factors: Dimensionen der klassischen dualen Mitarbeiterführung oder der integrierenden Führung von Mitarbeiterebenen über vorbild- und symbolorientierte Kommunikation. Effektivität in der Überzeugungsarbeit mit der Balance-Ausprägung zwischen ausdauernd-durchsetzungsstarker Kommunikation einerseits und einfühlungsorientiert-kooperativer Kommunikation andererseits. Ɣ Werte- und Persönlichkeitsstrukturen: Seit 5 Jahren erleben wir eine Renaissance dieser tiefgehenden, schwerlich veränderbaren Beschreibungsdimensionen von Managern – etwa mit Blick auf Authentizität, Verantwortung, Integrität und Werteorientierung – in Ergänzung zu klassischen Stabilitäts- und Motivationsmerkmalen (Aldering, 2005). Ɣ Geschäfts- und Managementkompetenzen: Abbildung der funktionalen Erfahrungen mit dem Fokus auf Management-Effizienz bei Führungskräften und fachlichen Schwerpunkten sowie Expertenstatus auf der Mitarbeiter-Ebene.
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Nutzungsgrad klassischer Managementtools rund um Strategie, Unternehmensund Bereichssteuerung, Projektmanagement und Change Management. Generell beschäftigen sich Treiberorientierte Ableitungsmodelle mit der Frage, wie die Kompetenzen und Einstellungen auf der Führungskräfte- und Mitarbeiterebene ausgestattet sein müssen, um die Unternehmensstrategie und ihre wesentlichen Komponenten zu unterstützen. Ein Treiber- oder Hebelmodell funktioniert nach einem dreistufigen Umsetzungsprinzip mit folgenden Kernfragen: Ɣ Welcher Baustein aus der Unternehmensstrategie soll mit Blick auf das „Strategical Alignment“ des Kompetenzmanagements oder der Kompetenzentwicklung betrachtet werden? Ɣ Welches sind die insgesamt vorhandenen personalwirtschaftlichen Hebel zur positiven Beeinflussung dieser Komponente (Identifikation HR-Driver)? Ɣ Welche konkreten Kompetenzfelder oder Kompetenzdimensionen fördern nachweislich den ausgewählten Strategiefaktor?
Strategie-Komponenten
Treiber-Analyse
Kompetenzmodell Problemlösungskompetenz Analysevermögen Konzept- und Entscheidungsqualität Kreativität/ Innovation/ Flexibilität Handlungs- und Resultatsorientierung
Führungskompetenz
HR-Faktoren
Teamführung Zielmanagement Überzeugungskraft Auftreten/ Wirkung Einfühlung/ soziale Flexibilität
hoch
Motivationsstruktur
niedrig niedrig Finanzen
Kunde
Prozesse
Human Resources
hoch Strategie- und Strukturfaktoren
Abb. 5. Grundprinzip von Treibermodellen
Leistungsmotivation Dynamik und Belastbarkeit Ehrgeiz/ Selbstbewusstsein Lern- und Veränderungsbereitschaft Commitment/ Verantwortungsbewusstsein
Managementkompetenz Fachkompetenz/ Erfahrungsspektrum Unternehmerisches Denken Strategiekompetenz Kundenorientierung/ Business Partnership Internationalität
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Abbildung 5 stellt die Gesamtlogik modellhaft dar, sie kann letztlich für jeden Strategie- und Wertebaustein angewendet werden. Später wird eine Prioritätensetzung aus Kienbaum-Erfahrungswerten vorgeschlagen. Dabei werden die strategischen Erfolgsfaktoren der Unternehmung im Wettbewerbsvergleich und somit die Uniqueness-Unterfütterung aus zwei Gründen hervorgehoben – zum einen sind sie ein wesentlicher Grundpfeiler für das Geschäftsmodell und die ausgewählte Teilstrategie der Unternehmung, zum anderen zeigen sie zahlreiche HR-Treiber auf.
Strategische Erfolgsfaktoren
Intangible Driver
Strategic / Structural Capital
Innovation Capital
Customer Capital
Brand Capital
Human Capital
Kundenorientierung Kostenführerschaft Innovation Internationalität Prozessbeherrschung Schnelligkeit Brand Produktqualität Managementqualität Human Capital > Strategic / Structural Capital > Innovation Capital > Customer Capital > Brand Capital Legende:
starker Einfluss
mittlerer Einfluss
wenig / kein Einfluss
Abb. 6. Zusammenhang Erfolgsfaktoren und Intangible Assets
Abbildung 6 ordnet somit eine Aufstellung häufig anzutreffender strategischer Erfolgsfaktoren ihren Kerntreibern zu, die nicht nur personalwirtschaftlich geprägt sind. Diese gesamthafte Darstellung ist natürlich nicht unkritisch auf spezifische Branchen und strategische Geschäftsfelder zu übertragen. Die fünf ausgewählten Treiberfelder orientieren sich an aktuellen Modellen zum Intangible Asset Management und somit zur non-finanziellen Aufklärung der UnternehmenswertEntwicklung (Ulrich, 2005). Die starke Bedeutung des HR-Treiberfeldes Humankapital mag überraschen, insgesamt erweisen sich jedoch sehr viele klassische Erfolgsfaktoren als nachhaltig personalwirtschaftlich beeinflusst (Jochmann, 2004a). Dabei wird eine derartige Ableitungs-Analyse keinesfalls nur Aspekte des Kompetenzmanagements aufzeigen, hinzukommen je nach Erfolgsfaktor: Ɣ Höhe und Anteil der Personalkosten Ɣ Flexibilisierungsgrad / Atmungsfähigkeit der Personalkosten Ɣ Innovationskraft / Anzahl der Verbesserungsvorschläge und Patente
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Ɣ Unternehmensstrategische Passung und interne Vernetzung (Strategical Alignment, Process Alignment) aller wesentlichen Personalkonzepte und Personalinstrumente Ɣ Verfügbarkeit von Mitarbeiter-Ressourcen mit Qualifizierungsanforderungen und formaler Altersstruktur
Fachliche Skills » Ausbildungen » Weiterbildungs-Abschlüsse » Erfahrungen » Management-Toolset / Arbeitstechniken Einstellungen und Werte » Mitarbeiterzufriedenheit » Unternehmens-Identifikation / Commitment » Passung Unternehmenswerte » Soziale Verantwortung
Überfachliche Fähigkeiten » Problemlösung » Führungs- und Sozialverhalten » Umsetzungsorientierung » Management-Toolset Organisatorisches Lernen » Lern- und Verhandlungsbereitschaften » Lernkultur / -strukturen » Vorbildwirkung Management » Transfermanagement und ReturnBerechnungen
Abb. 7. Vertiefung strategische Kompetenzentwicklung
Abbildung 7 vertieft das Feld von strategischer Kompetenzentwicklung in Form einer Portfolio-Strukturierung. Der häufig gewählte Ableitungsfokus auf überfachliche Fähigkeiten, insbesondere im Kommunikationsbereich, ist somit „zu kurz gesprungen“ – auf der breiten Mitarbeiter- und Spezialistenebene dürften die fachlichen Skills und das organisationale Lernen Priorität besitzen, im Bereich des Managements die anderen Felder der überfachlichen Fähigkeiten und der Einstellungen und Werte (somit das häufigste Grundraster für Kompetenzmodelle).
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Walter Jochmann
Baustein Strategiemodelle
Treiberwirkung Kompetenzmanagement
Top-Kompetenzfelder
Vision
mittel
Strategiekompetenz und visionäres Denken
Mission
niedrig
Branchenerfahrungen
Unternehmensziele
hoch
Unternehmerisches Denken und Handeln / Zielemanagement
Teilstrategie
mittel
Problemlösungs- und Strategiekompetenz
Strategische Erfolgsfaktoren
hoch
Gesamthafte Managementqualität sowie Vorbild in Markt- und Serviceorientierung
Prozessmodelle / Wertschöpfungskette
mittel
Bereichsübergreifendes Denken und Prozessmanagement
Unternehmenswerte / Business Ethics
hoch
Glaubhaftigkeit und persönliche Werteorientierung
People Strategy / Führung und
hoch
Zusammenarbeit
Führungskompetenz und HR-Orientierung
Abb. 8. Wirkungen Strategiebausteine und Kompetenzfelder
Abbildung 8 verdeutlicht für alle Komponenten von Strategiemodellen eine summarische Treiberbewertung für das Kompetenzmanagement und verweist vertiefend auf häufig relevante Kompetenzfelder. Auf der Basis unseres Markt- und Erfahrungswissens ergibt sich für unterschiedliche Größenklassen von Unternehmungen folgender Entwicklungsstand an strategischem Kompetenzmanagement: Ɣ Konzernstrukturen mit mehr als 10.000 MitarbeiterInnen: es existieren durchgängig meist überfachliche Kompetenzmodelle, die zu etwa 70 % in ein strategisches Kompetenzmanagement eingebunden sind. Weiterentwicklung vom derzeitigen Fokus auf Führungskreise und Nachfolgepools auf alle erfolgsrelevanten Job-Gruppen. Somit neue Schwerpunkte bei Projektmanagern / Spezialisten und zunehmende Integration des strategischen Ausbildungswesens. Ɣ Große mittelständische Unternehmungen zwischen 2.000 und 10.000 MitarbeiterInnen: mit der Unternehmensgröße steigt die Präsenz von Kompetenzprofilen, wobei Anforderungsprofile für Führungskräfte insgesamt zu etwa 80 % vorhanden sind. Ein Prozessmodell für strategisches Kompetenzmanagement existiert bei etwa 40 % dieser Unternehmungen, die Bedeutung mitsamt einer übergeordneten Personalstrategie ist in Technologie- und anspruchsvollen Dienstleistungs-Unternehmungen höher als in anderen Branchen. Ɣ Klassischer Mittelstand zwischen 300 und 2.000 MitarbeiterInnen: Anforderungsprofile für Führungskräfte existieren zu etwa 40 %, die Verbreitung aus-
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gearbeiteter Personalentwicklungs-Konzepte steigt linear mit der Unternehmensgröße. Eigene Personalentwicklungs-Funktionen finden sich hierbei in der Regel ab 400 MitarbeiterInnen, Kompetenzmanagement konzentriert sich auf das Management und den Führungskräfte-Nachwuchs. Nur im Falle einer elaborierten Human Resources-Strategie wird ein Kompetenzmanagement-Prozess mit zugrundeliegenden Konzepten und Tools verfolgt.
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Weiterführende Ursache-Wirkungs-Modelle
Direkte inhaltliche Ableitungsmodelle und verfeinerte Treiberanalysen machen weiterführende Zusammenfassungs- und Interpretationsprozesse notwendig. Auf der Suche nach präziser Ableitungsstringenz werden alternativ oder in Ergänzung die sich entwickelnden komplexeren Steuerungsmodelle auf Unternehmensebene hinzugezogen: Ɣ Balanced Scorecard mit Ursache-Wirkungsketten zwischen den Top-Messkriterien / Key Performance Indicators auf den meist 4 – 5 BSC-Ebenen. Ɣ Werthebelanalysen mit dem Ausgangspunkt der betriebswirtschaftlichen TopKennzahlen-Analysen und der Kaskadierung in die Felder Umsatzsteigerung, Kostenmanagement und Unternehmenswert-Gestaltung (Copeland, Koller & Murrin, 2002). Ɣ Modelle des Risikomanagements mit gesamtunternehmerischen und personalwirtschaftlichen Risikoklassen und nachfolgenden Präventionsstrategien (Wucknitz, 2005). Ɣ Innovative Modelle der Unternehmensbewertung unter besonderer Berücksichtigung der Intangible Assets (Fitzenz, 2000).
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Unternehmens-BSC
Finanzen
»ROI »EBIT »Umsatz Prozesse
»Qualitätsindex »Ausschussquote »Lieferzeit
HR-BSC
Kunden
»Kundenzufriedenheitsindex »Kundentreue »hohe Auftrags-/ Angebotsrelation Innovationen / Lernen
»Mitarbeiterzufriedenheit »Kompetenzpassung »Fluktuation
Finanzen
» Budgeteinhaltung » Einsparungsbeitrag Geschäftsprozesse » Benchmark Personalkosten
Kunden
» Kundenzufriedenheit » Attraktivität Vergütungssystem » Einbindungsgrad Top-Projekte
Prozesse
» Einführungsgrad e-learning » Prozessoptimierung KompetenzManagement
» Qualitative HR-Prozesse
Innovationen / Lernen
» Kompetenzfeedback Personalbereich » Retention Rates Mitarbeiter-Segmente » Employee Satisfaction Index
Direkte Ableitung Indirekte Ableitung
Abb. 9. Ableitung HR-Scorecard aus BSC Unternehmung
Somit bilden stringente betriebswirtschaftliche Modelle insbesondere mit ihren spezifisch-linearen Ableitungen und Ursache-Wirkungs-Ketten Alternativen zur Treiberanalyse. Der Blick auf eine typische Unternehmens-Balanced Scorecard (siehe Abbildung 9) zeigt im personalwirtschaftlichen Feld typischer Weise die Performance Indicators von Mitarbeiterzufriedenheit und Identifikation der Leistungsträger einerseits sowie von Kompetenzpassung andererseits (Meyer & Jochmann, 2003). Das letztere Konstrukt ist nun populär und in der allgemeinen Aussage der Passung von Anforderungs- und Ist-Profilen über alle Mitarbeiter-Ebenen hinweg schnell formulierbar. Derzeit dürften von den größten 100 deutschen Unternehmungen höchstens 10 % in der Lage sein, „auf Knopfdruck“ diesen unternehmensweiten Passungswert für ausgewählte Job-Gruppen zu erbringen. Folgende Voraussetzungen, die letztlich in einer HR-Prozessbeschreibung zum strategischen Kompetenzmanagement verarbeitet werden, wären hierzu zu erbringen: Ɣ Untergliederung der Führungskräfte- und Mitarbeiterstruktur in ein auf das Unternehmen zugeschnittenes Jobklassen-Modell. Ɣ Formulierung und Aktualisierung von Soll-Profilen auf einem strategisch entwickelten Kompetenzmodell mit starker Ausdifferenzierung des Feldes der Geschäftskompetenzen – die wesentlichen Unternehmensfunktionen / Prozesse sind mit fachlich orientierten Kompetenzdimensionen zu unterlegen.
Strategische Ableitung personalwirtschaftlicher Kompetenzmodelle
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Ɣ Das in der Regel etablierte Instrument Mitarbeitergespräch mit seinen Bezügen zu Zielvereinbarung und variabler Vergütung ist mit einem intensiven Feedback- und Einschätzungsprozess, basierend auf dem Kompetenzmodell, zu unterlegen. Auf diese Weise entsteht eine erste Einschätzung aller Ist-Ausprägungen. Ɣ Auf der Führungskräfte-Ebene durchgängig Diskussion der Ist-Werte in Portfolio-Gesprächsrunden, um ein übergreifendes Benchmarking und die Sichtweisen von wichtigen Prozesspartnern und Kollegen korrigierend einzufügen. Ausdehnung auf Nicht-Führungskräfte-Funktionen auf Experten- und Projektleiterebene. Ɣ Etablierung einer Datenbank, Schaffung einer entsprechenden OperationsZuständigkeit im Personalbereich. Die nicht unerheblichen Implementierungsinvestitionen für das System und möglicherweise auch Kapazitäten im Bereich Personalentwicklung schrecken viele Unternehmen ebenso ab wie die Fragestellung der Aktualisierung angesichts sich schnell verändernder Geschäftsmodelle und resultierender Positionsbilder. Zumindest für die Top- und Schlüsselpositionen des Unternehmens – in der Regel 10 bis 20 % der Gesamtbelegschaft – ist dieser Aufwand allerdings unerlässlich, um der klassischen Anforderung der Unterfütterung von Business-Anforderungen mit den erforderlichen Führungskräfte-Kompetenzen in Qualität und Menge (Prozess qualitative und quantitative Personalplanung) gerecht zu werden. Der alternativ zur BSC entstandene und gepflegte Ansatz von Werthebel-Bäumen kaskadiert finanzielle Top-Kennzahlen wie etwa Economic Value Added und Diskontierter Cashflow (Stern, Shiely & Ross, 2001) über die Säulen von Wachstum, Rentabilität und Personalkosten in alle unternehmerischen Prozesse.
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Walter Jochmann
Economic Value Added Geschäftsergebnis nach Steuern
Kompetenz der Mitarbeiter
Kapitalkosten
Umsatz
Kosten
Human Asset Performance
Human Asset Investments
Effektivität HR-Abteilung
» Weiterbildung » Steuerungs(on the job, off instrumente im HR-Bereich the job) » Personalcon» ... trolling » ...
Leistung der Mitarbeiter
Engagement der Mitarbeiter
» Führung & Zusammenarbeit » Kommunikation » Leistungsbeurteilungsverfahren » ...
» Tätigkeit » Führung und Zusammenarbeit » Lebensqualität » Entwicklung » Vergütung » ...
...
Personalkosten » Fixe Vergütung » Variable Vergütung » Benefits » ...
Kapitalkostensatz
Effizienz HR-Abteilung
x
Kosten für Personalentwicklung
Geschäftsvermögen
...
» Durchlaufzeiten » Ausmaß neuer » BesetzungsAnforderungen an die intensität Mitarbeiter » Kostenintensität » Umfang von on the job» ... oder off the jobMaßnahmen » ...
Abb. 10. Klassischer Aufbau Werthebelbaum
Abbildung 10 verdeutlicht diesen Ableitungsprozess für die beiden großen HRFelder von Leistungsmanagement und HR-Investitionen / Kostenarten. Es wird schnell deutlich, dass 4 der 7 aufgeführten Wert- oder Leistungstreiber Relevanz für das Kompetenzmanagement besitzen: Ɣ Feld Kompetenz der MitarbeiterInnen: Welche fachlichen und überfachlichen Kompetenzen in welchen Job-Gruppen müssen heute und morgen bereitgestellt werden, um die kurzfristigen Unternehmensziele, die mittelfristige Strategie und die langfristige Vision der Unternehmung in den einzelnen Geschäftsfeldern und konzernübergreifend zu realisieren? Ɣ Feld Leistung der MitarbeiterInnen: Welche Führungsqualität in Verbindung mit der Aufbauorganisation und den vorhandenen HR-Instrumenten ist zu gewährleisten, um bei den MitarbeiterInnen ein Höchstmaß an Zielklarheit, Aufgabenzufriedenheit, Unternehmensbindung und Commitment mit den zentralen Unternehmenswerten zu erzielen? Ɣ Nach welchen Kriterien müssen insbesondere die Inhaber von Top- und Schlüsselpositionen ausgewählt werden, um eine Hochleistungs-Unternehmung zu gestalten, die permanent Leistungsreserven mobilisiert und somit international wettbewerbsfähige Kostenstrukturen verwirklichen kann? Ɣ Feld Engagement der MitarbeiterInnen: Welche Führungsanforderungen sind angesichts der Unternehmenswerte und der Mitarbeiterstrukturen umzusetzen, um Hochleister dauerhaft an das Unternehmen zu binden, um allerdings auch die gesamte Mitarbeiterstruktur in ihren Leistungspotenzialen voll auszuschöp-
Strategische Ableitung personalwirtschaftlicher Kompetenzmodelle
19
fen und um ein attraktiver Arbeitgeber für attraktive und umworbene BewerberInnen zu sein? Ɣ Welche Kompetenzen müssen die MitarbeiterInnen im Personalbereich aufweisen, um gerade im Bereich Vergütung, Nachfolge- und Laufbahnmanagement überzeugende Instrumente zu konzipieren und zu schulen? Ɣ Feld Kosten für Personalentwicklung: Welche gesamthaften Entwicklungsinvestitionen sind zur Optimierung von Soll-Ist-Abweichungen notwendig, welche Pro-Kopf-Weiterbildungskosten leiten sich hieraus ab? Mit welchen innovativen Lernformen und Technologien können Weiterbildungskosten pro Maßnahme mit Blick auf Effektivitäts- und Effizienzsteigerung reduziert werden? Wir empfehlen bei der Entwicklung von Kompetenzmanagement-Konzepten insgesamt einen vernetzten Top-down / Bottom-up-Prozess. Finanzielle Top-Kennzahlen haben ebenso wie Unternehmenswerte, Business-Prinzipien und Aussagen zur Strategie klaren Top-down-Charakter. Die spezifischen Marktgegebenheiten, Erfolgsfaktoren und Entwicklungs-/ Produktionsprozesse einzelner strategischer Geschäftsfelder haben starke Geschäftstreiber-Wirkung und sollten erst in einem zweiten Schritt – je nach Bereichsgröße und Aufstellung der Funktion Personalentwicklung als Träger des strategischen Kompetenzmanagements – aggregiert werden.
4
Unterstützender HR-Strategie-Ansatz
Sicherlich ist ein unmittelbar an die jährliche Unternehmensplanung und die mittelfristigen Strategieklausuren anknüpfender Prozess Kompetenzmanagement denkbar. Gemeinsam mit den HR-Prozessen Performance Management, Nachfolgeplanung und Kultur-/ Change Management stellt er unzweifelhaft das zukunftsfähige Grundgerüst wertschöpfender Personalarbeit dar (Jochmann, 2004b): Ein isolierter Transformationsprozess unterschätzt allerdings die Prozess-Schnittstellen und insgesamt die Anforderung einer Vernetzung, die ganzheitliche Strategieunterstützung lässt sich dementsprechend auch in einem integrierten Kennzahlensystem darstellen. Die Entwicklung einer HR-Strategie (siehe Abbildung 11) muss sich ihrerseits an den dargestellten Strukturen des ganzheitlichen Unternehmensleitbildes einerseits und den Kaskadierungs- oder Ableitungsmethoden andererseits orientieren. Die wesentlichen Ableitungszusammenhänge liegen dabei in:
20
Walter Jochmann
Abb. 11. Grundmodell Personalstrategie
Ɣ dem Transfer von strategischen Unternehmenszielen und ihren kurzfristigen Etappenzielen in ein entsprechendes Set von 8 bis 12 strategischen personalwirtschaftlichen Zielsetzungen und ihre jahresbezogenen Konkretisierungen mit entsprechenden Zielwerten. Ɣ der Unterstützung strategischer Unternehmensziele durch personalwirtschaftliche Projekte – etwa die personalwirtschaftliche Unterstützung von Expansions- und Restrukturierungsprojekten mit Projektarbeit und der Entwicklung von unterstützenden HR-Programmen / HR-Instrumenten. Ɣ den Auswirkungen der Aufbauorganisation und der Unternehmensprozesse auf die Prozesse des Personalbereiches – in der Regel Untergliederung der beiden Kernprozesse ganzheitlicher Betreuung und HR-Strategie / Controlling in einer 10-18-Komponenten-Landkarte. Konsequenterweise muss das Mission-Statement / die Auftragsdefinition an den Personalbereich die Prozess-Schwerpunkte spiegeln.
Aufgaben
Schritte
Strategische Ableitung personalwirtschaftlicher Kompetenzmodelle
Strategische Unternehmensplanung
» Aktualisierung der Strategie durch Geschäftsleitung » Kaskadierung Strategie in Jahresplanung der strategischen Geschäftsfelder » Budgetverabschiedung, Definition strategische Initiativen und Top-Projekte » Ableitung HR-Strategie aus Unternehmensstrategie
Kompetenzableitung
» Strategische Bedarfsanalyse – Ermittlung fachlicher und überfachlicher Kompetenzentwicklungs-Bedarfe » Vertiefung Bedarfsanalyse vor dem Hintergrund strategischer Erfolgsfaktoren und Unternehmensziele » Aktualisierung Kompetenzmodell auf Dimensionsebene » Erstellung eines erfolgskritischen Kompetenzentwicklungskataloges auf Basis von Dimensionen, Teilkompetenzen und Verhaltensankern
Maßnahmenplanung Kompetenzentwicklung
» Überprüfung Programm bestehender Entwicklungsmaßnahmen » Planung spezifischer Qualifizierungs-Bausteine mit Fokussierung auf Fach- und Verhaltensentwicklung sowie Lernzieldimensionierung und Transfersicherung » Budgetierung
Qualifizierungsmaßnahmen
» Detailplanung und Entwicklung jahresbezogener, strategisch abgeleiteter Qualifizierungsmaßnahmen » Kommunikation an Teilnehmer-Zielgruppen » Administrative Organisation » Durchführung der Maßnahmen mit kurz- und mittelfristiger Evaluation » Transfercontrolling
21
Evaluation strategische Kompetenzentwicklung
» Überprüfung individuelle und kumulierte EntwicklungszielErreichung » Kontrolle Erreichung Bereichs- und Unternehmensziele » Überprüfung der Stärkung strategischer Erfolgsfaktoren » Berechnung Return on Investments » Emittlung und Dokumentation „Lessons Learned“
Abb. 12. Strategisches Kompetenzmanagement
Strategisches Kompetenzmanagement ist ein kontinuierlicher Prozess, der sich turnusmäßig am Unternehmensplanungs-Prozess einerseits und am Strategie-/ Planungsprozess des Personalbereiches andererseits anschließt (siehe Abbildung 12) (Wottawa, 2004). Je nach gewählter Prozess-Körnungsebene umfasst oder schneidet er den Prozess der operativen Qualifizierung – der bedarfsgerechten Bereitstellung aller Lernformen und Lerninhalte. Weitere entscheidende Schnittstellen liegen bei den Prozessen der Personalplanung, der Nachfolgeplanung und der Positionsbesetzung. Funktionsträger ist der Bereich Personalentwicklung, der die wesentlichen inhaltlichen Konzepte vorzulegen hat, den Prozess in seinen Kernaufgaben treibt oder selber realisiert sowie die hierzu notwendigen Instrumente und nachfolgenden Steuerungsansätze betreibt. Intensiv diskutiert wurde bislang das Kompetenzmodell als Ableitungsprodukt aus strategisch-relevanten Unternehmenskompetenzen.
22
Walter Jochmann
Optimierte Unternehmensprozesse Ressourcen- / Kostenplanung Grading / Wertbeiträge
Interne und externe Auswahlprozesse
Unternehmenswerte und Managementverständnis
Leistungs- und Kompetenzfeedback / 360° Verfahren Anforderungsprofile
Job-Klassen
Potentialanalyse / AC und Audit
Kompetenzmodell Erfolgsfaktoren Markt und Unternehmung
Personalentwicklung
Planung Humankapital
Analyse Intangible Assets
HR- Erfolgsfaktoren in Kompetenzen / Einstellungen
People und HR-FunktionsStrategie
Operative und strategische Besetzungsbedarfsanalyse Kompetenzbasierte Qualifizierungsbausteine Bildungscontrolling / Change Scorecard
Abb. 13. Vernetzung von Kompetenzmodellen
Weitere konkrete Instrumente und Programme werden in Abbildung 13 dargestellt – in einer typischen Vernetzung von vor- und nachgelagerten Strategie- und HRBausteinen. Das Kompetenzmodell ist somit Eckstein nicht nur für alle Beurteilungs- und Fördermaßnahmen der klassischen Personalentwicklung, sondern auch einheitlicher Maßstab für Potenzialeinschätzungs- und Besetzungsprozesse, für das Coaching des Top-Managements und für die Feedbackseite des Instrumentes Mitarbeitergespräch. Es ist Ausgangspunkt für alle Formen der individuellen und der strategischen Bildungsbedarfsanalyse – und definiert für Bildungscontrolling / Transfersicherung die Lernziele auf den Ebenen Wissen, Verhalten, Wirkungen und erzielte Job-relevante Resultate. Neben der persönlichen Zielvereinbarung und möglicherweise auch der Job-spezifischen Scorecard ist das Kompetenzmodell somit ein pragmatischer Orientierungspunkt für jeden Mitarbeiter – und für die Unternehmung in der Summation ein Sicherstellungshebel für Performance und Weiterqualifizierung.
Strategische Ableitung personalwirtschaftlicher Kompetenzmodelle
23
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24
Walter Jochmann
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2
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit
Christoph Nienaber
Einleitung Kompetenzmanagement hat Konjunktur. Von Wissenschaftlern und Praktikern wird es gleichermaßen als entscheidendes Zukunftsthema für die strategische Personalarbeit bewertet. Dieses Kapitel bietet eine Einordnung und Bewertung des Kompetenzmanagements im Vergleich zur Gesamtheit der Themen strategischer Personalarbeit. Dabei werden auch die zugrunde liegenden Trends diskutiert, die zu der aktuellen Bedeutung des Kompetenzmanagements führen. Aus dieser Ursachenbetrachtung ergeben sich konkrete Anforderungen an das Kompetenzmanagement, die anhand von vier Merkmalen der praktischen Ausgestaltung und Nutzung diskutiert werden.
1
Aktuelle Herausforderungen an die Personalarbeit
Grundlage für die Bewertung des Kompetenzmanagements im Rahmen der strategischen Personalarbeit sind die von Capgemini Deutschland durchgeführten HRStrategie Studien. Sie bieten eine Gesamtübersicht über die aktuellen Themen und Herausforderungen an Personalbereiche in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 1.1
Vorstellung der Capgemini HR-Strategie Studien
Capgemini führte gemeinsam mit den Medienpartnern „Handelsblatt“ (Deutschland), „Die Presse“ (Österreich) und „Handelszeitung“ (Schweiz) die Studie „HRBarometer 2004/2006“ (Capgemini 2004) durch, die die Ist-Situation der aktuellen Herausforderungen und Aufgaben in Personalbereichen großer mitteleuropäischer Unternehmen erhob. Zudem wurden die Erwartungen an die künftigen Entwicklungen im Human Resources Management analysiert. Bereits im Jahr 2002 hat Capgemini in Zusammenarbeit mit der „Wirtschaftswoche“ eine vergleichbare Studie durchgeführt (Capgemini, 2002). Die meisten Fragen wurden repliziert und erlauben einen Vergleich von Einstellungen und Bewertungen im Zeitverlauf.
26
Christopher Nienaber
Grundlage für die Studie „HR-Barometer 2004/2006“ war die Befragung der größten deutschen (N = 538), österreichischen (N = 339) und schweizer Unternehmen (N = 393), bei der die obersten HR-Entscheidungsträger im Juni/Juli 2004 mit einem umfangreichen Fragebogen um persönliche Stellungnahme gebeten wurden. Insgesamt haben sich 150 Unternehmen beteiligt. Bei neunzig Prozent der Antworten wurde der Fragebogen vom „obersten Personaler“ (Personalvorstand, Arbeitsdirektor, Personalleiter, Head Global HR) beantwortet. Jeweils in fünf Prozent der Fälle stammen die Antworten vom Geschäftsführer des Unternehmens bzw. von Sonstigen. Damit kann das HR-Barometer als Top HR-EntscheiderAnalyse charakterisiert werden. Deutschland
Unternehmensgröße M: Umsatz: unter 250 Millionen und Mitarbeiteranzahl: unter 1.000
M
L: Umsatz: über 250 Mil. bis 1 Mrd. oder Mitarbeiteranzahl: über 1.Tsd. bis 5 Tsd.
L
XL Umsatz: über 1 Mrd. bis 5 Mrd. oder Mitarbeiteranzahl: über 5 Tsd. bis 30 Tsd.
XL
XXL Umsatz: über 5 Milliarden oder Mitarbeiteranzahl: über 30 Tausend
15%
25%
36%
24%
XXL
Österreich
Schweiz
6%
24%
29%
14%
45%
32%
44%
31%
23%
36%
0%
16%
Abb. 1. Größenverteilung der Unternehmen in der Studie „HR-Barometer 2004/2006“ D eu ts c h lan d
B ran ch e M e ta llin d u s trie / M a s c h in e n b a u
Ö ster- S ch w eiz reich
14%
11 %
E n erg y /U tilitie s
1 1%
11%
21 %
3%
H a n d e l/K o n s u m g ü te r
1 1%
10%
10 %
16% 10%
1 2%
8%
14 %
13%
3%
7%
8%
4%
7%
19%
8%
1 0%
V e rs ic h e ru n g e n C h e m ie /P h a rm a / L ife S c ie n c e s T ra n sp o rt/L o g is tik
9%
A u to m o tive E le k tro n ik /H ig h T e c h / IT /S o ftw a re M e d ia
10%
11%
3%
3%
5%
4%
3%
7%
5%
6%
4%
3%
T e le k o m m u n ik a tio n
4%
3%
7%
3%
B anken
4%
6%
0%
3%
10%
21 %
16%
A n d e re
13 %
Abb. 2. Branchenverteilung der Unternehmen in der Studie
Die antwortenden Unternehmen – darunter auch zahlreiche DAX-, ATX-, und SMI-Unternehmen – entstammen aus der gesamten Bandbreite der Wirtschaft; der öffentliche Sektor wurde nicht analysiert. Im Fokus standen große mittelständi-
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit
27
sche bis sehr große Unternehmen; kleine Unternehmen wurden nicht untersucht. Für die Analysen wurden die Unternehmen in vier Größencluster (M-L-XL-XXL) unterschieden (Abb. 1). Die Branchenverteilung (siehe Abb. 2) entspricht recht gut den jeweils nationalen Wirtschaftsstrukturen. Allgemein stehen bei den meisten HR-Themen Branchenspezifika nicht so sehr im Vordergrund. Insbesondere die Personalverwaltung und -entwicklung besitzen an vielen Stellen eine große Ähnlichkeit über Branchengrenzen hinweg. Allerdings gilt dies gerade nicht für die Themen des „HRBarometers 2004/2006“. Bei strategischen und organisatorischen Themen mit ihrer Ableitung aus der jeweiligen Unternehmensstrategie, der Verbindung zum spezifischen Finanzcontrolling sowie der Anpassung an die dominierenden Unternehmensstrukturen sind signifikante Unterschiede zwischen den Branchen zu erwarten. 1.2
Studienergebnisse zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen für die strategische Personalarbeit
Bei der Betrachtung der im Folgenden vorgestellten ausgewählten Studienergebnisse ist zu beachten, dass nach den aktuellen Herausforderungen und Aufgaben der Personalarbeit gefragt wurde, die von strategischer Bedeutung für den Personalbereich und das Gesamtunternehmen sind. Nicht im Vordergrund stand damit die operative de facto Verteilung von Aufgaben in HR-Bereichen, also z. B. der Anteil der Personalverwaltung an der gesamten Personalarbeit. Die strategische Funktion der Personalarbeit wurde unter dem Stichwort HR als Business-Partner in den vergangenen Jahren intensiv diskutiert (Ulrich, D.; 1997). Zugespitzt formuliert geht es in dieser Diskussion darum, ob es den Personalfunktionen gelingen wird, zukünftig als voll akzeptierte Entscheider die Zukunft von Unternehmen mitzugestalten, oder ob sie als reine Supportfunktionen und Kostenfaktor in der zweiten Reihe gemanagt werden. Das Kompetenzmanagement ist ein gutes Beispiel dafür, welche Leistungen Personalbereiche aufbauen können, um der Herausforderung einer Rolle als Business Partner gerecht zu werden. Im Gegensatz zur operativen Personalarbeit ist die strategische Personalarbeit wesentlich stärker beeinflusst durch technologische Neuerungen, aktuelle Anforderungen der Unternehmensstrategie sowie durch das konjunkturelle Umfeld. So können in kurzer Zeit starke Veränderungen in der strategischen Bewertung einzelner HR-Themen auftreten, die nur verzögert zu entsprechenden Veränderungen in der operativen Personalarbeit führen. Ein Beispiel ist die schnell gewachsene strategische Bedeutung von HR-Portalen, Management- (MSS) und Employee Self Service (ESS). Die operative Umsetzung dieser Themen ist relativ komplex und zeitaufwendig, weswegen sie erst langsam in der operativen Personalarbeit Verbreitung finden.
28
Christopher Nienaber
Der Überblick über die strategisch wichtigen HR-Themen in 2004 (siehe Abb. 3) zeigt, dass die strategische Personalarbeit aktuell stark geprägt ist durch die Anforderungen zur Personalkostenreduktion. Damit zusammenhängend sind auch die hohe Bedeutung der Gestaltung von Vergütungs- und Anreizsystemen, die Abstimmung mit den Sozialpartnern und Change Management zu sehen. Als Hintergrund hierfür kann die allgemein schwache Konjunktur der letzten Jahre gesehen werden, die von den Unternehmen in den vergangenen Jahren entsprechende Maßnahmen zur Kostenreduktion erforderte. Auch für die Personalbereiche selber stehen konsequenterweise Fragen der eigenen Organisation sowie der Möglichkeiten zur Kostenreduktion bei HR-Aktivitäten im oberen Bereich der Themenliste.
Strategisch wichtige Themen 2004
Prozentuale Häufigkeit der Nennung bei allen Unternehmen 70%
Personalentwicklung/ Führungskräfte-Entwicklung
45% 38%
Reduktion Personalkosten Vergütung/Anreizsysteme HR Organisation
30%
Change Management
30% 29%
HR als Business Partner/Rolle von HR HR Strategie
27% 24% 24%
Kostenreduktion bei HR Aktivitäten/ HR Pro zessoptimierung/ HR Benchmarking Labour Relations Management/ Abstimmung mit Sozialpartner
20% 18% 18%
IT Unterstützung der HR Prozesse (SAP, PeopleSoft, etc.) Performance Management/MbO HR Controlling/Verwendung von Balanced Scorecard/KPI-Systeme
16% 14% 14%
HR Vision/HR Werte Coaching Human Capital Management/ Kompetenzmanagement
HR Aktivitäten in Folge von Merger & Akquise des Unternehmens
14% 14% 14%
Interkulturelle Kompetenz/ International Assignments/ Expatriates/ Relocation e-HR/B2E/ESS/MSS/Mitarbeiterportale
14% 11%
Corporate Responsibility/Betriebl. Sozialpolitik & Altersvorsorge War for Talents/ High Potential Recruiting & Retention
e-Learning/Wissensmanagement Demographischer Wandel/“Überalterung“ Workforce HR Outsourcing/HR Shared Service Center Employee Relationship Management (ERM) Diversity
7% 7% 5% 5% 5%
Abb. 3. Wahrgenommene Wichtigkeit strategischer Themen für das Unternehmen in 2004
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit
Strategisch wichtige Themen 2006
Prozentuale Häufigkeit der Nennung bei allen Unternehmen 45%
War for Talents/High Potential Recruiting & Retention
42% 39%
Personalentwicklung/Führungskräf te-Entwicklung HR als Business Partner/Rolle von HR Human Capital M anagement/Kompetenzmanagement
32% 30% 30%
Reduktion Personalkosten HR Strategie
27% 25%
Demographischer Wandel/“Überalterung“Workforce Change M anagement
20% 19% 16%
Performance M anagement/M bO HR Controlling/Nutzung von Balanced Scorecard/KPI-Systeme Vergütung/Anreizsysteme HR Vision/HR Werte
16% 15% 15% 15% 13%
Kostenreduktion bei HR Aktivitäten/ HR Prozessoptimierung/ HRBenchmarking e-HR/B2E/ESS/M SS/M itarbeiterportale e-Learning/Wissensmanagement HR Organisation
13% 11%
Coaching HR Aktivitäten in Folge von M erger & Akquisition Interkulturelle Kompetenz/ International Assignments/ Expatriates/ Relocation IT Unterstützung der HR Prozesse (SAP, PeopleSoft, etc.)
11% 9% 8%
Labour Relations M anagement/ Abstimmung mit Sozialpartner Corporate Responsibility/ Betriebliche Sozialpolitik & Altersvorsorge
8% 8%
HR Outsourcing/HR Shared Service Center Employee Relationship M anagement (ERM ) Diversity
29
4% 2%
Abb. 4. Prognostizierte Wichtigkeit strategischer Themen für das Unternehmen in 2006
Mit Blick auf die nahe Zukunft bis 2006 erwarten die befragten Unternehmen eine Renaissance der qualitativen Themen der Personalarbeit (siehe Abb. 4). Die Betrachtung der erwarteten Veränderungen von 2004 zu 2006 (siehe Abb. 5) zeigt dabei deutlich, wie die für 2004 hoch priorisierten Themen wie Reduktion der Personalkosten, Abstimmung mit Sozialpartnern etc. deutlich an Bedeutung verlieren. Anstelle der Frage nach den Personalkosten gewinnt die Frage nach der ausreichenden Verfügbarkeit geeigneten Personals deutlich an Bedeutung. Dies spiegelt sich in der dramatisch steigenden Bedeutung der Themen War for Talents und demographischer Wandel wider. Hintergrund hierfür sind neben der erwarteten konjunkturellen Erholung in den kommenden Jahren insbesondere die zunehmenden Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf den Arbeitsmarkt. Die geburtenschwächeren Jahrgänge sind inzwischen in einem berufstätigen Alter, so dass zunehmend durch sie das Angebot an Arbeitskräften bestimmt wird.
30
Christopher Nienaber P ro zen tuale H äu figke iten de r N en nu nge n fü r 20 06 m inus de r N en nu nge n fü r 20 04
S tra te gis c h w ich tige The me n
< - wird unw ichtiger - wird w ichtiger -> W ar for Talents/ H igh Potential R ecruiting & Retention
H um a n Cap ital M an ag em e n t/K o m p eten zm an ag em en t
10%
H R als B usiness Partner/R olle von H R e-L earn in g /W issensm an ag em en t
8% 4%
e-H R /B 2E /ES S /M S S/M itarbeiterporta le
3% 3% 2%
H R O utsourcing/HR S hared Service C enter H R Strategie P erform an c e M an ag em en t/M b O H R C o n tro llin g /V erw en d u n g vo n B alan ce d S co recard/K P I-S y stem e
1% 0%
H R V isio n /H R W erte E m p lo yee R elation s hip M an ag e m en t (E RM )
- 1%
C oaching
- 1% - 3% - 3%
D iversity H R Aktivitäten in Folge von M erger & Akquisition des U nternehm ens Interkulturelle K om petenz/ International Assignm ents/ E xpatriates/ R elocation
- 3% - 5% -6%
C h an g e M an ag em e n t C orporate R esponsibility/ B etriebliche S ozialpolitik & Alte rsvorsorge K ostenreduktion bei HR Aktivitäten/ H R P rozessoptim ierung/ HR B enchmarking IT U n terstü tzu n g der HR P rozesse (S AP , P eopleS oft, etc.) R eduktion Personalkosten L ab o u r R elatio n s M an ag em en t/Ab stim m u ng m it S o zialp a rtn er H R O rganisation Vergütung/Anreizsystem e Personalentw icklung/ Führungskräfte-E ntw icklung
31%
20% 18%
D emographischer W andel/“Überalterung“ W orkforce
- 9% - 11 % - 15% - 16% - 17% -22% - 28%
Abb. 5. Prognostizierte Veränderungen in strategischer Bedeutung 2004–2006
Ein weiterer Trend, der der Veränderung der Bedeutung von HR-Themen zugrunde liegt, ist die wachsende Bedeutung von Wissen und Wissensträgern im Zusammenhang mit der zunehmenden Geschwindigkeit technologischer Entwicklungen für die strategische Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. E-Learning / Wissensmanagement gehört zu den Themen mit dem höchsten Bedeutungszuwachs. Auch der gewachsenen Bedeutung des War for Talents / High Potential Recruiting & Retention liegt ein erwarteter Mangel an spezifischen Qualifikationen sowie der Fähigkeit zur lebenslangen Weiterbildung zugrunde. Ein rein quantitativer Mangel an Arbeitskräften ist hier weniger das Thema. Kaum Veränderungen werden in den kommenden Jahren bei Themen bezüglich der Ausgestaltung der HR-Arbeit sowohl hinsichtlich der Organisation als auch der IT-Unterstützung erwartet. HR-Organisation, Outsourcing, Shared Service Centers, e-HR inklusive ESS und MSS sowie HR-Organisation verändern sich kaum in ihrer Bedeutung. Lediglich der Rolle von HR als strategischem Business Partner wird eine wachsende Bedeutung zugemessen.
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit
2
31
Ursachen für die Bedeutungszunahme
Human Capital Management/ Kompetenzmanagement ist eines der HR-Themen mit dem höchsten prognostizierten Bedeutungszuwachs 2004 – 2006 in der Studie ist (Abb. 5). Für 2006 wird es von den Personalentscheidern als eines der Top 5 strategischen Themen für HR gesehen (Abb. 4). Human Capital Management und Kompetenzmanagement wurden im Rahmen der Studie gemeinsam betrachtet, da die beiden Themen aus Sicht der praktischen Umsetzung sehr eng miteinander verwoben sind. In den Beratungsprojekten von Capgemini sowie in der praktischen Personalarbeit zeigt sich immer wieder, dass die unter den beiden Stichworten verstandenen Ziele, Instrumente und Aktivitäten praktisch deckungsgleich sind. Human Capital Management wird dabei als Management der an den Menschen gebundenen, wertschöpfenden Faktoren verstanden und nicht als Administration von Mitarbeitern. In der Capgemini Studie von 2002 (Capgemini, 2002) wurde noch der Begriff Human Assets anstelle von Human Capital verwendet, um den Gedanken des Wertschöpfungspotentials stärker zum Ausdruck zu bringen. Allerdings hat sich der Begriff Human Capital inzwischen allgemein im HR-Sprachgebrauch durchgesetzt, weswegen für die aktuelle Studie dieser Begriff übernommen wurde. Viele Personaler verbinden mit dem Begriff Human Capital Management direkt die Frage der Messung und Kommunikation des Human Capitals z. B. in Form einer Human Capital Bilanz (Scholz, Stein, Bechtel, 2004). Im letzten Teil dieses Kapitels wird darauf eingegangen, dass hierfür ein Kompetenzmanagement eine entscheidende Voraussetzung darstellt und sich der Übergang, sofern diese Themen überhaupt sinnvoll unterschieden werden können, fließend gestaltet. 2.1
Ursachen für die Bedeutung des Kompetenzmanagements
Mit Blick auf das strategische Kompetenzmanagement sind drei der oben diskutierten Trends, die den Studienergebnissen zugrunde liegen, von großer Bedeutung (Tabelle 1). Sie können als Ursachen dafür gesehen werden, dass das Kompetenzmanagement aus Sicht der Personalentscheider so dramatisch an Bedeutung gewinnen wird.
32
Christopher Nienaber
Tabelle 1. Ursachen für Bedeutungszuwachs des Kompetenzmanagements
Trend
Auswirkungen auf HR-Themen
1
Konjunkturelle Erholung
führt zu zunehmendem Arbeitskräftebedarf, reduzierter Bedeutung von Personalkostenreduktionen und einer Renaissance der qualitativen Personalthemen
2
Demographische Entwicklung
führt zu verringerter Verfügbarkeit insbesondere von jüngeren sowie spezifisch qualifizierten Arbeitskräften und einem daraus resultierenden verschärften War for talents
3
Beschleunigung und wachsende Bedeutung technologischer Entwicklungen
führt zu der Notwendigkeit der kontinuierlichen, qualitativ hochwertigen Weiterbildung und zu verstärktem Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte im War for Talents
Diese Trends sind auf Basis der Studienergebnisse leider nicht hinsichtlich der Stärke ihrer Auswirkungen bewertbar. Auch wirken sich diese Trends ebenso auf andere HR-Themen aus, die teilweise ohnehin starke Überlappungen mit dem Kompetenzmanagement aufweisen. Zu nennen sind hier beispielsweise Recruiting und Retention sowie die Personalentwicklung allgemein. Allerdings lassen sich mit dem Blick auf den Zeitverlauf der strategischen Bewertungen der HR-Themen einige Aussagen zur Einschätzung dieser Trends treffen. Auf Basis der Capgemini Studie von 2002 (Capgemini, 2002) kann die Bedeutungsentwicklung für das Kompetenzmanagement über einen Zeitraum von fünf Jahren abgeschätzt werden. In Abbildung 6 sind zusätzlich die Werte aus 2002 für einige der mit dem Kompetenzmanagement zusammenhängenden Themen aufgenommen. Das Thema demographischer Wandel fehlt hier, da es erstmals in der Studie 2004 mit enthalten war. Es wird deutlich, dass die Personalentscheider 2002 eine Renaissance der qualitativen HR-Themen zusammen mit einer reduzierten Bedeutung der Reduktion von Personalkosten bereits früher erwarteten. Insbesondere durch die verzögerte konjunkturelle Erholung standen stattdessen auch in 2004 Themen in Zusammenhang mit der Reduktion von Personalkosten im Vordergrund (siehe Abb. 3). Die Bedeutung, welche die Reduktion von Personalkosten in 2004 noch haben würde, wurde in 2002 massiv unterschätzt. Der allgemeinen Personal- und Führungskräfteentwicklung kam dabei in 2004 verstärkt die Aufgabe zu, diese durch den konjunkturellen Druck bedingten organisatorischen Veränderungen und die Personalkostenreduzierung insbesondere durch Unterstützung der Führungskräfte zu begleiten. Innovative Themen im Umfeld der Personalentwicklung, zu denen neben dem
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit
33
Kompetenzmanagement auch e-Learning, oder Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung gehören, wurden zurückgestellt.
Strategisch wichtige Themen
Prozentuale Häufigkeit der Nennung bei allen Unternehmen
Human Capital Management/ Kompetenzmanagement
18%
Bedeutung 2002
42%
Prognostizierte Bedeutung für 2005 aus 2002
14%
Bedeutung 2004
32%
Prognostizierte Bedeutung 2006 aus 2004 War for Talents/ High Potential Recruiting & Retention
22%
Bedeutung 2002
43%
Prognostizierte Bedeutung für 2005 aus 2002
14%
Bedeutung 2004
45%
Prognostizierte Bedeutung 2006 aus 2004 Personalentwicklung/ Führungskräfte-Entwicklung
66%
Bedeutung 2002
49%
Prognostizierte Bedeutung für 2005 aus 2002
70%
Bedeutung 2004
42%
Prognostizierte Bedeutung 2006 aus 2004 e-Learning/ Wissensmanagement Bedeutung 2002
8% 30%
Prognostizierte Bedeutung für 2005 aus 2002 Bedeutung 2004 Prognostizierte Bedeutung 2006 aus 2004
7% 15%
Reduktion Personalkosten
54%
Bedeutung 2002 Prognostizierte Bedeutung für 2005 aus 2002
16% 45%
Bedeutung 2004 Prognostizierte Bedeutung 2006 aus 2004
30%
Abb. 6. Bedeutungsveränderung ausgewählter HR-Themen 2002 – 2006
Angesichts der teilweise nicht eingetroffenen Prognosen der HR-Verantwortlichen aus der Capgemini Studie 2002 sind auch die Prognosen für eine rasche Bedeutungssteigerung der qualitativen HR-Themen inklusive des Kompetenzmanagements sicherlich mit Vorsicht zu lesen. Zu leicht könnten sich hier schlicht stärker die Wünsche der Personalentscheider als die realen Auswirkungen von Trends widerspiegeln. Jedoch ist im Unterschied zu der häufig unbeständigen und schwer prognostizierbaren konjunkturellen Entwicklung der Trend der demographischen Entwicklung deutlich stabiler. Die unbarmherzigen Hochrechnungen der Demographen bieten
34
Christopher Nienaber
einen überzeugenden Beleg dafür, dass kompetente Mitarbeiter in naher Zukunft eine knapper werdende und damit strategisch an Bedeutung zunehmende Ressource sein werden. Dies ist von großer Bedeutung für die Bewertung des Kompetenzmanagements, da dieses ein Instrument für die effizientere Nutzung der sich verknappenden Ressource Mitarbeiterkompetenzen darstellt. Letztere Aufgabe für das Kompetenzmanagement ist auch relevant im Zusammenhang mit der abnehmenden Bedeutung der Reduktion von Personalkosten. Auch unabhängig von der Konjunktur war die Effizienzsteigerung durch Reorganisation, technische Innovation und Abbau von Personalüberhängen in vielen Industrien über Jahre hinweg der Königsweg zur Ergebnisverbesserung. Es kann nun davon ausgegangen werden, dass dieses Instrument in vielen Unternehmen heute größtenteils ausgereizt ist und die Größe des Mitarbeiterstamms weitgehend optimiert ist. Verlagerungen von Standorten ins Ausland zur Personalkostensenkung bedeuten häufig sogar, dass für die gleiche Arbeit insgesamt mehr Mitarbeiter, wenn auch zu geringeren Kosten, benötigt werden. Um als Unternehmen in dieser Situation einen strategischen Wettbewerbsvorteil zu erreichen, rückt nun der effizientere Einsatz und die Steigerung der Kompetenz der verbliebenen Mitarbeiter in den Vordergrund. Für beide Aufgaben bietet das Kompetenzmanagement die methodische Grundlage. Die Wichtigkeit und Geschwindigkeit der technologischen Entwicklungen für die in den Studien betrachteten Länder Deutschland, Schweiz und Österreich verstärken diese Bedeutung des Kompetenzmanagements als strategischem Wettbewerbsfaktor zusätzlich. Der Wandel von Industrie- zu Wissensgesellschaften rückt auch den Faktor Mitarbeiterkompetenz als erfolgskritischen Wettbewerbsfaktor zunehmend in den Vordergrund. Wichtig ist es damit auch, Branchenunterschiede hinsichtlich der Bewertung des Kompetenzmanagements und verwandter Themen näher zu betrachten, da Branchen sich teilweise deutlich hinsichtlich der Auswirkungen technologischer Veränderungen unterscheiden. 2.2
Zusammenhang zwischen der Bedeutung des Kompetenzmanagements und Unternehmensmerkmalen
Die erhobenen Befragungsdaten aus der Capgemini HR-Strategie Studie lassen zusätzlich zu den veröffentlichten Ergebnissen (Capgemini 2004) weitere Auswertungen zu. Die Bedeutung einzelner HR-Themen kann differenziert nach Branchen, Unternehmensgröße, Land sowie weiteren Kriterien ausgewertet werden. Die in Abschnitt 2.1 diskutierten Trends, die der Bedeutung des Kompetenzmanagements zugrunde liegen, wirken sich unterschiedlich stark auf Unternehmen verschiedener Größe oder Branchen aus. Damit kann auch erwartet werden, dass bedeutsame Unterschiede in der Bewertung des Kompetenzmanagements und verwandter HR-Themen in Abhängigkeit von diesen Faktoren zu erkennen sind. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Bewertungen für das
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit
35
Kompetenzmanagement und weitere ausgewählte HR-Themen nach Branchenzugehörigkeit des Unternehmens wider. Tabelle 3 gibt die entsprechenden Werte für die prognostizierte Bedeutung derselben Themen in 2006 wider. Tabelle 2. Bedeutung ausgewählter HR-Themen nach Branchen für 2004
2004 Human Capital Management/ Kompetenzmanagement War for Talents/ High Potential Recruiting & Retention Personalentwicklung Führungskräfte-Entwicklung Demographischer Wandel/ “Überalterung“ Workforce e-Learning/ Wissensmanagement Reduktion Personalkosten Coaching Performance Management/MbO Vergütung/Anreizsysteme Change Management Interkulturelle Kompetenz/ International Assignments/ Expatriates/Relocation
Human Capital Management/ Kompetenzmanagement War for Talents/ High Potential Recruiting & Retention Personalentwicklung Führungskräfte-Entwicklung Demographischer Wandel/ “Überalterung“ Workforce e-Learning/ Wissensmanagement Reduktion Personalkosten Coaching Performance Management/MbO Vergütung/Anreizsysteme Change Management Interkulturelle Kompetenz/ International Assignments/ Expatriates/Relocation
Automotive
Metallindustrie
Hi-Tech / IT
Energie Utilities
Chemie Pharma
Handel
40%
6%
17%
7%
17%
7%
10%
13%
0%
7%
33%
27%
80%
69%
100%
53%
50%
80%
10%
6%
0%
7%
0%
13%
20%
0%
0%
0%
17%
7%
40% 10%
44% 25%
50% 33%
60% 7%
25% 17%
53% 20%
30%
6%
0%
20%
33%
20%
40% 20%
56% 19%
0% 50%
53% 27%
17% 42%
53% 33%
0%
25%
17%
13%
17%
0%
Transport
Media
Telekomm
Banken
Versicherungen
Andere
9%
0%
0%
0%
23%
28%
9%
0%
0%
20%
15%
17%
64%
50%
80%
60%
85%
72%
9%
0%
0%
0%
8%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
11%
73% 9%
67% 0%
40% 0%
20% 0%
38% 15%
28% 17%
9%
67%
20%
0%
15%
11%
18% 45%
50% 33%
40% 20%
60% 20%
15% 23%
39% 33%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
36
Christopher Nienaber
Tabelle 3. Prognostizierte Bedeutung ausgewählter HR-Themen nach Branchen für 2006
2006 Human Capital Management/ Kompetenzmanagement War for Talents/ High Potential Recruiting & Retention Personalentwicklung Führungskräfte-Entwicklung Demographischer Wandel/ “Überalterung“ Workforce e-Learning/ Wissensmanagement Reduktion Personalkosten Coaching Performance Management/MbO Vergütung/Anreizsysteme Change Management Interkulturelle Kompetenz/ International Assignments/ Expatriates/Relocation
Human Capital Management/ Kompetenzmanagement War for Talents/ High Potential Recruiting & Retention Personalentwicklung Führungskräfte-Entwicklung Demographischer Wandel/ “Überalterung“ Workforce e-Learning/ Wissensmanagement Reduktion Personalkosten Coaching Performance Management/MbO Vergütung/Anreizsysteme Change Management Interkulturelle Kompetenz/ International Assignments/ Expatriates/Relocation
Automotive
Metallindustrie
Hi-Tech / IT
Energie Utilities
Chemie Pharma
Handel
50%
6%
33%
20%
50%
33%
30%
63%
67%
27%
50%
47%
50%
56%
50%
27%
25%
47%
20%
19%
17%
47%
17%
13%
10%
0%
17%
33%
25%
0%
20% 0%
38% 19%
17% 17%
40% 13%
33% 8%
33% 13%
20%
13%
17%
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25%
33%
20% 20%
25% 25%
17% 33%
20% 27%
8% 42%
13% 13%
10%
25%
17%
7%
17%
20%
Transport
Media
Telekomm
Banken
Versicherungen
Andere
18%
50%
60%
40%
46%
22%
36%
33%
20%
60%
31%
61%
45%
33%
60%
60%
46%
28%
55%
0%
0%
40%
46%
28%
18%
17%
20%
20%
15%
17%
45% 27%
17% 0%
20% 0%
20% 0%
23% 8%
22% 22%
18%
0%
20%
40%
31%
17%
9% 45%
17% 33%
60% 20%
0% 20%
0% 23%
17% 33%
0%
17%
0%
0%
8%
6%
Auch wenn die Größe der Studienstichprobe mit 150 Teilnehmern insgesamt gut ist, sind die dargestellten Ergebnisse für einzelne Branchen, Heimatländer sowie Unternehmensgrößen aufgrund der teilweise dann doch geringen Fallzahlen sicherlich mit einer gewissen Vorsicht zu bewerten. In Kapitel 1 ist in Abbildung 2 und 3 die Verteilung der Studienteilnehmer auf diese Differenzierungskriterien wiedergegeben.
