Sebastian Atzert Strategisches Prozesscontrolling
GABLER RESEARCH
Sebastian Atzert
Strategisches Prozesscontrollin...
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Sebastian Atzert Strategisches Prozesscontrolling
GABLER RESEARCH
Sebastian Atzert
Strategisches Prozesscontrolling Koordinationsorientierte Konzeption auf der Basis von Beiträgen zur theoretischen Fundierung von strategischem Prozessmanagement
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation TU Chemnitz, 2010
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Stefanie Loyal Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2965-5
Vorwort Die wachsende Bedeutung prozessorientierter Unternehmensstrukturen stellt das strategische Management vor vielfältige neue Herausforderungen. Entsprechend sollten auch die Konzepte und Methoden des strategischen Controllings an die veränderten Bedürfnisse des Managements in Prozessorganisationen angepasst werden. Vor diesem Hintergrund entstand die vorliegende Arbeit, die im Dezember 2010 von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität Chemnitz als Dissertation angenommen wurde. Gegenstand ist die Entwicklung einer Konzeption für das strategische Prozesscontrolling auf der Grundlage von theoretischen Überlegungen zum strategischen Prozessmanagement. Der erfolgreiche Abschluss dieses Promotionsvorhabens wäre nicht ohne die Hilfe weiterer Personen möglich gewesen, denen ich an dieser Stelle zu großem Dank verpflichtet bin. Der erste Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Uwe Götze, der durch viele wertvolle und kritische Anmerkungen sowie ständige Diskussionsbereitschaft das Gelingen dieser Arbeit ermöglicht hat. Auch Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Prehm sei hiermit ganz herzlich für die Erstellung des Zweitgutachtens gedankt. Der größte Dank gilt jedoch meinen Eltern Margarete und Dr. Joachim Atzert, ohne deren uneingeschränkte und umfassende Unterstützung ich mein Studium nicht bis zur erfolgreichen Promotion hätte führen können. Sebastian Atzert
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis.............................................................................................. XV Tabellenverzeichnis................................................................................................ XVII
A Einleitung ................................................................................................................... 1 1 Problemstellung und Zielsetzung ...................................................................... 1 2 Gang der Untersuchung .................................................................................... 7
B Grundlagen des Prozessmanagements .................................................................. 11 1 Prozesse und Prozessorganisation................................................................... 11 1.1 Entwicklung von Prozessorganisation und Prozessmanagement ................ 11 1.2 Zum Begriff und Wesen des Prozesses........................................................ 14 1.2.1 Definition ....................................................................................... 14 1.2.2 Prozessebenen ................................................................................ 17 1.2.3 Weitere Klassifizierung von Prozessen ......................................... 19 1.3 Das Unternehmen als Gefüge von Prozessen .............................................. 21 2 Management von Prozessen ............................................................................ 25 2.1 Grundlagen der Unternehmensführung........................................................ 25 2.1.1 Managementbegriff und -inhalte.................................................... 25 2.1.2 Zum Begriff des Führungs- bzw. Managementsystems ................ 32 2.2 Begriff und Inhalte des Prozessmanagements ............................................. 34 2.2.1 Continuous Improvement und Reengineering: Grundlagen des Prozessmanagements ..................................................................... 34 2.2.2 Definition und Abgrenzung von Prozessmanagement................... 35 2.2.3 Multidimensionalität der prozessbezogenen Führungsgrößen ...... 38 2.2.3.1 Beispiele für prozessbezogene Führungsgrößen .............. 40
VIII
Inhaltsverzeichnis
2.2.3.2 Prozesskosten als Führungsgröße im Prozessmanagement ......................................................... 42 2.2.3.3 Qualität und qualitätsbezogene Führungsgrößen im Prozessmanagement ......................................................... 44 2.2.3.4 Zeitbezogene Führungsgrößen im Prozessmanagement .. 47 2.2.4 Prozessmanagement als kybernetisches Prinzip ............................ 49
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling .......... 53 1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements ...................................... 53 1.1 Strategie und strategisches Management ..................................................... 53 1.2 Gestaltungsrahmen für das strategische Prozessmanagement ..................... 59 1.2.1 Ziele im strategischen Prozessmanagement................................... 60 1.2.2 Strategiefelder des strategischen Prozessmanagements ................ 64 1.2.2.1 Ebene der prozessbezogenen Strategieformulierung ....... 64 1.2.2.2 Entscheidungsfelder für die inhaltliche Ausgestaltung von Prozessstrategien ....................................................... 67 1.2.2.3 Weitere Kennzeichnung und Besonderheiten der Prozessstrategieformulierung ........................................... 80 1.2.3 Prozess und Instrumente des strategischen Prozessmanagements: Empfehlungen und Gestaltungsansätze ..... 82 1.2.4 Kritische Würdigung der Gestaltungsempfehlungen und Fragestellungen für die Erklärungsebene....................................... 86 2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements ..................... 88 2.1 Kennzeichnung des Market-based View ..................................................... 88 2.1.1 Das Structure-Conduct-Performance-Paradigma als Grundlage des Market-based View .................................................................. 88 2.1.2 Der Ansatz von Porter .................................................................... 90 2.1.2.1 Analyse der Branche ........................................................ 91
Inhaltsverzeichnis
IX
2.1.2.2 Strategieoptionen ............................................................. 93 2.1.2.3 Das Konzept der Wertkette .............................................. 97 2.2 Strategisches Prozessmanagement aus marktorientierter Perspektive ...... 101 2.2.1 Strategisches Prozessmanagement und die Branchenstrukturanalyse .............................................................. 101 2.2.2 Strategisches Prozessmanagement und die Wertkette ................. 102 2.2.3 Konzept der generischen Strategien und strategisches Prozessmanagement ..................................................................... 104 2.2.3.1 Prozesse als Instrument zur Erreichung der Kostenführerschaft ......................................................... 104 2.2.3.2 Möglichkeiten zur Differenzierung in der Prozessorganisation ........................................................ 108 2.2.3.3 Prozesse bei der Konzentration auf Schwerpunkte ........ 115 3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements ..... 116 3.1 Grundlagen des Resource-based Views ..................................................... 116 3.2 Die Kompetenzorientierung im Resource-based View ............................. 120 3.2.1 Grundlagen und Terminologie ..................................................... 120 3.2.2 Strategisches Management vor dem Hintergrund der Kompetenzorientierung ................................................................ 124 3.2.3 Dynamic capabilities und organisationale Fähigkeiten im Kontext des strategischen Managements ..................................... 128 3.3 Zur Verbindung zwischen Kompetenz und Prozessen .............................. 132 3.3.1 Die Beziehung zwischen Kompetenzen und Prozessen .............. 133 3.3.2 Die Prozessorientierung als Grundlage von dynamic capabilities ................................................................................... 136 3.4 Strategisches Prozessmanagement aus ressourcenorientierter Perspektive ................................................................................................. 140 3.4.1 Der „Open System View“ als theoretische Basis des strategischen Prozessmanagements ............................................. 140
X
Inhaltsverzeichnis
3.4.2 Kompetenzmanagement im Kontext des strategischen Prozessmanagements ................................................................... 147 3.4.2.1 Aufgaben und Funktionen des Kompetenzmanagements ............................................... 147 3.4.2.2 Kompetenzmanagement im strategischen Prozessmanagement ....................................................... 151 3.4.2.2.1 Identifikation von Kernkompetenzen in Prozessen .......................................................... 153 3.4.2.2.2 Entwicklung und Integration von Kernkompetenzen ............................................. 157 3.4.2.2.3 Nutzung von Kernkompetenzen im Rahmen der Prozessabwicklung ..................................... 159 3.4.2.2.4 Transfer von Kernkompetenzen ....................... 161 3.4.3 Wissensmanagement als Aspekt des strategischen Prozessmanagements ................................................................... 162 3.4.3.1 Grundlagen des Wissensmanagements .......................... 162 3.4.3.2 Wissensmanagement im strategischen Prozessmanagement ....................................................... 167 4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis .................. 175 4.1 Grundlagen der Transaktionskostentheorie ............................................... 175 4.2 Transaktionskosten als Einflussgröße prozessorientierter Organisationsstrukturen ............................................................................. 183 4.2.1 Die Prozessorganisation als hybrides Koordinationsmodell ....... 183 4.2.2 Einfluss der Transaktionsbedingungen auf die Vorteilhaftigkeit prozessorientierter Koordination ...................... 187 4.3 Strategisches Prozessmanagement aus transaktionskostenorientierter Perspektive ................................................................................................. 193 5 Ganzheitliche Betrachtung des strategischen Prozessmanagements ............ 199 5.1 Vergleich von markt- und ressourcenorientiertem Ansatz ........................ 199
Inhaltsverzeichnis
XI
5.2 Integration von markt-, ressourcen- sowie transaktionskostenorientierter Perspektive im strategischem Prozessmanagement ................................................................................... 202 5.3 Zwischenfazit: Strategisches Prozessmanagement .................................... 206 6 Ansatzpunkte für das strategische Prozesscontrolling .................................. 208
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens ................................................................................................................. 211 1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling ......................................................................................... 211 1.1 Zum Konstrukt der Controlling-Konzeption ............................................. 211 1.1.1 Definition und Elemente einer Controlling-Konzeption ............. 211 1.1.2 Inhaltliche Charakterisierung von Controlling-Konzeptionen .... 216 1.1.3 Vorstellung und Charakterisierung existierender ControllingKonzeptionen ............................................................................... 219 1.2 Die strategische Dimension im Controlling ............................................. 223 1.3 Besonderheiten des prozessorientierten Controllings ................................ 226 1.4 Festlegung einer geeigneten Konzeption für das strategische Prozesscontrolling ...................................................................................... 229 1.4.1 Theoretische Anforderungen an eine Controlling-Konzeption ... 229 1.4.2 Eignung einzelner Controlling-Konzeptionen zur Fundierung von strategischem Prozesscontrolling .......................................... 231 1.4.2.1 Bewertung der Controllingtypen 1-3 ............................. 231 1.4.2.2 Bewertung der Controllingtypen 4-6 ............................. 232 1.4.2.3 Bewertung der Controllingtypen 7 und 8...................... 236 1.4.3 Auswahl einer geeigneten Controlling-Konzeption .................... 238 2 Koordination des strategischen Prozessmanagements: Herausforderung für das Controlling ........................................................................................ 241
XII
Inhaltsverzeichnis
2.1 Interdependenzen im Führungssystem als Ursache von Koordinationsproblemen ............................................................................ 241 2.2 Zum Begriff der Interdependenz ................................................................ 243 2.3 Interdependenzen im strategischen Prozessmanagement .......................... 245 2.4 Ansätze zur Erfassung von Interdependenzen ........................................... 253 3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings ....................................... 258 3.1 Ziele ........................................................................................................... 258 3.1.1 Direkte Ziele ................................................................................ 259 3.1.2 Indirekte Ziele .............................................................................. 262 3.2 Aufgaben und Instrumente ......................................................................... 267 3.2.1 Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung .......... 267 3.2.1.1 Kennzeichnung der Koordinationsaufgabe innerhalb der strategischen Prozessplanung ................................... 267 3.2.1.2 Systembildende Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung ......................................... 269 3.2.1.3 Systemkoppelnde Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung ......................................... 274 3.2.1.4 Instrumentelle Aspekte der Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung ................................... 275 3.2.1.4.1 Koordination von Planzielen und Maßnahmen mittels Balanced Scorecard ......... 276 3.2.1.4.2 Einsatz der Lebenszyklusanalyse zur Koordination der strategischen Prozessplanung ................................................. 280 3.2.2 Koordination des strategischen prozessbezogenen Informationssystems .................................................................... 284 3.2.2.1 Abgrenzung des Informationssystems ........................... 284 3.2.2.2 Systembildende Koordination im strategischen prozessbezogenen Informationssystem .......................... 286
Inhaltsverzeichnis
XIII
3.2.2.3 Systemkoppelnde Koordination innerhalb des strategischen prozessbezogenen Informationssystems .. 292 3.2.3 Koordination der strategischen prozessbezogenen Kontrolle mit dem Planungs- und Informationssystem................................ 294 3.2.3.1 Kennzeichnung und Einordnung der strategischen Kontrolle im Prozessmanagement ............................... 295 3.2.3.2 Systembildende Koordination des strategischen prozessbezogenen Kontrollsystems................................ 299 3.2.3.3 Systemkoppelnde Koordination von Planung, Kontrolle und Informationsversorgung .......................... 302 3.2.3.4 Aufgaben und Instrumente des Controllings bei der Koordination der strategischen Prozesskontrolle mit der Planung und Informationsversorgung ...................... 305 3.2.3.4.1 Allgemeine Instrumente zur Koordination von strategischer Prozessplanung, Prozesskontrolle und Informationsversorgung. 306 3.2.3.4.2 Anwendung der Portfolioanalyse ..................... 307 3.2.3.4.3 Anwendung des Target Processing .................. 310 3.2.4 Strategisch relevante Aspekte der Koordination der prozessbezogenen Personalführung mit Informationssystem, Planung und Kontrolle .......... 316 3.2.4.1 Kennzeichnung des strategischen prozessbezogenen Personalführungssystems ............................................... 316 3.2.4.2 Systembildende Koordination der prozessbezogenen Personalführung.............................................................. 320 3.2.4.3 Systemkoppelnde Koordination der prozessbezogenen Personalführung ............................... 323 3.2.4.4 Abstimmung von strategischer prozessbezogener Personalführung anhand der Wissens-Scorecard ........... 325
XIV
Inhaltsverzeichnis
3.2.5 Strategisch relevante Aspekte der Koordination der prozessbezogenen Organisation mit anderen Teilsystemen der strategischen Führung .................................................................. 335 3.2.5.1 Kennzeichnung der prozessbezogenen Organisation im strategischen Kontext ................................................ 335 3.2.5.2 Systembildende Koordination der prozessbezogenen Organisation mit den übrigen Führungsteilsystemen ..... 338 3.2.5.3 Systemkoppelnde Koordination innerhalb der prozessbezogenen Organisation sowie mit den übrigen Führungsteilsystemen........................................ 345 3.3 Ansätze zur Institutionalisierung von strategischem Prozesscontrolling .. 347 3.3.2 Aufgabenabgrenzung des strategischen Prozesscontrollings gegenüber anderen Bereichen in der Unternehmensorganisation........................................................... 350 3.3.3 Hierarchische Einordnung und Kompetenzverteilung bei der Gestaltung des strategischen Prozesscontrollings........................ 356 3.3.4 Anforderungen an den strategischen Prozesscontroller ............... 363 3.4 Zwischenfazit: Konzeption des strategischen Prozesscontrollings ........... 366
E Zusammenfassung und Ausblick ......................................................................... 371
Literatur..................................................................................................................... 375
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Kennzeichnung des Forschungsvorhabens ............................................. 5 Abbildung 2: Wesen und Struktur eines Prozesses .................................................... 16 Abbildung 3: Ebenen der Prozesshierarchie ............................................................... 18 Abbildung 4: Ebenen eines Herstellungs- und Leistungsprozesses ........................... 19 Abbildung 5: Funktions- vs. prozessorientierte Stellenbildung ................................. 22 Abbildung 6: Ausprägungen bzw. Stufen prozessorientierter Organisationsformen . 24 Abbildung 7: Phasen im allgemeinen Managementprozess ....................................... 28 Abbildung 8: Gliederung des Führungssystems ......................................................... 33 Abbildung 9: Das Prozessmanagementsystem ........................................................... 37 Abbildung 10: Prozessmanagement als kybernetisches Prinzip ................................... 50 Abbildung 11: Strategische und operative Führungsgrößen ........................................ 56 Abbildung 12: Strategiehierarchie ................................................................................ 65 Abbildung 13: Die Prozessstrategie als funktionsbereichsübergreifendes Konstrukt .. 81 Abbildung 14: Phasen im strategischen Prozessmanagement ...................................... 83 Abbildung 15: Das Structure-Conduct-Performance-Paradigma von Mason/Bain ..... 89 Abbildung 16: Die Wertkette nach Porter .................................................................... 98 Abbildung 17: Resources-conduct-Performance Paradigma ...................................... 119 Abbildung 18: Zusammenspiel von Ressourcen bei der Entstehung von Kompetenz .......................................................................................... 121 Abbildung 19: Kompetenzkonstrukt nach ANTLITZ ................................................ 123 Abbildung 20: Zusammenhang zwischen gegenwärtiger und zukünftiger Ausrichtung des Unternehmens .......................................................... 131 Abbildung 21: Kompetenzmodell - Prozesse als Bezugsobjekt von Kompetenz ...... 134 Abbildung 22: Prozesse als Ursprung der Kompetenzentstehung .............................. 136 Abbildung 23: Der "Open System View" als Rahmen für das strategische Management ........................................................................................ 143 Abbildung 24: "Virtuous Cycle” of Competence building and leveraging ................ 145 Abbildung 25: Zyklus des Kernkompetenz-Managements ........................................ 150 Abbildung 26: Kernkompetenzmanangement im strategischen Prozessmanagement ............................................................................ 152 Abbildung 27: Prozessbestandteile als Objekte des prozessbezogenen Kernkompetenzmanagement .............................................................. 156 Abbildung 28: Wissensebenen im Kontext des strategischen Prozessmanagements . 169
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 29: Das erweiterte Markt-Hierarchie-Paradigma...................................... 179 Abbildung 30: Transaktionsbedingungen und institutionelle Merkmale ................... 181 Abbildung 31: Alternative Koordinationsformen und Transaktionsbedingungen ..... 182 Abbildung 32: Gestaltungsalternativen zwischen Funktions- und Prozessspezialisierung ........................................................................ 189 Abbildung 33: Ursachen für Kostenvorteile der Prozessorganisation ........................ 196 Abbildung 34: Beiträge dieses Kapitels zur theoretische Fundierung von strategischem Prozessmanagement ..................................................... 207 Abbildung 35: Elemente einer Controlling-Konzeption nach Becker ........................ 214 Abbildung 36: Elemente einer Controlling-Konzeption............................................. 216 Abbildung 37: Merkmale zur Beschreibung von Controlling-Konzeptionen ............ 217 Abbildung 38: Abgrenzung der Gegenstandsbereiche des strategischen Prozessmanagements und -controllings .............................................. 242 Abbildung 39: Ableitung von indirekten Controlling-Zielen im strategischen Prozesscontrolling ............................................................................... 264 Abbildung 40: Struktur einer Balanced Scorecard in der strategischen Prozessplanung ................................................................................... 278 Abbildung 41: Lebenszyklus von Kernkompetenzen ................................................. 283 Abbildung 42: Beziehungen zwischen strategischem prozessbezogenem Planungs-, Kontroll- und Informationssystem .................................... 298 Abbildung 43: Prozessvorteils-Marktwachstums-Portfolio ....................................... 309 Abbildung 44: Abbildung eines realen Prozesses in der Vektordarstellung .............. 313 Abbildung 45: Prozessbezogene Abweichungsanalyse im Target Processing ........... 313 Abbildung 46: Abstimmung der Personalentwicklung mittels Balanced Scorecard .. 328 Abbildung 47: Prozessperspektive der Wissens-Scorecard ........................................ 330 Abbildung 48: Mitarbeiterperspektive der Wissens-Scorecard .................................. 332 Abbildung 49: Alternative Einordnungen des Controllings ....................................... 357 Abbildung 50: Konzeption strategisches Prozesscontrolling ..................................... 368
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Ausgewählte prozessbezogene Führungsgrößen ....................................... 41 Tabelle 2: Abgrenzung zwischen strategischem und operativem Management......... 58 Tabelle 3: Mögliche Zielebenen im strategischen Prozessmanagement .................... 61 Tabelle 4: Generelle Strategiefelder im Prozessmanagement .................................... 78 Tabelle 5: Einfluss von Wertkettenaktivitäten auf Käuferkriterien .......................... 112 Tabelle 6: Effizienz alternativer Koordinationssysteme........................................... 187 Tabelle 7: Operatives und strategisches Controlling ................................................ 225 Tabelle 8: Hierarchie- vs. Prozessorientiertes Controlling ....................................... 228 Tabelle 9: Bespielhafte Synopsis genereller Beziehungen im Führungssystem ...... 248 Tabelle 10: Interdependenzen im strategischen Prozessmanagment .......................... 252 Tabelle 11: Indirekte Ziele des strategischen Prozesscontrollings ............................. 266 Tabelle 12: Gestaltungsparameter des strategischen Prozessplanungssystems .......... 271 Tabelle 13: Alternative hierarchischer Unterstellung dezentraler Prozescontroller ... 359 Tabelle 14: Wichtige Komponenten des Anforderungsprofils für Controller ............ 364
A
Einleitung
1
Problemstellung und Zielsetzung
Unternehmen unterliegen aufgrund von Umweltentwicklungen einem sich verschärfenden Wettbewerbsdruck:1 Globalisierung, Internationalisierung von Märkten, Deregulierung im Wettbewerb und gesättigte Käufermärkte sind nur einige Entwicklungstrends, die die Anforderungen an Unternehmen steigern und diese zu einer ständigen Überprüfung ihrer Positionierung gegenüber Wettbewerbern am Markt sowie der Suche nach Innovationen und neuen Wettbewerbsvorteilen zwingen. Auch die Garanten für langfristigen Unternehmenserfolg haben sich geändert. Wettbewerbsvorteile werden vor allem von den Unternehmen erzielt, die eine hohe Flexibilität sowie kurze Reaktionszeiten aufweisen und sich daher schneller als ihre Wettbewerber an Veränderungen der Umwelt anpassen können. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Prozessorganisation bzw. das Prozessmanagement in der Unternehmenspraxis immer mehr an Bedeutung.2 „Dieses soll […] den Umgang mit Komplexität und Dynamik verbessern sowie zur Effizienzsteigerung beitragen und damit positive Einflüsse auf den Erfolg ausüben.“3 Insbesondere angeregt durch die Arbeiten von HAMMER/CHAMPY und ihrem Konzept des „Business Reengineering“ gehen Unternehmen dazu über, verrichtungsorientierte Arbeitsteilung und Aufgabenspezialisierung durch eine cross-funktional integrierte Organisation von Prozessen abzulösen.4 Dabei wird das Unternehmen als offenes System verstanden, das aus einer Vielzahl von Prozessen gebildet wird, zwischen denen Beziehungen bestehen.5 Entsprechend avanciert das Prozessmanagement zu einem immer wichtiger
1 2
3 4
5
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 1;Becker, J./Kahn, D. (2005), S. 3. Vgl. z.B. Leistert, O. (2006), S. 1; Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 2; Gaitanides, M. (2007), S. 1; Fries, S./Seghezzi, H.D. (1994), S. 338. Götze, U. (2007), S. 323. Vgl. Hammer, M./Champy, J, (1994); Gaitanides, M. (2007), S. 1. Die Begriffe Geschäftsprozess, Leistungsprozess und Prozess sowie Geschäftsprozessmanagement und Prozessmanagement bzw. Geschäftsprozesscontrolling, Prozesscontrolling und prozessorientiertes Controlling sollen in dieser Arbeit, sofern nicht anders angegeben, synonym verwendet werden. Für eine Definition von „Prozessen“ vgl. Kapitel B. Mikus, B. (2003), S. 145.
S. Atzert, Strategisches Prozesscontrolling, DOI 10.1007/978-3-8349-6226-3_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
A Einleitung
werdenden Aspekt der Gesamtunternehmensführung. Auch empirische Untersuchungen bestätigen diese These.6 Das Management von Prozessen ist ein eigenständiger Teil der Führungsaufgabe, der u.a. die Planung, Organisation, Steuerung und Kontrolle umfasst bzw. integriert und damit die ganzheitliche Lenkung und Gestaltung der betrieblichen Prozessstrukturen sowohl auf der operativen als auch der strategischen Entscheidungsebene beinhaltet.7 Das Prozessmanagement greift dabei auf alle Führungsteilsysteme8 zurück, um eine umfassende Optimierung der Prozesslandschaft im Unternehmen zu gewährleisten.9 So hat die Planung Zielsetzungen und Vorgaben für die Gestaltung der Prozessstrukturen und für die Prozessausführung zu formulieren. Die Zielerreichung bzw. Zielabweichung ist durch das Kontrollsystem zu erfassen, um ggf. Korrekturmaßnahmen einleiten zu können. Dazu müssen die notwendigen Daten durch das Informationsversorgungssystem aufbereitet und bereitgestellt werden. Die Organisation übernimmt den Aufbau des Prozessgefüges und gestaltet die Prozessabläufe. Das Personalführungssystem sichert die Verfügbarkeit und die Befähigung der in die Prozessabläufe involvierten Mitarbeiter bzw. stellt Mitarbeiter bereit. Aus dieser Miteinbeziehung verschiedener Führungsteilsysteme resultiert eine hohe Entscheidungskomplexität im Prozessmanagement bzw. innerhalb des Führungssystems. Diese hohe „interne“ Komplexität ist u.a. das Ergebnis der Anpassung an eine zunehmende Komplexität der Unternehmensumwelt. So folgt aus einer differenzierten und dynamischen Außensituation tendeziell eine ebenso differenzierte und dynamische Innensituation wirtschaftender Institutionen.10 Dies führt zu selektivem Handeln und damit zur Entstehung von komplexitätsbedingten Risiken, die kompensiert werden müssen.11 6
7
8
9 10
11
Vgl. z.B. Fink, C.A. (2003), S. 39 ff; Gadatsch, A./Knuppertz, T./Schnägelberger, S. (2004); Bach, N./Biemann, T. (2004); Picot, A./Böhme, M. (1996). Vgl. z.B. Chobrok, R./Tiemeyer, E. (1996), S. 165 ff.; Schmelzer, S./Sesselmann, W. (2006), S. 4.; Schmidt, G. (2002), S. 3 f.; Leistert, O. (2006), S. 41 ff., bzw. die detaillierteren Ausführungen in Kapitel B und C. Als Führungsteilsysteme werden in dieser Arbeit in Anlehnung an Küpper, H.-U. (2005), S. 27 ff. das Planungs-, das Kontroll-, das Personalführung- und das Informationsversorgungsystem sowie die Organisation verstanden. Vgl. dazu die detaillierteren Ausführungen in Kapitel B und C. Vgl. hierzu und zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 3. Vgl. Becker, W. (1999), S. 3, bzw. grundsätzlich die Ausführungen bei Horváth, P. (2003) S. 3 ff. und die dort angegebene Literatur. Vgl. Becker, W. (1999), S. 3.
1 Problemstellung und Zielsetzung
3
Daher ist das Management grundsätzlich bei der Erfüllung seiner Führungsaufgabe durch ein Controlling, welches Informations-, Steuerungs- und Koordinationsaufgaben wahrnimmt,12 zu unterstützen. Dies gilt gleichermaßen für prozessorientierte Unternehmen,13 wobei eine Reihe von Besonderheiten14 die Erforderlichkeit eines Controllings verstärkt und in anderen Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung eines Prozesscontrolling resultiert: So verursacht die cross-funktionale Integration vormals getrennter Entscheidungsbereiche in einem Geschäftsprozess Verantwortungsprobleme. Zusätzlich kommt im Prozessmanagement auch nicht-monetären Führungsgrößen (Qualitäts- und Zeitgrößen) eine große Bedeutung zu, sodass diese, gleich oder sogar höher gewichtet als die „klassischen“ monetären Führungsgrößen, vom Management zu berücksichtigen sind. Diese „Vervielfältigung der Führungsgrößen“ trägt ihrerseits zur spezifischen Komplexitätserhöhung im Prozessmanagement bei. Somit ist für das Prozessmanagement ein besonders hoher Bedarf an Komplexitätsreduktion bzw. Komplexitätskompensation innerhalb des Führungssystems zu konstatieren.15 Dieses gilt sowohl für den operativen als auch den strategischen Führungsbereich. Letzterer bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit: “Aufgrund der Relevanz von Prozessen für den Unternehmenserfolg erscheint es aber angezeigt, […] die Prozessgestaltung stärker […] im Strategischen Management zu verorten und Konzepte für die Vorbereitung strategischer Prozessentscheidungen […] sowie die Abstimmung mit anderen Strategien zu entwickeln.“16 Auch das Controlling muss sich entsprechend ausrichten und das strategische Prozessmanagement bei der Entwicklung und Nutzung der in den Geschäftsprozessen verorteten Erfolgspotenzialen unterstützen. Inhaltlich kann sich dies z.B. auf Problemstellungen wie die Sammlung und Auswertung interner und/oder externer Informationen (etwa im Rahmen der Analyse wichtiger strategischer Trends), die Planungsunterstützung bei der strategischen prozessbezogenen Ziel- und 12
13
14 15
16
Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung von Controlling kann je nach vertretener ControllingKonzeption zwischen reiner Informationsversorgung, Steuerung und Regelung, Koordination, Meta-Führung, Rationalitätssicherung und Führungsreflexion variieren, insofern sind die hier angesprochenen Aufgaben exemplarische Aspekte des Controllings. Vgl. ausführlich dazu die Ausführungen in Kapitel D. Vgl. speziell zur Notwendigkeit eines Prozesscontrollings Leistert, O. (2006), S.4; Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 229; zur Notwendigkeit von Controlling allgemein z.B. Becker, W. (1999), S. 3; Horváth, P. (2003), S. 20; Küpper, H.-U. (2005), S. 28 ff. Vgl. dazu ausführlich Kapitel B dieser Arbeit. Vgl. Fischer, J. (1996), S. 222; ergänzend dazu Leistert, O. (2006), S. 3, der insbesondere einen hohen Bedarf an Koordination feststellt. Götze, U. (2007), S. 331.
4
A Einleitung
Maßnahmenplanung, die Kontrolle von Strategieumsetzung und Zielerreichung oder auch die Berichterstattung beziehen. 17 Aufgabe der Controlling-Forschung ist es, vor diesem Hintergrund geeignete Konzepte bereitzustellen, um solche praktischen Problemstellungen lösen zu können. Dies setzt jedoch die Existenz einer „Theorie des strategischen Prozesscontrollings“ voraus, aus der sich Empfehlungen für die Praxis ableiten lassen bzw. anhand derer in der Praxis erarbeitete Problemlösungen in ihrer Wirkungsweise erklärt werden können. Eine solche theoretische Grundlage existiert für das strategische Prozesscontrolling bislang nicht. Überhaupt lässt sich aus der wissenschaftlichen Perspektive feststellen, dass die theoretische Fundierung von Prozesscontrolling allgemein noch sehr schwach ausgeprägt ist.18 Zwar existiert bereits eine Reihe von Definitionen zum Prozesscontrolling,19 diese sind jedoch, wie die folgenden Ausführungen zeigen sollen, mit einigen Defiziten behaftet, sodass weitere Forschungsbedarf im Bereich der theoretischen Fundierung von prozessorientiertem Controlling besteht. Grundsätzlich lässt sich eine starke Anwendungsorientierung der Veröffentlichungen zur Prozessorientierung und zum Prozesscontrolling feststellen. Diese entstammen oftmals unmittelbar der Unternehmens- oder Beraterpraxis.20 Dies ist aus mehreren Gründen problematisch (vgl. zusammenfassend Abbildung 1).
17 18 19 20
Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 230. Vgl. Götze, U. (2007), S. 326. Vgl. für eine Übersicht Götze, U. (2007), S. 325. Vgl. u.a. Nippa, M. (1995), S. 67 f.; Theuvsen, L. (1996), S. 65 f., sowie Kieser, A. (1996), S. 179 ff., der sich sehr kritisch mit den von Unternehmensberatern postulierten ReengineeringKonzepten auseinandersetzt.
1 Problemstellung und Zielsetzung
5
Forschungsvorhaben
Theoretischer Bezugsrahmen (Nominalperspektive)
Deduktion
strategisches Prozesscontrolling
Induktion
Praxis (Realperspektive)
Ist-Zustand - fehlende theoretisch-ökonomische Fundierung - kein strukturelles Referenzkonzept vorhanden - überwiegend fehlende Koordinationsorientierung - Vernachlässigung des strategischen Handlungshorizonts
Abbildung 1: Kennzeichnung des Forschungsvorhabens
Zunächst ist aus wissenschaftstheoretischer Sicht die überwiegend induktive Herangehensweise zu kritisieren21, welche im Ergebnis eine Ansammlung von breit gestreuten Aufgabenkomplexen im Zusammenhang mit dem Prozesscontrolling produziert hat, die selten über die reine Definition von Begrifflichkeiten und die exemplarischen Zuweisung von Instrumenten hinausgeht. Man kann daher aufgrund dieser „Induktionsproblematik“ weitgehend das Fehlen eines umfassenden konzeptionellen Fundaments für das Prozesscontrolling konstatieren.22 Wünschenswert wäre hier aus theoretischer Sicht ein strukturelles Referenzkonzept, das konstitutive Elemente des Prozesscontrollings (z.B. Ziele, Aufgaben, Aufgabenträger, Instrumente) ordnet und miteinander in Beziehung setzt. Auch müssen diese Elemente außer mittels des induktiven Nachweises auch über die Deduktion aus der ökonomischen Theorie heraus erklärt bzw. fundiert werden. Aus inhaltlicher23 Sicht ist einerseits die Dominanz von Informations- und Steuerungsorientierung, andererseits die primär operative Ausrichtung zu bemängeln. Dies 21
22
23
Küpper, H.-U. (2005), S. 11, formuliert allgemein in diesem Zusammenhang: „Insgesamt erscheinen die induktiven […] Methoden zur Abgrenzung […] wenig geeignet. Auf induktivem Weg gelangt man zu einer Menge an Einzelaufgaben, deren Addition keine charakteristische […] Funktion erkennen lässt.“ Leistert, O. (2006), S. 5, stellt pointiert fest: „Der aktuelle Stand des Prozesscontrolling mutet […] eher nach einem „Bindestrich-Controlling“ an, das zumeist nicht über die sprachliche Verbindung der Begriffe „Prozess“ und „Controlling“ hinausgeht.“ D.h. die konkrete funktionale Ausprägung von Prozesscontrolling betreffend.
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A Einleitung
äußert sich vor allem darin, dass sich die Beiträge zum Prozesscontrolling vielmals auf die Datenerhebung und -aufbereitung zur Optimierung bzw. Verbesserung und Steuerung von operativen Prozessabläufen24 bzw. die prozessbezogene Anwendung von (einzelnen) Controllinginstrumen-ten25 in Verbindung mit Prozessmodellierungsaufgaben und -instrumenten,26 beschränken. Dabei wird neben der Berücksichtigung von Prozesskosten auch die Miteinbeziehung von Zeit- und Qualitätsaspekten27 als konstitutives Merkmal des prozessorientierten Controllings postuliert.28 Dem ist sicherlich grundsätzlich zuzustimmen, allerdings wird oftmals „ein Prozesscontrolling – aus Sicht eines rechnungswesenorientierten Controlling-Paradigmas – mit der Prozesskostenrechnung gleichgesetzt“29, was dazu führt, dass andere wichtige inhaltliche Aspekte ausgeblendet werden. Nur wenige Autoren befassen sich beispielsweise mit dem Prozesscontrolling als führungskoordinierender Konzeption.30 Auch hat bisher noch keine theoretisch fundierte Auseinandersetzung mit der strategischen Dimension des Prozesscontrollings stattgefunden. Insgesamt lässt sich der gegenwärtige Forschungsstand zum Prozesscontrolling, wie in Abbildung 1 verdeutlicht, kennzeichnen. Die Defizite liegen, wie bereits ausgeführt in x der fehlenden theoretischen Fundierung, x dem Nichtvorhandensein eines ordnenden Referenzkonzeptes, x der überwiegenden Nichtberücksichtigung inhaltlicher Aspekte wie z.B. der Koordination, x und der Vernachlässigung der strategischen Dimension. 24
25
26 27 28
29 30
Vgl. z.B. Menden, B. (2004), S. 101 ff.; Gerberich, C.W./Dahinten, M. (1999), S. 44 ff. In diesem Zusammenhang kommt vor allem der Erfassung von Prozessinput-, Prozessoutput- und Prozessablaufgrößen die höchste Aufmerksamkeit zu. Vgl. z.B. Brenner, M./Mayer, R. (2005), die insbesondere die Nutzung eines prozessbezogenen Kennzahlensystems („Prozess-Cockpit“) als zentralen Aspekt eines Prozesscontrollings sehen. Zu weiteren primär instrumental geprägten Beiträgen zum Prozesscontrolling Alrichs, F/Knuppertz, T. (2006); Krahe, A. (1999); Bauer, G. (2000). Vgl. z.B. Stein, M. (2002), S. 566, die die Modellierung spezifischer Geschäftsprozesse wie z.B. des Budgetplanungsprozesses als Aufgabe des Controllings auffasst. Vgl. Buggert, W./Maier, D./Wielpütz, A. (1998), S. 50 f. Vgl. grundsätzlich dazu Stoi, R. (1999), der in einer empirischen Untersuchung festgestellt hat, dass Prozesscontrolling sich nicht allein auf Prozesskosten beschränken kann. Ähnlich im Ergebnis ist auch die Untersuchung von Wall, F./ Hirsch, B./Attorps, J. (2000) bzw. Wall, F./ Hirsch, B./Attorps, J. (2001). Leistert, O. (2006), S. 4. Vgl. Götze, U. (2007), S. 325. Eine Ausnahme hiervon stellt Leistert, O. (2006) dar, der sich ausführlich mit dem Prozesscontrolling als koordinationsorientierter Controlling-Konzeption befasst.
2 Gang der Untersuchung
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Ziel dieser Arbeit soll es vor diesem Hintergrund sein, die aufgezeigten Defizite zu reduzieren und einen in der ökonomischen Theorie verankerten konzeptionellen Rahmen zu entwickeln, der sich speziell auf das Prozesscontrolling in der strategischen Dimension bezieht. Komplementär zum momentan eher induktiv geprägten Forschungsstand (Real-Perspektive) soll im Rahmen dieser Arbeit aus der Nominalperspektive, d.h. aus einem theoretischen Bezugsrahmen heraus, die Fundierung von strategischem Prozesscontrolling erfolgen (vgl. Abbildung 1). Methodisches Kernprinzip ist die Deduktion. So sollen im Verlauf der Arbeit aus der Analyse ökonomischer Basistheorie Implikationen für die Ausgestaltung von strategischem Prozesscontrolling abgeleitet werden. Dabei sollen wesentliche Elemente (z.B. Ziele, Aufgaben, Instrumente des strategischen Prozesscontrollings) ermittelt, gekennzeichnet und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Im Ergebnis soll eine „Konzeption: des strategischen Prozesscontrollings“ formuliert werden, die als theoretisch fundierter Lösungsansatz für eine spezifische Problemstellung ein eigenständiges Objekt des prozessbezogenen Führungssystems darstellt. 2
Gang der Untersuchung
Die Erreichung der Zielsetzung einer theoretisch konzeptionellen Fundierung von strategischem Prozesscontrolling erfordert die Klärung einiger grundsätzlicher Sachverhalte. Zunächst einmal ist der Aufgabenbereich des strategischen Prozessmanagements zu kennzeichnen. Die erste Forschungsfrage dieser Arbeit lautet daher: 1. Welche Empfehlungen lassen sich für die Ausgestaltung des strategischen Prozessmanagements, insbesondere die Prozessstrategieformulierung geben? Bei der Beantwortung dieser Frage soll eine entscheidungsorientierte Sicht zugrundegelegt werden. D.h., die in diesem Zusammenhang diskutierten Elemente sollen als inhaltlicher Bezugsrahmen für das Vorgehen des strategischen Prozessmanagements definiert und erörtert werden. Ist mit Beantwortung der ersten Frage der Aufgabenbereich des strategischen Prozessmanagements näher gekennzeichnet worden, müssen die Kausalitäten zwischen Prozessen und Erfolgspotenzialen transparent gemacht werden, um die Entscheidungen des Managements theoretisch erklären bzw. fundieren zu können. Das soll im Rahmen der Beantwortung der zweiten Forschungsfrage erfolgen: 2. Wie lassen sich Wettbewerbsvorteile der Prozessorganisation ökonomisch-theoretisch begründen bzw. erklären?
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A Einleitung
Es soll herausgearbeitet werden, wo die Quellen für Erfolgspotenziale und die daraus resultierenden Wettbewerbsvorteilen in der Prozessorganisation liegen. Dieses soll deduktiv erfolgen, um dem Anspruch der theoretischen Fundierung gerecht werden zu können. Dabei gilt es, eine Verbindung zwischen den zuvor identifizierten, theoretisch begründeten Ursachen und Möglichkeiten der Erfolgspotenzialentwicklung in einer Prozessorganisation und dem Führungshandeln des strategischen Prozessmanagements im Hinblick auf die Formulierung zweckmäßiger Prozessstrategien herzustellen. Dieses Führungshandeln ist wiederum der Anknüpfungspunkt für das strategische Prozesscontrolling, dessen Erforderlichkeit mit der Beantwortung der dritten Forschungsfrage konkret begründet werden kann: 3. Welcher Bedarf an Führungsunterstützung durch ein Controlling besteht seitens des strategischen Prozessmanagements? Da im Rahmen dieser Arbeit eine koordinationsorientierte Controlling-Konzeption zugrundegelegt werden soll,31 zielt dies vor allem auf die formale und inhaltliche Kennzeichnung von Interdependenzen innerhalb des strategischen Prozessmanagements ab. Auf der Basis jener Interdependenzermittlung lassen sich dann die Inhalte des Prozesscontrollings herleiten, die in ein strukturelles Referenzkonzept zu integrieren sind. Dazu muss im Rahmen controllingtheoretischer Überlegungen ein Ordnungsrahmen für das strategische Prozesscontrolling entwickelt und inhaltlich ausgestaltet werden. Die vierte und finale Forschungsfrage lautet dementsprechend: 4. Wie lässt sich das strategische Prozesscontrolling konzeptionell und inhaltlich idealtypisch sinnvoll ausgestalten? Die sukzessive Beantwortung aller Forschungsfragen im Verlauf dieser Arbeit soll in der angestrebten theoretisch, konzeptionellen Fundierung von strategischem Prozesscontrolling resultieren. Der Gang der Untersuchung gestaltet sich dabei wie folgt: Ausgehend von der kurzen Einführung in diesem Kapitel sollen in Kapitel B dieser Arbeit die Grundlagen der Prozessorientierung und Prozessmanagement erörtert werden. Dies umfasst neben einer kurzen Darstellung der historischen Entwicklung der Prozessorganisation vor allen Dingen die Charakterisierung der allgemeinen Besonderheiten der prozessorientierten Unternehmensgestaltung bzw. -führung. 31
Vgl. ausführlich die Ausführungen in Abschnitt D 1.4 dieser Arbeit.
2 Gang der Untersuchung
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Auf diese Grundlagen soll in Kapitel C zurückgegriffen werden, in dem es um die Kennzeichnung des strategischen Prozessmanagements geht. Da Controlling grundsätzlich in enger Beziehung zum Management steht, erfordert die angestrebte Fundierung von strategischem Prozesscontrolling zunächst die Fundierung des strategischen Prozessmanagements als zentralem inhaltlichem Bezugsobjekt des Controllings. In diesem Kapitel steht neben der kurzen Erörterung von Gestaltungsempfehlungen für das strategische Prozessmanagement insbesondere die Frage im Vordergrund, wie die Entwicklung und Nutzung von in Prozessen verorteten Erfolgspotenzialen zur langfristigen Existenzsicherung zu erklären ist und welche Rolle das strategische Prozessmanagement dabei spielt. Dazu werden auf der Basis markt-, ressourcen- und transaktionskostenorientierter Theorie die Kausalitäten zwischen den Unternehmensprozessen und Erfolgspotenzialen analysiert. In Kapitel D erfolgt die Entwicklung der Konzeption des strategischen Prozesscontrollings. Im ersten Teil dieses Kapitels werden theoretische Grundlagen des Controllings erörtert. Im Zentrum dieser Erörterung stehen die Klärung des Begriffes der Controlling-Konzeption, die Analyse existierender Controlling-Konzeptionen im Hinblick auf ihre Eignung zur theoretischen Fundierung des strategischen Prozesscontrollings sowie die Auswahl einer zweckmäßigen koordinationsorientierten Controlling-Konzeption. Darauf aufbauend wird im weiteren Verlauf des Kapitels D die Konzeption des strategischen Prozesscontrollings entwickelt. Dazu wird auf die Erkenntnisse aus dem vorhergehenden Kapitel C zurückgegriffen, indem analysiert wird, inwieweit das strategische Prozessmanagement bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben durch ein strategisches Prozesscontrolling zu unterstützen ist. Konkret werden Interdependenzen innerhalb des strategischen Prozessmanagements und der daraus resultierende Bedarf an Koordination innerhalb des strategischen Prozessmanagementsystems herausgestellt. Anschließend wird die Controlling-Konzeption „Strategisches Prozesscontrolling“ ausgearbeitet. Das umfasst die Formulierung von direkten und indirekten Zielen des strategischen Prozesscontrollings sowie die Erläuterung seiner spezifischen Aufgaben und der zur Aufgabenerfüllung eingesetzten Methoden. Die beiden letzteren Aspekte bilden den Schwerpunkt von Kapitel D. Sie beinhalten die detaillierte Erörterung intraund intersystemischer Koordinationsschwerpunkte und -instrumente über sämtliche Teilsysteme des strategischen Prozessmanagementsystems (Planung, Kontrolle, Orga-
10
A Einleitung
nisation, Personalführung, Informationsversorgung) hinweg und ihre Integration in den durch das Konstrukt der Controlling-Konzeption bereitgestellten Ordnungsrahmen. Zum Abschluss von Kapitel D sollen darüber hinaus noch einige grundlegende Überlegungen zur Institutionalisierung von strategischem Prozesscontrolling angestellt werden. Kapitel E dient der Zusammenfassung und kritischen Würdigung der Ergebnisse dieser Arbeit sowie einem Ausblick auf weitere Forschungsperspektiven.
B
Grundlagen des Prozessmanagements
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Prozesse und Prozessorganisation
1.1
Entwicklung von Prozessorganisation und Prozessmanagement
Die Ursprünge des Prozessgedankens gehen zurück auf Ausführungen von NORDSIECK und HENNING, die erstmals die Trennung von Aufbau- und Ablauforganisation diskutierten.32 In dieser ursprünglichen Prägung meint Aufbauorganisation vor allem die aufgabenbezogene Stellenbildung und Ressourcenzuteilung, während Ablauforganisation sich auf die inhaltliche und zeitliche Folge von Arbeitsleistungen zur Erledigung der unternehmerischen Gesamtaufgabe (Betriebsaufgabe) bezieht.33 Die Überlegungen zur Ablauforganisation können als erste theoretische Grundlagen für prozessbezogene Konzepte aufgefasst werden. NORDSIECK diskutiert im Zusammenhang mit der „Ablauflehre“ das Prinzip der „Prozessgliederung“, demgemäß sich die Aufteilung und Anordnung der Betriebsaufgabe an den Betriebsprozessen zu orientieren hat.34 HENNING postuliert die Strukturierung von Arbeitsabläufen als ein „zeitliches Nach- und Nebeneinander von Vorgängen“35 unter primärer Berücksichtigung von Qualitäts-, Wirtschaftlichkeits- und Zeitaspekten. Er formuliert Gestaltungsvorschläge und beschreibt Instrumente, mit denen ein reibungsloser Produktionsfluss mit möglichst wenigen Arbeitsstufen zu realisieren ist. KOSIOL greift diese Differenzierung von Aufbau- und Ablauforganisation auf. Ihm zufolge beinhaltet die Aufbauorganisation die Abteilungs- und Stellenbildung und somit die institutionelle Strukturierung des Unternehmens, wohingegen die Ablauforganisation die raumzeitliche Strukturierung der Arbeits- und Bewegungsvorgänge, insbesondere ihre Rhythmisierung und Terminierung, umfasst. 36 Diese „klassischen“ Ansätze der Organisationsforschung lassen im Hinblick auf die Prozessorganisation bereits einige wichtige Grundgedanken erkennen. Jedoch wird dem Aufbau die weitaus größere Bedeutung beigemessen, womit die quantitative und auch qualitative Diskrepanz bei der Behandlung aufbau- und ablauforganisatorischer
32 33 34 35 36
Vgl. Nordsieck, F. (1934); Henning, K.W. (1975). Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 7; Nordsieck, F. (1972), Sp. 16 f. Vgl. Nordsieck, F. (1934), S. 84. Henning, K.W. (1975), S. 79. Vgl. Kosiol, E. (1962), S. 32.
S. Atzert, Strategisches Prozesscontrolling, DOI 10.1007/978-3-8349-6226-3_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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B Grundlagen des Prozessmanagements
Fragen erhalten bleibt.37 FLIEß konstatiert in diesem Zusammenhang ein „Primat des Aufbaus“ gegenüber der Ablauforganisation:38 So würden ablauforganisatorische Aspekte erst nach der Festlegung der Aufbauorganisation behandelt. Entsprechend unterscheide sich die Ablauforganisation von der „modernen Auffassung“ von Prozessorganisation durch ihre operativ ausführende Ausrichtung, die lediglich die Gestaltung isolierter Teilbereiche im Unternehmen unter Berücksichtigung lokaler Zielgrößen fokussiere. Erst Anfang der 80er Jahre wurde das Prozesskonzept durch die Arbeiten von GAITANIDES im deutschsprachigen Raum entscheidend geprägt. Konstitutives Merkmal der Prozessorganisation ist demgemäß, dass „Stellen und Abteilungsbildung (d.h. Aufbauorganisation) unter spezifischen Erfordernissen des Ablaufs betrieblicher Prozesse im Rahmen der Leistungserstellung und -verwertung konzipiert werden.“39 Der Unterschied einer Prozessorganisation gegenüber der „klassischen“ Ablauforganisation besteht darin, dass die Existenz einer Aufbauorganisation für die Prozessorganisation nicht erforderlich ist.40 Der Prozessgedanke ist hier die Grundlage der Aufbauorganisation. Somit ist eine Dominanz des Prozesses über die Struktur zu konstatieren. Eine weitere bedeutende inhaltliche Neuerung der von GAITANIDES geprägten Auffassung ist ihr funktionsübergreifender Charakter: Während sich die Ablauforganisation immer nur an die Aufgabenerfüllung innerhalb einer funktionalen Aufgabenspezialisierung richtet, hat die Prozessorganisation die ganzheitliche cross-funktionale Vorgangsbearbeitung zum Ziel.41 Zu Beginn der neunziger Jahre erfuhr die Prozessorganisation zum einen durch die von professionellen Management-Beratungen dezidiert propagierte42 Übernahme erfolgreicher japanischer Managementpraktiken wie „Lean Management bzw. Lean Production“ oder „Total Quality Management“,43 zum anderen durch die vielbeachteten Veröffentlichungen amerikanischer Autoren wie HARRINGTON, HAMMER/CHAMPY
37 38 39 40 41 42 43
Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 20 f. Vgl. Fließ, S. (2006), S. 23 f. Gaitanides, M. (1983), S. 61. Vgl. Fließ, S. (2006), S. 23. Vgl. Fließ, S. (2006), S. 24. Vgl. Niedermaier, O. (1998), S. 38. Vgl. Binner, H. F. (2001), S. 7.
1 Prozesse und Prozessorganisation
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oder DAVENPORT auch weltweit hohe Beachtung.44 Während die japanischen Ansätze und HARRINGTON eher auf inkrementale Verbesserung und evolutionäre Veränderungen abzielen,45 postulieren DAVENPORT sowie HAMMER/CHAMPY einen revolutionären Wandel und eine radikale Neuordnung der Unternehmensorganisation zugunsten prozessorientierter Strukturen. Insbesondere das von HAMMER/CHAMPY geprägte „Business Reeingineering“, als der wohl populärste prozessorientierte Ansatz verspricht einen völligen „Neubeginn – eine Radikalkur.“46 Inzwischen ist das Prozessmanagement aus der betriebswirtschaftlichen Diskussion nicht mehr wegzudenken.47 Wissenschaftler, Praktiker und Berater befassen sich in einer unüberschaubaren Menge von Veröffentlichungen mit der Prozessorganisation, wobei sich ihre Ausführungen überwiegend folgenden Gruppen zuordnen lassen: Die Verfechter der Reengineeringtradition knüpfen an die Überlegungen von HAMMER/CHAMPY an. Sie postulieren die radikale prozessorientierte Umgestaltung des Unternehmens. Dabei „befassen sich die dieser Gruppe zuzurechnenden Autoren recht ausführlich mit der Frage, „was“ erreicht werden soll. […] bei der Beantwortung der Frage, „ob“ und „wie“ das erreicht werden kann und welche Reorganisationsmaßnahmen dazu notwendig sind, hält man sich jedoch zurück.“48 Eine theoretisch fundierte Praxeologie wird oftmals durch die Bezugnahme auf den konkreten erfolgreichen Einzelfall ersetzt. Bei der Umsetzung der Prozessorientierung im Unternehmen komme es vor allem auf die Kommunikation und Interaktion zwischen den beteiligten Akteuren an: „Prozessorganisation ist in diesem Sinn nicht ein an einer Rezeptur oder an einem Referenzmodell festzumachendes organisatorisches Design, sondern eine kollektiv erzeugte und mithin sozial konstruierte Realität.“49 Dagegen propagieren die Vertreter des Engineering-Ansatzes ein mechanistisches Organisationsverständnis, nachdem es möglich ist, organisatorische Prozesse am Reißbrett zu entwerfen und entsprechend praktisch umzusetzen. Sie befassen sich, im Gegensatz zu den Reengineering-Vertretern, v.a. mit dem „wie“, aber kaum mit dem 44 45 46 47 48 49
Vgl. die Veröffentlichungen von Harrington, H.J. (1991); Davenport, T.H. (1993) und Hammer, M./Champy, J. (1993). Walter, F. (2008), S. 83 f. Vgl. Hammer, M./Champy, J. (2003), S. 13. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S. 2 ff. Gaitanides, M. (2007), S. 2. Gaitanides, M. (2007), S. 2.
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B Grundlagen des Prozessmanagements
„was“, Prozesse und die sie beherbergenden Organisationen werden als Blaupause abgebildet.50 Diese Auffassung, die darin gipfelt, dass Prozessmanagement primär als die Anwendung softwaregestützter Modellierungstools verstanden wird, ist gegenwärtig weit verbreitet.51 Kontrastierend zu diesen beiden Strömungen, die eher auf der realen, d.h. praxisbezogenen Ebene angesiedelt sind, bemühen sich einige Autoren um die stärkere wissenschaftliche Integration von Prozessmanagement v.a. in die betriebswirtschaftliche Organisationstheorie.52 Insbesondere GAITANIDES postuliert die Reformulierung des Prozessgedankens als originär betriebswirtschaftliches Problem und regt seine konzeptionelle Weiterentwicklung auf der Basis moderner organisationstheoretischer Perspektiven an.53 Darüber hinaus existiert eine ganze Reihe weiterer inhaltlicher Anknüpfungspunkte (z.B. verhaltenswissenschaftlicher oder sozialer Natur), die die theoretische Basis von Prozessorganisation und Prozessmanagement weiter verbreitern können54 und potenzielle Forschungsgebiete abstecken. Mit der hier skizzierten Ausbildung von verschiedenen Konzepten der Prozessorganisation im Zeitverlauf unterlag auch der Prozessbegriff evolutionären Veränderungen. Entsprechend soll im folgenden Abschnitt der Prozessbegriff im Wandel der Entwicklung dargestellt und eine aktuelle Definition gefunden werden, auf deren Grundlage sich Wesen und Eigenschaften von Prozessen herausarbeiten lassen. 1.2
Zum Begriff und Wesen des Prozesses
1.2.1
Definition
Zur Definition von Prozessen existieren in der Literatur vielfältige Auffassungen. Der „Betriebsprozess“ gemäß NORDSIECK bezeichnet zum einen einen materiellen Transformationsprozess beginnend bei einer Produktidee bis hin zum fertigen Endprodukt, zum anderen einen Prozess der „Objektvervollkommnung“, der die einzelnen Etappen und Teilziele der Herstellung sowie die dahinterliegenden Verwaltungsberei50 51 52 53 54
Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 3. Vgl. z.B. Nägele, R./Schreiner, P. (2002), S. 201 ff.; Scheer, A.-W. (1996); Vgl. z.B. Gaitanides, M. (2007); Picot, A./Dietl, H./Franck, E. (2008), S. 299 ff. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 4. Vgl. hierzu z.B. die Ausführungen in Kapitel C dieser Arbeit, in denen die markt-, ressourcenund transaktionskostentheoretischen Aspekte zur theoretischen Fundierung von strategischem Prozessmanagement herangezogen werden.
1 Prozesse und Prozessorganisation
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che des Unternehmens ausweist.55 Bei der Betriebsprozessdefinition bzw. -gestaltung gilt es, die einzelnen Etappen bzw. Phasen zweckmäßig in konkrete einzelne Aufgabenschritte herunter zu brechen. Als Vorteile dieser Sichtweise benennt GAITANIDES eine hohe Übersichtlichkeit, eine einfache Realisierung des Flussprinzips der Abläufe und der Integration und Koordination von Teilaufgaben.56 Die Identifizierung der Betriebsprozesse sowie deren Aufgliederung zielen jedoch primär auf die Abteilungs- und Stellenbildung ab. Auf der theoretischen Ebene resultieren daraus Abtrennungen und Unterbrechungen im Ablauf, die es zu minimieren gilt, indem Trennungen nur dort vorzunehmen sind, wo zwischen den einzelnen Phasen nur geringe Beziehungen bestehen. So eröffnet die Befolgung des Prinzips der Prozessgliederung Routinisierungspotentiale, die hierarchische Formen der Koordination und Kontrolle entlasten.57 Entsprechend steht bei dieser frühen Prozessdefinition nach wie vor die Aufbauorganisation im Zentrum der Auseinandersetzung.58 Anders verhält es sich bei der Prozessdefinition von GAITANIDES, der Prozesse grundsätzlich als Erfüllungsvorgänge inhaltlich abgeschlossener Natur begreift, die in einem logischen Zusammenhang stehen.59 GAITANIDES löst sich vom Primat der Aufbauorganisation, indem er die unabhängige Entwicklung von Arbeitsgängen und gangfolgen mit einer nachgeordneten Stellenbildung auf Basis integrierter Verrichtungskomplexe postuliert.60 Den Übergang von den traditionellen, stark in der Organisationstheorie verwurzelten Prozessdefinitionen zu moderneren Prozessdefinitionen markiert die Fokussierung auf die Transformationsfunktion von Prozessen im Sinne einer Input/Output-Relation,61 in Verbindung mit der Ausrichtung der Prozessleistung an den Kundenbedürfnissen. Insbesondere amerikanische Autoren heben neben der Input/Output-Relation den Kundenbezug als konstitutives Merkmal von Prozessen hervor. So definiert HARRINGTON: „Any activity or group of activities that takes an input, adds value to it,
55 56 57 58 59 60 61
Vgl. Nordsieck, F. (1934), S. 84. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 8; Nordsieck, F. (1972), Sp. 23. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 8. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 8. Vgl. Gaitanides, M. (1983), S. 65. Vgl. ausführlich hierzu Gaitanides, M. (2007), S. 32 ff. Vgl. Grafen, B. (2001), S. 18.
16
B Grundlagen des Prozessmanagements
and provides an output to an internal or external customer.“62 Ähnliches konstatiert auch DAVENPORT, der Prozesse als „a structured, measured set of activities designed to produce a specified output for a particular customer” definiert und hinzufügt: „A process is thus a specific ordering of work activities across time and place, with a beginning, an end, and clearly identified inputs and outputs.”63 Im Rahmen dieser Arbeit sollen Prozesse in enger Anlehnung an HAMMER/CHAMPY als Menge von Aktivitäten mit einem Input und einem Output, der für einen externen oder internen Kunden ein Ergebnis mit Wert erzeugt verstanden werden.64 Die Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Kunden ist die zentrale Leitlinie für die inhaltliche Ausgestaltung des Prozesses. Innerhalb des Prozesses sind mindestens zwei Aktivitäten identifizierbar, die zur Leistungserstellung beitragen und entsprechend in einer zeitlich-logischen Abfolge angeordnet sind (vgl. Abbildung 2).65 Unter Umständen könnten für die im Prozessablauf integrierten Aktivitäten unterschiedliche funktional abgrenzbare Unternehmensbereiche zuständig sein, dies ist für die hier zugrundegelegte Prozessdefinition jedoch nicht zwingend erforderlich.
Lieferant bzw. vorgelagerter Prozess
Input
Aktivität
Aktivität
Aktivität
Input
Kunde bzw. Nachgelagerter Prozess
Transformation
Abbildung 2: Wesen und Struktur eines Prozesses
Der Input eines Prozesses bezeichnet alle benötigten materiellen und immateriellen Einsatzfaktoren wie Arbeitsleistungen, Rohstoffe, Betriebsmittel, aber auch Informationen.66 Diese unterliegen im Rahmen der Prozessabwicklung der Transformation zu materiellen oder immateriellen Produkten. Dieser Prozessoutput stellt grundsätzlich 62 63 64 65 66
Harrington, H.J. (1991), S. 9. Davenport, T.H. (1993), S. 5. Vgl. Hammer, M./Champy, J. (2003), S. 52. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 25. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 59.
1 Prozesse und Prozessorganisation
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eine Kundenleistung dar, die entweder einen externen (z.B. einen Endnutzer) oder einen internen Abnehmer bedient (z.B. als Input in einen Folgeprozess einer nachgelagerten Fertigungsstufe). In der hier propagierten Definition von Prozessen schlagen sich insgesamt alle zentralen Elemente des Prozesskonzeptes nieder: Die dem Material- bzw. Informationsfluss entsprechende Anordnung von Aktivitäten der Leistungserstellung mit der Überwindung funktionaler Teilbereiche sowie die Fokussierung auf die Kundenanforderung, die eine zielgerechte Transformation eines Inputs in einen Output erfordert, um im Rahmen der Prozessabwicklung einen Mehrwert gegenüber dem Wert der Inputgüter und -leistungen zu generieren. 1.2.2
Prozessebenen
Aus der gewählten Prozessdefinition wird deutlich, dass sich jegliche Handlungen im Unternehmen mit einem Prozess in Verbindung bringen lassen: „almost everything we do or are involved in is process.“67 Entsprechend lassen sich Prozesse auf verschiedenen Abstraktionsebenen formulieren bzw. in einer mehrere Ebenen umfassenden hierarchischen, top-down ausgelegten Ordnung strukturieren (vgl. Abbildung 3). HARRINGTON bspw. schlägt eine Gliederung in „Macroprocesses“, „Subprocesses“, „Activities“ und „Tasks“ vor.68 Ähnlich postuliert auch LEISTERT eine Strukturierung nach Haupt-, Teilprozesse und Aktivitäten,69 der auch in dieser Arbeit grundsätzlich gefolgt werden soll. Die in einem konkreten Fall angewendete Prozessstruktur variiert von Unternehmen zu Unternehmen je nach Komplexität und Durchführungshäufigkeit der Prozesse sowie abhängig von der spezifischen Arbeitsorganisation.70 Makro- bzw. Hauptprozesse stellen die oberste Aggregationsebene dar. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich unmittelbar aus den strategischen Vorgaben des Unternehmens heraus ergeben.71 Die „Anfangspunkte“ der Hauptprozesse sind entsprechend der obigen allgemeinen Prozessdefinition so zu wählen, „dass am Anfang die Anforderungen von Kunden („von“) und am Ende die Übergabe der Ergebnisse an die Kun-
67 68 69 70 71
Harrington, H.J. (1991), S. 30. Vgl. Harrington, H.J. (1991), S. 30. Vgl. auch zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 37 f. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 110. Vgl. Ahlrichs, F./Knuppertz, T. (2006), S. 55.
18
B Grundlagen des Prozessmanagements
den („bis“) steht.“72 Somit definieren Makroprozesse die Kernleistungen des Unternehmens und sind maßgeblich für die Marktpositionierung. Damit decken sie i.d.R. mehrere funktionale Bereiche des Leistungssystems ab73 bzw. integrieren diese zum Zwecke einer kundengerechten Leistungserstellung. Die Ausgestaltung der Teilprozesse hinsichtlich der Aufgaben, Ziele und Ergebnisse resultiert aus einer Disaggregation der übergeordneten Hauptprozesse. Dabei können sich mehrere Ebenen von Teilprozessen ergeben, da abhängig von Detailierungsgrad „Teilprozesse wiederum (Teil)Prozesse der nächst niedrigen Hierarchieebene umfassen können.“74 In der Regel sind Teilprozesse auf einen abgegrenzten Bereich des Leistungssystems wie z.B. Fertigungs- oder Distributionsstufen beschränkt. Auf der niedrigsten Abstraktionsebene sind die Aktivitäten angesiedelt, aus denen sich jeglicher Prozess zusammensetzt.
Hauptprozess
Teilprozess
Teilprozess
Aktivität
Abbildung 3: Ebenen der Prozesshierarchie75
72 73 74 75
Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 108. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 27. Leistert, O. (2006), S. 37. In Anlehnung an Harrington, H.J. (1991), S. 30; Leistert, O. (2006), S. 37.
1 Prozesse und Prozessorganisation
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Zur Verdeutlichung der Strukturierung sei als konkretes Beispiel ein Makroprozess „integrierte Herstellung und Leistungserbringung“ beschrieben. Ziel dieses Prozesses ist die Fertigung und Bereitstellung von Leistungen für den Endkunden gemäß den strategischen Vorgaben bei entsprechender Marktpositionierung. Dabei deckt der Makroprozess die funktionalen Teilbereiche der Beschaffung, der Fertigung sowie der Disposition ab und beinhaltet demgemäß die Teilprozesse der Ressourcenbereitstellung, der Produktion sowie der Disposition. Diese wiederum setzen sich aus verschiedenen Aktivitäten wie z.B. im Fall des Wareneingangsprozesses aus der Bedarfsbestimmung, der Lieferantenauswahl, der Warenbestellung sowie der Warenannahmen bzw. -einlagerung und der Bereitstellung zusammen (vgl. Abbildung 4).
Hauptprozess „Herstellung und Leistungserbringung“ Wareneingangsprozess Aktivitäten -Lieferantenauswahl -Warenbestellung -Warenannahme -Bereitstellung -…
Produktionsprozess Aktivitäten -Materialprüfung -Fertigung -Qualitätssicherung -Einlagerung -…
Dispositionsprozess Aktivitäten -Auftragsbearbeitung -Kommissionierung -Prüfen und Verpacken -Ausliefern -…
Abbildung 4: Ebenen eines Herstellungs- und Leistungsprozesses
1.2.3
Weitere Klassifizierung von Prozessen
Neben der hierarchischen Strukturierung der Prozesslandschaft findet sich in der Literatur noch eine Reihe ergänzender Typisierungen für Prozesse:76 Eine gängige Klassifizierung ist die Unterscheidung von Leistungsprozessen („operational processes“) und Führungsprozessen („management processes“). Erstere bezeichnen all jene Prozesse, die unmittelbar mit der Leistungsentwicklung, -erstellung, -vermarktung und -bereitstellung in Verbindung stehen. Typische Beispiele für Leistungsprozesse sind Produktentwicklungs-, Kundenakquise- sowie Produktions- und Distributionsprozesse. Managementprozesse beinhalten z.B. Planungs- und Kontrollprozesse. Sie sind im 76
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Davenport, T.H. (1993), S. 9.
20
B Grundlagen des Prozessmanagements
Gegensatz zu Leistungsprozessen tendenziell schlechter definiert und strukturiert, nichtsdestotrotz jedoch von hoher Bedeutung für den Unternehmenserfolg. Ähnlich, jedoch etwas differenzierter, unterscheiden KRÜGER/HOMP zwischen Steuerungs-, Ausführungs- und Unterstützungsprozessen.77 Steuerungsprozesse entsprechen weitestgehend der obigen Definition von Führungsprozessen, jedoch mit dem Unterschied, dass Prozesse, die nicht unmittelbar in die Planung und -umsetzung einbezogen sind, wie z.B. die Personal- und Ressourcenbeschaffung, den Unterstützungsprozessen zugeordnet werden. Ausführungsprozesse bezeichnen analog zur obigen Definition von Leistungsprozessen die Prozesse der Leistungserstellung und -verwertung. In Anlehnung an PORTERs Differenzierung von primären und sekundären Wertkettenaktivitäten wird oftmals auch zwischen primären und sekundären bzw. Kern- und Supportprozessen unterschieden.78 In den primären Prozessen findet die unmittelbare Herstellung und Vermarktung von Leistungen für externe Kunden und damit die originäre Wertschöpfung statt, wohingegen sekundäre Geschäftsprozesse unterstützende Leistungen für den „internen Kunden“ bereitstellen. Letzterer Klassifizierung soll in dieser Arbeit im Wesentlichen gefolgt werden. Ergänzend zum primären und sekundären Geschäftsprozess soll darüber hinaus auch noch der Begriff des Kernprozesses geprägt werden. Etwas abweichend von der obigen Differenzierung, die primäre Geschäftsprozesse und Kernprozesse gleichsetzt, wird in dieser Arbeit eine dahingehende Abgrenzung von primären Prozessen und Kernprozessen vorgenommen, als dass letztere jegliche Prozesse umfassen, die zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beitragen.79 Ein solcher Beitrag ist dann erreicht, wenn innerhalb eines Prozesses Erfolgspotenziale teilweise oder komplett entwickelt bzw. dergestalt ausgenutzt werden, dass dem Unternehmen ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil entsteht.80 Kernprozesse sind also primäre oder sekundäre Ge-
77 78 79 80
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 151 f. Vgl. u.a. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 74; Walter, F. (2008), S. 78. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 138; Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 154; Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 34 ff.; Schönsleben, P. (1998), S. 24. Die Ursachen der Entstehung und die Möglichkeiten der Nutzung von Erfolgspotenzialen innerhalb von Geschäftsprozessen werden noch detailliert innerhalb dieser Arbeit erörtert. Vgl. die Ausführungen in Kapitel C.
1 Prozesse und Prozessorganisation
21
schäftsprozesse von strategischer Bedeutung und erfordern entsprechend die Aufmerksamkeit der strategischen Unternehmensführung. 1.3
Das Unternehmen als Gefüge von Prozessen
Geschäftsprozesse lassen sich, das zeigen die vorherigen Ausführungen, auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen definieren und anhand inhaltlicher Kriterien klassifizieren. Das gesamte Unternehmen kann damit als eine Hierarchie von verschiedenen Prozessen aufgefasst und dargestellt werden. Im Rahmen der prozessorientierten Unternehmensstrukturierung ist es Aufgabe des Prozessmanagements, diese Hierarchie zu gestalten und durch ein entsprechendes Prozessdesign sowie zweckmäßige Stellenbildung zu realisieren. Nach der Zerlegung der Gesamtwertschöpfung in ihre Einzelaktivitäten werden diese im Rahmen der Aufgabensynthese auf diverse organisatorische Einheiten verteilt.81 Bei der prozessorientierten Stellenbildung richtet sich die Zuordnung der Aktivitäten nach dem Objektprinzip. Es kommt zur Herauslösung aller in Bezug auf die Bereitstellung einer bestimmten Leistung durchzuführenden Tätigkeiten aus dem funktionalen Verbund und ihrer Zusammenführung in komplexeren Arbeitsgängen.82 Anstelle der Gestaltungsfolge „process follows structure“ tritt nun „structure follows process“. So sollen innerhalb des Unternehmens durchgängige Prozesse entstehen, die Beschaffungs- und Absatzmärkte mit möglichst wenigen Schnittstellen verbinden. Die Minimierung unternehmensinterner Schnittstellen resultiert aus der anderen Ausgestaltung von Interdependenzen zwischen den Aufgabenträgern in der Prozessorganisation. 83 Bei der funktionsorientierter Stellenbildung besteht aufgrund des relativ geringeren, stärker spezialisierten Tätigkeitsspektrums eine hohe Notwendigkeit des permanenten Austausches von Zwischenprodukten, Leistungen und Informationen. Da bei der prozessorientierten Stellenbildung ein Aufgabenträger sämtliche Tätigkeiten innerhalb eines abgeschlossenen Prozesses übernimmt, ist diese Notwendigkeit tendenziell geringer ausgeprägt, wodurch Schnittstellen reduziert werden. Daraus folgt auch, dass mit der prozessorientierten Umstrukturierung auch höhere Anforderungen an die Mitarbeiter verbunden sind. Da das Tätigkeitsspektrum des einzelnen Mitarbeiters breiter
81 82 83
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Jost, J.-P. (2001a), S. 306. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S. 51. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Jost, J.-P. (2001a), S. 306 f.
22
B Grundlagen des Prozessmanagements
ist als bei funktionsorientierter Stellenbildung, spricht man hier auch von (Job-)Enlargement.84 Wie Abbildung 5 verdeutlicht, bedeutet die prozessorientierte Stellenbildung, dass vormals vertikal zu den Unternehmensabläufen angeordnete funktionale Teilbereiche durchbrochen und ihre Aktivitäten nun gemäß dem Fluss von Gütern und Informationen angeordnet werden.85 In diesem Zusammenhang spricht man daher auch von einem 90° Shift der Organisationsstruktur.86
Funktion 1
…
Funktion 4
…
Funktion n
Input 1
Output 1
Input 2
Output 2
Input n
Output n
prozessorientierte Stellenbildung
funktionsorientierte Stellenbildung
Abbildung 5: Funktions- vs. prozessorientierte Stellenbildung87
Insgesamt wird das Unternehmen also als Gefüge verschiedener Geschäftsprozesse organisiert. Nach Definition und Klassifizierung der im Unternehmen ablaufenden Geschäftsprozesse88 sollten diese in ein Prozessmodell integriert werden, welches das Unternehmen ganzheitlich abbildet. Je nach Modus der Klassifizierung sollte das Prozessmodell alle primären und sekundären Geschäftsprozesse bzw. Leistungs- und Führungsprozesse enthalten. 84 85 86 87 88
Vgl. Jost, J.-P. (2001a), S. 306. Vgl. Osterloh, M. /Frost, J. (2003), S. 30; Emrich, C. (2004), S. 23 f.; Gaitanides, M. (2007), S. 51. Vgl. Osterloh, M. /Frost, J. (2003), S. 28 ff. In Anlehnung an Jost, J.-P. (2001a), S. 306. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt B 1.2.
1 Prozesse und Prozessorganisation
23
Zu beachten ist, dass die Anwendung des Prozessgedankens keineswegs zur Entstehung einer idealtypischen, „reinen“ Prozessorganisation führen muss. Im Rahmen ihrer Umsetzung kann aus den obigen Grundgedanken eine variable Anzahl an „hybriden“, d.h. sowohl prozessbezogene als auch funktional orientierte Organisationsprinzipien berücksichtigenden Organisationsformen resultieren.89 Diese sind abhängig vom Grad der Integration des Prozessgedankens in die Organisation90 und lassen sich demgemäß als Entwicklungsstufen von der funktional ausgerichteten hin zur Prozessorganisation interpretieren. GAITANIDES bspw. unterscheidet auf der Grundlage organisatorischer Segmentierungskriterien, nämlich der verrichtungs- und objektorientierten Aufgabeneinteilung, verschiedene Formen der Prozessorganisation als hybride Segementierungsalternativen.91 „Die Strukturvarianten sind dabei Kombinationen aus Verrichtungszentralisation und Objekt- bzw. Produktdezentralisation sowie umgekehrt aus Produktzentralisation und Verrichtungsdezentralisation.“92 Prozesse können für einzelne Produkte bzw. Produktgruppen oder auch Kunden definiert (Prozess-/Objektsegmentierung) oder innerhalb bestimmter Funktionen bzw. über verschiedene Funktionsbereiche hinweg abgegrenzt werden (Funktions-/Prozesssegmentierung). Mit den unterschiedlichen Segmentierungsalternativen ergeben sich neben strukturellen auch Unterschiede hinsichtlich der Verantwortungsbereiche bzw. Kompetenzabgrenzungen diverser Führungsebenen und Entscheidungsträger. In der Literatur werden überwiegend drei verschiedene Organisationsformen bzw. Stufen der Prozessintegration unterschieden, welche in Abbildung 6 schematisch dargestellt sind.
89 90 91 92
Vgl. Rohm, C. (1998), S. 16. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 147. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S. 75 f. Gaitanides, M. (2007), S. 75.
24
B Grundlagen des Prozessmanagements Unternehmensführung
F1
F2
Unternehmensführung
F3
F1
F2
Unternehmensführung
F3
F1
Prozessverantwortliche
Prozessverantwortliche
Prozessverantwortliche
P1
P1
P1
P2
P2
P2
P3
P3
P3
F2
F3
Integration von Prozessen in die Organisationsstruktur niedrig
mittel
hoch
Verantwortungsumfang der Prozessverantwortlichen nur Koordination
Teilverantwortung
Vollverantwortung
Abbildung 6: Ausprägungen bzw. Stufen prozessorientierter Organisationsformen93
Die erste Stufe (vgl. Abbildung 6 linkes Schema) beinhaltet die Ergänzung der funktionalen Strukturen durch die Definition von Prozessen.94 Dabei wird die funktionale Organisationstruktur nicht verändert. Der Integrationsgrad des Prozessgedankens in die Organisationsstruktur ist als gering zu betrachten. Die Verantwortung für die neu definierten Geschäftsprozesse wird entweder einzelnen Prozessverantwortlichen oder Stäben übertragen, deren primäre Aufgabe in der Koordination der in den funktionalen Abteilungen ablaufenden Prozessschritte besteht. Die Prozessverantwortlichen haben eher die Rolle eines Moderators und verfügen über keine Prozessplanungs-, Budget-, Ressourcen- oder Ergebnisverantwortung, haben kaum Entscheidungskompetenz bzw. Weisungsbefugnisse und besitzen nur geringen Handlungsspielraum.95 Somit sind die Prozessverantwortlichen hierarchisch den Funktionsbereichsleitern untergeordnet. Bei der sogenannten Matrixorganisation als nächster Entwicklungsstufe existieren Prozessgedanke und funktionale Organisation nebeneinander (vgl. Abbildung 6 mittleres Schema): „Es werden Geschäftsprozesse funktionsübergreifend definiert und in die Organisation eingeführt. Gleichzeitig bleiben die Funktionen erhalten, und es werden 93 94
95
In Anlehnung an Rohm, C. (1998), S. 17; Mayer, M. (2005), S. 94 ff.; Fink, C.A. (2003), S. 71. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Mayer, M. (2005), S. 93 f.; Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 148 f.; Walter, F. (2008), S. 80 f. Diese Organisationsform wird u.a. bei Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 148 als „Einfluss-Prozessorganisation“ bezeichnet. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 148.
2 Management von Prozessen
25
ihre Spezialisierungsvorteile genutzt.“96 Es erfolgt die Definition, Strukturierung und der Ausweis von Geschäftsprozessen als eigenständige funktionsübergreifende organisatorische Einheiten sowie die Ernennung von hauptamtlichen Prozessverantwortlichen.97 Ihnen obliegt die volle prozessbezogene Planungs- und Ergebnisverantwortung. Insofern bekleiden sie nunmehr eine neben den Funktionsbereichsleitern gleichberechtigte Führungsrolle, wobei tendenziell eine leichte Unterordnung der Funktionsbereiche dergestalt existiert, dass diese primär als Ressourcen bzw. Leistungsbereitsteller für die Geschäftsprozesse fungieren. Die Prozessplanung steht somit über der Funktionsbereichsplanung.98 Die dritte Organisationsform wird als reine oder primäre Prozessorganisation bezeichnet und ist durch die weitgehende Substitution der Funktionsorganisation durch die Prozessorganisation gekennzeichnet:99 Die Organisationseinheiten bestehen aus den primären und sekundären Prozessen und ihren jeweiligen Teilprozessen. Die einzelnen Prozessverantwortlichen tragen aufgrund der organisatorischen Eigenständigkeit ihrer Geschäftsprozesse umfassende Verantwortung für Prozessplanung, -budget, -ergebnis sowie die entsprechende Ressourcendisposition und unterstehen dabei lediglich der Geschäftsleitung. Etwaige noch existierende funktionale Strukturen dienen nur noch der Unterstützung der Prozessabläufe ohne umfassendere Verantwortlichkeiten.100 2
Management von Prozessen
2.1
Grundlagen der Unternehmensführung
2.1.1
Managementbegriff und -inhalte
Die Begriffe der Unternehmensführung bzw. des Managements werden in der Literatur teils synonym, teils mit abweichender Bedeutung verwendet.101 Der Unternehmens-
96 97 98
99 100 101
Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 149 f. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 150. Denkbar wäre nach Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 151 grundsätzlich auch eine symmetrische Machtverteilung bzw. eine Machtverteilung zugunsten der Funktionsbereiche. Diese birgt jedoch ein erhöhtes Konfliktrisiko und zusätzlichen Koordinationsaufwand bei gleichzeitigen Effektivitäts- und Effizienzeinbußen. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 151 f. Vgl. Mayer, M. (2005), S. 94 ff. Für einen Überblick über diverse unterschiedliche inhaltliche Auslegungen von Managementund Führungsbegriffen vgl. z.B. Staehle, W. H. (1999), S. 71 ff.; Macharzina, K. (1999), S. 30 f.; Korndörfer, W. (1999), S. 19 ff. In der vorliegenden Arbeit sollen die Begriffe Management und
26
B Grundlagen des Prozessmanagements
führung wird grundsätzlich ein breit gefächerter, stark variierender Katalog an Tätigkeits- bzw. Verantwortungsbereichen zugeordnet.102 Eine einheitliche Definition mit eindeutiger Abgrenzung der Managementinhalte hat sich bis heute nicht durchsetzen können. Führung allgemein ist ein soziales Phänomen und tritt in hierarchisch sowie nichthierarchisch aufgebauten Institutionen gleichermaßen auf, wenn Personen miteinander interagieren.103 Im betriebswirtschaftlichen Kontext identifiziert LUKASCZYK die für die Unternehmensführung konstitutiven Funktionen der Lokomotion und der Kohäsion.104 Ersteres meint die Ausrichtung aller Unternehmensteile auf eine gemeinsame Zielsetzung sowie die Anregung zu zielführendem Handeln, Letzteres die Sicherung des inneren Zusammenhalts, wobei beides der „zweck- und zielgerichteten Harmonisation“105 dient. Dieses grundsätzliche Verständnis von Unternehmensführung kann aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Unter institutionellen Gesichtspunkten sind die Führungsträger, d.h. die zuständigen Organe und Personen Gegenstand der Betrachtung. Führung als instrumentaler Begriff dagegen bezeichnet Zweck und Aufgabenspektrum der Unternehmensführung.106 Im Rahmen der hier vorgenommenen Betrachtung ist in erster Linie der instrumentale Führungsbegriff gemäß WILD relevant. Führung meint demgemäß die „zielorientierte Gestaltung und Steuerung sozialer Systeme“107. Dieses beinhaltet sowohl technischwirtschaftliche (sachbezogene Führung) als auch sozio-psychologische, das Verhalten betreffende Aspekte (personenbezogene Führung).108
102 103
104 105 106
107 108
Unternehmensführung synonym verwendet werden. Eine Differenzierung von Management- und Führungsbegriff nimmt bspw. Kirsch, W. (1992), S. 153 ff. vor. Vgl. Macharzina, K. (1999), S. 31. Vgl. Macharzina, K. (1999), S. 30; Bleicher, K./Meyer, E. (1976), S. 38. Zur Charakterisierung von Führung unter soziologischen Aspekten vgl. insbesondere Beyer, H.-T. (1970), S. 24. Vgl. zu den folgenden Aspekten Lukasczyk, K. (1975), S. 214 ff. Bleicher, K./Meyer, E. (1976), S. 37. In der Literatur zur Unternehmensführung findet man überwiegend die Unterscheidung zwischen institutioneller und funktionaler Perspektive (vgl. z.B. Gutenberg, E. (1962), S. 20 ff.; Steinmann, H./Schreyögg, G. (1993), S. 5 ff.; Staehle, W.H. (1999), S. 65). Abweichend davon soll in dieser Arbeit zwischen institutioneller und instrumentaler Perspektive unterschieden werden (vgl. z.B. Zenz, A. (1999), S. 46). Wild, J. (1982), S. 32; ähnlich auch Macharzina, K. (1999), S. 35 und Becker, W. (2001a), S. 15. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 15; Bleicher, K./Meyer, E. (1976), S. 4 ff.; Korndörfer, W. (1999), S. 19 f.; Staehle, W.H. (1999), S. 72.
2 Management von Prozessen
27
Der instrumentale Führungsbegriff lässt sich unter Zuhilfenahme unterschiedlicher formaler Ansätze, nämlich des Funktionenansatzes, des Prozessansatzes sowie des Systemansatzes weiter präzisieren.109 Aus der funktionalen Sicht ist Unternehmensführung bzw. Management als Summe der Tätigkeiten zu interpretieren, die der zielorientierten Steuerung der Unternehmung dienlich sind, und die, nach unterschiedlichen Führungsprinzipien ausgestaltet, in allen Organisationen vorzufinden sind.110 In der Literatur finden sich zahlreiche Aufzählungen konkreter Managementfunktionen wie z.B.: planen, organisieren, koordinieren, informieren, anweisen, motivieren, entscheiden, kontrollieren.111 Weisen die Funktionen dabei einen personenbezogenen Charakter auf, wie z.B. die Motivation, lassen sie sich der Menschen- bzw. Personalführung zuordnen.112 Die Funktionen mit sachbezogenem Charakter, wie Planung, Organisation, Durchsetzung und Kontrolle, stellen den Bereich des Managements im engeren Sinne dar.113 Im Rahmen dieser Arbeit sind vor allem diese relevant und werden im Folgenden näher betrachtet. Führungsfunktionen können als Bestandteile eines Führungsprozesses interpretiert werden. Abbildung 7 stellt den allgemeinen Führungsprozess in Anlehnung an SCHWEITZER dar.
109 110
111
112 113
Vgl. Zenz, A. (1999), S. 47. Vgl. z.B. Fayol, H. (1916), S. 1 ff. Dieser benennt insgesamt 14 Prinzipien, dabei u.a. die Prinzipien der Arbeitsteilung, der Autorität und Verantwortlichkeit, der Disziplin sowie der Einheit der Auftragserteilung, die als Richtlinien für die Unternehmensführung dienen sollen. So besagt bspw. das Prinzip der Einheit der Auftragserteilung, dass ein Angestellter für die Verrichtung jedweder Arbeit nur von einem Leiter Anweisungen zu erhalten hat, da alles andere zu Verwirrung und Reibereien führt. Zu beachten ist, dass solche Führungsprinzipien tendenziell kontextspezifische Gültigkeit haben. Das soeben beschriebene Prinzip der Einheit würde etwa auf die Führung in einer Matrixorganisation nicht zutreffen, da hier eine prozessbezogenen und eine funktionale Leitungsinstanz koexistieren. Vgl. hierzu die Ausführungen im vorhergehenden Abschnitt. Diese Auswahl ist in ähnlicher Form in den meisten Veröffentlichungen zur Unternehmensführung wiederzufinden. Vgl. dazu beispielhaft Steinmann, H./Schreyögg, G. (1993), S. 6 ff. Vgl. Wild, J. (1982), S. 33; Korndörfer, W. (1999), S. 20. Vgl. Gerhard, T. (1997), S. 12 ff.
28
B Grundlagen des Prozessmanagements Planung Zielbildung Problemidentifizierung Prognose
Alternativensuche
Alternativenbewertung Entscheidung Vorkopplung
Durchsetzung Realisation
Vorgabe Soll-Werte
Rückkopplung
Ermittlung Ist-Werte
Soll-Ist-Vergleich Abweichungsanalyse Kontrolle
Abbildung 7: Phasen im allgemeinen Managementprozess114
Die erste der oben genannten Funktionen ist die Planung, ein systematisch-methodischer Prozess der Erkenntnis und Lösung von Zukunftsproblemen.115 Grundfunktionen der Planung sind die Sicherstellung der unternehmerischen Zielerreichung und die Minderung des Risikos von Fehlentscheidungen sowie die Klärung der Frage, welche Ziele angestrebt werden sollten.116 Die Planung besitzt entsprechend prospektiven Charakter und nimmt zukünftiges unternehmerisches Handeln vorweg.117 Die im Rahmen dieser Arbeit der Planung zugeordneten Teilaktivitäten sind die Zielbildung, 114 115 116 117
In Anlehnung an Schweitzer, M. (2001), S. 26. Vgl. Wild, J. (1982), S. 13. Wild, J. (1982), S. 15. Vgl. Kosiol, E. (1967), S. 79.
2 Management von Prozessen
29
Problemidentifizierung, Alternativensuche, Prognose sowie Alternativenbewertung und Entscheidung.118 Ergebnis der Planung ist ein Plan, der als Wenn-DannAussagensystem die wesentlichen Bestimmungsmerkmale künftigen unternehmerischen Handelns umfasst.119 Pläne können allgemein als ein Komplex integrierter Informationen charakterisiert werden, welche Aussagen über die wesentlichen Bestimmungsmerkmale künftigen Handelns von Unternehmen und deren angestrebte Ausprägung machen.120 Sie beinhalten die Festlegung der angestrebten Ziele, Angaben zu den durchzuführenden Maßnahmen und Prognosen über die zu erwartenden Ergebnisse.121 Abweichend von der Darstellung des Führungsprozesses bei SCHWEITZER soll an dieser Stelle die Organisation explizit in den Führungsprozess mit einbezogen werden. Dies hat im Wesentlichen zwei Gründe. Die Organisation ist zum einen eine wichtige Teilfunktion der Unternehmensführung: „Die Organisation zu gestalten, zählt seit jeher zu den Aufgaben jeder Führungskraft. Dies gilt unabhängig davon, dass […] für dieses Aufgabengebiet spezialisierte Stellen existieren […].“122 Auch knüpft sie als „präsituative Strukturregelung von Aktionsfeldern“123 inhaltlich unmittelbar an die Planung an und fungiert durch Schaffung der zum Handeln notwendigen Strukturen als Bindeglied zu den Inhalten der Durchsetzungsphase. Zweitens kommt der Organisationsfunktion im Rahmen der hier bearbeiteten Problemstellung des strategischen Prozesscontrollings eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund gegenüber der funktionalen Organisationsstruktur abweichender Postulate hinsichtlich der Führungsfunktion Organisation innerhalb einer Prozessorganisation ergeben sich spezifische Anforderungen an ein führungskoordinierendes (Prozess-)Controlling. Eine Integration der Führungsfunktion „Organisation“ in den Managementzyklus als Teil einer ganzheitlichen Erörterung desselben erscheint daher sowohl gerechtfertigt als auch zweckmäßig zu sein. Zweck der Organisation ist die Gestaltung eines Ordnungsrahmens, um das im Rahmen der Planung entwickelte Handlungsprogramm zielgerichtet umsetzen zu können.124 Dabei gilt es, im Spannungsfeld zwischen Koordination und Spezialisierung Maßnahmen zur Gestaltung des Potenzial- und Prozessgefüges im Unternehmen zu 118 119 120 121 122 123 124
Diese Zuordnung entspricht dem Planungsbegriff im weitesten Sinne gemäß Kosiol. Vgl. hierzu Kosiol, E. (1967), S. 77 ff. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 40; ähnlich auch Wild J. (1982), S. 14. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 39 f. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 40; Wild, J. (1982), S. 14. Krüger, W. (2001), S. 127. Krüger, W. (2001), S. 131. Vgl. Macharzina, K. (1999), S. 349.
30
B Grundlagen des Prozessmanagements
ergreifen:125 Das betriebliche Handlungsspektrum wird auf Teilaufgaben heruntergebrochen, welche den jeweiligen Aufgabenträgern in Verbindung mit den zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Ressourcen und Informationen sowie den Verantwortlichkeiten über deren Bereitstellung zugeordnet werden.126 Ziel ist es, eine zweckmäßige Regelung der Beziehungen zwischen Personen, Aktivitäten und Sachmitteln im Hinblick auf die Erfüllung der Unternehmensziele zu erreichen.127 Dieses betrifft einerseits die strukturelle Gestaltung, d.h. die Bildung nach Aufgabenbewältigung abgegrenzter Einheiten im Sinne der Aufbauorganisation der Unternehmung, andererseits die Arbeitsvorgänge, d.h. die Ablauforganisation der Unternehmung. Im Rahmen der Durchsetzung erfolgen die detaillierte Festlegung und anschließende Veranlassung der konkreten Durchführung gemäß den Vorgaben von Planung und Organisation.128 Die Durchsetzung ist das Bindeglied zwischen Planung, Organisation und der tatsächlichen Ausführung. So müssen die Mitarbeiter genaue Kenntnis über die Planungsinhalte erhalten, die geeignete Qualifikation für die geplanten Aufgaben besitzen sowie Motivation und Einsatzbereitschaft aufweisen.129 Entsprechendes sicherzustellen ist die Aufgabe der Unternehmensführung. Die Kontrolle ist eng mit der Planung verbunden.130 Sie ist auf das Erkennen und Analysieren von Abweichungen zwischen Plan- und Ergebnisgrößen gerichtet, umfasst jedoch auch die Überprüfung der der Planung zugrundegelegten Rahmenbedingungen.131 Das in Abbildung 7 stark vereinfacht gezeichnete Bild der Kontrolle bzw. des Kontrollprozesses lässt sich noch präzisieren. So können z.B. nach dem Kontrollobjekt ergebnisorientierte Kontrollen und verfahrensorientierte Kontrollen unterschieden werden.132 Der gesamte Kontrollprozess beinhaltet mehrere Phasen: Beginnend mit
125 126 127 128 129 130
131 132
Vgl. Becker, W. (2001a), S. 31. Vgl. Becker, W. (2001a), S .31. Vgl. Staehle, W.H. (1999), S. 671 f.; Kosiol, E. (1967), S. 53. Vgl. Hahn, D./Hungenberg, H. (2001),S. 38 bzw. S. 47. Vgl. Wild, J. (1982), S. 43. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 70 sowie Horváth, P. (2001), S. 173 f., der Planung und Kontrolle aufgrund dieser engen Verbindung gar als Einheit betrachtet. Ähnlich in diesem Zusammenhang auch: Pfohl, H.-C./Stölzle, W. (1997), S. 2 ff.; Staehle, W.H. (1999), S. 538 ff.; Macharzina, K. (1999), S. 317. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 70; Wild, J. (1982), S. 44; Hahn, D./Hungenberg, H. (2001),S. 47 f. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 175 f. Ergebniskontrollen geben durch den Vergleich von geplanten und der tatsächlich realisierten Merkmalsausprägungen Aufschluss über die erzielten Resultate des betrieblichen Handelns. Verfahrenskontrollen beziehen sich auf einen Vergleich zwischen tat-
2 Management von Prozessen
31
der Bestimmung der Kontroll-Objekte und der Festlegung von geeigneten KontrollKriterien schließen sich die Messung der Kontrollgrößen, der Vergleich dieser mit den jeweiligen Vorgabegrößen sowie die Analyse der resultierenden Abweichungen an.133 Im Ergebnis liefert die Kontrolle nicht nur Informationen über Abweichungen, sondern auch solche über deren Ursachen und Möglichkeiten zur Planung etwaiger Gegenmaßnahmen. Die einzelnen Führungsfunktionen bilden die Teilprozesse (Phasen) „eines komplexen, sich ständig wiederholenden Managementzyklus“134 bzw. Managementprozesses und stehen über Vor- und Rückkopplung, im Sinne eines kybernetischen Regelkreismodells, miteinander in Beziehung (vgl. Abbildung 7).135 An dieser Stelle wird der Funktionenansatz also um eine prozessuale Betrachtung (Prozessansatz) erweitert.136 Das gesamte sachbezogene Führungshandeln im Unternehmen erstreckt sich über alle Stufen bzw. Ranghöhen der Unternehmenshierarchie, wobei eine Vielzahl ineinander geschachtelter untergeordneter Managementzyklen existiert.137 Innerhalb der Regelkreise fungieren die Entscheidungsträger als Lenker,138 die über den gesamten Managementprozess mit entsprechenden Vor- und Rückkopplungsdaten zu versorgen sind.139 Die Führung ist also, unabhängig von der Rangebene, von der Verfügbarkeit dieser Informationen abhängig.140 Somit lässt sich der Führungszyklus auch als ein integrierter Prozess der Gewinnung, Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung von Führungs-, Steuerungs-, Stör- und Regelgrößen im Rahmen der Planung, Organisation, Durchsetzung und Kontrolle verstehen.141
133 134 135 136
137
138 139 140 141
sächlich angewandten und vorgeschriebenen Problemlösungsprozessen. Sie sind daher auch Verhaltenskontrollen. Vgl. Becker, W. (2001a), S.70.; ähnlich auch Küpper, H.-U. (2005), S.195f. Wild, J. (1982), S. 33. Wild, J. (1982), S. 34. Zu Ursprung und Entwicklung des Prozessansatzes innerhalb der Führungstheorien vgl. die Ausführungen bei Macharzina, K. (1999), S. 39 f. Vgl. Wild, J. (1982), S. 36: „Ein solcher Regelkreis (Managementzyklus) tritt im Prinzip sowohl bei jedem Mitarbeiter wie auch zwischen jeder Führungsebene auf, so daß die Organisationshierarchie als eine mehrstufige Hierarchie miteinander vermaschter Regelkreise dieser Art zu deuten ist.“ Vgl. Becker, W. (2001a), S. 42. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 345. Vgl. Wild, J. (1986), S. 36. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 42. Eine genauere Definition dieser Elemente, sowie die Erklärung ihrer Zusammenwirkung innerhalb des Regelkreises soll detailliert in Abschnitt B 2.2.4 im Zusammenhang mit der Kennzeichnung des Prozessmanagements erfolgen.
32
B Grundlagen des Prozessmanagements
Zur Bewältigung dieser Aufgaben stehen den institutionalisierten Trägern von Führungsaufgaben von der obersten Geschäftsleitung bis zur untersten Ebene der Meister und Gruppenleiter verschiedenartige Führungsinstrumente zur Verfügung, welche mit allen Handlungen der sozialen Einflussnahme und allen Personen, welche diese ausführen, ein Führungs- oder Managementsystem bilden.142 Prozess- und Funktionsansatz sollten daher um den bereits erwähnten Systemansatz ergänzt werden. Dazu sind die Elemente des Führungssystems sowie ihre Beziehungen sowohl innerhalb der Grenzen des Führungssystems als auch darüber hinaus zu analysieren. Aufgrund der relativ hohen Bedeutung der Abgrenzung des Führungssystems für die Fundierung von strategischem Prozesscontrolling soll dies in einem eigenen, sich anschließenden Abschnitt erfolgen. 2.1.2
Zum Begriff des Führungs- bzw. Managementsystems
Das Führungssystem143 umfasst, wie bereits angesprochen wurde, neben den „Bestimmungshandlungen“144 auch die „Gesamtheit des Instrumentariums, der Regeln, Institutionen und Prozesse [..] mit denen Führungsaufgaben (-funktionen) in einem sozialen System erfüllt werden“145 Es ist abzugrenzen von dem Ausführungs- bzw. Leistungssystem, dessen Prozesse unmittelbar auf die Erstellung und Verwendung von Gütern bzw. Leistungen und nicht wie das Führungssystem auf die Einflussnahme auf Handlungsträger abzielen.146 Das Leistungssystem beinhaltet somit sowohl die primären (marktleistungsbezogenen) Geschäftsprozesse als auch die sekundären (leistungserstellungsunterstützenden) Geschäftsprozesse.147 Das Leistungssystem ist Bezugsobjekt für das Führungssystem und steht mit selbigem in einer Informations- und Koordinationsbeziehung. Konkret hat das Führungssystem zu gewährleisten, dass die Strukturen und Abläufe des Leistungssystems an den Zielen der Unternehmung ausgerichtet sind, 148 d.h. zu ihrer Erfüllung im Sinne der Planung beitragen. 142 143
144 145 146 147 148
Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 29. Analog zur Handhabung der Führungs- und Managementbegriffe sollen auch die Begriffe Führungs- und Managementsystem, sofern nicht anders angegeben, in dieser Arbeit gleichbedeutend verwendet werden. Ulrich, H. (1970), S. 318. Wild, J. (1982), S. 32. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 29. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 18. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 21, der in diesem Zusammenhang auch auf die Harmonisationsfunktion des Führungssystems hinweist. Vgl. hierzu die grundlegenden Ausführungen in Abschnitt C 1.1 bzw. Bleicher, K./Meyer, E. (1976), S. 37.
2 Management von Prozessen
33
Das Führungssystem wiederum besteht aus mehreren Teilsystemen, welche der Erfüllung der bereits beschriebenen Management-Teilfunktionen dienen und entsprechend miteinander verknüpft sind.149 In der Literatur lassen sich dabei durchweg Organisation, Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung als wichtige Teilsysteme finden.150 WILD identifiziert darüber hinaus noch die allgemeinen Führungsprinzipien, Ziel- und Zielbildungssystem sowie Motivations- und Anreizsysteme als „wichtigste Bestandteile“ des Führungssystems.151 In Anlehnung an KÜPPER sollen in dieser Arbeit die Planung, die Kontrolle, das Informationsversorgungsystem sowie die Personalführung und Organisation die konstitutiven Teilsysteme der Führung bilden.152 Es ergibt sich somit das in Abbildung 8 dargestellte Führungssystem mit seinen sechs Teilsystemen Planung, Kontrolle, Informationsversorgung, Organisation und Personalführung.
Unternehmen Führungssystem Personalführungssystem
Planungssystem
Kontrollsystem
Organisationssystem
Informationssystem
Leistungssystem
Abbildung 8: Gliederung des Führungssystems153
149 150 151 152
153
Vgl. Wild, J. (1982), S. 32. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 29. Vgl. Wild, J. (1982), S. 32. Eine Übersicht über weitere Ansätze zur Gliederung des Führungssystems findet man bei Küpper, H.-U. (2005), S. 29. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 29 f. Küpper begründet diese „komprimierte Gliederung“ des Führungssystems u.a. damit, dass die Zielbildung der Planung bzw. die Führungsgrundsätze, Motivations- und Anreizsysteme der Personalführung zugeordnet werden können. In Anlehnung an Küpper, H.-U. (2005), S. 30.
34
B Grundlagen des Prozessmanagements
2.2
Begriff und Inhalte des Prozessmanagements
2.2.1
Continuous Improvement und Reengineering: Grundlagen des Prozessmanagements
Über die Ausgestaltung von Prozessmanagement existiert eine Vielzahl verschiedener Ansichten. BENNER/TUSHMAN bspw. stellen hinsichtlich des Prozesssmanagements fest: „Process management entails three main practices: mapping processes, improving processes and adhering to systems of improved processes.“154 Entsprechend dieser Definition bezieht sich Prozessmanagement neben der Dokumentation von Prozessen vor allem auf die Umsetzung von Maßnahmen des Continious Improvements, welches, hervorgegangen aus der japanischen Managementphilosophie, eine langsamstetige, inkrementale Verbesserung der Abläufe im Unternehmen propagiert.155 Zentrale Aspekte sind dabei die Optimierung der Wertbeiträge einzelner Prozesse zum Endprodukt bzw. zur Kundenleistung und die weitgehende Eliminierung nichtwertschöpfender Aktivitäten.156 Oftmals werden in diesem Zusammenhang Maßnahmenprogramme und Instrumente wie das Total Quality Management, ISO 9000 und Six Sigma als wesentliche Elemente des Prozessmanagements angeführt.157 Als eine Art inhaltliche Gegenposition zu dieser Sichtweise postulieren die Vertreter des Reeingineering eine sprunghafte, radikale und komplette Umstrukturierung des Unternehmens.158 Dem Prozessmanagement obliegt es, diese Umstrukturierung vorzunehmen, d.h. Prozesse definieren, die Organisationsstruktur umzustellen und die zugehörigen Stellen zu schaffen, Management und Bewertungssysteme anzupassen sowie die notwendige Änderung der Wertvorstellungen und Überzeugungen im Unternehmen Reengineering-konform zu gestalten.159 Die entsprechenden Impulse sollen von dem sogenannten „leader“, einem hochrangigen Manager, der im Unternehmen die Gesamtverantwortung für das Reengineering trägt, ausgehend auf die nachgeordnete Managementebene der Prozessverantwortlichen wirken.160 Während sich Ersterer ne154 155 156 157 158
159 160
Benner, M.J./Tushman, M.L. (2003), S. 240. Vgl. dazu grundsätzlich Imai, M. (1992). Vgl. z.B. Harrington, H.J. (1991), S.138 ff. Vgl. Benner, M.J./Tushman, M.L. (2003), S. 240 ff.; Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 21 ff.: Ahlrichs, F./Knuppertz, T. (2006), S. 31. Maßgeblich geprägt wurde das Reengineering vor allem durch die Beiträge von Davenport, T.H. (1993) und Hammer, M./Champy, J. (1993). Vgl. Hammer, M./Champy, J. (2003), S. 109. Vgl. auch zu den folgenden Ausführungen Hammer, M./Champy, J. (2003), S. 134 ff.
2 Management von Prozessen
35
ben visionären Aspekten mit der Ernennung der Prozessverantwortlichen befasst, stellen Letzere für ihre jeweiligen Prozesse Reengineering-Teams zusammen, beschaffen erforderliche Ressourcen, motivieren, inspirieren und überwachen ihre Teams. Die beiden hier vorgestellten Perspektiven bilden die Grundlage für die inhaltliche Ausgestaltung von Prozessmanagement. Zwar sind sie in ihren Grundhaltungen konfliktionär, können jedoch unter bestimmten Umständen kombiniert werden, um die Vorteile inkrementaler und radikaler Veränderung miteinander zu verbinden.161 OSTERLOH/FROST schlagen in diesem Zusammenhang die alternierende Anwendung beider Perspektiven vor.162 Dabei würden Phasen des radikalen Wandels durch Phasen inkrementaler Veränderung abgelöst und so eine kontinuierliche Anpassung an wechselnde Rahmenbedingungen ermöglicht. Ähnliches postulieren auch andere Autoren, die Continuous Improvement als ergänzende Maßnahme begreifen, um nach der zeitlich begrenzten, radikalen Umwälzung durch das Reengineering die kontinuierliche Optimierung der Prozesse zu gewährleisten. 163 Komplementär dazu argumentieren GAITANIDES et al, radikale Änderungen im Sinne des Reengineering seien im Unternehmen eher die Ausnahme, der inkrementale Wandel und damit das Continious Improvement tendenziell der Normalfall.164 Nichtsdestotrotz seien beide Perspektiven in ein ganzheitliches Prozessmanagement zu integrieren. Eine diese Aspekte mit einbeziehende, umfassende definitorische Abgrenzung von Prozessmanagement soll im nächsten Abschnitt erfolgen. 2.2.2
Definition und Abgrenzung von Prozessmanagement
Wie im Abschnitt B 1.3 erläutert wurde, variieren Kompetenz- und Verantwortungsbereich der Prozessverantwortlichen und damit des Prozessmanagements je nach Organisationsform. Dieser Umstand macht eine eindeutige Charakterisierung im Sinne eines idealtypischen Prozessmanagements schwierig. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass auch in rein funktional organisierten Unternehmen Prozessmanagement sinnvoll sein kann. Zwar spielen Prozesse in einem solchen Fall bei der organisatorischen Strukturierung keine Rolle und treten als explizites 161 162 163 164
Vgl. Rohm, C. (1998), S. 66; Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 148. Vgl. Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 149. Vgl. in diesem Zusammenhang z.B. Al-Ani, A. (1996), S. 143. Vgl. Gaitanides, M./Scholz, R./Vrohlings, A. (1994), S. 11.
36
B Grundlagen des Prozessmanagements
Managementobjekt gegenüber den Funktionsbereichen in den Hintergrund, jedoch sind sie, wenn auch implizit, nach wie vor im Unternehmen existent und als Quellen der betrieblichen Leistungserstellung für den Erfolg der Unternehmung maßgeblich. So arbeiten auch in einer rein funktional strukturierten Organisation verschiedene Funktionsbereiche entlang der Wertschöpfungskette übergreifend miteinander zusammen und müssen folgerichtig koordiniert werden. Auch entwickeln sich Erfolgspotenziale, wie Kernkompetenzen, Differenzierungsmöglichkeiten oder Kostenvorsprünge innerhalb der betrieblichen Abläufe bzw. entfalten dort ihr Nutzenpotenzial bei der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen.165 Insofern ist ein „Prozessmanagement“, welches sich mit der Analyse und Gestaltung der betrieblichen Abläufe befasst, auch in funktionalen Organisationen zweckmäßiger Teil der Führungsaufgabe. Im Folgenden soll daher eine Kennzeichnung des Prozessmanagements erfolgen, die sich an die allgemeinen Ausführungen zur Unternehmensführung in Abschnitt B 2.1.1 anlehnt. Konkret bedeutet dies, dass das Prozessmanagement als ein Teil der Unternehmensführung bzw. das Prozessmanagementsystem des Führungssystems der Unternehmung zu definieren wäre, welches seinerseits mehrere separierte Funktionen bzw. Teilsysteme umfasst (vgl. Abbildung 9).166 In diesem Sinne definieren bspw. SCHMELZER/SESSELMAN Prozessmanagement als ein integriertes Konzept von Führung, Organisation und Controlling, das eine zielgerichtete Steuerung der Geschäftsprozesse ermöglicht.167 Nach GAITANIDES et al umfasst Prozessmanagement „planerische, organisatorische und kontrollierende Maßnahmen zur zielorientierten Steuerung der Wertschöpfungskette eines Unternehmens (…).“168 Ähnliches konstatiert auch ROHM, demzufolge „die zielorientierte Planung, Steuerung und Kontrolle von Unternehmungsprozessen (Systemgestaltung) sowie die dazu notwendige Organisation (Vorgehensgestaltung)“169 konstitutive Bestandteile eins Prozessmanagements sind. Andere Autoren weisen dem Prozessmanagement darüber hinaus noch ein spezifisches Personal- und Informationsmanagement
165 166 167 168 169
Vgl. ausführlich dazu Kapitel C dieser Arbeit. Vgl. die grundlegenden Ausführungen zum Managementbegriff in Abschnitt B 2.1.1, die hier im Bezug auf das Prozessmanagement konkretisiert werden. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 4. Gaitanides, M./Scholz, R./Vrohlings, A. (1994), S. 3. Rohm, C. (1998), S. 22.
2 Management von Prozessen
37
zu.170 Auch ein prozessorientiertes Controlling wird in diesem Zusammenhang als notwendiger Bestandteil des Prozessmanagementsystems betrachtet.171 Analog zur Gesamtunternehmensführung lassen sich also auch für das Prozessmanagement funktional abgrenzbare Teilbereiche identifizieren. Diese wiederum sind keine autonomen Systeme, sondern Teilsysteme in den jeweiligen Führungsteilsystemen im Unternehmensführungssystem.172
Unternehmen Führungssystem Prozessmanagement Prozessbezogenes Personalführungssystem
Prozessbezogenes Planungssystem
Prozessbezogenes Kontrollsystem
Prozessbezogenes Organisationssystem
Prozessbezogenes Informationssystem
Leistungssystem
Abbildung 9: Das Prozessmanagementsystem173
Die inhaltliche Ausgestaltung des Prozessmanagementsystems sollte sich in enger Anlehnung an FUHRMANN an den Prinzipien der Prozess-, der Kunden- und der Mitarbeiterorientierung ausrichten.174 Das Prinzip der Prozessorientierung wurde bereits in den Abschnitten B 1.2 und B 1.3 dieser Arbeit diskutiert und meint die Substitution funktionsorientierten Denkens durch die Betrachtung cross-funktional integrierter Unternehmensprozesse. Übertragen auf die Führungsebene eines Unternehmens folgt aus dem Prinzip der Prozessorientierung eine inhaltliche Abgrenzung von Prozessmanagement und Gesamtführungssystem dahingehend, dass alle funktionellen Maßnahmen im Führungssystem, die mit der 170 171 172 173 174
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 42. Vgl. dazu die grundlegenden Ausführungen in Abschnitt A 1 dieser Arbeit. Vgl. Leistert, O. (2006), s. 42. In Anlehnung an Leistert, O. (2006), S. 122. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Fuhrmann, B. (1998), S. 66 ff.
38
B Grundlagen des Prozessmanagements
Gestaltung und Ausführung der Geschäftsprozesse verbunden sind, unter dem Begriff Prozessmanagement subsumiert werden können.175 Auch das nächste Prinzip, nämlich die Kundenorientierung, wurde bereits in dieser Arbeit als konstitutives Element einer prozessorientierten Unternehmensgestaltung thematisiert.176 Die Kundenorientierung richtet sich nicht allein auf den externen Kunden. Auch unternehmensintern existiert eine Kunden-Lieferanten-Beziehung zwischen Vorgänger- und Folgeprozess. Für das Prozessmanagement ergibt sich die Notwendigkeit „sowohl die Gestaltung der Prozessstruktur als auch die Steuerung der Geschäftsprozesse an den Anforderungen der internen und externen Empfänger der Prozessleistung“177 auszurichten. Das Prinzip der Mitarbeiterorientierung zielt auf die Beteiligung der Mitarbeiter bei der Umsetzung der Prozessorientierung ab. Der Abbau vertikaler Hierarchien und die teilweise Delegation von Führungsaufgaben an die Prozessteams sind Zentrale Elemente der Prozessorientierung. Entsprechend muss die Akzeptanz von Prozess- und Kundenorientierung bei den Mitarbeitern unternehmensweit sehr hoch sein, da sonst die Zielerreichung gefährdet ist. Das Prozessmanagement hat dafür Sorge zu tragen, dass die in den Prozessabläufen involvierten Mitarbeiter motiviert und befähigt sind, ihren Teil der Führungsaufgabe zu bewältigen. 2.2.3
Multidimensionalität der prozessbezogenen Führungsgrößen
Leistungsparameter dienen grundsätzlich und unabhängig von der Organisationsform dazu, Effektivität und Effizienz des Betriebsablaufes zu erfassen und zu bewerten, sowie die Wirkung von Leistungsänderungen auf das wirtschaftliche Ergebnis abzubilden.178 Ferner fungieren sie als Ziel-, Steuer- und Regelgrößen für das Management und sind somit für die Ermöglichung einer umfassenden und ganzheitlichen Lenkung des Unternehmens zwingend erforderlich:179 „Die Verantwortung für die Effektivität und Effizienz eines Geschäftsprozesses trägt der Geschäftsprozessverantwortliche. Über die Messung der Prozessleistungsparameter erhält er laufend Informationen über den Leistungsstand und die Leistungsentwicklung seines Geschäftsprozesses. An175 176 177 178 179
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 42. Vgl. insbesondere die Ausführungen in Abschnitt B 1.2.1 dieser Arbeit. Leistert, O. (2006), S. 44. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 241. Vgl. die Ausführungen zum kybernetischen Prozessmanagementmodell in Abschnitt B 2.2.4.
2 Management von Prozessen
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hand dieser Informationen entscheidet er, ob er Korrekturmaßnahmen einleiten muss, um die Prozessziele zu erreichen.“180 Das Effektivitätskriterium zielt grundsätzlich auf die Zweckmäßigkeit, -erfüllung oder -wirk-samkeit einer Tätigkeit ab. Diese gilt als „effektiv in Bezug auf bestimmte Zwecke, wenn sie eine Zustandsveränderung bewirkt, mit der diese Zwecke erfüllt werden.“181 Die im Kontext des strategischen Managements zugrunde gelegte Zielsetzung ist die Sicherung der langfristigen Unternehmensexistenz. In diesem Zusammenhang sind Handlungen dann als effektiv zu bewerten, wenn sie (langfristig) eine positive Wirkung auf den Unternehmenserfolg haben und das Unternehmen in die Lage versetzen Leistungen gewinnbringend abzusetzen. Aufgrund des Postulats der Fokussierung auf Kundenbedürfnisse als elementarem Merkmal der Prozessorientierung lässt sich das Effektivitätskriterium im Bezug auf Prozesse dahingehend ergänzen, dass sie u.a. dann effektiv sind, wenn die durch sie erzeugten Leistungen die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden erfüllen.182 Entsprechend ist die Prozessleistung nicht nur anhand ihres Erfolgsbeitrages, sondern insbesondere auch anhand des Kongruenzgrades von Prozessergebnis und Kundenerwartung zu beurteilen. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Interpretation und Nutzung von effizienzorientierten Leistungsparametern. Effizient ist eine Tätigkeit „in Bezug auf eine bestimmte Teilmenge der relevanten Ziele und Tätigkeitsalternativen, wenn sie eine Zustandsveränderung bewirkt, die bei der Wahl einer anderen Alternative aus der Teilmenge im Hinblick auf keines der im Einzelfall ausgewählten Ziele eine Verbesserung erlaubt, ohne gleichzeitig bei einem anderen der ausgewählten Ziele zu einer Verschlechterung zu führen.“183 Prozesse sind im Allgemeinen effizient, wenn ihre Leistung mit möglichst geringem Mitteleinsatz erzeugt wurde.184 Es hängt von der Prozesseffizienz ab, ob die Prozessleistungen dem Kunden anforderungsgerecht und zu einem akzeptablen Preis bereitgestellt werden können.
180 181 182 183 184
Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 63. Ahn, H./Dyckhoff, H. (2004), S. 519. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 62; Juran, J.M. (1993), S. 386. Ahn, H./Dyckhoff, H. (2004), S. 519. Vgl. hierzu und den folgenden Ausführungen Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 63.
40
B Grundlagen des Prozessmanagements
Dabei kann es bei der Prozessteuerung nicht nur um die Minimierung oder Maximierung bestimmter Performancegrößen gehen, sondern v.a. auch um die Übereinstimmung mit definierten und ggf. mehrere Parameterdimensionen betreffenden Vorgaben, der „conformance to customer requirements“.185 Auf dieser inhaltlichen Basis sind die prozessbezogenen Führungsgrößen zu definieren. Wünschenswert sind in diesem Zusammenhang konkrete, quantitative Vorgabewerte wie z.B. „Abwicklung einer Personaleinstellung in zwei Tagen“ oder „maximale Ausschussquote bei Zwischenprodukt XY von zwei Prozent“, da diese eine höhere Aussagenkraft besitzen als nominal skalierte Angaben.186 Anhand dieses erweiterten Anforderungsprofils an prozessbezogene Leistungsparameter wird deutlich, dass eine einheitliche und eindimensionale Erfassung und Bewertung (bspw. ausschließlich kostenbezogene) der verschiedenen Geschäftsprozesse im Unternehmen nicht zweckmäßig sein kann, vielmehr die Parameter prozessspezifisch festzulegen sind.187 2.2.3.1 Beispiele für prozessbezogene Führungsgrößen Bei der prozessbezogenen Kennzahlenbildung sollten, das wurde im Abschnitt zuvor angesprochen, mehrere Dimensionen zugrunde gelegt werden. Sowohl in der theoretischen als auch in der praxisbezogenen Literatur haben sich überwiegend die Kosten-, Qualitäts- und Zeitdimension als primäre, den prozessbezogenen Leistungsparametern zugrundeliegende Dimensionen etabliert.188 Ergänzend dazu lassen sich die Leistungsparameter noch theoretisch in prozessoutput-, prozessablauf- und prozessinputbezogene Kennzahlen systematisieren, wobei in der Literatur die Output- oder Gesamtbetrachtung dominiert.189 Tabelle 1 zeigt beispielhaft einige solche angewendeten Führungsgrößen und ordnet sie entsprechend zu.
