Im Febru ar L987, wenige Wochen vor seinem Tod, hielt facob Taubes vor einer kleinen Scharvon Zuhorern 4 PaulusVorlesun...
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Im Febru ar L987, wenige Wochen vor seinem Tod, hielt facob Taubes vor einer kleinen Scharvon Zuhorern 4 PaulusVorlesungen, die er als sein geistiges Vermdchtnis auffa8te. Darin betritt er das Feld der Paulus-Forschottg eine .Domine der christlichen Bibelwissenschaft, als radikaler Au3enseiter. In seiner Gegen-Lekttire des Romerbriefs stellt er die herkommlichen Themen in giinzlich neue Kontexte und arbeitet so die am christlichen Paulus getilgten jtidischen ZiJrgeheraus. Taubes versteht seine Auseinandersetzung mit dem itidischen Paulus nicht als ein Strick wissenschaftlich historischer Rekonstruktion. Vielmehr geht es ihm darum, an diesem Kreuzungspunkt von |udentum und Urchristentum Ausblicke auf Glaubensund Lebensformerr z! offnen, die durch institutionelle Verfestigung verschtittet und in der geschichtlichen Entwicklung vollends verdrdngt worden sind. Die Vorlesungen sind eine jridische Dekonstruktion der christlichen Wirkungsgeschichte des Romerbriefs, die im Banne der Formel ,,Glaubestatt Werke" steht.
Emmanuel Levinas Stunde der Nationen Talmudlekttiren Aus dem Franzdsischenvon Elisabeth Weber Mit einer Einleitung von Elisabeth Weber und einem Nachwort von Michael Wetzel 150 Seiten, Frantz.Broschur 3-770s-28511 Die Talmudlekttiren des fuanziisischen Philosophen Emmanuel Levinas nehmen ihren Ausgangspunkt von Passagenienes immensen Korpus, die Fragennach dem komplexen Verhiiltnis Israelszu anderen Volkern thematisieren. Diese alte Schrift ladt zuDebatten, Fragetr, Streitgesprlchen, Meditationen ein, deren Entzrtf.erun& wie Levinas zeig3,, ein oft erstaunliches I-icht auf die Gegenwart und ihre Konflikte wirft. Tzttetan Todorov Angesichts des Au8ersten Aus dem Franzdsischen von Wolfgang Heuer und Andreas Knop 38OSeiten, Franz. Broschur 3-7705-2855-7 Tzttetan Todorov versucht in seinem bewegendenBuch, die Moral im Spiegel oder besserdurch die Lupe extremer Situationen zu betrachten. Das Au3erste: Die Konzentrationslager im Totalitarismus des 20. Jahrhunderts. Diese Lageq russische und deutsche, die totalitiren Regim€, h denensie entstanden sind, und der Zweite ite Weltkrie& Weltkriee, in dem sie ihre weitere Ausbreitung .usbreitung fanden, kurz die Geschichte, sind Mittel dieses Buches, das sich nicht vor.rangigals historisches versteht, sondern als eines zur Moral, einer Moral, deren Notwendigkeit plotzlich in den Blick riickt.
Jacob Taubes
Die politische Theologie des Paulus Vortrige, gehalten an der Forschungsstitte der evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg, 23..-27. Februar 1987 nach Tonbandaufzeichnungen redigierte Fassung von Aleida fusmann
Herausgegeben von Aleida und fan Assmann in Verbindung mit Horst Folkers, Wolf-Daniel Harrwich und Christoph Schulte
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ffir Margherita von Brentano und Edith Picht-Axenfeld
Die Deutsche Bibliothek = ClP-Einheitsaufrrahme Thubes,Jacob: Die politische Theologre des Paulus: Vortriige, gehalten an der Forschungsstette der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg,2S.-27. Februar l9E7 lJacob Taubes.Nach Tonbandaufzeichn. redigierte Fassung von Aleida Assmarur. H*g. von Aleida undJan Assmann . . . - Mti,nchen: Fink, 1993 rsBN 3-7705-2E44-r NE: Assmann,Aleida [Bearb.]
@ 7ss3 .l?fl)-' T:I:?"::;;Mrinchen Herstellung: Ferdinand
Sch6ningh GmbH, Paderborn
Inhalt Vowort
7
Einfiihrung
9
1. Autobiographisch e Zugdnge zumR6merbrief
9
2. Paulus in der jridischen Religionsgeschichte. Messianische Logik
14
Erster Teil: Leldiiren. Paulus und Mose: die Grtindung eines neuen Gottesvolko l.
23
Adressen des Rdmerbriefs
a) Das Evangelium als Kriegserkl6rung an Rom; Lektrire von R6mer l,l-'l b) Jerusalem und die Legitimitit der'lfleltmission; Lehrire von R6mer 15, 30-33
23
28
E*kurs: Das Schicksal der iudenchristlichen Gemeinden
34
2. Nomos. Gesetzund Rechtfertigung; Lehrire von Rdmer 8-11
36
3.
Erwihlung und Verwerfung; Lelcrire von R6mer 8,31-9,5 und Talmud b.Berakhot 32a
43
4.
Pneuma. Leltrire von R6mer 9-13
56
Zweitet Teil: Wirkungen Pamlus und die Moderne: des Meseianiechen
Tranefigurationen
l.
Fremdlinge in dieser Velt Marcion und die Folgen
77
2.
DieZeloten des Absoluten und der Entscheidung: Carl Schmitt und Karl Barth
86
Ixnlr;r
3. Nihilismus als Veltpolitik und isthetisierter Messia97 nismus: Valter Beniamin und Theodor V. Adorno 4. Exodus aus der biblischen Religion: Friedrich Nietzsche und Sigmund Freud
706
Anhang. Die Geschichte Jacob Taubes - Carl Schmitt
132
I[olf-Daniel
Hartwich, Aleida und lan Assmann
Nachwort Einleitung I.
Lektriren: Die Legitimation und Formation eines neuen Ver-Bundes
r43
r45
II. Wirkungen: Paulus und die Moderne
165
III. Politische Theologie
115
Editorische Notiz
183
Namenregister
19l
Sachregister
195
Voruort Unter dem Datum des 14. 7.l987lod lnnoRu \_)'\) -->
hvuttMA.L,,nrrttnsvox R0unn 9-13
57
"a fr,
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\ gevollt hitte, hdtte er es ia haben k6nnen.) Als - t"J"!: iit d" ich das Bild ungeheuer dicht und trago es deshalb tr)d mit mir rum. Vas ich riber Moses und Paulus ztl sa;geln*J,r habe, ist natiirlich etn'as anderes. (\:i Meine These ist, daff sich Paulus als tlberbieter des t) Mose versteht. Sie kennen ia das typologische Verhiltnis ft zn'ischen Altem und Neuem Testament. Da Matthius-Evangelium. das Beispiel wir als Nehmen oberh6hung _dersinai-Predigt: ist ia die Bergpredigt "lttr aber sage euch f. ... Das ist eine ich gesag, isi den Alten e garlze Heilsgeschict-rte wird ia I
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TGfmnfi
nach Agypten fliehen, kommt von
Agypi*, und so weiter. Dort wird die tiberbietende Parall"ir- Mose - christus gezogen. DafS Mose frir Paulus ein Problem ist, und zwar ein sehr hartes, kfinnen Sie aus dem zveiten Korintherbrief entnehmen. Da gibt es eine galrrze Reihe von Mose.Stellen, die ich ietzt nicht alle irrf"Ahhtt kann. Es geht da um das verdeckte Angesicht
und das offene AngeJicht. Das Pro-ble+Alltr!$LN9ll ----^:-^-l^--^-^-aan
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Ei+d J:^
er Radikalit6t ist. Und da wird Mose beim Namen nicht zu riberbi
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ia Matthaus nur eine ganlschy.a-
che Version dei Uberbietun& verglichen mit der Uberbietungsstrategre im zu'eiten Korintherbrief. Sie erinnern sich ut di" wichtigste Stelle: die Decke, die auf Mose lastete und auf den Juden, wird hinweggenommen. Der Vergleich Paulus - Mose wird von Paulus selber erzwungen. M"itt" These beinhaltet alsq dafi das Christentum seinen Ursprung nicht eigentlich in Jesus, sondern I t in Paulus hat. Um dieses Problem geht es. Und die Be\ grrindung dieser These liegt in der Parallelitit von Mose \ und Paulus. Als Religionsgeschichtler, nicht Theologe, sehe ich, daf|, Paulus mit diesem Problem zu tun hat. Ich habe Ihnen dieses ganizeextensive und exzessive Vorspiel g_egeben, um den Litt"tt Satz von Paulus, 9, 1-3 za verstehen, dieses Veggefluchtsein, was das fiir Paulus heifSen kann, und dafi dls ernst gemeint ist, dafi er aber eben doch etwas anderes wihlt als das, was Mose wdhlt. Und die Begrrindung frir seine Mose-Kritik finden Sie dann im Korintherbiief. Finde ich iedenfalls. Ich glaube, die The-
! 58
Ensrrn Tr.u LsKTttnEx{
se hat_auch philologisch ihre Plausibilitet, und religionssymbolisch. (Mit carl schmitt habe ich da kein proLlem. Ein symbol versteht er sofort. Knack. Der Rest, die Exegese,ist ftir die C'elehrten. Sicher ist das gefehrlicta diese intuitive Methode, aber einer deros kann, kann das. Nicht ich, sondern or, meino ich.) Und ich empfinde dieses polemische verh6ltnis, wie Paulus sich an Mose mifit, als absolut zentral. Es gibt ia Thesen, dafi er sich mit Christus mif3t, dafi er ietzt der chrisrus ist und die Leiden Christi an seinem Leib tr6.gt. Ich halte das frir toral ribertrieben, denn er ist immer doulos, er ist immer im Dienste. Nein, das nicht, aber er mifit sich mit Mose, das allerdings. und er hat dasselbe Geschf,ft die Gnindung eines volkes. und das wird von 9-13 durchgeftihrt; 9-77 wird die Legitimation des neuen Gottesvolkes gegeben, 12 wird das christliche Leben dargestellt und 13, na, man lebt doch im b6sen r6mischen Reich, ude lebt man da? Vas, noch Aufst6nde machen gegen das, was sowieso zugrund e ge}nt?Es lohnt nicht, den Fin ger zu riihren, das wird sowieso verschwinden. Nicht der Rede wert, quietistisch, wie Herr Troeltsch sagt. sieh' mal an. Die Frage aber ist, quietistisch - ausl welchen Tiefen heraus, finde ich. Aber da hat ia Karl Barth schon galnzgenial geurteilt im R6merbriefkonunentar. \[ie er den letzten satz von 72 hineinzieht in 13, hat er ia der ganzen Sache eine garlrzneue Perspehive gege-es ben. Da hat er einem die Augen ge6ffnet. sicher iJt das B6se, na - ulas soll man tun. Ich kenn' diese Art Mentalit6t. Mir ist die riberhaupt nicht fremd. Ich hab 'nen Paf3. Aber was habo ich mehr mit meinem Land zu tun als mein Pa8? Mein Pr6sident hei8t Reagan. Finden Sie mich sehr amerikanisch? AIso Paulus weif3, urovon er redet, wenn er es unternimmt, die neue Gemeinde zrl legitimieren. Ich weifl nicht, ob es Ihnen deutlich geworden ist: in Kapitet 9-rl strotzt es von Bibelstellen. weit iiber die normale Zitationsrate von Paulus, die ia noch genug ist, hinaus. Der Te:rt ist geradezu barock riberladen. Das ist fiir ihn ungeheuer notwendig, denn er will ia mit den Mitteln der heiligen schrift beweisen, daf3 ietzt der Augenblick gekommen ist
Prnuun. LsIffUnB von Rounn 9-13
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zu den Heiden. Der lud en zu den Heiden, der Erdffnung"Gottesvolkes. Und dieses heilige Gottesvolk des heiligen da8 das alte in eine VerunheifSt, das ttttt-.figutiert, wird Das hfltte Mose nicht 1etan, und das deutlichong:g"rit. weif3 d"t prrilus ganz genau, dafl er eine Aufgabe fiP:teinmalig ist. Ich lese das nicht nimmt, die erstm"tig "tta sagt? am Anfang von 9, dafi hier Paulus T/as rhetorisch, Schmerz beladen ist, und und er mit grofier Traurigkeit der Bund, die sohnschaft, die was er ill"r verabschiedet: der Messias Verheifiqngen' die Viter, der Gottesdienst, es gbt ia nichts, was nicht auf diesem volk ruht. wie kan"n es da iemand wagen, der so von Israel denkt, einen Schritt hinauszuwagen? Ich m6chte lhnei dazu eine Geschichte erzahlen. Ich guten Freund, ietzt ist er Bischof in habe einen sehr -war er Professor in Harvard, wo ich Stockholrn, frfiher ihn gut kannte, Krister Stendahl. Und ich erinnere mich "erz6hl' das als pers6nliche Geschichte), er besuchte (ich mich mal in New York, und wir standen vor einem sehr grof3en Kamin. Und Krister, das ist so ein Recke, der boebbels hatte ihn beneidet um seine Figur, sagt zu mir: seine tiefste Sorge ist, ob er zu dem (wir sprachel e1glisch) ,?cornrnonwealth of lsrael" geh6rt. Da sagte -ich-rnir: Ktirt"t, du Super-Arier, aus Schweden, am Ende der Velt, gesehen vom Mittelmeer, andere Sorgen hast du nicht? il{ein, er hat keine anderen Sorgen! Da hab'i9h gesehen, *rs iaolus getan hat dafi einer in den Urwildern Schwedens - g6rf,"n? von woher ich rede - sich Sorgen macht, ob er ,?commonwealth of Israel' geh6rt, das ist ohne "o* Paulus nicht mdglich. (Ich konnte ihn beruhigen: bei mir ist er drin.) Die Frage ist: wie kommt man riberhaupt r?n_ an das, rverspneutna heifit? Obersetzt ins Deutsche wird daraus ,,Geist". Nun, was heifSt Geist? Ich will damit begrn1e1,
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Hegel darunter verstand,der docir nicht k',
so lange her ist, obwohl zwischen ihm und uns ein Kata-. rakt liegl von Angriffen auf Geist. Zwischen ihm und uns liqgen dnthrillung:en und Entlarrmngen' dafi der Geist sich blimiert. Er blamiert sich 6konomisch, so Marx, er blamiert sich triebhaft, so Nietzsche und Freud. Der Geist
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EnsrsRTbn: Lustlnnv
blamiert sich. Und dann, Gott sei's geklagt, gibt es nur noch Nebbich, diese Geisteswissenschaften, von denen keiner weif3, was der Begriff Geist da noch soll. Ist das der Hegelsche Begrifff Oder ist das ein verbilligter Begriff? Jedenfalls kann ich nur eines sagen: der Geist der C,eisteswissenschaftenist mir unklar, den versteho ich nicht. Aber bei Hegel glaube ich, noch Bescheid zu wissen. Das Buch, urn das sichos hier dreht, heifSt (am Ende, was immer vorher der Titel gewesen sein sollte)z Phiinornenolo git do Geistesund hat als solches den Gang angetreten durch die \[elt, und mufi als solches interpretiert werden. Und da finde ich zwei Sdtze in der Vorrede, die ia eigentlich eine Nachrede is! Hegel hat sie am Ende geschrieben, wdhrend die Druckfahnen schon vorlagen. Aber die ganze Geschichte der Entstehung dieses Verks ist hier nicht unser Problem: sehr interessant, aber dafiir gibt es bezahlte Philosophie-Professoren und Dozenten, die darffber alle zwanzig Jahre ihre Meinung 6ndern. Zvei S6tze will ich herausheben aus der Vorrede, den Programmsatz und den Erklirungssatz. Es kommt noch molnor Eineicht, wolcho slch nur dureh dlo Daretollung dos Sptoms solbst rechtfortlgon mu0, ollos dorouf an, dos Wohro nlcht als Subelanz, sondsrn obonsosohr ale Subiokt aufzufesson und ouszudriickon. AIso, Substanz, d,a kann man iel erudhlen, da denlc er an Spin oza..an den iungen Schelling und so weiter, und es kommt darauf an, dies in das Subiekt zu venrandeln. Vomit er natrirlich nicht das kleine sterbliche Ich meint. (Warum eigentlich nicht? Aber das wollen wir ihn ietzt nicht fragen.) Das ist der Programmsatz der Hegelschen Ph6nomenologie. Dieser Satz wird S. 24 in der HofmeisterAusgabe so erklirt: DaB das Wahro nur als Systemwlrkllch odor da0 dis Substanz woeontlich Subiokt lst, ist in dor Vorstollung ausgodriickt, wolcho dae Absoluto ole Golst euespricht letzt verstehen wir, u/arum er Geist hier emphatisch unterstreicht Der orhabonstoBogrlff und dor dor nouoron Zolt und ihror Roliglon engohiirt.