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit
37
Für 2004 hat Kompetenzmanagement in den Branchen Automotive, Versicherungen, High Tech/IT und Chemie/Pharma die größte Bedeutung. Dies entspricht insofern den Erwartungen, als dass diese Branchen sich durch eine hohe Bedeutung der Mitarbeiterkompetenzen hinsichtlich technologischer Innovation als auch Dienstleistung auszeichnen. Überraschend ist hingegen die fehlende Bedeutung des Kompetenzmanagements in den Branchen Media, Telekom und Banken. Bei den Ergebnissen für 2006 dreht sich für die zu letztgenannten Branchen allerdings die Bewertung des Kompetenzmanagements steil nach oben. Jetzt bilden die Metallindustrie, Energie/Utilities und Transport stärker erwartungskonform die Schlussgruppe bei der Bewertung des Kompetenzmanagements. In der Studie fehlt aufgrund von Wettbewerbsproblemen eine Betrachtung der Branche Unternehmensberatungen. Dies ist mit Blick auf das Thema Kompetenzmanagement bedauerlich, da Unternehmensberatungen wahrscheinlich am längsten und intensivsten mit dem Instrument des Kompetenzmanagements gearbeitet haben. Hintergrund hierfür ist, dass die Beratungsbranche insgesamt überdurchschnittlich geprägt ist durch die tagtägliche Herausforderung, bei technologischen, managementbezogenen und anderen Innovationen eine Vorreiterrolle zu behaupten. Weiterhin entsteht durch die vorherrschende Projektarbeit die Notwendigkeit, Mitarbeiter sehr häufig neu einzusetzen. Es sind sehr detaillierte Kenntnisse der Kompetenzen der Mitarbeiter sowie effiziente Kompetenzmanagementprozesse erforderlich, um Projekte gerade in innovativen und internationalen Themenbereichen schnell und kompetent zu besetzen. Für die meisten Unternehmensberatungen gilt dabei, dass die Mitarbeiter mit Abstand das wichtigste, wenn nicht sogar das einzig relevante Kapital darstellen, so dass die strategische Bedeutung des Kompetenzmanagements in dieser Branche als extrem hoch angesehen werden kann. Im Abschnitt 2.1 wurde die Annahme diskutiert, dass Kompetenzmanagement gerade dann bedeutsam wird, wenn ein Wettbewerbsvorteil nicht mehr durch eine reine Reduktion der Personalkosten insbesondere durch Personalabbau erreicht werden kann, sondern die effiziente Nutzung und Entwicklung von Kompetenzen erfolgskritischer werden. Für 2004 ist entsprechend dieser Annahme beim Kompetenzmanagement insgesamt erkennbar, dass es in den Branchen bedeutsamer ist, in denen die Reduktion der Personalkosten eine geringere Rolle spielt. Eine Ausnahme bilden hier die Banken. Der Zusammenhang findet sich auch wieder bei der prognostizierten Bedeutung für 2006, wobei die Bedeutung der Reduktion der Personalkosten hier insgesamt deutlich geringer ist und sich insofern auch weniger auf andere Themen auswirkt. Kein direkter Zusammenhang ist erkennbar zwischen der Bedeutung der anderen aufgeführten HR-Themen und der des Kompetenzmanagements. Dies belegt die Eigenständigkeit des Kompetenzmanagements als HR-Instrument hinsichtlich eigener Zielsetzungen und Nutzenbereiche. Insbesondere in Abgrenzung zur klassischen, traditionell eher mitarbeiterorientierten Personalentwicklung ist dies ein
38
Christopher Nienaber
Beleg dafür, dass das Kompetenzmanagement nicht einfach nur ein neues Instrument der Personalentwicklung darstellt, sondern z. B. gerade auch im Bereich der strategischen Unternehmensentwicklung und -steuerung eine eigenständige und weitergehende Funktion ausfüllt. Die Betrachtung von Unterschieden in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße ist in Tabelle 4 für die Sicht auf die aktuelle Situation in 2004 sowie in Tabelle 5 als Prognose für 2006 wiedergegeben. Die Definition für die Clusterbildung bei der Unternehmensgröße ist in Abschnitt 1.1 in Abbildung 1 dargestellt. Tabelle 4. Bedeutung ausgewählter HR-Themen nach Heimatland und Unternehmensgröße Stammhaus
2004 Human Capital Management/ Kompetenzmanagement War for Talents/ High Potential Recruiting & Retention Personalentwicklung Führungskräfte-Entwicklung Demographischer Wandel/“Überalterung“ Workforce e-Learning/ Wissensmanagement Reduktion Personalkosten Coaching Performance Management/MbO Vergütung/ Anreizsysteme Change Management Interkulturelle Kompetenz/ International Assignments/ Expatriates/Relocation
Cluster
Deutschland
Österreich
Schweiz
medium
large
extra large
Xtra large
15%
21%
6%
5%
21%
10%
19%
14%
7%
23%
10%
15%
17%
13%
67%
69%
77%
50%
82%
79%
55%
3%
14%
3%
10%
9%
4%
0%
3%
7%
10%
10%
3%
6%
3%
47% 4%
45% 24%
39% 29%
40% 35%
55% 27%
44% 6%
39% 0%
17%
10%
29%
20%
9%
23%
19%
35% 33%
41% 21%
42% 32%
45% 55%
52% 30%
33% 19%
26% 32%
10%
3%
3%
0%
0%
13%
10%
Die Ergebnisse zeigen, dass Kompetenzmanagement insbesondere ein Thema für Großunternehmen darstellt. Dies entspricht den Erwartungen, da in Großunternehmen auch einzelne Fachbereiche oder Organisationseinheiten schneller eine Größe erreichen, die eine Unterstützung des Managements durch ein Kompetenzmanagement beispielsweise in Form einer Datenbank erfordern.
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit
39
Tabelle 5. Prognostizierte Bedeutung ausgewählter HR-Themen Stammhaus
2006 Human Capital Management/ Kompetenzmanagement War for Talents/ High Potential Recruiting & Retention Personalentwicklung FührungskräfteEntwicklung Demographischer Wandel/“Überalterung“ Workforce e-Learning/ Wissensmanagement Reduktion Personalkosten Coaching Performance Management/MbO Vergütung/ Anreizsysteme Change Management Interkulturelle Kompetenz/ International Assignments/ Expatriates/ Relocation
Cluster
Deutschland
Österreich
Schweiz
medium
large
extra large
Xtra large
39%
14%
32%
25%
21%
40%
35%
46%
34%
52%
30%
42%
48%
52%
36%
38%
58%
45%
45%
44%
32%
29%
38%
13%
25%
24%
21%
42%
13%
14%
23%
20%
9%
13%
23%
36%
24%
19%
15%
36%
29%
32%
11%
7%
23%
25%
15%
10%
6%
15%
34%
19%
15%
21%
21%
23%
14%
24%
13%
15%
15%
15%
19%
26%
24%
23%
35%
30%
15%
29%
11%
17%
6%
10%
15%
15%
3%
Die Erfahrung aus den Capgemini Beratungsprojekten zum Thema Kompetenzmanagement zeigt jedoch auch, dass die Unternehmensgröße nicht zwingend bedeutsam sein muss. Häufig sind es auch kleine Unternehmen oder einzelne Fachbereiche innerhalb von Unternehmen, die sich entschließen, Kompetenzmanagement für sich zu nutzen. Bereits bei deutlich weniger als 100 einzubeziehenden Mitarbeitern können durch den Einsatz eines Kompetenzmanagements z. B. die Expertensuche, die Projektbesetzung, die bedarfsgerechte Weiterbildung oder die Personalbeschaffung effizienter gestaltet werden. Typisch für Projekte bei Capgemini in den vergangenen Jahren waren insbesondere Unternehmen und Fachbereiche aus dem IT-, Vertriebsund Dienstleistungsumfeld, wobei die fachliche Ausrichtung bedeutsamer war als die jeweilige Anzahl der einzubeziehenden Mitarbeiter. Entscheidend ist, dass das jeweilige Unternehmen den Nutzen des Kompetenzmanagements für seine spezifische Fragestellung erkennt. Es ist jedoch naheliegend, dass in Großunternehmen einfach aufgrund ihrer Größe, Komplexität und häufig auch Internationalität viel häufiger eine Problemstellung auftaucht, bei der der Einsatz eines Kompetenzmanagements sinnvoll ist.
40
3
Christopher Nienaber
Die Zukunft des strategischen Kompetenzmanagements
In Kompetenzmanagement-Projekten von Capgemini für Unternehmen verschiedenster Branchen, Größen oder Nationalitäten zeigt sich immer wieder die große Bandbreite dessen, was unter dem Begriff Kompetenzmanagement verstanden werden kann. Die jeweils individuellen Ziele und Prioritäten, die ein Unternehmen mit dem Wunsch nach einem Kompetenzmanagement verfolgt, führen häufig zu extrem unterschiedlichen, unternehmensspezifischen Lösungen, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam zu haben scheinen. An anderer Stelle wird in diesem Buch ausführlich auf die Definition und Abgrenzung des Kompetenzmanagements eingegangen. An dieser Stelle sollen ergänzend vier Merkmale diskutiert werden, die ein Kompetenzmanagement benötigt, um den in den vorangegangenen Abschnitten dargestellten hohen Erwartungen an seine strategische Funktion gerecht werden zu können. Abbildung 7 gibt einen Überblick über diese vier Merkmale, die aufeinander aufbauend auch als Reifestufen für ein Kompetenzmanagement verstanden werden können. Während die ersten drei Merkmale dabei gewissermaßen Pflichtübungen darstellen, entspricht das vierte Merkmal der Kommunikation der Kür. Vier Reifestufen für das strategische Kompetenzmanagement
q p o n
Kommunikation des eigenen Könnens als Unternehmen nach außen
Systematische interne Nutzung der Kompetenzinformationen für strategische Unternehmensentscheidungen
Regelmäßige und aussagekräftige Messung der Kompetenzen als Basis für HR-Aktivitäten
Genaue und prägnante Beschreibung des erfolgskritischen Könnens mit Hilfe von Kompetenzen
Abb. 7. Vier Reifestufen für das strategische Kompetenzmanagement
Auf den ersten Blick kann der Eindruck entstehen, dass bezogen auf diese Merkmale das Kompetenzmanagement im wesentlichen lediglich altbekannte HRAufgaben in neuer Form zusammenfasst. In der Tat ist es so, dass Aufgaben und Bestandteile eines Kompetenzmanagements nicht wirklich neu sind. Die klassi-
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit
41
sche Organisations- und Personalentwicklung hat sie weitgehend auch in der Vergangenheit mit zahlreichen Instrumenten effektiv bedient. Neu ist der gewachsene Anspruch an die Genauigkeit und Systematik mit der hierbei gearbeitet werden muss. Damit das Kompetenzmanagement in der heutigen Unternehmensumwelt wirklich zu strategischen Wettbewerbsvorteilen beitragen kann, und dadurch auch als Instrument langfristig eine Zukunft hat, muss es in der Lage sein, mehr zu leisten, als die klassischen Personalinstrumente. Dies gilt für alle vier genannten Merkmale. Anhand des ersten Merkmals der Beschreibung erfolgskritischer Kompetenzen soll dieser Punkt beispielhaft weiter verdeutlicht werden. 3.1
Erste Reifestufe: Beschreiben des erfolgskritischen Könnens
Das Fundament für ein Kompetenzmanagement wird durch die differenzierte Analyse des erfolgskritischen Könnens der Mitarbeiter in einem individuellen Unternehmen gelegt. Die Betonung liegt dabei auf erfolgskritisch, also ausschlaggebend für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens. Damit die hieraus resultierenden Kompetenzlisten nicht zu umfangreich werden muss konsequent alles weggelassen werden, was vielleicht nur wünschenswert oder branchenüblich, aber eben nicht erfolgskritisch ist. Anstelle einer solchen, der strategischen Bedeutung angemessenen, differenzierten Erarbeitung der Kompetenzen gemeinsam durch Personal- und Fachexperten wird nur allzu oft diese Aufgabe nur unzureichend ernst genommen und erfüllt wird. Heraus kommen dann allzu häufig die gleichen stereotypen Listen mit den immer gleichen, allgemein formulierten Kompetenzen. So ist beispielsweise Teamfähigkeit sicherlich eine wünschenswerte Eigenschaft. Aber kaum jemand macht sich die Mühe, anhand konkreter Verhaltensanker herauszuarbeiten, was Teamfähigkeit z. B. in der spezifischen Kultur des Unternehmens bedeuten soll oder worin sich Teamfähigkeit bei Meistern in der Produktion oder bei Vorstandsassistenten konkret äußert. Und auch wenn Teamfähigkeit wünschenswert ist, muss doch die Frage gestellt werden, ob Teamfähigkeit bei beiden Mitarbeitergruppen so wichtig für den Erfolg ist, dass sie in ein bewusst im Umfang auf die wichtigsten Kompetenzen beschränktes, funktionsspezifisches Profil aufgenommen werden muss. Der Aufwand für eine differenzierte Erarbeitung ist hoch. Intensive Diskussionen in meist mehrtägigen Workshops prägen aus der Capgemini Beratungserfahrung den Prozess. Häufig beginnen die lebhaften Diskussionen schon damit, dass kein gemeinsames Verständnis innerhalb des Unternehmens darüber besteht, welches Können eigentlich ihrem Erfolg zugrunde liegt oder, schwieriger noch, in Zukunft erfolgskritisch sein wird.
42
Christopher Nienaber
Hauptaufgabe der Prozessmoderatoren ist es, eine Balance zu finden zwischen der erforderlichen Detailtiefe, die zumeist durch konkrete Verhaltensanker erreicht wird, und der Notwendigkeit, nicht zu umfangreiche Listen und Beschreibungen zu erstellen, die in der Praxis den Nutzer überfordern würden. Zwei weitere Aspekte gehören zu der Beschreibung erfolgskritischer Kompetenzen. Zum einen ist sie keine einmalig Übung, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Auch wenn dies offensichtlich erscheinen mag, zeigt die Praxis doch immer wieder, dass nach einem anfänglichen Enthusiasmus die regelmäßige Aktualisierung der Kompetenzbeschreibungen verschleppt wird. Dabei ist gerade dann, wenn es gelungen ist die strategisch relevanten und erfolgskritischen Kompetenzen zu beschreiben, die kontinuierliche Pflege entscheidend. Denn um diese Relevanz zu erhalten müssen sie regelmäßig an die Auswirkungen strategisch relevanter Veränderungen, wie sie beispielsweise aus dem Bereich der technologischen Innovationen oder der konjunkturellen Entwicklung kommen, angepasst werden. Der zweite Aspekt ist die konsequente Nutzung der erarbeiteten Beschreibungen für alle in Frage kommenden HR-Themen. Es macht keinen Sinn, Kompetenzbeschreibungen z. B. für die bedarfsorientierte Weiterbildung zu nutzen, aber in der Personalauswahl, bei der Personalbedarfsplanung oder bei der Leistungsbeurteilung andere Dimensionen einzusetzen. Auch bedeutet dies eine unnötige Mehrbelastung für die Führungskräfte, die je nach personalbezogener Fragestellung dann mit unterschiedlichen Begriffen für die Beschreibung des gleichen Könnens ihrer Mitarbeiter operieren müssen. Auch hier zeigt die Praxis, dass dieser an sich offensichtlich erscheinende Punkt häufig nicht umgesetzt ist. Auch unabhängig von den folgenden Stufen ist das erfolgreiche Erreichen dieser ersten Stufe bereits eine vollwertige Leistung des strategischen Kompetenzmanagements. Durch die Beschreibung in Form von Kompetenzen können strategische Herausforderungen, denen das Unternehmen insgesamt gegenübersteht, in konkrete Verhaltensanforderungen für die Mitarbeiter übersetzt werden. Besonders wichtig ist diese erste Reifestufe für Unternehmen mit hoher Veränderungs- oder technischer Innovationsrate, da die hieraus resultierenden Veränderungen für Mitarbeiter immer wieder aufs Neue durch klare, verhaltensbezogene Kompetenzbeschreibungen verdeutlicht werden müssen. Den Mitarbeitern und Führungskräften wird es so erleichtert, die Bedeutung einer strategischen Veränderung für ihre individuelle Funktion zu verstehen und umzusetzen. Das Unternehmen insgesamt kann so flexibler auf Veränderungen im strategischen Umfeld reagieren und Strategieänderungen intern umsetzen. 3.2
Zweite Reifestufe: regelmäßige und aussagekräftige Messung der Kompetenzen als Basis für HR-Aktivitäten
Die Messung der Kompetenzen kann auf unterschiedlichen Wegen wie Selbsteinschätzung, Sammlung von biographischen Daten, Vorgesetzten oder Experteneinschätzungen, Kompetenzgesprächen zwischen Mitarbeiter und Führungskraft etc.
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit
43
erfolgen. Als Qualitätsmerkmal für diese Stufe entscheidend ist die Regelmäßigkeit dieser Messung sowie ihre Aussagekraft. Liegen die Kompetenzdaten vor ist es nur naheliegend, sie auch für alle in Frage kommenden HR-Aktivitäten zu nutzen. Wenn anstelle valider Kompetenzeinschätzungen taktisch motivierte, sozial erwünschte oder aufgrund einer Überforderung des Beurteilers schlicht fehlerhafte Einschätzungen abgegeben werden sind die erhobenen Daten nicht hilfreich. Hier stellen sich die gleichen klassischen Beurteilungsprobleme wie sie aus der Personalauswahl in Form der Beurteilungsfehler oder aus der Leistungsbeurteilung in dem Phänomen der Führungskräfte mit ausschließlich überdurchschnittlichen Mitarbeitern bekannt sind. Die Lösungsansätze insbesondere durch Beurteilerschulung und Mehrfachbeurteilung sind bekannt. Als Aufgaben sind sie insbesondere in der Führungskräfteentwicklung angesiedelt. So kann beispielsweise durch ein klassisches Führungskräftetraining zu Mitarbeiterbeurteilung und Gesprächsführung bereits sehr viel für die Qualität des Kompetenzmanagements erreicht werden. In der Projektpraxis wird allerdings häufig der Zeit- und Ressourcenaufwand unterschätzt, der in solche Maßnahmen fließen muss. Die Folge kann sein, dass trotz besseren Wissens solche Maßnahmen aufgrund von Budgetgrenzen nicht ausreichend im Zuge der Einführung des Kompetenzmanagements unterstützt werden. In Kompetenzmanagementprojekten wird in der Diskussion über die Messung und Abbildung der Kompetenzen häufig ein starker Fokus auf IT-Lösungen gelegt. Auch wenn die elektronische Speicherung personenbezogener Kompetenzdaten aufgrund des Datenschutzes und häufig auch der Mitbestimmung gerade in Deutschland nach wie vor ein schwieriges Thema ist, ist sie doch in den allermeisten Kompetenzmanagementprojekten ein entscheidender Erfolgsfaktor. Heutige Softwarelösungen umfassen ausgereifte und komfortable Funktionen für die Erfassung, Speicherung und Auswertung gemessener Kompetenzdaten. Für die eigentliche Messung bieten sie allerdings kaum eine Erleichterung. Eine Gefahr besteht in der Projektpraxis darin, dass durch die beeindruckende Vielfalt der Funktionen derartiger Softwarelösungen und den mit ihnen verbundenen Implementierungsaufwand andere Projektfragen in den Hintergrund geraten. Entscheidend ist es, sich bei einer geplanten IT-Lösung auf das mit Blick auf die Zielsetzung des Kompetenzmanagements wirklich Erforderliche zu beschränken und sich nicht in der verlockenden Vielfalt des technisch Machbaren zu verzetteln. Die zweite Reifestufe des Kompetenzmanagements ist erreicht, wenn die erfolgskritischen Kompetenzen der Mitarbeiter regelmäßig valide erfasst werden und wie andere, klassische Controllingdaten den Führungskräften gerade auch außerhalb des Personalbereiches zur Verfügung stehen. Entscheidend ist dabei nicht das bloße Vorliegen der Daten und Berichte, sondern ob die enthaltenen Informationen aus Sicht der Führungskräfte tatsächlich hilfreich sind. Hauptanwendungsfeld für
44
Christopher Nienaber
die Nutzung der Informationen sind dabei alle personalbezogenen Aktivitäten von der Personalbedarfsplanung, über die -beschaffung, -qualifizierung bis hin zur Personalfreisetzung. 3.3
Dritte Reifestufe: Nutzung der Information für strategische Entscheidungen
Der Übergang von der zweiten zur dritten Reifestufe ist fließend. Erreicht ist die dritte Stufe allerdings erst dann, wenn die Kompetenzinformation tatsächlich auch bei der Entwicklung neuer Visionen und Strategien für das Unternehmen herangezogen wird. Es genügt hierfür nicht, mit Kompetenzinformationen das Funktionieren von personalbezogenen Aktivitäten administrativ zu managen und zu controllen. Nicht die gegenwarts- oder vergangenheitsbezogene Nutzung der Kompetenzinformation steht bei der dritten Stufe im Vordergrund, sondern ihr Wert für die Gestaltung der Unternehmenszukunft. Beispielsweise plant ein bisher ausschließlich in Deutschland tätiges Unternehmen durch den Kauf eines Unternehmens im Ausland zu expandieren oder Kapazitäten zu verlagern. Hierfür ist es selbstverständlich, eine ausführliche Analyse der Standortfaktoren, Marktchancen, verwendeten Technologien, Finanzierungsmöglichkeiten etc. durchzuführen. Weniger kritisch wird häufig hinterfragt, ob das kaufende Unternehmen auch die erforderlichen Mitarbeiterkompetenzen im Management und bei den für die Integration erforderlichen Fachexperten wie Ingenieuren oder Finanzexperten besitzt. Erfolgskritische Kompetenzen sind beispielsweise Fremdsprachenkenntnisse, Mobilitätsbereitschaft für Reisen oder Auslandeinsätze, praktische Erfahrungen mit Mergers & Acquisitions, Kompetenzen für Change Management und Kulturwandel, interkulturelle Kompetenz, Kenntnis spezifischer Technologie im zu kaufenden Unternehmen etc.. Ein strategisches Kompetenzmanagement stellt die IstSituation im Unternehmen dar und zeigt Wege auf, wie Kompetenzlücken durch Personalbeschaffung, Qualifizierung, externe Unterstützung oder andere Maßnahmen abgedeckt werden können. Die dritte Stufe ist erreicht, wenn für strategische Unternehmensentscheidungen die Kompetenzinformationen eine gleichberechtigte Rolle neben den etablierten Entscheidungskriterien spielen. In der heutigen Praxis strategischer Entscheidungen wird allerdings vielfach gar nicht erst der Versuch unternommen, Analysen zu relevanten Kompetenzinformationen in vergleichbarer Qualität wie Finanz- oder Marktanalysen zu erstellen und Entscheidungen auf sie zu gründen. 3.4
Vierte Reifestufe: Kommunikation des eigenen Könnens als Unternehmen nach außen
Die Kommunikation des eigenen Könnens als Unternehmen ist von wachsender Bedeutung insbesondere für die Bewertung des Unternehmens auf den Finanz-
Die Bedeutung des Kompetenzmanagements für die strategische Personalarbeit
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märkten, sowie ebenso auch auf dem Arbeitsmarkt für die Bewertung als potentieller Arbeitgeber. Für Analysten auf den Finanzmärkten sind die immateriellen Unternehmenswerte bereits fester Bestandteil ihrer Analysen. Mit zunehmender Bedeutung der Mitarbeiterkompetenzen für die Wettbewerbsfähigkeit werden diese auch an Gewicht gegenüber anderen Kriterien gewinnen. Die große Herausforderung besteht hierbei darin, eine angemessene Bewertungsgrundlage für die Einbeziehung der Kompetenzen in die Unternehmensbewertung zu schaffen. Diese wird unter dem Stichwort der Humankapital-Bilanz von Unternehmen zunehmend gefordert (Scholz, Stein, Bechtel, 2004). Bevor eine monetäre Bewertung von Kompetenzen jedoch in irgendeiner Form sinnvoll sein kann, müssen diese als Kompetenzen überhaupt erst einmal zufriedenstellend erfasst werden. Hier besteht die Aufgabe des strategischen Kompetenzmanagements. Die Humankapital-Bilanz stellt dabei eine sehr anspruchsvolle Form der Kommunikation nach außen dar. Weniger aufwändig, aber für die Finanzmärkte sehr aufschlussreich kann bereits die Information sein, dass ein Unternehmen überhaupt in professioneller und kontinuierlicher Weise Kompetenzen managt. Dies signalisiert, dass ein Unternehmen die Bedeutung der Mitarbeiterkompetenzen als strategischem Wettbewerbsfaktor für sich erkannt hat und damit auch in diesem Bereich gezielt das Unternehmen auf Erfolg ausrichten kann. Wie viel und in welcher Form dann über die Kompetenzen im Unternehmen nach außen kommuniziert werden soll, kann unternehmensspezifisch festgelegt werden. Für den Arbeitsmarkt ist es hilfreich, interessanten Bewerbern über das Vorhandensein eines Kompetenzmanagements aufzuzeigen, dass sie als Mitarbeiter des Unternehmens kontinuierlich und bedarfsgerecht gefördert werden. Gerade in Branchen mit einem hohen Innovationstempo und anspruchsvollen Technologien ist das Kompetenzmanagement auch ein Beleg für die Fähigkeit des Unternehmens, hier dauerhaft Spitzenpositionen behaupten zu können. Über das Personalmarketing kann so das Image des Unternehmens als Arbeitgeber gestärkt werden. Mit Blick auf den Trend eines zunehmenden Wettbewerbs um talentierte Mitarbeiter ist dies von hoher Bedeutung. Um in der Kommunikation über Kompetenzen glaubwürdig und langfristig überzeugend sein zu können, muss das Kompetenzmanagement gelebt werden und strategisch auf die unternehmensspezifischen Bedürfnisse ausgerichtet sein. Die vorgestellten vier Reifestufen zeigen hierfür den Weg auf. Auf diesem Weg wird das strategische Kompetenzmanagement seiner in den HR-Strategie Studien aufgezeigten Bedeutung gerecht und unterstützt das Unternehmen insgesamt bei der Bewältigung der aufgezeigten Trends und strategischen Herausforderungen.
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Christopher Nienaber
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Unternehmerische Werte und personelle Kompetenzen
Lutz von Rosenstiel Einleitung Unternehmen sind, wie alles von Menschen Gemachtes, Bestandteil einer historisch-gesellschaftlichen Entwicklung. Z.T. treiben sie diese Entwicklung aktiv durch z. B. Innovationen voran, z.T. prägen sie diese wider Willen, wie z. B. durch massive unternehmerische Fehlentscheidungen, z.T. müssen sie sich auch schlicht an das anpassen, was sie selbst in dieser Form weder wollten noch verursacht haben. Die Unternehmen sind also – wie die in ihnen tätigen Menschen – sowohl Täter als auch Opfer, wobei diese beiden Rollen im konkreten Fall höchst unterschiedlich verteilt sein können. Unternehmen haben also ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart und ihre, ihnen meist unbekannte, Zukunft. Im Rahmen ihrer im Gestern liegenden Entwicklung bilden sie spezifische Strukturen und Prozesse aus; das Verhalten ihrer Mitglieder wird durch formelle und informelle Normen geprägt; es bilden sich unreflektierte Selbstverständlichkeiten und mehr oder weniger bewusste Orientierungen an gemeinsamen Vorstellungen des Wünschenswerten heraus. Kurz: Das Unternehmen entwickelt eine spezifische Kultur, in deren Zentrum Werte stehen. Die im Unternehmen tätigen Menschen stehen vor bestimmten Herausforderungen, die sich z.T. aus den konkreten Anforderungen ihrer Aufgabenstellungen ergeben, z.T. aber auch aus den Besonderheiten des Zusammenlebens im Unternehmen, aus seiner Kultur. Dafür sind ganz bestimmte Eignungen und Neigungen erforderlich, die im Unternehmen z.T. durch Maßnahmen der anforderungsbezogenen Personalauswahl und der gezielten Personalentwicklung aufgebaut werden, die sich aber auch weitgehend ungesteuert im Zuge der organisationsspezifischen Sozialisation ergeben. Dabei kommt es u.a. auch zum Aufbau spezifischer Kompetenzen im Prozess der Arbeit und im sozialen Umfeld. Welche Werte „heute“ in Unternehmen gelten und über welche Kompetenzen die Mitarbeiter „heute“ verfügen, lässt sich mit unterschiedlichen quantitativen oder qualitativen Verfahren ermitteln. Wie es freilich morgen aussehen wird, ist mehr oder minder ungewiss, doch bemühen sich immer mehr Unternehmen darum, nicht bloße Opfer des gesellschaftlichen Wandlungsprozesses zu sein, sondern sich aktiv in diesem zu positionieren oder ihn gar mit zu gestalten: Unternehmen entwickeln Strategien, planen ihre Zukunft und suchen diese Planung aktiv umzusetzen. Entsprechend findet man nicht selten Visionen oder Leitbilder, die Unternehmenswerte für die Zukunft als Orientierungen festschreiben und auch ein strategisches Kompetenzmanagement, das Weichen in so fern stellt, als darin die besonderen Kompetenzen von Mitarbeitern beschrieben sind, die künftig im Unternehmen im Rahmen seiner Ge-
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Lutz von Rosenstiel
samtstrategie benötigt werden. Diese künftigen Werte und diese künftigen Kompetenzen sind also innerhalb der Strategie normativ gesetzt und entsprechend nicht – wie die gegenwärtigen – empirisch zu ermitteln. Laufen nun die Gestaltungen der künftigen Unternehmenswerte und der zukünftigen Kompetenzen unverbunden nebeneinander her, oder gibt es dort Vernetzungen bzw. sollte es Vernetzungen geben? Damit setzen sich die nachfolgenden Überlegungen auseinander.
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Unternehmerische Werte
Überall dort, wo Menschen über eine längere Phase gemeinsam handeln, bilden sich bei ihnen bestimmte Vorstellungen davon heraus, was als wünschenswert und was als ablehnungswert erscheint. Dies gilt bereits für Familien, es gilt für Arbeitsgruppen, ganze Unternehmen, Staaten oder kulturelle Räume. 1.1
Individuelle Werthaltungen und gesellschaftliche Werte
Die jeweils miteinander verbundenen Menschen entwickeln gemeinsam Wertorientierungen bzw. Werthaltungen (Helmut Klages, 1984). Ihr gemeinsames durch die spezifischen Orientierungen gesteuertes Handeln führt zu Objektivationen, zu Artefakten (wie z. B. zu Wohnungseinrichtungen, zur Ausstattung von Arbeitsräumen, zu Formen des Umgangs miteinander oder zu spezifischen Ausdrucksformen von Hochkulturen). In diesen von Menschen geschaffenen Prozessen oder Dingen werden nun die überindividuellen Werte sichtbar, seien es Familien- oder Unternehmenswerte, oder auch die gesellschaftlichen Werte eines bestimmten Staates in einer begrenzten historischen Epoche. So waren etwa im europäischen Hochmittelalter die Menschen in ihren Wertorientierungen stark durch das Religiöse bestimmt und auch die Gesellschaft hatte als Kern den Wert des Religiösen. Nur so ist erklärbar, dass mit allgemeiner Akzeptanz Verhaltensnormen in formalisierter und informeller Weise aufgebaut wurden, die ein gottgefälliges Leben forderten und Normbrecher dem Scheiterhaufen überantworteten. Und so wird verständlich, dass mit weitestgehender Billigung der Betroffenen große Teile der gesellschaftlichen Wertschöpfung in kirchliche Bauwerke – man denke an die mächtigen Kathedralen und Klöster der Romanik und der Gotik – investiert wurden. Dabei ist unverkennbar, dass sich in Zeiten des Wandels die Wertorientierungen der Einzelnen und die Werte der Gesellschaft nicht immer synchron entwickeln. Dies führt dann zu Brüchen und Krisen; die Mitglieder der Gemeinschaft können sich dann mit den Normen der sie verbindenden Gesellschaft nicht mehr identifizieren. Es kommt im Extremfall zur Revolution, in der neue gesellschaftliche Werte – man denke an Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – gesetzt werden. Oder es sind – wie im Zuge des gesellschaftlichen Wandels in jüngerer Zeit (Helmut Klages, 1984) – die Selbstentfaltungswerte – etwa Autonomie und Selbstbestimmung – die Dominanz über Pflicht- und Akzeptanzwerte gewinnen. Oder es
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werden erhebliche Gesetzesänderungen erforderlich etwa die Abschaffung oder Lockerung der Strafandrohung für homosexuelle Aktivitäten unter Erwachsenen oder bei Schwangerschaftsabbruch. Auch im Unternehmen können sich Gräben zwischen dessen Werten den Wertorientierungen seiner Mitglieder auftun, was dann zu Wertkonflikten und Identifikationskrisen führen kann (Lutz von Rosenstiel & Martin Stengel, 1987). Es fordert dann eine aktive Strategie eine für das Unternehmen kennzeichnende werteorientierte Personalpolitik (Gerhard Bihl, 1994) heraus. 1.2
Unternehmerische Werte als empirischer Tatbestand
Werte im Unternehmen sind durchaus bewusstseinsfähig, aber nicht unbedingt bewusstseinspflichtig. Sie werden zwar gelebt, aber nicht immer erlebt. In bewusstseinsfähiger Form findet man sie häufig im Leitbild des Unternehmens (Werner Kirsch, 1997; Lutz von Rosenstiel, 2003), in Maximen oder Grundsätzen (z. B. „Das Beste oder Nichts“, „Vorsprung durch Technik“) oder auch in den „Mission Statements“ des Vorstands. Nicht bewusst dagegen sind häufig jene Werte, die sich in einer Vielzahl anderer verbaler, interaktionaler oder artifizieller Zeichen im Unternehmen objektiviert haben. Bei Wahl der entsprechenden Betrachtungsperspektive lässt sich ja das Unternehmen insgesamt als System „geronnener Werte“ (Lutz von Rosenstiel, 1984) interpretieren: Die Architektur der Hauptverwaltung, das Logo, der Stil bei Jubiläen, Konferenzen und Tagungen, die Produktpalette und die Marketinginstrumente sind ja jeweils Ausdruck dessen, was den Entscheidern, häufig den Mächtigen in der Unternehmensvergangenheit, wichtig und wertvoll war. Die in den sichtbaren Zeichen verborgenen Werte müssen nun in fachkundiger Weise gedeutet werden (Oswald Neuberger, 1989), wofür sich Methoden anbieten, wie sie in der Unternehmenskultur-Forschung gebräuchlich sind (Edgar Schein, 1995). Ohnehin ist das zentrale Konzept zur Diagnose unternehmerischer Werte die Unternehmenskultur, in deren Zentrum nach weitgehend übereinstimmender Auffassung Werte stehen. Dieser Ist-Zustand ist also nicht normativ zu setzen, sondern die geltenden Normen sind empirisch zu erheben. 1.3
Unternehmerische Werte als normative Setzungen in strategischen Konzepten
Mehr und mehr Unternehmen bemühen sich darum, nicht Opfer, nicht Spielball der Entwicklung zu werden, sondern ihre Zukunft aktiv – als Täter – zu gestalten. Im Rahmen ihrer strategischen Konzepte (Werner Kirsch, 1997; Michael Mirow, 2004) sind sie vielfach auch darum bemüht künftig anzustrebende Unternehmenswerte zu benennen, was nicht selten durch die Formulierung eines Leitbildes erfolgt. Entsprechend heißt es in der Präambel des Leitbildes der Siemens AG: „Unsere Werte bestimmen was uns wichtig ist, bestimmen die Ziele die wir anstreben, bestimmen unser Verhalten…“ Man kann durchaus wissenschaftlich untersuchen, welcher Prozess zur Benennung ganz spezifischer Werte, etwa der Be-
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tonung einer unternehmerischen Verantwortung für die Gesellschaft oder Umwelt, für die auch künftig zu sichernde Autonomie, für die Arbeitsplatzsicherheit der Mitarbeiter oder für den Shareholder Value formuliert wird. Die Inhalte der Unternehmenswerte selbst zu bestimmen geht kaum auf wissenschaftlicher Basis, sondern ist Ergebnis eines normativen Handelns, der Unternehmenspolitik. 1.4
Wege der Umsetzung
Häufig wird den Unternehmen mit guten Argumenten vorgeworfen, dass ihre strategischen Unternehmenswerte lediglich in den Sonntagsreden der Vorstandsmitglieder und in Hochglanzbroschüren ihr Dasein fristen und im unternehmerischen Alltag kaum sichtbar werden. So findet man nicht selten höhnische Kommentare von Leistungsträgern im Unternehmen über die Formulierung im Leitbild „Leistung lohnt“, von Mitarbeiter, die den Kündigungsbrief erhalten, über den schönen Satz „die Mitarbeiter sind unser wertvollstes Kapital“ oder von Kunden, die sich zurecht oder unrecht schlecht behandelt fühlen über die Aussage „der Kunde bestimmt unser Handeln“. Werte, die die Zukunft des Unternehmens bestimmen sollen, müssen gelebt werden und sich den Strukturen und Prozessen des Unternehmens mit Blick nach Innen und nach Außen wieder finden lassen. Entsprechend gilt es zu fragen, auf welche Weise die Werte formuliert und welche Wege der Umsetzung nach der Formulierung eingeschlagen wurden. Überlässt man die Formulierung der Werte einen im Sprachlichen geschickten Werbetexter und beschränkt man sich im Weiteren darauf, dessen Formulierungen durch Vorstand und der Geschäftsleitung absegnen zu lassen, was leider gelegentlich immer noch der Fall ist, so wird sich – auch wenn inhaltlich an den Formulierungen kaum legitime Kritik geäußert werden kann – kaum Akzeptanz für diese Werte finden. Es gilt also im Rahmen eines angemessenen Prozesses der Partizipation möglichst viele der Betroffenen einzubinden; sei es im Rahmen strategischer Workshops, in umfangreichen Meetings von symbolischem Wert, in Vieraugengesprächen, Ideenwettbewerben oder vielem anderen mehr (Werner Kirsch, 1997). Hier also meist der Weg zugleich das Ziel. Darüber hinaus gilt es zu fragen, wie sich die genannten Werte – die ja stets einen relativ hohen Allgemeinheits- und damit Abstraktionsgrad haben müssen – konkret sichtbar machen lassen, wie sie also gelebt und objektiviert werden können. Dafür sind unter anderem auch Maßnahmen der Personalauswahl und -entwicklung notwendig, damit entsprechende Kompetenzen von Mitarbeitern für das Unternehmen gewonnen und entwickelt werden können. Es muss darüber hinaus festgelegt werden, auf welche Inhalte in welcher Priorisierung sich das kompetente, unternehmerische Handeln richtet, was also wertvoller und was weniger wertvoll bei der Unterscheidung zwischen Alternativen zu gelten hat. Was konkret heißt die Formulierung im Leitbild „der Kunde bestimmt unser Handeln“, wenn dieser sich mit einer Reklamation an das Unternehmen wendet? Haben die angesprochenen Mitarbeiter die notwendige sozial-kommunikative Kompetenz, um in einer angemessenen Weise mit dem klageführenden Kunden umgehen zu können? Akzeptiert der auf Pünktlichkeit versessene Vorgesetzte, wenn einer seiner wichtigsten Mitarbeiter deutlich verspätet zum Meeting kommt
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und sich damit entschuldigt, dass er noch ein unerwartetes Gespräch mit einem Kunden zu führen hatte? Werte müssen gelebt werden, was sowohl Voraussetzungen bei den handelnden Personen als auch im handlungsbestimmenden unternehmerischen Umfeld erfordert.
2
Personelle Kompetenzen und unternehmerische Kompetenzmodelle
Von je her suchte man im Unternehmen – selbst in den handwerklichen Betrieben der Vergangenheit – Anforderungen beruflicher Art zu bestimmen und sodann Menschen auszuwählen oder auszubilden, die diesen Anforderungen gerecht werden. Schon früh beschränkte man sich bei der Beschreibung derartiger Anforderungen nicht allein auf das Fachliche, sondern suchte darüber hinaus auch erwünsche „Charaktermerkmale“ der Mitarbeiter zu benennen. Man denke in diesem Zusammenhang an tradierte Handwerksordnungen oder auch an jene ein wenig berufsständig anmutende Anforderungskataloge, die man bei der einstigen Bundesanstalt für Arbeit oder bei den einschlägigen Kammern vorfinden konnte und kann. Nun waren in vergangenen Tagen diese Anforderungen relativ stabil; was gestern gefordert worden war, galt auch heute und morgen. Entsprechend konnte in institutionalisierter Weise an relativ klar zu benennenden Kriterien ausgewählt und ausgebildet werden. Vielfach waren die Kriterien in Prüfungsordnungen festgeschrieben. Heute – in Zeiten sich beschleunigenden Wandels, der politisch, ökonomisch, technologisch etc. bedingt ist – wandelt sich die Anforderungen beständig, so dass man im modernen Unternehmen nicht mit Sicherheit angeben kann, was künftig von den Mitarbeitern im Fachlichen und Überfachlichen gefordert werden wird. Es gilt ja in der Personalarbeit häufig die Mitarbeiter für die Anforderungen von Morgen auszuwählen und zu qualifizieren. Dies aber wird, wenn präzise Kriterien genannt werden sollen, immer schwieriger. Wer heute auswählt kann häufig keine konkreten Auswahlkriterien benennen, wer in der Aus-, Fortund Weiterbildung tätig ist, kann entsprechend kaum präzise Lernziele definieren. Immer häufiger werden in den Unternehmen und auch sonst Menschen vor Situationen komplexer und unerwarteter Art gestellt, die sie selbstorganisiert bewältigen müssen. Dies hat dazu geführt, dass neben die herkömmlich zu bestimmenden und zu entwickelnden Qualifikationen, die Kompetenzen treten. Diese lasse sich bei einzelnen Mitarbeitern bestimmen (John Erpenbeck & Lutz v. Rosenstiel, 2003) oder entwickeln (Volker Heyse & John Erpenbeck, 2004) aber auch als globale Anforde-rungen in den Kompetenzmodellen strategischer Art der Unternehmen dokumentieren (Lutz v. Rosenstiel, Dirk Pieler & Glass, 2004).
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2.1
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Kompetenzen als Selbstorganisationsdisposition
Über Kompetenz wird in Wissenschaft und Praxis in jüngster Zeit vermehrt gesprochen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sucht im Rahmen eines langfristig angelegten Forschungsprogramms „Lernkultur Kompetenzentwicklung“ einschlägiges Wissen zu generieren (John Erpenbeck & Johannes Sauer, 2000); Psychologen, Pädagogen und Soziologen suchen den Begriff zu präzisieren, immer mehr Unternehmen entwickeln im Rahmen ihres strategischen Kompetenzmanagemente unternehmensspezifische Kompetenzmodelle. Was aber sind Kompetenzen? Der Begriff ist alt und wird unterschiedlich verwendet. Im alten Rom war Kompetenz mit Befugnis gleichzusetzen, ein Wortverständnis, das wir auch heute noch finden, wenn z. B. ein Bankangestellter eine Kreditkompetenz bis zu 500.000,-- € erhält. Viele verstehen jedoch Kompetenz als gleich bedeutend mit Fertigkeit, Fähigkeit, Erfahrung, Qualifikation etc. Andere setzten Kompetenz mit einer aus der Situation kommenden Anforderung gleich. Ist also das Wort Kompetenz ein neuer Schlauch, in den man alten Wein füllt? Das mag zunächst so erscheinen. Zunehmend aber findet man in vielen Verhaltenswissenschaften – der Psychologie, der Pädagogik, der Wirtschaftswissenschaft, der Kommunikationswissenschaft – ein sich schärfendes eigenständiges Begriffsverständnis. Es wurde in starken Maße durch David McCelland (1973) geschärft und zwar durch die Forderung künftig statt der Intelligenz besser die Kompetenz zu erfassen, was sein Mitarbeiter Richard Boyatzis (1980) innerhalb seines klassischen Werkes „Competent Manager“ praxisnah auf die Unternehmen der Wirtschaft bezog. Was enthält der Begriff nun Neues, wie lässt er sich von der Qualifikation abheben (Peter Grootings, 1990)? Während die Qualifikation sich in einer relativ standardisierten Weise lernzielorientiert trainieren bzw. Personen mit einschlägiger Qualifikation sich an präzisen Kriterien auswählen lassen, ist die Kompetenz offener und damit in einer eher qualitativen Weise zu erschließen und in einer stärker informellen Weise zu entwickeln. Kompetenzen zeigen und entwickeln sich, wenn der einzelne vor der Herausforderung steht, eine für ihn unerwartete und komplexe Aufgabe selbstorganisiert zu bewältigen. Entsprechend wird Selbstorganisation als Kern des modernen Kompetenzbegriffes gesehen und Kompetenz als Selbstorganisationsdisposition definiert (Erpenbeck & v. Rosenstiel, 2003). Dabei lassen sich Kompetenzen natürlich inhaltlich vielfältig klassifizieren und unterklassifizieren. Eine verbreitete Kategorisierung sieht wie folgt aus: Ɣ
Fachkompetenz, zu verstehen als Disposition, fachliches Wissen selbstorganisiert zu erwerben und damit ausgerüstet zuvor unbekannte komplexe Probleme schöpferisch zu bewältigen.
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Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ
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Methodenkompetenz, zu verstehen als Disposition, angemessene Wege zur Bewältigung komplexer Probleme selbstorganisiert zu entwickeln und sie sodann im Zuge der Problembewältigung in innovativer Weise einzusetzen. Sozial-kommunikative Kompetenz, zu verstehen als Disposition, sich aus eigenem Antrieb selbstorganisiert mit anderen zusammen- und auseinander zu setzen, dabei kreativ zu kooperieren und zu kommunizieren. Personale Kompetenz, zu verstehen als Disposition mit sich selbst reflexiv und kritisch umzugehen, um sodann selbstorganisiert Emotion, Motivation, Einstellungen und Werthaltungen zu entwickeln und zu modifizieren. Aktivitäts- und Handlungskompetenz, zu verstehen als Disposition, selbstorganisiert mit dem eigenen Willen umzugehen, um Angestrebtes auch gegen Widerstände zu erreichen.
Selbstverständlich lassen sich nun diese relativ allgemeinen Kompetenzklassen feiner gliedern. So könnte man innerhalb der sozial-kommunikativen Kompetenz die interkulturelle Kompetenz besonders herausstellen, bei der personalen Kompetenz etwa die emotionale, die dazu befähigt mit eigenen und fremden Gefühlen zielgerichtet und selbstorganisiert umzugehen, wie es etwa in der Dienstleistung besonders wichtig ist. Welche Kompetenzen strategisch nun im Unternehmen besonders bedeutsam erscheinen, suchen diese vielfach im Rahmen ihrer Kompetenzmodelle zu bestimmen. So werden z. B. bei der BASF die „Management-Competencies“ wie folgt kategorisiert und benannt: 1) Unternehmertum – unternehmerisches Handeln – Veränderungsorientierung – Analytisches Denkvermögen – strategisches Denkvermögen 2) Soziale Kompetenz – Kommunikation und Einfühlungsvermögen – Verstehen und nutzen von Organisationen – Einflussnahme und Wirkung – Konfliktfähigkeit – Kundenorientierung – interkulturelle Adaptationsfähigkeit 3) Führung – Personal- und Teamführung – Persönliches Commitment. 2.2
Kompetenzmessung und -entwicklung
Damit das Unternehmen seine strategischen Ziele erreichen kann, bedarf es der Kompetenz. Nun kann ein Unternehmen auf verschiedene Weise die notwendigen
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Kompetenzen erwerben. Der Weg über das Gewinnen und Entwickeln kompetenter Mitarbeiter ist nur einer von mehreren. Es gibt durchaus kompetente Unternehmen, deren Mitarbeiter vermutlich nicht übermäßig kompetent sind, man denke an McDonalds, während es andererseits Organisation mit durchaus zweifelhafter Kompetenz gibt, deren Mitglieder sich durch beeindruckende Kompetenz ausweisen – man denke z. B. an Universitäten. Kompetenz des Unternehmens kann also auch über organisationales Lernen, das sich dann in Praktiken, Normen, internen Netzen und gelebten nützlichen Selbstverständlichkeiten niederschlägt, erworben werden und keineswegs nur über Personalentwicklung. In diesem Beitrag aber stehen personelle Kompetenzen im Vordergrund, die es – geht es um die Umsetzung eines strategischen Kompetenzmanagements – zu messen und zu entwickeln gilt. Nun lassen sich herkömmlich bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, z. B. die Fähigkeiten – insbesondere die Intelligenz – die Fertigkeiten, Interessen, unternehmensspezifische Motive und Einstellungen mit bewährten Verfahren der Psychodiagnostik relativ objektiv, reliabel und valide, bei ausreichender Akzeptanz und Ökonomie messen (Werner Sarges & Heinrich Wottawa, 2001). Bei den Kompetenzen ist es schwieriger. Sie können häufig nicht in einem klassisch-psychometrischen Sinne gemessen werden, sondern es gilt sie zu erkennen, zu verstehen und zu bewerten (John Erpenbeck & Lutz v. Rosenstiel, 2003). Dabei kann man den Weg gehen, die Biografie des Einzelnen auf kritische Lebensereignisse hin zu durchleuchten, um zu sehen, auf welche Weise er oder sie diese Herausforderungen bewältigte (John Erpenbeck & Volker Heyse, 1999) oder auch bei einem Top-Manager zu analysieren, wie er herausragende Anforderungen und Krisen seines beruflichen Weges nicht nur intellektuellen sondern auch unter den Aspekten seiner Motivation, seiner Volition, seiner Emotion und seines sozialen Verhaltens meisterte (Axel Peters & Holger Winzer, 2003). Inzwischen liegen recht viele unterschiedlich strukturierte einschlägige Verfahren vor, wobei überrascht, dass diese mehrheitlich in der Praxis – etwa bei Beratern oder in den Personalabteilungen der Unternehmen – und nicht in der Wissenschaft, in Universitäten, entwickelt wurden. Der Grund liegt vermutlich da, dass der Bedarf der Unternehmen an derartigen Verfahren innerhalb der Wissenschaft verspätet bemerkt wurde. Kompetenzen, lassen sich nun nicht – auch wenn man bei den Mitarbeitern und MitarbeiterInnen spezifische Defizite diagnostiziert – in einer zielorientierten und institutionalisierten Weise im Rahmen der herkömmlichen Fort- und Weiterbildung entwickeln (Erich Staudt & Bernd Kriegesmann, 1999). Sie werden, wie bereits betont, in informeller Weise im Prozess der Arbeit und im sozialen Umfeld selbstorganisiert erworben. Dabei können freilich bewährte und teilstandardisierte Vorgehensweisen helfen, wie „Kode“ oder „Kode X“ (Volker Heyse & John Erpenbeck, 2004) aber auch eine „Kompetenzenbilanz“ (Thomas Lang - von Wins & Claas Triebel 2005) kann hilfreich sein, bei der zunächst bei der Analyse des beruflichen und privaten Lebenslaufs Kompetenzstärken und -schwächen diagnostiziert und darauf aufbauend durch gezieltes Coaching und durch den Coach angeregtes Selbstmanagement des Coachees Kompetenzen aufgebaut werden können.
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Für den, der im Unternehmen für die Kompetenzentwicklung von Mitarbeitern verantwortlich ist, sollte gelten, dass er oder sie vom „Oberlehrer“ zur „Kompetenzhebamme“ wird, was – exemplarisch genannt – konkret heißen könnte: Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ 2.3
keine Lernziele vorformulieren, sondern offen sein für das Arbeits- und Lebensfeld des Lernenden! nicht von den heutigen Anforderungen ausgehen, sondern gemeinsam abwägen, was kommen könnte! Unterstützung geben beim Bewusstmachen impliziten Wissens! Das Weitergeben expliziten Wissens fördern! Vernetztes gemeinsames Lernen anregen, damit jeder erkennt, was der andere besonders gut kann! statt eines Curriculuums von Kursen ein systematisch aufeinander aufbauendes Curriculuum neuer Arbeitserfahrungen gestalten! helfen, dass Erfahrungen aus anderen Lebensbereichen in die Arbeitssituation übertragen werden! dazu beitragen, dass die Arbeitsgruppe und/oder das Unternehmen zu einer offenen Gesellschaft mit einer Vertrauenskultur wird! Strukturen und Prozesse in Unternehmen und Kompetenzentwicklung
Hat man vor Augen, dass sich Kompetenzen in der Auseinandersetzung mit unerwarteten und komplexen Herausforderungen selbstorganisiert herausbilden und dass dies vor allem in Prozess der konkreten Arbeit und im sozialen Umfeld in einer nicht formalisierten impliziten Weise erfolgt, so ist offensichtlich, wie das Unternehmen zur Kompetenzentwicklung von Mitarbeitern beitragen kann. Es gilt eine Kompetenzen förderliche Arbeitsumgebung zu schaffen, die ausgezeichnet ist durch eine Vielfalt von Anforderungen, die zumindest z.T. für den Ausführenden neu sein sollten; es gilt dem Einzelnen die Autonomie auf dem Feld der Aufgabenstellung zu geben, damit er dort lernt selbst zu entscheiden und die Prozesse und Ergebnisse zu kontrollieren; er sollte dabei auch außerhalb des Dienstweges Kontakte zu jenen Menschen in und außerhalb des Unternehmens aufnehmen können, von dem er etwas lernen könnte; er sollte rasch Feed-back durch Personen oder Systeme für sein Handeln erhalten, damit er aus Fehlern lernen kann; es sollte eine Vertrauenskultur im Unternehmen entstehen, die es dem Einzelnen erlaubt, offen über Fehler und Misserfolge zu sprechen um dies als Lernchance zu begreifen.
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Werte und Kompetenzen – getrennte Welten?