185 186 187 188 189
Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 205; Gaitanides, M./Scholz, R./Vrohlings, A. (1994), S. 58. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 75. Vgl. Kuhn, A./Winz, G. (1999), S. 20. Vgl. die Übersicht bei Leistert, O. (2006), S. 63. Vgl. Götze, U. (2007), S. 327.
2 Management von Prozessen Kosten
x
Qualität
x x
Zeit
x
Prozessinput Kosten von Inputfaktoren
41 x x
Fehlerfreiheit der Inputgüter Anteil zertifizierter Lieferanten
x x
Lieferzeit und -treue von Lieferanten
x x x
Prozessablauf Prozesskosten Prozesskostensätze von Teilprozessen Fehlerfreiheit Prozessfähigkeit von Teilprozessen
Durchlaufzeit Termintreue von Teilprozessen Rüst-, Liege-, Transport-, Wartezeiten
x x x x x x x x x x
Prozessoutput Prozesskosten Prozesskostensätze Anzahl der Fehler Prozessfähigkeit Störanfälligkeit Kontrollier-/ Steuerbarkeit Verbesserungsrate Durchlaufzeit und ihre Streuung Termintreue Reaktionszeiten
Tabelle 1: Ausgewählte prozessbezogene Führungsgrößen190
Ergänzend dazu werden noch relativ häufig die Dimensionen der Kundenzufriedenheit und der Prozessflexibilität angeführt.191 Seltener finden sich auch mitarbeiterbezogene oder andere Dimensionen. Auch empirische Untersuchungen stützen dieses Bild: So weist eine empirische Studie von WALL/HIRSCH/ATTOPRS die relativ hohe Bedeutung von Kosten, Qualität, Zeit und Kundenzufriedenheit für die Bewertung von Geschäftsprozessen nach.192 Die Kundenzufriedenheit stellt grundsätzlich eine übergeordnete, direkt aus dem Postulat der Kundenorientierung abgeleitete Dimension dar, die auf die unmittelbare Bewertung der erbrachten Leistung abzielt. Mögliche, sich auf die Kundenzufriedenheit beziehende Kennzahlen sind bspw. die Kundenzuwachsrate, die Anzahl von Beschwerden, die Dauer der Kundenbindung oder die Rate von Wiederholungskäufen.193 Die Kundenzufriedenheit ist auf das Prozessergebnis bezogen, während sich die Kosten-, Qualitäts- und Zeitdimension tendenziell auf den Prozessablauf beziehen. GAITANIDES/SCHOLZ/VROHLINGS betrachten daher die Kundenzufriedenheit als 190 191 192
193
In Anlehnung an Götze, U. (2007), S. 327. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 241 ff.; Leistert, O. (2006), S. 71 f. Vgl. Wall, F./Hirsch, B./Attorps, J., (2001), S. 73 ff. sowie Wall, F./Hirsch, B./Attorps, J., (2000), S. 243 ff. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 77, Meffert, H. (2000), S. 366; Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. (2002), S. 1175.
42
B Grundlagen des Prozessmanagements
Ergebnisparameter, während Kosten, Qualität und Zeit Prozessparameter darstellen.194 Im Folgenden soll der Einsatz dieser Prozessparameter als Führungsgrößen im Prozessmanagement kurz erörtert werden. 2.2.3.2 Prozesskosten als Führungsgröße im Prozessmanagement Den Kosten kommt bei der Bewertung einer erbrachten Leistung und als Führungsgröße für das Management seit jeher eine große Bedeutung zu. Eine erfolgreiche Vermarktung von Wirtschaftsgütern setzt meistens preispolitische Entscheidungen und damit, sofern man eine kostenorientierte Preispolitik unterstellt, eine genaue Kenntnis der Kosten voraus.195 Der Preis ist für viele Konsumenten ein wichtiges Leistungsmerkmal, da seine Höhe direkt den Nettonutzen einer Leistung bestimmt.196 Die Anforderungen der Kunden an konkrete Leistungen beinhalten daher in der Regel dezidierte Preisvorstellungen. Somit entstehen den einzelnen Prozessen im Hinblick auf ihre Leistungen konkrete preispolitische Spielräume, deren Einhaltung u.a. durch eine entsprechende Beherrschung der Kosten zu gewährleisten ist. Dies gilt insbesondere für Prozesse, die unmittelbar eine Leistung für einen Endkunden erstellen, allerdings auch für sämtliche vorgelagerte, interne „Lieferanten“-Prozesse, deren Kosten natürlich die Kosten ihrer jeweiligen „Kunden“-Prozesse beeinflussen. Eine prozesskostenbezogene Kennzahlenbildung (z.B. Prozesskosten pro Prozessausführung oder Mitarbeiter) ist folglich unerlässlich für eine anforderungsgerechte Leistungserstellung und damit Grundlage für die Bewertung der Prozesseffizienz. Allgemein bezeichnet der Kostenbegriff den bewerteten sachzielbezogenen Güterverbrauch.197 Die Prozesskosten geben im Speziellen Auskunft darüber, wie der Ressourcenverzehr durch die Geschäftsprozesse monetär bewertet wird und umfassen nur die Kosten, die durch die eigentliche Prozessausführung ausgelöst werden.198 Prozesskosten werden durch eine Prozesskostenrechnung ermittelt, die die Gemeinkosten den Prozessleistungen in Abhängigkeit von der Inanspruchnahme der Prozessressourcen
194 195 196 197 198
Vgl. Gaitanides, M./Scholz, R./Vrohlings, A. (1994), S. 15. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 219. Vgl. Meffert, H. (2000), S. 488. Vgl. Coenenberg, A.G. (1999), S. 39. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 65.
2 Management von Prozessen
43
zuteilt:199 „Sie zeigt realitätsnah auf, welche Ressourcen die Geschäftsprozesse in Anspruch nehmen und was die Erzeugung der Prozessleistung kostet (…).“200 Für das Prozessmanagement ist die so gewonnene Transparenz wichtige Voraussetzung einer kostenorientierten Prozesssteuerung. So werden u.a. Kostenvergleiche zwischen verschiedenen alternativen Methoden bzw. Verfahren ermöglicht und so ggf. Ansatzpunkte für etwaige Kostensenkungen geschaffen.201 Weitere Nutzungsmöglichkeiten liegen in der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung und in der Durchführung von Kundenergebnisrechnungen (Kunden, Kundengruppen, Marktsegmente, Regionen) sowie Kundenwertanalysen.202 Die Prozesskosten sind als Führungsgrößen also auch im Prozessmanagement von großer Wichtigkeit, sollten allerdings in Verbindung mit nicht-finanziellen Leistungsparametern verwendet werden, da sonst folgenden Nachteile auftreten können:203 x Da Kosten auf verdichteten Daten beruhen, können keine direkten Hinweise auf die Ursachen von Ineffektivität und Ineffizienz in den Prozessen gewonnen werden. x Die Probleme bei der Erfassung und Zuordnung insbesondere bezüglich Gemeinkostenschlüsselung und Fixkostenproportionalisierung schränken die Aussagekraft der Prozesskosten möglicherweise stark ein. x Prozesskosten stellen für die im Prozessablauf unmittelbar involvierten Mitarbeiter eine relativ abstrakte Größe dar, die keinen unmittelbaren Einblick in die Abläufe ermöglicht. Daher eignen sich Prozesskosten auch nur bedingt zur Selbststeuerung. Neben diesen Punkten gilt es zu berücksichtigen, dass die Kosten eine primär effizienzorientierte Größe sind und nur geringen Aufschluss über die Effektivität der Prozesse geben können. Aussagen über den Nutzen der Prozessleistungen sind allein auf Basis der Prozesskosten nicht möglich. Entsprechend wäre eine prozessbezogene Kostenrechnung sinnvollerweise durch eine Nutzenrechnung zu ergänzen. 199 200 201 202 203
Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 267. Eine detaillierte Beschreibung der Vorgehensweise der Prozesskostenrechnung findet sich u.a. bei Horváth, P. (2003), S. 551 ff. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 267. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 219. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 267. Vgl. zu der folgenden Übersicht Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 269.
44
B Grundlagen des Prozessmanagements
2.2.3.3 Qualität und qualitätsbezogene Führungsgrößen im Prozessmanagement Die Qualitätsdimension bzw. der allgemeine Qualitätsbegriff beinhaltet sowohl objektive als auch subjektive Komponenten: „Dabei stellt die objektive oder auch technische Qualität vor allem auf anbieterbezogene Aspekte wie Qualitätskontrolle, Übereinstimmung mit bestimmten technischen Spezifikationen, Auschußquoten etc. ab. Demgegenüber ist die subjektive, abnehmerbezogene Qualität als Ergebnis eines Wahrnehmungs- und Bewertungsvorgangs auf Kundenseite anzusehen.“204 Im Zusammenhang mit der Prozessorientierung wird oftmals auf den Qualitätsbegriff der Norm EN ISO 9000 ff. zurückgegriffen.205 Demnach ist Qualität „der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt.“206 Die Anforderungen ergeben sich dabei aus den Kundenanforderungen bzw. -erwartungen.207 Für das Prozessmanagement ist es im Rahmen der qualitätsorientierten Prozesssteuerung wichtig, den Beitrag eines Prozesses zu dem vom Kunden erwarteten spezifischen Leistungsprofil herauszuarbeiten, um eine Verbindung zwischen der Prozessqualität und der von Kunden wahrgenommenen Qualität herstellen zu können. Die Prozessqualität als Verfeinerung des obengenannten allgemeinen Qualitätsbegriffs bezeichnet die Qualität der Prozessausführung und des Prozessergebnisses. Eine hohe Prozessqualität äußert sich in fehlerfreien Produkten, einem reibungslosen Prozessablauf, der (möglichst) friktionsfreien Integration verschiedener Prozesse und geringen oder keinen Nachbearbeitungszeiten durch Vermeidung vorausgehender Fehler.208 Die Führungsgrößen zur Steuerung der Prozessqualität sollten für spezifische Prozesse individuell festgelegt werden, da Prozesse im Hinblick auf die vom Kunden wahrgenommene Qualität unterschiedliche Bedeutung haben. Die folgenden Ausführungen sollen Hinweise geben, wie das Prozessmanagement vorgehen könnte, um zweckmäßige qualitätsbezogene Führungsgrößen festzulegen.
204 205 206 207
208
Meffert, H. (2000), S. 273. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 207; Leistert, O. (2006), S. 68; Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 34 f. Gaitanides, M. (2007), S. 207. Einen ähnlichen, auch auf den Befriedigungsgrad der Kundenbedürfnisse abzielenden Qualitätsbegriff findet man z.B. auch bei Kotler, P./Bliemel, F. (2001), S. 78. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 208.
2 Management von Prozessen
45
Analog zu der im sog. Kano-Modell209 vorgenommenen Differenzierung der von Produkten bzw. Leistungen betroffenen Anforderungen in Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen könnten diejenigen Geschäftsprozesse unterschieden werden, deren Prozessergebnis die entsprechenden Anforderungen betreffende Leistungen sind.210 So ließen sich Basisprozesse, Leistungsprozesse und Begeisterungsprozesse unterscheiden. Basisprozesse erzeugen Leistungen, die Basisanforderungen, d.h. Anforderungen, die der Kunde als selbstverständlich erachtet, erfüllen. Dies ist aus Sicht des Kunden kein Kaufargument und trägt nicht positiv zur Zufriedenheitsbildung bei. Nichtsdestotrotz sind sie zu berücksichtigen, denn wird den Basisanforderungen nicht im vom Kunden erwarteten Ausmaß entsprochen, entsteht große Unzufriedenheit. Beispiele für Basisanforderungen sind u.a. eine pünktliche Lieferung oder ein Katalysator in einem PKW. Leistungsprozesse bedienen Leistungsanforderungen. Die Erfüllung von Leistungsanforderungen wird von Kunden ausdrücklich verlangt, infolgedessen entsteht wie bei den Basisanforderungen bei Nichterfüllung Unzufriedenheit. Anders als bei den Basisanforderungen jedoch steigert ihre Erfüllung über die grundlegenden Kundenanforderungen hinaus kontinuierlich die Kundenzufriedenheit. Die entsprechenden Leistungen sind für den Kunden dann Kaufargumente, wenn sie gegenüber dem Angebot von Wettbewerbern vorteilhaft sind. Leistungsanforderungen im Zusammenhang mit einem Autokauf wäre z.B. eine gute Beschleunigung. Begeisterungsprozesse beziehen sich auf die Begeisterungsanforderungen. Es handelt sich dabei um solche Eigenschaften, die der Kunde von vornherein weder gefordert noch erwartet hat. Ein Beispiel für entsprechende Leistungen könnte ein automatisch abblendender Rückspiegel sein. Stimmt dabei aus Sicht des Kunden das Preis/Leistungsverhältnis, kann die Erfüllung von Begeisterungsanforderungen ein Kaufargument sein. In diesem Fall wirken Begeisterungsanforderungen überproportional positiv auf die Kundenzufriedenheit. Das Prozessmanagement sollte diese Zusammenhänge berücksichtigen, wobei beachtet werden muss, dass Prozesse möglicherweise auch mehrere Anforderungen betreffen können. Die hier vorgenommene Differenzierung liefert somit lediglich Tendenzaus209 210
Vgl. zum Kano-Modell z.B. die Ausführungen bei Hinterhuber, H.H. (2004), S. 20 ff. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S. 211 ff.
46
B Grundlagen des Prozessmanagements
sagen für die Vorgabe spezifischer prozessbezogener Qualitätsnormen durch das Prozessmanagement. Basis- und Leistungsprozesse sollten strengeren Qualitätsnormen unterliegen als Begeisterungsprozesse, da sie mit einem höheren Risiko hinsichtlich der Kundezufriedenheit behaftet sind.211 Sie sind unmittelbar mit den Kundenerwartungen verknüpft und gefährden bei negativer Abweichung die Kundenbindung. Das bedeutet für Basisund Leistungsprozesse u.a. die Festlegung geringerer Fehlertoleranzwerte und engerer Spielräume für etwaige Leistungsabweichungen im Hinblick auf die Befriedigung der Kundenbedürfnisse. Bei der Festlegung von Qualitätsnormen für Begeisterungsprozesse könnten dagegen größere Freiheitsgrade hinsichtlich ihrer Einhaltung gewährt werden. Begeisterungsprozesse ermöglichen zwar grundsätzlich die Profilierung gegenüber dem Kunden durch die Bereitstellung einzigartiger, innovativer Leistungen, jedoch sind diese i.d.R. leicht zu imitieren. Nur in besonderen Einzelfällen erscheint es denkbar, dass Leistungsanforderungen durch Begeisterungsanforderungen substituierbar sind. Zur konkreten Steuerung der Prozessqualität steht eine ganze Reihe verschiedener Führungsgrößen zur Verfügung.212 Viele Unternehmen erfassen beispielsweise die Qualitätskosten eines Prozesses, d.h. diejenigen Kosten, die durch die proaktive Verhütung von Fehlern (Präventivkosten) und/oder durch die Abweichung der Qualität (Fehlleistungskosten, z.B. durch Nachbearbeitung) entstehen. Qualitätskosten haben jedoch als Führungsgröße Nachteile: „Ihre Aussagekraft leidet an der häufig unvollständigen und ungenauen Kostenerfassung und -zurechnung.“213 Deshalb eigenen sich Kennzahlen, die sich unmittelbar auf die Abweichung der Qualität beziehen und direkt aus den Prozessen abgeleitet werden können, wie der sog. First Pass Yield (FPY) und die Fehlerrate besser als Führungsgrößen. Der First Pass Yield bezeichnet den Prozentsatz an Bearbeitungsobjekten, die bereits nach dem ersten Prozessdurchlauf fehlerfrei sind und keiner Nachbearbeitung bedürfen. Der FPY zeichnet sich als Führungsgröße dadurch aus, dass er leicht nachzuvollziehen ist und ohne aufwändige Methodik ermittelt werden kann. Er hat eine hohe Aktualität, lässt sich unmittelbar aus dem Prozessablauf ableiten und ist, mit der Ein211 212 213
Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 212 f. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 262 ff. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 262.
2 Management von Prozessen
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schränkung, dass er nur den ersten Prozessdurchlauf betrifft, auf alle Prozesse anwendbar. Die Fehlerrate bezieht Prozessfehler auf die Gesamtsumme der erstellten Produkte bzw. Leistungen. Sie dient üblicherweise der laufenden Dokumentation der Prozessqualität sowie der Umsetzung und Überwachung von Prozessverbesserungsmaßnahmen.214 Die Fehlerrate kann auch auf andere kritische Merkmale eines Prozesses bezogen werden. Diese Merkmale werden unter Beteiligung der Kunden definiert und können Eigenschaften wie die Prozesszeit, Termintreue, Fehlerfreiheit oder Zufriedenheit umfassen. 2.2.3.4 Zeitbezogene Führungsgrößen im Prozessmanagement Verkürzungen der Durchlaufzeiten haben sowohl in der „klassischen“ Ablauforganisation als auch in der Prozessorganisation einen großen Stellenwert.215 „Die Durchlaufzeit gibt den Zeitraum an, den ein Objekt für einen bestimmten Durchlaufweg benötigt. Es ist mithin der Zeitraum, der zwischen dem einen Prozess auslösenden Ereignis und der Verfügbarkeit der Prozessleistung für den Kunden liegt.“216 Sie setzt sich grundsätzlich zusammen aus der tatsächlichen Bearbeitungszeit und der Übergangszeit.217 Die Bearbeitungszeit bezeichnet den Teil der Durchlaufzeit, in dem sich das bearbeitete Produkt substanziell im Sinne der Wertschöpfung verbessert.218 Die Übergangszeit beinhaltet dagegen Transport-, Rüst-, Kontroll-, und Lagerungszeiten. Von Seiten des Prozessmanagements gilt es, im Zuge der Durchlaufzeitoptimierung neben der Bearbeitungszeit auch den Anteil an Übergangszeit zu reduzieren, denn ein Prozess hat in Hinblick auf seinen Wertschöpfungsbeitrag dann sein zeitbezogenes Optimum erreicht, wenn keinerlei Übergangszeit mehr existiert.219
214
215 216 217 218 219
Die Fehlerrate wird u.a. im Zusammenhang mit der Six Sigma Methode zur Qualitätsverbesserung an-gewendet. Die Fehlerrate eines Prozesse wird dann als „parts per million“ (ppm) oder „Fehler pro Million Möglichkeiten“ (FpMM) erfasst. Six Sigma, d.h. „sechsmal die Standardabweichung“, steht für das Qualitätsziel des betreffenden Prozesses. Ein Prozess erreicht diese Vorgabe, wenn maximal 3,4 Fehler pro Million Möglichkeiten vorliegen. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 215; Leistert, O. (2006), S. 66. Gaitanides, M. (2007), S. 215. Vgl. Wöhe, G. (2002), S. 428. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 67. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 67.
48
B Grundlagen des Prozessmanagements
Die Minimierung von Durchlaufzeiten ist aus verschiedenen Gründen ein erklärtes Ziel bei der prozessorientierten Unternehmensgestaltung:220 Aus der schnelleren Bearbeitung der Kundenaufträge erwächst dem Unternehmen die Möglichkeit, gegenüber den Kunden höhere Preise zu rechtfertigen. Es entstehen zeitliche Puffer, die unvorhergesehene Störungen in der Prozessausführung kompensierbar machen. Insgesamt sinkt das Risiko, Kundenaufträge nicht termingerecht erfüllen zu können. Auch eröffnet sich bezüglich der Prozessausführung ein gewisser Dispositionsspielraum, sodass sich die Kapazitäten hinsichtlich der Anzahl von möglichen Prozessausführungen erhöhen. Das führt zum einen zu Kostensenkungspotenzialen („economies of speed“)221 und zum anderen zu höherer Flexibilität im Hinblick auf Erstellung weiterer Leistungsmengen. Die Durchlaufzeit bezieht sich neben dem Realgüterstrom auch auf die durch den Realgüterstrom induzierten Zahlungsmittelströme.222 Kürzere Durchlaufzeiten bewirken durch eine schnellere Auftragsabwicklung eine Verkürzung der sogenannten „Cash-toCash-Cycles“. Diese messen die Zeit zwischen dem Abfließen liquider Mittel für Material und ihrem Rückfluss über den Verkauf der Endprodukte. Mit ihrer Verkürzung lässt sich eine Senkung der Kapitalbindung des Nettoumlaufvermögens in den unterschiedlichen Geschäftsprozessen erreichen.223 Unter dem Eindruck der in dieser Arbeit eingangs beschriebenen Umweltveränderungen gewinnt die Optimierung der Durchlaufzeit über diese grundlegenden Aspekte hinaus auch verstärkte strategische Relevanz.224 Flexibilität und kurzfristige Lieferbereitschaft sind oftmals entscheidende Wettbewerbsvorteile: „So können in einer Marktaufschwungphase schnell vorhandene Marktpotenziale ausgeschöpft und damit Marktanteile gegenüber Wettbewerbern gewonnen werden. Umgekehrt kann in Marktabschwungphasen sofort auf die sinkende Nachfrage reagiert werden (…).“225
220 221 222 223
224 225
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 68. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 215. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Pfohl, H.-C. (2004), S. 221. Das Nettoumlaufvermögen ist in diesem Zusammenhang in Anlehnung an Pfohl, H.-C. (2004), S. 221 definiert als Vorräte + Forderungen + liquide Mittel + geleistete Anzahlungen – kurzfristige Verbindlichkeiten – erhaltenen Anzahlungen. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S. 215. Gaitanides, M. (2007), S. 215.
2 Management von Prozessen
49
Insgesamt wird deutlich, dass die Durchlaufzeit für die Bereitstellung einer anforderungsgerechten Leistung von großer Bedeutung und somit wichtiges Kriterium bei der Bewertung der Prozesseffizienz und -effektivität ist.226 Die zeitbezogenen Führungsgrößen des Prozessmanagements müssen also so gewählt werden, dass sie die oben ausgeführten Aspekte berücksichtigen. Grundlegende zeitbezogene Kennzahlen wie die durchschnittliche Durchlaufzeit der Geschäftsprozesse sind durch spezifischere Kennzahlen zu ergänzen, die eine Prozesssteuerung dahingehend ermöglichen, dass eine Ausnutzung der positiven Effekte einer Durchlaufzeitverkürzung möglich ist. So geben die Lieferzeit (Zeitspanne zwischen Auftragserteilung bis zur Entgegennahmen durch den Kunden) oder Termintreue (Anteil der termingerecht erfüllten Aufträge am Gesamtauftragsvolumen) Auskunft über die Prozesseffizienz im Sinne einer zeitlich bedarfsgerechten Leistungserbringung für den Kunden. Im Zusammenhang mit der Kapitalbindung wichtige Kennzahlen sind z.B. das Durchschnittsalter der Vorräte sowie der Forderungen und Verbindlichkeiten, die mit dem jeweiligen Prozessablauf in Verbindung stehen.227 Ein hohes Alter deutet dabei auf eine hohe Kapitalbindung hin. 2.2.4
Prozessmanagement als kybernetisches Prinzip
Der in Abschnitt B 2.1.1 angesprochene Managementzyklus besitzt seine Gültigkeit auch im Kontext des Prozessmanagements. Genauso wie das Gesamtführungssystem lässt sich auch das Prozessmanagement anhand eines kybernetischen Regelkreismodells abbilden. Dieses repräsentiert die Gesamtführungsaufgabe unter dynamischen Aspekten und bildet die Grundlage für die inhaltliche Ausgestaltung der Teilführungssysteme des Prozessmanagements. Abbildung 10 stellt das Prozessmanagement als kybernetisches Regelkreiskonstrukt dar.228
226 227 228
Vgl. die Definition von Prozesseffizienz in Abschnitt B 2.2.3. Vgl. Pfohl, H.-C. (2004), S. 221. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Wild, J. (1982), S. 34 f.
50
B Grundlagen des Prozessmanagements Prozessplanung
Prognose Diagnose
Ziele Pläne
Kontrolle
Manager (Regler)
Vorkopplung
Rückkopplung
Anweisungen (Steuergrößen) Situativer Einfluss (Störgrößen)
Input
SollWerte
Prozesse (Regelstrecke)
Ergebnisse (Regelgröße) IstWerte
Abbildung 10: Prozessmanagement als kybernetisches Prinzip229
Die Geschäftsprozesse stellen die Regelstrecke dar. Sie werden vom Regler gesteuert. Der Regler, bspw. der Prozessverantwortliche, bezieht aus dem Prozessplanungssystem zunächst Ziele und Planvorgaben. Diese werden in konkrete Anweisungen für den spezifischen Prozess übersetzt. Dabei werden Soll-Vorgaben für die prozessbezogenen Leistungsparameter formuliert. Diese Operationalisierung von Anweisungen und Zielvorgaben ist notwendig, um die Prozesssteuerung zu ermöglichen. Die in den SollVorgaben festgelegten Ausprägungen der Leistungsparameter fungieren in diesem Zusammenhang als Steuergröße. Neben der intendierten Steuerung durch das Prozessmanagement wirken auch situative, ggf. externe Faktoren (Störgrößen) auf die Regelstrecke. Diese machen eine zukunftsbezogene Vorkopplung (feed forward) erforderlich, 229
In Anlehnung an Wild, J. (1974), S. 34; Becker, W. (2001a), S. 57; ähnlich auch Leistert, O. (2006), S. 61.
2 Management von Prozessen
51
um rechtzeitige Maßnahmen vorbereiten und einleiten zu können. Die Summe dieser Beeinflussung schlägt sich auf das Prozessergebnis nieder. Die Ist-Ausprägung des Prozessergebnisses (Regelgröße) wird gemessen und per Feedback-Schleife an den Regler zurückgemeldet. „Die Erfassung der Ist-Werte (auch Kontrolldaten genannt) erfolgt dabei mittels geeigneter quantitativer oder qualitativer Kontrollstandards (maßstäbe).“230 Werden Abweichungen im Rahmen der Ergebniskontrolle festgestellt, müssen diese analysiert werden. Gegebenenfalls führen die bei der Analyse gewonnenen Erkenntnisse zu Plananpassungen und/oder Zielrevisionen. Auch die Vorkopplungsinformationen fließen dazu in die Planung und etwaige Plananpassungen ein. Somit ergeben sich aus der kybernetischen Betrachtung von Führung für das Prozessmanagement insgesamt folgende Anforderungen:231 x Operationalisierung von Planvorgaben bzw. -zielen in geeignete Leistungsparameter x Formulierung und Vorgabe zweckmäßiger Steuergrößen x Definition von Kontrollstandards zur Messung der Zielerreichung x Rascher und präziser Durchlauf der Vor- und Rückkopplungsschleife durch entsprechende Vorgaben und Erfassung von Steuer- und Regelgrößen x Analyse von Vorkopplungs-, Kontroll- und Abweichungsinformationen. An dieser Stelle ist auf die hohe Bedeutung der Informationsverarbeitung im kybernetischen Regelkreismodell hinzuweisen, da die zweckmäßige Verknüpfung von Planung, Anweisung, Messung, Kontrolle und Abweichungsanalyse auf Informationsverarbeitungsprozessen beruht. Daraus ergeben sich einige wichtige Implikationen für das Prozessmanagement. Aufgrund der im Abschnitt B 2.2.3.2 beschriebene Multidimensionalität der prozessbezogenen Leistungsparameter entsteht an dieser Stelle eine im Vergleich zur funktional ausgerichteten Organisation höhere Komplexität, die es zu bewältigen gilt. Das informationsverarbeitende Führungsteilsystem ist somit in einer Prozessorganisation besonders gefordert. Vor diesem Hintergrund erscheint die hohe Bedeutung von Modellierungs- und Simulationsansätzen im Prozessmanagement plausibel: „Mit der Geschäftsprozesssimulation soll unter Rückgriff auf das Prozessmodell der reale Pro230 231
Wild, J. (1982), S. 35. Vgl. zu den folgenden Ausführungen grds. Wild, J. (1974), S. 35.
52
B Grundlagen des Prozessmanagements
zessablauf nachgeahmt werden.“232 So können Auswirkungen von Entscheidungen und der Einfluss von Störgrößen antizipiert werden. Dynamischen Entwicklungen kann vorgegriffen werden, was sich komplexitätsreduzierend auf zukünftige Entscheidungssituationen auswirkt. Die Prozesssimulation ist daher wichtiger Bestandteil der Vorkopplungsschleife.
232
Leistert, O. (200), S. 56.
C
Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Das Prozesscontrolling (sowohl operativ als auch strategisch) ist grundsätzlich als Einwirkung auf das prozessbezogene Führungssystem der Unternehmung zu begreifen.233 Für die theoretische und konzeptionelle Fundierung des strategischen Prozesscontrollings als Gegenstand dieser Arbeit bedeutet dies, dass zunächst eine Betrachtung des strategischen Prozessmanagements als Bezugsobjekt des Controllings erfolgen muss.234 Da auch für das strategische Prozessmanagement kein einheitliches Verständnis vorliegt und insbesondere die Verankerung von Inhalten des strategischen Prozessmanagements in der ökonomischen Theorie nur schwach ausgeprägt ist, soll im folgenden Kapitel eine Grundlage erarbeitet werden, die als theoretischer Sockel für die anschließend zu entwickelnde Konzeption eines strategischen Prozesscontrolling dienen kann. Dazu sind zunächst kurz die Grundlagen der strategischen Unternehmensführung zu erörtern. Anschließend sollen konkrete Inhalte des strategischen Prozessmanagements aus der ökonomischen Theorie abgeleitet werden. Diese werden dann zusammengeführt, um daraus Ansatzpunkte für das Controlling ableiten zu können. 1
Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
1.1
Strategie und strategisches Management
Die Begriffe „strategisch“ und „Strategie“ haben ihren Ursprung im altgriechischen stratos (Heer) und agein (führen) und kennzeichnen dort allgemein die Kunst der Heeresführung.235 Ausgehend von diesen militärischen Ursprüngen gelangte der Strategiebegriff über spieltheoretische Überlegungen in die betriebswirtschaftliche Literatur.236 Im spieltheoretischen Kontext beinhaltet eine Strategie alle potenziellen Handlungsmöglichkeiten im Sinne eines vollständigen Plans für alle denkbaren Spielsituationen. 233 234 235 236
In Anlehnung an Zenz, A. (1999), S. 43, der diese Charakterisierung vor dem Hintergrund eines uneinheitlichen Erkenntnisstandes für das Controlling allgemein vornimmt. Analog zur Vorgehensweise im Rahmen der Fundierung des strategischen Qualitätscontrolling von Zenz, A. (1999), S. 45 ff. Ähnlich auch Langguth, H. (1994), S. 39 ff. Vgl. Kreikebaum, H. (1995), S. 17 f.; Staehle, W.H. (1999), S. 601 f. Vgl. Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 15, zur Spieltheorie allgemein Neumann, J. v./Morgenstern, O. (1973).
S. Atzert, Strategisches Prozesscontrolling, DOI 10.1007/978-3-8349-6226-3_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
54
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Die Verbreitung des Strategiebegriffes in der Managementlehre erfolgte in den 1960er Jahren v.a. durch die Arbeiten von ANSOFF bzw. diversen Vertreter des „Harvard Approach.“ 237 Das dort vertretene klassische Strategieverständnis soll auch im Rahmen dieser Arbeit zugrundegelegt werden. Demzufolge legen Strategien die grundlegende langfristige Ausrichtung, entsprechende Handlungsweisen sowie notwendige Ressourcenallokationen einer Unternehmung fest.238 Sie determinieren die grundlegende Ausrichtung von Unternehmungen, bilden den Rahmen für die Vielzahl miteinander verwobener Einzelentscheidungen in der Unternehmung, werden vom Management bewusst bzw. rational geplant239 und stehen in einem hierarchisch übergeordneten Verhältnis zu anderen Entscheidungsbereichen.240 Die Entwicklung von Strategien ist eine wesentliche Aufgabe des strategischen Managements.241 Konkrete Bezugsobjekte für die Strategieformulierung sind u.a. die Preis-, Kommunikations-, Distributions- und Beschaffungspolitik, die Fertigungstiefe, die Investition und Finanzierung sowie die Forschung- und Entwicklung.242 Grundsätzliche Zielvorgabe des strategischen Managements bei der Strategieformulierung ist die Sicherung der langfristigen Überlebensfähigkeit des Unternehmens.243 Eine zentrale Lenkungsgröße ist dabei das unternehmerische Erfolgspotenzial.244 Das Erfolgspotenzial kennzeichnet „das gesamte Gefüge aller jeweils produkt- und marktspezifischen erfolgsrelevanten Voraussetzungen, die spätestens dann bestehen müssen, wenn es um die Erfolgsrealisierung geht.“245 Beispiele für Erfolgspotenziale sind u.a. eine überlegene Produkt- oder Produktionstechnologie, eine günstige Marktposition 237 238 239 240 241
242 243
244 245
Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 15. Vgl. z.B. Chandler, A.D. (2001), S. 23. Zur Kritik an dieser Rationalitätsprämisse bezüglich der Strategieplanung vgl. v.a. die Veröffentlichungen von Mintzberg z.B. Mintzberg, H. (1990), S. 171 ff. Vgl. Macharzina, K. (1999), S. 197f.; Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 16 ff. Analog zur Vorgehensweise bei der Erörterung des allgemeinen Managementbegriffs soll auch an dieser Stelle nicht zwischen strategischer Führung und strategischem Management unterschieden werden. Eine solche Differenzierung nimmt bspw. Kirsch, W. (1999), S. 3 vor. Dieser entsprechend zeichne sich das strategische Management dadurch aus, dass eine Professionalisierung der Führung vorliegt, indem Ideen und Konzepte, die einem fachlichen Diskurs von Wissenschaftlern, Beratern und Experten entsprungen sind, zur Anwendung gebracht würden. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 3. Vgl. Steinmann, H./Schreyögg, G. (1993), S. 149; Macharzina, K. (1999), S. 490; Gälweiler, A. (2005), S. 35. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 5; Becker, W. (2004), S. 13. Gälweiler, A. (2005), S. 26; ähnlich auch Becker, W. (2004), S. 20.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
55
oder eine hohe Leistungsqualität.246 Erfolgspotenziale zeichnen sich durch folgende Charakteristika aus:247 x Sie sind bewusst aufbau-, nutz- und abbaubar, x sie werden vom Kunden wahrgenommen, x sie können Wettbewerbsvorteile schaffen, x sie sind im Zeitablauf vergänglich. Abweichend von dieser Festlegung finden sich auch andere Konzepte zum strategischen Management, die auf der Zielebene vor allem die Steigerung des Unternehmenswertes z.B. ausgedrückt durch den Shareholder Value postulieren.248 Der Unternehmenswert bildet dabei als formale Zielgröße die monetär bewertbaren Konsequenzen des unternehmerischen Handelns ab.249 Aufgrund der Tatsache, dass Erfolgspotenziale auch qualitative Faktoren beinhalten, die ihrerseits Einfluss auf den Shareholder Value haben, sollen sie in dieser Arbeit als strategische Lenkungsgröße in den Vordergrund gestellt werden.250 Auch basiert die Ermittlung des Unternehmenswertes in der Regel zumindest teilweise auf Liquiditäts- und Erfolgsgrößen, sodass letztlich auch die wertorientierten Konzeptionen auf dem, in den folgenden Ausführungen noch näher zu kennzeichnenden Zusammenhang zwischen Erfolgspotenzialen, Erfolg und Liquidität basieren.251 Das Erfolgspotenzial ist die Vorsteuergröße für die operativen Ergebnisgrößen Erfolg und Liquidität.252 Entsprechend muss dem strategischen Management die Pflege und Weiterentwicklung der betrieblichen Erfolgspotenziale obliegen (Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 11 veranschaulicht).253 Über die Realisierung von Erfolgspotenzialen generieren Unternehmen Erfolg am Markt (strategischer Handlungshorizont) und die erzielten Erlöse sichern die Liquidität des Unternehmens (operativer Handlungshorizont). Die Liquidität wiederum ist die Grundlage zur Erneuerung von Er246 247 248 249 250 251 252
253
Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 3. Vgl. Becker, W. (2004), S. 20. Vgl. Rappaport, A. (1998). Vgl. Becker, W. (2000a), S. 8. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 27. Vgl. hierzu grundlegend Gälweiler, A. (2005), S. 27 ff.; Baum, H.-G./Coenenberg, A.G./Günther, T. (2007), S. 6. Vgl. Gälweiler, A. (2005) S. 24; Steinmann, H./Schreyögg, G. (1993), S. 235; Macharzina, K. (1999), S. 209; Becker, W. (1996), S. 99 ff. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 23; Becker, W. (2004), S. 19.
56
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
folgspotenzialen. Monetäre Kennzahlen zur Bewertung des strategischen Handelns lassen sich auf der Erfolgsebene (bspw. Residualgewinn aus Kosten und Erlösen) oder auf der Ebene der Liquidität (bspw. generierte Cash Flows) erheben und durch entsprechende Rechnungen (bspw. Discounted Cash-Flow Verfahren) in Kennzahlen transformieren.254
Strategischer Handlungshorizont Erfolgspotential
Liquidität
Erfolg
Operativer Handlungshorizont
Abbildung 11: Strategische und operative Führungsgrößen255
Das in Abbildung 11 dargestellte Verhältnis zwischen strategischer und operativer Dimension lässt sich noch weiter präzisieren, der strategische vom operativen Handlungshorizont noch genauer abgrenzen.256 Die strategische Ebene der Unternehmensführung ist der operativen Managementebene hierarchisch übergeordnet und gibt den Handlungsrahmen vor, aus dem die operativen Managementaufgaben abzuleiten 254 255 256
Damit wäre noch einmal die Verbindung zu wertorientierten Konzepten des strategischen Managements verdeutlicht. In Anlehnung an Becker, W. (2004), S. 19; Gälweiler, A. (2005), S. 34. Zu der hier vertretenen Auffassung einer Zweiteilung der Managementebenen in operative und strategische Dimension vgl. bspw. Gälweiler, A. (2005) S. 23 ff.; Steinmann, H./Schreyögg, G. (1993), S. 145 ff. Anstelle dieser Zweiteilung wird in der Literatur teilweise eine Dreiteilung in strategische, taktische und operative Ebenen propagiert, vgl. hierzu bspw. Pfohl, H.-C./Stölzle, W. (1997), S. 86 f.; Wild, J. (1974), S. 166 ff.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
57
sind.257 Der strategische Horizont bezieht sich zunächst auf das Gesamtunternehmen. Aus den Gesamtunternehmensstrategien werden dann konkretisierende Strategien zunächst für die Geschäftsbereiche und anschließend auch für Funktionsbereiche abgeleitet.258„Strategisches Handeln umfaßt alle unternehmenspolitischen Aktivitäten, die für den Bestand, die zukünftigen Entwicklung und den dauerhaften Erfolg von Unternehmen in ihrer Gesamtheit rahmensetzend und richtungsweisend sind, sowie dazu beitragen, Unternehmen […] im Innen- und Außenverhältnis zu konfigurieren, zu positionieren und zu fokussieren.“259 Das strategische Management insgesamt zeichnet sich insbesondere durch die folgenden Eigenschaften der Merkmale Entscheidungsträger, -objekt, -struktur und -prozess aus (vgl. Tabelle 2).260
257 258 259 260
Vgl. Pfohl, H.-C./Stölzle, W. (1997), S. 86. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 185f. Becker, W. (2004), S. 22. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Hentze, J./Brose, P. (1985), S. 117 f.; Pfohl, H.-C./Stölzle, W. (1997), S. 87; Becker, W. (2004), S. 22.
58
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling Managementebene Merkmalsbereich
strategisch
operativ
Entscheidungsträger -Hierarchieebene
obere Ebene
-Delegierbarkeit
gering
hoch
sehr hoch
gering
gesamte Unternehmung
einzelne Bereiche
-Bedeutungsinhalt
mittlere/untere Ebene
Entscheidungsobjekt -Geltungsbereich -Gültigkeit
generell
speziell
-Fristigkeit
langfristig
kurzfristig
-Revidierbarkeit
gering
hoch
-Häufigkeit
selten
oft
-Formalisierung
gering
hoch
Entscheidungsstruktur sehr hoch
niedrig
hohe Unsicherheit
geringes Risiko
-Strukturierungsgrad
schlecht strukturiert
wohl strukturiert
-Detaillierungsgrad
sehr niedrig, global
hoch, spezifiziert
-Komplexitätsgrad -Sicherheitsgrad
-Entscheidungsfreiheit -Informationsbedarf
hoch
gering
sehr hoch
Mittel bis gering
nicht möglich
teilweise möglich
groß
gering
synoptisch
inkremental
Entscheidungsprozess -Programmierbarkeit -Werte- und Normen-Input -Denkart
Tabelle 2: Abgrenzung zwischen strategischem und operativem Management261
Strategische Entscheidungen haben grundsätzlich Gültigkeit über einen langfristigen Zeitraum und werden im Unternehmen daher mit seltenerer Häufigkeit gefällt. Zudem weisen sie eine geringe, mit hohen Kosten verbundene Revidierbarkeit und einen geringen Formalisierungsgrad auf. Des Weiteren sind strategische Entscheidungen auf261
In Anlehnung an Hentze, J./Brose, P. (1985), S. 117 f.; ähnlich auch Pfohl, H.-C./Stölzle, W. (1997), S. 87.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
59
grund ihrer hohen Bedeutung für den langfristigen Unternehmenserfolg auf der oberen Managementebene angesiedelt und können nur schwer delegiert werden. Sie sind hochgradig komplex, gleichzeitig jedoch globaler, wenig detaillierter und schlechter strukturierter Natur. Daher erwachsen bei der strategischen Entscheidungsfindung im Vergleich zu den Entscheidungen der operativen Dimension, denen ein recht klar umrissenes Problem mit einem engen Spektrum an Lösungsmöglichkeiten zugrundeliegt, große Freiheitsgrade bei der Findung von Lösungen sowie große Unsicherheit über deren Wirkungen, was einen hohen Informationsbedarf zur Unterstützung der Entscheidungsfindung zur Folge hat. Folgerichtig ist auch eine exakte Programmierbarkeit des strategischen Entscheidungsprozesses nicht gegeben. Anders als bei vielen operativen Entscheidungen kann nicht auf in hohem Maße vorhandenes Erfahrungswissen zurückgegriffen werden. Die dem Entscheidungsprozess zugrundeliegende Denkart ist im strategischen Management eher synoptisch geprägt, wohingegen sich die operative Dimension tendenziell durch eine inkrementale Vorgehensweise auszeichnet.262 Dabei ist der Input an entscheidungsrelevanten Werten und Normen groß. Das bedeutet, dass in den Entscheidungsprozess eine große Anzahl präskriptiver Variablen einfließt, die seitens der Unternehmensführung bei der Strategieentwicklung zu berücksichtigen sind. Ferner müssen die Entscheidungsträger aufgrund der hohen Bedeutung strategischer Entscheidungen auf der obersten Führungsebene angesiedelt sein. In Verbindung damit haben die Entscheidungsträger wenige Möglichkeiten, strategische Entscheidungen zu delegieren. 1.2
Gestaltungsrahmen für das strategische Prozessmanagement
In Bezug auf die Entwicklung eines Gestaltungsrahmens für das strategische Prozessmanagement gilt es v.a. die folgenden Aspekte zu klären:263 x Welche Besonderheiten weisen die strategischen Ziele, Strategien und Strategiefelder des Prozessmanagements auf?
262
263
Die synoptische Denkart zeichnet sich im Gegensatz zur inkrementalen Vorgehensweise dadurch aus, dass sie eher umfassend und antizipativ ausgelegt ist. Sie orientiert sich bei der Entscheidungsfindung an übergeordneten Vorgaben bzw. dem „Gesamtproblem“. Dagegen beschränkt sich die inkrementale Denkart auf die Lösung von „Teilproblemen“ und ist daher eher reaktiv auf einer konkreten Problemlösung ausgerichtet. Vgl. hierzu z.B. Staehle, W.H. (1999), S. 522 ff.; ähnlich auch Kreikebaum, H. (1997), S. 202 ff. Vgl. zu dem folgenden Vorgehen der Entwicklung eines Gestaltungsrahmens grundsätzlich Schmidt, A./Götze, U. (2008), S. 80 ff.; Schmidt, A. (2009), S. 107.
60
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
x Wie unterscheidet sich der Prozess des strategischen Managements in der Prozessorganisation vom allgemeinen strategischen Managementprozess, welche Instrumente kommen sinnvollerweise zum Einsatz? Den nachfolgenden Ausführungen liegt eine entscheidungsorientierte Perspektive zugrunde. Entsprechend werden die diskutierten Elemente des Gestaltungsrahmens (strategischer Prozessmanagementprozess, strategische Prozessziele, prozessbezogene Strategien und Strategiefelder) als Gegenstände der Entscheidungen des strategischen Prozessmanagements erörtert. Dabei wird auf die in Abschnitt B 2.1 dieser Arbeit angesprochenen Grundlagen zu Inhalt und Ausgestaltung des Managementprozesses zurückgegriffen, welche für das strategische Prozessmanagement konkretisiert werden. 1.2.1
Ziele im strategischen Prozessmanagement
Zur Ableitung von Zielen im strategischen Prozessmanagement müssen zunächst einige konzeptionelle Vorüberlegungen angestellt werden.264 Auf der Grundlage des in Abschnitt C 1.1 identifizierten, „obersten“ strategischen Ziels bzw. Globalziels der langfristigen Sicherung der Überlebensfähigkeit des Unternehmens (Ebene der Existenzsicherung) können weitere strategische Zielebenen abgeleitet werden, die mit der ihnen jeweils übergeordneten Ebene in einer Zweck-Mittel-Beziehung stehen (vgl. Tabelle 3).
264
Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundlegend Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 219 f.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
Relation Zweck-Mittel
Zweck-Mittel
Zweck-Mittel
Zweck-Mittel
Strategische Zielebene
61
Beispiele
Existenzsicherungsziel
• Sicherung der Überlebensfähigkeit
Strategische Erfolgsziele
• Shareholder Value • ROI • Gewinn
Erfolgspotenziale
Erfolgsfaktoren
• Produkt-Markt-Potenziale • Wettbewerbspotenziale • Ressourcenpotenziale • Kundenzufriedenheit • Prozesskosten • Durchlaufzeit
Tabelle 3: Mögliche Zielebenen im strategischen Prozessmanagement265
So manifestiert sich das Globalziel auf einer nachfolgenden zweiten Hierarchieebene konkreter in der Erzielung eines langfristigen Erfolges. Auf dieser Zielebene ist das Resultat des Agierens des Gesamtunternehmens am Markt abgebildet. Üblicherweise umfasst diese Zielebene primär monetäre Ziele, allerdings können auch andere nichtmonetäre Ziele (z.B. soziale oder ökologische Ziele) eine Rolle spielen.266 Zu Operationalisierung monetärer Ziele wird oftmals auf den Shareholder Value als vergleichsweise populäre Zielgröße des strategischen Managements zurückgegriffen. Allerdings kommen auch andere Zielgrößen wie der Return on Investment oder den Gewinn zum Einsatz. Als Vorsteuergröße für den langfristigen Erfolg wurde in Abschnitt C 1.1 bereits das Erfolgspotenzial identifiziert und damit als wichtiger Gegenstand des strategischen Managements herausgestellt. Erfolgspotenziale erwachsen aus der Kongruenz von betrieblichen Fähigkeiten und marktlichen Möglichkeiten,267 insofern umfassen die Ziele 265 266
267
In Anlehnung an Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 220. Vgl. hierzu allgemein Schmidt, A. (2009), S. 121; sowie zu sozialen und ökologischen Zielen Wöhe, G. (2002), S. 95 ff. Vgl. Becker, W. (2004), S. 20.
62
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
auf dieser Ebene Aspekte wie die Entwicklung im Marktumfeld einzigartiger Ressourcen, die Realisierung bestimmter Produkt-Markt-Kombinationen oder die Vergrößerung des Marktanteils. Diese im Hinblick auf die Wege zu ihrer Realisierung noch vergleichsweise vagen Zielsetzungen bedürfen einer weiteren Konkretisierung auf der letzten strategischen Zielebene der Erfolgsfaktoren.268 Erfolgsfaktoren sind inhaltlich eng mit den Erfolgspotenzialen verknüpft und von diesen oftmals nicht trennscharf abgrenzbar. Sie bezeichnen im Rahmen des strategischen Managements direkte Steuergrößen, die weniger aggregiert als Erfolgspotenziale und oftmals auf einzelne Parameter bezogene Zielgrößen sind. Eine Abgrenzung gegenüber Erfolgspotenzialen ist deshalb relativ schwierig, weil es letztlich die Ausprägung eines oder mehrerer Erfolgsfaktoren ist, die den Markterfolg einer Leistung determiniert und sich daher die Frage stellt, welcher Erkenntnisgewinn sich aus der Differenzierung von Erfolgsfaktoren und den als „erfolgsrelevante Vorrausetzungen“ definierten Erfolgspotenzialen ergibt. Teilweise wird argumentiert, dass Erfolgsfaktoren sich erst in gebündelter Form zu Erfolgspotenzialen konstituieren.269 Es erscheint allerdings auch denkbar, dass einzelne Erfolgsfaktoren wie etwa niedrige Kosten alleine den Erfolg einer Leistung ausmachen können. Im Rahmen dieser Arbeit sollen Erfolgsfaktoren als „operationalisierte Erfolgspotenziale“ interpretiert werden, die die zur Realisierung von Erfolgspotenzialen erforderlichen Ziele bzw. Zielbündel differenzierter, konkreter sowie teilweise auch „messbarer“ abbilden und damit die Richtung für die zielführende Maßnahmenentwicklung vorgeben. Beispiele für erfolgsfaktorenbezogene Ziele sind die Steigerung der Kundenzufriedenheit, die Senkung von Kosten oder die Minimierung von Durchlaufzeiten. Hinsichtlich der Frage, welche Zielebenen nun für das strategische Prozessmanagement bedeutsam sind, lassen sich die folgenden Tendenzaussagen formulieren: Die Zielebene der langfristigen Existenzsicherung behält auch für das strategische Prozessmanagement im Wesentlichen ihre grundlegende Bedeutung als Deduktionsbasis für nachfolgende Zielebenen. Die Verfolgung des Existenzsicherungszieles im Rahmen des strategischen Prozessmanagements zielt auf entsprechend allgemeine Zielsetzungen ab. Beispiele hierfür sind die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der 268 269
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Schmidt, A. (2009), S. 124. Vgl. Schmidt, A. (2009), S. 29.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
63
eigenen Prozesse oder die langfristige Erhaltung bzw. Weiterentwicklung der Kundenbeziehungen, die es über nachhaltige Prozessinnovationen zu erreichen gilt. Die strategischen Erfolgsziele beinhalten vor allem monetär bzw. wertmäßig ausgerichtete Formalziele des Unternehmens.270 Die Prozessperspektive ist jedoch bisher in Ansätzen des Wertmanagements weitgehend unberücksichtigt geblieben,271 was die Formulierung von Prozesszielen auf dieser Ebene vor einige Schwierigkeiten stellt. Grundsätzlich gilt es dabei, den Wertbeitrag (sowohl gegenwärtig als auch potenziell) von Prozessen zu ermitteln, vor dessen Hintergrund dann „Wertziele“ für die einzelnen Prozesse festgelegt werden können. Erste Ansätze hierzu finden sich bei GAITANIDES, der u.a. Vorschläge für eine „prozessbezogene Formulierung des EVA“ entwickelt, bei der Prozesskosten anstatt Kapitalkosten angesetzt und die Prozessmenge anstelle des Kapitaleinsatzes als Bezugsgröße zugrundegelegt wird.272 Insgesamt erscheinen diese Ansätze jedoch für die Formulierung konkreter Prozessziele noch zu unausgereift zu sein, da bisher kaum Ansätze zur genauen Ermittlung der Wertbeiträge einzelner Prozesse existieren.273 Erfolgspotenziale sind als Ziele für das strategische Prozessmanagement sehr bedeutsam. Sie wurden in Abschnitt C 1.1 einerseits als Vorsteuergrößen für die auf der operativen Ebene verorteten Größen, Erfolg und Liquidität, andererseits als das Resultat eines durch die Abläufe auf der operativen Ebene ermöglichten Erneuerungsprozesses charakterisiert. Übertragen auf die Prozessorganisation bedeutet das, dass Erfolgspotenziale die operative Ausführung Wettbewerbsvorteile generierender Prozesse ermöglichen, gleichzeitig jedoch auch im Rahmen der Prozessabwicklung entstehen und sich weiterentwickeln.274 Somit lassen sich die Entwicklung und die Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale als Sachziele des strategischen Prozessmanagements deklarieren. Mögliche Prozessziele auf der Ebene der Erfolgspotenziale können die Entwicklung bestimmter Ressourcen (insbesondere Kernkompetenzen), die Erreichung einer hohen Leistungsqualität oder langfristige Kundenbindung darstellen.
270 271 272 273 274
Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 17. Vgl. Gaitanides, M. (2002), S. 200. Vgl. Gaitanides, M. (2002), S. 196 ff.; Gaitanides, M. (2007), S. 253 ff. Vgl. Gaitanides, M. (2002), S. 200. Die genauen Wirkungszusammenhänge zwischen der Entstehung und Nutzung von Erfolgspotenzialen und den Unternehmensprozessen werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch ausführlich diskutiert.
64
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Die Prozessziele auf Ebene der Erfolgsfaktoren betreffen häufig die Parameterausprägungen einzelner prozessbezogener Führungsgrößen wie Qualitäts-, Kosten-, Zeitoder Flexibilitätskennzahlen. Die bereits genannten allgemeinen erfolgsfaktorenbezogenen Ziele Steigerung der Kundenzufriedenheit, Senkung von Kosten oder Minimierung von Durchlaufzeiten können auch durch das strategische Prozessmanagement formuliert werden.275 Sie beziehen sich damit direkt auf den Prozessablauf bzw. das Prozessergebnis, tragen als Regelgrößen zur Prozesssteuerung bei und sind somit für das Prozessmanagement die Basis für die prozessbezogene Strategieentwicklung. Insofern kann das strategische Prozessmanagement über die Zielformulierung auf dieser Ebene die größte direkte Gestaltungswirkung in Hinblick auf die Erreichung der Gesamtunternehmensziele entfalten. Abschließend lässt sich feststellen, dass die Prozessabläufe unmittelbar auf die Ebenen der Erfolgspotenziale und -faktoren wirken. Die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten für das Prozessmanagement sind auf diesen Ebenen am größten, wohingegen sie auf der Ebene der langfristigen Existenzsicherung und des strategischen Erfolges nur indirekt zum Tragen kommen. Daher sind für das prozessbezogene strategische Management primär die erfolgspotenzial- und die erfolgsfaktorenbezogene Zielebene relevant. Auf diesen Ebenen sollte demgemäß der Schwerpunkt der Zielformulierung liegen. 1.2.2
Strategiefelder des strategischen Prozessmanagements
1.2.2.1 Ebene der prozessbezogenen Strategieformulierung Vor dem Hintergrund der prozessorientierten Organisationsgestaltung sollten die bisherigen Ebenen der Strategieformulierung (Gesamtunternehmen, strategische Geschäftseinheit, Funktionsbereich) um eine zusätzliche prozessbezogene Ebene ergänzt werden. Die Fragen, wie sich diese in die „klassische“ Strategiehierarchie einfügt, und ob die prozessbezogene Ebene der Strategieformulierung ggf. eine andere Ebene ersetzt, soll im Verlaufe dieses Abschnitts geklärt werden. Grundsätzlich legt die Prozessstrategie die Absichten und Maßnahmenprogramme fest, welche bezogen auf die Unternehmensprozesse zur Umsetzung der Gesamtunternehmensstrategie bzw. der Strategie einer strategischen Geschäftseinheit erforderlich 275
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 51 f.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
65
sind.276 Allgemein lässt sich, ähnlich wie bei der zuvor beschriebenen Zielebenenhierarchie, deren Ziele jeweils den Ausgangspunkt der Strategieformulierung bilden, auch eine Strategiehierarchie beschreiben, bei der für jede Ebene eine spezielle, inhaltlich aus der übergeordneten Ebene abgeleitete Strategie formuliert werden kann (vgl. Abbildung 12).277
Unternehmensziele
Unternehmensstrategie langfristige Entwicklungsrichtung
Geschäftsfeldstrategie Aussagen zum relevanten Markt, zur Segmentierung und Positionierung sowie zu den Ressourcen eines Geschäftsfeldes
Prozessstrategien Gestaltung von Geschäftsprozessen
Funktionsbereichsstrategien Gestaltung der Funktionsbereiche
Geschäftsprozesse
Abbildung 12: Strategiehierarchie278
Ausgehend von dem Ziel der langfristigen Überlebensfähigkeit gilt es, auf der Gesamtunternehmensebene sowohl die Entwicklungsrichtung (Wachstum, Stabilisierung oder Schrumpfung) und den damit verbundenen Mitteleinsatz für die strategischen Geschäftseinheiten zu bestimmen als auch die Synergiepotenziale zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen aufzubauen sowie Strategien bezüglich der Rechtsform, der Finanzierung, der Auswahl von Standorten und des allgemeinen Führungs-
276 277
278
Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 175. Vgl. zu den folgenden Ausführungen z.B. Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 458 ff.; Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 42 ff. In Anlehnung an Leistert, O. (2006), S. 51.
66
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
konzepts zu formulieren.279 Insgesamt soll also die grundlegende interne und externe strategische Ausrichtung des Unternehmens definiert werden. Auf der Ebene der strategischen Geschäftseinheiten verfolgt jede Geschäftseinheit wiederum eine spezifische Geschäftsfeldstrategie. Diese dient der Konkretisierung zuvor definierter Entwicklungsrichtungen. Sie zielt auf Sachverhalte wie die Abgrenzung des relevanten Marktes bzw. die Wahl von Produkt-Markt-Kombinationen, die Segmentierung sowie entsprechende Positionierung auf dem Markt und die Festlegung der Art der Wettbewerbsvorteilsgenerierung (z.B. Kostenführerschaft oder Differenzierung) ab. Hier knüpft die Prozessstrategie an. Sie wird typischerweise aus der Strategie für die Geschäftseinheit abgeleitet und ist auf der gleichen Hierarchieebene angesiedelt wie die Funktionsbereichsstrategien (vgl. Abbildung 12). Die Notwendigkeit einer explizit prozessbezogenen Strategieformulierung folgt aus den in Kapitel B geschilderten Besonderheiten von Prozessorganisation und Prozessmanagement. Bspw. ergeben sich aus der cross-funktionalen Integration inhaltlich sehr individuelle und funktional übergreifende Anforderungen an die einzelnen Prozessabläufe und die sie betreffenden Strategien.280 Traditionelle funktionsbereichsorientierte Strategien können in Bezug auf die Unternehmensprozesse immer nur Teilaspekte abdecken, was eine spezifische Prozessstrategieformulierung erforderlich macht. Die Prozessstrategie soll, wie auch die Funktionsbereichsstrategie, die Strategien des Gesamtunternehmens und der Geschäftsbereiche in konkretisierter Form widerspiegeln.281 So werden u.a. aus den Geschäftsfeldzielen Prozessziele abgeleitet, die die Grundlage für die Prozessstrategien bilden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass sich die Prozessstrategien konsistent in die Strategiehierarchie einfügen. Das bedeutet, dass sich die innerhalb der Prozessstrategien festgelegten Ziele und Maßnahmen komplementär zu den übergeordneten Zielen und Maßnahmen auf Geschäftsfeld und Gesamtunternehmensebene verhalten und die Prozessstrategien einen Beitrag zur Implementierung der übergeordneten Strategien leisten sollten. Dementsprechend muss eine vertikale Abstimmung zwischen den Strategieebenen erfolgen, um die For279 280 281
Vgl. Götze, U. /Mikus, B. (1999), S. 41. Vgl. hierzu auch die Ausführungen im nachfolgenden Abschnitt C 1.2.2.2. Vgl. allgemein Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 185; sowie konkret im Bezug auf die Prozessstrategie Scholz, R. (1995), S. 193 f.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
67
mulierung für nachfolgende Ebenen nicht umsetzbarer oder zweckmäßiger Strategien vermeiden zu können. Im Hinblick auf die Funktionsbereichs- und Prozessstrategien gilt ferner, dass eine isolierte Strategieentwicklung und -umsetzung aufgrund bereichsbzw. prozessübergreifender Interdependenzen in der Regel nicht möglich sein wird. Dies gilt aufgrund der engen Verflechtung von aufeinanderfolgenden Prozessen insbesondere für die Prozessstrategien und macht eine horizontale Abstimmung auf der Prozessstrategieebene unverzichtbar. Je nach Ausprägung und Dominanz der Prozessorganisation im Unternehmen (reine Prozessorganisation oder Mischformen wie z.B. die Matrixorganisation) sollten Prozess- und Funktionsbereichsstrategie unterschiedlich gewichtet nebeneinander existieren. Im Extremfall wird die Prozessstrategie die Funktionsbereichsstrategie vollständig ersetzen, „dies setzt aber voraus, dass das Leistungssystem ausschließlich als eine primäre Prozessorganisation strukturiert wird.“282 1.2.2.2 Entscheidungsfelder für die inhaltliche Ausgestaltung von Prozessstrategien Wie auch bei den prozessbezogenen Zielsetzungen, müssen die Entscheidungs- bzw. Strategiefelder für das strategische Prozessmanagement definiert werden. Solche Strategiefelder beschreiben die Gestaltungsobjekte des Managements. Die konkrete Ausprägung der Prozessstrategie ergibt sich auf der Grundlage der in den Strategiefeldern getroffenen Entscheidungen. Wie zuvor erörtert wurde, lassen sich Prozessstrategien hierarchisch unterhalb der Strategien für strategische Geschäftseinheiten einordnen und dienen damit vor allem der Umsetzung jener übergeordneten Strategien. Für die Strategieformulierung seitens des strategischen Prozessmanagements ergibt sich somit eine Abhängigkeit von den Entscheidungen auf der Geschäftsbereichsebene. Bei der Entwicklung prozessbezogener Strategiefelder sind daher die Strategiefelder der Geschäftsbereiche in die Überlegungen mit einzubeziehen. Strategien auf der Geschäftsbereichsebene beinhalten die Wahl von Produkt-MarktKombinationen, Wegen zur Wettbewerbsvorteilserlangung wie Differenzierung, Kostenführerschaft oder hybride Ausprägungen beider Konzepte sowie Aussagen zu
282
Leistert, O. (2006), S. 50.
68
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Marktparzellierungen oder dem Marktareal.283 An diese Entscheidungen anknüpfend, dienen Prozessstrategien der Entwicklung und Ausschöpfung von Erfolgspotenzialen über die konkrete Leistungserbringung. D.h. konkret, dass die Prozessstrategie Ziele und Maßnahmen festlegt, die einerseits die Herstellung und Vermarktung erfolgreicher Leistungen im Rahmen der Prozessabwicklung sicherstellen, andererseits aber auch der (Weiter-)Entwicklung der betrieblichen Fähigkeiten im Hinblick auf die nachhaltige Erfolgssicherung dienen sollen. Damit sind im Wesentlichen Entscheidungen über die Ausgestaltung der Kundenbeziehung, die Beschaffenheit der Prozessleistung (Output), den Prozessablauf sowie die einzusetzenden Ressourcen (Input) verbunden.284 Allgemein muss hierbei berücksichtigt werden, dass diese Entscheidungsobjekte nicht unabhängig voneinander sind und somit Entscheidungen, die eines der Elemente betreffen in der Regel auch die weiteren Elemente des Prozesses beeinflussen. Im Folgenden werden grundlegende prozessbezogene Strategiefelder vorgestellt. Aus den zuvor genannten Strategiealternativen für die Geschäftsfelder sollen für die Prozessebene jeweils mit den Geschäftsbereichsstrategien kausal verknüpfte Strategiefelder abgeleitet werden. Produkt-Markt-Strategien Produkt-Markt- bzw. Marktfeldstrategien bestimmen mit der Festlegung der relevanten Produkte und Märkte die grundlegende „strategische Stoßrichtung“ für die jeweilige Geschäftseinheit.285 Nach ANSOFF stehen hierfür grundsätzlich die Optionen Marktdurchdringung, Produktentwicklung, Marktentwicklung oder Diversifikation zur Verfügung.286 Die Marktdurchdringungsstrategie beinhaltet die Ausschöpfung des Marktpotenzials in bestehenden bzw. bereits bearbeiteten Märkten durch den Ausbau des Absatzes der
283 284
285
286
Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 41. Diese Systematisierung knüpft an die in Abschnitt B 1.2.1 zugrundegelegte Definition von Prozessen mit den konstitutiven Elementen Prozessinput, -aktivitäten (Ablauf), -output sowie kunden. Vgl. Meffert, H. (2000), S. 244; Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 137; Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, E. (2002), S. 186. Vgl. grundlegend Ansoff, H.I. (1966), S. 13 ff.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
69
eigenen Produkte.287 Bei der Marktdurchdringung kommt es im Allgemeinen zu einem erhöhten Einsatz von Marketinginstrumenten (insbesondere der Kommunikations-, Preis- und Konditionen- sowie Distributionspolitik). Ziel dabei ist es, durch eine Steigerung der Produktverwendung bei bestehenden Kunden (Intensivierung) und bzw. oder die Gewinnung von Neukunden den eigenen Marktanteil zu erhöhen. Auf der Ebene der Prozessstrategien sind derartige Bemühungen u.a. durch die Optimierung der Prozessabläufe zu unterstützen. Insbesondere geht es dabei um die Kostenreduzierung zur Unterstützung von Preissenkungen und Verbesserung der Ertragssituation. Auch müssen die Prozessstrukturen ggf. erweitert werden, um die angestrebte Erhöhung der Absatzmenge realisieren zu können. Komplementär dazu muss auch der Ressourceneinsatz im Rahmen des Prozessinputs angepasst werden. An der Schnittstelle zum Kunden gilt es ferner, den durch die Marketingmaßnahmen forcierten Erwartungen der Kunden zu entsprechen sowie Beziehungen zu Neukunden zu etablieren. Die Entscheidungsfelder des strategischen Prozessmanagements umfassen entsprechend die Entscheidung über Aufbau und Ausgestaltung der Beziehung zu Neukunden, die Identifizierung und Selektion, der relevanten Kundenanforderungen sowie ihre „Übersetzung“ in konkrete Anforderungen an die demgemäß auszugestaltende Prozessleistung. Das erfordert nicht nur Entscheidungen über den Preis und die Leistungseigenschaften sondern auch über die Konditionen der Leistungserbringung und die Distribution. Die Marktentwicklungsstrategie zielt auf die Erschließung neuer Märkte mit bereits vorhandenen Produkten ab.288 Somit handelt es sich bei der Marktentwicklung primär um eine vertriebsorientierte Strategie, die die geographische Erweiterung von Markträumen, die Erschließung von Zusatzmärkten (neue Einsatzmöglichkeiten der bestehenden Leistungen) oder die Gewinnung neuer Marktsegmente (Gewinnung neuer, sich von den bisherigen Kunden spezifisch unterscheidende Kundengruppen) umfasst. Bei Verfolgung einer Marktentwicklungsstrategie resultieren für die Prozessstrategieformulierung relativ eng begrenzte Entscheidungsfelder. Die Gestaltungsmöglichkeiten liegen wie auch im Zusammenhang mit der Marktdurchdringung u.a. in der Etablierung der Beziehung zu den Neukunden sowie der Ausweitung und Modifizierung 287
288
Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundlegend Götz, U./Mikus, B. (1999), S. 137 f.;Meffert, H. (2000), S. 244 f. Vgl. Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, E. (2002), S. 187.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
von Distributionskanälen. Bezüglich des Prozessoutputs sind Erweiterungen der Leistungsfunktionen denkbar. Für den Prozessablauf ergeben sich Entscheidungen über Art und Umfang der Anpassung der Prozessstrukturen an die Ausweitung der Markträume, insbesondere hinsichtlich der Distributionskanäle und etwaiger Leistungsmodifikationen. Ähnlich verhält es sich auch im Bezug auf den Prozessinput, wobei primär Entscheidungen über Art und Menge des erforderlichen Ressourceneinsatzes gefällt werden müssen. Im Rahmen der Produktentwicklungsstrategie sollen neuartige Leistungen auf bestehenden Märkten angeboten werden, wobei sowohl die Möglichkeit der Schaffung von Innovationen im Sinne echter Marktneuheiten als auch die Programmerweiterung durch Entwicklung zusätzlicher Leistungsvarianten besteht.289 Die eigentliche Produktentwicklung vollzieht sich sofern kein externer „Zukauf“ erfolgt innerhalb eines Innovationsprozesses, der die Phasen Ideengewinnung, -bewertung und -verwirklichung umfasst.290 Entsprechend muss zunächst einmal eine Strategie für den Forschungs- und Entwicklungsprozesse des Unternehmens entwickelt werden.291 Darüber hinaus müssen die Strategien auf der Prozessebene die erfolgreiche Einführung und Bereitstellung der neuen Leistungen in den bearbeiteten Märkten sicherstellen. Bei der Etablierung der Kundenbeziehung zu den Endkunden ist der Zeitpunkt (Timing) entscheidend. So sollen durch eine rechtzeitige Produkteinführung u.a. Gewinnlücken vermieden werden.292 Ferner erleichtert eine frühzeitige Produkteinführung (im Idealfall als Pionier) die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber der Konkurrenz und die in der Regel bessere Akzeptanz bei den Kunden. Um Letzteres zu erreichen, muss zudem der Prozessoutput d.h. die Leistung gemäß der Wünsche der Kunden, sowohl im Hinblick auf technisch-funktionale als auch formal-ästhetische Leistungsaspekte, gestaltet werden. Dies wiederum erfordert eine zweckmäßige Ausgestaltung des Prozessablaufes. Mit der Einführung neuer Leistungen sind in der Regel auch neue Prozessabläufe zu entwickeln, was vom Prozessmanagement grundle289 290 291
292
Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundlegend Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 138 f.; Meffert, H. (2000), S. 245. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 138. Vgl. grundlegend zu Strategien für den Forschungs- und Entwicklungsbereich Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 187 ff. Dieser Aspekt soll hier jedoch nicht vertieft werden, da an dieser Stelle nur allgemeine Strategiefelder des Prozessmanagements erörtert werden. Solche Gewinnlücken entstehen, wenn die Neuprodukteinführung erst zur Marktsättigungsphase der bisher vermarkteten Produkte erfolgt. Vgl. hierzu Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 139.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
71
gende Entscheidungen bezüglich Aufgaben, Aufgabenfolge und Aufgabenträger erfordert. Da die Geschwindigkeit der Prozess(neu)strukturierung auch ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf das Timing ist, liegt hier ein Schwerpunkt bei der Prozessstrategieformulierung. Auch die Auswahl geeigneter Inputs sowie die Etablierung von Beziehungen zu Lieferanten bzw. die Verflechtung mit vorgelagerten Prozessen ist dabei wichtig. Diversifikationsstrategien zeichnen sich durch die Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten auf neue Produkte für neue Märkte aus.293 Dabei können drei Formen unterschieden werden:294 x Die horizontale Diversifikation, bei der mit bisherigen Erzeugnissen sachlich, funktional oder produktionsbezogen verwandte Leistungen produziert werden, die auf verwandten Teilmärkten angeboten werden. x Bei der vertikalen Diversifikation wird das Programm um Leistungen erweitert, die in bisher in vor- oder nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette erbracht wurden. x Die laterale Diversifikation strebt den Vorstoß in völlig neue Leistungs- und Marktgebiete an, sodass kein sachlicher Zusammenhang zwischen den alten und den neuen Produkten besteht. Auf der Prozessebene lassen sich zur Realisierung von Diversifikationsstrategien die bereits im Zusammenhang mit Produkt- und Marktentwicklung skizzierten Strategiefelder ableiten. Die Perspektiven von Produkt- und Marktentwicklung werden dabei kombiniert mit je nach konkret gewählter Diversifikationsform variierenden Akzenten angewendet. Darüber hinaus ergeben sich v.a. bei der vertikalen Diversifikation besondere Entscheidungsfelder für das strategische Prozessmanagement. Die Integration bisher vorgelagerter Wertschöpfungsstufen erfordert für die auf der bisher letzten Wertschöpfungsstufe angesiedelten Prozesse eine Anpassung der Schnittstellen zum Prozesskunden. Ein vormals externer Kunde wird in das Unternehmen integriert, wobei Entscheidungen über die Konditionen der Leistungserbringung (u.a. Distribution und Verrech293 294
Vgl. Meffert, H. (2000), S. 245. Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundlegend Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 140 f.; Meffert, H. (2000), S. 245 f.
72
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
nungspreise) sowie etwaig erforderliche Modifizierungen des Prozessoutputs zu treffen sind. In diesem Zusammenhang sind ggf. auch Anpassungen des Prozessablaufs vorzunehmen, wobei die Strukturierung der Prozessaktivitäten im Hinblick auf eine möglichst reibungslose Anbindung der nachfolgenden Prozesse im Vordergrund steht. Ähnliches gilt umgekehrt auch für Prozesse, die vormals den Beginn der eigenen Wertschöpfungskette markierten und nun unmittelbar in die Internalisierung externer Produktionsstufen eingebunden werden. Hier müssen die Konditionen für die Bereitstellung des Prozessinputs geregelt werden. Wettbewerbsstrategien Wettbewerbsstrategien sollen die strategische Geschäftseinheit in die Lage versetzen, sich gegenüber Wettbewerbern Vorteile zu verschaffen und so im bearbeiteten Markt erfolgreich zu sein.295 Sie bestimmen die grundsätzliche Vorgehensweise des Unternehmens im Branchenwettbewerb. Gängige Wettbewerbsstrategien sind die von PORTER beschriebenen Strategien der Kostenführerschaft, der Differenzierung sowie Hybride Ausprägungen dieser Konzepte.296 Die Kostenführerschaft zielt darauf ab innerhalb der Branche einen Kostenvorteil zu erhalten und so einen im Vergleich zu Wettbewerbern niedrigeren Absatzpreis bzw. einen höheren Gewinn realisieren zu können. Die Verfolgung einer Kostenführerschaftstrategie erfordert auf der Geschäftsfeldebene Entscheidungen über eine möglichst kosteneffiziente Strukturierung der Wertschöpfungskette und die gezielte Beeinflussung von Kostentreibern.297 Da Prozesse immer einen direkten internen oder externen Kundenbezug aufweisen, gilt es auf der Prozessebene zunächst an der Schnittstelle zum Prozesskunden Entscheidungen über den Preis der Leistung zu treffen. Handelt es sich bei dem Abnehmer um einen externen Kunden ist diese Preisge295
296 297
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 159; Welge, M.K./AlLaham, A. (2008), S. 516. Hierbei ist anzumerken, dass an dieser Stelle lediglich die allgemeinen Entscheidungsfelder aufgezeigt werden sollen, die sich für das strategische Prozessmanagement aus der Wahl der Wettbewerbsstrategien auf Ebene der strategischen Geschäftseinheit ergeben. Die konkreten inhaltlichen Möglichkeiten zur Umsetzung der Wettbewerbsstrategien auf der Prozessebene sollen dann im weiteren Verlauf dieses Kapitels im Zusammenhang mit der Erklärung einer möglichen strategischen Vorteilhaftigkeit der Prozessorganisation erörtert werden. Vgl. zur folgenden groben Charakterisierung der Wettbewerbsstrategien grundlegend Porter, M.E. (2004a), S. 35 ff.; Porter, M.E. (2004b), S. 11 ff. Vgl. hierzu ausführlich die Ausführungen in Abschnitt C 2 dieser Arbeit. Dort werden auch die konkreten Möglichkeiten des Prozessmanagements zur Realisierung der Kostenführerschaft diskutiert und theoretisch erklärt.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
73
staltung unmittelbares Diskriminierungskriterium gegenüber Wettbewerbern. Ist der Abnehmer ein interner Folgeprozess beeinflusst die Preisentscheidung die Kostensituation nachfolgender Prozesse und hat einen mittelbaren Einfluss auf den Erfolg der angestrebten Kostenführerschaft. Mit der Entscheidung über den Preis sind weitere Entscheidungen bezüglich des Outputs, des Prozessablaufes und des Inputs ursächlich verknüpft. So bestehen Anforderungen an die Prozessleistung hinsichtlich der zulässigen Gesamtkosten bzw. zu realisierenden Zielkosten, die die Entscheidungen über Art, Umfang und Beschaffenheit der Leistung beeinflussen. Dies wiederum erfordert eine möglichst kostenminimierende Gestaltung des Prozessablaufes. Entscheidungen über die Ausgestaltung der Prozessaktivitäten insbesondere hinsichtlich der Aufgabenfolge sowie der eingesetzten Aufgabenträger bestimmen Kostenniveau und -struktur des Prozesses. Zudem wirken sie sich auf den Ressourcenverbrauch aus. Der wertmäßige Ressourcenverbrauch ist ein wichtiger Einflussfaktor für die realisierte Kostenposition, sodass dem strategischen Prozessmanagement auch Entscheidungen über Art, Menge und Eigenschaften der eingesetzten Ressourcen sowie die Auswahl möglichst günstiger Lieferanten des Prozessinputs obliegen. Die Differenzierungsstrategie beinhaltet die Schaffung von Kundenpräferenzen über die Bereitstellung eines einzigartigen und besonders hohen Nutzens, um so innerhalb der Branche einen gegenüber Wettbewerbern höheren Preis durchsetzen zu können. Hierzu muss auf der Prozessebene die Auswahl der durch die Prozessleistung zu befriedigenden Kundenbedürfnisse erfolgen und durch Gestaltung des Prozessoutputs Einfluss auf das Ausmaß des Kundennutzens genommen werden. Dies umfasst u.a. die Festlegung konkreter Eigenschaften und Qualitätsmerkmaler der Prozessleistung sowie der die entsprechenden Eigenschaften gewährleistenden Prozessabläufe. In diesem Zusammenhang müssen geeignete Produktionsverfahren festgelegt, Qualitätssicherungsmaßnahmen in die Prozessabläufe integriert und ggf. hochqualifizierte Mitarbeiter mit der Prozessabwicklung betraut werden. Auch der Prozessinput spielt im Hinblick auf die Prozessleistung und den Kundennutzen eine wichtige Rolle. Von Seiten des Prozessmanagements gilt es an dieser Stelle, die Auswahl über Art, Beschaffenheit und Menge der eingesetzten Ressourcen zu treffen, wobei insbesondere Qualität und Eignung des Inputs im Vordergrund stehen.298 298
Eine möglichst günstige Beschaffung ist dabei natürlich auch anzustreben, ist aber anders als bei der Kostenführerschaft weniger wichtig.
74
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Bei Verfolgung einer hybriden Wettbewerbsstrategie auf der Ebene der strategischen Geschäftseinheit sind die obig beschriebenen Entscheidungen auf der Prozessebene kombiniert zu treffen. Die Entscheidungstatbeständig gestalten sich dabei grundsätzlich wie zuvor beschrieben. Marktparzellierung/ -areale Aussagen über die Aufteilung des Gesamtmarktes eines Geschäftsfeldes und die grundlegenden Vorgehensweise bei der Marktabdeckung werden im Rahmen der sogenannten Markt-parzellierungsstrategien getroffen.299 Grundsätzlich besteht einerseits die Möglichkeit der undifferenzierten Bearbeitung des gesamten Marktes oder eines Teilbereiches (Massenmarktstrategie), andererseits kann eine differenzierte Bearbeitung des gesamten Marktes oder einzelner Segmente erfolgen (Marktsegmentierungsstrategie). Die Marktparzellierungsstrate-gien werden durch Marktarealstrategien ergänzt, welche festlegen in welchen Absatzgebieten das Unternehmen agiert, wobei grundsätzlich lokale, regionale oder überregionale sowie internationale, multinationale oder auf den Weltmarkt bezogene Strategien verfolgt werden können.300 Es ergeben sich entlang der hier beschriebenen Strategiealternativen bei der Marktparzellierung bzw. Einteilung von Marktarealen keine prinzipiellen Unterschiede für die grundlegenden Entscheidungsfelder des strategischen Prozessmanagements. Die Möglichkeiten für das strategische Prozessmanagement die Umsetzung von Marktparzellierungs- und -arealstra-tegien zu unterstützen beziehen sich vor allem auf die zielgerichtete Befriedigung der Bedürfnisse der jeweiligen Kundengruppen. Dabei gilt es, diese zunächst für das jeweilige Segment bzw. Areal zu identifizieren. Sie dienen bei der dann vorzunehmenden Auswahl der vom Unternehmen bearbeiteten Bereiche u.a. als Abgrenzungsmerkmal gegenüber den übrigen Marktbereichen. Im Anschluss sind wie auch im Zusammenhang mit den Produkt-Markt- und Wettbewerbsstrategien dargestellt wurde, die Eigenschaften des jeweils für einen Marktbereich vorgesehenen Prozessoutputs zu definieren, die Prozessabläufe zweckmäßig zu strukturieren sowie Art und Menge des Prozessinputs festzulegen. 299 300
Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundlegend Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 174; Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, E. (2002), S. 206 ff. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 177. In diesem Zusammenhang spricht Meffert auch allgemein von räumlicher Marktabgrenzung bzw. von geographischer Marktsegmentierung, wenn für die unterschiedlichen Absatzgebiete eine differenzierte Bearbeitung erfolgen soll. Vgl. Meffert, H. (2000), S. 37 bzw. 189 ff.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
75
Entwicklungsrichtung bzw. Mitteleinsatz Entwicklungsrichtung bzw. Mitteleinsatz betreffende Strategien beinhalten auf der Geschäftsfeldebene die Optionen der Wachstums-, Stabilisierungs- bzw. Rationalisierungs- oder Schrumpfungsstrategie.301 Die Wachstumsstrategie zielt auf die Ausweitung der Investitionen zur Erweiterung des Leistungsprogramms des Unternehmens ab.302 Die Investitionen fließen auf der Prozessebene primär in die Erweiterung und Verbesserung der zur Prozessabwicklung erforderlichen Infrastruktur, über dessen Ausgestaltung das Prozessmanagement zu entscheiden hat. Auch an dieser Stelle müssen zunächst die zu befriedigenden Kundenbedürfnisse analysiert und selektiert werden. Auf dieser Grundlage kann dann entschieden werden welche Leistungen ausgebaut oder neu ins Leistungsprogramm aufgenommen werden sollen. Anschließend kann in die entsprechenden Prozessabläufe investiert werden. Dabei geht es vor allem um die Erweiterung der Prozessstrukturen zur Realisierung der mengenmäßigen Erhöhung des Prozessoutputs sowie ihre Weiterentwicklung zur Ermöglichung der Bereitstellung neuartiger Leistungen. In diesem Zusammenhang muss auch in die Weiterentwicklung des Prozessinputs und die Erhöhung seiner Menge investiert werden. Bei der Stabilisierungsstrategie erfolgt keine nennenswerte Ausdehnung oder Reduzierung des Leistungsangebots.303 Es wird entweder die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustands (Halte- bzw. Normalstrategie) oder die Verbesserung der Effizienz aller Aktivitäten und damit der Ertragssituation der strategischen Geschäftseinheit angestrebt (Konsolidierungsstrategie). Die Maßnahmen zur Realisierung der Stabilisierungsstrategie umfassen Kostensenkungen, den Abbau von Überkapazitäten, die Bereinigung der Organisationsstruktur und die Eliminierung unnötiger Aktivitäten sowie die Straffung des Sortiments. Entsprechend ist vor allem der Prozessablauf von der Stabilisierungsstrategie betroffen. Insbesondere gilt es, die Aktivitätenfolge der Prozesse zu optimieren, um Redundanzen und Zeitverluste vermeiden zu können. Dabei muss das Leistungsniveau des Prozessoutputs grundsätzlich erhalten bleiben bzw. kann leicht verbessert werden. Ggf. sind bestimme Leistungen auch zu eliminieren. An der 301 302 303
Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 42. Vgl. Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 589. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 155; Welge, M.K./AlLaham, A. (2008), S. 588.
76
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Schnittstelle zum Kunden gilt es, im Hinblick auf interne Kunden ggf. enger zusammenzuarbeiten, um den Informations- und Güterfluss über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zu verbessern. Dies gilt auch für Lieferantenprozesse und die Optimierung der Bereitstellung des Prozessinputs (etwa um Lagerbestände zu reduzieren). Externe Kunden wiederum müssen gehalten werden, um den Status quo des Unternehmens nicht zu gefährden. Schrumpfungsstrategien beinhalten die Reduzierung des Leistungsprogramms entweder aufgrund eines Nachfragerückgangs oder im Zusammenhang mit den zuvor beschriebenen Stabilisierungs- bzw. Rationalisierungsstrategien.304 Die Handlungsalternativen die der strategischen Geschäftseinheit, dabei zur Verfügung stehen umfassen je nach Marktlage die Investition zur Erreichung der Marktführerschaft im Restmarkt, den selektiven Rückgang durch die Bearbeitung ausgewählter Marktnischen sowie den kompletten Austritt aus dem Markt. Entsprechend ergeben sich für das strategische Prozessmanagement Entscheidungsfelder, die an der Schnittstelle zum Kunden Überlegungen über die Gewinnung neuer Prozesskunden durch Abwerben von Wettbewerbern, das Halten gegenwärtiger Kunden, die Selektion von Kundenkreisen oder die Auflösung der Beziehung zu den Kunden umfassen. Damit einher gehen Entscheidungen die den Prozessoutput betreffen. Insbesondere gilt es dabei, Art und Umfang der Erweiterung, Spezifizierung oder Reduzierung des Leistungsspektrums zu bestimmen. Auf der Ebene des Prozessablaufs sind die Prozessaktivitäten im Hinblick auf Ausweitung, Spezifizierung oder Reduzierung der Leistungserstellung auszurichten. Dies beinhaltet ähnlich wie bei der Stabilisierungsstrategie Entscheidungen über die Verbesserung der Prozessstrukturen (Aktivitäten, Aufgabenfolge und -träger) etwa zur Ertrags- oder Qualitätssteigerung, aber auch zur Realisierung der Reduktion bzw. Eliminierung von Leistungsangeboten. Komplementär dazu muss über Art und Ausmaß der Investition und Ressourcenbindung bzw. (teilweise oder komplette) Desinvestition und Ressourcenfreisetzung im Prozessablauf entschieden werden, wovon die Ebene des Prozessinputs betroffen ist. Auf der Grundlage der Erörterungen in diesem Abschnitt lässt sich die in Tabelle 4 dargestellte Synopsis der generellen Entscheidungsfelder des strategischen Prozessmanagements formulieren. Wichtiger Aspekt dieser Darstellung ist neben der inhaltli304
Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundlegend Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 155 ff.; Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 619 ff.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
77
chen Kennzeichnung der prozessbezogenen Strategiefelder v.a. die Veranschaulichung der Beziehung von prozessbezogenen Strategiefeldern und den Geschäftsbereichsstrategien.
78
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling Objekte Kunden Output
Prozessablauf Input
Prozessbezogene Strategiefelder Entscheidungen Aufbau und Ausgestaltung der Beziehung zu Neukunden; Identifizierung und Selektion relevanter Kundenanforderungen Art, Umfang und Beschaffenheit der Leistung Optimierung des Prozessablaufs zur Unterstützung von Preissenkungen und Verbesserung der Ertragssituation Anpassung von Art und Umfang des Ressourceneinsatzes
Strategiefelder der SGE Produkt-Markt-Strategie Marktdurchdringung x x
Ausnutzung des Marktpotenzials Steigerung der Produktverwendung und/oder Neukundengewinnung Marktentwicklung
Kunden Output Prozessablauf Input
Etablierung der Neukundenbeziehung; Ausweitung bzw. Modifizierung der Distributionskanäle Erweiterung der Leistungsfunktionalität Anpassung im Hinblick auf Distributionskanälen, Ausweitung der Markträume sowie Leistungsmodifikationen Art und Umfang des Ressourceneinsatzes
x x
Erschließung neuer Märkte Zusatzmärkte; neue Marktsegmente Produktentwicklung
Kunden Output Prozessablauf Input
Zeitpunkt der Etablierung der Kundenbeziehung Gestaltung gemäß Kundenwünschen im Hinblick auf technischfunktionale und formal-ästhetische Leistungsaspekte Entscheidungen über Aufgaben, Aufgabenfolge und Aufgabenträger im Hinblick auf Timing Auswahl geeigneter Inputs; Etablierung von Beziehungen zu Lieferanten bzw. die Verflechtung mit vorgelagerten Prozessen
x x
Neuer Produkte auf bestehenden Märkten „Echte Innovationen“ oder Leistungsvarianten Diversifikation
Kunden Output Prozessablauf Input
Integration vormals externer Prozesskunden; Konditionen der Leistungserbringung; Distributionskanäle; Verrechnungspreise Modifizierung des Prozessoutputs Strukturierung der Aktivitäten im Hinblick auf eine reibungslose Anbindung vor- bzw. nachgelagerter Prozesse Integration vormals externer Lieferanten; Konditionen der Inputbereitstellung; Distributionskanäle; Verrechnungspreise
x x
Neue Produkte auf neuen Märkten Horizontal, vertikal, lateral Wettbewerbsstrategien Kostenführerschaft
Kunden Output Prozessablauf Input
Preisdifferenz der Leistung gegenüber Wettbewerbern Art, Umfang und Beschaffenheit der Leistung im Hinblick auf niedrige Gesamt- bzw. Zielkosten Entscheidung über Prozessaktivitäten, Aufgabenfolge und Aufgabenträger im Hinblick auf Kostenniveau und -struktur Lieferantenauswahl sowie Art, Beschaffenheit und Menge der eingesetzten Ressourcen insbesondere unter Kostenaspekten
x x
Schaffung eines Kostenvorteils gegenüber Wettbewerbern Realisierung eines Niedrigpreis-Konzepts Differenzierung
Kunden Output Prozessablauf Input
Auswahl zu befriedigender Kundenbedürfnisse, Ausmaß des durch den Prozess erzeugten Kundennutzens Art und Ausgestaltung der Leistungs- bzw. Qualitätsmerkmale Festlegung von Produktions- und Qualitätssicherungsverfahren sowie Qualifikationskriterien der involvierten Mitarbeiter Art, Beschaffenheit und Menge der eingesetzten Ressourcen insbesondere unter Qualitätsaspekten
x x
Schaffung von Präferenzen über einen hohen Kundennutzens Realisierung eines im Vergleich zu Wettbewerbern höheren Preises Hybride Strategie
Kunden Output Prozessablauf Input
Entscheidung über Preisgestaltung sowie Generierung von Kundennutzen gemäß Kostenführerschaft bzw. Differenzierung Entscheidung über Leistung im Hinblick auf Kostensituation bzw. die Ausgestaltung der Leistungs- und Qualitätsmerkmale Gestaltung des Prozessablaufs nach Kostensenkungs- bzw. Differenzierungsüberlegungen Entscheidung über Input unter Kosten- bzw. Qualitätsaspekten
x
Tabelle 4, Teil 1: Generelle Strategiefelder im Prozessmanagement
Kombinierte Verfolgung von Kostenführerschaft und Differenzierung
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements Objekte
Prozessbezogene Strategiefelder Entscheidungen
Kunden
Identifizierung, Abgrenzung und Auswahl der relevanten Kundenbedürfnisse im Massenmarkt
Output
Art und Umfang der Leistung im Hinblick auf die massenorientierte Bedürfnisbefriedigung
Prozessablauf
Prozessablaufgestaltung im Hinblick auf Bedienung des Massenmarkts; ggf. Standardisierung
Input
79 Strategiefelder der SGE Marktparzellierung/-areal Massenmarkt x x
Undifferenzierte Marktbearbeitung Totale oder partiale Marktabdeckung
Mengenmäßige Ausgestaltung des Inputs Marktsegment
Kunden
Identifizierung, Abgrenzung und Auswahl der relevanten Kundenbedürfnisse im Marktsegment
Output
Art und Umfang der Leistung im Hinblick auf die segmentspezifische Bedürfnisbefriedigung
x
Prozessablauf
Ablaufgestaltung im Hinblick auf segmentspezifische Gegebenheiten; ggf. Flexibilisierung
x
Input
Differenzierte Marktbearbeitung Multi- oder SingleSegment-Strategie
Marktsegmentspezifische Ausgestaltung des Inputs National/ international
Kunden
Identifizierung, Abgrenzung und Auswahl der relevanten Kundenbedürfnisse im Marktareal
Output
Art und Umfang der Leistung im Hinblick auf die arealspezifische Bedürfnisbefriedigung
x
Ablaufgestaltung im Hinblick auf lokale, regionale oder überregionale sowie nationale oder internationale Gegebenheiten; Flexibilisierung oder Standardisierung
x
Prozessablauf Input
Lokale, regionale oder überregionale Bearbeitung National, multinational sowie weltmarktbezogen
Arealspezifische Ausgestaltung des Inputs Entwicklungsrichtung bzw. Mitteleinsatz Wachstum
Kunden Output Prozessablauf Input
Analyse und Selektion von Kundenbedürfnissen im Hinblick auf die Erweiterung des Kundenkreises Selektion von Art und Umfang der auszubauenden Leistungen Art und Umfang der Erweiterung der Prozessstruktur Investition in die Weiterentwicklung des Prozessinputs sowie Erhöhung seiner Menge
x x
Ausweitung des Leistungsprogrammes Weitreichende Investitionen in das strategische Geschäftsfeld Stabilisierung/Rationalisierung
Kunden Output Prozessablauf Input Kunden Output Prozessablauf Input
Verbesserung des Güter- und Informationsflusses an der Schnittstelle zu internen Kunden; Halten von externen Kunden Sicherung bzw. Verbesserung des Leistungsniveaus Gestaltung der Aktivitätenfolge im Prozess zur Vermeidung von Redundanzen und Zeitverlust
x x
Optimierung der Schnittstellen zu Lieferanten des Inputs Art und Weise der Abwerbung von Kunden von Wettbewerbern, Halten der Kundenbindung, Kundenselektion, Auflösen der Kundenbeziehung Art und Umfang der Erweiterung, Spezifizierung oder Reduzierung des Leistungsspektrums
x x
Gestaltung von Prozessaktivitäten, Aufgabenfolge und Aufgabenträger im Hinblick auf Ausweitung, Spezifizierung, Reduzierung oder Eliminierung der Prozessleistung Art und Ausmaß von Investition und Ressourcenbindung bzw. Desinvestition und Ressourcenfreisetzung
Tabelle 4, Teil 2: Generelle Strategiefelder im Prozessmanagement
Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes Halte- bzw. Normalstrategie; Konsolidierungsstrategie Schrumpfung Reduzierung des Leistungsprogramms aufgrund von Nachfragerückgang Investition in den Restmarkt; selektiver Rückgang; Marktaustritt
80
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Insgesamt sind die die hier getroffenen Aussagen bezüglich der Prozessstrategiefelder sicherlich nicht erschöpfend. Es konnten allerdings grundlegende Entscheidungsfelder für das strategische Prozessmanagement aufgezeigt und die in diesem Zusammenhang wichtige Beziehung zwischen Prozess- und Geschäftsfeldstrategie herausgestellt werden. Tabelle 4 kann dementsprechend als Bezugsrahmen für die Prozessstrategieformulierung herangezogen werden. Hinsichtlich der konkreten Ausformulierung von Prozessstrategien gilt es neben diesen grundsätzlichen Zusammenhängen noch einige Besonderheiten zu berücksichtigen, die im nächsten Abschnitt erörtert werden. 1.2.2.3 Weitere Kennzeichnung und Besonderheiten der Prozessstrategieformulierung Da es im Regelfall nicht möglich ist, für alle primären und sekundären Prozesse im Unternehmen Strategien zu entwickeln,305 sollten insbesondere die für Wettbewerbsvorteile bedeutsamen Prozesse, d.h. Kernkompetenzen konstituierende Prozesse und konstitutive Prozesse bei der Realisierung von Differenzierung, Kostenführerschaft oder Konzentration auf Schwerpunkte306 Objekte einer dezidierten Strategieentwicklung sein. Die Ausrichtung des strategischen Prozessmanagements auf die Pflege, Weiterentwicklung und Nutzung der prozessbezogenen Erfolgspotenziale wurde in dieser Arbeit bereits thematisiert. Prozessstrategien dienen sowohl dieser Pflege und Weiterentwicklung als auch der Ausnutzung der Erfolgspotenziale. Bei der Formulierung der Prozessstrategie gilt es nun u.a., für spezifische Prozesse Maßnahmen zu bestimmen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern. Im Gegensatz zur Funktionsbereichsstrategie, die an dieser Stelle die koordinierte Planung einzelner, voneinander getrennter Bereiche wie Beschaffung, Produktion, Personalwirtschaft, Forschung und Entwicklung sowie Marketing erfordert,307 müssen bei der Prozessstrategie jeweils auf die betrachteten Prozesse bezogene Aspekte üblicherweise aus mehreren Teilbereichen in die Strategieformulierung einbezogen werden (vgl. Abbildung 13).308
305 306 307 308
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 50. Vgl. die Ausführungen in den Abschnitten C 2.2 und 3.4 dieser Arbeit. Vgl. Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 555 ff. Vgl. Bhattacharya, A.K./Gibbons, A.M. (1996), S. 52.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
Beschaffung
Forschung und Entwicklung
Produktion
81 PersonalWirtschaft
Marketing
Prozessstrategie 1
Prozessstrategie 2
Abbildung 13: Die Prozessstrategie als funktionsbereichsübergreifendes Konstrukt
Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Prozessstrategie allgemein als ein integrierter Komplex auf den spezifischen Prozess ausgerichteter funktionaler Ziele und Maßnahmen interpretiert werden. Was das konkret bedeuten kann, soll das folgende Beispiel verdeutlichen: Wenn ein Unternehmen z.B. anstrebt, die Lieferzeit für seine Produkte zu verkürzen, etwa um eine Differenzierungsstrategie realisieren zu können, könnte sich dies u.a. in der Strategie für den Prozesse „Auftragsabwicklung“ niederschlagen. Unterstellt sei, der Prozess „Auftragsabwicklung“ gliedere sich in die Prozessschritte „Auftragsannahme“, „Leistungserstellung“ und „Lieferung“. Die Erreichung des Ziels „Verkürzung der Lieferzeit“ erfordert Maßnahmen, die sich auf Bereiche wie das Marketing, die Produktion, die Beschaffung oder die Distribution beziehen können und im Hinblick auf die Strategieerfüllung zu koordinieren sind. 309 Konkret könnte eine entsprechende Prozessstrategie folgende Maßnahmen umfassen: x Automatisierung der Bestellannahme durch computergestützte Informationssysteme (Marketing),
309
Vgl. Bhattacharya, A.K./Gibbons, A.M. (1996), S. 52, die in diesem Zusammenhang konstatieren: „Developing the strategy (…) would involve decision variables from functions like marketing (e.g. customer service requirements), manufacturing (e.g. production planning and control, vertical integration), distribution (e.g. channels, location) and purchase (number of suppliers per component, strategic versus non-strategic suppliers).”
82
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
x Erschließung mehrerer Lieferanten bzw. multipler Bezugsquellen von wichtigen Vorleistungen und/oder Rohstoffen, um Produktionsverzögerungen durch Ressourcenengpässe zu vermeiden (Beschaffung), x Verlegung des Fertigungsstandorts in Kundennähe (Produktion), x Beschleunigung der Produktlieferung durch Umstellung auf Direktvertrieb (Distribution). Im Falle einer hybriden Organisationsstruktur wie bspw. der Matrixorganisation sind die bereichsbezogenen Inhalte der Prozessstrategien mit den Funktionsbereichsstrategien abzustimmen, die Prozess- und die Funktionsbereichsstrategie existieren dann nebeneinander. Darüber hinaus ist auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass ein Prozess mit anderen Prozessen innerhalb der Wertschöpfungskette in enger Beziehung steht. Insofern ist, wie bereits angesprochen wurde, bei der Strategieentwicklung auch eine differenzierte Abstimmung verschiedener Prozessstrategien sicherzustellen.310 1.2.3
Prozess und Instrumente des strategischen Prozessmanagements: Empfehlungen und Gestaltungsansätze
Die Ausformulierung eines Ablauf- bzw. Phasenmodells für das strategische Prozessmanagement kann in enger Anlehnung an den allgemeinen strategischen Managementprozess erfolgen.311 Somit beinhaltet der Prozess des strategischen Prozessmanagements die Phasen der Formulierung strategischer Prozessziele, der strategischen prozessbezogenen Analyse und Prognose, der Prozessstrategiebestimmung, der Prozessstrategieimplementierung sowie der prozessbezogenen strategischen Kontrolle (vgl. Abbildung 14).
310
311
Wilken, C. (1993), S. 144, benennt in diesem Zusammenhang zuliefernde, abnehmende und sonstige Unternehmensprozesse. Darüber hinaus weist er darauf hin, dass auch eine Abstimmung der Prozessstrategien mit der allgemeinen Unternehmensumwelt erfolgen muss. Insgesamt konstatiert er daher für den einzelnen Prozess eine sehr differenzierte „Umweltsituation“, die bei der Strategieformulierung entsprechend zu berücksichtigen sei. Vgl. zum allgemeinen strategischen Managementprozess sowie zu den folgenden Ausführungen grundsätzlich Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 186 f.; Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 9 ff.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
83
Strategische Prozessplanung Festlegung strategischer Prozessziele Strategische Prozessanalyse und -prognose
Unternehmensanalyse • Identifikation der Kernprozesse • Prozessstärken und -schwächen
Prozessstrategiebestimmung • Prozessstrategieentwicklung • Abstimmung der Strategien • Auswahl der Prozessstrategien
Strategische Prozesskontrolle
Umweltanalyse und -prognose • Prozessumfeld • Prozesschancen und -risiken
Prozessstrategieimplementierung Verhaltensbezogene Umsetzung
Sachbezogene Umsetzung
Abbildung 14: Phasen des strategischen Prozessmanagements312
Die prozessbezogene Zielformulierung erfolgt vor dem Hintergrund der in Abschnitt C 1.2.1 identifizierten Zielhierarchie. Die Zielformulierung beinhaltet die Aktivitäten Zielsuche, Zieloperationalisierung, Zielanalyse und -ordnung, Prüfung auf Realisierbarkeit sowie Zielentscheidung.313 Es wurde zuvor bereits angesprochen, dass für das 312 313
In Anlehnung an Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 10; ähnlich auch Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 186. Vgl. Wild, J. (1982), S. 57 ff.; Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 201 ff. Dort sind überdies auch noch die Phasen der Zieldurchsetzung bzw. der Zielüberprüfung und der Zielrevision aufgeführt. Diese sollen hier jedoch nicht in die Betrachtung mit einbezogen werden, da sie sich inhaltlich eher der Strategieimplementierung bzw. strategischen Kontrolle zuordnen lassen.
84
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
strategische Prozessmanagement vor allem die Zielebenen der Erfolgspotenziale und Erfolgsfaktoren relevant sind. Entsprechend beziehen sich diese Aktivitäten primär auf die angestrebte Ausprägung der prozessbezogenen Erfolgspotenziale bzw. die der mit ihrer Ausschöpfung verbundenen Erfolgsfaktoren. Diese gilt es zu präzisieren und in ein Zielsystem einzuordnen. Anschließend ist ihre Realisierbarkeit zu prüfen, wobei etwaige Zielkonflikte innerhalb des Zielsystems beseitigt werden müssen. Daran anknüpfend kann dann die Auswahl der tatsächlich zu verfolgenden Prozessziele stattfinden. Die zur Unterstützung der Zielformulierung eingesetzten Instrumente umfassen die bei der strategischen Zielbildung eingesetzten Instrumente,314 z.B. die Stakeholderund Nutzwertanalyse. Im Rahmen der Phase der Analyse und Prognose soll allgemein ein möglichst objektives Bild über den gegenwärtigen Zustand des Unternehmens gewonnen werden.315 Legt man dabei eine prozessorientierte Perspektive zugrunde, bedeutet das, dass die für die langfristige Existenzsicherung relevanten Prozesse und die sie betreffenden Umweltbereiche hinsichtlich der Möglichkeiten, prozessbezogene Erfolgspotenziale zu bilden und auszuschöpfen, analysiert werden. Dabei können mit einigen prozessbezogenen Modifikationen die gängigen Instrumente und Methoden der Umwelt- bzw. Unternehmensanalyse wie z.B. die Stärken-Schwächen-Analyse, das Benchmarking, die Lebenszyklusanalyse oder die Szenario-Technik zum Einsatz kommen. Die grundlegenden Inhalte der Prozessstrategiebestimmung wurden im Rahmen der Erörterung prozessbezogener Strategiefelder bereits vorgestellt.316 In der Phase der Strategiebestimmung gilt es, potenziell zielführende Prozessstrategiealternativen zu entwickeln, deren Wirksamkeit zu analysieren und eine geeignete Alternative auszuwählen. Diese Prozessstrategien sind dann sowohl untereinander als auch mit der Geschäftsbereichs- und Gesamtunternehmensstrategie abzustimmen.317 Das zur Prozessstrategiebestimmung angewendete Instrumentarium beinhaltet, teilweise analog zum Instrumentarium der allgemeinen Strategiebestimmung, u.a. Kreativitätstechniken,
314 315 316 317
Vgl. für einen Überblick Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 51. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 35. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 1.2.2.2 dieser Arbeit. In einer hybriden Organisationsform, wie z.B. der Matrixorganisation, muss dabei zusätzlich die Abstimmung mit den die Prozessstrategien teilweise überlappenden Funktionsbereichsstrategien erfolgen.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
85
prozessbezogene Portfolio-Methoden sowie Budgetierungsverfahren. Letztere dient dabei insbesondere der Abstimmung unterschiedlicher Prozessstrategien. Die Strategieimplementierung beinhaltet grundsätzlich die Umsetzung der geplanten Strategien, zum einen über ihre Spezifizierung bzw. die Planung von Folgemaßnahmen für die untergeordneten Planungsebenen (sachbezogene Umsetzung), zum anderen über die Sicherstellung der Strategieakzeptanz in den betroffenen Unternehmensbereichen, die Einweisung und Schulung der betroffenen Mitarbeiter sowie die Bewältigung etwaig auftretender Konflikte (verhaltensbezogene Umsetzung).318 Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die Prozessstrategie, wie bereits erörtert wurde, in der Strategiehierarchie relativ weit unten angesiedelt und damit gewissermaßen als „Folgemaßnahme“ der Gesamtunternehmens und Geschäftsfeldstrategie interpretierbar ist. Insofern gilt es im Zuge der Prozessstrategieimplementierung, bereits sehr detailliert einzelne Prozessschritte bzw. Teilaktivitäten festzulegen. Entsprechend werden bei der als Teil der Implementierung vorzunehmenden Ressourcenallokation nicht nur Finanzmittel und Informationsgüter, sondern auch Sachmittel zugeordnet. Zur Unterstützung der sachbezogenen Strategieimplementierung können Instrumente wie prozessbezogene Kennzahlensysteme, die Prozesskostenrechnung oder auch die Balanced Score-card und das Target Costing bzw. Target Processing eingesetzt werden.319 Neben diesen sachbezogenen Implementierungsaspekten müssen im Zuge der verhaltensbezogenen Umsetzung der Prozessstrategie die Mitglieder der involvierten Prozessteams informiert und ggf. geschult werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Überwindung möglicher Konflikte (vertikal und horizontal) zwischen den betroffenen Bereichen wichtig, wobei aufgrund der Notwendigkeit zur cross-funktionalen Integration ein besonderer Schwerpunkt auf der horizontalen Konfliktbewältigung liegt. In diesem Zusammenhang können Informations-, Qualifikations- und Motivationsinstrumente (insbesonderer Anreizsysteme) zum Einsatz kommen.320 Schließlich beinhaltet der prozessbezogene strategische Managementprozess auch die den gesamten Prozess umspannende strategische Prozesskontrolle. Dabei kommen die allgemeinen strategischen Kontrollarten der Prämissen- und Durchführungskontrolle 318 319
320
Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 255; Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 793. Auf die Einsatzmöglichkeiten von Balanced Scorecard und Target Processing soll in Kapitel D dieser Arbeit näher eingegangen werden. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 257 f.
86
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
sowie der ungerichteten Überwachung zum Einsatz.321 Diese erfahren aufgrund der Prozessorientierung zwar keine tiefgreifenden Änderungen allerdings gewisse Spezialisierungen.322 So kommt es im Bereich der Durchführungskontrolle aufgrund der multidimensionalen Zielausrichtung zu einem höheren Aufwand bei der Datenbeschaffung und -auswertung. Der in diesem Abschnitt diskutierte Prozess ist als Bezugsrahmen für den grundlegenden Ablauf des strategischen Prozessmanagements wichtiger Teil der Gestaltungsebene. Insgesamt unterscheidet sich der Prozess des strategischen Prozessmanagements nicht wesentlich vom allgemeinen Prozess des strategischen Managements. Dies liegt zum einen am relativ hohen Abstraktionsniveau der Betrachtung solcher allgemeiner Managementhandlungen, zum anderen an der Tatsache, dass die grundlegenden Wege der Entscheidungsfindung und Problemstellung auf allgemeinen kognitiven Prozessen beruhen und daher von der Organisationsstruktur unbeeinflusst sind. Die Neuerungen bzw. Besonderheiten des prozessbezogenen strategischen Managements lassen sich erst auf tieferen Abstraktionsebenen bei der inhaltliche Ausgestaltung der Entscheidungen sowie deren kausaler Begründung herausarbeiten bzw. sind dort relevant. Gleiches gilt auch für die vorgestellten Instrumente, die erst in ihrer konkreten prozessbezogenen Anwendung Besonderheiten aufweisen.323 1.2.4
Kritische Würdigung der Gestaltungsempfehlungen und Fragestellungen für die Erklärungsebene
Die im Rahmen dieses Abschnitts gemachten Vorschläge sollen als „formaler“ Bezugsrahmen für das strategische Prozessmanagement dienen. Mit der Beschreibung von prozessbezogenen strategischen Zielebenen, der Identifizierung grundlegender Strategiefelder sowie der Kennzeichnung des Managementprozesses und möglicher Instrumente des strategischen Prozessmanagements wurde ein Entscheidungsrahmen für das strategische Prozessmanagement skizziert. Zudem wurden wichtige Aspekte zu Einordnung und inhaltlichen Besonderheiten der Prozessstrategie dargestellt, die das Entscheidungsfeld des strategischen Prozessmanagements weiter charakterisieren.
321 322
323
Vgl. hierzu grundlegend u.a. Becker, W. (2004), S. 104 f.; Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 288 ff.; Auf die Besonderheiten der strategischen Prozesskontrolle soll in Abschnitt D 3.2.3.1 dieser Arbeit noch detaillierter eingegangen werden. In Kapitel D dieser Arbeit sollen einige dieser Instrumente detailliert in ihrer konkreten Ausprägung im Kontext von strategischem Prozessmanagement und -controlling erörtert werden.
1 Grundlagen des strategischen Prozessmanagements
87
Die hier vorgenommenen Ausführungen sind sicherlich nicht als umfassend anzusehen, sondern als „erste“ formale Ansatzpunkte für die Entwicklung eines prozessbezogenen Strategiekonzepts. Auch liefern sie im Hinblick auf die theoretische Fundierung keinerlei Erklärung für eine mögliche strategische Vorteilhaftigkeit der Prozessorganisation, da sie nichts über die Kausalitäten der Entstehung und Nutzung von Erfolgspotenzialen aussagen. Die Kenntnis derartiger Kausalitäten ist jedoch die Voraussetzung für das Treffen „richtiger“ strategischer Entscheidungen und damit letztlich auch Grundlage für die Entwicklung eines die Entscheidungsfindung des Managements unterstützenden, strategischen Prozesscontrollings. Ihre Herausarbeitung ist daher der Schwerpunkt dieses Kapitels. Das in Abschnitt C 1.1 erläuterte grundlegende Postulat strategischer Unternehmensführung, nämlich die Ausrichtung auf die Pflege und Weiterentwicklung von Erfolgspotenzialen ist dazu auf das Prozessmanagement zu übertragen, wobei die Fokussierung auf die „prozessbezogenen Erfolgspotenziale“ mehr als eine rein semantische Änderung für die Managementinhalte bedeutet. So ist es fraglich, inwieweit „klassische“ strategische Maßnahmen und Erfolgspotenziale auch vor dem Hintergrund der prozessorientierten Unternehmensstrukturierung wirksam sind. Dies sei an einem kurzen Beispiel verdeutlicht: Empirische Studien belegen die positive Korrelation zwischen relativem Marktanteil und Erfolg bzw. Kapitalrentabilität.324 Insofern stellt der relative Marktanteil ein Erfolgspotenzial dar.325 Die Ursache der Erfolgswirkung liegt vor allem in der Realisierung von Skalen- und Erfahrungskurveneffekten, aufgrund derer das Unternehmen mit zunehmenden (kumulierten) Produktionsmengen die Produktionsstückkosten zu senken und somit höhere Gewinne zu erwirtschaften vermag.326 In diesem Zusammenhang kann das strategische Management z.B. mit Hilfe der Portfolio-Analyse Strategien für einzelne strategische Geschäftseinheiten bestimmen.327
324 325 326
327
Vgl. hierzu bspw. die Ergebnisse des PIMS-Projektes bei Buzzell, R.D./Gale, B.T. (1989); Heyder, B./Werther, K. (1996), S. 8. Vgl. hierzu bspw. die Ausführungen bei Gälweiler, A. (2005), S. 37 ff. Vgl. Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 245; speziell zum Erfahrungskurvenkonzept z.B. Bauer, H.H. (1986). Vgl. zu diesem Sachverhalt bzw. zur Portfolio-Technik allgemein u.a. Dunst, K. (1979), S. 474 ff.; Böhler, H. (1989), S. 1548 ff.
88
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Vor dem Hintergrund einer prozessorientierten Unternehmensstruktur erscheint es fraglich, ob derartige Kostensenkungen in gleichem Maße wie in einer funktionalen Organisation auftreten und genutzt werden können. Der strategische Ansatz, über hohe Marktanteile Kostensenkungen und somit Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten zu erzielen, wird durch das Prozessmanagement teilweise durchkreuzt. Aufgrund der cross-funktionalen Verteilung verschiedener, zuvor innerhalb spezifischer Funktionsbereiche gebündelter Ressourcen auf unterschiedliche Prozesse können Größendegressionen und Lerneffekte schwerer realisiert werden. Auch wirken aufgrund der strikten Orientierung der durch die Prozesse erzeugten Leistungen an den Kundenbedürfnissen und erweiterter Verantwortungs- und Handlungsspielräume möglicherweise veränderte Kostentreiber.328 Insofern ist es zweifelhaft, ob die strategischen Implikationen beispielweise einer Marktanteils/Marktwachstums-Portfoliobetrachtung für eine Prozessorganisation ihre (volle) Gültigkeit besitzen. Es wird also deutlich, dass mit der Einführung einer Prozessorganisation die Postulate des strategischen Managements einer Überprüfung zu unterziehen sind. Dies soll im Rahmen dieser Arbeit erfolgen: So gilt es, die Wirkungsmechanismen zwischen Prozessen, Prozessorganisation sowie Prozessmanagement und Erfolgspotenzialen offenzulegen. Dabei werden ggf. andere Erfolgspotenziale als in einer funktionalen Organisation identifiziert. Auf dieser Grundlage lassen sich theoretische Empfehlungen für die inhaltliche Ausrichtung des strategischen Prozessmanagements und Hinweise für die Strategieformulierung geben. Dazu soll im weiteren Verlauf dieses Kapitels auf den Market-based View und den Resource-based View sowie ergänzend auf die Transaktionskostentheorie zurückgegriffen werden. Alle drei Theorien werden im Folgenden auf ihre Implikationen für das strategische Prozessmanagement hin untersucht. 2
Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
2.1
Kennzeichnung des Market-based View
2.1.1
Das Structure-Conduct-Performance-Paradigma als Grundlage des Market-based View
Die Ursprünge des marktorientierten Ansatzes gehen zurück auf die industrieökonomische Forschung und das von MASON und BAIN entwickelte Structure-Conduct328
Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 124, sowie detailliert die Ausführungen in Abschnitt C 2.2.3.1 dieser Arbeit.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
89
Performance-Paradigma.329 Dieses besagt, dass der Erfolg (performance) von Unternehmen maßgeblich von der Branchenstruktur (structure) und dem Marktverhalten (conduct) bestimmt wird (vgl. Abbildung 15).330
Structure (Branchenstruktur)
Conduct (Strategie)
Performance (Marktergebnis)
Abbildung 15: Das Structure-Conduct-Performance-Paradigma von Mason/Bain
Die Branchenstruktur bezeichnet in diesem klassischen Ansatz ein überwiegend stabiles, ökonomisch-technisches Wettbewerbsumfeld, in dem die Unternehmen operieren. Die primär bedeutsamen Merkmale der Branchenstruktur im Konzept von MASON und BAIN sind die Markteintrittsbedingungen, d.h. das Ausmaß an vorhandenen Barrieren, die einen potenziellen neuen Anbieter am Eindringen in dem bereits etablierten Markt hindern können, die Anzahl und Größe der Konkurrenzanbieter, die Elastizität der Nachfrage und der Grad der Produktdifferenzierung. Die Conduct-Dimension bildet das Verhalten der Unternehmen, d.h. Maßnahmen zur Anpassung an die Bedingungen des Marktes ab. An dieser Stelle zeigt sich der Bezug zum strategischen Management. So lassen sich die Entscheidungen über die Ausprägung wettbewerbsrelevanter Variablen in ihrer Gesamtheit als Strategie der Unternehmung oder ihrer Geschäftsbereiche begreifen. Solche Variablen sind u.a. der Produktpreis, Aufwendungen für Werbung, die Produktqualität oder Entscheidungen über Kapazitätsaufbau und -abbau. Die Performance-Dimension bildet das Marktergebnis ab. In der ursprünglichen, von MASON und BAIN propagierten Variante des Structure-Conduct-PerformanceParadigmas beschränkt sich dieses nicht nur auf den (finanziellen) Erfolg des einzelnen Unternehmens, sondern bezieht sich auch auf die Summe der durch das Verhalten
329 330
Vgl. Mason, E. S. (1939), S. 61 ff.; Bain, J. S. (1968). Vgl. zu den folgenden Aspekten Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 76 ff.