9-13 Lnrrtlns voxROtrlBn PNsuMA.
6l
Also, das ist nicht der Nozs des Aristoteles, den er am Ende der Enzyklop6die beschwdrt, in Vahrheit aber galnz anders versteht (das hat, wie ich glaube, Theunissen in seinem Buch gainz richtig interpretierta), aber ich will keine hegelianische Schmonzologre hier vorfiihren. Das ist der erste explizite Satz riber Geist, den er interpretiert als erhabensten Begriff, der der neueren Zeit und ihrer ReliSon angehdrt. Nun kdnnte man meinen, wir haben eine fromrne Seele vor uns. Aber Hegel ist witzig bis perfid. Venn man sich fragt - so geh' ich vor -? wo kommt denn der Geist dann vor? Dann merlt man, der Geist ist das 6. Kapitel der Phiinomenologie. Da redet er von der griechischen Polis, von Regierung und Krieg, vom r6mischen Imperium, von dem r6mischen Reich, von der Franz6sischen Revolution und ihrer Vorgeschichte bei den philosophes, von der Aufklirung und so weiter, und so weiter. Er schildert die Veltgeschichte und nicht das, was Geisteswissenschaften unter Geist verstehen: Religion, Kunst, Kultur, sondern die blutige Veltgeschichte als Geist! Das ist natrirlich nicht genau das, was Paulus im Sinne fiihrte, als er von Pneuma sprach. Bei Hegel gibt es das Vort ,,Veltgeist*. Es steht in einem Brief an Niethalnrner, glaube ich, den er schrieb, als gerade der Kanonendonner der Schlacht von Jena zu hdren war. Und da schreibt er an Niethammer - ist oft genug zitien worden -, at hitte den Weltgeist zu Pferde gmehen. Das ist grundfalsch und zeig!, daf3 man nicht weif3, u'ovon Hegel hier redet. Denn er sagt dort ausdrricHich die Welteeelo. Und die Veltseele ist psphe kosmoz, das ist die neuplatonische unbewuBte Seele. In Napoleon auf dem Pferde konzentriert sich die Geschichte; was sie aber bedeutet, das sagt Herr Hegel in diesem Buch da. Das ist der Veltgeist. In derselben Konzentration, in der Napoleon an den Hrigeln Jenas vorbeireitet, konzentriert sich die Interpretation in Hegel. Aber Veltgeist gibt es, und ^nait als einen polemischen Begriff gegerl.Paulus. Denn Paulus unterscheidet im Ko2' M. Thennissen, HegSb Lelue aom ofuohrten @irt ok theologisclrpol| ti,soher Tlalaoc, Berlin lY7O.
62
r
Ensrsn Tnn; Lnrcttnur
rintherbrief im zveiten Kapitel die pneuma tou kosmou, das Pneuma dieser TZelt, oder dieses Aorr als negativen Begiff urrd pneurna tou theou, Gottes Geist. Hegel in bewufiter polemischer Weise stellt nun Veltgeist positiv, als Positirmm, als Hypostase heraus. (I. der Nachfolge nattirlich von Schiller. Weltseschichte als Weltserichr und
all_dipspdealisti sche trg" da-)-Effi u'as Geist heifit, S. Ffi:egelschwe@hen, 24 setzt er fort: Das Geistige allein ist das WirHiche also das sind Sachen, die ich schon nicht mehr verstehe, 'lflesende oder Ansichseiende, was das alles ist, es ist das daftlr sind die Spezialisten zust6ndig - jedenfalls: Geist ist das Wirkliche. Wer kann das heute sagen? Wir wissen, dafi der Geist sich blamiert. Ich habe dtei Zeagen der Blamage genannt, die Sie durch das neun zehnte Jahrhundert hindurchfiihren: der 6konomische (Marx), der philosophische (Nietzsche) und der tiefenpsychologische (Freud) Geist-Verdacht. Wie soll man da fiberhaupt rankommen an einen Begriff von Pneuma? Ich spiire hier ein sehr starkes Problem. Ein W"& den ich lhnen im folgenden weisen m6chte, frihrt fiber die Verbindung des Pneumatischen als Lebenserfahrung mit der allegorischen Texterfahrung. Der seruw allegoricus ist schon in der protestantischen Kirche seit Luther verp6nt, denn man sah das Arbitr6re in der Allegorie. Das kann man drehen, wie man will, kann man sagen, was man utill, verbindet A mit C, also: bricolage-artiges Verfahren. Der erste, der uns da riberhaupt die Augen ge6ffnet hat, war Valter Beniamin im Trauerspielbuch. Er hat gezeigt, dafi der senstts allegoricus nicht nur ein textueller ist, sondern eine Lebensform. Ich werde darauf zurrickkommen. Die moderne Bibelkritik aber, beginnend mit Spinoza (und da unterscheide ich mich von der protestantischen Geschichte der Bibelkritik, die Ebeling mit Luther beginnen l68tp) ich halte davon gat nichts. Der serrstzshistoricus ist entn'ickelt von chard Simon, dem katholischen Theologen und von dem D
l{. Ebeling, Evangetisohe Eaangelienatntegung, Eine untercu,ohurry zu Luttrcrs Hermeneutih 3. Auft Tubiagen 1991.
PxsuMA.LnKTUnsvol R0upn 9-13
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- schwer zv sagen: einige nennen ihn Freigeist, einige nennen ihn gotttrunken, Sie kdnnen sich das w6hlen, Benedictus Spinoza ist der Versuch, der kirchlichen und der synagogalen, also der rabbinis,chen und der christlidie Basis, den Lebensfaden abzuchen Interpretation schneiden, indem er den sensrn historints oder den serzsus literalis allein anerkennt als den sensus, aus dem ein Text interpretiert werden kann. Ob das ietrt rnore geometrico an der Ethik vorgefiihrt wird, aber sicherlich in dem Tractatw theologico politinrzs ist es der serrszltnudus.'l[/as innerhalb des setutus historicw sich entfalten l6f3t, hat Legitimit6t, alles andere ist ldeologe und Schwindel. Das Problem Spinozas wird radikalisiert in der Philologr", die eine kathartische Funktion hat gegentiber Theologie und Philosophie. Sie ist eine implizite Kritik der Theologie und der Philosophie. Dazu m6chte ich Ihnen einen Text von Nietzsche vor Augen stellen mit dem Titel ,,Die Philologie des Christentums*. Db Philologic desChristentums.- }Vie wenig das Christontum den Slnn fiir Redllchkolt und Gsrochttgkeit orzloht, konn mon zlemllch gut nach dom Charaktor dor Schrifton solnor Golohrton abschEtzonrslo brlngon ihro lllutmafiungon so drolst vor wio Dogmon und sind iibor dor Auslo$rng oiner Btboletollo solton ln olnor rodlichon Vorlogonbolt Das Schhisselwort ist ,,Redlichkeit*. Nachdem keine Vahrheit mehr da ist, nach Nietzsche, von Nietzsche bis Veber, tritt ein neues Kriterium ad, das trftiterium der Redlichkeit. Und das paukt er nun durch. Immor wiodor hot8t os ,,lch hobo rschtn donn os etoht geschriobon -" und nun folgt olno unvorschEmtoWllkiirlichkelt dor Auslogung, deB eln Phllologu, dor es h6rt, mitten zwlscbon Ingrlmm und Lachon stohon bloibt und sich immor wledor froglr ist os mOgllch! Ist dlos ehrlich? Ist es auch nur anstEndlg?- Was ln dlosor Hineicht lmmor noch aul protostentischsnKanzsln en Unredllchkelt voriibt wlrd, wlo plump dor Prodlgor don Vortoil ausboutot, daB ihm hior niomend lne Wort fEllt, wio hior dlo Bibol gozsllekt dom Volke und gozmacktund dlo Kunet deeSchlecht-Leeena in ollor Form boigobracht wlrdr das untorschEtztnur dor, wolchor nlo odor lmmor ln dlo Klrcho geht. Zulatz;t obor: was soll man von don Nechwlrkungon oinor Religlon or-
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Ensrnn Tbn: Lnrr0nBn worton, wolcho ln don Jehrhundorton lhror Bogriindung ionoe unorhiirts philologiecho Possonsplol um doe Alto Teetamont aufgoliihrt hotl ieh molno don Vorsuch, dee Alto Tostomont don Juden untor dom Lolbo wogzuzlshen, mit dor Bohauptung, os ontholto nlchte ele chrietllcho Lohron und gehdre dan Chrleton ols dom wahren Volko fsraoll wEhrond dlo Juden es slch nur ongoma0t hEtton. Und nun orgab men slch olnor Wut dor Auedoutung und Untorechlobung, wolchs unmOglich mlt dom guton Gowlsson vorbundon gpwoson soln konnl wlo eohr ouch dlo iiidlechon Golohrtsn protostiorton, iiborall eollto lm A|ton Tostomont von Chrietus und nur von Chrlstus dio Redo goln, iiborell nomontlich von solnom K:ouza, und wo nur oln Holz, olno Ruto, olno Loltsr, sln Zwolg, oin Boum, olno Woido, oln Stob gonannt wlrd, da bodouto dlos olno Prophozelung auf das Krouzosholzi solbst dle Aufrlchtung doe Einhorns und dor ohornen Schlongo, eolbet Moeos, wonn or dio Arrno zum Gebet ausbroitot, ia eolbst dio Splo8o, on donon das Passohlomm gobraton wlrd, - alloe Ansplolungen und glolchsom Vorspielo dos Krouzes! Hot die iomals iomand geglatftt, dor es bohouptoto? Mon orwEgo, doB dle Klrcho nicht davor orschrak, den Toxt der Soptuagfnta zu boroichorn (2. B. boi Psalm 96, V.lO)r urr dlo oingoschmuggolte Stello nochhor lm Sinno dor chrietllchen Prophozoiung auszuniilzan. Man wor obon lm Kampfe und dachto an dio Gognor, und nicht on dio Redlichkoltso
Sie sehen: das Grundwort dieses Textes ist Redlichkeit. Und da fragt er: hat das iemand ie geglaubt, der es behauptete? Und ich sage ia, der Apostel Paulus. Und das ist das Unternehmen von R6mer 9-77. Ich mrifite ietzt in eine intensive Lektiire einsteigen, aber ich habe nicht die Hoffnung, dafi ich heute und morgen damit fertig werde. Deshalb schlage ich eine kursorische Leltrire vor, von 913. Ich setze voraus, daB im grof3en und ganzela ieder weif3, was in dem Text steht. N6her mdchte ich auf 9-ll eingehen, weil hier in der Tat diese neu von Nietzsche als redliche total angezweifelte M6glichkeit der Pneumatisierung unternommen wird. Pneuma als eine Kraft, die ein Volk vervandelt, und die den Text veruandelt.
s Fr. Nietzsche, Morrynrdce, Buch 1 S &4.
Pnnuul. LpmUnn von ROUPn9-13
65
Nun, es geschieht natii'rlich nichts im luftleeren Raum. Ich k6nnte mich beziehen auf. Alesandrinische Allegsrese, das Verk von Jean P6pin, das von den Alexandrinern bis Bultrnann l6uft; das ist ia so tlpisch franzdsisch, da wird alles durchgeu'Elzt ohne Rricksicht, was wichtig und was unwichtig ist.s lch beziehe mich aber auf ein Beiheft zu Angelos von Hans Venschkewitz aus dem lahre 1932 mit Tempel dem Titel Die Spiritualisierung der Kulnnb"giff" was zeigen" zu um Testarnent, Pri,ester, Opfo irn Neuen riber SpirituaVenschkewitz Da spricht ich nicht meine.a lisierung, vo natrirlich Paulus eine wichtige Rolle spielt (S. 110-138). Ich kann das hier nicht weiter aufziehen, aber es ist zu lanrz gefa8t, Paulus einfach als Allegorese zu verstehen. Dazu sind heute unsere Begriffe viel zu prezise, um zu zeigen, daf3 es sich nicht nur um eine trans' figuratio nach oben, immer rauf, handelt. Verzeihen Sie, wenn mir so eine bl6de Geschicht e dazu einfdllt, aber sie stand im Spiegel, was kein Gegensatz ist. AIs Breschnew hierwar, vor einigen Jahren war er hier, und pl6tzlich war ein Feiertag. Und er fragte: was fiir'n Feiertag ist denn heute? Es war Himmelfahrt Christi. Vie sagt man das aber Breschnew? Hat man ihm gesagt, das sei der Tag der deutschen Luftwaffe. Das Gemeinsame an beidem ist sozusagen der Pfeil nach oben. Ich glaube nicht, daff Paulus nur ein Pfeil nach oben ist zur Allegorese im Sinne der Spiritualisierung, wie das vor fifnfzig Jahren von Venschkewitz vorgetragen wurde, sondern dafi Paulus eine Barnzeigenartige Mischung von Allegorese und Typologie ist. Und das Tlpologische ist riberhaupt nicht sozusagen Tag der deutschen Luftwaffe nach oben, sondern der Bogen geht von Vorgeschichte zvr Geschichte. Die Vorgeschichte wird ein Vorspiel, das sich erst erfrillt; also Isaaks Bindung ist das Vorspiel der Kreuzigung (um das Beispiel zu nehmen, Br dem sich tt
J. Pdpin, Mythe ec Allegorie: les ori$nae grecclues et lat contestations judEo+hrdti.ennes (6tudee Augustiniennes), Paris 1958; Ders., La tradi' d Danle, (6tudes Ar€ustition de l'aMgorie de Philpn dAlmndrie nienaes), Peris 1987. D ffnns Venschkewitz, Die Spiritualisierung der Kuhwb"gff" Ternpel, Priester, Opf", im Nernn Testament, Angelos Beiheft lr lnipzig 1932.