Häufig werden strategische Werte bis hin zur konkreten Leitbildformulierung in einem engen und kleinen Kreis von externen Beratern und ausgewählten Führungskräften im Umfeld des Vorstands oder der Geschäftsleitung formuliert, um
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Lutz von Rosenstiel
auf diese Weise das Unternehmen bestimmten Zielgruppen gegenüber – z. B. Kunden, Banken, Kooperationspartnern aber auch Mitarbeitern – neu zu positionieren und ihm – im Sinne einer Weichenstellung – eine neue Richtung zu geben. Dagegen erfolgt das strategische Kompetenzmanagement vielfach von den soeben skizzierten Aktivitäten weitgehend losgelöst im Rahmen der Personalarbeit, die nicht ausreichend als gewichtiger Bestandteil der Umsetzung einer Unternehmensstrategie begriffen wird. Zwar gibt es mancherlei pragmatische Argumente für weitgehend von einander unabhängige Vorgehensweisen, doch scheinen hier die Nachteile getrennter Wege zu überwiegen. 3.1
Die Innen- und die Außenperspektive
Wie ein Unternehmen erlebt wird und wie sich die Strukturen und Prozesse faktisch darstellen, das stimmt nicht immer überein. Ähnlich wie das Image eines Produktes seine tatsächlichen Qualitäten, – zumindest kurz- und mittelfristig – nicht immer valide zu erkennen gibt. Unternehmenswerte, die nach Innen und Außen kommuniziert werden, sind gelegentlich eine gute Basis für die Kommunikation mit bestimmten Zielgruppen, für die Public-Relations, jedoch – drückt man es böse aus – nur schöner Schein. Ob die für die Wertrealisierung erforderlichen Kompetenzen beim Unternehmen, oder bei seinen Mitgliedern gegeben sind, bleibt offen und vielfach zweifelhaft. 3.2
Unternehmenswerte als Signal an den Personalmarkt
Insbesondere beim Verfolgen strategischer Zielsetzung können die Formatierung strategischer Werte und die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter nicht immer parallel vorangetrieben werden. Explizit gemacht und entsprechend nach Innen und Außen kommunizierte Unternehmenswerten sind ein Signal an bestimmte Zielgruppen, auch an den Personalmarkt. Mit Hilfe dieser Kommunikation wird das Unternehmen für bestimmte Mitarbeiter, die über erwünschte Kompetenzen verfügen überhaupt erst attraktiv. Freilich sollten dann auch die kommunizierten Werte mit den gewünschten Mitarbeiterkompetenzen inhaltlich korrespondieren und nicht sprachlich oder gar inhaltlich auf einer anderen Ebene liegen. Zeitlich kann aber durchaus ein Abstand bestehen und auch sinnvoll sein. 3.3
Werte als Orientierung
Sind die Unternehmenswerte ausreichend konkret bedacht und formuliert, so geben sie an, welche Verhaltensweisen von den Mitarbeitern künftig gewünscht oder gar gefordert werden. Dies wiederum gibt der Personalentwicklung die Möglichkeit, die unter 3.2 genannten Maßnahmen gezielt einzusetzen und durch geplante Maßnahmen informell Kompetenzentwicklung dort besonders zu fördern und zu fordern, wo dies für die Umsetzung der Unternehmenswerte wesentlich erscheint.
Unternehmerische Werte und personelle Kompetenzen
3.4
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Kompetenzen als Voraussetzung gelebter Werte
Werte haben Einfluss auf menschliches Verhalten; ihre Umsetzung und Konkretisierung aber setzt menschliches Verhalten voraus. Hier also besteht Wechselwirkung. Unternehmenswerte sollen nicht nur auf dem Papier stehen, nicht nur Bestandteil der Strukturen und Artefakte sein, sondern es geht auch um „gelebte Werte“. Dazu benötigt man Mitarbeiter mit den entsprechenden Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kompetenzen, wobei angesichts der zunehmend schwerer vorhersehbaren aber sicherlich immer komplexer werdenden Zukunft den Kompetenzen eine besondere Bedeutung zukommt. Die Gefahr, dass kommunizierte Werte ihre Glaubwürdigkeit verlieren, weil sie im Unternehmen nicht gelebt werden können, da entsprechende Kompetenzen fehlen, ist groß, wenn man strategische Werteformulierungen und strategisches Kompetenzmanagement unabhängig voneinander betreibt.
4
Ein Plädoyer für die Vernetzung
Dezentralisierung hat vielerlei Vorteile. Von einander unabhängige Bereiche oder Prozesse können meist in flexiblerer Weise und rascher zum Ziel gelangen. Dies gilt sicherlich auch für die Generierung strategisch bedeutsamer Werte einerseits und das strategische Kompetenzmanagement andererseits. Beider Maßnahmen können – isoliert betrachtet – auch bestimmten Nutzen stiften, z. B. einerseits für eine innovative Unternehmenskommunikation nach Außen und Innen, andererseits innerhalb der Personalauswahl und -entwicklung. Schraubt man Ansprüche höher und denkt man in weiteren Zeitperspektiven, so ist der getrennte Weg nicht zu empfehlen. Kommunizierte Unternehmenswerte werden zur leeren Hülle, wenn sie nicht durch kompetente Mitarbeiter gelebt werden. Der Personalarbeit fehlen bei der Auswahl der Mitarbeiter die Kriterien, bei der Entwicklung der Mitarbeiter die Ziele, wenn diese sich nicht stringent aus den Unternehmenswerten ableiten. Im Rahmen einer Unternehmensstrategie sollten die verschiedenen Prozesse mit einander vernetzt sein, damit – bei aller Notwendigkeit von Arbeitsteilung – ein einheitlicher in sich geschlossener und authentischer Prozess entsteht.
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Demografischer Wandel und die Notwendigkeit, Kompetenzsicherung und -entwicklung in der Unternehmung neu zu betrachten
Hans-Jörg Bullinger und Hartmut Buck
Einleitung In Europa zeichnen sich zwei Megatrends ab, welche die Rahmenbedingungen für zukünftige Entwicklungen darstellen: Das beschleunigte Altern der Gesellschaft und der Erwerbsbevölkerung sowie die Entwicklung zu einer wissensbasierten Ökonomie mit der zugrundeliegenden Annahme eines ständigen Wandels der Arbeit und zunehmender Notwendigkeit einer fortgesetzten Kompetenzentwicklung. Niedrige Geburtenraten und eine gleichzeitige Steigerung der Lebensdauer führen zu einer erheblichen Veränderung der Altersstrukturen der Bevölkerung und der Erwerbspersonen, in Deutschland wie auch in allen anderen Industrieländern. Im Kern stellt sich die Frage, wie mit einem steigenden Anteil Älterer die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und der europäischen Wirtschaft erhalten und ausgebaut werden kann. Der demographische Wandel wird sich – darüber besteht mittlerweile weitgehende Einigkeit – massiv auf alle Bereiche unserer Gesellschaft auswirken. Das gilt nicht zuletzt auch für die Arbeitswelt. Aufgrund des demographischen Wandels wird aus dem bestehenden quantitativen Arbeitskräfteüberschuss zwar kein flächendeckender Arbeitskräftemangel resultieren, aber der Rekrutierungsspielraum der Betriebe wird im Bereich der jüngeren Jahrgänge eingeschränkt und die Wahrscheinlichkeit von qualifikatorischen und regionalen Ungleichgewichten zwischen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage wird weiter steigen. Die wichtigste Konsequenz des demographischen Wandels für die unsere Wirtschaft besteht darin, dass es zu einer deutlichen Alterung der Erwerbspersonen und der betrieblichen Belegschaften kommen wird. Der Anteil der über 50-Jährigen in den Betrieben wird in den nächsten Jahren deutlich steigen. Es stellt sich die Frage, ob die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen von dieser Entwicklung bedroht ist. Die derzeitige Innovations- und Personalpolitik der Unternehmen ist oftmals noch auf Jüngere ausgerichtet und somit auf die kommende Alterung nicht vorbereitet. Mit dem Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft wird Wissen und seine Anwendung zum entscheidenden Produktionsfaktor. Vor allem im Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen liegen zukünftig erhebliche Wachstumspotenziale. Da es immer mehr wissensintensive Arbeitsbereiche geben wird und die
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Arbeitswelt immer komplexer wird, werden zukünftig mehr Hochqualifizierte und fast ebenso viele Facharbeiter wie heute benötigt. An diese Fachkräfte werden jedoch zunehmend speziellere und höhere Anforderungen gestellt; die Fähigkeit in einem sich beschleunigenden Wettbewerb zielsicher mit Wissen und Informationen umgehen zu können wird immer wichtiger.
1
Herausforderungen des demographischen Wandels
Sinkende Geburtenzahlen bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung sind die Ursache dafür, dass in Deutschland die Bevölkerung langfristig zahlenmäßig abnehmen wird und das Durchschnittsalter der Bevölkerung weiterhin steigen wird. Der Bevölkerungsrückgang wird etwa ab 2020 in Deutschland ein spürbarer Vorgang sein. Besonders hervorzuheben ist der Anstieg der über 65-Jährigen, mit all den bereits diskutierten und schon heute spürbaren Konsequenzen für die Rentenund Sozialsysteme. Dieser Trend einer alternden und langfristig schrumpfenden Bevölkerung ist praktisch unumkehrbar. Beispielsweise wären ca. 50% mehr Geburten notwendig, damit die Bevölkerungsgröße auf konstantem Niveau verbleibt.
90000
82440
83066
82822
81220
78539
80000
17,1
20,0
22,0 26,6
70000
60000
18,9
75117
29,0
29,6
19,8
65 -
23,5 20,1
50000
20,0 23,8
40000
22,9
19,0
19,8
20,1
18,5
18,1
16,3
16,1
16,1 16,1
30000
19,3
18,6
17,9
20000
10000
20,9
18,7
17,6
17,2
16,4
2001
2010
2020
2030
2040
50 - 65 35 - 50 20 - 35 - 20
0
Abb. 1. Entwicklung der deutschen Bevölkerung nach Altersgruppen
2050 1
1 Quelle: Statistisches Bundesamt, 2003, 10. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Variante 5
Demographischer Wandel
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Entwicklung des Arbeitskräfteangebots
Das Arbeitskräfteangebot hängt von der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ab. Berücksichtigt man die verschiedenen Einflussfaktoren (z. B. Erwerbsbeteiligung und Zuwanderung) auf das Arbeitskräfteangebot, ist davon auszugehen, dass das Erwerbspersonenpotenzial realistischerweise (d.h. z. B. mit einer Nettozuwanderung in einer Größenordnung wie in der Vergangenheit) kaum vor dem Jahr 2015, eher erst ab 2020 spürbar unter das heutige Niveau zu sinken beginnen wird. D.h. bis etwa zum Jahr 2010/2015 bleibt die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte auf hohem Niveau wahrscheinlich nahezu konstant oder steigt sogar noch an. Erst langfristig, nach 2015, wird die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte zurückgehen.2 Fuchs (IAB) geht langfristig zwischen 2000 und 2040 von einem Rückgang des Erwerbspersonenpotentials um ca. 7 Mio. aus. 60,0
55,4
55,0
52,4 50,0
51,3 47,1
45,0
30 - 49 Jahre 48,6
40,0 35,0
33,6 26,5
30,0
23,3
30,4
25,0
50 Jahre u.ä.
32,3
20,0
21,3
15,0
21,1 10,0
19,3 18,3
5,0
15 - 29 Ja hr e
19,2
0,0
1996
2000
2005
2010
2015
2020
2025
2030
2035
2040
Abb. 2. Entwicklung der Altersstruktur des gesamtdeutschen Erwerbspersonenpotenzials3
Während nach allen vorliegenden Prognosen ab 2020 in Deutschland und Europa das Erwerbspersonenpotenzial schrumpfen wird, erfolgt die Änderung der Alterszusammensetzung der Erwerbstätigen hauptsächlich in den Jahren 2000 bis 2020. Erstmals gibt es mehr über 50-jährige als unter 30-jährige Erwerbstätige, da die geburtenstarken Jahrgänge (baby-boomer) älter werden. Schon heute steigt der Anteil der über 50-Jährigen stark an (siehe Abb. 2), während der Anteil der Gruppe der unter 30-Jährigen leicht zurückgeht. Der starke Rückgang der jüngeren Al2
3
Vortrag Johann Fuchs: Arbeitsmarkteffekte des demografischen Wandels. Konferenz: „Die demographische Zeitbombe tickt. Wie können alternde Belegschaften in Zukunft den wirtschaftlichen Erfolg in unseren Unternehmen sichern?“, Berlin, 26. November 2004. Quelle: IAB, Fuchs, Thon-Variante mit Wanderungssaldo der ausländischen Bevölkerung 200.000 p.a. ab 2000 und unterer Erwerbsquoten-Variante.
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terskohorten hat bereits in den 90er Jahren stattgefunden. Deutschland ist mit dieser Alterung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter jedoch nicht allein. Auch die anderen Länder der EU erleben ähnliche Veränderungen [vgl. Coomans, 2001]. Genau so unabdingbar für eine Arbeitsmarktbilanz sind langfristige Prognosen der wirtschaftlichen Entwicklung und speziell der Arbeitsnachfrage, die allerdings mit größeren Unsicherheiten verbunden sind als diejenigen beim Arbeitskräfteangebot. Hinsichtlich der Effekte einer abnehmenden Bevölkerungszahl (bei gleichzeitiger Alterung) auf Arbeitsnachfrage und Arbeitsmarktbilanz liegen generell zu wenig gesicherte Forschungsergebnisse vor [Buck, Kistler, Mendius, 2002]. 2.1
Anforderungswandel und Qualifikationsbedarf
Mit der Globalisierung verschärft sich der Wettbewerb der Regionen um Industrieansiedlungen ebenso wie um Fachkräfte. Globalisierung, neue Technologien, allen voran die sich rasant entwickelnden Informations- und Kommunikationstechnologien verstärken diese Dynamik. Bisher eher abgeschottete und nebeneinander existierende Absatz- und Arbeitsmärkte werden in einen immer intensiveren globalen Wettbewerb eingebunden. So fehlen in Deutschland trotz hoher Arbeitslosigkeit immer wieder gerade dort die Experten, wo sich neue Wachstumsmärkte eröffnen. Angebot und Nachfrage passen also oft nicht zusammen. Es ist nicht zu erwarten, dass in absehbarer Zeit die Arbeitslosigkeit durch den demographischen Wandel in erheblichem Ausmaß gesenkt wird. Obwohl es auf absehbare Zeit zu keinem quantitativen Arbeitskräftemangel auf breiter Front kommen wird, ist auf Teilarbeitsmärkten sehr wohl eine verstärkte Nichtübereinstimmung von Arbeitskräftenachfrage und -angebot (sog. Mismatches) zu erwarten: Regionale, berufsbezogene und qualifikatorische Diskrepanzen werden zunehmen. Auf fachlichen oder regionalen Teilarbeitsmärkten droht Fachkräftemangel. Bezüglich der Arbeitsplatzanforderungen zeichnet sich ein deutlicher Trend zu immer anspruchsvolleren Tätigkeiten ab (siehe Abb. 3). Im Rahmen der Globalisierung der Wirtschaft und des wissenschaftlich-technischen Fortschritts brechen Einfacharbeitsplätze vermehrt weg und neue Arbeitsplätze mit vielfach hohem Anforderungsniveau entstehen [Emmerich et. al., 2001]. In Bereichen mit hohen Qualifikationsanforderungen wächst die Beschäftigung dynamischer als bei Tätigkeiten auf mittlerem oder einfachem Anforderungsniveau. Die Chancen für Hochqualifizierte arbeitslos zu werden und zu bleiben sind deutlich geringer als für Erwerbtätige anderer Qualifikationsniveaus. Der erhöhte Bedarf nach Arbeitnehmern mit Hoch- oder Fachhochschulabschluss steht in Zusammenhang mit einem Wandel der Tätigkeitsstrukturen.
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Abb. 3. Erwerbstätige nach Anforderungsprofilen der Tätigkeiten 1995 u. 20104
Es geht nicht nur um die Frage, wie viele Personen in Zukunft dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sondern ob diese Menschen die benötigten Qualifikationen besitzen. Die demographische Entwicklung limitiert zwar den Umfang des qualifizierten Arbeitkräftenachwuchses, es wäre aber denkbar, sinkende Jahrgangsstärken durch erhöhte Qualifizierungsanstrengungen auszugleichen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob ein steigender Bedarf nach Höherqualifizierten durch die nachrückenden Alterskohorten abgedeckt werden kann. Nach einer BLKProjektion [Bund-Länder-Kommission, 2002] ist bereits bis zum Jahr 2015 bei Erwerbspersonen mit Hochschulabschluss und in abgeschwächter Form mit abgeschlossener Berufsausbildung mit einer Mangelsituation zu rechnen. Nach Reinberg und Hummel kommt die Bildungsstagnation der letzten Jahre auch bei der altersspezifischen Qualifikationsentwicklung zum Ausdruck, insbesondere bei den jüngeren Bevölkerungsgruppen. „Zwar wird die Zahl akademischer Erwerbspersonen bis 2015 noch einmal um 0,5 Millionen zunehmen. Dieser Saldo setzt sich aber zusammen aus einem Zuwachs von fast einer Million bei den älteren hoch Qualifizierten und einem Minus von 0,5 Millionen bei den Jungakademikern.“[Reinberg, Hummel, 2004, S. 9] In der Konsequenz werden im Jahr 2015 entgegen aller landläufigen Erwartungen die 50- bis 64-jährigen Erwerbspersonen die beste formale Qualifikationsstruktur aller Altersgruppen aufweisen. Von den Hochqualifizierten sind nach der BLK-Projektion im Jahr 2015 bereits 35 Prozent in einem Alter über 50 Jahren, während gerade noch 19 Prozent jünger als 35 Jahre sein werden.
4
Quelle: IAB/Prognos-Projektion 1999 (IAB-Projekt ¼-436A), nach Dostal
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Abb. 4. Altersstruktur der Erwerbspersonen nach Qualifikationsebenen5
Wenn Deutschland als Hochtechnologie- und Hochlohnstandort seine Position behaupten möchte, sind verstärkte Bildungsanstrengungen auf allen Ebenen notwendig. Dringend benötigte Fachkräfte sind vorrangig selbst zu qualifizieren, da dieser Bedarf nur eingeschränkt durch Zuwanderungen ausgeglichen werden kann. Die internationale Konkurrenz um Hochqualifizierte wird sich in Zukunft wohl eher noch verstärken. Weil Frauen die Männer in vielen Bereichen der Bildungsbeteiligung bereits überholt haben, gilt es verstärkt bessere Erwerbsmöglichkeiten für sie zu schaffen. Ohne eine stärkere Einbindung der Frauen und der Älteren in den Arbeitsmarkt ist der Fachkräftemangel vorprogrammiert [vgl. Reinberg, Hummel, 2004]. Deutschland liegt in seinem Weiterbildungsverhalten heute im Mittelfeld der EU. Laut einer Cedefop-Studie zum lebenslangen Lernen nimmt nur ein Drittel der befragten Deutschen an irgendeiner Form der allgemeinen oder beruflichen Bildung pro Jahr teil (siehe Abb. 5). In skandinavischen Ländern ist dies immerhin über die Hälfte der Befragten. Besonders bedenklich erscheint, dass über ein Viertel der befragten Deutschen kein Interesse an einer Weiterbildung hat.
5
BLK-Angebotsprojektion 2002 (Grund/Trendvariante) nach Reinberg
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Abb. 5. Teilnahme an irgendeiner Form der allgemeinen oder beruflichen Bildung in den vergangenen 12 Monaten6
Mit Blick auf das Konzept des lebenslangen Lernens ist auch der Beitrag der deutschen Unternehmen im europäischen Vergleich eher unterdurchschnittlich:7 Ɣ In Deutschland ist, zumindest im Vergleich mit den EU-Mitgliedsstaaten, der Anteil weiterbildender Unternehmen relativ niedrig. Ɣ Hinsichtlich der Teilnahme der Mitarbeiter an der betrieblichen Weiterbildung befindet sich Deutschland im Mittelfeld. Ɣ Bei der Intensität der Weiterbildung, also die pro Jahr und Teilnehmer aufgewandte Stundenzahl, bildet Deutschland mit Großbritannien das Schlusslicht. Ɣ Trotzdem liegen die Weiterbildungskosten in Deutschland eher hoch. Unternehmen, die ihre betriebliche Weiterbildung vor allem auf kurzfristige Anpassungsmaßnahmen für einen relativ kleinen Teil der Arbeitnehmer konzentrieren, müssen zukünftig der Kompetenzentwicklung ihrer gesamten Beschäftigten einen höheren strategischen Stellenwert einräumen, wollen sie im Know-howWettbewerb nicht den Anschluss verlieren.
3
Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Unternehmen
Die Veränderung der Alterszusammensetzung des Arbeitskräfteangebots schlägt sich auch in den betrieblichen Altersstrukturen nieder. Heute liegt das Durchschnittsalter in den Betrieben aus den westdeutschen Bundesländern meist zwischen 38 und 42 Jahren. Viele Unternehmen verfügen inzwischen über eine komp6
Quelle: Cedefop: Lebenslanges Lernen: die Einstellungen der Bürger, Luxemburg, 2003, Methode: Eurobarometer 7 vgl. BIBBforschung, 2/2003
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rimierte Altersstruktur: In den letzten Jahren wurde über die zur Verfügung stehenden Vorruhestandsregelungen Personalabbau bei den Älteren durchgeführt, während gleichzeitig kaum Nachwuchs rekrutiert wurde. Im Kern sind heute die 30- bis 50-Jährigen in den Belegschaften verblieben (siehe Abb. 6). Bei schrumpfenden Märkten und steigender Produktivität wird in Zukunft die Zahl der Neueinstellungen weiterhin niedrig bleiben. Der zusätzliche Wegfall von Vorruhestandsregelungen sorgt für eine kontinuierliche, oftmals gravierende Erhöhung des Altersdurchschnitts vieler Unternehmen, da die Arbeitnehmer länger in den Betrieben bleiben werden. Der Altersdurchschnitt vieler deutscher Unternehmen wird sich in den nächsten Jahren deutlich erhöhen. Von der Idealvorstellung einer balancierten Altersstruktur mit einer ausgewogenen Verteilung der Generationen werden sich die meisten Betriebe verabschieden müssen.
50 45 40
Anzahl der Mitarbeiter in %
35 30 25 20 15
Alterszentriert: Realität vieler Betriebe ab 2010
10 5
Komprimiert: westdeutsche Betriebe Jahr 2005
0 Jünger als 25
Jugendzentriert: New economy Jahr 2000 25 - 35
balancierte Altersstruktur = wünschenswerter Altersmix
35 - 45 45 - 55
Alter der Mitarbeiter 55 und älter
Abb. 6. Veränderung der betrieblichen Altersstrukturen
Viele Unternehmensbereiche haben eigene „gewachsene“ Personalstrukturen, die sich in ihrer Homogenität oder Heterogenität deutlich voneinander unterscheiden. Das kann teilweise sachliche Gründe haben (hohe Einstellungsraten in Wachstumsphasen), kann aber auch darauf basieren, dass die direkten Vorgesetzten Vorurteile gegenüber bestimmten Beschäftigtengruppen haben, und z. B. „Frauen in Männerberufen“ nicht akzeptieren. Es ist notwendig, dass die Personalarbeit sich der altersstrukturellen Thematik zuwendet, um zukünftige Probleme und Ungleichgewichte rechtzeitig zu erkennen und frühzeitig handeln zu können. Vielen Personalverantwortlichen ist die Zusammensetzung und zukünftige Entwicklung ihrer betrieblichen, insbesondere der bereichsspezifischen Altersstruktur nicht ausreichend bewusst. 3.1
Auswirkungen des altersstrukturellen Wandels
Die Alterung der Belegschaften stellt somit eine zentrale Herausforderung für die nächsten Jahre dar. Den Unternehmen wird gar nichts anderes übrig bleiben, als die kommenden wirtschaftlichen Umbrüche und die dazu notwendigen Innovatio-
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nen und Anpassungsprozesse mit einer steigenden Anzahl älter werdender Beschäftigter zu bewältigen. Wenn von einer deutlichen Erhöhung des Altersdurchschnitts in verschiedenen Betriebsbereichen auszugehen ist, besteht die zentrale Fragestellung darin, ob durch diese Alterungsprozesse eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit (z. B. bei Kompetenz, Produktivität und Flexibilität) zu erwarten ist und welche Maßnahmen frühzeitig ergriffen werden können, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit werden oftmals pauschal dem „Alter“ zugeschrieben und nicht als Resultat vergangener Belastungen (manmade ageing) gesehen. Unbestritten ist, dass mit zunehmendem Lebensalter die Leistungsfähigkeit im physischen Bereich nach einem Arbeitsleben von ca. 35-40 Jahren durchaus nachlässt. Jedoch sind in vielen Industriestaaten Tätigkeiten mit entsprechender physischer Belastung eher rückläufig. Die seit vielen Jahrzehnten zu beobachtende Tendenz zur Dienstleistung und zur Wissensintensivierung hat sich in vielen Tätigkeitsfeldern niedergeschlagen und nur noch ein geringer Teil der Menschen ist hohen physischen Belastungen ausgesetzt. Zu berücksichtigen ist bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit Älterer neben der Art der bisher ausgeübten Tätigkeiten (typischer Belastungsmix) auch die bisherige Tätigkeitsdauer. Mit einer steigenden Anzahl älterer Mitarbeiter ist mit einer Zunahme der interindividuellen Unterschiede im psychischen und physischen Leistungsvermögen zu rechnen. D.h. der Aufwand für eine gezielte Personal- und Organisationsentwicklung wird bei alternden Belegschaften steigen. Leistungseinbußen werden in zwei Konstellationen wahrscheinlich: Ɣ Langfristige einseitige Belastungen, seien sie körperlicher, geistiger oder psychischer Natur, führen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Ɣ Langjährige Arbeit bei gleichbleibenden Aufgaben führt zu Lernungewohntheit. Arbeitnehmer, die in ihrem Berufsleben mit Veränderungen konfrontiert werden und neue Anforderungen bewältigen müssen, werden auch in fortgeschrittenem Alter mit einer veränderten Arbeitsumgebung und mit neuen Anforderungen besser und leichter zu Recht kommen. Die Unternehmen sind gefordert, Aufgaben und Arbeitsumgebung für jeden einzelnen Arbeitnehmer so abwechslungsreich zu gestalten, dass ein körperlicher Belastungswechsel möglich ist und Lernanreize in der Arbeit gegeben sind, um dem Leistungsabbau einer älter werdenden Belegschaft vorzubeugen. Fatal sind die von Vorruhestands-Programmen ausgehenden Wirkungen, die suggerieren, dass selbst Personen im höheren Management ab einem bestimmtem Alter nicht mehr in der Lage sind, Mehrwert für das Unternehmen zu erzeugen. Setzt sich ein solcher gedanklicher Zusammenhang im Unternehmen fest, so wird die Tendenz eindeutig darauf hinauslaufen, dass Beschäftigte sich bereits mit 45 Jahren Gedanken über einen adäquaten Ausstieg in die dritte Lebensphase machen
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werden. Bei einem gerade in Deutschland recht späten Eintrittsalter der Hochschulabsolventen ins Erwerbsleben von derzeit rund 29 Jahren, bedeutet dies eine „Verweildauer“ von deutlich unter 20 Jahren in einer Organisation. Die Antwort bezüglich der Entwicklung der Leistungsparameter kann nur unternehmensindividuell gegeben werden. In Abhängigkeit vom jeweiligen betrieblichen Szenario ist frühzeitig eine maßgeschneiderte personalpolitische Strategie zu formulieren und rechtzeitig umzusetzen. Generell stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, ihre Personaleinsatz- und Rekrutierungsstrategien auf die absehbaren Alterungsprozesse neu auszurichten. 3.2
Herausforderungen an eine zukunftsfähige Personalarbeit
Die beiden zentralen Aufgaben der Personalwirtschaft bestehen darin, die Verfügbarkeit und die Wirksamkeit von Personal sicherzustellen. Beide Aspekte sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden. So kann man sich zum Aspekt der Verfügbarkeit sicherlich leicht vorstellen, dass eine hochmotivierte Mitarbeiterschaft nicht in der Lage ist, Kundenwünsche zu realisieren, wenn Stellen schlichtweg nicht besetzt werden können (zu dünne Personaldecke). Umgekehrt ist es jedoch auch im betriebswirtschaftlichen Sinn nicht optimal, wenn zwar alle Stellen besetzt sind, jedoch von nichtmotivierten und gering bzw. falsch qualifizierten Mitarbeitern. Beide Sachverhalte werden gleichermaßen durch den demographischen Wandel berührt: So geht es einmal darum, entsprechende Stellenbesetzungen zu realisieren bzw. realisieren zu können und andererseits vorhandene Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Einstellung, ihrer Motivation und ihres Engagements einzuschätzen und in den verschiedenen Phasen ihres Arbeitslebens richtig einzusetzen. Während der erste Sachverhalt, die Frage nach der quantitativen Verfügbarkeit von Arbeitskräften, sicherlich problemlos nachvollzogen werden kann, so stellt der zweite eine weitaus komplexere Fragestellung dar. Hier geht es um ein Geflecht von zum Teil messbaren Kriterien wie der Qualifikation, über schon wesentlich schwieriger – wenn überhaupt – messbare Aspekte wie z. B. der Innovations- oder Anpassungsfähigkeit von Mitarbeitern bis hin zu einem nur qualitativ erfassbaren Kriterium wie z. B. Loyalität oder Engagement [vgl. Buck et. Al., 2005]. Ein unumstritten wichtiger Aspekt für die Leistung des Einzelnen ist die sogenannte intrinsische Motivation. Eine Personalpolitik der beständigen Herausforderung für die Mitarbeiter anstelle absehbarer und planbarer Karrierepfade bis hin zum Vorruhestand fordert deshalb P. F. Drucker. Dabei zeigt er, am Beispiel des öffentlichen Dienstes, bei dem dies sicherlich extrem ausgeprägt ist, dass aufgrund fehlender Herausforderung bei gleichzeitiger Planbarkeit für viele Mitarbeiter bereits ab Mitte 40 die berufliche Motivation einen Knick erhält. [Drucker 1996] Dieser Zusammenhang lässt sich ohne weiteres auch für große Organisationen der Privatwirtschaft herstellen. Die Unternehmen müssen von ihren statischen Perso-
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nalplanungen teilweise Abstand nehmen und Herausforderungen im Sinne intrinsischer Motivation in ihre Personalentwicklungskonzepte integrieren. Dazu zählt als eine der Hauptforderungen, dass man sich in den Unternehmen erst einmal grundsätzlich mit der Motivationsfrage auseinandersetzt. Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass hochqualifizierte, motivierte Mitarbeiter zu den wertvollsten Ressourcen gehören, über die ein Unternehmen verfügen kann. Im Unterschied zu einer an kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Größen ausgerichteten Praxis wird sich eine erfolgreiche Personalpolitik in Zukunft durch eine langfristige Orientierung auszeichnen müssen. Hervorzuheben sind aus Unternehmenssicht drei Phasen: Ɣ Finden: Es geht nicht mehr nur um die Rekrutierung qualifizierter und leistungsstarker Mitarbeiter, sondern auch um ihre bestmögliche Integration in das Unternehmen (z. B. Mentoring). Ɣ Binden: Optimaler Einsatz der Mitarbeiter unter Nutzung der vorhandenen Qualifikationen durch herausfordernde lernförderliche Tätigkeiten sowie individuelle Weiterentwicklungsmöglichkeiten durch vertikale und vor allem durch horizontale Karrierepfade. Ɣ Neu-Positionieren: Unterstützung der Mitarbeiter beim Wechsel des Tätigkeitsfeldes (z. B. Wegfall von Geschäftsfeldern, Neuorientierung auf Wunsch der Mitarbeiter). Eröffnen neuer Perspektiven des Arbeitseinsatzes. Zeitlich begrenzte Ausstiege (sabbaticals) oder einen gleitenden Übergang in den Ruhestand ermöglichen. Mit zunehmenden Anforderungen an die Qualifikationen in einem wissensbasierten Wettbewerb steigt der Bedarf nach Fachkräften weiter an. Wenn dieser Bedarf nicht abgedeckt werden kann, führt dies in vielen Unternehmen zu Beeinträchtigungen beim Wachstum und bei Innovationsvorhaben. Hiervon werden in Zukunft insbesondere Unternehmen betroffen sein, die bezüglich Image, Sicherheit und Vergütung nicht mit den Spitzenunternehmen mithalten können und deshalb eine relativ schwache Rekrutierungsposition haben, darunter besonders zahlreich KMU. Gerade in Großunternehmen beschäftigen sich inzwischen zumindest die Stabsabteilungen, aber auch die Führungsebenen mit den Folgen alternder Belegschaften. Die Sensibilisierung dafür, dass etwas geschehen muss, um etwa Fehlzeiten, abnehmender Einsatzflexibilität und sinkender Motivation effektiv zu begegnen, hat zugenommen. Allerdings befinden sich aktuell viele unternehmensinternen Projekte zur Bewältigung alternder Belegschaften in der Phase der Risikoabschätzung und der Planung. Größere Gestaltungs- und Umsetzungsprojekte zur Neuausrichtung der Personal- und Arbeitspolitik stehen auf breiter Front noch aus. Für viele mittelständische Betriebe stehen Maßnahmen zur Bewältigung des demographischen Wandels noch nicht auf der Tagesordnung. Die Erfahrung zeigt, dass hier die Konzentration auf das Tagesgeschäft oft keinen Raum lässt, sich mit strategischen Personalfragen zu beschäftigen, die auf die Zukunftssicherung hin
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ausgelegt sind, auch wenn die Rahmenbedingungen dieser Zukunft ziemlich sicher prognostiziert werden können. Gerade Unternehmen mittlerer und kleiner Größe sind aber im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte gegenüber den Großen im Nachteil. D.h. die deutliche Mehrheit der bundesdeutschen Unternehmen nimmt demographisch bedingte Probleme unzureichend wahr und richtet ihre Personaleinsatz- und Rekrutierungsstrategien nicht frühzeitig auf die absehbaren Alterungsprozesse aus. 3.3
Notwendigkeit von Kompetenzsicherung und -entwicklung
Bei einer geringen Fortbildungsaktivität der eigenen Belegschaft und bei ausbleibender Rekrutierung Externer entstehen notwendigerweise Know-How-Lücken. Aktuell nehmen Ältere (50+) deutlich weniger an beruflichen Fortbildungsmaßnahmen teil als Jüngere (siehe Abb. 7). Sie sind in der Konsequenz nicht flexibel auf verschiedenen Arbeitsplätzen einsetzbar. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass ältere Menschen nicht mehr lernfähig sind. Die Probleme liegen eher in der Motivation, im Anreiz noch etwas Neues zu lernen. Gefragt sind hier nicht nur regelmäßige externe Weiterbildungen, sondern auch eine Arbeitsgestaltung und -organisation, die eine kontinuierliche Qualifizierung im Arbeitsvollzug einfordert und ermöglicht. Mitarbeiter, welche auf Grund des Wandels ihrer Aufgaben regelmäßig lernen müssen, haben gute Chancen, dass ihre Qualifikationen aktuell bleiben und so ihre Beschäftigungschancen über die gesamte Erwerbsbiographie erhalten bleiben. In Zukunft wird sich eine erfolgreiche Personalpolitik durch eine langfristige Orientierung auszeichnen müssen. Sie ist durch die systematische Begleitung der Erwerbsbiographie der Mitarbeiter charakterisiert, um Lernpotenziale auch im höheren Alter nutzen zu können.
Abb. 7. Altersabhängige Teilnahme an beruflicher Weiterbildung8
8
Quelle: BMBF, Berichtssystem Weiterbildung 2000, 2003
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Die Anforderungen in der Arbeit und die organisatorischen Abläufe müssen zunehmend so gestaltet werden, dass die älteren und die jüngeren Mitarbeiter ihre Potenziale an Wissen und Erfahrung auch einbringen wollen und können. Dazu reicht nicht etwa eine einmalige Schulung. Vielmehr muss Förderung und Entwicklung nicht nur bei Führungskräften und beim Führungskräftenachwuchs, sondern gerade auch bei Mitarbeitern der unteren Hierarchieebenen ansetzen. Entwicklungschancen dürfen nicht bei einer Altersgrenze von 40 Jahren für die meisten Mitarbeiter enden, um einer schleichenden Demotivation der Gruppe 40+ vorzubeugen: x Der Stellenwert und das Prestige horizontaler Karrieren müssen in Zeiten verschlankter Hierarchien gehoben werden. Die Bereitschaft und die Fähigkeit zur fachlichen Umorientierung und zum Aufgabenwechsel erhöhen die betriebliche Personaleinsatzflexibilität. x Karrierechancen sollten auch trotz einer Familienphase bestehen, um attraktive Arbeitsplätze für Frauen (diese tragen heute immer noch die Hauptlast in der Erziehung) anbieten zu können. x Phasen einer längeren, grundlegenden Weiterbildung oder auch Sabbaticals beugen der sukzessiven Dequalifizierung oder dem Burn-Out von Mitarbeitern vor. Auf diese Weise lässt sich bei manchen Beschäftigtengruppen (z. B. in Projektarbeit) der Leistungsabbau von älter werdenden Mitarbeitern verhindern oder verzögern.
Abb. 8. Differenzierte Wege der beruflichen Entwicklung9
Das Älterwerden betrieblicher Belegschaften stellt einen „schleichenden Prozess“ dar, der die Unternehmen gegenwärtig – in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Altersstruktur, Personalpolitik und Unternehmenskultur – in sehr unterschiedlichem Ausmaß betrifft. Wenn es absehbar ist, dass ein überproportional großer Teil der
9
Idee: E. Regnet in DGFP (Hrsg.): Personalentwicklung für ältere Mitarbeiter. Bielefeld, 2004.
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Belegschaft in ein paar Jahren in den Ruhestand geht (Alterszentrierung), drohen Unternehmen zwei Gefahren: Ɣ Der schlagartige Verlust von Erfahrungswissen, der kaum noch kompensierbar ist, wenn die Mitarbeiter das Unternehmen verlassen haben. Ɣ Eine massive Einstellungswelle wird notwendig. Auf einen Schlag sind viele neue und nach bisheriger Praxis junge Mitarbeiter in das Unternehmen zu integrieren. Besonders prekär wird die Situation, wenn die Einstellungswelle in einer Situation stattfinden muss, die durch eine Verknappung (verbunden mit Verteuerung) jüngerer Arbeitskräfte charakterisiert ist. Genau damit aber ist bei Unternehmen zu rechnen, denen in fünf bis zehn Jahren derartige Rekrutierungsschübe dann ins Haus stehen, wenn der demographische Wandel substanziell greift. Die Notwendigkeit, Komplexitätssteigerungen zu bewältigen und neues Wissen zu erwerben, wird zukünftig nicht allein über die Rekrutierung junger Fachkräfte oder Hochschulabgänger zu lösen sein. Die heute noch weit verbreitete Praxis der vorzeitigen Verrentung oder mangelhaften Einbindung ältere Erfahrungsträger wird in ihrem bisherigen Ausmaß nicht mehr möglich sein. Verstärkte Investitionen in die Personalentwicklungs- und Karrierepläne der eigenen älter werdenden Mitarbeiter werden notwendig. 3.4
Herausforderung für die Arbeitnehmer/innen
Durch den Wandel der Arbeit ändern sich Berufswege, fachliche Anforderungen und psychische Belastungen. Der einmal erlernte Beruf als Ausgangspunkt und Anker für die persönliche Erwerbsbiografie verliert seine frühere prägende Bedeutung. Die zunehmende Verantwortung als Chance zur Gestaltung der eigenen Arbeit wahrzunehmen, stellt eine neue Herausforderung für alle Erwerbspersonen dar. Die frühzeitige Identifizierung von zukünftig benötigten Qualifikationen unterstützt Betriebe und Mitarbeiter dabei, den Wandel zu bewältigen. Zukünftig müssen Mitarbeiter über neue Qualifikationen und Strategien des Kompetenz- und Qualifikationserwerbs verfügen, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Hierzu gehören vor allem: Ɣ der lebensbegleitende Erwerb der richtigen, zukunftsorientierten Fachqualifikationen und Ɣ die Steigerung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit.
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Abb. 9. Anforderungen an Arbeitnehmer/innen: Wissensintensivierung und Work-Life Balance
Zu den neuen Herausforderungen an Arbeitnehmer/-innen gehören: Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ
Bewältigung komplexerer, abstrakterer Aufgaben in der Arbeit steigende Anforderungen an die Mobilität Lebenslanges Lernen Umgang mit psychischen Belastungen sowie Erhalt von Gesundheit und beruflicher Leistungsfähigkeit über die gesamte Erwerbsbiographie.
Durch die Veränderungen von Arbeitstätigkeiten und durch veränderte Rahmenbedingungen der Arbeit (z. B. Flexibilisierung, Zunahme von Zeitverträgen, Unsicherheit des Arbeitsplatzes) müssen Mitarbeiter lernen, die eigene Erwerbskarriere aktiver zu gestalten und eine Balance zwischen (Privat-)Leben, Lernen und Arbeiten herzustellen. Viele Arbeitnehmer planen sehr rational und effektiv ihre täglichen Arbeitstätigkeiten, nicht aber ihre Erwerbsbiografie. Hieraus ergibt sich ein neuer Unterstützungsbedarf. In einer unübersichtlicher werdenden Arbeitswelt werden nicht mehr nur Manager eine Karriereberatung benötigen, auch Arbeitskräfte im mittleren und unteren Qualifikationsniveau müssen zunehmend bei der Planung ihrer Erwerbsbiographie unterstützt werden. Hierbei ist ihnen nicht nur der Erwerb der „richtigen“ Fach- und Schlüsselqualifikation zu ermöglichen, es sollten auch die zukünftigen Entwicklungen des jeweiligen Tätigkeitsfeldes und die persönlichen Potenziale des einzelnen Arbeitnehmers berücksichtigt werden.
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Resumee Bei einer Personalpolitik für alle Altersgruppen geht es nicht mehr nur um die Rekrutierung qualifizierter und leistungsstarker Mitarbeiter, sondern auch um ihre bestmögliche und schnelle Integration in das Unternehmen. Sind die Arbeitnehmer im Unternehmen, besteht die Herausforderung im optimalen Einsatz der Mitarbeiter unter Nutzung der vorhandenen Qualifikationen durch herausfordernde lernförderliche Tätigkeiten und individuelle Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Neben vertikalen müssen vor allem horizontale Karrierepfade geschaffen werden, damit die Motivation der Mitarbeiter 40+ nicht abnimmt. Viele Arbeitnehmer können sich heute noch nicht vorstellen, wie sie bis zum Alter von 65 gesund, leistungsfähig und kompetent arbeiten sollen. Es werden erhebliche Anstrengungen notwendig sein, um hierfür die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.
Abb. 10. Anforderung: Personal- und Organisationsentwicklungs-Konzepte für alternde Belegschaften überdenken
Die Unternehmen müssen sich schon heute mit einem steigenden Durchschnittalter auseinandersetzen und bereits frühzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen. Unternehmen, die keine nachhaltigen Konzepte im Umgang mit alternden Belegschaften entwickeln, befinden sich in der Gefahr, an Innovationskraft und Leistungsfähigkeit zu verlieren.
Demographischer Wandel
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Literatur Buck, H.; Kistler, E.; Mendius, H.G. (2002): Demographischer Wandel in der Arbeitswelt. Chancen für eine innovative Arbeitsgestaltung. Stuttgart: IRB. Buck, H.; Frank, G.; Schletz, A.; Dworschak, B. (2005): Herausforderungen des demographischen Wandels für die betriebliche Personalpolitik. In: Spath, D.; Ganz, W.; Becker, T. (Hrsg.): e3 World – Work, Learning, Performance, Lernen für die Arbeit von morgen. Wiesbaden: Universum. Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK): Zukunft von Bildung und Arbeit, Perspektiven von Arbeitskräftebedarf und -angebot bis 2015. In: Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung, Heft 104. Coomans, G. (2001): Die Alterung der arbeitenden Bevölkerung in Europa – Fragen und Prioritäten. In: Bullinger H.-J. (Hrsg.): Zukunft der Arbeit in einer alternden Gesellschaft. Broschürenreihe „Demographie und Erwerbsarbeit“. Drucker, P. F. (1996): Umbruch im Management: was kommt nach dem Reengineering? Düsseldorf: ECON-Verl. Emmerich, K.; Fuchs, J.; Hoffmann, E.; Schnur, P.; Thon, M.; Walwei, U.; Zika, G. (2001): Signalisiert die aktuelle Besserung am Arbeitsmarkt bereits die Trendwende? Beschäftigungsentwicklung und Beschäftigungsaussichten in Deutschland. Diskussionsbeiträge des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit. Ausgabe Nr. 5 / 10.4.2001. Reinberg, A.; Hummel, M. (2004): Fachkräftemangel bedroht Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B28.
Teil 2 Kompetenzmanagement in Unternehmen – Entwicklung, Implementierung und Wirkungsbreite
5
Das Nachfolgemanagement im RWE-Konzern
Dieter Jurgens
1
Herausforderungen an das Personal- und Führungskräftemanagement im RWE-Konzern
RWE hat sich in den letzten Jahren von einem diversifizierten Konzern zu einem der führenden europäischen Utility Unternehmen entwickelt. Heute basiert das RWE-Geschäftsmodell auf der Erzeugung und dem Vertrieb von Energie und Wasser. Unser multiregionales Portfolio ist auf Deutschland, Großbritannien, Zentralosteuropa und den Wassersektor in den USA konzentriert. In den letzten Jahren haben Großakquisitionen wie die des größten privaten amerikanischen Wasserversorgers American Water, der tschechischen Gaswirtschaft und des britischen Energieversorgers Innogy den Konzern grundlegend verändert, nicht zuletzt in der Personalstruktur. Hat der Konzern im Jahr 2000 jeden fünften Mitarbeiter außerhalb Deutschlands beschäftigt, so ist es heute fast jeder zweite Mitarbeiter. Die Weiterentwicklung der Unternehmensstruktur führte ferner zu einer Verschlankung von 13 auf schließlich 6 Führungsgesellschaften. Alle Führungsgesellschaften firmieren erstmals geschlossen unter der Dachmarke RWE und treten damit international einheitlich auf.
Abb. 1. Der RWE-Konzern
Aktuell stellt uns diese Entwicklung vor die Aufgabe, in dieser neuen Konzernstruktur eine Unternehmenskultur zu entwickeln, die auf gemeinsamen Werten und gemeinsamen Zielen gründet. Die Entwicklung gemeinsamer Werte ist nicht zuletzt angesichts der gewachsenen Internationalität von RWE von besonderer Bedeutung. Die Ausgangsfrage für die intensive Wertediskussion der vergangenen Monate lautete für den Konzern: Was verbindet den Mitarbeiter in New Jersey mit einem Kraftwerker am Rhein? Ge-
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Dieter Jurgens
meinsam haben wir fünf Werte identifiziert, die unser Unternehmen und unsere Mitarbeiter konzernweit am besten charakterisieren: Kundenorientierung, Leistung, Zukunftsgestaltung, Vertrauen und Zuverlässigkeit. Diese mit unserem Kompetenzmodell (MOC) und den Markenattributen abgestimmten RWE-Werte sind ein verbindendes Element zwischen allen Gesellschaften im Konzern. Zum zweiten galt es, die strategische Führung des Gesamtkonzerns stärker mit der operativen Verantwortung durch die Unternehmensbereiche zu verzahnen. Dazu erfolgte neben der Schaffung des Group Business Committees (GBC) ein neuer Aufgabenzuschnitt im Konzernvorstand und die Entwicklung von gemeinsamen Managementprozessen. Im GBC sind neben dem Vorstand der RWE AG auch die Vorstandsvorsitzenden der Führungsgesellschaften vertreten. Hier wurde die Basis dafür geschaffen, dass grundlegende Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Das fördert die Akzeptanz von Maßnahmen und ihre Umsetzung in den Führungsgesellschaften. Damit werden unsere Führungsprozesse schneller, effektiver und internationaler.
2
Zielsetzung des Nachfolgemanagements
Der geschilderte Strukturwandel der RWE geht mit stark veränderten Anforderungen an unsere Mitarbeiter einher. Wir werden unsere ehrgeizige Konzernstrategie nur mit hochqualifizierten und hochmotivierten Führungskräften und Mitarbeitern umsetzen können. Der Rekrutierung und Entwicklung der entsprechenden Kompetenzen kommt somit eine Schlüsselrolle zu. Dabei ist insbesondere die zielgerichtete, langfristige und konzernweite Entwicklung der Führungskräfte eine prominente Aufgabe des Führungskräftemanagements. In den Jahren 2001 und 2002 haben wir mit Unterstützung einer Unternehmensberatung ein weltweites Führungskräfte-Audit durchgeführt. Dieses Management-Appraisal hat deutlich gemacht, dass wir im Marktvergleich und vor dem Hintergrund der veränderten Rahmenbedingungen zu wenige Nachwuchskräfte mit Potential für weiterführende Aufgaben haben. Neben die Notwendigkeit, interne Ressourcen zu entwickeln, um Vakanzen mit vorhandenen Mitarbeitern zu füllen, tritt die Herausforderung durch den demografischen Wandel. Dieser wird auch extern zu einer Verknappung der erforderlichen Kompetenzen und damit zu einem verstärkten Konkurrenzkampf um qualifizierte Führungskräfte führen. Um sicherzustellen, dass wir Führungspositionen entweder (bevorzugt) mit vorhandenen Mitarbeitern oder (in bestimmten Situationen sinnvoll) mit externen Kandidaten besetzen können, die die für eine spezifische Stelle benötigten Kom-
Das Nachfolgemanagement im RWE-Konzern
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petenzen aufweisen, haben wir uns in 2004 das Ziel gesetzt, ein zeitgerechtes, konzernweit integriertes Nachfolgemanagement zu entwickeln. Dabei stehen folgende Ziele im Vordergrund: Ɣ Zukünftige Nachfolge- und Besetzungssituationen pro aktiv angehen, indem Szenarien und Lösungswege durchgespielt werden. Ɣ Mit geeigneten Instrumenten Potenzialträger frühzeitig identifizieren, zielgerichtet entwickeln und langfristig an RWE binden. Ɣ Reintegration von Expatriates unterstützen. Ɣ Kosten für externe Personalbeschaffung, ungeplante Fluktuation und unspezifische Entwicklungsaktivitäten minimieren. Ɣ Image von RWE als attraktiven Arbeitgeber nachhaltig steigern, um die Bindung vorhandener Potenzialträger an RWE zu stützen und die externe Rekrutierung zu erleichtern.
3
Nachfolgemanagement im strategischen Zusammenhang
Zur Entwicklung eines strukturierten Nachfolgemanagements bedarf es einer zielgerichteten Ausrichtung bestehender Human Resources Aktivitäten auf einen gemeinsamen Prozess hin, in dem Potenzial- und Leistungsdaten generiert werden und darauf aufbauend eine zielgerichtete Entwicklung ermöglicht wird.
Strategiekonferenz
Balanced Score Cards
Zielvereinbarung FührungsDialog Entwicklungsprogramme
Entwicklungsprogramme
Potentialeinschätzung
Nachfolgemanagement
Abb. 2. Nachfolgemanagement im strategischen Zusammenhang
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Dieter Jurgens
Das Führungskräftemanagement der RWE-Gruppe hat in den letzten Jahren zielgerichtet und schrittweise folgende Prozesse entwickelt und implementiert, die zum Gesamtprozess des Nachfolgemanagements entscheidend beitragen: Ɣ Das Model of Competence ist als Grundlage aller Bewertungsprozesse im Konzern etabliert. Ɣ Durch den FührungsDialog, Balanced Score Card und Zielvereinbarungen wird in einheitlichen Verfahren Performance beurteilt. Ɣ Das Grading System erlaubt durch Definition von Management-Level und Jobfamilien die Beschreibung konzernweiter Entwicklungspfade. Ɣ Das Potenzialeinschätzungsverfahren „Entdeckungen“ wurde 2004 konzernweit implementiert und wird periodisch wiederholt. Neben diesen Instrumenten existieren verschiedene Entwicklungsprogramme und Veranstaltungen, die ebenfalls auf dem Model of Competence aufbauen. Model of Competence Das konzernweit gültige Model of Competence beschreibt die Anforderungen, die wir an unsere Führungskräfte stellen. Jede der fünf beschriebenen Kompetenzen weist zwei bzw. drei Ausprägungen aus, die nicht als Gegensätze zu verstehen sind, sondern sich gegenseitig ergänzen. Die Ausprägungen werden jeweils anhand von Indikatoren präzisiert.
Abb. 3. RWE Model of Competence
Seit 2001 ist dieses Model of Competence der Ausgangspunkt für alle weiteren Entwicklungen des Personal- und Führungskräftemanagements. Es ist die Basis für Stellenbesetzungen und Nachfolgemanagement im gesamten Konzern sowie
Das Nachfolgemanagement im RWE-Konzern
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das Grading und die Potenzialeinschätzung. Alle konzernweiten ManagementProgramme sind am Model of Competence ausgerichtet. Balanced Score Card/Zielvereinbarung Alle Führungsgesellschaften haben ein Score Card-System aufgebaut und in bestehende Managementsysteme integriert. Die Unternehmenstantieme sowie – über die persönliche Zielvereinbarung – auch die individuelle Tantieme sind an die Zielerreichung im Rahmen der Balanced Score Card gekoppelt. Das BSC-System dient der Formulierung der Konzernziele und der Führung innerhalb des Group Centers und der Führungsgesellschaften. Ferner erlaubt die BSC einen sehr strukturierten Dialog zwischen den Führungsgesellschaften und dem Group Center über konzern- und gesellschaftsspezifische Ziele und ermöglicht vorausschauende Analysen in Bezug auf mögliche Geschäftsentwicklungen. Die individuelle Zielvereinbarung wird aus den strategischen Prioritäten abgeleitet, die in der Balanced Score Card festgelegt werden. Hierdurch wird jedem Mitarbeiter sein individueller Beitrag zum Erfolg des Unternehmens deutlich gemacht und erreicht, dass jeder mit hohem Engagement und eigenverantwortlich an der Umsetzung der vereinbarten Ziele arbeitet. Die Gesamtzahl der individuellen Ziele soll fünf Ziele nicht überschreiten. Ziele werden in Abhängigkeit ihrer Bedeutung prozentual gewichtet. Entdeckungen „Entdeckungen“ bezeichnet den gesamten Prozess von der abgestimmten Suche nach Potenzial bis zur Umsetzung vereinbarter Entwicklungsmaßnahmen. Zentrales Element dieses Prozesses ist die Potenzialeinschätzung, die auf dem RWEspezifischen Model of Competence beruht. Zunächst werden in Zielvereinbarungsgesprächen und FührungsDialog Potenzialvermutungen ausgesprochen. Diese Potenzialvermutung wird dann systematisch in einer Potenzialeinschätzung überprüft. Aus dem vorhandenen Potenzial werden anschließend Entwicklungsperspektiven abgeleitet, die zu horizontalen (erweiterter oder veränderter Aufgabenbereich) oder zu vertikalen (neue Führungsaufgaben) beruflichen Veränderungen führen können. Das gemeinsame Gespräch zwischen dem Vorgesetzten und dem Mitarbeiter bildet den Kern des Prozesses. Der Mitarbeiter erhält eine strukturierte Rückmeldung über seine Potenziale und gemeinsam wird ein Entwicklungsplan erstellt. Die anschließende Gesprächsnachbereitung stellt die Kontinuität der Entwicklung sicher bis zum nächsten Potenzialeinschätzungsgespräch, in der Regel nach zwei Jahren.