90
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
der Unternehmen in den jeweiligen Märkten erzielten Resultate. Das Marktergebnis äußert sich u.a. in den folgenden Faktoren:331 x Rendite der Unternehmen, x Höhe des Ausstoßes der Branche in Relation zum höchstmöglichen, ökonomisch sinnvollen Ausstoß, x Höhe der Verkaufspreise im Verhältnis zu langfristigen Grenz- und Durchschnittskosten der Produktion, x Beschaffenheit der Produkte im Hinblick auf Design, Qualität und Differenzierungsgrad, x Fortschrittlichkeit der Branche. Eine durch das Structure-Conduct-Performance-Paradigma implizierte grundlegende Annahme ist die im Market-based View unterstellte Vollkommenheit der Faktormärkte. Somit lässt sich der Erfolg von Unternehmen allein auf die Branchenstruktur und das Verhalten des Unternehmens zurückführen. Etwaige Unterschiede in der Ressourcenausstattung können zwischen den Unternehmen zumindest nicht langfristig auftreten und anders als im später noch thematisierten Resource-based View den unterschiedlichen Unternehmenserfolg erklären. Prominentester Vertreter einer industrieökonomisch begründeten Denkhaltung ist MICHAEL E. PORTER, dessen Arbeiten als Brückenschlag zwischen der volkswirtschaftlich orientierten Industrial Organization Theorie und dem betriebswirtschaftlich orientierten strategischen Management fungierten.332 Im Folgenden soll der Portersche Ansatz näher erörtert werden. 2.1.2
Der Ansatz von Porter
Die konstitutiven Elemente im Ansatz von PORTER zur Erklärung relativer Wettbewerbsvorteile sind zunächst einmal die Branchenstruktur und die Formulierung generischer Wettbewerbsstrategien.333 Ein weiteres wichtiges Konstrukt ist die Wertkette als
331
332 333
Vgl. zu der folgenden Zusammenstellung Gaitanides, M. (2007), S. 112; Welge, M.K./Al-Laham, A. (2003), S. 36. Vgl. Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 79 ff. Vgl. Porter, M.E. (2004b).
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
91
Instrument zur Analyse der Unternehmenssituation.334 Alle drei Konzepte werden im Folgenden vorgestellt. 2.1.2.1 Analyse der Branche PORTER’s Konzept der Branchenanalyse335 basiert auf der Annahme, dass sich Branchen aufgrund unterschiedlicher Branchenstrukturen in ihrer Wettbewerbsintensität unterscheiden.336 Unterschiede in der Branchenstruktur implizieren die Erfolgswirksamkeit unterschiedlicher Strategien; d.h., das Unternehmen muss seine Strategie an die Gegebenheiten der Branche anpassen, um den größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Umgekehrt kann auch argumentiert werden, dass die Auswahl der richtigen Branche eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg ist. Deren Attraktivität wiederum wird durch fünf Wettbewerbskräfte, die sogenannten „Five Forces“ bestimmt. Dies sind die Bedrohung durch den Markteintritt neuer Anbieter, die Substitutionsgefahr durch Ersatzprodukte, die Verhandlungsstärke der Kunden, die Verhandlungsstärke der Lieferanten und die Rivalität innerhalb der Branche. Die „Five Forces“ beeinflussen die Attraktivität einer Branche wie folgt: 337 Der Markteintritt neuer Anbieter erhöht die Kapazitäten in der Branche und kann Preissenkungen induzieren. Ersatzprodukte erfüllen die gleiche Funktion wie das originäre Produkt der Branche. Somit bieten sie den Kunden eine Kaufalternative und können damit eine Preisobergrenze für das Produkt der betroffenen Branche bestimmen. Eine hohe Verhandlungsstärke der Abnehmer erleichtert es diesen, Forderungen nach einem niedrigeren Preis, höherer Qualität oder zusätzlichen Serviceleistungen durchzusetzen. Analog dazu ermöglicht eine hohe Verhandlungsstärke der Lieferanten die Durchsetzung höherer Preise, die Senkung der Qualität oder die Verknappung des Angebots. Hohe Rivalität zwischen den Wettbewerbern der Branche führt zu aggressiven Preiskämpfen, hohen Werbekosten sowie der Einführung modifizierter Produkte und der Gewährung zusätzlicher Serviceleistungen. Alle diese Faktoren können sich negativ auf die Rentabilität auswirken.
334 335 336
337
Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 26 bzw. S. 33 ff.; Börner, C. (2000a), S. 691. In dieser Arbeit sollen die Begriffe „Analyse der Branche“, „Branchenanalyse“ und „Branchenstrukturanalyse“, sofern nicht anders angegeben, synonym verwendet werden. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Porter, M.E. (2004a), S. 3 ff. bzw. Porter, M.E. (2004b), S. 4 ff. Die folgende Zusammenstellung basiert auf Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 300 ff.
92
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Wettbewerbskräfte sind weitestgehend exogen bedingt, sodass sie den Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich strategische Aktionen abspielen können, anhand derer sich das Unternehmen in einer attraktiven Branche positionieren und dort eine dauerhaft verteidigungsfähige Wettbewerbsposition beziehen kann.338 Ein weiterer wichtiger Aspekt der Branchenanalyse ist die Identifizierung von strategischen Gruppen innerhalb einer Branche.339 „A strategic group is the group of firms in an industry following the same or a similar strategy along the strategic dimensions.“340 Eine Branche kann dabei im Extremfall aus nur einer strategischen Gruppe bestehen, allerdings kann auch jedes innerhalb der Branche tätige Unternehmen eine eigene „strategische Gruppe“ bilden. Gewöhnlich lässt sich in einer Branche eine geringe Anzahl von strategischen Gruppen identifizieren, die die wesentlichen Unterschiede in den Merkmalen der „strategic approaches“, d.h. des strategischen Verhaltens341 der innerhalb der Gruppe agierenden Unternehmen widerspiegeln. Insofern dient das Konzept der strategischen Gruppe als analytisches Hilfsmittel im Rahmen der Branchenanalyse.342 Genau wie die gesamte Branche lassen sich auch die strategischen Gruppen anhand bestimmter Kriterien bzw. Charakteristika kennzeichnen, die gleichzeitig als die Determinanten für die Profitabilität der in den strategischen Gruppen agierenden Unternehmen interpretiert werden können.343 Allgemeine, d.h. die gesamte strategische Gruppe betreffende Charakteristika sind die Höhe von Ein- und Austrittsbarrieren in der jeweiligen Gruppe, die Verhandlungsstärke der Gruppe gegenüber Lieferanten und Kunden, die Anfälligkeit in Bezug auf Substitutionsprodukte und die Rivalität mit anderen strategischen Gruppen. Weitere Charakteristika bzw. Profitabilitätsdeterminanten betreffen die Position eines Unternehmens innerhalb der strategischen Gruppe. Diese sind insbesondere die Stärke des Wettbewerbs innerhalb der Gruppe, die relative Größe eines Unternehmens, die Kosten für den Eintritt in die 338 339 340
341
342
343
Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 115. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Porter, M.E. (2004a), S. 129 ff. Porter, M.E. (2004a), S. 129; Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Abgrenzung gegenüber Marktsegmenten. Vgl. dazu Porter, M.E. (2004a), S. 130:“Strategic groups are not equivalent to market segments or segmentation strategies but are defined on the basis of a broader conception of strategic posture.” Derartige variierende „strategic approaches“ können u.a. die Breite der Produktpalette, Kommunikations- bzw. Werbestrategien, unterschiedliche Preispolitik oder der Grad vertikaler Integration sein. Vgl. hierzu Porter, M.E. (2004a), S. 130. Vgl. Porter, M.E. (2004a):“The strategic group is an analytical device designed to aid in structural analysis.“ Vgl. auch zu den folgenden Ausführungen Porter, M.E. (2004a), S. 142.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
93
strategische Gruppe und die Fähigkeit eines Unternehmens, die gewählte Strategie operativ umzusetzen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Analyse der Branche grundsätzlich der Schaffung einer Basis für die konkrete Strategieformulierung eines Unternehmens dient. Dem strategischen Management obliegt es, geeignete Strategien zu entwickeln um die strukturellen Merkmale einer Branche auszunutzen und aktiv so zu gestalten, dass eine nachhaltige Rente erzielt werden kann. Je nach Ausprägung der Wettbewerbskräfte bzw. je nach Konstellation der strategischen Gruppen existieren dazu unterschiedlichste strategische Ansätze: “There are many kinds of potentially profitable strategies.“344 2.1.2.2 Strategieoptionen Eine Wettbewerbsstrategie beinhaltet nach PORTER Maßnahmen zur Einnahme einer gut zu verteidigenden Stellung gegen negative Einflüsse der fünf Wettbewerbskräfte:345 „An effective strategy takes offensive or defensive action in order to create a defendable position against the five competitive forces. Broadly, this involves a number of possible approaches.“346 Die grundsätzlich möglichen inhaltlichen Stoßrichtungen des strategischen Agierens eines Unternehmens sind: x die Positionierung des Unternehmens dergestalt, dass die eigenen Fähigkeiten die bestmögliche Verteidigung gegen die vorliegende Konstellation der Wettbewerbskräfte ermöglichen, x die gezielte Beeinflussung der Kräftebalance durch strategische Manöver zur Verbesserung der relativen Wettbewerbsposition des eigenen Unternehmens, x die Ausnutzung von bzw. die Anpassung an Veränderungen der Wettbewerbssituation. Dies setzt die genaue Antizipation von Entwicklungen der die Konstellation der Wettbewerbskräfte bedingenden Faktoren voraus. Diese Grundtendenzen schlagen sich in den von PORTER postulierten drei generischen, d.h. allgemeingültigen Strategietypen nieder: x die Kostenführerschaft, 344 345 346
Porter, M.E. (2004a), S. 144. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Porter, M.E. (2004a), S. 29. Porter, M.E. (2004a), S. 29.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
x die Differenzierung, x die Konzentration auf Schwerpunkte. Die Strategie der Kostenführerschaft verfolgt das Ziel, innerhalb der eigenen Branche die relativ zu den Wettbewerben niedrigste Kostenposition zu erreichen. Sie beruht in ihrer ursprünglichen Prägung wesentlich auf der Gültigkeit des Erfahrungskurveneffektes347 und kommt vorrangig für Marktsegmente mit Kunden in Betracht, bei denen der Preis das vorherrschende Kaufkriterium darstellt.348 Ist dies der Fall, dominiert zwischen den Konkurrenten der Preiswettbewerb, so dass das vorrangige Bestreben auf das Erreichen einer möglichst niedrigen Kostenposition, die eine Niedrigpreispolitik zulässt, gerichtet sein muss.349 Aus einer relativ niedrigeren Kostenposition erwachsen dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile.350 So können bei gleichen Preisen höhere Gewinne als die der Wettbewerber realisiert und etwaige Preiskämpfe länger durchgehalten werden. Dadurch erhöht sich die Unabhängigkeit von Kunden und Lieferanten. Zudem werden Markteintrittsbarrieren für potenzielle Konkurrenten geschaffen. Zur Realisierung der Kostenführerschaft stehen grundsätzlich zwei Hebel, nämlich die Beeinflussung von Kostentreibern sowie die Umstrukturierung der Wertkette zur Verfügung.351 Beide schließen sich gegenseitig nicht aus. PORTER weist sogar explizit darauf hin, dass ein Kostenvorteil üblicherweise auf multiple Ursachen zurückzuführen ist.352 Konkret nennt er eine Reihe von Maßnahmen, die zur Erreichung einer überlegenen Kostenposition beitragen: „Cost leadership requires aggressive construction of efficient-scale facilities, vigorous pursuit of cost reduction from experience, tight cost and overhead control, avoidance of marginal customer accounts, and cost minimization in areas like R&D, service, sales force, advertising and so on.“353 Die Voraussetzung für eine entsprechende Maßnahmenumsetzung ist die Durchführung einer fundierten Analyse, die Aufschluss nicht nur über die aktuelle Kostenposi347
348 349 350 351 352 353
Vgl. Becker, W. (2001b), S. 18 ff.; der allerdings weiterhin feststellt, dass Porter inzwischen ein bedeutend „differenzierteres Modell der Kostenbeeinflussung“ offeriert, insbesondere durch die Einbeziehung von Kostenstruktur und Kostenverhalten in den Analyserahmen. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 162; Becker, W. (2001b), S. 17 f. Becker, W. (2001b), S. 18. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 160. Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 99. Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 99. Porter, M.E. (2004a), S. 35.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
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tion bzw. das Kostenniveau des Unternehmens, sondern auch über die aus der Zusammensetzung der Wertkette erwachsende Kostenstruktur sowie das aus den bereits genannten Kostentreibern resultierende Kostenverhalten gibt. 354 PORTER identifiziert zehn wesentliche Kostentreiber: Skalenerträge, Lerneffekte, Kapazitätsauslastung, Interdependenzen innerhalb der Wertkette sowie mit vor- und nachgelagerten Wertketten von Lieferanten und Kunden, Grad der horizontalen Integration, Grad der vertikalen Integration, Strategietiming, strategische Grundsatzentscheidungen, Standortwahl und externe Institutionen (z.B. den Staat).355 Sie gilt es, zur Erreichung einer Kostenführerschaft gezielt zu beeinflussen. Die Differenzierungsstrategie zielt darauf ab, branchenweit einzigartige Leistungen bzw. Produkte anzubieten, um sich so von seinen Wettbewerbern abzuheben.356 Im Gegensatz zur Kostenführerschaft, die nur von einem Unternehmen in jeder Branche erreicht werden kann, können unterschiedliche Differenzierungsformen innerhalb einer Branche erfolgreich koexistieren.357 Die Herangehensweisen können dabei sehr stark variieren. Ansatzpunkte für Differenzierungsmaßnahmen bieten grundsätzlich sämtliche Aktivitäten der Wertkette. Differenzierungspotenziale liegen z.B. in der Schaffung einmaliger Designs oder Prägung von Marken, einzigartigen Technologien, dem Anbieten spezieller Services, der Nutzung bestimmter Distributionskanäle oder auch besonderer Werbung.358 Ziel dieser Maßnahmen ist die Befriedigung sehr spezifischer Kundenbedürfnisse und damit die Bereitstellung eines höheren Kundennutzens. So soll bei den Kunden eine Präferenz für die eigenen Produkte entstehen und eine erhöhte Kundenbindung an das Unternehmen erreicht werden. Mit dem Zwang, diese Präferenz durch relative Leistungs- bzw. Kundennutzensteigerungen zu überwinden, entstehen für neue Konkurrenten Markteintrittsbarrieren.359 Die Steigerung des Kundennutzens eröffnet zudem die Möglichkeit zur Erhöhung der Absatzpreise, da die eigenen Produkte auf der Nachfrageseite als höherwertig wahrgenommen werden und die grundsätzliche Bereitschaft besteht, dafür auch einen höheren Preis zu zahlen.360 Ein Gewinnvorteil entsteht dem Unternehmen daraus dann, wenn die Preisdifferenz über 354 355 356 357 358 359 360
Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 160; Becker, W. (2001b), S. 19. Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 70 ff. Vgl. auch zu den folgenden Ausführungen Porter, M.E. (2004a), S. 37 f.; Porter, M.E. (2004b), S. 229 ff. Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 14. Vgl. die schematische Übersicht bei Porter, M.E. (2001b), S. 122. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 122. Vgl. Becker, W. (2001b), S. 33.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
den zusätzlichen Kosten der Differenzierung liegt. Insofern erfolgt die Renditeoptimierung im Gegensatz zur Kostenführerschaft nicht durch Senkung der Kosten, sondern über die „Maximierung der Preiskomponente des Umsatzes.“361 Dabei darf aber auch die Kostenposition des Unternehmens nicht unberücksichtigt bleiben. So müssen die Kosten ein Niveau erreichen, „das nahezu bei dem der Wettbewerber liegt.“362 Die Dauerhaftigkeit bzw. Nachhaltigkeit eines durch Differenzierung entstandenen Wettbewerbsvorteils ist von zwei Faktoren abhängig: 363 Zum einen von der kontinuierlichen Befriedigung spezifischer Kundenbedürfnisse unter Berücksichtigung der Preis-Nutzen-Relation, zum anderen von der Unfähigkeit von Wettbewerbern zur Imitation der eigenen Leistung. In diesem Zusammenhang ist die Gefahr, einen Differenzierungsvorteil zu verlieren, nach Auffassung von PORTER geringer und somit die Nachhaltigkeit der Differenzierung größer, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: x Es sind Barrieren bezüglich der Differenzierungsquellen vorhanden, x es existieren Kostenvorteile bei der Durchführung der zur Differenzierung führenden Aktivitäten, x es existieren multiple Differenzierungsquellen, x es sind (hohe) Umstellungskosten mit der Differenzierung verbunden. Die Konzentration auf Schwerpunkte bzw. Nischenstrategie unterscheidet sich deutlich von den anderen beiden Strategien, da sie die Bearbeitung eines oder mehrerer begrenzter Teilsegmente der Branche postuliert:364 „The focuser selects a segment or group of segments in the industry and tailors its strategy to serving them to the exclusion of others.“365 Dem zugrunde liegt die Annahme, dass enger begrenzte Zielsegmente effizienter bedient werden können, sodass das Unternehmen in seinem Zielsegment einen Wettbewerbsvorteil erlangt, den es branchenweit nicht realisieren könnte. Sie vereint dahingehend Elemente der vorherigen beiden strategischen Ansätze, als dass das Unternehmen entweder Kostenführerschaft oder Differenzierung in seinem Zielsegment anstrebt. Beide Varianten setzen Unterschiede im Käuferverhalten zwi361 362 363 364 365
Becker, W. (2001b), S. 33. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 164; Porter, M.E. (2004b), S. 62: „Cost is also of vital importance to differentiation strategies because a differentiator must maintain proximity to competitors.” Vgl. zu den folgenden Ausführungen Porter, M.E. (2001b), S. 158 ff. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Porter, M.E. (2001b), S. 15 f. Porter, M.E. (2001b), S. 15.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
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schen Teilsegment und restlicher Branche voraus. „The target segments must either have buyers with unusual needs or else the production and delivery system that best serves the target segments must differ from that of other industry segments.”366 Derartige Unterschiede implizieren ferner, dass diese Segmente nur unzureichend von den branchenweit agierenden Wettbewerbern bedient werden. Insofern gibt es Marktnischen, in denen sich Unternehmen positionieren können, indem sie die suboptimale Anpassung branchenweiter Anbieter ausnutzen. Innerhalb einer Branche existieren oftmals mehrere Nischen, sodass es durchaus auch für verschiedene Unternehmen genug Raum zur Fokussierung geben kann. Gelingt dieses entweder durch Differenzierung oder durch Kostenführerschaft können auch Unternehmen mit geringen Marktanteilen eine überdurchschnittliche Rendite erzielen, sofern die bearbeiteten Segmente hinreichend attraktiv sind. 2.1.2.3 Das Konzept der Wertkette Die Wertkette ist ein Analysemodell zur Untersuchung der Quellen von Wettbewerbsvorteilen innerhalb der Unternehmen.367 „The value chain disaggregates a firm into its strategically relevant activities in order to understand the behavior of costs and the existing and potential sources of differentiation.”368 Diese strategisch bedeutsamen Aktivitäten, auch „value activities“369 genannt, sind in ihrer konkreten inhaltlichen Ausgestaltung unternehmensspezifisch und resultieren aus der historischen Entwicklung des Unternehmens. Insofern variieren die Wertketten unterschiedlicher Unternehmen innerhalb der Branche, was u.a. Performanceunterschiede erklärbar macht. Die Wertkette eines Unternehmens ist mit den vor- und nachgelagerten Wertketten der Lieferanten und Abnehmern verknüpft. Sie bilden zusammen das „value system“370 einer Branche. Die value activities sind die Bausteine, mittels derer das Unternehmen Produkte für seine Kunden erstellt und die somit die Grundlage für den realisierten Unternehmenserfolg in Form einer Gewinnspanne (Margin) bzw. die Ursache von Wettbewerbsvor-
366 367 368 369 370
Porter, M.E. (2001b), S. 15. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Porter, M.E. (2004b), S. 33. Porter, M.E. (2004b), S. 33. Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 38. Porter, M.E. (2004b), S. 34.
98
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
teilen darstellen.371 PORTER differenziert zwischen primären (primary) und unterstützenden (support) Aktivitäten. Primäre Aktivitäten sind Eingangslogistik, Produktion, Ausgangslogistik, Marketing und Vertrieb sowie Kundenservice. Sie sind sequentiell miteinander verknüpft. Unterstützende Aktivitäten sind Schaffung und Erhaltung der Unternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Forschung und Entwicklung sowie Beschaffung. Primäre als auch unterstützende Aktivitäten wiederum beinhalten gemäß PORTER direkte, d.h. unmittelbar zur Wertschaffung beitragende, indirekte, d.h. die Ausführung der direkten Tätigkeiten ermöglichende sowie der Qualitätssicherung dienende Tätigkeiten. Abbildung 16 stellt die generische Wertkette nach PORTER dar.
Firm Infrastructure Human Resource Management
Support Activities
Technology Development Procurement
Inbound Logistics
Operations
Outbound Logistics
Marketing & Sales
Service
Primary Activities
Abbildung 16: Die Wertkette nach Porter372
Die Anwendung der Wertkettenanalyse innerhalb der strategischen Managements läuft in mehreren Schritten ab und beinhaltet unterschiedliche inhaltliche Teilaspekte. Zunächst ist die Wertkette zu definieren.373 Dazu müssen die value activities identifiziert und in eine aus der generischen Wertkette abgeleitete unternehmensspezifische Wert371
372 373
Porter, M.E. (2004b) S. 33 f., konstatiert: „A firm gains competitive advantage by performing these strategically important activities more cheaply or better than its competitors.“ Porter, M.E. (2004b), S. 37. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Porter, M.E. (2004b), S. 36 ff.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
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kette integriert werden. Wichtig ist dabei, Interdependenzen und Abhängigkeiten an Schnittstellen zwischen den einzelnen Aktivitäten innerhalb der Wertkette und auch darüber hinaus zu berücksichtigen und eine möglichst optimale Konstellation zu realisieren.374 Zudem muss das Wettbewerbsspektrum („competitive scope“), das sich entlang der vier Dimensionen Breite des bedienten Marktsegmentes, Grad vertikaler Integration, geographische Abgrenzung des Wettbewerbsfeldes und Verbindung zu benachbarten Branchen aufspannt, in die Betrachtung einbezogen werden. Alle vier Dimensionen üben einen starken Einfluss auf die Wettbewerbsstärke des Unternehmens aus. Sind alle relevanten Einflussgrößen auf die Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt und value activities dementsprechend unternehmensspezifisch abgebildet, kann die Wertkette Aufschluss über die zweckmäßige Organisation von Unternehmensbereichen in Anlehnung an die Gruppierung in der Wertkette, geben.375 Insofern spielt die Wertkette auch bei Fragen zur Unternehmensorganisation eine wichtige Rolle.376 Ein weiterer wichtiger Aspekt der Wertkettenanalyse ist die Durchführung strategischer Kostenanalysen, da die Kostenposition eines Unternehmens stark von den Wertaktivitäten beeinflusst wird. Die Kostenanalyse zielt in diesem Zusammenhang im Wesentlichen darauf ab, das Kostenverhalten sowie die Ursachen für die relative Kostenposition des Unternehmens und somit Möglichkeiten zur Gewinnung eines komparativen Kostenvorteils (oder zur Reduzierung eines komparativen Kostennachteils) zu untersuchen. Zudem können Kosten der Differenzierung aufgedeckt werden. Die Kostenanalyse läuft in den folgenden sechs Schritten ab:377
374
375
376
377
Porter, M.E. (2004b), S. 48 ff. spricht dabei von „linkages within the value chain“ und „vertikal linkages“. So existieren innerhalb der Wertkette z.B. Zusammenhänge zwischen Produkt Design und Produktionsprozess, die sich in den Herstellungskosten niederschlagen, sowie zwischen Qualitätskontrollen im Wareneingang und Qualitätssicherung im Produktionsprozess. Wertkettenübergreifend bestehen bspw. Verflechtungen mit Lieferanten, die die Möglichkeit bieten, die beiderseitige Performance zu optimieren. Die optimale Ausnutzung dieser Interdependenzen wiederum erfordert hohen Informations- und Koordinationsaufwand. Porter, M.E. (2004b), S. 59; bemängelt in diesem Zusammenhang: „Organizational boundaries are often not drawn around the groups of activities that are most similar in economic terms.” Die Orientierung an der Wertkette könnte an dieser Stelle Abhilfe verschaffen. Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 59 ff. Hierzu ist jedoch kritisch anzumerken, dass die Wertkette an sich kein Organisationskonzept ist und insofern lediglich Hinweise für die Gestaltung der Organisation liefern kann. Vgl. Gaintanides, M. (2007), S. 119; Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 256. Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 64 ff. bzw. zusammenfassend S. 118.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
x Identifizierung der Wertkette und Zuweisung von Kosten und Anlagevermögen zu den jeweiligen Wertaktivitäten, x Diagnose von Kostentreibern der Wertaktivitäten und deren Verflechtungen, x Identifizierung der Wertketten der Wettbewerber und Ermittlung von relativen Kostenpositionen und Ursachen von Kostenunterschieden, x Entwicklung von Strategien zur Beherrschung eigener Kostentreiber bzw. Neustrukturierung der Wertkette zur Verbesserung der relativen Kostenposition, x Sicherstellung, dass die Bemühungen zur Kostenreduzierung nicht versehentlich etwaige Differenzierungsvorteile erodieren könnten, x Überprüfung der Kostensenkungsstrategie auf Nachhaltigkeit. Neben den kostenbezogenen Aspekten kann die Wertketteanalyse auch Aufschluss über mögliche Differenzierungsschwerpunkte geben. Differenzierungsquellen können grundsätzlich überall in der Wertkette liegen. Vor diesem Hintergrund bemängelt PORTER, dass Unternehmen bei der Suche nach Differenzierungsmöglichkeiten oftmals zu sehr auf ihre physischen Produkte oder Marketingleistungen fixiert sind.378 Ferner wird den Kosten der Differenzierung häufig keine ausreichende Aufmerksamkeit zuteil. Die Wertkette als Instrument stellt einen Analyserahmen bereit, bei dessen Nutzung diesen Umständen entgegengewirkt werden kann. Folgende Analyseschritte sieht PORTER dazu vor:379 x Identifizierung des Käufers bzw. Kaufentscheiders und seiner Wertkette, x Durchführung einer Kundennutzenanalyse zur Evaluierung von Kaufkriterien, x Ermittlung existierender und potenzieller Differenzierungsquellen innerhalb der eigenen Wertkette, x Ermittlung der Kosten der Differenzierung, x Auswahl einer nachhaltigen Differenzierungsstrategie, x Reduktion der Kosten bei Wertaktivitäten, die die gewählten Formen der Differenzierung nicht beeinflussen. Es wird deutlich, dass die Wertkette eine wichtige Ergänzung der Branchenanalyse und des Konzepts der generischen Wettbewerbsstrategien darstellt. Während die ersten 378 379
Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 119. Vgl. Zu den folgenden Ausführungen Porter, M.E. (2004b), S. 120 ff. bzw. zusammenfassend S. 162 f.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
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beiden Konzepte auf einer hoch aggregierten, breit angelegten Ebene die Ursachen und Vorgehensweisen für die Erzielung von Wettbewerbsvorteile beschreiben und damit als Instrumente einer grundlegenden strategischen Entscheidungsfindung fungieren,380 dient das Konzept der Wertkette dazu, konkretere Ansatzpunkte für die Umsetzung von Strategien im Unternehmen zu finden. 2.2
Strategisches Prozessmanagement aus marktorientierter Perspektive
Bei der theoretischen Fundierung von strategischem Prozessmanagement anhand des Market-based Views ist zu prüfen, welcher Zusammenhang zwischen der marktorientierten Erklärung von Wettbewerbsvorteilen und den Unternehmensprozessen besteht. Dazu sollen die von PORTER postulierten strategischen Konzepte der Branchenstrukturanalyse, Wertkette und generischen Strategien auf ihre Implikationen für ein strategisches Prozessmanagement hin untersucht werden. 2.2.1
Strategisches Prozessmanagement und die Branchenstrukturanalyse
Wie die vorherigen Ausführungen zeigen, bezieht sich die Branchenstrukturanalyse primär auf unternehmensexterne Einflussgrößen des Wettbewerbs auf Branchenebene. Das strategische Prozessmanagement muss diese exogenen Einflüsse („Five Forces“) berücksichtigen und das Erreichen einer Komplementarität zwischen den betrieblichen Fähigkeiten und den branchenbezogenen Möglichkeiten anstreben. Dieses „Fitorientierte“ Managementparadigma besitzt seine Gültigkeit unabhängig von der gewählten Organisationsstruktur und ist nicht exklusiv für Prozessorganisation und strategisches Prozessmanagement. Eine über die grundsätzliche Bedeutung für das strategische Management hinausgehende Relevanz der Branchenstrukturanalyse speziell für das strategische Prozessmanagement und die theoretische Fundierung desselben ist eher nicht zu konstatieren. Entsprechend ist im Umkehrschluss auch die Prozessperspektive bei der Durchführung der Branchenanalyse weniger wichtig. So räumt beispielsweise auch GAITANIDES dem Prozessmanagement im Konzept der Branchenstrukturanalyse nur geringfügigen Einfluss ein: „Es kann allenfalls als Instrument der Profilierung einer Strategischen Gruppe bzw. eines Unternehmens in einer Gruppe gesehen werden. Wettbewerbskritische Eigenschaften einzelner Geschäftsprozesse […] können sich als spezifische Strukturmerkmale der strategischen Gruppe heraus380
Vgl. zu dieser grundsätzlichen Einordnung von Branchenstrukturanalyse und generischem Strategiekonzept Porter, M.E. (2004a), S. 1.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
bilden und im Zuge von Lernprozessen als Mobilitätsbarrieren dienen.“381 Eine prozessorientierte Strukturierung des Unternehmens kann in diesem Zusammenhang zwar als spezieller „strategic approach“ werden, es gilt jedoch zu beachten, dass nicht das Prozessmanagement an sich ein Differenzierungsmerkmal darstellt, sondern das Prozessergebnis im Vergleich zu Wettbewerbern relative Wettbewerbsvorteile hervorbringt.382 Insofern können wettbewerbskritische Prozesse zwar als Branchencharakteristikum Gegenstand einer branchenbezogenen Analyse sein, jedoch müssten sie in dann Barrieren darstellen, die nicht durch eine einfache Übernahme von Konkurrenten kopiert werden können. Es erscheint aber kaum mit der im Market-based View unterstellten Prämisse vollkommener Faktormärkte vereinbar, dass aus einzelnen Geschäftsprozessen erwachsende Strukturmerkmale tatsächlich den Status dauerhafter Mobilitätsbarrieren einnehmen können und nicht relativ einfach durch Imitation wegerodiert werden.383 2.2.2
Strategisches Prozessmanagement und die Wertkette
Das Konzept der Wertkette wird in der Literatur teilweise sehr eng mit der Prozessorganisation bzw. dem Prozessmanagement in Verbindung gebracht.384 So wird u.a. der von PORTER geprägte Begriff der Aktivität einfach mit dem Prozessbegriff gleichgesetzt.385 PORTERs „value activities“ unterscheiden sich konzeptionell jedoch erheblich von dem in dieser Arbeit vertretenen Prozessbegriff. Value activities basieren auf der Abgrenzung und Aufspaltung allgemeiner betrieblicher Funktionen wie z.B. Produktion oder Marketing.386 Insofern stellt die Orientierung an Wertaktivitäten eine Modifikation der Untersuchung von Funktionsbereichen dar.387 GAITANIDES stellt in diesem Zusammenhang explizit fest, dass Wertaktivitäten ausdifferenzierte Funktionen sei381 382 383
384 385 386
387
Gaitanides, M. (2007), S. 115 f. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 116. An dieser Stelle deutet sich im Hinblick auf die Fundierung von strategischem Prozessmanagement bereits die Sinnhaftigkeit der Ergänzung des Market-based Views durch eine ressourcenorientierte Perspektive an. Diese könnte die Entstehung eben jener aus unternehmensinternen Lernund Entwicklungsprozessen erwachsender wettbewerbskritischen Eigenschaften von Geschäftsprozessen erklären und kausal mit dem Unternehmenserfolg verknüpfen. Vgl. z.B. Schober, H. (2002). Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 74; Spiegel, T. (2002), S. 25. Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 45: „Defining relevant value activities requires that activities with discrete technologies and economics be isolated. Broad functions such as manufacturing or marketing must be subdivided into activities.“ Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 35.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
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en.388 Insofern sind sie „fraglos das Ergebnis funktionaler Spezialisierung“389 und ihre Abgrenzung innerhalb des Wertkettenkonzepts steht damit im Widerspruch zur Umsetzung von cross-funktionaler Integration im Rahmen einer prozessorientierten Organisationsstruktur. Entsprechend würde die Anwendung des Wertkettenkonzeptes als organisatorisches Konzept in einer funktionalen Organisationsstruktur resultieren und eben keine funktionsübergreifende Prozessstruktur zur Folge haben.390 Ein weiterer Unterschied zwischen Prozessmodell und Wertkette betrifft die interne Abstimmung zwischen Aktivitäten und Prozessen: „Sie ist im Prozessmodell parallel, im Wertkettenmodell sequentiell angelegt.“391 Aufgrund dieser konzeptionellen Differenzen sind der Anwendung der Wertkettenanalyse im strategischen Prozessmanagement Grenzen gesetzt. Nichtsdestotrotz kann das Konzept der Wertkette durchaus einen Beitrag zum strategischen Prozessmanagement leisten. Insbesondere in Unternehmen, die eine Matrixorganisation aufweisen, können die Ergebnisse der Wertkettenanalyse Hinweise für die Gestaltung der die erfolgskritischen Aktivitäten unmittelbar überlagernden Geschäftsprozesse liefern. 392 Ferner kann die Identifizierung und Definition von Wertaktivitäten der erste Schritt zur Umstellung auf eine prozessorientierte Organisationsstruktur sein. Die Wertkette wäre in diesem Fall der Ausgangspunkt für die prozessorientierte Analyse und Gestaltung des Unternehmens.393
388 389 390 391 392
393
Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 119; Ahlrichs, F./Knuppertz, T. (2006), S. 101;Porter, M.E. (2004b), S. 45 ff. Gaitanides, M. (2007), S. 119. Vgl. Gaitanides, M.E (2007), S. 119. Gaitanides, M. (2007), S. 120. Die besondere Vorteilhaftigkeit der Wertkettenanalyse ergibt sich hier aus der für die Matrixorganisation charakteristischen parallelen Existenz von funktionalen und prozessorientierten Unternehmensstrukturen, die sich zudem überlagern. Etwaige aus der Wertkettenanalyse gewonnene Erkenntnisse über Wertaktivitäten können so relativ einfach auf überlagernde Prozesse übertragen werden. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass lediglich Tendenzaussagen für das Prozessmanagement gemacht werden können. Eine eins-zu-eins-Übertragung der Erkenntnisse ist aufgrund der zu unterschiedlichen organisatorischen Perspektiven nicht möglich. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 36; Ahlrichs,F./Knuppertz, T. (2006), S. 101. Im weiteren Verlauf der Umgestaltung der Organisationsstrukturen wären allerdings die bei Porter, M.E. (2004b), S. 48 f. explizit vorgesehenen Schnittstellen zwischen den Funktionsbereichen zu durchbrechen.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
2.2.3
Konzept der generischen Strategien und strategisches Prozessmanagement
In diesem Abschnitt soll erörtert werden, inwieweit die Prozessorganisation einen Beitrag zur Realisierung PORTERs generischer Strategiekonzepte leisten kann. So sollen Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Geschäftsprozessen und Erfolgspotenzialen abgeleitet werden. Es kann dann, sofern ein Zusammenhang feststellbar ist, eine industrieökonomische Fundierung von strategischem Prozessmanagement basierend auf dem Konzept der generischen Strategien erreicht werden. 2.2.3.1 Prozesse als Instrument zur Erreichung der Kostenführerschaft Die Meinungen über die Vereinbarkeit von Prozessorganisation und Kostenführerschaft gehen teilweise auseinander. So konstatiert z.B. MAYER die Vielfältigkeit von Kostensenkungspotenzialen, die sich aus der Prozessperspektive ergeben: Die durch Prozessmanagement realisierten Kostensenkungen stellen ihm zufolge einen entscheidenden Erfolgsfaktor für das Unternehmen dar.394 GAITANIDES dagegen vertritt die Ansicht, dass das Prozessmanagement nicht dazu prädestiniert sei, eine Strategie der Kostenführerschaft zu unterstützen und argumentiert dabei wie folgt:395 Die Umsetzung einer Strategie der Kostenführerschaft basiere zumindest in ihrer originären Prägung weitestgehend auf der Verwirklichung größenbedingter Kostendegression.396 Sie „nutzt Betriebsgrößenersparnisse (Skalenerträge) und Erfahrungskurveneffekte, um Kostenvorteile bei der Durchführung von Wertaktivitäten zu realisieren.“397 Die entsprechenden Voraussetzungen bzw. Fähigkeiten und Mittel, wie umfassende Investitionen und hoher Kapitaleinsatz, intensive Überwachung der Arbeitsabläufe, produktionsgetriebene bzw. -orientierte Produktentwicklung oder ein kostengünstiges Distributionssystem398 seien im Rahmen der Prozessorganisation tendenziell weniger ausgeprägt, der vorhandene Hebel zum Erreichen der Kostenführerschaft seitens eines strategischen Prozessmanagements sei im Vergleich zur funktionalen Organisation somit kleiner.399 Auch vertrügen sich die Anforderungen einer Kostenführerschaft an die Organisationsstruktur, nämlich hohe Kontrollintensität, klare Gliederung von Aufgaben und Verantwortung sowie Anreizsysteme, die auf strikter quantitativen 394 395 396 397 398 399
Vgl. Mayer, R. (2005), S. 5.; ähnlich auch Binner, H.F. (2001), S. 6 ff. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S. 123 f. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 2.1.2.2. Gaitanides, M. (2007), S. 123 f. Vgl. Porter, M.E. (2004a), S. 40. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 124.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
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Zielerfüllung basieren, nicht mit der Prozessorganisation, welche den Abbau von Weisungshierarchien, den Ausbau von Entscheidungsdelegation sowie komplexere, da cross-funktional integrierte, Aufgabeninhalte postuliere. Vielmehr wirken die Besonderheiten der Prozessorganisation400 verstärkend auf die Kostentreiber. „Der strategische Ansatz, über eine funktionale Spezialisierung Kostenführung zu erreichen, wird daher durch das Prozessmanagement konterkariert.“401 Diese Argumentation ist sicherlich grundsätzlich überzeugend, berücksichtigt allerdings nicht die Möglichkeit des Auftretens anderer, eventuell größenunabhängiger Kostendegressionseffekte, die möglicherweise die soeben ausgeführten Kostennachteile überkompensieren können, sodass dennoch eine Kostenführerschaft realisiert werden kann. Ferner ist zu anzumerken, dass Kostenführerschaft allein aus der relativen Kostenposition des Unternehmens im Vergleich mit seinen Wettbewerbern resultiert. Sollten diese ebenfalls eine Prozessorganisation oder aufgrund sonstiger Faktoren ungünstigere Kostenstrukturen aufweisen, bestünde für das eigene Unternehmen ex ante insgesamt kein Kostennachteil, da organisatorische bzw. prozessbedingte negative Faktoren kompensiert würden. Zudem sind etwaige prozessbezogene Hebel zur Kostensenkung trotz einer theoretischen, kostenbezogenen Unterlegenheit gegenüber funktionalen Organisationsstrukturen grundsätzlich immer für das strategische Management interessant und sollen daher im Folgenden thematisiert werden. Der erste im Zusammenhang mit der Prozessorganisation relevante Kostendegressionseffekt basiert auf der lernbedingten Kostendegression.402 Diese basiert auf Lerneffekten bzw. dem Lerngesetz der industriellen Produktion.403 Zwar sieht sich das Management einer Prozessorganisation mit den eingangs in An400
401 402 403
Gaitanides, M. (2007), S. 124 benennt in diesem Zusammenhang die Verteilung von Ressourcen auf unterschiedliche Prozesse, die Orientierung der Prozessleistung an den Kundenbedürfnissen sowie die erweiterten Handlungsspielräume der Prozessverantwortlichen. Gaitanides, M. (2007), S. 124. Vgl. zur lernbedingten Kostendegression grundsätzlich z.B. Adam, D. (1979), Sp. 949 ff. Dieses besagt, dass Fertigungszeiten und damit verbundene Fertigungslöhne mit steigender Produktionsmenge abnehmen. Vgl. Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 252 ff; Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 64. Lernkurven stehen im engen Zusammenhang mit dem Erfahrungskurvenkonzept, das auf einer Untersuchung der Boston Consulting Group im Jahre 1966 basiert. Vgl. Henderson, B.D. (1984), S. 19 ff. Beide Konzepte unterscheiden sich dahingehend, dass die Lernkurven lediglich den Produktionsbereich abbilden, wohingegen die Erfahrungskurve die gesamten Wertschöpfungskosten berücksichtigt. Vgl. hierzu speziell Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 252.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
lehnung an GAITANIDES formulierten Nachteilen bezüglich der Realisierung großer Ausbringungsmengen konfrontiert, allerdings ist kritisch anzumerken, dass der in der Lernkurve zum Ausdruck gebrachte Zusammenhang zwischen steigender kumulierter Produktionsmenge und sinkenden Fertigungszeiten (und damit verbunden auch Fertigungslöhnen) pro Stück lediglich statistischer Natur ist und auf verschiedenen kausalen Ursachen beruht. ADAM beispielsweise identifiziert ein steigendes Arbeitstempo durch Gewöhnung an zunächst noch unbekannte Produktionsabläufe, die Vermeidung von Störungen im Materialfluss und Verbesserungen der Produktionsverfahren als Ursache sinkender Kosten. Gerade die Prozessorganisation sollte dazu in der Lage sein, das Auftreten dieser kostensenkenden Faktoren zu begünstigen und zu beschleunigen. So erhöht sich durch die intensive Planung und Dokumentation der funktionsübergreifenden Prozessabläufe, oftmals auch in Verbindung mit umfassenden Modellierungsansätzen, die Transparenz, was den Mitarbeitern die Eingewöhnung in die Arbeitsabläufe erleichtert. Die Vermeidung von Störungen im Materialfluss, eines der erklärten Ziele der Prozessorganisation, kann durch die cross-funktionale Integration erreicht werden. Gleiches gilt im Übrigen auch für die potenzielle Verbesserung von Produktionsverfahren, die ebenfalls durch hohe Transparenz, detaillierte Modellierung und funktionsübergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit forciert werden kann, so dass an dieser Stelle typischerweise eine Vorteilhaftigkeit einer prozessorientierten Organisation gegenüber einer funktional ausgerichteten Organisation bestehen wird. Ein weiterer, für die Prozessorganisation geeigneter Hebel zur Kostensenkung kann die koordinationsbedingte Kostendegression sein. Sie erwächst aus der Harmonisierung unterschiedlicher Kapazitäten aufeinanderfolgender Produktionsstufen.404 Zwar bestehen für die Prozessorganisation in Bezug auf die größenbedingten Fixkostendegression die bereits zuvor aufgeführten Nachteile, jedoch können Vorteile vorliegen, wenn es darum geht, in mehrstufigen Produktionsstrukturen Kostendegressionspotenziale zu realisieren: Wird auf einer Produktionsstufe beispielsweise durch Hinzukaufen einer Maschine die Produktionskapazität erweitert, sodass Fixkosten auf eine größere Produktionsmenge verteilt werden könnten, so wird ein Kostendegressionseffekt auf nachgelagerten Ebenen nur dann realisiert werden, wenn auch nachgelagerte Fertigungsstufen die Erwei-
404
Vgl. Becker, W. (2001b), S. 29.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
107
terung mittragen können.405 Die Produktionskosten pro Stück nehmen bei Vollauslastung mit wachsender Kapazität ab. Aufgrund der engen Verzahnung von Produktionsabschnitten, die zwischen aufeinanderfolgenden Prozessen in der Prozessorganisation besteht, erscheint die Prozessorganisation prädestiniert zu sein, eine solche Harmonisierung zu erreichen. Auch die Kunden-Lieferanten Beziehung zwischen aufeinanderfolgenden Prozessen kann eine entsprechende produktionsmengenmäßige Abstimmung begünstigen. Die Stärke der Prozessorganisation liegt dabei, wie auch schon zuvor zum Ausdruck gebracht, nicht in der stark expansiven Ausweitung der Produktionskapazität, sondern in der Koordination der Kapazitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Ergänzend zu diesen Degressionseffekten kommt der Verbesserung der Leistungsqualität und der damit verbundenen Senkung der sogenannten Qualitätskosten im Prozessmanagement eine hohe Bedeutung zu. „Qualitätskosten sind diejenigen Kosten, die direkt oder indirekt, vorbeugend oder nachträglich, ursächlich oder in erster Linie dazu dienen, die Qualität der Produkte oder Prozesse zu fördern oder sicherzustellen.“406 Derartige Kosten entstehen im Unternehmen u.a. durch Nachbearbeitung, intensive (Nach-)Prüfung oder auch Ersatzleistungen und haben ihre Ursache in mangelnder Produkt- und/oder Prozessqualität. Prozessmanagement wird oft in enge Beziehung zum Qualitätsmanagement gesetzt.407 Beispielsweise setzt die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9000 ff. eine prozessorientierte Organisationsgestaltung voraus.408 Die erforderliche Transparenz der Leistungserstellung und der Erfüllung der Kundenanforderungen wird im Sinne der DIN EN ISO 9000 ff. durch eine Prozessorganisation gewährleistet, denn Prozesse bündeln die zuvor in Funktionsbereichen isolierten Tätigkeiten und richten sie auf die Erfordernisse und Erwartungen der Kunden aus, womit sie als Bindeglied zwischen der Organisation und den Kunden fungieren.409 Entsprechend setzen auch die in der Norm postu405 406 407
408
409
Vgl. Adam, D. (1979), Sp. 951. Wilken, C. (1993), S. 165. So ist die Prozessorientierung elementarer Bestandteil von Ansätzen zum Qualitätsmanagement. Entsprechend stehen Prozesse bspw. im Zentrum des Total Quality Modells der European Foundation für Qualitiy Management. Vgl. hierzu z.B. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 15 f; Ahlrichs, F./Knuppertz, T. (2006), S. 127. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 34 ähnlich auch Gaitanides, M. (2007), S. 207; Benner, M./Tushman, M. (2003), S. 240. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 36.
108
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
lierten Analyse- und Verbesserungsverfahren direkt an den Geschäftsprozessen an. Folglich hat die Prozessorganisation gegenüber der funktionalen Organisationsstruktur deutliche Vorteile bei der Beherrschung von Qualitätskosten. „Das Management der Prozessqualität ist gleichbedeutend mit der Planung, Steuerung und Kontrolle der Geschäftsprozesse hinsichtlich des Parameters Qualität. Damit ist Prozessqualität auch ein Ergebnis der Prozessoptimierung.“410 Aus diesem Vorteil kann dem Unternehmen, je nach Ausmaß, durchaus ein strategischer Kostenvorteil erwachsen. WILKEN beziffert unter Berufung auf verschiedene Autoren den Anteil der Qualitätskosten auf 520% des Gesamtumsatzes.411 Abschließend kann festgestellt werden, dass hinsichtlich der Realisierung einer Kostenführerschaft vor dem Hintergrund einer Prozessorganisation einige Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Dem strategischen Prozessmanagement stehen gegenüber dem strategischen Management in einer funktionalen Organisation andere Hebel zur Verfügung, wie z.B. die angesprochene Senkung von Koordinations- und Qualitätskosten. Somit kann, trotz eingangs erwähnter Nachteile, die Kostenführerschaft durchaus eine strategische Option für das strategische Prozessmanagement darstellen. Die Wettbewerbskonstellation diesbezüglich richtig einzuschätzen und die Wechselwirkungen verschiedener zum Teil gegenläufig wirkender Kosteneinflussgrößen zu analysieren, ist eine der großen Herausforderungen für das strategische Prozessmanagement. 2.2.3.2 Möglichkeiten zur Differenzierung in der Prozessorganisation Konstitutive Faktoren der Differenzierung sind zum einen die Einzigartigkeit der erzeugten Leistung und zum anderen die Stiftung eines im Vergleich zu potenziellen Wettbewerbern höheren Kundennutzens.412 Maßnahmen des strategischen Managements können grundsätzlich an diesen beiden Faktoren ansetzen, um die Differenzierung zu realisieren. Die Ursache für die Einzigartigkeit einer Wertaktivität und der durch sie erzeugten Leistung sind nach Auffassung von PORTER die sogenannten „drivers of uniqueness“.413 Aufgabe des strategischen Managements ist es, die „driver of 410 411 412 413
Gaitanides, M. (2007), S. 207. Vgl. Wilken, C. (1993), S. 158 sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. zu den folgende Ausführungen Porter, M.E. (2004b), S. 119 ff. Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 124 ff.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
109
uniqueness“ zu erkennen, zu nutzen und ggf. deren Entstehung zu fördern. Für das Prozessmanagement besonders relevante „driver of uniqueness“ sind Verflechtungen innerhalb der Wertkette und über sie hinaus die Integration von Leistungen sowie Lerneffekte.414 Solche Verflechtungen können Verbindungen innerhalb der unternehmenseigenen Wertkette, Verflechtungen mit Lieferanten und Verflechtungen in den Absatzkanälen umfassen. Sie bezeichnen grundsätzlich sachlich miteinander verknüpfte Aktivitäten, die es zu koordinieren gilt, wobei aus der Koordination Differenzierungspotenziale erwachsen können. So kann beispielweise aus der Koordination von Produktion und Marketing eine neuartige und bis dato eventuell einzigartige Leistung entstehen.415 Es ist die Aufgabe des strategischen Prozessmanagements, vor allem durch planerische und organisatorische Maßnahmen derartige Differenzierungspotenziale auszunutzen. Weist das Unternehmen einen hohen Integrationsgrad auf, d.h., vereint es ein breites Spektrum an verschiedenartigen Aktivitäten (z.B. durch die Integration vormals nachgelagerter Distributions- und Serviceleistungen) innerhalb seiner Wertkette, so kann es diese Aktivitäten vielfältig kombinieren, um die Einzigartigkeit der dem Kunden angebotenen Leistungen zu erreichen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist jedoch, dass aus dem breiten Spektrum an abgedeckten Wertaktivitäten diejenigen, die sich zur Erzeugung einer einzigartigen Leistung kombinieren lassen, zielgerichtet gebündelt und koordiniert werden.416 Auch hier eignet sich die Prozessorganisation zum einen aufgrund ihrer Fokussierung auf Kundenbedürfnisse, zum anderen aufgrund der engen Verknüpfung vor- und nachgelagerter Stufen der Leistungserzeugung zur Entwicklung eines entsprechenden Leistungsangebotes. Die Fokussierung auf interne und externe Kundenbedürfnisse ermöglicht entlang der gesamten Prozesskette die retrograde Übertragung der vom Kunden geforderten Leis414
415
416
Die übrigen „driver of uniqueness“ gemäß Porter, M.E. (2004b), S. 124 ff. sind von Seiten des strategischen Prozessmanagements grundsätzlich auch zu berücksichtigen. Sie bieten allerdings keine speziell für die Prozessorganisation relevanten Ansätze und werden daher an dieser Stelle nicht explizit behandelt. Ein konkretes Beispiel wäre in diesem Zusammenhang die Möglichkeit für einen Maybachkunden, bei der Fertigung seines Fahrzeuges persönlich anwesend zu sein. Dabei werden Produktionsleistungen, nämlich die physische Herstellung des Produktes, Marketingleistungen wie Imagepflege oder Kommunizierung von Premiumqualität kombiniert, und es wird zudem eine neuartige „Leistung“ in Form des Miterlebens der Wagenferertigung für den Kunden bereitgestellt. Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 126.
110
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
tungseigenschaften in „interne Kundenanforderungen“, die von den jeweils vorgelagerten Prozessstufen zu erfüllen sind. So wird angestrebt, dass die Bündelung auch zu einer Erhöhung des von der Leistung generierten Buyer Values führt, auch wenn sie innerhalb eines Prozesses erfolgt, der keinen externen Kunden beliefert. Eine enge Verzahnung zwischen den Prozessstufen erleichtert diese Anpassung und fördert die Koordination der integrierten Wertaktivitäten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Auch erleichtert sie die Integration noch nicht im Unternehmen befindlicher Wertschöpfungsstufen, aus der weitere Differenzierungspotenziale erwachsen können. Beispielsweise kann die enge Verzahnung mit einem Zwischenhändler die Eingliederung desselben in das Unternehmen erleichtern. Im nächsten Schritt würde das Unternehmen etwaige zuvor durch den Zwischenhändler erbrachte Service- oder Beratungsleistungen seinem ursprünglichen Leistungspaket hinzufügen und sich so von Wettbewerbern abheben. Der zusätzliche Buyer Value würde dem Kunden etwa aus der Tatsache entstehen, das gesamte „Leistungspacket aus einer Hand“ zu erhalten. Insbesondere im Hinblick aufService- und Beratungsleistung könnte der Kunde von der in Regelfall höheren Expertise des Herstellers profitieren.417 Ergänzend dazu können Lerneffekte die Einzigartigkeit einer Aktivität fördern. „The uniqueness of an activity can be the result of learning how to perform it better.“418 Hierfür ist die Prozessorganisation aufgrund ihrer dezentralen, flexiblen Struktur, die den Prozessteams ein höheres Maß an Eigenverantwortung und Freiheit bei der Prozessgestaltung einräumt, prädestiniert. Neben der Einzigartigkeit der Leistung muss Differenzierung auch durch die Stiftung eines im Vergleich zu Konkurrenzanbietern relativ höheren Kundennutzens gewährleistet werden.419 PORTER spricht in diesem Zusammenhang von der Generierung von sogenanntem „buyer value“. Das Ausmaß des generierten buyer values ist von der gesamten Einwirkung der Wertkette des Unternehmens auf die Wertkette des Kunden abhängig. Aus der Kundenperspektive sind zwei unternehmens- und leistungsbezogene Attribute bzw. Differenzierungskriterien für den „buyer value“ bedeutsam, auf die sich die Bewertung der Leistung oder des Produkts stützt: 417
418 419
Ein denkbares Beispiel wäre in diesem Zusammenhang die Implementierung von Software im Kundenunternehmen und die Gewährleistung einer fortlaufenden Beratung durch die Softwarentwickler. Porter, M.E. (2004b), S. 126. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Porter, M. E. (2004b), S. 130 ff.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
111
Erstens die „use criteria“, welche als Maßstab für die Leistungsqualität oder konkrete Leistungseigenschaften fungieren. Sie beziehen sich auf Merkmale wie z.B. Lieferzeiten und technischen Kundendienst, die einen realen, quantifizierbaren Nutzen für den Kunden generieren und effektiv die Leistung erhöhen oder die mit der Nutzung verbundenen Risiken und Kosten senken. Zweitens die „signaling criteria“, die sich auf Informations- und Kommunikationsaktivitäten420 des Unternehmens zurückführen lassen und so den vom Kunden wahrgenommenen bzw. antizipierten Nutzen betreffen. Konkrete Kriterien wären in diesem Zusammenhang z.B. eine hohe Qualitätserwartung, Reputation und Image oder eine bestimmte Markenpräferenz. Beide Kriterien sind von bestimmten Aktivitäten der Wertkette eines Unternehmens betroffen. So wird die Lieferzeit u.a. von der Eingangs- und Ausgangslogistik und der Produktion beeinflusst. Durch die charakteristische bereichsübergreifende Perspektive hat die Prozessorganisation gegenüber der funktionalen Organisation einen Vorteil bei der nutzensteigernden Gestaltung der eigenen Wertaktivitäten. Konkret auf die Lieferzeit bezogen, könnte das strategische Prozessmanagement einen durchgängigen Leistungsprozess von der Auftragsannahme bis hin zur Leistungsdistribution modellieren, mit dem Ziel, eine kürzere Lieferzeit als Differenzierungsmerkmal zu etablieren. Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch noch die Berücksichtigung weitergehender Verflechtungen über die unternehmenseigene Wertkette hinaus. So können sowohl Lieferanten als auch Absatzmittler wie auch die Verknüpfung mit verschiedenen Distributionskanälen in die Überlegungen einbezogen werden. Tabelle 3 zeigt überblicksartig den möglichen Einfluss verschiedener Wertkettenaktivitäten auf eine Auswahl von „use“ und „signaling“ Kriterien. Insbesondere an diesen Wertaktivitäten kann das strategische Management ansetzen, um buyer value zu generieren. In manchen Fällen mag es dazu ausreichen, an einer einzigen Wertaktivität und dem entsprechenden Kriterium anzusetzen, jedoch weist PORTER darauf hin, dass
420
Typische Instrumente sind in diesem Zusammenhang u.a. unternehmensbezogene Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Vgl. hierzu z.B. Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. (2002), S. 988 ff.; Meffert, H. (2000), S. 712 ff.
112
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
eine nachhaltige Differenzierung meistens auf der Ausführung einer ganzen Reihe von Wertaktivitäten beruht.421 Die vom strategischen Management zu treffende Entscheidung, welche Wertaktivitäten im Einzelnen in der Differenzierungsstrategie eine Rolle spielen sollen, gilt es auf der Grundlage einer Analyse zu treffen, in deren Ergebnis den „use“ und „signaling“ Kriterien der (potenziellen) Kunden die relevanten Wertaktivitäten zugeordnet werden. Tabelle 5 ist insofern auch als exemplarisches Ergebnis einer solchen Analyse zu verstehen.
Inbound Logistics Conformance to Specifications
Use Criteria
Delivery Time Product Features
Signaling Criteria
X
Operations
Outbound Logistics
X
X
X
X
Marketing and Sales
Human Resource Management
X
X
X
X
X
Sales force Quality
X
Sales aids
X
Attractiveness of Facilities
Technology Development
X
Tabelle 5: Einfluss von Wertkettenaktivitäten auf Käuferkriterien422
421 422
Vgl. Porter, M.E. (2004b), S. 159. In Anlehnung an Porter, M.E. (2004b), S. 151.
X
X
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
113
An dieser Stelle wird die Vorteilhaftigkeit einer Prozessorganisation gegenüber funktionalen Unternehmensstrukturen im Hinblick auf die Differenzierung besonders deutlich. Wie Tabelle 5 andeutet, wirken u.U. verschiedene Funktionsbereiche auf die Differenzierungskriterien ein. Die Prozessorganisation bietet in solchen Fällen die Möglichkeit einer besseren funktionsbereichsübergreifenden Gestaltung der Leistungsstrukturen. Sie ist daher in Bezug auf die Erfüllung von Differenzierungskriterien flexibler und effizienter als funktionale Organisationen. Auch sollte das strategische Prozessmanagement sich wenn möglich bewusst auf die Bearbeitung von Differenzierungskriterien konzentrieren, denen mehrere Wertkettenaktivitäten zugrundeliegen, da die Prozessorganisation hier gegenüber der funktionalen Organisation ihre Stärken optimal entfalten kann.423 Insbesondere hat das strategische Prozessmanagement neben der kundenbezogenen Analyse die Aufgabe, die Prozesskette entsprechend zu analysieren und zu gestalten, d.h., Geschäftsprozesse zu identifizieren, zu definieren und zu organisieren, die eine möglichst erfolgreiche Beeinflussung der Differenzierungskriterien z.B. durch einen optimalen Integrationsgrad komplementärer Aufgaben und Tätigkeiten verschiedener Funktionsbereiche erlauben. Im Zuge dieser Klärung des Arrangements und der Integration von differenzierungsrelevanten Wertaktivitäten innerhalb der Geschäftsprozesse muss sich das strategische Prozessmanagement auch mit der Frage befassen, wie diese Wertaktivitäten konkret den buyer value des Kunden beeinflussen. Hier existieren für das strategische Management zwei inhaltliche Ansatzpunkte. Grundsätzlich kann die Erhöhung des buyer values entweder über eine Senkung von Nutzungskosten bzw. des Nutzungsrisikos oder eine Erhöhung der Produktleistung bzw. Prozessleistung erfolgen. Die Senkung von Nutzungskosten bzw. dem Nutzungsrisiko beinhaltet vor allem unmittelbar produkteigenschaftsbezogene Maßnahmen, wie die Erhöhung von Zuverlässigkeit oder Lebensdauer oder die Senkung des Energieverbrauchs eines Produktes, kann allerdings auch ergänzende Serviceangebote, wie z.B. die Installation beim Kunden oder die Schulung des in der Nutzung involvierten Personals, umfassen. Die Prozessorganisation bietet an dieser Stelle aufgrund der Kundenfokussierung gewisse Vorteile gegenüber anderen Organisationsformen. Das strategische Prozessmanagement kann eventuell durch Förderung von Eigenverantwortung und der Vergrößerung 423
Die funktionale Organisation hätte aufgrund von besseren Spezialisierungsmöglichkeiten Vorteile bei der Bearbeitung von Differenzierungskriterien, die auf nur einer Wertaktivität beruhen.
114
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
der Handlungsspielräume der Prozessteams eine bessere und flexiblere Erfüllung von Kundennutzenkriterien erreichen. So erleichtert die enge Verzahnung mit der Prozesskette des Kunden das ganzheitliche Verständnis des Verwendungszusammenhanges der bereitgestellten Leistung beim Kunden, wodurch die Identifizierung buyer valuebezogener Differenzierungspotenziale gefördert würde. Auch die starke Gewichtung der Qualitätsdimension als einer elementaren Führungsgröße des Prozessmanagements kann verstärkt zur Senkung des Nutzungsrisikos des Kunden beitragen. Trotz dieser Vorteile ist keine generelle Überlegenheit der Prozessorganisation gegenüber anderen Organisationsformen zu konstatieren, enge Verbindungen zum Kunden und eine hohe Leistungsqualität setzen nicht zwingend eine Prozessorganisation voraus. Entsprechend unterscheiden sich auch die Handlungsweisen des strategischen Prozessmanagements nicht signifikant von den „klassischen“ Managemententscheidungen in diesem Zusammenhang. Solche Entscheidungen betreffen im Wesentlichen die Beschaffenheit des Produktes bzw. der Leistung und können z.B. Maßnahmen zur Steigerung der Zuverlässigkeit oder Langlebigkeit umfassen.424 Etwas anders verhält es sich in Bezug auf die Erhöhung der Produktleistung. Hier liegen die Stärken der Prozessorganisation wieder bei der cross-funktionalen Integration verschiedener Wertkettenaktivitäten. Das bereits dargestellte Beispiel mit der Lieferzeit verdeutlicht, wie die Abläufe bzw. Leistungsbeiträge verschiedener funktionaler Bereiche sich bei entsprechender Koordinierung durch Zusammenfassung in einem Geschäftsprozess positiv auf ein Leistungsmerkmal auswirken können. Ein weiterer denkbarer Ansatz wäre die Kombination von Tätigkeiten der Forschung und Entwicklung, der Produktion und des Marketings in einem Geschäftsprozess, um sehr spezifischen Kundenanforderungen optimal entsprechen zu können. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Differenzierungsstrategie besondere Anforderungen an die Organisationsstruktur und insbesondere an die Verknüpfungen von Aktivitäten innerhalb der Wertkette stellt, denen die Prozessorganisation eher gerecht wird.425 Für das strategische Prozessmanagement lässt sich somit festhalten, dass die Differenzierung vor allem auch im Vergleich mit nicht-prozessorientierten Wettbewerbern eine reizvolle strategische Option darstellt, da sie die eigentliche Stärke der 424
425
Vgl. für eine Übersicht von möglichen Ansatzpunkten zur Senkung des Nutzungsrisikos bzw. der Nutzungskosten Porter, M.E. (2004b), S. 135 f. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 125.
2 Der Market-based View im Kontext des Prozessmanagements
115
Prozessorganisation ausnutzt. Die Differenzierungsstrategie ist in ihrer Bedeutung für ein strategisches Management daher nicht zu unterschätzen. 2.2.3.3 Prozesse bei der Konzentration auf Schwerpunkte Die Strategie der Konzentration auf Schwerpunkte ist für das strategische Prozessmanagement von besonderer Bedeutung. Sie sieht die Verfolgung von Kostenführerschaft oder Differenzierung in abgegrenzten Teilsegmenten der Branche vor. Aufgrund der geringen Größe der bearbeiteten Marktsegmente können funktional organisierte Unternehmen bei Verfolgung einer Nischenstrategie auf Schwierigkeiten stoßen. So kann es z.B. aufgrund geringer Produktionsmengen problematisch sein, die zur Kostenführerschaft erforderlichen Kostendegressionseffekte zu erzielen. Bei der Differenzierung erscheint es fraglich, ob sich die für die funktionale Organisation in diesem Zusammenhang charakteristischen hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung bzw. Marketing auch bei geringen Absatzmengen amortisieren können. Eine Prozessorganisation dagegen kann in den kleineren Teilsegmenten nicht nur, wie in Abschnitt 2.2.3.2 bereits erörtert, ihr erhöhtes Differenzierungspotenzial entfalten, sondern birgt darüber hinaus auch (zusätzliches) Kostensenkungspotenzial. Dieses liegt vor allem in den Koordinationskosten.426 Ferner ist es durchaus denkbar, dass in unterschiedlichen Nischen verschiedene Strategieoptionen angewandt werden sollen und es somit zu einer parallelen Verfolgung von Differenzierung und Kostenführerschaft kommen kann. Die Anforderungen, die sich für die Organisationsstruktur in diesem Fall ergeben, sind vielfältiger und stehen zudem in einem teilweise ambivalenten Verhältnis zueinander.427 So muss sich das Technologie- und Organisationssystem aus statischen sowie dynamischen und aus stabilen sowie flexiblen Komponenten zusammensetzen. Das bedeutet konkret, dass ausgeprägte hierarchische Kontrollintensität neben Selbstorganisation im Team, Verfahrensinnovationen neben Produktinnovationen, extrinsische neben intrinsischer Motivationskultur und Kostendisziplin neben Kreativität anregenden Spielräumen existieren sollten. Hier bietet die Prozessorganisation nach Auffassung von GAITANIDES besondere Vorteile. „Domäne der Prozessorganisation ist es, Verschiedenartigkeit und Vielschichtigkeit entsprechend der gewählten strategischen Option herzustellen. Ange426 427
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 2.2.3.1 dieser Arbeit. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S. 126.
116
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
sichts der […] Widersprüche kann einen Konzentrationsstrategie nur dann erfolgreich sein, wenn für die Marktsegmente, in denen eine Differenzierungsstrategie verfolgt wird, und in den Marktsegmenten, in denen Kostenführerschaft praktiziert wird, jeweils spezifische Geschäftsprozesse identifiziert und implementiert werden.“428 In den einzelnen Segmenten können Prozesse etabliert werden, die den jeweiligen Anforderung gerecht werden, ohne dabei Effizienzeinbußen hinnehmen zu müssen. Der Prozessorganisation ist es folglich leichter möglich, den inhärenten strategischen Dualismus der Konzentrationsstrategie umzusetzen. Würde eine funktionale Organisation derartig agieren und entsprechend für jedes Teilsegment eine eigene Organisation etablieren, ließen sich aufgrund des geringeren Marktvolumens die „klassischen“ auf Mengen basierenden Kostensenkungseffekte in den Marktnischen nicht realisieren. Somit wird eine große Stärke der funktionalen Organisation außer Kraft gesetzt. 3
Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
3.1
Grundlagen des Resource-based Views
Lange Zeit dominierten die im vorherigen Abschnitt erörterten Erkenntnisse der Industrieökonomik und des daraus abgeleiteten Market-based View die Forschung zum strategischen Management, was eine starke Fokussierung auf die unternehmensexternen, branchenbezogenen Einflüsse zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen zur Folge hatte.429 An dieser Fokussierung setzt die Kritik an der Industrial Organization Forschung und dem daraus abgeleiteten Market-based View an. Die Vertreter des Resource-based Views bezweifeln die Dominanz umweltorientierter Faktoren als primäre Determinanten des Unternehmenserfolgs430 und die in Verbindung damit angenommene Homogenität von Unternehmen innerhalb einer Branche.431 Im Gegensatz zu der von Vertretern des Market-based Views postulierten „outside428 429 430 431
Gaitanides, M. (2007), S. 126. Vgl. z.B. Duschek, S./Sydow, J. (2002), S. 426; Bamberger, I./Wrona, T. (1996a), S. 130; Bamberger, I./Wrona, T (1996b), S. 386. Vgl. Macharzina, K. (1999), S. 56. Bezüglich dieser Homogenität stellt Barney, J.B. (1991), S. 100 f, fest: “Implicitly, this work [the market-based View, d. Verfasser] has adopted two simplifying assumptions. First these environmental models of competitive advantage have assumed that firms within an industry (or firms within a strategic group) are identical in terms of the strategically relevant resources they control and the strategies they pursue. Second, these models assume that should resource heterogeneity develop in an industry (…), that this heterogeneity will be short lived because the resources (…) are highly mobile. (…) These assumptions effectively eliminate firm resource heterogeneity and immobility as possible sources of competitive advantage.”
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
117
in“-Betrachtung basiert der ressourcenorientierte Ansatz auf einer „inside-out“Perspektive, wonach der langfristige Erfolg einer Unternehmung am Markt auf die Ausstattung und Nutzung unternehmensspezifischer Ressourcen zurückzuführen ist. Die Grundlage dieser Überlegungen wird überwiegend in den Arbeiten von SELZNICK und PENROSE gesehen.432 Jedoch lassen sich verwandte Ansätze schon bereits sehr viel früher bei LIST finden.433 Mitte der 1980er bzw. Anfang der 1990er Jahre wurden diese Ansätze in einer Reihe von Publikationen aufgenommen434 und so die existierenden Konzeptionen der strategischen Unternehmensführung um einen zusätzlichen, ressourcenorientierten Blickwinkel erweitert.435 Ressourcen sind nach BARNEY: „all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge etc. controlled by a firm that enable the firm to conceive of and implement strategies that improve its efficiency and effectiveness […]. In the language of traditional strategic analysis, firm resources are strengths that firms can use to conceive of and implement their strategies.”436 Ähnlich auch die Definition bei WERNERFELT, der Ressourcen als „anything which could be thought of as strength or weakness of a given firm. More formally, a firm’s resources at a given time could be defined as those (tangible and intangible) assets which are tied semipermanently to the firm.”437 Gemäß dieser beiden Definitionen soll in dieser Arbeit ein eher weit gefasster Ressourcenbegriff vertreten werden, der als Oberbegriff alle materiellen und immateriellen Güter, Systeme und Prozesse mit einschließt.438
432
433 434
435 436 437 438
Vgl. Selznick, P. (1957), der spezifische, aus historischen und personellen Rahmenbedingungen erwachsende, „distinctive competencies“ von Unternehmen identifiziert, sowie Penrose, E. T. (1959), die Unternehmen als Komplex von Ressourcen begreift, die Quelle von Wettbewerbsvorteilen und Wachstum sind. Vgl. Freiling, J/Gersch, M./Goeke, C. (2006a), S. 5 bzw. List, F. (1841). Vgl. z.B. Wernerfelt, B. (1984); Barney, J. B. (1991); Grant, R.M. (1991); Hall, R. (1992), Amit, R./Schoemaker, P. (1993). Vgl. zur Bedeutung des Ressourcenansatzes im strategischen Management Bamberger, I./Wrona T. (1996), S. 133 ff. Barney, J.B. (1991), S. 101. Wernerfelt, B. (1984), S. 172. Vgl. Bamberger, I./Wrona, T. (1996a), S. 132. Für eine enger gefasste Definition von Ressourcen vgl. bspw. Amit, R./Schoemaker, P. (1993), S. 35; Teece, D.J./Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 516; Freiling, J./Gersch, M./Goeke, C. (2006a), S. 19.
118
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Ressourcen lassen sich in physische, intangible, finanzielle und organisationale Ressourcen klassifizieren.439 -
-
-
Physische Ressourcen sind z.B. Rohstoffe und Fertigungsanlagen. Sie sind begrenzt in ihrer Kapazität und nutzen sich bei Gebrauch ab. Intangible Ressourcen sind bspw. Markennamen, Lizenzen und Patente sowie Fähigkeiten und Know-How der Mitarbeiter. Anders als physische Ressourcen sind sie kapazitätsmäßig kaum begrenzt und flexibler einsetzbar. Darüber hinaus erfahren sie keine Erosion im Verlauf ihrer Nutzung. Vielmehr ist die intensive Nutzung intangibler Ressourcen die Ursache für ihren dauerhaften Erhalt bzw. ihre Weiterentwicklung. So können sich Fähigkeiten unter Umständen verflüchtigen, falls von ihnen im Unternehmen kein Gebrauch gemacht wird, wohingegen sie sich bei intensiver Anwendung verbessern. Finanzielle Ressourcen, z.B. freie liquide Mittel oder nicht ausgeschöpfte Fremdkapitalkapazität als interne Mittel sowie Einlagen oder Risikokapital als externe Mittel sind begrenzt vorhanden, gehen bei Gebrauch unter und sind in ihrer Einsetzbarkeit relativ flexibel. Finanzielle Ressourcen können in Form von Investitionen in andere Ressourcenarten übergehen. Organisationale Ressourcen bezeichnen die diversen Managementsysteme, z.B. Planungs- und Kontrollsysteme des Unternehmens aber auch die Organisationsund Beziehungsstrukturen innerhalb sowie zwischen Unternehmen. Sie sind kapazitätsmäßig begrenzt, relativ flexibel und nutzen sich bei Gebrauch nicht ab.
Aus ressourcenorientierter Perspektive sind die Unterschiede zwischen den unternehmensspezifischen Ressourcenausstattungen die entscheidende Determinante zur Erklärung divergierender Unternehmensperformance. Das Augenmerk der Unternehmensführung wird nicht ausschließlich auf die Absatzmärkte, sondern auch auf die Faktormärkte und das unternehmerische Ressourcenmanagement gerichtet. So ist die Heterogenität in der Ressourcenausstattung durch Vorsprünge beim Ressourcenerwerb vor dem Hintergrund unvollkommener Faktormärkte begründet.440 In diesem Zusam439 440
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Bamberger, I./Wrona, T. (1996a), S. 133; Bamberger, I./Wrona, T. (1996b), S. 386 f. Vgl. Rasche, C. (1994), S. 55 bzw. S. 60. Die Annahme unvollkommener Faktormärkte ist dabei Voraussetzung zur langfristigen Gewinnerzielung durch den Aufbau und die Nutzung strategischer Ressourcen. In diesem Zusammenhang konstatiert Barney, J.B. (1986), S. 1231:„ If strateg-
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
119
menhang wird das sogenannte „resources conduct performance paradigma“ formuliert441, wonach die einzigartigen, nur schwer imitierbaren bzw. substituierbaren Ressourcen einer Unternehmung die Grundlage zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen und Realisierung überdurchschnittlicher Gewinne sind (vgl. Abbildung 17). Für das Unternehmen gilt es, Ressourcen zu entwickeln, diese Kundennutzen stiftend einzusetzen und durch hinreichende Isolationsmechanismen die dauerhafte Einzigartigkeit des unternehmensspezifischen Ressourcenportfolios sicherzustellen, um so die langfristige Überlebensfähigkeit der Unternehmung zu gewährleisten.
resources
conduct
performance
Unternehmen gelangen aufgrund ihrer Entwicklung, durch glückliche Zufälle oder durch gezieltes Vorgehen zu einzigartigen, nicht mit der Konkurrenz geteilten Ressourcen.
Die Nutzung dieser Ressourcen zur Gestaltung bedürfnisgerechter Angebote für bestimmte Branchenmärkte führt zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen.
Langfristige Erfolgsunterschiede erklären sich aufgrund der Nutzung einzigartiger Ressourcen zur Gestaltung bedürfnisgerechter Angebote.
Abbildung 17: Resources-conduct-Performance Paradigma442
Um nachhaltige Wettbewerbsvorteile garantieren zu können, müssen Ressourcen die Anforderungen der Unternehmensspezifität, der Nicht-Imitierbarkeit, der NichtSubstituierbarkeit sowie der Nutzenstiftung am Absatzmarkt erfüllen.443 Das bedeutet, es müssen Informations-, Transfer- und Replikationsbarrieren existieren, um zu vermeiden, dass potenzielle Wettbewerber die entsprechenden Ressourcen nachvollziehen oder nachahmen können, es darf keine Ressourcensurrogate geben, die die Einzigartigkeit des eigenen Ressourcenportfolios aufheben, und die Ressourcen müssen einen spezifischen Kundennutzen zu erzeugen im Stande sein.444 Entsprechende Zustände herbeizuführen und auszunutzen, ist die Aufgabe des strategischen Managements.
441 442 443 444
ic factor markets are perfect, then the cost of acquiring strategic resources will approximately equal the economic value of those resources once they are used to implement product market strategies.“ Vgl. u.a. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 7; Börner, C. (2000a), S. 689; Mikus, B. (2003), S. 217; Kühn, R./Grüning, R. (1998), S. 142. In Anlehnung an Kühn, R./Grüning, R. (1998), S. 142. Vgl. Barney, J.B. (1991), S. 105 ff.; Rasche, C. (1994), S. 69 ff. Vgl. Börner, C. (2000), S. 690.
120
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Ausgehend von diesen grundsätzlichen Denkansätzen haben sich diverse ressourcenorientierte Erklärungsansätze entwickelt, die sich in ihrer Argumentation zum Teil deutlich voneinander unterscheiden.445 Vor dem Hintergrund der Prozessorientierung sind vor allem die kompetenz- bzw. kernkompetenzorientierten Ansätze relevant. Diese sollen daher im Folgenden auf ihre Bedeutung für das strategische Prozessmanagement hin untersucht werden. 3.2
Die Kompetenzorientierung im Resource-based View
3.2.1
Grundlagen und Terminologie
Im Rahmen der Fokussierung auf die Unternehmenskompetenzen erfährt die Argumentationsstruktur des Resource-based Views eine andere Akzentuierung. Noch stärker als zuvor rücken mit den spezifischen (Kern-)Kompetenzen der Unternehmen immaterielle Ressourcen in den Vordergrund der Betrachtung.446 Der grundsätzlichen Argumentationslogik des Resource-based Views folgend, sind es diese spezifischen Kompetenzen, die Unternehmen zu einzigartigen Marktleistungen befähigen, um so Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten erzielen zu können.447 Die Begriffe der Kompetenz und der Kernkompetenz sind allerdings nicht abschließend geklärt: In der amerikanischen Literatur als Ursprung der Kompentenzorientierung wurden eine Reihe stellenweise synonym, allerdings zum Teil auch mit erheblicher inhaltlicher Abweichung verwendeter Begriffe, wie z.B. „core competences“448, “capabilities“, „strategic assets“449, “competences“ und „dynamic capabilities“450 geprägt. Diese werden in der deutschsprachigen Literatur teilweise übersetzt, teilweise
445
446
447 448 449 450
Vgl. Freiling, J/Gersch, M./Goeke, C. (2006a), S. 5 f.; bzw. Freiling, J/Gersch, M./Goeke, C. (2006b), S. 39 f. Einen Überblick über das Spektrum ressourcenorientierter Ansätze bieten Foss, N.J. et al (1995), sowie Freiling, J. (2001). Vgl. zu einem grundlegenden Überblick zu einer „Competence-based Theory of the Firm“ z.B. Freiling, J. (2004), S. 27 ff.; Freiling, J./Gersch, M./Goeke, C. (2006a), S. 5 ff. Vgl. zu dieser grundsätzlichen Argumentation bspw. Rasche, C. (1994), S.214f.; Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 25 ff. Prahalad, C.K./Hamel, G. (1990), S. 79 ff. Amit, R./Schoemaker, P. (1993), S. 35 f. Teece, D.J./Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 516. Auf den „dynamic capabilities“-Ansatz als Erweiterung der Kernkompetenzorientierung soll später noch näher eingegangen werden. Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt C 3.2.3.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
121
original übernommen, was die eindeutige begriffliche Abgrenzung zusätzlich erschwert.451 In der vorliegenden Arbeit soll im Wesentlichen der Auffassung von RASCHE gefolgt werden.452 Demnach stellen Kompetenzen „Sonderformen“ unternehmensspezifischer Ressourcen453 dar, die sich aus komplexen Interaktionsmustern zwischen individuellen Fähigkeiten, intersubjektiven Routinen und Aktivposten ergeben (vgl. Abbildung 18).
Aktivposten
Fähigkeiten
Kompetenz
Routinen
Abbildung 18: Zusammenspiel von Ressourcen bei der Entstehung von Kompetenz454
Die Aktivposten beinhalten materielle Ressourcen wie Rohstoffe, Fertigungsanlagen und Finanzmittel. Individuelle Fähigkeiten sind personengebundene Verhaltensstereotype.455 Sie repräsentieren das Wissen, die Begabung und Befähigung eines spezifischen Individuums, bestimmte Aufgaben durchzuführen und spezielle Probleme zu lösen. Dabei umfassen sie sachlich geordnete, im Hinblick auf die bearbeitete Problemstellung zu vollziehende Handlungen bzw. Handlungsschritte, zeichnen sich also durch einen Programmcharakter aus. Individuelle Fähigkeiten ermöglichen damit die Durchführung koordinierter zielführender Handlungen in einem gegebenen inhaltli451 452 453 454 455
Vgl. hierzu die Ausführungen bei Thiele, M. (1997), S. 65 f. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Rasche, C. (1994), S. 149. Vgl. die Definition von Ressourcen in Abschnitt C 3.1. In Anlehnung an Rasche, C. (1994), S. 214. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Rasche, C. (1994), S. 95 ff.; Nelson, R./Winter, S. (1982), S. 73 ff.
122
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
chen Kontext, wobei Entscheidungsspielräume tendenziell eng umrissen sind. Aufgrund ihrer Gebundenheit an eine konkrete Person sind individuelle Fähigkeiten für dritte Personen nicht immer eindeutig nachvollziehbar. Ihr Transparenzgrad wird stark von dem Verhalten des Fähigkeitsträgers sowie individuellen Eigenschaften wie z.B. der Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit der involvierten Personen geprägt. Routinen stellen organisatorisch verankerte Fähigkeiten dar und sind somit überindividuelle organisatorische Handlungsmuster, deren Erhalt nicht an konkrete Personen gekoppelt ist.456 Sie „speichern“ im Zeitablauf erworbenes organisatorisches Wissen und unterliegen in ihrer Entwicklung also einem historischen Determinismus. Die Entwicklung von spezifischen Kompetenzen aus dem Zusammenspiel von Fähigkeiten, Routinen und sonstigen Aktivposten findet dann statt, „when firm-specific assets are assembled in integrated clusters spanning individuals and groups so that they enable distinctive activities to be performed.”457 Die Entstehung neuer Kompetenz ist dabei kein Automatismus, sondern setzt die aktive Integration der Komponenten im Rahmen der Leistungsprozesse voraus. Fähigkeiten, Routinen und Aktiva müssen durch das Unternehmen so kombiniert werden, dass distinktive unternehmerische Handlungen ermöglicht werden, die darüber hinaus einen konkreten Bezug zu den organisatorischen Zielsetzungen aufweisen sollten: „an organization achieves competence when it has an ability to sustain coordinated deployments of resources in ways that help the organization to achieve ist goals.“458 Dabei sind die Führungsmechanismen im Unternehmen hochgradig bedeutsam: Die Gesamtheit der durch Koordinations- und Motivationsprozesse verbundenen Ressourcen der Unternehmung, welche diese in die Lage versetzt, spezifische Aktivitäten auszuführen, ist als Kompetenz zu verstehen.459 ANTLITZ schreibt der Unternehmensführung bei der Kompetenzbildung diese Koordination- und Motivationsfunktion zu (vgl. Abbildung 19). Das von ihm postulierte Kompetenzkonstrukt beinhaltet dementsprechend neben den Elementen der physischen Ressourcen und des Ausführungswissens auch unter dem Begriff Füh-
456 457 458 459
Vgl. zu den folgenden Aspekten Rasche, C. (1994), S. 98. Teece, D.J/Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 516. Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 306. Vgl. Antlitz, A. (1999), S. 138.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
123
rungswissen subsumierte Koordinations- und Motivationsmuster als Kompetenz konstituierende Variablen.460
Führungswissen
Aktivität
Physische Ressourcen
Ausführungswissen
Abbildung 19: Kompetenzkonstrukt nach ANTLITZ461
Das Element „physische Ressourcen“ bezieht sich auf den Zugang zum Rohstoffmarkt, die Ausstattung mit Grundstücken, Gebäuden, Maschinen und Anlagen sowie die vorhandene Informations- und Kommunikationstechnologie.462 Damit stimmt es im Großen und Ganzen mit den Aktivposten im Konzept von RASCHE überein. Ausführungswissen lässt sich in individuelles und maschinengebundenes Ausführungswissen differenzieren. Es bezeichnet das Vermögen eines Mitarbeiters, eine Handlung zu vollziehen. Somit entspricht Ausführungswissen nach ANTLITZ weitgehend dem oben geprägten Begriff der individuellen Fähigkeit.463 Zusammenfassend können Kompetenzen als unternehmerische Handlungspotenziale charakterisiert werden, die aus der zielgerichteten Kombination von anderen Ressourcen erwachsen. Sie ermöglichen Handlungen sowohl im Hinblick auf die zukünftige
460 461 462 463
Vgl. Antlitz, A. (1999), S. 182. Vgl. Antlitz, A. (1999), S. 182. Vgl. Antlitz, A. (1999), S. 140. Vgl. Antliz, A. (1999), S. 153 f; Antlitz greift dabei im Zusammenhang mit dem Ausführungswissen genau wie Rasche auf die Definition von „skill“ gemäß Nelson, R./Winter, S. (1982), S. 73 zurück.
124
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Bereitschaft zur Leistungserstellung als auch bei der Abwicklung aktueller Leistungsprozesse.464 3.2.2
Strategisches Management vor dem Hintergrund der Kompetenzorientierung
Mit der im vorherigen Abschnitt dargestellten kompetenzorientierten Neuausrichtung des Resource-based Views ergibt sich für das strategische Management eine modifizierte Problemstellung. Diese sollen im Folgenden kurz allgemein dargestellt werden. Im Kern geht es dabei um die Frage, welche Einflussfaktoren auf die Entstehung strategisch bedeutsamer Kompetenzen (Kernkompetenzen) im Unternehmen wirken und welche grundsätzlichen Aufgaben sich daraus für das strategische Management ergeben. Neben einer kurzen Kennzeichnung des Begriffes der Kernkompetenz umfassen die folgenden Ausführungen das Metakompetenzkonstrukt als wesentliche Einflussgröße auf die Entwicklung von Kompetenzen sowie die allgemeine Kennzeichnung der im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung erforderlichen „stretch- und leverageAufgaben“ des strategischen Managements. Kompetenzen von besonderer strategischer Bedeutung werden häufig als Kernkompetenz bezeichnet.465 Kernkompetenzen sollen das Unternehmen in die Lage versetzen, Leistungen zu erzeugen, die die Anforderungen Fähigkeit zur Nutzenstiftung, NichtSubstituierbarkeit, Nicht-Imitierbarkeit und Unternehmensspezifität erfüllen und so zur Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile beitragen.466 Unternehmen weisen aus ressourcenorientierter Sicht üblicherweise ein spezifisches Kompetenzportfolio als Teilmenge ihrer Ressourcenausstattung auf. Aus dem (Kern-)Kompetenzportfolio der Unternehmung lassen sich die relevanten strategischen Geschäftsfelder ableiten, welche das Unternehmen mit der Fertigung von Kernprodukten467 bedient. Für das Unternehmen ist es wichtig, kontinuierlich und nachhaltig Kernkompetenzen zu generieren, da nur so seine langfristige Existenz sichergestellt werden kann. Das hierzu erforderliche Selbsterneuerungspotenzial und die notwendigen Kapazitäten zu
464 465 466
467
Vgl. Freiling, J./Gersch, M./Goeke, C. (2006a), S. 19; Antlitz, A. (1999), S. 138. Vgl. Thiele, M. (1997), S. 71; Rasche, C. (1994), S. 149. Vgl. die im Zusammenhang mit den grundlegenden Ausführungen zum Resource-based View formulierten Anforderungen in Abschnitt C 3.1 dieser Arbeit. Vgl. Prahalad, C.K./Hamel, G. (1990), S. 81.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
125
Erwerb und Entwicklung neuer Kernkompetenzen subsumiert RASCHE unter dem Begriff der Metakompetenz. 468 Sie ist für die strategische Unternehmensführung richtungsweisend, da sie entscheidenden Einfluss auf Anzahl, Art und Ausprägung zukünftiger Kernkompetenzen nimmt. Metakompetenz muss im strategischen Management daher gezielt aufgebaut und genutzt werden.469 Über die Einflussgrößen der Metakompetenz herrscht allerdings noch relativ wenig Klarheit, was diese Aufgabe des strategischen Managements erschwert.470 Zumindest über die Einflussnahme der Faktoren organisatorisches Lernen und Lernpotenzial, Innovationspotenzial, Know-How-Transferpotenzial sowie situative Rahmenbedingungen, Pfadabhängigkeiten und Aktivposten besteht in der Literatur eine gewisse Einigkeit. Nach Auffassung von RASCHE wirken diese Einflussgrößen wie folgt auf die Metakompetenz: Das organisatorisches Lernen und Lernpotenzial sind Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Fähigkeiten und Routinen und damit elementar für den Kompetenzerwerb. Organisatorisches Lernen ist als ein unternehmensweiter Such-, Entdeckungsund Erfahrungsprozess zu verstehen, in dessen Rahmen sowohl Individuen als auch Gruppen (z.B. Managementteams) ihre Wissensbestände, Fähigkeiten und Routinen anpassen, um wechselnden Umweltbedingungen zu begegnen. Das Innovationspotenzial bezeichnet die Fähigkeit der kreativen Kombination und Anwendung existierender Ressourcen bzw. Kompetenzen. Aus dieser Fähigkeit erwachsen neuartige Problemlösungen, die neue (Kern-)Kompetenzen begründen können. Solche kreativen Prozesse greifen einerseits auf das „bereits Gelernte“ zurück, andererseits entwickeln sie dieses weiter, wodurch neue Lernprozesse angeregt werden. Insofern steht das Innovationspotenzial in einem interdependenten Verhältnis zum Lernpotenzial. Als Fundament für Lern- und Innovationspotenzial spielt auch das sogenannte Knowhow-Transferpotenzial eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Metakompetenz. So ist es sowohl zum Aufbau als auch zur Weiterentwicklung von Kompetenzen erforderlich, in individuellen Fähigkeiten sowie organisationalen Routinen enthaltene Wis468 469 470
Vgl. Rasche, C. (1994), S. 159 ff. bzw. S. 214, S. 217 ff. Vgl. Zahn, E. (1995), S. 364 f.; Rasche, C. (1994), S. 159 ff. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Rasche, C. (1994), S. 173 ff.
126
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
sensbestandteile zu dekodieren und auf andere Zusammenhänge zu übertragen.471 Unter dem Know-How-Transferpotenzial werden alle dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Mittel subsumiert, die einen solchen „Wissenstransfer“ ermöglichen und begünstigen. Das beinhaltet einerseits immaterielle Faktoren wie z.B. soziale Netzwerke im Unternehmen, andererseits auch materielle Faktoren wie Informationsverarbeitungstechnologien. Situative Rahmenbedingungen bezeichnen Diskontinuitäten sozialer, wirtschaftlicher, technischer oder politischer Natur. Sie entziehen sich teilweise oder auch ganz der Einflussnahme durch das Unternehmen, können aber trotzdem für die zukünftige strategische Relevanz der bisher akkumulierten Kompetenzen entscheidend sein. Aus den situativen Rahmenbedingungen ergeben sich die Anforderungen an die Ausgestaltung und den Einsatz von Kompetenzen. Folgerichtig muss es zur dauerhaften Existenzsicherung zu einem dynamischen Gleichgewicht zwischen Umwelterfordernissen und Kernkompetenzen kommen, d.h., den stetigen Veränderungen der situativen Rahmenbedingungen müssen entsprechende kompetenzbezogene Anpassungsreaktionen folgen. Insofern sind die Rahmenbedingungen mit ausschlaggebend für die anzustrebende Art und Ausprägung der Metakompetenz. Des Weiteren gilt es zu berücksichtigen, dass vor allem solche Ressourcen zu Kernkompetenzen verdichtet werden können, die gewissermaßen evolutionär im Unternehmen entstehen. Insofern stellen die Entwicklungspfade der Ressourcen im Unternehmen eine weitere Einflussgröße der Metakompetenz dar. Pfadabhängigkeiten beruhen auf der kausalen Beziehung zwischen gegenwärtiger und zukünftiger Ressourcenausstattung.472 So determinieren u.a. das im Unternehmen vorhandene Wissen oder die bisher eingesetzten und verfügbaren Technologien die Entwicklungspotenziale von Kompetenzen sowohl in qualitativer bzw. inhaltlicher Hinsicht (welche Kompetenz kann in welcher Art und Weise weiterentwickelt werden) als auch unter quantitativen Aspekten (in welchem Ausmaß bzw. Umfang lässt sich eine Kompetenz entwickeln). Schlussendlich bedarf die Entwicklung von Kernkompetenzen auch sogenannter komplementärer Aktivposten, die in enger Verbindung mit den Pfadabhängigkeiten stehen. 471
472
Dieser Aspekt der „Explizitmachung“ von implizitem Wissen wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch thematisiert werden. Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt C 3.4.3 dieser Arbeit. Vgl. hierzu grundlegend Dierickx, I./Cool, K. (1989), S. 1504 ff., die diese Beziehung im Wesentlichen auf die Unvollkommenheit der Faktormärkte zurückführen.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
127
Sie umfassen sämtliche Arten von Ressourcen, die mit den zu entwickelnden Kernkompetenzen synergetisch verzahnt sind, d.h., bei ihrer kombinierten Anwendung die Kernkompetenz aufwerten oder durch sie aufgewertet werden. Komplementäre Aktivposten markieren in Verbindung mit den zuvor diskutierten Faktoren den Rahmen für eine möglichst optimale Ausschöpfung bzw. Fortentwicklung von Kernkompetenzen und besitzen auch einen gewissen restriktiven Charakter. 473 Solche strategischen Optionen, bei denen die Kernkompetenzentwicklung an möglichst vielen bereits vorhandenen Aktivposten ansetzt bzw. auf sie zurückgreift, sind für das Unternehmen attraktiver als solche, bei denen weniger bzw. im Extremfall überhaupt keine komplementären Aktivposten im Unternehmen genutzt werden, da mehr Synergien entstehen. Das strategische Management muss diese Einflussfaktoren bei seinen Entscheidungen zur Kernkompetenzentwicklung berücksichtigen bzw. ausnutzen und teilweise auch selbst gestalten. Die zur Kompetenzentwicklung vom strategischen Management vor diesem Hintergrund wahrzunehmenden Aufgaben werden in der Literatur teilweise als kompetenzbezogene „stretch und leverage“-Aktivitäten umschrieben.474 „Stretch“ meint die Erzeugung einer kreativen Spannungssituation, um so die kontinuierliche Lern- und Innovationsbereitschaft zu fördern.475 Dazu werden vom Management Ziele vorgegeben, die mit dem vorhandenen Kompetenzportfolio nicht zu realisieren sind. So soll die (Weiter-)Entwicklung spezifischer Fähigkeiten und Routinen forciert werden, indem die verantwortlichen Akteure zur kritischen Reflektion ihrer bisherigen Vorgehensweise angeregt werden, um daraus innovative Problemlösungen abzuleiten. Sofern dies gelingt, trägt die kontinuierliche Aufrechterhaltung eines solchen Spannungsfeldes durch das strategische Management zur langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit bei. „Leverage“ dagegen bezeichnet die Steigerung des Nutzenpotenzials des vorhandenen Kompetenz- und Ressourcenportfolios durch eine zweckmäßige Ressourcenallokation bzw. einen innovativen Ressourceneinsatz. Dies wird u.a. dadurch erreicht, dass die erfolgreich aufgebauten Kernkompetenzen durch eine ihren ursprünglichen Einsatzbe473 474
475
Aus diesem Umstand rührt auch die zuvor konstatierte Verbindung zu den Pfadabhängigkeiten her. Vgl. zu den folgenden zu „stretch“ und „leverage“ Ausführungen Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 166; Prahalad, C.K./Hamel, G. (1993), S. 75 ff. Vgl. Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 166; Prahalad, C.K./Hamel, G. (1990), S. 79 ff.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
reich überschreitende Nutzung vielfältig einsetzbar gemacht werden und so ihr wertstiftender Beitrag für das gesamte Unternehmen erhöht wird.476 Dazu muss das strategische Management eine Reihe von Entscheidungen zur Ressourcenkonzentration, akkumulierung und -schonung bzw. Ressourcenerhaltung sowie zur Nutzung von Synergiepotenzialen treffen.477 Zusammenfassend ergeben sich aus der Kompetenzorientierung andere Akzente für das strategische Management. Metakompetenz und Maßnahmen zur Kernkompetenzentwicklung rücken in den Fokus. Dies gilt für das strategische Management unabhängig von der im Unternehmen vorliegenden Organisationsform und ist daher auch auf das strategische Prozessmanagement übertragbar, weswegen die hier dargelegten Zusammenhänge auch die Grundlage für die Erörterung des ressourcenorientierten strategischen Prozessmanagements im weiteren Verlauf dieses Kapitels bilden sollen. Die hier dargestellten grundlegenden Aspekte sollen im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit zur theoretischen Fundierung von strategischem Prozessmanagement noch ergänzt bzw. verfeinert werden. Das im nächsten Abschnitt vorgestellte Konzept der dynamic und organizational capabilities vertieft die bisher erörterten Aspekte und ist wie spätere Ausführungen noch zeigen werden, explizit mit dem Prozessgedanken verknüpft.478 3.2.3
Dynamic capabilities und organisationale Fähigkeiten im Kontext des strategischen Managements
Das Konzept der dynamic capabilities ist eine Ergänzung der vorgestellten ressourcenund kompetenzorientierten Ansätze.479 Hintergrund seiner Entwicklung war die zunehmende Dynamisierung der Unternehmensumwelt, der mit einer Dynamisierung in der Strategieperspektive begegnet werden sollte: „As product life cycles accelerate, dominating existing product segments becomes less important than being able to create new products and exploit them quickly. Meanwhile, as globalization breaks down barriers between national and regional markets competitors are multiplying and reducing the value of national market share. In this
476 477
478 479
Vgl. Thiele, M. (1997), S. 101. Vgl. für eine detailliertere Kennzeichnung des „leveragings“ von Ressourcen die Ausführungen bei Prahalad, C.K./Hamel, G. (1993), S. 78 ff. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.3.2 dieser Arbeit. Vgl. Thiele, M. (1997), S.91; Rasche, C. (1994), S. 163 ff.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
129
more dynamic business enviroment strategy has to become correspondingly more dynamic.”480 Im Kern geht es bei dem Konzept um die Nutzung unternehmensspezifischer Kompetenzfelder zur Entwicklung und Bewahrung dauerhafter Wettbewerbsvorteile.481 Als dynamic capabilities werden die Fähigkeiten zur Entwicklung neuer Formen von Kompetenzen verstanden. TEECE et al definieren dynamic capabilities „as the firm’s ability to integrate, build and reconfigure internal and external competences to address rapidly to changing enviroments. Dynamic capabilities thus reflect an organization’s ability to achieve new and innovative forms of competitive advantage given path dependencies and market positions.”482 Entsprechend weist das Konzept der dynamic capabilities Parallelen zu dem von RASCHE verwendeten Metakompetenzkonstrukt auf, da es auch auf das Lern- und Selbsterneuerungspotenzial der Unternehmung abzielt.483 Dynamic capabilities dienen der kontinuierlichen Ausbildung strategischer Wettbewerbsvorteile und damit der laufenden Anpassung an ein dynamisches Wettbewerbsumfeld.484 Durch die Bezeichnung dynamic capabilities werden zwei wichtige Aspekte impliziert: „the term ‚dynamic‘ refers to the capacity to renew competences so as to achieve congruence with the changing business environment […]. The term ‚capabilities‘ emphasizes the key role of strategic management in appropriately adapting, integrating, and reconfiguring internal and external skills, resources, and functional competences to match the requirements of a changing environment.”485 Somit geht es um zum einen um die betont stetige Erneuerung von Kompetenzen, zum anderen um die explizite Verantwortlichkeit der strategischen Managements, welches die Fähigkeiten zur Adaption, Integration und Rekonfiguration besitzen muss.
480 481 482 483
484 485
Stalk, G./Evans, P./Shulman, L.E. (1992), S. 63. Vgl. Teece, D.J./Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 509 ff. Teece, D.J./Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 516. Vgl. Rasche, C. (1994), S. 159 ff. bzw. die Ausführungen im vorhergehenden Abschnitt dieser Arbeit. Rasches Metakompetenzkonstrukt beinhaltet darüber hinaus auch die die Organisationsstruktur betreffenden Aspekte, die im weiteren Verlauf unter dem Begriff organizational capability gesondert betrachtet werden. In Abgrenzung zu den dynamic capabilities soll Metakompetenz daher in dieser Arbeit als Oberbegriff verstanden werden, der sowohl dynamic als auch organizatonal capabilities umfasst. Vgl. hierzu sowie den folgenden Aspekten Teece, D.J./Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 515. Teece, D.J./Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 515.
130
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Damit ändert sich der strategische Blickwinkel:486 Prägten im „klassischen Resourcebased View“ unterschiedliche, zur jeweiligen Ressourcenaustattung des Unternehmens passende Märkte und Kundenbedürfnisse die Strategieinhalte („What is our business?“), so rückt nun die Frage in den Vordergrund, wie durch Weiterentwicklung der eigenen Ressourcen auch zukünftige Bedürfnisse von potenziellen Kunden befriedigt werden können und sich so nachhaltig neue Märkte erschließen lassen („What business are we capable of doing?“). Dynamic capabilities sind nicht kurzfristig erwerbbar, sondern müssen über einen längeren Zeitraum aufgebaut werden: “From the capabilities perspective, strategy involves choosing among and committing to long-term paths or trajectories of competence development.“487 Der bereits zuvor in Verbindung mit dem Metakompetenzkonstrukt angesprochene deterministische Zusammenhang zwischen gegenwärtiger und zukünftiger Position lässt sich anhand des „basic framework for dynamic synergy“ von ITAMI/ROEHL nachvollziehen (vgl. Abbildung 20).488 So beeinflussen sich gegenwärtige Ressourcenbasis und aktuelle Produkt-Markt Strategien wechselseitig. Die Strategieformulierung unterliegt ressourcenbezogener Beschränkungen. Entsprechend muss die Ressourcenbasis im Zuge der Strategieformulierung überprüft werden. Sollten Abweichungen zwischen vorhandenen und benötigten Ressourcen identifiziert werden, sind neue Ressourcen aufzubauen. Bei der Implementierung und Umsetzung von Strategien werden die „täglich“ benötigten operativen Ressourcen erworben und akkumuliert, die in Kombination mit vorhandenen und strategisch aufgebauten Ressourcen die zukünftige Ressourcenbasis begründen. Zukünftige Strategien lassen sich aus der zukünftigen Ressourcenbasis ableiten und sind aufgrund der interdependenten Beziehung gleichzeitig Mittel zur Beeinflussung bzw. Veränderung der Ressourcenbasis.
486 487 488
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 174 f. Vgl. Teece, D.J./Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 529. Vgl. zu den folgenden Aspekten Itami, H./Roehl, T.W. (1987), S. 125 ff.; Thiele, M. (1997), S. 95 f.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
131
Present asset stock
Current strategy Product/market operations
Asset accumulation strategy
Implementation strategy
Asset accumulation through daily operations
concurrent actions Future asset stock
causality
Future strategy
Abbildung 20: Zusammenhang zwischen gegenwärtiger und zukünftiger Ausrichtung des Unternehmens489
Insgesamt unterliegen dynamic capabilities nicht nur relativ eng gefassten technischen, sondern auch verhaltensbedingten Restriktionen während ihrer trajektorischen Entwicklung.490 Folgerichtig kommt der Organisationsstruktur und den organisationalen Fähigkeiten (organizational capabilities) im Konzept der dynamic capabilities eine große Bedeutung zu.491
489 490 491
Itami, H./Roehl, T.W. (1987), S. 129. Vgl. zur trajektorischen Entwicklung von Ressourcen allgemein Dierickx, I./Cool, K. (1989), S. 1506 f. Teece et al konstatieren in diesem Zusammenhang: „Hence organizational processes, shaped by the firm‘s asset positions and molded by its evolutionary and co-evolutionary paths, explain the essence of the firm’s dynamic capabilities and its competitive advantage.” Vgl. Teece, D. J./Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 518.
132
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
„…organizational capability is a business’s ability to establish internal structures and processes that influence its members to create organization-specific competencies and thus enable the business to adapt to changing customer and strategic needs.”492 Organisationsstrukturen dienen nicht nur als reine Plattformen zur Implementierung zuvor festgelegter Strategien, sondern auch der Generierung von Wettbewerbsvorteilen und der Entwicklung der damit verbundenen Strategien.493 D.h., die Entwicklung von Ressourcen, wobei hier primär Kernkompetenzen gemeint sind, wird zu einer Aufgabe, die auch von der Organisation als Teilfunktion der Unternehmensführung wahrzunehmen ist. Somit avanciert die Organisationsstruktur zu einer erfolgsentscheidenden Variable und ist eine zunehmend wichtige Gestaltungsgröße für das strategische Management. Entscheidend ist für die Unternehmensführung die Fragestellung, wie Organisationsstrukturen konkret ausgestaltet sein müssen, um die stetige Entwicklung von Kernkompetenz zu forcieren. Grundsätzlich wichtig sind in diesem Zusammenhang sowohl die Integration und Entwicklung individuellen Wissens und individueller Fähigkeiten als auch eine Organisationskultur, die die Förderung von Teamarbeit und die Nutzung bereichsübergreifender bzw. unternehmensweiter Synergien ermöglicht.494 3.3
Zur Verbindung zwischen Kompetenz und Prozessen
In diesem Abschnitt gilt es, die Prozessorientierung in das strategische Konzept des Resource-based Views zu integrieren. Anhand des ressourcenorientierten Ansatzes können Handlungsempfehlungen für das (strategische) Prozessmanagement formuliert werden. Der Resource-based View fungiert mithin als weiterer Baustein des theoretischen Fundamentes der Arbeit, sowohl hinsichtlich des strategischen Prozessmanagements als auch bezüglich der im nächsten Kapitel entwickelten strategischen Prozesscontrolling-Konzeption. Die Klärung der Verbindung zwischen Kompetenzen und der Prozessorientierung soll unter verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen:
492 493 494
Ulrich, D./Lake, D. (1990), S. 40. Vgl. Osterloh, M./Frost, J. (2003), S.179. Ähnlich auch Windsperger, J. (2001), S. 158. Vgl. Thiele, M. (1997), S. 99 sowie Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 183. Diese stellen diesbezüglich fest: “Für die Generierung von Innovationen […] müssen Organisationen als Horte des systematischen Wissenserwerbs ausgestaltet sein, damit die Entwicklung unternehmensspezifischer Fähigkeiten und Kompetenzen möglich wird.“
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
133
1. Erörterung der grundlegenden Beziehung zwischen Kompetenzen und Prozessen: So sind Kompetenzen im Sinne der oben gewählten Definition, sowohl die Voraussetzung für die als auch das Ergebnis der betrieblichen Prozessabwicklung. 2. Klärung der Frage, inwiefern die Prozessorientierung bzw. die Prozessorganisation bei der Pflege, Entwicklung und Nutzung von Kernkompetenzen zum Tragen kommen und welche Aufgaben und Lösungsmöglichkeiten für das strategische Prozessmanagement relevant sind. Beide Aspekte werden nachfolgend diskutiert und auf ihre Implikationen für das strategische Prozessmanagement hin untersucht. 3.3.1
Die Beziehung zwischen Kompetenzen und Prozessen
Es besteht eine enge, wechselseitige Beziehung zwischen dem in Abschnitt B 1.2.1 geprägten Prozessbegriff und der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung von Kompetenz. AMIT/SCHOEMAKER bspw. konstatieren, dass sich Kompetenzen auf die Fähigkeit eines Unternehmens beziehen, Ressourcen in Prozessen zielgerichtet einzusetzen und zu kombinieren.495 Demnach wären Kompetenzen eine Voraussetzung für die Abwicklung von Prozessen. Diese Sichtweise lässt sich durch die Erkenntnisse aus Abschnitt C 3.2.1 untermauern und präzisieren. Kompetenz, so wurde dort herausgearbeitet, stellt das Resultat der Integration unterschiedlicher Ressourcenarten dar, welches Unternehmen zur Leistungserstellung bzw. zur Verrichtung bestimmter Aufgaben befähigt.496 Die Eignung zur Aufgabenbewältigung erwächst, auch das wurde bereits erörtert, aus dem Zusammenspiel physischer Ressourcen mit dem individuellen Wissen der involvierten Personen und koordinierendem und motivierendem Führungswissen, welche als Bausteine von Kompetenzen identifiziert wurden.497 Kompetenzen stellen die „Menge aller zielgerichteter Aktivitäten dar, die eine Organisation […] ausführen kann.“498 Aktivitäten wiederum sind Bestandteile von Geschäftsprozessen bzw. können je nach Aggregationsniveau der Betrachtung mit diesen gleichgesetzt
495 496 497
498
Vgl. Amit, R./Schoemaker, P. (1993), S. 35. Vgl. z.B. Zahn, E./Foschiani, S./Tilebein, M. (2000), S. 58; bzw. die Charakterisierung von Kompetenzen als Handlungspotenziale einer Unternehmung in Abschnitt C 3.2.1. Vgl. Die Ausführungen in Abschnitt C 3.2.1 sowie Antliz, A. (1999), S.182; Rasche, C. (1994), S.149; Mikus, B. (2003), S. 222; ähnlich auch Teece, D.J./Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 516; Amit, R./Shoemaker, P. J.H. (1993), S. 35. Antlitz, A. (1999), S. 182.
134
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
werden.499 Das bedeutet, dass hinter den Prozessen eines Unternehmens korrespondierende Kompetenzen stehen. Somit beziehen sich auch die von ANTLITZ identifizierten Wissenskomponenten innerhalb seines Kompetenzkonstrukts auf prozessbezogenes Wissen (Vgl. Abbildung 21).500
Führungswissen
Prozesse
Physische Ressourcen
Ausführungswissen
Abbildung 21: Kompetenzmodell - Prozesse als Bezugsobjekt von Kompetenz501
Auch andere Autoren stützen diese Sichtweise. So subsumieren KRÜGER/HOMP beispielsweise unter dem Begriff der Basiskompetenz die Fähigkeit der Beherrschung von Führungs-, operativen und Unterstützungsprozessen im Unternehmen.502 REIß/BECK sprechen in etwas anderem Zusammenhang explizit von Prozesskompetenzen, welche sich auf die Beherrschung (funktions-)übergreifender Unternehmensprozesse richten und von funktionsbereichsbezogenen Fachkompetenzen und umfeldorientierten Interaktionskompetenzen abzugrenzen sind.503 FREILING/GERSCH/GOEKE wiederum betrachten Kompetenzen als den Geschäftsprozessen kausal vorrausgehende Größen, „die zielgerichtete Prozesse sowohl im Rahmen der Disposition zukünftiger Leistungsbereitschaft als auch konkreter Marktzufuhr- und Marktprozesse ermöglichen.“504
499
500
501 502 503 504
Vgl. die in dieser Arbeit zugrundegelegte Definition von Prozessen von Hammer, M./Champy, J. (2003), S. 52. Vgl. auch Reiß, M./Beck, T.C. (1995), S. 36. Diese Erkenntnis wird im Zusammenhang mit dem Wissensmanagement als Aspekt des strategischen Prozessmanagements noch von Bedeutung sein. In Anlehnung an Antlitz, A. (1999), S. 182. Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 41 ff. Vgl. Reiß, M./Beck, T. C. (1995), S. 38 f: Steinle, C./Bruch, H./Nasner, N. (1997), S. 3 f. Vgl. Freiling, J./Gersch, M./Goeke, C. (2006a), S. 19 f.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
135
Allerdings sind Kompetenzen, auch das wurde zuvor schon angedeutet, nicht nur die Voraussetzungen für die Prozessabwicklung. Sie werden vielmehr auch in ihrer Entwicklung stark durch die im Unternehmen ablaufenden Geschäftsprozesse beeinflusst. So kann bspw. die Generierung von anwendungsbezogenem Wissen als Kompetenzbestandteil nur in enger Verbindung mit den konkret im Unternehmen ablaufenden Prozessen erfolgen. RASCHE betont bei der Prägung seines Kompetenzbegriffes ausdrücklich die Interaktionsmuster von Fähigkeiten, Routinen und Aktivposten als Ursprung der Entstehung von Kompetenzen.505 Diese Interaktion findet innerhalb der Geschäftsprozesse im Rahmen der zielgerichteten Transformation von Ressourcen in entsprechende Leistungen statt. Die im Vorfeld durch das Prozessmanagement klar definierten Prozessabläufe sollen idealtypisch die zugrundeliegenden Muster für die Integration von Fähigkeiten, Routinen und Aktivposten darstellen. Insbesondere individuelle Fähigkeiten sowie organisationale Routinen entwickeln sich insbesondere durch Anwendung bei der Prozessabwicklung,506 sodass man vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Erlernen respektive die Akkumulation von Fähigkeiten und Routinen eine Grundvoraussetzung für den Kompetenzerwerb darstellt,507 folgern kann, dass Prozesse der Ursprung der Entwicklung von Kompetenzen sind. Ähnlich argumentieren auch TEECE/PISANO/SHUEN, nach deren Auffassung Kompetenz entsteht, „when firm-specific assets are assembled in integrated clusters spanning individuals and groups so that they enable distinctive activities to be performed.”508 Abbildung 22 verdeutlicht diesen Zusammenhang: Die Geschäftsprozesse greifen auf die Unternehmensressourcen (Aktiva, individuelle Fähigkeiten und Routinen) zurück, tragen allerdings auch zur Entstehung von Ressourcen, insbesondere von individuellen Fähigkeiten509 und Routinen bei. Die Entwicklung von Kompetenzen resultiert aus der ziel- und zweckgerichteten Bündelung bzw. Integration der Ressourcen.510 Somit sind die Unternehmensprozesse die Verbindung von Ressourcenpotenzialen und realisierter Leistung. 505 506
507 508 509 510
Vgl. Rasche, C. (1994), S. 149. So werden individuelle Fähigkeiten im Rahmen der Prozessabwicklung „durch Erfahrungen, Lerneffekte und Erfolge zur Entfaltung gebracht.“ (Gaitanides, M. (2007), S. 137). Diese Fähigkeiten könnten sich durch bei repetitiver Anwendung innerhalb der Prozesse in den überindividuellen organisationalen Routinen niederschlagen und diese maßgeblich prägen. Vgl. Rasche, C. (1994), S. 97 f. Vgl. Rasche, C. (1994), S. 173. Teece, D.J/Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 516. Vgl. Amit, R./Schoemaker, P.J.H. (1997), S. 35. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 140; Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 306.
136
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
A
F
Prozess
A zweckgerichtete Ressourcenbündelung
Entwicklung
F Kompetenz
R
R
Abbildung 22: Prozesse als Ursprung der Kompetenzentstehung
Auch das zuvor in Abbildung 18 skizzierte Kompetenzkonstrukt ist entsprechend interpretierbar: Demnach können Kompetenzen aus Aktivitäten bzw. Prozessen und physischen Ressourcen erwachsen. Wichtig sind dabei das Vorhandensein und die Anwendung entsprechenden Führungs- und Ausführungswissens im Rahmen einer koordinierten Ressourcenintegration. Als Fazit lässt sich für das (strategische) Prozessmanagement das Folgende festhalten: Grundsätzlich besteht für das Management einerseits die Möglichkeit, Prozesse über das Kompetenzkonstrukt zu steuern und zu gestalten. So lassen sich z.B. Prozessabläufe optimieren, indem durch Schulungsmaßnahmen die individuellen Fähigkeiten der Mitarbeiter verbessert werden. Andererseits kann über die Konfiguration der Prozesslandschaft gezielt Einfluss auf die (Kern-)Kompetenzentwicklung im Unternehmen genommen werden. Managementobjekte in der strategischen Dimension sind die Kernkompetenzen konstituierenden Prozesse, sie stellen dementsprechend die Kernprozesse des Unternehmens aus einer ressourcenorientierten Perspektive dar.511 3.3.2
Die Prozessorientierung als Grundlage von dynamic capabilities
Im Hinblick auf die langfristige Existenzsicherung ist, wie schon erörtert wurde, vor allem die Entwicklung neuer Kernkompetenzen erforderlich. Im Zusammenhang mit dem Konzept der dynamic capabilities wurde insbesondere die Dynamisierung der Kompetenzschaffung postuliert und als Schwerpunkt des strategischen Managements 511
Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 83.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
137
betrachtet. Um vor diesem Hintergrund die Bedeutung des Prozessmanagements im Kontext eines ressourcenorientierten strategischen Managements auf einer theoretischen Ebene darzulegen, muss nun das Konzept der dynamic capabilities mit dem der Prozessorientierung verknüpft werden. Dynamic capabilities wurden in Abschnitt C 3.2.2 als Fähigkeit des Unternehmens zur nachhaltigen, im Hinblick auf die Generierung von Wettbewerbsvorteilen zielführenden Ressourcenintegration gekennzeichnet. Ihrer Entstehung und Nutzung liegt eine Reihe verschiedener Faktoren zugrunde, welche sich nach TEECE/PISANO/SHUEN den Kategorien aktuelle Unternehmensposition („positions“), Entwicklungspfade („paths“) sowie Prozesse („organizational and managerial processes“) zuordnen lassen.512 Die aktuelle Unternehmensposition umfasst einerseits die Ausstattung mit physischen Ressourcen und Finanzmitteln, andererseits immaterielle Faktoren wie Reputation, gegenwärtige Position im Markt bzw. der Unternehmensumwelt sowie vertikale, horizontale und laterale Integrationsgrade. Die Kategorie Entwicklungspfade bezieht sich auf die Tatsache, dass unternehmenshistorisch bedingte Abhängigkeiten bestehen, die die zukünftige Unternehmensentwicklung prägen.513 Entsprechend beinhaltet sie Faktoren wie z.B. bisherige Forschungs- und Entwicklungsarbeit oder bereits getätigte Investitionen in bestimmte Geschäftsfelder. Der Beitrag, den die aktuelle Unternehmensposition und die Entwicklungspfade zur Entstehung von dynamic capabilities leisten, wurde schon im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Metakompetenz beschrieben.514 Hinsichtlich des Einflusses von Prozessen auf die dynamic capabilities lässt sich wie folgt argumentieren: Im vorherigen Abschnitt wurden Prozesse u.a. als Ort der Kompetenzentstehung charakterisiert. Damit sind sie für ein ressourcen- bzw. kompetenzorientiertes strategisches Management die maßgebliche Quelle für Wettbewerbsvortei-
512 513 514
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Teece, D.J./Pisano,G./Shuen, A. (1997), S. 518 ff.; ähnlich auch Thiele, M. (1997), S. 95 f. Vgl. hierzu auch Abschnitt C 3.2.2 dieser Arbeit Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.2.2 dieser Arbeit. Die Unterschiede zwischen den Argumentationen in beiden Abschnitten sind primär terminologischer Natur und beruhen auf unterschiedlichen Systematisierungen der Einflussfaktoren auf Metakompetenzen bzw. dynamic capabilities.