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Ensrnn TEru Lnrt0nnv
Nietzsche besonders erhitzt); das heifit mit dem einen Vektor ,,nach oben' ist das nicht getroffen. Hier steht mehr zur Deb atte. Nach diesen Vorbemerkungen und Vorbereitungen m6chte ich nun eine zusammenhingende Lektrire von R6mer 9-13 Tragen. lVehrholt rodo ich in Christo, lch liige ntcht, und moin Bowu0tsoln bozaugt mlr lm Holligon Geiet moino Trauor lst groft, moin Schmerz unauflrdrllch in molnon Haszan. Ich mOchto solbst yon Chrlstus fort vorflucht wordon Anathema - fiir molno Briidsr, moino Vorwandten dom Fletecho noch, dio Israollton slnd, und dann kommt die grofle Fuge, was alles diese Solidaritf,tsgemeinschaft Israel bildet: das ist der Sohnestitel (du bist mein Erstgeborener, Exodus), die Glorie, die Doxa, die Testamente, die Gesetzgebung, der Kult, die VerheiSungen, z;rr donon dto VEtor gohOron und Yon donon Chrlstus etamrnt, sowolt or dom Fleisch angohdrt. Und dan4, g'ie ich lese: eine BenediltonsformeloGobonodoit Gott von Aon zrt Aon, Amon. Sie sehen also die Frilte der dem Volke Israel eignenden Charalceristika. Dies spricht Paulus aus, der fetzt-Paulus, nicht irgendein alter Paulus, der sagt: ich hab' mal sowas und wir geglaubt. Das Problem ist: wenn dem so ist haben ja etwas von der Erschfitterung in Israel selber zu Gesicht bekommen an ienen beiden Stellen, nach dem goldenen Kalb und nach den Kundschaftern, 'wo Gott das Angebot macht, das Volk zu vernichten und mit Moses ein neues zu beginnen - (ich habe Ihnen diese Texte in der ifrdisch geferbten Buber-Ub ersetzurrg zugdnglich Be' macht, damit Sie es einmal von der anderen Seite empfinden kdnnen). Ich habe dann damit den ganzen Anfang des Abends des Versdhnungstages verbunden, das brauche ich hier nicht zu wiederholen. Ich habe nie behauptet, dafS diese Texte, die ich Ihnen aus den Festgebeten vorgelesen habe, vor-paulinisch sind. Ich habe lhnen eine PhSnomenologie vorgefrlhrt und die Frage gestellt: wie empfindet ein lude das? Wie empfindet ein Jude latent,
LnKItJnnvot ROuBn9-73 PrvsuMA.
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nicht manifest, warum drdngen sie sich am Abend des Vers6hnungstages iust in der Syna1o9e,um eine Auflrebnng der Schwurformeln ztL sprechen, die von den Christen deshalb der Vortbrrichigkeit verdichtigt werden. W6hrend es sich in Vahrheit aber um eine Wiederholung der Urszene handelt, der Aufhebung der Vernichtung, die Gott geschworen hat. Das ist es, was sich immer wieder abspielt, und die Schwierigkeit besteht darin: wie kann man Gott seines Schwurs entbinden? Ja man kann, wohl dem Meister, der einen solchen Schriler hat! Der es wagt, ihn von dem Schwur zu entbinden. Ich wollte Ihnen zeigen, daf3 dies profunde die gesamte Liturgie des Anfangs des Vers6hnungstages bestimmt, latent, aber wenn man es festrnacht, bemerkl es ieder. Diese Probleme sind nicht in der Veise der Filiation aufeinander bezogen. Es ist hier nicht die Frag{ffias-Paulus alles schon bekannt war. Paulus steht vielmehr vor dem n6mlichen Problem, und ich habe darauf hingewieseno dafi der Vergleich Mose - Paulus nicht von mir, sondern von Paulus stammt. Also das Problem besteht, das natrirlich iemand, der von der Bibelkritik angehaucht ist, nicht weiter aufregt, daf3 das Vort Gottes Mif3erfolg haben kann, dafi seine Versprechungen sozusagen danebengegangen sind. Das Vort Gottes kann doch nicht schiefgehen! Das Vort Gottes ist doch treu und fest, *ie das Gebet der Juden es tedich betont. Nein, es ist nicht schiefgelaufen. Denn nicht alle, die aus Israel stammen, sind Israel. Das ist der Schhisselsatz. Das heifiu dieses ,,alle* dem Fleische nach ist nicht identisch mit dem der Verheifiung nach. [...Jo Nicht alle. Der Apostel nimmt die Erwihlung Israels ernst. Es ist peinlich fiir modernes Christentum, aber so ist es. Es ist peinlich. Damit mufi man leben kdnnen. Lieber mit Peinlichkeiten leben, als den Text transfigurieren. Denn er versteht sich als Apostel der Juden zu den Heiden, und zwar als Berufottg. Im Galaterbrief steht nichts von einer s Es folgen einige S6tze plemischer Aforenzung Beget,,Bultm_ann und alle diese moderne, rollkommen danebea denLende, individual denLeude Exqgese". Pauhrs ist nicht Luther, die Probleme liegen aaders.
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Bekehrung im umwerfenden sinne. sondern eine Berufung: aus dem Mutterleibe hab' ich dich erkoren, so heifit es bei feremia, ein Prophet zu sein, und hier heifit €s, ein Apostel zu sein. Natiirlich heifit das: ein Apostel von den Jud en ztt den V6lkern. Der Unterschied zvischen der pneumatischen und der nattirlichen Ordnung ist von entscheidender Vichtigkeit fiir Paulus. Ich sagte es schon: es gibt keinen Text des Paulus, der so gespickt ist mit Tjrtaten wie R6mer 9-77. Und zrnar Thora-Zitaten und Proph*en-7itaten. Weil hier mit Thora und Propheten die Legitimation der Transfiguriemng bewiesen werden soll. Er beginnt mit dem Beispiel: si"h' doch Abraham an! Abraham hatte zuerst einen Sohn in der normalen Zeit der Zeupng mit seinem Kebsweib Hagar. Dieser Sohn heifit Ismael. Der Sohn, der spdter kam, da waren Abraham und Sarah Greise, und Sarah antwortet den Engeln, die ihr das Kind ankfindigenz jizchak! Das wird ia ein Geldchter sein! Und das isi der Nam e lizchah ein Gelichter. Nach irdischem Maf3stab: Gelachter, kann ia nicht sein. Und Sarah uninscht, nachdem ihr Sohn heranwichst, daf3 Abraham sich trennt von seinem Kebsweib und dem Ismael. Aber er, Abraham, will das nicht richtig, er hat Bedenken, das ist nicht garrz die feine Art, aber Gott sargtzo ihm: alles, was dein lfleib Sarah dir sagt, h6r' auf sie! Nun waren da zwei Jungens, der eine mehr Bogenschief3en, der andere mehr im Hause, der eine ein Frechling, der andere ergeben. Die Mutter will nicht, dafS ihr Sohn zusammen isf mit so einem Elteren Bruder, der durch seine Taten ein schlechtes Beispiel glbt. Da sagt aber Paulus: das ist aber nicht so einfach, denn wie war's denn bei Rebekka? Da stritten die beiden schon im Mutterleib! Und er zitiert den Propheten Maleachi: und Goif liebt den Jakob, und hafit den Esau. AIso es kann nicht an fden Taten liegen. Das ist schon im Mutterleib bestimmt, f a"r ist Erwdhlung! -tt Schrecklichkeiten, unirde man modern schon im Mutterleib entscheiden, I t"g"rr, wie kanr, ". Nicht anders steht es [wo 'mit ist da die Gerechtigkeit Gottes? der Verhirtung. Pharao wird das Herz vethdrl,et, so dafi er die Stamml Israels nicht rauslafit, bis es dann
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zrrr Vernichtung der Erstgeborenen bis. hin zum Tier kommt in Ag]"tin, und an den G6ttern Aglptens Gelicht gehalten wi;d. Pharao hq. j9 irgendwo auf dem Vege Einsicht gehabt. Und da heifit es immer wieder an diesen dunklen Stellen von Exodus: und er verh6rteto das Herz Pharaos. Ero Gott. Also, es geht nicht nach aufklErerischer Philanthropie zu. Von diesem Beispiel, das sich der Ethik ganz entwindet - das sind doch nicht Taten, Verke, sondern Eru6trlungen! - geht es u'eiter: was sollon wlr donn sagon? Iet das stwa ungorochtigkott bol Gott? Kolneswogp, donn zu lltosoe sagt Gottl lch words mtch orbormon, dssson tch mlch srbarms, und Mltletd hobon, mit dom lch Mitleld habo. Also komnt es nleht auf das wollon und Ronnon, sondorn aul dos Brbarmon Gottos an. (90 15 vgl. 2 Mose 19) Die Logik ist impeccable. V as willst du denn da frir \[iderrede fiihren SegeraGott? und dann bringt er Beispiele aus den Propheten, die noch gewaltiger sind. Hosea in der grof3en Strafpredi4' die monologi-ch vor sich geht, an den ia der Auftrag 5eW, eine Hure zu heiraten, um das Hurentum lsraels artrztlprangern durch symbolische Akte, spricht dort in tiefern" in sich gekehrtem Gram: Ich wordo moin Nlcht-Volk, lo'-bmi moln Volk nonnon und dio Nlchtgollobte, lo''ruhanna, d7oGollobto. Also es gbt in der Thora und in den Propheten den Gedanken, d"G nur ein Teil von der grauen Masse Israelnachdem-Fleische wirklich Israel heifSt. Und dann zitiett Paulus den zu'eiten Propheten lesaia, der fiber Israel nft: wonn dle zahl dor s6hns Israols soln wlrd wio sand am Illoor, nur oln Rost wlrd gorottot Ich will lhnen keine Predigt halten, sondern die Logik der Pneumatik aufzeigen, die Paulus hier bewegt. Und des Erstaunliche: die Heiden, die gar nicht auf Gerechtigkeit aus waren, haben die Gerechtigkeit, dikaioqme, erlangt, die aus dem Glauben kommt. Denken Sie an den uatz:
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Abrahom glaubto on Gott, und Gott rochnoto lhm das on als Gorochttgkolt, zWaka. Und Paulus fragt: wann ist das gesagJzvor oder nach der Beschneidung? Vor der Beschneidung. Also seid ihr im Bunde Abrahams und nicht nur im Bunde Noahs, wo ides zweibeinige Vesen, das viel LErm macht, drin sein kann. Glaube bei Paulus ist zu verstehen in dem emphatische{ Sin" "lt ;frem der verflucht am lkeuz lesen in der Apostelgeschichte, so haben das die Apostel der ersten Stunde erlebt und fragen: wann kommt das Reich, basileia? Das sind ia politische Begriffe. Das Pro blem ist da. Diesen paradoxen Glauben habe ich lhnen religionsgeschichtlich versucht zu erkl6ren am Beispiel der messianischen Logik in der Geschichte der iiidischen Mystik, als eine Lostk, die sich in der Geschichte wiederholt. Ver das versteht, was Scholem im 8. Kapitel d,er Hauptstriimungen der jiidischen Mystik darstellt, kann tiefer eindringen in die messianische Logik von Paulus als durch die gesamte exegetische Literatur.s Paulus frihrt diese garnrzenFille aus der biblischen Geschichte vor als Beispiele eines Eifersuchtsdramas. Das ganze Zuden-Heiden-Gehen erveist sich in diesem Zusammenhang als eine Eifersuchtsszene, um die Juden, an die die Botschaft gerichtet ist, eifersiichtig zrt machen. Das habo ich nicht erfunden, das steht im Text. Denn nicht verstofien will der das Volk, sondern eifersfichtig machen. Mose sagt als erster in der letzten Rede vor seinem Tode, oder vielmehr Gesang - bei uns heif3t das Ha'azirur - 2 Hdrot Ihr Himmd und lauschot dlo Erdo, tch wlll Euch olforsiichtlg machon ouf oin Nlcht-volk, ouf oin unvorst6ndlgos Yolk wtll lch Euch zornlg mochon. Und Jesaia wagt es und sagt: * Ygl obeq Anm. 12.
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Ich llefl mlch findon, von donon, dio mich nicht suchton, offonboron donon, dio nlcht nach mir fragtsn. Zu Israol obor Eegt on don EanzlanTog broite lch molno HEndo aue nech deinom Volk, das ungohorsomist und lm Mdorspruch lobt. Nun k6nnte man sagen? so wie die Kirche das nachher geserg!.hat, nach d,er Zetst6ru:rg des-Tempels, nach dem fofsiand, der zusammenbrach um 70, von den Zeloten gefffhrt (Sie wissen, dafi ich Paulus ffrr einen Z-eloten halte, Ir nimmt das Wort ia frir sich in Anspruch, und nicht als vages Vort, sondern - ich habe darffber mit Morton Smith geJprochen - sogar als termirus techninw)-, dafi Gott sein V"tk verstofien hat. Nein, sagt Paulus, das kann nicht seinDenn auch ich bin ein Israelit aus dem Samen Abrahams' und er weifi noch mehr, aus dem Stamme Beniamins. Das sagt er in einer Zeit, in der eigentlich die Stimme schon dr.icheinandergewi rbelt sind und derartige Berufungen sehr rar geworden sind. Nach dem Exil sind es mrr die Priester u.d Leviten, die sich als eine besondere Klasse durch Stammeszugeh6rigkeiten ausweisen. Paulus aber beruft sich auf Abkunft aus dem Stamme Beniamins, was ia nicht garrz unwitzig ist: er ist ia auch der Beniamin unter den Iposteln! Und dann bezieht er sich auf die Elias-Episode und die Redulcion und die dortige Reduktion Israels auf siebentausend Mann, die ribriggeblieben sind und ihr Knie nicht vor dem Baal gebeugt haben. Nun, wie geht's denn weiter? Kapitel 11, Vers l7t Sag ich nun, sio elnd angosto0on,domit sio zu Foll kommen? Nein. Sondorn durch lhr Stroucholn ist dos Holl zu don Holdsn gokommon,domit sio oiforeiichttgwordon.wonn eber das Stroucholn Rolchtum fiir don Kosmos und ihr Untorlegonsoin Roichtum fiir die Hsidon gowosonlst, wiovlol mohr wird os dann noch ihr Vollendoteoin bodouton? Noch einmal taucht bei Paulus hier der Begriff der Eifersucht Israels auf, die herauszukitzeln ist. Und wenn ihre Ververfung fiir den Kosmos, frir die \ffelt, die Auss6hnung zur Folge hatte, n6mlich dafi die Heiden aufgenommerl sind in die bosileia tou theou, die Israel heifit' uras kann ihre Viederannahme anderes bedeuten als die To' tenenreckung? Die Totenerrteckung und der Einzug Israels in die bosileia ist ffrr ihn identisch.