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Dieter Jurgens
Die konzernweite Verwendung des MoC erhöht dabei die Chancengleichheit bei der bereichsübergreifenden Entwicklung von Mitarbeitern. Das einheitliche Verfahren schafft hier die Voraussetzungen für eine objektivierte konzernweite Stellenbesetzung. Grading Bis 2004 existierten im RWE-Konzern drei Führungsebenen. Diese unterschiedlichen Führungsebenen wurden der erforderlichen Differenzierung von Verantwortung und Kompetenzen in unserem Konzern nicht mehr gerecht. Entsprechend war die Zielsetzung bei der Einführung des RWE Grading-Systems die Bewertung unterschiedlicher Führungsfunktionen nach einheitlichen Maßstäben und daraus abgeleitet die Bildung konzernweit gültiger Management-Level. Die neuen Management-Level orientieren sich nicht mehr an Berichtsebenen, sondern an Wertbeitragsebenen. Das heißt, es geht beim RWE Grading-System nicht um die Beurteilung der individuellen Leistung von Stelleninhabern, sondern um funktionsspezifische Wertbeiträge. Es ermöglicht erstmals die systematische Abbildung von Funktionsanforderungen entsprechend der geschäftsspezifischen Herausforderungen. Das RWE Grading-System ist damit die Plattform für die konzernweite Gestaltung der Vergütungs- und Nebenleistungssysteme, der Führungskräfteentwicklung und Nachfolgeplanung. Um Bewertungskriterien zu entwickeln, die sowohl markterprobt wie den spezifischen Anforderungen des RWE-Konzerns angemessen sind, wurden die Kriterien eines allgemein anerkannten Standardbewertungssystems und die Kompetenzkriterien des RWE Model of Competence zu den sechs Bewertungskriterien des RWE Grading-Systems zusammengeführt. Diese Bewertungskriterien sind: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Fachkompetenz Führungs-, Sozial- und Veränderungskompetenz Unternehmerkompetenz – Strategische Orientierung Unternehmerkompetenz – Ergebnisorientierung Größenordnung Art des Einflusses auf die Größenordnung
Im Rahmen des Grading-Prozesses wurden sechs unterschiedliche Anforderungsebenen identifiziert. Sie bilden die Basis für die Ableitung der sechsstufigen Management-Level-Struktur, die zudem zwischen Organ- und Managementfunktionen unterscheidet. Entwicklungsprogramme Die individuelle Leistung unserer Führungskräfte und ihr Potenzial sind ein wichtiger Input sowohl für unsere Nachfolgeplanung als auch für die Ableitung bedarfsgerechter, konzernweiter Entwicklungsmaßnahmen.
Das Nachfolgemanagement im RWE-Konzern
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Die für den weiteren Erfolg des Konzerns entscheidenden Qualifikationen werden durch systematisch aufeinander aufbauende Trainings- und Entwicklungsmaßnahmen vermittelt. Diesem Ziel dient beispielsweise das „International Leadership Program“. Das Zusammentreffen von Führungskräften unterschiedlicher Fachbereiche, Führungsgesellschaften und Nationalitäten ermöglicht ein Kennenlernen und Verstehen über fachliche und kulturelle Grenzen hinweg. Inhaltlicher Schwerpunkt des ILP ist die Reflexion des persönlichen Führungsverhaltens sowie der gezielte Transfer des Gelernten in die Praxis. Wesentliches Kernelement ist hier ein 360°-Feedback, weil in den unterschiedlichen Rollen als Mitarbeiter, Vorgesetzter, Kollege unterschiedliche Facetten des Verhaltensrepertoires einer Führungskraft sichtbar werden. Parallel wirken wir systematisch auf ein gemeinsames Verständnis von Themen hin. So bearbeiten die Teilnehmer z.B. die Themen „Führen durch Wert“, „Effektiv führen in Teams“, „Nutzen aus persönlichen Unterschieden ziehen“, „Führungskräfte entwickeln“. Das „Management Development Programm“ – „International Management Development Programm“ vermittelt die konzernrelevanten Führungsinstrumente und Strategien und trägt zur Akzeptanz dieser Werkzeuge und zur Umsetzung der Konzernstrategie bei. Inhalte wie „Wertorientierte Ergebnissteuerung“, „Stratgieumsetzung mit der Balanced Score Card“ und „Führen mit Zielvereinbarungen“ werden von RWE-Führungskräften als internen Referenten vermittelt. Experten aus Hochschulen und anderen Unternehmen vermitteln den externen Blickwinkel. Entwicklungsprogramme für Potenzialträger im noch nicht leitenden Bereich werden gezielt auf Führungsgesellschaftsebene durchgeführt. Ergänzt werden diese Angebote, die spezifisch auf die strategische Ausrichtung der Führungsgesellschaft zugeschnitten sind, durch den RWE Management Campus. Dieses Instrument der konzernweiten Nachwuchsförderung widmet sich aktuellen Themen des Konzerns und bereitet Nachwuchskräfte auf zukünftige Anforderungen vor. Der RWE Management Campus bietet ausgewählten Führungsnachwuchskräften die Gelegenheit, den Konzern in seinen unterschiedlichen Facetten zu erleben, Netzwerke über Gesellschaftsgrenzen hinweg zu knüpfen und sich mit konzernrelevanten, strategischen Themenstellungen experimentell und kreativ auseinander zu setzen. Hochschulmarketing/International Graduate Program Nachfolgemanagement besteht nicht nur aus dem internen Prozess, sondern steht in unmittelbarer Verbindung zur externen Rekrutierung von Kompetenzen. Vor allem die Gewinnung akademischen Nachwuchses als Führungsnachwuchs stellt dabei eine besondere Herausforderung dar, bei der die Arbeitgeberattraktivität eine maßgebliche Rolle spielt. Sehr gezieltes Marketing an Hochschulen sowie att-
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raktive Angebote für Hochschulabsolventen sind wichtige flankierende Maßnahmen, die langfristig die Verfügbarkeit der benötigten Kompetenzen sichern. Es bestehen Kooperationen mit ausgewählten Partnerhochschulen. Vornehmlich durch beständige und persönliche Kontakte mit RWE-Mitabeitern aus unterschiedlichen Fachbereichen und aus allen Hierarchieebenen, aber auch die allgemeine Medienarbeit für das Arbeitgeberimage, hat sich RWE an den Partnerhochschulen zu einer festen Größe etabliert. Deutlich wird dies auch durch einen erfreulichen Zuwachs der Besucher auf den Karriereseiten der RWE im Internet. Mit der Zielsetzung, besonders qualifizierte Hochschulabsolventen unterschiedlicher Fachrichtungen von Beginn an auf die strategischen Herausforderungen des Konzerns vorzubereiten, bietet RWE mit dem IGP ein konzernweites Einstiegsprogramm an. Die Teilnehmer des Programms lernen während der 18 Monate für jeweils drei bis vier Monate unterschiedliche Führungsgesellschaften und Funktionsbereiche kennen. Die Wechsel erfordern, dass die Teilnehmer sich schnell und flexibel in neue Themen einarbeiten. Dadurch bauen sie ihre generalistischen Kompetenzen aus und entwickeln ein tragfähiges Netzwerk, das über das Programm hinaus konzernweite Beziehungen schafft. Mentoren aus dem RWE-Management begleiten die Entwicklung, diskutieren persönliche Erfahrungen und unterstützen den Trainee beim Aufbau des persönlichen Netzwerks. Seit Bestehen des IGPs haben sich die Bewerberzahlen jedes Jahr mehr als verdoppelt. Heute wählen wir aus etwa 1.500 Kandidaten jährlich max. 8 Teilnehmer für das Programm aus. Bei der Auswahl stützen wir uns auf eine dreistufige sequenzielle Auswahlstrategie, bei der der Erstkontakt und die Bewerbervorauswahl auf die PERLS-Technik gestützt werden. Die Bewerbervorauswahl auf Basis der biografischen Daten wird über das Internet realisiert. Zu diesem Zweck wurde ein PERLS-Bewerbungsbogen erstellt, der für die klassische „Sichtung der Bewerbungsunterlagen“ durch den Recruiter entscheidungsrelevant ist. Bewerber, die den formalen Kriterien für das IGP genügen, werden zu einer internetgestützten Vortestung durch PERLS eingeladen, die aus 16 PERLS-Skalen besteht. Diese Skalen sind eng an das MoC angelehnt. Auf der Grundlage der Vortestung in Kombination mit den biografischen Daten werden die Personen ausgewählt, die für das zur Endauswahl konzipierte Assessment-Center eingeladen werden. An dem Assessment-Center nehmen Beobachter aus allen Bereichen des Unternehmens teil.
Das Nachfolgemanagement im RWE-Konzern
4
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Integriertes Nachfolgemanagement im RWE-Konzern
Der Nachfolgemanagement-Prozess gliedert sich in vier Phasen:
Launch Jahresplanung
Vorbereitung der Konferenzen Integration der Datenquellen: Potenzial (Discoveries) Leistung (Zielerreichung) Strategische Prioritäten
Nachfolgekonferenzen Standardisiertes Format
Der Prozess ermöglicht eine Fokussierung auf..
Matching/Talent Broking Monitoren des Prozesses Besetzung von kritischen Positionen
Abb. 4. Die vier Phasen des Nachfolgemanagements
4.1
Launch
Anfang des Jahres wird der „Startschuss“ für den Nachfolgemanagement-Prozess gegeben. Der Vorstandsvorsitzende informiert die Gesellschaften über die Zeitplanung und wesentlichen Herausforderungen des jährlichen Nachfolgemanagement-Prozesses. Wir unterstreichen damit die Bedeutung des Themas als integraler Bestandteil des strategischen Jahresplans, legen Schwerpunkte und Verantwortlichkeiten fest. Die somit vom TOP-Management forcierte Initiative betont die Relevanz des Nachfolgemanagments als TOP-Priorität in unserem Unternehmen. 4.2
Vorbereitung der Konferenzen
In Vorbereitung der Konferenzen wird ein Gesamtüberblick über potenzielle Nachfolgekandidaten und zu besetzende Positionen erarbeitet. Die Gesellschaften definieren im ersten Schritt ihre „kritischen Positionen“1 und benennen mögliche Kandidaten. Des weiteren werden Mitarbeiter mit hohem Po1 kritische Positionen Eine kritische Position korrespondiert mit dem Management-Level. Alle Positionen der ManagementLevel 1-3 sind als kritisch definiert. Die Definition berücksichtigt zum einen den unmittelbaren Einfluss auf den Unternehmenserfolg, zum anderen das Wiederbesetzungsrisiko.
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tenzial und aussergewöhnlicher Leistung identifiziert und mögliche Entwicklungsschritte für diese Zielgruppe erarbeitet. Eine Überprüfung des Bindungsrisikos der Mitarbeiter zeigt zudem auf, welche Führungskraft einen erhöhten Entwicklungsbedarf hat. Für diese Vorbereitung werden sowohl hinsichtlich der Inhalte und Zielgruppen als auch der Entscheidungsrahmen klare Definitionen vorgegeben, um eine Fokussierung und optimale Vorbereitung der Konferenz sicherzustellen. Im zweiten Schritt werden die erforderlichen Daten und Informationen in einem globalen IT System von den Gesellschaften geprüft und ggf. aktualisiert. Um alle möglichen Alternativen im Konzern zu berücksichtigen, erfolgt auf Konzernebene ein erster Abgleich zwischen Kandidaten und Positionen. Kandidatenlisten können hierbei vom Group Center ergänzt und den Gesellschaften zur Verfügung gestellt werden. Daraus ergibt sich eine Gesamtübersicht der in den einzelnen Konferenzen zu diskutierenden Vakanzen, sowie Nachfolgekandidaten und Potenzialträger. 4.3
Konferenzen
Der Prozess des Nachfolgemanagements wird über kaskadierende Nachfolgekonferenzen modelliert. Denn um bei Nachfolgeüberlegungen alle möglichen Alternativen im Konzern berücksichtigen zu können, müssen die Aspekte und Optionen auf unterschiedlichen Ebenen diskutiert und die Ergebnisse konzernübergreifend kommuniziert werden. Dazu führen wir jährlich Nachfolgekonferenzen in den Führungsgesellschaften und auf Konzernebene durch. Der regelmäßige Dialog auf der Top-Management-Ebene dient der Entscheidungsfindung in Bezug auf Nachfolgekandidaten und TOP-Potenzialträger sowie der Definition von Entwicklungsstellen für einzelne Personen. Schwerpunkte der Diskussion liegen hierbei auf der: Ɣ Evaluierung des aktuellen Management-Portfolios Ɣ Ableitung des Handlungsbedarfs gemäß der aktuellen Konzern- und Personalstrategie Ɣ Entscheidungen zu kurz- und mittelfristigen Nachfolgen für bestimmte Positionen Ɣ Diskussion von Entwicklungsmöglichkeiten für High Potentials In der zeitlichen Abfolge führen die Führungsgesellschaften ihre Konferenzen zwei bis drei Monate vor der Konzernkonferenz durch. So wird ein systematischer Ablauf und eine zeitnahe Entscheidungsfindung unterstützt. Der Schwerpunkt liegt bei den Konferenzen der Führungsgesellschaften auf der Entscheidungsfindung bezüglich führungsgesellschaftsspezifischer Vakanzen und Potenzialträger, während die Konzernkonferenz das Ziel verfolgt, führungsgesellschaftsübergreifende Potenzialträger zu entwickeln und Vakanzen zu besetzen.
Das Nachfolgemanagement im RWE-Konzern
4.4
91
Talent Broking
Um unterjährig Vakanzen zielgerichtet besetzen zu können, besteht außerhalb der Konferenzen fortlaufend die Möglichkeit des systemunterstützen Matching. Hierbei werden vergleichbar der Konferenzvorbereitungsphase Stelleninformationen und Mitarbeiterinformationen gegenübergestellt, um potenzielle Nachfolger für Vakanzen zu finden. Des weiteren werden in der Phase des Matching Entscheidungen aus den Konferenzen validiert, sowie Nachfolgepläne erarbeitet. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Analyse der Dominoeffekte, die aus der Umsetzung der Konferenzentscheidungen resultieren sowie auf der Entwicklung bzw. Realisierung von individuellen Entwicklungsplänen für Potenzialträger.
Nachfolger
Position:
Positionen, die als kritisch eingestuft werden
Name: ______________
Name: _________________ Sehr kritisch Move in
kritisch
❍ ❍ ❍ 12 mo. 12-24 mo. >24 mo.
❍ ❍ ❍ Move in 12 12 mo. 12-24 mo. >24 mo.
Name: ______________ ❍ ❍ ❍ Move in 12 mo. 12-24 mo. >24 mo.
Name: ______________ ❍ ❍ ❍ Move in 12 12 mo. 12-24 mo. >24 mo.
weniger kritisch
Position:
Position:
Position:
Name: _________________
Name: _________________
Name: _________________
Move in
Einstufung des Bindungsrisikos des Kandidaten
❍ ❍ ❍ 12 mo. 12-24 mo. >24 mo. Nachfolger Name: ______________
Hohes Bindungsrisiko
❍ ❍ ❍ Move in =12 mo. 12-24 mo.>24 mo.
Mittleres Bindungsrisiko
❍ ❍ ❍ Move in =12 mo. 12-24 mo.>24 mo.
Niedriges Bindungsrisiko
Name: ______________
Name: ______________ ❍ ❍ ❍ Move in =12 mo. 12-24 mo.>24 mo.
Move in
❍ ❍ ❍ 12 mo. 12-24 mo. >24 mo. Nachfolger Name: ______________ ❍ ❍ ❍ Move in =12 mo. 12-24 mo.>24 mo.
Name: ______________ ❍ ❍ ❍ Move in =12 mo. 12-24 mo.>24 mo.
Name: ______________ ❍ ❍ ❍ Move in =12 mo. 12-24 mo.>24 mo.
Move in
❍ ❍ ❍ 12 mo. 12-24 mo. >24 mo. Nachfolger
Name: ______________ ❍ ❍ ❍ Move in =12 mo. 12-24 mo.>24 mo.
Name: ______________ ❍ ❍ ❍ Move in =12 mo. 12-24 mo.>24 mo.
Name: ______________ ❍ ❍ ❍ Move in =12 mo. 12-24 mo.>24 mo.
Abb. 5. Beispiel einer Nachfolgeplanung
Des Weiteren werden die Resultate der Konferenzen an die Vorstandsebene berichtet. Dieses Tracking stellt sicher, dass die Vorstandsebene regelmäßig über das Nachfolgemanagement informiert und auch der Erfolg des Nachfolgemanagements über Key performance Indicators (KPIs) nachvollziehbar bemessen wird. Daraus lassen sich Verbesserungsmöglichkeiten für den Prozessablauf erarbeiten. Auch hier sorgt die Einbindung des TOP Mangements für eine entsprechende Akzeptanz und unterstreicht die Bedeutung, die dieser Prozess für das Gesamtunternehmen hat.
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4.5
Dieter Jurgens
Systemunterstützung
Der Erfolg des Nachfolgemanagement-Prozesses hängt in hohem Maß von der hohen Qualität der verfügbaren Daten ab. Gleichzeitig muss der administrative Aufwand möglichst gering gehalten werden, um die Akzeptanz des Prozesses nicht zu gefährden. Somit ist für den Erfolg und die Akzeptanz des Nachfolgemanagement-Prozesses die Systemunterstützung von großer Bedeutung. Die Datenkonsolidierung erfolgt über ein zentrales IT-System, das die Administration und Verwaltung der notwendigen Daten gewährleistet. Die von uns gewählte web-basierte Lösung erlaubt eine direkte Integration von relevanten Daten, bietet flexible Suchfunktionen auf Konzern- und Führungsgesellschaftsebene, ist multilingual und entspricht aktuellen, internationalen Datenschutzvorschriften. Ein den Anforderungen entsprechendes Rollen- und Rechte-Konzept unterstützt zum einen den Datenschutz und erlaubt zum anderen den schrittweisen Ausbau eines „Employee Self Service“ Konzeptes. Zwei verschiedene Datensätze werden genutzt, um die relevanten Informationen bereitzustellen. Beide Datensätze sind so strukturiert, dass sie ein IT-basiertes Matching ermöglichen, bei dem vordefinierte Kriterien abgeglichen werden, z.B. erforderliche Erfahrung für die Stelle mit der Erfahrung des Kandidaten. Ɣ Das Stellenprofil erfasst neben den Hauptaufgaben Anforderungen an Ausbildung und Erfahrung sowie Competencies (Persönlichkeitsmerkmale). Die Stellenprofile bilden die Plattform für alle Maßnahmen und Instrumente des Personalmanagements. Ɣ Das Kandidatenprofil erfasst die wesentlichen personenbezogenen Informationen. Es umfasst die Fähigkeiten, Kompetenzen, Potenzial, Erfahrungen und die Leistung des Kandidaten. Diese Aspekte werden zum einen aus den Ergebnissen der Zielvereinbarungen, zum anderen aus den biografischen Daten abgeleitet.
Das Nachfolgemanagement im RWE-Konzern
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Abb. 6. Darstellung des Stellen- und Kandidatenprofils
Da das Matching von Stellenanforderungen und potenziellen Besetzungskandidaten auf dem Abgleich von fachlichen Skills und formalen Qualifikationen beruht, müssen diese in einer praktikablen, international einsatzfähigen und pflegetauglichen Systematik im System hinterlegt sein. Bei der Erstellung dieser Systematik sind außerdem folgende Aspekte zu berücksichtigen: Ɣ „Körnungsebene“ / Detailtiefe der Skills (Pflegeaufwand vs. Aussagekraft) Ɣ Pflegeprozess (Datenqualität: Aktualität; Vollständigkeit; Korrektheit; ...) Ɣ Datenspeicherung und Zugriff Das Nachfolgemanagementsystem dient aber nicht nur dem Matching in Bezug auf einzelne Positionen, sondern unterstützt auch ein ganzheitliches Personalmanagement (zum Beispiel bei der Gestaltung von Qualifizierungsmaßnahmen). Daher werden nicht nur einzelne Positionen mit ihren Unterschieden beschrieben, sondern Funktionen mit vergleichbaren Anforderungen an fachliche und persönliche Fähigkeiten in Job Familien zusammengefasst. Dieser integrative und übergreifende Ansatz bündelt Funktionen ähnlichen Charakters, d. h. mit vergleichbaren Rollen und Aufgaben. Basierend auf den Ergebnissen des Gradings haben wir so neun Job Familien aufgebaut, die eine unternehmensweite Plattform schaffen.
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Dieter Jurgens
Erfolgsfaktoren und Chancen einer erfolgreichen Umsetzung
Die effektive und effiziente Unterstützung des Nachfolgemanagements durch ein IT-System ist wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung des Prozesses. Dies allein wird jedoch nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der im RWE Prozess an verschiedenen Stellen entsprechend verankert ist, ist die Unterstützung durch das TOP Management und die Einbindung aller beteiligten Funktionen. Damit das Nachfolgemanagement nicht nur in sich konsequent ist, sondern bestmöglich zur Erreichung der Geschäftsziele beitragen kann, muss das Nachfolgemanagement fester Bestandteil der strategischen Jahresplanung eines Unternehmens sein. Nur unter Berücksichtigung der strategischen Veränderungen und Herausforderungen kann das Nachfolgemanagement langfristig erfolgreich das erforderliche Kompetenzportfolio für das Unternehmen sicherstellen. Dazu gehört, dass das Nachfolgemanagement vollständige Transparenz über die Führungskräfte und Potenzialträger sowie deren Entwicklung ermöglicht und ermöglichen muss (qualitativ wie quantitativ). Damit ist ein Change Prozess verbunden, der durch entsprechende Kommunikation Akzeptanz der definierten Prozesse sowohl in den beteiligten Personalabteilungen und dem Führungskräftemanagement wie auch bei den Mitarbeitern und Führungskräften sichern muss. Die Unterstützung durch das TOP Management, die Einbindung aller beteiligten Funktionen sowie das konsequente Tracking im Nachfolgemanagement erhöhen diese Akzeptanz und die Verbindlichkeit des Prozesses. Zur optimalen Nutzung der durch das Nachfolgemangement bereitgestellten Informationen müssen ferner alle personalwirtschaftlichen Funktionen und Instrumente in den Prozess ein- und angebunden werden, etwa bei der Gestaltung strukturierter, zielgerichteter Entwicklungsprogramme und bei Entscheidungen zur externen Rekrutierung. Werden diese Aspekte hinreichend berücksichtigt, bietet das Nachfolgemanagement über die konkrete Zielsetzung hinausgehend erhebliche Chancen. Die Standardisierung und Integration verschiedener Prozesse und Instrumente sorgt für einen Zuwachs an Transparenz, Vergleichbarkeit und Verlässlichkeit. Redundanz und Komplexität werden verringert. Durch die verbesserte Qualität der Daten können Stellenbesetzungen schneller und präziser erfolgen. Dabei erlaubt das Nachfolgemanagement als flexibler Rahmen die Berücksichtigung führungsgesellschaftsspezifischer Bedürfnisse ebenso wie die Ausrichtung auf den Gesamtkonzern. Der konzernweit integrierte Nachfolgemanagementprozess stellt sicher, dass für die erfolgskritischen Positionen im Konzern vorausschauend Nachfolger identifiziert werden und Top Talente gezielt entwickelt werden. Dies wiederum sichert die erfolgreiche Umsetzung der Konzernstrategie.
6
Kompetenzmanagement im Strategischen Führungsprozess bei Porsche
Martin Meyer und Holger Rust
Einführung Porsche, der kleinste unabhängige Automobilhersteller der Welt, operierte in den vergangenen Jahren weit profitabler als alle anderen Automobilhersteller weltweit. Die aktuelle Entwicklung ist durch herausragende Leistungen und Erfolge am Markt sowie durch ein ständig steigendes Wachstum bei Absatz, Umsatz 1 und Ertrag gekennzeichnet. Maßgeblich hierfür waren unter anderem Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ
der Aufbau einer neuen Produktpalette (Boxster/Carrera/Cayenne), die Neuausrichtung aller Entwicklungsprozesse, die Optimierung des Produktionssystems und der Aufbau eines weltweiten Vertriebsnetzes.
Mit dem dynamischen Wachstum des Unternehmens hat Porsche auch seine internationale Präsenz weiter ausgebaut. Der Porsche Konzern beschäftigt heute weltweit fast 12.000 Mitarbeiter, davon sind 8.000 in der Porsche AG. Um den Wachstumspfad weiter zu unterstützen und einen nachhaltigen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung der strategischen Unternehmensziele zu leisten, verfolgt Porsche auch auf dem Gebiet des Personalmanagements neue Ansätze und Modelle auf der Grundlage bewährter Konzeptionen. Vor einigen Jahren wurde daher damit begonnen, den Strategischen Führungsprozess zu entwickeln und einzuführen – und zwar vor dem Hintergrund folgender Kernfrage: Was muss heute getan werden, um die Führungs- und Managementqualität für die Zukunft sicherzustellen und weiterzuentwickeln?
1
Der Umsatz konnte im Geschäftsjahr 03/04 auf über 6 Mrd. € gesteigert werden.
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Martin Meyer und Holger Rust
Neue Anforderungen an Führung
Diese skizzierten Entwicklungen markieren den Weg von Porsche vom mittelständisch geprägten Unternehmen mit Familientradition zu einem international agierenden Konzern. Damit verändern sich zwangsläufig auch die Rahmenbedingungen der Führung: Ɣ Ɣ
Ɣ
Ɣ
Ɣ
Ɣ Ɣ
Die Dynamik sämtlicher Prozesse im Unternehmen nimmt zu. Veränderungen hat es zwar schon immer gegeben – neu ist jedoch die Geschwindigkeit, in der sich die Veränderungen vollziehen und zu bewältigen sind. Die Komplexität von Prozessen wächst durch die Ausweitung der Produktpalette. Mittlerweile hat Porsche eine dritte Baureihe, den Cayenne, erfolgreich im Markt eingeführt. Durch die rasante Ausweitung der Produktpalette müssen Mitarbeiter und Führungskräfte mit komplexeren Situationen und Entscheidungen bewältigen. Die zunehmende Internationalisierung, vor allem im Vertrieb, aber auch in anderen Unternehmensbereichen, bedeutet für Mitarbeiter und Führungskräfte, dass sie sich nunmehr immer öfter auf internationalem Parkett bewegen müssen. Die wachsende Zahl von Tochtergesellschaften bei Porsche wirft zunehmend die Frage nach einer konzernweiten Ausrichtung der Kommunikation und der Zusammenarbeit auf, so dass der Fokus auf einer zunehmenden Vernetzung innerhalb des Konzerns liegen wird. Mit wachsender Qualifizierung der Belegschaft wächst auch die Erwartungshaltung der Mitarbeiter, die ihr Wissen einbringen möchten, mehr Gestaltungsspielraum einfordern, an Entscheidungen beteiligt sowie gefördert werden wollen. Gerade auch für die Mitarbeiter in den kleineren, internationalen Konzerntöchtern stellt sich die Frage nach den Entwicklungsperspektiven innerhalb des Konzerns. Hinzu kommt, dass die Verfügbarkeit hochqualifizierter Nachwuchskräfte in allen Bereichen des Unternehmens für ein technologiegetriebenes Unternehmen wie Porsche zum Schlüsselfaktor für Wettbewerbsfähigkeit und Erfolg ist. Diese Veränderungen stellen neue Anforderungen an Führung und haben einen großen Einfluss auf die Rolle der Führungskräfte im Unternehmen. Folgende Aspekte gewinnen für die tägliche Führungsarbeit immer weiter an Bedeutung: Unternehmerisches Handeln, das heißt strategisch denken, die Auswirkungen des Handelns auf das Unternehmen abschätzen können, über den Tellerrand des eigenen Aufgabengebietes hinaus schauen; kostenbewusste, auf Effizienz ausgerichtete Entscheidungen treffen. Qualitätsmanagement als eigene Aufgabe begreifen, das heißt Verantwortung für das Produkt übernehmen, Prozesse zur Qualitätsverbesserung steuern. Motivation und Begeisterung von Mitarbeitern, das heißt Mitarbeiter tatsächlich führen, nicht nur fachlich anleiten: Ziele vereinbaren, Aufgaben und Verantwortung übertragen und Mitarbeiter gezielt fördern.
Kompetenzmanagement im Strategischen Führungsprozess bei Porsche
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Ɣ
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Kommunikation aktiv betreiben, das heißt entsprechende Kommunikationstechniken beherrschen, Netzwerke bilden und pflegen oder Konflikte im Team lösen. Teamorientierung und Projektmanagement, das heißt teamorientiert führen, Teamsitzungen aus unterschiedlichen Bereichen und Disziplinen des Unternehmens zur Bewältigung einer Aufgabe moderieren, unterschiedliche Meinungen und Interessen zusammenführen und zu einem gemeinsamen Projektergebnis lenken. Interkulturelle Kompetenz, das heißt die Fähigkeit, sich in verschiedenen Kulturen und Ländern erfolgreich bewegen zu können.
Diese Rahmenbedingungen und Anforderungen waren der Anlass, ein zukunftsorientiertes Gesamtkonzept zur Gewinnung und gezielten Förderung von Führungskräften zu entwickeln und ständig weiter zu optimieren. Das Ergebnis ist der Strategische Führungsprozess bei Porsche, der die Kerninstrumente der Nachwuchsbeschaffung und -förderung, der Führungskräfteentwicklung und Personalführung zu einem durchgängigen Gesamtprozess integriert.
2
Das Porsche Kompetenzmodell
Den Rahmen für Führung und Handeln bilden die Porsche Führungsleitlinien. Hieraus leiten sich die Porsche Führungskompetenzen ab, die – unterteilt in vier Bereiche – die Grundlage für die Erstellung von Profilen für Funktionen und Personen bilden. 2.1
Führungsleitlinien
Bei der Entwicklung der Führungsleitlinien stand nicht nur eine eindeutige und klare Formulierung, sondern auch eine Fokussierung auf die wichtigen Führungsthemen bei Porsche im Vordergrund. Darüber hinaus sollte eine eindeutige Abgrenzung gegenüber dem Wettbewerb erfolgen. Die Führungsleitlinien leiten sich direkt aus den Unternehmenszielen ab, die in Vision und Mission formuliert sind. Die Übertragung der Ausrichtung des Unternehmens und der Unternehmensstrategie auf die dafür erforderliche Führungskultur erfolgt in den Führungsleitlinien. Natürlich unter Beachtung der gewachsenen traditionellen Werte und kulturellen Eigenheiten, die Porsche schon immer ausgezeichnet haben.
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Unabhängigkeit, Wettbewerbsorientierung und Konfliktfähigkeit – das Führungsverständnis von Porsche orientiert sich an langfristigen Werten und basiert auf einer offenen und direkten Kommunikation. Die Bereitschaft, angemessene Risiken einzugehen, wird gefördert. Konflikte werden fair, offen und im direkten Gespräch mit den Betroffenen ausgetragen. Premiumprodukte, Premiumkunden und Premiumprozesse – alle Führungskräfte und Mitarbeiter sind für die Definition und Umsetzung kunden- und qualitätsorientierter Prozesse verantwortlich. Mitarbeiterentwicklung und Qualifizierung – unsere Führungskräfte fördern stetig die notwendigen fachlichen Kernkompetenzen in ihrem Verantwortungsbereich, stärken die eigenen Management- und Führungskompetenzen und unterstützen die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter. Profitabel, schlank, effizient – alle Vorgesetzten sind für die Umsetzung einer schlanken Organisation und für die Gestaltung effizienter Abläufe in Ihrem Aufgabengebiet als Beitrag zur Optimierung des Gesamtergebnisses verantwortlich, setzen entschieden Prioritäten, vermeiden Bürokratismus und schaffen Handlungsspielräume. Aktive Optimierung aller Geschäftsprozesse – alle Vorgesetzten fördern die nachhaltige und eigenverantwortliche Optimierung aller Geschäftsprozesse im Rahmen des Porsche Verbesserungsprozesses. Porsche und der Standort Deutschland – unsere Führungskräfte gestalten durchgehende und konzernübergreifende Prozesse und fördern die erforderliche internationale Mobilität der Mitarbeiter. Faszination und Emotion – unsere Führungskräfte sind Vorbild und schaffen in ihrem Verantwortungsbereich eine motivierende Atmosphäre durch Vergabe von herausfordernden, umfassenden und ganzheitlichen Aufgabenstellungen oder Projekten.
Abb. 1. Kurzfassung Porsche Führungsleitlinien
Im Vordergrund der Führungsleitlinien stehen die Grundwerte des Führungsverständnisses bei Porsche. Im Anschluss folgen eindeutig formulierte Erwartungen an Führungskräfte hinsichtlich ihres Führungsverhaltens, unter anderem im Hinblick auf Qualitätsmanagement, schlanke Strukturen und Prozessoptimierung. 2.2
Führungskompetenzen
Die Führungsleitlinien bilden den Rahmen für Führungsverhalten im Unternehmen, die Führungskompetenzen das Bewertungsraster für die handelnden Personen. Die aus den Führungsleitlinien abgeleiteten zehn Führungskompetenzen sind die Kriterien für Führungsqualität im gesamten Porsche Konzern und dienen als Grundlage für die Auswahl, Beurteilung und Entwicklung aller Fach- und Führungskräfte. Damit wird sichergestellt, dass bei der Erstellung von Anforderungsprofilen für alle Fach- und Führungsfunktionen im Unternehmen das gleiche Bewertungsmus-
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ter zugrunde gelegt wird. Auch bei der Bewertung der überfachlichen Kompetenzen von zu beurteilenden Personen zum Zwecke der Leistungs- oder Potenzialeinschätzung werden identische Kriterien und Bewertungsskalen verwendet. Mit steigendem Erwartungs- und Erfahrungshorizont der Zielgruppe erweitert sich das Kompetenzspektrum und damit auch die Anzahl der eingesetzten Kriterien.
Abb. 2. Porsche Führungskompetenzen
Ziel ist es, ein Profil von Funktion oder Person zu erhalten, das eine kompetente Einschätzung erlaubt und Vergleichbarkeit herstellt. Detaillierte Kompetenzbeschreibungen und Skalenerläuterungen gewährleisten Vergleichbarkeit. Schulungen und der inzwischen geübte Umgang mit den Führungskompetenzen bei Führungskräften und Personalern sichern Objektivität. Damit bilden die Führungskompetenzen die methodische Grundlage für alle Instrumente des strategischen
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Führungsprozesses – von der Nachwuchsbeschaffung bis zum ManagementTraining.
3
Der Strategische Führungsprozess bei Porsche
Zentrale Zielsetzung des Strategischen Führungsprozesses ist es, die hohe Management-Kompetenz des Porsche Konzerns für die Zukunft sicherzustellen und damit einen nachhaltigen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung der strategischen Unternehmensziele zu leisten. Entscheidend dabei ist eine langfristige und nachhaltige Ausrichtung. 3.1
Überblick
Der Strategische Führungsprozess besteht aus den aufeinander abgestimmten und miteinander verzahnten Kerninstrumenten Nachwuchsbeschaffung, Nachwuchsförderung, Führungskräftebeurteilung und -entwicklung, Zielvereinbarung sowie der Nachfolgeplanung (siehe Abbildung 3). Er gewährleistet, dass Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ
die hohe Attraktivität von Porsche als Arbeitgeber weiter gesichert und ausgebaut wird, um die Besten in das Unternehmen zu holen und zu halten, Potenzialträger systematisch identifiziert und gezielt entwickelt werden, Führungskräfte auf neue Herausforderungen vorbereitet werden, das Unternehmen und seine Bereiche über klar definierte Leistungserwartungen besser gesteuert werden können und Schlüsselfunktionen im gesamten Konzern geplant aus den eigenen Reihen besetzt werden können.
Abb. 3. Kerninstrumente des Strategischen Führungsprozesses
*)
Kompetenzmanagement im Strategischen Führungsprozess bei Porsche
3.2
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Nachwuchsbeschaffung
Im Rahmen der Nachwuchsbeschaffung soll der Bedarf an qualifizierten Nachwuchskräften sichergestellt werden (siehe Abbildung 4). Dies erfolgt zum einen durch die Porsche Berufsausbildung, die Ausbildungsplätze im gewerblichen und im kaufmännischen Bereich sowie für Studenten an der Berufsakademie anbietet, zum anderen im akademischen Bereich durch gezieltes Hochschulmarketing und das Praktikantenprogramm Pole Position. Porsche verfügt über eine hohe Attraktivität am Markt für Hochschulabsolventen. Gleichzeitig ist aber in den vergangenen Jahren die Anzahl der Hochschulabsolventen, insbesondere in den technischen Studienfächern, dramatisch zurückgegangen. Aus Unternehmenssicht ist es daher notwendig, gute Nachwuchskräfte gezielt zu rekrutieren.
Abb. 4. Rekrutierung von Hochschulabsolventen
Um bereits frühzeitig mit hochkarätigen Nachwuchskräften ins Gespräch zu kommen und sie für Porsche zu begeistern, konzentrieren sich die Aktivitäten im Hochschulmarketing auf ausgewählte Hochschulen und Rekrutierungsmessen im In- und Ausland. Im Rahmen des Programms Pole Position werden ehemalige Praktikanten, die sich durch sehr gute Leistungen ausgezeichnet haben, während ihrer verbleibenden Studienzeit durch regelmäßige Informationen sowie Einladungen zu Events und Seminaren aktiv betreut. Bei der Vergabe von internationalen Praktika, Werkstudententätigkeiten oder Diplomarbeiten werden diese vorrangig berücksichtigt. Hierdurch gelingt es uns, junge Potenzialträger bereits frühzeitig an uns zu binden
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und gezielt auf einen möglichen Berufseinstieg bei Porsche vorzubereiten. Die Nachwuchsbeschaffung leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Qualität bei der Besetzung von Absolventenstellen. Bereits bei den Praktikanten erfolgt die Beurteilung anhand der oben genannten Führungskompetenzen. Zurzeit werden über 80 Prozent unserer Einstiegsfunktionen durch Teilnehmer des Programms besetzt. Darüber hinaus fördert Porsche weitere zukunftsorientierte Initiativen im Rahmen der Nachwuchsbeschaffung. Die Ausschreibung des Ferry Porsche Preises für die besten Abiturienten in Baden-Württemberg in den Fächern Mathematik und Physik/Technik ist ein weiterer Beitrag, um junge Menschen für ein Studium der Ingenieurswissenschaften zu begeistern. Als Kooperationspartner der femtec, dem Hochschulkarrierezentrum für Studentinnen der Natur- und Ingenieurswissenschaften in Berlin, beteiligt sich Porsche aktiv an der Auswahl der Teilnehmerinnen, bietet maßgeschneiderte Praktikumsplätze und diverse Vortragsveranstaltungen an. 3.3
Nachwuchsförderung
Nach einer individuellen Einarbeitung und der ersten Bewährung im Berufsalltag werden Potenzialträger im Porsche Konzern im Rahmen der Nachwuchsförderung systematisch identifiziert, gezielt entwickelt und auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet. Porsche Nachwuchs-Förderungsprogramm Die zweijährige Porsche Nachwuchs-Förderung (PNF) richtet sich an die Nachwuchskräfte der Porsche AG sowie der deutschen Tochtergesellschaften. Als zentraler Bestandteil der Nachwuchssicherung im Porsche Konzern verfolgt das Programm vier Hauptziele: Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ
Zielgerichtete Entwicklung und Förderung im Hinblick auf die Übernahme weiterführender Aufgaben, Besetzung von Führungsfunktionen aus den eigenen Reihen, Bindung der besten Nachwuchskräfte sowie Netzwerkbildung auf Ebene der Nachwuchskräfte.
Kompetenzmanagement im Strategischen Führungsprozess bei Porsche
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Basisbausteine Workshops/ Seminare
Vortragsveranstaltungen
Round Table
Individualbausteine Fach-/ Projekt-/ Führungsbausteine
Bereichsübergreifender Einsatz
Überfachliche Maßnahmen
Abb. 5. Bausteine des Porsche Nachwuchs-Förderungsprogramms
Eine individuelle Potenzialanalyse für jeden Teilnehmer bildet die Basis des PNFProgramms auf der Grundlage der Porsche Führungskompetenzen. Neben einheitlichen Basisbausteinen für alle Teilnehmer werden aufgrund dieser Potenzialanalyse gezielt die auf den jeweils nächsten möglichen Entwicklungsschritt ausgerichteten Individualbausteine abgeleitet (siehe Abbildung 5). Das Spektrum der PNF-Bausteine reicht von Vortragsveranstaltungen, bereichsübergreifenden sowie überfachlichen Seminaren (zum Beispiel Qualitätsmanagement, Unternehmensplanspiel, Faszinationstraining, Führungsleitlinien) über einen zweiwöchigen Produktionseinsatz und regelmäßige Round-Tables bis hin zu zwei bis dreimonatigen Projekteinsätzen in anderen Ressorts oder bei internationalen Tochtergesellschaften. Initiiert wird der gesamte Prozess durch den Personalbereich, Mentor ist jeweils der Vorgesetzte des PNF-Teilnehmers. Globalution Globalution (Globalization + Evolution) ist ein Programm für Nachwuchskräfte aus dem gesamten Porsche Konzern, die im internationalen Umfeld tätig oder für internationale Aufgaben vorgesehen sind. Auch hier wird für jeden Teilnehmer eine Potenzialanalyse auf Basis der Porsche Führungskompetenzen erstellt. Neben ausführlichen Informationen über den Porsche Konzern vermittelt Globalution den Teilnehmern Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die für ein erfolgreiches Agieren im internationalen Umfeld, insbesondere in internationalen Projekten, erforderlich sind.
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Abb. 6. Module von Globalution
Globalution ist modular aufgebaut (siehe Abbildung 6) und besteht aus einer vorbereitenden Fallstudie, deren Thema aus einem der Fachbereiche vorgeschlagen wird, einer viertägigen Präsenzphase und einer abschließenden Projektarbeit. Die Kommunikation erfolgt in Englisch. Jedes Programm wird von einem international erfahrenen Senior Manager als Pate begleitet. PNF und Globalution tragen im Rahmen der Nachwuchsförderung wesentlich zur Bindung der Mitarbeiter bei. Von allen Programmteilnehmern haben nur 4,7 Prozent in den letzten fünf Jahren das Unternehmen verlassen, über 70 Prozent haben weiterführende Funktionen übernommen. 3.4
Führungskräfteentwicklung
Die Entwicklung von Porsche zum internationalen Automobilkonzern verändert die Rahmenbedingungen und die Bedeutung von Führung. Dies führt unmittelbar zu höheren Anforderungen an die Führungskräfte. Unternehmerisches Handeln, Qualitätsmanagement bei Produkten und Prozessen, die Fähigkeit, die eigenen Mitarbeiter zu motivieren, Teamfähigkeit, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit sowie interkulturelle Kompetenz werden immer mehr zu Schlüsselfaktoren für erfolgreiche Führung.2 Als zentrales Kerninstrument des Strategischen Führungsprozesses verfolgt die Führungskräfteentwicklung im Porsche Konzern vier Hauptziele:
2
vgl. Kap. 2
Kompetenzmanagement im Strategischen Führungsprozess bei Porsche
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Sicherung von Top-Management-Qualität für die Zukunft von Porsche. Langfristige Bindung der besten Führungskräfte. Erkennen von Stärken und Schwächen (best fit for positions). Vorbereitung auf künftige Aufgaben und Herausforderungen durch eine gezielte Entwicklungsplanung.
Porsche Start! Ein erster Schritt zur Sicherung der Management-Qualität und einer durchgängig gelebten Führungsphilosophie bilden die Einführungsveranstaltungen für alle neuen Führungskräfte, Porsche Start!. Bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt werden neue Führungskräfte mit der Unternehmenskultur, den Grundsätzen und den Führungskompetenzen vertraut gemacht. Porsche Führungskräftebeurteilung und -entwicklung Im Rahmen der Porsche Führungskräftebeurteilung und -entwicklung (PFE) werden alle Führungskräfte im Konzern nach den Porsche Führungskompetenzen im Hinblick auf das Potenzial zur Übernahme weiterführender Führungsfunktionen beurteilt. Darauf aufbauend werden für jede Führungskraft individuell abgestimmte Entwicklungspläne definiert und zielgerichtete Entwicklungsmaßnahmen abgeleitet (siehe Abbildung 7). Die Bandbreite reicht von Beziehungs- und Persönlichkeitsmanagement über Verhandlungstraining bis hin zu Innovationsmanagement. Der PFE-Prozess erfolgt in einem Drei-Jahres-Rhythmus.
Abb. 7. Phasen der Porsche Führungskräftebeurteilung und -entwicklung
Porsche Management-Training Das Porsche Management-Training (PMT) ist ein in Zusammenarbeit mit einer renommierten Business School entwickeltes, umfassendes und strategisch orien-
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tiertes Qualifizierungsprogramm für erfahrene Leistungsträger im Führungskräftebereich mit Potenzial für weiterführende Aufgaben.
Abb. 8. Qualifizierungsprogramm Porsche Management-Training
Im Mittelpunkt des Qualifizierungsprogramms (siehe Abbildung 8) stehen die Förderung des General Management Know-hows, die Erarbeitung eines gemeinsamen Führungsverständnisses sowie die Netzwerkbildung auf hoher und höchster Ebene. Das Porsche Management-Training vermittelt den Teilnehmern aktuelles Wissen auf den wesentlichen Gebieten des General Managements. Ein besonderes Highlight sind die Kaminabende mit Vorständen, bei denen in offener und ungezwungener Atmosphäre unternehmensrelevante Themen diskutiert werden. 3.5
Zielvereinbarungsprozess
Nur das aufeinander abgestimmte Handeln aller Führungskräfte und Mitarbeiter wird den künftigen Erfolg des Unternehmens in einem dynamischen Umfeld sicherstellen. Der auf der 1. und 2. Führungsebene standardisierte Zielvereinbarungsprozess (siehe Abbildung 9) ermöglicht Porsche, das Unternehmen und seine Bereiche über klar definierte Leistungserwartungen besser zu steuern. Grundvoraussetzung hierfür ist die Ausrichtung aller Zielvereinbarungen an den übergeordneten Unternehmenszielen und die Sicherstellung der Zielkompatibilität durch kaskadenförmiges Herunterbrechen der Ziele bis auf die kleinste Leistungseinheit – den einzelnen Mitarbeiter.
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Um dies zu gewährleisten, ist der jährliche Zielvereinbarungsprozess in drei standardisierte Phasen unterteilt: 1. Start-/Vorbereitungsphase 2. Umsetzungsphase der Ziele 3. Bewertungsphase
*
Abb. 9. Ablauf Zielvereinbarungsprozess *) Langfristige Unternehmensplanung
Durch die gemeinsame Zielvereinbarung und eine regelmäßige Überprüfung des Erreichungsgrades der definierten Ziele wird nicht nur eine hohe ressortübergreifende Transparenz, sondern gleichzeitig auch die notwendige Ergebnisqualität gewonnen. Die unternehmerische Mitverantwortung und ein ergebnisorientiertes Handeln der Führungskräfte werden durch die Information über Ziele des Unternehmens und durch die Vereinbarung individueller Ziele und Ergebnisse deutlich gestärkt. Auf diese Weise wächst die Verantwortung jedes Einzelnen nicht nur für seinen direkten Aufgabenbereich, sondern auch übergeordnet für die Arbeit und den Erfolg
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des gesamten Unternehmens. Durch die Vereinbarung von klar definierten Zielen steigt die Qualität von Delegation, Förderung und Feedback – und somit die Qualität des gesamten Führungsprozesses. 3.6
Nachfolgeplanung
Mit dem Wachstum und der zunehmenden Internationalisierung von Porsche ist auch ein steigender Bedarf an hochqualifizierten Mitarbeitern und Führungskräften verbunden. Dabei ist es unser Ziel, langfristig den Großteil der Schlüsselfunktionen im Konzern mit Potenzialträgern aus den eigenen Reihen zu besetzen. Entscheidend hierfür ist die Transparenz über die im Konzern vorhandene Management-Qualität und Performance. Die Führungskräftebeurteilung und -entwicklung sowie der Zielvereinbarungsprozess sind dabei die wichtigsten Grundlagen für eine treffsichere Aussage über Leistung und Potenzial der Mitarbeiter und damit für die Nachfolgeplanung.
Abb. 10. Instrumente der Nachfolgeplanung
Die Identifizierung möglicher Nachfolgekandidaten für die jeweiligen Schlüsselfunktionen erfolgt in den jährlichen Tableau-Runden auf Vorstandsebene (siehe Abbildung 10). Diese bilden gleichzeitig die Grundlage für eine gezielte Entwicklungsplanung und die systematische Ableitung individueller Fördermaßnahmen.
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Mit der Nachfolgeplanung erfährt der Strategische Führungsprozess seine konsequente Umsetzung, um Porsche auch in Zukunft auf Erfolgskurs zu halten.
4
Fazit und Ausblick
Porsche ist heute innovativer und dynamischer als jemals zuvor in seiner Geschichte. Im Hinblick auf Effizienz, finanzielle Leistungsfähigkeit, Wachstumsund Veränderungsdynamik sowie Management-Qualität gehört der Porsche Konzern mittlerweile unbestritten zu den internationalen Top-Adressen. Um den Erfolg langfristig zu sichern, ist es aber erforderlich, bereits jetzt an morgen und übermorgen zu denken. Die hohe Qualifikation und die Kompetenzen der Mitarbeiter und Führungskräfte werden die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit und damit den Erfolg von Porsche in weiter wachsendem Maße bestimmen. Aus diesem Grund wurde in den letzten Jahren die Führungsleitlinien und die Führungskompetenzen komplett neu entwickelt, der Strategische Führungsprozess implementiert und das systematische Kompetenzmanagement kontinuierlich immer weiter ausgebaut. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Führungsleitlinien bilden zusammen mit den Führungskompetenzen die Basis für das systematische Kompetenzmanagement bei Porsche. Die aufeinander abgestimmten und miteinander verzahnten Kerninstrumente des Strategischen Führungsprozesses stellen sicher, dass: Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ
der Bedarf an fachlich qualifizierten und persönlich geeigneten Nachwuchskräften nachhaltig gedeckt wird, Potenziale frühzeitig und langfristig an das Unternehmen gebunden werden, Nachwuchs- und Führungskräfte systematisch auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet werden (Entwicklungsplanung), wichtige Schlüsselfunktionen im Konzern, das heißt weltweit, im Rahmen der Nachfolgeplanung besetzt werden können und der erreichte Entwicklungsstand unserer Führungsqualität permanent kontrolliert und verbessert werden kann (Evaluation).
Die Führungsleitlinien sowie die Führungskompetenzen und das Instrumentarium des Strategischen Führungsprozesses bilden die Basis für ein zukunftsorientiertes Personalmanagement. Allerdings werden sich die Anforderungen und Rahmenbedingungen für Führung und Personalpolitik auch in Zukunft weiter verändern. Bei diesen Veränderungsprozessen werden zum Beispiel die Entwicklungen im Bildungsbereich und am Arbeitsmarkt sowie die damit verbundene Verfügbarkeit hochqualifizierter Arbeitskräfte ebenfalls eine Rolle spielen. Sowohl die Führungsleitlinien und die Führungskompetenzen, aber auch der Strategische Füh-
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Martin Meyer und Holger Rust
rungsprozess werden daher immer wieder auf dem Prüfstand stehen und an diese Anforderungen angepasst werden.
Literatur Bach, V.; Österle, H.; Vogler, P. (2000): Business Knowledge Management in der Praxis. Prozessorientierte Lösungen zwischen Knowledge Portal und Kompetenzmanagement Berlin, Heidelberg Kienbaum, J. (2001): Visionäres Personalmanagement, Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart von Rosenstiel, L.; Pieler, D. u. Glas, P. (2004): Strategisches Kompetenzmanagement, Von der Strategie zur Kompetenzentwicklung in der Praxis, Gabler Wiesbaden Gröne, T., Clemenz, J.; Ostermaier, M; Beyer, M; Eberhardt, A; Altmann, A.; (2003): Effizientes Kompetenzmanagement in Unternehmen: Ergebnisse einer Studie des Institutes für Europäische Wirtschaftsstudien IEWS Reutlingen inklusive Konzeption einer operativen Gestaltungsempfehlung, Reutlingen
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Internationales Kompetenzmanagement
Markus John
Einleitung Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass Unternehmen wissen, welches Know-how intern vorhanden ist, damit die Personalentwicklung Maßnahmen exakt und bedarfsorientiert planen kann. Kostenintensive Qualifizierungsmaßnahmen ohne bedarfsgerechten Hintergrund könnten minimiert und freigewordene Stellen durch interne Potentialträger effizienter besetzt werden. Der informationstechnologische Fortschritt mit Datenbanken aller Art hilft, um eine große Anzahl von Mitarbeitern nach vordefinierten Kriterien einzuschätzen, um nahezu 100%tige Lösungen in der internen als auch externen Potentialträgerauswahl anzustreben zu können. Kompetenzmodelle definieren in der Regel einheitliche unternehmensweite Kriterien für die erfolgsentscheidenden Eigenschaften und Attribute von Mitarbeitern. Kompetenzmodelle sind in Großunternehmen mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme, ihr Einzugsgebiet verbreitet sich zunehmend auch auf Unternehmen des Mittelstandes. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig. Zum einen steht das heroische Ziel im Vordergrund, eine effiziente und möglichst wirkungsvolle zentrale Personalentwicklung von Anfang an betreiben zu wollen. Demgegenüber steht der gesellschaftliche Druck, einfach „state of the art“ zu sein. Banal formuliert: „Es machen alle, da können wir uns nicht ausschließen“! Kompetenzmodelle zur Einschätzung des Fach- und Führungskräftepersonals haben sicherlich für die zentrale Personalentwicklung „Charme“, denn: auf Knopfdruck können die zu einem existierenden Anforderungsprofil passenden Mitarbeiter auf den Bildschirm gezaubert werden. Spätestens aber mit der Integration ausländischer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wachsen die Probleme der Integration und des Abrufens auf Knopfdruck, dessen Grundlage sich oftmals auf nicht vorhandene Kommunikationsstrukturen, interkulturelle Barrieren und mangelnde Akzeptanz des zentralen Personalentwicklungsbereiches zurückführen lassen. Kompetenzmodelle, speziell in einem internationalen Umfeld, sollten sicherlich nicht als das einzig glückselig machende Instrument der Fach- und Führungskräfteentwicklung gesehen werden, es bietet, wenn der Implementierungsansatz richtig gewählt ist, eine exzellente Ausgangssituation gezielter Mitarbeiterförderung bzw. -auswahl und den Nährboden für die Personalabteilungen, sich als strategischer Businesspartner zu positionieren.
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Markus John
Zentrale Koordination mit lokaler Steuerung und Verantwortung sind Schlagwörter, die es ermöglichen, weltweite Kompetenzmodelle zu etablieren und die versuchen, ihnen den langfristigen Atem der Beständigkeit und Akzeptanz einzuhauchen. In dieser Abhandlung wird der Fokus auf die Implementierung gelegt, dass heißt, wie können einheitliche Kriterien innerhalb eines Kompetenzmodells gezielt international umgesetzt und gelebt werden ohne interkulturelle Aspekte zu vernachlässigen und den einheitlichen Charakter zu untergraben. Die Benteler Automobiltechnik GmbH, Paderborn, verfolgte mit der Einführung des weltweit gültigen Kompetenzmodells diesen Balanceakt zwischen zentraler Koordination und lokaler Steuerung und Verantwortung.
1
Das Benteler Kompetenzmodell
1.1
Die Benteler-Gruppe
Die Benteler-Gruppe, seit über 125 Jahren in Familienbesitz, ist international aktiv. Unter dem Dach einer Management-Holding operieren drei rechtlich selbständige Geschäftsbereiche: Ɣ Benteler Automobiltechnik Ɣ Benteler Stahl/Rohr Ɣ Benteler Handel. 2004 erwirtschaftete die Benteler-Gruppe mit ihren 19.100 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund 4.450 Mio. Euro. Die Gruppe hat weltweit über 150 Werke, Niederlassungen und Handelshäuser in 34 Ländern. Mehr als 45% der Mitarbeiter sind außerhalb Deutschlands beschäftigt. Dies trifft verstärkt für den Geschäftsbereich Benteler Automobiltechnik zu, der mehr als 90% aller ausländischen Mitarbeiter beschäftigt.
Internationales Kompetenzmanagement
113
Abb. 1. Mitarbeiter der Benteler Gruppe; Zahlen/Geschäftsbericht 2005
1.2 Das unternehmensspezifische Kompetenzmodell 1999 hat die Benteler AG bedeutende Schritte zur Umgestaltung und Neuausrichtung des Unternehmens unternommen. In Ergänzung zu dem Projekt „Entwicklung und Implementierung eines Management Audits und Development-Systems“ für den Benteler-Konzern wurde für den Geschäftsbereich Benteler Automobiltechnik ein spezifisches „Competency-Modell“ entwickelt. Das Benteler Automobiltechnik Competency-Modell gliedert sich in 22 unterschiedliche Competencies, die in 5 „Cluster“ zusammengefasst sind: Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ
Leistung Interaktion Führung Veränderung (gültig für alle Geschäftsbereiche innerhalb der Benteler-Gruppe) Ɣ Job-Familienbezogene Competencies (nur gültig für den Geschäftsbereich Benteler Automobiltechnik).