138
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
le.515 Insofern muss sich das von ihnen postulierte Konzept der dynamic capabilities mit der Prozessorientierung verknüpfen lassen. Dynamic capabilities müssen also in den Prozessen verortet sein bzw. mit ihnen in kausaler Verbindung stehen. Prozesse fungieren als Transformatoren vom Erfolgspotenzial zum Wettbewerbsvorteil, indem innerhalb der Prozessabläufe Ressourcenpotenziale organisiert, zielführend zusammengeführt und zur Leistungserstellung genutzt werden.516 Dabei werden, wie bereits ausgeführt wurde, Kenkompetenzen sowohl genutzt als auch weiterentwickelt. Folglich manifestieren sich dynamic capabilities einerseits in Form der in Kernkompetenzen entwickelnden Prozessabläufen Integrationsfähigkeit von individuellen Fähigkeiten, Routinen und physischen Ressourcen. Andererseits entwickeln sie sich aufgrund der im Laufe der Prozessabwicklung gemachten Erfahrungen zur zweckmäßigen Ressourcenintegration und den daraus abgeleiteten Innovationspotenzialen weiter.517 Es lässt sich vor diesem Hintergrund, wie auch bereits im Zusammenhang mit dem Kompetenzkonstrukt erörtert wurde, eine interdependente Beziehung zwischen Prozessen und dynamic capabilities konstatieren. Aus der Sicht des strategischen Prozessmanagements ist vor allem die Frage interessant, welche konkrete Rolle Prozesse bei der Entstehung von dynamic capabilities spielen. TEECE/PISANO/SHUEN zufolge sind die Unternehmensprozesse für das Konzept der dynamic capabilities v.a. unter drei Gesichtspunkten bedeutsam:518 1. Koordination und Integration: Durch zweckmäßige Ressourcenbündelung bzw. kombina-tion innerhalb der Unternehmensprozesse können neue Kernkompetenzen entwickelt werden. In welchem Ausmaß bzw. mit wie viel Erfolg ein Unternehmen dies bewerkstelligen kann, hängt nicht nur von den Fähigkeiten des Managements zur zielgerichteten Ressourcenintegration ab. Vielmehr existieren innerhalb der Unternehmensprozesse implizite Handlungs- und Entscheidungsmuster, nach denen der Einsatz verschiedener Ressourcen im Prozessablauf abgestimmt wird (koordinative Routinen) und die untrennbar mit Prozessbestandteilen, wie etwa den konkreten Arbeitsschritten oder den Fähigkeiten der Mitarbeiter verbunden sind.
515 516 517 518
Vgl. Teece, D.J./Pisano,G./Shuen, A. (1997), S. 518. Vgl. zur Transformationsfunktion von Prozessen grds. Treichler, C./Schmidt, S. (1996), S. 136 ff. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 138 f. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Teece, D. J./Pisano, G./Shuen, A. (1997), S. 518 ff.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
139
Solche koordinativen Routinen sind maßgeblich für eine erfolgreiche Ressourcenintegration. Sie determinieren Art und Umfang der in den Prozessabläufen zusammengeführten Ressourcen sowie den Modus und die Ausgestaltung der Ressourcenintegration. Die Innovations- und Entwicklungsmöglichkeiten unternehmenseigener Kernkompetenzen sind damit von den koordinativen Routinen abhängig. Sollen etwa innovative Technologien zum Einsatz kommen, muss sichergestellt werden, dass die existierenden koordinativen Routinen innerhalb der betroffenen Prozesse geeignet sind, diese auch mit den anderen Ressourcen abzustimmen. Ist dies nicht der Fall, ist die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gefährdet: Sind die koordinativen Routinen der Prozesse nicht flexibel genug, lassen sich solche Innovationen oftmals nur im Rahmen großer Umstrukturierungsmaßnahmen realisieren. Damit ist oftmals das Problem einer gewissen Trägheit in Bezug auf die Anpassung an Umweltentwicklungen sowie die Weiterentwicklung der (technologische) Innovationsfähigkeit gegeben und Kernkompetenzen könnten unter Umständen nicht schnell genug (neu-)entwickelt werden. Entsprechend obliegt es dem Management, die Prozesse so zu gestalten, dass zur Kompetenzentwicklung geeignete Koordinationsmuster erhalten bleiben, genutzt und idealerweise weiterentwickelt werden können. 2. Förderung bzw. Ermöglichung des organisationalen Lernens: Lernen beinhaltet die Entwicklung sowohl individueller Fähigkeiten als auch organisationaler Routinen, die sich u.a. durch Experimentieren und Wiederholung innerhalb der Unternehmensprozesse vollzieht und eine bessere und schnellere Aufgabenbewältigung ermöglicht. Die ablaufenden Lernprozesse sind soziale und kollektive Prozesse, die zum einen durch individuelle Nachahmung, zum anderen durch die Integration der diversen Lösungsansätze unterschiedlicher am Prozess Beteiligter ausgelöst werden. Das so entstehende organisationale Wissen ist in Verhaltensmustern bzw. Routinen verortet, d.h. eng mit den Prozessabläufen verbunden. Es repräsentiert die erfolgreiche Lösung spezifischer Probleme. Aus diesem Problemlösungspotenzial können Marktleistungen erwachsen und Wettbewerbsvorteile entstehen. 3. Rekonfiguration: In einer dynamischen, sich schnell verändernden Unternehmensumwelt ist die Fähigkeit zur ganzheitlichen Anpassung der Wertschöpfungskette an neue Bedingungen für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von elementarer Bedeutung. Inwiefern einer Unternehmung diese Transformation interner und externer Strukturen gelingt und zu welchen Kosten Veränderungen vollzogen werden können,
140
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
hängt von der Organisation ab. Die Fähigkeit zur Transformation selbst ist eine dynamic capability, die im Rahmen vorhergehender Transformationsprozesse erlernt wurde. Die Prozessorganisation ermöglicht es aufgrund ihres starken Kundenbezuges, Anpassungserfordernisse leichter zu erkennen, und erleichtert die Anpassungsvorgänge aufgrund ihrer dezentralen Struktur sowie der relativen Autonomie, die sie den Organisationseinheiten gewährt. Aufgrund dieser drei Aspekte ist die Prozessorganisation als Ganzes durchaus prädestiniert, Strukturen zu schaffen, die der nachhaltigen Entwicklung und Nutzung von Kernkompetenzen dienlich sind.519 Dynamic capabilities erwachsen innerhalb einer Prozessorganisation aus dem Zusammenspiel der drei Aspekte Koordination und Integration, Lernen sowie Rekonfiguration: Kompetenzen werden durch crossfunktionale Integration in Verbindung mit organisationalem Lernen aufgebaut,520 die starke Ausrichtung am Kundennutzen gewährleistet eine ständige Überprüfung der eigenen Leistung, sodass ggf. Anpassungen bzw. Neuausrichtungen im Rahmen der Rekonfiguration vorgenommen werden. Die Fähigkeiten, entsprechende Strukturen einer Prozessorganisation gestalten zu können, d.h. die korrespondierenden organizational capabilities sind immanente Bestandteile der Führungsprozesse. Sie müssen vom Management bewusst aufgebaut und kultiviert werden. 3.4
Strategisches Prozessmanagement aus ressourcenorientierter Perspektive
3.4.1
Der „Open System View“ als theoretische Basis des strategischen Prozessmanagements
Als theoretischer, ressourcenorientierter Bezugsrahmen für die Inhalte des strategischen (Prozess-)Managements soll der von SANCHEZ/HEENE propagierte „Open System View“ herangezogen werden.521 Demnach bilden Unternehmen aus der kompetenzorientierten Perspektive zielorientierte, offene Systeme tangibler und intangibler
519
520
521
Die im Zusammenhang mit den organisationalen Fähigkeiten in Abschnitt C 3.2.3 formulierte Frage nach der konkreten Ausgestaltung von Organisationsstrukturen ist somit zumindest teilweise beantwortet. Die Fähigkeit der Unternehmensführung zur prozessorientierten Unternehmensgestaltung ließe sich vor diesem Hintergund als eine organizational capability begreifen. Antlitz, A. (1999), S. 180 konstatiert: „Kompetenzen sind in der Regel keine Teilfunktion der Unternehmung, wie Entwicklung, Einkauf, Produktion, Vertrieb oder Finanzen, sondern crossfunktional.“ Vgl Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 303 ff.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
141
Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen.522 “As suggested by the system model […], the stocks and flows of a firm’s tangible and intangible assets are organized according to the firm’s strategic logic for achieving its goals and are coordinated by a firm’s management processes for building and leveraging competences.”523 Dem Open System View liegt die folgende Argumentation zugrunde: Das gesamte Handeln im Unternehmen wird von dem “gemeinsamen Verständnis darüber, wie die unternehmensindividuellen Ziele durch Verwendung verfügbarer Inputgüter, Ressourcen und Kompetenzen erreicht werden können“524, der sogenannten „Strategic Logic“525, geprägt. Die Lenkung der Ressourcenflüsse und -bestände erfolgt über Managementprozesse mit dem Ziel, eine marktgerechte Leistungserstellung gewährleisten zu können.526 Lenkungsobjekte sind die intangiblen und tangiblen Ressourcen sowie die operativen Leistungsprozesse der Unternehmung (vgl. Abbildung 23). In diesem Zusammenhang sind nicht nur die unternehmensinternen Ressourcen von Bedeutung, sondern auch die sog. „firm-addressable resources“. Dabei handelt es sich um prinzipiell externe Ressourcen, auf die das Unternehmen von Zeit zu Zeit, z.B. aufgrund strategischer Allianzen, zurückgreifen kann.527 Das Management sammelt und verarbeitet Daten über die Ressourcennutzung und Entwicklung innerhalb der Geschäftsprozesse sowie den daraus resultierenden Markterfolg. Diese Informationen ermöglichen die Koordination des Ressourceneinsatzes in den operativen Prozessen, beispielsweise über die Budgetierung, im Rahmen von Vorund Rückkopplungsschleifen. Dabei ist zu beachten, dass die relevanten Daten mit steigenden Abstraktionsgrad der Systemelemente, beginnend bei den Marktdaten bis hin zu den intangiblen Ressourcen (vgl. Abbildung 23), steigender kausaler Ambiguität unterliegen, somit schwieriger zu interpretieren sind und folglich Anpassungsreaktionen auf dynamische Entwicklungen unter Umständen erst stark verzögert realisiert werden können (vgl. linker Pfeil in Abbildung 23).528 Um diesem Umstand entgegen522 523 524 525 526 527 528
Vgl. zu den folgenden Aspekten Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 308 ff. Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 308. Freiling, J./Gersch, M./Goeke, C. (2006b), S. 63. Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 308. Vgl. Rose, P.M. (2000), S. 52. Vgl. Rose, P.M. (2000), S. 53. Vgl. Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 309; Rose, P.M. (2000), S. 53; die große Bedeutung von dynamic capabilities im ressourcenorientierten strategischen Management ist also auch an dieser Stelle nochmals zu betonen. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.2.2.
142
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
zuwirken, müssen Unternehmen strategische Flexibilität, d.h. die Fähigkeiten sowohl zur Anpassung der Erfolgspotenziale an veränderte Rahmenbedingungen als auch zur proaktiven Gestaltung derselben entwickeln.529 Dies kann beispielsweise über die Akquise entsprechend flexibel einsetzbarer Ressourcen (Ressourcenflexibilität) oder die Förderung der Koordinationsflexibilität des Managements erfolgen.530 Koordinationsflexibilität bezeichnet die Fähigkeit des Managements durch Neulenkung und Neukonfiguration flexibler Ressourcen neuartige Erfolgspotenziale zu erschließen und stellt somit einen Teilaspekt des Metakompetenzkonstruktes bzw. der dynamic capabilities des Unternehmens dar.531
529
530 531
Vgl. Rose, P.M. (2000), S. 58; ähnlich auch Rasche, C. (2000), S. 91, der in diesem Zusammenhang von Metaflexibilität spricht. Diese wiederum sei eine Funktion von Metakompetenzen bzw. im Verständnis dieser Arbeit von dynamic capabilities. Vgl. Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 309; Rose, P.M. (2000), S. 58. Vgl. Rose, P.M. (2000), S. 60 sowie die Ausführungen zu Metakompetenz und dynamic capabilities in den Abschnitten C 3.2.1 und 3.2.2 dieser Arbeit.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
143
Unternehmensumfeld Umweltanalyse, Benchmarking, Berater, neue Manager Grenzen der Unternehmung als offenes System
Strategische Denkhaltung Grundlagen der Zielerreichung
Managementprozesse
Entscheidungen, Budgets, Regeln, Prozeduren
Intangible Ressourcen Wissen, Rechte, Reputation
Daten
Tangible Ressourcen Physisches Vermögen
Daten
zugängliche externe Ressourcen
Daten
Firm addressable Resources
Ansteigende kausale Ambiguität und erhöhte Reaktionszeit
Koordination: Ressourcenerwerb und -entwicklung
Operative Prozesse Leistungserstellung und Ressourcenveredlung
Leistungsangebot Markt- und Erfolgsdaten
Absatzmarkt
Wettbewerber
Abbildung 23: Der "Open System View" als Rahmen für das strategische Management532
532
In Anlehnung an Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 309.
144
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Aus diesem in Abbildung 23 dargestellten theoretischen Bezugsrahmen kann die Rolle des strategischen Managements abgeleitet werden. In Abschnitt 3.2.1 wurde bereits kurz die Ideen des “stretch” und “leverage” als wichtigen Aspekten des kompetenzorientierten strategischen Managements angesprochen. Diesen Gesichtspunkt greifen auch SANCHEZ/HEENE in etwas modifizierter Form auf und formulieren ihrerseits die Aufgaben Competence leveraging und Competence buildings: “In competencebased competition, a fundamental aspect of the work of strategic managers is perceiving possibilities for building new competences and for new ways to leverage a firm’s existing competences.”533 In Verbindung mit dem in Abschnitt C 3.2.2 eingeführten Konstrukt der dynamic capabilities können Competence building und le-veraging als Maßnahmenbündel begriffen werden, die zum einen in ihrer Ausprägung und Wirkung abhängig sind von den vorhandenen dynamic capabilities, zum anderen diese jedoch auch im Zeitablauf gestalten können und sollten. Insofern unterstreicht auch der Open System View die Bedeutung einer dynamischen Kompetenzentwicklung zur nachhaltigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und stellt zudem explizit die Bedeutung der Führungsprozesse in diesem Zusammenhang heraus. Die Beziehung zwischen Competence building und leveraging ist in Abbildung 24, dem sog. „Virtuous Circle of Competence building and leveraging“534 dargestellt. Analog zu der in Anlehnung an GÄLWEILER festgestellten kausalen Beziehung zwischen Erfolgspotenzialen, Erfolg und Liquidität veranschaulicht der „Virtuous Cycle“ die grundlegenden Aspekte bzw. Kausalitäten einer kompetenzorientierten Unternehmensführung auf der Grundlage des Open System Views.535
533 534 535
Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 308. Vgl. Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 310. Insofern kann der „Virtuous Cycle“ als kompetenzorientierte Ableitung von Abbildung 11 interpretiert werden. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt C 1.1 dieser Arbeit.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
145
Competence Building Internal Cash Flows Creation of Strategic Options Exercise of Strategic Options Competence Leveraging
Abbildung 24: "Virtuous Cycle” of Competence building and leveraging536
Die durch Competence-building entwickelten „Strategic Options“ stellen die Vorsteuergrößen für den am Markt erzielten Erfolg dar. Der in Abschnitt C 1.1 beschriebenen Systematik folgend ist das Competence building als Aufbau von Erfolgspotenzialen zu interpretieren und damit dem strategischen Handlungshorizont zuzuordnen. Competence building-Maßnahmen beziehen sich auf die qualitative Entwicklung neuer organisationaler Kompetenz.537 Qualitativ meint hier die Entwicklung der Kompetenzen dergestalt, dass neue Handlungspotenziale entstehen und strategische Optionen für das Unternehmen erschlossen werden. In diesem Zusammenhang wird auch von „explorativer“ Kompetenzentwicklung gesprochen, die darauf abzielt, bisher noch nicht bediente, oftmals erst emergente Kundenbedürfnisse zu befriedigen.538 Dazu werden im Unternehmen finanzielle Mittel für die Personalförderung (Rekrutierung und Entwicklung von Humankapital), die Entwicklung neuer Technologien und die Etablierung neuer Managementprozesse aufgewendet. Neuartige Ressourcen und Fähigkeiten werden entweder extern akquiriert oder durch interne Lernprozesse und das Ausnutzen zugänglicher externer Ressourcen z.B. im Rahmen von Unternehmenskooperationen aufgebaut. Die so entstehenden strategischen Optionen bezeichnen die Möglichkeiten eines Unternehmens innovative Produkte entwickeln, produzieren und 536 537
538
In Anlehnung an Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 310. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Rose, P.M. (2000), S. 57 f.; Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 311. Vgl. Benner, M./Tushman, M. (2003), S. 243 f.
146
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
vermarkten zu können, um so Wettbewerbsvorteile dauerhaft zu erhalten bzw. zu erschließen. Diese strategischen Optionen müssen dann im Rahmen des Competence leveraging realisiert werden. „Leveraging is the process by which the firm exercises its existing strategic options to create and market products – and in so doing generates current cash flows.“539 Dieser auch als „Exploitation“ charakterisierte Vorgang beinhaltet die zweckmäßige Ressourcenallokation und -anwendung zur bedarfsgerechten Produktbzw. Leistungserstellung. Die Realisierung erfolgt auf der Leistungsebene und ist daher tendenziell dem operativen Handlungshorizont zuzuordnen, wobei jedoch auch im Rahmen des Competence leveraging strategisch relevante Entscheidungen zu treffen sind.540 Auch beim Competence-Leveraging kommt es zu einer gewissen Weiterentwicklung der Kompetenzen, allerdings in relativ eng gesetzten Grenzen. So ist es möglich, dass sich Effizienzsteigerungen bezüglich des Ressourceneinsatzes ergeben oder aufgrund der Interaktion mit den Kunden inkrementale Verbesserungen bei Bedürfnisbefriedigung erreicht werden können.541 Dies kann in einer fortlaufenden Festigung der Marktposition und der Schaffung von Eintrittsbarrieren resultieren. Die vor diesem Hintergrund durch die Vermarktung der Leistungen erzielte Cash flows können dann zur Unterstützung von sowohl Competence-building als auch -leveraging genutzt werden. Entsprechend sind die Cash-Flows Vorsteuergröße für das Competence-building, wodurch der „Virtuous Cycle“ geschlossen wird. Zusammenfassend stellt der Open System View einen im Resource-based View verwurzelten Ansatz dar, der die grundlegende ressourcenorientierte Argumentation verfeinert, indem ein differenzierterer Modellrahmen für das strategische Management bereitgestellt wird. Die grundsätzlichen allgemeinen sowie ressourcenorientierten Postulate für das strategische Management542 behalten weiterhin ihre Gültigkeit und werden präzisiert. Auch im Open System View spielt die ganzheitliche Koordination bzw. die Integration von verschiedenen Elementen bei der Kernkompetenzentwicklung eine 539 540
541 542
Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 310. Auf derartige Aspekte soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit im Zusammenhang mit den konkreten Aufgaben des strategischen Kompetenzmanagements noch eingegangen werden. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt C 3.4.2.2 dieser Arbeit. Vgl. Benner, M./Tushman, M. (2003), S. 243 f. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 1.1 und C 3.1 sowie die dort angegebenen Literaturquellen.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
147
große Rolle. Wie bereits zuvor im Zusammenhang mit der Erläuterung der grundlegenden Beziehung zwischen Kompetenzen und Prozessen angesprochen wurde, erfordert die Kompetenzentwicklung die gezielte Zusammenführung von Ressourcen in geeigneten Prozessabläufen. Im Modellrahmen des Open System Views fällt dem Management die Aufgabe zu, diesbezüglich die tangiblen, intangiblen Ressourcen und operativen Prozesse zu gestalten und aufeinander abzustimmen. Des Weiteren werden Geschäftsprozesse explizit in den Modellrahmen eingebaut, sodass der Open System View unmittelbar als Deduktionsbasis und theoretische Grundlage für die Fundierung von strategischem Prozessmanagement herangezogen werden kann. Die operativen Leistungsprozesse sind dabei das Bindeglied zwischen der unternehmensinternen Ressourcenbasis und dem Absatzmarkt.543 Für das strategische Prozessmanagement gilt es, diejenigen Prozesse zu identifizieren, die einen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung von Wettbewerbsvorteilen bspw. über die im Vergleich zu Wettbewerbern einzigartige Befriedigung von Kundenbedürfnissen leisten. In diesem Zusammenhang muss z.B. geklärt werden, welche Stärken bzw. Schwächen innerhalb der Prozessabläufe etwa in Bezug auf die Aktivitätenfolge oder die eingesetzten Ressourcen hinsichtlich der Entwicklung, Integration und Nutzung bestehen und welche Veränderungen notwendig sind. Kernprozesse sowie die in ihnen verankerten bzw. ihnen zugrundeliegenden Ressourcen und (Kern-)Kompetenzen müssen über Competence building und Competence leveraging entwickelt, gepflegt und genutzt werden. Auch gilt es, strukturelle Regelungen zu treffen, die v.a. auf die zweckmäßige Zusammenführung von Funktionen und Ressourcen in geeigneten Prozessen abzielen und die Grundlage bieten, die erstellten Leistungen den Kunden zuführen zu können.544 3.4.2
Kompetenzmanagement im Kontext des strategischen Prozessmanagements
3.4.2.1 Aufgaben und Funktionen des Kompetenzmanagements In den vorhergehenden Ausführungen wurde die nachhaltige Kernkompetenzentwicklung als strategischer Managementinhalt identifiziert. Ferner wurde aus der Verbin543 544
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 150 ff. Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 179 ff., die in diesem Zusammenhang die Gestaltung der Strukturbausteine Funktionen, Produkte, Prozesse und Geschäfte als Aufgaben des Prozessmanagements deklarieren.
148
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
dung zwischen Kompetenzen und Geschäftsprozessen die Notwendigkeit abgeleitet, Kompetenzmanagement als Teil des Prozessmanagements zu begreifen. Das (Kern-) Kompetenzmanagement als Aspekt der strategischen Unternehmensführung wird im Folgenden näher charakterisiert. Dabei sollen zunächst Teilfunktionen identifiziert werden, welche im Einzelnen vorgestellt und in ihrer Abfolge in einen Managementzyklus integriert werden. Nach THIELE beinhaltet das Kernkompetenzmanagement zum einen die Identifikation und Bewertung von Kernkompetenzen mittels diverser Analyse- bzw. Portfoliomethoden, zum anderen den Aufbau neuer Kompetenz über eigene Entwicklung, Austausch, Zukauf, Diversifikation, strategische Allianzen oder Kooperationen.545 Etwas differenzierter identifizieren STEINLE/BRUCH/NASNER vier Bausteine, aus denen sich ein Kernkompetenzmanagement zusammensetzt:546 Der erste Baustein ist die Identifikation von Kernkompetenzen. Identifikation meint eine Bestandsaufnahme, die eine systematische Erfassung und Bewertung des unternehmerischen Kompetenzportfolios beinhaltet. Daran knüpft mit der Entwicklung von vorhandenen, noch ausbaufähigen und neuen Kernkompetenzen der zweite Baustein an. Zur Entwicklung gehören eine Analyse von zukünftigen Umfeldentwicklungen, auf deren Basis zu prüfen ist, welche bislang noch nicht vorhandenen Kompetenzen zur zukünftigen Zielerreichung erforderlich sind, und die Festlegung von Lern- und Kompetenzakquisitionsstrategien. Anschließend muss eine möglichst optimierte Nutzung von Kernkompetenzen als dritter Baustein erfolgen. Diese beinhaltet eine hochgradig Kosten/Nutzen-effiziente Allokation von Ressourcen und die damit verbundene effiziente, d.h. hinsichtlich des Zusammenwirkens von Aktiva, Fähigkeiten und Routinen in den Prozessabläufen optimierte organisatorische Verankerung von Kompetenz in den Geschäftsaktivitäten auch im Hinblick auf eine mögliche Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten. Schlussendlich bedarf es auch des Schutzes der Kernkompetenzen. Dieser vierte Baustein des Kompetenzmanagements bezieht sich zum einen auf die Vermeidung von Erosionsprozessen, denen Kompetenzen u.a. im Hinblick auf die NichtNutzung oder die Abwanderung von qualifiziertem Fachpersonal unterliegen, zum anderen auf die Verhinderung von Imitation oder Substitution eigener Kernkompetenzen durch Konkurrenzunternehmen. 545 546
Vgl. Thiele, M. (1997), S. 77 ff. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Steinle, C./Bruch, H./Nasner, N. (1997), S. 4 ff.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
149
Eine ähnliche Systematisierung von Aufgaben im Kompetenzmanagement postulieren auch KRÜGER/HOMP, die in ihren Ausführungen zum „Zyklus des KernkompetenzManagements“547 teilweise analog zu STEINLE/BRUCH/NASNER die Aufgaben der Identifikation, der Entwicklung, der Integration, der Nutzung und des Transfers von Kernkompetenzen erörtern.548 Die Integration schließt sich in der Darstellung von KRÜGER/HOMP an die Entwicklung an, wobei jedoch darauf hingewiesen wird, dass sie nicht in eine feste Abfolge mit den anderen Aktivitäten des Zyklus eingeordnet wird. Im Rahmen der Integrationsfunktion steht neben der Identifizierung und dem Aufbau unternehmerischer Stärken eine gezielte Bündelung von Ressourcen im Vordergrund, um die Entwicklung, die Nutzung und den Transfer von Kernkompetenzen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern.549 Der Transfer von Kernkompetenzen bezieht sich auf eine mögliche Übertragung gegenwärtiger Kernkompetenzen auch in andere Verwendungszusammenhänge, um so durch die Erschließung neuer Kundengruppen nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu generieren.550 Die verschiedenen Führungsaufgaben im Kernkompetenzmanagement „bilden gemeinsam einen sich zyklisch wiederholenden Prozeß, in dem auch Gegenstromgedanken ihren Ausdruck finden.“551 Entlang des Kernkompetenz-Management-Zyklus vollziehen sich die typischen planenden, steuernden und regelnden Führungsaktivitäten (vgl. Abbildung 25).552
547 548
549
550
551 552
Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 92 ff. bzw. S. 100 ff. Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 92 ff. Die Ansätze von Krüger/Homp und Steinle/Bruch/Nasner weisen grundsätzlich eine große Ähnlichkeit auf, unterscheiden sich allerdings in einigen Nuancen. Während Steinle/Bruch/Nasner abstrahierend von Bausteinen des Kernkompetenz-Managements sprechen, bezeichnen Krüger/Homp diese konkret als Managementaufgaben. Darüber hinaus ordnen sie sie in einen Führungsprozess ein und weisen ihnen entlang der Phasen des Produktlebenszyklus variierende Prioritäten zu. Die Abgrenzung zwischen Entwicklungs- und Integrationsphase ist sicherlich nicht trennscharf. So ordnen Krüger/Homp sowohl der Entwicklung als auch der Integration Auf- und Umbaumaßnahmen zu. Ebenso werden Analysetätigkeiten bei Krüger/Homp der Integration zugeordnet, wohingegen Steinle/Bruch/Nasner diese der Entwicklung zuweisen. Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 92 bzw. S. 119 und Steinle, C./Bruch, H./Nasner, N. (1997), S. 5. In dieser Arbeit soll bezogen auf die Integration vor allem der Aspekt der zielführenden Ressourcenbündelung im Vordergrund stehen und als Abgrenzungskriterium zur Entwicklungsaufgabe fungieren. Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 92 und S. 125 ff. Dieser Aspekt der Übertragbarkeit von Kernkompetenzen fällt bei Steinle/Bruch/Nasner in den Bereich der Nutzung von Kernkompetenzen. Vgl. Steinle, C./Bruch, H./Nasner, N (1997), S. 5. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 92. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt B 2.1.1.
150
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Identifikation
Transfer
Entwicklung KernkompetenzManagementZyklus
Nutzung
Integration
Abbildung 25: Zyklus des Kernkompetenz-Managements553
Dieser Kernkompetenz-Management-Zyklus stellt einen pragmatischen Ansatz dar, der wesentliche Problemstellungen der Kernkompetenzentwicklung aufgreift und in ein Phasenmodell integriert. Kritisch ist jedoch anzumerken, dass die obige Darstellung der Kompetenzmanagementphasen zu einer gewissen Mischung von Führungsaufgaben und sachbezogenen Aspekten führt. So lassen sich insbesondere die Aktivitäten der Entwicklungs- und Nutzungsphase tendenziell eher der Ausführungsebene zuordnen. Zwar trifft das Management auch in diesen Phasen Entscheidungen bezüglich des zweckmäßigen Einsatzes von Kompetenzen, die eigentliche Entwicklung und Nutzung der Kernkompetenzen findet jedoch im Rahmen der Leistungserstellung und damit auf der Ausführungsebene statt. Identifikations- und Integrationsphase dagegen erfordern primär Führungshandeln, weil es bei ihnen darum geht, die Wirkungszusammenhänge der Kernkompetenzentwicklung zu planen, zu analysieren und Entscheidungen zur proaktiven Gestaltung der Kernkompetenzen zu treffen. In der Transferphase wiederum sind Führungs- und Ausführungshandeln gleichermaßen relevant, da Entwicklungspotenziale sowohl analysiert und geplant als auch im Leistungssystem realisiert werden müssen. 553
Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 93; Homp, C. (2000), S. 40.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
151
Einen weiteren Kritikpunkt an diesem Konzept stellt die Tatsache dar, dass Zielbildungs- und Kontrollfunktionen, von KRÜGER/HOMP der Identifikationsphase zugeordnet, gegenüber den dort ebenso verorteten Analysefunktionen eine tendenziell nachrangigen Charakter aufweisen.554 Das ist insofern problematisch, als dass Zielbildung und Kontrolle für das kybernetisches Führungsverständnis unerlässlich sind. Zielformulierung und Kontrolle sollten explizit in einen Kernkompetenzmanagementzyklus mit aufgenommen werden, um das Konzept zu einem Managementregelkreis in Anlehnung an den in Abschnitt B 2.1.1 vorgestellten allgemeinen Führungszyklus zu erweitern und somit als theoretisch fundierte Orientierung für das Prozessmanagement nutzbar zu machen. Im nächsten Abschnitt sollen diese Schwachstellen zumindest im Bezug auf das strategische Prozessmanagement behoben werden. Bei der folgenden Kennzeichnung des Kompetenzmanagements als Teil des strategischen Prozessmanagements werden die Aufgaben der Führung herausgearbeitet, sodass eine inhaltliche Abgrenzung gegenüber der Ausführungsebene in allen Phasen, insbesondere aber der Entwicklungs- und der Nutzungsphase, möglich ist. Auch sollen die Zielbildungs- und Kontrollaufgaben im Bezug auf das Kernkompetenzmanagement explizit dargestellt und in das Gesamtkonzept integriert werden. 3.4.2.2 Kompetenzmanagement im strategischen Prozessmanagement Aus ressourcenorientierter Sicht ist das Management kernprozessbezogener Kompetenzen wesentlicher Inhalt des strategischen Prozessmanagements.555 In diesem Abschnitt soll dargestellt werden, wie das Kernkompetenzmanagement als Bestandteil eines strategischen Prozessmanagements ausgestaltet sein sollte. Dazu werden die aus dem Ressourcenansatz bzw. dem Open System View abgeleiteten und in den Ausführungen zum Kompetenzmanagement erörterten Aufgaben Identifikation, Entwicklung, Integration, Nutzung und Transfer auf das Prozessmanagement bezogen. Abbildung 26 zeigt grob den Aufgabenbereich des Kernkompetenzmanagement im strategischen Prozessmanagements und grenzt ihn vom operativen Bereich ab. Im un554
555
So charakterisieren Krüger/Homp die Identifikationsphase zwar als Planungs- und Kontrollprozess, widmen sich in ihren weitergehenden Ausführungen aber vor allem Ansätzen und Methoden zur Markt- und Kompetenzanalyse. Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 100 ff. Vgl. die Ausführungen zur Verbindung zwischen Kompetenzen und Prozessen in Abschnitt C. 3.3.
152
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
teren Teil der Abbildung ist die Prozesskette des Unternehmens schematisch dargestellt, wobei die Existenz von zunächst zwei strategisch relevanten Prozessen, d.h. Kernprozessen, unterstellt sei. Eine Aufgabe des Prozessmanagement allgemein ist es, das Vorhandensein der zur reibungslosen Abwicklung der Prozessabläufe erforderlichen Kompetenzen zu gewährleisten. Das Management dieser Basiskompetenz556 ist jedoch primär Aufgabe der operativen Führung. Dieser übergeordnet ist das im oberen Teil der Abbildung angesiedelte strategische Management von Kernkompetenzen. Dieser Bereich bezieht sich damit auch auf die Metakompetenzen bzw. dynamic capabilities, die, wie bereits ausgeführt wurde, die Fähigkeiten des Unternehmens und insbesondere der Unternehmensführung zur Entwicklung und Anwendung vorhandener sowie neuer Kernkompetenzen bezeichnen.557
Strategisches Prozessmanagement
Identifikation
Entwicklung
Integration
Nutzung
Transfer
Kernkompetenzen
Operatives Prozessmanagement
Abbildung 26: Kernkompetenzmanangement im strategischen Prozessmanagement558
Meta- und Kernkompetenzen sind in den Kernprozessen verortet.559 Die einzelnen Prozessbestandteile in verschiedenen Kernprozessen können sich auf dieselbe Kern556
557 558
Vgl. zum Begriff der Basiskompetenz Abschnitt C 3.3.1 dieser Arbeit bzw. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 41 ff. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.2.2 und 3.3.2 dieser Arbeit. In Anlehnung an Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 43.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
153
kompetenz beziehen. So können Fähigkeiten, Routinen sowie physische Ressourcen in unterschiedlichen Kombinationen in verschiedenen Verwendungszusammenhängen und damit unterschiedlichen Prozessen zum Einsatz kommen. Dann wäre eine Kernkompetenz in verschiedenen Kernprozessen verankert. Denkbar ist aber auch, dass eine einzige oder mehrere verschiedene Kernkompetenzen in nur einem Kernprozess integriert sind, wenn die die jeweilige Kernkompetenz konstituierenden Aktiva, Fähigkeiten und Routinen nur in einem Prozess eingesetzt werden. Das strategische Prozessmanagement befasst sich nunmehr konkret mit der Gestaltung von Kernprozessen, d.h. den Abschnitten der Prozesskette, die für die nachhaltige Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen entscheidend sind, und den mit ihnen in Verbindung stehenden Kernkompetenzen (vgl. Abbildung 26). Die einzelnen Managementaufgaben bzw. Phasen im Managementzyklus werden in den folgenden Abschnitten beschrieben. 3.4.2.2.1 Identifikation von Kernkompetenzen in Prozessen Gegenstand der Identifikation sind v.a. die Frage nach dem Ist-Zustand von Kernkompetenzen und die Festlegung von Soll-Positionen.560 Die Identifikationsphase stellt sowohl den Beginn als auch das Ende des (zuvor durchlaufenen) Kompetenzmanagementzyklus dar. Dabei gliedern sich die Tätigkeiten innerhalb der Identifikation grob in zwei Bereiche. „Der hier mit „Identifikation“ bezeichnete Aufgabenkomplex ist ein Planungs- und Kontrollprozeß.“561 Vor dem Hintergrund eines unterstellten kybernetischen Führungsverständnisses obliegt dem „Planungskomplex“ die Entwicklung der Steuergröße für die Kompetenzentwicklung sowie ihre Anpassung (Formulierung der Stellgröße). Insofern sollen diesem Bereich hier Planungsaufgaben wie Zielbildung, Problemanalyse, Alternativensuche und -beurteilung sowie Entscheidung zugeordnet werden. Der „Kontrollkomplex“ ergänzt diese Aspekte durch die Erfassung und Analyse der Regelgröße und die Unterstützung der Planung bei der Ermittlung der Stellgröße. Beide Aufgabenkomplexe werden im Folgenden in Bezug auf das prozessbezogene Kernkompetenzmanagement, beginnend mit der Planung, diskutiert. 559 560
561
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.3.1 bzw. C 3.3.2 dieser Arbeit. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 100; ähnlich auch Steinle, C./Bruch, H./Nasner, N. (1997), S. 4 f. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 100.
154
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Die Zielbildung erfolgt auf der Grundlage der Unternehmensziele bzw. der Ziele der strategischen Geschäftseinheit, welche es auf prozessbezogene Kompetenzziele herunterzubrechen gilt.562 Dazu sind zunächst, sofern noch nicht geschehen, die Kernprozesse zu identifizieren. Dies erfolgt auf der Basis der Beurteilung des Prozesses und der durch ihn erzeugten Leistung hinsichtlich Nutzenstiftung, NichtSubstituierbarkeit, Nicht-Imitierbarkeit und Unternehmensspezifität.563 Für die in den Kernprozessen verorteten Kernkompetenzen werden dann Zielvorstellungen entwickelt, die Inhalt, Ausprägung und den angestrebten Zeitraum für die Kernkompetenzentwicklung festlegen. Die Kernprozesse sind anschließend im Rahmen der Problemanalyse zu überprüfen, wobei die gegenwärtige Kernkompetenzstärke festzustellen ist. Dazu werden Kernbedürfnisse der Kunden und Kerneigenschaften der im Rahmen der Kernprozesse erbrachten Kundenleistungen erfasst und abgeglichen. Dann werden die innerhalb der Prozessabwicklung durchzuführenden Aktivitäten auf die ihnen zugrundeliegenden individuellen Aktivposten, Fähigkeiten und Routinen hin untersucht. Von diesen „Prozessbestandteilen“ sind wiederum diejenigen zu isolieren, die aufgrund ihrer Einzigartigkeit, Fähigkeit zur Nutzenstiftung, nicht Imitier- und Substituierbarkeit strategische Relevanz besitzen und die Befriedigung von Kernbedürfnisse der Kunden ermöglichen. Als Folge dieser dekompositionellen Betrachtung der Kernprozesse kommt es zur bereits angedeuteten Überschneidung von operativen und strategischen Managementinhalten im Bereich der Basiskompetenzen. So sind die in Abbildung 27 dargestellten „operativen Managementobjekte“ zwar nicht Gegenstand strategischer Überlegungen, bedürfen aber dennoch eines dezidierten (operativen) Kompetenzmanagements, welches das strategische Management ergänzt. Wie in Abbildung 27 dargestellt, sind nicht notwendigerweise alle Aktivitäten eines Kernprozesses maßgeblich für seine strategische Relevanz. Trotzdem stellen auch diese Aktivitäten konstitutive Bestandteile des Prozessablaufs dar. Basiskompetenzen ermöglichen die Abwicklung jeglicher im Unternehmen ablaufender Prozesse, was sowohl Kernprozesse als auch Unterstützungsprozesse mit einschließt. Die entsprechende Sicherung des Vorhandenseins der not562 563
Vgl. Abschnitt C 1.2.1 dieser Arbeit. Diese Anforderungen ergeben sich aus den Prämissen des Resource-based Views. Vgl. hierzu die grundlegenden Ausführungen in Abschnitt C 3.1 dieser Arbeit.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
155
wendigen Kompetenzen zur reinen Prozessabwicklung darf daher keinesfalls vernachlässigt werden.564 Sie erfolgt gleichermaßen durch die Entwicklung individueller Fähigkeiten und organisationaler Routinen sowie die Bereitstellung benötigter Aktivposten. Ferner ist es denkbar, dass auch aufgrund von Entwicklungen des Unternehmensumfeldes oder Umwelteinflüssen aus Basiskompetenzen Kernkompetenzen erwachsen können.565 Aus diesen Gründen ist das operative Kompetenzmanagement gemeinsam mit dem strategischen Kompetenzmanagement zu implementieren und abzustimmen bzw. muss auch das strategische Management in den operativen Führungsbereich eingreifen. Das strategische Management hat aufgrund seiner besonderen Stellung (Topdown Perspektive, Berücksichtigung der Gesamtsituation des Unternehmens, Beobachtung des Unternehmensumfelds) dabei die Möglichkeit, die strategische Bedeutung einzelner Abläufe besser festzustellen und muss dies im Rahmen der Identifikationsphase bewerkstelligen. Die Bestandteile eines Prozesse, die für seinen Kernprozesscharakter ausschlaggebend sind, sind aufgrund ihrer besonderen Relevanz die Gestaltungsobjekte für das strategische Management (vgl. Abbildung 27), das bedeutet, strategische Ziel- und Maßnahmenpläne beziehen sich auf solche Prozessbestandteile.
564
565
Auch sollte nicht vergessen werden, dass auch die Weiterentwicklung von Basiskompetenzen für das Unternehmen vorteilhafte und damit erstrebenswerte Prozessverbesserungen wie z.B. Kostensenkungen, effizienteren Ressourceneinsatz oder schnellerer Bearbeitungszeiten induzieren kann. Änderungen etwa der Kundenpräferenzen oder rechtlicher Rahmenbedingungen können Basiskompetenzen „aufwerten,“ wenn die durch die Basiskompetenz erzeugte Leistung plötzlich unmittelbar zum Kundennutzen beiträgt oder wenn durch Basiskompetenzen neuartige Ansprüche wichtiger Stakeholder (z.B. Auflagen des Gesetzgebers) erfüllt werden.
156
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling Prozess
Kernprozess
Aktivität
strategisches Managementobjekt
Prozess
Aktivität
A
operatives Managementobjekt
Aktiva, Fähigkeiten und Routinen
Aktivität
F
Aktivität
A
F
K1
K2
R
R K
Aktivität
Kompetenzen
Abbildung 27: Prozessbestandteile als Objekte des prozessbezogenen Kernkompetenzmanagement
Bevor jedoch konkrete Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung und/oder -nutzung festgelegt werden können, muss eine Analyse der gegenwärtig vorhandenen und eventuell fehlenden Kompetenzkomponenten erfolgen. Dieser wichtige Aspekt der Problemanalyse beinhaltet eine Untersuchung von Stärken und Schwächen im Vergleich zu Wettbewerbern unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und der zukünftigen bzw. prognostizierten Marktsituation. Dabei fließen auch die Erfahrungen aus vergangenen Planungsperioden mit ein. Insofern deutet sich an dieser Stelle auch die Notwendigkeit der Wahrnehmung einer Kontrollfunktion in der Identifikationsphase an, da die Wirkung der bisherigen Bemühungen zur Kompetenzentwicklung analysiert und bewertet werden muss. Aus den gewonnenen Erkenntnissen ist ein Soll-Profil zu formulieren, das die Maßgaben für die Entwicklung zukünftiger Kernkompetenzen bzw. von deren Bestandteilen liefert. Vor diesem Hintergrund sind Managementprioritäten festzuschreiben sowie konkrete Handlungsalternativen zur zielführenden Beeinflussung und Gestaltung von prozessimmanenten Kompetenzbestandteilen zu entwickeln. Dies umfasst Aussagen zu Maßnahmen, eingesetzten Mitteln, Zeitrahmen und zuständige Aufgabenträger.566 566
Vgl. hierzu grundlegend Wild, J. (1982), S. 70.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
157
Diese Alternativen sind im Hinblick auf ihre Wirksamkeit zu evaluieren, sodass anschließend eine Entscheidung getroffen werden kann. Neben den bis hierher beschriebenen Planungsaufgaben fallen auch Kontrollaufgaben in die Identifikationsphase. Diese beziehen sich auf den gesamten Kernkompetenzmanagementzyklus, d.h. auf die zuvor dargelegten Planungsaufgaben sowie die nachfolgend beschriebenen Phasen des Kernkompetenzmanagements. Sie bilden das Ende eines durchlaufenen Managementzyklus, wirken jedoch über die Unterstützung der Planung bei der Entwicklung bzw. Anpassung der Steuergröße in den nächsten Zyklus hinein. Die Kontrollaufgaben umfassen einerseits Ergebniskontrollen wie die Prüfung der Erreichung in der Vergangenheit formulierter kompetenzbezogener Ziele, die Bewertung der damit verbundenen Maßnahmen sowie die Analyse etwaiger Abweichungen. Andererseits beinhalten sie auch die kompetenzbezogene Prämissen- und Durchführungskontrolle sowie die Frühaufklärung insbesondere im Hinblick auf die Kompetenzstärke gefährdende Einflüsse.567 Im Hinblick auf das in dieser Arbeit zugrundegelegte kybernetische Führungsverständnis ist insgesamt festzustellen, dass die Identifikationsphase von elementarer Bedeutung für das Kompetenzmanagement ist, da sie sowohl die Vorgabe von Steuergrößen als auch die Erfassung und Auswertung der Regelgrößen beinhaltet. 3.4.2.2.2 Entwicklung und Integration von Kernkompetenzen Die Entwicklung und Integration umfasst die kompetenzorientierte Gestaltung der Kernprozesse. Sie schließen sich unmittelbar an die Identifikationsphase an und beinhaltet im Wesentlichen Aspekte der Durchsetzung und Realisation der Kernkompetenzentwicklung. In diesen Phasen sind die Metakompetenzen bzw. dynamic capabilities als Grundlage zur Kernkompetenzentwicklung von entscheidender Bedeutung.568 Das strategische Management nutzt die dynamic capabilities des Unternehmens bei der Gestaltung des eigenen Kernkompetenzportfolios. So können u.a. über die Initialisierung von Lernprozessen kernkompetenzimmanente Fähigkeiten weiterentwickelt werden.569 Insofern sind dynamic capabilities Kernkompetenzen kausal 567 568 569
Dabei ist zu beachten, dass sich solche strategische Kontrollen über sämtliche Phasen des Kompetenzmanagementzyklus erstrecken und laufend durchzuführen sind. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.2.2 und C 3.3.2. In diesem Fall würde die Lernfähigkeit als eine dynamic capability des Unternehmens gezielt ausgenutzt.
158
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
vorgeschaltet. Gleichzeitig jedoch können dynamic capabilities ihrerseits durch Maßnahmen des Kompetenzmanagements beeinflusst werden, indem bspw. durch intensive Ressourcenintegration die Fähigkeiten des Unternehmens zur Rekonfiguration gefördert werden. Aufgrund der engen Verbindung zwischen dynamic capabilities und der Prozessorganisation ist das strategische Prozessmanagement insbesondere zur Pflege und Entwicklung dieser Metakompetenzen prädestiniert. D.h. konkret, dass das strategische Prozessmanagement Prozesse so zu beeinflussen und zu gestalten hat, dass die von TEECE et al identifizierten Aspekte der Entstehung von dynamic capabilities möglichst optimal zum Tragen kommen.570 Dazu müssen komplementäre Aktiva, Fähigkeiten und Routinen in Kernprozessen dergestalt gebündelt werden, dass kollektive Lernprozesse und die Akkumulation von strategisch bedeutsamem Führungs- und Ausführungswissen angestoßen werden. Das erfordert einerseits die kernprozessinterne Abstimmung der einzelnen Aktivitäten. Andererseits ist auch die übergreifende Abstimmung mit anderen Geschäftsprozessen, z.B. Führungs- und Unterstützungsprozesse nötig, da diese den Prozessablauf der Kernprozesse und damit auch die Kompetenzentstehung beeinflussen können. Das strategische Prozessmanagement muss, ausgehend von den strategisch relevanten Fähigkeiten und Routinen, deren immanente Erfolgspotenziale durch Beeinflussung der entsprechenden Kernprozesse gezielt ausschöpfen. Dabei sind verschiedene Formen der Entwicklung denkbar: So kann eine Festigung von Kernkompetenzen durch Standardisierung von Prozessabläufen und damit verbundene Maßnahmen der Qualitätssicherung und Zertifizierung erfolgen. Maßnahmen zur Verbesserung von Kernkompetenzen können im Bereich der Prozessteams angesetzt werden, beispielsweise „Kaizen“-Workshops oder Qualitätszirkel. Auch die Konzentration auf einige wenige Kernkompetenzen und die entsprechenden Kernprozesse kann durch intensivere Ressourcennutzung die Entwicklung von Kernkompetenzen fördern. In Verbindung mit dieser eher nach innen gerichteten Form der Entwicklung kann auch eine Ergänzung von Kompetenzen unter kundenbezogenen Aspekten vorgenommen werden, beispielsweise durch Erweiterung eines bisher beschränkten Leistungsangebotes hin zu 570
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.3.2. Dabei ist zu beachten, dass die Förderung von dynamic capabilities durch Maßnahmen des strategischen Prozessmanagements kein Selbstzweck darstellt und immer unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsaspekten zu erfolgen hat.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
159
einer integrierten Problemlösung. Dabei würde das Kernprozessportfolio, das zuvor vielleicht nur Produktions- und Distributionsprozesse enthielt, möglicherweise um einen Kundenservice- und Beratungsprozess erweitert werden. Sollte dies nicht ausreichen, muss das Unternehmen innovativ, z.B. durch eigene Forschung neue Technologien entwickeln, die das Fundament für neue Kernkompetenzen und Kernprozesse begründen. Gegebenenfalls könnten auch externe Kompetenzen hinzugekauft oder durch Kooperationen erworben werden. Der Schwerpunkt der vor diesem Hintergrund in der Integrationsphase durchzuführenden Maßnahmen liegt in der Organisation, insbesondere im Bereich der funktionsübergreifenden Abläufe, die für die Prozessorganisation charakteristisch sind. KRÜGER/HOMP stellen insbesondere die Bedeutung der Einrichtung von Kommunikations-, Planungs-, Steuerungs- und Kontrollsystemen heraus, betonen aber auch die Wichtigkeit von personenbezogenen Maßnahmen wie Personalentwicklung und Schaffung von Anreizsystemen.571 3.4.2.2.3 Nutzung von Kernkompetenzen im Rahmen der Prozessabwicklung Die Nutzung ist die nächste Aufgabe im strategischen Prozessmanagement. „Die Phase der Nutzung ist der Zeitraum, in dem die Rückflüsse aus der Entwicklung und Integration der Kernkompetenzen erzielt werden müssen.“572 Zwar geht es in dieser Phase definitionsgemäß auch um das Ernten der Früchte, die am „Baum“ der Kernkompetenzen bzw. der Kernprozesse gewachsen sind,573 jedoch darf sich das strategische Management nicht auf das reine „Abmelken“ bzw. „Abcashen“ beschränken.574 Die Nutzung erstreckt sich im Produktlebenszyklus über die Produkteinführung bis in die Rückgangsphase,575 wobei durch das strategische Prozessmanagement je nach Phase unterschiedliche Akzente beim Kompetenzmanagement zu setzen sind:576 Bei Eintritt in einen neuen Markt muss das strategische Prozessmanagement sicherstellen, dass sich die Erfolgspotenziale auch tatsächlich in Form von Kundenleistungen 571 572 573 574 575
576
Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 122. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 122 Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 234. Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 122. In dieser Arbeit soll die Phase des marktlichen Wettbewerbs im Produktlebenszyklus in die Teilphasen Einführung, Wachstum, Reife und Rückgang unterteilt werden. Vgl. die detaillierteren Ausführungen in Abschnitt D 3.2.1.4.2 dieser Arbeit. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 123 ff.
160
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
manifestieren können und sich so innerhalb der Kernprozesse echte, realisierbare Stärken des Unternehmens herausbilden. Hierzu sind zunächst Eintrittsbarrieren zu überwinden und Erstkäufer zu gewinnen.577 Ferner umfassen die Aufgaben des strategischen Prozessmanagements in dieser Phase Durchführungs- und Prämissenkontrollen. Über diese Aspekte hinaus sind die Aufgaben und Möglichkeiten des strategischen Prozessmanagements in dieser Phase begrenzt, da die entsprechende Anwendung und Entwicklung der Kernkompetenzen zur entsprechenden Leistungserstellung sowie die Anbahnung mit dem Kunden vor allem im Rahmen der Prozessabwicklung, d.h. auf der Leistungsebene stattfindet. In der Wachstums- und Reifephase muss das strategische Management allgemein darauf hinarbeiten, die eigene Position zu stärken und die Zahl potenzieller Konkurrenten möglichst klein zu halten. Das Kompetenzmanagement in der Wachstumsphase unterstützt bzw. forciert die Sicherung der unternehmenseigenen Kernkompetenzen vor Nachahmung. Das beinhaltet regulatorische Absicherungen wie z.B. Patent- und Musterschutz oder Copyright für einzelne Produkte und/oder Verfahren (insbesondere Kernprozesse). Betroffen sind v.a. individuelle Fähigkeiten und Routinen, die in diesem Zusammenhang, sofern dies noch nicht erfolgt und möglich ist, explizit zu machen und zu dokumentieren, um einen entsprechenden rechtlichen Schutz erwirken zu können.578 Die Besitzer strategisch relevanter individueller Fähigkeiten sollten zudem an das Unternehmen gebunden werden, um Erosionseffekte bei Kernkompetenzen sowie die Stärkung von Wettbewerbern durch Abwanderung bzw. Abwerbung vermeiden zu können. Diese eher defensiven Schutzmaßnahmen können durch offensive Schritte ergänzt werden. So kann durch eine stetige Verbesserung und Weiterentwicklung der Kernkompetenzen und Kernprozesse sowie enge Zusammenarbeit und Miteinbeziehung der Kunden der Markteintritt von Konkurrenten erschwert werden.
577 578
Typisch wäre an dieser Stelle die Anwendung „klassischer“ Marketingmaßnahmen wie spezifischer Preis-, Produkt-, Distributions- und Kommunikationsstrategien. Zum Schutz vor Nachahmung könnte auch in Erwägung gezogen werden, den impliziten Charakter strategische relevanter Kompetenzbestandteile zu erhalten oder sogar auszubauen. Dies birgt jedoch die Gefahr von opportunistischem Verhalten seitens der entsprechenden Kompetenzträger und des leichteren Kompetenzverlustes bei Veränderungen der Prozessstrukturen. Zudem müssen die Kompetenzbestandteile in ihrer Wirkungsweise vom Management auch „verstanden“ werden, wobei die entsprechende Analyse expliziter Sachverhalte einfacher ist. Die zur Identifizierung von Entwicklungs- und Transferpotenzialen erforderliche Transparenz von Wirkungszusammenhängen der Kompetenzbestandteile lässt somit sich auf der Grundlage einer Explizitmachung von Fähigkeiten und Routinen leichter herstellen.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
161
Die Phase des Rückgangs ist durch sinkende Umsätze und Absatzzahlen aufgrund von Marktsättigungseffekten gekennzeichnet. In einem stagnierenden bzw. schrumpfenden Markt muss das strategische Management versuchen, den Marktanteil bestenfalls zu erhöhen oder zumindest so lange wie möglich zu halten, bis schlussendlich nur noch ein Restmarkt zur Bedienung verbleibt oder ein kompletter Marktaustritt erfolgt. Dazu müssen von Seiten des strategischen Prozessmanagements die Kompetenzen dergestalt weiterentwickelt werden, dass Leistungsverbesserungen, -erweiterungen oder variationen möglich sind, die weiterhin Kaufanreize bieten oder verbliebene Marktnischen ausfüllen. 3.4.2.2.4 Transfer von Kernkompetenzen Die im Abschnitt zuvor erwähnten Maßnahmen zur Leistungsverbesserung und erweiterung bilden den inhaltlichen Übergang zur letzten Phase bzw. Aktivität im Kernkompetenzmanagementzyklus, nämlich dem Transfer von Kernkompetenzen, bei dem es gewissermaßen zu einer „erweiterten Nutzung“ von Kernkompetenzen kommen sollte. Die Transferphase konfrontiert das strategische Management mit der Frage der Ausnutzung der wettbewerbsvorteilsverursachenden Kompetenzen bzw. der ihnen zugrundeliegenden Fähigkeiten und Routinen, um die Nachhaltigkeit der eigenen Wettbewerbsposition zu sichern sowie neues Wachstum zu erreichen. Dazu muss geprüft werden, inwiefern vorhandene Kernkompetenzen oder deren Bestandteile auch in anderen Verwendungszusammenhängen eingesetzt werden können, um so neue Kernprozesse (vgl. die gestrichelte Darstellung in Abbildung 25) formulieren zu können. Sofern dies gelingt und innovative Leistungen zur nachhaltigen Anpassung an dynamische Marktentwicklungen erzeugt werden können, lassen sich durch stetigen Transfer nachhaltige Positionen im Wettbewerb erringen. Insofern ist der Kompetenztransfer für das strategische Management von entscheidender Bedeutung.579 Dabei gilt es zur Wahrung der Erfolgschancen des Kompetenztransfers situative Bedingungen zu berücksichtigen: „Eine besondere Bedeutung für den Transfererfolg besitzt der jeweilige Kontext, in dem die Ressourcen […] eingesetzt werden. Rechtlich-politische und gesellschaftliche Bedingungen sind dabei ebenso wirksam wie technischorganisatorische und markt- und wettbewerbsbezogene.“580 In diesem Zusammenhang können seitens des Prozessmanagements die üblichen Analyseinstrumente des strategi579 580
Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S.127. Krüger, W./Homp, C. (1997), S.133.
162
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
schen Managements zur Anwendung kommen, z.B. Ansätze der strategischen Frühaufklärung, Delphi-Befragung oder analytische Prognoseverfahren. Ein Problem, mit dem sich ein strategisches Kompetenzmanagement insbesondere in einer Prozessorganisation in der Transferphase zu befassen hat, ist die beschränkte Transferierbar-keit von Wissen. Um Kompetenzen in neuen Verwendungszusammenhängen erfolgreich einsetzen zu können, ist es erforderlich, immanentes Führungs- und Ausführungswissen in andere Bereiche des Unternehmens zu „verpflanzen“. Dieses ist, wie im weiteren Verlauf dieser Arbeit in den Abschnitten zum Wissensmanagement noch verdeutlicht werden soll, aufgrund der speziellen Eigenschaften der Ressource Wissen mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. 3.4.3
Wissensmanagement als Aspekt des strategischen Prozessmanagements
3.4.3.1 Grundlagen des Wissensmanagements Das Management von Wissen ist eng mit dem zuvor erörterten Kompetenzmanagement verbunden.581 NONAKA/TAKEUCHI definieren Wissen als „mit Erklärung verbundene richtige Vorstellung.“582 Dabei legen sie den Schwerpunkt auf den Erklärungs- und Vorstellungsprozess, wodurch der Wissensbegriff über die reine Kenntnis von Fakten hinaus erweitert wird. Das bedeutet, Wissen bezeichnet v.a. das Vermögen eines Individuums, in einem Erklärungsprozess die Zusammenhänge konkreter Sachverhalte deuten zu können, also Kausalstrukturen nachzuvollziehen und so eigene Erkenntnisse über Wirkungsbeziehungen entwickeln zu können.583 Wissen erwächst somit aus persönlichen Vorstellungen, ist zweckgerichtet, d.h. auf einen bestimmten Sachverhalt bezogen, sowie kontextspezifisch, d.h. abhängig vom den inhaltlichen Zusammenhängen und von der Umgebung seiner Entstehung.584 Diese sehr abstrakte Wissensdefinition wird durch andere Autoren präzisiert. Nach PROBST/RAUB/ROMHARDT bezeichnet Wissen „die Gesamtheit der Kenntnisse
581
582 583
584
Vgl. z.B. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 219 ff.; Probst, G./Deussen, A./Eppler, M./Raub S. (2000), S. 94 ff.; Antlitz, A. (1999), S. 143. Beispielsweise konstatiert Sanchez, R. (1997), S.164: “Achieving competence requires both knowledge and effective processes for deploying knowledge within and across an organization’s boundaries.” Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S. 70. Vgl. Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S. 70 die Wissen als dynamischen menschlichen Prozess der Erklärung persönlicher Vorstellungen über die Wahrheit definieren. Vgl. Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S. 70.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
163
und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen.“585 Diese Definition soll den folgenden Ausführungen zugrundeliegen.586 Sie schließt sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen mit ein. Auch stützt Wissen sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Wissen lässt sich nach der Wissensart in implizites und explizites Wissen, nach dem Wissensträger in individuelles und organisationales sowie nach dem Objektbereich in Führungs- und Ausführungswissen differenzieren.587 Die Unterscheidung zwischen implizitem und explizitem Wissen geht auf POLANYI zurück, der in diesem Zusammenhang von „tacit“ und „explicit knowledge“ spricht.588 Implizites Wissen ist überwiegend persönliches (subjektives), nur schwer kommunizierbares Wissen.589 Es ist tief sowohl in den Tätigkeiten und den damit verbundenen Erfahrungen (Erfahrungswissen) des Einzelnen als auch dessen persönlichen Idealen, Werten und Gefühlen verankert.590 Der Austausch impliziten Wissens basiert auf der gleichzeitigen Verarbeitung komplexer Sachverhalte durch die Beteiligten (analoges Wissen).591 Explizites Wissen dagegen bezeichnet Wissen, das sich in Worten und Zahlen ausdrücken (Verstandeswissen) und problemlos mit Hilfe von Daten, wissenschaftlichen Formeln, festgelegten Verfahrensweisen oder universellen Prinzipien mitteilen lässt (objektives Wissen).592 Es „dreht sich um vergangene Ereignisse oder Dinge von „da und damals“ und zielt auf eine kontextfreie Theorie. Es wird durch eine […] digitale Handlung sequentiell erzeugt.“593 Trotz dieser Abgrenzung
585 586 587 588 589 590
591
592 593
Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (2003), S. 23. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (2003), S. 23. Vgl. Antlitz, A. (1999), S. 143 ff. Vgl. Polanyi, M. (1966), S. 4 bzw. Polanyi, M. (1985), S. 14 ff. Vgl. Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S. 72. Vgl. Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S. 19; ähnlich auch Antlitz, A. (1999), S. 146. An dieser Stelle wird nochmals der Prozessbezug von Wissen bzw. hier dem impliziten Wissen deutlich, das u.a. aus den Tätigkeiten der Individuen im Rahmen der Prozessabwicklung erwächst. So kann bspw. das implizite Wissen eines Facharbeiters nur durch praktische Ausbildung an einen Lehrling vermittelt werden. Dabei ist eine intensive Interaktion beider Seiten erforderlich. Vgl. Nonake, I./Takeuchi, H. (1999), S. 73; Sanchez, R. (1997), S. 166. Vgl. Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S. 18. Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S. 73.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
lassen sich implizites und explizites Wissen in ihrer Anwendung nicht klar voneinander trennen,594 da sie komplementäre Wissensformen sind.595 Eine weitere Differenzierung von Wissen ist die nach dem Wissensträger in individuelles und organisationales Wissen. Individuelles Wissen ist an einzelne Personen gebunden. Es beinhaltet die tätigkeitsbezogenen Kenntnisse eines Wissensträgers und determiniert somit seine individuellen Fähigkeiten. Oftmals manifestiert sich implizites Wissen in der Ausübung von Tätigkeiten. Kommen dabei mehrere Wissensträger zusammen und kombinieren sie ihre Fähigkeiten bspw. im Rahmen standardisierter Leistungsprozesse, kann aus individuellem Wissen organisationales Wissen entstehen. Es entwickeln sich unternehmensspezifische Handlungsmuster bzw. Routinen, die auch als überindividuelle Wissensspeicher fungieren.596 In diesem Zusammenhang wird von der organisationalen Wissensbasis gesprochen, die sich einerseits aus den internen individuellen und kollektiven Wissensbeständen zusammensetzt,597 andererseits auch das zugängliche Wissen aus externen Beziehungen zu Kunden, Lieferanten oder sonstigen Wissensträgern (z.B. Beratern) umfasst.598 Darüber hinaus lässt sich Wissen auch nach dem Objektbereich in Führungs- und Ausführungswissen differenzieren.599 Beide Kategorien von Wissen wurden zuvor bereits kurz im Zusammenhang mit dem Kompetenzkonstrukt erwähnt.600 Ausführungswissen setzt sich aus individuellem und maschinengebundenem Ausführungswissen zusammen. Ersteres bezieht sich auf die Eignung eines Mitarbeiters, Ausführungshandlungen zu vollziehen, und basiert auf seiner persönlichen Wissensbasis und ggf. auf technisch gespeichertem Wissen (z.B. in Konstruktionszeichnungen oder Arbeitsanweisungen.) In Anlehnung an NELSON/WINTER bezeichnet ANTLITZ individuelles Ausführungswissen auch als „skill“ d.h. als „capability for a smooth sequence of coordinated behavior that is ordinary effective relative to its objectives,
594 595 596 597 598 599 600
Vgl. Antlitz, A. (1999), S. 146. Vgl. Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S. 73. Vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen zu Routinen als Bestandteil von Kompetenzen in Abschnitt C 3.2.1. Vgl. Probst, G./Raub,S./Romhardt, K. (2003), S. 23. Vgl. North, K. (2005), S. 56. Vgl. Antlitz, A. (1999), S. 149 ff. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Antlitz, A. (1999), S. 151 sowie grundlegend die Ausführungen in Abschnitt C 3.2.1.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
165
given the context in which it normally occurs.”601 Die Entwicklung von Ausführungswissen erfolgt durch repetitive Ausführung und Stabilisierung komplexer Handlungsfolgen, was einen relativ hohen Anteil an implizitem Wissen im individuellen Ausführungswissen zur Folge hat.602 Maschinelles Ausführungswissen besteht dagegen häufig aus explizitem Wissen. Es bezieht sich zum einen auf informationstechnologisch gespeichertes Wissen, das von Mitarbeitern generiert wurde und nun maschinell vorgehalten wird, zum anderen auf in Produkten, Prozessen und Anlagen inkorporiertes Wissen. Unter dem Begriff Führungswissen lassen sich nach ANTLITZ Koordinations- und Motivationsmuster subsumieren.603 Das Wissen um die Koordinationsmuster bestimmt die Fähigkeit der zweckmäßigen Zusammenführung der für jeden Wertschöpfungsschritt benötigten Ressourcen, insbesondere des relevanten Ausführungswissens. Dabei steht im Unternehmen eine Reihe von Mechanismen zur Verfügung. So kann die Integration erforderlichen Wissens durch persönliche Weisung von Individuen oder auch organisationalen Routinen abgestimmt werden.604 Die Ausbildung von Routinen kann dabei u.a. durch eine geeignete Unternehmenskultur sowie einheitliche Sprachregelungen im Unternehmen gefördert werden (Integration durch Kontexte). Auch die Kodifizierung, d.h. die systematische Erfassung von Wissen durch Regeln, Richtlinien und Pläne kann in diesem Zusammenhang einen Beitrag leisten. Motivationswissen beinhaltet neben dem Wissen über die positive Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens auch das Wissen zur Verhinderung von opportunistischem Verhalten seitens der Mitarbeiter. Aufgrund der interpersonellen Trennung von Führung und Ausführung muss sich das Management mit potenziellen Defiziten in der Bereitschaft der Ausfüh-
601 602 603
604
Nelson, R./Winter, S. (1982), S. 73. Vgl. hierzu und den folgenden Aspekten Antlitz, A. (1999), S. 151 ff. Diese mit diesem Wissensbegriff unterstellte relativ enge Auslegung von Führung vernachlässigt einige wesentliche, in Abschnitt B 2.1.1 dieser Arbeit angesprochene Aspekte der Führung wie z.B. Planung, Kontrolle oder Organisation. Die ist an dieser Stelle insofern erklärbar, als dass bei der unmittelbaren Kompetenzentstehung die zielführenden Koordination des Ressourceneinsatzes und die entsprechende Motivation der involvierten Mitarbeiter die wichtigsten Führungsaufgaben sind. Organisationale Routinen wurden im Zusammenhang mit Rasches Kompetenzkonstrukt bereits als unternehmensspezifische Handlungsmuster und Wissensspeicher charakterisiert (vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.2.1). Auch Antlitz argumentiert, dass Routinen wichtige Mechanismen zur Abstimmung des Ressourcen- bzw. Wissenseinsatzes, insbesondere im Hinblick auf die Integration impliziten Wissens, sind. Damit sind sie gemäß Antlitz Teil des Führungswissens Vgl. Antlitz, A. (1999), S. 155 ff.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
rungshandelnden auseinandersetzen und diesen insbesondere bei der Kompetenzbildung entgegenwirken. Wissen wird durch Lernprozesse erworben,605 die auf verschiedenen Ebenen stattfinden können. ARGYRIS/SCHÖN unterscheiden drei Ebenen bzw. Arten des Lernens.606 Auf dem untersten Niveau ablaufende Lernprozesse bezeichnet man als Single-loopLernen. Single-loop-Lernen meint Lernen in einer einzigen Feedback-Schleife. D.h., ein Ist-Zustand wird mit einem Soll-Zustand verglichen, bei festgestellter Abweichung erfolgt eine Anpassung, ohne jedoch Soll-Zustände oder die Ursachen der Abweichung kausal zu analysieren. Das bedeutet auch, dass Ziele nicht im Hinblick auf ihre Eignung bei sich ändernden Rahmenbedingungen geprüft werden. Der lernende Akteur reagiert durch Optimierung innerhalb seines existierenden Handlungsrepertoires, z.B. durch schnelleres Arbeiten bei gleichbleibendem Arbeitsablauf. Ein Soll-Soll-Vergleich wird beim Double-loop-Lernen vorgenommen: „Ziele, Normen und Werte werden auf dem Hintergrund von Theorien oder Bezugsrahmen hinterfragt.“607 Die Akteure betrachten Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln, berücksichtigen dabei gleichermaßen die unterschiedlichen Sichtweisen von beispielsweise Produktion, Marketing und Personalwirtschaft und entwickeln ggf. neue Bezugsrahmen. Das setzt allerdings voraus, dass sich die Organisationsmitglieder intensiv untereinander verständigen und eine entsprechende Kommunikationsstruktur vorhanden ist. Der lernende Akteur erweitert sein Handlungsrepertoire z.B. durch Umstellung von Arbeitsabläufen. Daraus können auch gänzlich neue und innovative Problemlösungen entstehen. Single-loop- und Double-loop-Lernen werden durch das Deutero-Lernen ergänzt. Auf dieser Ebene entsteht ein unternehmensweites Bewusstsein über Lerninhalte, -prozesse und -ergeb-nisse. „Die Organisationsmitglieder lernen, mit Single-loop- und Doubleloop-Lernen reflektiert umzugehen. […]. Man lernt einzuschätzen, in welchen Situationen Single-loop-Lernen unvermeidlich ist (zum Beispiel bei notwendiger Standardisierung oder bei Gebrauch von entlastenden Routinen) und wann Double-loop-Lernen 605
606 607
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 195 f. sowie Argyris, C./Schön, D. A. (1995). Vgl. Argyris, C./Schön, D. A. (1995). Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 196.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
167
angebracht ist (zum Beispiel wenn sich die Marktgegebenheiten ändern oder unterschiedliche kulturelle Bezugsrahmen aufeinander prallen).“608 Lernprozesse werden also einer kritischen Prüfung unterzogen. 3.4.3.2 Wissensmanagement im strategischen Prozessmanagement Wissen, das wurde basierend auf den Überlegungen von ANTLITZ bereits festgestellt, ist Kompetenzbestandteil609 und somit aus der ressourcenorientierten Sicht des strategischen Managements potenzielle Quelle von Wettbewerbsvorteilen.610 Aus der engen Beziehung zwischen Kompetenzen und Geschäftsprozessen folgt nunmehr, dass Wissen eine relevante Regelgröße im strategischen Prozessmanagement ist. Diesem obliegt es, die notwendigen reaktiven und proaktiven Anpassungen der prozessbezogenen Wissensbasis vorzunehmen, also die Wissensschaffung im Unternehmen voranzutreiben.611 In diesem Zusammenhang ergibt sich eine Reihe von Aktivitäten, die es von Seiten des Managements zu bewältigen gilt so müssen etwa Lernbedarfe identifiziert und Maßnahmen initiiert werden, um Lernprozesse im Unternehmen anzuregen.612 Essentielle Aktivitäten des Wissensmanagements nach SANCHEZ sind die Artikulation, die Kodifizierung und das Auffassungsvermögen.613 Sie ermöglichen den Transfer und die Verbreitung von Wissen bzw. die Durchdringung der Unternehmensstrukturen mit Wissen.614 PROBST/RAUB/ROMHARDT bspw. identifizieren mit der Wissensidentifikation, dem Wissenserwerb, der Wissensentwicklung, der Wissens(ver)teilung und Wissensnutzung sowie der Wissensbewahrung sechs Kerninhalte im Wissensmanagement.615 Ähnlicher Ansicht sind auch HELM et al, die dem Wissensmanagement die Aktivitäten Wissen erwerben, Wissen entwickeln, Wissen anwenden sowie Wissen
608 609 610 611 612
613 614 615
Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 196. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.2.1. Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 226. Vgl. Nonaka, I./Takeuchi, H. (1997), S. 9. Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 226 ff. Lernen bezeichnet dabei die Veränderungsprozesse an der organisationalen Wissensbasis. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (2003), S. 23. Vgl. Sanchez, R. (1997), S. 164. Vgl. Sanchez, R. (1997), S. 164. Vgl. Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (2003), S. 28 ff.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
verteilen und Wissen bewahren zuschreiben.616 Diese Aufgaben sind auch im Hinblick auf das prozessrelevante Wissen zu erfüllen. Zu beachten ist dabei, dass verschiedene Ebenen prozessrelevanten Wissens existieren: Wissen lässt sich nicht nur wie bisher nach Wissensart, -träger und Objektbereich unterscheiden, sondern auch hinsichtlich seiner Bedeutung für das strategische Management klassifizieren. Auf der Grundlage einer solchen Differenzierung kann das prozessbezogene Wissensmanagement (zumindest tendenziell) jeweils dem operativen oder strategischen Prozessmanagement zugeordnet werden, sodass beide Bereiche voneinander abgrenzbar sind. Eine solche Differenzierung ermöglicht somit eine genauere Charakterisierung beider Perspektiven. Im Folgenden sollen daher die verschiedenen Ebenen bzw. Kategorien von Wissen gekennzeichnet werden und auf ihre Bedeutung für das strategische Prozessmanagement hin untersucht werden.617 Abbildung 28 veranschaulicht grob die sich aus der Klassifizierung anhand der strategischen Bedeutung abzuleitenden Ebenen prozessbezogenen Wissens und setzt sie miteinander in Beziehung.
616 617
Vgl. Helm, R./Meckl, R./Strohmayer, M./Bernau, A. (2004), S. 134. Die im Folgenden vorgenommene Differenzierung in „Know-How“, „Know-What“ und „KnowWhy“ geht ursprünglich auf Sanchez zurück, der den einzelnen Kategorien allerdings etwas andere Bedeutungen zuschreibt. Vgl. z.B. Sanchez, R. (1997), S. 163 ff.; ähnlich auch Zahn, E./Foschiani, S./Tilebein, M. (2000), S. 54. Nachfolgend soll den Ausführungen von Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 228 ff. gefolgt werden, da diese einen expliziten Bezug zu den Unternehmensprozessen aufweisen. Insofern sind die folgenden Charakterisierung nicht als absolut, sondern eher als Tendenzaussagen bzw. Interpretationsmöglichkeit.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
169
Know-Why Know-What Know-How A
F K
Ziele
R
Latente Bedürfnisse
Vorkopplung
Abbildung 28: Wissensebenen im Kontext des strategischen Prozessmanagements618
Die erste Wissensebene ist die des „Know-How“. Know-How bezeichnet Wissen um die Beherrschung der laufenden Geschäftsprozesse. Dieses Wissen korrespondiert im Wesentlichen mit den im vorherigen Abschnitt erläuterten Basiskompetenzen. Wie in Abbildung 30 angedeutet ist, bezieht sich das vor allem auf das in individuellen Fähigkeiten und Routinen verortete Wissen zur Prozessabwicklung. KRALLMANN et al sprechen in diesem Zusammenhang von „Wissen im Prozess“, d.h. Wissen um die zweckmäßige Ausführung und Koordination der einzelnen Aktivitäten.619 Das KnowHow dient dabei „der effizienten Erfüllung bereits bekannter Aufgaben und der besseren Befriedigung bereits bedienter Kundenbedürfnisse.“620 Im Zentrum steht dabei die bedarfsgerechte Bereitstellung der Leistung im Sinne von „doing things right“. Da die zugrundeliegenden Kundenbedürfnisse bereits länger bekannt und bedient werden, sind kundenbezogene Wissensaspekte beim Know-How insbesondere im Hinblick auf die laufende Leistungs- bzw. Prozessverbesserung bedeutsam, spielen aber im Vergleich zu den folgenden Wissensebenen für strategische Entscheidungen eine geringere Rolle. Das Management von Know-How fällt dementsprechend, analog zum Mana-
618 619 620
In Anlehnung an Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 229. Vgl. Krallmann, H./Boekhoff, H./Gronau, N./Schönherr, M. (2000), S. 253. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 228.
170
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
gement von Basiskompetenzen, überwiegend in den operativen Führungsbereich.621 In diesem Zusammenhang geht es primär darum, dieses Wissen im Prozess zu lokalisieren, zu erhalten und allen involvierten Akteuren im Unternehmen zugänglich zu machen, um einen möglichst reibungslosen Prozessablauf sicherzustellen und ggf. Prozessverbesserungen zu induzieren.622 Die nächste Wissensebene ist die des „Know-What“. Zu dieser Wissenskategorie gehört bspw. Wissen über noch zu deckende Kundenbedürfnisse oder die gegenwärtigen Marktkonstellationen. Dieses Wissen liegt den meisten strategischen Entscheidungen zugrunde. So müssen basierend auf einem möglichst objektiven Bild über Stärken und Schwächen der Unternehmung, d.h. basierend auf dem Know-What, anzustrebende Ziele definiert und Aufgaben formuliert werden. Vor dem Hintergrund der erhöhten Bedeutung von Kundenbedürfnissen im Rahmen der Prozessorganisation folgt eine besonders große Bedeutung des Know-What für das strategische Prozessmanagement. Beiden eben genannten Wissensebenen übergeordnet ist die Ebene des „Know-Why“. Hier ist das Wissen um die (Weiter-)Entwicklung der Kernbedürfnisse der Kunden sowie die dabei zugrundeliegenden Ursache-Wirkungsbeziehungen verankert.623 Der Fokus des Know-Why liegt damit auf der Klärung der Frage, „warum“ Kundenbedürfnisse sich ändern und der damit ermöglichten Antizipation zukünftiger Quellen für Wettbewerbsvorteile. Entsprechend ermöglicht das Vorhandensein von Know-Why das proaktive Management von Prozessen durch Vorkopplung auf latente Kundenbedürfnisse und ist daher für die nachhaltige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von extrem hoher Bedeutung. Für das strategische Prozessmanagement gilt es vor diesem Hintergrund grundsätzlich, alle prozessbezogenen Wissensebenen zu berücksichtigen. Somit muss das Wissensmanagement als Teil des strategischen Prozessmanagements auch auf allen Wissensebenen Lernprozesse anstoßen. Dabei sind die Schwerpunkte tendenziell im Bereich von Know-What und Know-Why zu setzen. Zwar ist zur langfristigen Existenzsicherung auch Know-How erforderlich, weil Wissen über Marktkonstellationen und deren 621
622 623
Allerdings gibt es auch auf der Ebene des Know-How Ansatzpunkte für das strategische Management, nämlich dort, wo es um die Steuerung und Gestaltung von Wissen geht, das kernprozessimmanenten Fähigkeiten und Routinen zugrundeliegt und somit strategisch bedeutsam ist. Vgl. Krallmann, H./Boekhoff, H./Gronau, N./Schönherr, M. (2000), S. 253. Vgl. Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 229.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
171
Entwicklung nicht genutzt werden kann, wenn das Unternehmen nicht im Stande ist, entsprechende Leistungsprozesse abzuwickeln.624 Jedoch ist die originäre Aufgabe der strategischen Führung die Auseinandersetzung mit gegebenen und zukünftigen Marktkonstellation bzw. Kundenbedürfnissen und betrifft daher primär die Ebenen des Know-Whats und des Know-Whys. Bei der Wissensschaffung sind die bereits vorgestellten Arten bzw. Niveaus von Lernprozessen (Single-Loop-, Double-Loop- und Deutero-Lernen) zu berücksichtigen, denen aus Sicht des strategischen Managements, ähnlich wie den Wissensebenen, eine unterschiedliche Relevanz zukommt.625 Auch an dieser Stelle ist anzumerken, dass die folgenden Zuordnungen Schwerpunkte aufzeigen sollen, allerdings keinen abschließenden absoluten Charakter haben. Single-Loop-Lernen bezieht sich in erster Linie auf die Weiterentwicklung von KnowHow. Es ist an den Stellen für das strategische Management von Bedeutung, an denen aus der Verbesserung existierender Abläufe von Kernprozessen Wettbewerbsvorteile erwachsen können. Die Effizienzorientierung im Single-Loop-Lernen impliziert jedoch vor dem Hintergrund der in Abschnitt C 3.2.2 erörterten Aspekte eine gegenüber dem Double-Loop- und Deutero-Lernen geringere Priorisierung im strategischen Management. Das Double-Loop-Lernen ermöglicht aufgrund der Integration verschiedener Perspektiven die Entwicklung von Wissen, das im Sinne des Know-What die Erfüllung strategischer Ziele ermöglicht. So entstehen erst aus der für das Double-Loop-Lernen charakteristischen Integration verschiedener inhaltlicher Perspektiven fertige Problemlösungen,626 die den Kundenbedürfnissen entsprechen. Die im Zuge des Double-LoopLernens vollzogene Überprüfung der eigenen Konzepte versetzt das Unternehmen zudem in die Lage, sich an wandelnde Marktsituationen anzupassen. Das bedeutet, die Förderung von Double-Loop-Lernen muss eine zentrale Aufgabe des strategischen Managements sein. Insbesondere eine Prozessorganisation mit ihren generischen Cha624
625 626
Entsprechend können Know-What und Know-Why auch als Vorsteuergrößen für das im Zuge der nachhaltigen Erfolgspotenzialentwicklung und -nutzung auszubildende Know-How bzw. die zu schaffende Basiskompetenz angesehen werden. Hier muss das strategische Prozessmanagement die notwendigen Impulse geben, die eigentliche Schaffung und Nutzung des Know-Hows ist jedoch den operativen Ebenen im Unternehmen vorbehalten. Vgl. Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 195 f. Vgl. die Ausführung in Abschnitt C 3.4.3.1 dieser Arbeit.
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C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
rakteristika der cross-funktionalen Integration und der Kundenorientierung ist auf das Double-Loop-Lernen als Grundlage zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit angewiesen. Auch die angestrebte nachhaltige Weiterentwicklung von Kernkompetenzen wird erst durch Double-Loop-Lernen ermöglicht. Insofern bezieht sich Double-Loop Lernen auch auf die Wissensebene des Know-Why, da die Identifizierung latenter Markttrends sowohl die Überprüfung existierender Bezugsrahmen als auch die Einbeziehung verschiedenster inhaltlicher Perspektiven erfordert. Darüber hinaus ist die Entwicklung der eigenen Metakompetenzen bzw. dynamic capabilities durch Förderung von Deutero-Lernen zu gewährleisten. Auch das ist Aufgabe des strategischen Prozessmanagements. „Strategic Managers must continuous learn how better to manage their own learning processes, as well as improving and supporting the learning process of others in their firm.”627 Die Fähigkeit, eigene Lernprozesse zu reflektieren und zu steuern, ist selbst eine Meta-Kompetenz und die Voraussetzung dafür, die beiden untergeordneten Lernformen gezielt als Mittel zur Erreichung strategischer Ziele einsetzen zu können. An dieser Stelle lässt sich festhalten, dass mit der Einordnung der drei Wissensebenen sowie der Lernniveaus in den Kontext der Kernkompetenzentwicklung die Ansatzpunkte für die konkrete Ausgestaltung des Wissensmanagements als Teil des strategischen Prozessmanagements abgesteckt worden sind. Die Förderung von insbesondere Double-Loop- und Deutero-Lernen zur Sicherung nachhaltiger Kernkompetenzentwicklung ist wegen der Verortung von Kompetenzen in Prozessen dem strategischen Prozessmanagement zuzuschreiben. Aufgrund der Tatsache, dass das in diesem Zusammenhang erforderliche Wissen effektiv immer an Personen gebunden ist,628 ist das strategische Prozessmanagement primär dafür verantwortlich, Rahmenbedingungen zu schaffen, um Lernprozesse zur Erzeugung prozessrelevanten Wissens anzuregen bzw. die Gewinnung von Wissen aus der Prozessausführung heraus zu ermöglichen. Mit Hilfe des Wissensmanagements lassen sich die Kernprozesse, die bisher „nur“ der Erstellung von wettbewerbsrelevanten Leistungen dienten, auch als Prozesse in denen Wissen entsteht interpretieren. Diese Wissensentstehung zu analysieren und ggf. zu optimieren, ist Aufgabe des strategi627 628
Sanchez, R./Heene, A. (1997a), S. 309 Vgl. Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (2003), S. 23.
3 Der ressourcenorientierte Ansatz im Kontext des Prozessmanagements
173
schen Prozessmanagements. Die in diesem Abschnitt eingangs erwähnten Aktivitäten des Wissensmanagements dienen diesem Zweck.629 Die Wissensidentifikation bezieht sich auf die Analyse und Beschreibung von Führungs- und Ausführungswissen in den Kernprozessen. Dazu gehören vor allem die Herstellung von Transparenz bezüglich des in individuellen Fähigkeiten und Routinen verorteten impliziten und expliziten Wissens und die Identifizierung entsprechender Wissensträger. Auch sind die Kausalbeziehungen zwischen vorhandenem Wissen und der erzeugten bzw. geplanten Prozessleistung zu analysieren. Der Wissenserwerb und die Wissensentwicklung sollen neues Wissen generieren. Wissenserwerb meint die Deckung des Wissensbedarfs durch externe Quellen. Diese Option dürfte bezogen auf Kernkompetenzen konstituierendes Prozesswissen eher nicht realisierbar sein.630 Wichtiger ist die interne Wissensentwicklung, wobei das strategische Prozessmanagement als Kontextsteuerer. Das bedeutet, dass Kernprozesse so zu strukturieren und in das Prozessmodell einzufügen sind, dass Lernprozesse bezüglich individueller Fähigkeiten und organisationaler Routinen von Kernkompetenzen angeregt werden. Mögliche Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang die Schaffung von Freiräumen bei der Prozessabwicklung in Verbindung mit mehr Eigenverantwortung für Prozessverantwortliche und Prozessteams.631 So können sowohl Single- als auch Double-Loop-Lernen angeregt werden. Ergänzend dazu sollten Instrumente wie Kreativitätstechniken und Vorschlagswesen bereitgestellt werden. Ein wichtiger Aspekt vor allem im Hinblick auf die kollektive bzw. organisationale Wissensentstehung ist die Explizitmachung oder Externalisierung von implizitem Wissen. An dieser Stelle kann das strategische Prozessmanagement, z.B. durch genaue Dokumentation und Modellierung von Prozessabläufen, in individuellen Fähigkeiten und Routinen gespeichertes Wissen für alle Prozessverantwortlichen zugänglich machen. So können Fehlerquellen und Verbesserung- oder Entwicklungspotenziale leichter aufgedeckt werden. Insofern ist diese Explizitmachung auch ein Mittel zur Förderung von Double-Loop-Lernen und damit ein wichtiger Aspekt der Wissens(ver-)teilung. 629 630
631
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (2003), S. 28 ff. Das ergibt sich beispielsweise aus der Anforderung der Nicht-Imitierbarkeit von Kernkompetenzen. Vgl. Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (2003), S. 118 ff.
174
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Diese wiederum ist für das strategische Prozessmanagement im Zusammenhang mit der Realisierung von Kernkompetenztransfers von Bedeutung.632 „Die (Ver-)Teilung von Erfahrungen in der Organisation ist eine zwingende Voraussetzung, um isoliert vorhandene Informationen oder Erfahrungen für die gesamte Organisation nutzbar zu machen.“633 Neben der Bereitstellung der erforderlichen Kommunikations- und Informationsverarbeitungstechnologie müssen die Wissensbestände verschiedener Gruppen- und Organisationsebenen verfügbar gemacht werden. Dazu können Stabsstellen geschaffen und Expertenteams gebildet werden. An dieser Stelle ist auf den besonderen Vorteil der Prozessorganisation gegenüber der funktionalen Organisation zu verweisen, da die Prozessorganisation durch cross-funktionale Integration einen höheren Grad an Vernetzung aufweist. Problematisch ist bei der Wissensverteilung grundsätzlich die Tatsache, dass Wissen grundsätzlich sowohl in seiner Entstehung als auch in seiner Anwendung und der dadurch erzielten Wirkung personengebunden ist.634 Somit kann das strategische Prozessmanagement lediglich Rahmenbedingungen schaffen, um kernprozessbezogenes Wissen an andere Stellen im Unternehmen zu exportieren, der Erfolg dieser Maßnahme hängt aber zu einem großen Teil von den involvierten Personen ab und entzieht sich somit der unmittelbaren Steuerbarkeit. Ein Umstand, der sich auch auf die nächste Funktion des Wissensmanagements, nämlich die Wissensnutzung, auswirkt. Ziel der Nutzung ist der produktive Einsatz von Wissen innerhalb der Kernprozesse. Das betrifft sowohl die reine Abwicklung der Kernprozesse als auch die Weiterentwicklung derselben. Auch an dieser Stelle kann das strategische Prozessmanagement durch Initiierung von Ausbildungsmaßnahmen die zweckgerechte Anwendung des Wissens fördern. Zur Wissensbewahrung kann das strategische Prozessmanagement u.a. durch die bereits erwähnten Mittel der Prozessdokumentation und -modellierung beitragen. Auf deren Grundlage können auch spezielle Datenbanken angelegt werden, die gezielt prozessbezogenes Wissen in seinen verschiedenen Ausprägungen und Systematisierungen verarbeiten und speichern können. In diesem Zusammenhang spielt auch der im Zusammenhang mit dem Kompetenzerhalt angesprochene Schutz durch rechtliche Maßnahmen wir die Erwirkung von Patentschutz oder Urheberrechten eine Rolle. All dies 632
633 634
Vgl. zum Kernkompetenztransfer im Zusammenhang mit dem strategischen Prozessmanagement die Ausführungen in Abschnitt C 3.4.3.2. Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (2003), S. 30. Vgl. Probst, G./Raub, S./Romhardt, K. (2003), S. 22.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis
175
setzt wieder die Externalisierung impliziten Wissens voraus. Des Weiteren sollten motivationsfördernde Maßnahmen (intrinsisch und extrinsisch) ergriffen werden, um die Träger individuellen, strategisch relevanten Wissens im Unternehmen halten zu können. Abschließend ist zu konstatieren, dass sich das Wissensmanagement als ein wichtiger Teilaspekt in ein ressourcenorientiertes strategisches Prozessmanagement einfügt. Die einzelnen Aktivitäten des Wissensmanagement sind Teilfunktionen, die zur Gestaltung des Prozess- und Kompetenzbestandteils Wissen dienen. Die Gestaltungsobjekte sind die individuellen und kollektiven Wissensbestände, die für das strategische Prozessmanagement primär auf den Ebenen des Know-What und Know-Whys angesiedelt sind. Die identifizierten Wissensebenen und Lernniveaus determinieren also die Gestaltungsebenen des strategischen prozessbezogenen Wissensmanagements. 4
Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis
4.1
Grundlagen der Transaktionskostentheorie
Gegenstand der Transaktionskostentheorie als Teil der Neuen Institutionenökonomie ist die Erklärung der Entstehung institutioneller Ordnungsmuster über die Analyse sozioökonomischer Austauschbeziehungen.635 Im Zentrum der Betrachtung stehen die von COASE angestoßene Überlegung, dass es mit dem Markt (Preismechanismus) und dem Unternehmen (Hierarchie) zwei alternative Mechanismen zur Koordinierung von Leistungserstellungsprozessen gibt, und die in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, warum es überhaupt Unternehmen gibt.636 Gemäß Transaktionskostentheorie werden ökonomische Aktivitäten so organisiert, dass Produktionskosten (d.h. die Kosten der physischen Herstellung und Distribution einer Leistung) und Transaktionskosten (Kosten der Klärung, Vereinbarung und Kontrolle der Leistungserstellung und distribution) in Summe minimiert werden.637 Die Grundzüge transaktionskostentheoretischer Überlegungen sollen im Folgenden kurz dargestellt werden, um sie anschließend auf ihre Bedeutung für das strategische Prozessmanagement zu untersuchen.638
635 636 637 638
Vgl. Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 178. Vgl. Coase, R.H. (1937), S. 388. Vgl. Theuvsen, L. (1997), S. 972. Um den Rahmen dieses Abschnittes nicht zu sprengen, beschränken sich die Ausführungen hier im Wesentlichen auf den Ansatz von Williamson, O.E. (1985), da dieser insgesamt sehr ausge-
176
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Die Definition des Transaktionsbegriffs variiert in der Literatur: Einer frühen Begriffsprägung COMMONS’ zufolge stellen Transaktionen „the alienation and acquisition, between individuals, of the rights of property and liberty created by society, which must therefore be negotiated between the parties“639 dar. Nach WILLIAMSON dagegen liegt eine Transaktion vor „when a good or service is transferred across a technologically separable interface.“640 Anders als bei der vorherigen Definition werden damit die Schwerpunkte auf den physischen Gütertransfer gelegt und die Koordinationsprozesse, welche solche Austauschprozesse ermöglichen, vernachlässigt. Dies beinhaltet einen gewissen Widerspruch zum zentralen Gegenstand transaktionskostentheoretischer Überlegungen, nämlich der Analyse und Bewertung jener Koordinationsmuster.641 Im Folgenden soll auf die Definition von PICOT zurückgegriffen werden. Demnach bezeichnet eine Transaktion allgemein den „Prozeß der Klärung und Vereinbarung eines Leistungsaustauschs.“642 Das bedeutet, eine Transaktion beinhaltet den dem eigentlichen Leistungsaustausch vorgelagerten Übergang von Verfügungsrechten auf eines oder mehrere Wirtschaftssubjekte,643 wobei eine Abwicklung grundsätzlich sowohl unternehmensintern als auch auf einem externen Markt möglich ist.644 Dabei entstehen die sogenannten Transaktionskosten an den Schnittstellen zwischen den Beteiligten „im Zusammenhang mit der Bestimmung, Übertragung und Durchsetzung von Verfügungsrechten.“645 Üblicherweise werden entsprechend den Phasen einer Transaktion Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Abwicklungs-, Kontroll- und Anpassungskosten unterschieden.646 Anbahnungskosten sind Kosten, die zu Beginn einer (möglichen) Transaktion zur Initiierung anfallen. Sie umfassen Kosten z.B. für die Informationsbeschaffung über poten-
639 640 641
642 643 644 645 646
reift ist (Vgl. Schumann, J./Meyer, U./Stroebele, W. (1999), S. 473). Trotzdem sei an dieser Stelle auch auf alternative Konzepte, wie z.B. das von Windsperger, J. (1996) verwiesen. Commons, J.R. (1931), S. 652. Williamson, O.E. (1985), S. 1. Vgl. Vosberg, D. (2003), S. 60, die in diesem Zusammenhang ferner konstatiert, dass sich trotz dieser Unstimmigkeit diverse Autoren auf dieses Transaktionsverständnis beziehen und vor allem den gegenseitigen Güteraustausch mit dem Transaktionsbegriff verbinden. So z.B. Windsperger, J. (1996), S. 12; Jost, P.-J. (2001), S. 10. Picot, A. (1982), S. 269. Vgl. Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 178. Vgl. Theuvsen, L. (1997), S. 976. Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 178. Vgl. hierzu und zu den folgenden Ausführungen Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 218.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis
177
zielle Transaktionspartner (u.a. Prüfung von Konditionen möglicher Lieferanten) oder die Vorbereitung der Produktion. Vereinbarungskosten sind Kosten, die sich aus der Interaktion der Transaktionspartner im Zuge der präsituativen Klärung der Modalitäten des Leistungsaustausches ergeben. Sie beinhalten z.B. Kosten für die Verhandlungen und die Ausarbeitung der Verträge. Abwicklungs- oder Durchführungskosten entstehen während der Leistungserstellung im Rahmen der Prozesssteuerung der Fertigungsabläufe sowie bei der Führung und der Koordination der involvierten Unternehmensbereiche. Des Weiteren entstehen Kontrollkosten sowohl zur laufenden als auch postsituativen Überwachung des Güteraustausches an. In diese Kategorie fallen Kosten z.B. für Sicherstellung von Termin-, Qualitäts-, Mengen- und eventuell Geheimhaltungsvereinbarungen sowie Anpassungskosten bei der Änderung des Leistungsumfangs etwa im Rahmen eines Lieferantenwechsels an. Die Ursache für die Entstehung von Abwicklungsproblemen bei Transaktionen und die entsprechend resultierenden Transaktionskosten liegt hauptsächlich in dem paarweisen Zusammenwirken von Verhaltensweisen der beteiligten Akteure mit je einem spezifischen Umweltfaktor.647 So verwirft die Transaktionskostentheorie die neoklassische Auffassung vollständiger Information und unterstellt den handelnden Wirtschaftssubjekten sowohl eingeschränkte Rationalität als auch opportunistische Verhaltensweisen.648 Erstere führt in Verbindung mit hoher Umweltkomplexität bzw. großer Unsicherheit über zukünftige Umweltentwicklungen zu Entscheidungsrisiken, gegen die es sich abzusichern gilt. In diesem Zusammenhang ist die Unsicherheit „ein Maß für die Vorhersehbarkeit und die Anzahl der notwendigen Änderungen der Leistungsvereinbarungen während einer Transaktion.“649 Opportunismus wiederum wird mit dem Umweltfaktor der Transaktionsspezifität ein Problem.650 Spezifität bezeichnet die Zweckbindung der zur Abwicklung einer Transaktion getätigten Investitionen. So könnte es erforderlich sein, dass „bestimmte Anlagen, Werkzeuge sowie Fertigungsverfahren verwendet werden und spezielle Personalqualifikationen erforderlich sind, deren Verwendbarkeit auf die Erstellung weniger und im Extremfall einer Leistung(gen) beschränkt ist.“651 Die Höhe der Spezifität be647 648 649 650 651
Vgl. Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 180. Vgl. Williamson, O.E. (1985), S. 44 ff. Picot, A./Dietl, A./Franck, E. (2008), S. 59. Vgl. hierzu und zu den folgenden Ausführungen Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 179 f. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 218.
178
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
misst sich nach dem Quasi-Rentenpotenzial652 derjenigen materiellen und immateriellen Ressourcen, die einer beabsichtigten Transaktion beizumessen sind. Eine hohe Spezifität kann zu monopolartigen Austauschbeziehungen führen. Die einzelnen Akteure werden ggf. in die Lage versetzt, sich opportunistisch zu verhalten, um den hohen Grad an Spezifität zu Ungunsten der Vertragspartner auszunutzen. Neben diesen gerade erwähnten existieren noch weitere Einflussgrößen auf das Ausmaß der Transaktionskosten. So birgt auch eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen den Akteuren die Gefahr opportunistischer Ausnutzung. Ferner prägen soziale und technologische Rahmenbedingungen die Transaktionsatmosphäre: „Vor dem Hintergrund verschiedener Werthaltungen ist das opportunistische Verhaltenspotenzial grundsätzlich unterschiedlich einzustufen. Durch die Entwicklung technologischer Neuerungen können sich sowohl die Grenzen menschlicher Rationalität als auch der Spezifitätsgrad [..] verändern.“653 Ergänzend spielt auch die Häufigkeit, mit der die angestrebte Leistung zu erstellen ist, eine Rolle. Eine hohe Wiederholungsfrequenz verstärkt dabei bereits existierende Tendenzen zugunsten hierarchischer Abwicklungsformen.654 Abbildung 29 fasst die Einflussfaktoren auf die Transaktionskosten im sogenannten erweiterten Markt-Hierarchie-Paradigma655 zusammen.
652
653 654 655
Die Quasi-Rente bezeichnet die Differenz zwischen dem Entgelt, das ein Transaktionspartner im Rahmen einer Leistungsbeziehung erhält, und dem Betrag, der mindestens erforderlich ist, damit sich der betreffende Transaktionspartner nicht aus der bestehenden Leistungsbeziehung zurückzieht. Vgl. hierzu Picot, A./Dietl, A./Franck, E. (2008), S. 407. Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 180. Vgl. Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 180. Das hier zugrundegelegte „erweiterte“ Markt-Hierarchie-Paradigma zeichnet sich gegenüber dem „einfachen“ Markt-Hierarchie-Paradigma dadurch aus, dass Transaktionsatmosphäre und -häufigkeit nicht aus der Betrachtung ausgeschlossen werden. Vgl. Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 180 f.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis
Verhaltensannahmen
179
Umweltfaktoren Transaktionsatmosphäre und -häufigkeit
Begrenzte Rationalität
Unsicherheit/ Komplexität Informationsasymmetrien
Opportunismus
Spezifität
Abbildung 29: Das erweiterte Markt-Hierarchie-Paradigma656
Die jeweilig spezifische Konstellation von Verhaltensannahmen und Umweltfaktoren macht es erforderlich, dass zur Absicherung der Vertragspartner transaktionskostenverursachende Maßnahmen ergriffen werden müssen, und determiniert damit die Vorteilhaftigkeit entweder marktlicher oder hierarchischer Koordination. Somit gilt es für die Unternehmen, eine Koordinationsform zu wählen, mit der sich die geplanten Transaktionen kostenminimal abwickeln lassen, wobei transaktionskostenbezogene Einsparungspotenziale primär in den spezifischen organisatorischen Merkmalen der Unternehmung verortet sind und sich durch eine entsprechende Gestaltung der institutionellen Regelungen beeinflussen und nutzen lassen. Als wesentliche transaktionskostenrelevante Charakteristika organisatorischer bzw. institutioneller Regelungen identifiziert WILLIAMSON neben den Kosten der Etablierung (Set-up-Kosten) und Nutzung des institutionellen Arrangements eine Reihe von weiteren Faktoren: 657 Konkret benannt werden die Anreizintensität, die Anpassungsfähigkeit sowie die bürokratischen Steuerungs- und Kontrollmechanismen. Die Anreizintensität beschreibt, inwieweit organisatorische Gestaltungsmuster die Mitarbeiter zur Ausfüllung ihrer Verhaltensspielräume i.S.d. Unternehmensziele moti-
656 657
In Anlehnung an Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 180. Vgl. Theuvsen, L. (1997), S. 973; Williamson, O.E. (1991), S. 277 ff.
180
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
vieren, und sie dazu anregen, Kostensenkungen sowie etwaige notwendige Anpassungen an geänderte Rahmenbedingungen zu realisieren.658 Die Anpassungsfähigkeit gliedert sich in die autonome und die kooperative Anpassungsfähigkeit.659 Autonome Anpassungsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit einzelner Transaktionspartner, unabhängig voneinander auf Veränderungen der Umwelt zu reagieren, während kooperative Anpassungsfähigkeit die koordinierte Anpassung umfasst. Eine hohe Anpassungsfähigkeit wirkt dabei tendenziell transaktionskostensenkend. Bürokratische Steuerungs- und Kontrollmechanismen beschränken das individuelle Verhalten der Mitarbeiter.660 Ihre Wirkung auf die Transaktionskosten beruht im Wesentlichen auf zwei Aspekten. So können sie einerseits, ähnlich wie Anreizsysteme auch, opportunistisches Verhalten seitens der Mitarbeiter verhindern. Typischerweise kann dies durch Anweisungen oder hierarchisch determinierte Entscheidungs- und Verhaltensprogramme bzw. regelmäßige Kontrollen erreicht und so Transaktionskosten gesenkt werden. Andererseits beeinflussen sie den Standardisierungsgrad von Transaktionen sowie die kooperative Anpassungsfähigkeit positiv, da sie verbindliche Regelungen für die Durchführung von Transaktionen und die unternehmensweite Anpassung festlegen können. Die Ausprägungen dieser institutionellen Merkmale bestimmen das Potenzial zur Transaktionskostensenkung bzw. -einsparung und sind, wie in Abbildung 30 dargestellt, den Transaktionsbedingungen (Spezifität, Unsicherheit, Häufigkeit) gegenüberzustellen bzw. auf sie abzustimmen. Ziel ist es, eine möglichst gute Übereinstimmung von Transaktionsbedingungen und institutionellem Arrangement zu erreichen.661
658 659 660 661
Vgl. Theuvsen, L. (1997), S. 982. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Theuvsen, L. (1997), S. 983. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Theuvsen, L. (1997), S. 984. Vgl. Theuvsen, L. (1997), S. 973.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis Transaktionsbedingungen
• Spezifität • Unsicherheit • Häufigkeit
181
Organisation potenzielles Ausmaß der Transaktionskosten
Fit
Potenzial zur Einsparung von Transaktionskosten
• Anreizintensität • Anpassungsfähigkeit •Steuerungs- und Kontrollmechanismen • Kosten der Etablierung und Nutzung
Abbildung 30: Transaktionsbedingungen und institutionelle Merkmale662
Grundsätzlich steht dazu eine ganze Reihe verschiedenster Organisations- bzw. Koordinationsformen zur Verfügung. Diese rangieren alle im Spannungsfeld zwischen der vollständigen Internalisierung der Leistungsbeziehung (höchster vertikaler Integrationsgrad) und der damit verbundenen Koordination innerhalb der Unternehmenshierarchie (hierarchieorientierte Spezialisierung) sowie ihrer vollständigen Externalisierung (niedrigster vertikaler Integrationsgrad) und der damit verbunden Koordination allein über den Marktmechanismus (marktorientierte Dezentralisierung). Abbildung 31 stellt exemplarisch einige alternative Koordinationsformen geordnet nach abnehmendem vertikalen Integrationsgrad dar.
662
In Anlehnung an Thevsen, L. (1997), S. 973.
182
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Eigenentwicklung und Eigenherstellung Kapitalbeteiligung an Lieferanten/Abnehmern
bei hoher Ausprägung von Spezifität, Unsicherheit/Komplexität, Häufigkeit
Lieferantenansiedlung Entwicklungskooperationen • mit anschließender Eigenerstellung • mit anschließender Fremdherstellung Langzeitvereinbarung • für spezifische, eigenentwickelte Teile • für spezifische, fremdentwickelte Teile Jahresverträge • mit offenen Lieferterminen und -mengen • mit festen Lieferterminen und -mengen Spontaner Einkauf am Markt
abnehmender vertikaler Integrationsgrad
bei geringer Ausprägung von Spezifität, Unsicherheit/Komplexität, Häufigkeit
Abbildung 31: Alternative Koordinationsformen und Transaktionsbedingungen663
Bezüglich der Vorteilhaftigkeit verschiedener Koordinationsformen ist dabei grundsätzlich Folgendes zu sagen:664 Typischerweise ist die Marktkoordination vorteilhaft, wenn einmalig oder mit geringer Häufigkeit relativ unspezifische, wenig komplexe Leistungen vorliegen und die Unsicherheit gering ist. Hier können über den Preismechanismus die zur Koordination relevanten Informationen effizient beschafft werden. Die Gefahr opportunistischen Verhaltens ist niedrig, sodass keine Absicherung durch Kontroll- und Sanktionsmechanismen notwendig ist. Bei sehr spezifischen, mit hoher Komplexität behafteten und durch häufigen Vollzug gekennzeichneten Leistungsbeziehungen ist die Hierarchie die tendenziell vorteilhaftere Koordinationsform: „Zum einen schränken intensivere und vorwiegend langfristig angelegte Anreiz-, Kontrollund Sanktionssysteme die Freiräume opportunistischen Verhaltens erheblich ein. […] Auf der anderen Seite werden hierarchisch koordinierte Leistungsbeziehungen den Erfordernissen einer unsicheren oder komplexen Umwelt durch die Möglichkeit kurz663 664
In Anlehnung an Picot, A./Dietl, H./Franck, E. (2008), S. 69. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 181. An dieser Stelle soll auf eine detaillierte komparative Analyse von Markt und Hierarchie verzichtet werden. Diese findet sich u.a. bei Theuvsen, L. (1997), S. 978 ff.; Picot, A. (1982), Williamson, O.E. (1991), S. 278 ff.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis
183
fristiger, adaptiver und sequentieller Entscheidungen höherrangiger Instanzen in besonderer Weise gerecht.“665 Mischformen aus hierarchischer und marktlicher Koordination kommen entsprechend bei mittleren Ausprägungen der Transaktionsbedingungen zum Einsatz. Zusammenfassend zeigt sich, dass die Transaktionskostentheorie einen Ansatz darstellt, anhand dessen „jede sozioökonomische Leistungsbeziehung, die als Kontrahierungsproblem formuliert werden kann, in wirtschaftlich sinnvoller Weise“666 gestaltbar ist. Häufigste Anwendung ist die Fundierung von Entscheidungen zu Eigenerstellung oder Fremdbezug von Zwischenprodukten (Bestimmung des vertikalen Integrationsgrades). Aber auch zu Fragen der internen Organisation insbesondere im Hinblick auf Informations- und Kommunikationssysteme oder bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen kann sie einen Beitrag leisten.667 4.2
Transaktionskosten als Einflussgröße prozessorientierter Organisationsstrukturen
4.2.1
Die Prozessorganisation als hybrides Koordinationsmodell
Wie im vorherigen Abschnitt bereits erwähnt wurde, bilden Markt und Hierarchie die Extreme eines weiten Spannungsfeldes an Koordinationsformen, die in Abhängigkeit von den spezifischen Transaktionsbedingungen in ihrer Kostenwirkung unterschiedlich sind. Die Prozessorganisation stellt eigentlich keine Koordinationsform im engeren Sinne dar. Sie ist, ebenso wie die funktionale oder die Spartenorganisation, ein Strukturmodell für die organisatorische Differenzierung bzw. Segmentierung eines Unternehmens.668 Jedoch üben diese Strukturmodelle großen Einfluss auf die Transaktionskosten aus, „da sie unterschiedliche Koordinationsprobleme auslösen, zu deren Bewältigung sich wiederum unterschiedliche Koordinationsinstrumente eignen.“669 Die wesentliche Koordinationsproblematik in der Prozessorganisation ist die crossfunktionale Integration unterschiedlicher Funktionsbereiche. Hierfür hat sich in der 665 666 667 668
669
Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 181. Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 182. Vgl. Picot, A./Dietl., H. (1990), S. 182. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt B sowie hierzu und zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S. 74 ff. Gaitanides, M. (2007), S. 74.
184
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Prozessorganisation eine ganze Reihe spezifischer Koordinationsinstrumente herausgebildet, die primär auf teamartigen Kooperationsstrukturen basieren und auf die Selbstabstimmung abzielen. Die Prozessorganisation ist eine unternehmensinterne Strukturierungsform und könnte daher als eine besondere Ausprägung der Hierarchie aufgefasst werden. Da sie jedoch hinsichtlich ihrer Koordinationsmechanismen sowohl Eigenschaften der markt- als auch der hierarchieorientierten Koordination aufweist, soll sie im Folgenden als ein hybrides Koordinationsmodell verstanden werden, das trotz seines unternehmensinternen Charakters hinsichtlich seiner Abstimmungswirkung im Spannungsfeld zwischen den beiden Extremenformen Markt und Hierarchie angesiedelt ist.670 Bei der nachfolgend vorgenommenen Beurteilung sollen die im vorherigen Abschnitt eingeführten institutionellen Merkmale Anreizintensität, (autonome und kooperative) Anpassungsfähigkeit, bürokratische Steuerungs- und Kontrollmechanismen sowie Kosten der Etablierung und Nutzung herangezogen werden. So weist die Prozessorganisation die positiven Effekte der marktorientierten Dezentralisierung bezüglich der Anreizintensität auf: „Sie beinhaltet ganzheitliche Leistungsprozesse („Rund-um-Bearbeitung“), deren Ergebnis gegebenenfalls in marktfähigen Produkten bzw. in Gütern oder Leistungen für Kundenprozesse besteht.“671 Diese Internalisierung von Marktmechanismen macht es für die in die Prozessabwicklung involvierten Personen erforderlich, sich laufend an die ggf. ändernden Erfordernisse ihrer Abnehmer (interner Folgeprozess oder externer Kunde) anzupassen, und sich dabei unter Umständen auch gegen externe Leistungsanbieter durchzusetzen. Somit bietet der Kundenbezug einen wesentlichen Anreiz für Transaktionseffizienz. Die handelnden Akteure müssen nicht erst durch Anweisungs- und Kontrollmechanismen zur Reduzierung von Kosten und Anpassung an wechselnde Rahmenbedingungen gebracht werden, wie es in der hierarchischen Koordination typisch wäre. Anders verhält es sich bei der autonomen Anpassungsfähigkeit. Genau wie bei anderen Organisationsformen können sich die Organisationseinheiten in einer Prozessorganisation nicht isoliert voneinander neu ausrichten. Insofern können sich einzelne Transaktionspartner (z.B. bestimmte Prozesse, deren Leistung unmittelbar an externe Kunden 670 671
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S. 79 ff. Gaitanides, M. (2007), S. 80.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis
185
gehen) nicht einfach an neuartige Transaktionserfordernisse anpassen, sondern müssen intern untereinander abgestimmt werden. Diese Abstimmung wird durch die beteiligten Prozessverantwortlichen und Prozessteams kooperativ durchgeführt und ist marktlichen Anpassungsmechanismen unterlegen. Hinsichtlich der kooperativen Anpassung verkehrt sich diese Schwäche ins Gegenteil. Anders als in einer funktionalen Organisation, in der derartige Anpassungen primär durch hierarchische Abstimmung vorgenommen werden, wirken in der Prozessorganisation vor allem Selbstabstimmungsmechanismen, die allerdings ähnlich effektiv wie hierarchische Mechanismen sind und daher der prozessorientierten Integration eine gleichermaßen hohe kooperative Anpassungsfähigkeit wie der hierarchieorientierten Spezialisierung zukommen lassen. Diese Selbstabstimmungsmechanismen vereinfachen es, eine bereichs-, d.h. prozessübergreifende Neukombination von Produktionsfaktoren vornehmen zu können, so dass das Unternehmen in seiner Gesamtheit besser reagieren kann. Wirken sich bspw. Änderungen bei den Wünschen der Endkunden unmittelbar auf die Leistungsanforderungen der vorgelagerten Prozessstufen aus, ist aufgrund der Kunden-LieferantenBeziehung zwischen einzelnen Prozessstufen leichter zu realisieren, dass sich das gesamte Prozessgefüge koordiniert auf die neuen Bedingungen einstellt. Die Selbstabstimmung und die kooperative Anpassung spielen auch im Zusammenhang mit den bürokratischen Steuerungs- und Kontrollmechanismen eine wichtige Rolle. In der Prozessorganisation tritt in weiten Teilen der Marktmechanismus an die Stelle bürokratischer Steuerungsmechanismen. Während Vertrauen in die Führung in der funktionalen Organisation unbedingt notwendiges Effizienzkriterium ist, basieren Steuerung und Kontrolle der Prozessorganisation auf Standardisierung und kooperativer Anpassung.672 Einzelne Prozesse erhalten Steuerungs- und Regelungsimpulse von ihren jeweilig vor- bzw. nachgelagerten Prozessen, und aufgrund der inhaltlich starken Verknüpfung innerhalb der Prozesskette resultiert daraus eine ganzheitliche Abstimmung, die das Fehlen bürokratischer Steuerungsmechanismen auch hinsichtlich unternehmensweiter Abstimmungserfordernisse kompensieren kann. Die Standardisierung der Prozessabläufe trägt diesbezüglich dazu bei, dass die Transaktionen laufend den Erfordernissen gerecht werden, sodass sich der Kontrollbedarf verringert. Über solche Mechanismen kann „die größere Problemumsicht der übergeordneten Einheiten“673 672 673
Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 80 f. Theuvsen, L. (1997), S. 984.