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Und das ist das Mysterium, Vers 25: Eine Teilverhdrtung ist iiber Israel gekommen, bis dafl die Vollzahl der Heiden eingegangen ist, und so wird das - und nun kommt der entscheidende Begriff: - pal isruel, das galnze lerael gerettet werden, wie es heifit bei den Pro pheten: Kommen wird aus Zion der Retter und wird den Frevel von Jakob abwenden. Und dies iot mein Testament ftir sie, wenn ich ihre Siinden von ihnen fortnehme. So endet iibrigens i"d" itidische Predigt bei den Frommen. Bei diesem Satz weifi manr i"t t ist Schlufi, die Sache ist zu Ende. Und nun kommt dieser gewaltige Satz, tiber den ich mich mit Carl Schmitt auseinandergesetzt habe. Hier hat ein fast Neunzigiihriger mit einem etwas iiber FtinfzigiEhrigen zusammengesessen und 9-11 buchstabiert. Und dann kamen wir zu dem Satz: Im Blick auf das Evangelium eind eie Foinde - Feinde Gottes! Feinde ist kein Privatbegriff; Feind ist hostis, nicht inimicw, das ist nicht mein Feind. Venn es heif3t ,,Liebet eure Feinde" ia vielleicht, da bin ich mir nicht sicher, uras das in der Bergpredigt heifit. Hier iedenfalls handelt es sich nicht um private Fehden, sondern um heilsgeschichtliche Feinde Gottes. Foinde um Euretwillen, im Blick auf die Erulihlung iedoch eind sie Geliebte um der Vflter willen. Und das habo ich Schmitt vorgehalten, dafi er diese Dialektik nicht sieht, die den Paulus bewegt und die die christliche Kirche nach 70 vergessen hat, daf3 er nicht einen Text, sondern eine Tradition ribernahm, nf,mlich die Volkstraditionen des kirchlichen Antisemitismus, dem er dann in seiner Hemmungslosigkeit 33-36 noch die rassistische Theozoologie aufse.*zte.Das hatte et,-der bedeutendste Staatsrechtler, doch als eine Belehrung empfangen. ,,Das habe ich nicht geumflt!" Man kann Texte lesen, ohne zrr merken, was die Pointe ist. Und l5OOjehrige christliche crschichte sprach fiir ihn, so wurde es ia ..."h nicht empfunden, denn unwiderruflich eind die Gnadengaben fiir die Berufung Gottes. Ich mdchte hier den Blick auf den Zusammenhang zurfrcklenken und die Frage stellen: was hat 9-11 mit l,
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und 13 zu tun? Ich glaube allerdings viel. 12, so scheint es mir, nach diesem grofien lubel am Ende von 11, will das Leben der C'emeinde schildern. Er spricht vom Gottesdienst und den Gnaden im Dienste des Leibes Christi. Das organologische Bild spielt ia auch im rdmischen Denken eine Rolle, und auch in Exodus taucht es auf. Aber dort ist es immer der Kopf, w6hrend hier von einem Leib die Rede ist. Ein Leib in Christo, denn alle Glieder sind gleich, auch wenn sie verschiedene Funlcionen haben. Und dann schildert er die Lebensformen der christlichen Gemeinde in dieser Agape, das Leben der Christen aus dem Pneuma und in der Agtpt untereinander. Sozie logisch heifSt das: eine neue Art Verbindung, eine neue Intirnitit wird geschaffen. Und ietzt warten Sie ia sicher mit Spannung auf R& mer 13. Nichts ist abgeklopfter als Rdmer 13. Einer, der ja mit diesem Haus verbunden ist, Ulrich Duchrow, hat ja doch eine garlrz grofie Arbeit riber die beiden Reiche geschrieben, so ein dicker Schinken, den ich armer lob auch wirklich gelesen habe. (Das hat mir Frau Gastl geschenh, als ich zum erstenmal in Tribingen rrar? zu Besuch von Ernst Bloch.) Sie k6nnen sich vorstellen, dafS ich mit den Hunderten Varianten, die da exegetisch und thmlogisch aufgefiihrt werdeno mehr oder weniger vertraut bin. Nehmen Sieos mal oD, es ist keine schlechte Hypothese. Ich glaube, es bringt wenig znm Verstf,ndnis von R6rner 13 im Sinne dessen, was Paulus vorhat. Denn R6rner 13 - ich schliefie mich hier Karl Barth an - begnnt bereits mit dem Ende von 12, mit dem Satzz Lafi dich nicht vom Bdsen besiegen, sondern besiege das Bdse durch das Gute. Ich halte das fiir einen genialen philologischen Griff. Der Fehler, den man hier meiner Ansichi nach nur allzu leicht macht, besteht darin, dafi man wie gebannt auf den ersten Teil starrt. Venn man auf das fhema Obrigkeit starrt wie auf eine Schlange, dann ist schwer ."Ih"rr, *i" man da rauskommt' Kapi"o Teile. Die Passage riber den Gehortel 13 hat aber drei sam gegenriber der Obrigkeit, die so schwer zu interpretiereri i-st, l6Bt sich abei erst von den beiden anderen Teilen her verstehen.
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Enstnn TErr,:l,Brrl]nrr'l
Der zveite Teil handelt von der Liebe als Erfiillung des Gesetzes. Bloibt niomandom otwos echuldig' nur dlo Liebo schuldot lhr olnandorr wor don ondorn llob! hat des Gosotzorfiillt. Dsnn dlo Gobotor Du eollst nlcht ohobrochon, du sollst nicht tiiton, du sollst nicht stoblon, du sollst nicht bogohren und ollo andoron Goboto slnd ln oinom Satz zueonrmongofalSt du sollst deinon NEchstonlioben wto dich sslbstl Dio Liobo tut dom N6chston nichte Bosos, olso lst dle Liobe dle Erfiillung dos Gosstzes. Das klingt sentimental und so weiter, ist es aber riberhaupt nicht, das ist ein hochpolemischer Text, ppterutg$ geger, Iesus. Denn aus den Bvangelien kennen wir das Doppelgebot. Jesus wird gefragt: nras ist das wichtigste Gebot? S"gt er: du sollst lieben deinen Herrn mit all deiner Kraft, und deiner Seele und deinem Verm6gen, und dann folgt: liebe deinen Nabhsten wie dich selbst. Paulus spricht kein Doppelgebot aust, sondern eine Vereindeutigung; fast unirde ich mit Koibve sagen: ein Feuerbach wird daraus. Verzeihen Sie, Feuerbach ist es nicht wert, n\ ilr diesen Zusammenhdngen genannt za werden, aber die l I U"Ur nicht des Herrn, sondern sa Nflchsten wird ins ? I I Zentrurrr gestellt. Kein Doppelgebot, sondern ein Gebot. t I O"r halte i'ch ftir einen absolut revolution6ren Akt. Ich bin zwar nicht firm im letzten Pingpon g zum Doppelgebot, aber ich glaube doch, dafl das zu den Urbestdnden der christlichen Tradition von Jesus geh6rt. Und das kann dem Paulus nicht entgangen sein. Deshalb ist das polemisch formuliert: nur das und das allein gilt: in welcher Venn das aber dfit dani-frTG man ist denn Zeit eine gegenwdrtige fiir was Epoche leben wir, das? Sagt er: {Oio Stundo let gokommon oufzustehon Yon dom Schlaf, f donn iotzt lst das Heit uns nthor ale zut Zsit, da wlr gl8ut ftg wurdon. di" sehen also: im letzten grofien Brief des Paulus an eine Gemeinde, die er nicht kennt, ist sein apokallptischeschatologisches Bekenntnis unerschrittert. Es ist nicht so, dafi er am Anfang in Thessaloniki solche Phantasmen
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hdtte und sp6ter dann weise wird, sondern das hdlt durch Wer was anderes sag\ muff diebis in den R6merbrief! erkliren. Text sen uns ablogon dio Worko dor Der Tog ist naho, darum loseot 'woffon dos Lichts, lo6t une Finstornie und onlogon dio ohronhoft tobon wio am Tag ohno ma0losos Essen und Trinkon, ich bin ia sehr ftir diese konkreten \[orte, in denen er sagt, was er meint, Unzucht, Aueschwolfung' ohno Stroit, daf3 diese Agapen, diese Mahle nicht ausarten (es gibt ein Buch von Reicke iiber diese Agapens) logt oln nouos Gowand don Horrn Jeue Christus an und sorgt nlcht fiir ouron Loib, da8 dio Begiordon orwochon. Ich lese dae, und ietzt sprechen u.ir von 13, 11 ff., so wie das folgende in 1. Korintherbrief, ich meine, die nihilistische Stelle des ftos md [1. Kor. 1,29 flf.l zu haben, ale ob man nicht hat. DloZolt ist kurz, so beginnt der Text, Domit forton auch dio, wolcho Frauon habon, so solno, als hfitton slo koino, als hetten sie keine, comm,e sio und dio lVoinondon, ale wolnton sio nlchtn und dio Fr$hlichon, ole frouton sio slch nicht, und dio Kaufonden, ols behiolton slo os nicht, und dio dio Dlngo dor Wolt boniilzsn, als niitzton eio sio nlcht aus. Donn dio Gostalt" die m,orpftd, dlosor lVolL tou kosrnoz, vorgohl lch wlll abor, daG ihr ohno Sorgo sold. Das heifit unter diesem Zeitdruck, wenn morgen das ganze Palaver, der ganze Schwindel vorbei ist - da lohnt sich ich richtig, wffrd' Vollkommen doch keine Revolution! Gewalt Gehorsam erweisen, auch raten. Der staatlichen Steuern zahlen, nichts B6ses tun, nicht in Konflikte geraten, denn sonst wird es ia verwechselt mit einer Revoluzzer-Bewegung, uras ia auch geschehen ist. Die haben ia wie etwa die Juden,.als eine religin gar keine Legitimation, licita, komisch, *ie sie waren, waren sie eben doch anerkannt und mu8ten nicht am Kaiserkult teilnehmen. Hier 'n bif3chen kommt aber eine unterschwellige Gesellschaft, 'n Juden, bifichen Heiden, man weifi nicht, was ist'n das fiir ein Gesindel da ... Um Gottes willen, nicht auffallen! h
)rl I tut af "'{' s Bo ReicLe, Dialonie, Feafreud.e und klos christliahen Agapefeier, Uppu"l" t951.
in Verbin&ng
mit der alt-
Zweiter Teil: Virhrngen Parrlus und die Moderne Transfigurationen des Messianisdren 1. Fremdlinge in dieser Velt: Marcion und die Folgen Wir wissen alle, daf3 die Evangelien spdter geschrieben sind, dafl Paulus sich auf sie natrirlich nicht beziehen kann. Dennoch meine ich, daf3 das Doppelgebot zu den tiefsten Erinnerungen der Gemeinde geh6rt und dafi schon einiges dazugeh6i zu dieser extremen Verkrirzun_g, s9*9hl an der bernlmten Stelle l. Korinther 13, wo die Liebe als eine eigene und einnge Kraft verherrlicht wird, als auch explizit in R6mer 13 (vgl. S. 74). lch kann mir vorstellen, daf3 Sie das beunruhigt. Wieso - mufi man fragen - ist Liebe besser als Glaube und Hoffnung? Das ist eine komische Sache. Es steht dort: menei [1. Kor. 13, 13], es bleiben alle drei, Glaube, Uebe und Hoffnung, aber die Uebe ist die GrdfSte unter ihnen. Warum ist die Uebe die Gr6f3te? Weil wir so romantische Liebesansichten haben? Das wird ia wohl dem Paulus nicht zu unterstellen sein, so ein Zwdlftes-Jahrhundert-Gefrihl b la Denis de Rougemont, Loae in the Western World.36 Der Text wird gew6hnlich falsch gelesen: Es bleiben alle drei. Aber es bleiben gar nicht alle drei. Wieso kann Hoffnung bleiben? Venn man sieht von Angesicht zu Angesicht, braucht man doch keine Hoffnung. Dann seh' ich. Solange ich warte auf den Bus, hoffe ich. Wenn er gekommen ist, steig' ich ein. Und Glaube heifit: Ich gehe in der Finsternis. Sie kennen die Stelle: Wir
s Denis de Rougemon\
I-aue in the western world, New York 1990.
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II ll
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wandeln im Glauben, nicht im Schauen. \Fenn rnan schaut, braucht man nicht zu glauben. Und was ist nun mit der Liebe? Was heifit denn Liebe? (Verzeihen Sie, wenn ich so bl6de Fragen stelle, aber man mufi es doch herauskriegen k6nnen.) Liebe heifit, daff ich nicht in mir das Zentrum habe denken Sie an das Symposion -t sondern: ich habe ein Bedrirfnis. Der andere ist n6tig. Es geht gar nicht ohne den anderen. Der andere ist nicht irgendeine Konstrultion, *ie bei Husserl, sozusagen aus dem Selbst-Ego bla bla bla bla, oder Fichtes ... Verzeihen Sie, alles, was ich so unterrichten mufl die garnzeZeit, kommt rnit ietzt hoch. Sondern: Liebe irt d@dnip meiner Reclfirftigkpit. Nun kainlnarflgenr VGmdann das Reich Gottes da ist und alle auferstanden sind, was brauch' ich dann Liebe? Dann sind wir doch perfekt! Der Vitz ist bei Paulus, dafi ich auch in der Perfelcion kein Ich bin, sondern wir ein Wir sind. Das heifit: Die Bedrirftigkeit ist in der Perfektion selber. So wie es im zweiten Korintherbrief hei8t deine Kraft uollendet sinh in deiner Schwdche. Telos, Vollendung ist ein Begriff aus der Mystik, aus der Mysteriensprache, aber auch aus der Physik. Und die Pointe ist: en ostheneia, in der Schutdche. Ich will ietzt nicht auf die garlnzeDiskussion HarnackReitzenstein eingehen, ob das eine pagane Formel ist, die Paulus verdndert, ich findo Reizensteins Deutung interessanter.37 Jedenfalls die Ontologie auch der Erl6sung setzt die Bedrirftigkeit ein, setzt den Leib Christi, eine Gemeinsamkeit voraus. Wir sind nicht, wie die Gnostiker es verstehen: ieder perfekr ffrr sich selber, sondern wir sind in unserer Bedrlrftigkeit gemeinsam im Leib Christi. Das ist Pauluso Kritik der Gnosis, der gnostischen Tendenz, die schon damals vollkommen entwickelt war, daniber ist gar kein Zweif.el. Paulus hat zwei Ausginge. Den Ausgang in die Kirche (Petrus, die kohformistische Clemens-Tradition, die Pastoralbriefe). Aber es glbt einen anderen Ausgang von t Richerd Reitzenstein, Die lrcllenistischen Myeterienreligi,onen (3. Alrfl. lgfil), Nechdr. Dermstedt 19S0.
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Parrlus, der fiir mich der entscheidende ist, ndmlich Marcion. Sie kennen das Buch von Harnack, frinfzig Jahre hat er daran gearbeitet, mit schauerlichen Thesen am Ende, man mtifSte das ganze Alte TestPment aus der Bibel herauswerfen. Marcion versteht sich ia auch als Schriler des Paulus, und zwar als der richtige. Presbperos sagt er von sich selber, und alles andere sind Fehler. Und was ist denn der point von Marcion? DafB der Vater fesu Christi nicht identisch sein kann mit dem creator coeli et terrae. Das Alte Testament ist vollkommen in Ordnung, n6rnlich literal, es beginnt mit der Sch6pf*g dieser \trelt durch den Creator - sieho mal an, was fiir eine miserable creatio d,as ist, wo so viele Mricken da sind (ich zitierc Marcion). Aber der Vater Jesu Christi ist mit dem riberhaupt nicht identisch. Sondern er ist der fremde Gott, deus alienus, der andere Gott. Sie k6nnen das Sa;nze Vokabular bei Harnack nachlesen. Es steht bei Campenhausen, ieder Student kann das nachlesen, dafi die Entstehung des christlichen Kanons eine Antwort ist auf den Kanon, den Marcion aus einem Evangelium geschaffen hat: Lukas plus purgierte PaulusBriefe.s Purgiirt natii'rlich nicht aus philologischen Gninden, sondern weil er sagt: da ist hineingemogelt worden, ein harmonistisches Verstindnis macht sich breit, das keine Berechtigung hat. Und da trifft er etwas in Paulus! Denken Sie nur an die ungeheure Angst des Pauluso von der Liebe Gottes abgeschnitten zu u'erden. Wer schneidet hier ab? Dieser Sch6pfer-Gott mufi doch d6monische Zfige haben: Er ist mdchtig, also ietzt paulinisch-marcionitisch gesehen, aber mit dern, was mit Erldsung zu tun hat, hat er nichts im Sinn. Die Erldsung kommt von dem Vater Jesu Christi, das ist der Gott, der unbekannt ist, der ienseits der Aonen ist, ein wirklich transzendenter C'ott. Nicht so transzendent wie der mit der Schdpfung da, das sind fiir Marcion kleine Nrisse. Sch6pfer dieser Welt heifit Sch6pfer aller Schlechtigkeiten dieser Welt, die abzulesen sind an seinen Verken. Und so ist er: eifersrichtig, zor$ Ffens v. Cempenheuseq geu 1968.