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Markus John
Abb. 2. Das Benteler-Kompetenzmodell (Auszug)
Grundsätzlich werden die Benteler-Competencies als wesentliche Charakteristika eines Individuums verstanden, die in kausaler Beziehung mit guter oder überdurchschnittlicher Leistung am Arbeitsplatz stehen. Es sind Eigenschaften und Verhaltensweisen, die von Top-Leistern häufiger und auf höherem Niveau gezeigt werden, als von durchschnittlichen Leistern. Den Competencies liegen Motive, Charakterzüge, Neigungen oder Wertvorstellungen zugrunde. Es sind im wesentlichen die kognitiven oder verhaltensbezogenen Fähigkeiten eines Menschen. Alle 22 Benteler spezifischen Competencies sind in verschiedene Ausprägungsstufen unterteilt. Je höher die Ausprägungsstufe ist, desto komplexer ist das jeweilige Verhalten. Die einzelnen Definitionen von Verhaltensweisen innerhalb einer Ausprägungsstufe sind dabei als Oder-Verknüpfung zu verstehen. Dies bedeutet, dass eine Person z. B. in einer Competency den Ausprägungsgrad drei hat, wenn sie Verhaltensmuster zeigt, die auf mindestens eine der aufgeführten Verhaltensweisen dieser Ausprägungsstufe zutrifft. Gerade für die Benteler Automobiltechnik GmbH als international agierendes Großunternehmen bietet das Competency-Modell den Vorteil, über Landesgrenzen hinweg Führungskräfte und Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Kompetenzen gesellschaftsübergreifend vergleichen und bewerten zu können.
Internationales Kompetenzmanagement
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Integriert in das jährliche Zielvereinbarungsgespräch findet mindestens einmal im Jahr eine Bewertung der Competencies in einem eigens definierten Bewertungsgespräch (Appraisal-Gespräch) zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter statt.
2
Die Erfassung personenspezifischer Kompetenzen
Bei dem Appraisal-Gespräch handelt es sich um ein strukturiertes Gespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter, mit dessen Hilfe neben dem Zielvereinbarungsprozess systematisch Potenziale der Mitarbeiter analysiert und gefördert werden sollen. Es bildet die Grundlage für zukünftige Personalentwicklungsmaßnahmen wie: Karriereförderung, Trainings und andere Maßnahmen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die individuelle Weiterentwicklung eines jeden Mitarbeiters speziell im Bereich der überfachlichen Qualifikationen (Competencies). Das Appraisalgespräch ist modular in die folgenden Gesprächsbausteine aufgeteilt: Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ
Ziele, Competency-Bewertung, Entwicklung, Maßnahmenplan.
Jede Führungskraft weltweit wurde in der Anwendung der CompetencyBewertung geschult. Es stehen jeder Führungskraft und Mitarbeitern neben Broschüren diverse Informationen zur Verfügung, die sie über das Competency Modell/Appraisalgespräch informieren. Im Rahmen des Maßnahmenplanes werden alle konkreten Maßnahmen festgehalten, die sich aus den einzelnen Gesprächsmodulen ergeben haben. Dabei sind neben der Teilnahme an Seminaren und anderen Trainingsmaßnahmen beispielsweise auch die Übertragung von Sonderaufgaben, Projekten und mögliche Auslandsaufenthalte zu berücksichtigen. Das Appraisalgespräch wird bei der Benteler Automobiltechnik GmbH weltweit für alle Gehaltsempfänger angewendet (in Deutschland nur Außertarifliche- und Leitende Mitarbeiter). Als Kommunikationsmedium nutzt die Benteler Automobiltechnik GmbH hierzu im wesentlichen das unternehmensweit zur Verfügung stehende Intranet als Medium der Informationsstreuung.
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Markus John
Abb. 3. Benteler Intranet, hier: Seite der Personalentwicklung Automobiltechnik
3
Gezielte Kompetenzförderung
Eines der wichtigsten Kriterien bei der Implementierung des Kompetenzmodells war die Frage: „Was passiert im Anschluss an das Appraisal-Gespräch?“ Aus Sicht der Personalentwicklung war die Beantwortung dieser Fragestellung eine der elementarsten Herausforderungen des Projektes. Gezielte Kompetenzförderung erfordert gezielte Maßnahmen. Die alleinige Konzentration auf Trainingslösungen (teure Arbeitszeit der Mitarbeiter) zur Verbesserung der Organisationsleistung hat mit 10–20% Transferrate an den Arbeitsplatz oft unbefriedigende Ergebnisse wenn sie nicht durch eine Kombination anderer Interventionen begleitet sind, wie beispielsweise Querschnittsstudien belegen (Becker et al, 2001). Unbeeindruckt davon sind Seminare weiterhin eine äußerst populäre Reaktion von Führungsseite bei der Entwicklungsplanung der eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
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Basierend auf diesen Erfahrungen wurde bei der Implementierung des Benteler Competency-Modells restriktiv darauf geachtet, die Maßnahmen zur CompetencyEntwicklung sehr stark durch die Personalentwicklung zu steuern. Ein sogenannter „Trainingstourismus“ sollte vermieden werden. Auch bei der Benteler Automobiltechnik erlagen die Führungskräfte oft der Illusion, nur durch eine Trainingsmaßnahme allein einen schnellen und nachhaltigen Erfolg bei ihren Mitarbeitern erzielen zu können. Es wurde dabei weder der Kenntnisstand der Mitarbeiter explizit im Vorfeld einer Qualifizierungsmaßnahme ermittelt, so dass Trainings häufig von falschen Voraussetzungen ausgingen, noch erfolgte eine Form der Transferbegleitung bei der Umsetzung des Erlernten in den Arbeitsalltag der Mitarbeiter. Im Zuge der Einführung des Competency-Modells standen den Führungskräften und Mitarbeitern mehrere Tools zu Auswahl um Schwachstellen in einzelnen Competencies zu bearbeiten: 3.1
Das Handbuch Competency-Entwicklung
Mit dem Handbuch Competency-Entwicklung steht Mitarbeitern und Führungskräften ein Instrument zur Verfügung, das ihnen die Möglichkeit der individuellen Weiterentwicklung jeder einzelnen der 22 existierenden Competencies bietet. Anhand von konkreten Handlungsempfehlungen sowie Literaturhinweisen zur Vertiefung haben sie die Möglichkeit einzelne Kompetenzen „On the Job“ weiterzuentwickeln. Das Handbuch bietet sowohl Hinweise aus Sicht des Vorgesetzten: „Wie kann ich meinen/meine Mitarbeiter gezielt bei der Weiterentwicklung einzelner Competencies unterstützen?“, als auch Hinweise aus Sicht jedes einzelnen Mitarbeiters: „Was kann ich selber tun, um mich in einer spezifischen Competency zu verbessern?“. Die Literaturhinweise sind in den jeweiligen Sprachversionen den Kulturkreisen und deren Verständnis angepasst, da spezielle Competencies wie z.B. Interkulturelles Verständnis oder Beziehungsmanagement regional sehr unterschiedlich aufgefasst werden. Das Handbuch Competency-Entwicklung ist als Online-Version im Intranet veröffentlicht und steht jedem Mitarbeiter in Form eines CBT’s (Computer based Training) zur Verfügung. Es ist bewusst auf eine gedruckte Version verzichtet worden. Es sollte nicht der Eindruck erweckt werden, das gesamte Handbuch müsse durchgearbeitet werden. Insgesamt steht das Handbuch (teilweise nur in Auszügen) in fünf Sprachen zur Verfügung. Eine interkulturelle Anpassung durch Vertreter der Landesgesellschaft hat im Vorfeld stattgefunden.
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Abb. 4. Das Benteler Competency-Entwicklungshandbuch
3.2
Internationales Kompetenztraining
Gerade mittelständische Unternehmen sind sich häufig bewusst, dass sie noch keine wirkungsvollen Personalentwicklungs-Strukturen besitzen. Es entsteht somit die Frage, wie sich Strukturen und Prozesse wirkungsvoll aufbauen lassen, um auch Human Ressources als wirklichen Businesspartner zu etablieren. Die Einführung von Competency-Bewertungs-Gesprächen bietet dazu einen konkreten Einstieg. Die Handhabung der Maßnahmen aus dem Appraisal Gespräch war für die Benteler Automobiltechnik GmbH auch der Einstieg in die internationale Personalentwicklung und der Garant für internationale Akzeptanz des Competency-Modells. Im Rahmen der Abarbeitung der Maßnahmen aus den Appraisal-Gesprächen, es handelt sich beim Geschäftsbereich Benteler Automobiltechnik um immerhin 4.000 Maßnahmenpläne weltweit, war eine strukturierte Vorgehensweise bezogen auf durchzuführende Trainingsmaßnahmen erforderlich. Folgende Kriterien sollten bei den durchzuführenden Trainingsmaßnahmen vermieden werden: Ɣ Trainingstourismus (unterschiedliche Trainingsanbieter weltweit; möglicherweise durch das Internet ohne Qualitätsprüfung herausgesucht), Ɣ kein Schulterschluss mit der zuständigen Personalentwicklung über durchzuführende Trainingsmaßnahmen,
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Ɣ wenig oder keine qualitative Rückmeldung über durchgeführte Trainingsmaßnahmen seitens der Teilnehmer. Suche nach einem international agierenden Trainingsanbieter für die CompetencyEntwicklung. Um das generelle Ziel des Competency-Modells nicht zu verwässern, d.h. die Konformität der Entwicklungsmaßnahmen zu den Definitionen und Ausprägungsstufen des Grundmodells jeder einzelnen Competency, war die Suche nach einem globalen Partner elementar. Dieser sollte eine weltweite Trainingsqualität im Sinne des Modells für die Trainingsdurchführung offerieren. Es sollte eine einheitliche inhaltliche Durchführung von Trainingsmaßnahmen zur CompetencyEntwicklung gewährleistet sein, ohne den Charakter des Landes/Kultur und oder die eigene Unternehmenskultur der Landesgesellschaft in Frage zu stellen. Es galt, einen schmalen Grad zwischen zentralem Konformismus und lokaler Heterogenität herzustellen. Die Kriterien für die Suche nach weltweiten Trainingspartnern für die Competency-Entwicklung waren sehr anspruchsvoll. Hinzu kommt, dass im Zuge des allgemeinen Kostendrucks im Personalentwicklungsbereich Anbieter ausgewählt werden sollten, die mit den Budgetierungen der einzelnen unternehmensinternen Bereiche einhergehen. Folgende Kriterien wurden für die Suche nach weltweiten Trainingspartnern herangezogen: A) bezogen auf das Institut/Trainer Ɣ internationaler Premium Trainingsanbieter auf dem Gebiet der Competency Entwicklung (Inhalte des Benteler spezifischen Competency-Modells), Ɣ mindestens seit fünf Jahren auf dem internationalen Markt vertreten, Ɣ Erfahrungen im Automobilsektor; speziell mit deutschen Unternehmen, Ɣ der Anbieter sollte interne als auch offene Trainingsleistung (weltweit) mit lokalen Trainern in deren Landessprache anbieten. B) bezogen auf die Qualität des Institutes/der Trainer Ɣ die Trainer und deren Programme sollten einen internationalen Background/ Erfahrung haben, Ɣ die offenen Trainingsangebote sollten eine homogene Teilnehmerstruktur besitzen. C) bezogen auf die Vielfalt der Produkte/Programme des Institutes Ɣ die offenen Trainingsmaßnahmen sollten von dem Anbieter mindestens 1–2 mal im Jahr angeboten werden, Ɣ die Institute sollten offene Angebote möglichst für alle Benteler spezifischen Competencies besitzen. Aufgrund der Vielzahl von Competencies innerhalb des Unternehmens war die Frage nach offenen Trainingsangeboten ein wichtiges Kriterium. Nicht alle Themenbereiche können intern abgedeckt werden. Bei geringer Nachfrage ist die Personalentwicklung in der Lage, der Führungskraft/Mitarbeiter eine alternative Trai-
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ningsmaßnahme aus dem offenen Angebot des Institutes anbieten zu können. Das Ergebnis der Recherche, die durch eine objektive externe Agentur durchgeführt wurde, war überraschend. Auf dem doch sehr großen Markt der Trainingsanbieter waren nur sehr wenige Institute in der Lage, eine wirkliche internationale Präsenz mit einem breiten Themenspektrum vorzuweisen. Die qualitativ geprüften Anbieter wurden den weltweiten Führungskräften/Mitarbeitern in einem sogenannten internationalen Trainingspool im unternehmensinternen Intranet zusammengefasst. Jeder Standort weltweit ist heute in der Lage aus dem internationalen Trainingspool, einer webbasierten Datenbank, entsprechende Trainingsanbieter heraus zu filtern, die competency-basierte Trainingsmaßnahmen Vorort in deren Landessprache anbieten.
Abb. 5. Der internationale Trainingspool im Rahmen der Competency-Entwicklung
Als Ergänzung des internationalen Trainingspools stehen für die 12 geschäftsübergreifenden Competencies Leitfäden für Basistrainings zur Verfügung in Form von: Ɣ Teilnehmermaterial Ɣ Trainermaterial Ɣ Trainerleitfaden
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Sie wurden entwickelt, um den Landesgesellschaften die Möglichkeit zu geben ihre Trainingsinstitute, mit denen sie über Jahre ein positives Vertrauensverhältnis aufgebaut haben, für interne Trainingsveranstaltungen weiterhin nutzen zu können. Für die zentrale Personalentwicklung hat diese Vorgehensweise den Charme, davon ausgehen zu können, dass die Competencies in einem standardisierten Sinne trainiert werden. Die Landesgesellschaft kann jedoch „ihre“ Trainerinstitute weiterhin nutzen ohne bei Mitarbeitern und Führungskräften den Eindruck zu erwecken, dass die zentrale Personalentwicklung einen zu großen Einfluss auf die jeweilige Gesellschaft ausübt.
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Korrekturen innerhalb des Implementierungsprozesses
Im Laufe des Implementationsprozesses wurde sehr schnell deutlich, dass für ein derartiges Projekt lokale Ansprechpartner in den jeweiligen Landesgesellschaften von Nöten sind, die einerseits als Ansprechpartner für das Competency-Modell fungieren und andererseits als Kommunikationspartner für die zentrale Personalentwicklung zur Verfügung stehen. Wie die meisten Kommunikationsmodelle war auch das Benteler-Kompetenzmodell für das Linienmanagement in der Anfangsphase nur bedingt verständlich. Die für das Management durchgeführten Informationsveranstaltungen konnten nur zum Teil die auftretenden Fragen beantworten. Die Folge waren Konfusion, generelle Ablehnung bis hin zu mangelhafter Qualität der durchgeführten Bewertungen, die in Frustration der bewerteten Mitarbeiter mündete. Abhilfe schaffte die zügige Etablierung von Ansprechpartnern Personalentwicklung in den jeweiligen Landesgesellschaften, die mit Rat und Tat zur Verfügung stehen und die bestehende Konfusion auflösen konnten. Wichtig war in diesem Zusammenhang nicht auf externe Unterstützung zurück zu greifen, sondern bewusst Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der jeweiligen bestehenden Personalabteilungen als Ansprechpartner zu nominieren. Für die zentrale Personalentwicklung bedeutete dieses Vorgehen eine enge Verzahnung der lokalen Personalabteilungen in strategischen, von der Unternehmensleitung genehmigten, Prozesse. Nicht alle Ansprechpartner Personalentwicklung waren von Beginn an in der Lage qualitativ den Support zu leisten, der von ihnen erwartet wurde. Durch die Etablierung einer dezentralen Personalentwicklungsstruktur ergab sich jedoch eine sinnvolle Rollenverteilung zwischen Unternehmensführung, Führungskräften, Mitarbeitern und Ansprechpartnern Personalentwicklung. Die Führungskräfte weltweit erhielten darin eine zentrale Funktion. Sie übernehmen mehr Verantwortung für die Entwicklung ihrer Mitarbeiter. Der Ansprechpartner Personalentwicklung steht ihnen als Supportfunktion zur Seite. Können nicht alle Fragestellungen seitens der Ansprechpartner Personalentwicklung geklärt werden, steht mit dem internationalen Netzwerk der Ansprechpartner jedoch immer jemand zur Verfügung, der die bestehenden Wissenslücken auffüllen und die entsprechenden Antworten geben kann.
122
Markus John
Netzwerkbildung innerhalb von Human Ressource ist auf internationaler Basis noch nicht sehr stark ausgeprägt, da lokale Regularien oftmals nicht auf globaler Ebene vergleichbar sind. Internationales Kompetenzmanagement ist jedoch ein Ansatzpunkt, um Gemeinsamkeiten zu definieren und auch gemeinsam an tragbaren Ergebnissen zu arbeiten. Die weltweiten Ansprechpartner innerhalb der Benteler Automobiltechnik GmbH wurden aktiv in die Entwicklung der existierenden Tools eingebunden und führten demnach zu einem weltweiten Commitment innerhalb des Gesamtprozesses. Eine Degradierung zu Administratoren die Trainingsbuchungswünsche ihrer internen Kunden – meistens ohne zu Hinterfragen – erfüllen, sieht die neue Organisationsstruktur innerhalb der Personalentwicklung bewusst nicht vor. Die neue Rolle und zentrale Schlüsselfähigkeit der Personalentwicklungsabteilungen ist, Unternehmensführung und Führungskräfte darin zu beraten und zu unterstützen, ihre strategischen Ziele erfolgreich umzusetzen.
5
Fazit
Die erfolgreiche Umsetzung von international umsetzbaren Kompetenzmanagementsystemen hängt entscheidend und in erster Linie von der strategischen Einbettung des Systems in die vorhandene Führungskultur des zentralen Personalwesens ab. In der Regel hat eine zentrale Personalentwicklung jedoch kaum zeitliche und personelle Ressourcen, um eine weltweite Analyse der bestehenden Kommunikationsstruktur innerhalb des Personalbereiches zu betreiben. Sie muss darauf vertrauen, dass die regionalen Personalabteilungen strategische Konzepte wie z.B. ein Kompetenzmanagementsystem in „ihrem“ Sinne umsetzen. Die Bildung von internationalen Netzwerken, die Überwindung interkultureller Barrieren sowie eine klare Kommunikationsstruktur von der zentralen zur dezentralen Personalentwicklung bis hin zu den betroffenen Mitarbeitern und Führungskräften, ist die wesentliche Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung von komplexen internationalisierten Personalprozessen.
Internationales Kompetenzmanagement
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Literatur Thönnersen, J. (5/2005); Kompetenzmanagement – Irrweg oder Chance; Personalmagazin. Lamberty, T. (2002); Personalentwicklung im Rahmen von Kompetenzmanagement; Bellmann, Klaus; Freiling, Körg; Hammann, Peter; Mildenberger, Udo (Hrsg.); Aktionsfelder des Kompetenz-Managements. Lakoni, S.; Hering, R. (2003): Perspektiven lebendig halten; Hamburg. Becker, B.; Huselid, M.; Ulrich, D. (2001): The HR Scorecard. Boston, Massachusetts: Harvard Business School Press.
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Strategisches Kompetenzmanagement der Bundesagentur für Arbeit
Beatrix Behrens und Michael Kühn 1
Die strategische Ausrichtung der Personalentwicklung
Die Bundesagentur für Arbeit befindet sich unter hohem zeitlichen Druck in einem tief greifenden Reformprozess. Ziel ist der Umbau von einer Behörde mit einer klassischen Aufbau- und Ablauforganisation zu einem modernen und wettbewerbsfähigen Dienstleister am Arbeitsmarkt. Kernprozesse der Reform sind eine stärkere Kundenorientierung, ein Wandel im Aufgabenverständnis mit stärkerer Ergebnisorientierung, eine neue Steuerungslogik mit Einführung eines Zielmanagementprozesses sowie eine stärkere dezentrale Verantwortung der Arbeitsagenturen. Der Reformprozess stellt dementsprechend neue Anforderungen an die Beschäftigten. Sie müssen entsprechend vorbereitet werden. Der organisatorische Wandel bleibt dabei allerdings auch nicht ohne Auswirkungen auf die klassische Personalarbeit. Sie wird stärker an modernen Managementgrundsätzen ausgerichtet, um den Organisationsentwicklungsprozess als Dienstleisterin zu unterstützen. Neben der Reform muss sich die BA im Rahmen einer vorausschauenden Personalpolitik auch den externen Einflussfaktoren, wie dem demografischen Wandel und seinen vielfältigen Auswirkungen (z. B. Erfahrungsmanagement), der veränderten Bildungslandschaft mit einer veränderten Hochschulpolitik oder auch dem Wertewandel (z. B. Work-Life-Balance) stellen. Einzelne Handlungsfelder der Personalpolitik sind inhaltlich und in ihrer wechselseitigen strategischen Wirkung im Personalmanagementkonzept der BA aufeinander abgestimmt. Das stark auf Kompetenzen ausgerichtete Diversity-Management ist integraler Bestandteil der Personalentwicklung. So wurde die BA z. B. erneut mit dem Total-E-Quality Prädikat für ihre familienorientierte Personalpolitik ausgezeichnet. Im Rahmen der Reform kommt dem Projekt „Personalentwicklungs-Design“ (PEDesign) eine große Bedeutung zu. Eine systematische und auf die strategischen Ziele hin ausgerichtete Personalentwicklung unterstützt nachhaltig den Organisationsentwicklungsprozess. Das PE-Design mit seinem ganzheitlichen und integrativen Managementansatz entwickelt nicht nur das bestehende PE-System weiter, sondern richtet die gesamte Personalfunktion stärker auf die Unternehmensstrategie aus. Der Verzicht auf eine weitere Ausbildung im Beamtenverhältnis, die stärkere Öffnung für „Seiteneinsteiger“ aus der betrieblichen Praxis sowie die Besetzung hervorgehobener Führungsfunktionen auf Zeit bedingen einen Paradigmen-wechsel in der Personalpolitik einer Behörde.
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Beatrix Behrens und Michael Kühn
Das PE-Design mit seinen darin eng miteinander verknüpften fünf Modulen einschließlich Integration der Personalpolitik stellt eine moderne Form des strategischen Kompetenzmanagements mit enger Verknüpfung zum Management Review Prozess in der BA dar. Es gibt der Personalentwicklung durch die aktive Unterstützung des Reformprozesses die Möglichkeit, sich auch strategisch zu positionieren. Die fünf Module sind: Zentralbereich P P 21 - Personalentwicklung
Gesamtsystem PE Grundsätze für Führung und Zusammenarbeit
1
Tätigkeits- und Kompetenzprofile
PE-Controlling
2
Leistungs- und Entwicklungsdialog, Vorgesetztenfeedback
3
4
Entwicklungspfade
5
PE-Instrumente
Leistungsmanagement
Transparenz und Prozessunterstützung durch IT 10
Abb. 1. Personalentwicklungs-Design – 5 Module
Im folgenden Beitrag wird dieses System und die Funktion der einzelnen Module beschrieben und Möglichkeiten für eine praxisorientierte Realisierung aufgezeigt. Das PE-Design stellt eine konzeptionelle Weiterentwicklung des bisherigen PESystems dar. Definierte Grundanforderungen, ein institutionelles Mitarbeitergespräch, eine in Leistungs- und Potenzialbeurteilung differenzierte Mitarbeiterbeurteilung sowie ausgewählte PE-Instrumente sind seit 1999 flächendeckend bereits implementiert. In den Dienststellen wurden zeitgleich Personalentwicklungskonferenzen (Personalrunden der Geschäftsleitung) in den PE-Prozess integriert. Die Etablierung eines bestehenden funktionsfähigen Systems begünstigt die schrittweise Weiterentwicklung zum PE-Design.
Strategisches Kompetenzmanagement der Bundesagentur für Arbeit
2
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Personalentwicklung und Kompetenzmanagement
Die BA versteht Personalentwicklung als kontinuierlichen Prozess, der mit der Einstellung beginnt und mit dem Eintritt in den Ruhestand endet. Die verschiedenen Module des PE-Designs sollen es ermöglichen, das Leistungs- und Entwicklungspotenzial der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kompetenzbasiert zu erkennen, zu erhalten und zu fördern. Aus geschäftpolitischer Sicht wird hierüber ein hoher Qualitätsstandard in der Aufgabenerledigung sichergestellt. Zugleich wird die Flexibilität in der Personalplanung gefördert. Die Leistungsfähigkeit der BA und damit auch die Wirksamkeit der Reform bestimmen sich wesentlich durch die individuellen Kompetenzen der Beschäftigten. Bei der Definition des Kompetenzbegriffs verzichtet die BA auf eine wissenschaftliche Diskussion, um in der operativen Umsetzung der Personalentwicklung über die Führungskräfte handlungsfähig zu bleiben. Es gilt, Standards als allgemein verständliche Handlungsmaxime für alle Beteiligten zu formulieren. Kompetenz im PE-Design der BA vereint Wissen und Können und bringt damit die individuellen Handlungsmöglichkeiten (Werte, Fähigkeiten, Fertigkeiten usw.) auf den Punkt. Kompetenzen sind mehr als Qualifikationen und bilden sich besonders in der Auseinandersetzung mit praktischen Herausforderungen, im Umgang mit Neuem. Echter Kompetenzerwerb liegt erst vor, wenn sich neue Fähigkeiten im Handeln bewährt haben und neue Einstellungen verinnerlicht wurden. Der Fokus auf Formalqualifikationen, klassische Weiterbildung oder verwendungsorientierte Aufstiegsregelungen greift zu kurz. Management bedeutet dabei, systematisch Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die notwendigen spezifischen Kompetenzprozesse stattfinden können. Kompetenzmanagement in der BA erfordert deshalb die konsequente Ausrichtung aller Module und Instrumente der Personalentwicklung auf die umfassende Förderung von Entwicklungspotenzialen im Arbeitshandeln. Dies wird durch modulare Qualifizierung und den gezielten Einsatz von PE-Instrumenten unterstützt. Der Prozess der Personalentwicklung wird nachhaltig sichergestellt.
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Beatrix Behrens und Michael Kühn
Zentralbereich P P 21 - Personalentwicklung
Kompetenzbasierte Auswahl über standardisierte Verfahren
Feedback
Fördermaßnahmen auf Basis Entwicklungspläne/ Integrierte Nachfolgeplanung
Jährlicher Leistungs- und Entwicklungsdialog
Prozess der Personalentwicklung
Leistungsmanagement
Feedback
Personalentwicklungskonferenzen (Mitglieder der Geschäftsführung) Feedback
Abb. 2. Prozess der Personalentwicklung
2.1
Die Tätigkeits- und Kompetenzprofile (Jobprofile)
Basis des strategischen Kompetenzmanagements sind die aus der Strategie, Leitbild, Grundsätzen für Führung und Zusammenarbeit und den Arbeitsfeldern der BA abgeleiteten Tätigkeits- und Kompetenzprofile. Die Profile schaffen insbesondere in der internen Kommunikation die notwendige Transparenz über die Leistungserwartung, die über Veröffentlichung des Profil-Katalogs im BA-Intranet gefördert wird. Die BA hat sich bewusst gegen die klassische Stellenbeschreibung oder das Anforderungsprofil entschieden, da die Tätigkeits- und Kompetenzprofile mehrere Funktionen im PE-Design künftig wahrnehmen, wie z. B. als Grundlage x x x x x x x x
für die qualitative Personalplanung für Stellenausschreibungen für die kompetenzbasierte Personalauswahl über standardisierte Verfahren für die gezielte Einarbeitung (Training on the job) für die Qualifizierung für die PE-Instrumente Job Rotation, Job Enrichment; Mentoring für den Leistungs- und Entwicklungsdialog für die Neugestaltung des Tarifvertrags (Grundlage für Tarifierung).
Bei der Erstellung wendet die BA ein „halbanalytisches“ Verfahren an, da sie nach Festlegung der Organisationsstrukturen schnell handlungsfähig sein musste und die Personalauswahl auf Basis der Tätigkeits- und Kompetenzprofile erfolgte.
Strategisches Kompetenzmanagement der Bundesagentur für Arbeit
129
Als Grundlage wurde den mit der Erstellung der Profile betrauten Führungskräften und Projektgruppen ein Leitfaden mit entsprechenden Erläuterungen zur Verfügung gestellt. Angestrebtes und realisiertes Ziel war die Abbildung eines jeden Dienstpostens der BA über die transparente Beschreibung von Kernaufgaben, fachlichen und sozial-methodischen Anforderungen (über jeweils maximal drei Ausprägungsgrade) sowie Mindestvoraussetzungen im Bereich der Vor- bzw. Ausbildung und Berufserfahrung. Gleiche Tätigkeiten werden durch ein Profil beschrieben. Auf die Definition und Abbildung einer eigenen Kompetenz „Führung“ wurde in den Tätigkeits- und Kompetenzprofilen bewusst verzichtet. Die BA hat in ihren Grundsätzen für Führung und Zusammenarbeit ein umfassendes Führungsverständnis entwickelt. In diesem sind Führung und Aufgabenerledigung nicht trennbar. Die für eine Führungsfunktion relevanten Kernaufgaben (z. B. Verantwortung für die Zielerreichung), fachlichen Kompetenzen (z. B. Kenntnisse der Steuerungslogik) und sozial-methodischen Kompetenzen und Wertorientierungen (z. B. kommunikative Kompetenz, Integrationsfähigkeit, persönliche Integrität) sind bereits im Portfolio der Tätigkeits- und Kompetenzprofile hinterlegt. Die explizite Definition einer „Führungskompetenz“ im Sinne eines stabilen Persönlichkeitsmerkmals bietet in diesem Zusammenhang keinen erkennbaren Mehrwert. Der Entwicklungsprozess der Tätigkeits- und Kompetenzprofile wurde in einem Zeitraum von wenig mehr als einem Jahr realisiert. Für Multiplikatoren und Personalentwicklungs-Einheiten wurden Einführungsworkshops angeboten. Fachliche Beratung bei der Erstellung und Qualitätssicherung erfolgte im Bedarfsfall durch Vertreter des Strategischen Personalwesens der BA-Zentrale. In der Regel waren – insbesondere bei Neuorganisationen – drei bis fünf Qualitätssicherungsschleifen erforderlich. In einem weiteren Arbeitsschritt wird die Zusammenfassung (Clusterung) der Tätigkeits- und Kompetenzprofile der BA zu Jobfamilien erfolgen. Dieser Prozess basiert auf den dominierenden fachlichen Anforderungen des jeweiligen Profils. Angestrebt wird die Bildung von zwölf bis maximal fünfzehn Jobfamilien in den zentralen operativen Geschäftsfeldern (Arbeitsvermittlung und Beratung, Leistungsgewährung und Recht) und im internen Service (z. B. Forschung und Entwicklung, Controlling/Finanzen/Statistik, Personal, IT). Bei Bedarf werden Unterfamilien gebildet. Mit dem geplanten Abschluss des neuen Tarifvertrags der BA lässt sich darüber hinaus jede Jobfamilie rechtlich verbindlich über die Zuordnung eines Profils zu einer Tätigkeitsebene hierarchisch gliedern. Somit können vertikale und horizontale Entwicklungslandschaften gestaltet werden. Diese bilden eine logisch strukturierte und transparente Grundlage für die Planung von Personalentwicklungsprozessen und individuellen Entwicklungsvereinbarungen. Im Grundsatz wird unter der Prämisse eines bestehenden organisatorischen Bedarfs und einer festge-
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Beatrix Behrens und Michael Kühn
stellten individuellen Befähigung für jede/n Mitarbeiter/in der BA die individuelle Entwicklungsoption nachvollziehbar. Parallel erfolgt auf Basis der Tätigkeits- und Kompetenzprofile sowie der Jobfamilien eine Weiterentwicklung zu einem Kompetenzmodell der BA. Das Kompetenzmodell fasst die wesentlichen fachlichen und sozial-methodischen Anforderungsstrukturen der Tätigkeits- und Kompetenzprofile in einer überschaubaren Struktur zusammen (z. B. Fachkenntnisse, Methodenkenntnisse, Sprachen; analytische, kommunikative und motivationale Kompetenzen). Die Profile werden somit in einer Gesamtschau noch einmal optimiert und strukturiert. Der Mehrwert dieses Vorgehens liegt in der Entwicklung kompetenzbasierter und justiziabler Kriterien für die erleichterte Gestaltung von Auswahlverfahren und Instrumenten der Potenzialanalyse. Die Rekrutierung von Führungskräften und Experten/innen wird optimiert. Mittelfristig soll das Kompetenzmanagement in die Unternehmensplanung integriert werden. 2.2
Der Leistungs- und Entwicklungsdialog
Ein wesentliches Kernelement und „Drehscheibe“ des Kompetenzmanagements ist der geplante neue jährliche Leistungs- und Entwicklungsdialog (LEDi), der das institutionelle Mitarbeitergespräch und die Mitarbeiterbeurteilung künftig vereint. Neben den Zielvereinbarungsgesprächen, dem jährlichen Führungskräfte-Feedback durch die Beschäftigten und der Mitarbeiterbefragung ergänzt der LEDi als Führungsinstrument den Management Review Prozess der BA. Durch sinnvolle Verknüpfung mit dem Zielvereinbarungsprozess wird der LEDi in den operativen Steuerungsprozess eingebunden. Als Folge des integrativen Managementansatzes bilden sich die Anforderungen aus den Grundsätzen für Führung und Zusammenarbeit sowie aus den Tätigkeits- und Kompetenzprofilen im LEDi ab, d. h. sie werden hierüber praxisnah operationalisiert. Dies gilt ebenso für das Führungskräfte-Feedback durch die Beschäftigten als auch das Fragedesign für die ba-weite Mitarbeiterbefragung. Führungsgrundsätze werden zu einem festen Bestandteil der Unternehmenskultur der BA. Der LEDi ermöglicht einen transparenten Dialog über die Leistung auf der konkreten Grundlage von stellenspezifischen Anforderungen. Führungskräfte und Mitarbeiter sind gehalten, sich intensiv mit den Kompetenzanforderungen auseinanderzusetzen.
Strategisches Kompetenzmanagement der Bundesagentur für Arbeit
131
Die inhaltliche Ausgestaltung des Leistungs- und Entwicklungsdialoges (LEDi) in drei Stufen Leistungsdialog 1
Zielerreichung und Beurteilung der Kernaufgaben
2
• Vereinbarung und Beurteilung der Erreichung quantitati• Vereinbarung und Beurteilung der Erreichung quantitativer und qualitativer Ziele* ver und qualitativer Ziele* • Beurteilung der Erfüllung von Kernaufgaben aus Tätig• Beurteilung der Erfüllung von Kernaufgaben aus Tätigkeits- und Kompetenzprofilen: keits- und Kompetenzprofilen: ¾ Ergebnisorientiert ¾ Ergebnisorientiert ¾ MA-Orientiert* ¾ MA-Orientiert*
Gesamtbewertung
Stärken- und Schwächenprofil (Fähigkeiten und Engagement) • Fähigkeiten (fachliche und sozial/methodische Anfor• Fähigkeiten (fachliche und sozial/methodische Anforderungen aus Tätigkeits- und Kompetenzprofilen) derungen aus Tätigkeits- und Kompetenzprofilen) • Engagement und Initiative, Qualität der • Engagement und Initiative, Qualität der Zusammenarbeit Zusammenarbeit
A BC D E
Entwicklungsdialog 3 Horizontale PE: Gesprächsdokumentation für MA im Rahmen derselben oder vergleichbarer Verwendung • Angestrebte Verwendung • Maßnahmen und Instrumente
3 Vertikale PE: Individueller Entwicklungsplan für Führungskräfte und MA mit Potenzial für beruflichen Aufstieg • Angestrebtes Entwicklungsziel und Handlungsbedarf zur Zielerreichung • Maßnahmen und Instrumente • Maßstab für den Erfolg
* nur Führungskräfte
15
Abb. 3. Die inhaltliche Ausgestaltung des Leistungs- und Entwicklungsdialoges
Der Leistungsdialog zielt darauf ab, das Leistungsbild des Einzelnen kompetenzbasiert transparent zu machen. So sollen alle Beschäftigte auf der Basis des jeweiligen Tätigkeits- und Kompetenzprofils eine klare Rückmeldung zur Erfüllung der Kernaufgaben erhalten. Zugleich soll auf der Basis der fachlichen und sozialen/methodischen Anforderungen ein Stärken- und Schwächenprofil erstellt werden. Zusätzlich werden Engagement, Initiative und die Qualität der Zusammenarbeit beurteilt. Führungskräfte erhalten auf der Basis der geschlossenen Zielvereinbarungen ergebnisorientiert eine Einschätzung zur Zielerreichung. Die Leistungsbeurteilung beinhaltet darüber hinaus auch die Beurteilung des mitarbeiterorientierten Führungsverhaltens auf der Basis der Grundsätze für Führung und Zusammenarbeit in den folgenden Dimensionen: x x x x
Zielorientierte Führung Operative Unterstützung Personalentwicklung Organisationsentwicklung
Diese Beurteilungsdimensionen fördern einerseits die aktive Auseinandersetzung mit den Grundsätzen für Führung und Zusammenarbeit im beruflichen Alltag, andererseits wird der integrative Managementansatz aktiv gefördert. Personalentwicklung ist z. B. als originäre Führungsaufgabe geschäftspolitisch verbindlich
132
Beatrix Behrens und Michael Kühn
definiert. Dementsprechend sind Führungskräfte Personalentwickler. Dies entspricht auch einem veränderten Führungsverständnis im Zuge der Reform. Im Bereich der Organisationsentwicklung wird ein aktives Engagement bei der Gestaltung von Veränderungsprozessen verlangt. Der Entwicklungsdialog setzt auf der Einschätzung von Stärken und Schwächen auf, entwickelt diese zu einer Prognose zur Potenzialentwicklung weiter und leitet daraus ggf. konkrete Maßnahmen für die horizontale und vertikale Personalentwicklung ab. Im Entwicklungsdialog erläutert die Führungskraft dem/der Mitarbeiter/in mögliche Entwicklungsoptionen und Vorschläge zur individuellen Förderung. Im Gespräch soll in der Folge ein Abgleich mit den eigenen Vorstellungen des/der Beschäftigten erfolgen und übereinstimmend die Durchführung der vorgeschlagenen Fördermaßnahmen verbindlich vereinbart werden. Für alle Führungskräfte und für Beschäftigte mit erkennbarem Potenzial für eine vertikale Entwicklung wird in Abstimmung mit der Personalentwicklungskonferenz in der Dienststelle, bestehend aus den Mitgliedern der Geschäftsführung, ein individueller Entwicklungsplan erstellt. Hier werden auch Verantwortlichkeiten für die Umsetzung der Maßnahmen definiert, um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Im Entwicklungsdialog wird sichergestellt, dass die persönliche Berufsweg- und Lebensplanung auch in der zeitlichen Planung berücksichtigt werden können. Das über das Bundesgleichstellungsgesetz verbindlich formulierte Ziel der Förderung der Gleichstellung und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bietet hier strategische Umsetzungsmöglichkeiten. Gleiches gilt auch für die Förderung schwer behinderter Menschen auf Basis der in der Integrationsvereinbarung der BA festgelegten Ziele. Auch diese ist integraler Bestandteil der Personalentwicklung und damit des integrativen Managementansatzes. Das Führungskräfte-Feedback soll den Dialog zwischen Führungskräften und Mitarbeitern intensivieren. Erstmalig erhalten die Führungskräfte ein Feedback und haben eine Möglichkeit des Abgleichs zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung. Sie sind gehalten, die Ergebnisse mit ihren Beschäftigten zu besprechen und ggf. an weiteren Verbesserungen zu arbeiten. Von der Personalentwicklung können geeignete Instrumente zur Unterstützung abgerufen werden. Ein ggf. bestehender Coaching-Bedarf oder weitergehender Qualifizierungsbedarf kann gedeckt werden. Auch dieses Verfahren dient der Weiterentwicklung der Führungskräfte und damit auch der Reform. Die Personalentwicklung muss sich in diesem sensiblen Feld insbesondere auf mentale Veränderungsprozesse einstellen.
Strategisches Kompetenzmanagement der Bundesagentur für Arbeit
2.3
133
Entwicklungspfade
Entwicklungsmöglichkeiten und der Einsatz von PE-Instrumenten werden aus dem Leistungs- und Entwicklungsdialog abgeleitet. Die bisherigen Aufstiegsmöglichkeiten für Leistungsträger/innen waren in ihrer Struktur stark vom beamtenrechtlichen Laufbahnsystem geprägt. Starre formale Zulassungsvoraussetzungen und lange „Ausbildungszeiten“ wurden dabei nicht immer dem Postulat einer flexiblen Personalplanung gerecht. Maßgeblich bei Stellenbesetzungsentscheidungen ist nunmehr der Abgleich der individuellen Fähigkeiten mit den Anforderungen aus den Tätigkeits- und Kompetenzprofilen nach zuvor erfolgter Potenzialanalyse. Hierdurch wird die „Durchlässigkeit“ für Talente durch gezielte Förderung der Kompetenzen ermöglicht. Formalqualifikationen können durch eine entsprechende Berufs- und Lebenserfahrung bei entsprechend vorliegendem Leistungsbild und Potenzial ersetzt werden. Personalentwicklung leistet hier einen Beitrag zum Leistungsmanagement durch attraktive leistungsabhängige Karriereoptionen. Die gezeigte Arbeitsleistung ist für die Potenzialanalyse von zentraler Bedeutung. Da die Prognose einer künftigen Arbeitsleistung auf einer neuen Position anhand der gezeigten Leistungen auf der alten Position nur begrenzt möglich ist, ist ein wichtiger Bestandteil im Prozess der Potenzialanalyse die vorübergehende Beauftragung mit entsprechenden Tätigkeiten oder die Beurteilung aus anderen PE-Maßnahmen. Ergänzend werden an der Schnittstelle zwischen Fachkraft- und Führungsebene und im Bereich OFK (Obere Führungskräfte) standardisierte Potenzialanalyseverfahren durchgeführt. Begleitet wird der Prozess durch regelmäßige Feedback-Gespräche und eine entsprechende Beurteilung. In der individuellen Entwicklungsplanung werden die Ergebnisse dahingehend berücksichtigt, modulare Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten und gezielt Personalentwicklungsinstrumente einzusetzen. Das Verfahren dient insgesamt der Förderung und Sicherung des Beschäftigtenpotenzials der BA und sichert flexible Einsatzmöglichkeiten. 2.4
PE-Instrumente
Die BA bietet im Rahmen ihres PE-Designs zielgruppenspezifisch PE-Instrumente an, die bundeseinheitlichen Standards unterliegen. Sie dienen der Potenzialerkennung, der berufsbegleitenden Potenzialförderung und Qualifizierung im Rahmen der horizontalen und vertikalen Personalentwicklung. PE-Instrumente sind eng mit der praktischen Tätigkeit verzahnt. Während in der Vergangenheit Qualifizierungen schwerpunktmäßig in Seminarform stattfanden, ist nun also „learning by doing“ gleichwertig mit theoretischem Wissen, das künftig in Qualifizierungsmodulen vermittelt wird. So werden viele PE-Instrumente „on-the-job“, also direkt am Arbeitsplatz im Rahmen der eingenommenen (oder einzunehmenden) Funktion eingesetzt. Kompetenzen können praxisnah und bereichsübergreifend erworben bzw. entwickelt werden. Hierüber eröffnen sich neue
134
Beatrix Behrens und Michael Kühn
Möglichkeiten zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und somit auch zur gezielten Förderung von Frauen in Führungsfunktionen. Die gesetzlichen Zielvorgaben des Bundesgleichstellungsgesetzes können hier u. a. in Verbindung mit geänderten Formen des Arbeitszeitmanagements (Teilzeit) oder der Arbeitsorganisation (Telearbeit) im integrativen Managementansatz des PE-Designs effektiv umgesetzt werden. Die PE-Instrumente sind flexibel und situativ einsetzbar. Dies stellt sicher, dass sie am individuellen Bedarf und den konkreten Anforderungen der derzeitigen oder einer zukünftigen Tätigkeit ausgerichtet werden können. Ihr Einsatz kann im Leistungs- und Entwicklungsdialog bzw. im individuellen Entwicklungsplan als mögliche Fördermaßnahme aufgenommen werden. So kommt den PE-Instrumenten eine entscheidende Bedeutung im Rahmen der institutionellen und individuellen Entwicklungspfade zu.
Instrumente der Personalentwicklung Einarbeitung • Mentoring* Erfahrungserweiterung (horizontal / vertikal)
• Mitarbeiterbetreuungsprogramm: - Integrations-Workshop - Info-Mappe - Einarbeitungskonzept • Traineeprogramm*
PEInstrumente Begleitende Unterstützung • Coaching*
• Abordnung • Austauschprogramme mit Wirtschaft / öffentlicher Verwaltung* • Beauftragungen • Hospitationen • Job Rotation • Praktikum außerhalb der BA • Projektarbeit / Projektleitung • Trainertätigkeiten
• FK-Workshops* • Mentoring* / Cross-Mentoring* • Praxisberatung
+ Modulare Qualifizierung
* = speziell für Führungs(nachwuchs-)kräfte bzw. Obere Führungskräfte
Abb. 4. Instrumente der Personalentwicklung
Der Einsatz der PE-Instrumente erfolgt nicht nur situativ und individuell flexibel. Es wird auch nach Zielgruppen und ihren Bedarfen differenziert. Ein Schwerpunkt liegt auf der Führungskräfteentwicklung. Hier wurde ein spezielles Coaching und Mentoring/Cross-Mentoring Programm entwickelt. Die Leitung bzw. die Teilnahme an Projekten wird gefördert. Personalentwicklungsseminare werden ebenso gezielt für die Potenzialentwicklung eingesetzt. PE-Instrumente fördern den Kompetenzzuwachs und erweitern Handlungsspielräume. Die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten wird erhalten und weiter verbessert. Außerdem werden die Flexibilität im Umgang mit neuen Anforderungen erhöht sowie Motivation und Arbeitszufriedenheit erhalten und gefördert.
Strategisches Kompetenzmanagement der Bundesagentur für Arbeit
2.5
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Leistungsmanagement
„Leistung muss sich lohnen“. Neben attraktiven Karrieremöglichkeiten stellen monetäre und nichtmonetäre Leistungsanreize eine Kernvoraussetzung einer leistungsorientierten Personalentwicklung dar. Kompetenzaufbau bzw. unterschiedliche Funktionen müssen entsprechend honoriert werden. Die Ausgestaltung eines neuen Tarifvertrages zur Unterstützung der Ziele des PE-Designs ist unabdingbar. Gegenwärtig stehen hierzu entsprechende Tarifverhandlungen an. Grundlage sind hierfür die Tätigkeits- und Kompetenzprofile.
3
Erfolgreiche Faktoren für eine Umsetzung
Das PE-Design befindet sich gegenwärtig in Abstimmung mit geschäftspolitischen Prioritäten in der schrittweisen Umsetzung. Die Tätigkeits- und Kompetenzprofile sind erstellt und befinden sich in Teilen noch in der Qualitätssicherung. Die Erstellung des Kompetenzmodells soll bis zum Frühjahr 2006 erfolgt sein. Die Tätigkeits- und Kompetenzprofile haben den Reformprozess durch passgenaue „Neubesetzungen“ der unterschiedlichen Funktionen unterstützt. So waren sie auch die Grundlage für standardisierte und kompetenzbasierte Auswahlverfahren. Der Leistungs- und Entwicklungsdialog wird in Kürze einem Konzepttest unterzogen. Das Führungskräfte-Feedback befindet sich weiterhin ebenfalls in der Pilotphase. Die Entwicklungspfade wurden erfolgreich in den Grundzügen umgesetzt. Das System der modularen Qualifizierung auf Basis der in den Tätigkeits- und Kompetenzprofilen hinterlegten Kompetenzen über das BA-eigene Bildungsinstitut befindet sich im zügigen Aufbau. Dies fördert einen stärker auf die individuellen Fähigkeiten ausgerichteten Kompetenzaufbau. Die Personalentwicklungsinstrumente werden ebenfalls schrittweise eingeführt. Die Förderung der Gleichstellung in allen Bereichen ist konzeptionell als integraler Bestandteil der Personalentwicklung voll etabliert. So ist das Drei-PhasenKonzept für den beruflichen Wiedereinstieg nach familienbedingter Beurlaubung akzeptiert. Eine individuelle Betreuung und eine individuelle Einarbeitung sichern hier Beschäftigtenpotenziale und entsprechende Kompetenzen. Dies ist ein praxisorientiertes Beispiel für den integrativen Managementansatz. Der gleiche personalentwicklerische Ansatz gilt übrigens auch für das Wiedereingliederungsmanagement nach längerer Erkrankung.
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Beatrix Behrens und Michael Kühn
Das Drei-Phasen-Konzept zum beruflichen Wiedereinstieg Vor der Beurlaubung (Phase 1) Verbindliche Maßnahmen ¾ Mitarbeitergespräch (spätestens einen Monat vor der Beurlaubung) x x x x
Abstimmung und Beratung über die berufliche Zukunft (Blick auf Phase 2) Angebot von Kontakten zur Dienststelle Zusendung von Informationsmaterial Benennung von Ansprechpartner/Ansprechpartnerin
¾ Anlassbeurteilung
Während der Beurlaubung (Phase 2) Bedarfsorientierte Maßnahmen ¾ Erziehungsgeldunschädliche Tätigkeiten (Vertretungen etc.) ¾ Projektarbeit, Arbeitskreis-/Qualitätszirkelteilnahme ¾ Praktika ¾ Übernahme von Lehrtätigkeiten ¾ Seminarteilnahme (ggf. regionaldirektionsübergreifend) ¾ Fernstudienbriefe ¾ Computerunterstütztes Lernen ¾ Teilnahme an Dienstbesprechungen ¾ Teilnahme an Personalversammlungen/ Gemeinschaftsveranstaltungen ¾ Infomaterial (DIALOG etc.) ¾ Beurlaubtennetzwerk ¾ Übermittlung der Stellenausschreibungen ¾ Info über das aktuelle Fortbildungsprogramm
Nach der Beurlaubung (Phase 3) Verbindliche Maßnahmen ¾ Einarbeitungsplan x gezielter Einsatz der PEInstrumente ¾ Phasenorientierte Mitarbeitergespräche ¾ Betreuung durch die Führungskraft
Verbindliche Maßnahmen:
¾ Infoveranstaltungen (mindestens 1x pro Jahr) ¾ Rückkehrgespräche spätestens sechs und ggf. drei Monate vor der Rückkehr
Abb. 5. Instrumente der Personalentwicklung
Die Reform der Personalentwicklung wird entscheidend davon abhängen, die Vorteilsübersetzung durch ein verändertes Führungsverständnis transparent zu machen und die Akzeptanz sicherzustellen. Systematisch und fundiert betriebene Personalentwicklung sichert den Geschäftserfolg. Gut qualifizierte und motivierte Mitarbeiter sind ein wesentlicher Teil einer erfolgreichen Umsetzung einer veränderten Aufbau- und Ablauforganisation. Um den PE-Prozess zu flankieren, wird die Thematik „Potenziale erkennen und ausschöpfen“ in den Zielmanagementprozess integriert. Dies bedeutet nicht nur ein geschäftspolitisch wichtiges Signal, sondern erfordert auch die Sicherstellung der Nachhaltigkeit über ein entsprechendes PE-Controlling. Das System und einzelne Module sind stets hinsichtlich ihrer Wertschöpfung kritisch zu hinterfragen und im Bedarfsfall ist entsprechend gegenzusteuern. Führungskräfte benötigen allerdings auch Unterstützung durch eine entsprechende Informations- und Kommunikationspolitik, Networking sowie eine effektive PEBeratung für die sachgerechte Personalentwicklung der eigenen Mitarbeiter. Hier gilt es, ein wirksames System für die die Führungskräfte unterstützende PEBeratung aufzubauen und die entsprechenden fachlichen und sozial-methodischen Kompetenzen zu vermitteln. Als geeignete Implementierungsstrategie empfiehlt sich ein Kaskadierungsprozess, das PE-Design von „oben nach unten“ einzuführen, d. h. zunächst einzelne Module in der Zentrale zu pilotieren und anschließend zu etablieren. Gegenüber
Strategisches Kompetenzmanagement der Bundesagentur für Arbeit
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den Beschäftigten müssen deutliche Signale spürbar werden, Konzepte wirksam und erlebbar zu machen. Beim Coaching ist z. B. bewusst der Weg gewählt worden, dieses als Instrument der Führungskräfteentwicklung im Bereich der Oberen Führungskräfte zu etablieren. Führungskräfte nehmen dementsprechend eine Multiplikatoren- oder Vorbildfunktion im Implementierungsprozess ein. Die Etablierung des hier beschriebenen PE-Designs wird sicherlich ein mehrjähriger Prozess. Die Erfahrungen bei der BA machen sehr deutlich, Personalentwicklung nicht nur als Qualifizierung zu definieren und ihr einen entsprechenden Stellenwert in der Umsetzung der strategischen Ziele einzuräumen.
9
Corporate Values und strategisches Kompetenzmanagement in der unternehmerischen Umsetzung
Joachim Kayser, Harriet Sebald und Jörg H. Stolzenburg 1
Corporate Values
1.1
Einordnung
Ist das Thema „Corporate Values“ ein alter Hut? So gut wie alle Unternehmen haben Corporate Values bzw. Unternehmenswerte, Leitbilder oder Prinzipien für sich formuliert und seit einigen Jahren implementiert. Trotzdem erleben Corporate Values derzeit einen zweiten Frühling. Diese Hinwendung zu einem vermeintlich weichen Thema überrascht auf den ersten Blick. Besteht doch ein starker Druck auf alle Unternehmensprozesse und -funktionen, ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg in harten Zahlen zu belegen. Das „Comeback“ ist weniger auf ein diffuses, verändertes Verständnis von Unternehmensführung zurückzuführen; vielmehr gibt es hierfür ganz pragmatische, ökonomische Gründe: Ɣ
Zum einen ist der Druck der Kapitalmärkte auf globale Unternehmen deutlich gewachsen, sich auch globalen Werten und ethischem Verhalten zu verschreiben. Dies zu ignorieren, kann massive negative materielle Konsequenzen sowohl bei Konsumenten als auch an den Börsen auslösen. So haben in jüngster Vergangenheit bei Unternehmen wie Parmalat, Boeing oder Nike Themen wie Korruption, Kinderarbeit in der „Dritten Welt“ oder die Diskriminierung bestimmter Personengruppen regelrechte Skandale ausgelöst. Corporate Values, die auch als das ethische Werterückgrat eines Unternehmens dienen, kommen somit eine zentrale strategische, wirtschaftliche Bedeutung zu. Viele Unternehmen stellen sich der Herausforderung, Unternehmenswerte nicht nur in schönen Hochglanzbroschüren zu beschreiben, sondern sie dahingehend umzusetzen, dass sie zu einer von allen Mitarbeitern gelebten Unternehmenswirklichkeit werden.
Ɣ
In Unternehmen ist zudem das Bewusstsein dafür gewachsen, dass jede Organisation gemeinsame Werte benötigt, um erfolgreich tätig sein zu können. Besonders für globale Konzerne, die häufig durch eine Vielzahl unterschiedlicher landes- und branchenspezifischer Kulturen gekennzeichnet sind, ist es wichtig, mit Hilfe einheitlicher Corporate Values die Verhaltensgrundlage für erfolgreiches gemeinsames wirtschaftliches Handeln zu schaffen.
140
Joachim Kayser, Harriet Sebald und Jörg H. Stolzenburg
So sind sowohl der von außen auf das Unternehmen ausgeübte Druck als auch die Notwendigkeit, das Verhalten der Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens auf gemeinsame Werte auszurichten, für die hohe Wichtigkeit der Corporate Values verantwortlich. Im Hinblick auf die HR-Prozesse ist besonders die Verknüpfung der Corporate Values mit dem strategischen Kompetenzmanagement von Bedeutung. Wir wollen mit diesem Beitrag diese Verknüpfung von Corporate Values und strategischem Kompetenzmanagement als Erfolg versprechenden Weg für eine gelebte Unternehmensrealität und deren Umsetzung über verschiedenste Personalprogramme aufzeigen. Was versteht man nun unter Corporate Values? Corporate Values können als Basis für die im Unternehmen postulierte Kultur verstanden werden. In der Literatur finden sich eine Vielzahl von Definitionen für Unternehmens- bzw. Organisationskultur. Die folgenden Beispiele illustrieren, dass aufgrund der Vielfältigkeit des Begriffes „Kultur“ keine einheitliche Definition existiert. “The organizational culture is the way of life followed consciously or subconsciously in the day-to-day activities of the organization.” (F. C. Ashby, 1999) “The culture of a group can now be defined as a pattern of shared basic assumptions that was learned by a group as it solved its problems of external adaptation and internal integration, that has worked well enough to be considered valid and, therefore, to be taught to new members as the correct way to perceive, think, and feel in relation to those problems.” (E. A. Schein, 2004) Wir halten aus unserer Erfahrung mit der Umsetzung von Unternehmenswerten insbesondere die Definition von Hentze & Kammel (2001) für hilfreich: „Unter Unternehmenskultur werden die von den Unternehmungsmitgliedern internalisierten und vertretenden Werte und Normen verstanden, die gleichzeitig das Verhalten entscheidend determinieren.“ Der Vorteil dieser Definition des Kulturbegriffs liegt in der klaren Fokussierung auf individuelles Verhalten. Damit trifft sie den Kern des Kulturverständnisses, das für den Implementierungsprozess von Corporate Values wichtig ist: Eine erfolgreiche Implementierung kann nur über individuelles Verhalten bzw. Verhaltensänderung erreicht werden. 1.2
Was sind und wozu dienen Corporate Values?