186
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
auch bei prozessorientierter Integration ähnlich gut wie bei hierarchieorientierter Spezialisierung unternehmensweit in die Transaktionsabläufe einfließen. Beide Koordinationsformen sind in diesem Punkt der marktorientierten Abstimmung überlegen. Bezüglich der Kosten der Etablierung und Nutzung des Organisationssystems zeichnet sich die prozessorientierte Integration ähnlich wie die marktorientierte Koordination durch höhere Set up-Kosten aus. Diese resultieren aus den hohen Anforderungen an Qualifikation und Entscheidungsinfrastruktur aufgrund erweiterter Entscheidungshorizonte und komplexerer Aufgabeninhalte. Wie auch bei Einführung der marktorientierten Koordinationsmechanismen müssen damit auch der prozessorientierten Integration umfassende Personalentwicklungen vorausgehen. Hinsichtlich der Nutzungskosten sind prozessorientierte Integration und marktorientierte Dezentralisierung gegenüber der hierarchieorientierten Spezialisierung dagegen im Vorteil. Durch den hohen Delegationsgrad von Entscheidungen und die geringere Notwendigkeit, innerbetriebliche Leistungsverflechtungen bürokratisch steuern zu müssen, kann auf weite Teile des mittleren Managements verzichtet werden, und es entstehen im Vergleich zur hierarchieorientierten Spezialisierung geringere Overheadkosten.674 Wie also ersichtlich ist, vereint die Prozessorganisation Eigenschaften von hierarchischer und marktorientierter Koordination im Rahmen der Prozessorganisation in sich, daher kann sie im Hinblick auf ihre Abstimmungsmechanismen als hybride Koordinationsform bezeichnet werden. 675 Die mit den jeweilig anderen Koordinationsformen geteilten Vor- oder Nachteile prägen sich aufgrund des hybriden Charakters der prozessorientierten Integration dabei etwas weniger stark aus. Die Prozessorganisation nimmt hinsichtlich der Effizienz daher insgesamt eine mittlere Position ein (Vgl. Tabelle 6).
674 675
Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 81. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S. 80.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis Hierarchie
Prozessorganisation
187 Markt
Anreizintensität
-
+
Autonome Anpassungsfähigkeit
-
+
kooperative Anpassungsfähigkeit
+
-
Bürokratische Steuerung und Kontrolle
+
-
Kosten der Etablierung des Organisationssystems
+
-
Kosten der Nutzung des Organisationssystems
-
+
Tabelle 6: Effizienz alternativer Koordinationssysteme676
4.2.2
Einfluss der Transaktionsbedingungen auf die Vorteilhaftigkeit prozessorientierter Koordination
Im Abschnitt zuvor wurde festgestellt, dass die Prozessorganisation Vorteile marktlicher und hierarchischer Koordinationsformen in sich vereinigt. Sie ist grundsätzlich immer dann von Vorteil, wenn Flexibilitätsvorteile und Transaktionskostenersparnisse die aus der charakteristischen Mischung hierarchischer und marktlicher Koordinationsmechanismen die entgangenen Produktivitätsvorteile der funktionalen Arbeitsteilung überkompensieren können.677 Wie in Abschnitt C 4.1 erörtert wurde, resultieren die Transaktionskosten nicht aus den institutionellen Merkmalen allein. Vielmehr ist die Kombination aus organisationalen Merkmalen und Transaktionsbedingungen für die entstehenden Transaktionskosten entscheidend. Die Vorteilhaftigkeit einer bestimmten Koordinationsform ist damit nicht absolut gegeben, sondern abhängig von den jeweilig vorherrschenden Transakti676 677
In Anlehnung an Gaitanides, M. (2007), S. 79; Theuvsen, L. (1997), S. 985. Vgl. Picot, A./Dietl, A./Franck, E. (2008), S. 311.
188
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
onsbedingungen. Im Folgenden ist daher zu überprüfen, inwieweit die Transaktionsbedingungen etwaige Vorteile negativ oder positiv beeinflussen und unter welchen Bedingungen sich die Prozessorganisation als vorteilhaft erweist.678 Von besonders großer Bedeutung ist die Spezifität einer Transaktion, wobei in der Literatur die Infrastruktur-, Prozess-, Kunden- sowie funktionale Spezifität hervorgehoben werden. 679 Diese Systematisierung, die sicherlich nicht abschließend ist, basiert auf der Überlegung, dass sich die Spezifität bzw. die spezifischen für die Abwicklung der Transaktion zu tätigenden Investitionen auf bestimmte Teilaspekte der Transaktion bzw. ihrer Abwicklung beziehen. Entsprechend bezeichnet die Infrastrukturspezifität die durch Investitionen in den notwendigen wirtschaftlichen und technischen Unterbau geschaffene Spezifität. Analoges gilt für die Prozessspezifität hinsichtlich der Gestaltung einzelner Prozessstufen. Die Kundenspezifität meint den Grad der Spezialisierung der Transaktion auf die Bedürfnisse bestimmter Kunden. Sie ist umso größer, je enger das Feld an potenziellen Leistungsabnehmern aufgrund der Anpassung an spezifische Kundenbedarfe wird.680 Funktionale Spezifität bezieht sich auf das Know-How, das der Ausführung der einzelnen Tätigkeitsstufen einer Transaktion zugrunde liegt. Dieses ist typischerweise einem Funktionsbereich zugeordnet. Zeichnet sich dieses KnowHow durch eine hohe Komplexität aus, liegt eine hohe funktionale Spezifität vor.681 Nach Auffassung von PICOT/DIETL/FRANCK ist die Spezifität wesentlich für die Gestaltung der Arbeitsorganisation hinsichtlich der Priorisierung von funktions- oder prozessorientierter Strukturen.682 Für Aufgaben mit einer hohen Infrastruktur- und funktionalen Spezifität empfiehlt sich eine funktionale Spezialisierung, wohingegen Aufgaben mit hoher Prozess- und Kundenspezifität, die weitgehend durch Standardregeln beschrieben werden können, nach prozessorientierten Gesichtspunkten zu organisieren sind.683
678
679 680 681 682 683
Die folgenden Ausführungen behandeln, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, nur die Transaktionsbedingungen der Spezifität, Unsicherheit und Häufigkeit. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 84 ff. für eine detailliertere Analyse auch anderer Einflussgrößen. Vgl. Picot, A./Dietl, A./Franck, E. (2008), S. 309 f. So weisen Leistungen, die individuell auf nur einen einzigen Kunden zurechtgeschnitten und anderweitig nicht absetzbar sind, die höchste Kundenspezifität auf. Das ist z.B. der Fall, wenn erst eine aufwendige Ausbildung der Akteure erforderlich ist. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Picot, A./Dietl, A./Franck, E. (2008), S. 306 ff. Vgl. Picot, A./Dietl, A./Franck, E. (2008), S. 310.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis
189
Aus diesen Grundtendenzen erwächst aufgrund der Vielfältigkeit der Aufgaben- bzw. Transaktionstypen die variierende Ausprägungen von Infrastruktur- und funktionaler Spezifität sowie Kunden- und Prozessspezifität aufweisen, das in Abbildung 32 dargestellte Kontinuum an Gestaltungsalternativen. Dieses reicht von einer rein funktionalen Spezialisierung über verschiedene Mischformen bis hin zum Prozessmanagement als Case Management. Auf eine detaillierte Erörterung der dort dargestellten prozessorientierten Gestaltungsformen soll hier verzichtet werden.684 Lediglich die in Abbildung 32 dargestellten „Extrempositionen“ sollen hier zur Verdeutlichung kurz erörtert werden.685
Zentralisierungskräfte • Spezialisten-Know-how • Unteilbarkeit • Kernkompetenzen Prozess- und Kundenspezifität
Infrastruktur- und funktionale Spezifität
niedrig Funktionale Spezialisierung/ Zentraler Service
hoch
hoch
Funktionale Spezialisierung mit prozessorientierten Stabsstellen Matrix aus funktionalen und prozessorientierten Organisationseinheiten Prozessteam aus funktionalen Spezialisten
niedrig
Case Management mit Zugriff auf funktionale Dienstleister / Stäbe Case Management als Prozessspezialisierung
Dezentralisierungskräfte • unabhängige Prozesse • Prozessspezifika • Kundenspezifika
Abbildung 32: Gestaltungsalternativen zwischen Funktions- und Prozessspezialisierung686 684 685
686
Vgl. hierzu auch die grundlegenden Ausführungen in Abschnitt B. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Schober, H. (2002), S. 92; Picot, A./Dietl, A./Franck, E. (2008), S. 310. Picot, A./Dietl, A./Franck, E. (2008), S. 309.
190
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Sehr hohe Infrastruktur- und funktionale Spezifität bedeuten, dass hohe Investitionen in Know-How und technische Einrichtungen vonnöten sind. Ist gleichzeitig die Prozess- und Kundenspezifität sehr niedrig, d.h., das Leistungsangebot ist nicht spezifisch auf einen sehr engen Kundenkreis zugeschnitten, ist die funktionale Organisation mit einem hohen Spezialisierungsgrad zu präferieren. So lassen sich spezialisierte Technologien oftmals nicht in beliebig kleine Einheiten teilen und in kleine Prozessschritte integrieren, Experten können ihr Wissen nur im Dialog mit anderen Experten weitergeben bzw. entwickeln und müssen somit in funktionalen Bereichen zentralisiert eingesetzt werden. In einer Prozessorganisation wären ein sehr hoher Koordinationsaufwand in Kauf zu nehmen, um zwischen den „verstreuten“ Wissensträgern die erforderlichen Synergien zu erzeugen, und ein starker Qualitätsverlust bei den Leitungen sehr wahrscheinlich. Know-How bzw. unteilbare Ressourcen und Kernkompetenzen wirken daher als Zentralisierungskräfte der prozessorientierten Integration entgegen.687 Umgekehrt empfiehlt sich bei Transaktionen mit niedriger Infrastruktur- bzw. funktionaler Spezifität und hoher Prozess- bzw. Kundenspezifität die prozessorientierte Gestaltung in Form eines Case Managements an. Aufgrund der gering ausgeprägten funktionalen Spezifität ist stark spezialisiertes Expertenwissen bei der Leistungserbringung nicht erforderlich. Es würde in diesem Zusammenhang nicht genutzt und damit entwertet werden. Die Abläufe der Transaktion werden durch explizite Standardregeln festgeschrieben. Dabei muss der hohen Kundenspezifität durch verschiedene Leistungsvarianten, -kombinationen und -module entsprochen werden.688 Transaktionen können dann für jeden „Fall“ von den jeweiligen Prozessteams abgewickelt werden. Man gewinnt die Abstimmungsvorteile der Aufgabenintegration, ohne Qualitätseinbußen bei der Durchführung der einzelnen Transaktionsschritte in Kauf zu nehmen.689
687
688
689
Man beachte, dass dieser Auffassung lediglich transaktionskostenbezogene Überlegungen zugrundeliegen. Der in Abschnitt C 3. dargestellte Zusammenhang zwischen Prozessmanagement und (Kern-)Kompetenzentwicklung wird an dieser Stelle nicht berücksichtigt. Ein typisches Beispiel wäre in diesem Zusammenhang die Bearbeitung eines Versicherungsantrages, die zwar individuell für nur einen einzigen Kunden erfolgt, allerdings auf der Grundlage von standardisierten Abläufen mit vielfältigen Alternativen. Vgl. Picot, A./Dietl, A./Franck, E. (2008), S. 309.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis
191
Zusammenfassend zielt die Prozessorganisation also tendenziell eher auf Transaktionen mit insgesamt (d.h. sowohl Infrastruktur- und funktionale als auch Prozess- und Kundenspezifität berücksichtigend) mittlerem Spezifitätsgrad ab.690 In Verbindung mit der Transaktionsspezifität hat auch die Unsicherheit einen starken Einfluss auf die Gestaltung der Organisationsstruktur. Je größer die Unsicherheit ist, desto größere Vertragslücken entstehen zwischen den Transaktionspartnern, die wiederum größere Konsequenzen haben, je mehr spezifische Investitionen getätigt wurden.691 „Unsicherheit lässt sich zurückführen auf die Komplexität und Dynamik der Problemstruktur.“692 In einer hoch dynamischen und komplexen Umwelt entstehen der funktionalen Organisation hohe Entscheidungs- und Informationskosten, weil die Unternehmensführung zentral sowohl die strategischen als auch viele operativen Entscheidungen trifft.693 So treten leichter Engpässe bei den Managementressourcen auf, Fehlentscheidungen, die einer Revision bedürfen, häufen sich. Ferner muss das spezifische Wissen einzelner Mitarbeiter über ihre spezielle Umwelt, insbesondere hinsichtlich ihrer Transaktionspartner zur zentralen Entscheidungsfindung erst dem Management übermittelt werden. In der Prozessorganisation dagegen steigt der Anteil an Gruppenentscheidungen, wobei vor allem horizontale Kommunikationskanäle in Anspruch genommen werden, was sich positiv auf die Informationskosten auswirkt. Zwar steigt durch die höhere Anzahl an Gruppenentscheidungen auch der Ressourceneinsatz im Entscheidungsprozess, jedoch sinkt der Revisionsbedarf, da das spezifische Wissen unmittelbar in die Entscheidungsfindung eingeht. Prozessorientierte Koordinationsformen erweisen sich somit insgesamt aufgrund stärker ausgeprägter Selbstabstimmungsmechanismen als tendenziell besser geeignet, dynamischen Umweltentwicklungen gerecht zu werden, wohingegen funktionale Organisationsformen sich eher dazu eignen, komplexe Problemstellungen in einem statischen Unternehmensumfeld zu bewältigen.694
690 691 692 693 694
Bei insgesamt niedriger Spezifität ließen sich die Transaktionen dagegen einfach über den Markt abgewickelt werden. Vgl. hierzu die grundlegenden Ausführungen in Abschnitt C 4.1. Vgl. Theuvsen, L. (1997), S. 987. Theuvsen, L. (1997), S. 987. Vgl. hierzu und den folgenden Ausführungen Windsperger, J. (2001), S. 167 ff. Ähnlich argumentiert auch Gaitanides, M. (2007), S. 88 f., der in diesem Zusammenhang u.a. darauf hinweist, dass mittels der Koordination durch Prozessteams die Anreizintensität in der Prozessorganisation erhöht wird.
192
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Die Bedeutung der Häufigkeit einer Transaktion ist als eher nachrangig einstufen. Ähnlich wie die Unsicherheit jedoch gewinnt die Häufigkeit der Austauschvorgänge beim gemeinsamen Auftreten mit hoher Spezifität größeren Einfluss auf die Auswahl geeigneter Koordinationsmechanismen.695 Dieser Einfluss „beruht auf der Möglichkeit, die u.U. hohen Kosten institutioneller Regelungen, die auf die spezifischen Anforderungen nicht standardisierter Transaktionen zugeschnitten sind, zu amortisieren.“696 Unter Umständen benötigen sehr spezifische Investitionen zur Amortisation eine hohe Anzahl an abgewickelten Transaktionen, sodass die Häufigkeit einer geplanten Transaktion wichtiges Kriterium bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit darstellt. Auch ist es denkbar, dass eine hohe Häufigkeit ein größeres Ausmaß an Investitionen zur Folge hat und somit die Spezifität verstärkt. Auch hier weist die Prozessorganisation Vorteile auf, wenn Leistungen bzw. Produkte in verschiedenen Varianten anzufertigen sind und damit der Abstimmungsaufwand zwischen den einzelnen Fertigungsschritten relativ hoch ist.697 Typischerweise zeichnen sich solche Transaktionen durch einen mittleren Häufigkeitsgrad aus, der unter dem einfacher, unspezifischer Markttransaktionen (z.B. der Belieferung mit einem häufig benötigtem aber einfachen Vorprodukt wie Standardschrauben) und über dem vollständig internalisierter, hochspezifischer Transaktionen (z.B. Produktentwicklung) liegt. Insgesamt zeigt sich der große Einfluss der Transaktionsbedingungen auf die Vorteilhaftigkeit prozessorientierter Koordinationsformen. Die Prozessorganisation erweist sich aufgrund ihres hybriden Charakters v.a. bei mittleren Ausprägungen von Spezifität, Unsicherheit und Häufigkeit als vorteilhaft.698 Insofern liefert auch die Transaktionskostentheorie einen theoretischen Erklärungsbeitrag für die Existenz prozessorientierter Organisationsformen und kann im Kontext dieser Arbeit zur theoretischen Fundierung des Prozessmanagements herangezogen werden. Dieses soll im nächsten Abschnitt für die strategische Dimension erfolgen.
695 696 697 698
Vgl. Picot, A./Dietl, A./Franck, E. (2008), S. 61; Theuvsen, L. (1997), S. 987. Theuvsen, L. (1997), S. 987. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 90. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 84.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis
4.3
193
Strategisches Prozessmanagement aus transaktionskostenorientierter Perspektive
Wie die Ausführungen in Abschnitt C 4.2 zeigen, können mit Hilfe der Transaktionskostentheorie Anregungen zur ökonomisch zweckmäßigen Gestaltung der Fertigungstiefe formuliert und begründet werden. Im Kontext des strategischen Prozessmanagements geht es dabei zunächst um das Abstecken der „claims“, d.h. die Klärung der Frage, welche Aktivitäten in das Unternehmen integriert werden (interorganisationale Perspektive).699 Theoretisch könnte die gesamte Wertschöpfung „von der Rohstoffgewinnung bis zur Produktion und Vermarktung untergehender Konsumgüter“700 als einziger Prozess definiert und innerhalb eines Unternehmens abgewickelt werden. Ausschlaggebend für die Integrationsentscheidung aus transaktionskostenorientierter Perspektive ist die Transaktionsbeziehung, d.h. die jeweilige Ausprägung von Spezifität, Unsicherheit und Häufigkeit zwischen den einzelnen Stufen des „Gesamtprozesses.“ Analog zu den allgemeinen Ausführungen in Abschnitt C 4.1 gilt, dass bei zunehmender Ausprägung von Spezifität, Unsicherheit und Häufigkeit benachbarte Prozessstufen innerhalb des Unternehmens koordiniert werden sollten. Abseits dieser allgemeinen Tendenzaussagen, so ist einschränkend anzumerken, fällt eine Fundierung von strategischem Prozessmanagement auf Basis der Transaktionskostentheorie allein relativ schwer. Auf der Grundlage der Transaktionskostentheorie lässt sich unter bestimmten Bedingungen ein Transaktionskostenvorteil der Prozessorganisation gegenüber der funktionalen Organisation konstatieren. Über die strategischen Vorteile, die dem Unternehmen daraus erwachsen können, lassen sich jedoch keine eindeutigen Aussagen treffen. Dies liegt zum einen an der (bisher) mangelnden Operationalisierbarkeit von Transaktionskosten. Zum anderen lässt sich kein eigenständiges strategisches Paradigma dergestalt ableiten, dass die nachhaltige Entstehung und Nutzung von Erfolgspotenzialen in der Prozessorganisation erklärt werden könnte und sich daraus Handlungsempfehlungen ableiten ließen. Im Folgenden soll daher geprüft werden, inwieweit sich die Postulate von Market-based View und Resourcebased View durch transaktionskostentheoretische Aspekte noch ergänzen und vertiefen lassen. 699 700
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Picot, A./Franck, E. (1996), S. 27 ff. Picot, A./Franck, E. (1996), S. 27.
194
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Ein denkbares aus der Prozessorganisation erwachsendes Erfolgspotenzial kann eine gegenüber der funktionalen Organisation überlegene Kostenposition darstellen, die aus der Einsparung von Transaktionskosten resultiert. So könnte ggf. einem marktorientierten Ansatz folgend eine Kostenführerschaft realisiert werden. Zur Stützung dieser These sind die prozessorientierte und die funktionale Organisation zu vergleichen. Grundsätzlich verfügt die funktionsorientierte Organisation hinsichtlich der Gesamtkosten (Transaktions- und Produktionskosten) gegenüber der Prozessorganisation an den folgenden Stellen über Vorteile:701 x Bessere Möglichkeit zur Ausnutzung komparativer Vorteile: Funktionsorientiert gebildete Stellen heben einen genau abgegrenzten Tätigkeitsbereich, der sehr spezifisch eingegrenzte Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert. So können Mitarbeiter ihre individuellen Begabungen fokussiert einsetzen und weiterentwickeln. Auch fällt die Suche nach neuen, qualifizierten Mitarbeitern leichter. x Reduzierte Personalkosten: Aufgrund des eingeschränkten Tätigkeitsspektrums müssen Mitarbeiter weniger umfangreich ausgebildet werden. Entsprechend der jeweiligen Aufgabe kann Personal mit unterschiedlichen Fähigkeiten und unterschiedlicher Entlohnung ohne intensiven Schulungsbedarf eingestellt werden. x Realisierung von Skalenerträgen: Durch wiederholte Ausführung gleicher Tätigkeiten kann es durch Lerneffekte zu Skalenerträgen kommen. Arbeitskosten sinken pro Produktionseinheit, Fixkosten können auf größere Ausbringungsmengen verteilt werden. Es ist ersichtlich, dass die Vorteile der funktionalen Organisation sich primär bei den Produktionskosten niederschlagen, wohingegen die Nachteile im Wesentlichen auf die Transaktionskosten wirken: x Erhöhte Kosten der Informationsübermittlung: Baut der Mitarbeiter im Rahmen seiner Tätigkeitsausübung spezielles Wissen auf, fallen hohe Kosten bei der Distribution dieser Information innerhalb des Unternehmens an, sofern dieses Wissen zur Durchführung des Gesamtprozesses relevant ist.
701
Vgl. zu den folgenden Aspekten Jost, J.-P. (2001a), S. 307 f.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis
195
x Hohe Abstimmungskosten: Aufgrund mannigfaltiger simultaner Interdependenzen702 ist der Abstimmungsbedarf zwischen einzelnen Mitarbeitern und Abteilungen sehr hoch. Entscheidungen sind unter hohen Koordinationsanstrengungen zu treffen, und es müssen dementsprechend hohe Koordinationskosten in Kauf genommen werden. x Geringere Flexibilität: Durch die starke Spezialisierung einzelner Stelleninhaber können diese bei Ausfall schwerer ersetzt werden. Auch ist es nur bedingt möglich, Stelleninhaber in anderen Bereichen einzusetzen. In der Prozessorganisation sind Mitarbeiter wegen ihrer breiteren Ausbildung flexibler einsetzbar. x Erschwerte Anreizgestaltung: In der funktionalen Organisation bewältigt der einzelne Mitarbeiter ein relativ kleines Spektrum der Gesamtverrichtung. Somit ist der von ihm geschaffene Anteil an der Gesamtwertschöpfung vergleichsweise gering und auch schwierig zu quantifizieren. Entsprechend sind leistungsbasierten Anreizsystemen enge Grenzen gesetzt, ein Umstand, der sich auch in höheren Motivationskosten niederschlägt. Zusammenfassend weist die funktionale Organisation zwar reduzierte Produktionskosten auf, zieht aber höhere Koordinations- und Motivationskosten nach sich.703 Somit lassen sich etwaige Kostenvorteile von prozessorientierten Unternehmen bei spezifischen Transaktions- und Umweltkonstellationen auch transaktionskostentheoretisch begründen. Dem strategischen Management obliegt es, die Vor- und Nachteile beider Organisationsformen gegeneinander abzuwägen. Abbildung 32 veranschaulicht die Kostensituation der hier diskutierten alternativen Strukturierungsformen Prozess und Funktion. Die jeweiligen Kosten (K) und deren (hier als idealtypisch unterstellte) Verläufe werden in Abhängigkeit vom Grad der horizontalen Differenzierung dargestellt.704 Wie gezeigt wird, kann die Realisierung einer Strategie der Kostenführer702
703 704
Simultane Interdependenzen bezeichnen an dieser Stelle die Verflechtungen zwischen den Aufgabeneinheiten während der Leistungserstellung. Aufgrund der starken Spezialisierung und der damit verbundenen Eingrenzung des Aufgabenspektrums einzelner Aufgabenträger müssen in der funktionalen Organisation viele verschiedene Bereiche entlang der Wertschöpfungskette koordiniert werden. In der Prozessorganisation sind die einzelnen Aufgabeneinheiten dagegen stärker interdisziplinär ausgeprägt und damit breiter ausgerichtet, wodurch die Anzahl von Schnittstellen gegenüber der funktionalen Organisation geringer ausfällt. Vgl. Jost, J.-P. (2001a), S. 308. Der Grad der horizontalen Differenzierung gibt Aufschluss darüber, inwieweit die Gesamtaufgabe einer Unternehmung in einzelne Teilaufgaben zerlegt wird und welche Teilaufgaben einzelnen Aufgabenträgern übertragen werden. Es wird hier in Anlehnung an Jost, J.-P. (2001a), S. 304 ff., attestiert der funktionalen Organisation aufgrund ihrer gegenüber der Prozessorganisation stärker
196
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
schaft nur dann durch die Prozessorganisation umgesetzt werden, wenn die Gesamtkosten (GK) in der Prozessorganisation als Summe aus Transaktions- und Produktionskosten (TK bzw. PK) unter denen der funktionalen Organisation liegen. Im, in Abbildung 33 dargestellten, Idealfall würde die Prozessorganisation aufgrund ihrer Transaktionskostenvorteile im Gesamtkostenminimum operieren und könnte so leicht eine Kostenführerschaftstrategie verfolgen.
Kosten GK
TK
PK Grad der horizontalen Differenzierung
Prozessorganisation
funktionale Organisation
Grad der horizontalen Differenzierung
Abbildung 33: Ursachen für Kostenvorteile der Prozessorganisation705
Für das Management ist es in diesem Zusammenhang besonders wichtig, neben den Transaktionsbedingungen auch die Wertschöpfungsaktivitäten sowie deren Interdependenzen untereinander zu analysieren. Aus ressourcenorientierter Perspektive leistet die Transaktionskostentheorie einen zusätzlichen Beitrag zur Charakterisierung bzw. Bewertung des „diffusen Erfolgspotenzials Wissen“.706 So können die bisherigen Klassifizierungen in implizites oder expli-
705 706
ausgeprägten Spezialisierung, einen höheren horizontalen Differenzierungsgrad als der Prozessorganisation. In Anlehnung an Jost, J.-P. (2001a), S. 309. Vgl. Rasche, C. (1994), S. 119.
4 Die Transaktionskostentheorie: Ergänzende theoretische Basis
197
zites Wissen, Führungs- oder Ausführungswissen sowie die Zuordnung von prozessrelevantem Wissen zu verschiedenen Ebenen (Know-How, Know-What, Know-Why) sinnvoll ergänzt werden. Auch die Bedeutung von Wissen für das strategische Management kann auf der Basis transaktionskostentheoretischer Überlegungen näher analysiert werden. SPENDER entwickelt in diesem Zusammenhang eine dreistufige Systematisierung, die sich v.a. an dem Transparenzgrad von Wissen orientiert.707 Die erste Abstufung bezeichnet Wissen, das über sowohl für unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Akteure einen hohen Transparenzgrad aufweist. Es handelt sich hierbei vor allem um objektives, explizites Ausführungswissen auf der Ebene des Know-Hows. Dieses Wissen zeichnet sich durch eine hohe Transaktionsfähigkeit bei geringer strategischer Relevanz aus, d.h., es lässt sich günstig und sicher über den Marktmechanismus beziehen und koordinieren. Für das strategische Management bedeutsam sind v.a. die zweite und dritte Abstufung. „Die zweite Abstufung bezieht sich auf die möglichst nutzenbringende Anwendung der [..] Technologien und Kompetenzfelder einer Unternehmung.“708 Sie umfasst implizites, oftmals in Routinen des Unternehmens verortetes Wissen auf der Ebene des Know-Whats, das auch verhaltensbedingte bzw. organisatorische Faktoren einschließt. Dieses Wissen ist unternehmensinternen Akteuren weitgehend transparent. Die dritte Abstufung beinhaltet „das schwer kodifizierbare, intransparente und nichttransaktionsfähige Kernwissen einer Unternehmung.“709 Dieses Wissen ist ausschlaggebend für die stetige (Weiter-)Entwicklung von Erfolgspotenzialen und entspricht weitestgehend dem Know-Why. Es lassen sich nunmehr ressourcenorientierte Überlegungen zur Internalisierung strategisch relevanter Wissens- bzw. Kompetenzstrukturen auch transaktionskostentheoretisch begründen. So könnten Wissensträger strategisch bedeutsamen Wissens geneigt sein sich opportunistisch zu verhalten, und so die höhere Intransparenz ihres Wissens ausnutzen. Mit einem steigenden Transparenzgrad von Wissen geht ein geringeres Opportunismusrisiko einher, gleichzeitigt sinkt jedoch auch das rentengenerierende Potenzial einer Ressource. Diesen Umständen ist transaktionskostentheoretisch durch Internalisierung und hierarchische Koordinationsmechanismen zu begegnen: Es erge707 708 709
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Spender, J.-C. (1993) S. 26. Rasche, C. (1994), S. 118. Rasche, C. (1994), S. 119.
198
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
ben sich für strategisch wichtige Ressourcen besondere Anforderungen hinsichtlich deren Geheimhaltung und Schutz, „die häufig entweder nur intern oder aber im Falle eines Fremdbezuges unter Inkaufnahme erheblicher Kontrollkosten erfüllt werden können.“710 Die Internalisierung von Ressourcen zur Wahrung ihres intransparenten Charakters nach außen hin ist ein wichtiger Mechanismus zur Erhaltung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, induziert allerdings höhere Koordinationskosten. Strategisch bedeutsame, firmenspezifische Ressourcen verursachen somit, nicht zuletzt aufgrund ihres hohen Anteils an tazitem Wissen, hohe Transaktionskosten.711 Insofern sind Transaktionskosten wichtige Indikatoren für das strategische Prozessmanagement. Sie können ferner Aufschluss über die strategische Relevanz des einzelnen Prozessabläufen zugrundeliegenden Wissens geben und damit zur Identifizierung von Kernprozessen herangezogen werden. Die aus dem Resource-based View abgeleiteten strategischen Postulate können also anhand der Transaktionskostentheorie argumentativ erweitert werden, die aus beiden Ansätzen abgeleiteten Handlungsempfehlungen gehen in dieselbe Richtung.712 Eine besondere Relevanz dieser Zusammenhänge für die Prozessorganisation und das strategische Prozessmanagement lässt wegen der Verbindung von Wissen und Prozessen konstatieren. So liegt eine Stärke der Prozessorganisation in der explorativen Ausnutzung tazitem Wissens zur nachhaltigen Generierung von Kernkompetenzen.713 Es zeigt sich, dass die Transaktionskostentheorie durchaus einen Beitrag zur Fundierung von strategischem Prozessmanagement leisten kann. Aufgrund der geringen Operationalisier-barkeit von Transaktionskosten sind dem Transaktionskostenansatz jedoch Grenzen gesetzt. So wurde bei den bisherigen Ausführungen angenommen, Transaktionskosten seien ansatzweise operationalisierbar bzw. wenigstens komparativ analysierbar. Eine hinreichende Methodik zur Quantifizierung von Transaktionskosten liegt jedoch bisher nicht vor. Probleme bestehen insbesondere aufgrund der eingeschränkten objektiven Messbarkeit und der wenig eindeutigen Abgrenzbarkeit von den Produktionskosten.714 Weitere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Herleitung von Kostenfunktionen, „die eine Beziehung zwischen Transaktionskosten und Transakti710 711 712 713 714
Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 219. Vgl. Windsperger, J. (2001), S. 163. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 219. Vgl. Benner, M.J./Tushman, M.L. (2003), S. 243. Vgl. zu den folgenden Aspekten Weber, J./Weißenberger, B.E./Löbig, M. (2001), S. 417 ff.
5 Ganzheitliche Betrachtung des strategischen Prozessmanagements
199
onstypen herstellen“715 sowie bei der praktischen Ausgestaltung der eher allgemein und unpräzise definierten Transaktionstypen innerhalb einer Transaktionskostenrechnung.716 Die auf der Grundlage von transaktionskostenbezogenen formulierten Empfehlungen haben daher einen allgemeinen Charakter und sind lediglich Tendenzaussagen. Sie lassen sich nicht auf konkrete prozessbezogene Fragestellungen wie die Teamgröße, -zusammensetzung oder interne Aufgabenverteilung übertragen.717 5
Ganzheitliche Betrachtung des strategischen Prozessmanagements
Bisher wurde nur eine Teilbetrachtung durchgeführt, in der Market-based View, Resource-based View und transaktionskostentheoretische Aspekte isoliert voneinander auf ihre Implikationen für das strategische Prozessmanagement hin untersucht wurden. Im Folgenden sollen die diskutierten Ansätze erst allgemein und dann explizit auf das strategische Prozessmanagement bezogen kombiniert werden. Der Schwerpunkt bei der Integration der unterschiedlichen Theorien soll auf der Verbindung von markt- und ressourcenorientierter Perspektive liegen, da diese für das strategische Prozessmanagement die größte Bedeutung haben. Nach erfolgter Zusammenführung von marktund ressourcenorientiertem Ansatz sollen wichtige transaktionskostenorientierte Aspekte ergänzt werden, um so eine breitere Grundlage für die theoretische Fundierung des strategischen Prozessmanagements zu erhalten. 5.1
Vergleich von markt- und ressourcenorientiertem Ansatz
Markt- und ressourcenorientierter Ansatz versuchen gleichermaßen Wettbewerbsvorteile und dauerhaften Erfolg von Unternehmen zu erklären, unterscheiden sich in ihren Argumentationen jedoch grundlegend.718 Dennoch wird in der Literatur vielfach auf die Komplementarität von markt- und ressourcenorientierter Managementperspektive hingewiesen.719 Auch im Verlauf dieser Arbeit wurden bereits implizit komplementäre Aspekte beider Ansätze angedeutet. So wurde beispielsweise im Zusammenhang mit der Differenzierungsstrategie auf die Erforderlichkeit entsprechender „Kompetenzen“ 715 716
717 718 719
Weber, J./Weißenberger, B.E./Löbig, M. (2001), S. 439. Vor diesem Hintergrund konstatieren Weber, J./Weißenberger, B.E./Löbig, M. (2001), S. 441:„Die aus Sicht des Theoretikers gewünschte Fundierung grundlegender transaktionskostentheoretischer Zusammenhänge lässt sich -nicht zuletzt aufgrund der aufgezeigten Operationalisierungsprobleme- jedoch (wohl auf Dauer) nicht realisieren.“ Vgl. Schober, H. (2002), S. 93 f. Vgl. Mikus, B. (2003), S. 387. Vgl. u.a. Amit, R./Schoemaker, P.J.H. (1997), S. 35; Krüger, W./Homp, C. (1997), S.64 ff.; Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 178 f.; etwas abweichend davon bspw. Börner, C. (2000a), S. 693.
200
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
des strategischen Managements bei der den externen Anforderungen gerecht werdenden Gestaltung der unternehmenseigenen Wertkette hingewiesen. Ferner wurden bei der ressourcenorientierten Fundierung von strategischem Prozessmanagement im Zusammenhang mit dem Open System View auch unternehmensexterne Aspekte in die Überlegung mit einbezogen. Beide Konzepte weisen Berührungspunkte auf, „da beim marktorientierten Ansatz das Vorhandensein geeigneter Ressourcen als erforderlich angesehen wird und dem ressourcenorientierten Ansatz zufolge die Nutzung der Ressourcen zur Gestaltung von Angeboten auf bestimmten Märkten und damit zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen dient.“720 Allerdings scheint die pauschale Feststellung von Komplementarität aufgrund einiger Unterschiede durchaus problematisch zu sein.721 Diese Unterschiede zwischen beiden Konzepten lassen sich in enger Anlehnung an BÖRNER wie folgt subsumieren: Der Market-based View bezieht sich im Wesentlichen auf reife Märkte, in denen die Branchenstruktur hinreichend gefestigt ist, um dort eine Positionierung anhand ihrer Merkmale möglich zu machen. Der Resource-based View fokussiert insbesondere emergente Märkte, wobei seine Postulate sich jedoch auch auf reifere Märkte anwenden lassen. Auch lässt er sich eher mit dynamischen Marktverhältnissen vereinbaren, wohingegen PORTERs Konzept (v.a. hinsichtlich der generischen Strategien) eher eine statische Marktbetrachtung zugrundeliegt. Die zeitliche Perspektive ist im marktorientierten Ansatz tendenziell kurzfristiger angelegt, da, langfristig betrachtet, jegliche Branchenstruktur Wandlungen unterliegt. Von Vertretern des Resourced-based Views hingegen wird oftmals kein expliziter Zeitbezug unterstellt, jedoch lassen die unterstellte Markt- und Branchendynamik sowie die Berücksichtigung der Historie des Unternehmens als Grundlage der Ressourcenausstattung die Schlussfolgerung zu, dass eine längerfristige Betrachtung angestellt wird. Auch in Bezug auf die Planungsobjekte unterscheiden sich beide Ansätze. Bezugspunkt in PORTERs Konzept ist die einzelne Branche. Planungsobjekt im diversifizierten Unternehmen sind daher jeweils strategische Geschäftseinheiten, die entsprechend angewendeten (generischen) Strategien beziehen sich immer nur auf ein Geschäftsfeld. Der ressourcenorientierte Ansatz betrachtet dagegen das diversifizierte Gesamtunternehmen. Weil distinktive Ressour720 721
Mikus, B. (2003), S. 388. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Börner, J. (2000b), S. 818 f.
5 Ganzheitliche Betrachtung des strategischen Prozessmanagements
201
cen geschäftseinheitenübergreifend entwickelt und genutzt werden sollen, spielt das einzelne Geschäftsfeld nur eine untergeordnete Rolle. Infolgedessen bezieht sich auch das Spannungsfeld im marktorientierten Ansatz auf den Wettbewerb zwischen den Produkte und Leistungen in einem Geschäftsfeld konkurrierender Geschäftseinheiten, während im Resource-based View Unternehmen mit ihren unterschiedlichen Ressourcenausstattungen miteinander konkurrieren. Hinsichtlich einer möglichen Zusammenführung der beiden Ansätze kommt BÖRNER vor dem Hintergrund der hier dargestellten Unterschiede zu dem Ergebnis, dass der Resource-based View das „offenere“ der beiden Konzepte darstellt. „Er schließt jeweils die Perspektive des Porter-Konzepts, zumindest von der Tendenz her, ein. Umgekehrtes gilt jedoch nicht in jedem Fall.“722 Daher bietet es sich an, den Ressourcenansatz als übergeordnetes Konstrukt anzusehen, das die Weichenstellung für das Gesamtunternehmen fundiert, während bei den unter- und nachgeordneten Entscheidungen auf Ebene der strategischen Geschäftsfelder der Market-based View zur Anwendung kommen kann. Es ist zwar grundsätzlich fraglich, ob eine Dominanz der Ressourcenorientierung strategisch zielführend ist. Insbesondere bei längerfristiger Betrachtung scheint dies der Fall zu sein, während die marktorientierte Sicht eher auf die kurze Frist abzielt. Langfristig kann das Unternehmen auf der Grundlage seines Ressourcenportfolios Strategien zur strukturbeeinflussenden Marktentwicklung erarbeiten, die geeigneter als marktorientierte Ansätze zu sein scheinen, da „bei einer längerfristigen Betrachtung Branchenstrukturen im Regelfall kaum so stabil sein dürfen, dass sie eine dauerhafte Positionierung im Sinne Porters zulassen.“723 Auch gilt es zu berücksichtigen, dass in diesem Falle die ressourcenorientierte Gesamtunternehmensperspektive die geschäftsfeldspezifischen Gestaltungen der Wertketten beeinflusst. Die Möglichkeiten einer Wertkettenstrukturierung in dem jeweiligen Geschäftsfeld werden also eingeschränkt. Dieser Aspekt ist jedoch teilweise zu relativieren, da disktinktive Ressourcen und Kernkompetenzen aus der Gesamtunternehmensbetrachtung heraus relativ abstrakte Konstrukte darstellen, die es auf der Geschäftsfeldebene noch zu adaptieren und zu konkretisieren gilt. In den Adaptionserfordernissen, die sich aus der Notwendigkeit zur
722 723
Börner, C. (2000b), S. 819. Börner, C. (2000b), S. 820.
202
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Positionierung innerhalb eines Geschäftsfeldes ergeben, kann wiederum die Verbindung vom Resource-based View zum Markt gesehen werden. Trotz der hier aufgezeigten Richtung lässt sich insgesamt keine eindeutig abschließende Aussage hinsichtlich der Zusammenführung von Market-based View und Resourcebased View treffen. Im konkreten Fall bleibt es letztlich „eine Frage des Standpunktes, des Interesses und des Abstraktionsgrades […] Unterschiede zu nivellieren oder zu betonen.“724 5.2
Integration von markt-, ressourcen- sowie transaktionskostenorientierter Perspektive im strategischem Prozessmanagement
Sowohl der Market- als auch der Resource-based View beziehen Unternehmensprozesse in ihre Argumentation mit ein und leisten jeweils Beiträge, die strategische Vorteilhaftigkeit einer Prozessorganisation zu erklären. Somit können sich die Entscheidungen des strategischen Prozessmanagements sowohl auf markt- als auch ressourcenorientierte Überlegungen begründen.725 Prozesse stellen zudem das Bindeglied zwischen Leistungsangeboten und Ressourcen dar.726 Sie und das auf ihre Gestaltung abzielende Prozessmanagement können daher zur Integration von Markt- und Ressourcenansatz herangezogen werden. So lassen sich unter Rückgriff auf Geschäftsprozesse Ressourcen bestimmten Produkten bzw. Leistungen zuordnen, welche sich wiederum aufgrund des Postulats der Kundenorientierung einem bestimmten Kundenkreis zuordnen lassen. Die prozessbezogene Strategieplanung kann dementsprechend als eine Erweiterung bzw. Integration des marktund ressourcenorientierten Strategiespektrums interpretiert werden.727 Einen weiteren Beitrag zur Integration von Markt- und Ressourcenansatz, insbesondere unter Einbeziehung der Prozessorientierung, kann das Kompetenzmanagement leisten.728 Dabei ist die Erforderlichkeit der zielgerichteten Zusammenführung und Anwendung von Ressourcen innerhalb der Geschäftsprozesse zur (Kern-)kompetenzentwicklung integrationsförderndes Element.729 Somit „weist das Kompetenzma724 725 726 727 728 729
Börner, C. (2000b), S. 820. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Mikus, B. (2003), S. 400. Vgl. z.B. Freiling, J./Gersch, M./Goeke, C. (2006b), S. 54. Vgl. Mikus, B. (2003), S. 400; Walter, F. (2008), S. 64. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Mikus, B. (2003), S. 401. Vgl. ausführlich die Ausführungen in Abschnitt C 3.3 dieser Arbeit.
5 Ganzheitliche Betrachtung des strategischen Prozessmanagements
203
nagement die Besonderheit auf, dass es dem ressourcenorientierten Ansatz zurechenbar ist und ihm gleichzeitig das Prozessmanagement zugeordnet werden kann.“730 KRÜGER/HOMP konstatieren darüber hinaus die zusätzliche Integration des Marketbased Views in das Kompetenzmanagement.731 Sie und auch andere Autoren732 postulieren ein Kompetenzmanagement im Gegenstrom, bei dem ein „kompetenzorientierter Vorlauf“ zur Überprüfung der Marktfähigkeit unternehmenseigener Ressourcen bzw. Kompetenzen durch einen „bedürfnisorientierten Rücklauf“ zur Ermittlung der Kundenbedürfnisse mit dem Ziel der Entwicklung und Nutzung sogenannter „marktorientierter Kernkompetenzen“ ergänzt wird. Es stellt sich nunmehr die Frage nach der Priorisierung der beiden Perspektiven bei der Prozessstrategieplanung, bzw. ob die Initialzündung strategischer Überlegungen aus der internen ressourcenorientierten oder der externen marktorientierten Sicht erwachsen sollte. KÜHN/GRÜNIG schlagen grundsätzlich die nacheinander erfolgende, schrittweise Berücksichtigung markt- und ressourcenorientierter Aspekte bei der Strategieplanung vor.733 Sie unterscheiden dabei zwischen der Normal- und der Ausnahmesequenz. Bei ersterer werden, ausgehend von der zu erreichenden strategischen Marktposition, zunächst die Produkte und Leistungen für diese Märkte (strategischen Angebote) und anschließend die benötigten Ressourcen bzw. Kernkompetenzen geplant. Die Ausnahmensequenz der Strategieplanung dagegen beinhaltet initiierend die Planung der Ressourcen, anschließend deren Nutzung durch neue Angebote und schlussendlich die Festlegung der durch Gestaltung der neuen Angebote erreichbaren Marktposition.734 Die Priorisierung eines jeweiligen Ansatzes kann KÜHN/GRÜNIG zufolge situativ bspw. in Abhängigkeit von der Lebenszyklusphase vorgenommen werden, in der sich das Produkt bzw. die durch den Prozess erbrachte Leistung befindet.
730 731 732 733 734
Mikus, B. (2003), S. 400. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Krüger, W./Homp, C. (1996), S. 67 f. Vgl. z.B. Freiling, J./Gersch, M./Goeke, C. (2006b), S. 54. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Kühn, R./Grüning, S. (1998), S.168 ff. Die Klassifizierung der outside-in Perspektive als Normalsequenz basiert auf der Annahme, dass die Erschließung neuer Märkte durch Diversifikation über die Gestaltung in Schlüsselressourcen begründeter neuartige Angebote mit einem hohen Risiko behaftet ist und daher eher eine Ausnahme darstellt. Vgl. hierzu Kühn, R./Grüning, S. (1998), S. 170.
204
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Bei anderen Autoren wiederum ist eine allgemeine Dominanz des Resource-based Views festzustellen.735 Dies resultiert zum einen aus dem bereits im vorherigen Abschnitt konstatierten umfassenderen Charakters des Resource-based Views, zum anderen aus der Tatsache, dass auch die primär auf das Gedankengut des Market-based Views zurückgehenden Strategien auf Gesamtunternehmens-, Geschäftsbereichs- und Funktionsbereichsebene allesamt einen Bezug zu den Unternehmensressourcen aufweisen.736 Entsprechend soll auch in dieser Arbeit eine Priorisierung der ressourcenorientierten Perspektive des strategischen Managements unterstellt werden. Ein demgemäß ausgelegtes strategisches Prozessmanagement wird auf verschiedenen Strategieebenen jeweils primär ressourcen- oder marktorientierte Überlegungen anstellen und so beide Ansätze in sich vereinigen, wobei ein Primat des Resource-based Views vorliegt:737 So wird auf der Gesamtunternehmensebene ausgehend von der unternehmenseigenen Ressourcenausstattung festgelegt, welche Gesamtunternehmensstrategie verfolgt wird und welche konkreten Kernkompetenzen entwickelt und genutzt werden. Entsprechend ist die Ressourcenallokation zwischen den einzelnen Geschäftseinheiten vorzunehmen. Auch gilt es, Synergiepotenziale zwischen einzelnen Geschäftsbereichen, insbesondere im Hinblick auf die unternehmensweite Realisierung prozessbezogener Erfolgspotenziale, zu entwickeln und zu nutzen. Auf Ebene der strategischen Geschäftseinheiten kann v.a. auf den Ansatz von PORTER zurückgegriffen werden. Aus den Erkenntnissen von Branchenstruktur- und Wertkettenanalyse werden Schlüsse für die Auswahl und Anwendung zweckmäßiger generischer Strategiekonzepte gezogen. Die strategischen Optionen und die Gestaltungsmöglichkeiten der Wertkette unterliegen dabei ressourcenbedingten Restriktionen. Im Rahmen der vorzunehmenden Umstrukturierung der Wertkette durch das strategische Prozessmanagement ist die Veränderung des Ressourcenbestandes und/oder einsatzes festzulegen. Auch müssen in diesem Zusammenhang Einsatzgebiet und Vorgehensweise bei der Nutzung und dem Transfer von Ressourcen bzw. Kompetenzen bestimmt werden. 735 736 737
Vgl. Mikus, B. (2003), S. 401: Dies gilt z.B. für den Ansatz von Krüger, H./Homp, C. (1996); ähnlich auch Rasche, C. (1994), S. 163 ff. Vgl. Mikus, B. (2003), S. 393. Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundsätzlich Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 91 ff.; Mikus, B. (2003), S. 393.
5 Ganzheitliche Betrachtung des strategischen Prozessmanagements
205
Auf der Ebene von Funktionsbereichen, die vor dem Hintergrund einer prozessorientierten Unternehmensgestaltung, je nach gewählter Organisationsform, teilweise oder komplett durch Prozessstrukturen substituiert wurde,738 dominiert wieder eine ressourcenorientierte Perspektive. Es geht an dieser Stelle vor allem um die Frage, wie die Vorgaben der Geschäftsfeldstrategien im Rahmen der Prozessausführung umgesetzt werden können und wie Erwerb, Entwicklung, Aus- bzw. Abbau sowie Nutzung von Kompetenzen, etwa durch zweckmäßige Zusammenführung von physischen Ressourcen, individuellen Fähigkeiten und Routinen in entsprechenden Prozessabläufen, gestaltet werden müssen. Aber auch marktorientierte Überlegungen kommen zum Tragen. So muss bei Verfolgung einer Differenzierungsstrategie geklärt werden, welche Wertaktivitäten zur möglichst positiven Gestaltung des Buyer Values in einen Geschäftsprozess zu integrieren sind oder wie bei Verfolgung einer Kostenführerschaftsstrategie strategisch relevante Kostensenkungen innerhalb der Prozessabläufe realisiert werden können. Es zeigt sich, dass sich markt- und ressourcenorientierter Ansatz durchaus in einen strategischen Entscheidungsrahmen integrierbar sind. Die Grundzüge des strategischen Prozessmanagement lassen sich also ganzheitlich und theoretisch fundiert skizzieren. Die Transaktionskostentheorie fügt sich in diesen Rahmen insofern gut ein, als dass sie die jeweiligen ressourcen- und marktorientierten Argumentationen und Empfehlungen ergänzt, ohne ein eigenständiges, ggf. konfliktionäres strategisches Paradigma für das Prozessmanagement zu formulieren. Sie vermag dabei auf jeder Strategieebene einen Beitrag zu leisten.739 Auf der Gesamtunternehmensebene helfen transaktionskostentheoretische Überlegungen bei der Identifizierung und dem Schutz von Kernkompetenzen und deren Bestandteilen. Bezüglich der Umsetzung von Geschäftsfeldstrategien sind Transaktionskostenersparnisse für das strategische Prozessmanagement der entscheidende Hebel zur Kostenführerschaft, da die Prozessorganisation unter bestimmten Umständen Koordinationsvorteile aufweist.740 Auf der Funktionsbereichs- bzw. Prozessebene dienen Transaktionskosten als Indikatoren bei der explorative Ausnut738
739 740
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt B 1.3 dieser Arbeit. Damit wird die Ebene der Funktionsbereiche, sofern sie nicht komplett ersetzt wird, zu einer „kombinierten“ Ebene, auf der prozessorientierte und funktionale Perspektive koexistieren. Vgl. zu den folgenden Überlegungen auch die Ausführungen in Abschnitt C 4.3 dieser Arbeit Zudem können, wie bereits ausgeführt wurde, Skalenerträge in einer Prozessorganisation relativ schwer realisiert werden, womit sie als Mittel zur Erreichung der Kostenführerschaft in der Regel ausscheiden.
206
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
zung taziten Wissens und erleichtern damit die Kompetenzentwicklung innerhalb der einzelnen Geschäftsprozesse bzw. die zweckmäßige Formulierung von Prozessstrategien. 5.3
Zwischenfazit: Strategisches Prozessmanagement
Im Verlauf von Kapitel C wurden Ansätze zur theoretischen Fundierung des strategischen Prozessmanagements erörtert. Im Zuge der Beantwortung der ersten Forschungsfrage nach der Ausgestaltung des strategischen Prozessmanagements wurde mit der Kennzeichnung von Zielen, Strategiefeldern sowie des Prozesses und einigen Instrumenten des strategischen Prozessmanagements konkrete Beiträge zur Bildung eines konzeptionellen Bezugsrahmens auf der Gestaltungsebene des strategischen Prozessmanagements geleistet. Der Schwerpunkt dieses Kapitels lag jedoch auf der Erklärungsebene. So wurde die strategische Vorteilhaftigkeit der Prozessorganisation mittels ökonomischer Theorie begründet und damit die zweite Forschungsfrage nach der Erklärung potenzieller durch die Prozessorganisation bedingter Wettbewerbsvorteile beantwortet. Auf der Grundlage von Market-based View, Resource-based View und Transaktionskostentheorie wurden in den Abschnitten zwei, drei und vier dieses Kapitels folgende Ursachen bzw. Quellen von prozessbezogenen Erfolgspotenzialen identifiziert: x Die enge Beziehung zwischen Prozessen und Kompetenzen im Unternehmen, die es einer Prozessorganisation erleichtert, einzigartige Kernkompetenzen herauszubilden, x erweiterte Differenzierungspotenziale durch verschiedene Möglichkeiten der cross-funktionalen Integration, x aus der Senkung von Qualitäts- und Koordinationskosten erwachsende Chancen zur Realisierung einer Kostenführerschaft, x hohe Flexibilität, die speziell für die Bearbeitung von Marktnischen vorteilhaft ist. Auf dieser Grundlage können Ansätze aufgezeigt werden, wie das strategische Prozessmanagement prozessbezogene Erfolgspotenziale aufbauen und nutzen kann, um dadurch Wettbewerbsvorteile generieren zu können. So wurden das Kernkompetenzund Wissensmanagement als wichtige Aspekte eines ressourcenorientierten strategi-
5 Ganzheitliche Betrachtung des strategischen Prozessmanagements
207
schen Prozessmanagements identifiziert. Aus einer marktorientierten Perspektive wurden die Möglichkeiten der Umsetzung PORTERs generischer Strategien seitens des Prozessmanagements diskutiert. Abschließend wurden Ansätze zur Integration von markt- und ressourcenorientierter Perspektive aufgezeigt. Aufgrund der deduktiven Vorgehensweise sind die gewonnenen Erkenntnisse ökonomisch-theoretisch begründet. Die zur theoretischen Fundierung herangezogenen Ansätze des Market-based Views, des Resource-based Views und der Transaktionskostentheorie lassen sich in einen Bezugsrahmen integrieren, wodurch ein theoretisches Fundament geschaffen wird, auf dessen Grundlage sich das strategische Prozessmanagement inhaltlich ausgestalten lässt.
Theoretische Fundierung: Strategisches Prozessmanagement Gestaltungsebene: Entscheidungen des strategischen Prozessmanagements Zielebenen im strategischen Prozessmanagement Strategiefelder des strategischen Prozessmanagement Prozess und Instrumente des strategischen Prozessmanagement
Erklärungsebene: prozessbezogene Quellen für Erfolgspotenziale Interdependenz von Prozessen und Kernkompetenzen aus Funktionsintegration erwachsende Differenzierungspotenziale Koordinations- und Qualitätskostensenkungspotenziale „strategische Flexibilität“ bei der Konzentrationsstrategie
Abbildung 34: Beiträge dieses Kapitels zur theoretischen Fundierung von strategischem Prozessmanagement
208
C Strategisches Prozessmanagement: Bezugsrahmen für das Controlling
Als Zwischenfazit lässt sich an dieser Stelle die Beantwortung der ersten und zweiten, der vier eingangs formulierten Forschungsfragen konstatieren (vgl. zusammenfassend Abbildung 34). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit gilt es, daran anknüpfend eine Konzeption des strategischen Prozesscontrollings zu entwickeln. 6
Ansatzpunkte für das strategische Prozesscontrolling
Die in diesem Kapitel herausgearbeiteten Sachverhalte bilden eine Basis für die weiterführenden Überlegungen und die Beantwortung der Forschungsfragen nach dem Bedarf von Führungsunterstützung durch das strategische Prozesscontrolling sowie seine zweckmäßige inhaltliche und konzeptionelle Ausarbeitung. Anknüpfend an den getroffenen Aussagen zur Gestaltungsebene des strategischen Prozessmanagements bezieht sich die Unterstützungsaufgabe des Controllings auf die durch das Management im Managementprozess zu treffenden Entscheidungen bezüglich Zielen und Strategiefeldern sowie den zweckmäßigen Instrumenteneinsatz durch das Managements. Der Verweis auf jene Elemente der Gestaltungsebene gibt eine Antwort auf die Frage: „Wo bzw. an welchen Entscheidungen des strategischen Prozessmanagements setzt das strategische Prozesscontrolling an?“ Je nach unterstellter Controlling-Konzeption muss das Controlling z.B. Informationen über die Unternehmenssituation zur Unterstützung der Zielformulierung bereitstellen (Informationsfunktion), Zielgrößen vorgeben sowie deren Erreichung überwachen (regelungsorientiertes Controlling) oder die Abstimmung zwischen den einzelnen Phasen des Managementprozesses gewährleisten (Koordinationsfunktion). Aus den Erklärungsansätzen für das strategische Prozessmanagement wiederum lassen sich Antworten auf die Frage nach der inhaltlichen Ausgestaltung, insbesondere den konkreten Bezugsobjekten des Controllings ableiten: „Was genau leistet das strategische Prozesscontrolling bzw. welcher Art sind die Controlling-Objekte und welche konkreten Aufgaben sind in Bezug auf diese Objekte zu erfüllen?“ Da prozessbezogene Erfolgspotenziale wesentliche inhaltliche Bezugspunkte für die Entscheidungen und Handlungen des strategischen Prozessmanagements darstellen, sind sie in diesem Zusammenhang auch maßgeblich für die Ausprägung des strategischen Prozesscontrollings. So bestimmen sie u.a. den Rahmen für Informations- und Analysebedarfe im Hinblick auf die Entscheidungsfindung des Managements, die
6 Ansatzpunkte für das strategische Prozesscontrolling
209
zweckmäßigen Instrumente und Methoden sowie die involvierten Unternehmensbereiche. Insgesamt wird damit nochmals deutlich, was bereits in Abschnitt A dieser Arbeit zum Ausdruck gebracht wurde, dass nämlich eine theoretische Fundierung von strategischem Prozesscontrolling nicht ohne die vorher vorgenommene Fundierung des strategischen Prozessmanagements erfolgen kann. Letzteres ist nunmehr bis zu dieser Stelle erfolgt, sodass im nächsten Kapitel das strategische Prozesscontrolling thematisiert werden kann.
D
Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Im nun folgenden Kapitel sollen Vorschläge zu Inhalt und Ausgestaltung des strategischen Prozesscontrollings erarbeitet und in einen idealtypischen konzeptionellen Rahmen integriert werden. Da Controlling grundsätzlich eine Führungsunterstützungsfunktion wahrnimmt,741 sind dabei zum einen die in Kapitel C getroffenen Aussagen zum strategischen Prozessmanagement eine wichtige Grundlage der Erörterung. Diese müssen zudem um controllingtheoretische Aspekte ergänzt werden.742 So gilt es in diesem Kapitel zunächst, theoretische Anforderungen an einen wissenschaftlichen Ansatz zur Fundierung und Gestaltung von strategischem Prozesscontrolling zu diskutieren, bevor dieser Ansatz dann den Bedürfnissen des strategischen Prozessmanagements entsprechend inhaltlich konkretisiert werden kann. 1
Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
1.1
Zum Konstrukt der Controlling-Konzeption
1.1.1
Definition und Elemente einer Controlling-Konzeption
Die Entwicklung einer Controlling-Konzeption für das strategische Prozesscontrolling setzt zunächst die Klärung des Begriffes der Controlling-Konzeption voraus. Nach HARBERT ist unter einer Konzeption ein System von Aussagen zu verstehen, welches die Grundlinien einer Sachverhaltsgestaltung als Mittel zur Erreichung einer bestimmten Zielsetzung formuliert.743 Eine Konzeption liefert damit ein mehr oder weniger vollständig formuliertes Denkmodell, dessen Gegenstand konkrete Objekte innerhalb einer kontextbasierten Mittel-Zweckbeziehung sind.744 „Mit einer Konzeption des Controlling soll geklärt werden, was man unter dieser Funktion versteht und welche
741
742
743 744
Vgl. zur Führungsunterstützungsfunktion des Controllings u.a. Reichmann, T. (1997), S. 12; Serfling, K. (1992), S. 17; Küpper, H.-U./Weber, J./Zünd, A. (1990), S. 282; ähnlich auch Zenz, A. (1999), S. 43, der Controlling allgemein als Einwirkung auf das Führungssystem der Unternehmung auffasst. In diesem Zusammenhang lässt sich in Anlehnung an Leistert, O. (2006), S. 119 konstatieren, dass an ein (strategisches) Prozesscontrolling die gleichen konzeptionellen Anforderungen zu stellen sind wie an ein allgemeines Unternehmenscontrolling. Vgl. Harbert, L. (1982), S. 140. Vgl. Harbert, L. (1982), S. 140;Langguth, H. (1994), S. 9.
S. Atzert, Strategisches Prozesscontrolling, DOI 10.1007/978-3-8349-6226-3_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
212
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Merkmale diese Funktion charakterisieren.“745 Dass beinhaltet typischerweise Aussagen über die grundlegenden Problemstellungen und Lösungsansätze, Ziele sowie Funktionen und Instrumente sowie Institutionalisierung des Controllings,746 wobei grundsätzlich gilt, dass „das zentrale Merkmal einer Controlling-Konzeption […] die konsequente Ausrichtung der Controlling-Gestaltung an den formulierten ControllingZielen“747 ist. Insofern ergeben sich auch die Anforderungen an die einzelnen Komponenten aus dieser Zielausrichtung.748 Ein solches strukturelles Referenzkonzept ist sowohl für die Controllingpraxis als auch die Controllingtheorie bedeutsam. Bezogen auf die Praxisperspektive gilt es die verschiedenen Elemente des Controllings zu ordnen und damit die Gestaltung des Controllings so realisieren zu können, dass das Erreichen der Unternehmensziele durch die Aktivitäten des Controllings gefördert wird. Unter theoretischen Gesichtspunkten spielen neben der Art und Auswahl der Controllingelemente die innerhalb der ControllingKonzeption aufgezeigten Beziehungen zwischen den Elementen eine große Rolle bei der Erkenntnisgewinnung. Fasst man Theorien in Anlehnung an ABEL als logisch verknüpfte Systeme von „Hypothesen über tieferliegende nomische (gesetzmäßige) strukturelle Beziehungen“749 auf, so folgt daraus, dass die Formulierung einer Controlling-Konzeption als ein formaler und inhaltlicher Rahmengebungsprozess unabdingbarer Bestandteil der Theoriebildung ist.750 Einen vergleichsweise differenzierten Vorschlag zur Ausgestaltung einer ControllingKonzeption liefert BECKER (vgl. Abbildung 35). Demnach lässt diese sich idealtypisch in folgende Bestandteile zerlegen:751 Die Controlling-Philosophie, welche das spezifische Controlling-Verständnis wiedergibt, fungiert als inhaltlicher Überbau für die anderen Elemente der Controlling-Konzeption. Idealerweise wird sie durch die Formulierung eines Controlling-Leitbildes ergänzt, das der Dokumentation und Kom-
745 746 747 748 749 750 751
Küpper, H.-U. (2005), S. 8. Vgl. Langguth, H. (1994), S. 10; Becker, W. (1999), S. 10 f.; Küpper, H.-U. (2005), S. 8; Pietsch, G./Scherm, E. (2000), S. 396; Schweitzer, M./Friedl, B. (1992), S. 142. Schweitzer, M./Friedl, B. (1992), S. 142. Vgl. Schweitzer, M./Friedl, B. (1992), S. 142. Abel, B. (1979), S. 139. Vgl. zu dieser Sichtweise Zenz, A. (1999), S. 32. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Becker, W. (1999), S. 10 ff.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
213
munikation der Controlling-Philosophie dient.752 Aus den Unternehmenszielen sind die Controlling-Ziele abzuleiten. Sie bestimmen die grundlegende Ausprägung der Controlling-Aufgaben, denn auf ihnen aufbauend sind die Controlling-Objekten sowie die an letzteren wahrzunehmenden Controlling-Funktionen (z.B. Informationsversorgung und Koordination) festzulegen. Die Controlling-Aufgaben werden von den Aufgabenträgern „unter Zuhilfenahme betriebswirtschaftlicher Methoden und Instrumente ausgeführt“753 Controlling-Aufgaben, -Aufgabenträger und die eingesetzten Instrumente subsumiert BECKER unter dem Begriff Controlling-Struktur. Bei der konkreten unternehmensbezogenen Ausarbeitung der Controlling-Konzeption werden die Aufgaben hinsichtlich einzelner Aktivitäten, Zeiten und Orten noch präzisiert und konkrete Controlling-Prozesse definiert, deren Prozessergebnis mit den Controlling-Zielen abzugleichen ist, um die Controlling-Effizienz zu ermitteln.754
752
753 754
Vor diesem Hintergrund scheint das Controlling-Leitbild v.a. bei der konkreten Anwendung einer Controlling-Konzeption zur Gestaltung eines Unternehmenscontrollings von Bedeutung zu sein. Dabei fungiert es als Transfermedium, um die allgemeinen Aussagen der Controlling-Philosophie in konkrete Richtlinien für das Unternehmenscontrolling zu überführen. Im Rahmen der theoretischen Entwicklung einer spezifischen Controlling-Konzeption dagegen ist das ControllingLeitbild eher vernachlässigbar. Becker, W. (1999), S. 11. Insofern werden kybernetische Steuerungs- und Regelungsprinzipien in Beckers Konzeptionsentwurf auch auf das Controlling übertragen.
214
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Controlling-Philosophie Controlling-Leitbild
Controlling Ziele
ControllingFunktionen
ControllingObjekte
Controlling Prozesse
Aufgaben Methoden und Instrumente
Aufgabenträger Controlling-Struktur
Aktivitäten Zeiten Orte
Controlling Effizienz
Abbildung 35: Elemente einer Controlling-Konzeption nach Becker755
Damit formuliert BECKER ein detailliertes Referenzkonzept, das einen differenzierten Ordnungsrahmen für die Formulierung von Controlling-Konzeptionen liefert. Jedoch setzt die inhaltliche Ausgestaltung einiger Elemente den spezifischen Bezug zu einer konkreten Unternehmenssituation voraus.756 Somit eignen sich die entsprechenden Elemente nicht für die mit dieser Arbeit angestrebte Entwicklung einer allgemeinen Controlling-Konzeption für das strategische Prozesscontrolling. Daher soll in dieser
755 756
In Anlehnung an Becker, W. (1999), S. 11. Das betrifft insbesondere die Definition von Controlling-Leitbild, -Prozessen und die Ermittlung von Effizienzkriterien.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
215
Arbeit auf das nachfolgend beschriebene Konstrukt (vgl. Abbildung 36) zurückgegriffen werden.757 Die Grundlage für die Ausgestaltung der Controlling-Konzeption bildet die Zielkomponente, wobei in Anlehnung an SCHWEITZER/FRIEDL direkte und indirekte Controlling-Ziele unterschieden werden sollen.758 Direkte Ziele umfassen je nach vertretener Auffassung variierende Aspekte wie z.B. die Sicherung der Koordinationsfähigkeit der Führung, die Informationsversorgung oder Rationalitätssicherung. Sie bilden die wesentlichen Zwecksetzungen des Controllings ab, sodass sich anhand der direkten Controlling-Ziele die allgemeine Ausrichtung des Controllings festmachen lässt und Controlling inhaltlich von anderen Bereichen abgegrenzt werden kann. Indirekte Ziele dienen der Präzisierung der Controlling-Aufgaben. Die Controlling-Ziele sind abhängig von der konkret gegebenen Unternehmens- und Umweltsituation und basieren auf den wirtschaftlichen, technischen, sozialen oder auch ökologischen Zielsetzungen des Unternehmens, deren Erfüllung das Controlling unterstützen soll. Des Weiteren sollen Aussagen über die Funktionen des Controllings, d.h. die konkreten, an Controlling-Objekten wahrzunehmenden Aufgaben gemacht werden. Diese funktionale Komponente ist ferner um eine instrumentale sowie institutionale Komponente zu ergänzen. Erstere beinhaltet Modelle und Methoden zur Aufgabenerfüllung, während letztere Aussagen zu möglichen Arten unterschiedlicher organisatorischer Einordnungen bzw. Gestaltungsvarianten des Controllings sowie deren Wirkung auf die Erreichung der Controlling-Ziele beinhaltet.
757 758
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Schweitzer, M./Friedl, B. (1992), S. 142 f. Vgl. Schweitzer, M./Friedl, B. (1992), S. 149 ff.
216
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens Zielkomponente Unternehmensziele
ControllingZiele
indirekt
direkt
Definition des Umfangs
Präzisierung
Text Text Controlling-Aufgaben indirekt direkt Ableitung
Auswahl Text Methoden und Instrumente
Text ControllingInstitutionen
Funktionale und instrumentale Komponente
Abbildung 36: Elemente einer Controlling-Konzeption
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit gilt es, diesen Rahmen inhaltlich auszugestalten. Dabei ist zu beachten, dass bezüglich der inhaltlichen Ausrichtung von Controlling eine Reihe unterschiedlicher Auffassungen existiert, d.h., inhaltlich stark voneinander abweichende Controlling-Konzeptionen identifiziert werden können. 1.1.2
Inhaltliche Charakterisierung von Controlling-Konzeptionen
Aufgrund der Vielzahl und der Unterschiedlichkeit in der Literatur vertretener Controlling-Konzeptionen759 kann nicht von einem einheitlichen Controllingverständnis gesprochen werden.760 Auch die Anzahl von Versuchen, dieses „Konzeptions- und
759
760
Vgl. für einen Überblick über verschiedene Controlling-Konzeptionen z.B. Schweitzer, M./Friedl, B. S. 144 ff.; Zenz, A. (1999), S. 25 ff.; Becker, W. (2000b), S. 36 ff. Vgl. Küpper, H.-U./Weber, J./Zünd, A. (1990), S. 282; Schildbach, T. (1992), S. 25; Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 20.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
217
Definitionswirrwar“ zu ordnen, hat bis heute ein erhebliches Ausmaß erreicht.761 Eine detaillierte Erörterung sämtlicher Interpretationen von Controlling und ihrer Ordnungsversuche erscheint daher an dieser Stelle wenig zweckmäßig zu sein. Stattdessen soll exemplarisch auf den „gut gelungenen“762 Ansatz von ZENZ zurückgegriffen werden, welcher sich vor allem durch die schlüssige Auswahl von Klassifizierungskriterien auszeichnet.763 Ausgehend von einer funktionalen Perspektive verwendet ZENZ zur Charakterisierung von Controlling-Konzeptionen die in Abbildung 37 abgebildeten Merkmalsdimensionen. 764
Dimensionen Unternehmenszielbezug
Funktionsbreite
Funktionstiefe
Ausprägungen Wertziele Erfolgsziele Sicherung der Planung
Erfolgsziele
Weitere Unternehmensziele
Text Sicherung Sicherung der der Kontrolle Organisation
Sicherung der Informationsversorgung
Sicherung der Personalführung
Entwurf Auswahl SystemBewertung System- Systemder der Systembetrieb der koordi- überwach SystemSystem- integration Systeme nation ung partiell vollständig elemente elemente
Abbildung 37: Merkmale zur Beschreibung von Controlling-Konzeptionen765
Das erste Merkmal ist der Unternehmenszielbezug. Das Controlling soll bei der Erreichung der Unternehmensziele unterstützen. Damit liefert das Unternehmenszielsystem eine Orientierung für die Controllingfunktionen, sodass eine Differenzierung verschiedener Auffassungen der Controllingfunktion anhand der durch sie beeinflussten Zieldimension möglich ist. So kann sich das Controlling einerseits auf die Unterstützung
761 762 763 764 765
Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 20. Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 20. Vgl. Götze, U./Glaser, K./Hinkel, D. (2001), S. 99. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Zenz, A. (1999), S. 16 ff. In Anlehnung an Zenz, A. (1999), S. 17.
218
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
der Erreichung der Erfolgs- und/oder Finanzziele, also der Wertziele des Unternehmens beschränken oder andererseits sämtliche Unternehmensziele beeinflussen. Zur weiteren Kennzeichnung der Controllingfunktion verwendet ZENZ in Anlehnung an HARBERT die Funktionsbreite und -tiefe.766 Die Funktionsbreite beschreibt, auf welche spezifischen Funktionen der Führung sich das Controlling bezieht. Sie beinhaltet „die Sicherung einer oder mehrerer Teilfunktionen der Führung. Unter Sicherung werden dabei (…) Aktivitäten verstanden, die der Erfüllung der einzelnen Funktionen der Unternehmensführung dienen.“767 Die Funktionstiefe kennzeichnet die Art des Einflusses auf die Führungsteilsysteme.768 Sie umfasst ein sehr breites Spektrum an Merkmalsausprägungen, da die Funktionstiefe der existierenden Auffassungen von Controlling sehr stark variiert. So kommt in einigen Controlling-Konzeptionen der Planung bzw. Gestaltung von Führungsteilsystemen eine große Bedeutung zu.769 Folglich übernimmt das Controlling auch Aufgaben wie die Auswahl bzw. den Entwurf der Führungssubsysteme sowie des Führungssystems. Neben diesen Funktionen werden dem Controlling ferner die Gestaltung der Beziehungen zwischen den einzelnen Subsystemen (Systemintegration), der Betrieb (vollständig oder partiell) einzelner Führungssubsysteme sowie die Systemkoordination770 und -überwachung zugeordnet. Nach ZENZ ist bei der Kennzeichnung von Controlling-Konzeptionen die Kombination der drei Merkmale und ihrer Ausprägungen von entscheidender Bedeutung.771 „Die Funktionstiefe charakterisiert die genaue Leistung des Controlling in unterschiedlichen Funktionen, während die Funktionsbreite das Bezugsobjekt der Leistung spezifiziert und der Unternehmenszielbezug die Orientierung der Controllingfunktionen angibt.“772 Unternehmensziele und Funktionsbreite wären als alleinige Differenzierungsmerkmale zu unspezifisch, ihnen kommt kein eigenständiger Erklärungs- und Diskriminierungsgehalt zu: An den Unternehmenszielen orientiert sich nicht ausschließlich das Controlling, genauso können die Führungssubsysteme auch Bezugsob766 767 768 769 770
771 772
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Zenz, A. (1999), S. 19 sowie Harbert, L. (1982), S. 248 f. Zenz, A. (1999), S. 19. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 19. Vgl. Amshoff, B. (1993), S. 184 ff. An dieser Stelle soll, im Gegensatz zu den späteren Ausführungen, Koordination in Anlehnung an Rühli, E. (1992), Sp. 1165, als reine auf einen Führungs- oder Aufgabenerfüllungsprozess bezogene wechselseitige Abstimmung von Systemelementen zwecks Optimierung verstanden werden. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Zenz, A. (1999), S. 24 f. Zenz, A. (1999), S 24 f.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
219
jekt anderer Funktionen sein. Insofern erfordert die inhaltlich detaillierte Unterscheidbarkeit einzelner Controlling-Konzeptionen auch die Berücksichtigung der Funktionstiefe mit mindestens einer Merkmalsausprägung. Zusammen mit den Ausprägungen der Merkmale Unternehmensziele und Funktionsbreite kann dann die inhaltliche Ausprägung des Controllings ausreichend exakt charakterisiert und das Verhältnis zu weiteren Führungsbereichen gekennzeichnet werden.773 Insgesamt dienen die hier vorgestellten Merkmale der funktionalen Systematisierung von Controlling-Konzeptionen.774 Sie stellen einen Ordnungsrahmen zur Verfügung, anhand dessen „durch die Kombination von Merkmalsausprägungen auf den drei Merkmalsebenen“775 existierende Typen von Controlling-Konzeptionen rekonstruiert und beschrieben werden können. 1.1.3
Vorstellung und Charakterisierung existierender Controlling-Konzeptionen
ZENZ identifiziert zwei verschiedene Gruppen von Konzeptionen.776 Die erste Gruppe von Controllingansätzen zeichnet sich dadurch aus, dass Controlling als Betrieb von Führungsteilsystemen aufgefasst wird: „In der Controllingfunktion werden Funktionen vereinigt, die auch unter anderen Funktionen der Führung subsumiert werden.“777 Innerhalb der ersten Gruppe lassen sich wiederum drei verschiedene ControllingTypen unterscheiden. 1. Beim informationsorientierten Controlling (Typ 1) besteht weitestgehend Kongruenz zwischen dem Controlling und dem betrieblichen Informationssystem. In dieser u.a. von REICHMANN vertretenen Konzeption fungiert das Controlling primär als rechnungswesenorientierte Systematik zur ziel- und entscheidungsbezogenen Unterstützung des Managements.778 Dabei soll das Controlling durch den Betrieb von Analyse und Berichtssystemen insbesondere die Qualität von Führungsentscheidungen verbessern.
773 774 775 776 777 778
Analog würde die Funktionstiefe isoliert betrachtet auch keine Abgrenzung ermöglichen, da Bezugsobjekte und grundlegende (Ziel-)Orientierung unbekannt wären. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 24. Zenz, A. (1999), S. 25. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Zenz, A. (1999), S. 25 ff. Zenz, A. (1999), S. 26. Vgl. Reichmann, T. (1997), S. 12 f.; Reichmann, T. (1996), S. 563 f. Ein weiterer Vertreter dieser Auffassung von Controlling ist auch Müller, W. (1974), S. 683 ff.
220
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
2. Bei Typ 2, dem regelungsorientierten Controllingtypus, wird Controlling mit „dem Betrieb des (Maßnahmen-)Planungs- und Kontrollsystems unter teilweisem Einschluß des Informationssystems“779 gleichgesetzt. In diesem hauptsächlich von COENENBERG/BAUM/GÜNTHER sowie HAHN780 vertretenen Ansatz ist Controlling ein kybernetischer Prozess (bzw. ein kybernetisches System), welcher die Führungsfunktionen der Planung, Kontrolle und (teilweise) der Informationsversorgung beinhaltet.781 Die Aufgaben des Controllings bestehen dabei „in der Identifikation und Reaktion auf Abweichungen sowie der Umsetzung der Zielvorgaben in Maßnahmen“782, wobei je nach Auffassung entweder Kontroll- und Durchsetzungsaufgaben gegenüber der Planung überwiegen,783 oder die Planung gleichermaßen bedeutsam bzw. sogar bedeutsamer ist.784 3. Ferner kann Controlling, wie beispielsweise von BRAMSEMANN postuliert,785 auch als Synonym für die Unternehmensführung verstanden werden. Bei diesen Controlling-Konzeptionen des Typs 3 geht es primär um die sachbezogenen Führungsfunktionen, womit jedoch die Personalführung auszuklammern wäre. Anders als bei Konzeptionen von Typ II werden dem Controlling über Planung, Kontrolle und Information hinaus hier auch Organisationaufgaben zugerechnet.786 Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben gilt es, sich im Hinblick auf die Gesamtunternehmenssteuerung an dem „Idealziel der Vorwärtssteuerung und Selbstregelung“787 auszurichten.788 Controllingansätze von Typ 3 weisen daher eine große Nähe zu Führungsphilosophien auf.789 Die zweite Gruppe von Controlling-Konzeptionen ist dadurch gekennzeichnet, dass unter Controlling die gezielte Einwirkung auf die Führungssysteme verstanden wird.
779 780 781 782 783 784 785 786 787 788 789
Zenz, A. (1999), S. 27. Vgl. Baum, H.G./Coenenberg, A.G./Günther, T. (1999), S. 3 f.; Günther, T. (1997), S. 66 ff.; Hahn, D. (1996), S. 176 ff. Vgl. Götze, U./Glaser, K./Hinkel, D. (2001), S. 100 f. Zenz, A. (1999), S. 101. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 27 sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. Baum, H.G./Coenenberg, A.G./Günther, T. (2007), S. 3 f.; Günther, T. (1997), S. 66 ff. Vgl. Bramsemann, R. (1978), S. 31 ff. Vgl. Götze, U./Glaser, K./Hinkel, D. (2001), S. 101. Bramsemann, R. (1978), S. 47. Vgl. Götze, U./Glaser, K./Hinkel, D. (2001), S. 101. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 28.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
221
Somit werden die Führungsteilsysteme als Objekte von Controllingaktivitäten aufgefaßt.790 Auch hier differenziert ZENZ zwischen drei Typen. 1. Die auf HORVÁTH zurückzuführenden, begrenzt koordinationsorientierten Ansätze (Typ 4), sehen die Aufgabe des Controllings in der Abstimmung der Führungsteilsysteme. Generelles Ziel des koordinationsorientierten Controllings ist die Sicherung der Koordinationsfähigkeit und -durchführung.791 So wird Controlling als dasjenige funktionale Subsystem der Führung charakterisiert, das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert, d.h. fokussiert auf Erfolgsziele, koordiniert und so die Adaption und Koordination des Gesamtsystems unterstützt.792 Die Systembildung beinhaltet den Entwurf, die Bewertung und Auswahl von Elementen der Führungsteilsysteme sowie deren Integration. Unter Systemkopplung sind „alle Koordinationsaktivitäten zu verstehen, die im Rahmen der gegebenen Systemstruktur zur Problemlösung sowie als Reaktion auf „Störungen“ stattfinden und in einer Aufrechterhaltung sowie Anpassung der Informationsverbindungen zwischen Teilsystemen bestehen.“793 Sie entspricht in der Systematik von ZENZ der Systemkoordination. 2. Auch Controllingtyp 5 weist dem Controlling grundsätzlich eine Koordinationsfunktion innerhalb der Führung (Sekundärkoordination) zu. Diese ist jedoch im Vergleich zu Typ 4 nicht auf die Planung, Kontrolle und Informationsversorgung beschränkt. Vielmehr erstreckt sich die Koordination bei dieser im Wesentlichen durch KÜPPER geprägten Controlling-Konzeption explizit auch auf die zuvor ausgeklammerte Abstimmung von Organisation und Personalführung mit den übrigen Führungsteilsystemen.794 3. Der letzte von ZENZ identifizierte Controllingtyp (Typ 6) ist der von WEBER (durch konsequentes „Zu-Ende-Denken“795 der Koordinationsidee) entwickelte Metaführungsansatz.796 Diesem zufolge beinhaltet die Koordinationsaufgabe „die Strukturgestaltung aller Führungsteilsysteme, die zwischen diesen bestehende Abstimmung 790 791 792 793 794 795 796
Vgl. Zenz, A. (1999), S. 29. Vgl. Schweitzer, M./Friedl, B. (1992), S. 144 ff. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 151. Horváth, P. (2003), S. 126. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 28 ff. Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. VII. Vgl. Weber, J. (1995), S. 50 ff.
222
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
sowie die führungsteilsysteminterne Koordination.“797 Das Controlling umfasst vor diesem Hintergrund eine maximal ausgeprägte Funktionsbreite, die sämtliche Merkmalsausprägungen in ZENZ‘ Systematik beinhaltet. Auch die Funktionstiefe ist mit Ausnahme der Übernahme des Systembetriebs vollständig durch das Controlling abgedeckt. Dieses fungiert demgemäß als Rahmengestalter für jegliche Aufgabenerfüllungsprozesse innerhalb der Unternehmensführung.798 Neben diesen Controllingtypen haben sich in den letzten Jahren noch zwei weitere Controlling-Konzeptionen herausgebildet. Diese lassen sich nicht unmittelbar in den zuvor zugrundegelegten Bezugsrahmen einordnen, da sie auf einem höheren Abstraktionsniveau argumentieren.799 Sie knüpfen nicht an den Systemansatz und die dekompositionelle Betrachtung des Führungssystems an, sondern fokussieren die übergeordneten Führungs- bzw. Entscheidungsprozesse, die durch das Controlling zu unterstützen sind und sollen im Folgenden grob gekennzeichnet werden. Der erste dieser „neueren“ Ansätze geht auf WEBER zurück. Dieser ist von seiner ursprünglichen Auffassung abgerückt und propagiert in jüngeren Veröffentlichungen800 die Sicherung von Führungsrationalität als wesentliche Aufgabe des Controllings.801 Dabei begreift er seine Auffassung als integrativen, d.h. die unterschiedlichen Sichten von Controlling auf einen gemeinsamen Nenner bringenden Ansatz.802 So seien die bisherigen Controlling-Konzeptionen „vor dem Hintergrund bestimmter Kontexte und (Rationalitäts-)Engpässe entstanden“803, wobei deren gemeinsamer Wesenskern in der Reduzierung existierender Rationalitätsdefizite läge. Inhaltlich setzt das Controlling an einen idealtypischen Führungsprozess804, bestehend aus den Phasen der Willensbildung, -durchsetzung, Ausführung und Kontrolle, an. Es übernimmt in diesem Zusammenhang Informationsversorgungs-, Planungs-, Kontroll- und Koordinationsleistungen, die in der jeweiligen Phase das Erreichen eines hohen Grades an Rationalität, hier verstanden als „herrschende Meinung von Fachleuten hinsichtlich einer bestimmten
797 798 799 800 801 802 803 804
Weber, J. (1995), S. 50. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 31. Vgl. Ortelbach, B./Hagenhoff, S. (2004), S. 5. Vgl. Weber, J. (1998) sowie die nachfolgenden Auflagen seiner „Einführung in das Controlling“. Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (1999), S. 731 ff.; Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 41 ff. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Weber, J./Schäffer, U. (1999), S. 740 ff. Weber, J./Schäffer, U. (1999), S. 740. Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (1999), S. 735 u. 739; Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 57 f.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
223
Zweck-Mittel-Relation“805, sicherstellen sollen. Dieser Controllingtyp 7 vereint mithin Aspekte sowohl des Betriebes als auch der Einwirkung auf die Führungsteilsysteme, was mit seinem integrativen Charakter einhergeht. Der letzte hier erörterte Controllingtyp (Typ 8), das von PIETSCH/SCHERM erdachte Konzept des reflexionsorientierten Controllings806, knüpft an das rationalitätssichernde Controlling an.807 An die Stelle der Rationalitätssicherung tritt jedoch die Reflexion als zentrale Grundoperation des Controllings: „Die Aufgabe des Controllings besteht in der Reflexion der Entscheidungen, die im Rahmen der anderen Führungsfunktionen getroffen werden, und in der Reflexion der funktionsinternen und funktionsübergreifenden Abstimmung der Entscheidungen.“808 Die Reflexion stellt als eine distanzierend kritische Gedankenarbeit den Gegenpart zu der von den Führungsteilsystemen Planung, Organisation, Personaleinsatz und Personalführung wahrgenommenen Selektionsaufgabe dar. Reflexion ist eine Führungsfunktion und soll die Gefahr falscher Selektion bezüglich der betrachteten Ziele, Handlungsmöglichkeiten und Umweltzustände sowie der somit erzielten Ergebnisse abmildern. Das beinhaltet auch koordinatorische Aspekte und die traditionelle Kontrollfunktion, welche als Teilaspekt der Reflexion unterzuordnen ist. Ferner übernimmt das Controlling die Informationsbereitstellung als eine aus der Reflexionsaufgabe abgeleitete, notwendige Führungsunterstützungsfunktion. Insgesamt weist auch dieser Typ 8 Facetten des Betriebs von Führungssubsystemen und der Einwirkung auf Führungssubsysteme auf. 1.2
Die strategische Dimension im Controlling
Analog zur Führung allgemein bedarf auch die strategische Führung einer Unterstützung durch das Controlling.809 Grundsätzlich bedeutet strategisches Controlling die Wahrnehmung von Controllingaufgaben zur Unterstützung des strategischen Managements.810 Wie der allgemeine Controllingbegriff ist auch das strategische Control-
805 806 807 808 809
810
Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 45. Vgl. Pietsch, G./Scherm, E. (2000), S. 395 ff.; Pietsch, G./Scherm, E. (2001a), S. 307 ff.; Pietsch, G. (2003). Vgl. zu den folgenden Ausführungen Pietsch, G./Scherm, E. (2000), S. 395 ff. Pietsch, G./Scherm, E. (2000), S. 405. Vgl. grundsätzlich dazu Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 5; Horváth, P. (2003), S. 252; Küpper, H.U. (2005), S. 104 ff.; Langguth, H. (1994), S. 22 ff.; Baum, H.G./Coenenberg, A.G./Günther, T. (2007), S. 5 ff.; Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 357 ff. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 253.
224
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
ling in Theorie und Praxis nicht einheitlich belegt.811 So finden sich u.a. Auffassungen, die das strategische Controlling als Informationsversorgung für die strategische Unternehmensführung, insbesondere im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Informationen zur strategischen Frühaufklärung, betrachten (Controllingtyp 1).812 Andere Autoren setzen es weitestgehend mit der Ausführung von strategischen Planungs- und Kontrollaufgaben bzw. der gesamten Führungsaufgabe (Controllingtypen 2 und 3) gleich813 oder schreiben dem Controlling Koordinationsaufgaben (Controllingtypen 4 und 5) zu.814 Unabhängig von der vertretenen Controlling-Konzeption gelten für das strategische Controlling grundsätzliche Besonderheiten hinsichtlich seiner inhaltlichen Ausrichtung. Die entscheidende Abgrenzung gegenüber dem operativen Bereich ergibt sich, wie auch beim strategischen Management, aus der Fokussierung auf Erfolgspotenziale und die langfristige Existenzsicherung des Unternehmens.815 Diese grundsätzlich andere Ausrichtung manifestiert sich in konkreten Unterschieden gegenüber dem operativen Controlling, die sich anhand gewisser Merkmalsdimensionen systematisieren lassen.816 So ergeben sich aus den divergierenden Zielgrößen, Gewinn und Liquidität auf der operativen, Existenzsicherung und Erfolgspotenziale auf der strategischen Seite, unterschiedliche Zeitbezüge.817 Während im operativen Bereich der Zeithorizont die unmittelbare Gegenwart bis etwa 3 Jahre umfasst, ist die Perspektive des strategischen Controllings prinzipiell unbegrenzt. Die Orientierung des strategischen Controllings ist zudem stärker auf das Unternehmensumfeld ausgerichtet, um eine stetige Adaption an ein durch hohe Komplexität und Dynamik geprägte Umwelt zu erleichtern. In diesem 811 812 813 814 815 816
817
Vgl. Baum, H.G./Coenenberg, A.G./Günther, T. (2007), S. 9 sowie Zenz, A. (1999), S. 126 f. für einen tabellarischen Überblick existierender Konzeptionen des strategischen Controllings. Vgl. Preis, A. (1995), S. 149; Wimmer, A. (1990), S. 231 ff. Vgl. Hinterhuber, H.H. (1990), S. 110 ff.; Dumont du Voitel, R.J.P. (1990), S. 131; Mann, R. (1986), S. 465. Vgl. z.B. Siller, H. (1985), S. 82 ff.; Stahl, H.-W. (1992), S. 55; Langguth, H. (1994), S. 63; Horváth, P. (2003), S. 253, König, G. (1996), S. 17. Vgl. z.B. Langguth, H. (1994), S. 23; Mann, R. (1987), S. 37.; Siller, H. (1985), S. 52. Die in Abschnitt C 1.1 dieser Arbeit vorgenommene Unterscheidung des strategischen und operativen Managementhorizonts ist selbstverständlich auch die Grundlage für die im Folgenden vorgenommene Unterscheidung von operativem und strategischem Controlling. Daher sollen auch nicht alle bereits im Zusammenhang mit dem strategischen Management erörterten Aspekte hier nochmals wiederholt werden. Vielmehr geht es darum, controllingspezifische Aspekte bei der Unterscheidung von strategischem und operativem Horizont aufzuzeigen. Vgl. hierzu und zu den folgenden Ausführungen. Langguth, H. (1994), S. 22 ff.; Horváth, P. (2003), S. 253 ff.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
225
Zusammenhang beziehen sich die relevanten Informationen bzw. Führungsgrößen auf qualitative Aspekte wie Chancen und Risiken sowie Stärken und Schwächen und nicht so sehr auf quantitative Größen wie Aufwand und Ertrag bzw. Kosten und Leistungen (vgl. Tabelle 7).
Merkmal Zielgrößen
Operatives Controlling Gewinn Liquidität
Zeitbezug
Gegenwart; 1-3 Jahre
Vorherrschende Orientierung
Primär unternehmensintern; Wirtschaftlichkeit betrieblicher Prozesse
Rahmenbedingungen
Stabiles Umfeld
Sicherheit der Information Art der Information bzw. Dimension der Führungsgrößen
Weitgehend sichere Informationen Quantitativ/monetär; Aufwand/Ertrag; Kosten/Leistungen
Strategisches Controlling Existenzsicherung, Erfolgspotenzial Prinzipiell unbegrenzt, meist 5-10 Jahre Adaption (unternehmensextern), Ressourcenentwicklung (unternehmensintern) Komplexität, Dynamik und Diskontinuität des Umfeldes Unsicherheit Meist qualitativ; Chancen/Risiken; Stärken/Schwächen
Tabelle 7: Operatives und strategisches Controlling818
Vor diesem Hintergrund lässt sich feststellen, dass strategisches und operatives Controlling komplementäre Handlungsbereiche mit bewusst unterschiedlichen Zwecksetzungen darstellen. 819 Beide Perspektiven sind untrennbar miteinander verbunden. So schwingt bei strategischen Fragestellungen immer die Frage der operativen Machbarkeit mit, umgekehrt erhalten operative Fragestellungen ihren Sinn erst im Lichte der Strategie.820 Insofern ergibt sich für das Controlling insgesamt die Notwendigkeit der Schaffung eines integrierten Gesamtsystems. Allerdings soll in dieser Arbeit lediglich die strategische Dimension des Prozesscontrollings erörtert werden. Insofern gilt es, im weiteren Verlauf dieses Kapitels die soeben dargestellten Zusammenhänge spezifisch für die Prozessorganisation zu beleuchten.
818 819 820
In Anlehnung an Langguth, H. (1994), S. 24; Horváth, P. (2003), S. 254. Vgl. König, G. (1996), S. 16. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 253.
226
1.3
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Besonderheiten des prozessorientierten Controllings
Wenn sich für das Management allgemein die Erforderlichkeit der Führungsunterstützung durch ein Controlling konstatieren lässt, ist dieser Bedarf über einen Analogieschluss auch auf das Prozessmanagement übertragbar.821 Unterstellt man also, dass Controlling allgemein ein den Erfolg förderndes Element der Unternehmensführung darstellt, dann liegt der Schluss nahe, dass dies auch für ein auf das Objekt „Prozesse“ bezogenes Controlling, d.h. das Prozesscontrolling zutrifft.822 Oftmals muss der Prozessgedanke erst im Unternehmen etabliert, die entsprechende Struktur erst geschaffen werden. Bereits in der frühen Phase der Etablierung der Prozessorganisation sollte das Controlling als „Prozessinnovator“ mit Prozessteams zusammenarbeiten, d.h., diese mit Informationen versorgen oder durch Koordination unterstützen und die „Controlling-Spielregeln“ zur weiteren Gestaltung der Beziehung zwischen Controlling und Controllingob-jekten festlegen.823 Dabei erfordern die in Abschnitt B 2 dargestellten Besonderheiten der Prozessorganisation, die sich in den Spezifika des Prozessmanagements niederschlagen, ein inhaltlich speziell angepasstes Controlling. Entsprechend muss das Controlling in einer prozessorientierten Organisation seine Aufgabenwahrnehmung und seine Instrumente prozessorientiert ausrichten824 und weist daher einige inhaltliche Unterschiede zum Controlling funktionaler, im höheren Maße hierarchisch gelenkter Organisationsformen auf. Diese Unterschiede sollen im Folgenden erörtert werden. Dabei ist zu beachten, dass die getroffenen Aussagen zu identifizierten Besonderheiten nicht abschließend sind, da vor allem die grundlegenden Aspekte herausgearbeitet werden sollen. Unterschiede des prozessorientierten Controllings gegenüber dem funktionalen Controlling ergeben sich u.a. aus der Abflachung der Hierarchie in der Prozessorganisation.825 So übernehmen die Prozessteams einen Teil der Führungsaufgaben. Vormals vertikal gestufte Regelkreise zwischen Abteilungen und den übergeordneten Führungsinstanzen verlagern sich auf die „den Prozessfluss begleitende“ horizontale Ebene. Diese Ausrichtung auf horizontale Regelkreise bezeichnet FISCHER als FeedbackFeedforward-Planung und grenzt sie gegenüber der „klassischen“ zentralen Top down821 822 823 824 825
Vgl. Gerboth, T. (2000), S. 536 sowie die Ausführungen in Abschnitt A 1 dieser Arbeit. Vgl. Götze, U. (2007), S. 323. Vgl. Fischer, J. (1996), S. 226. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 867. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Fischer, J. (1996), S. 226 ff.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
227
Bottom up-Planung ab, die in der Prozessorganisation im Gegensatz zur funktionalen Organisation eine geringere Rolle spielt. Das Prozesscontrolling hat vor diesem Hintergrund weniger die Managementabläufe im Rahmen einer zentralen unternehmensweiten Führungshierarchie, sondern stärker die Selbstabstimmung in den Prozessteams sowie zwischen vor- und nachgelagerten Prozessstufen zu unterstützen.826 Dies wirkt sich auch auf die Abläufe des Controllings aus, die gleichermaßen als horizontale, dezentralisierte Prozeduren auszugestalten sind. Auch die vom Controlling eingesetzten Methoden und Instrumente sollten Änderungen unterzogen werden. Die Controlling-Instrumente werden im Rahmen des Selbstcontrollings teilweise unmittelbar von den Prozessteams angewendet und sollten daher von ihnen mitentwickelt und eigenständig angepasst werden können.827 Die Mitarbeiter der Prozessteams, die mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet sind und eine höhere Eigenverantwortung als in der funktionalen Organisation tragen, bringen dabei ihr spezifisches prozessbezogenes Wissen direkt in das Controlling ein, indem sie bei der Auswahl konkreter Controlling-Objekte sowie deren Analyse und Abstimmung mitwirken.828 Wie auch schon im Zusammenhang mit dem Prozessmanagement erörtert wurde, sollten üblicherweise Führungsgrößen mehrerer verschiedener Dimensionen zum Einsatz kommen. In dieser multidimensionalen Ausgestaltung, die für das Controlling eine komplexere Datenerhebung und -verwertung zur Folge hat, sehen viele Autoren ein weiteres konstitutives Merkmal des Prozesscontrollings.829 Dabei wird das Prozesscontrolling vermehrt auch mit Selektions- bzw. Gewichtungsproblemen bezüglich der Auswahl bzw. Identifizierung und Analyse der für unterschiedliche Prozesse relevanten Indikatoren konfrontiert. Die Informationssysteme sind zudem stärker auf die teaminterne sowie horizontale, teamübergreifende Kommunikation ausgerichtet, wohingegen die Informationssysteme im hierarchisch orientierten Controlling eher auf die Kommunikation mit übergeordneten Managementebenen abzielen. 826
827 828
829
Vor diesem Hintergrund wird das „klassische“ Controlling auch als „hierarchisch orientiertes Controlling“ bezeichnet. Vgl. Fischer, J. (1996), S. 229; ähnlich auch Horváth, P. (2003), S. 869 f. Vgl. hierzu auch Horváth, P. (2003), S. 871. In diesem Zusammenhang, argumentiert Brede, H. (1996), S. 157, kommt es zu einem „Empowerment“ der innerhalb der Prozessteams involvierten Mitarbeiter. Vgl. Krahe, A. (1999), S. 120, Fischer, J. (1996), S. 227; Schmelzer, H.J./Friedrich, W. (1997), S. 336.
228
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Diese grundsätzlichen Anforderungen bzw. Besonderheiten sind in der folgenden tabellarischen Übersicht (vgl. Tabelle 8) in Anlehnung an FISCHER zusammengefasst.
Hierarchisch orientiertes Controlling x Organisatorische Ausrichtung
Organisation
x
Ist an hierarchisch gestuften, vertikalen Regelkreisen orientiert
x x
x
Ist auf die vorhandene Aufbauorganisation ausgerichtet Tendenziell großes Ausmaß an unternehmensweit standardisierte Top Down-Bottom up-Planung Zentral koordinierte Prozeduren
x
Ist orientiert an Geschäftsprozessen
x
Tendenziell überwiegend Geschäftsprozessspezifische Feedback-Feedforward -Planung zum Markt Dezentral koordinierte Prozeduren
Unterstützt Managementabläufe im Rahmen der vorhandenen zentralen Führungshierarchie
x
Unterstützt die Selbststeuerung der Beteiligten am Arbeitsprozess
x
Nutzt Systeme, die vom Mitarbeiter tendenziell besser eigenständig angepasst werden können Mitarbeiterzentrierte, Prozess-KnowHow der Mitarbeiter nutzende Informations- und Dokumentationsmethoden Orientiert auf Team und teamübergreifende Kommunikation
x Abläufe
x x
Steuerungszweck
x Informationssysteme
Prozessorientiertes Controlling Ist an prozessbegleitenden horizontalen Regelkreisen orientiert Kurze Regelkreise im Team weniger separate ControllingInstitutionen für Gesamtunternehmen
x
Nutzt zentralisierte Informationssysteme mit vorgegebenen Steuerungsund Abrechnungsmethoden Zentral auf Information übergeordneter Managementebenen ausgerichtet
x
x
x
Tabelle 8: Hierarchie- vs. Prozessorientiertes Controlling830
Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt auch BREDE, demzufolge sich das prozessorientierte Controlling neben der Kunden- und Prozessorientierung v.a. durch die Fokussierung der Aspekte Erfolgsfaktorenorientierung, Strukturorientierung sowie Humanorientierung auszeichnet.831 Mit der Erfolgsfaktorenorientierung bezeichnet BREDE die Notwendigkeit, sich hinsichtlich der Führungsgrößen auf mehrere Parameterdi830 831
In Anlehnung an Fischer, J. (1996), S. 229. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Brede, H. (1996), S. 156 f.; Brede, H. (1998), S. 71 ff. Auf eine detailliertere Erörterung der einzelnen Aspekte soll, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, verzichtet werden. Es werden daher nur kurz die Parallelen zu den bisherigen Überlegungen zum prozessorientierten Controlling aufgezeigt.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
229
mensionen (üblicherweise Kosten, Qualität und Zeit) zu stützen. Der tendenziell dezentrale Charakter mit flacheren Hierarchien wird unter dem Begriff Strukturorientierung subsumiert. Auch die höhere Verantwortung der Prozessteams und die damit verbundene Miteinbeziehung des spezifischen Wissens der einzelnen Mitarbeiter findet bei BREDE unter der Bezeichnung Humanorientierung Berücksichtigung. Insgesamt zeigt sich, dass die Prozessorientierung starken Einfluss auf die Ausgestaltung des Controllings hat.832 So wird die Abgrenzung zwischen Manager und Controller aufgeweicht, da der Controller einerseits stärker in die Gestaltung der Prozesse eingebunden ist und sich andererseits Teile der Controlling-Aufgaben in die Prozessteams verlagern.833 Das Prozesscontrolling hat den Prozessverantwortlichen und ihren Teams insofern verstärkt eine Hilfestellung zum Selbstcontrolling zu geben. Hinsichtlich der Informationsversorgung stehen die horizontale Vernetzung sowie die parallele Bereitstellung von Steuerungsgrößen aus mehreren Dimensionen (z.B. Kosten, Zeit, Qualität) im Prozesscontrolling im Vordergrund. 1.4
Festlegung einer geeigneten Konzeption für das strategische Prozesscontrolling
1.4.1
Theoretische Anforderungen an eine Controlling-Konzeption
Wenn das Controlling mehr als eine rein sprachliche Umdeklarierung „traditioneller“ betriebswirtschaftlicher Funktionen sein soll, so sind aus theoretischer Sicht einige Anforderungen an seine Konzeption zu formulieren (Vgl. Abbildung 38). KÜPPER beschreibt in Anlehnung an SCHNEIDER die nachfolgend beschriebenen theoretischen Anforderungen, die auch durch das strategische Prozesscontrolling zu erfüllen sind: Erstens muss eine spezifische Problemstellung vorliegen, zu deren Bewältigung das strategische Prozesscontrolling einen eigenständigen Beitrag zu leisten vermag, der bisher von keinem andern Teilbereich des Unternehmens erbracht werden konnte bzw. wird.834 Dabei darf es „sich nicht nur um die bloße Zusammenfassung verschiedener
832 833
834
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Horváth, P. (2003), S. 871. Horváth, P. (2003), S. 871 weist darauf hin, dass diese Verlagerung insbesondere systemkoppelnde Koordinationsaufgaben betrifft, deren Ausgestaltung auf der strategischen Ebene im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch erörtert werden soll. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 7; Schneider, D. (1987), S. 54 ff.
230
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Aufgaben aus mehreren Bereichen handeln.“835 Dieses Eigenständigkeits- bzw. Neuartigkeitskriterium ist erfüllt, wenn eine klare Abgrenzung von strategischem Prozesscontrolling gegenüber anderen Ansätzen innerhalb der Betriebswirtschaftslehre möglich ist. Die nächste Anforderung betrifft die wissenschaftlich-theoretische Fundierung. Zur Lösung der Problemstellungen im strategischen Prozesscontrolling müssen theoretische Ansätze entwickelt werden, mit denen man über bloße Beschreibung von Problemen, empirischen Tatbestände und Instrumenten hinauskommt.836 SCHNEIDER postuliert in diesem Zusammenhang die Herausbildung von Ansätzen, die neben Lösungsideen auch Strukturkerne als modellhafte Ausformung der Lösungsidee sowie Musterbeispiele zur Anwendung des Strukturkerns auf empirische Tatbestände und Hypothesen beinhalten.837 Da es sich bei der Betriebswirtschaftslehre um angewandte Wissenschaft handelt, sollte sich eine Controlling-Konzeption auch als praxistauglich erweisen. Nach ZENZ konkurrieren bezüglich der inhaltlichen Ausfüllung dieser Praxisrelevanz zwei Auffassungen miteinander: „Nach der einen entspricht Praxisrelevanz […] dem positivistischen Begriff der Wahrheit: Die Entsprechung von Aussagen mit empirischen Gegebenheiten wird als Praxisrelevanz verstanden.“838 Nach der anderen Auffassung wird Praxistauglichkeit bzw. -relevanz als (potenzielle) Nützlichkeit des theoretischen Aussagesystems für die praktische Anwendung interpretiert.839 Da die Zielsetzung dieser Arbeit in der deduktiven Erarbeitung einer Controlling-Konzeption für das strategische Prozesscontrolling liegt und es somit primär um die theoretische Auseinandersetzung
835 836 837 838
839
Küpper, H.-U. (2005), S. 7. Vgl. allgemein Küpper, H.-U. (2005), S. 7. Vgl. Schneider, D. (1987), S. 55; Schneider, D. (1993), S. 157 ff. Zenz, A. (1999), S. 34. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Schmidt, R.H. (1991), S. 201, der dieses positivistisch-szientistische Wissenschaftsverständnis wie folgt charakterisiert: „Praxisrelevant ist eine Theorie nur, wenn sie Entscheidungskalküle produziert, deren Anwendungsbedingungen überprüfbar und erfüllt sind, oder wenn sie empirisch überprüfbare, nicht falsifizierbare Gesetze erzeugt, die sich in technologische Aussagen umformen lassen.“ Vgl. Behrens, G. (1993), Sp. 4770. Diesem Verständnis von Praxisrelevanz liegt wissenschaftstheoretisch ein Bezug zum Pragmatismus zugrunde: „Wahr [im Sinne von praxisrelevant, d. Verf.] ist das, was sich durch seine praktischen Konsequenzen bewährt.“
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
231
geht,840 erscheint die Auffassung von Praxisrelevanz als Nützlichkeit zweckmäßiger zu sein.841 Auf der Grundlage dieser Anforderungen und der zuvor erfolgten Charakterisierung verschiedener Controlling-Konzeptionen soll nachfolgend die Auswahl einer geeigneten Controlling-Konzeption für das strategische Prozesscontrolling erfolgen. 1.4.2
Eignung einzelner Controlling-Konzeptionen zur Fundierung von strategischem Prozesscontrolling
1.4.2.1 Bewertung der Controllingtypen 1-3 Bezüglich der Controllingtypen 1-3, die im Controlling allesamt den Betrieb eines oder mehrer Führungsteilsysteme sehen, lässt sich allgemein eine mangelnde Eigenständigkeit konstatieren.842 Beispielsweise ist die von REICHMANN aufgeworfene Fragestellung der entscheidungsbezogenen Unterstützung (Typ 1) keinesfalls neuartig und originär im Controlling verortet.843 Gleiches gilt auch für die dabei angewendeten betriebswirtschaftlichen Instrumente wie z.B. Rentabilitäts- und Liquiditätskennzahlensysteme.844 Es daher fraglich, ob die Informationsorientierung für die inhaltliche Konstituierung einer Funktion Controlling geeignet sein kann. Bei den steuerungs- und regelungsorientierten Controlling-Konzeptionen vom Typ 2 ist dem Controlling schwerpunktmäßig der Betrieb der Führungsteilsysteme Planung, Kontrolle und in Teilen auch Informationsversorgung zugeordnet. Somit gestaltet sich die Abgrenzung gegenüber anderen bestehenden Führungsfunktionen als schwierig. Stellt Controlling, wie bei Typ 3, gar ein Synonym für Führung dar, ist die Abgrenzungsproblematik umso ausgeprägter. Zwar wird hinsichtlich der Typen 2 und 3 gelegentlich argumentiert, die integrative Zusammenfassung von Planung, Durchsetzung und Kontrolle in ein kybernetisches System und die so erzielten Synergien ermöglich840 841 842 843
844
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt A. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 34. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Zenz, A. (1999), S. 35 ff.; Küpper, H.-U. (2005), S. 15 ff.; Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 20 ff. Einschränkend ist hier zu berücksichtigen, dass diese Einschätzung auf der Schwerpunktbildung der informationsversorgungsorientierten Ansätze beruht. So enthält der Ansatz von REICHMANN durchaus auch Hinweise auf die koordinative Wirkung von Informationen, jedoch stehen diese hinter der Informationsversorgungsfunktion zurück. Vgl. Reichmann, T. (1996), S. 561 ff. Vgl. Reichmann, T. (1997), S. 34 f.
232
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
ten eine Abgrenzung gegenüber den „klassischen“ Managementfunktionen,845 jedoch trifft dies nur dann zu, wenn die Controllingfunktion sich auf die, für die Erzielung von Synergien kausal verantwortlichen Koordinations- und Integrationsmechanismen beschränkt.846 Die Realisierung von Synergien im Führungssystem über den integrativen und koordinierten Zusammenschluss wäre als ein neuartiger Aufgabenkomplex anzusehen, der eine inhaltliche Abgrenzung gegenüber „klassischen“ Wahrnehmung der Führungsaufgaben möglich macht, allerdings stellt dann das Controlling lediglich eine Einwirkung auf das Führungssystem dar. D.h., das Controlling wäre nicht, wie von Typ 2 bzw. 3 eigentlich postuliert, mit dem Betrieb der Führungsteilsysteme betraut, sondern würde eher den Typen 4 bzw. 5 entsprechen. Insofern lässt sich auch mit dem Verweis auf die integrative Zusammenfassung der Führungsteilsysteme keine Eigenständigkeit der Typen 2 und 3 begründen. Im Hinblick auf die Zielsetzung dieser Arbeit scheiden die Controllingtypen 1-3 also als geeignete Konzeptionen also schon aufgrund mangelnder Eigenständigkeit aus.847 Da die vom Controlling gemäß der Typisierung 1-3 wahrgenommenen Aufgaben Teilmengen klassischer, bereits etablierter Führungsfunktionen sind, wäre eine Zuordnung dieser Aufgaben zum Controlling als eine reine Umdeklarierung zu bewerten, die „weder neue Fragestellungen noch wesentlich neue Lösungsideen entwickelt.“848 Der Neuartigkeitscharakter von Controlling kann daher nicht allein im Betrieb bereits etablierter Führungssysteme, sondern allenfalls in einer spezifisch-neuartigen Einwirkung auf dieselben (Controllingtypen 4-6 bzw. 7 und 8) begründet sein.849 1.4.2.2 Bewertung der Controllingtypen 4-6 Hinsichtlich der Eigenständigkeit koordinationsorientierter Controlling-Konzeptionen wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Eine ganze Reihe von Autoren kritisiert die fehlende Abgrenzbarkeit aufgrund eines zu weit gefassten Handlungsfeldes bzw. der Ermangelung einer ausreichend spezifischen Funktion.850 So argumentieren bspw. PIETSCH/SCHERM in Anlehnung an KOONTZ/O’DONNELL/WEIHRICH, Koordi845 846 847 848 849 850
Vgl. Zenz, A. (1999), S. 37 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 37. Auf eine Erörterung der möglichen Erfüllung der übrigen Anforderungen kann daher an dieser Stelle verzichtet werden. Zenz, A. (1999), S. 35. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 35. Vgl. Pietsch, G./Scherm, E. (2000), S. 398 f.; Wall, F. (2000), S. 295, Weber, J./Schäffer, U. (2000), S. 115 ff.; Schneider, D. (1991), S. 771.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
233
nation sei kein spezieller Handlungstyp, sondern gleichermaßen relevanter Inhalt aller Managementfunktionen.851 „Das koordinationsorientierte Controllingverständnis beinhaltet damit das grundlegende logische Problem der Spezifizierung einer Funktion unter Rückgriff auf eine unspezifische Zielkategorie „Koordination“.“852 Dieser Auffassung stehen, die folgenden Überlegungen zur Eigenständigkeit der beiden koordinationsorientierten Controllingtypen entgegen: So lässt sich der einschränkend koordinationsorientierte Controllingtyp nach HORVÁTH zum einen aufgrund seiner eingeschränkten Funktionsbreite durchaus gegenüber anderen Führungsfunktionen abgrenzen. Die systembildende und systemkoppelnde (Sekundär-)Koordina-tion von Planung, Kontrolle und Informationsversorgung begründet einen gut eingegrenzten, homogenen Objektbereich,853 der klar von der (Primär-)Koordination der Ausführungsebene unterscheidbar ist. Die Konzentration auf die Ergebnisziele, als die den Koordinationsbemühungen zugrundeliegende Zielkategorie, trägt zudem zur Differenzierung von anderen Unternehmensfunktionen bei.854 Auf der Grundlage der Ergebniszielorientierung lassen sich mehrere durchaus spezifische Problemstellungen, wie z.B. die Fragen nach der zweckmäßigen Verknüpfung diverser Ergebniszielausprägungen, den passenden Messgrößen oder Rechnungssystemen für die Ergebnisziele ableiten, die keinem anderen Führungsteilsystem eindeutig zuordenbar sind und anhand derer somit die Notwendigkeit der Unterstützung der Unternehmensführung durch ein koordinationsorientiertes Controlling deutlich wird.855 Der umfassend koordinationsorientierten Controlling-Ansatz nach KÜPPER dehnt die Funktionsbreite gegenüber dem einschränkend koordinationsorientierten Ansatz auf das gesamte Führungssystem aus. Hierin sehen einige Autoren ein Problem und argumentieren, gerade diese Konzeption sei „zu weit und zu wenig abgrenzbar.“856 Diesem Einwand begegnet KÜPPER mit dem Verweis der Fokussierung auf die Sekundärkoordination, aus welcher sich spezifische Koordinationsprobleme ergäben, die ander851
852 853 854 855 856
Vgl. Pietsch, G./Scherm, E. (2000), S. 398; Koontz, H./O’Donnell, C./Weihrich, H. (1984), S. 52. Ähnlich argumentiert auch Müller, A. (1996), S. 145. Pietsch, G./Scherm, E. (2000), S. 399. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 39. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 155. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 144 f. Horváth, P. (2003), S. 154. Konträr dazu konstatiert Lehmann, F.-O. (1992), S. 51 bezugnehmend auf die Koordination des Führungsgesamtsystems: „Mit der Hervorhebung des Gesamtsystems ist eine sichtbare Grenze zu anderen Koordinationsaufgaben gezogen.“
234
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
weitig vernachlässigt würden.857 Zudem sei bei Controllingtyp 5 im Gegensatz zu Typ 4 die Funktionstiefe eingeschränkt. So beinhaltet das Controlling zwar die Koordination des gesamten Führungssystems, umfasst dabei allerdings lediglich die Abstimmung und Integration der Systemelemente.858 Somit lässt sich auch das umfassend koordinationsorientierte Controlling gegenüber anderen Führungsfunktionen abgrenzen. Es wird deutlich, dass beide koordinationsorientierten Controllingtypen über die bloße Zusammenfassung von Aufgaben aus verschiedenen, bereits existierenden Bereichen hinausgehen. Somit kann den koordinationsorientierten Controlling-Konzeptionen durchaus Eigenständigkeit attestiert werden. Zur theoretischen Fundierung greift HORVÁTH bei seinem Controllingtyp 4 auf den Systemansatz als Instrument zur Analyse und Gestaltung der Controllingfunktion zurück.859 Dieser stellt trotz einiger Schwächen einen nützlichen, theoretisch fundierten Ansatz zur Problembeschreibung und -lösung im Controlling dar. 860 So besitzt der Systemansatz zwar keinen empirischen Informationsgehalt und basiert auf der Annahme teleologischen Verhaltens sozialer Systeme, woraus Einschränkungen hinsichtlich Erklärungs- und Wahrheitsgehalt resultieren. Dennoch ermöglicht er durch die Bereitstellung eines formal-logischen Rahmens die Darstellung, Analyse sowie Gestaltung komplexer Zusammenhänge wie die der Führungsteilfunktionen und die Formulierung normativer Aussagen über das Controlling. In diesem Zusammenhang tragen auch die von HORVÀTH erörterten Erweiterungen des Systemansatzes durch die Miteinbeziehung des Einflusses interner und externer Kontextfaktoren861 sowie die Berücksichtigung der Prozessorientierung862 zur weiteren Bildung von Strukturkernen bei.