Die Entstehwg
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nig, also alles, was protestantische Theologie sp6ter dem iridischen alttestamentlichen Gott vorzuwerfen hat. Dieser gnostische Zug ist angelegt in Paulus, und meine Frage war: wo ist der Ansatz? Er hdtte doch leicht in Korinther 13 und besonders in Rdmer 13 durch einen Satz das Doppelgebot einfiihren k6nnen. Es ist riberhaupt kein Problem. Da sind die Horizonte offen, und die rnarcionitische Kirche, die ia die erste Kirche war, ist da drin. Es ging mir darum, das zu verstehen, dafi hier nicht irgendein Reeder aus Pontus mit viel Geld nach Rom kommt und sein Evangelium vorlegt, sondern iemand, der ungeheure Erschritterungen hat. \[enn Sie sich erinnern - wir besitzen das Evangelium ia nicht, sondern kennen es nur aus den Antithesoo -, dafi Marcion sagt: O Vunder aller Wunder, daf3 es trotz dieser Welt und seines Gottes Erl6sung gibt! Und da ist der Vater Jesu Christi nicht der Sch6pfer dieser Welt. Die Kirche hat sich dagegen gewehrt, denn ihr Leben hi.g dran. Sie hat eine concordia, aehts testamentum et nouum testamentum hergestellt. Darum war ffir sie die allegorische Interpretation lebenswichtig und keineswegs arbitrSr. Und darin war Marcion gegerasie, denn er wollte da reinen Tisch machen wie Harnack im 19. Jahrhundert, der Arme.s Es liegt nahe, die Geschichte des Paulus einseitig zu lesen und latente Elemente in ihm zu fibersehen. Keiner hat ihn verstanden, kann man sagen, aber keiner hat ihn auch ga;nz mifiverstanden. Die Frage ist nicht, beckmesserisch zu zeigen, wo Marcion abweicht von Paulus, das ist kein Kunststrick. Die Frage .ist, u'o er eine Intention trifft, und er versteht sich ia als der wirkliche Schriler des Paulus. Gibt es noch andere Hinweise auf diese (polemische) Einschrflnkung des Paulus? Sehen Sie sich den Jubelruf an, den wir behandelt haben, R6mer 8: von der Liebe Gottes durch Christus getrennt. Die Liebe Gottes, die Paulus annimmt, ist sehr, sehr weit Treg.Durch MEchte irdischer und himmlischer Provenienz, oder archontis Adolf v. Hernack, Marcion - das Euangelium uorn fremden @tt Al.fil. lg24), Darmstedt 1985.
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scher Provenienz ist diese Liebe Gotrtes, des Vaters Jesu Christi unterbrochen. Der Strahl dringt nicht durch. VEre nicht das Antlitz - ich habe 2. Korinther im Sinn - das Antlitz (prosopon/ Christi prisent, da. Ich mach' das ungern, aber schliefilich bin ich in einer evangelischen Studiengemeinschaft der Luther ist auch keine so leichte Sache. Da grbt es Stellen, die vom Hafi gegeraGott sprechen, wirklicher Haf3, wenn nicht in Christus. Das erste Buch, das ich riber Luther las in New Yorb war nicht das von Eriksone? es war das Buch von Harnacks Vater, Theodosius Harnack aus Dorpatat. Zwei B6nde, ein dickes Ding. Ich fand das spannend. Das war n6mlich reiner Marcionismus. Das urar ein Luther, bei dem die Seiten Gesetz und Evangelium, der grausame C,ott auf der einen Seite und Christus, der Liebende, total arrseinandergerissen uraren und der Faden ein gannz,gan.z drinner war, im Interesse der Dogmatik. Aber die Erfahrungsmflchtigkeit dieses Werkes spricht ge1en das Dogma. Ich nehme an, es ist keine abenteuerliche Hypothese, daf3 Adolf von Harnack dieses Buch kannte. Das Buch, das uns Luther als Marcion durch einen Theologen des 19. Jahrunderts daistellt. Die ganzen Vater-Jesu-Christi-Stellen (das mrif3te mal einer genauer untersuchen, ich kann hier nur Fingerzeige geben) sind von einer ambivalenten Art. Manchmal hat man das Gefiihl eines Addendums. Es w6re mit dem Christus genugr und dann kommt noch ein Addendum hinzu. (D"r mrifite eine philologische Studie mit hoher Sensibilitdt herausarbeiten k6nnen.) Man kann auch anders fragen: Wie sah der Vater aus, bevor Jesus Christus erschien? Der war ia auch da. Und da ist anzunehmen, dafS dieses latente Element, das in Marcion dann durch-, bricht und Kirche schafft - Marcion ist nicht ein Indivi'[ duurn, das Ideen hat, sondern das eine K;"h"-."i"tii;[\ und znpar eine Kirche aus Asketen. Das Grundgebot diel i ser Kirche heifit Ehelosigkeit, und wenn EheschlieGungil I t,
{0 Erik H. Eri}son, Der jrnge Mann L'uther, Fren}f,urt 4. Auf[ 1989. {1 Theodosius Harnacla Luhers Theologie(1862)' Ansterden 1969.
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ZvnnsR Tnn. Vrnrtrncnn
kein ehelicher Verkehr. Also miissen alle Mitglieder immer neu rekmtiert werden. Eine Kirche der radikalen Mission also, die sich nicht als Volkskirche auf den Polster legen kann. Die marcionitische Kirche reicht von Nordafrika in Mischungen mit dem Manichdischen bis hinein nach China. Also das ist nicht nichts! Der Gedanke zu Ende gedacht heifit ia: die \[elt auszuhungem? indern ihr der Same entzogen wird. Es ist eine das Veltende praktizierende oder exekutierende Kirche. Die katholische Kirche hat hier Kompromisse gefunden, wie immer, nimlich sie hat einen Stand, den Mdnchs-Stand mit seinem martyrium cottidianum, und dann sp6ter auch ab dem 12. Jahrhundert die Ehe als Sakrament, was zun6chst mal gar nicht drin war. Zundchst mal ist an den Ehestand fiberhaupt nicht gedacht. Man braucht ia nur den Parrlus zu zitieren. Was da riber die Ehe steht, ist nach unserem modernen, protestantischen Verst6ndnis ja hanebrichen. Nur nicht zu entbrennen, schreibt er vol, aber was Po sitives steht da nicht drin. Eine Arbeit hab' ich gelesen - es gibt ja nichts, u/as es nicht grbt -, War Pauhrc Witwer? Venn wir mal annehmen, wie er selber beschreibt, dafi der Pharisier Sohn eines Pharisiers war mit gewissen Neigungen zlaln"nEifer, in diesen Kreisen nicht zrr heiraten, ist eine sehr seltene Ausnahme. Der Jude, das wissen Sie auch aus dem Rosenzweig-Text, ist voller Mensch erst durch die Ehe. Also das ist nicht Paulus. Ich kdnnte weitergehen. Der Gedanke fiihrt etuas ab, aber er ist interessant. Ich bin mal gefragt worden, im College-Unterricht in Amerika, wir muf3ten da Altes und Neues Testament machen in einem Kurs der Hurnanitias, von einem Studenten: was ist denn nun wirklich der Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen Testament? Stellen Sie sich vor, Sie kriegen so eine Frage von einem Schriler (es war Michael Baermann, heute ein bedeutender Literatur-Theoretiker), was antwortet man da? Mir srar klar, daf3 ich ihn nicht abspeisen kann mit dem, was so feststeht. Das war evident, das weif3 er. Er wollte ulas verstehen, und ich selber wollte auch verstehen, venn rnan schon geftagt wird. Und da ist mir was eingefallen. Ich habe ihm gesagt: Veif3t du, wenn ich das AIte Testarnent
Wslir FnsMDm.rcE IN DIESIER
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auf ein Leitmotiv hin lese, so ist es das, dafS eine unfruchtbare Frau und Mutter um ein Kind bittet, schreit. Sara, Rebekka, Rahel, Hanna, die Mutter Samuels, und as grbt noch andere. Venn du ins Neue Testament guclst, so werden von Christus allerlei Vunder erzihlt. Er hat Lahme gehend gemacht, Blinde sehend gemacht, Tote aufenrech, aber eine wird nicht berichtet dafi eine Frau komrnt, das wir' doch das Evidenteste, und sich wirft vor ihn oder sein Kleid zen-t und sagt: ,,feh m6chte einen Sohn!" Das kommt nicht vor. Dieser Michael Baermann war ein Pfiffikus und sagte: Es kommt doch vor. Und n$ar kommt es vor bei der Gebrrrt des Johannes des Tdufers. Und damit wollte er mich in der Klasse k. o. machen. Sag ich: Michael, do tiuschst dich. Just das ist ein Beweis fffr mich. Denn das ist vor Christus. Das ist der [ibergang vom Alten ins Neue Testament. Um so erstaunlicher, dafS es das im Neuen Testament nicht Abt. Sp6ter, in den Heiligenlegenden des Mittelalters taucht natrirlich dies Wunder auch als Zeichen fiir den Heiligen auf, denn da ist ia diese Atme I sphire der totalen lch-Bezogenheit und Heilsbezogenheit I auf das Ich nicht mehr da. Das ist eine urchristliche I Mentalitdt, die'ia nicht durchhalten konnte. I Ich glaube, das verbindet sich mit unserem Problem der Reduktion des Doppelgebots und der gnostischen Zige in Paulus. Die Sch6pfung spielt keine Rolle im Neuen Testament. Also wer Ihnen das einredet, ich weif3, die Theologen machen daraus ein grofies Gesch6ft, das bringt nichts, es ist nicht da. Da ist eines allein: Erl6sung. Das ist das Interesse. Und die Frage ist - i*rt verbinde ich diese beiden Themen - der Faden zwischen Sch6pfung und Erl6sung ist ein galnz diinner. Ein ganz, gartrz drinner. und er kann reif3en. Und das ist Marcion. Da ist der Faden gerissen. Der liest - und er kann lesen -, der Vater Jesu Christi ist nicht der Sch6pfer von Himmel und Erde. Der Sch6pfer von Himmel und Erde spricht sich aus im Alten Testament und ist der gerechte Gott, nicht der b6se Gott. Und weil gerecht, ist er nicht der Vater lesu Christi. Gerechtigkeit in dem Sinne, wie Marcion es radikalisiert, ist zum Tode, ist hae,c celfula creatoris. Diese Velt ist die
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ZurerrsR TBn; \firrnrcrxcnrr
cellula, die Zelle dieses Sch6pfers, und voll von Ungeziu fer. Ich will Ihnen gleich den ersten Satz von Marcion in dem Buch, das n'ir nicht haben, sondern das bei Harnack erschlossen wird aus verschiedenen Quellen, nennen. Da wird das Evangelium als Geschenk verstanden und so eingeleitet O Wundor tbor Wundor, Vorztickung Nlacht, Staunon lst, daB man gar nichts iibor das Evongollum sogpn noch iiber dassolbo zu donkon, noch os mlt lrgond otwas vorgloichon kann. Also schon gar nicht mit irgend etwas von dieser lflelt. Es ein Ausdruck von ist das Fremde. Der fremde Gott Marcion, deus alierurc - trifft in uns auf etwas ebenso 'lffenn man sagt: wir sind Fremdlinge auf ErFremdes. den, mufi das doch einen Sinn machen. Fremdlinge sind wir, weil wir verbunden sind mit einer anderen Instanz. Wir sind Fremdlingg ist ein abgegriffener christlicher Satz. Aber bedenken Sie einmal das Potential, das darin steclt! Darin steckt ein Potential der Umkehrung. Und ietzt lege ich lhnen die These Harnacks vor, doch des bedeutendsten liberalen Theologen der wilhelrnini' schen Epoche. Er war ia auch Pr6sident der Kaiser-Vilhelm-Gesellschaft, es gab ia nichts, was er nicht war. Dafi ihn Overbeck zutiefst verachtete (und ein Harnack-Alphabet voller Inveltiven anlegte, darin er unter anderem feststellte, dafi er Wilhelm II. diente als Friseur seiner ' Perfrcke wie weiland Euseb dem Konstantin), das kann er sich leisten, nicht wir. Dio Thoso, dlo im folgondon bogriindot wordon soll, lautotr das Alto Toetamont im zwoiton Jahrhundort zu vorworfon, war oln Fohlor, don dio grofio Klrcho mit rocht abgolehnt hat. Es im eechzohnton Jehrhundort beizuboholton, wor oln Scblcksal, dom slch dto Rolormatlon noch nlcht zu ontziohon vonnochte. Es ebor eolt dom nounzohntsn Johr' hundort els kononiecho Urkundo lm Protsetontiemuenoch zu konsorvioron, ist dio Folgo olnor rollgideon und kireh' lichen LEhmung. Na, das ist schon allerhand, was? Das ist das Geheirnnis des deutschen liberalen Protestantismus, der 1933 dann
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'w'nrt FnuunmvcE rN DrEsiER
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die Probe nicht bestehen konnte. Denn warum sollen sie sich um alttestamentliche Geschichten von Hirten krimmerrl? und der Jakob besonders, so ein umwegrg., Typ das sollen unsere Kinder lernen? Vas brauchen sie das, sie k6nnen doch lieber germanische Sagen lernen und dann den Jesus Christus als'reine Liebe haben! Das war am Tage der Priifung des liberaleh Protestantismus - im grofien und ganzen - die Stimmurgr und Harnacks Satz war nicht der Motor, aber das Geheimnis der Sache. Ffarnack schreibt eine Geschichte des geheimen Marcionitismus in der Kirche selber. Und dann sieht er den Deismus, der ia - man sagt's der Tochter und meint die Schwiegertochter - aufs Alte Testament einschldgt in Bt gland. Das war eine Sprengquelle, die aufsprang und dann wieder durch die anglikanische Kirche absorbiert wurde und dann riber Voltaire wirkte. Deismus bedeutet radikale Kritik des Alten Testaments mit genau denselben Argumenten. Wissen Sie, wer Geschichte treibt, mu8 sich daran gevdhnen, daf3 sich Argumente wiederholen. Die Ar- ^ '|l gumente sind immer die Gegenriberstellung von Gerechtigkeit und Liebe. Und so sieht das auch Harnack, er t/l sieht das als die Linie des deutschen Protestantismus von Luther logisch zu Ende gedacht, u'ogegen steht das Vort von Thomas Mrirntzer Luther gegenriber, daf3 er den bitteren Christus vergif3t, den Zorn. Und die Calvinisten, die auf das Alte Testament rekurrieren, weil sie das nicht mit einer Farbe der reinen Liebe beschreiben, sondern mit den dunkleren Farben der Pr6destination, der Kom-' munalitit, des congregationalism und nicht dieses individualistischen Elementes, das dem lutherischen Protestantisrnus ia eignet. Zu welchem Grad, dartiber kann man streiten, aber dafi Innerlichkeit was mit Luther und Protestantismus zu tun hat, kdnnen Sie am besten noch in Doktor Faushn bei Thomas Mann nachlesen. Und ietzt fragen Sie zurrick: das ist bei Paulus drin, das ist eine Seite, die Marcion heraushebt in der C,r'nialitdt des lrrtums. Paulus, wenn Sie den gefragt h6tten, er hdtte zrur Antwort gegeben: Selbstverst6ndlich sind Christus und der Vater Jesu Christi von einer Masche, und n rar der Gott des Alten Testaments, alles klar. Da
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Zwmnn Tnr.: Vnrcnrcrnv
brauchen Sie ia nur R6mer 9-ll mit dem unendlichen Zitations-Netz zu beriicksichtigen. Ja" aber der Vitz ist nicht d,as Titations-Netz, sondern die Erfahrungsgrundlage. Und die ist ambivalenter, als man in den theologischen Kursen im allgemeinen zu h6ren bekommt. Also, ich iedenfalls habo mir das alles selber ausdenken mrissen. Jedenfalls in Zitncln zrt meiner Studentenzeit war darriber nichts zu erfahren.