In der Praxis werden die einzelnen Corporate Values mit Hilfe einer kurzen Überschrift oder eines Schlagworts definiert (z. B. „Kunden erfolgreich machen“). Diese Überschrift wird dann mit einigen Unterpunkten erläutert, die eine Interpretation des Value für das Unternehmen bzw. den einzelnen Mitarbeiter ermöglichen. Mögliche Erläuterungen zu dem Wert „Kunden erfolgreich machen“ könnten zum Beispiel lauten: „Kundenzufriedenheit ist der Erfolgsfaktor für unseren Konzern.
Corporate Values und strategisches Kompetenzmanagement
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Der Erfolg unserer Kunden ist unser Erfolg. Wir streben partnerschaftliche und dauerhafte Geschäftsbeziehungen mit unseren Kunden an. Diese Beziehungen machen beide Seiten langfristig erfolgreich. Wir haben das beste Wissen über Kunden, Märkte und den Wettbewerb und setzen deshalb die Standards im Markt. Unser Wissen über die globalen und lokalen Kunden- und Marktanforderungen bestimmt unsere Aktivitäten.“ Vergleicht man die in Unternehmen definierten Corporate Values untereinander, fällt auf, dass die Werte sehr unterschiedlichen Inhalts sind. Betrachtet man sie jedoch über alle Unternehmen hinweg, können sie im Wesentlichen in vier Kategorien eingeteilt werden (vgl. J. Wieland und M. Fürst, 2002): 1. 2. 3. 4.
Leistungswerte Kommunikationswerte Kooperationswerte Moralische Werte
Ad 1.: Leistungswerte beziehen sich auf Verhaltensweisen, mit deren Hilfe die Geschäftsziele erreicht werden sollen und die somit langfristig die Umsetzung der Unternehmensstrategie unterstützen. Häufig beziehen sich solche Leistungswerte auf das Qualitätsbewusstsein der Mitarbeiter im Hinblick auf interne Prozesse oder sie lenken den Fokus auf die Kundenzufriedenheit. Auch können sie die Mitarbeiter in ihrer Innovationsbereitschaft bestärken. Ad 2: Kommunikationswerte beziehen sich oft auf eine offene und transparente Kommunikation sowohl innerhalb des Unternehmens als auch auf eine transparente Kommunikation mit externen Systemumwelten. Ad 3: Kooperationswerte fassen Verhaltensweisen zusammen, die vor allem das Verhalten der Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens betreffen. Teilweise sind sie schwer von den Kommunikationswerten zu trennen und fördern ihrerseits auch die Erfüllung der Leistungswerte. So hilft zum Beispiel eine ausgeprägte Teamorientierung, besser miteinander zu kommunizieren, was wiederum die Erreichung der Geschäftsziele erleichtert. Ad 4: Die moralischen Werte sind auf den ersten Blick losgelöst von den Geschäftszielen. Sie beziehen sich häufig auf integeres oder faires Verhalten. Dies sollte zum einen innerhalb der Organisation im täglichen Miteinander Anwendung finden; zum anderen die Beziehung zu externen „Stakeholdern“ wie Lieferanten oder Kunden charakterisieren und sich darüber hinaus in der gesellschaftlichen Verantwortung der Organisation widerspiegeln. Vor dem Hintergrund, dass heute auch moralische Verhaltensweisen für das Risikomanagement des Unternehmens unabdingbar geworden sind, wird der Bezug zu den Leistungswerten und der Verfolgung der Unternehmensstrategie klar.
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Mit den Corporate Values werden unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt. Allgemein zeigen empirische Studien folgende Vorteile, die mit einer ausgeprägten Unternehmenskultur einhergehen (D. R. Denison, 1990): Erleichterte Konsensbildung Geteilte Normen und Werte erleichtern die Bildung eines Konsenses innerhalb einer Organisation. Die Ressourcen, die für die Koordination aufzuwenden sind, werden deutlich verringert. „Wegweiser“ in unsicheren Situationen Klare Leitlinien einer Unternehmenskultur helfen den Mitarbeitern sich in Situationen, die durch Unsicherheit und wenig Struktur gekennzeichnet sind, zu orientieren. Gerade bei schwierigen Entscheidungen, z. B. bei riskanten Investitionen oder Entscheidungen mit ethischen Bedenken, dient die Unternehmenskultur als wichtiger Handlungsrahmen und trägt somit zur Reduzierung von Unsicherheit bei, da zum einen die zu Grunde liegenden Verhaltensrichtlinien klar vorgegeben und zum anderen die Konsequenzen, die aus abweichendem Verhalten entstehen, ausdrücklich festgelegt sind. Bessere Arbeitsergebnisse Eine ausgeprägte Unternehmenskultur erhöht die Identifikation mit dem Unternehmen und die Motivation der Mitarbeiter. Diese erhöhte Motivation (Engagement) führt zu verbesserten Arbeitsergebnissen. So zeigt eine von Towers Perrin durchgeführte Befragung von 4.000 Führungskräften und Mitarbeitern in Deutschland, dass eher weiche, nicht-monetäre Faktoren (z. B. allgemeines Arbeitsklima, Teamwork, herausfordernde Arbeit) das Engagement der Befragten stärker beeinflussen als monetäre Aspekte (z. B. Vergütungshöhe, betriebliche Nebenleistungen, etc.) (Deutschlandbericht des europäischen Towers Perrin Talent Reports 2004). Ähnliche Ergebnisse liefert die Gallup-Studie des Jahres 2003, in der festgestellt wird, dass die Leistungs- und Erfolgsorientierung der Mitarbeiter stark von der emotionalen Bindung der Mitarbeiter zu ihrer Arbeit und zu ihrem Arbeitgeber beeinflusst wird (G. Wood, 2004). Diese empirisch feststellbaren allgemeinen Vorteile einer etablierten Unternehmenskultur lassen sich vor allem mit dem oben genannten Ziel mit Corporate Values, das Verhalten der Mitarbeiter auf gemeinsame Werte auszurichten verknüpfen. Man kann in diesem Kontext auch von der „Steuerungsfunktion“ der Corporate Values sprechen. Diese Steuerungsfunktion versuchen sich globale Konzerne mit ihren vielfältigen Geschäftsumfeldern zu Nutze zu machen. Während kleine, homogene Organisationen oft über ein starkes explizites oder implizites Wertegerüst verfügen, verwenden große, globale Unternehmen, die häufig vor der Herausforderung stehen, andere Unternehmen zu integrieren, stärker formalisierte Prozesse. Das Verständigen auf ein gemeinsames Neues oder das ehrliche Implementieren der Unternehmenskultur des übernehmenden Unternehmens ist ein wichtiger Meilenstein erfolgreicher Integrationsarbeit. Vor dem Hintergrund solcher Integrationsphasen erscheint die Erreichung der in den empirischen Stu-
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dien festgestellten Vorteile einer klar etablierten Unternehmenskultur als besonders wichtig. Die – gerade auch wirtschaftliche – Bedeutung, die die Berücksichtigung der Unternehmenskultur in diesem Kontext hat, zeigt sich häufig in dem Scheitern von Unternehmensfusionen aufgrund unterschiedlicher Unternehmenskulturen. Die Problematik liegt insbesondere darin, dass die Kulturen der fusionierenden Unternehmen nicht zueinander passen bzw. nicht ausreichend Anstrengung unternommen wird, sie zu integrieren (S. Cartwright und G. L. Cooper, 1993). Die Etablierung von gemeinsamen Werten soll die Integration der verschiedenen Unternehmen und der damit einhergehenden unterschiedlichen Kulturen vorantreiben. Eine erfolgreiche Integration resultiert in einem gemeinsamen Werteverständnis sowie einem gemeinsamen Führungsverständnis als Basis einer erfolgreichen Zusammenarbeit. Aber nicht nur in Integrationsphasen bildet die Gestaltung der Unternehmenskultur ein wichtiges Instrument zur Unternehmenssteuerung. Die Notwendigkeit zur Etablierung von Corporate Values kann in der konsequenten Umsetzung der (neuen) Unternehmensstrategie liegen. So kann der Wunsch nach gemeinsamen, das Verhalten leitenden Werten aus dem Wunsch heraus erwachsen, auf die Art und Weise die Umsetzung der Unternehmensstrategie möglichst effektiv zu unterstützen. Beinhaltet die Unternehmensstrategie zum Beispiel das konkrete Ziel, in einem bestimmten Marktsegment innerhalb eines festgesteckten Zeitrahmens Marktführer zu werden, so können über leistungsorientierte Corporate Values bestimmte Verhaltensweisen verstärkt werden. Ist zum Beispiel das Ziel, die Marktführerschaft zu erhalten, besonders über die Qualität der Produkte erreichbar, könnte dem Wert „Qualität“ eine besondere Priorität eingeräumt werden. Insgesamt sollen die Corporate Values das Verhalten aller Mitarbeiter und Führungskräfte auf die gemeinsamen strategischen Ziele ausrichten und verdeutlichen, mit welchem Verhalten jeder einzelne Mitarbeiter zur Erreichung dieser Ziele beitragen kann. Der zweite Grund für das Aufleben des Themas Corporate Values ist der zunehmende Druck der Kapitalmärkte. Dieser Druck bezieht sich in erster Linie auf die Notwendigkeit, dass Unternehmen als „Corporate Citizen“ auch einer gesellschaftlichen Verantwortung, z. B. über bestimmte soziale und ökologische Maßnahmen, gerecht werden sollten. Diese Entwicklung schlägt sich nicht zuletzt in einer Vielzahl von derzeit veröffentlichten Rankings nieder, die das Ergebnis von Unternehmensbewertungen hinsichtlich der von Unternehmen übernommenen ethischen Verantwortung sind. Ein Teil der formulierten Corporate Values bezieht sich daher auf moralische Werte, die auf den ersten Blick nicht direkt mit der Erreichung der Geschäftsziele korrelieren, diese aber – z. B. über den Umweg der Wirkung an den Kapitalmärkten – durchaus unterstützen. Doch wie kommt es zu dieser Reaktion der Kapitalmärkte auf die ethischen Entscheidungen eines Unternehmens? Die Kapitalmärkte spiegeln die Reaktionen der verschiedenen „Stakeholder“ des Unternehmens wider. Von den Kunden über Zulieferer und Ge-
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schäftspartner, Regierungen bis hin zu Non-Profit-Organisationen – mit ihnen allen kann die Beziehung empfindlich geschädigt werden, wenn gegen allgemein akzeptierte ethische Richtlinien verstoßen wird und damit die Reputation des Unternehmens Schaden nimmt. Zum einen verliert das Unternehmen eine wertvolle Vertrauensbasis bei den Stakeholdern. Zum anderen reagieren besonders Kunden häufig empfindlich auf Fehlverhalten, was die Reaktion von Zulieferern und Geschäftspartnern verstärken kann. So erklärt sich die zunehmend verbreitete Ansicht, dass ein langfristiger ökonomischer Erfolg nur zu erreichen ist, wenn soziale und ökologische Aspekte das Handeln des Unternehmens begleiten. Dieser Zusammenhang hat mittlerweile einen so deutlichen Einfluss auf die Kapitalmärkte, dass sich Unternehmen kaum noch leisten können, diese Anforderung schlichtweg zu ignorieren. Corporate Values sind damit ein effektives Instrumentarium, um Beziehungen zu relevanten „Stakeholdern“ mit Blick auf die unternehmerischen Zielsetzungen zu gestalten. Im Sinne eines aktiven Risikomanagements wird man damit zwar keine Marktwertsteigerungen des Unternehmens erzielen können, aber das Risiko eines Kursrückganges vermeiden können. Während sich also die Steuerungsfunktion auf die internen Stakeholder – die Mitarbeiter – bezieht, liegt der zweite Grund für das Comeback der Corporate Values in der Beziehung zu den externen Stakeholder begründet. Beide Gründe können auch unter dem Begriff des verbesserten Risikomanagements zusammengefasst werden. Sowohl der mögliche Verlust an Mitarbeitermotivation und das drohende Scheitern einer Fusion als auch der eventuelle Verlust an wichtigen Kooperationspartnern und Kunden und die damit einhergehende negative Reaktion der Kapitalmärkte stellen Risiken dar, die mit Hilfe von im Unternehmen etablierten Corporate Values reduziert werden können (vgl. J. Wieland und M. Fürst, 2002). Schließlich ist es für viele Unternehmen ein nützlicher Nebeneffekt, dass es mit der Festlegung von Corporate Values gelingen kann, die Reputation des Unternehmens als Arbeitgeber zu verbessern (Employer Branding). Hierzu müssen die Corporate Values und deren Verankerung in der Organisation der Außenwelt wirkungsvoll kommuniziert werden. Dem Unternehmen wird so ein von Außen wahrnehmbares und transparentes Profil verliehen, was dazu führen kann, dass sich potenzielle Mitarbeiter eher für das Unternehmen entscheiden. Vor allem aber kann die Chance steigen, potenzielle Mitarbeiter, welche die postulierten Corporate Values als Richtlinie für ihr Verhalten gerne akzeptieren, leichter gewonnen werden können. Im Idealfall wählen sich passende potenzielle Mitarbeiter im Vorfeld selbst die zu ihnen passenden Unternehmen aus.
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Praxisbeispiel Deutsche Post World Net Viele der in diesem Artikel angesprochenen Erfahrungen und Regeln konnten bei der Erstellung der Corporate Values und deren bisheriger Umsetzung im täglichen Verhalten durch die Deutsche Post World Net angewandt werden. 1. Zweck: Veränderungsprozess Deutsche Post World Net (DPWN) befindet sich seit 1998 in einem rasanten internationalen Wachstumsprozess. Eine Vielzahl von sehr großen, mittleren und kleinen Firma wurde übernommen und das Wachstum wird fortgesetzt. Folglich bestand und besteht ein hoher Bedarf an Integration zu einem neuen Ganzen. Einer der besonders häufig geäußerten Wünsche von Mitarbeitern – insbesondere der neu hinzugekommenen – war der nach Orientierung: x x x x
Für was steht die DPWN? Was sind unsere gemeinsamen, divisionsübergreifenden Werte? Welche Prioritäten setzen wir im Zweifelsfall? Welches Verhalten sollen wir zeigen?
Während Fragen der Strategie, der Struktur und der Systeme in der Integration zumeist schnell und erschöpfend gelöst werden konnten, gelang dies bei den weichen Faktoren noch nicht hinreichend. Mit der Vision eines neuen Konzerns, der auf der Erfahrung mehrerer sehr erfolgreicher Unternehmen gegründet wurde, hat der Vorstandsvorsitzende die Richtung vorgegeben: Er setzte 2003 einen ersten Rahmen für die Corporate Values. Das obere Management wurde beauftragt, die Passung dieser Werte zu prüfen und ggf. zu ändern. Zudem sollten – durch einen Vergleich der Soll-Situation der Werte mit der gelebten Wirklichkeit Handlungsbedarfe und -vorschläge ermittelt und unterbreitet werden. Auf der Basis der Beschreibung und Zuordnung von konkreten Verhaltensweisen gelang es, in Workshops und Online-Befragungen zur Erörterung der einzelnen Corporate Values zügig eine Vielzahl von Abweichungen zum Idealbild der Corporate Values zu ermitteln. Der Wortlaut der Werte wurde geringfügig geändert, vom Vorstand beraten und zur Umsetzung freigegeben. Der Text (s. Abb.) alleine ist unspektakulär, könnte sicher so oder ähnlicher Form auch in anderen Unternehmen eingesetzt werden. Wichtig ist dem DPWN-Vorstand, dass Veränderungen bewirkt werden, dass neues Verhalten nach einheitlichem Rahmen erfolgt.
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Als offizieller Startschuss für den Veränderungsprozess wurde eine Tagung des Top Executive Management Anfang 2004 gewählt. Jeder Vorstand übernahm das persönliche Sponsorship für einen der Konzernwerte. 2. Auf die Umsetzung kommt es an Um Verhalten zu ändern, müssen Bewusstsein, Veränderungswille und ein förderliches Lernklima zusammen kommen. Zudem schauen Mitarbeiter gerne zunächst „nach oben“, fordern Verhaltensänderungen von ihren Vorgesetzten; diese wissen um ihre Vorbildfunktion. DPWN hat deshalb im Jahr 2004 den Veränderungsprozess auf – zunächst – zwei Bereiche begrenzt: x Führungskräfte: mittleres – und oberes Management x Schwerpunktthemen Die Schwerpunktthemen wurden in insgesamt 16 Projekten bearbeitet. Sie wurden aus der Analyse der häufigsten genannten Problembereiche filtriert. So beschäftigten sich Teams mit Themen wie „Talent Management“, „Code of Conduct“. „Rahmenbedingungen für Entrepreneurship“ und „Kompetenzen“. Die Projektergebnisse werden – nach jeweiliger Vorstandsentscheidung – sukzessive im Konzern verwirklicht. Ab 2005 erstreckt sich der Veränderungsprozess nun auf alle Mitarbeiter: sowohl auf die Corporate Values als auch auf erste Früchte der Projektarbeit (z. B. der neue Code of Conduct, Qualitätsmaßnahmen in der Produktion, Kunden(rück)gewinnungsprogramme) und auf die Konzernwerte abgestimmten Kompetenzen. In einer ersten Phase setzen sich alle Mitarbeiter mit den Konzernwerten auseinander. Neben der reinen Information ist die erste Welle so angelegt, dass x Vorgesetzte mit ihrem Team arbeiten x Konkrete Verhaltensdefizite im Bereich dieses Teams erarbeitet werden („kann“) x Verhaltensweisen zur besseren Erfüllung der Konzernwerte im Bereich des Teams erarbeitet und vereinbart werden („muss“). 3. Erfolg muss messbar sein Aus den bestehenden, regelmäßigen Befragungen (Mitarbeiter, Kunden, Aktionäre) konnten Fragenbündel den Konzernwerten zugeordnet werden. Damit kann die tatsächlich wahrgenommene gelebte Verhaltenswirklichkeit der Konzernwerte gemessen – und im Zeitvergleich beobachtet werden. Bisher sind die Messergebnisse noch nicht umfassend und gezielt zum Steuern des Verhaltensprozesses eingesetzt worden. Dies ist für 2005 jedoch vorgesehen.
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4. Veränderungsprozesse fordern Zeit Dem DPWN-Management ist bewusst, dass der Veränderungsprozess hin zu einer einheitlichen Unternehmenskultur eine längere Zeitspanne erfordert. Wir gehen von min. 5 Jahren aus. Zwischenschritte wie eine einheitlicher Kompetenzrahmen, ein Code of Conduct, sind zwar vorzeigbare „Produkte“, sie können aber nur Symbole und Katalysatoren des Veränderungsprozesses sein. Es kommt entscheidend darauf an, dass das Verhalten der Mitarbeiter den Konzernwerten deutlich mehr entspricht als heute.
1.3
Wie werden Corporate Values bestimmt?
Grundsätzlich ist die Strategie des Unternehmens die Grundlage für die Entwicklung von Unternehmenswerten. Die Corporate Values bilden aus diesem Grund auch nicht nur den aktuellen Status quo ab, sondern sind vielmehr ein „Zielfoto“ für das Unternehmen. Für den Prozess der Bestimmung und Formulierung der Corporate Values stehen im Wesentlich zwei Vorgehensweisen zur Verfügung.
MBO TT O
Führungsebene 2 Führungsebene 3
WN DO PTO
UP
Führungsebene 1
Führungsebene 4 Führungsebene 5
Mitarbeiter
Abb. 1. Bottom-up- und Top-down-Prozess
Top-down: Das Senior Management bzw. der Vorstand selbst erarbeitet, definiert und verabschiedet die Corporate Values inklusive der zusätzlichen Erläuterungen. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt vor allem in seiner Effizienz und Klarheit:
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Das Senior Management bzw. der Vorstand selbst kann relativ schnell zu einem Konsens kommen. Das Senior Management bzw. der Vorstand definiert die Strategie und kann deshalb die Corporate Values daran ausrichten. Die Bedeutung der Corporate Values ist damit klar und eindeutig: Corporate Values sind ein Thema von strategischer Bedeutung und werden vom Vorstand getrieben. Die Corporate Values können damit als „verbindende Klammer“ über verschiedene Unternehmensbereiche und Länder hinweg verwendet werden. Die Umsetzung bzw. Operationalisierung der Values kann dann auf die jeweiligen Anforderungen in den unterschiedlichen Ländern und Unternehmensbereichen angepasst werden.
CORPORATE VALUES
DIVISION 1
DIVISION 2
DIVISION 3
DIVISION 4
INDIVIDUELLES VERHALTEN
Abb. 2. Corporate Values als „Klammer“
Kritisiert wird diese Vorgehensweise jedoch häufig aufgrund der mangelnden Einbindung der Mitarbeiter und Führungskräfte in die Entwicklung der Corporate Values: Ɣ Ɣ Ɣ
Die Akzeptanz der Werte bei den Mitarbeitern ist nicht so leicht zu erreichen, da sie selbst an der Formulierung der Werte nicht beteiligt sind. Die Werte fußen nicht in der Unternehmensrealität und sind daher mit bestehenden Wertvorstellungen in der Belegschaft nicht unbedingt deckungsgleich. Die Werte werden als „Weisung von oben“ empfunden.
Bottom-up: Der Bottom-up-Prozess bindet Mitarbeiter und Führungskräfte unterschiedlicher Ebenen und Geschäftseinheiten ein, um mit Hilfe eines „demokrati-
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schen“ Prozesses die Corporate Values zu definieren und zu formulieren. Vorteile dieses Verfahrens sind insbesondere in der hohen Beteiligung der Beschäftigten des Unternehmens zu sehen: Ɣ Ɣ
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Auf diese Weise werden alle Mitarbeiter in den Prozess der Formulierung eingebunden, was zu hoher Akzeptanz und starker Identifikation mit den Werten führt. Auch werden die Werte so formuliert, dass sie den bestehenden Wertvorstellungen eines Großteils der Belegschaft sehr nahe kommen. Die Beschreibung dieses Prozesses lässt allerdings bereits erahnen, was sich in der Unternehmenspraxis bei Anwendung dieser Vorgehensweise häufig an Nachteilen zeigt: Der Bottom-up-Prozess erweist sich häufig als langwierig, komplex und damit kostenintensiv. Es muss für die Definition ein Konsens zwischen zu vielen „Parteien“ gefunden werden, die Corporate Values vor ihrem eigenen kulturellen Kontext sehen. Zudem sind Mitarbeiter und Führungskräfte häufig eher von Prioritäten geprägt, die sich auf die Ziele und Aufgaben ihres eigenen Unternehmensbereiches beziehen als auf die strategischen Ziele der Gesamtorganisation. Das „Commitment“ des Vorstands muss ex post eingeholt werden.
Unserer Erfahrung nach ist die Einbindung der Mitarbeiter und Führungskräfte vor allem bei der Implementierung der Corporate Values entscheidend. Hierbei ist die Einbindung erfolgskritisch, um die konkrete Bedeutung der Values für das Verhalten jeder einzelnen Führungskraft und jedes einzelnen Mitarbeiters an seinem bzw. ihrem Arbeitsplatz deutlich zu machen. Bei der Definition der Values ist dagegen eher die strategische Anbindung und Klarheit von entscheidender Wichtigkeit. Betrachtet man die Corporate Values unterschiedlicher Unternehmen, so fällt auf, dass viele Values immer wieder auftauchen, die Formulierung häufig allgemein klingt und die Values zum Teil austauschbar erscheinen; und dies unabhängig davon, ob die Corporate Values durch den Vorstand oder durch einen Bottom-upProzess bestimmt wurden. Dies spricht dafür, dass der aufwändige Bottom-upAnsatz nicht mit einer unternehmensspezifischeren Definition der Corporate Values einhergeht. Unterschiede scheint es eher zwischen verschiedenen Branchen und auch Regionen zu geben, doch bleibt die große Ähnlichkeit der Corporate Values – auf der Ebene der Überschriften und Erläuterungen – über verschiedene Unternehmen hinweg auffällig. Wir halten dies nicht für erfolgskritisch, da nicht die bloße Formulierung der Corporate Values individuelles Verhalten von Mitarbeitern und Führungskräfte im Unternehmen verändert. Entscheidend ist vielmehr der Prozess, mit dem die Corporate Values im Unternehmen verankert werden. Nicht die beste und treffendste Formulierung erweckt die Values zum Leben, sondern der Prozess, mit dem die
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Corporate Values kommuniziert und schließlich implementiert werden. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Zeit- und Kostenressourcen die im Bottom-up-Ansatz in der Formulierung gebunden werden, nicht besser auf die Einführung und Umsetzung der Konzernwerte verwendet werden sollen. 1.4
Corporate Values leben
Aus unserer Beratungserfahrung ist ein Implementierungsprozess dann erfolgreich, wenn die folgenden Erfolgsfaktoren konsequent berücksichtig werden: Corporate Values in individuelles Verhalten übersetzen Die einzelnen Corporate Values sind i. d. R. zu abstrakt formuliert, als dass sie für den einzelnen Mitarbeiter als konkrete Verhaltensrichtlinie dienen könnten – zudem können sie das konkrete Arbeitsumfeld und den kulturellen Kontext des einzelnen Mitarbeiters gar nicht berücksichtigen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die abstrakte Formulierung ist auf Unternehmensebene durchaus sinnvoll, damit die Corporate Values als universell gültige Werte für alle Mitarbeiter und Führungskräfte im Unternehmen dienen können. Wesentlich dafür, ob die Corporate Values Eingang in das tagtägliche Verhalten der Mitarbeiter finden, ist allerdings, dass sie in ganz konkrete, individuelle Verhaltensweisen übersetzt werden. An dieser Stelle im Prozess ist es entscheidend, alle Mitarbeitergruppen und Führungskräfte einzubeziehen, Für diese Einbindung bieten sich – je nach Anzahl der einzubindenden Mitarbeiter und Führungskräfte – interaktive Workshops an. Unabhängig davon, ob an dieser Stelle Workshops oder andere Formate verwendet werden, ist hier die kommunikative Begleitung des Prozesses, z. B. durch eine Kommunikationskampagne, unabdingbar. Um die Einbindung der Mitarbeiter und Führungskräfte effizient zu gestalten, müssen sowohl Inhalt wie auch Ablauf der Workshops im Detail geplant und auf den Unternehmenskontext zugeschnitten sein. Nicht selten haben Unternehmen bereits eine „Geschichte“ zum Thema Values, wie beispielsweise die missglückte Einführung eines Leitbildes in der Vergangenheit oder ähnliches. Entscheidend ist, diese Erfahrungen zu berücksichtigen. Zudem hat es sich als sinnvoll erwiesen, bei dem Design des Implementierungsprozesses auf bestehende Initiativen aufzusetzen, wie beispielsweise laufende Qualitätsprogramme, Kommunikationsprozesse etc. Workshop-Prozess: Unserer Erfahrung nach sollte ein Prozess vor allem folgende Eigenschaften erfüllen: Ɣ Ɣ
Führungskräfte werden zuerst eingebunden und können somit eine aktive Rolle bei der Einbindung der Mitarbeiter übernehmen. Regionale bzw. unternehmensbereichsspezifische Anforderungen sollten berücksichtigt werden – entscheidend ist es hierbei, bei den Workshops die richtige Balance zwischen Standardisierung und Adaption an lokale Anforderungen zu finden.
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Der Prozess wird auf Nachhaltigkeit ausgelegt, d.h. er ist keine „HochglanzEinmalveranstaltung“, sondern ein fortlaufender Prozess.
In vielen Konzernen bietet sich für die Implementierung der Corporate Values die Nutzung einer Kommunikationskaskade an. Dies bedeutet, dass die Mitarbeiter sequentiell in einem Top-down angelegten Prozess einbezogen werden. So führt zunächst die Ebene unter dem Vorstand Workshops mit ihren Führungskräften durch, die ihrerseits in der Rolle als Vorgesetzte Workshops mit ihren Führungskräften durchführen. Schließlich werden so alle Mitarbeiter über die Corporate Values informiert. In einer ersten Welle von Workshops – idealerweise gleich nach der Definition der Values – müssen die Corporate Values zunächst operationalisiert werden. So beantworten die Teilnehmer zum Beispiel die Frage, mit welchem individuellen Verhalten sie dem Wert „Teamarbeit“ am ehesten gerecht werden könnten. An dieser Stelle wird deutlich, wie unterschiedliche kulturelle Bedingungen Berücksichtigung finden können: Zwar ist „Teamarbeit“ der gemeinsame Konzernwert, doch kann dieser Wert für das Verhalten von Führungskräften in Asien durchaus etwas anderes bedeuten als für Führungskräfte in Deutschland. In den Workshops werden die Aufgaben und Ziele der Führungskräfte, die sich – je nach Hierachieebene – eher an den Zielen der Geschäftseinheit orientieren, mit den Corporate Values verknüpft. Dies bedeutet, dass der Wert „Teamarbeit“ vor dem Hintergrund der konkreten Ziele der Abteilung operationalisiert wird: Ist das Ziel zum Beispiel eine Umsatzsteigerung von 3 % in den kommenden 4 Monaten, wird diskutiert, wie Verhaltensweisen zum Wert „Teamarbeit“ helfen können, dieses Ziel zu erreichen. So setzen die Rahmenbedingungen, d. h. das kulturelle Umfeld, sowie die bereichsspezifischen Aufgaben und Ziele den Kontext für die Operationalisierung der Werte. Die so abgeleiteten individuellen und ganz konkreten Verhaltensweisen der Führungskräfte zu den einzelnen Werten sollen ein „Zielfoto“ darstellen, also beschreiben, wie das „Ziel der Reise“ aussehen soll: Welches Verhalten ist notwendig, damit diese Werte (von außen beobachtbar) wirklich gelebt werden? In einem nächsten Schritt wird beurteilt, wie gut diese idealen Verhaltensweisen bereits im Unternehmen gelebt werden. Mit Hilfe dieser Bewertung können dann die Problemfelder identifiziert werden, in denen die gelebte Realität vom Zielfoto besonders deutlich abweicht bzw. nach Einschätzung der Teilnehmer die Lücke zwischen Ist- und Soll-Verhalten am größten erscheint. Zur Bearbeitung der Problemfelder können – ebenfalls im Rahmen der Führungskräfteworkshops – Maßnahmen abgeleitet werden, die dann zu Projekten gebündelt werden. So kann gleich nach der Definition der Corporate Values mit der Bearbeitung besonders wichtiger Handlungsfelder begonnen werden. Neben dem Effekt, dass ein Teil der Führungskräfte schon zu diesem frühen Zeitpunkt in den Prozess der Umsetzung miteinbezogen wird, können zudem diese ersten Workshops dazu dienen, die Werte durch die gesammelten konkreten Verhaltensweisen mit Leben zu füllen. Diese
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Operationalisierung kann dann verwendet werden, um die konkrete Umsetzung der Werte zu messen, beispielsweise im Rahmen einer Befragung. Die zweite Welle von Workshops dient primär der Implementierung der Corporate Values. Ist der Prozess Top-down angelegt, so bietet sich auch hier eine über die Leitungsebenen kaskadierende Abfolge von Workshops an, die zunächst die Führungskräfte und schließlich alle Mitarbeiter erfasst. Wesentliches Element der Workshops muss auch hier ein interaktiver Teil sein, in dem für die jeweiligen Werte konkrete individuelle Verhaltensweisen erhoben werden. So werden die abstrakten Corporate Values veranschaulicht und spezifisch für den Alltag jedes Mitarbeiters definiert. Durch diese Konkretisierung und die Beteiligung aller Mitarbeiter kann die Akzeptanz der zu etablierenden Corporate Values deutlich erhöht werden. Entscheidend hierbei ist, das Workshopformat auf unterschiedliche divisionale und regionale Bedürfnisse hin anzupassen und dabei die Bedürfnisse der unterschiedlichen Zielgruppen angemessen zu berücksichtigen. Ein Format für Führungskräfte der Zentrale wird ganz sicher nicht für operative Mitarbeiter in der Produktion geeignet sein. Vorstand als Sponsor und Manager als Treiber Eines der wichtigsten Erfolgskriterien bei der Implementierung von Corporate Values ist Glaubwürdigkeit. Wenn für Mitarbeiter nicht sichtbar wird, dass die Werte insbesondere von der Unternehmensleitung vorgelebt und aktiv vorangetrieben werden, verlieren die Werte an Glaubwürdigkeit. Diese These wird auch von einer kürzlich von Towers Perrin durchgeführten Studie zu den Einflussfaktoren der Gewinnung, Bindung und Motivation von Mitarbeitern bestätigt (Towers Perrin Talent Report 2004). Den Ergebnissen zufolge kommt nicht nur dem Verhalten des direkten Vorgesetzten, sondern gerade auch dem Verhalten der Konzernleitung eine wesentliche Bedeutung für die Mitarbeitermotivation zu. Daher sollte die Implementierung zur „Chefsache“ gemacht werden, um die Wichtigkeit der Einführung zu unterstreichen und für alle beteiligten Mitarbeiter und Führungskräfte sichtbar zu machen. Voraussetzung hierzu ist, dass der Implementierungsprozess von den Führungskräften mitgetragen wird und sie im Rahmen des Prozesses eine aktive Rolle übernehmen. Diese aktive Rolle kann je nach Ebene unterschiedlich angelegt sein: Auf der Ebene des Senior Managements, d.h. der Unternehmensleitung kann dies bedeuten, dass einzelne Manager jeweils die „Schirmherrschaft“ für einen der Werte übernehmen. Auf der Ebene der operativen Führungskräfte bedeutet dies, Workshops zur Umsetzung der Unternehmenswerte mit den Mitarbeitern durchzuführen. Für alle Ebenen gilt vor allem, dass das Vorleben der Werte Führungsaufgabe ist. Entscheidend ist zudem, wie verbindlich die Unternehmenswerte sind, nicht nur im Rahmen der erstmaligen Implementierung. Diese Verbindlichkeit wird über die Verbindung mit HR-Prozessen, wie beispielsweise den jährlichen Performance Management Prozess und anderen Prozessen sichergestellt.
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Fortschritte und kulturelle Veränderung messen Werden Corporate Values in der beschriebenen Form als Ausgangspunkt für die zielgerichtete Veränderung individuellen Verhaltens eingesetzt, kommt der Messung der Umsetzung eine hohe Bedeutung zu. Dauerhaft und nachhaltig wird sich ein solch umfassender Veränderungsprozess nur treiben lassen, wenn klare Erfolgsfaktoren definiert sind, sowie gemessen und verantwortet werden. So endet auch eine Vielzahl von Fachartikeln damit, dass ein begleitender Evaluierungsprozess wichtig ist. Doch nur selten wird dies konsequent genug und von Anfang an getan. Unsere Erfahrung ist, dass gerade bei einem vermeintlich „weichen“ Thema wie Corporate Values, ein zahlen- und faktengetriebener Messprozess unabdingbar ist. Er verhindert, dass lediglich „Anekdoten“ über die Wirkung der Unternehmenswerte entscheiden. Voraussetzung für die Messung der Corporate Values ist ihre Operationalisierung durch konkrete Verhaltensweisen. Eine Messung dieser Verhaltensweisen ermöglicht es, fundiert Problemfelder mit besonders hohem Handlungsbedarf zu identifizieren. Methodisch empfiehlt es sich, vor der unternehmensweiten Einführung der Corporate Values eine erste Erhebung durchzuführen, die den Status quo der Corporate Values festhält. Die Ermittlung einer „Baseline“ (Ausgangspunkt) ist entscheidend, um die Ausprägung der Werte zu diesem Zeitpunkt zu messen und über die Zeit vergleichen zu können (dies betrifft die Einführungsphase genauso wie die Folgejahre). Die Messergebnisse sind eine wichtige Information zur Steuerung des Implementierungsprozesses: Es wird deutlich, wo noch nachgesteuert werden muss und wo sich bereits erste Erfolge zeigen. Es empfiehlt sich zumindest während des gesamten Zeitraumes der Implementierung der Corporate Values aber auch darüber hinaus regelmäßig eine Evaluation (idealiter jährlich) durchzuführen. Grundlage für den Messprozess sollte ein standardisierter Fragebogen bilden, der numerisch auswertbar ist. Ganz zentral für die Qualität des Messprozesses ist eine saubere Formulierung der einzelnen Fragen. Hierbei ist ein Spagat zu bewältigen zwischen Länge des Fragebogens und einer präzisen umfassenden Darstellung aller Aspekte der Corporate Values. Wichtig ist, dass auf Grundlage der Befragung wichtige, möglichst konkrete Handlungsfelder identifiziert werden können. Es ist zu empfehlen, den Fragebogen vorab an kleinen Stichproben zu testen, um die Qualität sicherzustellen. Schließlich sollte der gleiche Fragebogen auch in den Folgejahren verwendet werden, um die Veränderung im Zeitablauf valide und zuverlässig erfassen zu können. Die geschlossenen Fragen des standardisierten Fragebogens ermöglichen eine quantitative Auswertung. Diese lassen wenig Spielraum bei der Interpretation zu und ermöglichen v. a. den exakten Vergleich verschiedener Verhaltensweisen, verschiedener Stichproben und verschiedener Jahre. Bei einer Erhebung im internationalen Kontext sind zusätzliche Aspekte zu berücksichtigen, wie beispielsweise die sinngemäße Übersetzung der Fragen (eine „wortwörtliche“ Übersetzung trifft mitunter nicht den eigentlichen Inhalt) oder die Benennung der einzelnen Skalenpunkte. Es empfiehlt sich, diese quantitativen Daten durch qualitative Informationen zu ergänzen, um die Interpretation der Ergebnisse auf eine breitere
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Basis stellen zu können. Diese Erhebung qualitativer Informationen kann im Rahmen des Fragebogens durch die Verwendung offener Fragen erfolgen. Die qualitativen Ergebnisse werden dann mit Hilfe von Inhaltsanalysen ausgewertet. Auch vereinzelte Feedback-Workshops, in denen die Gründe für das gute bzw. schlechte Abschneiden einiger Values mit den Teilnehmern diskutiert werden, bilden eine sinnvolle, wenn auch aufwändige Ergänzung zum Fragebogen. Grundsätzlich halten wir qualitative Daten für äußerst nützliche Informationen, die helfen, die Umsetzung der Werte beurteilen zu können. Die Auswertung der quantitativen Ergebnisse kann in den meisten Unternehmen sehr komplex werden, da der Vergleich vieler Stichproben möglich und auch nötig ist. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Daten sich z. T. erheblich zwischen verschiedenen Divisionen, Unternehmensbereichen und auch Regionen unterscheiden. Erst durch die detaillierte Betrachtung der Daten können die Ergebnisse auf Konzernebene verstanden und interpretiert werden. So kann z. B. das schlechte Abschneiden eines der Corporate Values nur durch die Ergebnisse einer Division bestimmt sein. Umso wichtiger ist es, bereits bei dem Design der Befragung das Auswertungs- und Interpretationsschema anzulegen. Hierzu müssen Entscheidungen über die unterschiedlichen Aggregationsebenen der Daten bis hin zur Darstellung der statistischen Parameter, z. B. der Standardabweichung als Maß für die Streuung der Bewertungen, getroffen werden. Die oberste Aggregationsebene würde die Auswertung der Daten auf Konzernebene darstellen. Die weiteren Aggregationsebenen sollten die immer detaillierteren Ebenen widerspiegeln. Zum Beispiel könnte die zweite Aggregationsebene die Darstellung der Ergebnisse auf Divisonsebene sein. Dies ist nicht nur wichtig, weil die Konzerndaten erst so interpretierbar werden, sondern auch weil die detaillierten Ergebnisse gerne von den jeweiligen Führungskräften genutzt werden. Diese differenzierte Sicht ermöglicht eine deutlich effizientere Implementierung, da sehr gezielt an den Problemfeldern angesetzt werden kann und nicht per „Gießkannenprinzip“ implementiert wird. Über einen Corporate Values Fragebogen hinaus empfiehlt es sich auch, die im Unternehmen bereits vorhandenen Befragungen auf geeignete Fragen zu untersuchen und evtl. deren Daten zu nutzen. Dies ist gerade dann besonders interessant, wenn Daten zur externen Sichtweise, z. B. Kundenperspektive einbezogen werden sollen. So können zumindest zu einigen Werten, die auch aus Sicht der Kunden erfasst werden können, wie z. B. Qualität, die interne und externe Sichtweise gegenüber gestellt werden. Methodisch ist diese Zweitauswertung bestehender Untersuchungen sehr komplex, da Ergebnisse verschiedener Fragebögen aggregiert werden müssen. Ein Rückgriff auf statistische Methoden, wie z. B. die Faktorenoder Clusteranalyse ist hier anzuraten, um die „richtigen“ Fragen zu selektieren. Die Ergebnisse der statistischen Verfahren sollten aber natürlich zusätzlich auf inhaltliche Plausibilität geprüft werden. Diese Zweitauswertung bestehender Fragebögen sollte eigentlich eine zusätzliche Information zur reinen Corporate Values Befragung darstellen, da eine solche Messung anhand existierender Befragungen die Corporate Values meist nicht ausreichend inhaltlich abdeckt. Sie kann aber
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auch eine kostengünstige Alternative darstellen, falls keine eigene Corporate Values-Befragung durchführbar ist. Eine kontinuierliche Messung ist aber nicht nur zur Qualitätssicherung des Implementierungsprozesses wichtig. Sie transportiert zudem zwei deutliche Signale aus Sicht der Unternehmensleitung: Ɣ Ɣ
Corporate Values werden nicht nur „verkündet“, sondern in ihrer tatsächlichen Anwendung gemessen und nachgehalten. Die Implementierung der Corporate Values sind keine „Einmalveranstaltung“, sondern ein auf Nachhaltigkeit angelegter Veränderungsprozess über mehrere Jahre.
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Strategisches Kompetenzmanagement
2.1
Der Kompetenzbegriff
Die Vielzahl der in Wissenschaft und Praxis verwendeten Kompetenzbegriffe zeigt, dass keineswegs Einvernehmen darüber herrscht, was darunter zu verstehen ist. „In einem allgemeinen Sinn versteht man unter Kompetenz ein messbares Muster an Wissen, Fähigkeiten, Motivation, Interesse, Fertigkeiten, Verhaltensweisen und anderen Merkmalen, die eine Person für die erfolgreiche Bewältigung ihrer Aufgabe benötigt“ (C. Schmidt-Rathjens und K. Sonntag, 2004). Das Begriffsverständnis, das sich in den Verhaltenswissenschaften herausgebildet hat, stellt das Prinzip der Selbstorganisation in den Vordergrund und ist insbesondere auf die erfolgreiche Aufgabenbewältigung ausgerichtet. Die Nutzung des Begriffes im Rahmen wirtschaftswissenschaftlicher Zusammenhänge geht insbesondere auf McCelland (1973) und Boyzatis (1982) zurück, die sich mit der Beobachtbarkeit und Messbarkeit von Kompetenzen auseinandersetzten und damit die Relevanz für den Unternehmenskontext aufzeigten. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Abgrenzung zum Begriff der Qualifikation. Während die Qualifikation auf den Erwerb von Wissen und Fertigkeiten, die eine bestimmte Aufgabe erfordert, abzielt, geht es bei der Kompetenz in erster Linie um die Selbstorganisation im Umgang mit komplexen, unbestimmten und unvorhergesehenen Situationen (L. von Rosenstiel, 2004). Eine andere Definition, die diesen praxisorientierten Ansatz unterstützt und ein ähnliches Verständnis vom Kompetenzbegriff ausdrückt, ist z. B. die Definition von Machwirth: „Kompetenzen sind beobachtbar, beurteilbar und entwicklungsfähig.“ (U. Machwirt, 2003), d.h. Mitarbeiter werden nicht nur am gezeigten Verhalten, sondern anhand ihrer entwicklungsfähigen Potenziale beurteilt.
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Gemeinsam ist den meisten Definitionen die Beobachtbarkeit und Messbarkeit und damit die Anwendbarkeit im Unternehmenskontext. Auf diesem Aspekt basiert auch die von Towers Perrin verwendete, praxisorientierte Definition von Kompetenz (hier gleichgesetzt mit dem englischen Competencies). Towers Perrin definiert Kompetenzen als eine Kombination aus gezeigtem Verhalten, eingesetzten Fähigkeiten und angewandtem Wissen. Sie sind für die Erreichung der Unternehmensziele, die Verbesserung der individuellen Performance und die Umsetzung der Unternehmenswerte gleichermaßen wichtig (Abbildung 3). Sie müssen beobachtbar, entwickelbar und messbar sein. Diese pragmatisch geprägte Definition hat sich in der Unternehmenspraxis bewährt. Kompetenzen müssen immer unternehmensspezifisch sein, was sich schon durch die Verknüpfung der Unternehmensziele mit den Corporate Values ergibt. Diese Notwendigkeit wird am Beispiel der Kompetenzen für Führungskräfte besonders deutlich: Das Kompetenzmodell beschreibt das gemeinsame Verständnis in einem Unternehmen darüber, was gute Führung ausmacht. Dieses Verständnis hängt weniger von akademischen Modellen zur Führung sondern vorrangig von der unternehmensspezifischen Kultur und den Unternehmenszielen ab. Neben der inhaltlichen Definition ist die Formulierung der Kompetenzen ein entscheidender Erfolgsfaktor. Das Kompetenzmodell ist in erster Linie ein Instrument für Führungskräfte und muss dementsprechend ihre Sprache widerspiegeln. So finden sich Begriffe wie „Methodische Kompetenz“ in den aktuellen Kompetenzmodellen inzwischen eher selten; vielmehr werden Kompetenzen so beschrieben, dass sie einen direkten Bezug zum Tagesgeschäft der Führungskräfte aufweisen, z. B. „Komplexe Prozesse erfolgreich steuern“. Entscheidend für die Akzeptanz des Kompetenzmodells bei Führungskräften ist darüber hinaus seine Handhabbarkeit, die weitestgehend von der Komplexität des Modells abhängt. Hier gilt häufig: Weniger ist mehr. Acht bis zehn Kompetenzen mit den jeweiligen Beschreibungen sind erfahrungsgemäß ausreichend für ein Kompetenzmodell für Führungskräfte.
Corporate Values und strategisches Kompetenzmanagement
Prozess
… sind wichtig für:
… können sein:
die Erreichung der
für alle
Funktionen gültig
Unternehmensziele die individuellen
Leistungsbeiträge die Umsetzung der Unternehmenswerte
Unternehmensstrategie
K O M P E T E N ZE N
Struktur
MENSCHEN
Werttreiber KULTUR
Technologie
… sind: eine Kombination
157
für bestimmte
Funktionen/ Bereiche gültig
KOMPETENZEN
aus gezeigtem Verhalten, eingesetzten Fähigkeiten und angewandtem Wissen
… müssen sein: beobachtbar entwickelbar messbar
… sind keine: Persönlichkeits-
merkmale Charakter-
eigenschaften Motive
Abb. 3. Kompetenzen im Überblick
2.2
Das Kompetenzmodell als Grundlage zentraler HR-Prozesse: Funktionsbewertung und Talent Management
Das Kompetenzmodell ist die Grundlage einer Vielzahl von HR-Prozessen, wobei im Folgenden kurz auf die wichtigsten Anwendungsfelder – Talent Management und Funktionsbewertung (Grading) – eingegangen werden soll.
Potenzialanalyse Vergütungsmanagement
Nachfolgeplanung
DER KERN: KOMPETENZMODELL Performance Management
Talent Pools
Grading
Abb. 4. Das Kompetenzmodell als Grundlage der HR-Anwendungen
158
Joachim Kayser, Harriet Sebald und Jörg H. Stolzenburg
Mit Hilfe einer Funktionsbewertung werden Funktionen anhand bestimmter Kriterien bewertet und zueinander in Relation gesetzt. Klassischerweise sind die Ergebnisse einer Funktionsbewertung mit Vergütungsinstrumenten verknüpft. Oft wird bestimmten internen Wertigkeitsgruppen eine externe „Wertigkeit“ über marktbezogene Gehaltsbänder zugeordnet oder sie werden mit zielgruppenspezifischen Vergütungskomponenten wie Bonusplänen, Long-Term Incentives oder Nebenleistungspaketen ausgestattet. Zunehmend werden die Ergebnisse der Funktionsbewertung aber auch mit anderen, entwicklungsorientierten Instrumenten verknüpft, wie beispielsweise mit Karrierepfaden. Bei der Auswahl des „richtigen“ Funktionsbewertungsmodells ist die gewünschte Anwendung der Ergebnisse maßgeblich. Dabei gilt: Je stärker die Ergebnisse mit dem Thema Entwicklung verknüpft werden sollen, desto eher müssen Kompetenzen (im Gegensatz zu klassischen analytischen eher aufbauorganisatorischen Bewertungsfaktoren) für die Bewertung herangezogen werden. Besondere Bedeutung hat das Kompetenzmodell für den Talent-ManagementProzess. Unter dem Begriff Talent-Management-Prozess werden alle HRInstrumente subsumiert, die sicherstellen, dass in Unternehmen die richtigen Mitarbeiter mit den richtigen Fähigkeiten am richtigen Ort zur richtigen Zeit die richtigen Ergebnisse produzieren. Der Talent-Management-Prozess gliedert sich in vier Phasen: Gewinnen, Identifizieren, Entwickeln und Einsetzen von Talenten. Die Motivation, die eigene Leistung zu steigern und im Unternehmen zu bleiben, runden den Talent-Management-Prozess ab. (Abbildung 5).
Abb. 5. Talent Management Das Kompetenzmodell kommt in jeder der Phasen in unterschiedlicher Intensität zum Einsatz. Die vielfältigen mit dem Talent-Management-Prozess verknüpften HR-Instrumente werden anhand der Kompetenzen an der Unternehmensstrategie ausgerichtet:
Corporate Values und strategisches Kompetenzmanagement
Ɣ
Ɣ
Ɣ Ɣ Ɣ
2.3
159
Talente gewinnen: Idealiter erfolgt die Auswahl externer Bewerber bereits anhand von Kompetenzen, die beispielsweise als Beobachtungskriterien im Assessment Center oder als Grundlage eines Interviewleitfadens eingesetzt werden. Talente identifizieren: Die Frage, wer im Unternehmen als Talent oder High Potential gilt, wird über die unternehmensspezifische Definition von Talent bzw. High Potential beantwortet. Ein wesentliches Element dieser Definition ist üblicherweise das Verhalten gemessen an den Kompetenzen. Weitere Elemente sind beispielsweise, inwieweit die Unternehmenswerte gelebt werden, individuelle Zielerreichung als Performanceindikator oder Mobilität. Talente entwickeln: Häufig wird anhand der Kompetenzbeurteilung ein individueller Entwicklungsbedarf erhoben. Entsprechend müssen sich Entwicklungsmaßnahmen inhaltlich an einer oder mehreren Kompetenzen orientieren. Talente einsetzen: Ob die Besetzung einer Funktion erfolgreich ist, hängt u. a. davon ab, inwieweit das individuelle Kompetenzprofil mit den Kompetenzanforderungen der Funktion übereinstimmt. Talente motivieren und binden: Ausschlaggebend für die Motivation von Talenten sind ihre Entwicklungsperspektiven und wie strukturiert und nachvollziehbar Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen aufgezeigt werden. Das Kompetenzmodell dient hier als „Leitplanke“ für individuelle Entwicklung. Natürlich kommt zur Motivation und Bindung auch eine Vielzahl anderer HR-Instrumente zum Einsatz. Durch die verstärkte Integration verschiedener Entwicklungs- und Vergütungsprozesse setzen Unternehmen zunehmend Bindungsinstrumente differenziert nach Performance-Beurteilung und Potenzialeinschätzung ein. Gerade bei langfristig wirkenden Vergütungselementen wie z. B. aktienbasierten Long-Term Incentives, ist im Markt ein solcher Trend feststellbar. Kompetenzmodelle entwickeln und anwenden
Bei der Entwicklung eines Kompetenzmodells sind grundsätzlich drei Schritte zu beachten, die zum Teil parallel bearbeitet werden können. Ɣ Ɣ
Ɣ
Entwicklung des Kompetenzmodells: Wie soll das Modell aufgebaut sein (z. B. Anzahl der Abstufungen) und welche Inhalte soll es abbilden? Entwicklung der Kompetenzanwendungen: Mit welchen HR-Instrumenten soll das Kompetenzmodell verknüpft sein und wie genau sieht die Verknüpfung aus (z. B. Kompetenzbeurteilung als Teil des jährlichen Performance Management Prozesses)? Erarbeiten des Implementierungsfahrplans: Wie und wann sollen Kompetenzen eingeführt werden?
160
Joachim Kayser, Harriet Sebald und Jörg H. Stolzenburg
ANALYSE
DESIGN
VALIDIERUNG
TESTEN
I Entwickeln des Kompetenzmodells, inklusive Abstufungen
II Entwickeln der Kompetenzanwendungen, z. B. Leistungsbeurteilung, Potenzialanalyse etc.
III Erarbeiten des Implementierungsfahrplans (inklusive Kommunikation)
Abb. 6. Prozess von der Entwicklung der Kompetenzen bis zur Implementierung
Bei der Entwicklung des Kompetenzmodells wird in einem ersten Schritt die Architektur, z. B. die Anzahl der Abstufungen pro Kompetenz definiert. Grundsätzlich lässt sich hier zwischen sog. eindimensionalen und mehrdimensionalen Modellen unterscheiden. Bei den eindimensionalen Modellen wird die Kompetenz, mit einer Reihe von Verhaltensankern beschrieben (z. B. für „Teamarbeit“: „Fördert Konsens zwischen Teammitgliedern“). Bei diesem Vorgehen wird zwar „Teamarbeit“ operationalisiert, es besteht jedoch keine Möglichkeit, unterschiedliche Anforderungsniveaus zu unterscheiden. Bei einem mehrdimensionalen Modell werden hingegen für jede Kompetenz kumulative Ebenen beschrieben, um unterschiedliche Anforderungsniveaus abzubilden. Das bedeutet, auf hohen Kompetenzstufen schließen die Kompetenzausprägungen auch automatisch die Ausprägungen niedriger Stufen ein und beinhalten darüber hinaus zusätzliche Kompetenzausprägungen. „Teamarbeit“ wird also beispielsweise auf unterschiedlichen Ebenen aufeinander aufbauend operationalisiert und beschrieben. Für welches der Modelle man sich entscheidet, ist zum einem abhängig von der Zielgruppe, denn je mehr Führungs- und Mitarbeiterebenen abgedeckt werden, desto stärker differenzierend muss das Modell sein. Zum anderen ist aber auch die geplante Verknüpfung mit HR-Instrumenten zu berücksichtigen. So muss zum Beispiel ein Kompetenzmodell, das der Funktionsbewertung dient, stark differenzieren. In einem zweiten Schritt werden die Inhalte des Modells erarbeitet. Hier ist es unabdingbar, die Führungskräfte mit einzubeziehen. Insbesondere Interviews haben sich bei diesem Schritt gut bewährt. Bei der Planung der Interviews ist zu beachten, dass alle Führungsebenen und Unternehmensbereiche angemessen repräsen-
Corporate Values und strategisches Kompetenzmanagement
161
tiert sind. Im Rahmen der Interviews werden zunächst die Strategie, der aktuelle Geschäftskontext, wichtige Kernprozesse und zukünftige Herausforderungen herausgearbeitet Auf diesen Ergebnissen aufbauend werden dann die Anforderungen an Führungskräfte abgeleitet. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass nicht nur der Status quo erhoben wird, sondern auch zukünftige Anforderungen im Kompetenzmodell abgebildet werden. Bei Erhebung der Inhalte fließen also ganz unterschiedliche Quellen ein (Abbildung 7). Unternehmensstrategie und -ziele, Corporate Values
Internal und external best practice
Kernprozesse
KOMPETENZMODELL
Individuelle und kollektive Anforderungen
Werttreiber und Erfolgsfaktoren
Abb. 7. Quellen des Kompetenzmodells
Auf dieser Datenbasis wird ein Erstentwurf bzw. das Design des Modells erstellt, der mit Führungskräften validiert werden muss. Zur Validierung haben sich Workshops bewährt, die testen, inwieweit die Sprache von den Führungskräften verstanden wird, wie trennscharf die Formulierungen sind, wie gut sich das Modell zur Beurteilung von Mitarbeitern eignet, etc. Es empfiehlt sich, das Modell im internationalen Kontext zu validieren, also Validierungsworkshops in unterschiedlichen Ländern und Regionen durchzuführen, um die internationale Einsetzbarkeit sicherzustellen. Am Ende dieses Prozesses steht das fertige Kompetenzmodell, in dem häufig einzelne Kompetenzen nochmals zu Überbegriffen zusammengefasst werden. So werden dem Bereich „Customers and Markets“ beispielsweise die Kompetenzen „Reinforcing customer focus and managing relationships“ und „Understanding the business and the market“ zugeordnet. Das Kompetenzmodell kann in ersten Pilotanwendungen getestet werden. Während des Entwicklungsprozesses kann schon parallel mit der Erarbeitung der zugehörigen Anwendungen begonnen werden. Zum Beispiel können die Kompetenzen auch als Grundlage der Mitarbeiterbeurteilung oder als Bestandteil des Performance Management Prozesses dienen. Kompetenzen als Bestandteil des Per-
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formance Managements beschreiben das „Wie“ der individuellen Leistung, die Zielerreichung dagegen das „Was“ der individuellen Leistung. Zusammen bilden beide Dimensionen die Grundlage für die Bewertung der Performance. Kompetenzen sind das gemeinsame Verständnis, was gutes Leadership ist
WAS ZIELE UND ERGEBNISSE
WIE KOMPETENZEN
+ Welche Ziele müssen wir erreichen, um die Unternehmensstrategie erfolgreich umzusetzen?