857 858
859 860 861
862
Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 31. Dies kann, wie nachfolgend noch thematisiert wird, negative Auswirkungen auf die Erfüllung des Praxistauglichkeitskriteriums haben. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 96 ff. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Horváth, P. (2003), S. 102 f. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 104 ff. So kann der von Weber, J./Schäffer, U. (2000), S. 110 geäußerten Kritik begegnet werden, der Systemansatz trüge lediglich einem deskriptiven Wissenschaftsziel Rechnung und erbrächte keinerlei Beitrag zur Erklärung und Prognose betriebswirtschaftlicher Sachverhalte. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 106 ff.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
235
Auch der umfassend koordinationsorientierte Controllingtyp fußt theoretisch auf dem Systemansatz.863 Hier ergeben sich Strukturkerne aus der Betrachtung der Interdependenzen zwischen Handlungs- bzw. Gestaltungsvariablen oder Zielen innerhalb und zwischen den Führungsteilsystemen.864 Zur Erkennung und Analyse wird z.B. auf die Principal-Agenten-Theorie und kontrolltheoretische Ansätze zurückgegriffen, sodass der Systemansatz um zusätzliche ökonomische Theorieelemente ergänzt und ein umfangreiches Instrumentarium zur Beherrschung der Koordinationsproblematik vorgeschlagen wird.865 Hinsichtlich der wissenschaftlich-theoretischen Fundierung beider koordinationsorientierter Controllingtypen lässt sich also feststellen, dass den auf die Verwendung des Systemansatzes zurückzuführenden Schwächen auch eine Reihe positiver Aspekt entgegengebracht werden kann. Insofern können die koordinationsorientierten Controlling-Konzeptionen in diesem Punkt als ausgewogen angesehen werden und sind grundsätzlich nicht abzulehnen. Die Feststellung von Praxisrelevanz, hier als Nützlichkeit für praktische Problemstellungen interpretiert,866 erfolgt basierend auf der Identifizierung eines Bedarfs nach Koordination im Führungssystem. Geht man davon aus, dass die Führungsaufgabe im Unternehmen von mehreren Teilsystemen wahrgenommen wird, erscheint eine Abstimmung derselben untereinander unabdingbar. Bezüglich der Praxisrelevanz des umfassend koordinationsorientierten Ansatzes wirkt sich allerdings die Begrenzung der Funktionstiefe auf Systemintegration und -koordina-tion einschränkend aus. So ist es fraglich, inwiefern es aus Sicht der Praxis realistisch und sinnvoll erscheint, dem Controlling ausschließlich systemkoppelnde Aufgaben zuzuweisen, während die Systembildung anderen Führungsfunktionen obliegt. Insgesamt jedoch behandelt die koordinationsorientierte Controllingauffassung zweifelsfrei einen praxisbedeutsamen Gegenstand. Die Entwicklung von Lösungsansätzen zur ganzheitlichen Ausrichtung einzelner Führungsteilsysteme ist sicherlich aus Sicht der Praxis als nützlich zu bewerten, wobei eventuell aufgrund des relativ weit gefassten Aufgabenfeldes „Koordination“ eine leichte Unterlegenheit im Vergleich zu den Typen 1-3 unterstellt werden könnte.
863 864 865 866
Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 28 ff. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 40. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 57 ff. sowie für die Methoden und Instrumente z.B. S. 104 ff. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D 1.4.1.
236
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Die in Bezug auf die Controllingtypen 4 und 5 erörterten Aspekte, lassen sich zum Teil auch auf den Metaführungsansatz übertragen, der eine Weiterentwicklung der Controllingtypen 4 und 5 ist. Auch er basiert auf der Grundprämisse des Bedarfes nach Sekundärführung und weist mit der Gestaltung des Führungssystems eine einheitliche Problemstellung auf.867 Jedoch ist die Spannweite der dem Controlling zugewiesenen Aufgaben so groß, dass eine Abgrenzung gegenüber der Führungsfunktion problematisch erscheint. Ähnlich wie beim umfassend koordinationsorientierten Controlling sehen einige Autoren in der großen Funktionsbreite eine „Anmaßung von Wissen und Können“868 und zweifeln zudem die Praxistauglichkeit einer derartig weit gefassten Konzeption an.869 Anders als bei der Konzeption von KÜPPER kann diesen Vorwürfen nicht durch den Verweis auf eine enge Funktionstiefe begegnet werden, sodass aufgrund der hohen Überschneidungsgefahr mit anderen Führungsteilsystemen für das Controlling die Gefahr besteht, zu „einer unzweckmäßigen inhaltlichen Leerformel“870 zu werden. Vor diesem Hintergrund ist die Eigenständigkeit des Metaführungsansatzes zumindest fraglich.871 Auch die wissenschaftlich-theoretische Fundierung fällt aufgrund mangelnder Verbreitung des Metaführungsansatzes in der Literatur eher gering aus. 1.4.2.3 Bewertung der Controllingtypen 7 und 8 Das zentrale Problem des rationalitätssichernden Controllings ist die Frage, ob Rationalitätssicherung eine eigenständige Funktion darstellt, die außer dem Controlling keiner anderen betriebswirtschaftlichen Funktion zukommt.872 Diesbezüglich bestehen nach Auffassung diverser Autoren einige Schwierigkeiten, die eine hinreichende Eigenständigkeit in Frage stellen. Insbesondere die von WEBER/SCHÄFFER postulierte Interpretation von Rationalität als Zweckrationalität trüge laut PIETSCH/SCHERM dazu bei, dass der von ihnen geprägte Controllingbegriff sehr allgemein sei.873 Entsprechend sollte bzw. würde Rationalität „ebenso wie die Koordinationsaufgabe die 867 868 869 870 871
872 873
Vgl. Zenz, A. (1999), S. 41. Schneider, D. (1994), S. 330. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 154. Zenz, A. (1999), S. 41. Allerdings kommt trotz der hier aufgeführten Kritikpunkte Zenz, A. (1999), S. 41 ff. zu dem Ergebnis, der Metaführungsansatz sei bei ausreichender instrumenteller Unterstützung durchaus zweckmäßig. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 19. Vgl. Pietsch, G./Scherm, E. (2001b), S. 82.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
237
gesamte Unternehmensführung kennzeichnen.“874 Diese Meinung wird auch von anderen Autoren geteilt: Rationalität, konstatieren sowohl HORVÁTH als auch KÜPPER, sei die Grundlage jeglichen betriebswirtschaftlichen Handelns und könne daher kein konstitutives Merkmal des Controllings sein.875 Ein weiteres Problem der rationalitätsorientierten Controlling-Konzeption ist die nicht vorgenommene Trennung zwischen der Funktion des Controllings und ihrer organisatorischer Gestaltung.876 So sind nach WEBER/SCHÄFFER Controlleraufgaben das Ergebnis der Delegation durch Manager877 und damit das Ergebnis organisatorischer Gestaltung, wodurch die allgemeine Kennzeichnung der für die Funktion Controlling typischen Merkmale erschwert wird.878 Hinzu kommt die induktive Prägung des Controllingtyps 7. „Den Ausgangspunkt dieser Konzeption bildet das Bestreben, eine hohe Übereinstimmung zu der Tätigkeit von Controllern in der Praxis zu erreichen. Deshalb wird versucht, sie auf induktivem Wege aus deren Aufgaben abzuleiten.“879 So könnte dieser Controllingtyp eine hohe Eignung zur Entwicklung einer praxisrelevanten ProzesscontrollingKonzeption aufweisen. Die Zielsetzungen dieser Arbeit sind jedoch die theoretische Fundierung von strategischem Prozesscontrolling und die deduktive Entwicklung einer Controlling-Konzeption, sodass in diesem Zusammenhang die Verwendung des rationalitätssichernden Controllingtyps weniger sinnvoll erscheint. Der Ansatz von PIETSCH/SCHERM fand als jüngster der hier vorgestellten Ansätze bisher noch vergleichsweise wenig Beachtung in der Literatur, sodass eine umfassende intensiv kritische bzw. vergleichende Auseinandersetzung bisher noch aussteht. Ähnlich wie bei dem rationalitätsorientierten Controllingtyp besteht ein hauptsächlicher Einwand gegen die Reflexionsaufgabe in der Negierung ihrer Exklusivität als reine Controlling-Aufgabe.880 „Ihr […] charakteristisches Merkmal einer distanzierendkritischen Gedankenarbeit ist in den anderen Führungsfunktionen ebenfalls zu finden.“881 In Frage zu stellen ist auch die unterordnende Zuweisung der Kontrolle zum Aufgabenbereich des Controllings. KÜPPER weist diesbezüglich darauf hin, dass ty874 875 876 877 878 879 880 881
Pietsch, G./Scherm, E. (2000), S. 402. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 19; Horváth, P. (2002), S. 60. Ähnlich auch Pietsch, G./Scherm, E. (2000), S. 401. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 20. Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 38 ff. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 20. Küpper, H.-U. (2005), S. 19. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 25.; Schneider, D. (2005), S. 68. Küpper, H.-U. (2005), S. 25.
238
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
pische Kontrollaufgaben wie die interne und externe Revision z.B. durch Wirtschaftsprüfer im Allgemeinen weder in der Praxis noch in der Wissenschaft dem Controlling zugerechnet werden.882 Auch fielen Aufgaben wie die Budgetierung oder die Festlegung von Verrechnungspreisen nicht unter dieses Controllingverständnis. Vor diesem Hintergrund resümiert KÜPPER, das reflexionsorientierte Controlling-Verständnis sei weder konzeptionell ausreichend klar noch durch die Ausgestaltung von Controlling in der Praxis gestützt. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt auch OSSADNIK, der zudem die Auffassung vertritt, dieser Ansatz sei, wie im Übrigen das rationalitätssichernde Controlling auch, noch zu jung und nicht weitreichend genug.883 1.4.3
Auswahl einer geeigneten Controlling-Konzeption
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass alle hier vorgestellten Ansätze die in Abschnitt D 1.4.1 postulierten Anforderungen an eine Controlling-Konzeption unterschiedlich gut erfüllen. Im Hinblick auf die dieser Arbeit zugrundeliegende Problemstellung ist insbesondere die Anforderung einer wissenschaftlich-theoretischen Fundierung durch die gewählte Controlling-Konzeption von Bedeutung. Diesbezüglich weisen die koordinationsorientierten Controlling-Konzeptionen aufgrund ihrer bisher hohen Popularität und des damit einhergehenden großen Maßes an Beachtung in der Literatur eine große Eignung auf. Die Herausbildung theoretischer Strukturkerne für das strategische Prozesscontrolling kann auf der Grundlage einer koordinationsorientierten Controllingauffassung konzeptionell gesicherter erfolgen, als dies etwa bei den Controllingtypen 6-8 der Fall wäre. Anders als die Controlling-Konzeptionen von Typ 1-3 zeichnet sich die koordinationsorientierte Konzeption darüber hinaus durch eine hohe Eigenständigkeit aus. Ein großer Einwand gegen die koordinationsorientierte Controlling-Konzeption, nämlich der der geringen Praxisrelevanz, erweist sich vor dem Hintergrund des primär theoretischen Charakters dieser Arbeit als weniger relevant, zumal er auch aufgrund der zuvor vorgenommenen Interpretation von Praxisrelevanz als Nützlichkeit an Stärke verliert.884
882 883 884
Vgl. hierzu und zu den folgenden Aspekten Küpper, H.-U. (2005), S. 25. Vgl. Ossadnik, W. (2003), S. 32. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D 1.4.1 dieser Arbeit.
1 Controllingtheoretische Basisüberlegungen zum strategischen Prozesscontrolling
239
Es lässt sich also feststellen, dass die koordinationsorientierte ControllingKonzeptionen den eingangs formulierten Anforderungen am ehesten gerecht werden. Die Entwicklung der Controlling-Konzeption für das strategische Prozesscontrolling soll daher basierend auf den Controllingtypen 4 und 5 erfolgen. Mit dem Rückgriff auf ein solches Controllingverständnis lässt sich die Aufgabe des Prozesscontrollings als Spezifizierung der allgemeinen Koordinationsaufgabe des Unternehmenscontrollings im Hinblick auf eine Koordination der prozessorientierten Führungsmechanismen charakterisieren.885 Entsprechend ist diese Koordinationsaufgabe spezifisch auf die Anforderungen des Prozessmanagements hin auszurichten.886 So erfordern die prozesszielgerechte Strukturgestaltung sowie Ausführungssteuerung der Geschäftsprozesse im Leistungssystem und die Entwicklung der Prozessstrategien eine Abstimmung der Entscheidungen innerhalb der beteiligten prozessbezogenen Führungsteilsystemen sowie zwischen diesen. Eine solche intra- und intersystemische Abstimmung wird auch als prozessorientierte Koordination bezeichnet und ist durch ein Geschäftsprozesscontrolling sicherzustellen. Für das strategische Prozesscontrolling lässt sich diese grundsätzliche Koordinationsaufgabe weiter dahingehend eingrenzen, dass sie sich ausschließlich auf die Sekundärkoordination des strategischen Prozessmanagementsystems bezieht. Dabei ist zu beachten, dass mit der Übertragung „klassischer“ koordinationsorientierter ControllingPrinzipien Horváth- und Küpper-scher Prägung auf das strategische Prozesscontrolling einige inhaltliche Anpassungen vorzunehmen sind. So bezieht sich die von HORVÁTH postulierte Ergebniszielorientierung von Controlling primär auf eine wertorientierte Koordination anhand von Instrumenten und Größen aus dem Rechnungswesen.887 Dieses ist im Kontext des strategischen Prozesscontrollings einerseits problematisch, da Erfolgspotenziale als wesentliche Gestaltungsobjekte des strategischen Managements sich bestenfalls indirekt anhand wertorientierter Größen steuern lassen. Andererseits gewinnen, wie bereits in Kapitel B erörtert wurde, nicht-monetäre Führungsgrößen in einer Prozessorganisation gegenüber den klassischen monetären Größen an Bedeutung und müssen daher vom Prozesscontrolling mit höherer Priorität berücksichtigt werden. Als problematisch mutet auch die Beschrän885 886 887
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 120. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 122. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 197.
240
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
kung der Führungskoordination lediglich auf Planung, Kontrolle und Informationsversorgung an. Dies ist insofern unverständlich, als dass ohne Organisation und Personalführung die Gestaltung von Geschäftsprozessen gar nicht möglich ist.888 Diese inhaltliche Lücke vermag KÜPPER zu schließen, indem er explizit das gesamte Führungssystem, inklusive Organisation und Personalführung, in seine Betrachtung mit einbezieht. Ferner verbindet er mit der Führungskoordination eine Reihe von Zwecksetzungen,889 die über die ergebniszielorientierte Koordination hinausgehen und sich daher gut als Grundlage der Zielermittlung für das strategische Prozesscontrolling eignen.890 Insgesamt soll, basierend auf beiden koordinationsorientierten Konzeptionen, dem strategischen Prozesscontrolling die Aufgabe der Koordination der auf die Entwicklung und Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale bezogenen Führungsentscheidungen im Prozessmanagement zugewiesen werden. In diesem Zusammenhang sollen, der Auffassung von KÜPPER folgend, die Entscheidungen im gesamten strategischen prozessbezogenen Führungssystem berücksichtigt werden. In Anlehnung an HORVÁTH soll dabei zwischen systembildenden und systemkoppelnden Koordinationsaufgaben unterschieden werden. Auf der Grundlage dieser allgemeinen Charakterisierung erfolgt die Entwicklung der strategischen Prozesscontrolling-Konzeption im weiteren Verlauf dieses Kapitels.
888 889 890
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 5. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 32 ff. Dieser Aspekt soll in Abschnitt D 3.1 dieser Arbeit noch vertieft werden. Dort werden auf der Grundlage der von Küpper postulierten Ziel- bzw. Zwecksetzungen Ziele für das strategische Prozesscontrolling entwickelt.
2 Koordination des strategischen Prozesscontrollings
241
2
Koordination des strategischen Prozessmanagements: Herausforderung für das Controlling
2.1
Interdependenzen im Führungssystem als Ursache von Koordinationsproblemen
Die Aufspaltung der Führungsaufgabe in verschiedene inhaltliche Teilaspekte ermöglicht Arbeitsteilung innerhalb der Führung und reduziert die von einzelnen Führungsorganen zu bewältigende Komplexität, resultiert allerdings in einer Vielzahl von inhaltlichen und formalen Interdependenzen891 zwischen den einzelnen Teilsystemen.892 Im Kontext des strategischen Managements sind die von den Teilsystemen wahrgenommenen Aufgaben auf das gemeinsame Ziel der langfristigen Existenzsicherung hin auszurichten. Das strategische Prozessmanagement sichert die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens insbesondere durch die (Weiter-)Entwicklung und Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale. Es ergeben sich damit die in Abbildung 38 grob abgegrenzten Gegenstandsbereiche für strategisches Prozessmanagement (unten) und -controlling (oben). Die einzelnen Führungsteilsysteme leisten jeweils unterschiedliche Beiträge bei der Entwicklung und Nutzung der Erfolgspotenziale. Letztere sind innerhalb der Prozesse auf der Leistungsebene verortet, welche den Gegenstandsbereich des Prozessmanagements darstellt. Der zu bewältigende Katalog an Führungsaufgaben ist dabei äußerst differenziert, und die Führungsteilsysteme stehen in stark interdependenter Beziehung zueinander, welche durch das Controlling beherrschbar gemacht werden sollen. Die Wirkungszusammenhänge zwischen Unternehmensprozessen und Erfolgspotenzialen, die die Grundlage für die Aktivitäten des strategischen Prozessmanagements bilden, sind somit auch die Basis für die Ableitung der Koordinationsbedarfe im strategischen Führungssystem und gleichzeitig auch das Abgrenzungsmerkmal gegenüber dem operativen Bereich.893 Entsprechend koordiniert das strategische Prozesscontrolling die Aktivitäten der Teilsysteme des strategischen Prozessmanagementsystems im Hinblick auf die Sicherung der nachhaltigen Entwicklung und Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale. 891 892 893
Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 54 ff. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 30. Insofern wurde mit der Deduktion der Inhalte des Strategischen Prozessmanagements aus der ökonomischen Theorie in Kapitel C auch der erster Schritt zur theoretischen Fundierung des strategischen Prozesscontrollings gemacht.
242
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Unternehmen Führungssystem Strategisches Prozessmanagement
Prozessbezogenes Planungssystem
Prozessbezogenes Personalführungssystem
Prozessbezogenes Kontrollsystem
Controlling
Prozessbezogenes Informationssystem
Prozessbezogene Organisation
Leistungssystem
Interdependez von Prozessen und Kernkompetenzen
aus Funktionsintegration erwachsende Differenzierungspotenziale
Koordinations- und Qualitätskostensenkungspotenziale
„strategische Flexibilität“ bei der Konzentrationsstrategie prozessbezogene Quellen für Erfolgspotenziale
Abbildung 38: Abgrenzung der Gegenstandsbereiche des strategischen Prozessmanagements und -controllings894
Im weiteren Verlauf dieses Abschnittes sollen die Interdependenzen innerhalb des strategischen Prozessmanagementsystems näher gekennzeichnet werden. Neben einer grundsätzlichen Systematisierung von Interdependenzen im Führungssystem soll vor allem das Zusammenwirken der einzelnen Führungsteilsysteme dahingehend analysiert werden, dass spezifische Abstimmungsbedarfe herausgearbeitet werden. Diese 894
In Anlehnung an Küpper, H.-U. (2005), S. 30.
2 Koordination des strategischen Prozesscontrollings
243
dienen dann als Grundlage für die inhaltliche Ausgestaltung der koordinationsorientierten Controlling-Konzeption. 2.2
Zum Begriff der Interdependenz
In dieser Arbeit soll unter dem Interdependenzbegriff die Veränderung des entscheidungs- und/oder Handlungsfeldes eines oder mehrerer Führungsteilsysteme durch andere Führungsentscheidungen und/oder -handlungen in einem anderen oder demselben Führungsteilsystem verstanden werden.895 ZENZ weist zu Recht darauf hin, dass diese „weite“ Definition streng genommen als Dependenz zu bezeichnen wäre,896 da der durch den Interdependenzbegriff implizierte Charakter einer wechselseitigen Beeinflussung nicht erfasst bzw. deutlich wird.897 Dies soll an dieser Stelle jedoch nicht als schwerwiegender Mangel empfunden werden, da die Herleitung von Koordinationsbedarf zwischen Führungsteilsystemen auf der Grundlage des Vorhandenseins von Interdependenzen zwischen denselben nicht zwingend die Existenz gegenseitiger Beeinflussung voraussetzt. Insofern eignet sich auch der obige, „weite“ Interdependenzbegriff. Interdependenzen führen dazu, dass Tatbestände nicht isoliert bzw. unabhängig voneinander festgelegt werden können, ohne die jeweilige Zielerreichung zu beeinflussen, deshalb müssen die Wirkung auf den jeweils anderen Tatbestand sowie deren Rückwirkung bei der Einzelentscheidung berücksichtigt werden.898 Grundsätzlich lassen sich Sach- und Verhaltensinterdependenzen differenzieren.899 Verhaltensinterdependenzen resultieren aus den Auswirkungen des Verhaltens einer Person auf das Verhalten einer anderen Person. Die im Unternehmen tätigen Akteure verfolgen nicht zwangsläufig identische bzw. komplementäre Ziele. Somit kann es zu Zielkonflikten kommen. Verstärkt werden solche potenziellen Zielkonflikte durch Informationsasymmetrien, die in ihrer Wirkung umso stärker sind, je höher der Dezentralisierungs- und Delegationsgrad von Entscheidungen im Unternehmen ist. Als Folge 895 896 897
898 899
Vgl. Laßmann, A. (1992), S. 46, der diesen Interdependenzbegriff auf der Grundlage von Thompson, J.D. (1967), S. 54 f. entwickelt. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 77. Eine enger gefasste Charakterisierung von Interdependenzen, die ausdrücklich die wechselseitige Beeinflussung postuliert, findet sich z.B. bei Rollberg, R. (2001), S. 15 f. Dort wird ferner eine einseitige Abhängigkeit abgrenzend als Dependenz bezeichnet. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 52. Ähnlich argumentiert auch Laßmann, A. (1992), S. 20 f. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 52 f.
244
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
dieser Umstände wird die Gesamtzielerreichung u.a. durch Ressortegoismen und Manipulation von Informationen900 gefährdet. Sachinterdependenzen beziehen sich vor allem auf wirtschaftliche und technische Beziehungen. Sie sind daher relativ genau beschreibbar und durch quantitative Methoden abbildbar. Sachinterdependenzen resultieren aus sog. Verbundeffekten, die Entscheidungen aus verschiedenen Bereichen sachlich miteinander in Beziehung setzen. LAUX/LIERMANN beispielsweise identifizieren vier Verbundeffekte: den Restriktionsverbund, den Erfolgsverbund, den Risikoverbund und den Bewertungsverbund.901 Ein Restriktionsverbund besteht dann, wenn der Variationsbereich von einer oder mehr Entscheidungsvariable(n) eines Aufgabenfeldes von der Ausprägung der Variablen eines anderen Aufgabenfeldes abhängig ist. Das ist z.B. der Fall, wenn Handlungsvariablen denselben begrenzten Vorrat an begrenzten Ressourcen beanspruchen.902 Somit nehmen „Entscheidungen zur Ressourcenkapazität [..] auch Einfluss auf die Zuteilung von ressourcenbezogenen Kapazitätsanteilen zu einzelnen Prozessen.“903 In diesem konkreten Fall würde also eine, auf einem Restriktionsverbund zwischen mehreren Prozessen basierende Sachinterdependenz sowohl zwischen den betroffenen Leistungsprozessen als auch zwischen dem Planungssystem (Planung der Kapazitäten) und dem Organisationssystem (Zuteilung von Kapazitäten) bestehen: Die Planung von Ressourcenkapazitäten und die Zuteilung derselben an die spezifischen Prozesse kann also nicht losgelöst voneinander erfolgen, die Entscheidungen innerhalb der Planung determinieren, zumindest teilweise, den Entscheidungsspielraum der Organisation. Hängt der Erfolg einer Handlung oder Entscheidung in Hinblick auf die Erreichung eines bestimmten Zieles unmittelbar von der Ausprägung einer anderen Handlung bzw. Entscheidung ab, so liegt ein Erfolgsverbund vor.904 Im Gegensatz zum Restriktionsverbund bleiben beim Erfolgsverbund die Handlungsalternativen der einzelnen Bereiche unverändert, die Interdependenz bezieht sich ausschließlich auf die Zielerrei900 901
902 903 904
Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S.66 auch zu weiteren Auswirkungen. Vgl. Laux, H./Liermann, F. (1997), S. 195 ff. ähnlich auch Adam, D. (1983), S. 52 ff., der in diesem Zusammenhang Ziel-, Mittel-, und Risikointerdependenzen als spezifische Ausprägungen von Sachinterdependenzen benennt. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 53, der in diesem Fall in Anlehnung an Adam, D. (1983) eine Mittelinterdependenz diagnostiziert. Leistert, O. (2006), S. 88. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 88; Ähnliches subsumiert auch Küpper, H.-U. (2005), S. 52, unter dem Begriff der Zielinterdependenz.
2 Koordination des strategischen Prozesscontrollings
245
chung.905 Ein Erfolgsverbund kann beispielsweise zwischen Absatzmenge und dem Absatzpreis, bezogen auf das Ziel der Gewinnmaximierung, bestehen. Unterstellt man, dass Absatzmenge und Absatzpreis in bestimmten Grenzen frei wählbar sind, hängt der Grad der Zielerreichung bei proportionalen Stückkosten bei jedem Preis von der gewählten Absatzmenge ab. Ein Risikoverbund bzw. eine Risikointerdependenz „ist darauf zurückzuführen, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Größen, die für einen Entscheidung relevant sind, voneinander stochastisch abhängen.“906 Als Folge dieser Abhängigkeit ist der Beitrag eine Entscheidung bzw. Handlungsalternative zum Gesamtrisiko von der korrespondierenden Entscheidung bzw. Handlung abhängig.907 Der Risikoverbund spielt z.B. bei auf Wertpapierportfolios bezogenen Überlegungen eine Rolle. Bewertungsverbunde liegen dort vor, wo die Ergebnisse von Entscheidungen in mehreren verschiedenen Bereichen in eine Gesamtbewertung eingehen und eine Bewertung nur unter Berücksichtigung situationsabhängiger Präferenzen möglich ist. So wird eine Investitionsentscheidung zur Erhöhung der Produktionskapazität, die sich negativ auf die kurzfristige Liquidität des Unternehmens auswirkt, unterschiedlich beurteilt werden, je nachdem ob Liquidität oder Produktionskapazität im Unternehmen knapp sind. 2.3
Interdependenzen im strategischen Prozessmanagement
Interdependenzen können sich auf verschiedene Aspekte des Führungshandelns beziehen. Das Führungshandeln wiederum ist dadurch gekennzeichnet, dass Auswahlprobleme zwischen Handlungsmöglichkeiten auf der Realisationsebene bestehen, sodass Entscheidungen zugunsten bestimmter Optionen getroffen werden müssen.908 Die Entscheidungsaufgabe setzt sich dabei aus verschiedenen Komponenten zusammen. FRESE unterscheidet im Rahmen eines „entscheidungslogischen Grundmodells“ Feld, Handlungs- und Zielkomponente von Führungsentscheidungen:909 Die Feldkomponente (FK) beinhaltet ressourcen- und umweltbezogene Restriktionen, unter denen das Führungsteilsystem seine Entscheidungen fällt. Darüber hinaus schließt sie die Ge905 906 907 908 909
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 52 f. Küpper, H.-U. (2005), S. 54. Vgl. Laux, H./Liermann, F. (1997), S. 196. Vgl. Laßmann, A. (1992), S. 13. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Frese, E. (1988), S. 173 ff.
246
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
samtheit der Handlungsmöglichkeiten, -träger und Instrumente sowie die Aufgabenobjekte des Führungsteilsystems ein. Die Handlungskomponente (HK) spiegelt den Handlungs- bzw. Entscheidungsablauf und die daraus resultierenden Konsequenzen wider. Die Zielkomponente (ZK) wiederum umfasst die Zustände, zu deren Realisierung das Führungshandeln beitragen soll. Aus der im vorherigen Abschnitt vorgenommenen Kennzeichnung von Interdependenzen als gegenseitige Einflussnahme von Teilführungssystemen auf ihr Führungs- bzw. Entscheidungshandeln folgt nun, dass sich die Interdependenzen innerhalb des strategischen Managementsystems anhand ihres Bezugs zu den jeweiligen Komponenten der Entscheidungsaufgabe systematisieren lassen. Das bedeutet, die Interdependenzen zwischen den einzelnen Führungsteilsystemen können als Beeinflussung der Feld-, Handlungs- und Zielkomponente von einem Führungsteilsystem zum anderen charakterisiert werden, wobei sowohl sequentielle als auch reziproke Handlungs- und Entscheidungsverknüpfungen vorliegen können. ZENZ entwickelt auf Basis dieser Überlegungen eine generelle Synopsis, die in Matrixform die Interdependenzen zwischen den Führungsteilsystemen darstellt.910 So steht z.B. die strategische Planung mit dem strategischen Organisationssystem in Beziehung, indem durch die Planformulierung Ausführungsaufgaben festgelegt werden, die organisatorische Maßnahmen sowie wesentliche Parameter ihrer Ausführung beeinflussen oder sogar vorgeben können (Ziel- und Handlungskomponente). Ziel und Maßnahmenplanung werden so zu einer Voraussetzung organisatorischer Gestaltung nicht nur, hinsichtlich des Ausführungs-, sondern auch bezüglich des (strategischen) Führungssystems (z.B. bei der Zuweisung von Entscheidungskompetenzen aufgrund von Plänen und Budgets).911 Umgekehrt entstehen auch, ausgehend vom Organisationssystem, Einflüsse, die das Entscheidungs- und Handlungsfeld des Planungssystems verändern, beispielsweise aufgrund der restriktiven Wirkung existierender organisatorischer Parameter, die nicht kurzfristig geändert werden können oder sollen. Die vorhandene Organisationsstruktur kann z.B. die schnelle Erschließung neuer Geschäftsfelder verzögern. Ferner müssen bei der Ziel- und Maßnahmenplanung Restriktionen
910 911
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Zenz, A. (1999), S. 80 ff. Vgl. Zenz, A. (1999), S. 82.
2 Koordination des strategischen Prozesscontrollings
247
hinsichtlich der Zielverantwortung, des Zielzeitraums sowie der Zerlegung in Teilpläne aufgrund bestehender Entscheidungskompetenzen beachtet werden. Tabelle 9 zeigt eine Synopsis allgemeiner Beziehungen zwischen Teilführungssystemen nach ZENZ. Dabei handelt es sich, um eine beispielhafte Darstellung, die sich auf die Beziehungen zwischen den Führungsteilsystemen beschränkt und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
248
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Nach… Beziehungsrichtung Von…
Planungssystem
Kontrollsystem
x
Planungssystem
x x
Kontrollsystem
Organisationssystem
x x
x
x x
Personalführungssystem
x
x
Informationssystem
x x x
Vorgabe von Zielen und Maßnahmen als Rahmen für Ergebniskontrollen (HK) Angabe von Prämissen zur Prämissenkontrolle (HK) Ausgrenzung von Bereichen und Einflussgrößen für ungerichtete Kontrollen (HK)
Rückkopplung von Kontrollergebnissen (FK) Meldung von Handlungs- und Anpassungsbedarfen aufgrund von Abweichungen und Diskontinuitäten (ZK)
Restriktionen für Ziel- und Maßnahmenplanung hinsichtlich der Zieldimension, besonders der Zielverantwortung und des Zielzeitraumss (FK) Rahmen für stellen- und abteilungsbezogene Budgets (FK) Restriktionen und Rahmen für die Zerlegung von Planungs- und Entscheidungsaufgaben (FK)
x
Restriktionen und Rahmen für Ziel- und Maßnahmenplanung hinsichtlich der Zieldimension, insb. der Zielverantwortung und des Zielausmaßes (FK) Restriktionen und Rahmen für die Zerlegung von Planungs- und Entscheidungsaufgaben (FK)
x
Informationsversorgung für die Ist-Analyse und Lageprognose, z.B. Übermittlung von Kontrollinformationen (FK) Restriktionen für Entscheidungs- und Planungsgüte (FK) Anstoß von Planungen (HK)
x
x
x x
x x
Restriktionen für die Ausführung von Kontrollaufgaben (HK) Handlungsprogrammierung bei der Ausführung von Kontrollaufgaben (HK)
Restriktionen für die Wahrnehmung von Kontrollaufgaben (FK) Vorgabe von Kontrollmodi aufgrund ihrer Wirkung als Personalführungsinstrument (HK) Vorgabe von Steuerungsmaßnahmen aufgrund ihrer Wirkung als Personalführungsinstrument (ZK) Informationsversorgung für Kontrolle, z.B. Übermittlung von Planinformationen (FK) Restriktionen für Kontrollausmaß und Kontrollgüte (FK) Anstoß von Kontrollen (HK)
Tabelle 9, Teil 1: Beispielhafte Synopsis genereller Beziehungen im Führungssystem912 912
In Anlehnung an Zenz, A. (1999), S. 80.
2 Koordination des strategischen Prozesscontrollings Nach… Beziehungsrichtung Von… Planungssystem
Organisationssystem x x
x
Kontrollsystem
x
x
249
Personalführungssystem
Informationssystem
Definition von Zielen für Ausführungsaufgaben (ZK) Vorgabe von Handlungsablaufprogrammen in Form von Maßnahmen für die Ablauforganisation (HK) Vorgabe von Veränderungen der Entscheidungskompetenzen (ZK)
x
Vorgabe von Zielen für Beeinflussungsmaßnahmen (ZK)
x x
Informationsnachfrage (ZK) Festlegung der Informationsbeschaffung und -pro-duktion (HK)
Identifikation von Organisationsbedarf durch organisationsrelevante Kontrollergebnisse, Abweichungsursachen und Diskontinuitäten (FK) Rückkopplung von Kontrollergebnissen zu organisatorischen Maßnahmen (FK)
x
Meldung personalführungsrelevanter Diskontinuitäten, Kontrollergebnisse, Abweichungsursachen (FK) Motivationswirkung (FK) Rückkopplung von Kontrollergebnissen zu Beeinflussungsmaßnahmen (FK)
x x
Informationsnachfrage (ZK) Festlegung der Kontrollinformationsbeschaffung und produktion (HK)
Vorgabe für Personalführungsmaßnahmen, z.B. Personalentwicklung (ZK) Restriktionen für die Ausführung von Personalausführungsaufgaben (FK)
x
Restriktionen für die Ausführung von Informationsaufgaben durch die Aufgabensynthese (FK) Handlungsprogrammierung bei der Ausführung von Informationsaufgaben (HK) Festlegung struktureller Offenheit bzgl. Umweltinformationen (FK) Restriktionen für die Ausführung von Informationsaufgaben (FK) Festlegung der persönlichen Offenheit bzgl. Umwelt- und Unternehmensinformationen (FK)
x x
x
Organisationssystem
x
x x
Personalführungssystem
Informationssystem
x x
x x x
x
Restriktionen für Organisationsentwicklungsaufgaben (FK) Vorgabe von Organisationsmaßnahmen (ZK)
Informationsversorgung für organisatorische Maßnahmen (FK) Restriktionen für organisatorische Maßnahmen und ihren Erfolg (FK) Übermittlung von organisationsrelevanten Informationen (FK)
x
x
x x
Informationsversorgung zu den Zielen, Bedingungen und Wirkungen von Personalführungsmaßnahmen (FK) Voraussetzung für Partizipationsmaßnahmen (FK) Anstoß von Personalführungsmaßnahmen (HK)
Tabelle 9, Teil 2: Beispielhafte Synopsis genereller Beziehungen im Führungssystem913 913
In Anlehnung an Zenz, A. (1999), S. 81.
250
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Bei der Konkretisierung dieser generellen Führungsbeziehungen im Hinblick auf das strategische Prozessmanagementsystem gilt es, diese allgemeine Systematik durch eine tiefergehende inhaltliche Analyse zu ergänzen. So müssen die Beiträge der einzelnen Führungsteilsysteme zur Entwicklung und Nutzung der prozessbezogenen Erfolgspotenziale sowie deren inhaltliche Verflechtungen ermittelt werden. Diese Synopsis, die in den Tabelle 9 gezeigt wird, kann auch die Grundlage der Ermittlung der spezifischen Interdependenzen im strategischen Prozessmanagementsystem sein: Tabelle 10 zeigt beispielhaft Interdependenzen,914 die ihren Ursprung in der strategischen Prozessplanung haben und die Ziel- und Handlungskomponenten des Führungshandelns in den übrigen Führungsteilsystemen betreffen. Inhaltlich beziehen sich die Entscheidungen der Planung auf die prozessbezogenen Erfolgspotenziale, deren Entwicklung und Nutzung sie forcieren sollen. Entsprechend sind in der Tabelle in der linken Spalte die in Kapitel C dieser Arbeit herausgearbeiteten möglichen Quellen für Erfolgspotenziale in einer Prozessorganisation abgetragen. Ganz grob lassen sich, gemäß der obigen Systematik die nachfolgend beschriebenen Interdependenzen identifizieren. Die strategische Prozessplanung legt u.a. den Handlungsrahmen für die strategische Kontrolle fest. Das kann z.B. die Vorgabe von Zielen und Maßnahmen bei der Kompetenz- und Wissenskontrolle (Kernkompetenzentwicklung), die Ausrichtung der strategischen Kontrolle auf etwaige Trends und Kundenbedürfnisentwicklungen (Differenzierung), Qualitäts- sowie Koordinationskosten (Kostenführerschaft) oder die kombinierte Betrachtung mehrerer ebengenannter Aspekte (Nischenstrategie) umfassen. Entsprechendes gilt auch für Organisation und Personalwesen. Die Organisation sieht sich u.a. mit Vorgaben für die Zusammenführung von Wissensträgern und Ressourcen in zur Kompetenzentwicklung geeigneten Prozessabläufen konfrontiert. Des Weiteren könnten sich organisatorische Vorgaben für die Integration von Wertaktivitäten zur Steigerung des Buyer Values (Differenzierung) oder die Flussoptimierung zur Senkung von Koordinationskosten (Kostenführerschaft) ergeben. Beides müsste im Rahmen einer Fokussierung auf Marktnischen, ggf. parallel, durch organisatorische Maßnahmen gewährleistet werden. Komplementär dazu obliegt es der Personalführung, 914
An dieser Stelle sei nochmals auf den hier zugrundegelegten „weiten“ Interdependenzbegriff verwiesen, der Interdependenzen als (nicht zwingend wechselseitige) Beeinflussung von Führungsteilsystemen kennzeichnet. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D 2.2.
2 Koordination des strategischen Prozesscontrollings
251
sicherzustellen, dass zur Realisierung der Planungsvorgaben qualifiziertes Personal vorhanden ist. So wären im Rahmen der Kompetenzentwicklung insbesondere Maßnahmen zur „persönlichen“ Wissensentwicklung individueller Wissensträger durchzuführen. Bei Differenzierung und Kostenführerschaft sind v.a. die Qualifizierung des Personals zur Teambildung im Hinblick auf die cross-funktionale Integration (Differenzierung) sowie bezüglich der Ablauf- und Qualitätsverbesserung (Kostenführerschaft) zu gewährleisten. Auch hier gilt im Falle der Konzentrationsstrategie, dass ggf. eine parallele Realisierung jener Qualifikationsvorgaben erfolgen muss. Das Informationssystem sieht sich auf der Grundlage der Planungsvorgaben mit einer spezifischen Informationsnachfrage bzw. einem spezifischen Informationsbedarf konfrontiert. Es muss Informationen und Indikatoren zur Kompetenz- und Wissensentwicklung, differenzierungsrelevante Trendinformationen sowie Qualitäts- und Koordinationskostendaten bereitstellen. Neben diesen originär in der strategischen Prozessplanung verorteten Interdependenzen, liegen selbstverständlich auch in den jeweiligen Gegenrichtungen Abhängigkeiten und Beeinflussungen vor. So können z.B. Organisationsstrukturen oder Personalbestand restriktive Größen für die Durchführung der Planungsaufgaben sein und damit auch die Ausgestaltung der „Planungsergebnisse“ beeinflussen. Auch die Art und Güte der durch das Informationssystem bereitgestellten Informationen kann ausschlaggebend für die Qualität der Planung sein. In diesem Fall wäre die Feldkomponente des strategischen Prozessplanungssystems betroffen. Analog ließe sich auch für die anderen Teilführungssysteme eine entsprechende Tabelle konstruieren. Dies soll aufgrund des exemplarischen Charakters der hier getätigten Aussagen und um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, jedoch nicht erfolgen. Wichtig für die Ableitung von Koordinationsbedarf und die theoretische Fundierung von strategischem Prozesscontrolling ist die hier angewendete Systematik zur Charakterisierung der Führungsinterdependenzen.
252
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens Planung
Kernkompetenzentwicklung
Differenzierung durch Integration von Wertaktivitäten Kosteneinsparungen durch Koordinations- und Qualitätskostensenkungen Flexibilität bei der Konzentrationsstrategie Planung Kernkompetenzentwicklung
Differenzierung durch Integration von Wertaktivitäten
Kosteneinsparungen durch Koordinations- und Qualitätskostensenkungen
Flexibilität bei der Konzentrationsstrategie
Kontrolle Vorgabe von Zielen und Maßnahmen; Kompetenz- u. Wissenskontrolle (HK)
Organisation Rahmen für die Zusammenführung v. Wissensträgern u. Ressourcen in Prozessabläufen (HK)
Rahmendefinition f. strategische Kontrolle zur Sicherung d. Differenzierungs-potenziale (HK)
Vorgabe für die Integration Differenzierung ermöglichende Wertaktivitäten (ZK+HK)
Vorgabe von Qualitäts- u. Koord.Kosten als Rahmen f. Kontrollen (HK)
Vorgabe für organisatorische Koordination, „Flussoptimierung“ (HK)
Rahmendefinition zur parallelen Kontrolle von Differenzierung u. Kostenführerschaft (HK)
Vorgabe für die Abstimmung der Prozessgestaltung bei paralleler Verfolgung von Differenzierung u. Kostenführerschaft (HK)
Personalführung Vorgaben für die „persönliche“ Wissensentwicklung der Wissensträger (HK)
Informationsversorgung Nachfrage nach Indikatoren zur Kompetenz- u. Wissensentwicklung (ZK+HK)
Qualifikationsvorgabe für die Teambildung zur crossfunktionalen Integration relevanter Wertaktivitäten (HK)
Nachfrage von differenzierungsgefährdenden Trendinformationen, „weak signals“ (ZK+HK)
Qualifikationsvorgaben für die Team- und Hierarchiebildung; Koord.-u. Qualitätsoptimierung (HK)
Nachfrage von Qualitäts- u. Koord.-kosteninformation (ZK + HK)
Qualifikationsvorgaben für die parallele Verfolgung von Differenzierung und Kostenführerschaft (ZK+HK)
Parallele Nachfrage von Kosten sowie differenzierungsrelevanten Prozessdaten (ZK+HK)
Tabelle 10: Interdependenzen im strategischen Prozessmanagment
Die bisherigen Ausführungen in diesem Abschnitt bezogen sich auf die Identifizierung und Charakterisierung von Interdependenzen zwischen den verschiedenen Führungsteilsystemen. Sie stellen die Ursache für den Bedarf nach intersystemischer Sekundärkoordination, also einer Abstimmung zwischen den Teilführungssystemen, dar. Darüber hinaus existieren auch innerhalb eines Teilführungssystems Interdependenzen, die eine intrasystemische Koordination erforderlich machen. Ursachen für solche intrasys-
2 Koordination des strategischen Prozesscontrollings
253
temischen Interdependenzen liegen z.B. in der wechselseitigen Beeinflussung von Handlungs-, Feld- und Zielkomponente. Eine vollständige Erfassung und Dokumentation der Interdependenzen im strategischen Prozessmanagementsystem ist, sofern überhaupt möglich, eine hochkomplexe und zudem stark kontextspezifische Angelegenheit. Von daher ist es unter Wirtschaftlichkeitsaspekten ratsam, lediglich diejenigen Interdependenzen zu berücksichtigen, die für das Unternehmen von strategischer Relevanz sind, d.h. diejenigen Interdependenzen, die zwischen den Teilführungssystemen des strategischen Prozessmanagements im Rahmen der Entwicklung und Nutzung von Erfolgspotenzialen auftreten. Deren kausalanalytische Ermittlung im jeweiligen praktischen Kontext beruht inhaltlich zu einem großen Teil auf den in Kapitel C dieser Arbeit dargelegten Zusammenhängen. Ergänzend dazu können diverse theoretische Ansätze bei der Ermittlung von Interdependenzen herangezogen werden. Einige grundlegende Vorschläge sollen dazu im nächsten Abschnitt gemacht werden. 2.4
Ansätze zur Erfassung von Interdependenzen
Zur Erfassung und Analyse von Sachinterdependenzen steht eine Reihe von Ansätzen zur Verfügung. Die innerhalb des strategischen Prozessmanagementsystems existierenden Sachinterdependenzen leiten sich, wie bereits angesprochen wurde, aus der Zerlegung der originären Führungsaufgabe der Pflege, Entwicklung und Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale ab. Dabei sind für das strategische Prozessmanagement vor allem der Restriktions- und der Erfolgsverbund relevant.915 Auf das strategische Prozessmanagement bezogen bedeutet das, dass zwischen den Führungsteilsystemen existierende Restriktions- und Erfolgsverbunde zu identifizieren und im Hinblick auf ihre Relevanz für die Schaffung, Nutzung und Erhaltung prozessbezogener Erfolgspotenziale zu überprüfen sind. KÜPPER schlägt zur Erfassung von Sachinterdependenzen quantitative Simultanmodelle und kontrolltheoretische Ansätze vor.916 Erstere stellen formale mathematische Modelle dar, in denen Sachverhalte bzw. Problemstellungen durch die Verknüpfung von verschiedenen Variablen innerhalb eines Gleichungssystems dargestellt und anhand numerischer Verfahren gelöst werden können. Kontrolltheoretische Ansätze wie915 916
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 87 f. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 57 ff.
254
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
derum zielen darauf ab, Koordinationsprobleme anhand geeigneter mathematischer Funktionen als dynamische Systeme darzustellen, deren Verhalten durch Eingangsgrößen von außen bestimmt wird. Sie liefern ein formal-analytisches Instrumentarium, das Probleme der optimalen Steuerung im Zeitablauf behandeln und so zur Erfassung und Gestaltung von Interdependenzen zwischen verschiedenen Entscheidungsvariablen beitragen kann. Dazu werden unter Berücksichtigung von Nebenbedingungen die Extremwerte von Funktionen ermittelt, um festzustellen, wie das System auf die Vorgabe von Eingangsgrößen reagiert. Sowohl den quantitativen Simultanmodellen als auch den kontrolltheoretischen Ansätzen sind jedoch in komplexen, d.h. durch eine Vielzahl an relevanten Eingangsvariablen gekennzeichneten Analysesituationen enge Grenzen gesetzt. Insofern eignen sie sich nur sehr bedingt für die Analyse von Interdependenzen innerhalb des strategischen Prozessmanagementsystems. Nach Auffassung von WALL kann die Analyse von Ursache-Wirkungszusammenhängen zwischen den strategischen Führungsteilsystemen auf verschiedenen Wegen erfolgen:917 x Die definitionslogische Ermittlung bezeichnet die Analyse von Zusammenhängen auf der Grundlage wissenschaftlich anerkannter und allgemeingültiger Prinzipien. x Die empirisch-deterministische Ermittlung versucht auf der Grundlage theoretischer Konzepte Hypothesen über Beziehungszusammenhänge zu entwickeln, deren Gültigkeit dann mittels empirischer Methoden zu eruieren ist. x Bei einer empirisch-stochastischen Ermittlung werden die Wirkungszusammenhänge durch Auswertung von Erfahrungswissen und statistischen Datenauswertung erhoben. Im Bezug auf das strategische Prozessmanagement bietet sich eine kombinierte Anwendung dieser drei Ansätze an. So sollten Hypothesen über die Wirkungszusammenhänge und das zweckmäßige Zusammenspiel verschiedener Unternehmensbereiche bei der Entwicklung und Nutzung von Erfolgspotenzialen immer durch betriebswirtschaftliche Theorien begründet sein, allerdings auch auf der Aufarbeitung der innerbetrieblichen Erfahrungswerte, die gegebenenfalls empirisch und statistisch zu validieren sind, beruhen. Eine der ersten Aufgaben eines koordinationsorientierten Controllings ist es, 917
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Wall, F. (2001), S. 68 ff.
2 Koordination des strategischen Prozesscontrollings
255
diese verschiedenen Ansätze sinnvoll miteinander zu verknüpfen und ein systematisch-methodisch möglichst geschlossenes Instrumentarium zur Identifikation und Analyse von unternehmensspezifischen Interdependenzen im Führungssystem zu entwickeln. Das erfordert auch die Berücksichtigung von Verhaltensinterdependenzen. Zur Erfassung verhaltensbedingter Interdependenzen können agency- und verhaltenstheoretische Ansätze herangezogen werden.918 „Durch die Agencytheorie werden Beziehungen zwischen einem oder mehreren Auftraggebern, den Principals, und einem oder mehreren Beauftragten oder Auftragnehmern, den Agents, erfasst.“919 Die Agenten (bspw. das Management eines Unternehmens) handeln zwar im Auftrag des Principals (bspw. der Unternehmenseigner), jedoch besteht aufgrund von Informationsasymmetrien und Opportunismus die Gefahr, dass Agenten sich nicht entsprechend des Nutzenkalküls des Principals verhalten. Daraus entsteht dem Unternehmen eine Reihe potenzieller Gefahren,920 denen es durch Maßnahmen wie die Schaffung von Kontroll- und Anreizmechanisamen zu begegnen gilt. Ein geeigneter Ansatz zur Erklärung von Verhaltensinterdependenzen ist der normative Zweig der Agencytheorie, der sich mit der Fragestellung beschäftigt, durch welche vertraglichen Regelungen der Agent zu einem Verhalten im Sinne des Nutzenkalküls des Prinzipals gebracht werden kann. Er bezieht sich auf Aspekte der Verhaltenssteuerung und versucht zu ergründen, „durch welche vertraglichen Regelungen der Beauftragte zu einem Verhalten im Sinne des Auftraggebers veranlasst werden kann.“921 Principal-Agenten-Modelle sind auf die Gewinnung von Erkenntnissen über die Steuerung von Beauftragten ausgerichtet.922 Das beinhaltet Aspekte der Informationsverteilung und Gestaltung von Kontroll- und Anreizsystemen und betrifft somit augenscheinlich sowohl das Informationsversorgungs- als auch das Personalführungssystem. Insbesondere im Hinblick auf das Informationsversorgungsystem ist eine hohe Relevanz von Principal-Agent-Modellen zu konstatieren. Die Informationsasymmetrien
918 919 920
921 922
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 66 ff. Küpper, H.-U. (2005), S. 66. In der einschlägigen Literatur zur Neuen Institutionenökonomie werden in diesem Zusammenhang die Gefahren von adverse selection, moral hazard und des hold up beschrieben. Vgl. u.a. Macharzina, K. (1999), S. 51 ff. Küpper, H.-U. (2005), S. 67. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S.76 ff.
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D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
zwischen Principal und Agenten bilden die unmittelbare Grundlage der Gestaltung des Informationsversorgungsystems. Allerdings bezieht sich die Agencytheorie nicht allein auf die Informationsversorgung und die Personalführung, sondern auf alle Führungsteilsysteme. So werden innerhalb des Planungssystems Ziele formuliert, die den Nutzendeterminanten bspw. der Eigner entsprechen. Beispielhaft hierfür können monetäre Ziele wie Kapitalwerte oder langfristige Gewinn genannt werden. Diese Ziele sind durch die strategische Prozessplanung in Prozessziele zu überführen, zu deren Realisierung geeignete Prozessstrategien zu formulieren sind, sodass grundsätzlich ein Koordinationsproblem innerhalb der Planung vorliegt. Dieses wird noch dadurch verschärft, dass bei der Strategieformulierung auch die individuelle Ziele (bspw. die Minderung von Arbeitsleid, das Streben nach Prestige) der Prozessbeteiligten zu berücksichtigen sind. Diese Zielkonkurrenz und die daraus erwachsenden Abstimmungsprobleme beziehen sich nicht allein auf die Planung. Auch Personalführung und Organisation sind in diesem Zusammenhang betroffen. Letztere ist im Rahmen der Gestaltung des Prozessgefüges bzw. der Prozesshierarchie und der damit verbundenen Zuweisung von Aufgaben, Entscheidungs- und Weisungsrechten maßgeblich an der Entstehung eines Principal-Agenten-Netzwerkes im Unternehmen beteiligt. Ein konkretes Abstimmungsproblem für das strategische Prozessmanagement erwächst vor diesem Hintergrund z.B. aus den Verhaltensspielräumen der Prozessverantwortlichen und ihrer untergeordneten Prozessteams. Diese Spielräume sind aufgrund des für die Prozessorganisation charakteristischen hohen Dezentralisations- und Delegationsgrades relativ hoch. Entsprechend ist auch das Kontrollsystem involviert. Es überwacht das Verhalten der Agenten und die erzielten Ergebnisse. Verhaltenstheoretische Ansätze unterscheiden sich in ihrem unterstellten Menschenbild deutlich von den Principal-Agent-Ansätzen,923 indem sie verschiedene Facetten menschlichen Verhaltens umfassen. Sie ergänzen somit die Agencythoerie. „An die Stelle der logisch überprüfbaren Ableitung von Aussagen aus formalen Modellen tritt die empirische Überprüfung realtheoretischer Aussagen über Beziehungen der beobachtbaren Wirklichkeit.“924 Für die Erfassung von Verhaltensinterdependenzen sind vor allem die Ansätze der Psychologie, insbesondere der Wirtschaftspsychologie in923 924
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 78 ff. Küpper, H.-U. (2005), S. 78 f .
2 Koordination des strategischen Prozesscontrollings
257
klusive der Sozialpsychologie und der Soziologie von Bedeutung. Ihr Beitrag zur Untersuchung von Führungssystemen liegt in der Ermöglichung von Aussagen über die Wirkung unmittelbar personenbezogener Maßnahmen auf das Verhalten der Betroffenen. So können Rückschlüsse für die zweckmäßige mitarbeiterbezogene Gestaltung von Führungsteilsystemen (u.a. bezüglich der organisatorischen oder institutionellen Regelungen) gezogen werden. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die normative Principal-Agenten-Theorie als ein Instrument für die Erfassung von Verhaltensinterdependenzen im Führungssystem eine Grundlage für Aussagen zur Koordination innerhalb des Führungssystems liefert. Allerdings erreichen Principal-Agenten-Modelle schnell eine hohe Komplexität und basieren auf vereinfachten Annahmen bezüglich Informationsstand und Verhalten der Akteure. Eine Möglichkeit der Darstellung der ermittelten Interdependenzen im Prozessmanagement ist das von LEISTERT vorgestellte Feedbackdiagramm für Prozessziele.925 Innerhalb des Feedbackdiagramms werden gleichgerichtete und entgegengesetzte Beziehungen zwischen Prozesszielen, wie z.B. Prozesskostensatz, Ausschussquote oder Kundenzufriedenheit dargestellt, um so einerseits Rückschlüsse über die Sachinterdependenzen auf der Leistungsebene, andererseits eingeschränkt auch bezüglich der Beziehungen zwischen den korrespondierenden Führungsteilsysteme zu gewinnen.926 Zur Abbildung der Auswirkungen solcher Interdependenzen werden Kennzahlen der Leistungsparameterdimensionen Kosten, Kundenzufriedenheit, Qualität, Flexibilität und Mitarbeiter erhoben. Eine vollständige und allgemeingültige Darstellung aller Interdependenzen ist allerdings nicht möglich, da die Beziehungszusammenhänge zu komplex und obendrein unternehmensspezifische sind. Im Kontext des strategischen Managements kommt erschwerend hinzu, dass die zugrundeliegenden Informationen vage und nur schwer operationalisierbar sind. Abschließend ist anzumerken, dass die hier vorgestellten Ansätze zur Erfassung von Interdependenzen rudimentäre Konzepte zur Darstellung, Bearbeitung sowie Lösung von Koordinationsproblemen und damit ein „erster“ inhaltlicher Ausgangspunkt für die Ausgestaltung des koordinationsorientierten strategischen Prozesscontrollings sind. 925 926
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 90 ff. Ein derartiges Feedbackdiagramm ist also eher als Instrument der primären Koordination zu verstehen.
258
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Ferner leisten sie einen Beitrag zur theoretischen Fundierung des Controllings, sofern es sich wie z.B. bei den kontroll- und agencytheoretischen Ansätzen, um aus anerkannten Theorien abgeleitete Konzepte handelt. 3
Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
Bisher finden sich, das wurde in Kapitel A dieser Arbeit herausgestellt, kaum Ansätze zur theoretischen Fundierung von Prozesscontrolling als koordinationsorientierter Konzeption. Eine Ausnahme hiervon stellt LEISTERT dar, der auf der Grundlage des umfassend koordinationsorientierten Controllingtyps eine Konzeption für das allgemeine Prozesscontrolling entwickelt.927 Dabei legt er den Schwerpunkt auf die Erörterung intrasystemischer Koordination in den Teilführungssystemen des Prozessmanagements und beschreibt jeweils grundlegende systembildende sowie -koppelnde Aufgaben des Prozesscontrollings. Diese Aspekte sollen auch bei der folgenden Entwicklung einer Konzeption des strategischen Prozesscontrollings aufgegriffen und für die strategische Dimension vertieft konkretisiert werden. Anders als bei LEISTERT soll, jedoch analog zur Vorgehensweise von KÜPPER, bei der allgemeinen Kennzeichnung des umfassend koordinationsorientierten Controllings928 die intersystemische Koordination bei der Erörterung eine größere Rolle spielen.929 Ferner werden detailliertere Aussagen zu Methoden und Instrumenten des strategischen Prozesscontrollings formuliert. 3.1
Ziele
Die zielbezogene Komponente einer Controlling-Konzeption bildet ein wichtiges Merkmal sowohl zur Unterscheidung verschiedener Controllingtypen als auch zur Abgrenzung des Controllings gegenüber anderen Unternehmensfunktionen.930 Wie auch schon in Abschnitt D 1.3 dieser Arbeit konstatiert wurde, lassen sich in Anlehnung an SCHWEITZER/FRIEDL direkte und indirekte Controlling-Ziele unterscheiden.931 Ihre
927 928 929 930 931
Vgl. Leistert, O. (2006). Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 187 ff. Entsprechend fungieren dessen Ausführungen als strukturgebende Referenz für den Gliederung dieses Abschnitts. Leistert, O. (2006), S. 194 ff. diskutiert die intersystemische Koordination lediglich kurz bzw. exemplarisch anhand einiger ausgewählter Aspekte. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D 1.1.1 dieser Arbeit. Vgl. zur im Folgenden vorgenommen Unterscheidung grundlegend Schweitzer, M./Friedl, B. (1992), S. 147 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
259
Ausgestaltung für das strategische Prozesscontrolling soll in den nächsten beiden Abschnitten diskutiert werden. 3.1.1
Direkte Ziele
Grundsätzlich lässt sich, analog zum koordinationsorientierten Controlling allgemein, für das strategische Prozesscontrolling die Schaffung und Sicherung der Koordinationsfähigkeit sowie die Koordinationsdurchführung im strategischen Prozessmanagement als generelles Ziel konstatieren.932 Aus dieser originären Zielsetzung lassen sich präzisierend weitere derivative Ziele bzw. Zwecksetzungen ableiten, die die direkten Ziele des strategischen Prozesscontrollings darstellen. Anhand der direkten Ziele sollen allgemein die formale Präzisierung eines Aufgabenbereichs sowie eine formale Eingrenzung seines Umfangs vorgenommen werden können.933 Entsprechend stehen die direkten Ziele des strategischen Prozesscontrollings in unmittelbaren Bezug zu Problemstellung und Lösungsansatz der Führungskoordination im strategischen Prozessmanagement und grenzen sich so beispielsweise von den übergeordneten Zielsetzungen des allgemeinen Unternehmenscontrollings ab. Es handelt sich bei den direkten Zielen des strategischen Prozesscontrollings um Sachziele. In Anlehnung an KÜPPER können in diesem Zusammenhang das Anpassungs- und Innovationsziel, die Zielausrichtung sowie das Service- und Informationsziel unterschieden werden.934 Sie stellen die direkten, derivativen Ziele des koordinationsorientierten Controllings dar und sollen im Folgenden für das strategische Prozesscontrolling gekennzeichnet werden. Das Anpassungs- und Innovationsziel bezieht sich auf die Koordination der Unternehmensführung mit der Umwelt. Diese ist, wie bereits in Abschnitt A dieser Arbeit ausgeführt, laufenden Veränderungen unterworfen, die einerseits einer kontinuierlichen Anpassung der Unternehmensstrukturen bedürfen. Andererseits kann die Unternehmung auch versuchen, selbst gezielt Entwicklungen voranzutreiben und die Unternehmensumwelt zu beeinflussen. „In der Regel ist es Aufgabe der unmittelbaren Leistungsbereiche, Änderungen der von ihnen bearbeiteten Märkte zu erkennen, Anpassungsmaßnehmen zu ergreifen und durch Innovationen auf Umweltänderungen hinzu932 933 934
Vgl. Schweitzer, M./Friedl, B. (1992), S. 147; Leistert, O. (2006), S. 131. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D 1.1.1 dieser Arbeit sowie Leistert, O. (2006), S. 103. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 32 ff.
260
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
wirken.“935 Derartige Mechanismen sind für den nachhaltigen Erfolg und die langfristige Existenzsicherung der Unternehmung maßgeblich und daher primär Gegenstand der strategischen Managementebene. Im Kontext einer Prozessorganisation obliegen diese Anpassungs- und Innovationsaufgaben überwiegend den jeweiligen Prozessverantwortlichen und ihren Teams. Das strategische Prozesscontrolling hat dafür eine auf die Anpassung und Innovation gerichtete Koordination des Führungssystems zu gewährleisten.936 Das umfasst sowohl die Gestaltung der Elemente des Führungssystems sowie deren Beziehungen untereinander und nach außen (systembildende Koordination) als auch deren laufende Abstimmung (systemkoppelnde Koordination). Dies bezieht sich aufgrund der relativ hohen Abstraktionsebene der direkten Ziele auf eher globale Aspekte. So sind z.B. Maßnahmen und Systeme zur Informationsbereitstellung wie Früherkennungssysteme und Kontrollen zur Unterstützung der Anpassungs- und Innovationsaktivitäten der einzelnen Prozesse zu entwickeln und zu nutzen. Des Weiteren impliziert das Anpassungs- und Innovationsziel für das strategische Prozesscontrolling auch die Koordination im Hinblick auf Kompetenzentwicklung und Lernprozesse. Koordinationsmaßnahmen betreffen in diesem Zusammenhang etwa das prozessbezogenen Personalführungssystem. So ist die Qualifizierung des in den Prozessabläufen involvierten Personals sicherzustellen, indem u.a Anreizsysteme und Kontrollmechanismen zur gezielten Wissensschaffung entwickelt werden. Neben den strategisch relevanten Aspekten der zur Prozessabwicklung notwendigen Basiskompetenz937 stehen dabei insbesondere dynamic capabilities im Vordergrund. Die Zielausrichtung „soll dazu beitragen, dass die Prozessziele und (in Folge dessen die Unternehmensziele) besser zu erreichen sind, als dies ohne die prozessorientierte Koordination möglich wäre.“938 Welche Ausprägung die prozessbezogene Zielausrichtung dabei annimmt, d.h. zu welchem Zweck und auf welche konkreten Ziele hin sie vorzunehmen ist, hängt zunächst von den allgemeinen Unternehmenszielen ab. Hier spielen bei den meisten Unternehmungen Erfolgsziele die maßgeblichste Rolle, allerdings ist auch die Orientierung an anderen Zielen (Bedarfsdeckung, Umwelt- oder Sozialziele) möglich. Auf ihrer Basis muss das strategische Prozessmanagement die Prozessziele festlegen. Das strategische Prozesscontrolling hat die Entwicklung eines 935 936 937 938
Küpper, H.-U. (2005), S. 33. Vgl. hierzu und zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 131 f. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.4.3.2 dieser Arbeit Leistert, O. (2006), S. 132.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
261
zweckmäßigen Zielsystems zu begleiten (systembildende Koordination). Dazu sind z.B. Zielbeziehungen zu analysieren und konfliktionäre Ziele miteinander abzustimmen. Das Serviceziel wird in einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen als zentraler Aspekt des Controllings herausgestellt, wobei dem Controlling die Funktion der Führungshilfe bzw. -unterstützung zugeschrieben wird.939 Im Zusammenhang mit der Koordinationsfunktion bezieht sich die Unterstützung durch das Controlling auf die Erleichterung der Erfüllung der Führungsaufgaben durch Abstimmung zwischen zuvor isolierten Tatbeständen.940 Dies verlangt u.a. die Kenntnis der entsprechenden Führungsaufgaben. Mit dem Serviceziel ist also automatisch auch ein Informationsziel verbunden.941 Denn es erscheint kaum möglich, dass eine derartige Koordination ohne die Bereitstellung der entscheidungsrelevanten Informationen mit entsprechendem Aktualitäts-, Genauigkeits- und Verdichtungsgrad möglich ist.942 Auch lässt sich die Methodenorientierung über das Service- und Informationsziel in die koordinationsorientierte Controlling-Konzeption einbinden: „Servicefunktion bedeutet dann die Bereitstellung geeigneter Methoden, um eine Koordination zu erreichen und den Führungsteilsystemen Informationen über die für ein koordiniertes Handeln zweckmäßigen Verfahren zu liefern.“943 Im Kontext des strategischen Prozesscontrollings sind Serviceund Informationsziel dahingehend eingeschränkt, als dem strategischen Prozesscontrolling systembildend lediglich die Konzipierung der für die Koordination im strategischen Prozessmanagement relevanten Methoden und Instrumente sowie Informationen und Informationssysteme obliegt.944 Systemkoppelnd muss die Anwendung der jeweiligen Methoden und die Informationserhebung und Informationsverarbeitung vorgenommen werden. Der inhaltliche Fokus liegt dabei auf Methoden und Instrumenten zur Zielbildung, Strategiebestimmung, qualitativen Unternehmens- und Umweltanalyse und den entsprechenden Informationssystemen. Bezüglich der Relation der hier dargestellten Controlling-Ziele ist für das strategische Prozesscontrolling eine Dominanz der Anpassungs- und Innovationsziels zu postulie939 940 941 942 943 944
Vgl. z.B. Harbert, L. (1982), S. 226 ff; Küpper, H.-U./Weber, J./Zünd, A. (1990), S. 283. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 34. Küpper, H.-U. (2005), S. 34 konstatiert in diesem Zusammenhang, dass das Informationsziel als Interpretation des Serviceziels anzusehen sei. Vgl. Friedl, B. (1990), S. 101 sowie Friedl, B. (2001), S. 38 ff. Küpper, H.-U. (2005), S. 34. Vgl. analog zum Prozesscontrolling allgemein Leistert, O. (2006), S. 133.
262
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
ren. Die langfristige Existenzsicherung des Unternehmens erfordert eben jene Anpassungsfähigkeit an dynamische Umweltsituationen und die nachhaltige Fähigkeit zur innovativen Produktentwicklung. Hierzu werden Erfolgspotenziale benötigt. Oberste Priorität und zentraler Handlungsrahmen für das strategische Prozesscontrolling muss daher die koordinative Unterstützung der Pflege und Entwicklung prozessbezogener Erfolgspotenziale durch das strategische Prozessmanagement sein. Dem Zielausrichtungs- sowie Service- und Informationsziel kommt die Rolle flankierender Zielsetzungen zu, wobei es zu Überschneidungen bei der Zuordnung der systembildenden und systemkoppelnden Koordinationsaufgaben zu einer Zwecksetzung kommen kann.945 3.1.2
Indirekte Ziele
Die direkten Ziele des Controllings erfüllen allein noch nicht die Anforderung, eine Controlling-Konzeption inhaltlich hinreichend eindeutig abgrenzen zu können, da sie relativ allgemein formuliert und eher unkonkret sind. Daher sollten sowohl für das Controlling allgemein als auch für das strategische Prozesscontrolling weitere, sogenannte indirekte Ziele formuliert werden. Anders als die direkten Ziele charakterisieren diese indirekten Ziele den Aufgabenbereich des strategischen Prozesscontrollings inhaltlich und nicht nur formal.946 Sie beschreiben einen Soll-Zustand, dessen Erreichen das strategische Prozesscontrolling durch die Wahrnehmung seiner Koordinationsaufgabe sicherstellen soll. Denn die Koordination des Führungssystems ist kein Selbstzweck, sondern muss im Hinblick auf inhaltlich konkretisierbare Sachverhalte erfolgen. Auf der strategischen Ebene gilt es generell, die Prozessziele der Kernprozesse basierend auf den jeweiligen prozessimmanenten Erfolgspotenzialen so zu formulieren, dass die Erfolg bringende (Weiter-)entwicklung und Nutzung derselben im Rahmen der Zielerreichung bewerkstelligt wird. Solche Prozessziele, die durch das strategische Prozessmanagement im Einklang mit den Gesamtunternehmenszielen festgelegt worden sind, fungieren als inhaltliche Bezugspunkte für die Ermittlung der indirekten Controlling-Ziele. Konkrete indirekte Controlling-Ziele lassen sich deshalb nur schwer allgemein formulieren. Sie weisen aufgrund ihres derivativen Charakters einen inhalt-
945
946
So ließe sich etwa die Informationserhebung zu Früherkennungszwecken sowohl dem Anpassungs- und Innovationsziels als auch dem Informationsziel zuordnen. Vgl. analog zum Prozesscontrolling allgemein Leistert, O. (2006), S. 134.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
263
lichen Bezug zu dem unternehmensspezifischen situativen Kontext und den damit verbundenen Entscheidungen des Managements auf.947 Trotz dieser Problematik können auch auf einer konzeptionellen Ebene Aussagen über die indirekten Controlling-Ziele getroffen und eine generelle Systematik zu ihrer Formulierung entwickelt werden. Entscheidend hierfür ist die Beziehung zwischen den prozessbezogenen Erfolgspotenzialen und den zu ihrer Entwicklung und Nutzung dienenden Prozesszielen. Die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen auf Basis der in Kapitel C herausgearbeiteten Quellen für prozessbezogene Erfolgspotenziale (Differenzierung durch Prozessleistung, Kostenführerschaft, Fokussierung und Kernkompetenzentwicklung) erfordert die Formulierung zweckmäßiger Strategien durch das strategische Management und die Festlegung geeigneter Prozessziele. Die in diesem Zusammenhang durch das strategische Prozessmanagement zu treffenden Führungsentscheidungen müssen durch das Controlling gemäß seiner generellen direkten Zielsetzung koordiniert werden. Die indirekten Controlling-Ziele lassen sich somit aus den Prozesszielen ableiten (vgl. Abbildung 39), wobei die im Folgenden beschriebene Vorgehensweise angewendet werden kann: Ausgangspunkt der Zielformulierung indirekter Prozesscontrolling-Ziele sollte eine Analyse der prozessbezogenen Erfolgspotenziale sowie der zu ihrer entsprechenden Entwicklung und Nutzung formulierten Prozessziele sein. Anschließend sollten diese Prozessziele ihren jeweiligen Führungsparameterdimensionen zugeordnet werden. Dies erleichtert die Identifikation komplementärer Zielstrukturen sowie die Ermittlung die Prozesszielerreichung unterstützender Maßnahmen und Entscheidungen sowohl innerhalb des Leistungs- als auch des Führungssystems. Letztere sind maßgeblich für die Formulierung indirekter Controlling-Ziele, da sie den spezifischen Bedarf an Führungsunterstützung inhaltlich konkretisieren. Entsprechend kann im nächsten Schritt ein Katalog indirekter Controlling-Ziele formulieren werden, in dem für jedes Prozessziel unterstützende indirekte Controlling-Ziele enthalten sind. Hierzu können die üblichen Methoden der Zielbildung angewendet werden.948 947
948
In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Schwierigkeit der eindeutigen Abgrenzung von indirekten Controlling-Zielen und Controlling-Aufgaben hinzuweisen, da je nach Detaillierungs- bzw. Konkretisierungsgrad indirekte Controlling-Ziele auch den Charakter von Aufgabenbereichen annehmen können. Vgl. grundlegend zur Methodik der Zielbildung Wild, J. (1982), S. 52 ff.
264
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Nutzung und Entwicklung prozessbezogener Erfolgspotenziale
Führungsentscheidungen zur Realisierung
Prozessziele
Ableitung
Unterstützung der Zielerreichung
Indirekte Controlling-Ziele
Abbildung 39: Ableitung von indirekten Controlling-Zielen im strategischen Prozesscontrolling
Beispielsweise ist die Vorgabe bestimmter Qualitätsziele, etwa im Rahmen von Differenzierungsbemühungen, für einen strategisch relevanten Fertigungsprozess durch Analysemaßnahmen zu begleiten. Gegebenenfalls sind zur Erreichung des Qualitätszieles komplementäre Zielvorgaben, die ggf. anderen Zieldimensionen zugeordnet werden (Mitarbeiterqualifikationen, Prozesskosten), zu berücksichtigen, sodass dem Controlling entsprechende Analyse- und Abstimmungsaufgaben zufallen. In diesem Fall könnten konkrete indirekte Controlling-Ziele, wie etwa die „genaue Messung der Fehlerquote im Prozess XY“, formuliert werden. An dieser Stelle wird auch deutlich, dass die indirekten Controlling-Ziele die konkreten Aufgaben des strategischen Prozesscontrollings determinieren, die in diesem Zusammenhang die Entwicklung geeigneter Qualitätskennzahlensysteme (systembildende Koordination) und bzw. oder die laufende qualitätsbezogene Datenanalyse (systemkoppelnde Koordination) beinhalten könnten. Tabelle 9 zeigt weitere Prozessziele und welche indirekten Ziele sich daraus für das strategische Prozesscontrolling ergeben können. Die Ziele lassen sich den Dimensionen zuordnen, die bereits in Abschnitt B 2.2.3 im Zusammenhang mit den prozessbezogenen Führungsgrößen identifiziert wurden. Analog zu den dortigen Ausführungen sollten primär die Kosten-, Qualitäts- und Zeitdimension unterschieden werden, aller-
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
265
dings ist (in Anbetracht der erhöhten Komplexität in der strategischen Dimension) durchaus auch eine differenziertere Unterscheidung, die z.B. auch eine Mitarbeiter-, Flexibilitäts- und Zufriedenheitsdimension umfasst, denkbar. Die in der Tabelle dargestellte Zuordnung von Zieldimensionen basiert auf Plausibilitätsüberlegungen und ist sicherlich nicht als abschließend bzw. vollständig geklärt zu bewerten. So erscheinen im Zusammenhang mit der Differenzierung u.a. qualitäts- und zeitbezogene Aspekte starke Auswirkungen auf den buyer value zu haben und sollten daher in entsprechenden Prozesszielen berücksichtigt werden.949 Die Ausprägung der Kundenzufriedenheit wiederum ist unmittelbar mit dem buyer value verknüpft und daher auch in diesem Zusammenhang eine relevante Prozesszieldimension. Für das strategische Prozesscontrolling ergeben sich daraus indirekte Ziele wie etwa die genaue Messung und Analyse von Fehlerquoten, Reklamationen, Durchlaufzeiten oder Kriterien und Einflüssen auf die Kundenzufriedenheit. Im Hinblick auf die Realisierung einer Kostenführerschaft lässt sich z.B. die Möglichkeit der Qualitätskosten konstatieren.950 Das Erreichen der entsprechenden Prozessziele könnte durch die Formulierung indirekter Controlling-Ziele, wie die Herstellung von Kostentransparenz oder die Messung und Analyse der Kostenwirkung von Qualitätssteigerungen, unterstützt werden. Die Verfolgung einer Konzentrationsstrategie kann für die Kernprozesse in der Zielsetzung einer parallelen Umsetzung von Differenzierung und Kostenführerschaft resultieren.951 Dies erfordert eine entsprechend hohe Flexibilität, zu deren Erreichung das Controlling durch Kosten-, Qualitäts- und Flexibilitätsanalysen beitragen kann, deren Realisierung damit ein weiteres indirektes Ziel des Controllings darstellen kann. Bei der Kernkompetenzentwicklung wiederum kommt es u.a. darauf an, individuelle Fähigkeiten der Mitarbeiter im Rahmen der Prozessabläufe zu entwickeln und zu nutzen.952 Als Prozessziel kann dazu die Erreichung eines hohen bzw. bestimmten Qualifikationsniveaus formuliert werden, die ergänzenden indirekten Controlling-Ziele könnten etwa die Konzipierung eines Wissens- und Kompetenzcontrollings umfassen.
949 950 951 952
Vgl. hierzu Abschnitt C 2.2.3.2 dieser Arbeit. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 2.2.3.1 dieser Arbeit. Vgl. Abschnitt C 2.2.3.3 dieser Arbeit. Vgl. die Überlegungen in Abschnitt C 3.4.2 dieser Arbeit.
266
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens Erfolgspotenzial
Zieldimension
Prozessziel -
Fehlerfreie Prozessausführung Reduktion der Reklamationsquote
-
Reduktion der Durchlaufzeiten Reduktion der Warteund/oder Transportzeiten Termingerechte Bereitstellung der Prozessleistung
Qualität
Differenzierung durch Prozessleistung
Zeit
-
Kundenzufriedenheit
-
Qualität
-
Kostenführerschaft Prozesskosten -
Fokussierung auf Marktnischen
Flexibilität
Kernkompetenzentwicklung
Mitarbeiter
-
Steigerung der Kundenzufriedenheit Minimale Reaktionszeit bei Kundenreklamationen Minimaler Anteil nachbetreuter Kunden Minimierung der Qualitätskosten Senkung der Nachbearbeitungsquote Minimierung der Ausschussquote Verringerung der Prozesskosten im Vergleich zu Wettbewerbern Minimierung der Terminüberschreitungskosten Maximierung der Kapazitätsauslastung Hoher Prozessdeckungsbeitrag Parallele Realisierung von Kostenführerschaft und Differenzierung Überdurchschnittliche Qualifizierung der Mitarbeiter
Indirekte Controlling-Ziele - Messung und komparative Analyse von Fehlerquoten und Reklamationen - Zeitmessung - Analyse des Einflusses der Lieferzeit auf den Buyer Value -
Erfassung und Analyse von Kundenzufriedenheitskriterien
-
Messung von Qualitätsgrößen Analyse der Kostenwirkung von Qualitätssteigerungen Herstellung von Kostentransparenz Kostenanalyse
-
-
-
Kosten-, Qualitäts- und Flexibilitätsanalyse Wissens- und Kompetenzcontrolling
Tabelle 11: Indirekte Ziele des strategischen Prozesscontrollings953
Insgesamt wird deutlich, dass zwischen indirekten Controlling-Zielen und Prozesszielen eine Mittel-Zweck-Beziehung in Hinblick auf die übergeordnete Aufgabe der Realisierung von Erfolgspotenzialen besteht, auf deren Grundlage die indirekten Ziele des 953
In Anlehnung an Leistert, O. (2006), S. 135.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
267
strategischen Prozesscontrollings zu formulieren sind. Wichtig sind hierbei die grundsätzliche Verdeutlichung der hinter der indirekten Controlling-Zielformulierung stehenden Systematik und die Herausarbeitung der inhaltlichen Verknüpfung von Prozesszielen und Controlling-Zielen. Tabelle 11 dient angesichts des starken Bezugs der indirekten Controlling-Ziele zum jeweiligen situativen Kontext und der daraus resultierenden Schwierigkeit einer allgemeingültigen konkreten Zielformulierung zur exemplarischen Konkretisierung von einiger indirekter Controlling-Ziele. Die konkrete Formulierung von indirekten Controlling-Zielen hat entsprechend der zuvor erläuterten Zusammenhänge individuell im Unternehmen auf der Grundlage des aktuellen Prozesszielsystems zu erfolgen.954 3.2
Aufgaben und Instrumente
3.2.1
Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung
3.2.1.1 Kennzeichnung der Koordinationsaufgabe innerhalb der strategischen Prozessplanung Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Planung bisher als systematisch-methodischer, gedanklicher Prozess zur Lösung von (Zukunfts-)Problemen beschrieben, dessen Ergebnis ein Plan im Sinne eines zweckgerichteten Ziel und Maßnahmenbündels ist.955 Die strategische Prozessplanung umfasst vor diesem Hintergrund die Ermittlung von prozessbezogenen Erfolgspotentialen bzw. Erfolgsfaktoren, die Festlegung der langfristigen Prozessziele, die Bestimmung der Prozessstrategie sowie die Planung der langfristigen Strukturen der Geschäftsprozesse.956 Inhaltlicher Gegenstand der Planung sind damit die in Kapitel C herausgearbeiteten Zusammenhänge. Diese gilt es, in Bezug auf die eigene Unternehmung zu analysieren und entsprechende prozessbezogene Pläne (Prozessstrategien) festzulegen. Koordination innerhalb der Planung soll „zu gegenseitig abgestimmten Unternehmensgesamt- und -einzelplänen führen, durch welche die Unternehmensziele möglichst gut erreicht werden.“957 Pläne wiederum sind das Ergebnis des Zusammenwirkens verschiedener Elemente im Planungssystem. Unter einem solchen wird grundsätzlich 954 955 956 957
Vgl. Schweitzer, M./Friedl, B. (1992), S. 153. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt B 2.1.1 dieser Arbeit und die dort angegebene Literatur. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 147. Küpper, H.-U. (2005), S. 87.
268
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
„eine geordnete und integrierte Gesamtheit verschiedener Teilplanungen (Pläne) und anderer Elemente sowie ihrer Beziehung verstanden, die zwecks Erfüllung bestimmter Funktionen nach einheitlichen Prinzipien aufgebaut und miteinander verknüpft sind.“958 Konkrete Elemente eines Planungssystems sind Planungsträger, Planungsprozesse, Pläne, Planungsinformationen, Planungsstrukturen und Planungsregelungen sowie Planungsinstrumente.959 Die Koordination ist damit nicht auf die Pläne bzw. Prozessstrategien zu beschränken, sondern auch auf alle anderen Elemente des Planungssystems auszudehnen.960 Ziel der folgenden Erörterungen ist es, formale und inhaltliche Merkmale des strategischen Prozessplanungssystems zu kennzeichnen, um grundlegende Ansatzpunkte für die systembildende und systemkoppelnde Koordinationsaufgabe innerhalb der strategischen Prozessplanung identifizieren zu können. Planungsträger bezeichnen alle aktiv am Planungsprozess beteiligten Personen. Im strategischen Prozessmanagement bezieht sich das vor allem auf die oberste Führungsebene im Unternehmen (Geschäftsleitung, Planungsstäbe) sowie die Prozessverantwortlichen der strategisch relevanten Kernprozesse. Den Planungsträgern werden ihre Aufgaben und Befugnisse durch Regelungen und die Festschreibung von Strukturen zugeordnet. Sie greifen während sämtlicher Phasen des Planungsprozesses (Zielbildung, Problemidentifizierung, Alternativensuche, Prognose sowie Alternativenbewertung und Entscheidung) auf Planungsinformationen zurück. Diese beinhalten sowohl auf externe Faktoren gerichtete Informationen (z.B. über langfristige Markt- bzw. Umweltentwicklungen, Trends und Kundenbedürfnisse) als auch interne Aspekte betreffende Informationen, z.B. über prozessimmanente Kernkompetenzen, Kostensenkungs- oder Differenzierungspotenziale. Neben Planungsinformationen bedienen sich Planungsträger einer Vielzahl unterschiedlicher Instrumente und Methoden. Innerhalb der strategischen Prozessplanung können dabei klassische strategische Planungsinstrumente wie z.B. Portfolio-Analysen, Balanced Scorecards oder Lebenszyklusanalysen zum Einsatz kommen.961 Diese sollten jedoch in ggf. etwas abgewandelter Form angewendet werden, um den Besonderheiten einer Prozessorganisation gerecht zu werden.962 Sie dienen zusammen mit den Planungsinformationen der konkreten inhalt958 959 960 961
962
Wild, J. (1982), S. 153. Vgl. Wild, J. (1982), S. 153. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 147 f.; ähnlich auch Horváth, P. (2003), S. 196 f. Vgl. für einen Überblick von Instrumenten der strategischen Planung z.B. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 51. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt D 3.2.1.4 dieser Arbeit.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
269
lichen Ausarbeitung von Plänen. Im Kontext des strategischen Prozessmanagements bezieht sich das auf die Prozessstrategie.963 Prozessstrategien legen Maßnahmen sowie Instrumente fest, sie enthalten Aussagen zu Prozesszielen und den der Zielformulierung zugrundeliegenden Prämissen sowie präzise Vorgaben zu Zielinhalten, Ausmaß der Zielerreichung und den jeweiligen Zeitbezug.964 Alle diese Elemente des strategischen Prozessplanungssystems gilt es, im Hinblick auf die strategische Prozessplanung zunächst durch das strategische Prozesscontrolling zu gestalten (systembildende Koordination). Darüber hinaus ist eine laufende wechselseitige Abstimmung der an den Planungsprozessen beteiligten Systemelemente vorzunehmen (systemkoppelnde Koordination). In den folgenden Abschnitten soll geklärt werden, welche konkreten Aufgaben für das strategische Prozesscontrolling damit verbunden sind. 3.2.1.2 Systembildende Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung Die systembildende Koordination umfasst „gestalterische“ Maßnahmen, die der Schaffung einer abgestimmten Gebilde- und Prozessstruktur im strategischen Prozessplanungssystem dienen („Metaplanung“ bzw. Planungsmanagement).965 Allgemein beinhaltet dies den Entwurf, die Bewertung und die Auswahl der Elemente des Planungssystems sowie die Gestaltung ihrer Beziehungen zueinander.966 Der Ausgangspunkt ist „die (funktionale) Analyse und Festlegung der Planungsaufgaben und deren Beziehungen. Hierbei unterscheiden wir verrichtungsorientiert die Planungsaktivitäten (Planungsaufgaben i.e.S.) und objektorientiert die Pläne.“967 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass ein Teil der Gestaltungsaufgaben von der Organisation wahrgenommen wird. Das betrifft im Wesentlichen die verrichtungsorientierte Gestaltung des Planungssystems:968 Organisatorische Maßnahmen zielen v.a. auf die Aufgaben und Kompetenzverteilung unter den Planungsträgern sowie den Ablauf der Planungsprozesse ab und gewährleisten somit die intrasystemische, systemkoppelnde Koordination dieser Elemente. Das Controlling hat dabei unterstützend die Aufgabe, sys963 964 965 966 967 968
Den folgenden Aussagen zum Inhalt der Prozessstrategien ist die allgemeine Definition von Plänen zugrundegelegt. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt B 2.1.1 dieser Arbeit. Vgl. zu den Planinhalten allgemein Wild, J. (1982), S. 49. Vgl. grundsätzlich dazu Horváth, P. (2003), S. 197 ff.; Leistert, O. (2006), S. 148. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 197 ff. Horváth, P. (2003), S. 197. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 88 f.
270
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
temübergreifend die Abstimmung entsprechender Organisationsentscheidungen mit den „Bedürfnissen“ der Planung zu gewährleisten. Die entsprechende Erörterung soll in Abschnitt D 3.2.5 dieser Arbeit erfolgen. Dagegen soll die Koordination der Planziele, Planungsgegenstände und -ebenen, also die objektorientierte Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung als Aufgabe des Controllings aufgefasst und an dieser Stelle thematisiert werden. Die objektorientierte Differenzierung führt zu einer Aufspaltung komplexer Planungsprobleme in überschaubare Teilplanungen.969 So werden etwa Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategie heruntergebrochen und in spezifischere Prozessstrategien überführt. Insofern ist die Abgrenzung eines strategischen Prozessplanungssystems, dem die Entwicklung spezifischer „Prozesspläne“ obliegt, bereits Resultat einer vollzogenen objektorientierten Differenzierung der Gesamtunternehmensplanung. Setzt man dieses Differenzierungsprinzip weiter fort, ergibt sich auch innerhalb der strategischen Prozessplanung die Notwendigkeit, die auf einzelne Prozesse bezogenen Teilpläne aufeinander abzustimmen. Zwischen solchen Teilplanungen kann eine Vielzahl an Planungsinterdependenzen auftreten, z.B. in Form von Ressourcen- oder Marktverflechtungen,970 die es im Rahmen der systembildenden Koordination zu berücksichtigen und zu gestalten gilt. Die systembildende Koordination beinhaltet die Festlegung einheitlicher Kriterien zur Erstellung und Verdichtung der Pläne zu einem Gesamtplan sowie die kausale Verknüpfung der Teilpläne zur sachlichen und terminlichen Abstimmung sowohl untereinander als auch in Bezug auf den Gesamtplan.971 In diesem Zusammenhang lassen sich die in Tabelle 12 dargestellten und im Folgenden diskutierten inhaltlichen sowie instrumentalen Kriterien bzw. Gestaltungsparameter identifizieren.972 Auf Basis ihrer Parameterausprägung wird das strategische Prozessplanungssystem entworfen und die Beziehung der Systemelemente zueinander festgeschrieben.973
969 970 971 972
973
Vgl. Horváth, P. (2003), S. 200. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 151. Vgl. hierzu und den folgenden Ausführungen Horváth, P. (2003), S. 200 ff. Vgl. hierzu grundlegend Küpper, H.-U. (2005), S. 84 f. sowie im Bezug auf das Prozesscontrolling allgemein Leistert, O. (2006), S. 148 ff. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 149 f.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings Inhaltliche Gestaltungsparameter -
Planungsumfang Formalisierungsgrad Standardisierungsgrad Detailliertheit/Präzisionsgrad Anpassungsfähigkeit/Flexibilität Zielbezogenheit Aktualität
271
Instrumentale Gestaltungsparameter -
Art der Planungsinstrumente Art und Umfang der IVUnterstützung
Tabelle 12: Gestaltungsparameter des strategischen Prozessplanungssystems974
So ist zunächst der Umfang des Planungssystems zu definieren, d.h., es ist festzulegen, welche Gegenstände von der strategischen Prozessplanung überhaupt erfasst werden. Es handelt sich bei der strategischen Prozessplanung um eine sachzielorientierte Teilplanung, deren Fokus auf den strategisch relevanten Kernprozessen des Unternehmens liegt. Prozesse, die in keinem besonderen Zusammenhang mit den Erfolgspotenzialen des Unternehmens stehen, sind damit nicht Gegenstand der strategischen Prozessplanung. Der Formalisierungsgrad, d.h. die Verbindlichkeit organisatorischer Regelungen für die Systemstruktur, ist hoch anzusetzen. Aufgrund der hohen Bedeutung und entsprechend hohen hierarchischen Ansiedlung der strategischen Prozessplanung sollte es Entscheidungsträgern auf den höchsten Führungsebenen vorbehalten bleiben, Planänderungen vorzunehmen. Der Standardisierungsgrad, welcher die Vereinheitlichung von Plänen, Planungsprozessen, Planungsinformationen und -instrumenten beschreibt, ist für die strategische Prozessplanung tendenziell niedrig anzusetzen. Standardisierung wird „insbesondere durch den Einsatz von einheitlichen Modellen, Formularen, Verfahren […] realisiert“975 und „stellt eine wichtige Voraussetzung für die Koordination von Teilplänen dar.“976 Aufgrund des eher diffusen Charakters der Problemstellungen der strategischen Ebene scheint eine derartige Vereinheitlichung insbesondere bezüglich der be974 975 976
In Anlehnung an Leistert, O. (2006), S. 148; ähnlich auch Küpper, H.-U. (2005), S. 85. Wild, J. (1982), S. 158. Wild, J. (1982), S. 158.
272
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
nötigten Information wenig zweckmäßig zu sein. Ein Umstand, der sich auch auf den Präzisions- bzw. Detailierungsgrad der bezüglich der Planungsgegenstände getroffenen Aussagen und Zielformulierungen auswirkt. So besteht bei der strategischen, sachzielorientierten Zielformulierung, wie z.B. „Erreichen der Kostenführerschaft“, in einem Kernprozess ein geringerer Bedarf an präzisen, operationalisierbaren Angaben. Folglich sollte die systembildende Koordination auf die Schaffung eines möglichst flexiblen und anpassungsfähigen strategischen Prozessplanungssystems hinwirken. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit werden in diesem Zusammenhang durch bestimmte Planungsgrundsätze wie der Systemgestaltung nach dem Prinzip der rollierenden Planung, das Vorsehen von Planreserven, das Durchführen einer Alternativplanung, die Wahrung der Möglichkeit zur Planänderung bei drastischen Änderungen der Planungsprämissen sowie das Festlegen periodischer Planrevisionen angestrebt bzw. erreicht.977 Gegebenenfalls ist in Abhängigkeit vom Ausmaß der Umweltdiskontinuitäten von einer periodischen auf eine Fall zu Fall-Planung umzustellen. Denkbare Vorgehensweisen bei der objektorientierten Koordination sind sowohl die simultane als auch die sukzessive Abstimmung der Teilpläne. Letzteres wird gemeinhin als zweckmäßiger erachtet.978 Die Abstimmung bezieht sich auf sämtliche Differenzierungskriterien von Plänen, wie den Gegenstandsbereich, den Zeithorizont, den Zielbezug, die Planungsstufe und den Ablauf der Planungsphasen, wobei auch innerhalb einzelner Elemente Abstimmungen hinsichtlich eines oder mehrerer Unterkriterien vorzunehmen ist. Koordination ist also ein mehrdimensionales, hochkomplexes Phänomen. Bei der strategischen Prozessplanung sind beispielsweise im Rahmen der Zielplanung potenzielle bzw. zukünftige Zielsetzungen mit den aktuellen Prozesszielen abzustimmen. Das wirkt sich auf die Maßnahmenplanung und die Formulierung der eigentlichen Prozessstrategie aus. Auch ist die Strategieplanung darüber hinaus mit der Ressourcenplanung abzustimmen. Insgesamt geht es darum sicherzustellen, dass alle abgeleiteten Teilpläne einen Bezug zum ursprünglichen Planungsproblem haben (Zielbezogenheit).979 Ein besonderes Augenmerkt sollte auf der Analyse und Vermeidung von Zielkonflikten liegen. So kann zwischen verschiedenen Zeilen grundsätzlich eine indifferente, komplementäre oder 977 978 979
Vgl. hierzu und zu den folgenden Ausführungen Horváth, P. (2003), S. 204. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 201 f. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 151.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
273
konfliktionäre Beziehung bestehen.980 Von daher ist die Formulierung eines konsistenten Zielsystems ein wesentlicher Aspekt der Planungskoordination. Auf der strategischen Ebene kommt dabei erschwerend hinzu, dass die Wirkungszusammenhänge und Kausalstrukturen zwischen Erfolgspotenzialen und den ihnen zugrundeliegenden Erfolgsfaktoren oftmals wenig transparent sind,981 insbesondere auch was den Bereich der wechselseitigen Beeinflussung verschiedener Geschäftsprozesse betrifft. So erfordert beispielsweise die Umsetzung einer Qualitätsverbesserungsinitiative im Rahmen einer Differenzierungsstrategie ggf. die Durchführung von Mitarbeiterschulungen. Somit wäre neben der Zielvorgabe für den relevanten Produktionsprozess (z.B. in Form bestimmter, zulässiger Fehlerquoten) auch eine konsistente Zielvorgabe an den Personalentwicklungsprozess (z.B. in Form einer mitarbeiterbezogenen Qualifizierungsquote) zu formulieren. Dabei ist im Rahmen der systembildenden Koordination dafür Sorge zu tragen, dass Verfahren zur Analyse und Überwindung von Zielkonflikten vorhanden sind.982 Die instrumentalen Gestaltungsparameter beziehen sich auf die Planungsinstrumente, die zur Bewältigung der Planungsaufgabe benötigt werden. 983 „Der Controller der Praxis wird häufig mit einem Werkzeugmacher verglichen.“ 984 Teil seiner systembildenden Aufgaben ist es, für das Management der Unternehmung die geeigneten Werkzeuge in Gestalt von betriebswirtschaftlichen Instrumenten zur Verfügung zu stellen und sachgerecht den jeweiligen Planaufgaben und Planarten zuzuordnen. In Anlehnung an HORVÁTH soll sich die systembildende Koordinationsaufgabe hier auf die „ideellen“ Planungsinstrumente beschränken. Diese stellen Techniken und Methoden zur Unterstützung des Planungsablaufes dar. Dagegen bezeichnen „reale“ Instrumente die technischen Aspekte der Informationserfassung und -aufbe-reitung, deren Entwicklung der systembildenden Koordination des Informationssystems zugeordnet werden. Konkrete Instrumente und ihre Anwendung, die bei der strategischen Prozessplanung zum Einsatz kommen, sollen unter Punkt 3.2.1.4 dieses Abschnitts erörtert werden.
980 981 982
983 984
Vgl. z.B. Küpper, H.-U. (2005), S. 90 f. Vgl. Welge, M.K./Al-Laham, A. (2008), S. 216. Für einen Überblick von Verfahren zur Lösung von Zielkonflikten vgl. z.B. Küpper, H.-U. (2005), S. 94. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Horváth, P. (2003), S. 211 f. Horváth, P. (2003), S. 211.
274
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
3.2.1.3 Systemkoppelnde Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung Die systemkoppelnde Koordination des strategischen Prozessplanungssystems entspricht der laufenden Wahrnehmung von „Planungsmanagementaufgaben“985 zur Unterstützung der Planung.986 Sie vollzieht sich innerhalb der Strukturen, die im Rahmen der intrasystemischen systembildenden Koordination gestaltet werden und wäre nicht notwendig, wenn bereits alle Koordinationsprobleme bei der systembildenden Koordination berücksichtigt werden könnten.987 Im Rahmen der systemkoppelnden Koordination hat das strategische Prozesscontrolling laufend dafür Sorge zu tragen, dass die strategische Prozessplanung für alle strategisch relevanten Kernprozesse aktuelle und untereinander konsistente Prozessstrategien formuliert bzw. formulieren kann. Diese Unterstützungsaufgabe beinhaltet beispielsweise die Anregung und Motivation der Planungsträger zur Durchführung ihrer Aufgaben und ggf. die Initiierung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen.988 Das Controlling unterstützt die Planung ferner bei der Entscheidungsfindung u.a. durch Sammlung, Bewertung und Aufarbeitung der Prozessstrategieentwürfe. Inhaltlich geht es dabei um die Beseitigung von Ziel-, Maßnahmen- und Ressourcenkonflikten. „Zudem soll das Prozesscontrolling durch die inhaltliche Prüfung der Pläne auch den Ergänzungsbedarf bei den Aussagen aufzeigen, wenn bspw. bei der Formulierung der Planziele ein Schwerpunkt auf den monetären Zielen liegt, dieser Schwerpunkt aber nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem Planungsproblem steht.“989 Dieser Aspekt ist im Kontext des strategischen Prozessmanagements von besonderer Bedeutung, da das allgemeine Ziel der Entwicklung und Nutzung von Erfolgspotenzialen sich oftmals nicht eindeutig in quantifizierbaren Zielvorstellung operationalisieren lässt. Insofern ist hier eine intensive qualitative, kausalanalytische Überprüfung der Zielsetzungen im Hinblick auf ihre Eignung zur Realisierung der Erfolgspotenzialentwicklung vorzunehmen. Gleiches gilt auch für die in den Prozessstrategien festgeschriebenen Maßnahmen und Ressourcen.
985 986 987 988 989
Szyperski, N./Müller-Böling, D. (1980), S. 365. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 208; Leistert. O. (2006), S. 154. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 154. Vgl. Szyperski, N./Müller-Böling, D. (1980), S. 365.; Horváth, P. (2003), S. 209. Leistert, O. (2006), S. 154.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
275
Des Weiteren sind Methoden und Instrumente zur Plangenerierung zur Verfügung zu stellen, ihr Einsatz ist zu koordinieren, und die zugrundeliegenden Datenverarbeitungssysteme sind zu pflegen. Darüber hinaus müssen die Planungsarbeiten zeitlich und sachlich laufend miteinander abgestimmt werden, sodass eine Integration der verschiedenen Prozessstrategien in ein prozessbezogenes Gesamtstrategiekonzept und die Gesamtunternehmensstrategien ermöglicht wird. Das wiederum erfordert die Überwachung und Kontrolle der Planerstellung. Neben einer inhaltlichen Prüfung umfasst das auch die formelle Prüfung auf Einhaltung der Dokumentationsstandards. „Werden diese nicht eingehalten, so sind die Planungsträger darauf hinzuweisen, damit die Abstimmung der Planziele und Pläne nicht behindert wird.“990 In diesem Zusammenhang sind auch die Planungsrichtlinien einer permanenten kritischen Überprüfung zu unterziehen und ggf. weiterzuentwickeln. Es lässt sich abschließend konstatieren, dass sich die auf die Planung bezogenen systemkoppelnden Koordinationsaufgaben auch auf die strategische Dimension übertragen lassen. Dabei gilt es, für das strategische Prozesscontrolling den Akzent bei der Unterstützung der inhaltlichen Abstimmung der Prozessstrategieplanung zu setzen. Hier besteht aufgrund der unsicheren Informationslage und der großen Tragweite der Entscheidungen seitens des strategischen Prozessmanagements der größte Bedarf an Führungsunterstützung. Die übrigen systemkoppelnden Koordinationsaufgaben, die es im Hinblick auf die Koordination der strategischen Prozessplanung zu bewältigen gilt, dürfen zwar nicht vernachlässigt werden, unterscheiden sich aber von der allgemeinen Perspektiven lediglich durch die Bezugsobjekte, der durch sie unterstützen Planungshandlungen. 3.2.1.4 Instrumentelle Aspekte der Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung In den vorhergehenden beiden Abschnitten wurden die Grundlagen systembildender und systemkoppelnder Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung dargelegt. Bei dieser grundlegenden Kennzeichnung wurden bereits Besonderheiten aufgrund von Prozessorientierung und strategischer Managementperspektive angedeutet. Bisher jedoch war das Abstraktionsniveau der Betrachtung noch zu hoch, um die in-
990
Leistert, O. (2006), S. 155.
276
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
haltlichen Besonderheiten intrasystemisch-er Koordination im strategischen Prozessplanungssystem herausstellen zu können. Die konkrete Charakterisierung der Aufgabenerfüllung ist immer mit einer Kennzeichnung angewendeter Methoden und Instrumente verknüpft. Im Folgenden sollen daher spezifische Aufgaben und Instrumente zusammen erörtert werden, um die Koordinationsaufgaben des strategischen Prozesscontrollings inhaltlich zu präzisieren. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass sich systembildende und systemkoppelnde Koordination nicht immer trennscharf voneinander abgrenzen lassen, weswegen beide Aspekte kombiniert erörtert werden sollen. Das strategische Prozesscontrolling hat im Rahmen seiner systembildenden Koordinationsaufgabe grundsätzlich die Instrumente des strategischen Prozessmanagements zu gestalten. Gegebenenfalls sollten diese Instrumente in etwas modifizierter Form zur Anwendung kommen, um den besonderen Anforderungen der Prozessorganisation (multidimensionale Berücksichtigung von Führungsgrößen, spezifische Quellen von Erfolgspotenzialen) gerecht zu werden. Systemkoppelnd obliegt es dem Controlling das Management durch Sicherstellung des zweckmäßigen Instrumenteneinsatz bei seinen Entscheidungen zu unterstützen. Dazu sind relevante Daten aufzubereiten und zu analysieren bzw. entscheidungsgerecht zu verdichten. Darüber hinaus können betriebswirtschaftliche Instrumente auch im Rahmen des Controllings zum Einsatz kommen. So ist zur Abstimmung von Planungsträgern und gegenständen grundsätzlich die Anwendung von Instrumenten wie u.a. PortfolioModellen, Produktlebenszyklusanalysen, Balanced Scorecards oder Szenario-Technik möglich.991 Beispielhaft sollen nachfolgend der Einsatz von Balanced Scorecard und Lebenszyklusanalyse zur Koordination innerhalb des strategischen Prozessplanungssystems erörtert werden. 3.2.1.4.1 Koordination von Planzielen und Maßnahmen mittels Balanced Scorecard Ein Instrument zur Abstimmung von Planzielen und Planungsgegenständen ist die Balanced Scorecard. Ursprünglich aus der Kritik an „klassischen“ eindimensionalen, vergangenheitsorientierten und primär monetär ausgerichteten Kennzahlensystemen entstanden, hat sich gezeigt, dass sich die Balanced Scorecard besonders gut zur Im991
Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 104 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
277
plementierung und Umsetzung von Strategien eignet.992 In ihrer ursprünglichen Prägung besteht sie aus den vier Perspektiven Finanzen, Kunden, interne Prozesse sowie Lernen und Wachstum. Innerhalb der einzelnen Perspektiven können Ziele und entsprechende zielführende Maßnahmen festgelegt werden, die Messung der Zielerreichung erfolgt über speziell definierte Leistungsmaßstäbe, d.h. quantitative oder qualitative Früh- und Spätindikatoren. Das Besondere der Balanced Scorecard ist die perspektivenübergreifende Verknüpfung von Zielen und Maßnahmen bzw. Leistungsmaßstäben und Indikatoren durch Ursache-Wirkungsbeziehungen und die so realisierte relativ ausgewogene Berücksichtigung verschiedener externer und interner Anforderungen bei der Strategieumsetzung.993 Aus dieser kausalen Verknüpfung unterschiedlicher Perspektiven erwächst auch die Eignung der Balanced Scorecard, innerhalb der strategischen Prozessplanung verschiedene Teilplanungen inhaltlich untereinander abzustimmen. Abbildung 40 stellt die Grundstruktur einer für die strategische Prozessplanung ausgerichteten Balanced Scorecard dar. Beim Entwurf der Scorecard gilt es, bei der Formulierung von Zielen und Maßnahmen für die Prozesse die spezifischen Quellen für Erfolgspotenziale in der Prozessorganisation zu beachten. Inhaltliche Prämisse der strategischen Prozessplanung können entsprechend die Entwicklung und Nutzung prozessimmanenter Kernkompetenzen, die Differenzierung durch überlegene Prozessleistungen, die Kostensenkung durch Prozessoptimierung oder die Konzentration durch spezialisierte Prozessleistungen sein. Sie gilt es, mittels Balanced Scorecard mit den Planungsgegenständen anderer Perspektiven abzustimmen und eine Harmonisierung der prozessbezogenen Gesamtplanung zu erreichen. D.h. konkret, dass auf der Grundlage einer unternehmensspezifischen Analyse der jeweiligen Kausalzusammenhänge konsistente Ziele und Maßnahmen für alle Perspektiven zu formulieren sind, sodass alle in der Scorecard dargestellten Dimensionen im Hinblick auf die Gesamtzielerreichung möglichst komplementäre Beiträge leisten. Die Festlegung und regelmäßige Erhebung von Früh- und Spätindikatoren in jeder Dimension ermöglichen Steuerung und Kontrolle der einzelnen Bereiche. So lassen sich die in der Prozessdimension abgebildeten
992
993
Vgl. Kaplan, R.S./Norton, D.P. (1997), S. 316 ff.; Weber, J./Schäffer, U. (1998a), S. 341 f.; Speckbauer, G./Pfneissl, T. (2004), S. 107; ähnlich auch Horváth, P./Kaufmann, L. (1998), S. 39 f. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 264; Horváth, P./Kaufmann, L. (1998), S. 41 f.
278
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Prozessstrategien mit den Kunden-, Ressourcen- und Finanzstrategien des Unternehmens abstimmen.
Kunden
Finanzen
Ziele Innovative Produkte
Leistungsmaßstäbe Anteil neuer Produkte
Ziele Langfristiges Überleben
Leistungsmaßstäbe Cash Flow
Kundenpräferenz durch Nutzensteigerung Kundenpräferenz durch Preisvorteil Vorzugslieferant
Nutzenrelation gegenüber Wettbewerbern Zahlungsbereitschaft der Kunden Anzahl Wiederholungskäufe
Wachstum
Umsatzwachstum
Shareholder Value
Eigenkapitalrendite
Prozesse
Lernen und Wachstum
Ziele Entwicklung einer Kernkompetenz Differenzierung durch Prozessleistung Senkung von Prozesskosten
Leistungsmaßstäbe Kongruenz eigener Fähigkeiten mit Marktmöglichkeiten Leistungsspektrum im Vergleich zu Wettbewerbern Prozesskosten
Fokussierung auf Nischen durch spezialisierte Prozesse
Spezialisierungsgrad
Ziele Ressourcen und Fähigkeiten entwickeln Mitarbeiterqualifikation steigern Lernprozesse in der Fertigung Spezialisierungspotenziale entwickeln
Leistungsmaßstäbe Anzahl Prozess- und Produktinnovationen Durchgeführte Schulungsmaßnahmen Fehlerquote bei der Bearbeitung Fähigkeiten- und Ressourcenflexibilität
Abbildung 40: Struktur einer Balanced Scorecard in der strategischen Prozessplanung994
Beispielsweise könnte das Unternehmen versuchen, durch die Verfolgung einer Differenzierungsstrategie Preiserhöhungen durchzusetzen, um so seinen Umsatz zu erhöhen. Der Zielsetzung „Umsatzsteigerung“ in der Finanzperspektive wäre entsprechend in der Kundenperspektive der Balanced Scorecard durch die Zielsetzung „Steigerung des Buyer Values“ zu ergänzen. Mögliche Maßnahmen in diesem Zusammenhang wären z.B. die Steigerung der Kundenzufriedenheit mit der bereitgestellten Leistung oder die Erhöhung des von der Leistung generierten Kundennutzens. In der Prozessperspektive gilt es nun, für die die Differenzierung ermöglichenden Kernprozesse komplementäre Ziele und Maßnahmen festzulegen. Solche Ziele wären u.a. die Steigerung der Prozessqualität oder, insbesondere bei Dienstleistungsanbietern, eine Erweiterung des erbrachten Leistungsspektrums. Entsprechende Maßnahmen auf der Prozessebene 994
In Anlehnung an Kaplan, R.S./Norton, D.P. (1992), S. 40.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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könnten die Einführung von Qualitätsstandards und die Erhöhung des Leistungsumfanges durch die Integration zusätzlicher Wertaktivitäten in die Kernprozesse umfassen. Dies wiederum würde sich auf den Ressourcenebene in erhöhten Anforderungen an die Fähigkeiten der Mitarbeiter niederschlagen. Ziele und Maßnahmen auf dieser Ebene könnten die Erhöhung der Mitarbeiterqualifikation durch die Initiierung von Schulungsmaßnahmen darstellen. Innerhalb aller Perspektiven wären begleitende Indikatoren festzulegen, wie z.B. das Umsatzwachstum (Finanzebene), die Anzahl von Wiederholungskäufen oder die Preisbereitschaft (Kundenebene), die Anzahl von Nachbearbeitungen oder der Umfang des Prozessleistungsspektrums (Prozessebene) und die Anzahl durchgeführter Schulungen (Ressourcenebene). Durch die Balanced Scorecard wird insgesamt eine konsistente Einordnung der Prozessstrategien in die Gesamtunternehmensstrategie erleichtert. Auch lassen sich für die Formulierung der Prozessstrategie relevante Planungsgegenstände aus den übrigen Perspektiven inhaltlich mit den Prozessstrategien abstimmen. Für das Prozessmanagement ist dabei insbesondere die Schnittstelle zwischen Prozess- und Kundenperspektive wichtig. So lässt sich das Postulat der Fokussierung des Prozessmanagements auf die Kundenbedürfnisse durch Einsatz der Balanced Scorecard bereits auf der strategischen Planungsebene verankern und in konkrete prozessbezogene Zielsetzungen übersetzen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die hier beschriebene Anwendungsmöglichkeit der Balanced Scorecard im Controlling eine Alternative zu ihrer ursprünglichen Anwendung als Instrument des Managements zur Strategieimplementierung darstellt. Kommt die Balanced Scorcard lediglich in ihrer ursprünglich intendierten Zwecksetzung im Unternehmen zum Einsatz, verengt sich das Aufgabenfeld des strategischen Prozesscontrollings auf die „üblichen“ systembildenden und systemkoppelnden Koordinationsaufgaben.995 Es hat dann die systembildende Aufgabe, die Balanced Scorecard zu konzipieren und zu gestalten. Wichtig sind dabei, wie bereits erwähnt wurde, insbesondere die Analyse der Zielbeziehungen und die darauf aufbauende Formulierung eines konsistenten bzw. komplementären Zielsystems über alle Perspektiven der Balanced Scorecard hinweg. Eine große Rolle spielt auch die Festlegung geeigneter Indikatoren zur Überwachung der Zielerreichung und als Lenkungs995
Diese sind natürlich auch bei der Anwendung der Balanced Scorecard als Controlling-Instrument zu erfüllen.
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D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
größen. Systemkoppelnd obliegt es dem strategischen Prozesscontrolling, neben der Erfassung und Bewertung der Indikatoren die permanente Anpassung der Scorecard zu gewährleisten. Dazu sind die Beziehungen in der Scorecard laufend zu analysieren, um mögliche Änderungen der Ziel- sowie Kausalbeziehungen zwischen den Perspektiven in die Scorecard einfließen lassen zu können. Abschließend soll auch nochmal darauf hingewiesen werden, dass der Einsatz der Balanced Scorecard mit einigen grundsätzlichen Problemen behaftet ist.996 So kann die Auswahl geeigneter Kennzahlen schwierig sein, insbesondere im Hinblick auf die Messbarkeit (besonders bei qualitativen Größen) oder ihre inhaltliche Bedeutung. Auch die Einschätzung bzw. Bewertung der Kausalbeziehungen zwischen Zielen, Maßnahmen und Indikatoren sowohl perspektivenintern als auch -übergreifend wird in der Regel problematisch sein.997 Aufgrund der bewussten Beschränkung auf einige „überschaubare“ Positionen und deren modellhafte Operationalisierung in der Balanced Scorecard, die der offensichtlichen Komplexität der analysierten Zusammenhänge entgegensteht, besteht zudem die Gefahr der Beliebigkeit und der Scheinrationalität.998 Weitere Schwierigkeiten liegen in dem hohen Aufwand, der mit der konsequenten Anwendung der Balanced Scorecard verbunden ist. Dies kann in einer geringen Bereitschaft resultieren, die erarbeitete Scorecard von Zeit zu Zeit kritisch zu hinterfragen und ggf. zu revidieren.999 Diese Schwächen gilt es, seitens des strategischen Prozesscontrollings bei der Konzipierung und Anwendung der Scorecard zu berücksichtigen und ggf. durch ergänzenden Instrumenteneinsatz abzumildern.1000 3.2.1.4.2 Einsatz der Lebenszyklusanalyse zur Koordination der strategischen Prozessplanung Ein wichtiger Aspekt des strategischen Prozessmanagements ist das Management der prozessbezogenen Kernkompetenzen.1001 Der Planung obliegt dabei neben der Zielund Maßnahmenplanung auch die Analyse des gegenwärtigen und zukünftigen Kern996
997 998 999 1000
1001
Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundlegend Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 268. Weber, J./Schäffer, U. (1998a), S. 341 ff. Vgl. Horváth, P./Kaufmann, L. (1998), S. 48. Vgl. Mikus, B. (2003), S. 404 f. Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (1998a), S. 359. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 239 f. weisen in diesem Zusammenhang auf die Anwendungsmöglichkeiten der „Strategy Map“ im Rahmen der Unterstützung der strategischen Prozessplanung hin. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.4.3.1 dieser Arbeit.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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kompetenzportfolios. Hier ist die Lebenszyklusanalyse ein probates Instrument zur Bewertung der Kompetenzen von Kernprozessen.1002 Die Lebenszyklusanalyse kann angewendet auf Produkte allgemein „als ein deterministisches, zeitraumbezogenes Marktreaktionsmodell beschrieben werden.“1003 Ihre grundlegende Aussage ist, dass jedes Produkt ganz bestimmte Phasen am Markt, nämlich die Einführungs-, Wachstums-, Reife- sowie Sättigungs- bzw. Rückgangsphase, durchläuft und dabei unabhängig von seinem spezifischen Umsatzverlauf zunächst steigende und dann sinkende Umsätze erzielt.1004 Auch Kompetenzen weisen entsprechende Lebenszyklen auf, die durch die Wettbewerbsfähigkeit der ihnen zu Grunde liegenden Geschäftsprozesse bedingt werden.1005 Entsprechend lässt sich ein idealtypischer Kernkompetenzlebenszyklus beschreiben (vgl. Abbildung 41).1006 Anders als beim ursprünglichen produktbezogenen Lebenszyklus werden die Kompetenzen dabei nicht in Beziehung zu monetären Größen wie Umsatz, Deckungsbeiträge gesetzt. Vielmehr drückt die in Abbildung 41 dargestellte Kurve den Verlauf der relativen Kompetenzstärke in Abhängigkeit von den Marktphasen aus. Die relative Kompetenzstärke bezeichnet das Vermögen einer Kompetenz, mit der durch sie erzeugten Prozessleistung Wettbewerbsvorteile zu generieren. Da Kernkompetenzen, wie in Kapitel C dieser Arbeit dargelegt wurde, aus der zweckgerichteten Kombination und Anwendung von Fähigkeiten und Ressourcen in Prozessabläufen entstehen, ist der Kernkompetenzlebenszyklus eine Orientierungshilfe für die strategischen Prozessplanung. Diese kann bei der Ziel- und Maßnahmenformulierung auf die Erkenntnisse der Lebenszyklusanalyse zurück, wobei das Prozesscontrolling die Planung an dieser Stelle insbesondere mit der Durchführung von Kompetenz- und Prozessanalysen unterstützt. Darüber hinaus kann die Lebenszyklusanalyse auch einen Beitrag zur Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung leisten. Es besteht die Möglichkeit, den in Abschnitt C 3.4.2 vorgestellte Kompetenzmanagementzyklus inhaltlich mit dem Lebenszyklus der prozessimmanenten Kernkompetenzen zu verknüpfen (vgl. Abbildung 1002 1003 1004 1005 1006
Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 233. Meffert, H. (2000), S. 339. Vgl. Meffert, H. (2000), S. 340. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 233 f. Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundlegend Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 93 ff.
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41). Aufgaben wie die Identifikation und Entwicklung von Kernkompetenzen fallen dabei größtenteils in den vormarktlichen Wettbewerb bzw. die frühe Phase der Einführung. Die Integration erstreckt sich über einen Zeitraum von kurz vor der Einführung bis zum Ende der Einführungsphase. Die Nutzung der Kernkompetenzen umfasst primär die kompletten Marktphasen Einführung, Wachstum und Reife sowie den Anfang der Rückgangsphase. Der Transfer wiederum setzt am Ende der Reifephase an und erstreckt sich über die gesamte Rückgangsphase. Auf der Grundlage dieser Zuordnung lässt sich der Ablauf des Kernkompetenzmanagements koordinieren.1007 Ist bekannt, in welcher Lebenszyklusphase sich eine Kernkompetenz befindet, können Hinweise für den zweckmäßigen Umgang mit den entsprechenden Kompetenzen (Entwicklung, Integration, Nutzung oder Transfer) gewonnen werden. Die je nach Situation erforderlichen, wechselnden Aufgabenschwerpunkte des Kernkompetenzmanagements können somit anhand der Lebenszyklusbetrachtung inhaltlich aufeinander abgestimmt und priorisiert werden. Die entsprechende Festlegung dieser Prioritäten ist für den Erfolg des prozessbezogenen Kernkompetenzmanagements von erheblicher Bedeutung.
1007
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 97 f.