2. Diehlotendes
Absoluten und der Entscheidung:
Carl Schmitt und Karl Bartlx Die dialektische Theologie ist nur eine her Weisen, ndmlich die kirchliche, in der dies Problem in den zwanziger Jahren gestellt ist. Es udre der Mrihe wert, all die negativen Rezensionen iiber Karl Barths R6merbrref za sammeln. (Ich glaube, sie sind sogar g€narnmelt in einem Band, aber nicht genug. Jrilichers kenne ich, und dann irgendeinen, der es mit Marcion vergleicht.) Ich behaupte nicht, dafi das alles richtig ist, aber es gibt nie was Banz Falsches. Etwas sieht man da. Ich sehe es so, dafS im ersten Weltlrieg die Synthese des Kulturprotestantismus, an dem die deutschen Juden genbuso beteiligt waren? zusarunenbrach. Das war sozusagen eine gemeinsame Firma (oder wollte es seino denken Sie nur an die besch6mende Schrift von Hermann Cohen rfber Deutschturn und Jud.entury rnan kann nur das Haupt verhrillen vor dieser Gleichung!42) Aber diese Firma gab's mit dem grof3en Partner und dem Heinen Partner, der sich als Partner verstand, wf,hrend der andere ihn gar nicht als Partner yerstand. Das harmonistische Verst6ndnis von Velt, Gott und Mensch, die lange wilhelminische Periode des Wachstttms, die Grfinderzeit, wo ia alles gr6fSer und besser umrde, all das hat in den Schritzengrdben Frankreichs, Mazedoniens und RufSlands sein abruptes Ende gefunden. Daniber gibt € Hetm."'n
Cohen, Deutsohtum und Judentum, GieGen 192!.
Cml Sctnranruxo Knnr-Bmtn
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es Filme, dr gibt es Romane, die sind sehr wichtig. Es ist ein spannendes Thema, *ie die deutsche Theologie auf die Erfahrung des ersten Veltkriegs reagiert hat. Die groffen Professoien, die ia wie G,6tter damals waren? Martin Rade und Adolf von Harnack, verloren ihren Einfluf3, das brach zusammen wie ein Kartenhaus. (Veru'eis auf einen Brief von Rade an Barth, der ihn nicht unterzeichnet.) Man sah, dafi sie nichts waren als preufSische BeamHermann Cohen, dafB Sie da nicht meinen, te. i"r"rrro Partner besser war. kleine daf3 der In diesen Schritzengrdben ist die kulturprotestantische Synthese zerbrochen. Ich brauche nur theologisch an das iesprich zqrischen Harnack und Barth za erinnern, das Arauer Gespr6ch, vo sich zwei Welten gegentiberstanden? die sich riberhaupt nicht verstanden. Harnack meinte, hier kornmt ein neuer Pietismus, Neeorthodoxie? etc. Harnack staunte, dafi es so einen Kommentar wie den Barths zum R6rnerbrief geben kann, daf3 so etwas geschrieben werden kann! Na ja, und er ist mit diesem Staunen gestorben. Die theologische Variante also war Karl Barth, und von daher ist Ihnen dieses Denken zugdnglich. Aber das geht viel weiter und mufS differenziert werden. Es gab eine radikal theistische Fronde gegen diesen kulturprotestantischen Brei, von 'dem man nicht weifS: Ist es das Absolute? Ist es nicht absolut? Troeltsch ztrn Beispiel in Hunderten von Artikeln und Brichern iiber den Historismus. Dagegen stand eine Fronde, die ribrigens durch die Konfessionen geht. Das ist das gewaltige \Verk des katholischen VolGschullehrers Ferdinand Ebner, Dos Wort und die geistigen Realitdten, das ich Ihnen dringlich zur Lektrfra empfehle, uffi die Jahre 1911178 verstehen zu lernelr.43 Das Buch hat eine ironische Einleitrtrg, wo er das Gutachten des LeLCors des Verlags aMruckt, der den Text nicht angenommen hat. Und das ist toll! Der LelCor sagtl das ist ein Nervenzusammenbruch, das ist ,,the failure of nerves", wie das spiter genannt wurde von Gilbert Murray {s Ferdinand Ebner, Das Wort und die geistigen Realittiten (1921), Frankfirrt 1980-
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ZvsITEn Tnrr; Vnrurcml
tiber die Spf,tantike, als das Christentum hochkams; das sind fiebrige Meditationen. Mit diesem Argument lehnt es der Groffverlag ab, ich glaube, das war Braun-Mtillero ein grofSer Verlag in Wien. Und das l6f3t Ebner in seinem Vornrort stehen. In dieselbe Periode geh6rt - lassen wir einmal die Abhengigkeiten beiseite, da gibt es immer Streit, damit beschSftigen sich viele Privatdozenten das lch und Du von Martin Buber6, das seine mystische Periode beschlief3t und die harte Erfahrung des Du ausspricht. Es ist z:urair wenig, aber es ist was anderes als Mystik. Er konnte diese mystische Phase nie abschritteln, denn er umrde ia verehrt - ich habe das 7941 in Ziirich erlebt, wie da zsvei ernrachsene Leute wie Kinder sich benahmen, nflmlich Ker6nyi und C. G. Jung, in Anbetung des Martin Buber von den Elestatischen Konfessionen,s die er hundert Meilen hinter sich hatte, sie wollten nicht in Kenntnis nehmen, dafi der Mann ein anderer geworden war? ndmlich einer, der lieber Bibelstunden abhilt als myetische Texte der Finnen oder weifi der Teufel was sammelt. Sie aber sahen nur den groflen Mystiker mit dem langen Bart, der aus dem Morgenland kam. Alles AuGerliche sprach ia dafiir, aber es war nicht wahr, er ular ein anderer geworden! Er war eben nicht mehr expressionistischer Autor, der sich ein bifichen chassidisch, ein bif3chen mystisch im allgemeinen das G€ld verdiente, sondern er war ein ernster Mensch geworden. Und in den Schtitzengriben Mazedoniens ist ja dieses Werk von Franz Rosenzweig geschrieben worden. Wenn man die Dichte, die Konzentration des Textes sich vor 'die Augen filhrt, die konstruktive Leistung und sprachliche Sensibilit6t, dann kann man sich nur wundern, wie man so etwas auf Feldpostkarten der Mutter nach Kassel schreiben kann, die das von den zerrissenen 7-etteln dann abschreibt, so da8 daraus ein Buch wird, das geh6rt zu den erstaunlichsten Ereignissen. # G_ilbert Fbe Stoges of Creek Religion, Odord. l9l21. llurren bu, t*;p,ig 1J/2J.l :{6 Mertia i*Fq. Buber,-.Ich'und Buber, Elcscatisclrc Xonf6.si6nen, Heidelberg lg8#..
Cml Scnurmuxo K.muBmrn
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Unddazugeh6rtBeniamin,unddazug"!6tlCarl in AnSchmitt. Sein lrrt"r"rre war es ia, das Staatsrecht anzuprangern. Kelsen' schfitz und in Kelsen, besonders in ab und Der Positivismus schneidet die Grundprobleme k6nnen. zu hantieren gl"Lbr, *it ,"irren Begn_ffen neutral ias ist ein Selfstbetrug nach Schmitt; ihm geht es ib", der Barthum eine Kritik der sikularisierung, nicht aus - Er ist schen, sondern aus der katholischen Perspelcive. Kondie ai" utt olische variante, denn das geht durch lrgendwo, fr""iorr"r, hindurch . Daza geh6rt die Zeitschrift ebenso die sich auch zwischen die Konfessionen querlegt,. die drei B6nde Kreatur, die Buber, viktor von veizsficker und der katholische losef Vittig aus dem Schlesischen herausgaben, eine Trouvaille ersten Ranges' Es gibt-da.nn noch d"ie katholische Summa, da beginnt Hugo lall -eine dann Rolle zu spielen, der Hugo Ball posl D--adaismus?der Heiligen, der Kirche Die . der ,rr"rri" Byzantinisi *ira Christentum, eines der ganz gewalt_igen Bjzantinitho' Intel' ferke der deutschen Sprache; Kritik der deutschen wire Viel in diese Epoche.aT ligenz von Ball geh6rt ir^ dazu zu erzdhlen. sie sehen, worauf ich hinauswill: Karl Barths zuteite im Auflage des Rdmerbrief-Kornmentars ist eine Variante Zusainmenbruch des deutschen Kulturprotestantismus' sagt ia Karl Barth, es sei kein stein von dieser lonrgr gebiieLen, und er schreibt dies dem auf dem rrrd"r"i steht' rdtselhaften Overbeik zu, wie im Vorutort za lesen Theologie' Politische schmitt, carl und nun h6ren sie Das Buch beginnt mit einem Paukenschlag: 9":y".t61,tii.' entecheidet. flrer wer iiber d"o Ausnahmezustand das ist kein Lob Aber schreibt ein Jurist, kein Theologe. s'",iTEnthrillung. sondern eine der sikul.ri.i"ro.g, P3t atoet. Begriffen mit sa$t, weil es recht weiG nicht, *ffi "r V9q9n ist. ,rerdecft tet, deren Grund, deren Vrlr""l, ihm S9hf0sAmnesie, V"rg"rsenheit. Und deshalb baut man nichts' in fJg ;o nrrrrtfalls zusammenbrechen ser, die "* ." *t"
Bet' - Drei Heili--t^end€n' U"U Byzantinisches Cltistencunt ii";'-'rere'
r*itik iJ ii,*in"i t"r"fiiiii tin / LeipzisreF3;Ders.,
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ZvmrrnnTsrL:Vrnrcncsr
und der vitz der sache ist: Dies erschien zuerst in der Gedenkschrift fii'r Max \[eber und ist eine implizite Kritik an Max Weber, an jenem dunklen Punkt, den man nicht durchschaut, riber Charisma. Das ist ein Paukenschlag, ia? Von hier aus geht der die iuristische Literatur durch, denn er ist ia Rechtslehrer, und er umfite sein Gebiet abzugrenzen. Das Ende dieses Aufsatzes lautet sol Es w6ro konsoquontor Rotlonellemus, zu sogon, doB die Auenahme nichte bowoist und nur das Normolo Gogonstand wissonscheltllchon Intorossos eoin kann. Dle Ausnehme vorwirrt dlo Etnhoit und ordnung doe retionalletischon schomas. In dor poeitivon staotslohro bogognot mon dftors einom Ehnllchon Argumont. so antwortot Anechiitz auf die Frago, wlo boi nicht vorhondonom Etatsgesotz zu vorfahron ist, das soi iiborhoupt kolno Rechbfrago. ,,Eo llogt hior nlcht sowohl oino Liicko lm Gasotz, das helftt im Yorfassungetoxt, als violmohr olno Liicko im Rocht vor, wolcho durch kolnerloi rechtswlseonschaftlieho Bogrlffsoporotlonon euegofiillt wordon konn. Des Stoatsrocht h6rt hler auf.. (S. 21 t.) Das steht im Text von Anschritz, dem gr6f3ten Staatsrechtler der Generation: Das Staatsrecht hiirt hier auf. Am entscheidenden Punkt, sagt er, hat es nichts zu sagen. Das ist doch nicht zu glauben!
Irpi-,l. 7rtf5 ai c 14 \t [i
Gerade eine Phitosophie dee konkreten Lebens/ darf sicb vor dor Auenb-hme und vor deffi nichr zuriickziehon, sondorn muB sich lm hdchston MaOo fiir ihn -. odu iElgrescioren. Ihr kann dlo Ausnohmo wlchtigor soin als ''La^ dle Rogol, nicht aus olner romantiechon lronlo fiir das L* .' Poradoxo, sondorn mit dem gonzon Ernst olnor Einslcht, dio tiofor geht als die kloren Gonorollsatlonon dos durchschnlttllch slch Wodorholondon. Dlo Ausnahmo let lntor, I ossontor ols dor Normalfall. Das Normalo bowolet nlchts, I! die Ausnohms bewolst allos; sio bostEtigt nicht nur die Rogel, die Regol lebt iiborhoupt nur von dor Ausnohmo. In _der ^tgqnghmo dlnr,hbrlcht dlo Kraft dos qbklichen t *en" die lir".r" ;inet -iler :clgoddr. Ein protostontischor Thdiogo, bewioeen hat, welchor vitalen Intensit6t die theologlecho Rofloxion auch lm 19. Jahrhundort fEhlg eoin kenn, hot os gosagtr ,,Dio Ausnahmo orkltrt dos Allgemolno und eich solbst Und wonn man des Allgomoino rlchtig etudloron wlll, braueht
Cml Scrurm uxo K.lnr- Bmrrr
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men slch nur noch oinor wlrkllchon Auenahmo umzusohon. Sio logt alles vlol dsutlichor an don Tog als dos All' gpmolno solbst Auf dle LEngo wlrd men dos owlgon Goro' d* ro- Allgomoinon iibordriisslS ee $bt Auenehmon. Kann mon sio nlcht orklflron, so kann 1nonouelr das Allgomolno nicht orklEron. Gowdhnlleh morkt non dio Schwierigkoit nlcht woll mon das Nlgemolno nlcht olnmal mlt Lsidon' schaft, sondorn mit olnor boquomonOborflflchliehkeit donlit. Dis Ausnehms dagogon donkt dos Allgonotno mit onorgischor Loidonschaft." (S. 22) Wer ist dieser Theologe des neunzehnten lahrhunderts? Kierkegaard? der ja auch ein Laientheologe war. Sie sehen din Bogen von Kierkegaardscher Ausnahme zu Schmitts Definition der Souver6nit6t. Und Sie sehen' was die liberale Rechtslehre in ihren gr6fften Vertretern Radbruch und Anschtit z dazlu zu sagen hat. Genauso eine Berufung auf Kierkegaard passiera nt selben Zeit in der Theologil und in der Philosophie. Ich kann hier nicht ausffrhien, daf3 Heidegger das unterlaufen will und das Christliche in Kierkegaard neutralisieren will; das haben die Theologen nie begriffen, dafi Heidegger der Totengr6ber der Theologie sein wollte, aber ich kann auf die Bultmannschen Naivit6ten heute nicht eingehen, der den natrirlichen Menschen mit heideggerischen Kategorien und den christlichen Menschen mit paulinischen Kategorien begreifen wollte. Und Heidegger hat mitgaspielt und_hat sicl damit den gesamten theologischen Marburger Kreis zu seinen Aposteln gemacht, das war ia nicht wenig' Heidegg"t o,ut n6m[ch ein Taktiker, ein Stratege- allerersten dittg"t. Aber das ist nicht mein lfhema, das geht mich nichts mehr an. Jedenfalls alles dreht sich um diesen Kierkegaard der Ausnahme, sei es bei Rosenzveig, sei es bei Ebner' sel es bei Schmitt. Das ist die Gemeinsamkeit- Und nun zury zweiten Punkt. Bei Schmitt heif3t es irrr dritten Kapitel der- Politischen Theologie.' r si1{ Staotslehro dor modernsn prEgnonton Bogriffe Allo f' \ kulorisiorto thoologischo Bogrlffo. Nicht nur ihr-or .1it-11; \ rischon Entwickluig nech, woll sio aus.dor ThetllT: ::: o:r dle Stoatslohro tibortragon wurdon, Indorrr zumBeisqtel altmilchttgeGott
num onn lpotenten
Caeolzgobor wurdol
eotl'
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ZwrtsR Tnn: W'nnmcBlr
dorn auch in ihror syatomatischon Struktur, doron Erkonntnis notwondig let fiir oino eoziologischo Botrochtung diosor Bogriffo. Dor Auenahmozuetand hot liir dio Jurlsprudonz oino onalogo Bodoutung wlo doe lVunder fiir dis Theolo. gfa. Erst ln dom Bowufitsoin eolchor onologon Stollung lElSt slch dio Entrrlcklung orkennon, wolcho dlo stootsphllosophlschon ldeon in don lotzton Johrhunderton gpnommon dio ldeo doe modornon hoben. eich
ll
Fik, dle das lVundor aue dor Welt vorwoist und dio du non unmltung der N Eingrill dos SoqlqlQnsj nung. Dor Rotionalismus dor AufklErung vorworl don AusiEfirf,ofolt in iedor Form. Dio thoistischo uborzougung der
konsoryativonSchriftstsllor dor Gogonrovolutionkonnto dahor vorsuchon, mit Anologien aus olnor thoistiechon Thoologio dio porsiinlicho SouvorEnitEtdes lllonarehon idoologfsch zu etfrtzan. (S. a9)
Sdkularisierung ist bei Schmitt also kein positiver Begriff. Im Gegenteil, das ist frir ihn der Teufel. Sein Einwand ist Das Staatsrecht versteht sich selber nicht. Nun hatte er einen Gegner, der das Problem sah und einen anderen Ausweg wihlte. Das ist der geheime Gegner von Carl Schmitt, n6mlich Hans Kelsen. Hans Kelsen, der ihn berufen hat nach Bonn. Und zarar, das sage ich ietzt im Nebensatz fiilr die, die das Problem verfolgen wollen, hat Kelsen zur selben Zeit, zum selben Jahr 1922 genau iiber f dasselbe Problem gehandelt, Gott und Sto,olt, ein Aufsatz lim Logos.€ Er hat auch gemerkt, dafi da Analogien sind t zwischen Theologie und Recht, erstens formal und zweitens psychoanalpisch. Das ist die Viener Atmosph6re 7920122. Frir Kelsen ribernimmt die Analyse nun die Funktion der Theologie, eine enthrillende Funktion. Schmitt dagegen insistiert, daf3 die Theologre immer recht hat gegenriber diesen nebbich Staatsrechtlern, weil die \r9Hens
Kelsen,,,Gottund Staat", irz LogosXl (19Y2123), 261-W4,
in ders., Stoat und Naturreohc, bg. v. E. Topitsc\ q$4t. 1989, 29-55.