=
BUSINESS PERFORMANCE
Welches Verhalten müssen wir zeigen, um die Unternehmensstrategie erfolgreich umzusetzen?
Abb. 8. Kompetenzen und Performance
Zur Erarbeitung der Anwendungen gehört auch das Abstimmen verschiedener Designfragen. Eine solche Designfrage beim Performance Management ist z. B. die Ausgestaltung der Bewertungsskala. Oft konzentriert sich die Debatte auf die Anzahl der Skalenstufen. Ob nun 4, 5 oder 7 Stufen verwendet werden, ist häufig nicht entscheidend, solange die Skala eine ausreichende Differenzierung erlaubt. Von zentraler Bedeutung ist hingegen, dass die Differenzierungsmöglichkeit, die die Skala bietet, auch von den Führungskräften genutzt wird. Diese häufig fehlende Differenzierung wird auch durch eine Towers Perrin Studie belegt (Towers Perrin 2004 European Annual Incentive Plan Design Survey). Vielfach werden Differenzierungen nicht vorgenommen und insbesondere Zielerreichungsgrade ballen sich häufig rechts der 100 Prozent Marke. Um eine möglichst hohe tatsächliche Differenzierung der Beurteilung sicherzustellen, ist es daher wichtig, schon in der Entwicklungsphase eng mit den Führungskräften zusammenzuarbeiten. Auch die Implementierung des Modells sollte zu diesem Zeitpunkt bereits parallel angedacht werden. Hierzu werden zunächst die verschiedenen Zielgruppen für die Implementierung identifiziert, also beispielsweise HR, oder die Führungskräfte. Für jede der verschiedenen Zielgruppen wird dann entschieden, ob nur informiert oder qualifiziert und überzeugt werden muss. Je nach gewünschtem Ergebnis werden dann die Kommunikations- und Qualifikationsmaßnahmen geplant. So müssen einige Gruppen z. B. nur informiert, andere hingegen qualifiziert werden. Aus unserer Beratungserfahrung sind drei Faktoren kritisch für den Erfolg der strategischen Kompetenzentwicklung:
Corporate Values und strategisches Kompetenzmanagement
163
Integration: Ein wichtiger Erfolgsfaktor der strategischen Kompetenzentwicklung ist die Integration der unterschiedlichen, vorliegenden Instrumente über das Kompetenzmodell. In vielen Unternehmen zeigt sich die Herausforderung nicht einzelne Instrumente weiter zu optimieren, sondern bestehende, teils exzellente Insellösungen zu integrieren. Letztlich hängt die Effizienz der HR-Programme von der Akzeptanz der anwendenden Führungskräfte ab und dort fehlt das Verständnis für nicht integrierte und nicht effiziente Prozesse – zu Recht! Beispielhaft sei dies am Performance Management Prozess illustriert (Abbildung 9). Häufig geht die Bewertung des „Was“ der Performance mit der Bewertung des „Wie“ auf der Grundlage des Kompetenzmodells einher. Während zu Beginn des Beurteilungszeitraums Ziele vereinbart werden, wird gleichzeitig geklärt, welche Kompetenzen bei der entsprechenden Funktion erwartet werden. Im zweiten Schritt wird neben dem Zwischenstand zur Zielerreichung und eventueller Nachsteuerung auch Feedback zu den Kompetenzen gegeben. Am Ende des Beurteilungszeitraums wird der Zielerreichungsgrad sowie die Leistung in Bezug auf die Kompetenzen beurteilt. Hieraus leiten sich Maßnahmen ab, wie z. B. die Zielerreichung und damit oft die Bonuszahlung. Auch bildet die Gesamtbeurteilung der Performance eine Grundlage für die Entscheidung über eine mögliche Beförderung. So wird die enge Verzahnung zwischen dem Performance Management Prozess und dem Talent-Management-Prozess deutlich. Das „WAS“ entsprechende Maßnahmen einleiten
Honorieren – konsequent und
– anspruchsvoll und realistisch
transparent
Leistung in Bezug auf die erwar-
teten Kompetenzen beurteilen und entsprechende Maßnahmen einleiten
Ziele vereinbaren: Welche aus
Fordern
3
Das „WIE“
Das „WAS“
1
Zielerreichungsgrad beurteilen und
der Unternehmensstrategie abgeleiteten Ziele müssen von der Funktion erreicht werden? Das „WIE“
PERFORMANCE
Kompetenzen klären: Welche
Erwartungen werden an die Rolle/Funktion gestellt?
ching
Coa Fördern – fortlaufend und Das „WAS“
2
nachhaltig
Den Zwischenstand der
Zielerreichung klären und evtl. Verbesserungsmaßnahmen vereinbaren Das „WIE“ Feedback zu den Kompetenzen
Abb. 9. Verzahnung von HR-Prozessen durch Bewertung des „Was“ und des „Wie“
Sprache: Ein weiterer Erfolgsfaktor des Kompetenzmodells ist, dass es die Sprache des Unternehmens und die Sprache der Führungskräfte reflektiert. Die Qualität
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des Kompetenzmodells hängt letztlich vor allem davon ab, wie gut das Modell durch die Führungskräfte anwendbar ist. Ist die Sprache nicht transparent oder nicht eindeutig, kann es hier zu Problemen kommen, die sich darin äußern, dass das Modell nicht akzeptiert wird oder nicht unternehmensweit einheitlich angewendet wird. HR-Programme müssen die Sprache des Unternehmens und der Führungskräfte sprechen; die Führungskräfte sollten nicht erst eine neue Sprache erlernen müssen. Dieser Punkt hängt eng mit dem nächsten Erfolgsfaktor zusammen. Einbindung: Die frühzeitige Einbindung der Führungskräfte bereits bei der Entwicklung des Modells ist ausschlaggebend für den Erfolg bei der Implementierung. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Modell von den Führungskräften akzeptiert und v. a. leicht anzuwenden ist. Mangelnde Einbindung bei der Entwicklung kann unserer Erfahrung nach später nicht mehr kompensiert werden. Zu beachten ist, dass neben den Führungskräften auch dezentrale/regionale HR-Einheiten oder auch der Betriebsrat eingebunden werden. All diese Erfolgsfaktoren entscheiden über die Handhabbarkeit des Modells und nur davon hängt letztlich der nachhaltige Erfolg ab.
3
Corporate Values und Kompetenzen erfolgreich verknüpfen
3.1
Verankerung in den Kompetenzen
Die Verankerung der Corporate Values in den Kompetenzen ist der entscheidende erste Schritt, um die erfolgreiche Einführung der Corporate Values mit Hilfe von HR-Prozessen im Unternehmen sicherzustellen. Die Kompetenzen stellen dadurch eine Operationalisierung der Werte für bestimmte Zielgruppen, beispielsweise Führungskräfte dar. Werden die Values im Kompetenzmodell abgebildet, finden sie „automatisch“ Eingang in die damit verknüpften HR-Instrumente und damit in den Talent-Management-Prozess. Existiert ein Kompetenzmodell, bevor die Corporate Values im Unternehmen entwickelt und verankert werden – was in der Unternehmensrealität häufig der Fall ist – werden die Kompetenzen im Nachgang an die Corporate Values angepasst. Hierzu sollte zunächst ein Abgleich der Kompetenzen mit den Corporate Values erfolgen, um festzustellen, wo sich die Values bereits widerspiegeln, wo sie noch stärker Berücksichtigung finden müssen bzw. welche Corporate Values fehlen oder inhaltlich widersprüchlich in den Kompetenzen abgebildet sind. Die Anpassung sollte im Mindesten auf der Ebene der Verhaltensindikatoren geschehen, die grundlegende Struktur des Modells sollte nach Möglichkeit davon unberührt bleiben, um die bisher erzielte Akzeptanz des Kompetenzmodells im Unternehmen nicht zu gefährden. Ist eine Anpassung des gesamten Modells (also
Corporate Values und strategisches Kompetenzmanagement
165
Struktur, Überschriften und Indikatoren) dennoch nötig, so sollte ein erneuter Validierungsprozess, z. B. mit Hilfe von Workshops mit Führungskräften, durchgeführt werden. Entsprechend muss dann auch das finale, angepasste Kompetenzmodell in seiner nunmehrigen Verknüpfung mit den Corporate Values ausreichend kommuniziert werden. Liegen die Corporate Values zuerst vor, wird das Kompetenzmodell u. a. daraus abgeleitet und trägt damit zur Übersetzung der abstrakten Values in konkretes Verhalten bei. Es bleibt anzumerken, dass in der Unternehmenspraxis die Schwierigkeit auftritt, alle Corporate Values mit all ihren inhaltlichen Aspekten durch das Kompetenzmodell abzudecken. Tendenziell erscheint die Verankerung der leistungsorientierten Werte einfacher als die der moralischen Werte. Der Grund dafür liegt in der Ableitung der Kompetenzen aus der Unternehmensstrategie, die im Allgemeinen die Erfüllung des Geschäftsziels in den Vordergrund stellt, so dass leistungsorientierte Corporate Values stärkere Berücksichtigung finden. Eine weitere Ursache liegt aber auch in der Schwierigkeit der Messung – oder Abstufung – derjenigen Kompetenzen, die moralisches Verhalten widerspiegeln. 3.2
Wechselwirkung zwischen Corporate Values und Kompetenzen
Sind die Corporate Values konsequent in den Kompetenzen abgebildet, ist in der Unternehmenspraxis eine sich wechselseitig verstärkende Wirkung festzustellen. Die Corporate Values sind die „Leitplanken“ des Unternehmens (damit auch für ein erfolgreiches strategisches Kompetenzmanagement) – die Kompetenzen sind die auf die Führungskräfte und Mitarbeiter in den HR-Prozessen direkt einwirkenden Verhaltensanweisungen und Orientierungen, die helfen, die Corporate Values zum Leben zu bringen. Diese gewollte erfolgreiche Wechselwirkung muss im Unternehmen durch zwei Maßnahmen flankiert werden: Ɣ
Ɣ
Ein Kommunikationskonzept zeigt den Führungskräften und Mitarbeitern die „Roadmap“ einer erfolgreichen Umsetzung der Unternehmensziele durch eine sich gegenseitig verstärkende Wechselwirkung zwischen Corporate Values und Kompetenzen auf. Ein auf diesen beiden Grundlagen ruhendes HRBranding betont und verdeutlicht den Beitrag, den HR-Prozesse und insbesondere die Kompetenzen leisten. Dabei sind die Unternehmen erfolgreicher, denen es gelingt die Wechselwirkung einer Verknüpfung der Corporate Values mit den Kompetenzen in ihrem Kommunikationskonzept mit Praxisbeispielen und Erfolgsgeschichten in den internen Medien zu verdeutlichen. Eine einzelne HR-Branding Broschüre kann das nicht leisten, wohl aber eine über längere Zeit angelegte Kommunikationskampagne. Entscheidende HR-Prozesse wie Zielvereinbarungen, Beurteilungen oder Rekrutierung, sind ein wichtiger und erkennbarer Baustein der Umsetzung von Corporate Values. Unternehmen mit gelebten Corporate Values weisen
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bei allen entscheidenden HR-Prozessen auf die Verknüpfung mit den Corporate Values hin.
4
Ausblick
Wenn heute festgestellt werden kann, dass der „weiche“ Faktor Corporate Values eine Renaissance in der „harten“ Unternehmensrealität erlebt, dann ist das offensichtlich kein Aufflackern eines erneuten „nice to have“, sondern basiert auf nüchternem betriebswirtschaftlichem Kalkül. Corporate Values und ihre konkrete Ausgestaltung und Handlungsanweisung, beispielsweise in einem Code of Conduct oder Code of Ethics, sind heute ein unabdingbares Risikomanagement Instrument. Corporate Values und ihre Verankerung in den HR-Prozessen durch Kompetenzen sichern Orientierung und Fokussierung bei Mitarbeitern und Führungskräften auf eine erfolgreiche Umsetzung der Unternehmensziele. Die Renaissance der Corporate Values ist die nüchterne und realistische Erfahrung der Unternehmen, dass etwas fehlt, um den heutigen Anforderungen des wirtschaftlichen Umfeldes gerecht zu werden: Ɣ Ɣ Ɣ
Ein global aufgestelltes Unternehmen benötigt eine verbindende Klammer, die über alle Divisionen und Länder Gültigkeit hat und dabei gleichzeitig regionale Kulturen berücksichtigt. Die sich sowohl aus internen Anforderungen als auch dem gesellschaftlichen Umfeld ergebenden Risiken erfordern Orientierungshilfen und Handlungsanweisungen, um potenziellen Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Die knapper werdende Ressource von Talenten und High Potentials, aber auch die sich in ständiger Veränderung befindlichen Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter erfordern neue Kompetenzen und Fähigkeiten. Diese Ressourcen zu managen und an das Unternehmen zu binden – in Verbindung mit den Corporate Values – sind Herausforderungen, der sich Unternehmen stellen müssen.
Mit der Entwicklung von Corporate Values und einem entsprechenden Kompetenzmanagement schließen Unternehmen die angesprochene Lücke – nicht als Insellösungen im Baukasten der HR-Abteilungen, sondern als Business Case der Unternehmensleitung. Es geht um die Operationalisierung der Unternehmensziele und die Sicherstellung ihrer Umsetzung. Corporate Values und Kompetenzmanagement sollen hierzu ihren Beitrag leisten. Um dies schaffen zu können, müssen die folgenden vier Vorraussetzungen erfüllt sein: Ɣ Ɣ
Die Corporate Values werden von der Unternehmensleitung nachhaltig unterstützt. Corporate Values und Kompetenzmanagement sind aufeinander abgestimmt und können damit ihre sich verstärkende Wechselwirkung zur Geltung bringen.
Corporate Values und strategisches Kompetenzmanagement
Ɣ
Ɣ
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Die Verankerung der Corporate Values in den HR-Prozessen generiert ein HR-Branding als differenzierenden Wettbewerbsfaktor und wird durch ein begleitendes Kommunikationskonzept untermauert. Es muss aber betont werden, dass die Verknüpfung mit HR-Prozessen für eine nachhaltige Umsetzung der Werte nicht ausreichen wird. Hier müssen zusätzlich Instrumente wie ein Code of Conduct u. ä. zum Einsatz kommen Die Führungskräfte müssen Corporate Values verstehen, vorleben und weiter umsetzen. Corporate Values Initiativen werden häufig von der HR-Funktion begleitet, sie stellen aber kein HR-Instrument im engeren Sinne dar. Die entscheidende Rolle kommt Führungskräften und dem Top Management zu. Nur wenn sie die Werte durch eigenes Verhalten vorleben und immer wieder deutlich machen, welche Bedeutung die Werte für den Erfolg des Unternehmens und den Erfolg jedes Einzelnen haben, werden die Werte gelebter Teil der Unternehmenskultur und können ihren intendierten betriebswirtschaftlichen Effekt erzielen.
Damit sind die Corporate Values und das verknüpfte Kompetenzmanagement ein „harter“ Faktor für den Unternehmenserfolg.
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10
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der RAG
Ulrich Weber Einleitung Der RAG-Konzern erlebt seit 2003 den umfassendsten Wandel in der Unternehmensgeschichte. Ausgehend von einer neuen Konzernstrategie wurden sämtliche Aktivitäten auf den Prüfstand gestellt und der Konzern in all seinen Teilen systematisch umgebaut. Höhepunkt dieses Wandels soll der Börsengang des Konzerns im Jahr 2007 sein. Der rasante Veränderungsprozess spiegelt sich auch in der Personalarbeit des Konzerns wider. Insbesondere in den Bereichen „Unternehmenskultur“ und „Kompetenzmanagement“ war es notwendig, bestehende Systeme zu überarbeiten und an die neuen Herausforderungen anzupassen.
1
Entwicklung der RAG
Die heutige RAG Aktiengesellschaft ist aus der früheren Ruhrkohle AG hervorgegangen, die 1968/69 als Zusammenschluss aller Steinkohlebergwerke an Rhein und Ruhr gegründet worden war. Originärer Auftrag dieses Zusammenschlusses war die Gestaltung des politisch gewollten Anpassungsprozesses bei Förderkapazitäten und Arbeitsplätzen im Bergbau und die aktive Begleitung des Strukturwandels in den Bergbauregionen durch Schaffung neuer, zukunftsfähiger Arbeitsplätze. Damit war die Entwicklung vorgezeichnet, unternehmerische Aktivitäten außerhalb der Steinkohle aufzubauen. In fast 30 Jahren hat sich ein Energie- und Chemiekonzern mit internationaler Ausrichtung entwickelt. Aber auch ein Konzern mit Herausforderungen in struktureller und strategischer Hinsicht. Vor diesem Hintergrund wurde 1998 ein Strategieprozess eingeleitet. Ziel war es, die Struktur des Konzerns deutlich schlanker zu gestalten und sich dabei auf rendite- und wachstumsstarke Kerngeschäftsfelder zu konzentrieren. Diese erste Fokussierung wurde 2001 durch ein Strategie-Programm fortgeschrieben, das diejenigen Geschäftsfelder mit den besten Wachstumschancen innerhalb der Kerngeschäfte stärkte.
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Ulrich Weber
Die Veräußerung der Beteiligung an der Ruhrgas AG brachte die strategische Neuausrichtung entscheidend voran. Aus dem Veräußerungserlös erwarb RAG Anteile der Degussa AG und stärkte damit die Chemiesäule im Konzern nachhaltig. Die Entscheidung für die Übernahme der mehrheitlichen Anteile an der Degussa AG markiert den Beginn der umfassendsten und tiefgreifendsten Phase der Neuausrichtung des RAG-Konzerns. Für diese Phase wurden zentrale Handlungsmaxime zugrunde gelegt und konsequent in allen Teilen und auf allen Ebenen des Konzerns zur Anwendung gebracht. Oberste Priorität hat die wertorientierte Weiterentwicklung der RAG, dass heißt: Ɣ Konzentration auf ertragsstarke Aktivitäten mit guten Wachstumspotenzialen und Ɣ Konzentration auf Unternehmen, die in ihren jeweiligen Branchen zu den Marktführern gehören beziehungsweise mit ihren Technologien in der jeweiligen Spitzengruppe sind. Auf dieser Basis trennte sich der Konzern seit 2003 von Aktivitäten, die diesen Anforderungen nicht genügten. Insgesamt hat der Konzern seitdem Aktivitäten mit einem Umsatzvolumen von rd. 4,5 Mrd. € und rd. 22.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern veräußert. Bei diesem Prozess war es für RAG immer wichtig, dass die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewahrt wurden. Sichergestellt wurde dies über eine Vereinbarung zwischen RAG, der Arbeitsgemeinschaft der Betriebsräte im Konzern und der IG Bergbau, Chemie und Energie zu personal- und sozialpolitischen Grundsätzen beim Verkauf von Konzerngesellschaften. Gleichzeitig hat RAG die Konzerngesellschaften, die zuvor getrennt im Konzern geführt wurden und in ähnlichen Bereichen tätig sind, zusammengeführt. Damit wurden Synergien geschaffen und Strukturen effizient gestaltet. Der RAG-Vorstand hat für den Konzern ein klares Ziel formuliert: „Es ist unser großes Ziel, die ‚Neue RAG’ als dynamische Kraft im Kreis der großen deutschen Industriekonzerne zu etablieren. Gemeinsam wollen wir in kurzer Zeit ein schlagkräftiges Industriekonglomerat schaffen, dem die Analysten gute Noten geben und dessen Konzerngesellschaften in ihren Märkten Spitzenpositionen einnehmen.“ (RAG-Vorstand; Juni 2004) Die Neuausrichtung der RAG ist mittlerweile weit vorangetrieben. Heute ist RAG, mit einem Umsatz von rd. 20 Milliarden € und über 100.000 Mitarbeitern weltweit eines der größten Unternehmen im Ruhrgebiet und fester Bestandteil des dynamischen Wandels dieser Region. Mit der angestrebten vollständigen Übernahme der Degussa AG setzt RAG einen weiteren Meilenstein auf dem Weg an die Börse.
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der RAG
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Erstmals gehandelt werden soll die Aktie der dann „Neuen RAG“, die zudem ihren Namen im Vorfeld des IPO ändern wird, im Jahr 2007. Das neue Unternehmen konzentriert sich künftig auf die Kerngeschäftsfelder Energie, Chemie und Immobilien.
Abb. 1. Konzernstruktur RAG im Jahr 2005
2
Strategisches Personalmanagement in der „Neuen RAG“
Der Neuausrichtung des Konzerns folgte eine Neuausrichtung des Personalmanagements. Insbesondere galt es die Rolle des Personalmanagements als gleichwertiger Partner bei der Mitgestaltung der Unternehmensentwicklung zu stärken und die Koordination aller Aktivitäten des Personalmanagements auszubauen. 2.1
Personalmanagement als gleichwertiger Partner für andere Funktionen
Die HR-Funktion im RAG-Konzern ist dann nutzbringend und wertsteigernd, wenn sie als gleichwertiger Partner mit anderen Schlüsselfunktionen die Unternehmensentwicklung mitgestaltet. Deshalb ist das Personalmanagement zum einen in den Controllingkreislauf eingebunden und zum anderen bei strategisch relevanten Projekten direkt beteiligt.
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Ulrich Weber
Im Controllingkreislauf werden in Zieldialogen grundsätzliche Vereinbarungen über die strategische Ausrichtung der Geschäftsfelder und die sich daraus ergebenden personalpolitischen Ziele für die Konzerngesellschaften getroffen. In Planungsgesprächen werden die zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen vereinbart. Durch die Einbindung der HR-Funktion in diesen Prozess werden die Inhalte der Unternehmensstrategie frühzeitig in Handlungsnotwendigkeiten des Personalmanagements übersetzt. Umgekehrt fließen Implikationen des Personalmanagements in die Überlegungen zur Unternehmensentwicklung ein. 2.2
Zentrale Koordination aller Aktivitäten des Personalmanagements
Ausgangspunkt aller Aktivitäten des Personalmanagements ist die Konzernpersonalstrategie. Sie stützt die Umsetzung der Unternehmensstrategie und ist konzernweit verbindliche Leitlinie für die Planung und Steuerung des Humankapitals und für die Koordination und Steuerung der Personalarbeit im RAG-Konzern. Insgesamt sind aus Personalsicht fünf Zielfelder als erfolgskritisch für den RAGKonzern identifiziert und mit ihren Schwerpunkten ausformuliert worden. Abbildung 2 stellt die fünf Zielfelder zusammenfassend dar.
Abb. 2. Zielfelder RAG-Konzernpersonalstrategie
Abgestimmt auf diese Zielfelder werden Instrumente und Maßnahmen konzernweit einheitlich entwickelt. Ausgehend von Standards und Leitplanken der Holding übernehmen die Teilkonzerne die Ausgestaltung dieser Instrumente und Maßnahmen nach ihren spezifischen Notwendigkeiten.
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der RAG
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Die Steuerung und Überprüfung der so erfolgten Umsetzung der Konzernpersonalstrategie erfolgt im Rahmen des HR-Strategie- und Controllingprozesses. Über quantitative und qualitative Kennzahlen und Indikatoren zu Personalprozessen wird bewertet, inwieweit Maßnahmen umgesetzt und Ziele erreicht wurden. In HR-Controllinggesprächen werden gemeinsam mit den Konzerngesellschaften Abweichungen diskutiert und notwendige Anpassungen bei Maßnahmen ergründet.
3
Our House – der Weg zu einer neuen Konzernidentität
Zentraler Erfolgsfaktor für den RAG-Konzern ist eine gemeinsame Konzernkultur. Mit der Neuausrichtung der RAG hat sich nicht nur das Gesicht, sondern auch das Selbstverständnis des Konzerns verändert. Dieses Selbstverständnis muss sich in einer gemeinsamen Konzernkultur wieder finden, damit die Neuausrichtung von Führungskräften und Mitarbeitern nicht nur getragen, sondern aktiv und konstruktiv mitgestaltet wird. Deshalb war und ist es wichtig, für die „Neue RAG“ eine ebenso neue Kultur zu kreieren. Diese zu gestalten, zu leben und im Arbeitsalltag sichtbar zu machen, ist eine Schwerpunktaufgabe im Zielfeld „Gestaltung einer wert- und werteorientierten Unternehmenskultur“. 3.1
Projekt „ZusammenWachsen“
Start für die Entwicklung einer neuen Konzernkultur war ein breit angelegter Kommunikationsprozess direkt im Anschluss an die Übernahme der mehrheitlichen Anteile der Degussa AG im Juni 2004. Ziel war es, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die neue Struktur der RAG nahe zu bringen und die „Neue RAG“ erlebbar zu machen. Neben einer intensiven Information in den Konzernmedien, zahlreichen gemeinsamen Veranstaltungen, darunter ein Familienfest und ein Konzernfußballturnier, suchte der RAG-Vorstand den Dialog mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort. Im Rahmen einer Roadshow besuchte der RAGVorstand 14 Standorte des RAG-Konzerns – von Marl bis Mobile, Alabama – und stellte sich dort den Fragen von mehr als 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 3.2
Entwicklungsprozess RAG-Konzernwerte
Mit dem Projekt „ZusammenWachsen“ war der Grundstein für die neue Konzernkultur gelegt. Jetzt musste ein solides Fundament für diese geschaffen werden. Dieses Fundament sind die RAG-Konzernwerte, denn wertvolles kann man nur schaffen, wenn man sich einig ist, an welchen Werten man sein Handeln ausrichten will.
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Ulrich Weber
Prämissen bei der Entwicklung der neuen Konzernwerte waren: 1. Es sollte ein schlanker Prozess mit hohem Committment sein 2. Alle Konzerngesellschaften mussten sich in den neuen Werten wieder finden 3. Werte, die RAG und die Konzerngesellschaften in der Vergangenheit erfolgreich gemacht haben und heute noch wichtig sind sollten nicht verloren gehen. Erster Schritt war deshalb eine umfassende Analyse und Bewertung der Wertesets, die in den Kerngeschäften vorhanden waren. Der daraus entwickelte Formulierungsvorschlag wurde mit den Verantwortlichen der Kommunikation, den Arbeitsdirektoren und Personalleitern sowie den Spitzen der Betriebsräte der Teilkonzerne als relevante Promotoren der Konzernwerte im Rahmen einer Veranstaltung diskutiert. Die Ergebnisse wurden zu einer überarbeiteten Fassung der RAG-Konzernwerte konsolidiert. Das Ergebnis wurde über eine Online-Delphi-Befragung, an der 200 Konzernführungskräfte und die Spitzen der Betriebsräte teilnahmen, in zwei Befragungsrunden validiert. Am Ende des Entwicklungsprozesses standen die Werte „Voller Einsatz“, „Mut zum Neuen“ und „Verantwortliches Handeln“, die der RAG-Vorstand auf der Konzerntagung 2005 in Kraft setzte.
Abb. 3. RAG-Konzernwerte
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der RAG
3.3
175
Vermittlungsprozess RAG-Konzernwerte
Die Konzernwerte wurden bewusst klar und einfach formuliert, denn sie sollen für fast 100.000 Mitarbeiter im In- und Ausland verständlich und verpflichtend sein. Um alle Mitarbeiter in allen Konzerneinheiten zu erreichen, wurde für jeden Teilkonzern ein Vermittlungsprozess entwickelt, der die Besonderheiten des jeweiligen Teilkonzerns berücksichtigte. Kern der Vermittlung war immer die praxisnahe Auseinandersetzung mit den Konzernwerten. Deshalb wurden die Konzernwerte nicht als „Postsendung“ an die Mitarbeiter verteilt, sondern in Veranstaltungen entlang der Führungskaskade diskutiert. Die Führungskräfte des Konzerns waren als Botschafter gefordert. Ihre Aufgabe war es, die Werte verständlich zu machen, sie zusammen mit ihren Mitarbeitern in die jeweils konkrete Arbeitsumgebung zu übersetzen und mit Beispielen aus ihrer Praxis zu veranschaulichen. Um die Führungskräfte hierbei zu unterstützen, wurden Vermittlungsmaterialien entwickelt, die Grundsatzaussagen und Leitfragen zu den Konzernwerten umfassten und die Konzernwerte in direkten Zusammenhang mit der Situation in den einzelnen Konzerngesellschaften stellten. In der gesamten Phase der Initialisierung und Positionierung der neuen RAGKonzernwerte fanden in allen Teilkonzernen dialogische Veranstaltungen mit Führungskräften und Mitarbeitern statt, die sich in unterschiedlicher Form mit den Konzernwerten auseinandersetzten. Gestützt wurde dieser dialogische Vermittlungsprozess durch eine breite Kommunikation der Werte über die Konzernmedien. Über eine Microsite im Intranet erhielten die Mitarbeiter aktuelle Informationen rund um das Thema Konzernwerte und konnten ihre Fragen und Anregungen direkt an die Projektgruppe stellen. Darüber hinaus waren drei Themenhefte des Mitarbeitermagazins Folio je einem Konzernwert gewidmet. Gewinnaktionen und eine standortspezifische Testimonialkampagne rundeten das Kommunikationskonzept ab. 3.4
Integration der Konzernwerte in die Arbeitswelt
Auf die gemeinsamen Werte sind Führungskräfte wie Mitarbeiter gleichermaßen verpflichtet. Die Konzernwerte entwickeln sich mit RAG weiter und sind Basis für die Personalarbeit im Konzern. Bereits bei der Ausgestaltung der Kernprozesse und Instrumente der Personalarbeit dienen die Konzernwerte als Leitlinie. Aber auch für die tägliche Arbeit der Personalabteilungen sind sie Leitlinie und Verpflichtung zugleich. Konzernweit steht das Personalmanagement in der Verpflichtung, zugleich Treiber und Vorbild bei der Schaffung einer gemeinsamen Konzernkultur entlang einheitlicher Werte zu sein. Konzernwerte als Leitlinie für die Ausgestaltung von Kernprozessen und Instrumenten der Personalarbeit, für die tägliche Arbeit der Personalabteilungen aber auch als Leitlinie für Führungs- und Mitarbeiterverhalten werden zu dem was sie sein sollen: nicht Lippenbekenntnis, sondern gemeinsamer Orientierungspunkt.
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Ulrich Weber
Was mit dem bisherigen Prozess erreicht wurde, das und die Durchdringungstiefe der Konzernwerte, werden im Rahmen der RAG-Mitarbeiterbefragung 2006 überprüft. Sie enthält neben Fragen zur Führungsqualität, Motivation und Kompetenzen auch einen Frageblock zu den Konzernwerten und ermöglicht so, den Grad der Verarbeitung im Tagesgeschäft zu beurteilen.
4
Strategisches Kompetenzmanagement in der „Neuen RAG“
Neben der gemeinsamen Konzernkultur ist die Weiterentwicklung der Führungsund Managementqualität, insbesondere im Bereich der Top- und Schlüsselpositionen, ein zweiter Erfolgsfaktor für RAG. 4.1
Neudefinition des Kreises der Konzernführungskräfte
Die veränderte Struktur des RAG-Konzerns forderte die Neudefinition des bestehenden Konzernführungskreises. Mit Hilfe eines Jobgradings wurden die Positionen identifiziert, die einen herausragenden Beitrag zum Geschäftserfolg im RAGKonzernmaßstab leisten und somit bedeutende direkte oder indirekte Beiträge zur Wertschöpfung im Konzern verantworten. Folgende Fragen lagen der Bewertung zu Grunde: 1. Welchen Beitrag leistet die Position zur Entwicklung und Entscheidung der Konzern-Strategie? 2. Welchen Beitrag leistet die Position zur Gestaltung und Steuerung der Geschäftsfelder und der Geschäftsfeldprozesse im RAG-Konzern? 3. Welchen Beitrag leistet die Position zur Steuerung und Optimierung der Werttreiber im Konzernmaßstab? 4. Welche Dimension besitzt die Führungs- und Steuerungsaufgabe der Position in der Organisation? 5. Welche besondere Kommunikationswirkung besitzt die Position im Konzernmaßstab? Die identifizierten Positionen sind der Schlüssel für eine zukunftsorientierte Entwicklung des Konzerns und folgerichtig dem sog. „Konzernführungskreis“ zugeordnet. Die Führungskräfte, die zum Konzernführungskreis zählen, werden exklusiv durch die RAG Holding betreut. Diese Betreuung reicht von der Vertragsgestaltung bis zur persönlichen, zukunftsorientierten Entwicklung. Mit dieser konsistenten und nachhaltigen Managementbetreuung wird die Performance der Führungskräfte und damit des Unternehmens gesichert sowie kontinuierlich und zielgerichtet weiterentwickelt.
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der RAG
177
Ergänzend soll mit Management-Round-Tables, Management-Dialogen mit den Holding-Vorständen und gesonderten Programmen zum Thema Management und Leadership dafür gesorgt werden, dass die Zusammenarbeit im Kreis der Konzernführungskräfte konzernübergreifend intensiviert wird und auch über diesen Weg die neue Konzernkultur gestärkt wird. 4.2
Nachfolgeplanungs- und Besetzungsprozess für den Kreis der Konzernführungskräfte
Eine optimale Besetzungsqualität des Konzernführungskreises mit einer vorausschauenden Planung und Entwicklung geeigneter Nachfolgekandidaten ist ein wesentliches Steuerungsinstrument der Unternehmensführung und damit zentraler Hebel zur Umsetzung der Unternehmensstrategie. Ziele eines kontinuierlichen Nachfolgemanagements sind: Ɣ die Reduzierung personeller Risiken durch die frühzeitige Nachfolgeplanung, Ɣ die Steigerung der Besetzungsqualität auf den Top- und Schlüsselpositionen durch den kontinuierlichen Abgleich von Sollanforderungen mit der Performance der Stelleninhaber, Ɣ die gezielte Entwicklung von Nachfolgekandidaten durch die strategische Personalentwicklung, Ɣ Erhöhung der Handlungsfähigkeit durch frühzeitiges Erkennen von Vakanzen.
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Ulrich Weber
Überblick zum Nachfolgeplanungs- und Besetzungsprozess
Abb. 4. Nachfolgeplanungs- und Besetzungsprozess
Die Nachfolgeplanung und Stellenbesetzung der Top- und Schlüsselpositionen im RAG-Konzern ist ein integrierter jährlich revolvierender Prozess. Um aus Konzernsicht den optimale Einsatz der Managementpotenziale sicher zu stellen, ist sowohl eine enge Verzahnung mit der strategischen Unternehmensplanung als auch mit den HR-Kernprozessen Performancemanagement, Kompetenzmanagement, Betreuung der Konzernführungskräfte und dem Personalcontrolling notwendig. Aus der strategischen Unternehmensplanung (Geschäftsfeldplanung, Planung der strategischen Initiativen) leiten sich die quantitativen und qualitativen HR-Bedarfe bezogen auf Positionen und Personen des Konzernführungskreises ab. Der quantitative Bedarf umfasst die neu hinzukommenden, die zukünftig wegfallenden (Desinvest) und die absehbar vakant werdenden Positionen (Positionswechsel, Altersstruktur). Bei der qualitativen Planung der Bedarfe geht es vor allem darum, festzustellen bei welchen Positionen sich die Anforderungen geändert haben oder ob sich neue Positionen mit grundsätzlich neuen Anforderungen ergeben. Die quantitative und qualitative Planung führt zu einer Überprüfung der Funktionsbewertung aus dem Jobgrading-Prozess ebenso wie zur Überarbeitung der stellenspezifischen Anforderungsprofile. Die quantitative und qualitative Planung für den Konzernführungskreis erfolgt durch den Bereich Kompetenz- und Performance-Management Konzern, in enger Abstimmung mit den Bereichen Konzernentwicklung/Portfoliomanagement, Führungskräfte Konzern und Personal Konzern. Der HR-Planung folgt die Bestandsaufnahme aller, für die jährliche ManagementKlausur relevanten, Managementdaten. Im Rahmen dieser Bestandsaufnahme werden alle personenbezogenen Entwicklungs- und Leistungsdaten der Konzernführungskräfte und möglicher Nachfolgekandidaten erhoben, bzw. aktualisiert.
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der RAG
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Die Entwicklungsdaten leiten sich im Wesentlichen aus der Managementbeurteilung ab. Kern der Managementbeurteilung ist die Erfassung des individuellen Kompetenzmusters der Führungskraft auf Basis des konzernweiten Kompetenzmodells. Dieses Kompetenzmuster wird im jährlich stattfinden Mitarbeitergespräch in Folge der Kompetenz- und Potenzialeinschätzung durch den jeweiligen Vorgesetzten festgelegt. Die Führung des jährlichen Mitarbeitergespräches ist als konzernweiter Standard definiert. Das seit 2000 existierende RAG-Kompetenzmodell wird regelmäßig auf Adäquatheit überprüft. Die leistungsbezogenen Daten werden aus den Resultaten des Zielvereinbarungsprozesses der beschriebenen Zielgruppen generiert. Alle für Nachfolge- und Besetzungsfragen relevanten Daten werden in einem „Review-Bogen“ abgebildet. Der Abgleich der in der Planung festgelegten quantitativen und qualitativen Bedarfe mit den Daten aus den „Review-Bögen“ des Konzernführungskreises führt zur Identifizierung von Positionen und Personen, die unter verschiedenen Chancen- und Risikobetrachtungen wichtig sind und in der Management Klausur erörtert werden. Zentrales Element des Nachfolgeplanungs- und Besetzungsprozesses ist die Management-Klausur. In dieser diskutiert der RAG-Vorstand einmal jährlich die Zusammensetzung des Konzernführungskreises und potenzielle Nachfolgekandidaten. Das Ergebnis der Klausur ist die Verabschiedung von Aktionsplänen und von Nachfolgelisten, die im Anschluss an die Management Klausur umgesetzt werden. Auch die Benennung eines konzernübergreifenden High Potential Pools kann Inhalt der Klausur sein. Das konzernweit einheitliche Kompetenzmodell und standardisierte Personalklausuren in den Konzerngesellschaften sichern die Anschlussfähigkeit an den Nachfolgeplanungs- und Besetzungsprozess auf der Ebene des Konzernführungskreises. Ein systematisches Controlling des Umsetzungsgrades der vereinbarten Aktionspläne sowie relevanter Kennzahlen für den Nachfolge- und Besetzungsprozess sichert die Qualität und Effizienz des Gesamtprozesses. Die Qualität von Nachfolge- und Besetzungsentscheidungen hängt maßgeblich von der Vollständigkeit und Qualität der Daten sowohl über aktuelle Positionsinhaber als auch über potenzielle Nachfolgekandidaten ab. Deshalb sind im RAGKonzern die wesentlichen Instrumente des Nachfolgeplanungs- und Besetzungsprozesses (Stellen-/Funktionsbewertung, Kompetenzmodell, Review-Bogen, Managementbeurteilung, Besetzungspläne, Reports / Managementportfolios und Personalklausuren) konzernweit einheitlich standardisiert.
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Ulrich Weber
5
Fazit und Ausblick
Weiterdenken und entschlossen Handeln war der Leitgedanke und Motor für die Neuausrichtung des RAG-Konzerns. Die „Neue RAG“ positioniert sich als engagierter, potenzialstarker Energie- und Chemiekonzern mit klaren Wachstumsperspektiven in den Kerngeschäften Energie, Chemie und Immobilien und hat sich für die weitere Entwicklung hohe Ziele gesteckt. Stützen kann sich der Konzern dabei auf eine Belegschaft, die ihren Willen zum Erfolg, ihre Flexibilität und Integrationskraft gerade in den vergangenen beiden Jahren deutlich demonstriert hat. Das Personalmanagement im RAG-Konzern versteht sich als Realisierer der Unternehmensstrategie und ist im Besonderen dafür verantwortlich, all das zur Verfügung zu stellen, was die Mitarbeiter des RAGKonzerns brauchen, um die Neuausrichtung nicht nur zu tragen, sondern aktiv und konstruktiv mitzugestalten. Hierzu gehört die gezielte Entwicklung von Kompetenzen. Insbesondere auf der Ebene der Konzernführungskräfte, denn für die Herausforderungen der Zukunft braucht RAG eine exzellente Führungsmannschaft, die ihre unternehmerischen Aufgaben mit Tatkraft angehen, die mit Leidenschaft ihre Mitarbeiter für die Ziele des Konzerns begeistern, die offen sind für Veränderungen und stets nach den besten Lösungen suchen. Wenn es darum geht, die Mitarbeiter des Konzerns als Mitstreiter für die Zukunft zu gewinnen, braucht es aber auch eine Unternehmenskultur, die auf gemeinsamen Werten basiert. Gemeinsame Werte, auf die sich Mitarbeiter und Führungskräfte verpflichten, sind Orientierungspunkt und Rahmen für Unternehmensentscheidungen, Führungs- und Mitarbeiterverhalten. Dieser gemeinsame Orientierungspunkt ist gerade für ein Industriekonglomerat wie RAG ein entscheidender Erfolgsfaktor. Genauso wie die Konzernwerte eine gemeinsame Orientierung für das Miteinander geben, schafft das RAG-Personalmanagement mit der Konzernpersonalstrategie ein einheitliches Verständnis und einheitliche Vorgehensweisen in Themen wie Vergütung, Personalmarketing, interner Arbeitsplatzwechsel, Führungsverständnis und -kompetenzen. Damit zeigt das Personalmanagement im RAGKonzern „Vollen Einsatz“ für die Mitarbeiter und den Erfolg der RAG. Mit „Mut zum Neuen“ gestaltet es eine innovative Personalarbeit, die sich an der Konzernstrategie ausrichtet. Und übernimmt volle Verantwortung bei der Mitgestaltung der Unternehmensentwicklung.
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Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der DB AG
Uwe Gottwald
Effektivität
Wirkt Kompetenzmanagement überhaupt?
Welchen Beitrag zur Wertschöpfung leistet die DB Akademie?
Tun wir die richtigen Dinge?
1
Tun wir die Dinge richtig?
Effizienz 1
Abb. 1. Unternehmerischer Wertbeitrag der DB Akademie
„Die Hälfte des Bildungsbudgets ist rausgeworfenes Geld“, sagt ein geflügeltes Wort, „wir wissen nur nicht, welche.“ Das Sprichwort beschreibt umgangssprachlich die Notwendigkeit des Bildungscontrollings. Es ist schön und gut, Manager und Mitarbeiter mit den für Erfolg und Erhalt eines Unternehmens nötigen Kompetenzen auszuwählen, aus- und weiterzubilden. Viel wichtiger ist jedoch die Frage: Funktioniert das überhaupt? Oder gebe ich nur jede Menge Geld aus, ohne dass sich am Grad der faktisch vorhandenen Kompetenz wesentlich etwas ändert? In die Personal- und Kompetenzentwicklung investieren Unternehmen jährlich Millionen Euro. Ob diese Millionen gut investiert sind, ist die Frage. Das Bildungscontrolling könnte darauf eine Antwort geben. Es versucht, den Prozess der Kompetenzentwicklung so zu steuern, dass Manager und Mitarbeiter nicht nur mit jenen Kompetenzen ausgestattet werden, die das Unternehmen braucht. Sondern dass diese Kompetenzen in der Praxis auch tatsächlich eingesetzt werden.
182
Uwe Gottwald
Das ist bereits ein sehr fortschrittliches Verständnis von Bildungs- und Kompetenzcontrolling. Die Praxis sieht leider noch anders aus.
2
Controlling in der Praxis
In der Praxis wird Bildungscontrolling noch weitgehend nicht zum Steuern von Prozessen, sondern zum Messen von Ergebnissen eingesetzt. So konzentrieren sich ungefähr 80 Prozent der deutschen Corporate Universities auf die Kontrolle der Durchführung ihrer Programme. Nur 20 Prozent controlen den kompletten Bildungsprozess auch vor und nach der eigentlichen Durchführung von Trainings. Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Durchführungskontrolle von Bildungsprogrammen ist eminent wichtig. Sie reicht aber leider nicht aus, um gute Ergebnisse zu gewährleisten. Denn mit einer Durchführungskontrolle allein könnte man auch kontrollieren, wie die Durchführung von Schwimmstunden mit Betonschwimmringen abläuft. Dass der Prozess des Schwimmunterrichts schon scheitert, noch bevor der eigentliche Unterricht beginnt, kann so eine Durchführungskontrolle jedoch nicht verhindern, weil die Steuerung des Prozesses Lücken aufweist. Deshalb ist die Durchführungskontrolle lediglich eine Kontrolle. Controlling jedoch will mehr als kontrollieren. Es will erfolgsorientiert steuern. Das kann es nur dann, wenn es den kompletten Wertschöpfungsprozess der Kompetenzentwicklung begleitet. Also nicht nur während der Durchführung einer Bildungsmaßnahme, sondern vor, während und nach der Maßnahme: Bildungscontrolling muss als 3-stufiger Prozess verstanden werden: Die Mehrheit der CU steuern lediglich die Durchführung. Nur 19% decken den gesamten Prozess ab.* vor (Controlling der Zielsetzung + Entwicklungsqualität)
Bedarf: Konzerngemäße Programmentwicklung gezielte Investition: Teilnehmerauswahl Bedarfsanalyse on-the-job Trainingszielgespräch Hausarbeiten Development-Center Vorarbeit: e-learning Patenmodelle Kompetenzmodelle *Quelle: SMP
während
nach
(Controlling der Durchführung)
(Controlling der Umsetzung)
Case study
Feedback
Realprojekte
Tool Box
Teilnehmerpräsentationen
Arrival Center
Best Practice
Transfermessung (Soll-IstVergleich)
Workshop zur Problemlösung Trainerfeedback 3-Referenten-Modell
Nacharbeit: e-Learning Langzeitevaluation Vorgesetztenbefragung: Performamcemessung
Planspiele peer assist
Mitarbeiterbefragung
Action plans Abschlusstest 2
Abb. 2. Der dreistufige Prozess des Bildungscontrollings bei der DB Akademie
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der DB AG
183
Ɣ vor der Maßnahme die Konzepterstellung: Wird das ins Konzept gepackt, was das Unternehmen und die Teilnehmer in ihrer Praxis tatsächlich brauchen? Ɣ während der Maßnahme die Durchführung: Wird praxisnah, lösungsorientiert und transfergesichert vermittelt? Ɣ nach der Maßnahme den Lerntransfer: Was kommt tatsächlich in der Praxis an und wie kann man diesen Transfer maximieren?
3
Ein ganzheitliches Verständnis von Controlling Ohne Berücksichtigung der Wertschöpfung entstehen Fehlinvestitionen, bzw. falsche Einsparungen.
Input Kapazität Geld
Wertschöpfungspotenzial
niedrig
mittel
hoch
niedrig
niedrig
Zielsetzung
Vorbereitungsphase
Trainingsphase
Nachbereitungsphase
Anwendung
Zielsetzung
Vorbereitungsphase
Trainingsphase
hoch
hoch
niedrig
Nachbereitungsphase
hoch
Anwendung
mittel
3
Abb. 3. Wertschöpfungspotential und Investitionskapazität
Begleitet das Controlling die Kompetenzentwicklung in allen Wertschöpfungsphasen, spricht man von einem ganzheitlichen Controllingverständnis. Bislang wird dieses nur von führenden Unternehmen verfolgt. Die Mehrheit der Unternehmen beschränkt sich beim Controlling auf leicht greifbare Kennzahlen wie Ɣ Teilnehmerzahlen Ɣ Kosten pro Teilnehmer Ɣ Kosten pro Teilnehmertag Diese Kennzahlen sind für die Wirtschaftlichkeit der Kompetenzentwicklung sehr bedeutsam. Sie treffen jedoch keinerlei Aussage über die Qualität der Kompetenzentwicklung oder ob diese überhaupt ihre gesetzten Ziele erreicht. Diese Aussagen kann nur ein Controlling treffen, das nicht ausschnittartig, sondern ganzheitlich, also prozessbegleitend verstanden und durchgeführt wird. Im Folgenden betrach-
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Uwe Gottwald
ten wir einzelne Ansätze eines so verstandenen Controllings für die einzelnen Phasen der Kompetenzentwicklung. Wir betrachten diese Ansätze der besseren Anschaulichkeit wegen am Beispiel der Praxis an der DB Akademie.
4
Davor: Die Bedarfsanalyse
Die Bad Practice Es ist manchmal ganz erstaunlich, was in der Praxis unter Bedarfsanalyse verstanden wird. Kaum gibt die Unternehmensleitung eine Maßnahme zur Kompetenzentwicklung in Auftrag, zum Beispiel zur Förderung einer bestimmten Sozialkompetenz, wird in der konzeptionierenden Personalentwicklung diskutiert: „Da bauen wir das XY-Rollenspiel ein und die Z-Übung zum Sprachverhalten.“ Die handlungsleitende Frage ist offensichtlich: Was packen wir alles in diese Maßnahme rein? Dieser Leitfrage ist es mit zu verdanken, dass die Hälfte der Bildungsbudgets vergeudet ist. Denn im Normalfall schert es einen teilnehmenden Manager nicht, welche hübschen Spielchen in sein Training eingebaut werden. Das heißt: Die Kompetenzentwicklung nimmt bereits dadurch Schaden, dass in eine konkrete Maßnahme das eingebaut wird, was die Personalentwickler gut finden – nicht was die Stakeholder brauchen. Paradoxerweise entpuppt sich in solchen Fällen die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Maßnahme als unfreiwilliges Controlling-Instrument: Die Veranstaltung bleibt leer, die Teilnehmer bleiben aus. Weil die Veranstaltung am Bedarf vorbei konzeptioniert wurde. Die Best Practice orientiert sich bei der Bedarfsklärung eher an folgenden Leitfragen: Ɣ Was ist an Kompetenz zu diesem Thema bei den Teilnehmern schon vorhanden? Ɣ Wo gibt es Lücken? Ɣ Welche konkreten Fragen und Probleme haben die Teilnehmer zu diesem Thema? Ɣ Wie müssen die Inhalte gestaltet werden, damit sie optimal zu Unternehmenskultur und Zielgruppe passen?
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der DB AG
185
Best Practice: Bedarfsklärung mit allen Stakeholdern
Bahnspezifische Ausrichtung der Qualifizierungsprogramme - Wie? Aus der Praxis für die Praxis Bedarf VorstandsVorstandscommitment commitment
Konzeption
Feintuning
Umsetzung
Qualitätskontrolle
Workshop Workshop Bedarfsanalyse Bedarfsanalyse Grobkonzept Grobkonzept (Modulaufbau) (Modulaufbau)
Auswahl Auswahlund und Briefing Briefingder der Referenten/ Referenten/ Trainer Trainer VertiefungsVertiefungsgespräche gespräche vor Ort vor Ort
Feinkonzept/ Feinkonzept/ Ablaufplan Ablaufplan Gemeinsames Gemeinsames Briefing Briefingder der Referenten/ Referenten/ Trainer Trainer Entwicklung Entwicklungu.u. Erstellung Erstellungvon von TeilnehmerTeilnehmerunterlagen unterlagen
Feedback Feedback Evaluation Evaluation Start Start QualifizierungsQualifizierungsprogramm programm
ReferentenReferentenkonferenz konferenz
4
Abb. 4. Die Bahn-spezifischen Phasen von Qualifikationsmaßnahmen
Eine bestimmte Kompetenz kann nicht an den Teilnehmern vorbei entwickelt werden. Versucht man es trotzdem, verweigern die Zielgruppen die Teilnahme oder setzen das Vermittelte nicht in die Praxis um. Die erste ControllingMaßnahme im Sinne einer ganzheitlichen Steuerung der Wertschöpfung besteht daher schlicht darin, alle Stakeholder einer konkreten Kompetenzveranstaltung zu befragen: Ɣ Was brauchen Sie in Ihrer Praxis zu diesem Thema? Ɣ Was erwarten Sie von der Maßnahme? Welche konkreten Resultate? Ɣ Was darf auf keinen Fall passieren? Diese und andere Fragen beantworten Unternehmensleitung, Management und potenzielle Teilnehmer in moderierten Workshops oder Interviews. Diese Phase der Qualitätssicherung der Kompetenzentwicklung dauert erfahrungsgemäß vier bis sechs Monate. Auch das ist ein Grund, warum viele Unternehmen darauf verzichten: Das dauert ihnen zu lange. Was einigermaßen paradox ist: Kompetenzen sind langfristig wirkende Fähig- und Fertigkeiten – doch bei der Kompetenzentwicklung selbst möchte man nicht langfristig denken? Das passt nicht zusammen.
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Uwe Gottwald
4.1
Die Referentenauswahl
Bad Practice: Die Ausschreibung Die Qualitätssicherung und Steuerung von Bildungsprozessen erfolgt auch mit sogenannten Quality Gates. Eines dieser Gates ist die Auswahl des Referenten. Die Bad Practice schreibt 20 externe Trainer an mit der Bitte um Vorlage eines Konzeptes zur geplanten Kompetenzmaßnahme. Um die Kosten und Erfolgsaussichten in einem sinnvollen Verhältnis zu halten, holt der anbietende Trainer dann meist ein Konzept hervor, dass er schon bei der XY-GmbH angewandt hat und wechselt einfach die Firmennamen aus. Dieser Ansatz unterstellt, dass alle Firmen gleich sind und deshalb über einen Kamm geschert werden können. Das funktioniert noch nicht einmal bei so etwas Simplem wie Formularvordrucken in Unternehmen. Wie soll es dann bei so etwas Komplexem wie unternehmensspezifischen Kompetenzen funktionieren? Für die Kompetenzentwicklung gilt: Ist sie nicht unternehmensspezifisch maßgeschneidert, ist der Erfolg des Ganzen von vorne herein sehr unwahrscheinlich, wenn nicht zufällig. Best Practice: Der Referent muss passen Schon an dieser Stelle bemerken wir, wie professionelles Controlling als prozessbegleitende Qualitätssicherung funktioniert, indem eine Phase in die nächste greift: Aus der vorangegangenen Bedarfsanalyse wissen wir, welche Stakeholder was von der konkreten Kompetenzmaßnahme erwarten. Deshalb benötigen wir im strengen Sinne kein Konzept eines Externen. Wir haben bereits alle wesentlichen Inhalte eines zielgruppen-kongruenten und damit praxisnahen und transfergesicherten Konzeptes in der Hand. Deshalb stellt die Best Practice der Kompetenzentwicklung in dieser Phase nur eine Frage: Auf dem Hintergrund der ermittelten Bedarfe – welcher Trainer passt am besten zu uns? Wer kann exakt das liefern, was wir brauchen? Mit diesen Vorgaben schränkt sich die Anzahl der in Frage kommenden Trainer schon erheblich ein. 4.2
Die Praxisorientierung
Das entscheidende Kriterium Ist der Referent gefunden, lautet das nächste Quality Gate des Kompetenzcontrollings: Praxisorientierung. Dieses Controlling-Kriterium ist überragend. Das zeigt allein schon das relativ häufige Feedback von Teilnehmern zu schlecht controlten Maßnahmen: „Ganz nett, unterhaltsam, viel Neues gelernt – aber etwas an der Praxis vorbei.“ So ein Feedback ist der Todeskuss für jeden Transfer und für den ROE, den Return on Education. Was ein Teilnehmer für praxisfern hält, wendet er in seiner Praxis kaum je an. Das Geld für die Maßnahme ist vergeudet.