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relative Kompetenzstärke Transfer Nutzung Integration Entwicklung Identifikation
Einführung
vormarktlicher Wettbewerb
Wachstum
Reife
Rückgang
marktlicher Wettbewerb
Abbildung 41: Lebenszyklus von Kernkompetenzen1008
Insgesamt dient die Lebenszyklusanalyse also nicht nur der ressourcenbezogenen Fundierung strategischer Entscheidungen, sondern auch als Orientierungshilfe bei der sequentiellen und inhaltlichen Abstimmung der Phasen des Kompetenzmanagementzyklus als Teil der strategischen Prozessplanung. So leistet sie ähnlich wie auch die Balanced Scorecard einen Beitrag zur Koordination von Prozessstrategieformulierung und prozessbezogener Ressourcenplanung. Die im Zuge der Lebenszyklusanalyse gewonnenen Erkenntnisse können darüber hinaus auch in andere Instrumente wie z.B. die Portfolio-Analyse oder Szenario-Technik einfließen. Allerdings sind gewisse Einschränkungen des Aussagewertes der Lebenszyklusanalyse auch in Verbindung mit dem Kernkompetenzmanagement zu berücksichtigen.1009 Wie auch bei der produktbezogenen Lebenszyklusanalyse besitzt der unterstellte Kurvenverlauf keine allgemeine Gültigkeit. Ferner gilt es zu beachten, dass der Lebenszyklus von Kernkompetenzen durch die Aktivitäten des Kernkompetenzmanagements beeinflusst wird. Insofern gestaltet sich die Zuordnung von Kernkompetenzmanagementaktivitäten zu den einzelnen Phasen des Kernkompetenzlebenszyklus als problematisch, womit die Koordinati1008 1009
In Anlehnung an Krüger, W./Homp, C. (1997), S. 95. Vgl. zur Kritik am allgemeinen Produktlebenszyklusmodell z.B. Meffert, H. (2000), S. 343; Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 72; Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. (2002), S. 130 f.
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onswirkung des Konzeptes hinsichtlich der Abstimmung des Ablaufs der Kernkompetenzmanagementphasen zu relativieren wäre. Das Konzept kann somit zwar wichtige Anregungen zur Koordination des Kernkompetenzmanagements geben, hat aber keine normative Aussagekraft. 3.2.2
Koordination des strategischen prozessbezogenen Informationssystems
3.2.2.1 Abgrenzung des Informationssystems Das prozessbezogene strategische Informationssystem1010 soll die prozesszielgerichtete Ausführung von strategischen Führungsaufgaben aller anderen Teilsysteme des strategischen Prozessmanagements durch die Bereitstellung von Informationen unterstützen.1011 Informationen bezeichnen grundsätzlich „zweckorientiertes Wissen.“1012 Das Attribut zweckorientiert impliziert dabei zwei Merkmale, die es zur Kennzeichnung von Wissen als Informationen zu berücksichtigen gilt: Das erste Merkmal ist das Vorhandensein eines wissensimmanenten konkreten Aufgaben- bzw. Problemlösungspotenzials, eine per definitionem erfüllte Eigenschaft von dem in dieser Arbeit zugrundegelegten Wissensbegriff.1013 Die zweite Anforderung ist die situative Anwendbarkeit des Wissens von einer konkreten Person zu einem bestimmten Zeitpunkt. Somit wird Wissen erst durch die Anwendbarkeit im jeweiligen Kontext zu Information. Informationen sind die Grundlage jeglichen Führungshandelns, insofern können alle Führungshandlungen innerhalb der Führungsteilsysteme (entlang sämtlicher Phasen im Managementzyklus) als Verarbeitung von Informationen interpretiert und dargestellt werden. „Jede Phase enthält dabei spezielle Informationsgewinnungs-, -verarbeitungs-, -speicherungs- und -übermittlungsprozesse.“1014 Im Informationsversorgungsystem steht die Frage nach den im Führungssystem benötigten Informationen, deren Beschaffung und Übermittlung, also dem „Was“, im Vordergrund, während sich die übrigen Führungsteilsysteme mit dem „Wie“ der Informationsverarbeitung befas1010 1011 1012
1013 1014
Die Begriffe „Informationssystem“ und „Informationsversorgungssystem“ sollen im Folgenden, sofern nicht anders angegeben, synonym verwendet werden. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 172; die dort allgemein festgestellte Ausrichtung ist analog auf das strategische Prozessmanagement übertragbar. Vgl. Wittmann, W. (1959), S. 14; ähnlich ist auch die Definition von Wild, J. (1982), S. 119, der Information als „effektives oder potentielles Wissen“ begreift. Vgl. die in dieser Arbeit verwendete Wissensdefinition in Abschnitt C 3.4.3. Horvàth, P. (2003), S. 247.
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sen.1015 Dem Informationssystem werden nach WITTMANN alle Sachverhalte zugeschrieben, die auf die Verbesserung des Informationsstandes abzielen, wohingegen alle Aktivitäten, die auf einem gegebenen Informationsstand basieren, den übrigen Führungsteilsystemen zugeordnet werden.1016 Das Informationsversorgungssystem stellt also die von den anderen Führungsteilsystemen zur Verrichtung ihrer Führungsaufgaben benötigten Informationen bereit, sodass ihm „innerhalb der Führung eine besondere Bedeutung als Basissystem für alle anderen Führungssysteme zukommt.“1017 Die zentralen inhaltlichen Bezugspunkte für die Erfüllung der Informationsversorgungsfunktion sind der Informationsbedarf und die Informationsnachfrage der einzelnen Führungssteilsysteme sowie das existierende Informationsangebot. Der Informationsbedarf bezeichnet nach SZYPERSKI die „Art, Menge und Qualität der Informationsgüter, die ein Informationssubjekt im gegebenen Informationskontext zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe in einer bestimmten Zeit und innerhalb eines gegebenen Raumgebildes benötigt.“1018 Er steht einem Informationsangebot, welches die Gesamtheit der im Unternehmen insgesamt bereitgestellten Information bezeichnet, und einer Informationsnachfrage, die die von den Aufgabenträgern tatsächlich geforderten Informationsgüter beschreibt, gegenüber.1019 Ziel des Informationsversorgungssystems ist es, die Schnittmenge aus diesen drei Teilmengen unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsaspekten möglichst optimal zu gestalten.1020 Die Bereitstellung von Information vollzieht sich in einem Prozess, der die Phasen der Informationsgewinnung, -aufnahme, -übertragung, -speicherung, -abgabe, und -verwendung umfassst.1021 In diesem Zusammenhang spielen IT-Instrumente als elementare Bestandteile des Informationsversorgungssystems eine wichtige Rolle: „Aufgrund der steigenden Komplexität unternehmerischen Handelns ist eine Bewältigung der
1015 1016 1017 1018 1019 1020
1021
Vgl. Horvàth, P. (2003), S. 348. Vgl. Wittmann, W. (1959), S. 82. Küpper, H.-U. (2005), S. 127. Szyperski, N. (1980), Sp. 904; ähnlich auch Berthel, J. (1992), Sp. 873. Vgl. Berthel, J. (1992), Sp. 875. Vgl. Becker, W. (2000a), S. 14, der in diesem Zusammenhang von der Herstellung eines „informationswirtschaftlichen Gleichgewichts” spricht. Vgl. Wall, F. (1999), S. 36 ff.
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[…] notwendigen Datenmengen ohne Unterstützung geeigneter Informations- und Kommunikationstechnologien kaum noch möglich.“1022 Die Aufgaben des Controllings bei der Koordination innerhalb des Informationssystems betreffen vor allem die Integration seiner verschiedenen Elemente.1023 „Dies erstreckt sich insbesondere auf die Abstimmung der verschiedenen Rechnungssysteme und die datentechnische Verknüpfung.“1024 Wichtigste inhaltliche Bezugsgröße ist grundsätzlich das Zielsystem der Unternehmung, aus dem sich die wesentlichen Rechnungszwecke und Informationsbedarfe ableiten lassen. Aus dem Anpassungs- und Innovationsziel folgt überdies die Notwendigkeit, das Informationssystem so zu gestalten, dass relevante Umweltentwicklungen frühzeitig erkannt und vorhandene Systeme angepasst werden können. Die Koordinationsaufgabe des Controllings bezieht sich daher auch auf die entsprechende Gestaltung und Integration von Systemen zur Erfassung, Auswertung und Verdichtung von Umweltinformationen etwa zur Unterstützung der strategischen Frühaufklärung. Innerhalb des Informationssystems lässt sich inhaltlich ein spezifischer, strategisch orientierter Teil abgrenzen, auf dessen bereitgestellten Informationen strategisches Prozessmanagement und -controlling zurückgreifen. Dieser Teil ist Gegenstand der folgenden Betrachtungen. 3.2.2.2 Systembildende Koordination im strategischen prozessbezogenen Informationssystem Das strategische Prozesscontrolling befasst sich bei der systembildenden Koordination mit Fragen der Ausgestaltung des strategischen prozessbezogenen Informationssystems.1025 Dies beinhaltet die Auswahl von Informationsempfängern und Informationsquellen, die Festlegung der Dokumentationsform sowie die Terminierung der Informationsbereitstellung. Darüber hinaus müssen die Implementierung, Aktualisierung und Dokumentation des strategischen prozessbezogenen Informationsversorgungssystems sichergestellt werden. Das Informationsversorgungsystem muss im Rahmen der systemkoppelnden Koordination so konfiguriert werden, dass die Herstellung von Infor-
1022 1023 1024 1025
Becker, W. (2001a), S. 143. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 128 Küpper, H.-U. (2005), S. 128. Vgl. zu den folgenden Aussagen Leistert, O. (2006), S. 180.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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mationskongruenz1026 im Sinne einer (weitgehenden) Deckungsgleichheit von Informationsbedarf, -nachfrage und -angebot realisiert werden kann. Wie auch schon bei der systembildenden Koordination innerhalb des Planungssystems umfasst dies Aussagen zu einer Reihe von Gestaltungsparametern. Die Informationsempfänger sind auf den höheren Unternehmensebenen angesiedelt und umfassen neben der Geschäftsleitung bzw. den für die strategische Gesamtplanung verantwortlichen Stäben die jeweiligen Prozessverantwortlichen strategisch bedeutsamer Kernprozesse. Die Gestaltung der Elemente und Strukturen des Informationssystems muss auf die Ermittlung und Befriedigung des Informationsbedarfes dieser Empfänger ausgerichtet sein. Aufgrund der strategischen Dimension weist die Informationsbedarfsermittlung einige Besonderheiten auf:1027 So sind strategisch relevante Informationen überwiegend qualitativer Natur, wenig präzise und mit großer Unsicherheit behaftet. Sie sind hochaggregiert und betreffen das Unternehmen und seine Märkte insgesamt. Auch kann sich ihre Bedeutung durch Umweltturbulenzen schlagartig und unverhofft ändern, sodass Beobachtungsbereiche weit gefasst und nicht von vornherein eingegrenzt werden dürfen. Ferner sollten strategische Informationen möglichst frühzeitig Signale liefern und dabei einen gewissen Exklusivitätscharakter besitzen, um dem eigenen Unternehmen einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern zu verschaffen. Das Controlling steht damit vor dem Problem, das Informationssystem so gestalten zu müssen, dass für schlecht strukturierte, im Extremfall bis dato überhaupt nicht bekannte Entscheidungssachverhalte der Informationsbedarf ermittelt und bedient werden kann. „Darüber hinaus soll die Information dazu dienen, Entscheidungsmöglichkeiten zu erkennen sowie diese vorab zu strukturieren. Es geht um Chancen und Risiken sowie um Stärken und Schwächen.“1028 Im strategischen Prozessmanagement kommt es zudem auf die komplementäre Berücksichtigung externer und interner Informationen an, um aus der möglichen Kongruenz betrieblicher prozessimmanenter Fähigkeiten und sich am Markt bietender Möglichkeiten prozessbezogene Erfolgspotenziale entwickeln zu können. Die Informationsquellen für das strategische Prozessmanagement sind somit vielfältiger als dies etwa im rein operativen Zusammenhang der Fall wäre. Das Rechnungswe1026 1027 1028
Vgl. Becker, W. (1990), S. 309 ff. Vgl. zu der folgenden Charakterisierung Bea, F.X./Haas, J. (2001), S. 265 ff. Horváth, P. (2003), S. 371
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D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
sen, 1029 traditionell das wichtigste Instrument betrieblicher Informationserzeugung,1030 verliert im Kontext des strategischen Prozesscontrollings seine dominante Stellung. Ein Umstand, der zum einen aus der im Prozessmanagement etwa gleichrangigen Bedeutung von Qualitäts- und Zeitinformationen,1031 zum anderen aus der relativ geringen Relevanz von Kosteninformationen beim Management von Erfolgspotenzialen resultiert. So müssen bspw. Informationen über die bei der Kernkompetenzentwicklung zusammenwirkenden Ressourcen und (individuellen) Fähigkeiten gesammelt und bewertet werden. Dabei spielt vor allem die Analyse von impliziten und expliziten Wissensbestandteilen hinsichtlich ihrer Bedeutung bzw. Wirkung bei der Entstehung einzigartiger, nicht imitierbarer Kompetenzen eine Rolle. Grundlage für eine dementsprechende Informationserhebung, auch im Zusammenhang mit der Explizitmachung personengebundenen Wissens als Teil der Kompetenzentwicklung, ist idealtypisch die Festlegung detaillierter Dokumentationsstandards für jegliche Prozessabläufe. Denkbar ist in diesem Zusammenhang aber auch die einmalige Erhebung der benötigten Informationen im jeweiligen Bedarfsfall. Komplementär zu dieser nach innen gerichteten Informationsermittlung müssen externe Informationsquellen Aufschluss über die Situation an (potenziellen) Absatzmärkten etwa Konkurrenzanbietern, Kundenpräferenzen, Nachfragemengen oder Preis-Absatzfunktionen eingeholt und in ein entscheidungsgerechtes Gesamtbild integriert werden. Um derartige komplexe Zusammenhänge berücksichtigen zu können, müssen durch das strategische Prozesscontrolling Methoden bereitgestellt werden, mit denen der objektive Informationsbedarf ermittelt werden kann. Ein in diesem Zusammenhang anwendbarer Ansatz ist die Methode der kritischen Erfolgsfaktoren.1032 „Die Grundidee dieses Verfahrens ist, daß für jede Unternehmung einige wenige Erfolgsfaktoren existieren, die über Erfolg oder Mißerfolg entschei-
1029
1030 1031 1032
Unter dem Begriff Rechnungswesen sollen hier die Rechnungssysteme verstanden werden, die in quantitativen und wertmäßigen Größen ausgedrückte Informationen bereitstellen. Vgl. zu dieser Sichtweise Coenenberg, A.G. (1999), S. 23 ff.; Wöhe, G. (2002), S. 823 ff. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 128. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 174, sowie grundsätzlich dazu die Ausführungen in Abschnitt B 2.2.3 dieser Arbeit und die dort angegebene Literatur. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Biethan, J./Mucksch, H./Ruf, W. (2004), S. 303; Rockart, J.F. (1979), S. 81 ff.; Horváth, P. (2003), S. 372 f., sowie zu weiteren Methoden der allgemeinen Informationsbedarfsermittlung Küpper, H.-U. (2005), S. 162 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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den.“1033 Den Kern dieser Methode bilden Interviews mit den Informationsempfängern, um deren betrieblichen Aufgaben und Ziele zu charakterisieren. Unter Berücksichtigung der verfolgten Ziele lassen sich den einzelnen Aufgaben spezifische Erfolgsfaktoren1034 zuordnen, die aus der Struktur der Branche, der Unternehmensstrategie und Marktposition, umweltbezogenen und sonstigen temporären Faktoren, allgemeinen unternehmensspezifischen Chancen und Problemen sowie der Position und den individuellen Eigenschaften der Entscheidungsträger erwachsen. „Durch die Untersuchung der Beziehungen zwischen den betrieblichen Aufgaben sowie Zielen des Befragten und den Erfolgsfaktoren sollen die kritischen unter ihnen herausgefunden werden.“1035 Aus den identifizierten kritischen Erfolgsfaktoren sowie dem sie umgebenden Beziehungsgeflecht lassen sich Schlüsse auf strategisch relevante Informationen ziehen. Die so gewonnenen Einschätzungen können damit wesentlich zur Kennzeichnung des strategischen Informationsbedarfes und zur Steuerung von Informationssuche und -auswahl beitragen,1036 sofern ihre Schwächen Subjektivität und mögliche Inkompatibilität von Individualzielen mit den Unternehmenszielen durch weitere Analysen ausgeglichen werden können.1037 Ergänzend könnten dazu deduktiv-logische Analysen auf der Grundlage der Aufgaben und Ziele des gesamten Unternehmens oder auch Analysen der im Unternehmen angewendeten Planungsmodelle zum Einsatz kommen.1038 Auf Basis der erfolgten Informationsbedarfsermittlung gilt es, neben der Implementierung und dem Einsatz klassischer strategisch orientierter Informationsinstrumente wie der strategischen Frühaufklärung, PIMS-Datenbank oder Expertenbefragung (z.B. Delphi-Methode) auch spezifisch auf die prozessbezogenen Erfolgspotenziale ausgerichtete Informationsinstrumente und -verfahren zu konzipieren. Das bereits in dieser Arbeit im Zusammenhang mit der strategischen Prozessplanung vorgestellte Instrumente der prozessbezogenen Balanced Scorecard kann auch als Informationsversor1033 1034
1035 1036 1037
1038
Horváth, P. (2003), S. 372. Abweichend zu der zuvor in Abschnitt C 1.2.1 propagierten Definition von Erfolgsfaktoren als operationalisierte Erfolgspotenziale sind mit den sogenannten „kritischen Erfolgsfaktoren“ hier diejenigen Zielkriterien gemeint, denen nach Auffassung der befragten Mitarbeiter ein signifikanter Einfluss auf den Unternehmenserfolg zuzuschreiben ist. Vgl. Biethan, J./Mucksch, H./Ruf, W. (2004), S. 303; Rockart, J.F. (1979), S. 85. Küpper, H.-U. (2005), S. 169. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 373. Biethan, J./Mucksch, H./Ruf, W. (2004), S. 308 weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine alleinige Anwendung des Ansatzes nicht zweckmäßig ist. Vgl. hierzu ausführlich Küpper, H.-U. (2005), S. 165.
290
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gungsinstrumente angewendet werden. So liefern die Ausprägungen der in der Balanced Scorecard festgelegten Leistungsindikatoren bzw. Steuerungsparameter wichtige Informationen zum Fortschritt der Strategieimplementierung. Gleiches gilt auch für die im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch thematisierten Methoden der Prozessportfolio-Analyse, des Benchmarking und des Target Processing.1039 Ein weiterer wichtiger Aspekt der systembildenden Koordination innerhalb der Informationsversorgung ist die Gestaltung des Berichtswesens. „Das Berichtswesen ist ein wichtiges Bindeglied des Informationssystems zu den anderen Führungsteilsystemen. Man kann unter ihm alle Personen, Einrichtungen, Regelungen, Daten und Prozesse verstehen, mit denen Berichte erstellt und weitergegeben werden.“1040 Allgemein muss das Controlling Aussagen zu Berichtszweck (Dokumentation, Entscheidungsunterstützung der Planung, Kontrolle u.a.), -gegenstand (Gesamtunternehmen, Produktion u.a.), verarbeiteter Informationsart (Istwerte, Prognosewerte u.a.), Erscheinungsrhythmus (regelmäßig oder unregelmäßig), die Berichterstattung auslösenden Ereignissen (Toleranzüberschreitung, individueller Bedarf), Datenträgern (Schriftstück, elektronisch) und Verdichtungsgrad (Ursprungswerte, Kennzahlen) treffen.1041 Prozessberichte sollten grundsätzlich die Leistungssituation eines Geschäftsprozesses umfassend darstellen, die Leistungsentwicklung aufzeigen, Abweichungen bei der Zielerreichung ausweisen und insgesamt die entsprechenden Daten aussagekräftig aufbereiten und entscheidungserleichternd veranschaulichen.1042 Von Seiten des Prozesscontrollings ist festzulegen, welche Informationen durch Standard-, Abweichungs- oder Bedarfsberichte an die Informationsempfänger weitergege-
1039
1040 1041 1042
Horváth, P. (2003), S. 360 verweist ausdrücklich darauf, dass die Differenzierung etwa zwischen Planungs- und Informationsversorgungsinstrumenten nicht leicht ist, „weil viele Methoden sowohl Planungs- als auch Informationsversorgungsaspekte in sich vereinen.“ Insofern lässt sich auch die systembildende Koordination des Informationssystems, was die Konzipierung von Instrumenten angeht, nicht trennscharf von der systembildenden Koordination der übrigen Führungsteilsysteme abgrenzen. Sofern sie primär die Informationsbedarfsermittlung und -erfüllung betrifft, kann die Entwicklung der hier erwähnten Methoden der systembildenden Koordination des Informationssystems zugeordnet werden. Küpper, H.-U. (2005), S. 170. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 170. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 314.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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ben werden.1043 Im Kontext des strategischen Prozessmanagements dienen regelmäßig zu erhebenden Standardberichte vor allem der Dokumentation der Strategieumsetzung sowie der Kontrolle. Sie sind nicht auf spezifische oder akut auftretende Informationsbedarfe ausgerichtet und decken einen bereits früher identifizierten Informationsbedarf ab. Auf der Grundlage von Standardberichtauswertungen können somit Rückschlüsse für die künftige Strategieformulierung und Strategieumsetzung gewonnen werden. Abweichungsberichte werden entsprechend der Konzeption eines „Management by Exception“ nur in Ausnahmenfällen erstellt. Sie orientieren sich an einem vorgegeben Plan, dokumentieren etwaige Abweichungen in der Planerfüllung und lenken so die Aufmerksamkeit des Managements auf Sachverhalte, die eine spezielle individuelle Entscheidung erfordern.1044 Sie eignen sich im strategischen Prozessmanagement zur Strategiekontrolle, Strategierevision und zur Induzierung von Anpassungsmaßnahmen. Bedarfsberichte sind die Grundlage umfassenderer Planung wie etwa der Prozessstrategieformulierung. Sie basieren auf dem individuell für ein spezifisches Entscheidungs- bzw. Planungsproblem vorliegenden Informationsbedarf, ihre Erstellung kann daher sehr aufwändig sein. Die Informationsbereitstellung muss sich außer am Informationsbedarf auch an Wirtschaftlichkeitskriterien orientieren. Teil der systembildenden Koordinationsaufgabe ist die Gestaltung des Informationsversorgungssystems dergestalt, dass die im Rahmen der Informationsversorgung entstehenden Kosten den Nutzen der Informationen nicht überschreiten.1045
1043
1044 1045
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 175 f., sowie ausführlich zu den einzelnen Berichtsformen und den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 171 f.; Horváth, P. (2003), S. 609. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 609. Leistert, O. (2006), S. 179 regt in diesem Zusammenhang die Entwicklung eines Verrechnungssystems an, das Kosten und Nutzen von Informationen gegenüberstellt und ihren monetären Beschaffungsaufwand dem Informationsempfänger zurechnet. Ziel eines derartigen Systems ist, die effizienzerhöhende Beeinflussung des Informationsverhaltens zu erleichtern. Insofern ist es aus einer idealtypischen Perspektive heraus sicherlich ein wünschenswertes Instrument. Als hinderlich erweist sich hier allerdings die Tatsache, dass die monetäre Bewertbarkeit sowohl der Kosten der Informationsbeschaffung aber auch insbesondere des durch sie erzeugten Nutzens sich nur schwerlich realisieren lässt, eine Problematik, die im strategischen Kontext umso ausgeprägter ist. Die Entwicklung eines derartigen Verrechnungssystems erscheint daher problematisch.
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3.2.2.3 Systemkoppelnde Koordination innerhalb des strategischen prozessbezogenen Informationssystems Bei der systemkoppelnden Koordination innerhalb des strategischen prozessbezogenen Informationssystems geht es primär um den laufenden Abgleich von Informationsbedarf, -nach-frage und -angebot, insbesondere im Hinblick auf die Beseitigung unerwartet auftretender Informationslücken und Störungen bei der Informationsbeschaffung und -bereitstellung.1046 Das Aufgabenfeld des Prozesscontrollings enthält dabei unterschiedliche Aspekte:1047 Eine Aufgabe ist die Motivation der Entscheidungsträger zur Äußerung des subjektiven Informationsbedarfs. Dieses, durch Auffassung und Empfinden des Entscheidungsträgers bestimmte und damit subjektbezogene Informationsbedürfnis,1048 entspricht nicht immer dem objektiven, also aufgabenorientierten Informationsbedarf. Die Artikulation des subjektiven Informationsbedarfs, die in der tatsächlichen Informationsnachfrage mündet, ist der erste Schritt zur Herstellung von Informationskongruenz. Ergänzend dazu muss eine genaue Abgrenzung des laufenden objektiven Informationsbedarfs sowohl unter zeitlichen als auch sachlichen Aspekten erfolgen, bei der das Controlling ebenfalls zu unterstützen hat. Weitere Aufgaben des Controllings beinhalten den Abgleich von potenziellem, d.h. dem mit den gegenwärtigen Mitteln erreichbaren Informationsbestand und dem objektiven Informationsbedarf. Bei identifizierten Informationslücken ist die Beschaffung bisher nicht verfügbarer Information anzuregen. Ferner sind die im Rahmen der systembildenden Koordination festgelegten Regelungen zur Informationsbereitstellung, Dokumentation und Berichterstattung einer laufenden Überprüfung durch das Controlling zu unterziehen. Für das strategische Prozesscontrolling spitzen sich diese allgemeinen Aufgabenfelder auf die folgenden Aspekte zu: Im Rahmen der Unterstützung der Abgrenzung des Informationsbedarfes obliegt es dem Prozesscontrolling, Informationsbedarfsanalysen durchzuführen. Im operativen Kontext erfolgt dieses üblicherweise auf der Grundlage stellenspezifischer Prozessbeschreibungen oder Dokumentenanalysen.1049 Für den strategischen Entscheidungshori1046 1047 1048 1049
Vgl. Horváth, P. (2003), S. 358. ff.; Leistert, O. (2006), S. 177. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 180. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 159; Horváth, P. (2003), S. 362. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 178.
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zont ist dieses Vorgehen allerdings nicht ausreichend. Die objektiven Informationsbedarfe der strategischen Entscheidungsträger weisen, wie auch schon zuvor im Zusammenhang mit der systembildenden Koordinationsaufgabe erörtert wurde, sowohl interne als auch externe Bezüge auf. Beide Perspektiven sind im Rahmen der Informationsbedarfsanalyse zu integrieren. Das schließt neben tendenziell diffusen Informationen etwa über Kundenbedürfnisse auch klar operationalisierbare Daten über z.B. Fehlerquoten oder Durchlaufzeiten ein. Welche dieser Informationen vom strategischen Prozessmanagement in welchem Rhythmus benötigt werden, d.h. die sachliche und zeitliche Abgrenzung des objektiven Informationsbedarfs, ergibt sich aus den kausalen Strukturen innerhalb der die Leistungspotenziale bedingenden Prozessabläufe und den vorherrschenden Umweltkonstellationen, welche die Marktchancen determinieren. Für das strategische Prozesscontrolling erwächst daraus die Notwendigkeit, die laufenden Informationsbedarfsanalysen in enger Abstimmung sowohl mit den obersten Führungsebenen als auch den Prozessverantwortlichen bzw. -teams durchzuführen, etwa durch eine Kombination aus persönlicher Befragung von sowohl Führungskräften als auch Experten und Aufgabenbeschreibungs- oder Dokumentationsanalysen. Vor diesem Hintergrund ist es auch wichtig, dass die Entscheidungsträger ihren subjektiven Informationsbedarf selbstständig artikulieren. Auch hierzu muss das strategische Prozesscontrolling laufend motivieren, jedoch ist die genaue Ermittlung des objektiven Informationsbedarfes aufgrund der Tragweite und Wichtigkeit strategischer Entscheidungen von noch größerer Bedeutung als es z.B. im operativen Bereich der Fall wäre.1050 An die Analyse des laufenden Informationsbedarfs schließen sich logisch der Abgleich von potenziellem Informationsbestand und objektivem Informationsbedarf sowie die Anregung zur Beschaffung nicht verfügbarer Informationen an. Dem strategischen Prozesscontrolling obliegen hier die Identifizierung von Informationslücken und die Unterstützung der Informationsversorgung bei deren Beseitigung.
1050
Leistert, O. (2006), S. 178 stellt fest: „Es wird angenommen, dass es bei Aufgaben mit geringerer Relevanz ausreichend ist, den Informationsbedarf auf Basis der Informationsnachfrage bzw. des subjektiven Informationsbedarfs zu ermitteln. Bei Aufgaben mit hoher Wichtigkeit ist der Umfang des Informationsangebots gemäß dem objektiven Informationsbedarf zu wählen.“ Letzteres trifft im Falle des strategischen Prozesscontrollings zu. Auch ist davon auszugehen, dass aufgrund der höheren Transparenz und der besseren Operationalisierbarkeit der Daten die Kongruenz von Informationsnachfrage und objektivem Informationsbedarf von vornherein größer ist.
294
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Wie auch schon im Hinblick auf systembildende Koordination ausgeführt wurde, sind an dieser Stelle Wirtschaftlichkeitsaspekte zu berücksichtigen und die Kosten der Informationsbeschaffung dem Nutzen der Informationen für das strategische Prozessmanagement gegenüberzustellen.1051 Das bezieht sich sowohl auf die Bereitstellung von Informationen durch Aufgabenträger des Informationssystems als auch auf die durch die Entscheidungsträger im strategischen Prozessmanagement artikulierte Informationsnachfrage. Weitere fortlaufende Aufgaben des strategischen Prozesscontrollings betreffen die Überwachung der Einhaltung von Informationsverarbeitungsstandards.1052 Konkret hat das Controlling darauf zu achten, dass die Verdichtung und Verknüpfung von Informationen zu Führungs- bzw. Entscheidungsgrößen nach den festgelegten Kriterien erfolgt und dass verschiedene Berichte einheitliche Termini verwenden, entsprechend der Vorgaben des Berichtsempfängers strukturiert sind sowie die jeweils benötigten Informationsmengen beinhalten. Diese laufende Überprüfung dient vor allem der Sicherstellung einer adressatengerechten Bereitstellung der Informationen und sollte daher auch wichtige Merkmale des Informationsverhaltens der potenziellen Informationsempfänger berücksichtigen.1053 3.2.3
Koordination der strategischen prozessbezogenen Kontrolle mit dem Planungs- und Informationssystem
In der Literatur wird gemeinhin eine enge Beziehung zwischen Planung und Kontrolle unterstellt.1054 Die strategische Kontrolle trägt als Teil des strategischen Führungssys-
1051
1052 1053 1054
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 179. Im Zusammenhang mit der systembildenden Koordination innerhalb des Informationssystems wurde bereits auf die Zweckmäßigkeit eines informationsorientierten Verrechnungssystems hingewiesen. Die Anwendung eines solchen Systems fiele in den Rahmen der systemkoppelnden Koordination. Aufgabe des Controllings wäre dabei die laufende Ver- und Zurechnung von Informationskosten sowie die komplementäre Nutzenerfassung, um Informationssystem und strategisches Prozessmanagement gleichermaßen zu effizientem Informationsverhalten anzuregen. Auch an dieser Stelle sei jedoch nochmals auf Schwierigkeiten der monetären Bewertung von Informationen bzw. ihres Nutzens hingewiesen. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 179. Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 87. Vgl. Wild. J. (1982), S. 44, der dezidiert feststellt: „Planung ohne Kontrolle ist (..) sinnlos, Kontrolle ohne Planung unmöglich.“ Ähnlich argumentiert auch Horváth, P. (2003), S. 173 f., der auf die praktische Untrennbarkeit von Planung und Kontrolle aufgrund ihrer Verknüpfung im Regelkreiskonzept, insbesondere innerhalb der Rückkopplungsschleife verweist. Etwas abweichend hierzu betont Küpper, H.-U. (2005), S. 199 ff., die Eigenständigkeit beider Funktionen und die Möglichkeit ihrer isolierten Durchführung unabhängig voneinander.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
295
tems zur Entscheidungsvorbereitung, -findung und -überprüfung bei.1055 Sie ist genau wie die Planung „eine Meta- bzw. Querschnittsaktivität, die sich prinzipiell auf alle Prozesse innerhalb und außerhalb des Unternehmens erstrecken kann.“1056 Die Ergänzung der strategischen Planung durch die Kontrolle ist einerseits deswegen erforderlich, weil über eine Reihe wichtiger Faktoren bei der Strategieplanung und -implementierung Ungewissheit besteht, zu deren Reduktion die Kontrolle maßgeblich beiträgt.1057 Andererseits existiert immer die Möglichkeit des Auftretens von Planungs- und Handlungsfehlern der beteiligten Personen, die in der Planung allein oftmals nicht vollständig erfasst bzw. berücksichtigt werden können.1058 Aufgrund dieser Verbindung von Kontrolle und Planung soll die Koordinationsaufgabe des strategischen Prozesscontrollings im Folgenden primär auf die Koordination der Kontrolle mit der Planung bezogen werden. Das schließt neben einer Betrachtung von Planungs- und Kontrollsystem auch die Berücksichtigung des Informationssystems ein, da dieses die notwendigen Informationen für Planung und Kontrolle bereitstellt und somit als Bindeglied zwischen beiden Systemen fungierend die Durchführung von Kontrollen überhaupt erst ermöglicht.1059 3.2.3.1 Kennzeichnung und Einordnung der strategischen Kontrolle im Prozessmanagement Die Beziehungen zwischen Planung, Kontrolle und Informationsversorgung lassen sich gut in dem bereits in dieser Arbeit angesprochenen Regelkreismodell verdeutlichen.1060 Abbildung 42 stellt dieses in einer Form die gegenüber der ursprünglichen Darstellung in Abschnitt B 2.2.4 etwas modifiziert ist dar, um die Beziehungen der drei Führungsteilsysteme im Kontext des strategischen Prozessmanagements herauszuarbeiten.
1055 1056 1057 1058 1059
1060
Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 287. Macharzina, K. (1999), S. 317. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 173. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 287. Horváth, P. (2003), S. 175 stellt hierzu fest: „Die verschiedenen Kontrollformen lassen sich (…) als Informationsverarbeitungsprozesse interpretieren. Ein wesentlicher Output des Informationsversorgungssystems in der Unternehmung sind analysierte und interpretierte Kontrollinformationen.“ Vgl. grundsätzlich die Ausführungen in Abschnitt B 2.2.4 dieser Arbeit sowie die dort angegebene Literatur.
296
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Das traditionelle Verständnis von Kontrolle, das v.a. auf einen feedbackorientierten Abgleich eines vorgegebenen Soll- mit einem ermittelten Ist-Wert ausgerichtet ist,1061 erfährt im strategischen Kontext dahingehend eine Erweiterung, als dass verstärkt auch eine Überprüfung der der Planung zugrundegelegten Rahmenbedingungen durchzuführen ist1062 und die Kontrolle bereits parallel zur Strategieformulierung und -implementierung erfolgen sollte.1063 Neben die traditionelle Ergebniskontrolle treten in diesem Zusammenhang die Prämissenkontrolle, die ungerichtete Überwachung1064 und die zeitlich gestufte Planfortschritts- bzw. Durchführungskontrolle.1065 Ein konkretes Beispiel wäre in diesem Zusammenhang die Erhaltung von Differenzierungsvorteilen durch die nach außen gerichtete Überwachung, welche durch etwaige Markttrends induzierte Änderungen in der Käuferpräferenz frühzeitig identifizieren könnte, ergänzt durch eine nach innen gerichtete Durchführungskontrolle, welche die Anpassung bzw. (Weiter-)Entwicklung der korrespondierenden Kernkompetenz kontrolliert. Die strategische Prämissenkontrolle überprüft die Gültigkeit der im strategischen Planungsprozess getroffenen Annahmen bezüglich der Entwicklung von Umwelt und Unternehmen (Wird-Ist-Vergleich).1066 Sie erstreckt sich über den gesamten strategischen Planungsprozess1067 und ist Teil sowohl der Vorkopplungs- als auch der Rückkopplungsschleife.1068 Im Rahmen der strategischen Durchführungskontrolle werden Informationen gesammelt, die während der Realisierung der Strategien entstehen und auf potenzielle Risiken bei der verfolgten Strategie hindeuten. Die Prämissenkontrolle umfasst den gesamten Zeitablauf von der Planung bis hin zur Strategieimplementierung. Durchführungs- und Ergebniskontrollen betreffen im Wesentlichen die Phase der Strategieimplementierung, wobei Ergebniskontrolle auch kurz über die Implementierung hinaus in die nächste Planungsphase hineinreicht. Die Durchführungskontrolle, die einen Soll1061 1062 1063 1064 1065 1066 1067 1068
Vgl. z.B. Wild, J. (1982), S. 44. Vgl. Schreyögg, G. (1994), S. 345 ff. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 287. Vgl. Becker, W. (2004), S. 104. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 293; Macharzina, K. (1999), S. 318 ff. Vgl. Steinmann, H./Schreyögg, G. (1997), S. 235 ff.; Becker, W. (2004), S. 104. Vgl. Macharzina, K. (1999), S. 318. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Macharzina, K. (1999), S .319; Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 293.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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Wird-Vergleich aus den erzielten Teilergebnissen der einzelnen Strategieimplementierungsabschnitten und prognostizierter Zielerreichung darstellt, vereint somit wie die Prämissenkontrolle gleichermaßen Aspekte von Vor- und Rückkopplung. Die Ergebniskontrolle dagegen bezieht sich auch in der strategischen Dimension auf einen SollIst-Abgleich und ist daher der Rückkopplungsschleife zugeordnet. Die ungerichtete Überwachung im Sinne einer strategischen Frühaufklärung soll Chancen und Risiken für die geplante Unternehmensentwicklung erkennen.1069 „Sie wird als ungerichtet bezeichnet, da hier nicht die Überprüfung von gesetzten oder bereits vorgegebenen Prämissen in Form eines konkreten Kontrollobjekts, sondern eine „flächendeckende Umschau“ in der externen und internen Umwelt durchgeführt wird.“1070 Die strategische Frühaufklärung soll anhand der Auswertung sogenannter „weak signals“ Aussagen über zukünftig zu erwartende Diskontinuitäten treffen, fußt also auf der Annahme, dass Letztere nicht gänzlich unerwartet eintreten, sondern zuvor Signale aussenden,1071 die es aufzufangen und zu interpretieren gilt, um eine proaktive Anpassung der Unternehmensstrategie vornehmen zu können. Die strategische Frühaufklärung ist somit Teil der Vorkopplungsschleife. Grundsätzlich können strategische Kontrollen auf verschiedenen strategischen Ebenen (Gesamtunternehmen, Geschäfts- oder Funktionsbereiche) für unterschiedliche Objekte (Strategien, Maßnahmen zu deren Implementierung, Einflussgrößen aus der Umwelt und dem Unternehmen) mit differenzierenden Zielen zur Anwendung kommen.1072 Abbildung 42 veranschaulicht, wie strategische Kontrolle und Planung innerhalb des Regelkreiskonzeptes miteinander verknüpft sind. Dem Kontrollsystem obliegt die Durchführung oben genannter Kontrollen (durch gestrichelte Linien dargestellt), d.h. die Messung, Auswertung und Verdichtung von Informationen und ihre entscheidungsgerechte Übermittlung an das Planungssystem entlang von Vor- und Rückkopplungsschleife. Das Planungssystem wiederum greift auf die so gewonnenen Kenntnisse zurück, um seiner Rolle als Regelungsinstanz gerecht zu werden und durch geeignete Festlegung bzw. Anpassung von Steuergrößen auf die Regelstrecke einwirken zu können (veranschaulicht anhand durchgezogener Linien). Wie auch schon in Abschnitt B 2.2.4 erwähnt wurde, beruht das kybernetische Regelungsprinzip auf Informationsver1069 1070 1071 1072
Vgl. Becker, W. (2004), S. 104. Macharzina, K. (1999), S. 320. Vgl. Macharzina, K. (1999), S. 320. Vgl. Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 288.
298
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
arbeitungsprozessen. Zwischen Planung und Kontrolle bestehen Informationsbeziehungen, deren Gestaltung dem Informationsversorgungssystem unterliegt (veranschaulicht durch Pfeilverbindungen). Insgesamt zeigt das Regelkreiskonzept die zweckmäßige Verknüpfung von Planungs-, Kontroll- und Informationssystem auf und weist den einzelnen Systemen spezifische Rollen bei der Prozesssteuerung zu.
Strategische Prozessplanung
Ziele Pläne Vorkopplung strategische Frühaufklärung Prämissenkontrolle Durchführungskontrolle
Manager (Regler)
Rückkopplung Ergebniskontrolle Prämissenkontrolle Durchführungskontrolle
Anweisungen (Steuergrößen) SollWerte
Situativer Einfluss (Störgrößen)
Input
Ergebnisse (Regelgröße) IstWerte
Prozesse (Regelstrecke)
strategisches Kontrollsystem
strategisches Informationssystem
strategisches Planungssystem
Leistungssystem
Abbildung 42: Beziehungen zwischen strategischem prozessbezogenem Planungs-, Kontroll- und Informationssystem
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
299
Das strategische Prozesscontrolling hat durch Wahrnehmung der systembildenden und systemkoppelnden Koordinationsaufgabe in Bezug auf das Kontrollsystem sicherzustellen, dass Letzteres die ihm durch das kybernetische Lenkungsmodell zugewiesene Rolle zielführend erfüllen kann. Ein besonders wichtiger Aspekt der Koordination innerhalb des Regelkreises ist es, die Bestimmung geeigneter Stellgrößen sicherzustellen.1073 Dies setzt voraus, dass von Seiten des Kontrollsystems zweckmäßig analysierte Daten entlang der Vor- und Rückkopplungsschleife bereitgestellt werden. Das strategische Prozesscontrolling muss in diesem Zusammenhang systembildend geeignete Kontrollinstrumente, -rhythmen und -objekte festlegen und Regelungen bestimmen, die die Bereitstellung geeigneter Informationen ermöglichen. Systemkoppelnd liegt die Aufgabe des Controllings primär in der Unterstützung der laufenden Analysen. Inhaltliche Bezugsobjekte der strategischen prozessbezogenen Kontrolle sind die strategisch relevanten Kernprozesse. Die strategische Kontrolle der Kernprozesse muss neben quantitativen Größen vor allen Dingen qualitative Größen, die die Generierung, Weiterentwicklung und den Transfer von Erfolgspotenzialen wie z.B. Kernkompetenzen dokumentieren, umfassen. Das schließt Größen, wie z.B. den Beitrag von Prozessteams oder individuellen Personen zur Wissenserzeugung bzw. Kompetenzerzeugung, ein. Hier besteht für das Kontrollsystem das Problem, dass derartige Größen aufgrund dezentraler Entscheidungs- und Organisationstrukturen von einer zentralisierten Kontrollinstanz nur schwer erhoben werden können und schlecht messbar sind. Deshalb sollte ein Teil der strategischen Kontrollaufgaben von den Prozessteams selber wahrgenommen werden, die mit entsprechenden Rechten zur Selbstkontrolle auszustatten sind.1074 Hier ist bei der Schaffung entsprechender Strukturen eine enge Zusammenarbeit zwischen Kontroll- und Organisationssystem zu befürworten. 3.2.3.2 Systembildende Koordination des strategischen prozessbezogenen Kontrollsystems Die systembildenden Koordinationsaufgaben des Controllings in Bezug auf das strategische Kontrollsystem weisen viele Parallelen zur systembildenden Planungskoordination auf.1075 Dem strategischen Prozesscontrolling kommen die üblichen Aufgaben der
1073 1074 1075
Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 265. Vgl. Schober, H. (2002), S.199. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 260.
300
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
führungsunterstützenden Gestaltung, Dokumentation, Installation und Aktualisierung des strategischen prozessbezogenen Kontrollsystems zu. Eine konkrete systembildende Koordinationsaufgabe ist dabei die Unterstützung des strategischen Prozessmanagements bei der Festlegung des Umfangs des strategischen prozessbezogenen Kontrollsystems. Dieser ergibt sich aus der Anzahl und Art bzw. Ausprägung der Kontrollobjekte. Kontrollobjekte sind im Kontext des strategischen Prozessmanagements, das wurde bereits angesprochen, nicht nur Kernprozesse und ihre durch die Prozessstrategien determinierten Indikatoren der Zielerreichung, sondern auch Planungsprämissen, inhaltliche Aspekte der Durchführung bzw. Strategieumsetzung sowie potenzielle in der Unternehmensumwelt auftretende Diskontinuitäten. Die Aufgaben des Controllings liegen in der Konzipierung von geeigneten Analyse- und Auswahlverfahren zur Selektion strategisch relevanter Kontrollobjekte. Dazu sind grundsätzlich Pläne, Planungsprämissen, Aktivitäten der Durchführung und Umweltentwicklungen auf ihre Bedeutung für die langfristige Existenzsicherung des Unternehmens sowie auf die Wahrscheinlichkeit, von gegenwärtigen Vorgaben oder Erwartungen abzuweichen, zu überprüfen. Wie es auch schon im Zusammenhang mit der strategischen Prozessplanung der Fall war, müssen ferner der Formalisierungs- und Standardisierungsgrad sowie der Detailliertheits- und Flexibilitätsgrad strategischer Kontrollen festgelegt werden. Die in Abschnitt 3.2.1.2 diesbezüglich im Kontext der strategischen Prozessplanungskoordination formulierten Aussagen treffen analog auch auf das strategische prozessbezogene Kontrollsystem zu. So sind Formalisierungsgrad und Flexibilität des Kontrollsystems hoch anzusetzen, während Detailliertheit und Standardisierungsgrade tendenziell niedrig sein sollten. Die Festlegung dieser Parameter ist die Voraussetzung für die sachlogische und zeitliche Abstimmung der Kontrollobjekte. Hierzu müssen zunächst die Kontrollzwecke analysiert werden. Kontrollzwecke und -normen ergeben sich aus den strategischen Zielvorgaben, leiten sich also aus der Grundfunktion des strategischen Prozessmanagements, nämlich der Pflege und Entwicklung von Erfolgspotenzialen ab. Aufgrund der Multidimensionalität der prozessbezogenen Führungsgrößen und der unterschiedlichen Quellen von prozessbezogenen Erfolgspotenzialen können die speziellen Kontrollzwecke der einzelnen, die gesamte Prozesskette abdeckenden Kontrol-
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
301
len, sehr stark variieren. So können für einen Kernprozess v.a. Kostenkontrollen angezeigt sein, während bei einem anderen v.a. Qualitätsaspekte kontrolliert werden müssen. Zwischen verschiedenen Prozessen können darüber hinaus Interdependenzen bestehen, wenn etwa mehrere Prozesse wichtige Teilbeiträge zur Erreichung eines strategischen Zieles leisten, sodass die Durchführung unterschiedlicher Kontrollen an mehreren Kontrollobjekten zur Gesamtzielerreichung erforderlich ist. Diese Kontrollen und ihre inhaltlich unterschiedlichen Zwecksetzungen sind dann durch systembildende Koordinationsmaßnahmen seitens des Controllings in Abstimmung zu bringen. Sachlogisch geht es darum, ähnlich wie dies auch schon im Bezug auf die Planung der Fall war, die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen ggf. im Hinblick auf die Erreichung der Unternehmensziele komplementären Prozesszielen aufzudecken. Der Fokus liegt hier allerdings auf der Klärung der Frage, inwieweit Abweichungen bei der Erreichung einzelner Kernprozessziele sich auf die Erreichung anderer Prozess- sowie der Gesamtunternehmensziele auswirken und inwieweit die einzelnen Kontrollen darauf ausgerichtet sind, diese Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Wenn z.B. die Qualitätssteigerung für einen spezifischen Kernprozess als Ziel definiert wurde und die Durchführung prozessspezifischer Qualitätskontrollen angeregt wird, sollten ggf. komplementär auch Kontrollen in anderen Unternehmensbereichen, etwa im Personalwesen, initiiert werden, um die zur Qualitätsverbesserung notwendigen Mitarbeiterqualifikationen sowie deren Entwicklung sicherstellen zu können. Auf der Grundlage der Identifizierung der sachlogischen Zusammenhänge zwischen verschiedenen Kontrollobjekten kann die konkrete Ausgestaltung der strategischen Kontrollen dahingehen erfolgen, dass der allgemeine Kontrollzweck der Unterstützung der Gesamtzielerreichung gewährleistet ist. „In diesem Zusammenhang ist festzulegen, welche Kontrollform, Vergleichsgrößen, Kontrollsequenz sowie Kontroll- und Abweichungsanalyseinstrumente bzw. -verfahren die größte Kompatibilität mit dem Kontrollproblem haben und (…) eine fortwährende Aktualität der Kontrollergebnisse sichern.“1076 Anschließend können mit der Festlegung von Kontrollrhythmen auch die zeitliche Abstimmung der verschiedenen Kontrollen und die Gestaltung der Kontrollinstrumente erfolgen. Welche Instrumente dies umfassen kann, soll anhand konkreter Beispiele in Abschnitt D 3.2.3.4 erörtert werden.
1076
Leistert, O. (2006), S. 163.
302
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Abschließend bleibt noch anzumerken, dass die Ergebnisse der bisher beschriebenen Systemgestaltung durch das Controlling zu dokumentieren sind. Üblicherweise erfolgt dies über die Anfertigung eines Kontrollhandbuches, an dessen Erstellung das Prozesscontrolling allgemein beteiligt ist.1077 3.2.3.3 Systemkoppelnde Koordination von Planung, Kontrolle und Informationsversorgung Die originären laufenden Aufgaben der Kontrolle, wie etwa die Durchführung von Abweichungsanalysen, die Beurteilung der kontrollierten Objekte und die Entscheidung über Konsequenzen werden von den dafür vorgesehenen Aufgabenträgern im Kontrollsystem wahrgenommen.1078 Das Prozesscontrolling begleitet das Prozessmanagement dabei laufend durch eine Reihe der systemkoppelnden Koordination zuzuordnenden Tätigkeiten wie x die Motivation und Anregung zur (außerplanmäßigen) Kontrolle, x Unterstützung bei der sachlichen und zeitlichen Abgrenzung der Kontrollprobleme, x Sammlung sowie inhaltliche Überprüfung von Kontrollergebnissen, x entscheidungsgerechte Abstimmung, Konsolidierung und Aufbereitung der Kontrollergebnisse, x Unterstützung bei der Analyse und Beurteilung der Kontrollabweichungen, x Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen, x Anpassung von Toleranzgrenzen, x Sicherstellung der Einhaltung von Dokumentationsregeln, x Aktualisierung des Kontrollhandbuchs, x Abstimmung an den Schnittstellen zwischen prozessbezogenem Kontrollsystem und anderen objektbezogenen Kontrollsystemen.1079 Für das strategische Prozesscontrolling stellen sich diese Aufgaben wie folgt dar: 1080 Erste Kernaufgabe des Prozesscontrollings ist die Motivation und Anregung zur Durchführung von Kontrollen durch Motivation der Kontrollträger. Das schließt glei1077 1078 1079 1080
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 164. Vgl. grundsätzlich Küpper, H.-U. (2005), S. 198; Leistert, O. (2006), S. 165. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 168. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 165 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
303
chermaßen regelmäßige, geplante wie unregelmäßige, nicht geplante Kontrollen ein. Dabei hat das Controlling unter sachlichen Aspekten die Notwendigkeit der Durchführung der Kontrollen heraus- und unter zeitlichen Aspekten die Aktualität von Kontrollen sicherzustellen. Auf der strategischen Ebene ist diese Motivationsaufgabe insbesondere auf Initiierung von außerplanmäßigen strategischen Kontrollen im Sinne von Frühaufklärung und Prämissenkontrolle zu beziehen. So müssen bei Verdacht auf Vorliegen latenter, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung beeinflussender Umweltentwicklungen Maßnahmen zur Frühaufklärung potenzieller Risiken und Chancen eingeleitet werden. Gegebenenfalls zieht dies auch eine außerplanmäßige Überprüfung der strategischen Planungsprämissen nach sich. In Bezug auf die strategische Prämissenkontrolle wären z.B. im Zusammenhang mit einer Differenzierungsstrategie die unterstellten kausalen Beziehungen zwischen Buyer Value und Leistungseigenschaften sowie den korrespondierenden prozessimmanenten Wertaktivitäten zu überprüfen. Diese könnten, bedingt durch laufend auftretende Diskontinuitäten, immer wieder Änderungen unterliegen. Im Zuge einer verstärkt dynamischen Umwelt können etwa Trends, die sich auf Kundenbedürfnisse und Nachfrageverhalten auswirken, häufiger und in stärker variierenden, ggf. kürzer werdenden Abständen auftreten. Strategische Prämissenkontrollen wären durch das Controlling entsprechend häufiger und mit wechselnden Kontrollgegenständen anzuregen. Das bezieht sich auch auf alle anderen Arten der strategischen Kontrolle (ungerichtete Überwachung, Durchführungs- und Ergebniskontrolle). Wenn sich durch diese Einflüsse neue strategisch relevante Kontrollobjekte ergeben oder bei bestehenden Kontrollobjekten der Inhalt bzw. Umfang der Kontrolle anzupassen ist, müssen entsprechende Modifikationen durch das strategische Prozesscontrolling vorgenommen werden. Im Zuge ihrer sachlichen Abgrenzung müssen Kontrollprobleme um- und gegebenenfalls komplett neuformuliert werden. Zeitlich gilt es, die Terminierung der Kontrollen zu begleiten. Das strategische Prozesscontrolling muss dafür Sorge tragen, dass dabei keine Kontrolllücken entstehen und tatsächlich alle maßgeblich in die Entwicklung und Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale involvierten Aufgabenträger, Objekte und Abläufe laufend der Kontrolle unterliegen. Dabei ist auch darauf zu achten, dass Redundanzen und Unwirtschaftlichkeiten etwa durch mehrfache Messung ausbleiben.
304
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Wie es auch im Zusammenhang mit der systemkoppelnden Koordination innerhalb des strategischen Prozessplanungssystems der Fall ist, obliegt es dem Prozesscontrolling ferner, die Ergebnisse der strategischen Kontrollen zu sammeln und einer Konsistenzprüfung zu unterziehen. Diese Konsistenzprüfung zielt darauf ab, Kontrollvorgänge ex post zu bewerten, indem überprüft wird, ob die von den Kontrollträgern gemachten Angaben bzw. erzielten Ergebnisse zu den Vorgaben und Erwartungen passen. „Bestehen inhaltliche Unstimmigkeiten, sind diese zusammen mit dem betroffenen Kontrollträger zu klären sowie die Angaben im Kontrollformular zu korrigieren oder adäquate Ergänzungen vorzunehmen.“1081 Anschließend hat das Controlling die addressatengerechte Aufbereitung der Ergebnisse vorzunehmen. Ein im Zusammenhang mit der Aufbereitung der Kontrollergebnisse wichtiger Aspekt ist die Analyse etwaig festgestellter Abweichungen. Die Analyse soll einerseits der Ermittlung von Ursachen für die Entstehung der Abweichung dienen, andererseits deren Auswirkung auf die erfolgreiche Umsetzung der Prozessstrategien und die langfristige Existenzsicherung verdeutlichen. Das strategische Prozesscontrolling muss bei der Auswertung der erfassten Regelgrößen eng mit Prozessverantwortlichen sowie den strategischen Planungsträgen zusammenarbeiten, welche dann etwaige Anpassungsmaßnahmen beschließen und entsprechende Stellgrößen vorgeben. Aufgabe des Prozesscontrollings ist dabei die Unterstützung der Formulierung von Gegensteuerungsmaßnahmen durch Analyse und Bewertung der Maßnahmenvorschläge auf der Grundlage der zuvor gewonnenen Erkenntnisse.1082 Unter Umständen können auch gewisse Abweichungen zwischen Vergleichsgrößen mit eingeplant sein, weswegen die Einleitung von Gegensteuerungsmaßnamen erst nach Überschreitung im Rahmen der systembildenden Koordination festgesetzter Toleranzgrenzen erfolgen sollte. Diese Toleranzgrenzen sind durch das Prozesscontrolling unter Umständen an die neuen Erkenntnisse anzupassen. Darüber hinaus hat das strategische Prozesscontrolling in Bezug auf die Dokumentation der Kontrollabläufe und -ergebnisse die Einhaltung gesetzter Standards zu gewähr1081 1082
Leistert, O. (2006), S. 166. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Abgrenzung von Controlling- und Planungsaufgabe nicht ganz eindeutig ist. So lassen sich die Analyse und Bewertung von Maßnahmen zur Anpassung und Gegensteuerung auch der Alternativensuche und -beurteilung im Rahmen des Planungsprozesses zuordnen. Hier sollen dem Controlling die Analyse- und Bewertungsfunktion zugeschrieben werden, während der Planung die Entscheidung für die zu treffende Gegenmaßnahme obliegt.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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leisten und diese gegebenenfalls anzupassen. In der Praxis schlägt sich diese Tätigkeit vor allem in der Aktualisierung des Kontrollhandbuchs nieder. Dieses dient der Herstellung von Kontrolltransparenz und soll u.a. dazu führen, dass sich Kontrollen insgesamt im Unternehmen besser kommunizieren lassen. „Dies gilt nicht nur für die Entscheidungsträger, sondern auch für die kontrollierten Personen (…). In diesem Fall kommt dem Prozesscontrolling die Aufgabe zu, einen Dialog zwischen den Interessen der Kontrollierten und denen der die jeweilige Kontrolle veranlassenden Entscheidungsträger zu initiieren und durch Moderation zu begleiten sowie ggf. mit Informationen (…) zu versorgen.“1083 Dies ist im Kontext des strategischen Prozesscontrollings insbesondere bedeutsam, weil die Kontrolle strategisch relevanter immaterieller Ressourcen wie impliziten Wissens oder personengebundener Fähigkeiten nur bei entsprechender Akzeptanz seitens der in die Kernprozessabläufe involvierten Mitarbeiter valide Ergebnisse für die Strategieformulierung und -umsetzung zu generieren vermag. Schließlich sind die prozessbezogenen strategischen Kontrollen noch laufend mit auf andere Objekte bezogenen strategischen Kontrollen abzustimmen. Das setzt die regelmäßige Kommunikation zwischen der prozessorientierten sowie den übrigen strategischen Kontrollsystemen voraus. Die Überprüfung und Anpassung der für die Ausgestaltung der Schnittstellen zwischen den Kontrollsystemen festgelegten Standards ist eine weitere Aufgabe des Prozesscontrollings. Dies betrifft konkret die Einhaltung von Kommunikationswegen und -formen sowie die Erfüllung von Berichtspflichten. 3.2.3.4 Aufgaben und Instrumente des Controllings bei der Koordination der strategischen Prozesskontrolle mit der Planung und Informationsversorgung In diesem Abschnitt sollen zunächst kurz verschiedene Instrumente vorgestellt werden, die zur Koordination der strategischen Prozesskontrolle mit dem Planungs- und Informationsversorgung angewendet werden können. Sowie generelle Aufgaben des strategischen Prozesscontrollings in diesem Zusammenhang angesprochen werden. Anschließend sollen detailliert die Anwendung der Portfolioanalyse und des Target Processing als Instrumente im strategischen Prozesscontrolling erörtert werden.
1083
Leistert, O. (2006), S. 167.
306
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3.2.3.4.1 Allgemeine Instrumente zur Koordination von strategischer Prozessplanung, Prozesskontrolle und Informationsversorgung Im Rahmen der Koordination von strategischer Prozessplanung, -kontrolle und Informationsversorgung kann eine ganze Reihe betriebswirtschaftlicher Instrumente zur Anwendung kommen. AHLRICHS/KNUPPERTZ postulieren den Einsatz prozessorientierter SWOTAnalysen als ein Instrument zur Bewertung des Unternehmensumfelds insbesondere im Hinblick auf Markt und Kundensituation.1084 Die ermittelten Stärken und Schwächen dienen als Grundlage sowohl für die Strategieplanung als auch für die Ausgestaltung der strategischen Kontrollen. Eine weitere in diesem Zusammenhang anwendbare Methode ist das Benchmarking.1085 Je nach verfolgter Strategie sollten im Rahmen eines marktorientierten Benchmarkings etwa Aktivitäten identifiziert und adaptiert werden, die den eigenen Prozessen unter Kostengesichtspunkten überlegen sind (Kostenführerschaft), oder Differenzierungsmerkmale von Produkten bzw. Dienstleistungen anderer Unternehmen eruiert werden. Denkbar wäre auch die Durchführung eines ressourcenbezogenen Benchmarkings, bei dem alle kundennahen Prozesse auf vorhandene einzigartige, nutzenbringende, nicht-imitierbare Leistungspotenziale sowie deren Nachhaltigkeit bzw. Sicherheit im Unternehmen hin überprüft werden. Dabei kann der Vergleich mit einem Benchmarking-Partner erfolgen, um die eigene Position festzustellen (defensives Benchmarking), oder zum Zwecke des externen Neuerwerbs von Kompetenzen (offensiver Benchmarking) durchgeführt werden. Darüber hinaus können noch weitere Instrumente zum Einsatz kommen. So sind im Zusammenhang mit der strategischen Frühaufklärung z.B. Szenario-Techniken sowie Delphi-Befragungen anwendbar, um die „schwachen Signale“ aus der Unternehmensumwelt zu erfassen und auf ihre Wirkung hin zu analysieren.1086 Auch die in Abschnitt 3.2.1.4.1 diskutierte Balanced Scorecard eignet sich für auf die Abstimmung verschiedener Kontrollobjekte und Kontrollarten, zumal die hierfür maßgeblichen, in der Scorecard festgelegten Leistungsindikatoren ja ohnehin kausal mit den jeweiligen Zielvorgaben verknüpft sind. Die Aufgaben des strategischen Prozesscontrollings in Bezug auf die Kontrolle sind mit der Gestaltung der Balanced 1084 1085 1086
Vgl. Ahlrichs, F./Knuppertz, T. (2006), S. 130. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S. 237 ff. Vgl. Weymar, F. (2001), S. 69.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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Scorecard und der Schaffung von Konsistenz zwischen den einzelnen Kontrollobjekten und Kontrollarten weitestgehend analog zu denen in Abschnitt 3.2.1.4.1 ausgeprägt, werden allerdings noch um die Durchführung der Abweichungsanalysen erweitert. Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich aufgrund der engen Verbindung von strategischer Prozessplanung und -kontrolle diverse Instrumente zur Planungsunterstützung auch in Bezug auf die Kontrolle bzw. zur Abstimmung von Planung und Kontrolle anwenden lassen, wobei die Aufgaben des Controllings grundsätzlich sowohl in der Bereitstellung der Instrumente als auch in ihrem Einsatz liegen können. Diese allgemeinen Aspekte sollen nachfolgend für die Portfolio-Analyse und das Target Processing präzisiert werden. 3.2.3.4.2 Anwendung der Portfolioanalyse Ein in Verbindung mit der Planung der Planung und Abweichungsanalyse im strategischen Management häufig angewendetes Instrument ist die Portfolioanalyse.1087 Sie beruht in ihrer ursprünglichen Ausprägung auf einer meist zweidimensionalen Matrixdarstellung, in der ein unternehmensexterner und ein unternehmensinterner erfolgsrelevanter Parameter gegenübergestellt werden. Über eine Rasterung nach dem Ausmaß der Parameterausprägung werden innerhalb der Matrix verschiedene Felder erzeugt, für die Normstrategien formuliert werden. Die Untersuchungsobjekte, z.B. einzelne strategische Geschäftseinheiten, Produkte oder auch Ressourcen, werden gemäß ihrer Parameterausprägung in einer Kreisdarstellung in der Matrix platziert, wobei die Kreisfläche oftmals Auskunft über Gewichtung oder Volumen des Untersuchungsobjektes, etwa in Form von spezifischen Kosten, Deckungsbeiträgen oder Ähnlichem geben soll. Aus ihrer Positionierung im Portfolio lassen sich die für die Untersuchungsobjekte zweckmäßigen Normstrategien ableiten, Soll-Vorgaben formulieren und visualisieren sowie die Zielerreichung bzw. eventuell auftretende Abweichungen analysieren. Die Portfoliotechnik kann daher im Sinne des kybernetischen Managementverständnisses zur Abstimmung von Planung, Kontrolle und Informationsversorgung allgemein sowie speziell im strategischen Prozessmanagement herangezogen werden. 1087
Vgl. zu den nachfolgend skizzierten Grundlagen der Portfolio-Analyse grundsätzlich Böhler, H. (1989), S. 1548 f.; Dunst, K. (1979), S. 474 ff.; Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 92 f.
308
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Im Kontext des strategischen Prozesscontrollings kann eine ganze Reihe verschiedener Portfolios zum Einsatz kommen. Im Zusammenhang mit einem ressourcen- bzw. kernkompetenzorientierten Prozessstrategieentwurf eignet sich z.B. das sogenannte Technologieportfolio. Es umfasst die Dimensionen Technologieattraktivität (extern) sowie Technologieposition des Unternehmens (intern) und ist typischerweise in neun Felder unterteilt. 1088 Das Technologieportfolio dient grundsätzlich als Hilfsmittel zur Identifikation von zukunftsträchtigen Technologiestrategien.1089 Technologien kommen innerhalb der Unternehmensprozesse zum Einsatz. Ähnlich wie Kompetenzen können sie dabei auch in verschiedenen Prozessen zur Erstellung unterschiedlicher Leistungen angewendet werden. Mit der durch Anwendung des Technologieportfolios zu fundierenden Entscheidung über die Einführung, den Ausbau oder die Eliminierung einer Technologie ist damit auch eine Entscheidung über die betroffenen Prozesse verbunden. Entsprechend kann das Technologieportfolio zur Einschätzung und Analyse prozessbezogener Potenziale und zur prozessbezogenen Ressourcensteuerung dienen. Dem strategischen Prozesscontrolling obliegt dabei neben den üblichen systembildenden und -koppelnden Aufgaben der Entwicklung des Portfolios und der Analyse und Verdichtung der Informationen, insbesondere im Hinblick auf die Verknüpfung von Technologien und Prozessen, auch die Funktion der Brückenbildung zwischen technischer und ökonomischer Perspektive. So muss das Controlling durch entsprechende Anwendung des Technologieportfolios sicherstellen, dass innovative Technologien und Prozesse nicht alleine aus technologischem Kalkül heraus ohne Berücksichtigung ihrer strategischen Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit forciert werden. Ein weiteres für das strategische Prozesscontrolling prädestiniertes Portfolio-Konzept ist das von FRÖHLING entwickelte Prozessvorteils-Marktwachstums-Portfolio (Vgl. Abbildung 43).1090 Es beinhaltet die Dimensionen externer Prozessvorteil sowie internes Prozessvolumen bzw. Aktivitätswachstum. Die Prozessvorteilsdimension gliedert sich in eine operative und eine strategische Ausprägung. Ersteres liegt vor, wenn ein Prozess primär die operative Leistungserstellung unterstützt (z.B. innerbetriebliche Logistikprozesse). Letzteres, wenn ein Prozess erheblich zur Entwicklung und Aus1088 1089 1090
Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 390 f. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Götze, U./Mikus, B. (1999), S. 198. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Fröhling, O. (1992), S. 348 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
309
schöpfung von Erfolgspotenzialen beiträgt (z.B. Produktentwicklungsprozesse). Das interne Prozessvolumen wiederum gibt an, wieviel oder wie wenig der Prozess intern unternehmensweit nachgefragt wird. Bei der Darstellung der Geschäftsprozesse im Portfolio steht die Größe der Kreise in der Regel für das Ausmaß der Prozesskosten. „Bezüglich des Analysevorgehens bietet sich als Einstiegsanalyseebene zunächst das
Soll (GP1)
operativ
Externer Prozessvorteil
strategisch
Gesamtunternehmen an. Bei den betrachteten Aktivitäten sollte es sich um aggregierte, abgrenzbare Hauptprozesse handeln […].“1091
Ist (GP1) hoch
niedrig Internes Prozessvolumen
Abbildung 43: Prozessvorteils-Marktwachstums-Portfolio1092
Das Portfolio ermöglicht eine Einordnung der Prozesse im Hinblick auf ihre interne und externe Bedeutung und damit auch „eine tiefergehende Suche nach wettbewerbsvorteilsschaffenden Aktivitäten.“1093 Es kann für jeden Prozess eine Zielvorgabe hinsichtlich der Ausprägung seines externen Prozessvorteils formuliert werden, wenn et1091 1092 1093
Fröhling, O. (1992), S. 351. In Anlehnung an Fröhling, O. (1992), S. 351. Fröhling, O. (1992), S. 352.
310
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
wa prozessimmanente Kompetenzen zu Kernkompetenzen weiterentwickelt, Differenzierungspotenziale ausgebaut oder Kostenvorteile vergrößert werden sollen. Auch hinsichtlich der Ausprägung des internen Prozessvolumens können Zielvorgaben hinsichtlich der Volumensteigerung besonders vorteilhafter bzw. Volumenreduzierung weniger vorteilhafter Prozesse. Wie in Abbildung 43 angedeutet wurde, lässt sich für einen Prozess (GP1) eine Sollpositionierung definieren, die im Zuge der Ergebniskontrolle einer Ist-Ausprägung gegenüberzustellen ist. Diese Gegenüberstellung ermöglicht die Analyse ggf. vorliegender Abweichungen sowie die Festlegung von Stellgrößen für die kybernetische Prozesssteuerung. Ferner können Rückschlüsse für die Formulierung der Prozessstrategien gezogen werden. Zwar spricht sich FRÖHLING in Bezug auf das Prozessvorteils-Marktwachstums-Portfolio etwas abweichend von den klassischen Portfolio-Konzeptionen, aufgrund der sehr stark vereinfachten Betrachtung, gegen die Ableitung von Normstrategien aus.1094 Dennoch kann durch die Portfolio-Betrachtung die Formulierung von Prozessstrategien angeregt bzw. unterstützt werden. Im konkret in Abbildung 43 dargestellten Fall ließen sich als inhaltliche Richtlinien bei der (Neu)Formulierung der Strategie für Prozess 1 die Erhöhung des externen Prozessvorteils bei gleichzeitiger Ausweitung des Prozessvolumens und einer Senkung der Prozesskosten ableiten. 3.2.3.4.3 Anwendung des Target Processing Ein weiterer methodischer Ansatz zur Abstimmung von prozessbezogener strategischer Planung, Kontrolle und Informationsversorgung ist das Target Processing. Das Target Processing ist ein modular aufgebautes Konzept, das sowohl der operativen Prozessverbesserung als auch der strategischen Unternehmensausrichtung dient.1095 Das Konzept fußt auf drei Bausteinen, nämlich der strategischen Frühaufklärung, den Target Processing Modulen sowie dem Zielsystem des Unternehmens. Es sieht vor, dass ausgehend von der durch Benchmarking ermittelten momentanen Position des Unternehmens im Vergleich zu Wettbewerbern und unter Berücksichtigung anhand der strategischen Frühaufklärung ermittelten Chancen und Risiken für das eigene Unternehmen zunächst Soll-Zielvorgaben formuliert werden müssen. „Auf der strategischen Ebene (…) wird eine idealisierte bereichsbezogene Zielvorgabe, verifiziert über die Unternehmensumwelt, für die anschließende Prozeßverbesserung erarbeitet. Die 1094 1095
Vgl. Fröhling, O. (1992), S. 352. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Weymar, F. (2001), S. 72.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
311
Zielvorgabe wird an die Entscheidungsträger der operativen Ebene weitergeleitet, die mit Unterstützung der entsprechenden Fachabteilung eine Validierung des Targets auf Realisierbarkeit vornimmt.“1096 So wird geprüft, ob die zur Umsetzung der gewählten Strategien erforderlichen prozessimmanenten Leistungspotenziale vorhanden sind und inwiefern sie eventuell weiter zu entwickeln wären, um das Gesamtziel zu erreichen. Die Summe der Ergebnisse dieser bereichs- bzw. prozessbezogenen Prüfungen wird an das strategische Management zurückgemeldet und zu einem stark aggregierten potenziellen Gesamtergebnis zusammengefasst. Stellt sich bei dieser Prüfung heraus, dass der aggregierte „unternehmenseigene Prozess“1097 den im Benchmarking ermittelten Vergleichsprozessen unterlegen ist, wird die soeben beschriebene Prüfungsschleife nochmals durchlaufen. Mit den Prozessverantwortlichen und ihren -teams werden nochmals technische, monetäre und mitarbeiterbezogene Analysen der Prozessabläufe durchgeführt, um notwendige weitere Verbesserungsmaßnahmen initiieren zu können. Ist der aggregierte unternehmenseigene Prozess den externen Vergleichsprozessen hingegen überlegen oder zumindest gleichwertig, so sollte er im Unternehmen realisiert werden. Das strategische Gesamtziel ist zu operationalisieren und kaskadisch auf die einzelnen Prozessebenen herunterzubrechen. „Somit kann jeder Mitarbeiter „sein“ Handeln ausrichten und „seinen“ Beitrag für die Zielerreichung leisten, daß das Gesamtunternehmen eine am Markt vorherrschende Rolle einnehmen kann.“1098 Im Rahmen dieser vom Target Processing postulierten Kontrollschleife erfolgt also auf einem stark aggregierten Niveau eine Abstimmung von strategischer Prozessplanung und Kontrolle. Dabei werden zuerst die Ergebnisse aus Benchmarking und strategischer Frühaufklärung in einem Gesamtziel integriert. Der anschließend erfolgende Kontrollschritt der operative Validierung der Vorgaben ermöglicht, ähnlich einem Gegenstromplanungsmodell, eine frühzeitige Strategiebeurteilung bzw. Anpassung. Im Zuge dieses Schrittes wäre z.B. zu prüfen, ob die, etwa in Verbindung mit einer Kostenführerschaft, angestrebten Kostensenkungsziele tatsächlich auch in den operativen Prozessabläufen realisiert werden können oder ob individuelle Fähigkeiten und Routinen sich tatsächlich innerhalb der Prozessabläufe so entwickeln lassen, dass daraus bestimmte Kernkompetenzen entstehen. 1096 1097 1098
Weymar, F. (2001), S. 72. Weymar, F. (2001), S. 72. Weymar, F. (2001), S. 72.
312
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Um die sich aus der Strategieplanung ergebenden Ziele und eventuellen Verbesserungsmaßnahmen prozessbezogen realisieren und kontrollieren zu können, stellt das Target Processing einen methodischen Ansatz zur Verfügung, der auf der Abstraktion der realen Geschäftsprozesse und ihrer Darstellung in einem Vektormodell beruht (vgl. Abbildung 44). Dabei wird der zu kontrollierende bzw. zu verbessernde Geschäftsprozess zunächst in sequenzielle Teilphasen untergliedert (vgl. Abbildung 44, linke Seite). Den einzelnen Prozessschritten sind spezielle Parameter zuzuordnen, deren Ausprägung es im Sinne der Strategieerfüllung zu überprüfen oder zu verbessern gilt. Hier können, je nach gewählter Strategie, unterschiedliche Parameter (z.B. Kosten, Qualität oder Menge) maßgeblich sein.1099 Die im Sinne des Target Processing zu erhebenden Parametergrößen werden überwiegend bei der Implementierung des strategischen Instrumentariums festgelegt. Zeigt sich allerdings während der Analyse eines Prozesses, dass die Erhebung noch weiterer Parameter erforderlich ist, können diese auch nachträglich neu definiert und in die Parameterliste aufgenommen werden. Theoretisch ist einem Prozess eine beliebige Anzahl von Parametern zuordbar, der Einfachheit der Darstellung halber soll an dieser Stelle jedoch lediglich von zwei Parametern ausgegangen werden. Anhand der Ausprägung der jeweiligen Parameter werden die Ergebnisse der einzelnen Prozessphasen bzw. -schritte als Vektoren in einem zweidimensionalen Koordinatensystem dargestellt. Die einzelnen prozessbezogenen Parameterausprägungen „sind mathematisch als skalare Größen aufzufassen.“1100 Entsprechende Daten sind durch das Informationsversorgungsystem bereitzustellen und durch das Controlling zweckgerichtet zu transformieren. D.h., die Parameterausprägungen der einzelnen Prozessschritte werden in eine Vektordarstellung überführt und in einem Koordinatensystem gemäß ihrer Abfolge angeordnet (vgl. Abbildung 44, Mitte). Dieser Schritt dient der Datenverdichtung sowie der Vorbereitung der Kontrolle und ist daher Teil der systemkoppelnden Koordinationsaufgabe des Controllings. Die Transformation der einzelnen Phasen zurück zum Gesamtgeschäftsprozess erfolgt durch Vektoraddition (vgl. Abbildung 44, rechte Seite), der so dargestellte Gesamtprozess (GP1) lässt sich nun hinsichtlich seiner Parameterausprägung bewerten.
1099 1100
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Weymar, F. (2001), S. 75. Weymar, F. (2001), S. 79.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings Dimension 1
(1) Geschäftsprozess als Sequenz von Teilprozessen bzw. Phasen P1
P2
P3
313 Dimension 1
(2) Vektordarstellung der Prozessphasen
(3) Transformation des realen Prozesses in Vektordarstellung GP1
P4
P4
P4
P3
P3
P2
P2
P1
P1
Dimension 2
Dimension 2
Abbildung 44: Abbildung eines realen Prozesses in der Vektordarstellung1101
Im Rahmen der Anwendung des Target Processing bei der strategischen Prozesskontrolle ist es möglich, die Zielerreichung eines Kernprozesses hinsichtlich der gewählten Parameter zu überprüfen und dabei den Beitrag einzelner Teilprozessphasen im Hinblick auf die Gesamtabweichung transparent zu machen. Typischerweise werden dazu ein Soll- und Ist-Prozess gegenüber gestellt (vgl. Abbildung 45).
Dimension 1
Soll
'
S4
Ist
S3
P4
S2
P3
S1
P2 P1
Dimension 2
Abbildung 45: Prozessbezogene Abweichungsanalyse im Target Processing1102
1101 1102
In Anlehnung an Weymar, F. (2001), S. 75. In Anlehnung an Weymar, F. (2001), S. 80.
314
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Im ersten Schritt werden die Prozesse, inklusive ihrer Teilphasen (P1-P4 bzw. S1-S4), vektoriell dargestellt. Anschließend werden Abweichungen (') in den gewählten Parameterdimensionen, sowohl bezogen auf den Gesamtprozess als auch auf die einzelnen Teilprozesse, analysiert. Es wird aufgezeigt, wie jeder Teilprozess hinsichtlich der Parameterausprägung zu gestalten bzw. verbessern wäre, um die Soll-Vorgabe zu erreichen (' S1P1 etc…). So lassen sich u.a. zwei wichtige Aussagen treffen: 1103 Erstens können für den realen Gesamtprozess unter Berücksichtigung von n-Parametern die Abweichungen zum Ziel bestimmt werden. Zweitens kann jedem Einzelprozess exakt zugeordnet werden, in welcher Form sich dieser bezüglich seiner Parameterausprägung zu verändern hat. Die Ermittlung der Abweichung von Teilprozessen ermöglicht darüber hinaus eine Priorisierung derselben bei der Initiierung von Verbesserungsmaßnahmen. So kann nach dem Grad der jeweiligen Zielabweichung eine Reihenfolge festgelegt werden, anhand derer sich diejenigen Teilprozesse herausfiltern lassen, bei denen Verbesserung der Parameterausprägungen den größten Nutzen im Hinblick auf die Erreichung des Gesamtzieles aufweisen würden. Für die Abstimmung von strategischer Prozessplanung, Kontrolle und Informationsversorgung liefert das Target Processing einen integrierten Ansatz zur Strategieformulierung und Strategieumsetzung. Die strategische Frühaufklärung ist von Anfang an wichtige Grundlage der Gesamtzielfestlegung und der Strategieformulierung. Das sukzessive Herunterbrechen und die bereichs- bzw. prozessbezogene Überprüfung der Realisierbarkeit des Gesamtzieles sowie die ggf. daraus resultierende Strategieanpassung verbinden operative Planungs- und Kontrollschleifen mit der strategischen Ebene. Da die Ursachen von Erfolgspotenzialen oftmals in den auf den untersten operativen Ebenen ablaufenden Prozessen angesiedelt sind,1104 trägt das Target Processing somit zu mehr Transparenz hinsichtlich der Verortung prozessbezogener Erfolgspotenziale sowie der Wirkung von Verbesserungs- bzw. Entwicklungs- und Nutzungsmaßnahmen bei. Zur Durchführung prozessbezogener Abweichungsanalysen wird ein methodischer Ansatz bereitgestellt, durch den sich komplexe Prozessfolgen prägnant visualisieren 1103 1104
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Weimar, F. (2001), S. 80. Vgl. die Ausführungen in Kapitel C dieser Arbeit.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
315
lassen. Die Darstellung von Teilprozessen bezogen auf ihren Beitrag zu bzw. ihre Abweichung von der Gesamtzielerreichung ermöglichen die Priorisierung und gezielte Beeinflussung bzw. Optimierung strategisch relevanter Prozessphasen. Im Hinblick auf die Abstimmung von Planung und Kontrolle mit dem Informationssystem erleichtern die im Vorfeld erforderliche zweckmäßige Definition von Parameterdimensionen und die stringente Verknüpfung mit spezifischen Prozessphasen die Herstellung von Informationskongruenz. Planung und Kontrolle greifen bei Steuerung und Regelung auf identische Parameter zurück. Insofern ist es bei der kybernetischen Prozessteuerung einfacher, aus den im Rahmen der Kontrolle erwachsenden Erkenntnissen über Abweichungen und den damit verbundenen Empfehlungen für mögliche Prozessverbesserungen konkrete Handlungsanweisungen des Prozessmanagements abzuleiten. D.h., die Ermittlung der Stellgröße wird erleichtert. Kritisch lässt sich im Hinblick auf das Target Processing u.a. die Reduktion von strategischen Planungsprozessen auf eine formalisierte Entscheidungslogik feststellen. Ergänzend muss Planung auch als psychischer, sozialer und politischer Prozess gestaltet werden, um Kreativitäts- und Ideenentstehung zu forcieren.1105 Ausgangs- und Anhaltspunkt für Traget Processing ist ferner ein Benchmarking mit einem Wettbewerber. Insofern sind die Pfade der eigenen Unternehmensentwicklung bereits teilweise vorhergezeichnet, die eigene strategische Perspektive verengt sich damit. Gegebenenfalls könnte die Ausschöpfung latenter individueller Innovationspotenziale vernachlässigt werden. Weiterhin kann die starke Vereinfachung der Analyseobjekte in der Vektordarstellung problematisch sein. So erfordert die graphische Darstellung die Beschränkung auf maximal drei Parameterdimensionen, wodurch der Analyserahmen u.U. zu stark eingegrenzt sein könnte. Bei einer entsprechenden Berücksichtigung1106 dieser Einschränkungen kann das Target Processing allerdings, wie oben beschrieben, ein sinnvolles Instrument sowohl für das strategische Prozessmanagement allgemein (insbesondere die Planung und Kontrolle) als auch speziell für das strategische Prozesscontrolling bei der Abstimmung von Planung und Kontrolle innerhalb der kybernetischen Prozesssteuerung darstellen. Dem Controlling obliegen insgesamt systembildend die Auswahl geeigneter Parameter 1105 1106
Vgl. Weymar, F. (2001), S. 111. Es bietet sich bezogen, auf die Strategieplanung, u.a. der ergänzende Einsatz von Kreativitätstechniken als Planungsinstrumenten an.
316
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
für die Bewertung der Teilprozesse sowie systemkoppelnd die Durchführung der einzelnen Bewertungen, die Transformation sowohl der Soll- als auch der Ist-Werte in Vektordarstellungen, die Ermittlung sowie Analyse der Abweichungen und die Erarbeitung bzw. Evaluierung von Verbesserungsmaßnahmen. 3.2.4
Strategisch relevante Aspekte der Koordination der prozessbezogenen Personalführung mit Informationssystem, Planung und Kontrolle
3.2.4.1 Kennzeichnung des strategischen prozessbezogenen Personalführungssystems Das Personalführungssystem ist dasjenige Führungsteilsystem, das unmittelbar auf die (kollektive und individuelle) Mitarbeitersteuerung ausgerichtet ist und dazu als Elemente neben den zu beeinflussenden Mitarbeitern, die Letztere steuernden Führungskräfte sowie die Instrumente und Prozesse, mit denen die Verhaltensbeeinflussung erreicht werden soll, beinhaltet.1107 Das Personalführungssystem umfasst eine Reihe von Aufgabenfeldern, die sich in Anlehnung an SCHOLZ in der folgenden Systematik ordnen lassen:1108 1. Die Personalbedarfsplanung, die sich mit der Ermittlung des benötigten SollPersonalbestands unter quantitativen, qualitativen und zeitlichen Gesichtspunkten befasst, 2. die Personalbestandsanalyse, deren Ziel die quantitative, qualitative, zeitliche und räumliche Erfassung des bestehenden Mitarbeiterpotenzials ist, 3. die Personalbeschaffung mit dem Ziel der Anpassung von Personalbestand an Personalbedarf, 4. die Personalentwicklung, die etwaige Anpassungen in der Qualifikation der Mitarbeiter realisieren soll, 5. die Personalfreisetzungen, 6. die Abstimmung zwischen Personalbeschaffung, -entwicklung und -freisetzung, die im Rahmen des Personalveränderungsmanagements erfolgt, im Vordergrund stehen dabei die Koordination und Festlegung von Prioritäten, 7. das Personaleinsatzmanagement, wodurch vorhandene Mitarbeiter gegebenen Stellen qualifikationsgerecht zugeordnet werden, 1107 1108
Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 212. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Scholz, C. (2000), S. 83 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
317
8. das Personalkostenmanagement, welches das Personalmanagement mit der Finanz- und Budgetplanung verbindet und sich mit den Fragen, welche gegenwärtigen und zukünftigen Kosten durch Personalbestand und Maßnahmen des Personalmanagements verursacht werden, und wie diese beeinflusst werden können, befasst, 9. die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Führungskräften und Mitarbeitern hinsichtlich einer Integration von Unternehmens- und Individualzielen. Innerhalb der strategischen Dimension ist es Aufgabe des Personalmanagements, die personalen Rahmenbedingungen einer Strategie zu erkennen und auf sie einzuwirken.1109 Daraus ergeben sich in Verbindung mit genannten Aufgabenfeldern insbesondere die folgenden Problemstellungen: Der erste Aspekt bei der Personalbedarfsplanung ist die Antizipation langfristiger Bedarfsänderungen, wobei ein enger Bezug zur strategischen Absatz- und Produktionsplanung besteht. Die strategische Personalbestandsanalyse zeigt in diesem Zusammenhang etwaige Stärken bzw. Schwächen sowie den Personalbedarf auf und ist die Grundlagen für eine nachhaltige, proaktive Entwicklung der Mitarbeiterstruktur. Darauf aufbauend werden bei der Personalbeschaffung und -entwicklung die Deckungslücke zwischen Fähigkeitsprojektionen und Anforderungsprofilen geschlossen, dies kann, wenn statt einer Deckungslücke ein Überschuss besteht, auch Personalfreisetzungen beinhalten. Im Rahmen der strategischen Personalveränderung erfolgt dann eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem Arbeitsmarkt, wobei in Verbindung mit dem Personaleinsatzmanagement akquisitorische Potenziale ausgeschöpft und strategische Fluktuationsbarrieren errichtet werden. Das Personalkostenmanagement wiederum befasst sich im strategischen Kontext vor allem mit Maßnahmen zur langfristigen Veränderung der Personalkostenstruktur. Die strategische Personalführung beinhaltet schlussendlich den Aufbau und die Pflege einer Unternehmenskultur und die Konzeptionierung des personalbezogenen Führungsinstrumentariums. Diese grobe Kennzeichnung der Problemstellung des strategischen Personalmanagements ist die allgemeine Basis für die weitere inhaltliche Konkretisierung des strate-
1109
Vgl. Bea, F.X./Haas, J. (2001), S. 537.
318
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
gisch orientierten prozessbezogenen Personalmanagements, die nachfolgend vorgenommen wird:1110 Die Grundlage der strategischen prozessbezogenen Personalbedarfs- und Bestandsanalyse ist die von der strategischen Prozessplanung formulierte Prozessstrategie. Die darin identifizierten Erfolgsfaktoren, die dahinter stehenden Erfolgspotenziale sowie die formulierten Ziele und Maßnahmen sind die Basis für die Entwicklung sowohl quantitativer als auch qualitativer Anforderungsprofile für den gegenwärtigen und zukünftigen Personalbestand. Wichtig ist es, die festgestellten Stärken und Schwächen und die vor diesem Hintergrund formulierten Prozessstrategien für die in strategisch wichtigen Geschäftsprozessen involvierten Mitarbeiter in konkrete Fähigkeitsprofile zu transferieren. Diese fungieren dann als inhaltliche Prämisse für die Personalbeschaffung. Die Aufgabenfelder der Personalbeschaffung, der Personalveränderung (besonders im Hinblick auf die Personalentwicklung) und des Personaleinsatzmanagements stehen im Zentrum des strategischen prozessbezogenen Personalmanagements, da sie den aus Sicht des Personalmanagements größten Beitrag zur Entwicklung und Nutzung von prozessbezogenen Erfolgspotenzialen leisten.1111 Sie unterliegen in einer Prozessorganisation einigen Besonderheiten gegenüber funktional organisierten Unternehmen: Charakteristisch für die Prozessorganisation sind die im Vergleich zur funktionalen Organisation „gestiegenen Anforderungen an die Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter“1112, die aus der durch die cross-funktionale Integration entstehenden Aufgabenkomplexität und dem erweiterten Verantwortungs- und Handlungsspektrum1113 der Prozessverantwortlichen sowie der Prozessteams resultieren.1114 Insofern kommt sowohl Personalbeschaffung als auch Personalentwicklung in der Prozessorganisation eine höhere Bedeutung als in der funktionalen 1110 1111
1112 1113
1114
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Scholz, C. (2000), S. 90 f. Dies lässt sich allgemein auf die Bedeutung von individuellen Fähigkeiten sowie individuellem Wissen bei der Prozessabwicklung zurückführen. Insbesondere spielt dies im Hinblick auf prozessbezogene Kernkompetenzentwicklung eine Rolle. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt C 3.3 dieser Arbeit. Schober, H. (2002), S. 190. Das beinhaltet u.a. die Mitarbeit in wechselnden Prozessteams, die Selbstabstimmung, die Selbstorganisation und -kontrolle innerhalb der Prozesse bzw. der jeweiligen Prozessteams sowie die dazu erforderlichen kommunikativen und sozialen Kompetenzen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Scheff, J. (1994), S. 58 f., der der Prozessorganisation einen „polyvalenten Einsatz der Mitarbeiter“ attestiert. Vgl. Hammer, M./Champy, J. (2003), S. 92 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
319
Organisation zu. Beide sehen sich mit einem differenzierteren Aufgabeninhalt konfrontiert. Die Personalbeschaffung und -entwicklung müssen sich auf die Bereitstellung von Mitarbeitern konzentrieren, die einen Beitrag zur Nutzung, Pflege und Entwicklung der kernprozessimmanenten Erfolgspotenziale zu leisten im Stande sind. Diese qualitative Entwicklung des Personalbestands kann dabei grundsätzlich intern oder extern erfolgen, wobei eine interne Bedarfsdeckung zu präferieren ist. So erwachsen Wettbewerbsvorteile meistens aus einem einzigartigen und hochgradig spezifischen, an die jeweilige Wettbewerbskonstellation angepassten Gefüge von Ressourcen und Kernprozessen, und die korrespondierenden individuellen Fähigkeiten von Mitarbeitern entstehen in der Regel im Unternehmen. Von daher ist die Möglichkeit der externen Akquirierung strategisch bedeutsamen Humankapitals zwar nicht gänzlich ausgeschlossen jedoch als gering einzustufen. Vielmehr sollte der Fokus auf der Personalentwicklung und dabei auf der Förderung von Mitarbeiterqualifikation liegen. Die Anwendung von Instrumenten des Wissensmanagements,1115 z.B. die Veranlassung von Schulungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen, ist dabei integraler Bestandteil. Gleichzeitig müssen Anreize (Entlohnung, Karrierechancen durch Laufbahnplanung) für die Mitarbeiter geschaffen werden, diese Maßnahmen auch wahrzunehmen, um auch darüber hinaus aktiv an der Wissens- und Kernkompetenzentwicklung, bspw. durch Nutzung eines Vorschlagswesens, teilzunehmen. Personalentwicklung sollte somit im strategischen Kontext immer auch einen Beitrag zur Kernkompetenzentwicklung leisten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch eine (prozess-)teamorientierte Auswahl und Einführung des Personals.1116 Das beinhaltet z.B. ein Mitspracherecht von Teammitgliedern bei der Auswahl neuer Mitarbeiter und einen schrittweisen Eingliederungsprozess derselben in die Arbeitsabläufe. Auch müssen die Mitarbeiter nicht nur qualifikationsgerecht den Prozessen zugeordnet werden, sondern auch dergestalt, dass die Erzielung von Synergien sowie ein die Entstehung von Kompetenzen fördernder Transfer von Wissen zwischen Mitarbeitern ermöglicht werden. Dieses zu gewährleisten, ist Aufgabe des Personaleinsatzmanagements.
1115 1116
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.4.3 dieser Arbeit. Vgl. Schober, H. (2002), S. 196 f.
320
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der Aufbau von Fluktuationsbarrieren durch personalpolitische Maßnahmen, um die Abwanderung von wichtigem Humankapital und die damit verbundene Erosion unternehmenseigener Erfolgspotenziale zu unterbinden, kann u.a. durch eine emotionale Bindung an das Unternehmen erreicht werden. SCHOLZ konstatiert in diesem Zusammenhang, dass personalwirtschaftliche Fluktuationsbarrieren vor allem „auf dem psychologischen Vertrag zwischen dem Unternehmen und dem Mitarbeiter, wonach sich dieser „seinem Unternehmen“ verpflichtet fühlt“,1117 basieren. Hier ist neben der Personalentwicklung vor allen Dingen auch die Personalführung gefordert, die die Entwicklung einer entsprechenden Unternehmenskultur bspw. durch Bildung einer Corporate Identity unterstützen kann. Das strategische Personalkostenmanagement unterscheidet sich in einer Prozessorganisation inhaltlich nicht wesentlich von anderen Organisationsformen. Es umfasst die Analyse, Gestaltung und Optimierung der Personalkostenstruktur, was eine Prüfung der internen und externen Einflussfaktoren auf die Personalkosten und ihrer potenziellen Veränderbarkeit beinhaltet.1118 Hierfür steht eine Reihe von Ansätzen und Instrumenten zur langfristigen Beeinflussung der Personalkostenstrukturen zur Verfügung.1119 3.2.4.2 Systembildende Koordination der prozessbezogenen Personalführung Die systembildende Koordinationsaufgabe umfasst im Hinblick auf die prozessbezogene Personalführung grundsätzlich deren führungsunterstützende Gestaltung durch die Entwicklung unterstützender Instrumente zur Informationsverarbeitung und Anreizgestaltung, die Definition von Dokumentationsstandards sowie ggf. die Aktualisierung des Personalführungssystems durch Implementierung neuer Elemente.1120 Darüber hinaus müssen die Schnittstellen zu den übrigen Führungsteilsystemen gestaltet werden. Im Rahmen der Abstimmung der Personalführung mit dem Informationssystem müssen Anreizssysteme entwickelt werden, um das Informationsverhalten der Akteure zielgerichtet zu beeinflussen.1121 Da Personalführung über soziale Interaktion und da1117 1118 1119 1120 1121
Scholz, C. (2000), S. 402. Vgl. Scholz, C. (2000), S. 690 f. Vgl. hierzu ausführlich Scholz, C. (2000), S.694 ff. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 212 ff.; Leistert, O. (2006), S. 194. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 216 f.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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mit über die Weitergabe von Informationen erfolgt, kann eine zielorientierte Verhaltenssteuerung der Mitarbeiter über eine zweckmäßige Ausgestaltung der Informationsbeziehungen zwischen den Akteuren erreicht werden. „In umgekehrter Sicht wird die Informationsbereitstellung durch das Verhalten von Personen gesteuert, welche diese Informationen gewinnen, verarbeiten und weitergeben. Eine weitere Koordinationsaufgabe liegt deshalb darin, die für die Informationsbereitstellung zuständigen Personen so zu beeinflussen, dass sie die für das Zielsystem der Unternehmung relevanten Informationen weitergeben.“1122 In diesem Zusammenhang obliegt es dem Controlling, systembildend Anreizsysteme zur Förderung der zielgerechten Informationsweitergabe, der wahrheitsgemäßen Berichterstattung sowie der Beschaffung benötigter Informationen zu entwickeln.1123 Ebenso wie das Informationsversorgungsystem dienen auch Planung und Kontrolle u.a. der gezielten sozialen Einflussnahme auf die Mitarbeiter.1124 Den Mitarbeitern werden Plangrößen in Form von Zielen, allgemeine Maßnahmen, Restriktionen bzw. Nebenbedingungen oder konkreten Handlungsanweisungen vorgegeben. Letztere schreiben dem Akteur die für eine bestimmte Situation zu wählende Aktion explizit vor, wohingegen Ziele, Maßnahmen und Nebenbedingungen dem Handelnden einen Spielraum einräumen, sodass er selbst die beste Aktion bzw. Handlungsalternative auswählen kann. „Im Hinblick auf den Aspekt der Personalführung stellt sich die Frage, wann Planvorgaben in der erwünschten Weise befolgt und damit verhaltenswirksam werden.“1125 Auch Kontrollen sind auf eine Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens gerichtet. Zudem können von ihnen dysfunktionale Wirkungen ausgehen, sodass die mit der Kontrolle angestrebten Zwecke nicht erreicht werden können. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Verhaltenswirkungen von Kontrollen zu identifizieren. Ihre Kenntnis ist die Grundlage für die Abstimmung von Personalführungs- und Kontrollsystem. Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung derartige Sachverhalte berücksichtigender Motivations- und Anreizmechanismen liegt in der Auswahl einer geeigneten Bemessungsgrundlage bei der Anreizgestaltung. Bei der Auswahl entsprechender Kriterien durch das Controlling ist darauf zu achten, dass die Leistung der Mitarbeiter einheit1122 1123 1124 1125
Küpper, H.-U. (2005), S. 217. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 221 ff. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 242 ff. Küpper, H.-U. (2005), S. 243.
322
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
lich und transparent bewertet werden kann. Die Prozessorganisation verlangt dabei eine neuartige Arbeitsbewertung.1126 So sind verstärkt auch nicht-monetäre Bemessungsgrundlagen relevant, da das prozessbezogene Zielsystem Größen wie z.B. Kundenzufriedenheit, Durchlaufzeit und Prozessqualität beinhaltet.1127 Denkbare Bemessungsgrundlagen wären in diesem Zusammenhang z.B. Qualität sicherndes Verhalten, Flexibilität, Lernbereitschaft oder Wertschöpfungs- und Teamorientierung.1128 Ferner stellt sich, bezogen auf die strategische Perspektive, die Frage, inwieweit langfristiges Überleben und Erfolgspotenziale kausal mit diesen Kriterien verknüpft sind und somit als operationalisierbare Grundlage etwa der Entlohnung herangezogen werden können. So müsste die Bemessungsgrundlage auf die Zielsetzungen des Unternehmens gerichtet und von den Entscheidungen des Agenten abhängig und nicht manipulierbar sein. Besonders der zweite Aspekt erscheint aufgrund der vielfältigen internen und externen Einflüsse auf die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens problematisch zu sein. Eine große Bedeutung insbesondere im Kontext des strategischen Controllings hat auch die Konzipierung der Instrumente der Personalentwicklung. Da im Rahmen der Personalentwicklung mitarbeiterbezogene Fähigkeitenprofile im Hinblick auf ein definiertes Anforderungsprofil hin verändert werden, bestehen in diesem Zusammenhang Interdependenzen zwischen Personalführung, Kontrolle und Informationsversorgung. So unterliegt auch die Mitarbeiterentwicklung kybernetischen Steuerungsmechanismen, was spezifische Kontrollen erforderlich macht. Entsprechende Daten über Störund Regelgrößen sind dazu von der Informationsversorgung bereitzustellen. Es reicht dabei nicht aus, den Instrumenteneinsatz zwischen den involvierten Führungssysteme so aufeinander abzustimmen, dass eine Steigerung des Leistungsvermögens der Mitarbeiter herbeigeführt wird, vielmehr müssen durch die Personalentwicklungsmaßnahmen neue Erfolgspotenziale erschlossen werden. Auch in Bezug auf das strategische prozessbezogene Personalführungssystem sind die Festlegung von Dokumentationsstandards und seine erstmalige Dokumentation Teil der systembildenden Koordination.1129 Dazu sind alle vorhandenen Akteure, Anreizsysteme, Personalentwicklungsmaßnahmen und -instrumente systematisch auf1126 1127 1128 1129
Vgl. Scheff, J. (1994), S. 59. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 190 f. Vgl. Scheff, J. (1994), S. 60. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 191 f.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
323
zuführen, wobei Art und Ausgestaltung der zwischen diesen Elementen bestehenden Beziehungen genau festzuhalten sind. Eine lückenlose Dokumentation erhöht die Transparenz, birgt allerdings bei leichtfertigem Umgang mit der Vergabe von Zugriffsrechten auch Gefahren: Die Motivationssysteme umfassen u.a. Informationen über Entlohnungsstufen, so dass uneingeschränkte Transparenz die Entstehung von Neid und Missgunst bei den Trägern von Führungs- und Ausführungshandlungen fördern kann. Transparenz bezüglich der Personalentwicklungssysteme hingegen kann positive Auswirkungen auf die Mitarbeiter haben, weil ihnen Qualifikations- und Karrieremöglichkeiten aufgezeigt werden. Derartige Zusammenhänge zu analysieren und die Zugriffsrechte auf die Dokumentation des Personalführungssystems entsprechend selektiv zu vergeben, ist ebenfalls Teil der systembildenden Koordinationsaufgabe. 3.2.4.3 Systemkoppelnde Koordination der prozessbezogenen Personalführung In den Bereich der systemkoppelnden Koordination fallen, wie auch schon im Zusammenhang mit den anderen Führungsteilsystemen erörtert worden ist, im Wesentlichen Aufgaben der permanenten wechselseitigen Abstimmung der Elemente des strategischen prozessbezogenen Personalführungssystems sowohl untereinander als auch mit den Elementen anderer Teilführungssysteme. Auch die fortlaufende Dokumentation der Elemente und Beziehungen des Personalführungssystems sowie die Aktualisierung der Dokumentationsstandards sind Teil der systemkoppelnden Koordinationsaufgabe des Controllings. Ein Aspekt dieser systemkoppelnden Koordinationsaufgabe ist die laufende Abstimmung der verschiedenen Anreizsysteme.1130 Das strategische Prozesscontrolling hat die Ausrichtung der Bemessungsgrundlage an den Aufgabenschwerpunkten des geführten Mitarbeiters sicherzustellen und den Zusammenhang zwischen den Entscheidungen des Mitarbeiters im Rahmen der Aufgabenausführung und der Ausprägung der bewerteten Leistungseigenschaften offen zu legen. Wird z.B. als Bemessungsgrundlage die Qualität herangezogen, so muss analysiert werden, welche Entscheidungen des Akteurs bei der Aufgabenerfüllung positiv mit der Produkt- oder Leistungsqualität korrelieren und welche Qualifikationen in diesem Zusammenhang benötigt werden. Es ist dabei regelmäßig zu prüfen, ob die für die jeweilige Bemessungsgrundlage bestimmten Kennzahlen (z.B. die Fehlerquote) sowie der die Höhe der Entlohnung re1130
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 192 ff.
324
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
gelnde Parameter adäquat gewählt sind. Bei wettbewerbsrelevanten Änderungen des Unternehmensumfelds ergibt sich innerhalb der strategischen Dimension die Notwendigkeit im Zuge einer möglichen Prozessstrategieanpassung die erforderlichen Änderungen an den Anreizsystemen vorzunehmen. Das betrifft vor allem die Neubewertung der Bemessungsgrundlage hinsichtlich ihres Bezuges zum Zielsystem des Unternehmens und ihrer Eignung, die Kausalität zwischen dem Verhalten der Mitarbeiter und der Entwicklung und Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale abzubilden. Ferner gilt es, die Einhaltung grundsätzlicher Anforderungen an die Anreizsysteme, wie Motivationswirkung, Gerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit, sicherzustellen. In diesem Zusammenhang ist einerseits darauf zu achten, dass Anreizsysteme bezüglich ihrer jeweiligen Entlohnungskomponenten nicht zwischen im Hinblick auf die langfristige Existenzsicherung gleichgewichteten Tätigkeitsfeldern unterscheiden. Komplementär müssen sich differierende fachliche sowie persönliche Anforderungen an die Aufgabenträger auch in einer differierenden Entlohnung niederschlagen. „Letzteres ist insbesondere bei den Aufgabenträgern verschiedener Hierarchiestufen im Prozessmanagement (z.B. dem Teilprozess- und Prozessverantwortlichen) der Fall.“1131 Bezüglich der Personalentwicklung hat das Controlling grundsätzlich zu prüfen, ob der Qualifizierungsbedarf durch die Personalentwicklungsmaßnahmen sach- und zeitgerecht abgedeckt wird. Des Weiteren muss im Sinne einer laufenden Personalbedarfsanalyse überprüft werden, ob die zugrundegelegten Qualifikationsprofile nach wie vor zeitgemäß sind. Die Personalführung ist dabei durch das Controlling bei der Aufdeckung etwaiger Diskrepanzen zwischen vorhandenen individuellen Qualifikationen und den prozessspezifischen Qualifikationsanforderungen zu unterstützen. Für das strategische Prozesscontrolling ergibt sich an dieser Stelle eine relativ komplexe Aufgabenstruktur. Der Qualifikationsbedarf beinhaltet zum einen die zur Ausführung der aktuellen und geplanten Prozesse erforderlichen Qualifikationen. Dieser Bedarf ergibt sich aus der Analyse der gegebenen Prozessstrukturen und den Vorgaben der Planung und ist ex ante bekannt bzw. bei der gegenwärtig gegebenen Informationslage planbar. Zur Unterstützung der „strategischen Personalentwicklung“ sind die Vorgaben der strategischen Planung in entsprechende Qualifikationsvorgaben zu übersetzen und hinsichtlich ihrer Realisierung laufend zu überprüfen. Dies beinhaltet v.a. die Abstimmung von strategischer Prozessplanung, Personalentwicklung und der strategischen 1131
Leistert, O. (2006), S. 193.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
325
prozessbezogenen Durchführungskontrolle. Darüber hinaus kann der Qualifikationsbedarf sich auch auf ex ante nicht bestimmbare, durch unvorhergesehene Umweltveränderungen hervorgerufene Anforderungen beziehen, sofern durch diese die unternehmensspezifischen Mechanismen zur Entwicklung und Nutzung von Erfolgspotenzialen in ihrer Wirkung beeinflusst werden. Hier ist eine enge Koordination von Planung, Personalentwicklung sowie strategischer Frühaufklärung und Prämissenkontrolle angezeigt. Auch muss eine systemkoppelnde Koordination zwischen Motivations- und Personalentwicklungssystemen erfolgen. Wenn ein Akteur etwa aufgrund einer Qualifikationslücke keine adäquate Entscheidung, die zum Erhalt einer Prämie führen würde, zu treffen imstande ist, kann von dem Anreizsystem keinerlei Motivationswirkung ausgehen. Dementsprechend wäre entweder das Anreizsystem an die Qualifikation der zu motivierenden Mitarbeiter anzupassen oder die Qualifikation vor Anwendung des Anreizsystems durch Personalentwicklungsmaßnahmen zu entwickeln. Die spezifischen Qualifikationen der jeweiligen Mitarbeiter sind bei der Anreizgestaltung zu berücksichtigen. Hierfür bietet sich neben den weit verbreiteten rein monetären Prämien auch der Einsatz immaterieller Anreize an. Mit der Aneignung einer für die Entwicklung und Nutzung von Erfolgspotenzialen wichtigen Qualifikation könnte ein Mitarbeiter neben einer höheren Entlohnung auch in eine höhere Position (z.B. Beförderung vom Prozessteammitglied zum Prozessverantwortlichen) befördert werden. Dies kann im strategischen Prozessmanagement auch als Maßnahme zur Errichtung von Fluktuationsbarrieren zum Schutz von unternehmenseigenen Erfolgspotenzialen genutzt werden, sofern die Verbundenheit des Mitarbeiters mit dem Unternehmen mit der Beförderung in eine anspruchs- und verantwortungsvollere Position auch tatsächlich steigt. 3.2.4.4
Abstimmung von strategischer prozessbezogener Personalführung anhand der Wissens-Scorecard
Grundsätzlich eignen sich in Verbindung mit der Abstimmung des prozessbezogenen Personalführungssystems mit den übrigen Teilführungssystemen viele allgemeine Koordinationsinstrumente wie Portfolio-Techniken, Budgets oder Kostenrechnungssysteme. Auch auf die Möglichkeit des Einsatzes von Anreizsystemen zur Abstimmung der Personalführung mit der Planung und Kontrolle wurde zuvor bereits hingewiesen.
326
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Dies gilt sowohl für die operative als auch für die strategische Dimension, letztere stellt das Controlling allerding noch vor zusätzliche Herausforderungen und setzt andere Akzente. So muss das Personalführungssystem im strategischen Prozessmanagement dazu beitragen, nachhaltig Erfolgspotenziale zu entwickeln, was v.a. über Maßnahmen der Personalentwicklung erfolgt. Somit befasst sich das koordinationsorientierte strategische Prozesscontrolling in Bezug auf die Personalführung primär damit, Personalentwicklungsmaßnahmen dahingehend mit den Führungshandlungen der übrigen Teilführungssysteme abzustimmen, dass sie einen möglichst großen Beitrag zur Strategierealisierung und zur nachhaltigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens leisten. Ein Koordinationsinstrument hierbei ist die Wissens-Scorecard, eine besondere Variante der Balanced Scorcard. „Innerhalb der […] Wissens-Scorecard werden die vier bekannten Perspektiven mit den Wissensaktivitäten [Aktivitäten des Wissensmanagements, d. Verf.] in Verbindung gebracht. Es wird untersucht, welche strategischen Wissens-Ziele sich aus der Unternehmensstrategie ableiten lassen, welche Kennzahlen zur Überprüfung der Zielerreichung geeignet erscheinen und welche Maßnahmen im Rahmen des Wissensmanagements letztlich durchgeführt werden können.“1132 Die für die Balanced Scorecard charakteristische kausale Verknüpfung verschiedener Managementperspektiven im Hinblick auf die Realisierung der Gesamtunternehmensstrategie wird auf das Wissensmanagement übertragen und dahingehend spezifiziert, dass die Einflussnahme objektorientierter Handlungen in den verschiedenen Perspektiven der Scorecard auf die Entwicklung von Wissen und seine Nutzungsmöglichkeiten transparent gemacht wird. HELM et al, auf die dieses Konzept zurückgeht, fokussieren primär die Prozess-, Kunden und Entwicklungsperspektive der Balanced Scorcard und definieren in jeder Dimension Ziele, Maßnahmen und Kennzahlen, die den Erwerb, die Entwicklung, Verteilung, Anwendung sowie Bewahrung von Wissen in der jeweiligen Perspektive ermöglichen soll.1133 Mit diesem perspektivenspezifischen Wissensmanagement sind dabei jeweils unterschiedliche Zwecksetzungen verbunden. In der Kundenperspektive soll über den Erhalt und die Anwendung von Wissen über den Kunden, etwa bezüglich der Zufriedenheit oder der Loyalität der Kunden, eine 1132 1133
Helm, R./Meckl, R./Strohmayer, M./Bernau, A. (2004), S. 135. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Helm, R./Meckl, R./Strohmayer, M./Bernau, A. (2004), S. 135 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
327
rentable Kundenbeziehung etabliert werden. Die gewonnenen Erkenntnisse über Kundenbedürfnisse bilden die Grundlage für das Wissensmanagement in den Perspektiven Prozesse und Entwicklung. In der Prozessperspektive werden die Ebenen Organisation und Technik abgebildet. Das Wissensmanagement soll dabei v.a. die Nutzung des vorhandenen Wissens im Rahmen einer möglichst qualitäts- und kostenoptimalen Wertschöpfungsstruktur sicherstellen. Fokus der Entwicklungsperspektive ist das Mitarbeiterwissen, dass die Grundlage für Innovation und langfristigen Aufbau von Erfolgspotenzialen ist. „Die Lern- und Entwicklungsperspektive wirkt auf die Determinante „Mensch“, die den Umgang mit Wissen im Unternehmen besonders beeinflusst.“1134 Entsprechend werden hier mitarbeiterbezogene Ziele und Maßnahmen zur Wissensgenerierung formuliert. Im Kontext des Strategischen Prozesscontrollings erweist sich das Konzept der Wissens-Scorecard insbesondere bei der Abstimmung von Personalentwicklungsmaßnahmen mit der Prozessplanung und -kontrolle als hilfreich. Dabei ist eine mehrstufige Vorgehensweise sinnvoll. Ausgangspunkt ist die allgemeine prozessbezogenen Balanced Scorecard, wie sie in Abschnitt D 3.2.1.4.1 dieser Arbeit vorgestellt wurde. Auf der Grundlage der gewählten Strategie lassen sich für die verschiedenen Perspektiven in Bezug auf die Gesamtzielerreichung konsistente Ziel- und Maßnahmenkataloge festlegen. Relevant für die Abstimmung von strategischer Prozessplanung und Kontrolle mit dem Personalführungssystem ist insbesondere die Verbindung zwischen der Prozessperspektive und der Entwicklungsperspektive in der Balanced Scorecard. Wie in Abbildung 46 angedeutet wird, ergeben sich aus den Prozessstrategien für die Personalentwicklung, die als „Teildimension“ der Entwicklungsperspektive betrachtet werden kann, spezifische Anforderungen hinsichtlich der Qualifikation von Mitarbeitern. Entsprechend lassen sich Ziele für die individuelle Wissensentwicklung der in den Kernprozessabläufen involvierten Handlungs- und Entscheidungsträger ableiten. So schlägt sich die angestrebte Entwicklung prozessbezogener Kernkompetenzen bei der Personalentwicklung in dem Ziel der Identifizierung und Entwicklung von Kernkompetenzen konstituierenden Mitarbeiterwissens nieder, die Differenzierung über die Prozessleistung bedarf der Ausbildung von Zusatzqualifikationen bei den Mitarbeitern, Kostensenkungen beruhen auf dem Wissen der Mitarbeiter zur Prozessoptimierung 1134
Helm, R./Meckl, R./Strohmayer, M./Bernau, A. (2004), S. 138.
328
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
und die Fokussierung auf Marktnischen erfordert stark spezialisiertes prozessbezogenes Expertenwissen. Als mit diesen Zielen korrespondierende Leistungsmaßstäbe können z.B. die Anzahl der durch das Wissen der Mitarbeiter entwickelten Kernkompetenzen (Kernkompetenzentwicklung), die Breite der Qualifikationsprofile der in den Kernprozessen involvierten Mitarbeiter (Differenzierung), die Taktfrequenz sowie der Ressourcenverbrauch der Prozessabwicklung (Kostenführerschaft) und der Spezialisierungsgrad der Mitarbeiterqualifikationen (Konzentration) herangezogen werden.
Kunden
Finanzen
Ziele
Leistungsmaßstäbe
Ziele
Leistungsmaßstäbe
Innovative Produkte
Anteil neuer Produkte
Langfristiges Überleben
Cash Flow
Kundenpräferenz durch Nutzensteigerung
Nutzenrelation gegenüber Wettbewerbern
Wachstum
Umsatzwachstum
Kundenpräferenz durch Preisvorteil
Zahlungsbereitschaft der Kunden
Shareholder Value
Eigenkapitalrendite
Vorzugslieferant
Anzahl Wiederholungskäufe
Lernen und Wachstum Prozesse
Personalentwicklung
Ziele
Leistungsmaßstäbe
Ziele
Leistungsmaßstäbe
Entwicklung von Kernkompetenzen
Kongruenz eigener Fähigkeiten mit Marktmöglichkeiten
Anzahl der durch Mitarbeiterwissen (potenziell) konstituierbaren Kernkompetenzen
Differenzierung durch Prozessleistung
Leistungsspektrum im Vergleich zu Wettbewerbern
Identifizierung und Entwicklung von einzigartigem, nichtimitierbarem Mitarbeiterwissen Erwerb von Zusatzqualifikation zur Erweiterung der Prozessleistung
Senkung von Prozesskosten
Prozesskosten
Anregung von Lerneffekten zur Optimierung des Prozessablaufs
Fokussierung auf Nischen durch spezialisierte Prozesse
Spezialisierungsgrad
Ausbildung von stark spezialisiertem prozessbezogenem Expertenwissen
Taktfrequenz der Prozessabwicklung, Ressourcenverbrauch Spezialisierungsgrad und Einzigartigkeit der Mitarbeiterqualifikationen
Breite des Qualifikationsprofils der Mitarbeiter
Abbildung 46: Abstimmung der Personalentwicklung mittels Balanced Scorecard
Auf der Grundlage dieser in Abbildung 48 veranschaulichten Zielbeziehungen zwischen Prozess- und Entwicklungsperspektive ist es nun die Aufgabe der Personalentwicklung, die Instrumente des Wissensmanagements einzusetzen, um das benötigte Wissen zu erwerben, zu entwickeln, zu verteilen, anzuwenden und zu bewahren.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
329
In einem nächsten Schritt sollten daher in Anlehnung an das Konzept von HELM et al konkretere, allein auf das Wissensmanagement ausgerichtete Scorecards formuliert werden. Diese enthalten Ziele und Maßnahmen, die ausschließlich die Entwicklung und Nutzung von Wissen in der jeweiligen Dimension betreffen und den verschiedenen Phasen bzw. Aufgaben im Wissensmanagement zuzuordnen sind. Wichtig ist, dass die Kausalbeziehung zwischen dem Wissensmanagement in der Prozessperspektive und dem Wissensmanagement als Teil der Personalentwicklung in der Entwicklungsperspektive, die in Abbildung 48 auf Grund der aggregierten Betrachtung implizit angedeutet sind, in den Wissens-Scorecards fortgeschrieben bzw. detaillierter ausdifferenziert werden. Dabei geht es im Kern darum, dass die Wechselwirkungen zwischen Zielen und Maßnahmen zur Wissensentwicklung auf beiden Ebenen möglichst genau abgebildet werden, um das Wissensmanagement der beiden Perspektiven der Scorecard miteinander abstimmen zu können. Abbildung 47 zeigt beispielhaft die Ausgestaltung einer Wissen-Scorecard für die Prozessperspektive. Die Ziele und Maßnahmen sind den in Abschnitt C 3.4.3.2 dieser Arbeit identifizierten Ebenen prozessrelevanten Wissens (Know-How, Know-What, Know-Why) zugeordnet,1135 um die Bedeutung der verschiedenen Ziele und Maßnahmen für das strategische Prozessmanagement herausstellen zu können. So kann für jeden konkreten in der Scorecard abgebildeten Fall auch eine Priorisierung der verschiedenen Aktivitäten des Wissensmanagements vorgenommen werden. Unterstellt wird ein Strategieentwurf, der auf den Ausbau und die Nutzung neuer Kernkompetenzen abzielt.