Mrinchen
C.c,Rr. Scnunr uno Kml Bnnrn
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Begriffe dort Sinn und Kohdrenz haben, wdhrend sie im Staatsrecht verwirrt sind. Schmitt irgendeinen Es ist ein Mif3verst6ndnis, Sinn frir Synthese zu unterlegen. Nichts dergleichen. Don doutechon Romantlkorn lsl olno orginollo Voretollung olgontilmlichr des owlgo GesprEchSNovalie und Adam Miillor bowogon sich darln clg dor oigontlichen Roallelorung ihros Goietes. Dlo ketholischon Staatsphllosophen, dio mon in Doutschlond Romantikor nonnt, woil sio koneonotiv odor reokdonEr waron und mitteloltorlicho ZustEndo ideolisierton, do lUaistro, Bonald und Donoso Cort6s, hEtton oin ewlgos GoeprEch wohl ehor fiir ein Phantasioprodukt von grousigor Komik gohalten. Denn wos ihro gogonror'olutionEro Staotsphilosophle auszoichnoL ist das BowulStsoin, dalS dlo Za'il olno Entscholdung vorlangln und mlt olnor Enorgre, dlo slch zwlschon don belden Revolutionon von 1?89 und 1848 zum flufisrston Extrom eteigortn trltt dor Begriff {e-q-E-nfrprnerdrlog ln don Mittolpunkt ihroe DonkifrFtlEi6F
ell, wo dio katholischo Phllosophio des 19. Jahrhunderts sich in geistiger AktualitEt Eu0ort, hat sio in lrgendoinor Form don Godanken ousgpsprochen,daB oino groBo Altornative sich oufdr6ngt, dlo kolno Vormlttlung mohr zulilBl. No modium, segt Nowman, botwoon cothollcity and atho- t lsm. Allo formutleron oin gro8os Entwedor-Odor, doesen /l RigorositEt ohor noch Dlktotur klingl els nach oinem owiI gen GosprEch.(S. 69) Und i"t t S.78 BegelnEnde des Aufsatzes, wo Carl Schmitt seine Galionsfigur Donoso Cort6s vorfiihrt, einen spanischen hohen Diplomaten, der in Berlin wirhe und dann in Cotes gewaltige Reden hielt in der Revolutionszeit 1848 rfber die Dilcatur des Sebels und die Diktatur des Dolche. Er sagte: ,,Wenn die Vahl zwischen Freiheit und Tyrannis bestiinde, wer unirde nicht Freiheit udhlen?! Aber das ist nicht die Alternative! Die Alternative besteht zwischen der Diktatur des Sdbels oder der Diktatur des Dolches, das heif3t der zwischen der Dilcatur des Staates und der der Anarchisten.* Solchon ,rorganischon" Donkons woron do Molstro wlo Donoso Cortds unfEhig. Do Malstro hot os bowioson durch solno totolo YorstEndnisloslgkoitfiir Scholllngs Lobonephiloeophlo3
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ZwrrrsR Tnn : Vnrnrncprv
Gemeint sind Uberg6nge, Synthesen, all das war fiir ihn Bl6dsinn. Donoso rmrde von Entsetzen ergriffen, als er in Berlin im Jahre 7849 den Hegelianismus von fuigesicht sah. Beide uraren Diplomaten und Politiker von grof3er Erfahrung und Praxis und haben genug verst6ndige Kompromisse geschlossen. Aber der systematische und metaphysische Kompromifi war ihnen unfafibar. Am entscheidenden Punlt die Entscheidung suspendieren, indem man leugnet, dafi hier tiberhaupt etwas zu entscheiden sei, muf3te ihnen als eine seltsame pantheistische Veru'irrung erscheinen. Jonor Liberoliemue mit solnon Inkoneoquonzon und Kompromlssen lobt fiir Cort6s nur ln dorn kurzon fntorlm, ln dom es mOglich ist, auf dio Frogo: Christus odor Barrabas, mtt olnom Vortegungsantrag odor dor Elnsotzung olnor Untersuchungskommleslonzu entworton. Das ist Cort6s in einer seiner groffen Reden in Spanien. Elno eolchs Heltung lst nlcht zuftlltg, sondorn ln dor liberalen Motophplk bogriindot Dio Bourgoolslo ist dio Klasso dor Rodo- und ProBfroiholt und kommt gorodo zu dieson Froihoiton nlcht ous irgondoinom belloblgon psychologisehon und iikonomlechon Zuatnnd, ous handolsmEfiigom Donkon odor dorglolchon. (S. ?8 f.) Sie sehen also: von einer Synthese, einem KompromifS, positiver Einschit^tng der Sdkularisierung ist hier riber-
haupt nicht die Rede, im Gefuenteil. Zwischen Christus und Barrabas ist mit l.Jntersuchungskommissionen nicht einen Schritt weiterzukommen. Mit der diskutierenden Klasse trifft er zrnair nicht alles, aber ein Strick des bourgeoisen liberalen Kulturprotestantismus. Denken Sie an Buber und Hammerski6ld im Hochhaus der Vereinten Nationen. \[enn die nur miteinander sprechen! Als ob da in dem ewigen Gesprich schon der V"g zrtrrn Frieden ge6ffnet wire. Das geht vollkommen vorbei an den wirklichen Mdchten, die hier herrschen. Viele Jahrzehnte spdter bekommt Schmitt einen Gegner in Hans Blumenberg. Dessen erstes Verk, Die Legitimitdt
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Cmr, Scnunr ulo K.mr,Bmrn
der der Neuzeit, ist ein Knriller.ae Vas heifit Legitimitit die Neuzeit herum um 1950/60 Neuzeit? Es scheint, daf3 in Bedringnis geriet. Man sah das Ende der Neuzeit, Beginn des Mittelalters, Guardiniso, SedlhoF, Verhtst der Mitte,6r Sie kdnnen sich die Karten mischen, *it Sie vollen. Blumenberg entdeckt in dem Vort Sikularisierung den Unrechtstitel; er veru'irft diesen Begriff, er sagtr er heh nicht durch. (Ich glaube, er hilt trotzdem durch.) Es ist Blumenbergs [dee, dafi dieselbe Substanz sich tradiert in andere Gebiete, sich wdlzt, wie ein Schlamm sich wdlzt von der Theologie in di6 Rechtslehre, von der Rechtslehre in die Literatur. Blumenberg will methodisch diesen Faden abschneiden und sagt: der Begriff hilt nicht. Und darauf hat Carl Schmitt, er ist der einzrge, geantwortet und in der Politischen Theolngie .I/ einen Exkurs riber Blumenberg eingefiigt.s2 Diese Auseinandersetzung wiederum hat Blumenberg dazu bewogen, in der zu'eiten Auflage seines Buches auf Schmitt za antworten.a \ | Vas letztlich dabei rauskommt, ist: Was fiir Schmitt \ [ Wirklichkeiten sind, sind fiir Blumenberg Metaphern. Blu- \ \ menberg, von den Lebenden der einnge Philosoph Deutschlands, der mich interessiert, ist Metaphorologe. Schmitt fraglz Vas ist hinter den Metaphern? Und er zeigt, dafS da ein Autismus hinter diesen Metaphern steclc. Ein ,,autos". Sie k6nnen das nachlesen. AIso das ist der Sinn ie. Venn I von Sikularisierung: es ist eine U es von elnem lU't*r. [r.r^ t. ' etwas s6kularisiert ist, dann fl'^oi,c"" ei-nen unrechtmifii- I i o o . + . rechtmif3igen Ort transferiert \{-r^'^-LJ gen0e n'[ rt r 0++ J'lLra mit theologiarbeite theologisch. Ich Ich denke nicht schen Materialien, aber ich denke geistesgeschichtlich, itischen Potentiarealgeschichtlich. Ich frage nach den len in den theoloft {e Flans Blumenbeqg, Die Legitimitdr der Neuzeir, Frenl{urt 1966. s Romano Grrarfi-i, Das End.e der Neuz,eic, Vtrrzb'ury 1951. sl Flans Sedlnayr, Der Verhnt der Mitte, Salzb'urg 1948. s Carl S"hmttq Politische Theologi.e II. Die Legende wr1 der Erledigwtg jeder Pohtischen Theologie, Berlin 1970, lW-126. \ ss-f{nns Blunenbe tg, Sd.kilarisierung und' Selhstbetuunlmy Frenkfurt
t971,103-118.
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ZvmnnnTul: Vnrcnrcnv
d-en theologischen Pot"t titlt4 d"r i,rtittit"h moralisch. Ich bin kein fting-giagt ster-Richter. Vor mir steht nicht Carl Schmitt auf dem 1/ Stand, Karl Barth auf dem Stand. Ich will verstehen, was a" los ist. Denken Sie doch an 1848. Das politische Po, lil uu tential Kierkegaards ist sehr lange unterschdtzt worden. Der erste, der darauf hingewiesen hat, war Karl Ldwith, als er den Satz hen'orhob: Es gibt keine Herrscher mehr, keine K6nige, die die Masse, die Meute noch im Zaume halten k6nnen; es grbt nur noch das Bild des M6rtyrers. Das ist doch eine politische Aussage! Die Meute 1848 ist nicht mehr durch Legitimitetsfiguren, K6nig, Kaiser, Guneral zu bindigen, sondern nur noch durch den Mdrtyrer, denn sie ist aufier Rand und Band geraten. Das ist eine politische Aussage. Kodalle hat einen sehr ausfiihrbei lichen Aufsatz riber das politische Potential Kierkegaard geschrieben.s Es gibt ein Interesse? den Staat zu retten gegenriber den chaotischen M6chten der Partei.ss Ieh kann verstehen, dafi es ein Interesse eines Juristen, eines Staatsrechtlers grbt, das Chaos in Formen einzufangen, auf daf3 es nicht riberwEltigt. Und das nennt er den katechontischen Impuls. Der Aufhalter. Ich habe Schmitt in einem Aufsatz einmal den ,,Apokalyptiker der Gegenrevolution" genannt. Vir wuf3ten, dafi wir Gegner auf Tod und Leben sind, aber wir haben uns glEnzend .verstanden. Wir uruf3ten eines: daf3 wir auf derselben Ebene reden. Und das war eine sehr seltene Sache. Die Vechselbdder zwischen Symbolistik und scharfsinniger I Analyse da muf3te man sozusagen riber waren betr6chtlich, I Stock und Stein springen? um da initzukonunen. \ \ Das Interesse an der Macht des Staates - das gibt es ia auch im Christentum. Man betet frir die Enhaltung des Staates, denn gottbehrite, urenn der nicht bleibt, dann bricht das Chaos oD, oder, noch schlimmer, das Reich t* Vgt IC M. Kodelle, ,,Der non-honforme Eiazeloe. Kierkegaards ExiI stery-Theologie, ia: J. Teubee (H*g.), Der Ftirct diacer Weh, Mr&nchiet I 1983' l9&2i6; ders., ,,'lFalter Beniemins politischer Dezisionismus im I t Konted6, in: N. Bolz, V. Hi,bener (H*S.), Spiegel und {:glggschen Cleiahnis. Festsahrift fiir lanob Taubes, Vtirzb'urg 1983, 301-317. $ Hinweis euf Erosi FraenLe[ Thc Dual Scolce,N!* YorL 1941.
Vlr,rsn Brnrrlunvuno TnnouonV. Aporuo
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Gottes! Das w6ro das Argste, was passieren kann. Diese Stellen finden Sie alle bei Blumenberg zusammengestellt.s Das ist das Interesse am Staat. Carl Schmitt hat mir mal erz6hlt, dafi er zusarnmen mit deutschen Staatsrdten und Professoren, darunter auch Heidegger, von G6ring in einem Nachtzug nach Rom verfrachta worden ist zu einem C'esprdch mit Mussolini. Und Mussolini h6tte ihm gesagJ, damals, 19342 ,,Retten Sie den Staat vor der Partei!" Entrtistung hilft hier gar nichts.
3. Nihilismus als Veltpolitik und Hsthetisierter Messianismus
Walter Beniamin undTheodor W Adorno R6rner I hat seine genaueste Parallele, wie mir scheint, in einem Text, der von ihm knapp neunzehnhundert lahre getrennt ist, und das ist das Theologisch-Politische Frag: 'l[alter Beniamin. Er ist abgedruckt in den ment vort Illurninationen, unter falschen Vorausset zrlngelnnach den geschichtsphilosophischen Thesen [,,Ober den Begriff der Geschichteo, 1939/40], die das letzte Verk von Beniamin sind. (Scholern, der eine Herausgeber, wufite, daB das ein fr&her Text ist, Adorno, der andere, wufSte es nicht. Ich habe versucht, Adorno zu erklSren, warum das ein frtiher Text ist, und er hat es eingesehen sregen der Bloch-Stelle, da war es also klar, dafS das aus dem Jahre t92l etwa stammt. Es ist der gedrungenste Text von Beniamin, von dern ich meine, daf3 er durch und durch polemisch istUnd 6$ar nicht nur in unserem Zusammenhang, sondern im Zusammenhang der ganzen Kreatur und ihrer VergEnglichkeit. Also R6mer 5 schwingt hier auch mit.