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der DB AG
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Was heißt praxisorientiert?
Ambivalente Haltung deutscher Top-Manager zu Corporate Training
Corporate Training auf dem Prüfstand Positive Grundhaltung
Klare Kritik
Top Manager sehen hohe
Kosten-Nutzen-Verhältnis im
Bedeutung von Corporate Training für den Unternehmenserfolg Corporate Training Budgets von Großunternehmen oft über 100 Mio EUR pro Jahr In den letzten Jahren wurde massiv in Corporate Universities und Corporate Academies investiert Die deutsche Wirtschaft unterstützt derzeit massiv den Aufbau der European School of Management and Technology (ESMT)
Corporate Training ist weitgehend unzureichend Großteil der Trainings ist nicht
effizient und nicht effektiv Kosten im Corporate Training sind
nicht transparent Zu wenige Leistungsträger sind im
Corporate Training aktiv
Quelle: McKinsey Top Management Survey 2003 5
Abb. 5. Strategischer Bedarf und operative Kritik von Corporate Trainings
„Niemand braucht ein Seminar“, lautet ein anderes geflügeltes Wort aus der Personalentwicklung, „aber jeder braucht Lösungen.“ Natürlich verführt schon der abstrakte Begriff „Kompetenzentwicklung“ jeden Beteiligten dazu, in Methoden, Techniken und Abstrakta zu schwelgen. Der sicherste Weg, um den Transfer zu ruinieren. Denn kein Teilnehmer kann damit im buchstäblichen Sinne des Wortes etwas anfangen. Kein Teilnehmer braucht einen Referenten, der Vorlesungen hält. Was er braucht, sind direkt anwendbare Lösungen seiner aktuell vorhandenen Probleme auf dem Hintergrund der behandelten Kompetenzen. Bestes Negativbeispiel dafür ist die so genannte Sozialkompetenz im Management. Neulich sagte mir ein Manager eines deutschen Mittelständlers: „Schon wieder so ein General-Management-Training, wo wir zum fünfzehnten Mal durchkauen, was Sozialkompetenz ist. Wie ich das bei den anstehenden Kündigungen, die ich vornehmen muss, rüberbringen soll, das hat mir noch keiner erklärt.“ Genau darauf käme es jedoch an. Niemand würde ernsthaft behaupten wollen, dass sich Manager derzeit mehrheitlich durch besondere Sozialkompetenz hervortun. Die Leitartikel der führenden Tageszeitungen geißeln exzessiv das Gegenteil. Die mehrheitlich fehlende Praxisorientierung von Kompetenzentwicklungsmaßnahmen ist eine Erklärung dafür.
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Uwe Gottwald
Kompetenzen sind gut und schön. Aber was nützen sie, wenn sie in der Praxis nicht umgesetzt werden? Das gilt übrigens nicht nur für die Sozial-, sondern für alle Kompetenzen. Praxisorientierung in der Praxis: Trainer zu Beratern In einer konkreten Trainingsmaßnahme zur Kompetenzentwicklung darf es nicht um abstrakte Kompetenzen, sondern muss es um konkrete Lösungen jener Probleme und Bewältigung jener Herausforderungen gehen, die teilnehmende Manager und Mitarbeiter aktuell beschäftigen. Diese Lösungen kann kein Trainer anbieten. Denn dafür fehlt ihm der Einblick in die konkreten Probleme und Herausforderungen, Strukturen und Prozesse im Unternehmen. Deshalb wird ein gutes Kompetenzcontrolling den Trainer sozusagen kurzfristig zum Berater ausbilden. Bevor wir an der DB Akademie einen Trainer auf unsere teilnehmenden Manager „loslassen“, lernt er erst das Führungsfeld seiner Teilnehmer im ganz normalen Alltag der Deutschen Bahn kennen. Bis er alle eingesetzten Instrumente und verfolgten Strategien, alle Restriktionen und konzernspezifischen Besonderheiten in- und auswendig kennt. Wird ein Trainer so frühzeitig in den Trainingsprozess eingebunden, sieht das Angebot, das er aufgrund seiner Einblicke konzipiert, natürlich ganz anders aus als wenn er quasi von draußen eine Maßnahme zusammenstellen würde. Außerdem kann er danach ganz konkret auf konkrete Fragen seiner Teilnehmer antworten, ohne die stereotype Teilnehmerantwort uncontrolter Seminare zu riskieren: „Schön und gut, aber das funktioniert bei uns nicht!“ Nur wenn der Trainer ausreichend Einblick ins DB-Umfeld hatte, kann er zusammen mit seinen Teilnehmern auch Lösungen entwickeln, die von den Teilnehmern tatsächlich akzeptiert und angewandt werden, weil sie im DB-Umfeld auch wirklich funktionieren. Es liegt auf der Hand, dass wir durch diese Praxisorientierung die Umsetzungsqualität unserer Maßnahmen beträchtlich steigern. Unser Bildungscontrolling liefert Maßnahmen mit höchstmöglichem Wirkungsgrad. Das, was im Training behandelt wird, wird danach auch in der Praxis umgesetzt. Nicht, weil das der Trainer oder der Vorstand sagen, sondern weil es die konkreten Probleme in der Praxis löst. Das bedeutet Controlling: Den Wirkungsgrad im Kompetenzprozess zu steuern, nicht so sehr hinterher die Ergebnisse zu kontrollieren. Controlling ist Steuerung, nicht Kontrolle.
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der DB AG
4.3
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Quality Gate: Abstimmung mit den Auftraggebern
Die DB Akademie gestaltet die Programme in drei strategischen Stoßrichtungen
Leadership Verhaltensorientierung
Auseinandersetzen mit Leadership-Themen Auseinandersetzen mit Erwartungen an Führungskräfte im DB Konzern sowie eigener Person und eigenem Führungsverhalten
Unternehmensführung Handlungsorientierung
Verankerung des unternehmerischen Denkens und Handelns
Strategie- und umsetzungsorientierte Unternehmenssteuerung
Auseinandersetzung mit Gestaltung des eigenen Geschäfts (Wettbewerb, Markt, Kunde)
Wissensvermittlung
Wissensvermittlung
Dialog extern
Know-how-Transfer
Erfahrungsaustausch
Vernetzung und Netzwerkbildung
intern
6
Abb. 6. Die drei strategischen Eckpfeiler
Nachdem der ausgewählte Referent seine potenziellen Teilnehmer und ihr Umfeld in Interviews, Exkursionen oder Workshops kennen gelernt hat, entwirft er zusammen mit der DB Akademie ein Feinkonzept und einen Ablaufplan seiner konkreten Bildungsmaßnahme. Beides muss danach ein weiteres Quality Gate des Bildungscontrollings passieren: die Absegnung durch die Stakeholder. Ihnen wird das Feinkonzept präsentiert und dann zur Diskussion gestellt. In der Regel bringen die auftraggebenden Topmanager dazu eigene Anregungen ein, um das Konzept noch stärker auf die Strategien, die Unternehmenskultur oder die Kompetenzvorstellungen der Konzernleitung abzustellen. Passiert das Konzept das Gate nicht, muss die Maßnahme zurück in die Konzeptionsschleife. Auch das ist Controlling: Eine Maßnahme wird erst dann verabschiedet, wenn die Qualität gesichert ist. 4.4
Unternehmensspezifität
Unternehmensspezifische Teilnehmerunterlagen Im Normalfall nimmt ein externer Referent die Teilnehmerunterlagen, die er vorher bereits bei vielen anderen Unternehmen eingesetzt hat, und klebt einfach den Namen des aktuell trainierten Unternehmens darüber. Das ist Education as usual. Der Nachteil davon: Sind Teilnehmerunterlagen nicht unternehmensspezifisch,
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sind sie auch nicht praxisnah. Und was nicht praxisnah ist, hat möglicherweise großen Unterhaltungswert, aber einen schwachen Transfer. Ein zentrales Controlling-Kriterium ist daher die Unternehmensspezifität in allen Belangen, das heißt auch bei den Teilnehmer-Unterlagen. Nur wenn Teilnehmerunterlagen unternehmensspezifisch sind, nimmt sie der Teilnehmer nach einer Maßnahme im Problemfall tatsächlich als „Rezeptbuch“ zur Hand. So trivial die Gestaltung von Teilnehmerunterlagen auch erscheinen mag, spiegelt sich darin doch das Selbstverständnis einer HR-Abteilung und ihrer Kompetenzentwicklung wider. Kompetenzentwicklung: Nice to have oder wesentlich? Ob und inwiefern ein Unternehmen eine funktionierende Kompetenzentwicklung betreibt, hängt stark von Leistungsfähigkeit und Selbstverständnis der ausführenden HR-Stelle ab. Betrachtet sich eine Corporate University lediglich als Dienstleister oder Erfüllungsgehilfe, wird sie auf Feinheiten wie unternehmensspezifische Teilnehmerunterlagen kaum Wert legen. Versteht sie sich dagegen als ernstzunehmender Gesprächspartner der Unternehmensleitung in Bezug auf strategieumsetzende Personalentwicklung, dann wird sie darauf drängen, bei jedweder Maßnahme zur Kompetenzentwicklung die größtmögliche Wirksamkeit zu erzielen. Das heißt auch: Keine Angebote von der Stange, sondern nur maßgeschneiderte, unternehmensspezifische Kompetenztrainings. Eine strategieumsetzende Personalentwicklung übernimmt keine Aufträge von der Unternehmensleitung, sondern die Steuerungsfunktion für die Unternehmensleitung in Sachen Kompetenzentwicklung.
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der DB AG
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Strategisches Instrument des Konzernvorstands und des Executive Boards
Qualifizierung und Entwicklung von Führungskräften im Konzern
Dialog zwischen Konzernvorstand und Führungskräften
Know-how-Transfer und Erfahrungsaustausch ressort- und bereichsübergreifend sowie extern
Die DB AG als führender internationaler Mobilitäts- und Logistikdienstleister
Vernetzung und Netzwerkbildung der Führungskräfte im DB Konzern
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Abb. 7. Strategische Landkarte zur Führungskräfteentwicklung
Rahmenfaktor Kostenentwicklung Hart stoßen sich die Dinge im Raum. Kompetenzentwicklung hört sich zunächst wie ein Vorhaben an, dem man nur vorbehaltlos zustimmen kann. In der Praxis sieht die Sache anders aus. Jeder weiß, dass bei periodisch hereinbrechenden Rotstiftorgien neben den Lohnkosten zuerst auch die Bildungskosten gekürzt werden. So zynisch es klingt: In vielen Unternehmen hat sich das hochgelobte Bildungscontrolling auf eine Kennzahl reduziert: Je niedriger der Teilnehmer-Tagessatz, desto besser. Auf deutsch: Je mehr Teilnehmer in je kürzerer Zeit durchgeschleust werden, desto besser fällt die Kennzahl aus. An dieser Stelle treten Kontrolle und Controlling in direkten Widerspruch: Je unternehmens-unspezifischer und praxisferner ein Kompetenztraining ist, desto schneller und kostengünstiger kann es angeboten werden. Ein Controlling im Sinne einer Qualitäts- und Transfersteuerung wird dadurch aber unmöglich gemacht. Im Endeffekt ist das auch eine Frage der Diskussion, die man führen möchte. Kosten- oder Qualitätsdiskussion? Die meisten Unternehmensführungen befürworten eine professionelle Kompetenzentwicklung auf strategischer Ebene. Auf operativer Ebene reiben sie ihre Personalentwickler jedoch in einer Kostendiskussion auf. Wer Monat für Monat hauptsächlich an Kostenkennzahlen gemessen wird, wirft nach und nach Control-
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Uwe Gottwald
ling-Steuerungsgrößen wie Praxisnähe, Lösungsorientierung, Unternehmensspezifität samt den etablierten Quality Gates über Bord. Natürlich muss die Kostendiskussion täglich geführt werden. Doch wenn nicht gleichzeitig die entsprechende Qualitätsdiskussion geführt wird, hat das Kompetenzmanagement in der gelebten Praxis kaum realistische Überlebenschancen. Die Frage lautet: Was ist für uns wichtiger? Die Kosten oder die Qualität? Der Tagessatz oder der Wirkungsgrad der Kompetenzentwicklung? 4.5
Steuerungselement Teilnehmer-Auswahl
Controlling, das heißt Steuerung, passiert in der Praxis. Vielleicht liegt es daran, dass so pragmatische Steuerungselemente wie die Teilnehmer-Auswahl oft übersehen werden. In der Bad Practice beteuert die Unternehmensleitung zwar die eminente Wichtigkeit von Kompetenzmanagement, überlässt es jedoch den Managern und Mitarbeitern, ob und wann sie die angebotenen Kompetenztrainings besuchen. Diese Art Steuerung der Teilnahme schlägt fehl, wie jeder Bildungspraktiker bestätigen kann. Unter dem Diktat des Dringlichen stellen termingestresste Manager und Mitarbeiter wirklich wichtige Dinge wie ein Kompetenztraining ganz hintan. Ziel und Zweck eines Kompetenztrainings muss jedoch sein, jene Manager und Mitarbeiter kompetenzmäßig fit zu machen, die das Unternehmen langfristig für Erfolg und Nachhaltigkeit benötigt. Im Klartext: Manager melden sich nicht selber zu Kompetenztrainings an, sondern werden von möglichst hoher Stelle davon eingeladen und nötigenfalls sanktioniert – damit am betreffenden Termin nicht „überraschend“ etwas dazwischen kommt. Das mag direktiv und trivial erscheinen. Doch wie die leidvolle Erfahrung zeigt, scheitert die hehre Theorie der Kompetenzentwicklung in der Praxis an solchen trivialen Controllingmängeln.
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der DB AG
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Die Programme der DB Akademie sind integraler Bestandteil des Führungskräfteentwicklungsprozesses Impulse zu Entwicklungsfeldern aus den Programmen der DB Akademie DB Akademie
Personalentwicklungsmaßnahmen
Portfolio der DB Akademie für die Entwicklungs- und Qualifizierungsmaßnahmen
Potenzialeinschätzung
Führungskräfteentwicklungsprozess (MPP)
Managementkonferenz
Feedback Rückmeldung
Qualifizierungsbedarf als Anforderung an das Angebot und die Gestaltung der Programme der DB Akademie
8
Abb. 8. Kreislauf des Führungskräfte-Entwicklungsprozesses
4.6
Weitere Steuerungsmöglichkeiten im Vorfeld
Vorab-Unterlagen Alle Bildungsveranstaltungen verlieren viel teure Zeit mit dem Vermitteln von Basiswissen, das eine Hälfte der Teilnehmer bereits hat und die andere Hälfte langweilt. Außerdem nimmt diese zeitraubende Nivellierung des Wissensniveaus der Teilnehmer dem eigentlichen Zweck eines Kompetenztrainings, der Problemlösung, zu viel Zeit weg. Deshalb empfiehlt sich E-Learning, Literatur oder spezielle Teilnehmerunterlagen, die den Teilnehmern wenige Wochen vor dem Kompetenztraining zur Bearbeitung ausgehändigt werden. Je stärker der Vorgesetzte dabei eine Lernpartner-Funktion übernimmt – Stichwort Vorgesetzter als Kompetenzentwickler – desto eher werden diese Unterlagen auch tatsächlich bearbeitet und ein gleichmäßiges Know-how-Ausgangsniveau erreicht. Praxisfälle und Präsentationen Wenn es in Kompetenztrainings hauptsächlich um Problemlösung und das Meistern von Herausforderungen gehen soll, dann sollten die Teilnehmer ihre aktuellen Probleme und Herausforderungen auch ins Training mitbringen und präsentieren. Die Auswahl und Aufbereitung von beidem ist eine geeignete Maßnahme zur
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Uwe Gottwald
Transfersicherung. Ein vorab zugesandter Leitfaden zur Vorbereitung der Präsentation hilft dabei. Diese simple Maßnahme zeitigt erfahrungsgemäß eine starke Wirkung, weil sie die Lernverantwortung der Teilnehmer immens steigert. Nichts an einem Training ist so interessant wie das Lösen der eigenen Probleme. Im International Management Programme arbeiten Geschäftsführer von Auslandsgesellschaften gemeinsam mit den Teilnehmern und Trainern an den Herausforderungen ihres Geschäfts
Gemeinsames Bearbeiten von 2 bis 4 aktuellen und
zukünftigen Herausforderungen des Geschäfts der Teilnehmer mit den Trainern und der Seminargruppe, z. B.: –
Markteintrittsstrategie Luftfracht Trans-Pazifik Route
–
Länderstrategie Frachtverkehr Skandinavien
–
Gestaltung IT-Organisation
Bedarfsorientierte Vermittlung von Management
Know-how
Analyse, Gestaltung, Steuerung und Entwicklung des Geschäftes und des Verantwortungsbereichs der Geschäftsführer von Auslandsgesellschaften
Diskussion mit einem Vorstandsmitglied Stinnes
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Abb. 9. Managemententwicklung anhand unternehmensstrategischer Herausforderungen
Vorgesetzten-Info Häufig wird das geringe Commitment der direkten Vorgesetzten der Teilnehmer an Kompetenztrainings beklagt. Das liegt oft nicht am bösen Willen, sondern schlicht an mangelnder Information: Wird parallel zur Einladung der Teilnehmer auch eine Information („Ihr Mitarbeiter X wird heute zu ... eingeladen.“) an die Vorgesetzten verschickt, können diese ihre Rolle als Co-Kompetenzentwickler viel eher gerecht werden. Der Kompetenz-Check Eine Woche vor Beginn des Kompetenztrainings wird ein Kompetenz-Check verschickt. Anhand dessen kann jeder Teilnehmer abchecken, auf welchen Kompetenzlevel er sich aktuell befindet. Der Check hilft ihm auch, sein Erwartungsniveau zu definieren: Was muss im Training geschehen, damit es aus seiner Sicht ein voller Erfolg wird?
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der DB AG
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Diese schriftlich formulierten Erwartungen schicken wir dann dem externen Referenten, damit dieser eventuell Feinkorrekturen an seinem Trainingskonzept vornehmen oder überzogene Erwartungen einzelner Teilnehmer schon in der Anwärmphase relativieren kann. Der Kompetenz-Check ist für den Trainer quasi ein Last-Minute-Steuerungsinstrument.
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Steuerungsmöglichkeiten bei der Durchführung In den OFK Management Programmen arbeiten die Führungskräfte intensiv an der realen Leadership-Praxis Praxisfälle Groß- und Kleingruppenarbeit
Erfahrungsaustausch Modul 1 Die FührungsPersönlichkeit Rolle als Führungskraft
Reflexion der persönlichen Wirkung
Modul 2 Führen in der unternehmerischen Veränderung Phasen im Veränderungsprozess
Change-Architektur
Nutzen von Feedback
Wahrnehmung und Kommunikation
Rolle in der Veränderung
Bedeutung der Emotionen
Überbringen heikler Nachrichten
Führungsrolle und Delegation
Eskalation und Deeskalation
Modul 3 Ergebnisorientierte Mitarbeiterführung Motivation und Leistung
Anerkennung und Kritik
Teamentwicklung
Beobachten, Wahrnehmen, Rückmelden
Umgang mit Konflikten
Potenzialeinschätzung
+ Kaminabend mit einem Mitglied des Konzernvorstandes Feedback, Selbstreflexion
Kollegiale Fallbearbeitung Rollenübungen, Perspektivwechsel 10
Abb. 10. Die reale Führungspraxis im Konzern als Fundament der ManagementEntwicklungsprogramme
In der Durchführungsphase von Kompetenztrainings empfehlen sich folgende praxiserprobten Instrumente: Ɣ Teilnehmer-Präsentationen (steigern Lernverantwortung und Transfer). Ɣ integrierte Workshops für ganz konkrete und komplexe Problemstellungen, die einen Großteil der Teilnehmer betreffen. Ɣ 3-Referenten-Modell: Es referieren sowohl externe Trainer als auch Teilnehmer und Mitglieder des Topmanagements, was den Praxisbezug immens erhöht Ɣ Projektarbeit zwischen zwei Modulen eines Trainings. Ɣ Case Studies und zwar nicht die allgemein üblichen, aber unternehmensunspezifischen Cases, sondern Cases aus dem eigenen Haus.
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Uwe Gottwald
Ɣ individuelles Trainerfeedback: Teilnehmer können sich unter vier Augen die Einschätzung ihres Kompetenzlevels vom externen Referenten abholen. Ɣ Abschlusstests: nicht sonderlich beliebt bei Teilnehmern, aber stark transfersichernd.
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Davor und danach: Der Entsendungs- und Reviewprozess
Das Kompetenzgespräch davor Der Entsendungs- und Reviewprozess ist ein weiteres Controllinginstrument des Kompetenzmanagements. Es besteht aus Gesprächen zwischen einem teilnehmenden Mitarbeiter und seinem Vorgesetzten, vor und nach einem Kompetenztraining. Das Vorgespräch dient der Ziel- und Erwartungsklärung. Es dient dazu, dass sich der Teilnehmer in spe über seine bewussten und unbewussten Erwartungen an das Kompetenztraining klar wird und dass der Vorgesetzte seine Entwicklungserwartung in Bezug auf konkrete Kompetenzen ansprechen und dafür Ziele vereinbaren kann. Das Steuerungspotenzial dieses Vorgesprächs ist evident: Je konkreter der Teilnehmer vor dem Training weiß, was von ihm erwartet wird, desto eher wird er dieser Erwartung nach dem Training gerecht. Vielen Controlling-Laien erscheint das ungewöhnlich: Controlling beginnt nicht erst nach Abschluss, sondern schon bereits vor einer Maßnahme.
Controllingansätze im Kompetenzmanagement bei der DB AG
Entsende- und Reviewprozess beim OMP der DB Akademie
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3 Phasen
Programme und Trainings der DB Akademie
Entsendung
Entsendegespräch
Lern- und Entwicklungsfelder aus MPP Zielsetzung der DB Akademie, des Programms und der Teilnahme (Vorgesetzter)
Review
Vorbereitung Follow up zwischen den Modulen Nachbereitung
Kontinuierliches Feedback
Erwartungen an die Teilnahme (Mitarbeiter)
Reviewgespräch
Lernerfolg
Umsetzungsplan
nächste Entwicklungsschritte
Gruppe Trainer Vorgesetzter Kollegen 11
Abb. 11. Entsende- und Reviewprozess
Das Development Center Vor allem in der Einführungsphase von Kompetenzmanagement dürften die Vorgesetzten mit dem Führen von Kompetenzgespräche möglicherweise überfordert sein. Hier empfiehlt sich in Anlehnung an das Assessment Center ein Development Center. Unter Einsatz standardisierter Messverfahren werden hierbei auch mit Unterstützung externer Experten die konkreten Entwicklungspotenziale der künftigen Teilnehmer ermittelt. Das Reviewgespräch danach Nach dem Kompetenztraining führen Vorgesetzter und Teilnehmer ein Reviewgespräch. Die Leitfrage: Was sind die Lessons Learned des Trainings? Aus den Antworten daraus wird der Transfer in die Praxis anhand konkreter Veränderungsvorhaben vorbereitet. Idealerweise schließt sich daran die Performance-Beobachtung durch den Vorgesetzten an: Was setzt der Teilnehmer vom Erlernten tatsächlich in seiner täglichen Praxis um? Was hat sich verbessert? Hat sich sein Besuch also gelohnt?
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Uwe Gottwald
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Weitere Steuerungsmöglichkeiten danach
Das Happy Sheet Der sogenannte Feedback-Bogen nach einem Training ist fast jedem bekannt. In der Praxis heißt er auch Happy Sheet, weil sich seltsamerweise in der Begeisterung direkt am Ende eines Trainings kaum ein Teilnehmer zu transferkritischen Äußerungen imstande sieht. Natürlich sollte man auf das Happy Sheet nicht verzichten. Allein schon deshalb, weil es inzwischen fast jeder Teilnehmer erwartet. Wer jedoch damit ernsthaft Controlling betreiben möchte, gleicht einem Angler, der eine Zaunlatte in den Fluss hält und allen Ernstes erwartet, dass ein Barsch darauf anbeißt. Es gibt genügend andere Controlling-Instrumente, die man ergänzend einsetzen sollte. Die Langzeit-Evaluation Die Langzeit-Evaluation misst ein halbes Jahre nach Trainingsende, was vom Erlernten noch präsent und was davon noch angewandt wird. Spätestens dieser Test erweist, wie gut das Controlling des Bildungsprozesses bis dahin war. War es gut, müssen nur geringe Korrekturen am Kompetenztraining vorgenommen werden, um den Langzeit-Transfer noch weiter zu stärken. War das Controlling bislang schlecht, ist vom vermittelten Stoff so gut wie nichts mehr in der Praxis übrig. Es erübrigt sich, darauf hinzuweisen, dass dies hauptsächlich in Unternehmen der Fall ist, die der Kostenseite des Kompetenztrainings ein unverhältnismäßig hohes Interesse schenken ... Kompetenz ist weniger eine Frage der Kosten als der Qualität. Lernplattformen Im Sinne eines Continuous Learning werden die Teilnehmer nach Trainingsende nicht alleingelassen, sondern treffen sich in Communities of Practice zum Erfahrungsaustausch, zur Transfersicherung und zum kollegialen Coaching zu konkreten Problemfällen.
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Fazit: Ein langer Weg
Die auszugsweise dargestellten Controllingansätze beim Kompetenzmanagement sind weder theoretisch komplex noch praktisch besonders aufwändig. Sie werden jedoch selbst im Segment der Corporate Universities, die gemeinhin als führend im Bildungsbereich gelten, nur von kaum 20 Prozent der Einrichtungen über den kompletten Wertschöpfungsprozess eingesetzt. Das liegt weniger am vorherrschenden Kostendruck und eher am bislang nur sporadisch vorhandenen Controllingbewusstsein in vielen Unternehmen: Controlling
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wird immer noch als Kontrolle missverstanden. Sein eigentlicher Steuerungscharakter im Prozess der Kompetenzentwicklung muss von der Mehrheit der Unternehmen und ihrer Manager erst noch entdeckt werden.
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Das Leadership-Kompetenzmodell der Dresdner Bank Gruppe
Bernd Span und Sascha Gechter 1
Einleitung
Die Dresdner Bank AG ist seit 2001 eine hundertprozentige Tochter der Allianz Gruppe und beschäftigt insgesamt ca. 24.000 Mitarbeiter. Die Dresdner Bank betreut mehr als 5,5 Millionen Kunden, davon deutlich mehr als 5 Millionen Privatsowie Private-Banking- und Geschäftskunden. Die Zahl der übrigen Kunden verteilt sich auf Groß- und multinationale Konzernkunden. Mit ihrem Programm "Neue Dresdner Plus" macht sich die Dresdner Bank fit für die Zukunft. Hierfür wurden drei strategische Initiativen gestartet: Die Initiative „Performance & Positionierung“ zielt auf eine Steigerung der Profitabilität und Forcierung des Wachstums ab. Mit der Initiative „Kundenfokus & Nachhaltigkeit“ konzentriert sich das Unternehmen darauf, immer im besten Interesse der Kunden zu handeln und effizient mit den Ressourcen zu wirtschaften. Die Initiative „Leadership & Team Excellence“ schließlich sorgt dafür, dass Führungskräfte die richtige Balance zwischen Fordern und Fördern zu finden und gemeinsam mit ihren Teams Höchstleistung bringen. Ausgehend von den strategischen Impulsen und Zielsetzungen der Dresdner Bank Gruppe entstand die Notwendigkeit, die Führungskräfte-Entwicklung dergestalt anzupassen, dass genau diese unternehmerischen Perspektiven eindeutig abgebildet und damit gezielt gefördert werden. Ein organisationsweites Kompetenzmodell sollte somit die Abbildung von strategisch erfolgskritischen Kompetenzfeldern in der operativen Management-Entwicklung, -Auswahl und -Besetzung sichern und somit das „Connecting Link“ zwischen Unternehmensstrategie auf der einen und konzeptioneller und praktischer Führungskräfteentwicklung auf der anderen Seite sicherstellen. Das Kompetenzmodell wurde in diesem Zusammenhang als ein maßgebliches Instrument zur Erlangung und Sicherung einer High Performance Culture verstanden.
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Prämissen eines firmenweit gültigen Leadership-Kompetenzmodells
Es existierten unterschiedliche Prämissen und unternehmerische Voraussetzungen, die bei der Entwicklung eines Dresdner Bank spezifischen Kompetenzmodells Berücksichtigung finden sollten. Zum einen gab es unternehmerische Aspekte, die Eingang finden sollten. Da die Dresdner Bank im Jahre 2001in die Allianz Gruppe integriert wurde, galt es neben der strategischen Ausrichtung der Dresdner Bank ebenso strategische Implikationen der Allianz Group zu berücksichtigen. Die Allianzstrategie „3 + 1“ fand genauso Einzug in die neu zu definierenden Kompetenzen der Dresdner Bank, wie die Leadership Values und das Modell der General Management Skills der Allianz Gruppe. Es stellte sich zu Beginn des Projektes die Frage, inwieweit das Modell der Allianz-Leadership Skills nicht unmittelbar übertragbar wäre auch auf die Dresdner Bank AG. Schnell kam das Projektteam zu dem Ergebnis, dass zwar grundlgende Impulse aus dem Allianz-Modell abzuleiten sind, das Geschäftsmodell einer Bank (trotz Berücksichtigung aller Synergiepotenziale) zum Teil jedoch zusätzliche Implikationen für die Ableitung erfolgskritischer Kompetenzfelder erfordert. Außerdem war es von erheblicher Relevanz, dem neuen Kompetenzmodell expliziten Raum für die Abbildung der Strategie sowie des Markenimages der Dresdner Bank bereit zu stellen. Zum anderen war es wichtig, von Beginn an die Zielsetzung des späteren Kompetenzmodells im Auge zu behalten und davon ausgehend, die wesentlichen Struktur- und Inhaltsparameter des Modells abzuleiten und innerhalb des Entwicklungsprozesses entsprechend zu berücksichtigen. Die Zielsetzung des Projektes war es, ein Kompetenzmodell für die Managementebenen der Dresdner Bank zu entwickeln, welches für möglichst alle HR-Managementprozesse herangezogen werden kann, sprich ein feingliedriges Baukastensystem, das eine breite und hochgradig ausdifferenzierte Datenbasis – Competency-Set – abbildet in der sämtliche Verhaltens- und Einstellungsbeschreibungen vorgehalten werden, und aus der je nach situativer Notwendigkeit Einzelbausteine entnommen und angewendet werden können. Ziel war es, ein Competency-Set zur Verfügung zu stellen, auf welchem sämtliche im Rahmen eines klassischen Life-Circles einer Führungskraft eingesetzte HR-Module (Auswahl, Entwicklung, Succession Management etc.) fußen können. Aus diesem Grund war es notwendig, ein klar strukturiertes, eingängiges und gleichsam differenziertes Modell zu generieren, welches bis auf operationalisierte Verhaltens- und Einstellungsbeschreibungen hinunter reicht. Wenn ein Modell auf detaillierte Weise die erfolgskritischen Kompetenzen im täglichen Doing wiedergeben soll, dann gewinnt eine ebenen- bzw. Managementlevel spezifische Ausdifferenzierung der jeweiligen Kompetenzen an Gewicht. So beschreibt beispielsweise das Kompetenzfeld Veränderungsmanagement für ein Vorstandsmitglied andere Vorgehens- und Verhaltensweisen, Erfahrungswerte und Wissenskomponenten als für einen Filialleiter im Markt.
Das Leadership Kompetenzmodell der Dresdner Bank Gruppe
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Abb. 1. Kompetenzdimension Veränderungsmanagement beispielhaft über die Managementebenen operationalisiert
Natürlich ließe sich auch ein Kompetenzmodell entwickeln, welches unternehmensweite Gültigkeit für alle Managementebenen und -funktionen gleichermaßen besäße. Allerdings bestünde dann die Notwendigkeit, die Verhaltens- und Einstellungsoperationalisierungen deutlich abstrakter und generöser zu formulieren. Spätestens dann, wenn es darum gegangen wäre, die Kompetenzbeschreibungen in Instrumenten des Management-Developments oder anderer HR-Applikationen anzuwenden, hätte eine entsprechende ebenen-spezifische Anpassung stattfinden müssen. Diesem Schritt sollte das Kompetenzmodell der Dresdner Bank zuvor kommen und von vornherein ein Modell zur Verfügung stellen, aus welchem für die jeweiligen HR-Module die relevanten Operationalisierungen je Managementlevel unmittelbar herausgenommen und in die Prozesse integriert werden konnten. Hieraus entstand das Zielbild des ausdifferenzierten Baukastensystems, welchem für die jeweils spezifische Anwendung Kompetenzbeschreibungen entnommen werden, ohne größere Adaptionen vornehmen zu müssen. In Vergleichsstudien finden sich immer wieder drei Grundmodelle: Ɣ Hierarchieübergreifend identisches Kompetenzmodell für die Gesamtunternehmung Ɣ Identisches Kompetenzmodell, welches je nach Managementlevel durch ein entsprechendes quantitatives Sollprofil differenziert wird (Soll-Graph entlang der Kompetenzdimensionen als geforderte Soll-Ausprägung) Ɣ Unterschiedliche Kompetenzmodelle für die verschiedenen Managementlevel, also Modelldifferenzierung bereits auf Ebene der Kompetenzdimensionen. Die im Falle der Dresdner Bank gewählte vierte Option des unternehmensweit einheitlichen Kompetenzmodells mit ebenenspezifischen Soll-Profilen, die durch unterschiedliche Beschreibung auf Ebene der Verhaltensoperationalisierungen geschaffen werden (also qualitativer und nicht quantitativer Natur sind), ist noch relativ wenig verbreitet, stellt jedoch ohne Zweifel die Zukunft der ModellLandschaft dar. Die Vorteile dieser Modellstruktur liegen auf der Hand und lassen dadurch die Nachteile der anderen Varianten offenkundig werden. Die erste aufgeführte Alternative eines vollständig einheitlichen Modells über alle Managementebenen hinweg ignoriert die z. T. grundlegend unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Managementhierarchien. Um dieser unterschiedlichen Anforderungsstruktur gerecht zu werden, münden solche Modellansätze häufig in sehr abstrakt und eher allgemeingültig formulierten Kompetenzdarstellungen. Die
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Bernd Span und Sascha Gechter
Kompetenzbeschreibungen müssen genügend breiten Interpretationsspielraum bieten, damit Führungskräfte unterschiedlichster Verantwortungsbreite und Funktionszuordnung sich wieder finden können. Das Kompetenzmodell büßt deutlich an Orientierungs- und Steuerungskraft ein. Die zweite Alternative ist bestimmt durch die Idee quantitativer Sollprofile. Entlang eines übergreifend gültigen Kompetenzmodells werden je Managementlevel (häufig auch zusätzlich für definierte Funktionscluster) numerische Sollprofile gebildet, um hierdurch einzelne Kompetenzdimensionen zu fokussieren und in ihrer spezifischen Bedeutung für die jeweilige Ebene hervorzuheben. Der Vorteil dieser Modellvariante besteht zunächst darin, dass Kompetenzprioritäten je nach ebenenspezifischer Anforderungsstruktur gebildet werden können. Allerdings zeigt sich in der praktischen Anwendung doch immer wieder, dass eine allein wirkungsstärkenbezogene Differenzierung nicht ausreicht, um den klar unterschiedlichen Kompetenzanforderungen der verschiedenen Managementhierarchien gerecht zu werden. So geht es doch häufig darum, gleiche Kompetenzen nicht einfach besser sondern vielmehr anders zu beherrschen. Veränderungsmanagement professionell und erfolgreich innerhalb eines Teams von 8 Mitarbeitern zu realisieren setzt – zumindest zu einem großen Teil – andere Fähigkeiten und Wissenskomponenten voraus, als das effektive managen von Veränderungen innerhalb einer Geschäftseinheit von 8000 Mitarbeitern. Dieser Erkenntnis wird ein rein auf quantitative Sollprofile abgestimmtes Kompetenzmodell nicht gerecht. Die dritte Alternative wird dem Ruf nach spezifischen Kompetenzanforderungen je Managementlevel am umfänglichsten gerecht. Sie differenziert nämlich bereits bei der Zusammenstellung der Kompetenzen. Somit existiert für jede Managementhierarchie ein eigenes Kompetenzmodell mit einer eigenen Kompetenzzusammenstellung. Der gravierendste Nachteil besteht bei dieser Modellvariante allerdings darin, dass die gemeinsame Klammer fehlt, dass es kein Strategic Alignment gibt – also die eindeutige Kausalität zwischen Unternehmensstrategie und Kompetenzmodell bei entsprechender Variantenvielfalt nicht unmittelbar ersichtlich ist – dass die Durchlässigkeit zwischen den hierarchie-abhängigen Modellen abnimmt und dass es grundlegend schwer fällt, plausibel zu begründen, warum die eine Führungsebene einige Kompetenzdimensionen (z.B. Überzeugungsund Durchsetzungskraft) benötigt, die nächste Ebene diese jedoch überhaupt nicht repräsentieren muss. Die Modellstruktur der Dresdner Bank Gruppe stellt keinen Kompromiss aus den oben aufgeführten Alternativen dar, sondern vielmehr eine gezielte Kombination der Vorteile der einzelnen Modellvarianten. So liefert es zum einen einen einheitlichen Rahmen an Kompetenzdimensionen, der identisch über alle Managementlevel ist. Diese Zusammenstellung von 17 Kompetenzen hat einen klar strategischen Bezug, da sowohl die Unternehmensstrategie der Konzernmutter Allianz, genauso wie die der Dresdner Bank eine maßgebliche Quelle der Ableitung darstellten. Zum anderen werden die Kompetenzen in beobacht- und fassbaren Competencies bzw. Operationalisierungen konkret beschrieben, so dass auf dieser
Das Leadership Kompetenzmodell der Dresdner Bank Gruppe
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Körnungsebene eine klare Differenzierung zwischen den Managementebenen erfolgt. Eine weitere Prämisse war der Wunsch, ein – im Abgleich mit dem Markt – Benchmark-fähiges Kompetenzmodell zu schmieden. Neben all den internen Bedingtheiten und Ableitungsquellen sollte der Benchmark-Gedanke nicht zu kurz kommen. Fragen, welche dieser Zielstellung zugrunde lagen, waren bspw.: „Was prägt Kompetenzmodelle anderer erfolgreicher Finanzinstitute im Markt?“; „Welche Struktur, welcher Modellaufbau und welche Beschreibungstiefe kennzeichnen die Abbildungen weiterer Best Practice Unternehmen?“; Was gilt es von Best-Performing-Organizations außerhalb der Finanzbranche diesbezüglich zu lernen?“ etc. Somit ergeben sich folgende Prämissen, die von vornherein als gesetzte Leitplanken der Entwicklung eines Leadership Kompetenzmodells der Dresdner Bank Gruppe zugrunde gelegt wurden: Ɣ Die Oberflächenebene (Kompetenzkategorien) sollte sich semantisch und inhaltlich aus den Allianz Leadership Skills ableiten. Ɣ Klare Berücksichtigung strategischer Leitsätze und -ideen der Dresdner Bank AG. Ɣ Schaffung eines ebenenspezifischen Modells – also eines umfassenden Baukastens, aus welchem anforderungsgerecht die einzelnen Operationalisierungen adaptionsfrei entnommen werden können. Ɣ Sicherung eines Benchmark-fähigen Modells.
3
Entwicklung und Ableitung des Leadership-Kompetenzmodells
Neben der Berücksichtigung der genannten Quellen zur Ableitung eines strategisch stimmigen Kompetenzmodells war für die Definition einer effektiven Projektstruktur wichtig, die entscheidenden Personen zusammen zu bringen und an dem Entwicklungsprozess teilhaben zu lassen. So wurden ein Kern- sowie ein erweitertes Projektteam gebildet. Darüber hinaus wurde ein Sponsorenkreis etabliert aus Entscheidungsträgern des Dresdner Bank Top-Managements. Das Kernteam (bestehend aus Mitgliedern des Bereichs Leadership Development sowie aus Beratern von Kienbaum) war für die maßgebliche inhaltliche Erarbeitung, das erweiterte Team (Linienführungskräfte und HR-Mitglieder der Business Units) für das Review der Inhalte und der Sponsorenkreis für die Verabschiedung der Konzepte, Modellstrukturen und inhaltlichen Kompetenzbeschreibungen zuständig. Die schlussendliche Verabschiedung wurde durch den Gesamtvorstand vorgenommen.
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Bernd Span und Sascha Gechter
Der Entwicklungsprozess basierte auf drei maßgeblichen methodischen Säulen: Ɣ Hierarchieübergreifende Interviews zur differenzierten Diskussion erfolgskritischer Aufgaben und daraus abgeleiteter Kompetenzen. Ɣ Hierarchiebezogene Workshops zur konzentrierten Definition von levelbezogenen Kernaufgaben und entscheidenden Kompetenzfeldern. Ɣ Benchmarking zur Absicherung des Abgleichs mit wettbewerbsbezogenen und branchenübergreifenden Best Practices. 3.1
Interviewprozess
Zwei Schwerpunkte standen bei der Planung des Interviewprozesses im Fokus; zum einen die methodisch differenzierte Erhebung erfolgskritischer Kompetenzen, zum anderen die Auswahl der Interviewpartner. Das Interviewmodell bestand aus primär zwei Phasen. Phase 1 galt der Erhebung von funktions- und ebenenspezifischen Kernaufgaben, welche den Arbeitsalltag bestimmen und im Endeffekt über den maßgeblichen Erfolg der Tätigkeit entscheiden (Key Task- und Critical Incident-Methode). In der 2. Phase ging es dann um die Ableitung von Kompetenzen, die erfolgskritischen Charakter für die identifizierten Kernaufgaben und -situationen besitzen, sprich über Erfolg und Misserfolg in der jeweiligen Kernaufgabe entscheiden. Hierbei geht es im Interview um die eher ungezwungene Darstellung von erfolgsbezogenem Verhalten und Erfahrungswissen sowie um entscheidende Einstellungen und Motive. Im Rahmen des Interviews steht nicht im Fokus, unmittelbar druckreife Kompetenzbeschreibungen zu formulieren. Die Komprimierung in Kompetenzfelder und kritische Verhaltensbeschreibungen geschieht bei der Zusammenfassung und Aggregation aller geführten Interviews je Managementlevel. Entscheidend war im Rahmen der Interviews die möglichst trennscharfe Differenzierung zu den jeweils angrenzenden Managementebenen, um im Endeffekt ein Modell sicherstellen zu können, welches ebenenspezifische Erfolgskompetenzen abbildet. Hierin bestand eine der wesentlichen Aufgaben innerhalb der Interviews: das Herauskristallisieren der kompetenzbasierten Schnittstellen zu den nach oben wie nach unten angrenzenden Managementlevel. Das Entwickeln und Beschreiben entscheidender Erfolgskompetenzen für die jeweilige Ebene im Dresdner Bank Management stellt den Garanten dafür dar, nicht in ein abstraktes, allgemeingültiges Modell abzugleiten. Beide Phasen wurden aus der heutigen Sicht, vor allem aber immer auch unter strategischer Perspektive betrachtet, um zu gewährleisten, dass auch künftige Anforderungen durch eine Projektion auf heutige Tätigkeitsfelder abgebildet werden können. Von Beginn an bestand das Ziel darin, ein strategiegeleitetes Kompetenzmodell zu kreieren, sprich unternehmensstrategische Prämissen abzubilden, um in der späteren Modellanwendung gezielt auf diese hin einstellen, ausbilden und weitere HR-Prozesse gestalten zu können.
Das Leadership Kompetenzmodell der Dresdner Bank Gruppe
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Die Interviews wurden sowohl mit allen Vorstandsmitgliedern, als auch mit einer repräsentativen Anzahl von Mitgliedern der folgenden drei Managementebenen geführt. Für die Auswahl der Interviewpartner war vor allem die Performance, das Leistungspotenzial und nachgewiesene Erfolge der jeweiligen Führungskräfte entscheidend. Da es darum ging, Erfolgstreiber-Kompetenzen mit klarer Performancerelevanz zu beschreiben, kam der Auswahl der richtigen Interviewpartner eine entscheidende Rolle zu. Die Interviews wurden jeweils durch ein Mitglied des Projektkernteams sowie durch einen Berater von Kienbaum geführt. 3.2
Workshops
Auch die Gruppenworkshops mit 10–14 Mitgliedern eines Managementlevels zielten darauf ab, ebenenspezifische Erfolgskriterien heraus zu arbeiten, um diese im Nachfeld in Kompetenzbeschreibungen zu konkretisieren. Ähnlich des Vorgehens im Einzelinterview ging es auch hierbei zunächst darum, Kernaufgaben und erfolgskritische Situationen im beruflichen Managementalltag zu beschreiben und daraus abgeleitet gemeinsam – in freien und moderierten Diskussionsprozessen – Erfolgskompetenzen abzuleiten. Immer ging es hierbei auch explizit um die Klärung der Frage, welche Kompetenzen sich in welcher Form von Kompetenzkriterien angrenzender Managementebenen unterscheiden und wie genau eine reale Differenzierung aussieht. 3.3
Benchmarking
Wie häufig in Projekten mit unternehmensstrategischer Reichweite, wurde die Anforderung formuliert, externe Markt-Benchmarks in den Entwicklungsprozess mit einzubeziehen. Es ging hierbei in erster Linie darum, Best-Practice Modelle zu betrachten, im Kernteam zu diskutieren und im Abgleich mit den eigenen Kompetenzen zu analysieren, ob Wesentliches übersehen bzw. vernachlässigt wurde. Hierzu wurde zum einen das General Management Kompetenzmodell von Kienbaum herangezogen. Das Modell von Kienbaum unterliegt einem stetigen Benchmark- und Adaptionsprozess. Ein kontinuierlich stattfindender Vergleichsprozess mit branchenübergreifenden Kompetenzmodellen (im Jahre 2005 mit 64 überdurchschnittlich performenden Unternehmen aus DAX30 und M-DAX) sowie der fortlaufenden Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse und Entwicklungen aus der Management-Forschung sichern ein Modell mit State of the Art-Charakter. Zum anderen wurde eine zusätzliche Stichproben-Analyse unter maßgeblichen Wettbewerbern im Finanzdienstleistungsbereich vorgenommen. Beide Ansätze bildeten die Grundlage für den Benchmarking-Prozess im Rahmen der Entwicklung eines übergreifenden Kompetenzmodells für die Dresdner Bank Gruppe. Wie bereits eingangs erwähnt, bestand einer der Ableitungsparameter darin, eine möglichst ähnliche Oberflächenstruktur zum Allianz-Modell zu erschaffen. Allerdings wurde schnell deutlich, dass nicht alle erhobenen Erfolgskompetenzen sich in die Modelloberfläche der Allianz Gruppe integrieren lassen. Somit wurde neben den vier Kompetenzfeldern Unternehmerische Kompetenz, Führungskompetenz,
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Kommunikationskompetenz und Geschäftskompetenz noch der Bereich Persönliche Einstellung und Motivation hinzugefügt. In diesem finden sich die Kompetenzen Leistungsorientierung, Verantwortungsbewusstsein, Belastbarkeit, Selbstbewusstsein und Entwicklungswille wieder. Hierbei handelt es sich um stark einstellungs- und persönlichkeitsbedingte Aspekte, welche die eigentlichen Basisvoraussetzungen für die darüber liegenden verhaltensbezogenen Kompetenzbeschreibungen bilden. Diese Kompetenzen erfuhren ebenenübergreifend die gleiche Operationalisierung, da bspw. die Einstellung zum Erfolg, die persönliche Ambition und Leistungsmotivation unabhängig des Managementlevels beim Filialleiter einen ebenso erfolgskritischen Charakter besitzen, wie bei einem Bereichsleiter im Konzerncontrolling.
Abb. 2. Strategisches Leadership Kompetenzmodell der Dresdner Bank AG
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Parallelentwicklung eines Potenzialmodells
Das Leadership-Kompetenzmodell der Dresdner Bank AG beschreibt, wie obenskizziert, auf sehr differenziertem Niveau, die Anforderungen je Managementlevel aus heutiger und strategischer Perspektive. Allerdings war von Beginn an definiert, dass es weiterer Schritte bedarf, um Indikatoren zu identifizieren, die aus heutiger Perspektive bereits Aufschluss über das Fähigkeitspotenzial eines Kandidaten in der Zukunft ermöglichen. Hierin bestand die Zielsetzung der Ableitung und späteren Nutzung von Potenzialindikatoren. Sie sollen im Development- und Nachfolgeplanungs-Prozess die Grundlage für die Identifikation von Kandidaten bilden, welche das entsprechende Potenzial für die jeweils nächsthöhere Management-Ebene besitzen. Zurzeit wird
Das Leadership Kompetenzmodell der Dresdner Bank Gruppe
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ein entsprechendes Konzept erarbeitet und die bereits diskutierten Grundzüge sollen im Folgenden näher beleuchtet werden. Grundgedanke stellt hierbei die Trennung und Differenzierung von Performance und Potenzial dar: Ɣ Performance: Aktuelle Leistung in der jetzigen Funktion. Ɣ Potenzial: Vermutete Leistung in einer zukünftigen (vertikal höher angesiedelten) Position. Benchmark-Analysen haben ergeben, dass Eigenschaften und Verhaltensweisen existieren, die Erfolgstypologien ebenenübergreifend auszeichnen. Ähnlich zeichnet sich dies auch innerhalb der Dresdner Bank ab. Allerdings variiert die Bedeutung der einzelnen Potenzialindikatoren in Abhängigkeit von der Managementebene. Zieht man bspw. die beiden durchaus als potenzialstark zu betrachtenden Kompetenzfelder „Personal Impact“ (Authentizität in der persönlichen Wirkung; Klarheit der persönlichen Werte und Einstellungen; Offenheit und Lernbereitschaft; Ehrgeiz zur eigenen Veränderung und Entwicklung) und „Führungsanspruch/-fähigkeit“ (Führungsmotivation; Natürliche Autorität; Verantwortungsübernahme; Selbstverständlichkeit von Führung; Fähigkeit, andere zu entwickeln und zu fördern; Integrität und Ehrlichkeit) heran, ergeben sich u. a. folgende Implikationen: Ɣ Der Indikator Personal Impact bekommt eine höhere Relevanz, je größer die Wirkungsbreite einer Führungskraft ist, je stärker sie in der Öffentlichkeit steht; allgemein gesprochen, je höher sich die persönliche „Hebelwirkung“ in und außerhalb einer Organisation darstellt. Die persönliche Präsenz, das vertreten stabiler Werte und die eigene überzeugende Ausstrahlung werden wichtiger, je stärker bzw. tiefer der organisatorische Durchdringungsgrad ist, den eine Führungskraft zu verantworten hat. Da der Wirkungsgrad mit steigendem Hierarchielevel in der Regel zunimmt (innerhalb wie außerhalb der Organisation), gewinnt der Bereich des Personal Impacts sukzessive an Bedeutung. Ɣ Das Feld des persönlichen Führungsanspruchs verliert zwar je höher ein Manager in der Hierarchie steigt nicht per se an Bedeutung, allerdings hat er diesen auf den Ebenen zuvor bereits bewiesen. Bevor ein Mitarbeiter das erste Mal in eine Führungsposition eintritt, hatte er in der Regel zuvor kaum Gelegenheit, seinen Führungsanspruch zu belegen, weshalb dieser Indikator auf der untersten Managementebene mit zur bedeutendsten Größe im Potenzialerhebungs-Kontext wird. Die Idee ist, die herausgearbeiteten Potenzialindikatoren u. a. für jede der Management-Ebenen in Leitfragen zu operationalisieren und diese zur Strukturierung des Potenzialerkennungsprozesses zu nutzen: Führungskräfte erhalten somit inhaltliche Richtlinien, anhand derer eine erste grobe Einschätzung vorgenommen werden kann, inwieweit bzw. welche Mitarbeiter mögliches Potenzial für eine nächst höhere Managementebene besitzen.
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Abb. 3. Ausschnitt eines möglichen Leitfragen-Katalogs zur Potenzialermittlung
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Weitere unternehmerische Anwendungsfelder des Kompetenzmodells
Um die strategische Wirkkraft des neuen Kompetenzmodells entfalten zu können, wurde von Beginn an als Ziel formuliert, die unterschiedlichsten Prozesse und Applikationen innerhalb des Management Developments, der Rekrutierung und Besetzung von Managementpositionen innerhalb der Dresdner Bank Gruppe mit den Inhalten des strategischen Kompetenzmodells zu vernetzen.
Abb. 4. Quellen und Wirkungsbreite des strategischen Kompetenzmodells
So wurde bspw. unmittelbar nach Definition und Abstimmung des Kompetenzmodells das Senior Leadership Program, ein 18monatiges Entwicklungsprogramm für zuvor im Rahmen des Senior Leadership Asessment Centers ausgewählte L2Nachwuchskräfte, konkret anhand des Kompetenzmodells neu entwickelt. Der Prozess sowie die jeweiligen Bausteine des erwähnten Assessment Centers sind
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ebenfalls so angelegt, dass sie genau die Items des Kompetenzmodells sichtbar werden lassen, die als erfolgskritisch für die Managementebene L2 anzusehen sind. Zur Potenzialevaluierung von für die L1-Ebene vorgeschlagenen Kandidaten wird das so genannte Top-Interview durchgeführt. Hieran nehmen neben der Nachwuchskraft jeweils ein Vorstandsmitglied, der Leiter des Bereichs Group Leadership Development sowie ein externer Berater teil. Auch dieser Prozess wurde komplett an das neu kreierte Kompetenzmodell angepasst. Spezifische Fachkompetenz werden von dem jeweiligen Fachbereich ergänzt und beziehen sich auf die funktionsspezifischen Kompetenzen, welche die fachlichen Details einer Stelle kennzeichnen. Die Ableitung und Definition dieser liegt in der jeweiligen Linienverantwortung. Das neue Kompetenzmodell dient heute als erfolgreicher Transmitter zwischen strategischer Neuausrichtung der Dresdner Bank und operativer DevelopmentArbeit im Unternehmen. Sukzessive erhalten die definierten Kompetenzen Einzug in die relevanten HR-Applikationen, um zum einen Development- und Auswahlrelevante Prozesse stärker strategisch zu alignen. Zum anderen geht es aber ebenso darum, das Selbstverständnis einer jeden Führungskraft innerhalb der Dresdner Bank stärker an den Kompetenzen und deren Operationalisierungen auszurichten und damit ein Managementverhalten zu sichern, das konsequent dazu beiträgt, die ausgewiesene Strategie zu fördern und in der vorgegebenen Zeit zu realisieren.
Autorenverzeichnis
Beatrix Behrens Behrens, Beatix, Bundesagentur für Arbeit
Hans-Jörg Bullinger Bullinger, Hans-Jörg, Präsident, Fraunhofer-Gesellschaft
Sascha Gechter Gechter, Sascha, Mitglied der Geschäftsleitung Kienbaum Management Consultants
Uwe Gottwald Gottwald,Uwe, Deutsche Bahn AG, Geschäftsführer DB Akademie
Dr. Walter Jochmann Jochmann, Walter, Vorsitzender Geschäftsführer Kienbaum Management Consultants
Markus John John, Markus, Bentler AG
Dieter Jurgens Jurgens, Dieter, Leitung Corporate HR, RWE AG
Michael Kühn Kühn, Michael, Bundesagentur für Arbeit
Dr. Martin Meyer Dr. Meyer, Martin, Leiter des Personalmarketings, Porsche AG
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Autorenverzeichnis
Dr. Christoph Nienaber Nienaber, Christoph, Capgemini Deutschland GmbH
Dr. Jürgen Radomski Radomski, Jürgen Dr., Personalvorstand der Siemens AG
Lutz von Rosenstiel von Rosenstiel, Lutz, Inhaber des Lehrstuhls für Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Universität München
Holger Rust Rust, Holger, Leiter des Zentralen Personalmanagements, Porsche AG
Bernd Span Span, Bernd, Leitung Personal, Dresdner Bank AG
Ulrich Weber Weber, Ulrich, Vorstand Personal, RAG