1135
Vgl. zu den Ebenen prozessrelevanten Wissens grundsätzlich die Ausführungen in Abschnitt C 3.4.3.2 dieser Arbeit sowie die dort angegebene Literatur.
330
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Dimension
Ziele
Tasks bzw. Maßnahmen
Kennzahlen
Das den Kompetenzen zugrunde liegende Wissen der Mitarbeiter soll im Rahmen der Prozessabwicklung kontinuierlich verbessert werden (Wissen entwickeln).
• Informelle Diskussionsforen schaffen • Intranet-Wissensmarktplätze einrichten
• Anzahl prozessbezogene Patente/ Technologiefeld • Anzahl Mitarbeiter mit Technologiequalifikation x/ Gesamtzahl Mitarbeiter
Das in Kernprozessen enthaltene implizite Wissen soll in explizites Wissen umgewandelt, gespeichert und erhalten werden (Wissen bewahren).
• Automatisierung der Dokumentation • Werterhaltung und Schutz vor Imitation durch langfristige Bindung der Wissensträger und Patentschutz
• Anzahl der Projektdokumentationen/ Anzahl der durchgeführten Projekte • Anzahl Zugriffe auf gespeichertes Wissen • Anzahl prozessbezogener Patente
Know-What
Wissen über gegenwärtige Marktkonstellationen /Kundenbedürfnisse soll kontinuierlich an die Prozessverantwortlichen weitergegeben werden, um Leistungen strategiegerecht anpassen zu können (Wissen verteilen).
• Institutionalisierte interne Treffen • IT-Organisation mit hoher Austauschkapazität und Kontaktmöglichkeiten
• Investitionen Kommunikationssystem/ gesamte Investitionen • Arbeitszeit für Wissenstransfer/ gesamte Arbeitszeit
Know-Why
Neues Wissen über latente Kundenbedürfnisse soll in neue, innovative Kernprozesse münden (Wissen anwenden).
• Einrichtung und Nutzung eines betrieblichen Vorschlagwesens • Zusammenführung unterschiedlicher Wissensbereiche in Teamstrukturen
• Umgesetzte Mitarbeitervorschläge/ Gesamtzahl Mitarbeitervorschläge
Know-How
Abbildung 47: Prozessperspektive der Wissens-Scorecard1136
Im Rahmen der Prozessabwicklung werden Kernkompetenzen sowohl angewendet als auch (weiter-)entwickelt. Das Wissensmanagement, das, bezogen auf die Prozessperspektive, wie bereits angesprochen wurde, primär die Ausnutzung von Wissen zur Erzeugung und Verbesserung marktgerechter Prozessleistungen sicherstellt, verfolgt u.a. das Ziel, prozessimmanentes Wissen im Rahmen der Prozessabwicklung zu Kernkompetenzen weiterzuentwickeln. So können auch auf der Ebene des Know-Hows Basiskompetenzen kontinuierlich ausgebaut werden, bis sie neben der reinen Ermöglichung des Prozessablaufes auch Wettbewerbsvorteile bedingende Innovationen hervorbringen können. Maßnahmen und Tasks können in diesem Zusammenhang die gemeinschaftliche Entwicklung des prozessteaminternen Wissens im Rahmen von Diskussionsrunden und über Intranet-Wissensmärkte darstellen. Der Erfolg dieser Maßnahmen lässt sich u.a. anhand Anzahl der prozessbezogenen Patente pro Technologiefeld oder der (relativen) Anzahl von Mitarbeitern mit einer bestimmten Prozessqualifikation messen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bewahrung von Know-How, um die Fähigkeit zur Kernprozessabwicklung dauerhaft zu erhalten. Personengebundenes implizites Wissen muss hierzu in explizites Wissen umgewandelt werden, um es leichter vor 1136
In Anlehnung an Helm, R./Meckl, R./Strohmayer, M./Bernau, A. (2004), S. 136.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
331
Erosionseffekten (z.B. der Abwanderung von Experten) zu bewahren, etwa durch Automatisierung der Dokumentation. Hier geben die (relative) Anzahl durchgeführter Projekt- bzw. Prozessdokumentationen und die Anzahl von Zugriffen auf gespeichertes Wissen Aufschluss über die Güte der Dokumentation und das Ausmaß an explizit gemachtem Wissen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Gefahr der Imitation strategisch relevanten Wissens seitens der Wettbewerber durch seine Explizitmachung steigt. Durch das strategische Management soll jedoch gewährleistet werden, dass Kernprozessen zugrundeliegendes implizites und explizites Know-How nicht imitiert wird und so seinen Wert für das Unternehmen behält. Dazu können in der Wissens-Scorecard Maßnahmen wie die langfristige vertragliche Bindung von Wissensträgern oder der Schutz des eigenen Know-Hows durch Patente festgelegt werden. Auf der Ebene des Know-Whats gilt es u.a., das Wissen über Marktkonstellationen bzw. Kundenbedürfnisse kontinuierlich an die Prozessteams weiterzuleiten, damit diese ihre Leistungen strategiekonform ausrichten können. Zur Realisierung einer adäquaten Wissensverteilung können Maßnahmen wie institutionalisierte Treffen oder die Schaffung eine Kommunikationsstruktur mit vielen Austausch- und Kontaktmöglichkeiten durchgeführt und Kennzahlen wie Ausmaß der Investitionen in Kommunikationssysteme oder die von den Prozessverantwortlichen aufgewendete Zeit zum Wissenstransfer erhoben werden. Die besondere Bedeutung des Know-Whys für das strategische Prozessmanagement wurde bereits in Abschnitt C 3.4.3.2 dieser Arbeit thematisiert. Zielsetzung des Wissensmanagement ist es, diese Erkenntnisse, etwa über latente Kundenbedürfnisse, dergestalt zur Anwendung zu bringen, dass innovative Kernprozesse entwickelt werden können. Da dies weitestgehend den Prozessverantwortlichen und ihren Teams obliegt, bieten sich als Maßnahmen die Einrichtung eines betrieblichen Vorschlagswesens an, um über diese die mit der entsprechenden Prozesskenntnis ausgestatteten Mitarbeiter in den Innovationsprozess einbeziehen zu können. Eine entsprechend zweckmäßige Kennzahl ist u.a. die (relative) Anzahl der umgesetzten Mitarbeitervorschläge. Anhand dieser exemplarischen Darstellung von Zielen, Maßnahmen und Kennzahlen wird deutlich, dass der Schwerpunkt in der Prozessperspektive der Wissens-Scorecard sowohl auf explorativen Aspekte wie der Wissensentwicklung als auch auf der An-
332
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
wendung und dem Schutz von Wissen zur Leistungserzeugung liegt. Komplementär dazu muss eine mitarbeiterbezogene Wissens-Scorecard formuliert werden, die das Wissensmanagement in den Kontext der Personalentwicklung und damit noch etwas stärker in Richtung der personenbezogenen Wissensgenerierung rückt (vgl. Abbildung 48). Die darin festgelegten Ziele und Maßnahmen ergänzen die Ziele und Maßnahmen der Prozessperspektive inhaltlich. Auch sie lassen sich entsprechend den Wissensdimensionen Know-How, Know-What und Know-Why zuordnen.
Dimension
Know-How
Know-What
Know-Why
Ziele
Tasks bzw. Maßnahmen
Kennzahlen
Den Mitarbeitern sollen die Kapazitäten eingeräumt werden, Wissen selbstständig im Rahmen ihrer Arbeit zu generieren und zu verbessern (Wissen entwickeln).
• Permanentes Lernen und Wiederholen auf individueller Ebene • Gezielte Personalauswahl und Zusammenführung zur Synergienutzung
• Bildungsstand der Mitarbeiter • Anzahl der Mitarbeiter mit Qualifikation x • Freiheitsgrade der Mitarbeiter bei der Arbeitsgestaltung
Explizit gemachtes Wissen ist allen Mitarbeitern bedarfsgerecht zugänglich zu machen, erkennbare Lücken in der Wissensbasis des Unternehmens sollen durch externen Wissenserwerb geschlossen werden (Wissen verteilen und erwerben).
• Anreizstruktur zur Weitergabe von Wissen schaffen • Unternehmensinterne Schulungen • Externe Dienstleistungen zur Personalentwicklung in Anspruch nehmen • Patente kaufen
• Mitarbeiterzufriedenheit bezüglich unternehmensweiter Zusammenarbeit bzw. Vernetzung • Zahl der Zugriffe auf interne Wissensdatenbanken • Anzahl durchgeführter Schulungen • Anzahl erworbener Patente
Das in Kernprozessen enthaltene strategierelevante implizite Wissen langjähriger Mitarbeiter soll durch deren Bindung erhalten und geschützt werden (Wissen bewahren).
• Dokumentation der Personalentwicklung • Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit bzw. -loyalität
• Mitarbeiterfluktuation • Mitarbeiterzufriedenheit • Durchschnittliche Beschäftigungsdauer
Die Weiterbildungsmaßnahmen im Unternehmen sollen darauf ausgerichtet sein, die Mitarbeiter zu Innovationen in ihrem Arbeitsumfeld zu befähigen, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen zu können (Wissen anwenden und entwickeln).
• Lernfähigkeit als Schlüsselqualifikation fördern durch Aus- und Weiterbildung • Schaffung einer innovationsfördernden Unternehmenskultur durch Anreize für Weiterbildung oder Gründung von Innovationszirkeln • Ideenmanagement
• Innovationszirkelanzahl • Anzahl Ideen aus Ideenmanagement • Zufriedenheit der Mitarbeiter mit Fort- und Ausbildung bezüglich der Förderung von Kreativität und innovativen Denkens
Abbildung 48: Mitarbeiterperspektive der Wissens-Scorecard1137
Auf der Ebene des Know-Hows hat das Personalmanagement dafür Sorge zu tragen, dass den Mitarbeitern auch tatsächlich die Kapazitäten und Freiräume eingeräumt werden, ihr Wissen selbstständig im Rahmen der Prozessabwicklung weiterzuentwickeln. Dazu lässt sich als Task das permanente Wiederholen wichtiger Abläufe zur Förderung des Lernens auf der individuellen Ebene festlegen. Unterstützt werden kön1137
In Anlehnung an Helm, R./Meckl, R./Strohmayer, M./Bernau, A. (2004), S. 138.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
333
nen derartige Lernprozesse seitens des Personalmanagements durch eine synergetische Personalauswahl und -zusammenführung. D.h. konkret, dass sich inhaltliche im Hinblick auf die Anwendung und Weiterentwicklung von prozessbezogenem Wissen ergänzende Wissensträger in Prozessteams integriert werden, um ihr Wissen dort kombiniert zu Einsatz zu bringen. Als Führungsgrößen bzw. Indikatoren lassen sich z.B. der Bildungsstand oder die Anzahl der qualifizierten der Mitarbeiter oder ihre Freiheitsgerade bei der Arbeitsgestaltung heranziehen. Weitere wichtige Aspekte auf der Ebene des Know-Hows sind die Verteilung des durch Prozessdokumentationen explizit gemachten Wissens und die Schließung in diesem Zusammenhang etwaig identifizierter Wissenslücken. Neben der Durchführung unternehmensinterner Schulungen sowie der Schaffung von Möglichkeiten und Anreizen zur Wissensverteilung müssen ggf. auch externe Dienstleister zur Personalentwicklung in Anspruch genommen oder extern Patente erworben werden. Zweckmäßige Kennzahlen können vor diesem Hintergrund z.B. die Anzahl durchgeführter Schulungen, die Zahl der Zugriffe auf die internen Wissensdatenbanken oder die Anzahl der erworbenen Patente darstellen. Die Notwendigkeit, in der gegebenen Marktsituation Wettbewerbsvorteile bedingendes Wissen (Know-What) an das Unternehmen zu binden und gleichzeitig seine Verbreitung über die Unternehmensgrenzen hinaus zu verhindern, wurde bereits mehrfach innerhalb dieser Arbeit angesprochen. Das Personalmanagement sollte versuchen, Mitarbeiterzufriedenheit und -lo-yalität zu fördern, etwa durch Offerieren von Karriere- und/oder Weiterbildungsmöglichkeiten. Auch muss die Entwicklung der entsprechenden Mitarbeiter genau dokumentiert werden, um die Abwanderungstendenzen besser abschätzen zu können und individuelle Möglichkeiten der Weiterentwicklung besser bestimmen zu können. Zur Überwachung dieser Maßnahmen bieten sich Indikatoren wie die Mitarbeiterfluktuation, die allgemeine Mitarbeiterzufriedenheit oder die durchschnittliche Dauer von Beschäftigungsverhältnissen an. Der Beitrag, den die Personalentwicklung über die Entwicklung von Know-Why zur nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens leisten kann, zielt primär auf die Fähigkeiten der Mitarbeiter zur Innovation ab. Dazu muss im Unternehmen eine Kultur etabliert werden, die Anreize zur individuellen Wissensentwicklung gibt, indem bspw. ein Ideenmanagement eingeführt wird. Wichtig ist dabei, dass die Mitarbeiter die Möglichkeit haben, die eigenen Kernprozesse proaktiv umzugestalten oder neu definieren zu können. Die Personalentwicklung muss dazu die Lern- und Adaptionsfä-
334
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
higkeit sowie Kreativität der Mitarbeiter fördern. Auch sollten den Mitarbeitern Freiheitsgrade hinsichtlich der Fort- und Ausbildung dahingehend gewährt werden, dass sie die Erweiterung oder im Extremfall auch die komplette Abkehr von traditionell gepflegten Wissensinhalten für die Mitarbeiterentwicklung beinhalten. Der Erfolg des Wissensmanagements in dieser Dimension schlägt sich u.a. in der Anzahl der aus dem Ideenmanagement generierten Innovationen nieder. Auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit den Fort- und Ausbildungsmöglichkeiten, den Maßnahmen zur Förderung von Kreativität und innovativen Denkens sowie den eingeräumten Freiheitsgraden sind an dieser Stelle wichtige Indikatoren. Insgesamt wird deutlich, dass der kombinierte Einsatz einer, speziell aus der prozessbezogenen Balanced Scorecard abgeleiteten, Wissens-Scorecard die Möglichkeit bietet, das Wissensmanagement gezielt bei Aufbau und Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale zu unterstützen. Über die kausale Verknüpfung von Zielen, Maßnahmen und Indikatoren wird die Personalführung bzw. -entwicklung und im speziellen auch das Wissensmanagement mit den anderen Führungsteilsystemen in Beziehung gesetzt. Eine zielgerichtete Koordination der Systeme erfolgt dann typischerweise über die im Hinblick auf die Gesamtstrategie konsistente Formulierung, Umsetzung und Überprüfung von Zielen, Maßnahmen und Kennzahlen.1138 Einschränkend ist anzumerken, dass auch bei der Wissens-Scorecard die bereits angesprochenen allgemeinen Schwächen der Balanced Scorecard berücksichtigt werden müssen.1139 Das Problem der Bildung sowie der Selektion geeigneter, operationalisierbarer Kennzahlen gestaltet sich aufgrund des immateriellen Charakters der „Zielgröße Wissen“ an dieser Stelle als besonders schwierig und aufwändig. Gleiches gilt auch bezüglich der unterstellten Beziehungen zwischen der prozess- und der mitarbeiterbezogenen Perspektive in der Wissens-Scorecard. Eine formalanalytische Fundierung der abgebildeten Kausalbeziehungen, die in der allgemeinen Balanced Scorecard bereits nur sehr stark eingeschränkt möglich ist, erscheint in der Wissens-Scorecard nicht so ohne Weiteres realisierbar. Die unterstellten Beziehungen beruhen vielmehr zunächst auf Plausibilitätsüberlegungen, sodass Zweifel an der „ganzheitlichen Steuerungswirkung“ der Wissens-Scorecard bestehen können. Diese Beziehungen gilt es, im 1138
1139
Vgl. hierzu die grundlegenden Ausführungen zur Balanced Scorecard in Abschnitt D 3.2.1.4.1 dieser Arbeit sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D 3.2.1.4.1 dieser Arbeit.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
335
Rahmen differenzierter Kausalanalysen zu bestätigen. Insgesamt ist die WissensScorecard also mit einer relativ hohen Komplexität behaftet, was insbesondere auch die Implementierung dieses Instrumentes erschwert.1140 Nichtsdestotrotz liegt ein Nutzen in der Anwendung der Wissens-Scorecard, da sie einen Gestaltungsansatz für ein prozessbezogenes Wissensmanagement bereitstellt. Das strategische Prozesscontrolling nimmt die bereits in Bezug auf die allgemeine prozessbezogene Balanced Scorecard erwähnten Aufgaben der Analyse und der Zusammenstellung der Scorecards wahr und manifestiert sich so nicht zuletzt als eine Art „Wisssenscontrolling.“ 3.2.5
Strategisch relevante Aspekte der Koordination der prozessbezogenen Organisation mit anderen Teilsystemen der strategischen Führung
3.2.5.1 Kennzeichnung der prozessbezogenen Organisation im strategischen Kontext Die Organisationsaufgabe besteht in Anlehnung an den von KIESER/KUBICEK geprägten Begriff der formalen Organisation1141 als „System von geltenden Regelungen für die Steuerung von Leistung und Verhalten der Organisationsmitglieder“1142 grundsätzlich in der Schaffung bzw. Gestaltung eines dauerhaften Regelsystems. Das Organisationssystem ist damit funktionell für die Entwicklung von aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen zuständig, die für die zielgerichtete Ausführung der Geschäftsprozesse relevant sind. 1143 Dabei steht im strategischen Kontext die Schaffung von Strukturen zur Entwicklung und Nutzung von Erfolgspotenzialen in Vordergrund. Die Organisationsaufgabe umfasst nach KÜPPER die Gestaltung der Aufgabenverteilung, der Weisungs- und Entscheidungsrechte sowie der raum-zeitlichen Beziehungen physischen Güter- und Informationsflusses,1144 Ähnliches konstatiert auch LEISTERT, der grundsätzlich die Definition bzw. Zuordnung von Aufgaben, Aufgabenträgern, 1140 1141
1142 1143 1144
Vgl. auch Helm, R./Meckl, R./Strohmayer, M./Bernau, A. (2004), S. 140. Als formale Organisation soll hier in Anlehnung an Picot, A./Dietl, H./Franck, E. (2008), S. 24 f. die geplante und offiziell verabschiedete Organisation verstanden werden. Sie ist abzugrenzen von der faktischen Organisation, welche die tatsächlich realisierten und praktizierten Regelungen umfasst, und der subjektiven Organisationsstruktur, welche die Interpretation bzw. Wahrnehmung der formalen Organisationsstruktur durch die einzelnen Akteure bezeichnet. Die im Rahmen einer Controlling-Konzeption getroffenen Aussagen zur Organisation haben den Charakter idealtypischer Empfehlungen und zielen daher auf die formale Organisationsstruktur ab. Insofern spielen faktische und subjektive bei den weiteren Erörterungen in diesem Abschnitt keinerlei Rolle. Kieser, A./Kubicek, H. (1992), S. 23. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 180. sowie die grundsätzlichen Ausführungen in Abschnitt C 1.1. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 286.
336
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Sachmitteln, Einsatzgütern und relevanten Informationen als Funktion der prozessbezogenen Organisation identifiziert.1145 Im Kontext des strategischen Prozessmanagements beschränkt sich der Organisationsumfang, d.h. die Festlegung der Geschäftsprozesse im Leistungssystem und der Führungsteilsysteme, welche Organisationsobjekt sind, auf die strategisch relevanten Kernprozesse und die Führungsteilsysteme des strategischen Prozessmanagements. Der Formalisierungsgrad, der die Verbindlichkeit der organisatorischen Regelungen bestimmt, ist hoch: Entscheidungen hinsichtlich etwaiger organisatorischer Änderungen können nicht von den unmittelbar an der Leistungserstellung beteiligten Träger von Ausführungshandlungen getroffen werden, sondern ausschließlich von der obersten Führungsebene im Unternehmen. Der Standardisierungsgrad, der darüber Aufschluss gibt, inwiefern gleiche Sachverhalte durch identische organisatorische Regelungen bestimmt werden, ist hingegen tendenziell niedrig, da in der Regel nur einige wenige strategisch relevante Prozesse im Unternehmen existieren, die zudem eher individuell geplant und organisiert werden. Hoch sollten auch Flexibilität und Detaillierungsgrad angesetzt werden: Da Erfolgspotenziale mitunter tief in einzelnen Prozessbestandteilen verwurzelt sein können, sind Kernprozesse so zu strukturieren, dass die Kausalitäten der Entstehung und Nutzung von Erfolgspotenzialen, etwa das Zusammenspiel von Fähigkeiten, Routinen und physischen Ressourcen oder die nutzenstiftende Integration verschiedener Wertaktivitäten, transparent gemacht werden. Um das Ziel der langfristigen Existenzsicherung der Unternehmung, gerade vor dem Hintergrund dynamischen Unternehmensumwelt, durch strategische Maßnahmen gezielt erreichen zu können, ist es ferner erforderlich, ein hohes Maß an Flexibilität in den Prozessstrukturen zu etablieren, damit Anpassungen möglichst reibungslos und zeitnah erfolgen können. Die instrumentalen Gestaltungsparameter beinhalten im Wesentlichen Methoden zur Prozessmodellierung und Prozesssimulation. Im Zusammenhang mit der prozessbezogenen Aufbau- und Ablauforganisation können auch in der strategischen Prozessorganisation die allgemein üblichen Instrumente wie z.B. ARIS1146 zur Anwendung kommen, die hier allerdings auf die strategisch relevanten Kernprozesse bezogen werden. 1145 1146
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 180 f.; ähnlich auch Becker, W. (2001a), S. 31. Vgl. Scheer, A.-W. (1996); Stein, B. (2002), S. 562.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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Somit beschränkt sich auch die Unterstützung durch die Informationsverarbeitung auf die Erhebung und Bereitstellung kernprozessrelevanter Daten. Die organisatorischen Gestaltungsparameter umfassen die Zuordnung von Aufgaben, Weisungs- und Entscheidungsrechten auf Aufgabenträger und die Gestaltung der Organisationsprozesse in der Ablauf- und Aufbauorganisation.1147 Die Organisationsaufgabe obliegt grundsätzlich der Unternehmensführung ebenso wie die Entscheidungsund Weisungskompetenz. Unter Rücksprache mit den Prozessverantwortlichen, unterstützt durch Beratung von Expertenteams, formuliert sie Gestaltungsvorgaben, die von den Prozessverantwortlichen umgesetzt werden. Insofern wird ein Teil der Organisationaufgabe an die Prozessverantwortlichen delegiert. Der Ablauf des Organisationsprozesses, ist daher sinnvollerweise durch ein Gegenstromverfahren gekennzeichnet,1148 bei dem die Initiierung Top-Down durch das strategische Management erfolgt und im Gegenzug Bottom-Up ein Feedback durch die ausführenden (Kern-)Prozessverantwortlichen gegeben wird. Der Gestaltungsprozess beinhaltet gemäß WEYMAR die Phasen Prozessidentifikation und Prozessanalyse, Prozessverbesserung und Prozessimplementierung.1149 Nach LEISTERT umfasst die Gestaltung von Geschäftsprozessen vier Phasen: die Prozessdefinition, die Prozessstrukturierung, die Prozessrealisation und die Prozessoptimierung.1150 Ähnliches konstatiert auch GAITANIDES, der die Aktivitäten Prozesse identifizieren, Prozesse modellieren, Prozesse bewerten und Prozesse verbessern benennt.1151 Die Festlegung von Aufgaben, Aufgabenträgern, Sachmitteln, Einsatzgütern und relevanten Informationen, d.h., die originären Organisationsaufgaben sind in diesen Aktivitäten enthalten. Nachfolgend soll zwischen den Phasen Prozessidentifikation, -modellierung, -bewertung und -verbesserung unterschieden werden. Die Prozessidentifikation beinhaltet die Abgrenzung der Unternehmensprozesse. Das bedeutet, Aktivitäten werden identifiziert, miteinander in Beziehung gesetzt und bestimmten Prozessen zugeordnet. Damit entscheidet die Prozessidentifikation über den 1147 1148
1149 1150 1151
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 184. Grundsätzlich denkbar wäre in diesem Zusammenhang zwar auch ein reiner Top-down-Ansatz, dieser hätte jedoch den Nachteil, die Rücksprache zwischen strategischer Unternehmensführung und den Prozessverantwortlichen auszuklammern. Vgl. Weymar, F. (2001), S.25 ff. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 52f. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 149 ff.
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D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Prozessentwurf, d.h. den grundlegenden Ablauf und Umfang der prozessimmanenten Aktivitäten sowie das Tätigkeits- bzw. Entscheidungsspektrum der Prozessakteure.1152 Die sich an die Identifikation anschließende Prozessmodellierung verfolgt das Ziel der Schaffung einer ideellen Prozessarchitektur. Während es bei der Prozessidentifikation lediglich um die grobe Abgrenzung und Ordnung der Prozessaktivitäten geht, umfasst die Prozessmodellierung aufbauend auf einer Analyse des Prozessentwurfs sowohl die Strukturierung des einzelnen Prozesses als auch die Bündelung von Prozessen zu einem komplexen Prozessgefüge. Hierbei werden auch alternative Strukturvarianten, üblicherweise durch den Einsatz von Simulationsverfahren, auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft. Ergebnis der Modellierungsphase ist die differenzierte Darstellung der Unternehmensprozesse sowie ihrer Beziehungen untereinander, die sogenannte organisatorische Prozessarchitektur. Die Prozessbewertung „zielt auf die Effizienzbeurteilung und das Benchmarking des Geschäftsprozesses ab.“1153 Dazu sind Kennzahlen festzulegen und Leistungsvereinbarungen zu treffen, um sowohl die Überprüfung von Prozesseffizienz und effektivität im Hinblick auf die Realisierung von Erfolgspotenzialen sicherzustellen als auch die Qualifikation der Prozessverantwortlichen nutzen und entwickeln zu können. Genau wie die Prozessbewertung ist die Prozessverbesserung fortlaufend durchzuführen. „Der Anspruch, Prozesse kontinuierlich zu verbessern, bedeutet, Prozessorganisation als ein Organisationsentwicklungsprojekt zu begreifen.“1154 Daraus folgt für das Organisationsystem die Notwendigkeit zur Auswahl und Förderung von Prozessverantwortlichen und Prozessteams und zur organisatorischen Implementierung unternehmensinterner Markt- bzw. Wettbewerbsmechanismen zur Initialisierung einer stetigen und selbstständigen Prozessverbesserung, insbesondere der Kernprozesse.1155 3.2.5.2
Systembildende Koordination der prozessbezogenen Organisation mit den übrigen Führungsteilsystemen
Die systembildenden Koordinationsaufgaben des Controllings in Bezug auf das Organisationssystem beinhalten allgemein die Mitwirkung an der Gestaltung, Dokumenta1152 1153 1154 1155
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Gaitanides, M. (2007), S.149. Gaitanides, M. (2007), S. 150. Gaitanides, M. (2007), S. 150. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 150.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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tion, Implementierung und Aktualisierung der prozessbezogenen Organisation.1156 „Für das Controlling ist es dabei relevant, welchen Einfluss die Organisation auf die anderen Führungsteilsysteme und umgekehrt deren Gestaltung auf die Organisation haben.“1157 Im Rahmen der systembildenden Koordination gilt es daher zunächst, die Beziehungen zwischen den prozessbezogenen Teilführungssystemen Informationsversorgung, Planung und Kontrolle sowie Personalführung und der Organisation zu analysieren und dann darauf aufbauend die Organisationsgestaltung zu unterstützen. Das Informationsversorgungssystem beispielsweise steht in stark interdependenter Beziehung mit der Organisation:1158 Aus der Ausgestaltung aufbauorganisatorischer Strukturvariablen wie der Verteilung von Aufgaben, Weisungs- und Entscheidungsrechten ergeben sich u.a. der Informationsbedarf und die grundlegenden Anforderungen an die Gestaltung des Berichtswesens. Ferner sind ablauforganisatorische Aspekte maßgeblich für die zeitliche und räumliche Gestaltung der Informationsbereitstellung, wie etwa den Rhythmus der Informationsgewinnung und -übermittlung. Umgekehrt wirken sich v.a. die gewählten Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Organisation aus. Sie können einerseits als stark restriktive Komponente bei der Organisationsgestaltung wirken, da (technisch) beschränkte Möglichkeiten der Informationsverarbeitung bei der Aufgabenvergabe zu berücksichtigen sind. Andererseits können durch leistungsstarke IT-Systeme Freiräume bei der Wahl der geeigneten Organisationsform entstehen, weil Informationen schneller aufbereitet und komplexe Entscheidungen damit leichter und in größerer Anzahl von weniger Aufgabenträgern gefällt werden können. Einen diesbezüglichen Abgleich durchzuführen und Empfehlungen für eine zweckmäßige Informations- und Aufgabenverteilung sowie die Vergabe von Zugriffsrechten zu formulieren, ist Aufgabe des Prozesscontrollings. Hierzu sind insbesondere die jeweiligen Prozessverantwortlichen in die Koordination mit einzubeziehen. Zusammen mit ihnen muss das Controlling durch Analysen der Aufgabenund Entscheidungsstrukturen der Prozesse den Bedarf an Informationen und Zugriffsrechten charakterisieren. Diese Erkenntnisse sind dann den Entscheidungsträgern im Organisationsystem mitzuteilen. Mit ihnen muss das Controlling auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten der existierenden Informationsinfrastruktur die zweckmäßige Zuordnung von Informationsgütern, Aufgaben sowie Weisungs- und Zugriffs1156 1157 1158
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 182. Küpper, H.-U. (2005), S. 286. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 286 ff.
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D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
rechten herausarbeiten. Das Controlling fungiert damit an dieser Stelle gewissermaßen als „Mittler“ in einem Planungsprozess im Gegenstrom. Insbesondere ist an dieser Stelle die für das Prozessmanagement charakteristische Multidimensionalität von Führungsgrößen zu berücksichtigen, die jenen Abgleich in einer Prozessorganisation relativ komplex erscheinen lässt. Vor diesem Hintergrund geeignete Führungsgrößen für die einzelnen Aufgabenkomplexe und Aufgabenträger zu entwickeln bzw. zu empfehlen und diese an Aufbau- und Ablauforganisation anzupassen, ist ein weiterer wichtiger Aspekt der systembildenden Koordination. Im Hinblick auf die strategische Dimension bezieht sich das auf strategisch relevante Informationen über die Entstehungs- und Nutzungszusammenhänge prozessimmanenter Erfolgspotenziale und die entsprechenden Führungsgrößen. Eben genannte Zusammenhänge schlagen sich insbesondere in den Rechnungssystemen des Unternehmens nieder, deren Gestaltung eine weitere systembildende Aufgabe des Controllings ist. Im Rahmen der Abstimmung von Informationsversorgung und Organisation hat das Controlling darauf zu achten, dass die organisatorische Segmentierung des Unternehmens auch im Rechnungswesen abgebildet wird. Idealtypischerweise gilt es, sowohl das interne als auch das externe Rechnungswesen z.B. nach Unternehmensbereichen, Geschäftsfeldern, Produktgruppen, Regionen oder Kundengruppen zu segmentieren.1159 Vor dem Hintergrund einer prozessorientierten Unternehmensstruktur bedeutet dies u.a. die Implementierung einer Prozesskostenrechnung, die in der Lage ist, auf verschiedenen Abstraktions- bzw. in diesem Falle Organisationebenen Prozesse zu erfassen, abzubilden und zu bewerten. Ein in diesem Zusammenhang geeignetes Koordinationsinstrument stellen sogenannte Online Analytical Processing Module (OLAP-Module) dar.1160 Diese ermöglichen es, betriebliche Daten aus unterschiedlichen Blickwinkeln intuitiv und flexibel analysieren zu können. Entsprechend lassen sich wichtige betriebswirtschaftliche Führungsgrößen, wie z.B. Kosten oder Deckungsbeiträge, n-dimensional aufbereiten und verschiedenen Kombi1159
1160
Die folgenden Erörterungen zur Gestaltung des Rechnungswesens sollen einen theoretischen Idealzustand beschreiben. In der Praxis sind solche umfassenden Verrechnungssysteme noch relativ wenig verbreitet, zumal sich ihre Einrichtung bzw. ihr Betrieb sehr umfangreich gestalten. Insofern ist ihr Einsatz auch unter Wirtschaftlichkeitsaspekten nicht immer zweckmäßig. Nichtsdestotrotz sind die folgenden Aspekte aufgrund der theoretischen Ausrichtung dieser Arbeit als sinnvolle konzeptionelle Empfehlungen zu diskutieren. Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundsätzlich Becker, W./Fuchs, R. (2004), S. 38 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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nationen aus Bezugsgrößen wie etwa Produkten, Kundengruppen, Regionen, Quartalen oder auch Geschäftsprozessen zuordnen. Innerhalb der einzelnen Dimensionen können verschiedene Konsolidierungsebenen festgelegt werden, die die verschiedenen organisatorischen Ebenen widerspiegeln. Die für eine Prozessorganisation charakteristischen mehrdimensionalen Informationsstrukturen lassen sich mittels OLAP detailliert erfassen und analysieren. Aufgabe des Controllings ist es sicherzustellen, dass die vom Organisationsystem festgelegten Strukturen im OLAP-Modul hinreichend abgebildet und mit den jeweils relevanten Merkmalsdimensionen verknüpft werden. Insbesondere kommt es darauf an, die Kombinationen von Faktoren und Dimensionen mit strategischer Bedeutung zu identifizieren. Eine derartige Verknüpfung von Organisations- und Informationssystem ist auch für die Abstimmung mit der Planung und Kontrolle bedeutsam, da beide Systeme auf entsprechende Daten zurückgreifen müssen und zwischen dem Organisations- sowie dem Planungs- und Kontrollsystem eine wechselseitige Beeinflussung festzustellen ist.1161 Einerseits determinieren die verschiedenen aufbauorganisatorisch festgelegten Stufen des Prozessmodells die sachliche Differenzierung von Planung und Kontrolle, andererseits müssen bereits bei der organisatorischen Gestaltung die Konsequenzen für die Planungs- und Kontrollmechanismen berücksichtigt werden. Wenn Weisungs-, Entscheidungs- und Kontrollbefugnisse, wie es in der Prozessorganisation üblich ist, auch auf tieferliegenden Organisationsebenen verankert werden, sind Planung und Kontrolle ebenso tief zu dezentralisieren. Grundsätzlich gilt hier, dass Entscheidungsrechte stärker auf das Planungs- als auf das Kontrollsystem wirken, da der Entscheidungsakt als Abschluss der Planung verstanden werden kann, wohingegen Weisungsrechte stärker auf das Kontrollsystem wirken, weil mit ihrer Vergabe normalerweise gleichlaufende Kontrollkompetenzen festgelegt werden.1162 Im konkreten Fall der Prozessorganisation erfolgt eine teilweise Übertragung von Planungs- und Kontrollaufgaben auf die Prozessverantwortlichen und ihre Prozessteams. Aufgabe des Prozesscontrollings ist es vor diesem Hintergrund u.a. sicherzustellen, dass eine zweckmäßige Übertragung von Entscheidungs-, Weisungs- und Kontrollbefugnissen auf die Prozessteams gewährleistet wird. Innerhalb der strategischen Perspektive bedeutet dies, dass die Prozessverantwortlichen in die Strategieformulierung 1161 1162
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 302 ff. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 303.
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D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
einbezogen werden müssen. Sie verfügen in der Regel über die genaueste Kenntnis prozessimmanenter Erfolgspotenziale. Die Entscheidungen über den Aufbau bestimmter Kernkompetenzen oder die Initiierung von Differenzierung oder Kostenführerschaft sowie die genauen Modalitäten ihrer jeweiligen Realisierung kann daher nur sinnvoll unter ihrer Beteiligung erfolgen. Daher sollten sie auch bei der strategischen Durchführungskontrolle mitwirken. Komplementär dazu muss gewährleistet werden, dass die Gestaltung der Prozessstrukturen den Erfordernissen von Planung und Kontrolle genügt. So muss die Organisation z.B. dafür sorgen, dass eine bestimmte Kernkompetenz konstituierende Fähigkeiten, Routinen und physische Ressourcen oder spezifische, eine Differenzierung ermöglichende Wertaktivitäten als Prozessschritte in geeigneten Prozessabläufen integriert werden. Dazu sind entsprechend qualifizierte Aufgabenträger spezifischen Aufgabenkomplexen zuzuordnen und mit den speziell benötigten Ressourcen und Informationen auszustatten. Die Frage, ob nun insgesamt die Planungs- oder Organisationsperspektive dominiert, ist angestoßen durch die von CHANDLER formulierte Hypothese „Structure follows Strategy“1163, bereits vielfach untersucht, jedoch nicht abschließend geklärt worden.1164 Eine wesentliche Aufgabe des Prozesscontrollings ist es deshalb, im Rahmen des unternehmensspezifischen Kontextes zu klären, welches der Führungsteilsysteme tendenziell als unabhängige und welches als abhängige Variable zu betrachten ist.1165 Die Koordination von Organisation und Personalführung erfordert die Abstimmung der Organisationsvariablen Aufgaben-, Weisungs- bzw. Entscheidungsrechteverteilung, Programmierung sowie Kommunikations- und Machtstruktur mit den Führungsprinzipien, dem Führungsstil und den Motivations-, Anreiz- und Personalentwicklungssystemen.1166 Durch die Vergabe von Weisungsrechten erfolgt die Begründung der Vorgesetzten-Untergebenen-Beziehungen, die maßgeblich durch den Führungsstil des jeweiligen Vorgesetzten geprägt werden. Der Führungsstil wiederum wird nicht nur durch persönliche Eigenschaften eines Vorgesetzten, sondern auch durch die Organisationsform bestimmt. Die Prozessorganisation fördert kooperative und parti1163
1164 1165
1166
Vgl. Chandler, A.D. (2001). Im Zusammenhang mit der Prozessorientierung wird diese Hypothese auch zu „Structure follows Process follows Strategy“ weiterentwickelt. Vgl. hierzu Bogaschewsky, R./Rollberg, R. (1998), S. 200 f.; Osterloh, M./Frost, J. (2003), S. 25 ff. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 309. Küpper, H.-U. (2005), S. 303 konstatiert jedoch, dass den organisatorischen Gesichtspunkten i.d.R. ein größeres Gewicht zukommt. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 324 ff.
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zipative Führungsstile. Die Notwendigkeit, verschiedene funktionale Perspektiven in einzelnen Prozessabläufen zu integrieren, bedeutet für die Vorgesetzten eine höhere Abhängigkeit von dem Fachwissen ihrer Untergebenen. Diese sind daher durch verstärkte Delegation an der Entscheidungsfindung zu beteiligen. Eingeengt wird der jeweilige Entscheidungsspielraum jedoch durch die Organisationsvariable Programmierung. Sie legt für bestimmte Sachverhalte konkrete Handlungsanweisungen und Problemlösungsverfahren fest. Dabei kann es sich negativ auf die Motivation der Entscheidungsträger auswirken, wenn sie zu stark ausgeprägt und damit restriktiv wirkend ist. Sie mindert zudem die Möglichkeit der Aufgabenträger, Erfahrungen durch die Anwendung verschiedener Verfahren zu sammeln und ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln, was sich insbesondere bei der Entwicklung von Erfolgspotenzialen als nachteilig erweist, zumal prädeterminierte Handlungsmuster aufgrund der Ungewissheit über zukünftige Entwicklungen in der strategischen Perspektive weniger zweckmäßig sind. Wichtig sind in diesem Kontext auch die Regelungen für die Kommunikation zwischen den einzelnen Aufgabenträgern. Sie dienen der Absicherung der Informationsversorgung. Im Zusammenhang mit der Koordination von Informationsversorgungssystem und Personalführung wurde bereits auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Motivation zur zeit- und wahrheitsgerechten Informationsweitergabe zu schaffen.1167 Organisatorische Regelungen sind also durch Instrumente der Personalführung zu ergänzen. Zur Unterstützung der für die Prozessorganisation charakteristischen kooperativen Führungsstrukturen sollte grundsätzlich ein freier, wenig reglementierter Informationsaustausch angestrebt werden. Entsprechend könnten feste organisatorische Regelungen zum Informationsaustausch teilweise durch Motivations- und Anreizsysteme substituiert werden, deren Bemessungsgrundlage die Prozessziele sind,1168 und die so ein zweckmäßiges, selbstständiges Informationsverhalten fördern. Innerhalb der strategischen Dimension muss jedoch berücksichtigt werden, dass organisatorisch festgelegte Restriktionen wie die Vergabe bestimmte Zugriffsrechte zur Informationsverarbeitung vor der Verbreitung sensibler Daten schützen und damit dem Wettbewerbsfähigkeit dienen können. Hier muss das strategische Prozesscontrolling Empfehlungen erarbeiten, um einerseits die Tendenz zu kooperativen Führungsstilen zu fördern, andererseits die Nachhaltigkeit der eigenen Erfolgspotenziale sicherzustellen. 1167 1168
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D 3.2.4.2 dieser Arbeit. Vgl. hierzu die allgemeinen Ausführungen zur Funktions- und Wirkungsweise von Anreizsystemen in Abschnitt D 3.2.4.2 dieser Arbeit.
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D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Auch die Organisationsvariable Macht hat für das Personalführungssystem eine große Bedeutung.1169 Allgemein werden Vorgesetzte durch die Hierarchie der Weisungsrechte mit Autorität und Sanktionsbefugnissen ausgestattet, die ihre Machtgrundlage bilden. Solche Mechanismen führen allerdings eher zu einem autoritären Führungsstil, der für eine Prozessorganisation weniger geeignet ist. Zur Förderung kooperativer Führungsmechanismen müssen gegenläufige Machtstrukturen etabliert werden, etwa indem in den Prozessteams Experten mit besonderem Fachwissen eingesetzt werden. Häufig entsteht durch ein höheres, vielfach spezielles Wissen des Untergebenen zugleich eine zum Vorgesetzen-Untergeben-Verhältnis gegenläufige Machtbeziehung.1170 Experten können aufgrund ihrer besonderen Ausbildung, Erfahrung oder Fähigkeiten sowohl von den übrigen Teammitgliedern als auch den Prozessverantwortlichen als Autoritäten akzeptiert werden, die Führungsverantwortung verteilt sich mithin auf „mehreren Schultern.“ Das gilt insbesondere für Mitglieder von Prozessteams von Kernprozessen, die über eine besondere Expertise hinsichtlich der Entwicklung und Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale verfügen. Neben den die intersystemischen Beziehungen betreffenden Gestaltungsparametern muss das Prozesscontrolling auch die instrumentellen Komponenten des Organisationsystems gestalten. Das Prozesscontrolling unterstützt die Organisation bei der Auswahl und dem Einsatz von Methoden zur Prozessmodellierung und Simulation, indem es u.a. Informationen zu den Einsatzfeldern sowie zu den Möglichkeiten der Darstellung, Bewertung und Analyse von Ergebnissen bereitstellt.1171 Auch im Zusammenhang mit der Koordination des Organisationssystems müssen durch das Prozesscontrolling schlussendlich Standards zur Dokumentation und Berichterstattung festgelegt werden.1172 Die Dokumentation zeigt u.a. die Arbeitsschritte der einzelnen Prozesse, die darin involvierten Aufgabenträger sowie die benötigten Ressourcen und Informationen. Dies dient zum einen ganz grundsätzlich der Herstellung von Transparenz über das Zusammenwirken der einzelnen Elemente des Führungs- und Ausführungssystems für die Träger von Führungs- und Ausführungshandlungen, zum anderen der Ausarbeitung von Prozesshandbüchern und Verfahrens- bzw. Arbeitsanweisungen. Speziell im Kontext des strategischen Prozessmanagements dient 1169 1170 1171 1172
Vgl. zu den folgenden Ausführungen grundsätzlich Küpper, H.-U. (2005), S. 326. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 326. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 184. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 184 f.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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die Dokumentation u.a. als Grundlage der Ressourceneinsatzplanung bzw. der zielgerichteten Ressourcenintegration. Auch die Zusammenführung verschiedener Wertaktivitäten in innovativen Prozessabläufen basiert auf ihrer Dokumentation. 3.2.5.3 Systemkoppelnde Koordination innerhalb der prozessbezogenen Organisation sowie mit den übrigen Führungsteilsystemen Die laufende, systemkoppelnde Koordination bezieht sich hauptsächlich auf die Anpassung der Beziehungen zwischen strategischer prozessbezogener Organisation und der Planung, Kontrolle, Informationsversorgung sowie Personalführung. Allgemein fallen hier für das Prozesscontrolling Aufgaben wie die Motivation zu Organisationsaktivitäten, die Überwachung der Einhaltung organisationsrelevanter gesetzlicher oder Zertifizierungsvorgaben, die wechselseitige Abstimmung von prozessbezogener Aufbau- und Ablauforganisation, die Aktualisierung von Dokumentationsmechanismen und -instrumenten sowie die laufende Abstimmung der Schnittstellen von Organisationssystem und den anderen prozessbezogenen Führungsteilsystemen an.1173 All dies erfolgt auf der Grundlage der zuvor bei der systembildenden Koordination getroffenen Aussagen zur Gestaltung der spezifischen Beziehungen zwischen der prozessbezogenen Organisation und den übrigen Führungsteilsystemen. So ist im Zusammenhang mit dem Informationssystem u.a. eine regelmäßige Überprüfung der Kongruenz von tatsächlicher Prozessstruktur und -abläufen sowie ihrer Abbildungs- und Steuerungsmöglichkeit über die vorhandenen Elemente des Informationssystems erforderlich. Gegebenenfalls sind diese Elemente neu zu konfigurieren, wenn die Organisation Veränderungen unterliegt. Umgekehrt können, wie zuvor bereits angedeutet wurde, Verbesserungen etwa der Informationstechnologie die Notwendigkeit von Veränderungen der Organisationsstruktur nach sich ziehen. Das Controlling stößt entsprechende Veränderungen an, gibt Empfehlungen und unterstützt durch Analysetätigkeiten. Das gilt auch in Bezug auf Planung und Kontrolle. Hier ist zu prüfen, ob auch bei ggf. veränderten Bedingungen geeignete Strategien entwickelt sowie deren Umsetzung überprüft werden können. Ziel ist es, eine mögliche, in gegebenen Organisationsstrukturen begründete und durch Umweltveränderungen ausgelöste „Strategieunfähigkeit“ zu verhindern. Eventuell müssen Aufgaben, Entscheidungs- oder Weisungsrechte neu 1173
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 186.
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D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
verteilt werden, wenn z.B. neuartige Kernkompetenzen entwickelt werden sollen oder andere Wertaktivitäten in innovativen Prozessabläufen integriert müssen, um auf Veränderungen von Kundenbedürfnissen reagieren zu können. Werden diesbezüglich Anpassungen vorgenommen, hat das Auswirkungen auf die organisatorische Ausgestaltung des Kontrollsystems. Hier müssen die Zuordnung von Kontrollobjekten zu Kontrollträgern sowie deren Ausstattung mit Kontrollkompetenz und Zugriffsrechten auf relevante Informationen neu konfiguriert werden. Solche Veränderungen schlagen sich auch in der Beziehung zwischen Organisationsvariablen und der Personalführung nieder. So müssen Führungs-, Motivations- und Anreizmechanismen sowie Personalentwicklung laufend überwacht werden. Sie unterliegen aufgrund der interdependenten Verflechtung von Personalführung und Organisation einerseits einer Beeinflussung durch Veränderungen der Organisationsvariablen, die sich in entsprechenden Anpassungserfordernissen niederschlägt. Diese sind durch das Controlling aufzuzeigen und Veränderungen anzustoßen. Andererseits können auch notwendige Anpassungen der Organisationvariablen durch Maßnahmen der Personalführung vorgenommen werden. Bspw. könnten Personalentwicklungsmaßnahmen vom Controlling angestoßen werden, um Machtstrukturen im Sinne einer kooperativeren Ausrichtung der Prozessführung zu beeinflussen, indem das Fachwissen der Mitglieder der Prozessteams gesteigert wird. Insgesamt lässt sich, auch vor dem Hintergrund der zuvor getroffenen Aussagen zur systembildenden Koordination des strategischen prozessbezogenen Organisationsystems für die systemkoppelnde Koordination eine starke Betonung der intersystemischen Koordination feststellen.1174 Während für das allgemeine Prozesscontrolling primär die Festlegung bzw. laufende Abstimmung von Gestaltungsparameter des Organisationssystems zur Unterstützung der ganzheitlichen Strukturierung der Prozesskette im Vordergrund steht, legt das strategische Prozesscontrolling die Akzente auf die „punktuelle“ Unterstützung der Organisation der Kernprozesse. Die Organisation gestaltet den formalen Rahmen für die Leistungserstellung und die damit verbundene 1174
Eine intrasystemische Koordination des strategischen prozessbezogenen Organisationssystems muss natürlich auch durchgeführt werden, weist allerdings keine prinzipiellen Unterschiede gegenüber der operativen bzw. allgemeinen Perspektive auf. Sie erfolgt damit üblicherweise bereits im Rahmen der „allgemeinen Aufgabenerfüllung“ des Prozesscontrollings und bedarf keiner „gesonderten“ Durchführung seitens eines strategischen Prozesscontrollings. Vgl. zur Vorgehensweise dabei allgemein Leistert, O. (2006), S. 182 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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Entwicklung und Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale, wobei die beschriebenen vielfältigen Beziehungen zwischen den Teilsystemen des strategischen Prozessmanagements bestehen. Die Entscheidungen des prozessbezogenen strategischen Organisationssystems zur zweckmäßigen Integration von Aufgaben, Aufgabenträgern sowie Ressourcen in geeigneten Kernprozessen sind daher mit den Entscheidungen in anderen Führungsbereichen abzustimmen. Somit zielen die Koordinationsaufgaben des strategischen Prozesscontrollings in Bezug auf das Organisationssystem vor allem auf die Gestaltung und Abstimmung an den Schnittstellen der Organisation mit den übrigen Teilführungssystemen an. 3.3
Ansätze zur Institutionalisierung von strategischem Prozesscontrolling
Die bisherigen Ausführungen dieser Arbeit befassten sich mit der Herleitung von Controlling-Zielen, Aufgaben und Instrumenten also aus einer funktionalen Perspektive mit dem strategischen Prozesscontrolling. Bei der Entwicklung einer theoretisch fundierten Controlling-Konzeption sind allerdings auch organisatorische Aspekte zu diskutieren.1175 Die grundlegenden Aufgaben des Organisationssystems wurden zuvor bereits charakterisiert.1176 Hier gilt es, diese in Bezug auf das strategische Prozesscontrolling wahrzunehmen, um ein solches nicht nur funktional, sondern auch institutional in das Unternehmen einzubetten. Als konkrete Aufgaben dominieren gemäß Literatur in diesem Zusammenhang v.a. Aspekte der Zentalisierung bzw. Dezentralisation, der Gestaltung von Weisungs- und Entscheidungskompetenzen1177 oder der Standardisierung und Formalisierung von Abläufen die Betrachtungen.1178 Diese Fragestellungen finden sich entsprechend auch in den Überlegungen zur organisatorischen Gestaltung des Controllings wieder.1179 Zur Klärung der Frage nach einer sinnvollen organisatorischen Gestaltung des strategi-
1175 1176 1177
1178 1179
Vgl. die Ausführungen zu den Elementen von Controlling-Konzeptionen in Abschnitt D 1.4.1 dieser Arbeit. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D 3.2.5.1 dieser Arbeit. Der Kompetenzbegriff bezeichnet in diesem Zusammenhang, anders als bisher in dieser Arbeit, die Handlungsrechte bspw. in Sinne von Entscheidungs- und Weisungsrechten, die dem strategischen Prozesscontrolling zugeteilt sind. Vgl. zu diesem Kompetenzbegriff Krüger, W. (2001), S. 139. Vgl. Picot, A./Dietl, H./Franck, E. (2008), S. 25. Vgl. z.B. Küpper, H.-U. (2005), S. 513 ff.; Horváth, P. (2003), S. 833 ff.; Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 470 ff.
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schen Prozesscontrollings sollen sie im folgenden Abschnitt auf ihre Implikationen für ein strategisches Prozesscontrolling hin untersucht werden. Aufgrund der Tatsache, dass die Institutionalisierung von Prozesscontrolling insgesamt in der Literatur bisher nur sporadisch erfolgt ist und damit diesbezüglich auch keine empirischen Ergebnisse vorliegen, erfolgt die Erkenntnisgewinnung deduktiv auf der Basis von Überlegungen zur organisatorischen Gestaltung des Controllings allgemein.1180 Die konkret diskutierten Aspekte umfassen dabei bedeutende interne und externe Einflussgrößen auf die Controllingorganisation, die Abgrenzung von Controllingaufgaben gegenüber anderen Bereichen, die Kompetenzverteilung und hierarchische Einordnung von Controllingbereichen sowie Anforderung an Controller.1181 3.3.1
Kontextbezogene Einflussfaktoren auf die Organisation von strategischem Prozesscontrolling
Grundsätzlich wirkt eine Vielzahl von Einflüssen auf die organisatorische Ausgestaltung des Controllings. Art und Ausmaß des Einflusses solcher sogenannter Kontextfaktoren für die Controllingorganisation sind Gegenstand einer ganzen Reihe von Publikationen.1182 Viele der dabei identifizierten Einflussgrößen, wie z.B. Absatz- und Faktormärkte, Technologie, politisch soziales Umfeld oder Wirtschaftsstruktur sind allerdings rein hypothetisch, ohne durch empirische Erkenntnisse über ihre Wirkungsweise gestützt zu werden.1183 Als empirisch zumindest eingeschränkt untermauerte Einflussfaktoren haben sich aus einer großen Zahl empirischer Untersuchungen1184 die Unternehmensgröße, die Um1180 1181
1182
1183 1184
Vgl. Leistert, O. (2006), S. 239, zu einer entsprechenden Vorgehensweise im Bezug auf das allgemeine Prozesscontrolling. Bezüglich der Identifizierung von Anforderungen an den strategischen Prozesscontroller bestehen gewisse Überschneidungen von Organisation und Personalführung. Letzterer obliegt üblicherweise die Formulierung konkreter Qualifizierungsprofile und die profilgerechte Akquise bzw. Entwicklung des Personals. Die Anforderungen an die Qualifikationen der Mitarbeiter erwachsen jedoch aus ihrer organisatorischen Einbindung ins Unternehmen, d.h. u.a. aus den ihnen zugewiesenen Aufgaben, Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen, den zur Aufgabenerfüllung bereitgestellten Ressourcen sowie dem vorgegeben Zeitrahmen und dem Rhythmus der Aufgabenerfüllung. Insofern sollten die aus der Ausgestaltung der Organisationsvariablen resultierenden Anforderungen an den strategischen Prozesscontroller auch Gegenstand der Erörterung von Organisationsfragen sein. Vgl. z.B. Becker, R./Mackenthun, M./Müller, R. (1978), S. 71 ff.; Zünd, A (1979), S. 15 ff.; Küpper, H.-U./Winckler, B./Zhang, S. (1990), S. 435 ff. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 836 f. Vgl. für einen Überblick Welge, M.K. (1988), S. 62 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
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welt und die Organisationsstruktur herauskristallisiert.1185 So weisen bspw. KÜPPER/WINCK-LER/ZHANG den positiven Zusammenhang zwischen der Größe eines Unternehmens (Beschäftigtenzahl) und der Einrichtung von Controlling-Stellen nach.1186 Dieser Zusammenhang gilt unabhängig von der Organisationsform, sodass sich für das strategische Prozesscontrolling keinerlei darüber hinausgehenden, spezifischen Empfehlungen ableiten lassen. Bezüglich der anderen Einflussfaktoren Organisationsstruktur und Umwelt können auf der Grundlage der empirischen Erkenntnisse erste Empfehlungen zur Institutionalisierung von strategischem Prozesscontrolling formuliert werden. So hat UEBELE empirisch festgestellt, dass Controller-Stellen in divisional organisierten Unternehmen häufiger als in funktionalen Organisationen vorkommen.1187 Man kann daher hinsichtlich der Auswirkungen der Organisationsstruktur annehmen, dass mit einer Dezentralisierung von Entscheidungen der Bedarf an Koordinationsinstrumenten und die Tendenz zur Einrichtung von Controller-Stellen zunehmen.1188 Dies lässt zumindest die Vermutung zu, dass das strategische Prozesscontrolling angesichts der für die Prozessorganisation charakteristischen dezentralen Entscheidungsstrukturen eine relativ hohe Zahl an Controlling-Stellen aufweisen sollte. Die Unternehmensstruktur wirkt sich zudem auf den Charakter der Controllingorganisation dergestalt aus, dass diese bei Spartenorganisation tendenziell Stabs-, bei funktionaler Organisation tendenziell Liniencharakter aufweist.1189 Die Prozessorganisation zeichnet sich durch eine Abkehr von sowohl der Segmentierung von Unternehmensbereichen nach dem Verrichtungsprinzip (funktionale Organisation) als auch der rein objektorientierten Segmentierung (Spartenorganisation) aus. Stattdessen erfolgt eine Abgrenzung von Verrichtungskomplexen, die für einzelne Produkte spezifisch ausgeprägt sind,1190 sodass für das strategische Prozesscontrolling eine Kombination
1185 1186 1187
1188 1189 1190
Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 513. Vgl. Küpper, H.-U./Winckler, B./Zhang, S. (1990), S. 439. Vgl. Uebele, H. (1981). S. 75 ff. Einschränkend wird dort jedoch auch angemerkt, dass dieser Zusammenhang auch auf die Größe der Unternehmen zurückgeführt werden könnte, da größere Unternehmen häufiger divisional Strukturiert sind. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 514. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 514 f. Vgl. Gaitanides, M. (2007), S. 75 sowie die grundliegenden Ausführungen in Kapitel B dieser Arbeit.
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D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
aus Linien- und Spartencontrolling als potenziell zweckmäßige Institutionalisierungsform angenommen werden kann. Für den verbleibenden Einflussfaktor Umwelt gestaltet sich die Ableitung von spezifischen Aussagen zur Institutionalisierung von strategischem Prozesscontrolling als noch schwieriger. Bezüglich des Einflusses der Unternehmensumwelt lässt sich mit steigender Dynamik und Heterogenität derselben lediglich eine allgemein höhere Notwendigkeit zur Lösung von Koordinationsproblemen durch spezifische Koordinationsorgane konstatieren.1191 Unterstellt man, dass die Einführung der Prozessorganisation selbst eine Anpassungsreaktion an die Dynamisierung der Unternehmensumwelt darstellt,1192 könnte damit also auch die Implementierung von Koordinationsorganen wie einem Prozesscontrolling einhergehen. Die könnte besonders für die strategische Dimension gelten, da aus steigender Umweltdynamik und -he-terogenität häufig eine zunehmende Gefährdung der langfristigen Unternehmensexistenz erwächst. Eine über diese nur sehr grundlegenden Aspekte hinausgehende Aussage lässt sich jedoch nicht treffen. Insgesamt reichen die hier gegebenen Empfehlungen nicht über grobe Tendenzaussagen hinaus, zumal auch keinerlei Aussagen über die Güte bzw. Zweckmäßigkeit in der Praxis realisierten Institutionalisierungsansätze möglich ist. Die empirisch festgellten Wirkungsweisen der Kontextfaktoren geben zwar erste Anhaltspunkte für die Institutionalisierung von strategischem Prozesscontrolling, verlässliche Gestaltungsvorschläge lassen sich jedoch nicht ableiten.1193 3.3.2
Aufgabenabgrenzung des strategischen Prozesscontrollings gegenüber anderen Bereichen in der Unternehmensorganisation
Kristallisationskern für jegliche Organisationsgestaltung ist die Frage nach der Abgrenzung und Verteilung der Aufgaben. Das strategische Prozesscontrolling wurde in dieser Arbeit als dasjenige Führungsteilsystem definiert, das die Sekundärkoordinationsaufgabe von strategischer Prozessplanung, -kontrolle, -organisation sowie prozessbezogener Personalführung und Informationsversorgung im Hinblick auf die Entwicklung und Nutzung von Erfolgspotenzialen wahrnimmt. Da das strategische Prozesscontrolling also gegenüber dem strategischen Prozessmanagement eine Servicefunkti1191 1192 1193
Vgl. Horváth, P. (2003), S. 838. Vgl. die Ausführungen in Kapitel A dieser Arbeit. Vgl. grundlegend Horváth, P. (2003), S. 838.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
351
on erfüllt, ist bei seiner Institutionalisierung die Organisation der strategischen Prozessführung insgesamt zu berücksichtigen.1194 Aus der engen Verknüpfung des Controllings mit der Unternehmensführung „erwächst die Schwierigkeit der Aufgabenabgrenzung gegenüber den in ihnen eingerichteten Stellen.“1195 So hat sich das Prozesscontrolling beispielsweise am Gesamtunternehmenscontrolling zu orientieren, dessen Bestandteil es darstellt.1196 Inhaltlich stellt sich hier also zunächst einmal die Frage, ob die Aufgaben des strategischen Prozesscontrollings überhaupt von einer speziell dafür eingerichteten Controlling-Stelle wahrgenommen werden, oder ob andere Stellen im (Prozess-)management und Unternehmenscontrolling diese bewältigen sollen.1197 „Einerseits bedeutet die […] vorgenommene Herausarbeitung charakteristischer Aufgaben der Funktion Controlling nicht, dass für deren Wahrnehmung eigene Controller-Stellen einzurichten sind. Umgekehrt beinhaltet die Abgrenzung von Aufgaben des Controlling auch nicht, dass ihre Zusammenfassung in einem eigenen Organisationsbereich in allen Fällen unzweckmäßig sei.“1198 LEISTERT spricht sich bezüglich des Prozesscontrollings allgemein für dessen Institutionalisierung aus. 1199 Er begründet dies u.a. mit positiven Spezialisierungseffekten wie der besseren Generierung relevanten Wissens hinsichtlich der zu koordinierenden Entscheidungen und der anzuwendenden Instrumente. Auch kann so ein stärkeres Bewusstsein für diese Stelle bei Unternehmensführung und Prozessmanagement geschaffen werden. Diese Argumentation lässt sich insbesondere unter Verweis auf die strategische Bedeutung der Unternehmensprozesse auch auf das strategische Prozesscontrolling übertragen. Die Sekundärkoordinationsaufgabe im strategischen Prozessmanagement gestaltet sich nämlich als äußerst komplexes und vielschichtiges Unterfangen.1200 Entsprechend bestünde bei Nichtinstitutionalisierung das Risiko, dass aufgrund fachlicher, personeller und zeitlicher Kapazitätsengpässe im strategischen Prozessmanagement keine ausreichende Sekundärkoordination vorhanden ist. Weiterhin weist 1194 1195 1196 1197 1198 1199 1200
Vgl. hierzu grundsätzlich Horváth, P. (2003), S. 843 f. Küpper, H.-U. (2005), S. 518. Vgl. Schmelzer, H.J./Sesselmann, W. (2006), S. 230. Vgl. analog zum Prozesscontrolling allgemein Leistert, O. (2006), S. 240. Küpper, H.-U. (2005), S. 518. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Leistert, O. (2006), S. 240 ff. Vgl. die Ausführungen bezüglich der Ziele und Aufgaben des strategischen Prozesscontrollings in Abschnitt 3 dieses Kapitels.
352
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
LEISTERT auf das mögliche Vorhandensein emotionaler Abwehrhaltungen hin, sollte die übergreifende Sekundärkoordinationsaufgabe von einem Teilbereich wahrgenommen werden. So sei nicht auszuschließen, dass Partikularinteressen die Interessen des Unternehmens dominieren. Entsprechend würden Entscheidungen „ausschließlich im Lichte des eigenen Verantwortungsbereiches gesehen, eine bereichsübergreifende Betrachtung […] unterbleibt.“1201 Die organisatorische Übertragung der Aufgaben des strategischen Prozesscontrollings auf die übrigen Führungsbereiche wäre somit im Hinblick auf die Koordinationsaufgabe kritisch zu bewerten, eine Institutionalisierung des strategischen Prozesscontrollings anzustreben.1202 Wird die Frage nach einer eigenständigen Institutionalisierung von strategischem Prozesscontrolling vor diesem Hintergrund positiv beantwortet, besteht weiterhin eine Vielzahl von Möglichkeiten, dieses organisatorisch an die existierenden Bereiche von Unternehmensführung und -controlling anzubinden bzw. Aufgaben- sowie Kompetenzabgrenzungen vorzunehmen. Im Folgenden sollen diesbezüglich relevante inhaltliche Gesichtspunkte der organisatorischen Aufgabenabgrenzung und -zuteilung im strategischen Prozesscontrolling diskutiert werden. Diese Problemstellung betrifft die Binnenstruktur des strategischen Prozesscontrollings und die Frage, welche „Abteilungen dem strategischen Prozesscontrolling bzw. welchen Abteilungen der strategische Prozesscontroller“ zugeordnet wird.1203 Traditionell besteht eine enge Verbindung zwischen Controlling und Teilen des Informationssystems in Form des Rechnungswesens. Für eine Verknüpfung des Controllings mit der Kostenleistungsrechnung als wichtigem Element des internen Rechnungswesens spricht beispielsweise seine Bedeutung als Informationslieferant für Planung und Kontrolle.1204 So soll und kann das Controlling die Koordination dieser Führungsteilsysteme durch Gestaltung des Rechnungswesens unterstützen. Auch ist die Erfüllung von Informationsnachfragen im Zuge von kostenbezogenen Abweichungsanalysen relativ einfach zu bewerkstelligen, was sich, u.a. aufgrund der traditionell 1201 1202
1203 1204
Leistert, O. (2006), S. 242. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der faktischen Relevanz der Institutionalisierung von strategischem Prozesscontrolling. Auch an dieser Stelle soll deshalb nochmals auf den idealtypischen Charakter dieser Erörterungen hingewiesen werden. Demgemäß wird hier die Institutionalisierung von strategischem Prozesscontrolling postuliert, obwohl diese in der gegenwärtigen Praxis die Ausnahme sein sollte. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 854. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 519.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
353
hohen Bedeutung der Kosten als Führungsgröße, positiv auf die Koordination von Planung, Kontrolle und Informationsversorgung im Sinne der kybernetischen Regelkreisbetrachtung auswirken kann.1205 Für das strategische Prozesscontrolling ist jedoch zu konstatieren, dass eine derartige Abgrenzung insbesondere aufgrund der Multidimensionalität prozessbezogener Führungsgrößen und der hohen Bedeutung schlecht quantifizierbarer Faktoren im strategischen Kontext als zu kurz gegriffen erscheint. Das strategische Prozesscontrolling fokussiert die Koordination aller Führungsteilsysteme im Hinblick auf die Entwicklung und Nutzung von Erfolgspotenzialen, wohingegen der inhaltliche Bezugspunkt des Rechnungswesens im Leistungssystem liegt. Zwar schlagen sich die Koordinationsziele des strategischen Prozesscontrollings langfristig in der Erreichung der Finanz- bzw. Ergebniszielen nieder, jedoch birgt die Zusammenfassung von strategischem Prozesscontrolling mit dem Rechnungswesen die Gefahr der Vernachlässigung der Sekundärkoordinations- und Informationsbedarfe anderer Bereiche, falls etwa leistungssystembezogene Aspekte wie die Gestaltung und Abwicklung von Kosten- und Erlösrechnungen oder die Erfolgsberichterstattung in den Vordergrund rücken.1206 Grundsätzlich auch denkbar wäre eine organisatorische Anbindung des strategischen Prozesscontrollings an die Planung.1207 „Die Koordination zwischen Informationssystem und Planung erfordert nicht nur die Bereitstellung, sondern auch die Nutzung der relevanten Informationen. Um dies abzusichern, kann man dem Controllingbereich Planungsaufgaben übertragen.“1208 Dies hätte jedoch eine Loslösung der Planung aus den Funktionsbereichen wie z.B. Marketing, Fertigung, Finanzierung zur Folge, die üblicherweise einen großen Teil der Planungskompetenzen und -aufgaben mittragen, da die dort tätigen Mitarbeiter das für ihre Planung jeweilig notwendige Wissen besitzen. Etwaigen Vorteilen einer Eingliederung strategischer Prozessplanung durch die Kopplung an die Planungserfahrung der Controller stünden die Nachteile eventuell fehlenden Know-Hows der Controller im Rahmen der Prozessstrategieentwicklung entgegen.1209 In der Prozessorganisation gilt dies aufgrund stärker dezentralisierter Strukturen für die jeweiligen Prozessverantwortlichen und ihre Prozessteams in noch 1205 1206 1207 1208 1209
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D 3.2.3 dieser Arbeit. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 520. Vgl. zu den folgenden Ausführungen allgemein Küpper, H.-U. (2005), S. 521 f. Küpper, H.-U. (2005), S. 521. Vgl. hierzu grundsätzlich Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 473.
354
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
höherem Maße. Das Verbleiben eines gewichtigen Teils der strategischen Planungsaufgaben bei den Prozessverantwortlichen ist aufgrund ihrer Detailkenntnis über prozessimmanente Erfolgspotenziale unvermeidlich. Die umgekehrte Zuweisung von Aufgaben der Sekundärkoordination an die Prozessplaner gestaltet sich, wie eingangs in diesem Abschnitt beschrieben, aufgrund der fehlenden übergreifenden, führungssystembezogenen Perspektive als schwierig. Eine teilweise Anbindung des strategische Prozesscontrollings an das strategische Planungssystem, dergestalt dass dem Controlling gewisse Planungstätigkeiten wie die Analyse, die Entwicklung und der Einsatz von Planungstechniken, die Überprüfung und Konsolidierung von Plänen oder die Gestaltung der planungsunterstützenden EDV-Systeme zugeordnet werden, erscheint durchaus sinnvoll.1210 Ähnlich verhält es sich auch in Zusammenhang mit der Kontrolle.1211 Die Tätigkeiten des strategischen Prozesscontrollings zur Unterstützung der strategischen Kontrolle sollen eine bessere Koordination des gesamten Führungshandelns bei Strategieentwicklung und -um-setzung sicherstellen. Diese strategischen Kontrollaufgaben sind einerseits von den vom Kontrollsystem wahrgenommenen Aufgaben entlang der operativen Prozesskette abzugrenzen, andererseits stehen sie in Beziehung zur internen Revision. Letztere weist dahingehend Überschneidungsbereiche zum Controlling auf, als dass sie die Beurteilung unternehmerischer Entscheidungen, die Ursachen- und Schwachstellenanalyse sowie die Ausarbeitung von Verbesserungsvorschlägen und Beratung der Unternehmensführung umfasst.1212 Unterschiede bestehen dahingehend, dass das Controlling mehr Gewicht auf eine zielorientierte Verhaltenssteuerung und Entscheidungsvorbereitung als auf die reine ex-post Feststellung der (Nicht)Ordnungsmäßigkeit von Vorgängen legt. Entsprechend weist das Controlling einen stärkeren Ex-ante-Charakter auf, ist laufend in die Steuerung bzw. die die Steuerungsfunktion konstituierenden Führungsprozesse involviert und weist eine engere Verbindung mit den Linienfunktionen auf. Für die organisatorische Eingliederung beider Bereiche formuliert KÜPPER allgemein folgenden Empfehlungen: „Als äußerst wichtige Voraussetzung für die objektive Tätigkeit der Revision ist ihre Unabhängigkeit zu sehen. Sie muss bei der Durchführung von Prüfungen große Einsichtmöglichkeiten und 1210
1211 1212
Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 521 sowie die Ausführungen zur systembildenden Koordination innerhalb des Planungssystems in Abschnitt C 3.2.1.2 dieser Arbeit. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 522 f. Vgl. Hofmann, R. (1992), Sp. 862.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
355
eine hohe legitimierte Autorität besitzen. Dagegen sollen Controller unmittelbar an Informations- und Planungsprozessen mitwirken. Ihr Einfluss soll sich stark auf Fachwissen stützen.“1213 Diese Zusammenhänge gelten verstärkt auch in Bezug auf das strategische Prozesscontrolling. Man kann aufgrund der komplexeren Informationssituation in der Prozessorganisation (Multidimensionalität der Führungsgrößen) und der Ungewissheit über zukünftige strategische Entwicklungen das Fehlen klarer formeller und materieller Kontrollmaßstäbe konstatieren, sodass eine institutionelle Trennung von strategischem Prozesscontrolling und der Kontrolle, insbesondere der internen Revision, anzustreben ist. Im Hinblick auf die Abgrenzung von strategischem Prozesscontrolling und der Personalführung gelten die folgenden Zusammenhänge: Eine „Übertragung von Kompetenzen in Form von Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrechten bietet sich für den Controller an, soweit es um die Gestaltung spezifischer Anreizsysteme geht.“1214 Diese grundsätzlich zu befürwortende Feststellung ist für das strategische Prozesscontrolling dahingehend zu erweitern, dass inhaltlich v.a. Aufbau und Nutzung kernkompetenzbezogener Mitarbeiterpotenziale fokussiert werden sollten. So müssen Anreizsysteme in enger Abstimmung mit dem Wissens- und Kompetenzmanagement gestaltet werden.1215 Diese Aufgaben der Personalführung und -ent-wicklung bleiben dabei Prozessverantwortlichen und Personalführung vorbehalten. Zusammenfassend wird deutlich, dass einige Überschneidungsbereiche zwischen dem strategischem Prozesscontrolling und den übrigen Führungsbereichen im Unternehmen bestehen. Dabei gibt es bei der Zuweisung von Aufgaben durchaus Überschneidungen, die an der einen oder anderen Stelle Argumente für die organisatorische Angliederung des strategischen Prozesscontrollings an andere Führungsbereiche liefern. Insgesamt jedoch lassen sich die Aufgaben des strategischen Prozesscontrollings hinreichend von anderen Führungsbereichen abgrenzen, sodass die Institutionalisierung in einem spezifischen Bereich angezeigt ist. Dies erscheint auch zur Wahrung der führungssystemübergreifenden Koordinationsfähigkeit notwendig. Die identifizierten Überschneidungsbereiche erfordern aus organisatorischer Sicht eine entsprechende Schnittstellenbildung, d.h. die bereichsübergreifende Festlegung von Informations- und Kommuni1213 1214 1215
Küpper, H.-U. (2005), S. 523. Küpper, H.-U. (2005), S 524. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D 3.2.4.4 dieser Arbeit.
356
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
kationskanälen sowie Entscheidungs- und Weisungskompetenzen, welche im Rahmen der Institutionalisierung zu realisieren ist. 3.3.3
Hierarchische Einordnung und Kompetenzverteilung bei der Gestaltung des strategischen Prozesscontrollings
Die Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich der hierarchischen Einordnung des Controllings umfassen im Allgemeinen die in Abbildung 49 dargestellten Alternativen.1216 So besteht die Möglichkeit der Institutionalisierung von Controlling als separatem Unternehmensbereich, das hierarchisch auf der zweiten Leitungsebene unterhalb der Geschäftsführung angesiedelt ist. Damit wären eine relativ hohe Positionierung des Controllers mit einer entsprechenden Kompetenzausstattung und einem hohen Maß an Unvoreingenommenheit bei der Betrachtung von Koordinationsaufgaben verbunden. Bei einer Einordnung auf einer niedrigeren Ebene der Unternehmenshierarchie durch Unterstellung etwa unter das Finanz- und Rechnungswesen würden die Einflussmöglichkeiten der Controller abnehmen. Sie können für die Koordination im Führungssystem wichtige Aspekte gegenüber den Interessen anderer Führungsbereiche nur begrenzt durchsetzen, wodurch der Aufgabenbereich des Controllings mitunter eingeschränkt wird. Als dritte Alternative bietet sich die Bildung einer Stabstelle an, welche der Geschäftsleitung zuarbeitet. Die Controller können ihren Einfluss dabei nur mittelbar über ihren Vorgesetzten geltend machen, ist dessen persönlicher Einfluss jedoch hoch, kann eine intensive Berücksichtigung von Controllingsaspekten realisiert werden.
1216
Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 528 f.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings 1.
357
Geschäftsleitung
Finanzen
…
2.
Controlling
Geschäftsleitung
Finanzen
…
Treasurer
3.
…
…
Controlling
Geschäftsleitung
Controlling
Finanzen
…
Abbildung 49: Alternative Einordnungen des Controllings1217
Neben der hierarchischen Einordnung des Controllings insgesamt spielt die Gestaltung der Beziehungen zwischen verschiedenen Controller-Stellen eine wichtige Rolle bei der Institutionalisierung. Hierbei spielt der Dezentralisierungsgrad des Controllings im Unternehmen eine Rolle. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit einer zentralen oder dezentralen Einbettung von Controller-Stellen in das Unternehmen, wobei die Dezentralisierungstendenzen in der Controllingorganisation mit der in den Unternehmen über 1217
In Anlehnung an Küpper, H.-U. (2005), S. 528; Becker, W. (2000b), S. 124.
358
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
die Jahre zu beobachtenden Entwicklung zur stärkeren Dezentralisierung von Entscheidungsverantwortung zunahmen.1218 Dezentrale Controllerbereiche finden sich vor allem in großen Konzernorganisationen in einzelnen Funktionsbereichen (z.B. Logistik-, Marketing-, Personal- und Anlagen-Controlling) und Geschäftsbereichen (z.B. Produktgruppen-, Abnehmergruppen-, Regions- oder Werks-Controlling) und nehmen dort Controllingaufgaben wahr,1219 während das zentrale Controlling für die Koordination aller Controlling-Bereiche zuständig ist und dafür sorgen muss, dass diese auf das Gesamtzielsystem des Unternehmens ausgerichtet bleiben.1220 Für die Gestaltung der hierarchischen Beziehungen zwischen zentralem und dezentralem Controlling existieren verschiedene Möglichkeiten. Grundsätzlich wird zwischen fachlicher und disziplinarischer Weisungsbefugnis bzw. Unterstellung differenziert. „Erstere beinhaltet die Kompetenz für den Aufgabeninhalt und die Art der Lösung. Beispielsweise umfasst sie die Vorgehensweise bei der Erfüllung der Controllingaufgaben und die hierbei anzuwendenden Methoden. Dagegen bezieht sich die disziplinarische Unterstellung auf Fragen der Arbeits- und Zeitregelung, Personalbeurteilung, Entlohnung u.Ä.“1221 Die jeweiligen Extremlösungen einer reinen Unterordnung dezentraler Controllingbereiche unter das Zentralcontrolling auf der einen oder die Leiter der spezifischen Fachbereiche auf der anderen Seite sowie mögliche duale Unterstellungsformen verteilter Weisungsrechte sind grundsätzlich mit einer Reihe von Vor- und Nachteilen behaftet, die in Tabelle 13 in Anlehnung an SCHÜLLER dargestellt sind. Diese Vor- und Nachteile gilt es nun im Hinblick auf das strategische Prozesscontrolling abzuwägen.1222 In Abschnitt 1.3 dieses Kapitels wurde bereits festgestellt, dass das prozessorientierte Controlling im Vergleich zum funktionalen Controlling tendenziell stärker dezentralisiert ist und ein Teil der ControllingAufgaben den Prozessteams übertragen wird. Insofern gilt es an dieser Stelle, etwas modifiziert die Alternativen der Unterstellung des Prozesscontrollers unter das Zentralcontrolling einerseits oder die jeweiligen Prozessverantwortlichen andererseits zu diskutieren, da die „klassischen“ Linieninstanzen in der Prozessorganisation entfallen. 1218 1219 1220 1221 1222
Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (2008), S. 470 f. Vgl. Küpper, H.-U./Weber, J./Zünd, A. (1990), S. 287. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 530. Küpper, H.-U. (2005), S. 531. Die folgenden Aspekte basieren auf Überlegungen, die Leistert, O. (2006), S. 244 ff. bezüglich des Prozesscontrollings allgemein anstellt. Sie werden im Folgenden aufgegriffen und für das strategische Prozesscontrolling präzisiert.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings Unterstellung Prozessverantwortlicher Gute und vertrauliche Zusammenarbeit mit den Prozessteams Schnelle Information der Zentrale
positiv
Guter Zugang zu formellen und informellen Quellen Möglichkeit, Prozessteams bei Entscheidungen besser zu unterstützen Starkes Eingehen auf Bedürfnisse der Prozessverantwortlichen
negativ
359
Unterstellung Zentralcontroller Einheitliche Durchführung des Controllingkonzepts
Duale Unterstellung Kompromiss zwischen zwei Extremen
Gegengewicht bei Beteiligung an Entscheidungen der Prozessverantwortlichen
Möglichkeit, Prozesskenntnisse besser mit Controllingnotwendigkeiten zu verbinden
Starke Betonung des integrativen Koordinationsaspekts
flexible Einflussnahme auf Spezialcontroller
Schnelle Durchsetzung neuer Konzepte Unabhängigkeit gegenüber Prozessverantwortlichen
ControllingGesamtkonzept wird vernachlässigt
Schnelle Information der Zentrale Ggf. Wahrnehmung der Spezialcontroller als „Spion der Zentrale“
Verstärkung des Partikularismus
Informationsblockade der Prozessteams
Berichterstattung an Zentralcontroller wird vernachlässigt
Spezialcontroller wird isoliert
Doppelunterstellungen verursachen ggf. Dauerkonflikte Wird weder von den Prozessteams noch von Zentralcontrolling akzeptiert Objektivität und Neutralität nicht gegeben
Geringe Akzeptanz Mangelnde Distanz und Objektivität zu Aktivitäten der Prozessteams
Wird nicht zur Entscheidungsunterstützung herangezogen Prozessspezifische Besonderheiten werden wenig beachtet
Tabelle 13: Alternative hierarchischer Unterstellung dezentraler Prozescontroller1223
Wird das strategische Prozesscontrolling allein dem Zentralcontrolling unterstellt (Alternative 1), folgt daraus seine Unabhängigkeit von den disziplinarischen und fachlichen Weisungen der jeweiligen Prozessverantwortlichen. Damit kann die Ausrichtung prozessorientierter Koordination leichter im Hinblick auf die unternehmensweite Ziel1223
In Anlehnung an Schüller, S. (1984), S. 210.
360
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
erreichung erfolgen, ein Umstand, der insbesondere im strategischen Kontext bedeutsam ist. Diesbezüglich etwaig existierenden Widerständen innerhalb der Prozessteams kann der Controller als kritische Instanz entgegentreten, „ohne Furcht vor negativen Konsequenzen.“1224 Nachteile ergeben sich aus der möglicherweise mangelnden Akzeptanz des Controllers innerhalb der Prozessteams. Im Extremfall könnte er als „Spion der Zentrale“1225 deklariert werden, dem die erforderliche Einsicht in die strategisch relevanten Koordinationsprobleme des Prozessmanagement verweigert wird. Als Folge dieser Informationsblockade kann die unternehmensweite Koordination des strategischen Prozessmanagements stark beeinträchtigt werden. Diesbezüglich Abhilfe kann die fachliche Unterstellung des dezentralen strategischen Prozesscontrollings unter die Prozessverantwortlichen bei Beibehaltung der disziplinarischen Unterordnung unter das Zentralcontrolling schaffen (Alternative 2). So kann weiterhin die kritische Distanz zum jeweiligen Prozessverantwortlichen gewahrt bleiben, disziplinarische Konsequenzen sind nach wie vor nicht zu befürchten, gleichzeitig kann aufgrund der fachlichen Anbindung des strategischen Prozesscontrollings leichter seine Akzeptanz in den Prozessteams sichergestellt werden. Als nachteilig ist an dieser Stelle jedoch zu konstatieren, dass das unternehmensbezogene ControllingGesamtkonzept möglicherweise nicht konsequent verfolgt wird, weil das Prozessmanagement dem strategischen Prozesscontrolling Anweisungen für die Ausführung der Koordinationsaufgaben vorgibt.1226 Zudem besteht die Gefahr der Entstehung von Konflikten zwischen den Interessen der Prozessverantwortlichen und dem strategischen Prozesscontrolling, die sich in divergierenden fachlichen und disziplinarischen Anweisungen niederschlagen könnten, wodurch der dezentrale Prozesscontroller in der Verfolgung direkter und indirekter Controlling-Ziele eingeschränkt würde. Ändert man diese Unterstellungsverhältnisse dergestalt, dass eine fachliche Unterstellung des strategischen Prozesscontrollings unter das Zentralcontrolling und eine disziplinarische Unterordnung unter die Prozessverantwortlichen erfolgt (Alternative 3), verkehren sich die Vor- und Nachteile entsprechend. Die prozessorientierte Koordination im Sinne der Realisierung einer unternehmensweiten konsistenten Abstimmung wird gefördert, die Stellung des dezentralen Controllers als unabhängige kritische Instanz jedoch beeinträchtigt. Weiterhin besteht die Gefahr der Einschränkung des Controllers 1224 1225 1226
Leistert, O. (2006), S. 245. Schüller, S. (1984), S. 210. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 245 f.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
361
aufgrund von Interessenkonflikten zwischen Prozessverantwortlichen und Zentralcontrolling. Als letzte Alternative verbleit noch die vollständige Unterstellung der dezentralen Controller im Prozessmanagement (Alternative 4). Wie bei der alleinigen Unterstellung unter das Zentralcontrolling könnten so Konflikte zwischen fachlichen und disziplinarischen Weisungen minimiert werden. Positiv ist auch die damit verbundene Nähe zwischen Controllern und den Prozessverantwortlichen zu bewerten, die die Koordination der Führungsentscheidungen erleichtert und gleichzeitig mit der optimalen Akzeptanz des dezentralen Controllers bei den Prozessteams einhergeht. Allerdings besteht dabei durchaus „die Gefahr einer weitestgehenden Isolation des Prozesscontrolling […] mit der Folge einer aus Sicht des Unternehmenscontrolling suboptimalen Ausführung der prozessorientierten Koordination im Prozessmanagement“1227, da für die dezentralen Controller keinerlei Konsequenzen aus der Nichtberücksichtigung des unternehmensweiten Koordinationsbedarfes resultieren würden. Das Prozessmanagement bzw. der Prozessverantwortliche würde alleine bestimmen, inwieweit der Controller seine Position als kritische Instanz ausfüllt, was im schlimmsten Fall einer Konterkarierung dieser originären Controlling-Funktion gleichkäme. Die hier dargestellten Vor- und Nachteile abwägend, kommt LEISTERT für das Prozesscontrolling allgemein zu dem Ergebnis, dass die Vorteilhaftigkeit bestimmter Unterstellungsalternativen nicht eindeutig bzw. stark von situativen Einflüssen abhängig ist.1228 Dem ist sicherlich grundsätzlich zuzustimmen, wobei im Hinblick auf das strategische Prozesscontrolling inhaltliche Ergänzungen zu machen sind. So liegt innerhalb des strategischen Kontexts der Fokus der Sekundärkoordination auf der Unterstützung der Entwicklung und Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale durch die Entscheidungen des Prozessmanagements. Das erfordert v.a. unternehmensweite Koordination. Alle Unternehmensprozesse müssen auf die Erreichung der Gesamtunternehmensziele hin ausgerichtet werden, z.B. im Rahmen des Kernkompetenzmanagements beim Transfer prozessimmanenter Kompetenzen auf andere Unternehmensbereiche bzw. -prozesse1229 oder bei der unternehmensweiten Realisierung von Transaktions- und Qualitätskostensenkungen.1230 Wichtig ist für das strategische Prozesscontrolling neben der grundsätzlich erforderlichen unternehmensweiten Perspektive dabei 1227 1228 1229 1230
Leistert, O. (2006), S. 246. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 246. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 3.4.3 dieser Arbeit. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt C 2.2.3.1 und C 4.3 dieser Arbeit.
362
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
v.a. die Wahrung seiner Unabhängigkeit als kritische Instanz. Nur so kann das Controlling individuell-eigennützigen Entscheidungen innerhalb der Prozessteams entgegenwirken. Insofern sind tendenziell die ersten beiden Unterstellungsalternativen zu präferieren. Innerhalb dieser beiden könnte sich die Verteilung von Weisungsrechten (Alternative 2) als die Bessere erweisen, da sie eine detailliertere Einsichtnahme in die Koordinationsprobleme entlang der Prozesskette ermöglicht und somit neben der disziplinarischen auch die fachliche Situation der strategischen Prozesscontroller optimiert. Bedingung hierfür ist allerdings, dass die Probleme, die aus der Doppelunterstellung resultieren, jene Vorteil nicht überkompensieren. Mit der Frage nach der hierarchischen Einordnung des strategischen Prozesscontrollings geht auch die Frage der Kompetenzausstattung der Controller-Stellen einher. Grundsätzlich müssen Controller zur Wahrnehmung von Einfluss ausreichend mit Kompetenzen ausgestattet sein.1231 Die Beantwortung der Frage, was als „ausreichend“ zu bezeichnen ist, und die entsprechende Zuteilung von Kompetenzen zum Controlling richten sich nach den zu erfüllenden Aufgaben.1232 Die hier vertretene koordinationsorientierte Controlling-Konzeption weist dem strategischen Prozesscontrolling die führungsunterstützende Sekundärkoordinationsaufgabe zu. Insofern erscheint es sinnvoll, dem Controller die Rechte einzuräumen, eigenständig relevante Informationen zu beschaffen und auszuwerten (Verfügungs- und Informationskompetenz) sowie den Entscheidungsträgern Lösungsvorschläge unterbreiten zu dürfen (Anhörungskompetenz).1233 Diese in der Organisationstheorie unter dem Begriff leistungsunterstützende Kompetenzen subsumierten Handlungsrechte1234 sind im strategischen Prozesscontrolling, insbesondere was die Zugriffsrechte auf sensible, d.h. erfolgskritische Informationen oder die Unterbreitung von Vorschlägen auf höchster Managementebene angeht, besonders ausgeprägt. Überdies hinaus sollten dem strategischen Prozesscontrolling spezifische Leitungskompetenzen zugewiesen werden.1235 Leitungskompetenzen bezeichnen grundsätzlich auf die Willensbildung und -durchsetzung bezogene Kompetenzen und umfassen Antrags-, Entscheidungs-. Weisungs-, Mitsprache- sowie Kontrollkompetenzen. So muss 1231 1232 1233 1234 1235
Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 525. Vgl. Leistert, O. (2006), S. 251. Vgl. analog zum Prozesscontrolling allgemein Leistert, O. (2006), S. 253. Vgl. zu den Kompetenzen Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1994), S. 125 ff. Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1994), S. 125 ff.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
363
das strategische Prozesscontrolling in die Lage versetzt werden, eigenständig Kontrollen durchzuführen und bei festgestellten Abweichungen Entscheidungen initiieren zu können.1236 Ohne derartige Kompetenzen wäre das strategische Prozesscontrolling immer auf die Unterstützung des strategischen Prozessmanagements angewiesen, was einen Verlust an Autorität zur Folge haben und insbesondere die Verfolgung der Zielausrichtungs- sowie Anpassungs- und Innovationsfunktion gefährden könnte. 3.3.4
Anforderungen an den strategischen Prozesscontroller
Als gängige Methode zur Kennzeichnung der Anforderungen an Controller kam in der Vergangenheit die induktive Auseinandersetzung mit dem konkreten von Unternehmen formulierten Erwartungen hinsichtlich der Qualifikation ihrer Controller zum Einsatz. So fußt eine ganze Reihe entsprechender Überlegungen auf der Analyse von Stellenanzeigen für Controller in überregionalen Tageszeitungen.1237 Auf der Grundlage dieser Betrachtungen lässt sich schließen, dass die Einsatzgebiete von Controllern im Allgemeinen sehr vielfältig sind und somit Aussagen über konkrete Anforderungen an die Person des Controllers vor dem Hintergrund des jeweiligen situativen Kontextes zu relativieren bzw. zu spezifizieren wären.1238 Ein allgemeingültiges Controllerprofil, welches sich dann auch auf das strategische Prozesscontrolling übertragen ließe, kann so nicht formuliert werden. Besser eignen sich in diesem Zusammenhang deduktiv ermittelte Anforderungsprofile, die eine Systematisierung einzelner Anforderungen ermöglichen, wie z.B. das Konzept von KÜPPER, das im Folgenden dargestellt (vgl. Tabelle 14) werden soll.1239
1236 1237 1238 1239
Vgl. hierzu und den folgenden Ausführungen grundsätzlich Leistert, O. (2006), S. 254. Vgl. z.B. Pfohl, H.-C./Zettelmeyer, B. (1985), S. 7 ff.; Weber, J./Kosmider, A. (1991), S. 17 ff.; Weber, J./Schäffer, U. (1998b), S. 227 ff. Vgl. Horváth, P. (2003), S. 891. Vgl. Küpper, H.-U. (1990), S. 325 ff. sowie zu den folgenden Überlegungen Küpper, H.-U. (2005), S. 536 ff.
364
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens Fachliche Anforderungen Art der Fachkenntnisse Inhaltliche Gegenstände und Erfahrungen
Betriebswirtschaftliche Theorien der Beziehungen im Führungsund im Leistungssystem Koordinationsinstrumente Ziel- und Kennzahlensysteme Budgetierungssysteme Lenkungspreissysteme Methoden der Erfolgsplanung und -kontrolle Verhaltenstheorien
Persönliche Anforderungen
Informationssystem
Intelligenz
Kosten- und Leistungsrechnung Investitionsrechnung (Externe Rechnungslegung) (Sozialbilanzrechnung) (Humanvermögensrechnung) EDV
Analytisches Denkvermögen Geistige Flexibilität
Planung und Kontrolle
Zuverlässigkeit
Systeme Prozesse Instrumente
Führungseigenschaften
Sozialverhalten Kontaktfähigkeit Überzeugungsfähigkeit
Motivationsinstrumente Früherkennungsmethoden
Zielsysteme
Kreativitätstechniken
Lösung von Zielkonflikten Zielbildung Personalführung Führungsstile Anreizsysteme Bestimmungsgrößen menschlichen Verhaltens Organisation Interdependenzen im Leistungssystem
Tabelle 14: Wichtige Komponenten des Anforderungsprofils für Controller1240
Im Hinblick auf das strategische Prozesscontrolling folgt hinsichtlich der Art der Fachkenntnisse und Erfahrung eine Erweiterung u.a. auf die betriebswirtschaftlichen Theorien des strategischen Managements, insbesondere die Wirkungszusammenhänge bei der Entstehung und Nutzung von Erfolgspotenzialen betreffend.1241 Das wirkt sich 1240 1241
Küpper, H.-U. (2005), S. 536. Das schließt insbesondere die in Kapitel C dieser Arbeit erörterten Zusammenhänge über die theoretischen Ursprünge und Grundlagen der Entstehung von Erfolgspotenzialen in der Prozessorganisation ein. Überhaupt weist das Anforderungsprofil des strategischen Prozesscontrollers
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
365
auf die von den Controllern zu beherrschenden Methoden und Instrumente aus, die folgerichtig auch Instrumente aus dem strategischen Management wie z.B. PortfolioTechniken, Lebenszyklusanalysen, Balanced Scorecards oder Target Costing umfassen müssen und zudem prozessorientiert auszurichten sind. „Deren Aufbau, Gestaltungsmöglichkeiten und Wirkungen bilden einen Schwerpunkt in dem methodischen Wissen, das von Controllern zu fordern ist.“1242 Weitere Anforderungen bestehen an den strategischen Prozesscontroller analog zum allgemeinen Controllerprofil. So verlangt die Zielausrichtungsfunktion Kenntnis der Methoden zur Erfolgsplanung und -kontrolle. Ferner ist das Verhalten der Mitarbeiter zielgerichtet zu beeinflussen, wozu Wissen über Verhaltenstheorien- und Motivationsinstrumente benötigt wird. Aus der Anpassungsfunktion erwächst die Notwendigkeit, Markt- und Umweltänderungen frühzeitig zu erkennen. Die Erfüllung der Innovationsfunktion wiederum setzt das Generieren von neuen Ideen zur Problemlösung voraus. Folgerichtig muss der Controller auch über Kenntnisse hinsichtlich des Einsatzes von Kreativitätstechniken verfügen. Weitestgehend analog zum allgemeinen Controllerprofil lassen sich auch die Gegenstände der fachlichen Anforderungen an den strategischen Prozesscontroller ableiten.1243 Auch im strategischen Prozesscontrolling bilden Informations-, Planungs- und Kontrollsystem Kern- und Ausgangspunkt. Neben den obligatorischen Kenntnissen von EDV, Kosten-, Leistungs- und Investitionsrechnung sowie ggf. ergänzenden Sozialbilanzen und Humanvermögensrechnungen1244 sind im Kontext des strategischen Prozesscontrollings auch strategische Planungs- und Kontrollsysteme mit den in ihnen ablaufenden Prozessen Gegenstand der inhaltlichen Auseinandersetzung. Damit muss der Controller in der Lage sein, die strategischen Ziele in konsistente prozessbezogene
1242 1243 1244
große Überschneidungsbereiche mit dem Profil eines strategischen Prozessmanagers auf. Dies liegt im Wesentlichen an der hier zugrundegelegten koordinationsorientierten ControllingKonzeption, die dem Controller u.a. große Teile der Gestaltung des strategischen Prozessmanagementsystems zuschreibt. Von daher muss der Controller profunde Kenntnisse über die Entscheidungsfindung des Managements und die dabei benötigten Mittel vorweisen können. Küpper, H.-U. (2005), S. 537. Vgl. zu den folgenden Ausführungen Küpper, H.-U. (2005), S. 537 ff. Sozialbilanzen bieten Ansätze für eine stärkere Einbeziehung von gesellschaftlichen und umweltbezogenen Aspekten, während Humanvermögensrechnungen auf eine Bewertung des Faktors Mensch abzielen. Sozialbilanzen dienen zur Abstimmung der Unternehmung mit Gesellschaft und Umwelt und können zum Einsatz kommen, wenn Sozialziele im Unternehmen eine große Rolle spielen. Humanvermögensrechnungen erleichtern v.a. die Abstimmung von Personalmanagement und Controlling. Da beide Ansätze bisher wenig ausgereift sind finden sie jedoch nur wenig Beachtung und gehören daher (noch) nicht zu den zentralen Aufgabengebieten des Controllings. Vgl. Küpper, H.-U. (2005), S. 538; Scholz, C. (2000), S. 356 ff.
366
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
Zielsysteme zu überführen. Darüber hinaus verlangt die Koordination von Personalführung und Organisation „Kenntnisse und Erfahrungen über Führungsstile, Anreizsysteme, Bestimmungsgrößen menschlichen Verhaltens und organisatorische Gestaltungsmöglichkeiten.“1245 Anders als im Controlling allgemein beziehen sich diese Sachverhalte im strategischen Prozesscontrolling auf die Interdependenzen im strategischen Prozessmanagementsystem. Damit ist das relevante, auf das Leistungssystem bezogene Wissen auf die in den Prozessabläufen verorteten Erfolgspotenziale fokussiert. Die bisher dargestellten fachlichen Anforderungen an den strategischen Prozesscontroller bewirken auch Anforderungen an die Persönlichkeit des Controllers. Ließen sich zu den fachlichen Anforderungen noch Tendenzaussagen bezüglich der Verschiebung von Prioritäten aufgrund des strategischen bzw. prozessorientierten Kontextes treffen, so verbietet sich dieses hier aufgrund des sehr abstrakten und persönlichen Charakters solcher Anforderungen wie Intelligenz oder Denkvermögen. Insofern kann für den strategischen Prozesscontroller in Kongruenz zum allgemeinen Controllerprofil nur die grundlegende Erforderlichkeit von analytischem Denkvermögen, geistiger Flexibilität, Kontaktfähigkeit, Überzeugungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Führungseigenschaften konstatiert werden.1246 3.4
Zwischenfazit: Konzeption des strategisches Prozesscontrollings
Gegenstand dieses Kapitels war die Ausarbeitung einer idealtypischen Konzeption für das strategische Prozesscontrolling. Dies erforderte zuerst die Erörterung einiger controlling-theoretischer Grundlagen. So galt es zunächst, die allgemeinen Spezifika sowohl des strategischen als auch eines prozessorientierten Controllings herauszustellen. Hinsichtlich der strategischen Perspektive im Controlling ließ sich analog zu den Ausführungen zum strategischen Management die inhaltliche Orientierung an der langfristigen Existenzsicherung des Unternehmens konstatieren. Zur entsprechenden Unterstützung des strategischen Managements müssen sich die Ziele, Aufgaben, Methoden und Instrumente sowie die Institutionen des Controllings auf die Erfolgspotenziale des Unternehmens ausrichten. Das prozessorientierte Controlling wiederum zeichnet sich allgemein v.a. durch seine multidimensionale Perspektive und seinen eher dezentralen Charakter aus. 1245 1246
Küpper, H.-U. (2005), S. 538. Vgl. ausführlich Küpper, H.-U. (2005), S. 538 f.
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
367
Ein weiterer wichtiger grundlegender Aspekt war die Auswahl eines ControllingsTyps für das strategische Prozesscontrolling. Dazu wurden zunächst kurz die gängigsten, in der Literatur vertretenen Controlling-Konzeptionen vorgestellt. Im Zusammenhang mit den aus theoretischer Sicht an eine Controlling-Konzeption zu stellenden Anforderungen Eigenständigkeit, wissenschaftlich-theoretischen Fundierung sowie Praxisrelevanz fiel die Wahl auf einen umfassend koordinationsorientierten Ansatz. Dem strategischen Prozesscontrolling obliegt somit die systembildende und systemkoppelnde Koordination des strategischen Prozessmanagementsystems. Die Ursache für Koordinationsbedarf sind Interdependenzen innerhalb des Führungssystems, insofern war es für die Beantwortung der dritten Forschungsfrage, nach dem Bedarf von Führungsunterstützung seitens des strategischen Prozessmanagements, notwendig, solche Interdependenzen zu kennzeichnen. Ausgehend von der Definition von Interdependenzen als Beeinflussung des Entscheidungsfeldes eines Führungsteilsystems durch andere Entscheidung, der Charakterisierung verschiedener Arten von Interdependenzen sowie von deren Ursachen wurde eine allgemeine Synopsis genereller Interdependenzen im Führungssystem dargestellt. An diese anknüpfend konnte eine Systematik zur Identifizierung von Interdependenzen im strategischen Prozessmanagement vorgestellt werden. Damit wurde vor dem Hintergrund des hier unterstellten koordinationsorientierten Controllingtyps der Bedarf nach Führungsunterstützung durch ein Controlling im strategischen Prozessmanagement aufgezeigt und somit die dritte Forschungsfrage beantwortet. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels sollte nunmehr die letzte Forschungsfrage nach der zweckmäßigen konzeptionellen Ausgestaltung des strategischen Prozesscontrollings beantwortet werden. Dies erforderte die konkrete Ausarbeitung der wesentlichen konzeptionellen Bausteine Controlling-Ziele, -Aufgaben, -Methoden und -Instrumente sowie -Institutionen für das strategische Prozesscontrolling. Strukturgebend wurde dabei auf die Vorgehensweise von KÜPPER zurückgegriffen. Die Ausführungen von LEISTERT zum allgemeinen Prozesscontrolling wurden als Ausgangspunkt herangezogen, im Hinblick auf die strategische Perspektive vertieft und insbesondere im Bereich der intersystemischen Koordination erweitert. Die so entwickelten idealtypischen Elemente der Konzeption des strategischen Prozesscontrollings sind in Abbildung 50 zusammengefasst und werden nachfolgend rekapituliert.
368
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens Zielkomponente Generelles Controlling-Ziel: Sicherung der Koordinationsfähigkeit und Koordinationsdurchführung im strategischen Prozessmanagementsystem indirekt Unterstützung der Prozesszielerreichung zwecks Nutzung und Entwicklung von Erfolgspotenzialen
direkt • Anpassung und Innovation • Zielausrichtung • Information
Definition des Umfangs
Präzisierung
Controlling-Aufgaben: Systembildende und systemkoppelnde Koordination Text Text • innerhalb der strategischen Prozessplanung • des Informationssystems • der strategischen prozessbezogenen Kontrolle mit der Planung und indirekt direkt Informationsversorgung • der Personalführung mit Informationsversorgung, Planung und Kontrolle • der prozessbezogenen strategischen Organisation mit den übrigen Teilführungssystemen
Auswahl Methoden und Instrumente • Balanced Scorecard • Lebenszyklusanalyse • Prozessportfolio • Target Processing
Ableitung Controlling-Institutionen • Aufgabenabgrenzung • Hierachie- und Text Kompetenzabgrenzung • Anforderungsprofile an Controller
Funktionale und instrumentale Komponente
Abbildung 50: Konzeption strategisches Prozesscontrolling
Als generelles Ziel für das strategische Prozesscontrolling wurden die Sicherung der Koordinationsfähigkeit und die Koordinationsdurchführung im strategischen Prozessmanagementsystem formuliert. Diese sehr allgemeine Zielsetzung ließ sich durch die Ableitung direkter und indirekter Ziele konkretisieren. Erstere präzisieren den Aufgabenbereich des strategischen Prozesscontrollings. Sie umfassen die Anpassung und Innovation, die Zielausrichtung sowie die Informationsfunktion, wobei aufgrund der strategischen Perspektive insbesondere dem Anpassungs- und Innovationsziel eine besondere Bedeutung zukommt. Indirekte Ziele begrenzen den Umfang des strategi-
3 Konzeption des strategischen Prozesscontrollings
369
schen Prozesscontrollings. Ihre Erreichung soll zur Erfüllung der Prozessziele beitragen, welche durch das strategische Prozessmanagement zur Entwicklung und Nutzung von Erfolgspotenzialen formuliert wurden. Insofern sind die indirekten ControllingZiele stark vom situativen Kontext abhängig und lassen sich nur schwer verallgemeinern, weswegen in diesem Abschnitt eine Systematik zu ihrer Ableitung vorgestellt wurde. Auf der Grundlage der Zielkomponente konnten im nächsten Schritt die Aufgaben des strategischen Prozesscontrollings herausgearbeitet werden. Bei der Erörterung der konkreten Ausprägung der funktionalen Komponente der Controlling-Konzeption wurden auch Vorschläge für deren instrumentelle Unterstützung gemacht: Die Koordination innerhalb der strategischen Prozessplanung beinhaltet im Kern die Abstimmung der Planungsträger, -informationen, -regelungen und -instrumente sowie der Planungshandlungen im Planungsprozess. Zweck der Koordination innerhalb des strategischen Prozessplanungssystems ist es, die Formulierung inhaltlich untereinander und im Hinblick auf die Gesamtunternehmensstrategie abgestimmter Prozessstrategien sicherzustellen. Als mögliche, in diesem Zusammenhang einsetzbare Instrumente, wurden die Balanced Scorecard und die Lebenszyklusanalyse vorgestellt. Die nächste funktionelle Komponente ist die Koordination des strategischen prozessbezogenen Informationssystems. Sie dient vor allem der Herstellung von Informationskongruenz, d.h. der Übereinstimmung von Informationsbedarf, -nachfrage und -angebot. Idealtypischer weise können dabei multidimensional ausgerichtete Datenanalyseinstrumente wie OLAP-Module eingesetzt werden. Einen weiteren wichtigen funktionalen Aspekt stellt die Koordination zwischen strategischer prozessbezogener Kontrolle, Planung und Informationsversorgung dar. Die Beziehung zwischen diesen drei Teilführungssystemen wurde anhand des kybernetischen Regelkreismodells veranschaulicht, das den wesentlichen inhaltlichen Bezugspunkt für das strategische Prozesscontrolling darstellt. Systembildend hat das strategische Prozesscontrolling die Beziehungen zwischen strategischer prozessbezogener Kontrolle, Planung und Informationsversorgung entsprechend der Beziehungen im Regelkreis auszugestalten. Das beinhaltet im Wesentlichen die Zuordnung bzw. Ausgestaltung der Steuerungs- und Regelungs- sowie Vor- und Rückkopplungsaufgaben sowie die Gestaltung der Informationsbeziehungen im Führungssystem. Systemkop-
370
D Strategisches Prozesscontrolling: Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens
pelnd muss das Controlling bei Vor- und Rückkopplung unterstützen, indem u.a. Informationen verdichtet und analysiert werden. Instrumentelle Unterstützung liefern dabei Prozessportfolios oder das Target Processing. Im Rahmen eines umfassend koordinationsorientierten Controlling-Konzeptes ist die Sekundärkoordinationsaufgabe nicht auf Planung, Kontrolle und Informationsversorgung beschränkt, sondern schließt auch die Teilführungssysteme Organisation und Personalführung mit ein. So sind im Hinblick auf die Gewährleistung einer für die Strategieumsetzung ausreichenden Qualifizierung der Mitarbeiter Personalführung, Planung, Kontrolle und Informationsversorgung miteinander abzustimmen. Aufgrund der engen Verbindung von Kompetenzen und Prozessen bietet sich überdies die Möglichkeit, u.a. über Personalentwicklungsmaßnahmen Erfolgspotenziale zu beeinflussen. Entsprechend kommt der Abstimmung der prozessbezogenen Personalführung mit den übrigen Teilführungssystemen auf der strategischen Ebene eine hohe Bedeutung zu. Hierzu bietet sich u.a. die Anwendung einer Wissens-Scorecard an. Ähnlich wie das Personalführungssystem ist auch das Organisationsystem mit den anderen Teilführungssystemen abzustimmen. So ist durch das Controlling sicherzustellen, dass die durch das Organisationsystem vorgenommene Aufgaben-, Kompetenzund Informationszuweisung auch tatsächlich der strategischen Zielerreichung dient. Als letztes Element der strategischen Prozesscontrolling-Konzeption wurden Ansätze zu seiner zweckmäßigen Institutionalisierung vorgestellt. Dabei gilt es, die Aufgaben-, Hierarchie- und Kompetenzabgrenzung des strategischen Prozesscontrollings zu erörtern, die tendenziell einen dezentralen Charakter aufweisen. Auch wurden Empfehlungen für das Anforderungsprofil an einen strategischen Prozesscontroller formuliert. Zusammenfassend ergibt sich die in Abbildung 50 dargestellte idealtypische Konzeption. Diese bietet einen theoretisch fundierten Bezugsrahmen sowohl für die praktische Ausgestaltung des strategischen Prozesscontrollings als auch für vertiefende Forschungsvorhaben
E
Zusammenfassung und Ausblick
Ziel dieser Arbeit war es, durch die Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens einen Beitrag zur theoretischen Fundierung des strategischen Prozesscontrollings zu leisten. Dies erforderte neben der eigentlichen Ausformulierung einer zweckmäßigen Konzeption für das strategische Prozesscontrolling auch die vorhergehende theoretische Fundierung von strategischem Prozessmanagement als Bezugsobjekt des Controllings. In Kapitel A erfolgten im Rahmen der Einführung in die Problemstellung die Kennzeichnung des bisherigen Forschungsdefizits im Bereich des strategischen Prozesscontrollings, die Festlegung der Zielsetzung dieses Forschungsvorhabens sowie die Darstellung der Vorgehensweise. Den identifizierten Schwächen der existierenden theoretischen Basis zum Prozesscontrolling –überwiegend induktive Herangehensweise, fehlendes strukturelles Referenzkonzept, weitgehend operative Ausrichtung– sollte durch einen deduktiven Forschungsansatz begegnet werden. Es wurden vier Forschungsfragen formuliert, deren sukzessive Beantwortung im Verlauf dieser Arbeit in der angestrebten theoretischen Fundierung von strategischem Prozesscontrolling resultieren sollte. Vorher wurden in Kapitel B jedoch noch allgemeine Charakteristika der Prozessorganisation und des Prozessmanagements erörtert. Dies beinhaltete die Klärung grundlegender Begriffe der Prozessorientierung sowie die Erörterung von Besonderheiten im Hinblick auf die Wahrnehmung der Führungsaufgaben in der Prozessorganisation. Das Prozessmanagement wurde als der Teilbereich der Unternehmensführung definiert, der sich mit der Gestaltung und Steuerung der Unternehmensprozesse befasst. Dabei wurde zum einen auf die dem Prozessmanagement zugrundegelegten Prinzipien der Prozess-, Kunden- und Mitarbeiterorientierung hingewiesen, zum anderen die Multidimensionalität prozessbezogener Führungsgrößen herausgestellt, die in den meisten Fällen den Dimensionen Kosten, Zeit und Qualität zuzuordnen sind. Weiterhin wurde in diesem Abschnitt das kybernetische Steuerungsprinzip auf das Prozessmanagement übertragen. Gegenstand von Kapitel C war die Beantwortung der ersten und zweiten Forschungsfrage, um mit der theoretischen Fundierung des strategischen Prozessmanagements eine Basis für die Konzeption eines strategischen Prozesscontrollings zu schaffen. Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage nach der zweckmäßigen Ausgestaltung des S. Atzert, Strategisches Prozesscontrolling, DOI 10.1007/978-3-8349-6226-3_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
372
E Zusammenfassung und Ausblick
strategischen Prozessmanagements wurde ein Ansatz für einen entscheidungsorientierten Gestaltungsrahmen mit den Elementen prozessbezogene Ziele, Strategiefelder, Managementprozess und Instrumente vorgestellt. Wichtiger war aber die anschließende Beantwortung der zweiten Forschungsfrage, die den Schwerpunkt des Kapitels C darstellte und eine ökonomisch-theoretische Erklärung für die mögliche strategische Vorteilhaftigkeit der Prozessorganisation lieferte. So ließen sich auf der Grundlage von Market-based und Resource-based View spezifische Quellen für prozessbezogene Erfolgspotenziale kennzeichnen, auf deren Grundlage theoretisch begründete Entscheidungsempfehlungen für das strategische Prozessmanagement formuliert wurden. Die jeweils abgeleiteten Postulate für das strategische Prozessmanagement konnten ferner durch ergänzende transaktionskostentheoretische Aspekte tiefergehend fundiert und anhand angestellter Überlegungen zur Integration miteinander verknüpft werden. Auf der Grundlage einer so ermöglichten ganzheitlichen Betrachtung des strategischen Prozessmanagements konnten abschließend erste Anknüpfungspunkte für ein strategisches Prozesscontrolling identifiziert werden. Diese galt es in Kapitel D aufzugreifen. Hier erfolgte zunächst die Festlegung auf einen umfassend koordinationsorientierten Controlling-Typ. Dieser weist im Kontext der vorliegenden theoretischen Problemstellung die größte Eignung auf. Somit ist die Beseitigung von Koordinationsproblemen innerhalb des strategischen Prozessmanagementsystems als grundlegende inhaltliche Ausrichtung des strategischen Prozesscontrollings anzusehen. Um den konkreten Bedarf an entsprechender Führungsunterstützung seitens des Managements kennzeichnen zu können und damit die dritte Forschungsfrage dieser Arbeit zu beantworten, mussten Interdependenzen zwischen den Teilsystemen des strategischen Prozessmanagementsystems im Hinblick auf die Wahrnehmung seiner originären Führungsaufgabe, nämlich der Entwicklung und Nutzung prozessbezogener Erfolgspotenziale, gekennzeichnet werden. Dies umfasste neben definitorischen Aspekten auch Ansätze bzw. Methoden zur Erfassung und Systematisierung von Interdependenzen im strategischen Prozessmanagementsystem. Danach wurde mit der Ausarbeitung der Konzeption für das strategische Prozesscontrolling die letzte Forschungsfrage beantwortet. Die konstitutiven Elemente einer Controlling-Konzeption, nämlich Controlling-Ziele, -Aufgaben, -Instrumente sowie -Institutionen, wurden konkret für das strategische Prozesscontrolling ausgearbeitet.
E Zusammenfassung und Ausblick
373
Im Ergebnis konnte im Rahmen dieser Arbeit ein erster theoretisch fundierter Bezugsrahmen sowohl für das strategische Prozessmanagement als auch für das strategische Prozesscontrolling als umfassend koordinationsorientierter Ansatz entwickelt werden. Einige Aspekte konnten dabei jedoch nicht angesprochen oder erschöpfend diskutiert werden und begründen somit weitere Forschungsperspektiven. Diese können sich bezüglich des strategischen Prozessmanagements auf die Verbreiterung des zugrundegelegten theoretischen Fundamentes richten. Die hier angewendeten Ansätze des markt- und ressourcenorientierten Ansatz sowie der Transaktionskostentheorie könnten durch weitere Theorien des strategischen Managements, wie etwa evolutionäre Ansätze ergänzt werden. Auch die stärkere Verknüpfung von Prozessmanagement mit wertorientierten Ansätzen des strategischen Managements stellt ein lohnendes Forschungsfeld dar. Wünschenswert wäre darüber hinaus die Weiterentwicklung der hier aufgezeigten Gestaltungsansätze zu einem umfassenden prozessbezogenen Strategiekonzept. Bezüglich des strategischen Prozesscontrollings liegen weitere allgemeine Forschungsperspektiven u.a. bei der Erörterung der Anwendungsmöglichkeiten anderer Auffassungen von Controlling sowie deren anschließende Gegenüberstellung und Bewertung im Rahmen einer „ganzheitlichen“ Theorie des strategischen Prozesscontrollings vor. Im Hinblick auf das koordinationsorientierte strategische Prozesscontrolling ist beispielsweise die tiefergehende Auseinandersetzung mit Ansätzen zur genaueren Kennzeichnung und Analyse von Führungsinterdependenzen im strategischen Prozessmanagementsystem erstrebenswert, da sie eine noch bessere Eingrenzung und Charakterisierung des Problemfeldes verspricht. Daran anknüpfend erscheinen auch weiterführende Forschungsarbeiten hinsichtlich der weiteren instrumentellen Unterstützung des strategischen Prozesscontrollings sinnvoll.
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