$ FIr'," 43.
Blumenberg, ffi.kularisierung
und &lbstbelnuPtuns,
54, Atrm'
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Zvrnnn Tsrr.:Vnrnnvcmr Theologisch-politischesFragment
Erst dor Mossio"ssolbst vollendot allos hlstoriecho Goeehehon, und avlal ln dom Sinno, daB or dossonBozlohung auf das Moeslanlechoeolbst orst orl6et, vollondot, echalft Ein sehr schwieriger Satz. AIso, erstens mal ist klar: Es glbt einen Messias. Keinen Schmonzes, ,rdas Messianische*, ,,das Politische", keine Neutralisierung, sondern der Messias. Das mufi man klarstellen. Nicht, dafi es sich hier um den christlichen handelt, aber es heifit: der Messias. Keine aufkldrungswolkige oder romantische Neutralisierung. Darum kann nlchte Historiechos yon sich ous slch oul
Beniamin teilt den Gedanken von Scholem (ich bin nicht ganz sicher, ob er richtig ist), daB die Apokalyptik keine Ubergdnge kennt, sondern zwischen dem letzt und dem Darrn eine Tnit der Katastrophe setzt, eine 7-eit de Schweigens, eine Zeit der totalen Vernichtung und Verunistung. Man mfif3te das an den vielen Apokallpsen iiidischer und nicht-iridischer Zeit noch prfifen. Dorum konn dio Ordnung des Prolanon nlcht am Godenkon dos Gottosrolchos oufgobout wordon, darum hot dio Theokratlo kolnon politischon, sondorn alloin oinon rollglOson Sinn. Dio politischo Bodoutung dor Theokratio mit allor Intonsit6t golougnai zu habon lst das gr0Bto Vordionst von Blochs ,,Golet dor Utopio'.
Ein Vort zu diesem Satz. \[ir wissen aus Briefen, dafJ Benjamin sich lange gemriht hat und eine Rezension von Ceist der Utopie, und zt$ar der ersten Auflage, versucht hat, und sie bei irgendeinet Zeitschrift, die Bruno Cassirer herausgab, untergebracht hatte. Die ist verloren gegangen'. Also bis jetzt nicht aufgefunden. Nach seinem eigenen Zeugms zu schliefien, scheint die Rezension die als Pointe gehabt zu haben, daf3 TheokratiesT (bei Bloch iibrigens s? Taubes lEGt den Setz unvollendeg
er vcrrreist auf seiae Yollendu-ng
V^lr,rnnBunrmluvulo TneooonV. Aoomvo
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ein ganz negativer Begriff, das ist frir ihn Ezra, Kirchenregrmentl ich s9!' qar ni9ht, wo das riberhaupt eine positive Rolle bei Bloch spielt in Geist der lJtoprc und r"h-or. gar nicht in_diesem Bilderbugh {er Utopie prinzip Hoffn?ng.) Man kgnn die Beniaminsche Intention nic[t gui, erkennen, weil der Satz zu vendtselt, zu kurz ist. Aber er soll nicht falsch gelesen werden! Das heif3t nicht, daf3 die Begriffe der Theokratie keine politischen sind. AIle christlichen Begriffe, die ich kenne, sind hochpolitisch brisante oder urerden es in einem gewissen Moment. Der Zeuge, zulr Beispiel, der Martyi 4t R6mer 13 geh6rt auch Offenbarung 13, die Mirtyrer-Theologre. Die geh6rt auch zrurrr Christentum. Und da ist alles dffentlich. Und wer sich wegschleicht, das sind die Doketisten und so weiter, das wird in den Sendbriefen ziemlich angeprangerr. Das heif3t nicht nicht6ffentlich, sqndern religi6s. Dio Ordnung dos Profanon hot eich oufzurichton an dor Idee dee Gliicke. Dio Bozlohung dlosor Ordnung auf das Mossianiecho lst oinos dsr wosontlichon Lohrstiicko dor Geschlchtsphllosophio. Und zwar lst von ihr aus oino mystischo Goschichtsauffassungboding, doron Problem in oinom Bilds sleh darlogon 16fit. Wonn eino Pfoilrichtung das Zlal, ln wolchom dlo Dynemis des Profanon wirkt, bozolchnot, olno endoro die Richtung der meseianischon IntonsltEt" eo etrobt frolllch das Gliickssuchen der freion Illonscbhoit von ioner msssianischon Richtung fort, eber wio oino Kroft durch lhren Weg oino andero auf ontgegengasotztgorlchtotom Wogo zu boftirdorn vorrneg' so auch die profano Ordnung dos Profanon das Kommon des mossioni' schon Rolchos. Das Profono also lst zwar kelno Katogorio doe Rolche, abor oino Kotogorlo, und avEJ dor zutsal' im. Zitttz rr... Leinen politischen, sotrdern allein einen religiOse" Sinn hat". Der Gedenke der Gottesherrscheft bnn sich Eiemels euf ,,die Ordmrag des hofa^nen" beziehen. Zr'.m BeFilf der Theolr"ti." rEl.j"" 3. Baodder Reihe Retigionstlwori,e und P6hCische Theokatier J. TeuVorn'o{gehen Taubes und bes (Hrsg.), Ttnokrarc, futrnchen lgq.Im Bolz' Benia^miasche BlocbRezeusion ein: r,Diese -Gteoizziel*-S ""idL mystiscler und politischer Theokratie het sich als unglickzq'ischen feleifiziert" Veiter unten lich erwiesen - sie xrufde-welgeschicklich heiGt es im Anechlu$ an den f"it""S ron D. Georgit ,,Nicht mystische rls. politische, sondern Theokratie vJn oben w. Theokratie rriorr unten heiGt nua die entscheidende Antithese".
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'V'nnnrcnv Zwnrn TnrL:
fondston olno, solnos loiesston Nahons. Donn lm Gliiek orstrobt alloe Irdischo eolnon Untorgang' nur im Gliick ebor iet lhm dor Untorgang zu lindon bostimmt. Gltick wird hier mit Verg6ngnis identifiziert, mit Untergang! Genau das Gegenteil von Goethes Faust, von Nietzsches ,,*Alle Lust will Ewigkeit". Das ist mit harter Polemik gegen all das gesagt. Beniamin sieht den Horror dieser Verldngerung von Goethe, dieser Sehnsucht des Verweilens. Hier haben Sie die Verfremdnt g von Nietzsches ewiger Wiederkehr. Sicherlich l6fit er Leiblichkeit als die Ordnung, in der sich das Profane erfiillt. \trie soll sichos denn sonst erfiillen? Aber im Untergang. W8hrend freilich dio unmittolbaro moesianlscheIntonsittt dos Horzons, dos innorn olnzolnon lllonschon durch Un' gliick, lm Slnno des Leidone hlndurchgoht. Dor golstllchen rostltutlo in lntogrum, wolcho in dio Unstorblichkoit olnfiihrf, ontsprlcht oino woltlicho, dlo in dlo Ewigkoit olnos Untorgongos fiihrt und dor Rhythmus dleses owlg Yorgehonden, ln eoinor TotolttEt vergohondon,ln eoinor rEumli' chon, abor auch zoltllchsn TotalltEt vorgohondon Woltli' _ chon, dor Rhythmus dor moesionlschon Netur, let Gliick. Donn moseianlsehisl dlo Notur ous ihror ewlgon und totolon VorgEngnie. Dloso zu orstrobon, ouch fiir dloionigon Stufon dos IUonschon, wolcho Natur slnd, ist dlo Aufgobo dor Woltpolitik, doron Nlothodo Nihlllsmus zu helBon hat. Ich behaupte, dafS dieser Begriff des Nihilismus, wie Beniamin ihn hier entwickelt, der Leitfaden ist auch des /zos me im Korintherbrief und des R6merbriefs. Die Velt vergeht, die morph{ dieser Velt ist vorbei. Das Verhiltnis zur Velt ist hier im Sinne des iungen Beniamins \treltpolitik als Nihilismus. Und das hat Nietzsche verstanden, dafi hier hinter all dem ein profunder Nihilismus am Verke zrn Zerstdrung des ist, und zr$ar als Veltpolitik, \, r6mischen Imperiums. I I Deshalb sind also mit R6mer 13 keine lutherschen Geschdfte zu machen, es sei denn, der ganze Rahmen, die Zeit ist kurz und so weiter ist aufgegeben. Dann kann man allerdings damit Bauern erschlagen und was alles
VlrrsR BnnrmrnvuNo Tnsopon
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unter diesem Titel verbrochen wurde und verbrochen wird. Mit Paulus hat das nichts zu tun. Hier ist ein nihilistiRoscher Blick auf die Velt, konkret auf das Imperium manum. Und das hat Nietzsche verstanden. Beniamin, das ist die erstaunliche Parallele, hat einen paulinischen Begriff der Sch6pfung; er sieht die Vehen der Schdpfung, die Vergeblichkeit der Schdpfung,. Das steht ja alles in Rdmer 8: das Seufzen der Kreatur. Offnen Sie diesen Text und lesen Sie ihn laut, und dann lesen Sie Benjamin, dann u'erden Sie aus dem Staunen nicht rauskommen. R6mer 8, 18. Darriber spricht Beniamin. Das ist die Vorstellung der Sch6pfung als Verg6ngnis, wenn sie ohne Hoffnung ist. 19 Denn dio Sehneucht dos Geschaffonsn wartot auf das Offonberwordon [der Horrlichkeitl dor Siihno Gottes. 20 Donn der Nlchtigkett wurdo dos Goscheffono untorworfon, nleht frotwilllg, sondorn um doseon wlllon, dor oe lbr untowarfl 2l auf dls Hoffnung hln, daB auch das Goscheffono solbst bofroit wordon wlrd von dor Knochtschaft dos Vordorbons zur Freihelt dor Horrlichkolt der Klndor Gotlae. 22 Donn wlr wiseon, dafi ollos Goseheffono insgoseInt eoufzt und slch echmsrzllch Engsdgt bls lotzl.23 Aber nlcht nur das, sondorn auch wlr eolbst, dio wlr dlo Erstllngsgabe des Golstos habsn, auch wlr eoufzon ln uns sslbet und warton aul dio [vollo Qffonberung dorl Annohmo an Sohnes Stott, euf dlo Erldsung unoros Lolbes. 24 Donn lnurl ouf Hoffnung hln slnd wir gorottot wordon. Eins Hoffnung obor, dio man sioht, iet kelno Hoffnungy donn was oinor /' t . sieht, weshalb hofft or Gs noch? 25 Wur1-$jrcgg4 J A hoflen. wos wtr-o-so-warJo-@e-J GJdsld. 26 Ebonso kommt abor auch dor Gelst unsror i €chwachholt zu HlJlo. Donn wlr wlsssn nlcht, was wir boton eollon, wio sich'e gobiihrtl abor dor Golst eolbst tritt fiir uns oin mit unouseprechllchon Soulzern. 27 Dot iodoch, dor dlo Horzon orforscht, wolss, wos das Trachton doe Golstes isg donn er Gltt fiir die Hoiligon oln, wio os Gott gofEllt. 28 Wlr wlsson abor, dass donon, dlo Gott llobsn, allo Dingo zum Guton mltwlrken, donon, dlo nach eoinor zuvor gotrollonen Entscheldung borufon slnd. 29 Donn dio or zum yorouo onsohon hat, dio bat sr auch vorhorbostlmmt, glolchgostoltet zu eoln dsm Bllde solnoe Sohnos, damlt or dor Erstgoborno sol untor violon Briidorn.
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ZurerrnnTnn: VrnnrxcBn
demolcaUnter vielen Brridern. Man kann nicht sagen tisch, aber iedenfalls nicht ein Herr, kein Imperator. das ist der Anti{aesar. Sie mfissen bedenken: S""aL* Rom geschrieben, wo der Caesarenkult die ;;;l;; "ach - Sie *"ikrt hier, daf3 Paulus sich ganz eil.rrr-irt. Sorgen iiber Natur macht. Natiirlich nicht """r,i*fiche Er hat keinen Baum im Leben geseSorgen. Etotogirche velt gefahren so wie Kafka - nie die h"". bt irr durch g"rt* beschrieben oder ervihnt- Ieh kenn' solche Ty"i" Jerusalem. Der schreibt nicht: Lieber Freund, ein ;;"1. - das sch6nes Vetter, oder herrliche Natur um mich her bemerkt er alles 1ar nicht. Finden Sie mal in einem Pause von dieser Leidenfaulinischen Briei irgendeine schaft, von dieser Beslssenheit, von diesem einen Thema, das ihn bewegt. Oberhaupt nicht, es gehl durch. Gehen sie mal Kaftas Romane durch, ob es da einen Baum grbt. Vielleicht einen, wo ein Hund pif3t. Das ist die einIige Fo.m, in der iiberhaupt ein Baum auftreten kann im SinUP oder im Prozq6. Natur erscheint nur als Gericht, weit aber das fiihr-t' ietzt biel'4r g',1,,zwichtige, nimlich eine watuqtr istf dennoctr Und st6hnt, sie seufst ron,' Sie eschatologische'Kat-egorie. eine Vas heif3t ,,seufzt'? Veigeblichkeit. der Vergangnis, ter der C'ebet mfissen Sie lJnter zen. Da erkl6rt-er: auch wir seuf der christlichen in Singen sich etwas anderes als das und der geseutzt geschrieen, Kirche vorstellen, wo also sind BeDas wird. Himmel gestrirmt wird, wenn gebetet Theokeine sind das schreibunlgen, das sind Erfahrungen, DarGemeinde. logumenr. So erfahrt Paulus beterid die riber wtire viel zu erzdhleno aber das frihrt in einen Bereich, den die Moderne als ,,privat' bezeichnetAIso ich sehe den Beniamin als Exegeten der Rdmer$' 7 | Ntt.tt, der Verg6ngnis, und von R6mer 13, dem NihilisI mut als Weltpolitik. Und das hat bereits Nietzsche ero rr&'kannt, und Nietzsche hat sich gewehrt*fu-:1te'Q.e,Ls-qs-s1-c!t \J$ -- gewehrt hqt. Sie miissen das mal sehen bei Plotin, dieses -ttt"iii66"gt ostische Gesindel, die Leute, die tiberhaupt t: tun, nichts keine Verke, die glauben, sie sind erl6st, : t \q mtissen gar nichts tun dafiir - so Plotin in den Enneaden, {l so Celsus bei Origenes, so Nietzsche heute. Genau dasseltl [[
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Bpnrmrnr uno TnBooon V. Alonno
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be. Ich finde keinen Unterschied. Ich habe den Nietzsche gelesen und hab' mich gefragtz,Findest {u mai irgendein ir.g.t*"t t, das Celsus nicht schon qtlt"bl hat? Ich hab' keines gefunden. Im Prinzip, natrirlich, dt ist es dasselbe, *"J Celsus sagt. (Ich habe einem kleinen Verlag, Matthes & Seitz, gesa{tz Verdffentlicht mal den Celsus, Den Nietzsche k6nnt lhr ia nicht Ihr werdet rt"nt "tt! ver6ffentlichen, weil den DeGruyter hat, aber Celsus ist freier Markt! Und dann pldtzlich seho ich: es ist da. Sehr witzig fand ich das. Es hat sich glinzend verkauft, und ietzt kann ich es sogar Prfffen!). c''t,-'"*"l von Paulus allerdings in Beniamin unteregfulld5ich V-"' dem Gedanke; Paulus gibt Prof".t-tttttttt.i 6* -1